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ZEITSCHRIFT
FÜR
ETHNOLOGIE
Organ der Berliner Gesellschaft
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
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Redactions - Commission :
A. Bastian, R. Hartmann, R. Virchow, A. Voss.
Dreiundzwanzigster Band.
1891.
Mit lO Tafeln.
BERLIN.
Verlag von A. Asher & Co.
1891.
I
/S9/
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Inhalt.
Seite
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Ernst, A., Dr. Uebcr einige weniger bekannte Sprachen aus der Gegend des
Meta and oberen Orinoco _ * 1
Undset, Dr. Ingvald. Archäologische Aufsätze über sfkleuropäische Fundsiücke
(Fortsetzung).
VI. Alterthümer der Völkerwanderungszeit in Italien. (Mit 57 Zinkogr.)- 14
VII. Orientalische Einflüsse innerhalb der ältesten europäischen Civilisation.
(Mit la Zinkographien) 237
Virchow, Badoll Gedä(^tnissfeler für Heinrich Schliemann 41
Anhang: Bede zur Bewillkommnung SchHemann^s als Ehrenbürger Berlins, ge-
halten 1881 von Budolf Virchow 63
Achelis, Dr. Ths. Ethnologie und Ethik 66
Schumacher, Dr. Karl, Assistent an den Grosshcrzogl. Sammlungen in Karlsruhe.
Barbarische und griechische Spiegel. (Mit 7 Zinkogr.) 81
Soler, Ed. Zur mexicanischen Chronologie, mit besonderer Berücksichtigung des
zapotekischen Kalenders. (Mit 88 Zinkogr.) 88
Förstemann, Prof. Dr. E. Zur Maya-Chronologie. (Mit 18 Zinkogr.) 141
Schellen g, Dr. 0. Beiträge zur Anthropologie der Papua. (Mit 5 Zinkogr. und
Taf.in-.VI) 166
Besprechungen: «.
Karl Schumacher, Beschreibung der Sammlung antiker Bronzen. Karls-
ruhe 1890, S. 39. — Archaeological Survey of India. Oalcutta 1889, S. 39. — Brehra's
Thierleben, neue Ausgabe von Pechuel-Loesche. Leipzig und Wien 1890, S. 40. —
Heinrich Schliemann, Bericht über die Ausgrabungen in Troja im Jahre 1890.
Leipzig 1891, S. 78. — Daniel C. Brinton, Races and peoples. New Yoik 1890.
The American Race. New York 1891, S. 79. — E. Handtmann, Was auf deutscher
Haide spriesst Berlin, S. 80. — B. Florschütz, Die Giganten-Säule von Schierstein.
Wiesbaden 1890, S. 134. — Ernst Krause (Carus Sterne), Tuisko-Land, der arischen
Stämme und Götter Urheimath. Glogau 1891, S. 134. — Carl Peters, Die deutsche
Emin Pascha -Expedition. München und Leipzig 1891, S. 135. — Objets du demier
äge du bronze et du premier äge du fer d^couverts en Berry. Bouiges 1891, S. 186. —
Aurel von Török, Grundzüge einer systematischen Kraniometrie. Stuttgart 1890,
S. 139. — Ferd. Freiherr v. Andrian, Der Höhencultus asiatischer und europäischer
Völker. Wien 1891, S. 139. — R. Verneau, Les races humaines. Paris, S. 139. —
• M. Höfler, Der Isar- Winkel, ärztlich -topographisch geschildert. München 1891,
S. 140. — Abhandlungen zur Landeskunde der Provinz Westpreussen. Heft I. Anger,
Das Gräberfeld zu Rondsen. Graudenz 1890. Heft II. Lissauer, Alterthümer der
Bronzezeit in Westpreussen. Danzig 1891, S. 231. — Richard Klebs, Aufstellung
und Katalog des Bernstein-Museum von Stantien und Becker, Königsberg i. Pr. Nebst
einer kurzen Geschichte des Bernsteins. Königsberg 1889, S. 232. — Georg Jacob,
Welche Handelsartikel bezogen die Araber des Mittelalters aus den nordisch-baltischen
Ländern? Berlin 1891. Ein arabischer Schriftsteller aus dem 10. oder 11. Jahr-
hundert über deutsche Städte. Berlin 1890, S. 233. — Alex. Bertrand, Nos origines.
ly
La Gaule avant les Gaulois. Paris 1891, S. 284. — Moritz Hocrncs, Die Urgeschichte
des Menschen nach dem heutigen Stande der Wissenschaft Lief. 1—12. Wien, Pest
und Leipzig 1891, S. 236. — Paul Kohlstock, Aerztlicher Rathgeher für Ostafrika
und tropische Malariagegenden. Berlin 1891, S. 286. — W. Schnarrenberger,
Die PfaJilbauten des Bodensecs. Eonstanz 1891, S. 246. — Alois Baimund Hein,
Maeander, Kreuze, Hakenkreuze und urmotivistische Wirbelomamente in Amerika.
Wien 1891, 8. 247. — Garrick Mall er j, Israeliten und Indianer. Leipzig 1891,
S. 248. — Snell, Hexenprozesse und Geistesstörung. München 1891, 8. 248. —
Heinrich von Wlislocki, Märchen und Sagen der Bukowinaer und Siebenbürgor
Armenier. Hamburg 1892, S. 249. — G. Hellmann, Meteorologische Volksbücher.
Berlin 1891, S. 250. — Edward Theodor Walter, Skandinarisches Archiv. Lund 1891.
S. 260. — Emil Carthaus, Ans dem Reich von Insulinde. Sumatra und der
malaiische Archipel. Leipzig 1891, 6. 251. — Achelis, Adolf Bastian. Hamburg 1891.
S. 252. — Christian Meyer, Eine deutsche Stadt im Zeitalter des Humanismus und
der Renaissance. Hamburg 1891, S. 252.
Yerhandlangeu der Berliner Gesellsckaft für Anthropologie, Ethnologie nnd
Urgeschichte mit besonderer Pnginirnng.
Ein chronologisches Inhalts -Verzeichniss der Sitzungen, sowie ein alphabetisches Kamen-
und Sach- Register befinden sich am Schlüsse der Verhandlungen.
(Naclirichten über deutsche Alterthnmsfnnde 1891 mit besonderei: Pagiulrnng.
Inhalts -Verzeichniss nebst Titel wird mit Nr. 6 ausgegeben.
Verzeichniss der Tafeln.
Tafel I. Kartensteine der alten und neuen Welt. Verhandl. der Ges. S. 251—257.
9 n. Wendische Trachten der Niederlausitz. Verhandl. der Ges. S. 319.
» in -IV. Umrisse von Händen, V und VI Umrisse von Füssen von Papua. Zeit-
schrift S. 156 und 228.
„ VII— X. Feuersteingeräthe aus Aegjpten Verhandl. S, 474.
Verzeichniss der Zinkographien, Autotypien und
Holzschnitte im Text.
(A. = Autotypie, H. = Holzschnitt.)
Zeitschrift fQr Ethnologie, 1891.
Seite 14 40. Schmuckstücke der Völkerwanderungszeit in Italien (57 Zinkogr.).
87 — 88. Barbarische und griechische Spiegel (7 Zinkogr.).
89 — 188. Mexikanische Kalenderfiguren (88 Zinkogr.).
n 141—156. Zur Maja-Chronologie (13 Zinkogr.)«
r 156—280. Papua-Zeichnungen (5 Zinkogr.).
9 287—245. Alteuropäische Schmucksachen mit orientalischem Einfluss (18 Zinkogr.).
Yerhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie
und Urgeschichte, 189L
Seite 85—41. Alte und neue Gef&sse, Flecht- und Holzarbeiten, Spinngeräthe u. s. w. aus
Cypem (26 Abbild.).
n 48. Modernes Holzschloss von Cypem (Fig. 26).
78. Neolithisches Ornament an Thongefässen aus der Niederlansitz (7 Abbild.).
n 82. Nephritring zum Bogenspannen (8 Abb.) von Erbil, Mesopotamien.
„ 86—91. Artefakte der Steinzeit aus einer neolithischen Ansiedlung bei Werschetz,
Ungarn (Fig. 1—4).
VI
Seite 91. Artefakte aus Gold, Kupfer und Bronze von Werschetz (Fig. 5).
„ 95. Grabumen ans der Flur Lndosch bei Werschetz (Fig. 1—4).
y, 118 — 42. Altmexikanischer Federschmuck und militärische Rangabzeichen (% Abb.)*
„ 151—65. Altmexikanischer Federschmuck (6 Abb.).
y, 161. Felsenzeichnung von Vancouver Island.
f, 179. Situationsskizzen des Schlossberges von Rathsdorf, Westpr. (2 Zinkogr.)
y, 186. Omamentirte Urnen und Grab von Hochstüblau, Kr. Pr. Stargardt, Westpr.
(Fig. 1-8).
., 187. Giebel eines Hauses in Werbelin, Kr. Putzig, Westpr.
„ 188. Giebelverzierungen aus Ostpreussen (41 Abb.).
^ 189—212. Photographien ,und .Umrisszeichnungen der Handstands - Künstlerin
Eugenie Petrescu (44 Atb.).
n 238 — 41. Vorgeschichtliche Kartenzeichnungen aus der Schweiz (9 Abb.).
„ 242. Eiserner Arbeitslöffel zu Ausgrabungen (2 Abb.).
„ 244. Miss Annie Jonas, die b&rtige Dame (Autot).
n 252. Alte Kartenzeichnung des Nfls und der Seen.
„ 254. Felszeichnung und Erklärung eines Kartenbildes aus Venezuela (2 Abb.;.
„ 261. J. Rittersbach, der Mann mit dem Riesenbart.
„ 263—76. Hügelgräber und Fundstücke von Kehrberg, Kr. Ost-Priegnitz (35 Abb.).
y, 277. Riemenverzierungen aus einem Hfigelgrabe von Milow, Kr, West-Priegnitz.
„ 280. Dualla-Knabe aus dem Oberlande von Kamerun (2 Abb.).
„ 283. Zwei Papua-Knaben von Neu-Britannien und der Missionsbischof von Matupi.
(Autotypie).
^ 294. Aegyptische Bemsteinperle von Saqqarah (H.).
« 331. Eisencelt mit Keil und anliegendem Ring aus dem Zihl- Kanal bei Port,
Schweiz (Zinkogr.).
„ 332. Bronzering mit Knöpfen und Thierköpfen von Port (4 Autotypien).
„ 336. Bronze- und Thongeräthe aus bosnischen und kroatischen (Gräbern und ober-
italienischen Terramaren (16 Abb.).
^ 337. Vergleichende DarsteUung von Bronzegeräthen von Glasinac, Bosnien und
schweizer Pfahlbauten (9 Abb.).
n 340. Geologischer Durchschnitt einer Fundstätte aus Rio Grande do SuL
f, 841. Steinmesser der ältesten, der mittleren und der neuesten Periode aus dem
Gebiete des Rio Gahy und Forromecco, Süd-Brasilien (18 Abb.).
. 345. Steinäxte, Schleifsteine, Topfsteine und Stampf keulen von ebendaher (9 Abb.).
n 346. Scherben, Angel und Knochcnlöffcl vom Bodensee (3 Abb.).
.. 361. Verletzter und angebrannter Oberarmknochen aus einem Hügelgrabe von
Parsberg, Oberpfalz (2 Abb.).
n 366—67. Xiphodymes Skelet eines Neugeborenen (2 Autot.).
n 380 — 81. Blauer Glasarmring und Eisenmesser aus Gräbern des Kreuzrains bei
Hedingen, Zürich (2 Abb.).
., 387. Hametzen von der Nordwestküste America's (Autot).
- 387—95. Masken, Flöten, Bartringe u. dergl. von Indianern der Nordwcstküst«
America s (11 Autotypien).
. 400. Kostbare Perlen der Basutho in Transvaal (15 Abb.).
.. 406. Bronzeschmuck von Alt-Storckow bei Nörenberg, Pommern (3 Abb. und H.).
» 408. Omamentirte Hirschzacken von einem modernen Pferdegeschirr (Fig. 1) und
Feuerstein- Amulet in Messingfassung (Fig. 2) aus Oberbayem.
., 411. Feuersteinmesser (Fig. 1—3), Bronzeblcch (Fig. 4) und bearbeitete Knochcnleisten
mit Knöpfen (Fig. 5—7) aus archaischen Gräbern von Syracus (Autotypie).
., 413. Achnlicho Knochenlebtc von Hissarlik (3 Aut.).
. 426. Doppelring aus Golddraht von Schlesien (?).
. 458. Doppelaxt aus Kupfer (Fig. 1—2), Pfriemen mit Thierkopf (Fig. 2) und Urne
(Fig. 3) von Ketzin, Osthavelland.
vn
Seite 463—64. Zeus- und Blitzbilder aas Iliam (6 Abb.).
j, 464— ißö. Probe arabischer Zahlzeichen von 1249 und einer dazu gehörigen Inschrift
vom Drachenfels in der Pfalz.
„ 467. Sch&del aus einem neolithischen Grabe von Glasow bei Löcknitz, Pommern.
^ 469. Bktstein aus Oberbayem (2 Abb.)
n 487. Silberner Daumenring zum Bogenspannen (2 Abb.) vom Kaukasus (?).
r, 491. Bronzeringe mit Knöpfen und Thierköpfen aus dem Rhein und der Nachbar-
schaft (Fig. 1—5) und aus Transkaukasien (Fig. 6) (Autotypie und H.).
„ 495—506. Grundrisse und Bauart des dänischen Hauses in Schleswig (Fig. 1 aus
Sörup, Fig. 2—8 aus Süderbrarup, Angeln, Fig. 4—6 von Barsö, Fig 7 von
Farö, Fig. 8 von Kindsby, Fig. 9 Föhr, Fig. 10—11 von Ostenfeld, Fig. 12—13
von Föhr.
^ 521—80. Babylomsche Gewichte (26 Abb.).
„ 582. Babylonische Elfenbeinplatte (2 Abb.).
.. 578. Situationsskizze des Gräberfeldes von Rakhameh im Negeb.
n 583—89. Yorsl^vische Gräberfunde der Niederlausitz (Fig. 1—8 Niemaschkleba,
Fig. 4 Ossig, Fig. 8—14 Reichersdorf).
„ 598. Slavisches Thongefäss vom Silberberge bei WoUin, Pommern.
^ 594.* Bronzefund von dem Gräberfelde von 9^^^^^* ^- Lanenburg (7 Abb.).
„ 597. Nephritbeil von Ohlau, Schlesien (3 Abb.).
y, 602. Tempelbild von Mykenae (3 Abb.).
w 604—5. Darstellungen des Palladium in Mykenae (Fig. 1) und Tiryns (Fig. 2—4).
n 608— 18. Roggenkomgemmon des frühchristlichen Kirchengeräthes (21 Abb.).
„ 672—77. Ringe und andere Einrichtungen zum Bogenspannen (12 Abb., A. und Z.).
„ 681. Hünenbett von Drebenstedt, Altmark (Autot).
A 691. Archaische Bronzefibel von Santa Lucia im Litorale (Z.).
9 692. Kartenskizze der Nephritgegend in Turkestan (Z.).
9 694. Steinwaife (shouldered celt) von Ober-Birma.
„ 696—97. Caximbos von Rio Grande do Sul (Fig. 1—10).
9 697. Steingeräthe von ebendaher (Fig. 11—22).
n 699. Intaglio eines Ringes von Mykenae (Z.).
„ 700. Stierkopf mit Doppelaxt von Mykenae (Z.).
n 703. Steinzeitliche Ornamente aus Pommern (12 Abb.).
n 710. Topfscherben aus dem Gräborfeide auf dem Galgenberg bei WoUin (6 Abb.).
9 714. Slavische Gefässe von ebendaher (6 Abb.).
„ 717. Muldenbild am Waldsteinfelsen im Fichtelgebirge (2 Abb.).
m 718. Der Herrgottsstein bei Hendelhammer im Fichtelgebirge (8 Abb.).
n 719—24. Kartenbilder archaischer und wilder Stänmie (12 Abb.).
» 726. Modernes Holzthürschloss von Barbis im Harz (2 Abb.).
„ 727. Mandragoras- Wurzeln aus dem Orient (6 Autot.).
9 787. Yorlaubenhaus von Lenzen bei Elbing (Z.).
9 788. Gkdindischer Hof- und Hausgrundiiss von Alt- Wartenberg, Ostpr. (Z.).
n 790—91. Giebelschmuck und Häuser von Nidden, Kurische Nehrung (8 Abb.).
n 792. Mastschmuck eines kurischen Bootes (Z.).
n 792. Gmndriss eines kurischen Hyises, iipn Nidden, Knrische Nehrung (Z.).
„ 795—96. Häuser von Schwarzort, %urische Nehrung (3 Abb.).
9 799. Litauischer Hof von Dgenjän bei Memel (3 Abb.).
^ 812. Orientalisch bemalte Scherbe von Hissarlik (Z.).
» 815. Bronteringe mit Knöpfen und Thierköpfen von Stradonitz in Böhmen und
Trentschin, Ungarn (7 Autot).
„ 880. Kartenskizze der Völkerstämme auf Malacca (Z.).
• 889. Umrisszeichnungen von Nasen, Gesichtsprofil und Brust der Blandass, Malacca
(4 Zinkogr.).
9 847. Mundstück eines Blasinstruments aus dem Spitzhoch von Lattorf (2 H.).
vra
Seite 849. Kenlenknanf tod ebendaher und ein zweiter ans der Wamickcr Forst,
Samland (2 H).
„ 858. Lituus von Hannover (?) (3 H.).
» 861 - 62. Rillen an dem Isistempel von Philae (2 Abb.)*
^ 877—79. Rronzeringe mit Knöpfen und Thierköpfen von Elbeteinitz, Stradoniti,
Svirov und Ptin, Böhmen nnd Mähren (14 Zinkogr.).
„ 882. Dnrchlochta Nadeln aus califomischen Gräbern (7 Zinkogr.).
I.
lieber einige weniger bekannte Sprachen aus der
Gegend des Meta und oberen Orinoco.
Von
A. ERNST in Caracas.
(Vorgelegt in der Sitzung der B^liner anthropol. Gesellschaft vom 20. December 1890.)
Durch einen glücklichen Zufall gelangte ich imlängst in den Besitz
mehrerer handschriftlicher Wörterverzeichnisse aus Sprachen des genannten
Gebietes, deren Veröffentlichung von Interesse sein dürfte, da der Inhalt,
wenigstens so weit ich hier die Sache zu beurtheilen vermag, noch grössten-
theils unbekannt zu sein scheint»
Leider kann ich über die Herkunft der Listen nur mittheilen, dass
dieselben aus dem Nachlasse eines Herrn Firmin Toro stammen, der
im Jahre 1865 in Caracas starb und sich als Schriftsteller und Staatsmann
einen sehr geachteten Namen unter seinen Landsleuten erworben hat. Auf
wissenschaftlichem Gebiete beschäftigte er sich viel mit Botanik; dass er
ausserdem der amerikanischen Linguistik eine gewisse Aufmerksamkeit
zugewendet hat, beweisen überdies seine, mir gleichfalls vorliegenden um-
fangreichen Aufzeichnungen über die Sprache der Guajiros. Das von ihm
selbst geschriebene Manuscript dürfte wegen mehrerer Provinzialismen in
den spanischen Wörtern neu-granadischen Ursprungs sein; wahrscheinlich
verschaffte sich Toro das Jbotreffende Material in Bogota, wo er sich
längere Zeit als venezuelanischer Gesandter aufhielt.
Das Heft enthält Angaben über die Sprachen der nachfolgenden sieben
Stämme: Achaguas, Pamiguas, Churruyes, Tamas, Guahibos,
Sebondoyes und Almagueros.
Bei dem anonymen Charakter der Verzeichnisse könnte allerdings ihre
Zuverlässigkeit angezweifelt werden, und ferner wäre es möglich, dass die-
selben nur Abschriften aus irgend welchen gedruckten Werken sind. In
Betreff des ersten Punktes glaube ich jtdoch, dass die Uebereinstimmungen,
welche einige der Vocabulare (Tamas, Churruyes, Guahibos und Almagueros)
mit anderweitig bereits bekanntem Material zeigen, auch zu Gunsten der
allgemeinen Richtigkeit der übrigen sprechen. Was den zweiten Punkt
anbetrifft, so finden sich in den einschlägigen Hauptwerken von Gilij und
Hervas, soweit mir dieselben hier zugänglich sind, nur sehr allgemeine
Angaben über einige der genannten Sprachen. Sollte eine andere gedruckte
Quelle vorhanden sein, so ist dieselbe auch den belesensten Amerikanisten
unbekannt geblieben, da die beiden neuesten Arbeiten auf diesem Felde,
Z«iuclirift für Bthnologie. Jahrg. 1891. 1
A. Ernst:
voD Karl von den Steinen nnd Lucien Adam*), die angeführten Stämme,
oder wenigstens einige derselben, im entgegengesetzten Falle sicherlich
irgendwie berücksichtigt hätten.
Indem ich aus den vorstehenden Gründen die Publikation dieser
Vocabulare übernehme, habe ich geglaubt, es dürfte nicht überflüssig sein,
einige weitere erläuternde Bemerkungen hinzuzufügen, die sich namentlich
auf die Ethnologie der genannten Stämme beziehen. Die Aussprache ist
in allen Listen spanisch.
Gott: guamander.
Mann: guasiari caber.
Frau: inetua.
Kind (neugeborenes): tirracua.
Knabe: samarto.
Mädchen: samarta.
alter Mann: salirran.
alte Frau: saritoen.
Seele, Geist: favanäs.
Körper: nu-nacaje.
Kopf: nu-bita.
Haar: nu-bives.
Stirn: nu-nane.
Ohr: nu-biva.
Nase: nu-daco.
Mund: nu-numa.
Kinn: nu-cinuma.
Schulter: nu-cejo.
Ellbogen: nu-na.
Arm: nu-natuer.
Hand: nu-caje.
Daumen: nucaje manä jui.
Zeigefinger: nucaje junf.
Mittelfinger: nucaje beba mise*).
Ringfinger: nucaje emana case*).
1. Achagua.
I kleiner Finger: nucaje enibe.
i Feuer: chichäy.
Wasser: cietey(?).
Salz: nibituma.
Beil: chu.
Waldmesser: nu-mästen*).
Lasst uns gehen: vacavaje.
Wie geht es dir?: citajicabiope.
gut, wohl: ceica.
krank: nu-barinaca.
Gute Nacht: taicarajin.
Freund: nu-taricäy.
Er ist erzürnt: ibin taibaba.
Kaiman: umana.
Honig: maba.
Biene: nanay.
Ameke: guesi.
Gürtelthior: che.
Wald- Gürtel thier: che-manuy.
Jaguar: chabi.
Puma: mirrienari.
Bär (Ursus omatus): sarro.
Fuchs: isärito.
Eichhörnchen: matin.
Hund: auri.
1) Karl von den Steinen, Vergleichende Tabelle der Nu-Aruak (Durch Central-
BrasUien, 8. 294) — Lucien Adam, Trois faniiUes lingrnistiques des bassins de TOr^noqne
et de TAmaxone (Compte-rendu du Congres inttmational de« Amöricanistes, Berlin 1888,
p. 489— 497;.
2) Nach dem Vocabular wörtlich: «mein Finger, der in der Mitte ist**.
8) Nach dem Vocabular wörtlich: «mein Finger, der an einer Seite ist".
Beide Erklärungen i,zu 2 und 3) scheinen mir etwas verdächtig, da nucaje seiner
Stellung nach doch wohl eine Beziehung des Besitzes bezeichnet, abo mit «der Hand** lu
übersetzen ist
4) Vielleicht Terdorben aus dem span. machet«.
Ueber einige Sprachen aus der Gegend des Meta und oberen Orinoco.
Tapir: emayenesi.
Nabelschwein: chamü.
Kaninchen: pamparuma.
Reh: ner.
Aasgeier: gnaehnri.
Weisser Aasgeier: guachori cabarey.
Hoccohuhn: subita, cnisi.
Berghuhn: marrey, cutuy.
Adler: caibai.
Huhn, Henne: tabamay.
Dies ist mein grosser Hahn: taba-
may besieri caberre.
Topf: carraje.
Kalabasse: muriquia.
Teller: mitaje.
Löffel: biya.
Tisch: mesani (hisp. mesa).
Chicha: cutuy.
Ich füge noch aus Gilij (HI.
nujä: ich.
gijä: du.
pijä: er.
Banane: paratona.
Zuckerrohr: basue.
Mandioca (süsse): quenirro.
„ (bittere): arir.
Cassave (Mandioca -Brot): berre.
Mais: cana.
Pluss: uniaco.
Wald: abaca.
Savanne: bachaida.
Silber: barroa.
Gold: jirri.
geh: vayuba.
schwarz: cachajurey.
eins: abaf.
zwei: chamay, ochamay.
drei: matavi.
vier: grajunejaca.
346) die Personal -Pronomina hinzu
guaja: wir.
ijä: ihr.
najä: sie.
rujä: sie.
Aus dem Vocabular geht deutlich hervor, däss die Achaguas zur
Familie der Nu-Aruak gehören, und dass auch Gilij Recht hat, wenn er
ihre Sprache für nahe verwandt mit dem Maipure hält. Hervas sagt
zwar auch, das Achaguas sei ein Dialekt des Maipure (Catal. de las len-
guas, I. 208), bezweifelt aber doch bald darauf (I. 220), dass dies so sein
ktane wegen der Nachbarschaft mit den Omaguas, deren Sprache zum
Guarani gehört. In ähnlicher Weise bringt auch Friedrich Müller
(AUgem. Ethnographie, 272) die Achaguas irrthümlich mit den Omaguas
zu den Tupis und Guaranis. Waitz (Anthrop., HL 428) meint ebenfalls,
indem er sich auf Vater stützt, dass alle Völker, deren Namen dem der
Omaguas gleich sind oder diesen als Bestandtheil enthalten, auch ver-
muthlich Verwandte derselben sind. So weit diese Ansicht die Achaguas
betrifft, ist sie entschieden aufzugeben, und würde sie kaum auf diese
Anwendung gefunden haben, wenn man die Angaben des verdienstvollen
Gilij gebührend berücksichtigt hätte.
Von den alten Achaguas handelt mit ziemlicher Ausführlichkeit der
Jesuitenpater JuanRivero in seiner, im Jahre 1883 in Bogota zuerst
gedruckten Historia de las Misiones de los Llauos de Casanare
y los rios Orinoco y Meta, die im Jahre 1736 geschrieben wurde. Er
ist nach Gilij (HI. 410) auch Verfasser eines Wörterbuches der Sprache
f
4 A. Ernst:
der Achaguas, wahrscheinlich desselben, welches sich, wie ich glaube
irgendwo gelesen zu haben, handschriftlich in der Priyatbibliothek des
Königs von Spanien befindet.
Nach allen Berichten waren die Achaguas ein zahlreicher Stamm von
friedfertigem und gelehrigem Naturell, der aber gerade aus diesem Grunde
durch die Grausamkeiten der Spanier und die Angriffe der benachbarten
Chiricoas und Guahibos bald aufgerieben wurde. Sie bewohnten in alten
Zeiten einen grossen Theil der weiten Ebenen südlich vom Apure bis zum
Orinoco und über den Meta hinaus; doch schon zu River o's Zeit existirten
nur noch vereinzelte kleine Horden, auf die er den Vers des Virgil an-
wendet: Apparent rari nantes in gurgite vasto.
Der Stamm zerfiel in eine Menge von Clans, deren meist sehr lange
und schwerfallige Namen oft auf berrenais endigen, z. B. Marraiberrenais,
Guachurriberreuais, Maiiuberrenais, Atarruberrenais, Charaberrenais, Virrali-
berrenais, Murriberrenais, Isirriberrinais; andere Namen sind Juadavenis,
Quirichanies, Guadevenis, Chubacanamis, Jurredas, Majurrubitas, Nerichen,
Chevades und Cuchivavas. Die Endung berrenais erinnert allerdings an
berre (Cassave-Brot); doch glaube ich, dass ihre Wurzel in dem zweiten
Theile (caber) des Wortes für Mann zu suchen ist. Dafür scheint auch
zu sprechen, dass Rivero auf p. 326 angiebt, der Name der Isirriberrinais
komme von isirri (Fledermaus), weil diese Indianer glaubten, von einer
Fledermaus abzustammen. Sie wären demnach wörtlich „Fledermaus-
Männer** und das genannte Thier war wohl ihr Totem. Rivero hat das
allerdings nicht so verstanden; er sagt, diese Namen seien nur ein Scherz,
wie aus dem Worte cuisaunasi hervorgehe, womit man im Allgemeinen
jeden Clan bezeichne, das aber eigentlicli „chanza, burla" bedeute.
Die Achaguas waren wohl gebaut und von guter Grösse („gente bien
dispuesta, de forma gallarda y de buen talle"). Beide Geschlechter trugen
das dichte Haupthaar lang, bis zum Gürtel hinabhängend. Vor ihrer
Bekehrung durch die Jesuiten gingen die Männer ganz nackt oder
gebrauchten höchstens einen kleineu Sehamschurz; während die Weiber
sieh vom mit einer aus feinen Palmenfasern sorgsam geflochtenen Matte
(Haute) bedeckten, die etwa 3 Fuss lang und 27f Fuss breit war und
durch Schnüre an den Schultern festgehalten wurde. Die Barthaare wurden
auf das Sorgfältigste entfernt, sei es durch aufgeklebtes Harz, welches
man dann gewaltsam abriss, oder durch kleine hölzerne Zangen, oder
durch Fäden, die man möglichst nahe an der Haarwurzel befestigte, um
das Haar damit herauszureissen. Der ganze Körper wurde bemalt, oft in
sehr bunten Mustern; doch färbte man Kopf und Haare gewöhnlich roth
mit Chica und die Hände schwarz (mit dem Fruchtsafte der Genipa-
Caruto).
Die Weiber bestellten Anpflanzungen von Mandioca, aus deren Wurzeln
sie in bekannter Weist» das von ihnen berri genannte Cassave-Brot
Üeber einige Sprachen aus der Gegend des Meta und oberen Orinoco. 5
machten, welches auch bei ihnen zur Bereitung eines berauschenden
Getränkes (berria) verwandt wurde, von dem sie ganz erstaunliche Mengen
consumirten, wobei der spanische Pfeffer (Capsicum) als Reizmittel des
Durstes diente. Salz war ihnen ursprünglich unbekannt; wahrscheinlich
bekamen sie es zuerst von den am Ostfusse der Cordillere wohnenden
Stämmen, in deren Gebiete noch heut zu Tage salzhaltige Quellen aus-
genutzt werden.
Die Männer betrieben Jagd und Fischfang. Ihre Pfeile waren oft
mit Curare vergiftet, das sie durch Tausch von ihren Nachbarn am oberen
Orinoco erhielten. Auch beim Fischfänge, der in den zahlreichen Gewässern
ihres Landes sehr reichlichen Ertrag gewährte, bedienten sie sich des
Bogens, gebrauchten aber ausserdem Lanzen und Harpunen, letztere
namentlich bei grösseren gemeinsamen Unternehmungen, wobei sie im
Flusse quer verlaufende Hürden aus starkem Rohr anlegten, gegen welche
die durch den giftigen Saft der Cuna -Wurzel (wahrscheinlich eine Art
der Gattung Tephrosia) betäubten Fische in grossen Mengen strom-
abwärts trieben. Beim Beginne der Fischerei, der mit dem der trockenen
Jahreszeit zusammenfällt, beobachteten sie einen von River o beschriebenen
Gebrauch, der chaca genannt wurde und eine Art ritueller Einweihung
gewesen zu sein scheint. Man kochte nehmlich in einem grossen Topfe
einige der zuerst gefangenen Fische und unter diesen einen sehr kleinen,
der chaca hiess, und brachte überdies eine Menge Cassave-Brot und
Tabaksblätter zur Stelle. Der Piache blies dann unter mancherlei
Ceremonien und Gesängen Tabaksrauch auf Fische und Brot, worauf beides
unter die Anwesenden vertheilt und von diesen gegessen wurde, damit der
bevorstehende Fang reichlich ausfallen und Jedermann vor Unfall bewahrt
bleiben möchte. Ebenso gab man den Kindern von diesem „Speiseopfer",
um sie gegen alle schädlichen Folgen, auch des übermässigsten Fisch-
genusses, zu sichern, und gleichfalls den jungen Mädchen, die hierdurcli
vor zu grosser Beleibtheit in späteren Jahren geschützt werden sollten.
Rivero hält den Gebrauch natürlich für Teufelswerk; doch hat er kaum
den ganzen Vorgang richtig verstanden, da er von der Bedeutung dos
kleinen Fischleins, das doch eine grosse Hauptsache dabei zu sein scheint,
gar nichts zu sagen weiss. Vielleicht lässt sich der Sinn durch Vergleich
mit ähnlichen Gebräuchen bei anderen Fischerstämmen weiter aufklären,
wobei ich beispielsweise an eine Sitte der Timucua erinnern will, bei
denen die Eröffnung der Fischerei auch mit bestimmten religiösen
Ceremonien stattfand*).
Die Achaguas lebten meistens in Polygamie. Rivero berichtet nichts
über besondere Hochzeits-Gebräuche; dagegen macht er einige Angaben
1) Man tergleiche die aus Pareja's Katechismus von Gatschet (Zeitschr. f. Ethnol.
XIIL S. 195) und von Raoul de la Grasserie (Compte-rendu du Congres intern, des
Am^eanistes, Berlin 1888, pag. 409) angeführten Fragen des Beichtvaters.
6 A. Ernst:
über Behandlung der Kranken und Art der Leichenbestattung. Die Kranken
erhielten keine Pflege, nur legte man neben ihre Hängematte aUe ihre
Waffen, damit sie sich damit gegen Krankheit und Tod vertheidigen könnten.
Manchmal blieb indessen auch ein Mitglied der Familie neben dem Kranken,
um seinen Körper mit Tabaksrauch anzublasen^ oder eine Frau, um mit
der grössten Ruhe seine Haare zu kämmen. War der Tod eingetreten,
80 wurden sämmtliche Genossen des Clan durch besondere Boten nach
der Hütte beschieden, wo sie unter reichlichem Chicha-Genuss schreiend
und heulend drei bis vier Tage lang das Andenken des Verstorbenen
priesen und ihn schliesslich in ein in der Hütte geöffnetes Grab mit allen
seinen Habseligkeiten, Waffen und einigen Lebensmitteln begruben, aus
welchen Zugaben River o wohl mit Recht auf ihren Glauben an ein Fort-
leben nach dem Tode schliesst.
Die religiösen Vorstellungen waren wenig verschieden von denen
anderer Stämme. Nacli Rivero hatten sie die Idee eines Schöpfers aller
Dinge, neben welchem er mehrere Untergötter nennt, wie z. B. Jurrana-
minari, den Gott der Anpflanzungen; Baraca, den Gott des Reichthums;
Cuisiabirri, den Gott des Feuers; Pruvisana, den Urheber der Erd-
beben; Achacatö, den dummen Gott („dies tonto"), u. s. w., jedenfalls
nichts weiter als mehr oder weniger persönlich gedachte Erscheinungen
des Naturlebens. Sie hatten auch eine Sage von einer allgemeinen Fluth,
die sie catana nannten, und von der sie erzählten, dass einer ihrer Vorfahren
sich durch <lie Flucht nach einem hohen Berge gerettet habe. Götzenbilder
kannten sie nicht; dagegen hatten sie Zauberer, die aus der Begegnung
mit gewissen Thieren, den Stimmen der Vögel und anderen Zufälligkeiten
die Zukunft verkündigten, wobei sie sich durch Einathmung des Niopo-
Pulvers in einen ekstatischen Zustand versetzten. Wie alle Naturmenschen
waren die Achaguas fest überzeugt von der Realität ihrer Träume, und
verbrachten einen Theil des Morgens, um sich dieselben gegenseitig zu
erzählen. Von besonderen Cultus- Handlungen wird nichts berichtet; doch
dürften ihre, chuvay genannten Masken-Tänze hierher zu rechnen sein.
Um ihre Feinde auf eine den Thäter nicht compromittirende Weise
aus der Welt zu schaffen, brauchten sie gewisse Zaubermittel, die in ganz
ähnlicher Form bei vielen Völkern vorkamen und noch heute vorkommen.
Man suchte sich Haare, Abschnitte der Nägel, Speichel und andere der-
gleichen Dinge von der zum Opfer bestimmten Person zu verschaffen,
machte aus diesen mit chica (dem rothen Farbestoff der Arrabidea
ehlca) eine Mischung, die carrage, mojan oder auch camerico genannt
wurde, und indem man dabei laut den bösen Geist anrief („invocando a
grandes voces al demonio**), glaubte man sicher den Tod des Feindes zu
veranlassen*). Auf wirklicher Vergiftung scheint die Tödtung mit den
1) üeber Zauber mit Menschenblut und anderen Theüen des Körpers vergleiche man
den interessanten Aofsati von Ulrich Jahn in den VerhandL der Berliner Gesellschalt
Ueber einige Sprachen ans der Gegend des Meta and oberen Orinoco. 7
kurzen, rothen Haaren eines Wurmes oder einer Raupe (Rivero sagt, es
sei eine Schlange) zu beruhen, den die Achaguas barbari nannten, und
die man heimlich in die Speise oder das Getränk der betreffenden Person
brachte, deren Tod dann in drei oder vier Monaten nach einer, von öfterem
Bluterbrechen begleiteten Abzehrung erfolgte.
Die Achaguas lebten in Hütten von eigenthümlicher Construction.
Rivero beschreibt dieselben leider nicht, giebt aber an (p. 35), dass man
an ihrer Form und Bauart schon von weitem eine Niederlassung der Acha-
guas erkennen konnte. Ihre Hängematten waren aus Palmenfasern gefertigt.
Im Verkehr mit anderen Stämmen, und namentlich mit den Cariben des
Orinoco, benutzten sie ausser Tauschartikoln auch eine Art Muschelgeld,
welches quiripa hiess und von den Maibas am Canapurro während der
Regenzeit angefertigt wurde*).
Gegenstand des Handels waren unter anderen Artikeln auch die bunten
Federn der verschiedenen Arten von Papageien, und die Achaguas ver-
standen es, die Vögel so zu behandeln, dass ihre Federn von viel grösserer
Farbenpracht wurden, als gewöhnlich. Zu diesem Zwecke rupfte man
dem Vogel die Federn aus und bedeckte dann die Haut mit einer Salbe,
deren Zusammensetzung Rivero also beschreibt: Man nahm eine gewisse
Kröte und verwundete dieselbe durch mehrere Stiche in den Rucken,
bis Blut kam. Darauf brachte man das Thier in eine Calabasse und rieb
die Wunden mit Capsicum- Pulver ein. Das nach dieser Behandlung aus-
tretende, mit Eiter vermischte Blut vermengte man schliesslich mit
gepulvertem Chica, und die Salbe war fertig. Es ist bekannt, dass viele
andere Stämme noch heut zu Tage es verstehen, durch ein wahrscheinlich
ähnliches Verfahren die Farbe der Federn lebender Vfegel zu ändern, und
wäre es von Interesse, wenn einmal das seltsame Experiment von einem
in der Physiologie der Thiere wohl bewanderten Beobachter genau studirt
würde.
Im Jahre 1606 unternahm ein gewisser Alonso Jimenez die erste
Expedition in das Gebiet der Achaguas, bei welcher Gelegenheit viele der
für Anthropologie 1888. S. 131 und 132, und auch Lubhock, Origin of CiviÜsation, im
5. Kapitel (Spanische Uebersetzung yon Josä de Caso, Madrid 1889. p. 209, 211).
1) So sagt Rivero, p. 19, 38. Der Canapurro soll nach ihm ein wasserreicher
Fluss sein, den Onocutare aufnehmen und in den Orinoco münden. Ich habe keinen der
beiden Namen, weder auf Karten, noch in Büchern, auffinden können. Da jedoch der
Onocutare nach Rivero etwa drei Tagereisen nördlich vom Meta fliesst, so ist vielleicht
der Capanoparo der Karten der hier genannte Canapurro. Den Onocutare vermag ich
nicht zu identi£ciren. Die Maibas müssen ihr Muschelgeld aus Flussmuscheln gemacht
haben, vielleicht aus der oft über einen Decimeter langen Unio sjrmatophora Gronov.,
die in aUen jenen Flüssen vorkommt und unter dem Namen guarura am ganzen Orinoco
bekannt ist Im National -Museum von Caracas befinden sich einige aus Muschelschalen
gearbeitete Scheiben, von 5 — Q an Durchmesser und mit einem runden Loche in der
Mitte, die wohl auch Muschelgeld sind. Dieselben wurden in einer Höhle des Kalkgebirges
von Tn^jillo gefunden und scheinen aus dem Flügel des Strombus gigas geschnitten
zn sein, dessen wellige Faltung auf der einen Seite noch deutlich sichtbar ist.
8 A tlRN8T:
letzteren erschlagen oder als Sklaven fortgeführt wurden. Andere folgten
ihm, bis endlich im Jahre 1661 die Jesniten Erlauhniss erhielten, Missionen
unter diesen Indinnem anzulegen. Diese scheinen ziemlich guten Erfolg
gehabt zu haben; doch mit der Vertreibung des Ordens aus Spanien ver-
fiel Alles und die Achaguas kehrten zu ihrem alten Leben zurück. In
Venezuela stammt noch aus jener Zeit der Missionen der Name des Ortes
Achaguas in der Provinz Apure; was aber dort noch von Abkömmlingen
der Indianer lebt, ist eine bunte Mischung aller möglichen Elemente. In
Neu-Granada dagegen giebt es noch einige Hunderte von Achaguas von
reinerer Rasse, unter denen wahrscheinlich das mitgetheilte Vocabular auf-
genommen worden ist. Sie bewohnen als halbe Nomaden die Ebenen im
Osten der Staaten Boyacd und Cundinamarca, vom Casanare südlich bis
zum Vichadu und Meta. Perez behauptet, unter Brüdern sei Polyandrie
bei ihnen im Schwange, aus Mangel an Weibern, da die Mütter gewöhn-
lich neugeborene Kinder weiblichen Geschlechts tödten. Einige verfertigen
Thongeschirr, welches sie mit Eisen- und Manganoxyd bemalen und die
Farbe dann durch einen Firnis aus dem Harze der Hyraenaea cour-
bar il fixiren*).
Aristides Rojas') giebt die nachstehende Uebersetzung des Vater-
unsers in die Sprache der Achaguas, nach Vergara y Yergara, Historia
de la literatura en Nueva Granada (Bogota 1867), einem Werke, welches
ich leider nicht habe consultiren können:
Guasina bai, yerricäi erri irrico, santificaba jidena, rinubita guarrico
jisina Reino rimedabita jibabaitacare cainabe itaba erri irrico chu-Guaba-
baida cajurrucha sai jiayu guarriuni guarreje, cayacachu jibabaidauyuni
guaucha guamabenicare guayabaidacachuni camabenioarebeni yucha guariu
cayacachu ujita jide guacaeaba tentacasimaco : riayucata gizamanidauyucubi
menami masicaibe yuch^ Amen.
Nahe verwandt mit den Achaguas ist der heute sehr kleine Stamm
der Amarizanas von Giramena am oberen Meta, die gleichfalls von den
Jesuiten christianisirt vrurden. Rivero leitet ihren Namen vonamarizan
ab, wie eine gewisse Art von Schlangen heissen soll, welche die Indianer
als ihren Stammvater betrachten und die hiemach wohl ihr Totem war.
Nach F. Perez sollen noch etwa 1200 im Staate Cundinamarca leben,
eine vermuthlich viel zu hoch gegriffene Zahl. Dieselben wurden im
Jahre 1824 von Mariano Eduarde de Rivero y Ustariz besucht, bei
welcher Gelegenheit er ein kurzes Vocabular ilirer Sprache aufnahm, das
in seiner „Coleecion de Memorias cientificas, agricolas e industriales^
1) Felipe Perez, Jeografica ftsica i politica de los Estados Unidos de Colombia.
n. (Bogota 1863) paj?. 215, 363.
2) A. Rojas, Kstüdios indfgenas (CarÄcas 1878), pag. 214.
Ueber einige Sprachen ans der Gegend des Meta und oberen Orinoco. 9
abgedruckt steht*), und welches ich aus dem in der Anmerkung gegebenen
Grunde hier einschalte.
Sonne: keybin.
Mond: kede.
Stern: ivine.
Mann: guarina licaverri.
Frau: insatoä.
Wasser: cietay.
Banane: paratuna.
Mandioca: alirri.
Haus: cagii.
Baum: irita.
2. Amarizama.
Knabe: samane.
Topf: curragi.
Auge: no-tuy.
Mimd: no-numa.
Kopf: nu-ita.
sprechen: muylak.
essen: nuniak.
trinken: nuiraca.
Nase: nu-cariz (spanisch i schlafen: nuimaca.
nariz). rufen: agua.
Ohr: nu-bi. schnell: guariguari.
Zahn: nu-e. wir sprechen: noa ita.
Fuss: nu-iba. jene sprechen: ariede ita.
Hand: nu-cagi.
Die Aehnlichkeit mit dem Achagua ist ohne Zweifel; manche fremde
Elemente scheinen jedoch hinzugekommen zu sein. So stimmt kede
(Mond) zu Tariana kethi (Mond, Sonne), nu-niak (essen) zu Moxo nu-
nico (ich esse), nu-imaca (schlafen) zu Tariana nu-maka (ich schlafe),
und alle übrigen mit nu beginnenden Wörter gehören gleichfalls vielen
anderen Sprachen der Nu-Aruak an.
Gott: chimaja, chuiraaja.
Mann: picsiga.
Frau: nixta.
Knabe: mecv6.
Mädchen: nixta -mecve.
Geist: amayijaga.
Körper: gocua.
Kopf: blusteä.
Feuer: equisä.
Wasser: nicague.
Salz: saja.
Laset uns gehen : menäja.
Guten Tag, Gute Nacht:
ayojagua.
3. Pamigua.
Freund: comijaguiga.
Feind: quinoja.
Guacharaca (Penelope
argyrotis): nontaca.
Jaguar: jinagä.
Banane: mandotä.
Mandioca: joayoa.
Mais: jucjd.
Hund: jannö.
Auge: sete (jete?).
eins: chijance.
zwei: sajancesa.
vier: chijastijance.
fünf: sacsucuaja.
sechs: coadsucuaja ayi-
paquiaji.
sieben: sabsepsa ayipa-
quiaji.
acht: sabsepsa chibsuaja.
neun: chiastipsa ipa-
quiaji.
zehn : patsucuaja ipa-
quiaji.
elf: chipse ipaquiaji.
drei: sajance, sanchi- zwanzig: cinchinä ipa-
cance.
quiaji.
Nach einer Anmerkimg in dem Toro 'sehen Manuscripte wohnen die
PamiguasVin Concepcion de Arama, einem Dörfchen in den Llanos
von San Martin, südsüdöstlich von Bogota (nach Mosquera liegt der Ort
0 ^ 25 ' 35 " 0. Bogota und 3 ° 24 ' 26 '' N. Breite). Ich habe den Namen
1) Dieses Werk wnrde hn Jahre 1857 m zwei Bänden auf Kosten des Verfassers in
Brüssel gedrackt. Da indess die ganze Auflage sofort nach Perd ging, ist das Buch in
Europa sehr selten, ein umstand, welcher die Wiederholung des Vocabulars rechtfertigen
mag. Im Original steht es T. I. p. 91.
j
sr\
10
A. £rn8t:
Pamiguas nur einmal in Bivero (Historia de las Misiones, pag. 35) wieder-
gefunden; er nennt sie Bamigua und sagt von ihnen nur, sie seien noch
zu seiner Zeit sehr zahlreich gewesen und hätten auf beiden Ufern des
Guaviare gewohnt. Perez erwähnt sie nicht, und ebensowenig erscheint
ihr Name in dem Verzeichnisse columbischer Sprachen auf pag. XXXVU
und XXXVni der Grammatik der Chibcha- Sprache von E. Uricoechea.
An eine Identificirung mit den Baniva ist aus sprachlichen Gründen nicht
zu denken. Ich finde in dem Vocabular nur zwei Wörter: equisd (Feuer)
und nicague (Wasser), die mit den betreffenden Wörtern des Saliva:
egussa und caglca, übereinstimmen (Gilij HI. 383). Das von Gilij
veröffentlichte Vocabular des Saliva enthält nur noch drei andere Wörter,
die auch in dem Vocabular der Pamiguas vorkommen, aber in beiden
Sprachen ganz verschieden sind, nehmlich Mann — sal.: cocco, pam.:
picsiga; Frau — sal.:gnacu, pam.: nixtä; Auge — 8al.:pacutfe, pam.:
sete. Es ist demnach noch sehr fraglich, ob die Pamigua wirklich Stamm-
verwandte der Salivas sind. Die Zahlwörter sind in der mitgetheilten
Form walirscheinlich mit fremden Elementen beladen; übrigens scheint
ihnen das Quinar- System zu Grunde zu liegen.
Gott: tirovan.
Mann: pevl.
Frau: piavichi.
ich: yague.
du: ne.
Körper: siricto.
Feuer: ijito.
Wasser: menera.
Salz: romato.
Honig: manna.
Tiger: neguete.
4. Churruyes.
Hund: samuii.
Himmel: fato.
Sonne: guämeto.
Mond: mäometa.
Stern: pefai.
Tag: naleano.
Nacht: merabi.
Jahr: caebasi.
Banane: parasa.
Mandioca: quebaji.
Chicha: cusuira.
Cassave: najaija.
Erde: asä.
Katze: misi.
eins: cai matacavi*).
zwei: cabale matacaviva.
drei: omopesiva.
vier: penasalavi buba.
fünf: caicabebaje.
sechs: caicacubaje.
Mais: jesa.
Ueber die Churruyes hat Prof. Nicolas Saenz aus Bogota im Jahr-
gange 1876 der „Zeitschrift für Ethnologie", S. 328 — 334, eingehende Mit-
theilungen gemacht, auf welche ich verweise. Perez spricht von ihnen
ebenfalls, namentlich im zweiten Bande, p. 220 und 221. Säenz giebt
auch eine aus 20 Nummern bestehende Liste von W^örtern aus ihrer
Sprache; von diesen kommen sechs auch in unserem Vocabular vor,
nehmlich:
Saenz Ernst
Feuer hijit ijito
Wasser minta menera
1) matacavi heisst Tag bei den Guahibos.
lieber einige Sprachen ans der Gegend des Meta und oberen Orinoco. 11
Sdenz
Ernst
Hund
uilg
samuri
Sonne
mshojaint
guämeto
Mond
juimit
mdometa
Banane
parasa
parasa
Zwei stimmen ganz überein; zwei andere (Wasser und Mond) zeigen
gewisse Aehnlichkeit, aber die beiden letzten (Sonne und Hund) sind ganz
Terschieden.
Es geht aus diesen Vocabularen deutlich hervor, dass die Sprache
der Churruyes mit derjenigen der Guahibos sehr nahe verwandt ist, aus
welcher letzteren wir zwei ziemlich umfangreiche Vocabulare besitzen*).
Das Toro'sche Manuscript enthält auch 7 Wörter derselben Sprache, die
mit den beiden citirten Vocabularen gut übereinstimmen, mit Ausnahme
des Wortes für „Seele, Geist", welches in jenen nicht vorkommt. Ich
füge dieselben zum Vergleiche hier an:
5. Guahibos.
Mann: pebaji. Seele, Geist: dubate.
Frau: pitiriba. Kopf: pimatanai.
Knabe: pebajinyo. Augen: petajotä.
Mädchen: chiquiriyo.
Nach Hervas (Catal. de las Lenguas, L 220) berichtete der Pater
Manuel Alvarez, der als Missionar unter den Achaguas gelebt hatte, diese
hätten ihm erzählt, sie könnten die Sprache der Guahibos ziemlich gut
verstehen, woraus Hervas schliesst, dass die letztere, wie das Achagua,
ein Dialekt des Maipure sein müsse. In dem oben mitgetheilten Vocabular
des Achagua finde ich bei sorgsamer Vergleichung mit Chaffanjon's
Wörterverzeichniss aus der Sprache der Guahibos allerdings drei Wörter,
die übereinstimmen, nehmlich:
Achagua Guahibos
Hund auri aviri
Zuckerrohr basue besoe
Cassave berre peri
Die beiden ersten sind aber Namen eingeführter Dinge, für welche
Aehnlichkeit der Form oft bei den verschiedensten Stämmen stattfindet;
dagegen ist die Uebereinstimmung in dem letzten Worte allerdings inter-
essant. Eine weitere Vergleichung der Wörter der Chaffanjon^schen
Liste mit dem Maipure -Vocabular in Gilij (HL 375 — 382) gab in Bezug
auf Aehnlichkeiten ein durchaus negatives Resultat, so dass ich trotz der
erwähnten vereinzelten Ausnahme dennoch der Ansicht bin, dass die
1) Creyaux, Sagot et Adam, Grammaires et Vocabulaires roacoujenne, arrouague,
piapoco et d'autres langnes des (juyanes, Paris 1882, pag. 258—260. — Chaffanjon,
L'Or^oque et le Caura, Paris 1889, pag. 320—323.
12
A. Ernst:
Sprachen der Guahibos und anderer stammverwandter Stämme nichts mit
den Maipure -Sprachen zu thun haben und nicht einmal zur Familie der
Nu-Aruak zu rechnen sind. Wohin sie aber gehören, das zu sagen^ muss
ich Anderen überlassen.
Gott: ejee.
Mann: emueme.
Frau: romeö.
Knabe: cimoan.
Mädchen: romimeräo.
Seele, Geist: rescopue.
Körper: cäneo.
Kopf: jijopue.
Auge: naccoca.
6. Tamas.
j Tiger: macayai.
Hund: jamuchay.
Chicha: jeccü.
Banane: 06.
Zuckerrohr: cacte.
Mandioca: jurä.
Cassabe: autoje.
!Mais: quea.
Sonne: enese.
iMond: panijosa.
j Stern : mane guay.
Erde: chija.
Himmel: yemuö.
Stein: quiduä.
1: teyo.
2: cayapa.
3: choteyo.
4: cajeparia.
5: ciajente.
6: yaquejente.
7: uncudneco.
8: yecquinico.
9: teäme.
10: jargueseme.
11: carebama.
12: uncuacayere.
Feuer: tod.
Wasser: occo.
Salz: oa.
Freund: mafmemai.
Feind: painame.
Die Tamas dieses Yocabulars wohnen im Quellgebiete des Manacacfa,
nordöstlich von Giramena, am oberen Meta. Nach F. Perez (Jeografia
H. 218) sollen die Airicos dieselbe Sprache haben, und diese auch von den
Jaruras verstanden werden; aus dem Vergleiche der beiderseitigen Voca-
bulare geht indessen keine Verwandtschaft hervor*). Die Tamas sind
friedfertig, botreiben etwas Feldbau und viel Fischfang, letzteren nament^
lieh mit betäubenden Kräutern. Einige wohnen auch weiter südlieh, im
Territorium Caqueta, und zu diesen gehören die Tamas, bei denen
Crevaux die von ihm mitgetheilten wenigen Wörter dieser Sprache auf-
schrieb"). Dieselben stimmen vollständig mit der vorstehenden Liste
übereiu. Ich finde femer mancherlei Analogien mit dem von Wallace
aufgenonmienen Vocabular der Tucano'), so z. B. die Wörter
Tamas Tucano
Mann
emueme
ermeu
Frau
romeö
nömio
Kopf
jijopue
righpöah
Wasser
occo
oghcogh
Banane
00
oliöh
Mandioca
jurä
ahöua.
1) Man sehe die Vocabnlare des Yamra in Langnes des Gujanes, pag. 2G0 und 261,
und bei Chaffanjon, 1. e. pag. 319, H20.
2) Langnes des Gnjanes, pag. 52.
3) Martins, Beiträge, ü. pag. 283 nnd 284. (Vergl. übrigens die Angaben des
Hm. Pf äff in den Yerhandl. der Gesellsch. 1890. S. 603 nnd 605. Y.).
üeber einige Sprachen ans der Oegend des Meta und oberen Orinoco. 13
7. Sebondoyes.
Herz: vico. Kopf: visäs.
Mais: mazizi. Fleisch: minchina.
Nach Pereira*) leben die Sebondoyes im Territorium Caquetä; doch
nennt sie Perez nicht unter den dort hausenden Stämmen, obgleich er
das „Correjimiento" Sebondoi auffährt, dessen Vorort gleichen Namens
2 ^ 43 ' 33 " westlich von Bogota in 1 ° 8 ' 36 " nördlicher Breite liegen
soll. Das Gebiet gehört schon zur Cordillere (1000—2000 m Seehöhe)
und producirt namentlich Kartoffeln. Nachrichten über die Indianer habe
ich nicht auffinden können. Das Wort für Mais ist offenbar aus dem
Namen mahiz in der Sprache von Hayti entstanden; die drei anderen
Wörter scheinen Anklänge an das Chibcha zu haben (Herz — puyquy,
Kopf — zysquy, — Fleisch — chimy).
8. Almagueros.
(Aus der Gegend von San Augustin, im Süden des Staates Tolima.)
Das nachgehende Vocabular ist ganz wesentlich Kechua und insofern
interessant, als es einen Beweis liefert von der grossen Ausdehnung, welche
die Sprache der Incas auch nach Norden erreicht hatte.
Wasser: yaco.
Feuer: nina.
Kopf: uma.
Augen: nague.
Cchicha: asua.
Rohr: guiro.
Honig: misqui.
Hund: alcu.
Blume: tuctu(?).
Erde: alpa.
Wind: guaira.
Sonne: inde.
Mond: quilla.
Tag: puncha.
gestern: caina.
morgen: caya.
übermorgen: suc-caya.
Jahr: guata.
Vogel: pisco.
Mann: cari.
Frau: guarme.
Knabe: guambra.
Mädchen: tasi.
Banana: blande.
Manioc: rümu.
Fleisch: aicha.
Salz: cachi.
Kartoffel: bumü.
weiss: yura.
schwarz: yana.
Mais: zara.
Brot: tanda.
klein: uchuUu.
gross: atun.
dick: racu.
sehen: caguar.
Blut: yaguar.
ich: nuca.
nein: mana.
ja: ari.
schon: na.
dunkel: aumsa.
Nacht: tuta.
kalt: chire.
du: cam.
Urin: chichi.
sterben: guaiiuy.
leben: causay.
hier: caypi.
Es ist Schade: cuyaipa.
Indianer: runa.
1: suc.
2: iscay.
3: quimsa.
4: chusui.
5: pichica.
6: socta.
7: canchis.
8: pusac.
9: unya(?).
10: chunga.
1) Ricardo 8 Pereira, Les Etats-Unis de Colombie (Paris 1883), p. 84
n.
Archäologische Aufsätze über süd europäische
Fundstücke
von
Dr. INGVALD XJNDSET in Christiania.
(Fortsetaimg von Bd. XXII. S. 145.)
Tl. Alterth&mer der Tölkerwandernngszeit in Italien.
Bei Untersuchungen über den Ursprung des Omamentstyls der Völker-
wanderungszeit müssen selbstverständlich die Alterthümer aus dieser Periode,
die in Italien gefunden worden sind, von besonderer Wichtigkeit sein.
Niemand wird wohl daran zweifeln, dass ein genaues Studium der in Italien
gefundenen Ueberreste aus dieser Zeit bei der Klärung der Fragen noth-
wendig sein wird, die mit der ersten Entwickelung der eigenthümlichen
Omamentstyle der verschiedenen germanischen Völker verknüpft sind. Es
ist jedoch ganz klar, dass die Stylarten der barbarischen Völker vom Style
der klassischen Zeit viele Elemente entlehnt haben. Die italienischen
Archäologen aber, welche vorläufig Aufgaben genug darin haben, die Ver-
hältnisse ihrer prähistorischen Zeit zu klären, haben selbstverständlich den
Alterthümem dieser späten Periode, die bei ihnen schon längst historisch
ist, noch nicht viel Aufmerksamkeit gewidmet. Allein vor kurzem scheint
Herr Dr. P. Orsi den Alterthümem aus dieser späten Zeit nähere Auf-
merksamkeit gewidmet zu haben; in den Atti e Memorie della R.
deputazione di storia patria per le provincie di Romagna, 1887,
pag. 333 — 414 hat er eine grössere Abhandlung: „Di due crocette anree
del museo di Bologna e di altre simili" veröffentlicht, worin er eine
Behandlung aller der kleinen goldenen Schmuckkreuze versucht, die in
langobardischen Gräbern in Ober- und Mittelitalien vorkommen. Diese
verdienstvolle Monographie liess die Hoffnung zu, dass man von derselben
kundigen Hand eine nähere archäologische Behandlung der Alterthümer
dieser Zeit in Italien hoffen durfte. Seit der Zeit ist inzwischen dieser
Archäologe als königlicher Inspector der Ausgrabungen und der archäo-
logischen Monumente in der Gegend von Syracus auf Hicilien angestellt
worden: andere Fragen und archäologische Materialien werden ihn voraus-
sichtlich länger beschäftigen, so dass er in der ersten Zeit nicht weiter
mit den italienischen Alterthümem der Völkerwandemngszeit arbeiten wird.
1
Alterthümer der YSlkerwandenrngszeit in Italien. 15
Nordalpine Archäologen dagegen haben ein specielles Interesse für die
italienischen Alterthümer dieser Zeit, besonders für die Alterthümer der
Langobarden, welches Volk von nördlichen Gegenden Mitteleuropas auf
weiten Wegen nach Italien gekommen ist, wo sie bekanntlich längere
Zeit ein dominirendes Volk waren. Ueber ihre Wanderungen und ihren
Alpenübergang sind dann auch von nordalpinen Händen wichtige Beiträge
geliefert; ich verweise hier nur auf Beiträge von Virchow aus den
letzten Jahren *). Für einen Prähistoriker aus dem Barbarenlande liegt
es auf der Hand, in Italien die Alterthümer aus dieser Zeit mit be-
sonderer Aufmerksamkeit zu beachten; ich habe deswegen die Sachen
dieser Art, die ich während meiner Studien in den italienischen Samm-
lungen gesehen habe, stets genau beobachtet und notirt. Im Folgenden
werde ich eine Zusammenstellung meiner diesbezüglichen Notizen mit-
theilen — mit einigen Abbildungen, die theils auf Photographien, die ich
dort habe machen lassen oder von den Museumsdirektoren empfangen habe,
theils auch auf von mir selbst gemachten Skizzen, die selbstverständlich
keine vollkommene Genauigkeit beanspruchen können, beruhen.
Ich lasse meine Zusammenstellungen aus den italienischen Samm-
lungen folgen, die bis auf 1881—83 zurückgehen; ohne Zweifel würde
das Material sich jetzt, so viele Jahre nach meinen Beisen, bedeutend
vergrÖBsem lassen; eine neue Beise nach Italien war meine Hoffnung
und Absicht, aber vorläufig kann sie nicht realisirt werden. Ich gebe
deswegen jetzt, was ich habe; es wird jedenfalls eine Grundlage zu einer
genauen üebersicht sein können und somit wohl nicht ohne Nutzen; andere
Collegen müssen nachher das Gegebene complettiren und vermehren, und
mehr eingehende Studien über die Fragen, die ich nur angedeutet habe,
liefern. An der Hand so unvollständiger Materialien lässt sich selbst-
verständlich nicht näher darauf eingehen, Ursprung und früheste Ent-
wickelungsgeschichte der vorkommenden germanischen Stylarten zu er-
forschen und zu discutiren; die Zukunft, wo man viel vollständigere Mate-
rialien haben kann, wird die Fragen ganz anders überblicken lassen.
Dann wird man auch gewiss besser sehen, ob, wie vielfach vermuthet
worden ist, vom Oriente einwandernde Völkerschwärme viel Neues mit-
gebracht haben, das in den vorangehenden europäischen Entwickelungen
nicht wurzelt Ich muss zugeben, dass ich, vorläufig wenigstens, solchen
Bewegungen und Ueberführimgen vom Oriente nicht viel Bedeutung zu-
sprechen kann; ich glaube, dass man in dieser Richtung viel zu viel zu-
gestanden hat.
Die Alterthümer dieser Zeit werden in Italien allgemein barbarische
oder langobardische genaimt. Zweifelsohne sind auch viele von ihnen
1) Vixchow, „Auf dem Wege der Langobarden", in den Verhandlungen der Berliner
Anthropologischen Gesellschaft, 1888. S. 508— 582; vergl. auch S. 570 ff.
16 Ingvald UNOeET:
den Langobarden zuzusprechen; vorläufig ist es aber noch lange nicht
klar, was langobardisch ist und was den anderen Germanen^ die in Italien
gehaust haben, besonders den Gothen, den Pranken, den Herulem u. a.
zugetheilt werden mnss; darum wird man in dieser vorläufigen Uebersicht
keine Völkemamen mit den Gegenständen verknüpft finden.
Ich gehe sofort in medias res und lasse meine Zusammenstellungen
solcher Materialien aus den Museen folgen. Ich wiederhole, meine Liaten
worden nicht mehr als complet gelten können; als ein Anfang werden sie
indess wohl einige Bedeutung haben.
Museen von Turin. Im Alterthumsmuseum liegen 4 bronzene
Beschläge für Riomenenden, welche hinten eine Spalte haben, worin der
Riemen befestigt war. Sonst haben sie die in dieser Zeit häufig vor-
kommende Form, länglich und nach hinten abgerundet; auf der Ober-
fläche sind sie ganz glatt, ohne Ornamente. Pas eine Stück ist mit Nr. 221
bezeichnet. — Femer sind hier zwei Spangen von Formen der mittleren
Eisenzeit. Die eine ist aus Bronze und vergoldet, mit gegossenen Ornamenten
bedeckt; von der hinteren halbrunden Platte gehen 5 kleine Arme nach
hinten aus, etwa wie Knöpfe. Das andere Exemplar scheint von Silber
und vergoldet zu sein; es ist mit eingefassten rothen Glaspasten oder
Granaten besetzt.
Im Artilleriemuseum in Turin liegt ein bronzenes Armband mit
Kolben-Enden, als aus Trento stammend bezeichnet. Femer zwei Stücke,
gewiss ninterstücke zu Riemenschnallen, in Modena gekauft, mit grossen
Nagelköpfen auf der Oberfläche besetzt.
Museo Oivico in Turin: Ein Paar zweischneidige Eisenschwerter
(Spathae); ein Paar einschneidige Schwerter (Scramasaxe); ein Paar
Dolche oder Messer von Eisen, mehrere kleinere Messer, einige Gürtel-
schnallen und Gürtelendbeschläge von Bronze, ein Thongefass, eine
Speerspitze von Eisen, Perlen von Bemstein und Glas, mehrere Eisen-
fragmente u. A. Dies Alles ist von Hm. Cavaliere Giovanni Minoglio
gefunden worden bei Ausgrabungen in seinen Besitzungen bei Moncalvo-
Monf errate. — Ein Schildbuckel von Eisen mit grossen Eisenknöpfen,
die mit Gold belegt zu sein scheinen; als Nr. 6a und als in Piemont
gefunden bezeichnet.
Nur nennen werde ich hier den Fund von Testona*) in Piemont,
wo seit 1878 ein grösseres Gräberfeld aus der Völkerwanderungszeit mit
350 bis 400 Skeletten untersucht worden ist; der Fund ist von den Herren
C. und E. Calandra in Turin veröffentlicht in den Atti della societa dell'
areheologia e belle arti per la provincia di Torino, IV, pag. 17 — 52, mit
1) Vgl. jetzt aber den Fund von Testona, der dem Moseo Civico in Turin einverleibt
worden ist, das Buch des Baron J. de Baje ..Industrie Longobarde**, Paris 1H88; in
diesem Buche sind auch andere Funde der Völkerwandemngszeit in Norditalien beschrieben
und z. Th. durch Abbildungen eri&utert
Alterthnmer der Yölkerwandenrngszeit in Italien. 17
mehreren Tafeln. Unter den vielen Alterthümem nenne ich nur zwei-
schneidige und einschneidige Schwerter, Speerspitzen, Schildbuckel und
Aexte, Spangen und Riemenbeschläge, Fibeln und andere Sachen, worunter
auch einige kleine dünne goldene Kreuze und einige mit Silber tauschirte
Eisensachen, sowie Thongefässe verschiedener Form und Art. Einen
genaueren Auszug aus der Abhandlung der Herren Calandra werde ich
hier nicht geben; ich beschränke mich auf die gegebene Hinweisung.
Novara. Museo patrio. Perlen von Glas und Bernstein. Ein
bronzenes Armband mit kolbenförmigen Enden. Schnallen von Bronze,
kleine Ohrringe aus Bronze, welche unten mit ein Paar angelötheten
bronzenen Knöpfen oder Kugeln ausgestattet sind; 3 zweischneidige
Schwerter von Eisen, ein einschneidiges Schwert, mehrere grosse Messer,
wovon das eine einen vertieften Rand am Rücken hat, ganz wie ein
Scramasax; zwei Schildb\ickel mit zugehörigen Handgriffen, fragmen-
tarisch; Bruchstücke von mehreren Eisensachen, 3 grosse eiserne Speer-
spitzen, 3 eiserne Pferdegebisse, Thongefässe, die denen aus jüngster
römischer Zeit ganz ähnlich sind, u. s. w. Dabei liegen auch eine Nadel
bronzezeitlicher Form und ein kleines Messer oder Dolch, wahrscheinlich
derselben alten Zeit angehörig; diese letzten also wohl nur zufällig auf
derselben Stelle gefunden. Diese Sachen stanmien von einem Gräberfelde
aus der Völkerwanderungszeit bei Burgo-Vercelli, nahe bei Vercelli.
Milano. Museo archeologico (in der Accademia di Brera).
Ein Eisenschwert, eine Speerspitze, ein grosses Messer, ein Schildbuckel
mit Handgriffbeschlag dazu, alles aus Eisen, der Beschlag ist breit, auf
der Mitte mit rundlichen Erweiterungen, wo die Nägel sassen; 7 Eisen-
nägel mit grossen, flachen, mit Bronze belegten Köpfen, offenbar zu dem-
selben Schilde gehörig. Alle diese Sachen sind in der Gegend von
Golasecca gefunden.
Sammlung des Herrn Advokaten Ancona. Vier silberne Fibeln
mit Knöpfen um die hintere halbrunde Platte, zwei ganz klein, in der
Lombardei gefunden; zwei ähnliche silberne Fibeln, wahrscheinlich eben-
falls in der Lombardei gefunden, aber in Florenz gekauft.
In der Pondazione artistica Poldo-Pezzoli. In der Vitrine für
römische Goldsachen liegen zwei silberne Schnallen und eine kleine silberne
Fibula mit einem nach hinten von dem halbrunden Hinterstück hervor-
springenden Knopf; diese Sachen zeigen Formen der Völkerwanderungszeit.
Varese. In der Sammlung Quaglia finden sich einige Speerspitzen
von Eisen, die, nach der Fomv zu urtheilen, der Völkerwanderungszeit an-
gehören; sie baben nehmlich an der DüUe Querstücke, die nach den Seiten
vorspringen, nach vom scharf und geradlinig sind und sich gegen die
Dülle verbreitem.
Brescia. Museo patrio. Schöne Spange von Bronze, an der hinten
Z«fuchrift far Ethoolofie. Jahrg. 1891. 2
18 Inovau) ündsbt:
um die halbrunde Platte 8 Knöpfe sitzen; Gürtelendbeschlag, am
hinteren, geradlinig abgeschnittenen Theile war durch zwei Nägel der
Kiemen in einer Höhlung befestigt. Das Stück ist ziemlich dick, hat aber
Fig.l.
zwei Oeffnungen, die mit einem schiebbaren Deckel überdeckt sind; sowohl
dieser Deckel, wie die untere Seite des Stückes, ist mit Verschlingungen
ornamentiri Unsere Fig. 1 giebt eine Idee von den Ornamenten des
Deckels.
Ich führe hier auch einige Sachen an, die in Südtyrol gefunden
sind. Dies Gebiet gehört jetzt der österreichischen Krone an, wir befinden
uns aber hier auf der italienischen Seite der Alpen und daher wird es
zweckmässig sein, diese Sachen mit den in Norditalien gefundenen zusammen
zu erwähnen.
Im Landesmuseum in Innsbruck befindet sich der Inhalt des
reichen Fürstengrabes und des Reihengräberfeldes von Civezzano in
Südtyrol. Da dies Alles Gegenstand einer besonderen Publication dos
Hrn. Dr. Franz Wieser, Professors an der Universität in Innsbruck,
gewesen ist, so verweise ich auf seine Arbeit *).
Trento. Museo civico. Ein Paar Armringe mit kolbenförmigen
Enden. Ein Riemenendbeschlag mit 4 kauernden, phantastischea. behömten
Thieren, in durchbrochener Arbeit. Eine grosse Fibula (Fig. 2a) mit ein-
geschlagenen Kreisomamenten; an dem Vorderstücke sind ebensolche
Ornamente, wie auf der Hinterseite (Fig. 2b). Am halbrunden oberen
Stück sind 5 Knöpfe angebracht. Die Grösse beträgt etwa 15 cm Länge,
7 7t c^ Breite über das obere, halbrunde Stück. — Eine etwas kleinere,
ähnliche Fibula, omamentirt mit doppelten Reihen von eingeschlagenen
Punkten und mit Cirkelschlägen; am hinteren Theile des Vorderstückes
gehen nach den Seiten Arme aus, die in kleine runde Platten mit Cirkel-
Ornamenten endigen; solche kleine Platten finden sich auch an den Seiten
am Vorderatück und 5 ähnliche an dem halbrunden Hinterstück (Fig. 3).
Kleine gleicharmige Fibula, 6 cm lang, die Endstücke 3 cm breit, mit
Linien und Cirkelschlägen omamentirt (Fig. 4). Zwei Riemenendbeschläge.
1) Dr. Franz Wieser: Das langobardische Fürstengrab and Reihengr&berfeld ron
Civeuano. Innsbrack, 1887.
Alterthümer der Völkerwan ^^erungszeit in Italien.
19
Fig2.
#a
Fig. 3.
Fig. 4.
V.
Zwei Schnallen mit flachen, länglichen Hinterstücken, die sich nach hinten
verschraälem. — Alle diese Sachen sind bestimmt in Südtyrol gefunden.
Verona. Museo civico. Ein doppelschneidiges Eisenschwert mit
einem kleinen eisernen Knopf, der oben die Handgriff- Beschläge ab-
geschlossen hat. Eine eiserne Speerspitze mit flachen, breiten Querstücken
an der Dülle. Eine grosse, kräftige, bronzene Schnalle.
Vicenza. Museo civico. Zwei bronzene Armbänder, die gegen die
kolbenförmigen Enden facettirt und an den Enden mit Punktreihen oma-
mentirt sind. An den Armen eines Skelets vor der Porta Gas teil o
Vicenza gefunden*).
Parma. Museo d'antichitä. Unter römischen Funden liegen hier
mehrere eiserne Speerspitzen, die an der Dülle Querstücke haben, ganz
wie die oben erwähnte Form, die sonst in der Völkerwanderungszeit nicht
selten und eigenthümlich ist. Nach diesen Funden in Parma zu schliessen,
tritt also diese Form schon in römischer Zeit auf.
Reggio neir Emilia. Museo di storia oder Museo Chierici,
wie es jetzt nach seinem Begründer heisst. Mehrere Funde aus Gräbern
der Völkerwanderungszeit von Montecchio; in diesen Funden kommen
noch vor: eine römische kreuzförmige Fibula mit 3 Knöpfen und eine
römische Chamierfibel. Femer ist hier zu bemerken ein silberner Rand-
beschlag für den untersten Theil einer Schwertscheide, als Schuh endend.
Kleiner Riemenend- Beschlag von Gold mit Ornamenten in gekörnter
Arbeit (Fig. 5). Eine Schnalle, deren Bügel aus Bergkrystall gemacht
zu sein scheint. Eine andere Schnalle aus Silber, in Fig. 6 abgebildet,
mit dem kleinen goldenen Beschlag Fig. 5 zusammen bei Montecchio
1) Abgebildet in P. Livy: Le abitazioni lacustri di Fimon. Veneria 1876, Tav. XVII, .
No. 192—198.
2»
20
iHflVALD UNDSBr:
Fig. G.
Fiff.5.
(Provinz von ReggioJ gefuu<]«ii in
eitlem Grabe, das ein Skelet «Dthielt,
welches in blosser Erde lag. Es waren
ausserdem dabei eine goldene Fibula
und ein zweischneidiges Eisenschwert,
an dem Scheidereste erhalten waren
mit, wie es schien, äusserer Bekleidung
von angenieteten Eisenplatten. Ausser-
dem Tand sich eine bronzene Pincette.
Andere Sachen, die auch im Grabe
waren, gingen verloren. In der Nähe
' waren noch mehrere ähnliche Uräber;
die Stelle li(sgt unmittelbar an der
Grenze einer uralten TorrBmare.
Von Campeggine findet sich in
' demselben Museum eine schöne silberne
Schnalle mit Vergoldung und Niello und mit gefassten Granaten (oder
rothem GlassßuBB?) omameutirt (Fig. 7). Das Grab, worin dies Stflck
gefunden wurde, liegt im Felde Ober einer uralten Terramare.
Von Bismantova liegen hier zwei
Schnallen.
VonMinozzo hat das Museum eine kleine
Fibula, die hinton an einer kleinen Platte
mit drei Köpfen besetzt ist. Im Ganzen ist
diese kleine Fibula den „niedersächsischen"
Fibeln sehr ähnlich, welcher Typus auch in
England und in Skandinavien häufig und
in dem 5. bis 7. nachchristlichen Jahrhundert
charakteristisch geworden ist *).
Aus den Gräbern von Fabbricco finden
sich ebenda mehrere Schnallen, Biemeneud-
beschiäge,eisemeSpecrBpitzen,SpinDwirtel and
Anderes, sowie Glasperlen, welches Alles das
späte Gepräge der Völkerwanderungszeit an
sich hat.
Gräber von Castellarano (Provinz Ro^io): Schöne gleicharmige
Fibula aus vergoldeter Bronze (Fig. 8); bronzener Raiidbeschlag zu einem
eisernen Schildbuckel, der um den Band grosse Nagelköpfe hat, mit ver-
goldeter Bronze bekleidet; fem er Schnallen und Riemen end-Beschlftge,
Armbänder mit kolbenförmigen Enden, die mit erhabenen Rippen oma-
1) Vgl. I. B. Rjgh: Antäqnit^es norr^gienneE, Tig.ÜlK., nndUndset; FraNorge«
aeldre Jeratldn, ptg. 41 ff. (in AuMger for nordisk Oldkjniligh^il og Historie, Kj<Ibenb»Tii
18«), pug. 129 lt.).
Fig. 7.
V,
Alterihümer der Völkerwanderungszeit in Italien.
21
mentirt sind; Alles von Bronze. Auf der inneren Seite sind die Armbänder
flach (Fig. 9 und 10). 5 einschneidige Schwerter (Scramasaxe) mit ver-
tieften Rändern an den Rücken; 2 zweischneidige Schwerter, mehrere
Fig9.
Fig. 8.
Fig. 10.
Speerspitzen, ein Axtblatt, etwa wie Rygh 1. c. 557; mehrere Sporen, etwa
wie Rygh 1. c. Fig. 586; ein Paar spätrömische kreuzförmige Fibeln mit
drei Knöpfen hinten. — Bei Castellarano fanden sich mehrere Gräber mit
Skeletten; z. Th. waren die Gräber aus Steinen und römischen Ziegeln
gemacht, mehrere enthielten Eisenwaffen und Schmucksachen aus Bronze
mit Ornamenten im barbarischen Style.
Zwischen verschiedenen Alterthümem von Vol terra liegt auch ein
Gürtelend-Beschlag der Völkerwanderungszeit.
XJeberhaupt muss man in diesem und anderen norditalienischen Museen
unter den Alterthümem von Terramare-Stationen bemerken, dass mehrere
Stücke da sind, die der Völkerwanderungszeit angehören und die beweisen,
dass über mehreren Terramare-Stationen sich Barbaren, d. h. wahrschein-
lich Germanen, z. B. Langobarden, angesiedelt und einzelne Sachen hinter-
lassen haben, welche Besiedelungen selbstverständlich erst stattgefunden
haben können, nachdem die eigentlichen Terramare-Stationen schon längst
22 Inovald UnDeBT:
verloren waren, violleicht vor einem Jahrtausende, wo sie als iiieilrige
Hügel in der Ebene lagen. Die etruskischen Ansiedelungen, die an einigen
in der Zwischenzeit zu erkennen sind, datiren vielleicht vor und um die
Mitte d(!8 Jahrtausends vor Christo; sie sind selbstverständlich sowohl von
den uralten eigentlichen Terramaren, wie von den viel spateren barbarischen
Besiedelungen absolut verschieden. Schon damals, etwa ein halbes Jahr-
tausend nach der eigentlichen Terramare-Zoit, lagen wohl die einstigen Ter-
r am are- Station eil als niedrige Hügel in der Ebene. Auch in noch späterer
Zeit, im Mittelalter, wurden bisweilen solche kleinen IlQgel, die sich über
uralten Torramare - Stationen gebildet hatten und hervorragende Punkte
in der Ebene bildeten, zur Anlage vou Kirclien, Klöstern u. a. ausgewählt
Modena. Musco civico. Zwei Fibeln
von Silber mit niellirten Rändern ringsum, mit
vergoldeten Sclilingeu oruamentirt; am vier-
eckigen HinterBtücke waren ursprünglich wohl
acht Knöpfe, von denen Jetzt nur drei erhalten
sind (Fig. 11). Fragment einer runden Spange.
Alle diese Stücke sollen im Januar 1876 von
einem Bauer in einem „Grabe" mit Leichenbrand
in Mentale gefunden worden sein, zusammen
mit einer kleinen rümischen Bronzevase.
Mantova. Museo patrio. Ein bronzenes
Armband mit kolbenförmigen Enden, bei Caaale.
prezzo Governale gefunden.
Museum von Torcello. In dem Alter-
thumsmuseum dieser kleinen Lagunenstadt sah
ich eine eiserne Speerspitze vou der Form der
"/, Völkerwanderuugszeit, mit flachen eiserneu Quer-
stücken an der Dßlle; über den Fundort konnte
nichts Bestimmtes ermittelt werden, allein es hiess, dasa sie wahrscheinlich
an der alten Strasse von Altinum nach Mestre gefunden sei, — Die
fatale bronzene Speerspilze mit Runen -Inschrift, die ich in diesem
Museum entdeckte, hat sich bekanntlich als eine Fälschung herausgestellt;
das Stück kam mir schon beim ei-sten Anblick etwas zweifelhaft vor, wie
ich auch in meiner ersten Publication hervorgehoben habe; dort habe
ich aber auch auseinandergesetzt, wie die ursprüngliche Patina des
bronzenen Stückes durch Brand entfernt war, wie dii' Aussagen und
das Verhalten des Directors des betrePTendeu Museums mir meinen Ver-
dacht nahmen, und wie ich damals in Torcello oder Veni-dig keine Ge-
legenheit zu deu nöthigen literarischen Untersuchungen der Parallel -Stücke
hatte. In <leii „Verhandlungen der Berliner Anthrojiologisciien Gesellsibaft'
1890, S. 88^86. Iialie ich ala-r in einer Schlugsbemerknng nutu-inauder-
geaetzt, wie. der wirkliche Sneliverhalt mir klar wurde.
Alterthümer der Yölkerwandernngszeit in Italien. 23
Museo del Castello di Catajo. Ein Scramasax von Eisen mit
einem stark verrosteten eisernen Paalstabe, beide Stücke in Toscana
gefunden.
Museo di Cividtile. Im Mai 1874 wurde auf dem Hauptplatz in
Cividale im Friaul (Forum Julii) in einiger Tiefe ein gemauertes
Grab gefunden, worin ein ziemlieh roher Sarkophag mit einem Skelet
stand; auf dem Deckel fand sich das Wort: GISÜLF, daneben Reste von
goldgewirkten Stoffen und mehrere Alterthümer. Die verschiedenen Bericht-
erstatter sind nicht einig, ob man hier wirklich das Grab des Herzogs
Gisulf gefunden hat; jedenfalls hat dasselbe einen bedeutenden Mann
geborgen aus langobardischer Zeit, etwa Anfang des 7. nachchristlichen
Jahrhunderts*).
Treviso. Museo Trevisano. Zwei Speerspitzen von Eisen, mit
flachen, seitliehen Querstücken an der DüUe; die eine hat auch eine
facettirte Dülle und ein damascirtes Blatt. Sie sollen in der Gegend
gefunden sein.
Bologna. Museo civico. Bronzenes Armband, „Universita No. 335"
bezeichnet, mit kolbenförmigen Enden, von unbekannter Provenienz.
Kleine gleicharmige Fibula aus Bronze, „Universitä No. 483** bezeichnet.
Diese beiden Stücke sind also von der früher an der Universität befind-
lichen kleinen Alterthümersammlung dem Museo civico zugekommen.
Forli. Museo pubblico. Zwei bronzene Armbänder mit kolben-
förmigen Enden, an denen sie mit Querlinien decorirt sind. Bei S. Lo-
renzo in Noceto in der Provinz gefunden; es sollen hier Spuren vor-
handen sein, dass daselbst eine grosse barbarische Nekropole sich
befindet.
Imola. Museo civico di storia naturale. Ein zweischneidiges
Eisenschwert von der gewöhnlichen Form der Völkerwanderungszeit, in
der Nähe der Terramare Castellaccio gefunden. Drei schöne Fibeln
von völkerwanderungszeitlicher Form, die eine von Silber, vergoldet und
mit Niello und eingelegten Granaten omamentirt fPig. 12), die zweite
aus Bronze, vergoldet mit niellirten Ornamenten (Fig. 13). Schöner
Schwertknopf von vergoldeter Bronze, in Imola gefunden (Fig. 14).
Kleiner Riemenend- Beschlag von Bronze und vergoldet, ebenfalls in Imola
gefunden. Schöne Gürtelspange von vergoldeter Bronze, im Tmolesischen
gefunden (Fig. 15). Scheibenförmige Fibula, decorirt mit eingelegten
Granaten. Die Fibula ist von Gold und in der Stadt selbst an der
via Emilia gefunden (Fig. 16). Scheibenförmige Fibula, ebenfalls von
1) Arboit: La tomba di Gisolfo, Udine 1874; vergl. auch Lindenschmit:
Handbach der dentochen Alterthumskunde, I. Die Alterthümer der merovingischen Zeit,
8. 71) f.; P. Orei: Di due crocette aiiree del museo di Bologna c di altre simili, trovate
neir Italia superiore e centrale (in Atti e Memorie della R. deputazione di storia patria
per le provincie di Komagna; lU serie, vol. V, pag. 333—413), pag. 337 ff.
u
iHaVAU} ÜMDSBT:
Gold; das Hauptmotiv der BecorattoD ist eine Schlange, die sich S-förmig
windet; das Stück ist mit Granaten besetzt und soll in der Gegend von
Rom an der via Appia gofuDden worden sein (Fig. 17).
Kg. 18.
Bavcnna. Museo nelta Btblioteca Classense. Der sogenannte
UnistpanziT Tlicodoriihii oder Oitoakers: divso schönen Ueberrcste
scheinen besüiultTS von den BrustthciIi'U eines Uflstungsstückes zu
Alt^rtbümer der Völkervaadcrungszeit in Italien. 25
BeiD. Sie sind aus Gold und wurden
1854 in einem Graben ausserhalb
der Stadt gefunden. Sie sind mit
ftholichen Zangenomamenten, wie
sie an dem berühmten Grabmale
Tfaeodortch's zu beobachten sind,
und mit eingelegten Granaten in
oenvre cloisonne omamentirt.
Andere Stacke zeigen prachtvolle
Arbeit mit Belegung von gefloch-
tenen Golddräbten (alle diese Stücke
sind in Fig. 18—21 abgebildet').
Die in diosom Graben gefandenen
Stücke sind theils Odoaker, theils
seinem Mörder Theodorich zuge-
schrieben worden.
Ein bronzenes Beschlagstflck,
das io seiner Form an eine gleich-
annige Fibula sehr erinnert, mit
halbmnden Endplatten und einer
runden Mittelplatte, für Nägel durch-
bohrt; die Decoration ist punzirt:
Reihen von kleinen eingeschlagenen
Linien; der Bügel ist mit Einker-
bungen zwischen geraden Quer-
linien ausgestattet, ganz wie eine
in der späteren römischen Zeit
gewöhnliche Verzierungsart.
Rimini. Museo pnbblico
Bella Biblioteca Gambalunga.
Ein bronzener Gflrtelbeschlag, ver-
goldet, ganz wie die unten vom
Museo Eircheriano in Rom er-
wähnten und abgebildeten; es ist
ungewiss, wo das Stfick gefunden
worden ist, wahrscheinlich doch in
der Gegend.
Aicoli-Piceno. Museo com- '/,
1) D« U Stejrie: On two gold ornemeiits of the time of Theodorich, preaervcl
in th« mnMnin of BaTennn (Archacologia Britannico, Vol. XLVI}. Hcnsselmann ia
Compte rendn da coogtba de Budapest, 1876, pa^. 5S5 f. Bicri: Kavciina e i suoi dia-
torni, Bwrenna, 1876, pag. 170. Idem: Kote storiehc, Bologna, 1K81, put;. 63— »3. Hanipei,
Der GoldAud Ton Nagj-SienfrMiklos, Budapest, 1886, 8. 'X> f. und 13t f.
Ihovald ündsct:
Fig. 19.
munale. Mehrere Schnallen mit Ornamenten vom Charakter der Völker-
wandurungszeit. Fünf Riemenoud-Boschlägo von Bronzis länglich, mit drei
orhabonun Nägelköiifen omamentirt. Zwei Fibeln von vergoldeter Bronze
mit halbrunden, hinteren Endplatten, besetzt mit fünf nach hinten aus-
laufenden Annen; das länglich-viereckige Vorderstflck iet mit vier Glas-
flüssen besetzt. Eine sehöne Schnalle von Silber, vergoldet, niellirt und
mit Granaten besetzt. Zwei grössere Ohrringe von (Jold, bestehend aus
Ringen mit grossen facettirten Goldperlen. Eine halbe Uuterplatte eines
oigeiithiiinlichen Schmu<^kstiickes von Gold; erhalten ist nur dieser Theil
der Unterplatte. Zwei bronzene Ohrringe, besetzt mit einigen Glasperlen.
Mehrere Knöpfe, Fingerringe und andere kleinere Sachen. — Alle diese
FundstQcke rühren sicher von einer Nekropole in der Gegend her.
Napoli. Musoo nazionale. Hier findet sich eine Reihe von Gürtel-
spangen einfiielier Form mit viereckiger Hinti-rplatte. die in der Mitte in
einem Kreise spätroniische oder Völker wainleruiigszeitlielie Ornamente haben.
Alterthümer der Yölkerwanderungszeit in Italien. 27
Viele von diesen Spangen sind spätrömisch, aber mehrere sind gewiss auch
in die Völkerwanderungszeit herunterzurücken *).
Roma. Museo Gregoriano im Vatican. In diesem etruskischen
Museum findet sich ein schönes Exemplar eines pilum; dies Exemplar ist
wahrscheinlich nicht hier zu neimen, weil es aus etruskischer oder
römischer Zeit stammt. Es soll in einem Grabe bei Vulci gefunden sein").
Diese antike Form hat aber sicherlich der in der Völkerwanderungszeit
allgemeinen Waffenform, die z. B. bei Lindenschmit: „Handbuch der
Alterthümer der merovingischen Zeit", S. 178 ff., besprochen ist, den
Ursprung gegeben; deswegen habe ich es in dieser Verbindung in meinen
Notizen aufgezeichnet und führe ich es hier an.
Museo Christiane in der vatikanischen Bibliothek. Ein kleines
goldenes Kreuz aus dünnem gepresstem Goldbleche mit Ornamenten von
Verschlingungen, etwas an den Styl der nordeuropäischen Brakteaten er-
innernd*). Bronzebeschlag eines Gürtelendstückes, im Ganzen an einige,
unten aus dem Museo Kircheriano in Rom erwähnte und abgebildete
Riemen -Zungen erinnernd. Von diesem, in der vatikanischen Bibliothek
verwahrten Stück kann ich Fundort und nähere Erläuterungen ebenso
wenig, wie von andern in römischen Sammlungen befindlichen, angeben;
es ist aber wohl im mittleren Italien vor längerer Zeit gefunden.
Museo Kircheriano (jetzt mit dem Museo nazionale di paletnologia
vereinigt): Zwei Schnallen (Nr. 80 und 82) mit Ornamenten in Spiral-
motiven (Fig. 22 und 23). Die erste bildet eine viereckige Platte, an deren
vorderem Theile sie durchbrochen ist; sie hat gegen 7 cm in Länge und Höhe,
doch ist die Länge unbedeutend grösser, als die Höhe. Die andere Schnalle
ist kleiner und hat die gewöhnliche Form; die Hinterplatte ist etwa 3,5 cm
lang und nicht volle 3 cm breit, sie ist mit einem doppellinigen Kreuze
ornamentirt, dessen Enden als kleine Spiralschlingen nach beiden Seiten
auslaufen.
Fünf Beschlagstücke für Riemen und Gürtel (No. 77, 78, 261, 1669
und 84) mit Ornamenten in demselben Style, wie die früher erwähnten.
No. 77 und 261 sind Endbeschläge, nach der einen Seite dreieckig und
etwas spitz zulaufend (Fig. 24); sie gehören wahrscheinlich zum selben
Gürtel, wie die grössere vorgenannte Schnalle, No. 80. (Fig. 22). Auf der
1) (Fiorelli) Catalogo dol Maseo Nazionale di Napoli 1869, (foL), pag. 23, wo als
Nr. 319 und 320 einige erwähnt sind; cfr. auch Museo Borbonico, vol V TI, pl. 48; Her-
rulaneam und Pompeii, VI, pl 95: also ähnliche Schuallenformen schon in römischer Zeit
2) Lindenschmit: Das römische Heerwesen. S. 12. Vergl. auch ein ähnliches
kleines Stück, aus der Nekropole Belvederc bei (■orropoli in den Abruzzen; dies Stück,
das etwa dem 4.-5. Jahrhundert v. Chr zuzuschreiben ist, befindet sich im prähistorischen
Museum von Rom.
3) Es ist ganz gewiss dieses Exemplar, das bei Orsi in der citirten Abhandlung unter
No. (>4, pag. 3G9, erwähnt wird; es soll in einem Grabe, wo ein heidnischer Sarkophag
xa einem christlichen Begräbniss verwendet worden war, in Piacenza gefunden sein.
28 ImOYAIJJ ÜHDBETr
Hinterseite dieser Schnalle und der genannten EndbeB<^liläge sind noch
Reste Ton Ledor erhalten; die Nägel, mit denen diese Beschlagstücke
am Riemen befestigt waren, messen etwa 8 mm in der Länge und zeigen
somit die ureprüngliche Dicke des Lederriemens. No. 1569 ist ein BeBchlag,
Fig. 22.
der ohne Zweifel zum sellion Oiirtel gidiitrt hat, weil i>r dieselbe Breite,
wie die genannte grössere Selnialle, zeigt (Fig. 2.')); in der Mitte bildet
dieser Besclilag einen kleinen Itfigel, wahrscheinlich zum Festhalten des
Riemenendes: in beiden Kmlstüiken, die am Riemen befestigt waren, ist
dieser Beschlag dreieckig verbreitert itnd etwa 4 cm breit. Man kOnnte
Aiterlhümer der Völkenranderungszeit in Italien.
29
auch Termutheii, dase er zu einer Schwertscbeide gehört hat und aus
der Bpätestea römiscben Zeit stammt No. 78, 79 und 81 sind kl»in»
Beschläge zu Riemenzungen, die bedeutend schmäler sind, deren Nägel
aber dieselbe Lederdicke andeuten; alle sind sie länglich - dreieckig
(Fig. 2G~2S).
No. 140«) und 1401. Riemenbeschläge, in einem, von dem voran-
gehenden etwas Torschiedenon Style dicker gegossen (Fig. 29 und 30). In
No. 1401 hat die Bronze mehr den Charakter von Messing; auf der Ober-
Fig.26.
Fig. 30.
fläche war dies Stück gewiss vergoldet. Zwei erhaltene
Nägel sind von Silber. Diese Beschläge sind etwa
3*/, cm. lang und 2 — 2'/, cm breit.
Sammlung des Herrn Auguste Castellani ').
In dieser reichen Sammlung finden sich mehrere schöne
Aiterthömer der Völkerwanderungszeit, die alle in Italien
gefunden sind, obgleich die Fundstellen nicht genauer
bekannt sind.
Bei Rieti in Umbrien, eine halbe Miglie vor der
Porta Narni, wurden unter einem herabgestürzten Fels-
BtQcke einige Sachen gefunden, dabei auch die Knochen eines Menschen und
eines Pferdes. Die hier gefundenen Alterthämer waren:
Zwei grosse Fibeln von Silber; sowohl die hintere runde Platte, wie
die vordere oblonge, sind mit dflnnem vergoldetem Blech l)elegt, das mit
kleinen Cirkelschlägen und anderen eingestempelten Ornamenten decorirt
1) Ich habe Herrn Castellani viel xu danken rSr die Erlaobnise, diese srhOaen
Sachen ni pobliciren. Im Jahre 1883 hat der d&niache Architekturmaler J. T. Uanaen
diese trefflicbeo Zeichnangen lör mich in Kom gemacht.
30 Imovai.d Undset:
ist. Die eiiiu ist in Fig. 31 abgebildet: ueben der Figur sind die orna-
mentalen Details in voller Grösse angegeben'). Acht runde KnSpfe von
Bronze (Fig. 32), plattirt und oniamcntirt auf dieselbe Weise, wie die oben
erwühnten Fibeln; zwei von diesen Knöpfen zeigen an der Unterseite
Eisen; wahrsolteinlich geliörten sie zur Ausstattung eines Schildes (oder
eines Helmes?). Sechs Bcschlagstücke von Bronze (Fig. 33), welche oben
Fijr. B2.
Fig. 34.
'/.■
in Ringen endigen, waren auch dabei; durch Nägel waren sie gewiss au
Gelassen (oder an Pferdezeug?) befestigt; ein siebentes ist wie eine rohe
Gesichtsmaske (Fig. 34) geformt. Zwei einfaclie Broiizesciinallen.
1) Es waren dies die Filieln and die folpendpu Knöpfe, dir in meinem Anfsatie Ober
die fatale Speerspitie von Tvrcello, als eine Ihulirhe Technik in ilen eingestenipcllen
Ornamenten iei(;end nnd ilegwegen für mirh die Rehtheit jenes Stftrkeg bekiAfti^nd.
erwihtit wurden.
Altorthümer der VölkervandemDgszeit in Italieo. 31
AudiTe FuiidstAcke, die derselben Periode entstimimeu:
Ein eigeuthüinlielieB Beschlagetück, das an Fig. 25 aus dum Museo
Kircheriano erinnert, hat in derselben Weise dreieckige Endstfleke, wovon
jedoch das eine abgebrochen ist und fehlt; an der Mitte ist es etwas ver-
breitert und bildet hier ein Viereck, das mit einem Steme ornameiitirt
ist. Die Höhlung unter der Mitte ist hier bedeutend schmäler, als an dero
aus dem Kircheriano citirten Stücke (Fig. 35).
Ein kleines, dreieckiges Beschlagstück von Bronze, in demselben
Style omamentirt (Fig. 36).
Fig. 37.
Ein grosses, vergoldetes Stück ans Bronze (Fig. 37) zeigt etwa in
der Mitte eine grössere, leere, länglich -runde Oeffnung, die sehr an das
mittlere, hohle Stuck aus dem Kircheriano (Fig. 22), wo die Nadel an der
Schnalle angebracht ist, erinnert. Vom endet dies Stück in zwei von
einander ahgewendete Vogelköpfe; längs der Ränder ist es mit niellirten
Bogen und dazwischen mit Punkten ornamentirt. Es hat drei Felder mit
gravirten Zeichnungen, und zwar am rectangulären Ende zwei viereckige
Felder mit menschlichen Köpfen, am dreieckigi'ii Ende, neben den
Vogelköpfen, ein rundes Feld mit in ähnlicher Weiso gravirten Figuren.
Diese stellen eine nackte, weibliche Figur dar, mit einem Apfel in der
rechten Hand und neben einem Altar stehend, welche vor einer bekleideten,
bewaffneten und behelmten, weiblichen Figur steht, vielleicht eine Venas
32 Ihovald Uhdubt:
vor einer Dea Roma'). Die Bilder der zwei Meneclieiikö[>fe in den vier-
eckigen Feldern erinnern an das Oeprüge byzantinischer Münzen uml
überhaupt an die späteste antike Kunst.
Die drei letztgenannten Btücke sind in der Provincia di Roma
zusammen gefunden worden.
Ein kleiner Biemeneodbeechlag von Bronze, der sehr an Fig. 27 ans
dem Kircheriano erinnert.
Eine kleine, einfache, gleicharmige Fibnla von Bronze ohne OmaraoDte.
Eine kleine gleicharmige Fibula ohne Ornamente.
Eine Fibula von Bronze, von geringer Grösse und von dem gewöhnlichen
Typus der Völkerwandernngazeit, vom als ein Thierkopf endend, hinten
mit kleinen rundlichen Knöpfen um die halbrunde Endplatte; das Stück
zeigt Spuren von Vergoldung über das Ganze.
Zwei Riemenendbe schlage von Silber, wie mit Flechtwerk omamentirt.
Fragment einer schönen, silbernen Fibula, omamentirt mit Ver-
goldung und zerhackten Thierverschlingungen, vorn abgebrochen, an allen
erhabenen Linion niellirt; um den Bügel geht ein dicker, körniger Silber-
draht (Fig. 38).
Kg. 89.
Fragment einer Fibula, die vorn in einen Thierkopf endet und weiter
zurück am Bügel mit einem menschlichen (iesichte en face omamentirt
ist (Fig. 39); hinter dem Bügel und dem Gesichte ist das Stück ganz un-
vollständig.
1) Tprgl. eine Abhuidlong Ton KtügniBiiii, LV[%ip di Roma nei tipi monetwii
piD Mtichi, Rom» 18T9, 6. mit Taf«L
Alterthumer der Yölkerwanderongszeit in Italien. 33
Zwei Schnallen mit in Cloisons eingelegten Granaten nnd Glasflüssen,
die eine mnd, die andere mit viereckiger Hinterplatte.
Zwei kleine S- förmige Thierkopf- Fibeln, omamentirt mit Granaten
oder Glasflüssen in Cloisons am Thierrücken.
Zwei schöne, goldene Ohrringe im Style der Völkerwanderungszeit,
mit gefassten Granaten u. s. w.
Fragment, das Hinterstück einer Schnalle (etwa wie Fig. 22 aus dem
Kircheriano), mit eingekerbten Ornamenten im Style der Völkerwanderungs-
zeit.
Eine Fibula, die vom als ein Kopf en face ausläuft; um die halb-
runde Hinterplatte fehlt der Besatz.
Eine andere ähnliche Fibula, vom in zwei, nach einander gestellte,
kleine, runde Platten auslaufend; die halbrunde Hinterplatte ist von
fünf Knöpfen umgeben.
Viterbo, Collezione Falcioni. Zwei Schnallen in Formen der
Völkerwanderungszeit; in der Sammlung sind sie beide als „langobardisch''
bezeichnet. Hinter der eigentlichen Schnalle finden sich an beiden Exem-
plaren längliche Platten, an deren Unterseite der Gürtel durch Nägel
befestigt war. Die eine ist etwas fragmentarisch; beide sind in der Gegend
von Viterbo gefunden.
Chiusi, Museo municipale. Nr. 493 — 498, fünf zweischneidige
Schwertklingen von Eisen, der gewöhnlichen Form der Völkerwanderungs-
zeit angehörend, mit halbrunder Vertiefung in der Mitte beider Seiten
längs der Klinge. Eine einschneidige Schwertklinge von der gewöhnlichen
Form derselben Epoche. Eine einschneidige Dolchklinge, oder vielleicht
correcter ein sehr kurzes Schwert oder grosses Messer.
Collezione Paolozzi. Zwei grosse Schildbuckel von Eisen, mit
Nägeln mit grossen, platten, runden Bronzeköpfen am breiten, unteren
Rande; die Köpfe der Nägel sind mit goldenen, omamentirten Platten
belegt. Ein dritter ähnlicher Schildbuckel ist einfacher.
Reicher Grabfund dieser Periode von goldenen und vergoldeten
Schmucksachen, der nach dem französischen Nationalmuseum der
Alterthumer in St. Germain-en-Laye*) gekommen ist*). Der Fund
enthält 6 grössere und 11 kleinere goldene Beschläge zu Riemenenden,
alle an einem Ende abgerundet (Fig. 40 — 45); ausserdem 2 Bj'euze von
ziemlich dickem Goldblech mi/ umgebogenen Rändem und mit auf der
Unterseite angelötheten Oehsen, durch welche scheinbar ein Riemen oder
ein anderer, ähnlicher Gegenstand gezogen war (Fig. 46 und 47); diese
Kreuze sind von denen, die von Hrn. P. Orsi in der oben citirten Abhand-
lung behandelt worden sind, gänzlich verschieden. Die Riemenbeschläge
1) Ich habe es Hm. A Bertrand, de rinstitat fran^ais, zu yerdanken, dass ich diese
hochinteressanten Sachen abbilden konnte.
2) YergL eine Notiz in der Rerue arch^ologique, zieme Sdrie, I. pag. 121.
Z«iUchrlft für Bthnologie. Jahrg. 1891. g
Ingvald dKDfiirr:
Fig. 42.
Fig. 40. Fig. 41.
^B- «■ Fig. 45.
n
Alterthümer der Völkerwanderungszeit in Italien. 35
und mehrere der anderen Sachen zeigen vertiefte Arbeit, wohl zur In-
crustirung mit Granaten oder Glasfluss- Stücken; Reste einer dunklen
Masse sind auch an einigen der Stücke erhalten, sie diente wohl zum Pest-
halten der Steine. Ferner enthält der Fund mehrere kleine Schnallen von
Gold (z. B. Fig. 48 und 49) u. s. w. Von dem Inhalte des Fundes sind
am bemerkenswerthesten ein jochförmiges Stück (Fig. 50), wie von zwei
fliegenden Vögeln getragen, und zwei Thierfiguren (Fig. 51), kauernde
Thiere darstellend, welche gegen einander gewendet sind; sie ruhen auf
ihren Füssen und die Schwänze gehen frei nach hinten aus. Es waren
diese Stücke vielleicht als Beschläge oder Ornamente an einem Helme
angebracht. Ausserdem enthält der Fund eine bronzene Schale mit zwei
Tragehenkeln und mit durchbrochenem Fuss. Ein Stück von einem Pferde-
gebiss von Eisen und ein Eisenschwert, die auch dem Funde angehörten,
wurden von dem Museum nicht erworben. Der Verkäufer der Sachen
wollte den Fundort nicht genau angeben; wahrscheinlich ist dieser Fund
jedoch identisch mit dem von Hm. P. Orsi in der Note pag. 372 in der
öfter citirten Abhandlung erwähnten, der etwas nördlich von der Stadt
Chiusi, an einer Stelle, TArcisa genannt, gehoben wurde, wo eine kleine,
vor mehreren Jahrhunderten verfallene Kirche gelegen haben soll. Der
Fund soll auch, heisst es hier, ein Schwert mit Schwertscheide von Gold,
eiuen Dolch mit goldenem HandgrifiF, Fibeln, einen Ring und ein Siegel
von Gold, einen Schildbuckel, mit vergoldeten Nägeln gamirt, und einen
Helm mit goldener Incrustation enthalten haben (Fig. 52).
Noch vrill ich hier einen ähnlichen Fund er-
^' wähnen, der im Jahre 1876 in der englischen Zeitschrift
The Archeological Journal, vol. XXXHI. pag. 103 fiF.,
mit 3 Tafeln, erwähnt wurde. Er enthält reiche
Reste eines Schwertes, mehrere Schnallen, Riemen-
beschläge und einfache Goldkreuze, auch ein kleines
sattelförmiges, goldenes Beschlagstück, wie zwei in
dem letztgenannten Funde zu St. Germain (Fig. 53).
Siena, Sammlung des Hm. Marcheso Chigi.
,, Ein Beschlagstück zu einem Gürtel oder zu einer
Schwertscheide, ähnlich wie Fig. 25 aus dem Museo
Kircheriano, sicherlich in der Gegend um Siena gefunden.
Cortona. Museo municipale. Eine Schnalle von Bronze mit läng-
lich-dreieckigem Hinterstück, als bei Iste gefunden bezeichnet.
Perugia. Gabinetto Guardabassi, mit dem etruskischeu Museum
der Universität vereinigt. Eine kleine Fibula der Völkerwanderungszeit,
am vorderen Ende mit zwei Flügeln decorirt und mit drei Knöpfen an
der halbrunden Hinterplatte. Ein Schildbuckel von Eisen mit Einkerbung
oberhalb des grossen, breiten, ausplattirten unteren Randes. Schöne, ver-
goldete, silberne Fibula; kleine, gleicharmige desgleichen; einige Gürtel-
8*
36 Inqvald ündsbt:
schnallen (vergl. die Abbildungen in Notizie degli scavi 1880. Tav. II).
Viele Gärtelbeschläge; 11 runde, vergoldete Bronzeknöpfe, die auf Eisen
befestigt gewesen sind; ein Endbeschlag mit halbrundem Ende, der eben-
falls vergoldet war.
Collezione des Hrn. Prof. Bellucci. Mehrere kleine und zum Theil
fragmentarische Bronzen, die aus dieser Zeit stammen und von Gürtel-
schnallen^ Eiemenbeschlägen u. s. w. herrühren; sie sind bei Fojano,
Castione del lago und an anderen Orten in der Gegend von Chiusi
gefunden. Ein Paar grössere Fragmente von Gürtelbeschlägen dieser Zeit,
die in der Gegend von Perugia gefunden worden sind.
Firenze, Museo archeologico. Einige eiserne Speerspitzen von
Formen der Völkerwanderungszeit; eine zweischneidige und eine ein-
schneidige Schwertklinge, an der ersteren sind Reste von der Holzscheide
sichtbar; ein eiserner Beschlag zu einer Schildhandhabe von einer Form,
welche dieselbe Zeit bekundet. Eine Gürtelschnalle von Bronze mit drei-
eckigem Hinterstück.
Volterra, Museo nazionale. Ein Armring von Bronze mit kolben-
förmigen Enden, als Nr. 389 bezeichnet. Eine zweischneidige und zwei
einschneidige Schwertklingen, die bestimmt die Formen der Völkerwande-
rungszeit zeigen und mit Nr. 800 — 802 bezeichnet sind; sicherlich bekunden
sie ein Grabfeld aus dieser Zeit, das sich irgendwo in der Nähe befindet
Bei Hm. Manetti, der mit Alterthümem handelt, sah ich auch
mehrere kleinere Bronzesachen dieser Zeit, Schnallen, Riemenbeschläge
u. 8. w., die in der Gegend lun Volterra gefunden waren.
Grosseto, Museo municipale. Drei Armringe von Bronze mit
kolbenförmigen Enden. Eine einschneidige Schwertklinge und mehrere
Speerspitzen, ebenfalls von Eisen, die auch ohne Zweifel dieser Zeit an-
gehören und die in der Gegend um Grosseto gefunden sind. —
Wie ich schon in der Einleitung gesagt habe, kann hier aus mehreren
Gründen eine archäologische Behandlung der Frage nicht vorgenommen
werden, was speciell langobardischer Styl in der Ornamentik gewesen
ist, was dieses Volk von anderen germanischen Stylarten und aus der
Erbschaft der classischen Zeit entlehnt hat, und wie dieses Volk es
zum eigenen Besitzthum umgebildet und verarbeitet hat. Ebenso wenig
kann hier genauer ausgeschieden werden, was den Gothen oder anderen
germanischen Völkern zngethoilt werden muss. Das muss aUes der Zu-
kunft vorbehalten bleiben, wo man aUe diese Fragen ganz anders über-
blicken und viel vollständigere Material -Kenntnisse besitzen wird. Zudem
weiss man ja von alF den besprochenen Sachen gar nicht, wo sie gefunden
sind; namentlich gilt diese Bemerkung von den vielen Sachen im Museo
Kircheriano in Rom aus altem Bestände, die vor Jahrhunderten dem
AltertbSmer der TSlhenTondenuigGzeit in Italien. 37
UoBeDni zugekommeii sind. Mehrere von diesen Sachen sind einigen, nörd-
lich der Alpen, im Rheiothale und anderswo gefundenen eo ähnlich, dtias
man an eine Herkunft aus viel weiter
nördlichen Ländern denken musB. Ich f '?■ 64.
rerweiee nur auf die Abbildungen in
LindenBchmit, Handbuch der deut-
schen Älterthumskunde, I. (Braun-
schweig 1880—89) Fig. 294 u. 362—65.
Fig. 294 ist nebenstehend als Fig. 54
wiederholt; es wurde dies Stück auf
einem fränkischen Crrftberfelde in
Worms gefanden. Die abgebildeten
Sachen aus dem Museo Kircheriano
zeigen denselben Omamentstyl, wio
die von uordalpinen Fundorten an-
geführten; es liegt also der Zweifel
nahe, dass diese römischen Sachen
nicht in Italien gefunden sind. Weiss man ja, dass diese Antikensammlung
am Jesuiten -CoUegiom in Rom manchp Stücke aus fremden Ländern, wo
Jesuiten missionirten, empfangen hat, wie ich es in dieser Zeitschrift 1886.
S. 4, hervorgehoben habe in Betreff einiger, in demselben Museum auf-
bewahrter nordischer Bronzen. Dass die hier aus dem Kircheriano ab-
gebildeten Sachen der Völkerwaiiderungszeit möglicherweise im Süden ge-
fanden sind, kann man nicht ohne weiteres verneinen; ic)i führe hier zum
Vergleich einige Sachen ganz ähnlichen Styls an, die sicher auf der Balkan-
halbiusel gefunden worden sind, nehmlich Fig. &5 — 58 aus dem Museum
Fig. 56. Rg. 56.
38 Ingvald ündset: Alterthfimer der Ydlkerwandeningsseit in ItalieiL
zu Agram in Kroatien. Diese Sachen sind, wenigstens die meisten, in der
alten Stadt Sisek gefunden. Jedem Beobachter wird die Stylverwand-
schaft mit den besprochenen Sachen aus Italien und aus dem Rheinthale
sofort in die Augen springen.
Aber wir wissen ja, dass in der Völkerwanderungszeit die Völker-
schwärnie hin- und hergezogen sind; somit können sie dieselben Sachen
und denselben Styl nach den verschiedensten Gegenden gebracht haben.
Dies Alles lierauszufinden und zu klären, was dem einzelnen Volke oder
der einzelnen Zeit eigen ist, muss der Zukunft vorbehalten bleiben.
Vorläufig müssen wir uns darauf beschränken, das Material zu sammeln
und es zu veröffentlichen; die genauere Durcharbeitung wird erst nach
und nach folgen können.
Besprechungen.
Karl Schumacher. Beschreibung der Sammlung antiker Bronzen. Gross-
herzogliche Vereinigte Sammlungen zu Karlsruhe. Karlsruhe, J. Biele-
feld, 1890. gr. 8. 231 S. mit 13 Lichtdruck- und 16 zinkographischen
Tafeln und zahlreichen Abbildungen im Text.
Die, schon durch die trefflichen Publikationen des Hm. E. Wagner sehr bekannte
Sammlung antiker Bronzen zu Karlsruhe wird hier in einer vollständigen Aufzählung und
Beschreibung, unter Zufügung aller vorhandenen Nachrichten und literarischen Hinweise,
vorgeführt. Ein kunstgeschichtliches Register der wichtigeren Gegenstände ist am Schlüsse
(8. 219) beigebracht. Es geht daraus hervor, dass die Mehrzahl der Stücke italischen,
nur wenige griechischen Ursprunges sind; die ersteren umfassen die verschiedensten
Perioden bis zu der römischen, doch sind unter ihnen die älteren, hier als unteritÄlisch-
griechisch bezeichneten und die etruskischen Funde vorwiegend. Nicht wenige dieser
Stücke sind von hohem archäologischem Werthe. Die Beschreibung selbst ist nach den
Gegenständen geordnet, so dass zuerst die Hausgeräthe (Nr. 1 — 691), darunter auch die
Schmuck- und Toilettensachen, sodann die Geräthe für besondere Stände und Zwecke
(Nr. 692— 840), darunter die Waffen, das Pferde- und Wagengeräth, darauf „Verschiedenes
und Unbestimmbares" (Nr. 841 — 928) aufgeführt werden. Den Schluss bilden die Rund-
figuren, und zwar Götter, Heroen und Menschen (Nr. 929 — 1014), sowie Thiere
(Nr. 1015—34). Die Ausstattung ist durchweg sehr sauber und solid, die Zeichnungen
(von Hrn. M. Dietz) scharf und dem Anschein nach genau, die Lichtdrucktafeln
(XVn — XXVIII, aus der Anstalt des Hm. J. Schober) auch im Einzelnen gut erkennbar
und von plastischer Wirkung. Rud. Virchow.
Archaeological Survey of India. The Sharqi - Architecture of Jaunpur;
with notes on Zafarabad, Sähet -Mähet and other places in the north-
westem provinces and Oudh by A. Führer Ph. D., with drawings and
architectoral descriptions by Ed. W. Smith, edited by Jas. Burgess.
Calcutta 1889. Mit 74 Tafeln.
Die neue Serie der Publicationen des Archaeological Survey beginnt mit einem Bande,
welcher den muhammedanisch- indischen Stjl von Dschaunpur behandelt. Die Stadt
Dschaunpur, im gleichnamigen District der Nordwestprovinzen an der Nordseite des Gümti-
flnsses gelegen, war vom Ausgange des 14. Jahrhunderts an etwa 100 Jahre lang die Haupt-
stadt der von Malik Sarwar Khwädscha (1894) gegründeten Sharqi -Dynastie, welche mit
ihren früheren Herren, den Kaisem von Dilll, um die Oberherrschaft rang, bis dem
Kaiser Bahlol im Jahre 1478 die Eroberung der Stadt und damit die Unterwerfung des
Reiches gelang. Die Stadt, deren Kern das auf buddhistischen Ruinenstädten und auf
Kosten von Hindübsnten (um 1360) angelegte Fort des Firuz bildet, ist durch die Pracht-
bauten der Sharqi -Dynastie ausgezeichnet. Es sind dies besonders die Moscheen Atala
Masdschid, 1418 von Ibr&him Sult4n aus den Steinen eines Hindütempels erbaut; die Läl
Darw&za Masdschid von Bibi Rädschi, der Gattin des Mahmud, um 1450 erbaut, und die
Dschämt-Masdschid, ausgebaut von dem letzten Sharqt- Herrscher, welchen Bahlol nach
der Niederlage von 1478 auf dem Throne gelassen hatte. Zu diesen Moscheebauten
kommt noch die berOhmte sechszehnbogige Brücke über die Gümti, welche 712 englische
40 BesprechuDgen.
Fass Spannweite hat und von dem Mughal- Gouverneur Muntm khän 1568 erbaut ist. Diese
Bauten werden ausführlich beschrieben und abgebildet und ihre Inschriften publicirt. Von
besonderem Interesse aber sind die letzten Seiten des Buches. In der N&he von Dschaunpur
liegen nehmlich die Ruinenfelder, welche heute. Sähet- Mähet heissen und nach General
Cunningham's Annahme die Stelle der alten Stadt Qravästi, des Savatthi der bndd-
hitsischen Zeit, einnehmen. Der Boden aber ist fast unberührt und kann, wie Dr. Alois
Führer sich äussert, reiches Material von buddhistischen und dschainistischen Alterthümem
bergen. Hr. Führer publicirt eine Inschrift, welche Dr. Hoey auf seiner Tour 1884,86
gefunden hat und welche jetzt im Provinzial- Museum zu Lakhnau aufbewahrt wird, welche
beweist, dass noch um 1219 der Buddhismus im Lande war, und welche andererseits merk-
würdig ist dadurch, dass sie das Hindu -Königthum von Kanaudsch (Kanj&kubdsch&) als
noch bestehend erwähnt, welches Reich thatsächlich durch den Sieg des Sh&hab-ud-din
über Dschai Tschhand 1193 in den Händen der Muhammedaner war. Das in der Nähe
von Dschaunpur liegende Bhüila Tal hatte Mr. Carlleyle mit dem Heimathsorte des
Gautama Buddha, Kapilavastu, gleichgesetzt. Hr. Führer macht nun alle Gründe des
Mr. Carlleyle hinfällig, und kann ich dabei nicht umhin, den Leser besonders auf den
sub Nr. 3, S. 69 erwähnten unerhörten Vorgang hinzuweisen. Grünwedel.
Brehm's TiorleLen. Dritte gänzlich umgearbeitete Auflage von Pechuel-
Loesche. Säugetiere. Bd. II. Leipzig und Wien, Bibliogr. Institut, 1890.
gr. 8. 708 S. mit 19 Tafeln und zahlreichen Abbildungen im Text.
In rascher Folge ist von der vorzüglich ausgestatteten neuen Auflage der zweite
Band erschienen. Derselbe umfasst den Schluss der Raubthiere, die Bobben, die Insec-
tivora, die Nager und die Edentaten. Für die Anthropologen wird stets das in grosser
Ausführlichkeit und mit sichtlicher Vorliebe gearbeitete Kapitel über die Haushunde
besonders anziehend bleiben. Jeder, der einst einen Hund geliebt, wird gerne die Erinne-
rung an seinen treuen Gefährten erneuern; jeder, der die Bedeutung des Hundes für die
Culturgeschichte des Menschen sich vergegenwärtigen will, wird hier, aus der frischen
Gegenwart heraus, aus den Schilderungen der Hunde der Wilden und der verwilderten
Hunde selbst, eine Fülle von Erklärungen für das Leben in vor- und frühgeschichtlicher
Zeit gewinnen. Wie der Ref. stolz ist auf das Lob seines heimathlichen Hundes, des
guten Spitz (Canis pomeranus), der jetzt freilich auch in seinem Yaterlande immer seltener
wird, so wird auch jeder andere Leser eine Rasse entdecken, die ihm vorzugsweise gefallen
hat. Diesen vielen Hundefreunden wäre es nun freilich zu gönnen, dass ein wenig mehr
auf die physischen Beschaffenheiten der einzelnen Rassen eingegangen würde. Aber das
ist nicht die starke Seite des Buches. Bei anderen Thieren erhält man wohl zuweilen ein
Bild ihres Skclets, aber es fehlt meist die genauere Erläuterung. Wie viel für das Yer-
ständniss des Hundes würde gewonnen werden, wenn die Anatomie seiner Nase gegeben
würde, und wie leicht würde das Wesen des Bulldog -Kopfes in seiner pathologischen
Bedeutung begriffen werden, wenn der Unterschied seiner Nase von der eines Jagdhundes
zur Anschauung käme! Brehm liebte es, schwierige Probleme durch einen Machtspruch
zu lösen. Für ihn war es zweifellos, dass der Dingo ein verwilderter Haushund sei, aber
die Untersuchung, ob es fossile Knochen des Dingo giebt oder ob man sich in dieser
Annahme getäuscht hat, berührt er nur mit einem Worte. In solchen Stücken sollten
die neuen Bearbeiter ein wenig über die Grenzlinie, die sich der ursprüngliche Verfasser
gesteckt hatte, hinausgehen. Bud. Yirchow.
III.
Gedäclitnlssfeler
für
HEINRICH SCHLIEMANN.
Am Sonntage, den 1. März 1891, hatte das Berlinische Rathhaus sich
in feierlichen Schmuck gehüllt. Die Eingangshalle und die grosse Frei-
treppe waren in üppiger Fülle mit exotischen Sträuchem und Bäumen
besetzt. In dem Festsaale umgab eine prächtige Wand lebender Gewächse
die Rednerbühne und über derselben die von dem Bildhauer Hrn. Grüttner
modellirte Büste des
verstorbenen Ehrenbürgers der Stadt Berlin,
HEINRICH SCHLIEMANN.
Eine grosse Trauer -Versammlung, — in ihrer Mitte der langjährige
Freund des Dahingeschiedenen, S. H. der Erbprinz von Meiningen und Mit-
glieder der Reichs- und Staatsbehörden, — füllte die weiten Räume des
Saales. Die Einladungen waren ergangen Namens der städtischen Behörden
und der anthropologischen, der archäologischen und der Gesellschaft für
Erdkunde.
Bald nach 12 Uhr erklangen von der Galerie die feierlichen Klänge
des Marsches aus den „Ruinen von Athen" von Beethoven, ausgeführt von
der Bläserklasse der Königlichen Hochschule für Musik unter Leitung des
Herrn Kammermusicus Kossleck.
Im Auftrage des erkrankten Oberbürgermeisters der Stadt, Herrn
V. Forckenbeck, hatte der Stadtschulrath Hr. Bertram die Begrüssung der
Versammlung übernommen. Er that es in folgenden Worten:
Hochgeehrte Versammlung!
Am 7. Juli 1881 sprach in diesem Saale Heinrich Schliemanu. Der
Mann, den voll zu bewundem die kritischen Deutschen bis dahin nur um
der Wunderbark^it seines Erfolges willen gezögert hatten, er war der
unsrige geworden. Homer, so sagte er, hatte ihn zu seinem Lebenswerk
begeistert, Homer ihn dem Vaterlande zurückgegeben. — Nun ist der
sprachenreiche Mund verstummt und der Spaten ruht, der die greifbaren
Zeugen einer Vorzeit aufdeckte, auf der der Menschheit schönste Dich-
tung ruht.
ZciUcbnfc für Ethnologie. J»hrg. 1891. 4
42 (ledäcbtnissfeier für Heinrich Schliemann.
Aus der Trauer um den Abgeschiedenen leitet zur tröstlichen Empfin-
dung des über den Tod Erhabenen die Erinnerung an das weithin Wir-
kende, das dem verehrten Manne gelungen ist, an das Unvergängliche
in den edlen Zügen seines Lebens.
Dass die drei grossen gelehrten Gesellschaften Berlins, die ihre Auf-
gaben durch Schliemann's Entdeckungen gefördert sahen, sich heute hier
zu einer Gedächtuissfeier für unseren Ehrenbürger vereinigt haben, dafür
im Namen beider Gemeindebehörden herzlich zu danken, ist zu seinem
Leidwesen der Herr Oberbürgermeister durch ein widriges Geschick ver-
hindert.
Dem Danke, den ich in seinem Auftrage ausspreche, darf ich da nur
ein kurzes Wort hinzufügen, wo die Kundigsten unter den Männern der
Wissenschaft des grossen Todten Verdienste würdigen, wo Schliemann's
Odyssee von demjenigen seiner berühmten Freunde erzählt wird, der ihn
uns zuführte.
Seine Sammlung trojanischer Alterthümer schenkte Heinrich Schlie-
mann dem Deutschen Reiche zu ewigem Besitz und ungetrennter Auf-
stellung in der Reichshauptstadt. In den Sälen des Museums für Völker-
kunde hat er mit eigener Hand die Schätze geordnet, die zu uns reden
von Priamos Geschlecht. Sie reden mehr. Sie reden von einem deutschen
Manne, der glaubensstark und unermüdlich den erworbenen Reichthum
der Wissenschaft, den wissenschaftlichen Fund dem Vaterlande weihte,
unter deutschen Kaufleuten bahnbrechende Entdecker, in unserem Rath-
hause die Verehrung wissenschaftlicher Heroen, davon soll Heinrich Schlie-
mann's, soll Leopold Ranke^s Büste künden, und so trete denn des ewig
Unsrigen Bild vor unsere Seelen,
^Enei fiiya xoQ^a rtolei t ^y navtl ts dif/ti^.
Die Gedächtnissredo hielt der Vorsitzende der anthropologischen Gesell*
Schaft, Hr. Rudolf Virchow:
Es ist heute dat zweite Mal, dass eine so grosse Versammlung diese
weiten Räume füllt, um Heinrich Schliemann zu feiern. Zum ersten Male
geschah es vor nunmehr bald 10 Jahren, als die Behörden dieser Stadt
ihn unter die kleine Zahl ihrer Ehrenbürger aufgenommen hatten. Damals
war er selbst gekommen, begleitet von der herrlichen Frau, der Gefährtin
seiner Arbeiten und seines Strebens, um sich unter seinen neuen Mit-
bürgern heimisch zu machen und allen denen Dank zu sagen, die an seiner
Wiedereinsetzung in das deutsche Heimathrecht mitgewirkt hatten.
Wie vieler Tage und Jahre Kummer wurde durch jenes Fest von 1881
ausgeglichen! Schliemann war kein Freund lauter Freudenbezeugungen^
aber jeder sah es seiner zufriedenen Miene an, wie tief er die ent-
scheidende Wendung empfand, die ihn, den halben Fremdling, wieder
Gred&chtnissfeier für Heinrich Schliemann. 43
voll in die Mitte seiner Landsleute stellte, ja die ihm die beglückende
Ueberzengung gab, dass er, den man eben noch als einen thörichten
Schwärmer verspottet hatte, nunmehr als ernster Forscher, als Mehrer
des nationalen Ruhmes im Vaterlande geachtet und geehrt werden solle.
Vierzig Jahre waren verflossen, seitdem er, damals ein 19jähriger
Jüngling, das Vaterland und die Seinen verlassen hatte. Schon mit
14 Jahren war er genöthigt gewesen, die Hoffnung auf eine gelehrte Schul-
erziehung aufzugeben. In der niedrigen Beschäftigung eines aussichts-
losen Kaufmannslehrlings in der kleinen meklenburgischen Stadt Pürsten-
berg waren sogar seine kindlichen Träume von einer Wiederauffindung
der alten homerischen Königsburg erblasst. Und als sich endlich heraus-
stellte, dass sein Körper die schweren Leistungen, die sein Beruf verlangte,
nicht zu erfüllen vermochte, als wiederholte Anfälle von Bluthusten die
Gefahr seiner Lage nur zu deutlich enthüllten, da entschloss er sich mit
jener Zuversicht, die ihn in keiner Lage des Lebens je verlassen hat, die
alte Welt, die ihm so wenig geboten hatte, zu verlassen und drüben, in
-dem milden Klima von Venezuela, Gesundheit und lohnende Stellung auf-
zusuchen.
Aber „die Götter", wie er zu sagen pflegte, hatten es anders bestimmt.
Das kleine Handelsschiff, auf dentf er die Ueberfahrt machen wollte, hatte
noch nicht die Nordsee verlassen, als Poseidon einen gewaltigen Sturm
erregte. Als Schiffbrüchiger ward er, wie Odysseus, auf die Küste
geworfen. Past mittellos kam er in Amsterdam an. So begann die lange
Zeit seines Exils, welches ihn mehr und mehr dem Vaterlande entfremdete,
aber auch in demselben Maasse, als er nur auf sich selbst gestellt war,
seine Kräfte entwickelte und ihn schnell zu einem Manne von seltenster
Pestigkeit der Individualität heranreifen Hess.
Als gewöhnlicher Laufbursche in einem der grossen Amsterdamer
Handelshäuser nahm er den Kampf um das Dasein auf. Wie wenige
möchten unter gleichen Umständen sich vor sittlichem und materiellem
Untergänge gerettet haben! Was ihn rettete, das war geistige Arbeit.
Mit den dürftigen Mitteln, die er verdiente, unternahm er die selbst
gesteckte Aufgabe, die Kenntniss aller der Sprachen zu erwerben, welche
nach seiner Auffassung für einen Grosskaufmann erforderlich waren. Zu
dem Holländischen fügte er in stiller, unermüdeter Arbeit im Laufe weniger
Jahre Englisch und Pranzösiseh, Portugiesisch und Spanisch, meist als
Autodidakt, und doch mit solchem Erfolge, dass er diese Sprachen nicht
bloss schreiben, sondern auch sprechen lernte. So ausgestattet, machte er
auch schnell Portschritte in der Schätzung seiner Principale, und als er
endlich, wieder als Autodidakt, auch das Russische erlernt^ und Proben
seiner Befähigung darin abgelegt hatte, schickte man ihn nach Petersburg,
um die dortige Agentur des Hauses zu führen.
44 Gredächtnissfeier für Heinrich Schliemann.
Es klingt wie ein Boman, was er über diese Zeit der Sprachstudien
in seiner Selbstbiographie erzählt^ und doch weiss ich ans Zeugnissen von
Zeitgenossen, dass er streng bei der Wahrheit geblieben ist. Was könnte
sonderbarer erscheinen, als seine Darstellung, wie er, um sich ohne Lehrer
im Russischen zu üben, russische Texte auswendig lernte und sie mit
erhobener Stimme vortrug, damit aber für sich keine Befriedigung gewann,
da niemand ihn verstand oder auch nur hörte, und wie er dann, um doch
wenigstens einen Hörer oder genauer einen Menschen zu haben, den er
ansprechen konnte, einen armen Juden miethete, der jeden Abend zwei
Stunden lang ihm zuhören musste, ohne auch nur eine Silbe von dem Vor-
getragenen zu verstehen. Aber er erreichte sein Ziel, und es gelang ihm
schon in Jahresfrist in Russland so weit vorwärts zu kommen, dass er als
selbständiger Kaufmann in die Petersburger Gilde aufgenommen wurde.
Siebzehn Jahre der angestrengtesten Arbeit machten ihn zu einem
reichen Manne. Die Wechselfälle des Handels, namentlich zur Zeit des
Krim -Krieges, wusste er durch Vorsicht und, vielleicht noch mehr, durch
unerschütterliche Zuverlässigkeit im geschäftlichen Verkehr zu überwinden.
Mit dem Vertrauen seiner Kunden wuchs die Ausdehnung seines Betriebes
und die Grösse des Gewinnes. Der Indigo - Handel, der von Anfang an
die Grundlage seines Geschäftes gebildet hatte, warf ihm schliesslich allein
einen Jahresertrag von 200 000 Mk. ab. Alles schien sich zu vereinigen,
um ihn dauernd an Russland zu fesseln. Er hatte sich mit einer Russin
verheirathet, es waren ihm zwei Kinder geboren, er hatte das Vertrauen
der Behörden und die Achtung seiner Standesgenossen gewonnen, neben
seinem Petersburger Hause war eine Moskauer Filiale erblüht, sein Credit
im Auslande, besonders in Amsterdam und London, sicherte ihm die
Leichtigkeit in der Durchführung auch der grössten Unternehmungen.
Was konnte ihn hindern, in den so gut gebahnten Wegen fortzuschreiten?
Wie kam es, dass er dem Drange nach immer weiterem Gewinn, einem
Drange, dem schon so viele Existenzen geopfert sind, widerstehen konnte?
Was hinderte ihn, ein grosser Handelsherr zu bleiben und Russe zu werden?
Wenn wir die äussere Geschichte seines Lebens durchgehen, so stossen
wir auf die überraschende Thatsache, dass er schon im Jahre 1850 amerika-
nischer Bürger geworden war, nicht aus Vorbedacht oder Ueberlegung, son-
dern durch Zufall. Das Geschick hat ihm das amerikanische Bürgerrecht
in den Schooss geworfen. Er war nach Californien gereist, um einen da-
hin ausgewanderten und verschollenen Bruder aufzusuchen; er fand nur
noch die Nachricht seines Todes. Aber mit dem 4. Juli 1850 wurde
Californien ein Staat und jeder, der sich dort befand, erlangte ipso facto
die Naturalisation. Schliemann nahm, wie er sagt, voller Freude dieses
Geschenk an. Seitdem begann er als vorsichtiger Mann einen Theil seines
Vermögens in Amerika anzulegen; zu wiederholten Malen kehrte er dahin,
einmal zu einem langen Aufenthalte, zurück; zahlreiche persönliche
Gedächtnissfeier f&r Heinrich Schliemann. 45
Beziehungen wurden eröfihet, und noch bis in die letzte Zeit fanden seine
Bücher nirgends einen so grossen Leserkreis, nirgends eine so dankbare
Aufiiahme, als in den Vereinigten Staaten. Der Schutz der amerikanischen
Diplomatie half ihm später die vielen Hindemisse überwinden, welche
dem Beginn seiner Arbeiten im Orient entgegengethürmt wurden, und der
blosse Name des amerikanischen Bürgers reichte aus, um auch seine Rechts-
verhältnisse in Bussland mit genügenden Bürgschaften zu umgeben.
Man würde aber die Stimmung Schliemann's in dieser Zeit nicht
begreifen, wollte man nicht auch die inneren Gründe würdigen, welche
sich immer stärker geltend machten. Schliemann hatte sich in der langen
und harten Lehrzeit so sehr an stete Arbeit und so wenig an Erholung
durch blosse Zerstreuung gewöhnt, dass er sich alsbald nach neuer Beschäf-
tigung umsah, als die günstige Gestaltung seiner wirthschaftlichen Verhält-
nisse ihm wieder Mussestunden gewährte. Und wo hätte er eine mehr
zusagende, seinen Fähigkeiten und seiner üebung mehr entsprechende
Beschäftigung finden können, als in dem Erlernen neuer Sprachen? Er
begann zunächst (1854) mit Schwedisch und Polnisch; als nach dem Krim-
kriege die ersten Friedensnachrichten eintrafen (1856), wandte er sich
sofort dem Neugriechischen und dann dem Altgriechischen zu. Damit trat
auch Homer wieder in den Vordergrund seines Sinnens. Zwei Jahre hin-
durch beschäftigte er sich fast ausschliesslich in seinen Mussestunden mit
der Dias und Odyssee und mit den Hauptwerken der späteren Klassiker.
Zuletzt (1858) kehrte er zum Lateinischen zurück, das er seit seiner Schul-
zeit in Neustrelitz nicht mehr getrieben hatte.
So war er denn endlich, nach 22 Jahren einer Entbehrung, deren
Bitterkeit nur die beständige Arbeit und der äussere Erfolg zu mildern
vermocht hatten, an der Stelle seiner inneren Entwickelung angelangt, wo
dieselbe einst in jäher Weise unterbrochen worden war. Die schwärme-
rische Begeisterung für das alte Troja, das er unter der Leitung seines
Vaters als Kind kennen gelernt und dessen Brand er aus einem Holzschnitt
in Jerrer's Universalgeschichte sich eingeprägt hatte^ schlug in neue und
stärkere Triebe auf, als er das herrliche Gedicht in der Ursprache lesen
konnte. Die praktische Beschäftigung mit dem Handel wurde ihm lästig,
und, obwohl er nie aufgehört hat, ein sorgsamer Verwalter seines Vermögens
und ein sparsamer Mann zu sein, so fand er doch, dass er Mittel genug
gesammelt habe, um zu der Aufgabe zurückkehren zu können, die seine
Phantasie erfüllt hatte, ehe der Gedanke, ein Kaufmann zu werden, an
ihn herangetreten war.
Die Unruhe seines Innern trieb ihn zunächst auf eine grössere Reise.
Er ging über Schweden, Dänemark, Deutschland und Italien nach Aegypten,
machte hier seine erste Nilfahrt bis zu den zweiten Katarakten, lernte
dabei zugleich Arabisch^ und wandte sich dann über Syrien und Kleinasien
nach Athen, mit der Absicht, Ithaca zu besuchen. Aber noch einmal
46 Ged&chtnissfeier for Heinrich Schliemann.
zwangen ihn dringliche Geschäfte nach Petersburg zurück, fast wider
Willen musste er noch wieder neue grosse Gewinne seinem Vermögen hin-
zufügen, und erst 5 Jahre später^ Ende 1863, gelang es ihm, sich in Bnss-
land frei zu machen. Er löste alle seine dortigen Verbindungen und ver-
liess für immer das Land, das ihn zum Millionär gemacht hatte.
Trotz aller Entschlossenheit, nunmehr, wie er selber sagt, „den Traum
seines Lebens zu verwirklichen", war er sich wohl bewusst der Schwierig-
keit und der Grösse der Aufgabe, deren Lösung ihm vorschwebte. Noch
einmal schob er eine grosse Heise ein. Ln April 1864 ging er über Car-
thago und Aegypten nach Italien, China und Japan, machte in einem
kleinen englischen Schiff die Ueberfahrt nach S. Francisco, und besuchte
Mexico und Cuba. Ln Frühjahr 1866 siedelte er sich in Paris an, um
von nun an ausschliesslich der Archäologie zu leben. Vorher jedoch hatte
er seine Erfahrungen im fernen Osten in einem kleinen, französisch
geschriebenen Buche, dem ersten, das er verfasste, niedergelegt. Zwei
Jahre ernster Studien, für welche die reichen Sammlungen der französischen
Hauptstadt eine Fülle von Material boten und der Verkehr mit den
hervorragendsten Kennern des Alterthums die erforderliche Hülfe leistete,
wurden der Vorbereitung der beabsichtigten Arbeiten gewidmet. Dann
erst, im Frühjahr 1868, brach er zu einer ersten exploratorischen Reise
auf. Er ging nach den ionischen Liseln: Corfu, Cephalonia und Ithaca
wurden besucht; dann sehen wir ihn zum ersten Male in Mykenae, dem
Ort seiner späteren grössten Triumphe, wo er die von den meisten Philo-
logen bezweifelten Angaben des Pausanias über die Königsgräber einer
vorläufigen Prüfung unterzog, und schliesslich begab er sich über Athen
nach der Troas. Hier begann seine Besichtigung mit Bunarbaschi, das
damals in der Meinung der Gelehrten die meisten Ansprüche, als Stätte
des alten Troja zu gelten, auf sich vereinigte. Sein gutes Glück führte
ihm den Mann zu, dessen genaue Localkenntniss und dessen Uebung in
archäologischer Forschung ihn zu dem besten Führer auf diesem, durch
tausendjährige Misswirthschaft verwüsteten Boden machte. Frank Calvert,
der amerikanische Oonsul in den Dardanellen, dessen gastliche Hülfe seit-
dem so viele Reisende und Gelehrte der alten und der neuen Welt
genossen haben, war früher selbst ein Anhänger der Bunarbaschi -Hypothese
gewesen. Er hatte sich auf Grund eigener Untersuchungen von derselben
abgewendet und die zuerst von Maclaren, einem schottischen Forscher,
1822 aufgesteUte Meinung angenommen, dass der Platz der zerstörten Stadt
auf dem Hügel zu suchen sei, den die Türken bis auf den heutigen Tag
Hissarlik, d. h. Schlossberg, nennen. Da ein grosser Theil dieses Hügels
im Besitz seiner Familie war, so hatte Mr. Calvert auch schon einige Aus-
grabungen daselbst vorgenommen, und obgleich er nicht bis in grosse
Tiefe vorgedrungen war, so hatte er doch das Glück gehabt^ jene Mauer
zu treffen, die nachher gewöhnlich als die makedonische oder als die Mauer
Ged&chtnissfeier für Heinrich Schüemann. 47
des Lysiroachos bezeichnet worden ist Das war freilieh nicht viel, und es
genügte am wenigsten, um daraus den Platz einer Stadt oder Burg fest-
zustellen, die vieUeicht ein Jahrtausend vor der Zeit des grossen Alexander
zerstört worden war. Aber es machte einen solchen Eindruck auf Schlie-
mann, dass er sofort beschloss, hier mit weiteren Ausgrabungen vorzugehen.
Er zeigte es in einer neuen, wiederum französisch geschriebenen Abhand-
lung: Ithaque, le Peloponnfese et Troie an, welche Ende 1866 erschien und
ihm die Ernennung zum Doctor der Philosophie Seitens seiner vater-
ländischen Universität Rostock eintrug. So brachte der erste Schritt auf
dem durch die herrlichste Dichtung des Alterthums geheiligten Boden ihm
aueh die erste Anerkennung einer gelehrten deutschen Körperschaft.
Noch einmal freilich zwangen ihn financieUe Aufgaben zu einer Reise
nach den Vereinigten Staaten; fast das ganze Jahr 1869 verging darüber,
uod erst im April 1870 konnte er wieder nach Hissarlik zurückkehren,
um persönlich durch neue Probegrabungen die etwaige Tiefe der Schichten
festzustellen, durch welche er zu den unter ihnen vermutheten Trümmern
der alten Stadt hindurchzudringen hatte. Es ergab sich, dass er an der
von ihm gewählten Stelle 16 Fuss tief graben lassen musste, um auch nur
auf makedonische Mauern zu kommen, dass also eine sehr umfangreiche
und tiefe Ausgrabung nothwendig werden würde, um bis auf den Grund
zu gelangen. Zu solchen Arbeiten bedurfte es eines besonderen Formans
des Sultans. Daher wurde der eigentliche Beginn der Arbeiten auf das
folgende Jahr 1871 verlegt.
Betrachten wir inzwischen diesen denkwürdigen Platz. Die troische
Ebene oder, wie sie schon bei Homer heisst, die Skamander- Ebene öffnet
sich mit einer niedrigen, sandigen Küste, nahe dem Ausgange des Helles-
poot in das Aegäische Meer. Gerade gegenüber auf der anderen Seite
springt die felsige Spitze des thracischen Chersonnesos vor. Gegen das
Aegäische Meer im Westen ist die Ebene durch das niedrige, aber lang-
gestreckte Küstengebirge des Sigeion gedeckt. Gegen Süden liegen
vulkanische Höhen, auf deren einer bei Bunarbaschi kümmerliche Mauer-
reste aufgedeckt sind. Gegen Osten und Nordosten schieben sich von
einem weit ausgedehnten Plateau mehrere, der Tertiärformation an-
gehörige, im Ghmzen niedrige Vorberge in die Ebene vor. Der höchste
unter ihnen ist Hissarlik, in seiner ursprünglichen Gestalt 49,5 m hoch
(über der See). Er fäUt nach zwei Seiten steil ab, einerseits gegen Westen
zu der Skamander -Ebene, andererseits gegen N^orden zu der kleineren
Thalebene des Dumbrek- Tschai oder, wie die Anhänger der Troja- Theorie
sagen, des Simoeis. Jenseits dieser Thalebene folgt das Küstengebirge
des Hellespont, auf dessen Ende gegen die Skamander -Ebene hin der
Hügel Intepe, das schon im Alterthum weit berühmte Grab des Ajax, sich
erhebt
Der Hügel Hissarlik hat somit trotz seiner geringen Hölie eine
48 Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann.
beherrschende Lage. Man überschaut von seinem Gipfel nicht nur die ganze
troische Ebene und das Dumbrek-Thal, sondern auch die Küste am Helles-
pont und diesen selbst in seinem Ausgange; darüber hinaus schweift der
Blick weit über das Meer bis zu dem zackigen Pik von Samothrake,
und rückwärts gegen Süden sieht man bei klarem Wetter die fernen Gipfel
des Idagebirges. Ja, am Abend, wenn die Sonne sinkt, erscheint, wie ein
Phantom, weit hinten über dem Aegäischen Meer die schattige Pyramide
des Athos. Das ist die Scenerie, welche Homer in wundervoller Naturtreue
schildert. Dieses Gesammtbild braucht man, um den Rahmen zu finden
für die Kämpfe der Menschen auf der Ebene und zugleich für die Bethei-
ligung der Götter, — Poseidon auf Samothrake, Zeus selbst auf dem Ida.
Wer dieses Bild geschaut und begriffen hat, dem erschliesst sich der ganze
Zauber der Dichtung und die Grossartigkeit der Conception, deren Natur-
treue ein unvergängliches Zeugniss dafür ablegt, dass der Dichter selbst
dieses Alles gesehen haben muss.
Es würde zu weit führen, die Fülle von Beweisen vorzutragen, welche
die Gestaltung der Ebene, der Lauf der Flüsse und Bäche, die Flora und
Fauna des Landes für eine solche Annahme darbieten. Aber diese Beweise
würden nicht ausreichen, um den Hügel Hissarlik als die eigentliche Stelle
der homerischen Ilios zu bestimmen. Die definitiven Beweise liegen eben
in dem Aufbau des Hügels selbst, wie er von Schliemann in 8, zum Theil
durch längere Pausen unterbrochenen Campagnen, unter Aufwendung rie-
siger Geldsummen und unter höchster persönlicher Aufopferung klar gelegt
worden ist. Das unzweifelhafte Schlussergebniss ist das, dass ein grosser
Theil des Hügels künstlich aufgebaut ist und dass von seiner Oberfläche
bis gegen den felsigen Untergrund hin eine Reihe von immer älteren Cultur-
schichten auf einander folgt, deren älteste in einer Tiefe von über 50 Fuss
den ursprünglichen Felsen bedeckt. Schliemann hat die Mauer- und Haus-
reste der einzelnen Schichten „Städte" genannt und je nach der Beschaffen-
heit der Bauten und der zahlreichen anderweitigen Fundstücke 7 der-
selben unterschieden. Zweifellos erweckt der Name „Städte** eine einiger-
maassen übersehwängliche Vorstellung, da es sich mehr um Burgen oder
Festen, als um Städte handelt. Auch hat er im Laufe der Jahre in Bezug
auf die Zahl der unterscheidbaren Schichten geschwankt, je nachdem die
fortschreitende Ausgrabung neue Gesichtspunkte für das Urtheil ergab.
Indess diese feineren Unterscheidungen haben wenig Bedeutung für das
Gesammturtheil. Die Hauptsache ist, dass in der Oberfläche Reste der
römischen und byzantinischen Zeit in grosser Fülle und in zuverlässigen
Fundstücken vorhanden sind, wie sie sich auch in weitem Umfange auf
dem benachbarten Plateau und den Hängen gegen die Ebene finden^ da
wo in di(J8er verhältuissmässig späten Zeit die umfangreiche Stadt Neu-
Ilion (Ilion novum) gelegen hat. Darunter folgen griechische, namentlich
makedonische Funde mit gut zu datirenden Zeichen. Noch tiefer finden
Ged&chtnissfeie^ für Heinrich Schliemanii. 49
r
sich archaische Formen, zum Theil wohl gleichfalls noch griechischen Ur-
sprunges, auch solche im Mykenae-Styl. Damit gelangt man schon über
die historische Zeit hinaus in prähistorische Perioden, und auch diese
weisen noch wieder Schichten mit verschiedenem Inhalt auf bis zu der
tiefsten Culturschicht, deren Fundstücke sich vielfach denen der Steinzeit,
und zwar der neolithischen Periode, nähern.
Es liegt auf der Hand, dass, wenn eine dieser prähistorischen Schichten
dem Troja der Sage oder der Dichtung angehört hat, es nur eine solche
sein kann, welche grössere und bemerkenswerthe Bauwerke oder Reste
derselben enthält. Von der tiefsten Schicht kann man diess nicht sagen,
wenigstens bis jetzt nicht. Freilich ist so wenig davon freigelegt, dass
ein architektonisches Bild der Verhältnisse dieser Schicht überhaupt nicht
entworfen werden kann. Wäre es doch nöthig, um eine solche Freilegung
zu bewirken, alle darüber gelegeneu Schichten zu zerstören und abzutragen.
Dazu hat sich Schliemann niemals entschlossen und es hat auch niemand
dazu gerathen, denn das, was in einem grossen Querschnitt der tiefsten
Schicht blossgelegt ist, bietet wenig Anhaltspunkte für die Vermuthung,
dass hier bedeutende Bauten waren. Was aber viel wichtiger ist, in der
darüber liegenden Schicht, der Zweitältesten, finden sich nicht bloss Fun-
damente grosser Gebäude, sondern es war diess gerade die Hauptfundstätte
der wichtigsten Gegenstände, so namentlich der Goldsachen. Ueberdiess
sah man hier die Zeichen gewaltiger Feuerwirkungen, die bis zur Ver-
glasung des Thons der Mauern und der Fussböden vorgeschritten waren.
Daher glaubte Schliemann in dieser „verbrannten Stadt" das Troja der
Dichtung wiederzuerkennen, und in seinem ersten Enthusiasmus nannte er
eines der Gebäude, dessen Mauern noch zum Theil erhalten waren, das
Haus des Priamos, und das einzige Thor, das er im Laufe der ersten
Campagne auffand, das skäische.
Die klugen Leute, welche zu Hause sassen und die in feuriger
Begeisterung geschriebenen Berichte des Forschers in kaltblütiger Ruhe
lasen, fanden sehr bald den schwachen Punkt in diesen Ausführungen.
Sie hatten es leicht, zu beweisen, dass diese Trümmer nicht einer Stadt
angehört haben könnten, wie sie Homer schildert, dass diese Stein- und
Bronzewaffen sich nicht für die homerischen Helden eigneten. Sie konnten
auch darauf verweisen, dass schon frühere Gelehrte nachzuweisen versucht
hatten, dass Homer die Troas nie gesehen habe, dass seine ganze Dar-
stellung von dem Schlachtfelde auf die Ortsverhältnisse nicht passe, —
kurz, dass die ganze Ilias eine Erfindung sei. Personen, welche niemals
die Küste der Troas gesehen hatten, wussten ganz genau, wie es im Linem
des Landes aussehen müsse. Und sie fielen gemeinsam über den armen
Gräber her und häuften arge Scheltworte auf ihn, bis er in Zorn gerieth
und sich von seinem Vaterlande ab und zu den Nationen wandte, die doch
wenigstens den unschätzbaren Kern seiner Entdeckungen anerkannten, wenn
50 Gedftchtnissfeier für Heinrich Schliemann.
sie auch nicht alle Deutungen derselben annahmen. Nirgends ist diese
Anerkennung durch competente Forscher früher und in herzlicherer Weise
ausgesprochen worden, als in England, und daher fühlte sich auch Schlie-
mann zu keinem Yolke mehr hingezogen, als zu dem englischen.
In der That, konnte es etwas Ungerechteres geben, als wegen der
Zweifel über Priamos und das skäische Thor die ungeheure Neuigkeit
zu vergessen, dass hier eine uralte, prähistorische Culturstätte aufgedeckt
war mit einer Fülle von Geräth allerlei Art, namentlich keramischem, wie
es bis dahin noch nirgends aufgefunden war? Wenn man auch Priamos
und alle die Seinen strich, blieb dann nicht noch genug übrig, um den
glücklichen Entdecker zu den grössten Förderern der Wissenschaft zu
zählen? Diese prähistorischen „Städte", auch wenn sie aufhörten, Städte
zu sein, waren sie nicht Fundplätze des reichsten wirthschaflilichen und
kriegerischen Materials? Eine ruhige Ueberlegung ergiebt ja ohne Wei-
teres, dass der Dichter der Dias, mag er nun Homer geheissen haben oder
anders, eine Stadt oder eine Burg, die Jahrhunderte vor seiner Geburt
bis auf den Grund zerstört war, nicht gesehen haben kann, und dass die
Helden seiner Zeit anders bewaffnet und ausgerüstet sein mussten, als die
Helden, die er unter den Namen von Hektor und Achilleus auftreten Hess
und die er nach dem Vorbilde zeitgenössischer Krieger ausstattete. Was
uns bei den Malern der Renaissance ganz geläufig ist, dass sie die Personen
aus der Umgebung des Heilandes in der Gestalt ihrer eigenen Zeitgenossen
vorführen, musste das nicht bei einem Dichter noch mehr zutreffen, der
auf Grund sagenhafter Berichte die Thaten prähistorischer Leute schildern
wollte?
Schliemann war in den ersten Jahren seiner Ausgrabungen nicht in
der Neigung, derartige nüchterne Betrachtungen anzustellen. Sein Geist
war erfüllt von den Bildern, welche der Dichter in so lebendigen Farben
gemalt hatte. Dazu kam für ihn ein neues Moment der Erregung.
Als im September 1871 die erste Campagne der Ausgrabungen auf His-
sarlik eröffnet werden sollte, erschien er mit seiner jungen Frau, einer
geborenen Athenerin. Beide Ehegatten, so verschieden im Alter und in
ihrer bisherigen Entwickelung, trafen doch in einem Punkte zusammen:
in der begeisterten Schätzung der Grosstliaten der alten Hellenen und in
der Pflege der poetischen Traditionen, welche diese Grossthaten in der
Erinnerung der späten Enkel erhalten hatten. Sie lasen mit einander
die nias und die Odyssee, sie lernten sie auswendig, und wenn irgend ein
Vorkommniss an einen homerischen Vers erinnerte, so recitirte einer von
ihnen die betreffende Stelle, der andere fiel ein, und in verklärtem Accord
rollte sich die Scene ab, wie einst in der alten Zeit, wenn der „göttliche
Sänger^ die Herzen seiner Zuhörer durch das Zauberwort des Dichters
gefangen genommen hatte. Die Prosa fand in diesen glücklichen Tagen
keinen Zugang zu den Gedanken des Ehepaares, und fremde Kritik war
(iedächtnissfeier für Heinrich Schliemann. 51
vorläufig von ihrem Verkehr ausgeschlossen. Was schadete es am Ende
auch, wenn die subjektive Deutung über das berechtigte Maass hinaus
die gemachten Funde mit den Versen des Dichters in Beziehung setzte?
Genügte es nicht, dass der objektive Thatbestand festgestellt wurde?
Hinterher blieb es ja der epikritischen Betrachtung der Gelehrten über-
lassen, eine andere Deutung zu finden.
Leider ist es dem Menschen nicht gegeben, subjektive Deutung und
objektiven Thatbestand so weit auseinander zu halten, dass überall die
Grenze erkennbar bleibt. Die Art, wie wir einen Gegenstand auffassen,
bestimmt auch die Bezeichnung, welche wir wählen, und an die Bezeich-
nung knüpft sich wieder das ürtheil der Hörer, mögen sie nun kritische
oder unkritische Köpfe sein. So erklärt es sich, dass gerade die ersten
Beschreibungen Schliemann^s Angaben enthielten, welche auf einer falschen
Auffassung beruhten, und gerade diese Angaben haben nicht wenig dazu
beigetragen, ihm Angriffe zuzuziehen, die seine letzten Lebensjahre ver-
bitterten.
Trotz aller literarischen Vorstudien war Schliemann, als er die Aus-
grabungen auf Hissarlik begann, ein Autodidakt. Er war es hier auf
archäologischem Gebiet fast noch mehr, als er es früher auf linguistischem
Gebiete gewesen war. Aber aus seinen Erfolgen in der Bemeisterung
fremder Sprachen hatte sich in ihm ein Selbstvertrauen entwickelt, das ihn
auch an die schwierigsten Probleme ganz anderer Art mit der gleichen
Zuversicht herantreten Hess. Niemals früher hatte er selbst eine grössere
Ausgrabung geleitet, noch einer solchen beigewohnt. Als er nun den
Spaten in Hissarlik ansetzte, in der festen Absicht, die Geheimnisse der
tiefsten Schichten zu enthüllen, da drang er mit rücksichtsloser Hast durch
alle die oberen Schichten, und wenngleich er, was sich ihm auf diesem
Wege darbot, sorglich sammelte und verzeichnete, so zerstörte er doch
zahlreiche Bauüberreste, deren architektonischer Zusammenhang später nicht
wieder hergestellt werden konnte. Es war diess einer der schwersten Vor-
würfe, die gegen ihn erhoben worden sind, und man wird eine gewisse
Berechtigung desselben nicht bestreiten können. Aber man darf auch zu
seiner Entschuldigung sagen, dass eine vollständige Aufdeckung aller
Schichten, einer nach der anderen, eine so gewaltige Aufgabe gewesen
wäre, dass selbst ein Mann von der hingebenden Begeisterung und den
grossen Mitteln Schliemann's davor hätte zurückschrecken müssen. Wie
viele Hügelgräber werden noch jedes Jahr in unserem Vaterlande geöffnet,
bei denen sich die Untersucher darauf beschränken, einen centralen Stollen
von der Spitze bis zur Basis niederzusenken oder höchstens einen Quer-
schnitt durch den ganzen Hügel zu legen! Gewiss ist das keine gute
Methode, aber wenn Schliemann den Hügel Hissarlik in gleicher Weise,
freilich in ganz anderem Maassstabe, behandelte, wenn er im Centrum
eine mächtige trichterförmige Grube herstellte und ausserdem breite
52 Gedächtnissfeier für Heinrich SchliemaDü.
Querschnitte durch das Ganze führte, so wird man in Anbetracht der Aus-
dehnung des Hügels ihn entschuldigen dürfen. Hat er doch im Laufe der
Jahre den Grund des Trichters so erweitert, dass die „verbrannte Stadt"
in ihrem ganzen Umfange offen gelegt worden ist. Ja, seine letzten
Arbeiten verfolgten planmässig den Zweck, Alles, was im Umfange des
Trichters noch unberührt stehen geblieben war, schichtweise in genauester
Weise abzuräumen und zu erforschen. Darüber aber kann füglich kein
Zweifel bestehen, dass der Hügel noch jetzt unerforscht sein würde, wenn
man von Anfang an die Forderung gestellt hätte, der Untersucher solle
jede der über einander gelagerten Schichten vollständig klarlegen, ehe er
zu der nächsttieferen übergehe.
Unter den Gegenständen, welche bei den Ausgrabungen zu Tage
kamen, sind der Zahl nach am meisten vertreten Thongefässe jeder Art
und Grösse. Ein Blick auf die Schliemann- Sammlung in unserem Museum
für Völkerkunde zeigt das zur Genüge. Für den Unkundigen entsteht bei
einer Betrachtung dieser endlosen Masse von „Töpfen" sehr bald eine
gewisse Sättigung. Trotz der grössten Mannichfaltigkeit der Formen und
Ornamente wird man den Eindruck der Monotonie nicht Ips. Die herr-
lichen Gold- und Silberfunde, die Geräthe aus Bronze und Eisen, aus Stein
und Knochen, so werthvoll sie sind, verschwinden fast vor der Fülle des
Thongeschirres. Allein eine Qtruskische oder eine peruanische Sammlung
zeigt dasselbe, und die Gräberfelder unseres Vaterlandes bringen „Töpfe"
in unaufhörlicher Folge zu Tage. Der, wenn auch schwach gebrannte
Thon ist eben das gewöhnlichste und zugleich das haltbarste Material,
welches uns die Vergangenheit hinterlassen hat; er giebt dem Kundigen
ausgiebige Anhaltspunkte für die Beurtheilung der Cultur, welche das
betreflFende Volk erlangt hatte, und zugleich für die chronologische Bestim-
mung der Periode, in welcher das Geräth gearbeitet wurde. So ist Schlie-
mann's Ausgrabung von Mykenae gerade durch die dabei gesammelte
Topfwaare der Ausgang für die wichtigsten Zeitbestimmungen geworden,
und auch die klassische Archäologie hat sich mehr und mehr der Aufgabe
mit Eifer hingegeben, in allen Ländern alter Cultur den Styl der Töpferei
in genauester Weise festzustellen. Danken wir daher dem grossmüthigen
Geber, dass er uns eine so vollständige keramische Sammlung geschenkt hat.
Damals aber, als Schliemann seine Forschungen eröffnete, war die
archäologische Bedeutung der Keramik noch keineswegs vollständig erkannt
Er selbst hatte, namentlich in Bezug auf jene einfacheren, nicht bemalten
Gefässe, wie sie der Hügel Hissarlik enthielt, vorzugsweise die Erinnerung
an die Gräberfunde seiner meklenburgischen Heimath, wo fast jedes Gh*ab
mindestens eine grössere Urne mit den Ueberresten des Leichenbrandes
umschliesst, und wo mau umgekehrt aus dem Auffinden einer solchen Urne
oder auch nur ihrer Scherben schliesst, dass an der Stelle ein Ghrab
gewesen sei. Und als er nun in Hissarlik eine Urne nach der anderen
Gedächtnissfeier for Heinrich Schliemann. 53
zu Tage förderte, gefüllt mit einem erdigen Inhalt, da nannte er sie mit
der Naivetät des Autodidakten sämmtlich „Aschenumen" und ihren Inhalt
selbst „Asche". Daraus konnte ein Fremder, der diese Bezeichnungen
gläubig hinnahm, ohne Weiteres folgern, dass der ganze Hügel nichts
anderes, als ein Aufbau von Gräbern mit Leichenbrand sei. Erst eine
genauere Prüfung der späteren Zeit hat gelehrt, dass der Inhalt der Urnen
nichts weniger als „menschliche Asche" war. Ja, es hat sich mit einiger
Sicherheit feststellen lassen, dass Schliemann in seinen ersten Campagnen
nur eine einzige Urne mit unzweifelhaftem Leichenbrand zu Tage gefördert
hat, und diese eine lag ausserhalb des eigentlichen Schutthügels, auf dem
Gebiete des römischen Neu-Ilion.
Nicht minder gross war der Irrthum, dem Schliemann sich hingab,
als er an zahlreichen Orten innerhalb der tieferen Schichten „imgeheuro
Hassen von Holzasche" zu finden glaubte. Eine solche Deutung entsprach
seiner Voraussetzung, dass die alten Häuser zu einem grossen Theil aus
Holz bestanden hätten und in einem gewaltigen Brande zerstört seien.
Zu einer solchen Beweisführung bedurfte es jedoch keineswegs so grosser
Massen von Holzasche. Die Spuren mächtiger Brände sind in der „ver-
brannten Stadt" und selbst in den oberen „Städten" so deutlich, so
zahlreich und so ausgedehnt, dass nicht der mindeste Zweifel erhoben
werden kann, es haben hier wiederholt grosse Feuersbrünste stattgefunden.
Auch findet man verkohlte und veraschte Balken von Holz nicht selten
noch an ihrer ursprünglichen Stelle innerhalb der Mauern. Aber die eigent-
liche Hauptmasse der sogenannten Asche ist nichts anderes, als angebrannter
und zerfallener Lehm, hervorgegangen aus den ursprünglich nur luft-
trockenen Lehmziegeln^ aus denen der grösste Theil der Hauswände und
selbst der Burgmauern aufgebaut war.
Diese Beispiele mögen genügen, um darzuthun, wie folgenschwer eine
bloss subjektive Auffassung auf die Deutung des Gesammtverhältnisses
werden kann. Schliemann hat später die Bedenken gewürdigt, zu denen
seine ünerfahrenheit in archäologischen Ausgrabungen Veranlassung bot,
und er hat seine Angaben berichtigt. Aber die nächste Zeit sah ihn noch
immer in voller Zuversicht, und so entschloss er sich, als er nach 3
längeren Campagnen einen grossen Theil von Hissarlik durchforscht hatte,
seinen Spaten an einer zweiten Stelle anzusetzen, die schon lange seine
Aufmerksamkeit beschäftigt hatte. Im Februar 1874 eröffnete er die Aus-
grabungen in Mykenae, die ihn bis zum Jahre 1877 beschäftigten, und
deren Ergebnisse eine solche Umwälzung in den Vorstellungen über das
vorgeschichtliche Griechenland hervorgebracht haben, dass sie allein aus-
reichen würden, um seinem Namen unsterblichen Ruhm zu sichern. Die
Fundstücke dieser Ausgrabungen, die er, wie alle anderen, ganz aus eigenen
Mitteln bestritt, füllen jetzt einen grossen Saal in den öffentlichen Samm-
lungen Athen's. Gegenüber diesen Schätzen wird es leicht vergessen,
54 Ged&chtnißsfpier für Heinrich Schliemann.
dass ihm auch auf diesem Grebiete die härteste Opposition entgegentrat,
und dass ein namhafter klassischer Philologe mit Hartnäckigkeit die An-
sicht vertrat, alle diese Funde seien auf einen Einfall der Heruler im
3. Jahrhundert nach Christo zurückzuführen.
Schon während der Zeit der mykenischen Ausgrabungen hatte er auch
den benachbarten Schutthügel von Tiryns (in der Nähe von Argos) in An-
griff genommen. Die geringe Ausdehnung desselben hat es ihm später
ermöglicht, diese Untersuchung, bei welcher er zuerst die sachkundige
Hülfe eines ausgezeichneten Architekten, des Dr. W. Dörpfeld, benutzte,
vollständig zu Ende zu führen und damit einen zweiten Platz zu enthüllen,
an welchen die älteste Sagengeschichte des Peloponnes anknüpft. Hier
wurden die uralten Beziehungen oflFenbar, welche die früheste hellenische
Cultur mit der noch älteren orientalischen verbinden. Jahrelang hat er
nachher die Absicht verfolgt, als nächstes Ziel die Insel Greta in ihren
prähistorischen Resten zu erforschen; die politischen Verhältnisse und die
übertriebenen Forderungen der Cretenser haben das unmöglich gemacht
Darum musste er sich darauf beschränken, das Schatzhaus von Orchomenos
in Böotien, auch eine der homerischen Erinnerungen, zu durchforschen; die
Decke in dem kleineren Saal unserer Schliemann -Sammlung zeigt das
interessante Ornament, welches er in diesem Schatzhause zu Tage brachte.
Die Zeit der heutigen Versammlung gestattet es nicht, die Vorgänge
dieser Jahre in ausführlicherer Darstellung zu geben. Für Schliemann
brachten alle diese Entdeckungen nur einen neuen Anreiz, wieder nach
Hissarlik zurückzukehren. Reichte hier doch die Prähistorie noch weiter
zurück, als in Mykenae und Tiryns, und blieb die Hoffnung ungeschwächt,
dass es möglich sein werde, für die in Dunkel gehüllte Vorgeschichte
der kleinasiatischen Völkerbewegungen noch weitere Anhaltspunkte zu
gewinnen. Auch waren inzwischen die AngriflFe in Deutschland wegen
Troja so zahlreich geworden, dass er fürchtete, die öflFentliche Meinung
möchte von Neuem an ihm irre werden. Seine Hauptstütze war auch in
dieser Zeit England ; dahin brachte er zunächst leihweise seine trojanischen
Sammlungen.
Die Ausgrabungen in Hissarlik wurden 1 878 von Neuem aufgenommen
und 1879 fortgesetzt. Im Frühjahr dieses letzten Jahres war es, wo er
mich durch dringende Einladungen bewog, an «einen Untersuchungen als
unparteiischer Zeuge theilzunehmen. Ich traf daselbst mit Hm. Emil
Bumouf zusammen. Es mag genügen zu sagen, dass wir, von mancherlei
Missverständnissen und Irrthümem der früheren Zeit absehen<i zu dem
Schlüsse kamen, dass Schliemann in der Hauptsache Recht habe. Seitdem
ist es denn auch gelungen, dieser Ueberzeugung trotz der heftigsten An-
griflTe bei den Gelehrten fast der ganzen Welt Anerkennung zu verschaffen.
Schliemann's Name ist einer der populärsten bei allen Nationen geworden.
Gedächtnissfeier für Heinrich SchÜemann. 55
Was ihn damals am meisten bedrückte, war die Wahrnehmung, dass
gerade in Deutschland die Opposition in der herbsten Form geführt wurde.
Er klagte darüber in bitteren Worten, aber seine Bitterkeit entsprang nur
der Sehnsucht, wieder in ein näheres Verhältniss zu seinen Landsleuten
zu treten. Die Deutsche anthropologische Gesellschaft hatte ihm 1877
durch seine Ernennung zum Ehrenmitgliede zuerst die Freundeshand
geboten. Mein Aufenthalt in Hissarlik und namentlich eine gemeinsame
Reise in den Ida und nach Assos löste allmählich die Binde, welche sich
um sein Herz gelegt hatte. Eines Morgens, als wir, getrennt von unserer
Begleitung, einsam durch die Yorberge des Ida ritten, rings um uns
schwellender Frühling und Nachtigallen -Gesang, brach er das Schweigen
mit der Frage, ob er nicht in seinem Testament seine Sammlungen an
Deutschland vermachen solle. Deutschland sei doch das Land, wo man
in den weitesten Kreisen Homer am höchsten schätze, und nirgends werde
seine Sammlung grösseren Nutzen bringen, als in Berlin. Ich that nichts,
als meine Zustimmung ausdrücken, aber ich hatte die Freude, nicht von
ihm scheiden zu müssen, ohne die förmliche Zusage erhalten^ zu haben,
dass nach seinem Tode die Sammlung hierher kommen solle. Bis dahin
glaubte er es den Engländern schuldig zu sein, sie in London zu lassen.
Im Jahre 1880 kam er mit den Seinen nach Berlin zu dem deutschen
anthropologischen Congress, der mit einer grossen prähistorischen Gesammt-
Ausstellung der deutschen Sammlungen verbunden war. Er gewann hier
die Ueberzeugung, wie er mir unter dem 30. Oktober schrieb, dass „kein
Volk der Welt prähistorische Alterthümer zu schätzen wisse, wie das
deutsche", und er beschäftigte sich eingehend mit der Frage, in welcher
Weise später seine trojanische Sammlung in dem neu zu erbauenden eth-
nologischen Museum werde aufgestellt werden können. Dann kam plötz-
lich unter dem 8. December ein Brief aus Athen, worin er mir mittheilte,
er sei höchst unruhig über die Sicherheit seiner Sammlung im South
Kensington Museum, da man ihm weder einen unterschriebenen Katalog,
noch eine Bescheinigung der Direktion gegeben habe, auch verschiedene
Personen Schlüssel zu den Schränken besässen; er sei daher fest ent-
schlossen, die Sammlung spätestens bis zum nächsten 15. Januar zurück-
zunehmen. Wolle man sie sofort unter den von ihm zu stellenden
Bedingungen in Berlin haben, so sei er bereit, sie persönlich in London
einzupacken und hierher zu schicken. Ehe ich noch antworten konnte,
traf schon die telegraphische Nachricht ein, dass er nach London abgereist
seL Ich machte sofort dem Generaldirektor der Museen, Hrn. Schöne,
und dem damaligen ünterrichtsminister, Hm. v. Puttkamer, gebührende
Anzeige, und erhielt nach einer mündlichen Conferenz noch an demselben
Abende die Ermächtigung, die Bereitwilligkeit der Regierung mitzutheilen.
Durch Erlasse vom 20. December 1880 und 1. Januar 1881 wurden die
56 Gedächtnissfeier für Heinrich Schüemann.
näheren Bedingungen zugesagt, und schon am 5. Januar schrieb mir
Schliemann, dass 40 Kisten unterweges seien.
So ward die alte Zugehörigkeit des uns so lange entfremdet ge-
wesenen Mannes zu Deutschland wieder hergestellt. Das ist noch in
Aller Erinnerung. Aber es dürfte nicht bekannt sein, welchen Antheil
Frau Schliemann an dieser Wendung genommen hat. Unter dem
29. Januar 1881 schrieb sie mir: „Von mir ging die erste Anregung zu
der Idee aus, die Sammlung Ihrem Vaterlande zu schenken; ich war es,
die seit dem ersten Jahre unserer Ehe meinen Mann von dem tiefen Vor-
urtheile gegen Deutschland zu bekehren strebte und sich bemühte, den
in seinem Herzen schlummernden Funken der Vaterlandsliebe und des
Heimathgefühls zu heller Flamme zu wecken." Möge es mir gestattet
sein, heute der hochgesinnten Frau unserer Aller herzlichsten Dank öffent-
lich auszusprechen.
Sie alle, hochverehrte Anwesende, erinnern sich, welche Freude es
erregte, als man erfuhr, dass unsere Stadt berufen sein solle, dieses grosse,
dem deutschen Volke dargebrachte Geschenk der Nachwelt zu bewahren.
Der hohen Auszeichnung, welche Kaiser Wilhelm I. dem Geber zu Theil
werden Hess, schloss sich die der Stadt Berlin an, indem sie Schliemann
das Ehrenbürgerrecht ertheilte und ihm in diesen Räumen einen grossen,
festlichen Empfang bereitete. Auch in den fachwissonschaftlichen Kreisen
wurde nunmehr die bahnbrechende Bedeutung seiner Untersuchungen all-
gemein und voll anerkannt. Nur vereinzelte, freilich sehr hartnäckige
Gegner verharrten in der Ablehnung.
Schliemann setzte um so eifriger seine Arbeiten fort. In neuen Cam-
pagnen brachte er die tieferen Schichten von Hissarlik in immer grösserer
Ausdehnung zu Tage, und die ihm dauernd gewährte Beihülfe des Herrn
Dörpfeld sicherte die genaueste architektonische Aufnahme und Wür-
digung der Baureste. Mit erneutem Eifer wendete er sich während der
Zwischenzeiten der literarischen Bearbeitung des grossen Materials zu;
unter höchster Anstrengung aller geistigen Kräfte vollendete er Ausgaben
zusammenfassender Darstellungen in deutscher, englischer und französischer
Sprache. Aber die Grösse und Dauer dieser Anstrengungen wurden ihm
selbst mehr und mehr fühlbar. Er wurde reizbarer, als früher; er fühlte
sich angegriflFen, er empfand häufiger das Bedürfniss der Erholung. So
kam er im Winter 1886 zu dem überraschenden Entschluss, ganz allein
eine Nilfahrt zu unternehmen. Er miethete eine besondere Dahabieh, und
während mehrerer Monate waren Bücher seine einzigen Begleiter. Freilich
versäumte er nicht, das Land und die Alterthümer eifrig zu studiren, zahl-
lose Notizen wurden gesammelt und nach Hause geschickt, aber der Haupt-
gewinn war die Kräftigung seines Körpers, die Besänftigung seines Innern,
die Beruhigung des Geistes als Vorbereitung zu neuer Arbeit.
Inzwischen Imtto ihn jedoch der unermessliche Keichthum der
Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann. 57
ägyptischen Geschichte tief ergriffen. Die Erwägung, dass zu der Zeit,
wo die homerischen Gedichte entstanden, ja vielleicht schon zur Zeit, als
Troja blühte, die ägyptische Cultur bereits Jahrtausende alt war, und dass
Zeugen dieser Cultur noch heute erhalten sind, — diese Erwägung drängte
sich mächtig in alle seine Betrachtungen ein. Kaum war er zurückgekehrt,
als er schon alle seine Beredtsarokeit aufwendete, um mich zu bestimmen,
im nächsten Jahre noch einmal mit ihm eine solche Reise zu machen.
Ich sagte endlich zu und ich darf es aussprechen, dass ich niemals eine
mehr gennss- und mehr lehrreiche Fahrt gemacht habe, nicht zum wenigsten
wegen der Sachkenntniss und der unermüdlichen Fürsorge meines Führers
in allen grossen und kleinen Angelegenheiten einer so langen Reise. Hier
befestigte sich in Schliemann der Plan einer Untersuchung auf dem
Gebiete, wo der grosse Ramses und sein Geschlecht hoch im Norden
langjährige Kämpfe mit den Hittitem (Cheta) ausgefochten hatten ; die noch
erhaltenen Wandgemälde der ägyptischen Tempel in Nubien, welche die
Belagerung der festen Stadt Kadesch am Orontes darstellen, gaben den
Anstoss, dass er gerade an diesem Platze seinen Spaten ansetzen wollte. Nur
der Ausbruch der Pest in Mesopotamien hinderte die Ausführung des Planes.
Statt dessen wandte er sich noch einmal nach Hissarlik, diesmal mit
der Absicht, den Schutthügel mit allen noch stehen gebliebenen Aussen-
wänden gänzlich abzutragen und sein Entdeckungswerk vollständig zum
Abschluss zu bringen. Diese Arbeiten wurden bis zum August vorigen
Jahres fortgesetzt. Er hatte während dieser Zeit das Vergnügen, zahlreiche
Gelehrte aus allen Theilen der Welt in seinen Holzhütten auf Hissarlik
zu empfangen und die Zustimmung der competentesten Sachverständigen
entgegennehmen zu können. Auch die Ergebnisse dieser Ausgrabungen
waren für Berlin bestimmt. Hier, bei uns, wünschte er, auch unter Hin-
zufügung der noch in Athen befindlichen Theile seiner trojanischen Samm-
langen, eine vollständige, für alle Zeit gesicherte, gleichsam archivalische
Aufstellung sämmtlicher Einschlüsse des wunderbaren Burghügels zu
schaffen.
Möge diese Sammlung auch bei den kommenden Generationen das
Gedächtniss Schliemann's stets wach erhalten! Möge es niemals vergessen
werden, wie dieser, im besten Sinne selbstgemachte Mann, nachdem er in
langjähriger, harter Arbeit im Auslande reiche Schätze gesammelt hatte,
ilen ganzen Rest seines Lebens dazu verwendete, mit den so gewonnenen
Mitteln wissenschaftliche Aufgaben der schwierigsten Art zu lösen, und
dass er den ihm selbst theuersten Theil seiner Entdeckungen, zugleich
den einzigen, über den er frei verfügen konnte, dem Vaterlande in frei-
williger Schenkung dargebracht hat!
Ein trauriges Geschick hat ihn, nach menschlicher Betrachtung, vor der
Zeit hinweggerafft. Ein Ohrenleiden, an sich weniger gefährlich, als für
ihn unerträglich, hatte ihn, nachdem im letzten Sommer die Campagne
ZdtMkrift mx Ethnologie. Jahrg. 1891. 5
58 Ged&chtnissfeier für Heinrich Schlieniann.
seiner trojanischen Ausgrabungen abgeschlossen war, im October nach
Deutschland geführt. Mit der Entschlossenheit und der Ungeduld, die ihm
eigenthümlich waren, suchte er Befreiung von einem, wahrscheinlich der
frühesten Kindheit entstammenden Uebel, Knochenauswüchsen in beiden
Gehörgängen. Die schwere Operation führte zu einer, scheinbar günstigen
Heilung. Voll von Plänen für die neue Campagne, die am heutigen Tage
in Hissarlik beginnen sollte und die er für die letzte und abschliessende
hielt, kam er am Abende des 13. December hier an, sah am nächsten
Morgen noch einmal seine Sammlung, besprach die spätere Ueberführung
des noch in Athen befindlichen Bestes hierher, und begab sich schon am
Mittage wieder auf die Eeise, um über Paris und Neapel Athen und die
Seinigen zu erreichen. Am 6. Januar gedachte er mit ihnen seinen
69. Geburtstag zu begehen. Da traf plötzlich und unerwartet die Trauer-
nachricht ein, dass er am 26. December in Neapel, ganz einsam, in den Tod
gesunken sei. Frau und Kinder haben nur seine Leiche wiedergesehen.
Möge die heutige Versammlung ihnen zeigen, dass der Name des
Gatten und Vaters in seinem Vaterlande in höchsten Ehren gehalten wird,
und dass seine Verdienste bei seinen Landsleuten nicht in Vergessenheit
gerathen werden. Er hat Grosses gewollt und Grosses vollbracht. Er hat
die Ungunst der äusseren Verhältnisse durch treue und umsichtige Arbeit
zu überwinden gewusst, und er hat in aller Bedrängniss des geschäftlichen
Lebens die Ideale nicht aufgegeben, welche in die Brust des Kindes
gepflanzt waren. Was er erreicht hat, ist von ihm durch eigene Kraft
erzwungen worden. Unter allen Wechselfallen ist er sich selbst treu
geblieben. Seine einzige dauernde Sorge war das Streben nach höherer
Erkenn tniss.
Ehre seinem Angedenken!
Der Vorsitzende der Gesellschaft für Erdkunde, Hr. Wilhelm Reiss,
hielt folgende Ansprache:
Hochansehnliche Versammlung!
Es ist eine schöne Sitte, hervorragenden Männern nach ihrem Dahin-
scheiden eine Gedächtnissfeier zu bereiten. W^enn die Hauptstadt des
Deutschen Reiches und drei wissenschaftliche Gesellschaften heute zu einer
solchen Feier zusammentreten, so weist schon diese Vereinigung auf die
Schwere des Verlustes hin, welchen unser Vaterland, welchen die Wissen-
schaft erlitten hat.
Unter Schliemann's Händen sind die herrlichen Sagen des klassischen
Alterthums lebendig geworden. Mit der Hacke und dem Spaten hat er
der Archäologie neue Wege gewiesen, neue Gesichtspunkte eröiFnet Wie
tief eingreifend, von welch' weittragender Bedeutung die Resultate seiner
Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann. 59
Arbeit sind, das hören Sie heute von berufenster Seite geschildert. Nur
darauf möchte ich, als Vertreter der Gesellschaft für Erdkunde, deren
Ehrenmitglied Schliemann seit einer Reihe von Jahren war, noch besonders
hinweisen, dass seine Forschungen auch auf geographisches Gebiet sich
erstreckten. Nicht nur ist die historische Geographie durch seine Ent-
deckungen wesentlich gefördert worden, er hat auch eine Reihe von
Beobachtungen in einer besonderen Schrift niedergelegt, welche seine
Reisen in der Troas uns vorführt. Als ein hohes Verdienst des idealistisch
angelegten Mannes muss es gelten, dass er der naturwissenschaftlichen
Methode in der Archäologie Bahn brechen half.
Schliemann hat zwei weit auseinander liegende Aufgaben gelöst, deren
jede einzelne genügen würde, das Leben eines aussergewöhnlichen Menschen
vollauf zu erfüllen: Der Lehrling aus dem kleinen Kramladen hat durch
eigene Kraft sich aufgeschwungen zum mächtigen, über Millionen gebie-
tenden Kaufmann; der arme Pfarrerssohn, dem jede akademische Bildung
versagt war, er ist zu einem der Führer geworden auf einem neuen Gebiet
der archäologischen Wissenschaft. — Schliemann hat sich nicht damit
begnügt, ein fürstliches Vermögen zu erwerben; ihm war der Reichthum
das Mittel zur uneigennützigen Verfolgung idealer Zwecke. —
Was er in der Jugend geträumt, im Alter hat er es erreicht, und
trauernd vernahm die ganze gebildete Welt die Nachricht von dem Dahin-
scheiden des grossen Forschers.
Uns triift der Schlag am tiefsten; aber stolz können wir sein, einen
solchen Mann zu den Unsrigen zählen zu dürfen. Sein Andenken wird
lebendig bleiben, so lange unsere Cultur besteht; sein Vorbild wird stets
ein leuchtendes Beispiel sein dessen, was edle Begeisterung zu leisten
vermag, wenn sie gepaart ist mit festem Willen und unermüdlicher
Ausdauer. —
Den Epilog sprach der Vorsitzende der archäologischen Gesellschaft,
Hr. Ernst Curtius:
Man hat nicht selten sagen hören, dass die Fachgelehrten sich den
Arbeiten eines unzünftigen Mannes gegenüber vornehm ablehnend verhalten
hätten. Aber die Professoren, denen es im Herzen um die Wahrheit zu
thun ist, sollen und wollen keine abgeschlossene Kaste bilden; ihre höchste
Freude ist es, wenn sie sich mit dem ganzen Volk der Gebildeten im
Zusammenhang fühlen, wenn sie sich sagen können, dass die Ergebnisse
mühsamer und einsamer Forschung in weiten Kreisen Anklang finden und
dass sie nur solchen Aufgaben nachgehen, welche eine allgemein mensch-
liche Bedeutung haben. Es gab eine Zeit der Büchergelehrsamkeit, welche
sich im Studirzimmer abschloss, namentlich in Fragen der Alterthumskunde.
Aber das ist gerade das hohe Verdienst unseres Schliemann, dass er
5*
60 Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann.
wesentlich dazu beigetragen hat, den Bann zu lösen. Man hört jetzt so
häufig, das lebendige Interesse für das klassische Alterthum, welches die
Zeiten von Lessing, Winekelmann, Herder und Goethe beseelt hat, sei
erloschen. Aber mit welcher Spannung ist die ganze gebildete Welt dies-
seits und jenseits des Oceans den Schritten von Schliemann gefolgt! Haben
wir nicht erlebt dass, wenn in der Times ein Resultat seiner Entdeckungen
angezweifelt wurde, ein Meeting in London anberaumt worden ist, um so-
fort in grosser Versammlung die betreffende Frage zu verhandeln, als
wenn es sich um eine brennende Frage der Tagespolitik handelte? Die
Zahl der Jahrhunderte, welche zwischen uns und der Vergangenheit liegen,
ist nicht maassgebend für die Bedeutung derselben in Bezug auf unser
geistiges Leben. Das Fernste kann uns das Nächste, Wichtigste, geistig
Verwandteste sein.
Unser Verhältniss zu Homer ist ein Stück menschlicher Cultur-
geschichte.
Als Johann Heinrich Voss Odyssee und Dias bei uns einbürgerte, war
die homerische Welt ein reines Phantasiebild, und als am Anfang dieses
Jahrhunderts englische Forscher die alten Mauern von Mykenai und Tiryns
wieder entdeckten, waren Voss und seine Schüler von Allen die Un-
gläubigsten, es kam ihnen fast wie eine Profanation vor, dass die in
idealer Höhe schwebenden Gestalten, die Schatten der homerischen Helden
in steinernen Denkmälern bezeugt sein sollten. Der Philosoph Schelling
musste dafür eintreten, dass jene Mauern nichts Anderes sein konnten, als
die monumentalen Zeugen der homerischen Welt, die wunderbar erhalten
in unsere Tage hineinragen.
Schliemann selbst ist mit seinen Arbeiten von Jahr zu Jahr gewachsen,
und die Ergebnisse seiner Arbeiten überragen bei Weitem Alles, was er
selbst im Auge gehabt hat.
Wenn er der grossen Mengi» des Publikums wie ein Zauberer erschien,
der mit einer Wünschelruthe umherging und die Plätze zu finden wusste,
wo in dunkler Tiefe die (Joldschatzc» ruhten, so haben die Männer der
Wissenschaft ihm (itwas zu danken, was über alle Einzelfunde weit hinaus-
geht und in unsere g(»sammte Geschichtserkenntniss tief eingreift.
Es war ein alter Streit, wie weit der Inhalt der epischen Gesänge
etwas ganz der Phantasie Angehöriges sei und ghMchsam aus der Luft
gegriffen, oder mit der Völkergeschichte zusammenhänge. In Bezug auf
die deutsche Vorzeit haben die Gebrüder Grimm und nach ihnen besonders
Müllenhoff mit voller Entschiedenheit die Ueberzeugung vertreten, dass
allen grossen epischen Gedichten mächtige Ereignisse und Volksbewegungen
zu Grunde liegen. Diese Streitfrage ist auf hellenischem Boden durch
Schliemann zur Entscheidung gebracht, und wahren<l er sc'lbst anfänglich
nichts Anderes suchte, als <lie Fundamente der Mauern Ilions, welche er
in Kinderbüchern hatte brennen sehen, so ist durch ihn nach und nach
(ied&chtoissfeier für Heinrich Schliemann. 6J
eine ganze Epoche alter Menachengeschichte wieder aufgetaucht, und wie
durch die preussische Expedition unter Eichard Lepsius das alte Reich
Aegypten's wieder entdeckt wurde, so ist auch durch Schliemann das
Gedächtniss des Menschengeschlechts um viele Jahrhunderte erweitert
worden. Ilion, Tiryns, Mykenai, Orchomenos sind in voller Realität wieder
zu Tage getreten, und die Gebäude, in denen die Atriden wohnten, sie
liegen jetzt so klar vor unseren Augen, wie die pompejanischen Wohn-
häuser.
Während man früher nach persönlicher Neigung über das Yerhältniss
zwischen Abend- und Morgenland urtheilte, indem die Einen alles Griechi-
sche auf dem Boden des europäischen Mutterlandes einheimisch wissen
wollten, als wenn der Ehre der Hellenen zu nahe getreten würde, wenn
man ausländischen Einfiuss anerkenne, die Anderen dagegen wieder nichts
Einheimisches anerkennen wollten, das aus eigenem Keime erwachsen sei, —
so ist dieser peinliche Widerspruch jetzt beseitigt, „Orient und Occident
sind nicht mehr zu trennen", aber das diesseitige Land ist nicht bloss
eine Colonie des jenseitigen, wo die Erzeugnisse älterer, überlegener Cul-
turen sich abgelagert haben, sondern der Wechselverkehr der beiderseitigen
Küstenländer, die durch das Inselmeer nicht getrennt, sondern unzertrenn-
lich vereinigt sind, ist der Inhalt ältester Völkergeschichte, und die europäi-
sche Seite hat von Anfang an eine hervorragende Stelle in dieser Ent-
wickelung.
Viele Räthsel bleiben zu lösen. Troja selbst bleibt noch heute ein
Schauplatz ernster Controversen; aber der Weg ist gebahnt, der Vorhang
gelüftet, der Schleier hinweggezogen, der den Boden der homerischen Welt
bedeckte.
Das verdanken wir Heinrich Schliemann. Darum ist sein Wirken ein
epochemachendes auf dem Gebiete der Geisteswissenschaft, und dankbar
ehren wir heute und immerdar sein Andenken.
Unser Dank ist um so wärmer und lebendiger, weil er, der Welt-
bürger, ein Deutscher geblieben ist. Im Anschluss an deutsche Gelehrten
hat er das Beste zu Stande gebracht. An sein Vaterland dachte er stets
an erster Stelle. Für unsere öffentlichen Kunstsammlungen hat er einen
in seiner Art einzigen Schatz gestiftet, und als Beamter des Museums bin
ich beauftragt, ihm dafür in dieser Feierstunde den Dank des Vaterlandes
auszusprechen.
Wir ehren in ihm die höchste Gabe, die einem Sterblichen verliehen
ist, die heroische Willenskraft, welche, um einen idealen Zweck zu
erreichen, alle Mittel aufbietet, alle Opfer bringt, allen Gefahren trotzt,
alle Schwierigkeiten überwindet.
Er hat unendlich mehr zu Stande gebracht, als den Menschen gestattet
zu sein pflegt, aber, in der Blüthe seiner Kraft dahingerafft, hat er sein
grosses Lebenswerk nicht zum Abschluss gebracht.
62 Ged&chtnissfeier für Heinrich Schliemann.
Wir bedauern vor Allem, dass es ihm nicht gelangen ist, in Kreta
die Verhandlungen zu Ende zu führen, welche den Zweck hatten, den
Boden eines der alteix Königssitze daselbst für seine Forschung zu gewinnen.
Nachdem die Herrschaften der Dardaner, der Minyer, der Perseiden und
Pelopiden an's Licht getreten, fehlten in der Beihe noch* die Fürsten-
geschlechter der Insel, welche von allen Ländern am meisten der Mutter-
schooss aller Culturgeschichte des Archipelagus gewesen ist, wo die Italiener
neuerdings die ruhmvollsten Entdeckungen gemacht haben. Die Epoche
der alten Zeit, welche an den Namen des Minos geknüpft wird, ist im
Dunkel geblieben.
Das wäre also die beste (ledächtnissfeier Schliemann's, wenn man in
seinem Vaterlaiide Alles daran setzte, die gewaltige Arbeit unseres grossen
Landsmannes nicht stocken zu lassen, und nach dem ruhmvollen Vorbilde
der freigebigen Kunstfreunde Oesterreichs die Mittel herbeischafTte, um das
so jäh abgebrochene Lebenswerk von Heinrich Schliemann zu vollenden. —
Unter den Klängen des „Reigens seliger Geister" aus dem Orpheus
von Gluck, von demselben Chor der Hochschule für Musik ausgeführt,
schloss die ernste Feier.
Anhang.
Rede zur Bewillkommnung Schliemann's als Ehrenbürger Berlins,
gehalten am 7. Juli 1881 im Festsaale des Berlinischen Bathhauses
von
RUDOLF VIROHOW.
Verehrter Freund Schliemann!
Nachdem Sie heute in üblicher Weise in den Besitz der höchsten
Ehren eingesetzt worden sind, welche unsere Gemeinde verleihen kann,
haben wir uns hier, in der Festhalle des Rathhauses, versammelt, Mit-
glieder der staatlichen und der städtischen Behörden, der wissenschaftlichen,
der künstlerischen und der wirthschaftlichen Körperschaften, Männer und
Frauen aus allen Kreisen der Bevölkerung, um den neuen Ehrenbürger
und sein viel gefeiertes Weib auf das Wärmste zu begrüssen als die
ünsrigen, Ihnen die Freude auszudrücken, dass Sie nunmehr dem Vater-
lande und unserer Stadt wiedergewonnen sind, und Sie persönlich ein-
zuführen in die bürgerlichen Kreise. Seien Sie von ganzem Herzen will-
kommen ! Und, obwohl Ihnen als Ehrenbürger keine juristische Verpflich-
tung gegen die Gemeinde obliegt, möge doch das Gefühl der Zusammen-
gehörigkeit immer stärker werden und niemals wieder erlöschen!
Sie, verehrter Freund, sind heimgekehrt, nachdem sie länger als ein
Menschenalter hindurch draussen in der Fremde in harter Arbeit beschäftigt
waren. Nachdem Sie das Vaterland verlassen hatten als ein armer, schwacher
und fast hülfloser Junge, kehren Sie zurück als ein fertiger Mann, gesegnet
mit Weib und Kindern, mit reichen Glücksgütern und vielen Ehren, und
überdies im Besitze der seltensten Schätze, welche Sie mit eigner Hand
dem dunklen Schooss der Erde entrissen haben. Was der Knabe in
schwärmerischem Enthusiasmus versprochen hatte, das hat der Mann
gehalten. Sie bringen dem deutschen Volke zur ewigen Aufbewahrung
in unserer Stadt die Ueberbleibsel jener uralten Cultur, von der nur noch
Sage und Dichtung zu erzählen wussten. Jahrtausende hindurch hatte
man nach diesen üeberbleibseln gesucht, aber schon das Alterthum hatte
sich in voller Resignation dem Gedanken ergeben, dass jede Spur der
alten Stadt verschwunden sei.
Etiam periere ruinae.
64 Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann. Anhang.
Sie zuerst haben es gewagt, die Oberfläche, welche Ihnen nichts zu
bieten hatte, zu durchbrechen. In der Zuversicht einer Ueberzeugung,
wie sie nur auf dem Boden hingebenden Glaubens an die Wahrheit der
dichterischen Ueberlieferung erwachsen konnte, haben Sie Schicht um
Schicht beseitigt. Ihre Laufgräben schnitten allmählich 20, 40, 60 Fuss
tief ein in einen Hügel, den man bis dahin wesentlich für einen Berg-
vorsprung gehalten hatte, und endlich lag sie vor Ihnen, die alte Burg,
welche durch gewaltige Feuersbrunst zerstört war, mit ihrer Mauer,
ihrem Thor, ihren Strassen und den Grundmauern ihrer Häuser. Nicht
bloss angebranntes Korn und Reste thierischer Nahrung, Küchen- und
Wirthschaftsgeschirr, Schmuck und Tempelgeräth, WafTen aus Stein und
Bronze, nein auch Gold und Silber in nie geahnter Vollendung der Arbeit
kamen zu Tage. Glück und Geschick feierten hier in schönem Bunde
den herrlichsten Sieg. Einer der besten Untersucher der Troas, der eng-
lische Reisende Baker Webb hatte noch vor etwa 50 Jahren geschrieben :
„Heut zu Tage auffinden zu wollen, was schon seit 2000 Jahren verloren
ist, wäre ein eitles Vorgeben.** Und doch behielt der Schwärmer Recht!
Was aber war e^, das durch alle die Jahrtausende die Sehnsucht der
gebildeten Welt auf diesen Platz gerichtet hat? Woher kam es, dass alle
Fäden des Sinnens über die Anfänge der klassischen Geschichte hierher
zusammenliefen? Plinius hat es gesagt: hier sei der Ort, von wo aller
Dingo Berühmtheit ausgegangen ist, unde omnium rerum claritas. Hier-
her zog Xerxes als an den Ort, wo den Griechen der erste anhal-
tende Widerstand auf asiatischem Boden entgegengetreten war, hierher
Alexander als an den Platz, wo, wie Plutarch sagt, die glänzendste That
des gesammten Grieehenvolkes geschehen war. Aber auch Rom suchte
hier seinen Ausgangspunkt. Von Ilios sollte Aeneas nach Italien gekommen
sein, auf ihn führten die Julier, der grosse Cäsar und die Kaiser, ihr
Geschlecht zurück. Und so mächtig wirkte der Zauber des Namens, dass
selbst unsere Fürstengeschlechter ihre Genealogien an Troja anknüpften.
Hat doch Albrecht Achill noch 1466 seiner Ueberzeugung von dieser Ab-
stammung feierlichen Ausdruck gegeben.
Man fühlte es auch bei uns, dass der Fall von Bios die Grenze
zwischen Geschichte und Prähistorie, zwischen Cultur und Barbarei
bezeichnet. Namentlich seit der Wiedererweckung der Wissenschaften,
als nach der Eroberung Constantinopels durch die Türken die vertriebenen
Griechen ins Abendland flüchteten und die Kenntniss der griechischen
Sprache in die Programme der gelehrten Schulen aufgenommen wurde,
da erwachte der Sinn für griechische Geschichte und Bildung auch im
deutschen Volke, man wurde sich der gemeinsamen Abstammung bewusst,
man fühlte, dass von Hellas aus das menschliche Wesen seine feinere Ent-
wickelung erhalten habe: die Heroen unserer Dichtung haben diese
Gedächtnissfeier für Heinrich Schüemann. Anhang. 65
Empfindung zu vollem Ausdruck gebracht; die Schule von Weimar konnte
fast als eine Fortsetzung der Schule von Athen aufgefasst werden.
Und nun wird uns das Material zugeführt, an welchem nicht bloss
die Gelehrten, sondern auch die Ungelehrten schauen sollen, was es für
eine Ordnung war, welche in der alten Dies ihren Sitz hatte. Die Kritiker
werden niiüit müde, zu warnen, dass niemand wisse, ob das wirklich Troja
war. Uns kümmert das wenig. Das ist sicher, dass es der einzige Ort
in der Troas ist, auf dem jemals die Burg eines goldreichen Fürsten stand,
welche in so ferne Zeit zurückreicht. Denn was weder Homer, noch einer
der Alten wusste, die alten Streiter führten noch SteinwaflFen, und so grosse
Schätze von ausserhalb sie gesammelt hatten, rings um sie waren noch
Geräthe der Steinzeit in vollem Gebrauch. Was noch werthvoller ist, als
Gold, Nephrit, den kostbarsten Edelstein prähistorischer Zeit, haben Sie
in den schönsten Stücken gesammelt. In der tiefsten und auch noch in
den nächsthöheren Schichten ist^ archäologisch gesprochen, noch volle Prä-
historie, und nichts steht der Annahme entgegen, dass schon zu Homer's
Zeit keine Spur der uralten Burg mehr zu Tage lag. Auch für ihn gehörte
die Burg schon der Sage an, und seine Dichtung konnte nicht mehr den
Augenschein, sondern nur noch die Ueberlieferung widerspiegeln. Aber
auch so ist sie uns das herrlichste Gut, und auch so wird die Yergleichung
mit den wirklichen Funden künftig eine der wichtigsten Aufgaben der
vergleichenden Forschung nicht bloss für die Philologen, sondern für jeden
Freund der Culturgeschichte sein.
Das bleibt nun unser, und schon das würde genügen, um Ihnen
unseren ganzen Dank zu sichern. Aber ich glaube im Sinne der städtischen
Behörden sagen zu können, dass sie durch die Verleihung des Bürger-
rechts mehr ausdrücken wollten: die Anerkennung des Strebens, dass ein
Kaufmann im reifen Mannesalter in uneigennützigster Weise einen grossen
Theil seines Vermögens an so ideale Zwecke setzte, die Entschädigung
für viele Angriffe und Schädigungen, welche die Idealität dieses Strebens
Ihnen eingebracht hat, den Preis dafür, dass ein solcher Mann^ nach-
dem ihm das Höchste geglückt, den Ertrag seiner Arbeiten dem Vater-
lande darbringt, obwohl es ihm so lange entfremdet war. Möge das edle
Vorbild viele Nachfolger finden!
Sie, verehrter Freund, gehören nunmehr dem grössten deutschen
Gemeinwesen an. Möchten Sie ganz bei uns heimisch werden! Seien
Sie und die lieben Ihrigen uns von Herzen willkommen!
IV.
Ethnologie und Ethik
von
Dr. THS. ACHELIS in Bremen.
Gegenüber der speculativen Behandlung der Ethik, wie sie von der
bekannten Kant 'sehen Formel: „Handle so, dass deine Maxime jederzeit
Princip einer allgemeinen Gesetzgebung werden kann", in den meisten
systematischen Untersuchungen maassgebend geblieben ist, ist in unseren
Tagen unter dem weitreichenden Einfiuss der Naturwissenschaft eine andere
Richtung aufgetreten, welche, wesentlich auf das umfassende Material der
vergleichenden Völkerkunde gestützt, den psychogenetischen Weg zur
Erklärung der betreffenden Probleme einschlägt. Nachdem durch Darwin
die Biologie die fundamentale Wissenschaft geworden war, glaubte man
auch für die Philosophie überhaupt die Zeit für eine gründliche Reform
an Haupt und Gliedern gekommen; wie Alles im Wege der künstlichen
und natürlichen Züchtung im Verein mit den anderweitig wirksamen
Pactoren der Anpassung und Vererbung von den complicirtesten Erschei-
nungen rückwärts bis zu den einfachsten Formen des organischen Lebens
erklärt wurde, so hoffte man auch unter derselben Perspective das mensch-
liche Handeln auffassen und deuten zu können. Anstatt also, wie bislang,
in der praktischen Philosophie von bestimmten Voraussetzungen über eine
unveränderliche Höhe der sittlichen Werthschätzung auszugehen und nach
diesem, mehr oder minder subjectiv bedingten Maassstab die einzelnen
ethischen Erscheinungen zu beurtheilen, fing man jetzt an, der Entstehung
der verschiedenen sittlichen Ideale nachzuspüren und inductiv im Detail
zu erweisen, dass das Gute nichts absolut Gültiges und immer Constantes
bedeute (ein Gedanke, den ahnungsvoll schon Spinoza ausgesprochen),
sondern je nach der Entwicklungshöhe des bezüglichen socialen Organismus
einen gänzlich verschiedenen, ja mitunter sich direct widersprechenden
Inhalt in sich schliesse. Es genügte nicht mehr, von einem kategorischen
Imperativ, als einem ganz selbstverständlichen und überall gleich wirk-
samen Factor zu reden, der ohne Unterschied der Person an Alle die
gleiche Forderung sittlichen Strebens richte, von einem immanenten Sitten-
gesetz, das der Mensch selbst in seiner Brust trage und allerorten zu
befolgen verpflichtet sei. Man besann sich, dass die Cultur, aus der bis
dahin der entscheidende Werthmesser der Moral unbedenklich entlehnt
Ethnologie und Ethik. 67
war, ein yerhältnissmässig sehr spätes Product eines unendlich langen
Processes sei, dessen einzelne Phasen in aufsteigender Linie erst eine
genaue Untersuchung erforderten, ehe man zu einem abschliessenden^ all-
gemein gültigen Urtheile gelangen könne. Unter diesen Impulsen bildete
sich eine ganz neue Wissenschaft, die Ethnologie^ welche es sich zur Auf-
gabe machte, auf Grund einer möglichst ausgedehnten Yergleichung eine
Entwicklungsgeschichte der menschlichen Basse zu schreiben, weniger in
physiologischer Hinsicht, — das war Sache der eigentlichen Anthro-
pologie, — als in psychologischer, eine Geschichte der menschlichen
Gesittung, welche den Rahmen der streng an den chronologischen und
eämographischen Leitfaden gebundenen Weltgeschichte bei weitem über-
schritt. Es soll nun in Folgendem der Versuch gemacht werden, diesen
abweichenden ethnologischen Standpunkt, soweit er für die Ethik in
Betracht kommt, möglichst objectiT zu entwickeln; das Urtheil des Ver-
fassers wird dabei völlig zurücktreten, soweit diese Reserve selbst fcbr eise
historisch -psychologische Betrachtung durchführbar ist. Um aber voreiligen
Erwartungen von vorneherein zu begegnen, so sei ausdrücklich bemerkt,
dass wir es hier nur mit einer Skizze der phänomenologischen Vorarbeiten
fOr eine Ethik zu thun haben, deren etwaiger streng wissenschaftlicher
Aufbau noch des Meisters harrt. Die besondere philosophische Verwerthung
dieser durch die Völkerkunde gebotenen Anregimgen bedarf einer eigenen
Darstellung.
Jene Entwicklungsgeschichte des menschlichen Geschlechts, die wir
eben als das Ziel der modernen Völkerkunde bezeichneten, stützt sich
ihrerseits auf eine methodologische Voraussetzung, die einiger erläuternder
Worte bedarf, nehmlich auf die socialpsychologische Perspective. Wie
schon die Völkerpsychologie eine über den landläufigen individualpsycho-
logischen Standpunkt hinausgehende Auffassung vertrat und in den durch
die vergleichende Sprachwissenschaft geschaffenen Stammbäumen unserer
Rasse den äusseren Leitfaden für ihre sprachwissenschaftlichen, mytho-
logischen und ästhetischen Untersuchungen fand, so griff unsere Disciplin
diesen Gedanken gleichfalls auf, nur mit dem Unterschiede, dass diese
Vergleichung zu einer universellen, nicht mehr durch jene Schranken
gehinderten erweitert wurde. Sollte in der That die psychische Einheit
des Menschengeschlechts nicht eine zwar tönende, aber inhaltsleere Phrase
bleiben, eine ästhetische Floskel, so musste sie sich in den verschiedenen
Schöpfungen dieses menschlichen Allgemeinbewusstseins auch unzweideutig
offenbaren. Um diesen Thatbestand unwiderleglich zu erhärten, lieferte
ganz besonders die über alle ethnographischen und chronologischen Unter-
schiede hinausgreifende Entwicklung des Rechts die unzweideutigsten
Belege. Und das mit gutem Grunde; denn gerade das Recht bildet so
recht eigentlich das Knochengerüst für die Entfaltung des menschlichen
Organismus, und es zeigt deshalb viel weniger Sprünge und Ausweichungen
68 Ths. Acheus:
als z. B. die Religion oder gar die Kunst, vom socialpsychologischen Stand-
punkt aus betrachtet. So entstand ganz in der Stille eine freilich zur Zeit
noch wenig beachtete, aber für eine fernere Zukunft unstreitig sehr einfluss-
reiche Schule der vergleichenden Eechtswissenschaft auf ethnologischer
Basis, die, ganz im Gegensatz zu der bisher üblichen geschichtlichen
Betrachtung, sich nicht auf einen bestimmten Culturkreis beschränkte,
sondern vielmehr sämmtliche Stadien des socialen Processes, den die
Menschheit überhaupt von ihren ersten dürftigen Anfangen bis zu den
complicirten Gebilden staatlichen Lebens hin durchlaufen hatte, vor ihr
Forum zog. Es genügt wohl an dieser Stelle, die Namen von Bastian,
Post, Kohler, und von Ausländem etwa Lubbock, Tylor, Girard
Teulon, Mc Lennan, Wilken zu nennen. Der für uns hier maass-
gebende socialpsychologische Standpunkt, wie ihn Bastian zuerst in dem
Ausdruck des Völkergedaukens ') formulirt hat, ist mit geringen Kuancirungen
bei allen derselbe. Die Begründung dieser socialpsychologischen Auffassung
kann uns hier, wo es sich um ethische Probleme hajidelt, nicht weiter
kümmern; nur soviel sei bemerkt, dass dieselbe sich auf die Thatsache
stützt, dass, so wie Ich und Seele sich nicht decken, die grossen
Schöpfungen unseres Geistes, wie Sprache, Recht, Sitte, Religion und
Kunst sich schlechterdings nicht aus individuellen Leistungen erklären
lassen, sondern nur auf universalpsychologiscliem Boden entstehen konnten.
Erst die moderne Ethnologie hat nachdrücklich mit den Wahngebilden
Rousseau 'scher Speculation, um nicht zu sagen, Phautastik aufgeräumt,
als ob sich das sociale Leben der Menschheit aus individuellen Ent-
schliessungen, Verträgen, Nützlichkeitsmaxiraen u. s. w., wie sie noch immer
im heutigen Utilitarianismus eine verhängnissvolle Rolle spielen, zusammen-
setze. Soweit die exacte Wissenschaft und alle verlässlichen Reconstructionen
reichen, zeigt sich der Mensch immerfort als sociales Wesen, getragen und
geschützt von der bezüglichen Organisationsform, die ihn geboren und er-
zogen hat, und diese unausweichliche Abhängigkeit gilt umsomehr, je mehr
wir uns, wenn der Ausdruck erlaubt ist, den Anfängen menschlicher Ge-
schichte nähern, wo das Individuum vollständig in dem Typus der ura-
schliessenden Association untergeht. Welche verhängnissvollen Schlüsse sich
daraus für den Ursprung sittlicher Handlungen ergeben, werden wir gleich
zu erörtern haben; vorerst bedarf die andere dringlichere Frage der Er-
ledigung, woher denn diese Organisation sich ihrerseits erklärt, die erst
dem Einzelnen die Möglichkeit eines ethischen Verhaltens gewährt.
Einmal ist hierfür die Eigenart der Individuen selbst in Anschlag
1) Diese Bexeichnang kehrt io den meisten Schriften des Altmeisters der Ethnologie
in Deutschland wieder. Eingehend hat er diese Perspective begründet in der Schrift: .Der
YOlkergedanke im Aofhan einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin 1881". Eine freilich
etwas buntscheckige Sammlung ethischer Thatsachen findet sich in der Vorrede Bastian'!
lur 4. Lieferung des Werkes „Indonesien* unter dem Titel „Zur ethnischen Ethik'
(Berlin 1888).
Ethnologie und Ethik. 69
zu bringen, die nicht nach Art der Sensualisten als ein zufälliges,
sich nachträglich von selbst einstellendes Product der Erfahrung an-
gesehen werden kann. Das ist allen einseitigen darwinistischen Schilde-
rungen gegenüber stets wieder zu betonen, und selbst der ganze, viel-
berufene Kampf um's Dasein verliert jeden Sinn, wenn man nicht an
die Pforte dieser Entwicklung schon das mit bestimmten Kräften aus-
gestattete Individuum stellt. Den zweiten wichtigen Factor bildet frei-
lich die complicirte Reihe von äusseren Ursachen, die man meist Existenz-
bedingungen nennt: Klima, Nahrung, BodenbeschaflFenheit, gewisse bio-
logische Beziehungsverrichtungen und sociale Momente. Aus der ununter-
brochenen Wechselwirkung dieser beiden Glieder des Processes wurde
sich die ganze Mannichfaltigkeit der Organisationen erklären, denen wir
auf dem Erdball begegnen ; während zufolge der ursprünglichen Congruenz
von Sitte und Recht sich eine überraschende Gleichförmigkeit in der
Stmctur der einzelnen ethnischen Gebilde zeigt, entwickelt sich vermöge
der sich stetig steigernden und grössere Anforderungen stellenden socialen
Sphären eine immer schärfere und unvergleichbare Besonderheit des
Individuums heraus, das, vordem nur getragen von den psychophysischen
Gesetzen des socialen Organismus, jetzt den herrschenden Mittelpunkt
des ganzen Processes ausmacht. Während der Naturzustand (um einen
Schiller'schen Ausdruck zu gebrauchen) nur ethnische Institute kennt,
welche die Bedeutung des Einzelnen gar nicht aufkommen lassen, nur
Collectiveigenthum, nur Collectivehen, nur Collectivpflichten, wie die Blut-
rache und Friedloslegung immer nur Acte des betreffenden socialen
Organismus sind, nie spontane Thaten individueller Willkür, so arbeitet
sich erst sehr langsam aus diesem chaotischen Gewirr die festgeschlossene
Persönlichkeit des Einzelnen heraus, dem ein bestimmt abgegrenztes
Territorium von Rechten und Pflichten zukommt*). Und je mehr sich
diese Individualisirung fortsetzt umsomehr schwindet die Omnipotenz
der volksthümlichen Sitte, und es tritt ein früher unbekannter Gegensatz
zum Recht ein. Daher die Erscheinung, dass hoch gesteigerte Cultur-
epochen die stärksten Widersprüche zwischen rechtlichen und sittlichen
Anschauungen zeigen, während umgekehrt, wie wir schon bemerkten, die
ersten Stufen socialer Entwicklung beide noch in ungetrübter Harmonie
darstellen.
Natürlich können wir uns an dieser Stelle nicht in eine ausführliche
Schilderung der Structur einlassen, wie sie nach neueren Untersuchungen
jenen primitiven Verbänden, den Geschlechtsgenossenschaften, zukommt,
1) Vergl. hierzu die epochemachende Schrift von A H. Post: „Die Gescblecbts-
genosBenschaft der Urzeit und der Ursprung der Ehe. Oldenburg 1875** : dieser sind später
mehrere, zum Theil sehr umfassende Arbeiten gefolgt, von denen wir hier nur namhaft
machen: «Bausteine für eine allgemeine Rechtswissenschaft auf ethnologischer Basis.
2 Btode. Oldenburg 1880/81'* und „Die Grundlagen des Rechts. Oldenburg 1884".
70 Ths. ACHBLIfi:
mit denen die Ethnologie ihre Arbeit zu beginnen hat; das wäre Sache
der speciellen Fachwissenschaft. Aber einen wichtigen Grund möchten
wir den früheren Argumenten für die sociale Entstehung der sittlichen
Ideale noch hinzufügen, ehe wir die betreffenden Schlussfolgerungen auf
die weitere Entwicklung sittlicher Vorstellungen überhaupt zu ziehen
unternehmen. Obwohl, wie wir uns so eben überzeugten, für diesen
ganzen Vorgang das Individuum gar nicht zu entbehren ist, so ist es doch
nicht der selbständige Schöpfer seiner ethischen Weltanschauung, sondern
es wird darin ebenso, wie in seinen Kechtsanschauungen, durch und durch
bedingt durch seine sociale Umgebung. Man kann vom Standpunkte der
Völkerkunde es immerhin noch zugeben, dass das Gewissen das Organ
unseres sittlichen Bewusstseins genannt wird, obschon man sich klar
machen muss, dass damit psychologisch über die Bildung und Geltung
dieser höchsten Instanz gar nichts ausgesagt ist, aber es ist schlechter-
dings unmöglich, dem rechtlichen und sittlichen Bewusstsein eine biologische
Basis zuzuschreiben, sie haben beide eine sociologische. Während jeder,
auch in strenger Isolirung aufgewachsene Mensch vermöge seines Gehirns
logisch zu denken vermöchte, wtlrde einem solchen Unglücklichen ein
Rechtsbewusstsein und ein sittliches Bewusstsein in unserem Sinne völlig
abgehen, da diese eben nur das Ergebniss des geselligen Zusammenlebens
sind. Deshalb muss die inductive Forschung auch nicht von den in-
dividuellen ethischen Anschauungen und Forderungen des einzelnen Men-
schen ausgehen, obschon auch diese zum grossen Theil nur den Nieder-
schlag des socialen Typus darstellen, sondern von den in Recht und Sitte
sich verkörpernden Aeuss(»rungen des Volksgeistes, der darin sich offen-
bart. Die Aufgabe ist hier genau dieselbe, wie etwa für die vergleichende
Sprach- und Religionswissenschaft, welche ebenfalls, um den Process
sprachlicher und mythologischer Vorstellungen zu erfassen, ihre Ent-
wicklungsgeschichte rückwärts aus den in den Worten und in den Cult-
handlungen, Göttergestalten und Glaubenslehren objectivirten psychischen
Elementen erschliessen. Und auch nur so lässt es sich begreifen, dass trotz
aller historischen und ethnographischen Variirung im Ganzen und Grossen
die primitiven Ideale der menschlichen Rasse in Religion und Sitte und
die grundlegenden Anschauungen auf dem Rechtsgebiete eine so über-
raschende Aehnliclikeit zeigen, dass jeder aufrichtige Geschichtsforscher
an jeglicher Entlehnung oder geographischen Wanderung solcher Ideen
verzweifeln muss*).
Ist uns nun somit unsere eigene sittliche Entwicklung nur verständ-
lich im Lichto dos ethnologischen Wachsthums, so müssen sich aus dieser
socialen Perspective auch bestimmte Schlüsse auf den etwaigen Werth
1) Post, Einleitnng in das Studium der otliDolojnschen Jurisprudeni, Oldenburg 1886,
hes. S. 19 ff. — R. Andree, Ethnographische Parallelen und Vergleiche. Nene Folge.
Leipsig l»b9.
Ethnologie und Ethik. tl
individueller ethischer Schätzung und Beurtheilung ergeben. Dahin gehört
in erster Linie die Einsicht in die Unhaltbarkeit der landläufigen An-
sprüche der Moralsysteme auf eine ewige, unverbrüchliche Geltung. Es
giebt schlechterdings kein absolutes^ an sich seiendes, für alle Zeiten und
Völker von vorneherein feststehendes Sittengesetz, keinen kategorischen
Imperativ, der überall auf dem ganzen Erdball und in allen Perioden der
menschlichen Geschichte dieselben Vorschriften und nun gar mit derselben
unerbittlichen Strenge ertheilt hätte; es giebt keine derartigen, dem Men-
schen immanenten Grundsätze, die mit mathematischer Evidenz jedem
Zweifel und Irrthume entrückt wären: alles dies sind nur Abstractionen
einer einseitigen speculativen Richtung, die sich befangen an das eigene
Bewusstsein hält, ohne sich auch im Geringsten um die Entstehung des-
selben zu kümmern. Alle Versuche mithin, aus a priori gegebenen, an-
geborenen Vermögen oder Gefühlen des Rechts, der Billigkeit u. s. f. eine
wissenschaftlich baltbare Ethik herzuleiten, sind gerade so verfehlt, wie
die religiös gefärbten Anschauungen, welche diese Elemente als Geschenke
göttlicher Offenbarung ansehen. Die sociale Natur der Sittlichkeit zeigt
innerhalb der verschiedenen Stufen, welche der Mensch und die Mensch-
heit durchläuft, die denkbar heterogensten Fassungen, welche alle Hoff-
nung, diese Widersprüche als Modificationen eines Princips begreifen
zu können, ausschliessen. Während der Tscherkesse und Montenegriner
die Ausübung der Blutrache als heiligste Gewissenspflicht empfindet, würde
das in einem civilisirten Staate als grober Reehtsbruch empfindlich geahndet
worden; dem Frauenkauf patriarchalischer Zeiten steht die Ehe aus freier
Neigung gegenüber, wie wir sie kennen, der geschlechtlichen Laxheit der
primitiven Verbände das monogamische Ehebündniss des Christenthums,
der modernen Toleranz in religiöser Hinsicht das mit dem Tode bestrafte
Verbrechen des Religionsabfalles, das sich der streng gläubige Muselmann
dadurch zuziehen würde, u. s. w. Diese bunte Blüthenlese rechtlicher und
raoraliscber Schwankungen (vergl. übrigens Post, Bausteine, I. 8. 60 ff.),
die man leicht erheblich vermehren könnte, beweisen für eine unbefangene
AufCassung die Relativität unserer Ideale, die sich je nach der Struotur
des socialen Gesanmitlebens ändern; nur unsere, nach einem monotouen
Gleichmaass strebende internationale Cultur beginnt in dieser Beziehung
ein gewisses übereinstimmendes geistiges Ferment herzustellen, obschon
immerhin noch bedeutende Gegensätze existiren. (Man denke nur gegen-
über unserer europäischen Gesittung an die chinesische oder indische
Civilitation!) Deshalb ist vom Ethnologen auch in erster Linie Toleranz
zu fordern, d. h. Verzicht auf die bekannten volltönenden Gefühlsurtheile,
die sich bald in haltlosen Schwärmereien ergehen, bald in ebenso hin-
fälligen Verdicten. Wer sich im Angesicht zunächst ihm befremdlicher
Bräuche und Vorstellungen berufen fühlt, ein Ketzergericht abzuhalten,
der beweist die für den Durchschnittsmenschen so charakteristische
72 Th8. AcheliS:
Unduldsamkeit gegen andere Meinungen, der ist für eine objectiv wissen-
schaftliche Forschung noch niöht reif. Während die sentimentale Natur-
schwärmerei am Ausgange des vorigen Jahrhunderts sich in den gefälligen
Bildern von den guten, unverfälschten Wilden erging, hat sich jetzt die
entgegengesetzte Richtung geltend gemacht, mit hochmüthiger Verachtung
auf den Entwicklungsgang inferiorer Stadien herabzublicken; dass beides
gleich einseitig ist, bedarf kaum der besonderen Erwähnung. Es wäre
der Tod jedes acht wissenschaftlichen Geistes, wenn man nicht einem
solchen, durch und durch egoistischen Verfahren entgegen träte. Ueber-
haupt aber sollte man mit den gefährlichen allgemeinen Bezeichnungen
vorsichtig sein, besonders wenn sie als Geschmacksurtheile in die ästhe-
tische Sphäre fallen, da nicht dies, sondern die Auffindung der relevanten
Ursachen ihrer Entstehung die Aufgabe der Völkerkunde bildet. Die sitt-
liche Entrüstung aber, dem beschränkten individuellen sittlichen Bewusst-
sein entsprungen, dient nur dazu, den eigentlichen psychologischen Zu-
sammenhang irgend eines Problems zu verwirren, statt ihn zu lösen*).
Nur durch die nüchterne Anwendung der socialen Perspective gelangt man
zu der maassgebenden relativen Werthschätzung jeglichen Geschehens, die,
ohne die specifischen Unterschiede aufzuheben, vielmehr jedem Studium des
Processes seine für sich bestehende und ausreichende Bedeutsamkeit lässt.
Es sei uns gestattet, die Wichtigkeit dieses Standpunktes noch au
einem anderen Beispiel zu veranschaulichen. Wir sind nur allzusehr
geneigt, die mis anerzogenen Anschauungen und Gefühle, deren Bildung in
das Unbewusste verläuft, mit in die Wissenschaft hinüber zu nehmen und
dort als Axiome oder Postulate, die keines weiteren Beweises mehr
bedürfen, aufzustellen. Das ist z. B. der Fall, wenn wir von dem so-
genannten allgemein Menschlichen sprechen, das sich trotz aller histo-
rischen und ethnographischen Unterschiede bei allen Vertretern des Genus
Homo sapiens finden soll. Freilich fallt es schon schwer, diesen Typus
genauer zu specificiren, man begnügt sich, gewisse allgemeine sympathe-
tische Regungen aufzuzählen, so zwischen Aeltern und Kindern, die durch
die Natur selbst schon in des Menschen Brust gelegt seien. Nichts ist in
der That trügerischer, wie ein solcher Appell an die Natur. Denn wie
die exacte Forschung unserer Tag<» gezeigt hat, kann von solclien sittlichen
Gefühlen und Verpflichtungen schon deshalb nicht als allgemeinen, durch
die Natur selbst geforderten die Rede sein, weil auf bestimmten
Organisationsstufen die betreffenden Beziehungen, z. B. zwischen Aeltem
und Kindeni, gar nicht existiren, an die sich jene Empfindungen auch
ansetzen könnten. Im Matriarchat, wie es besonders bei den malayischen
1) Vergl. hJerzn die AusftihruDgen bei H. Spencer in seinem zur Methodologie ganz
brsnchbaren Werke: .»Einleitung in das Studium der Sociologie (2 B&nde, Internationale
Bibliothek, Bd. 14 und 15), l>esonders I. S. 90 ff., und Post, Einleitung in da« Sta-
dium u. 8. w., 8. 52.
Ethnologie nnd Ethik. 73
Nairs noch heutigen Tages erkennbar ist, giebt es einen Vater in unserem
Sinne gar nicht, vielmehr nimmt dessen Stelle der mütterliche Onkel ein,
dem also eine gewisse Pietät zukäme *). Und so geht es in allen analogen
Fällen, — von den groben Widersprüchen bezüglich der Keuschheit der
Jungfrauen und Frauen mit unserem Sittengesetz gar nicht zu reden, —
es ist immer der aus einer einseitigen, meist nur der eigenen Cultur zu-
gewendeten Betrachtung erzeugte Wahn einer absoluten, allgemein gültigen
Moral, eines an sich seienden Guten und Bösen, mit der man jedes kritisch
haltbare Urtheil von vorneherein vernichtet").
Resumiren wir kurz die für die Ethnologie maassgebende Anschauung,
um zu sehen, ob sie vielleicht hier und da einer Correctur und Ergänzung
bedarf. Für sie ist das Individuum ein unlösbares Glied irgend eines
socialen Yerbandes, und dadurch erhält es seinen bestimmenden Charakter;
Moral] tat heisst hier nichts weiter, als die Congruenz des Einzelnen mit
dem Typus der ihn tragenden und schützenden Organisation, die ihrerseits
um so stärker sich entfaltet, je mehr das Individuum zur Consolidirung
und Fortbildung seiner Association beiträgt. Der Werthmesser für seine
Sittlichkeit liegt somit nicht in einem transscendenten, geschichtlich sich
nicht bewährenden Ideal, sondern in der Angemessenheit des Menschen zu
den jeweiligen Forderungen, welche die betreffende ethnische Bildung
an ihn stellt. Moral und Pflicht erscheinen in dieser psychogenetischen
Auffassung als natui*nothwendige Producte einer DifFerenzirung des In-
dividuums im Kampfe oder in der Congruenz mit den gegebenen Existenz-
bedingungen und socialen Factoren, die bald hemmend, bald fördernd in
diesen Process eingreifen. Es liegt nun für diese ganze Theorie die Yer-
snebung nahe^ die Entstehung von sittlichen Vorstellungen überhaupt nur
dieser äusseren Anpassung des Menschen an seine Umgebung zuzuschreiben,
indem man ihn Anfangs, nach Locke's Vorgang, auch in ethischer Bezie-
hung als vollkommene Tabula rasa betrachtet. Die social gezähmte Bestie
wurde das Schlagwort für diese düster gefärbte Auffassung, und man konnte
sich nicht genug darin thun, wie schon früher bemerkt, das Thierische in
dem Mensehen besonders grell hervorzuheben. Die Logik allein ist es,
meint Lippert, die uns mit dem Urmenschen verbindet; das Gefühls-
wesen trennt uns von ihm, wie von einer anderen Species (Culturgeschichte,
Stuttgart 1886, I. S. 49). Deshalb erblickt er in der Schmiegsamkeit des
menschlichen Naturells den ausschlaggebenden culturhistorischen Factor.
Andere wollen diese Imprägnation sittlicher Anschauungen lediglich
aus der befehlenden Autorität ableiten, während die ersten Ansätze zu
1) Post, Gnmdlagen des Rechts, S. 99 ff., und Hellwald, Die menschliche Familie
nach ihrer Entstehung und natürh'chen Entwicklung, Leipzig 1889, S. 232 ff.
2) Auch der in seinen Urtheilen so vorsichtige Ratzel kann sich dieser, durch eine
einseitige culturgeschichtliche Betrachtung erzeugten Thatsache nicht Terschliessen (vergl.
Völkerkunde, L S. 14 ff.).
Zeiucbrift fäi BUmologie. Jahrg. 1891. 6
74 Ths. Aghblis:
dieser Entwicklung in gewissen praktischen Erfahrungen des täglichen
Lebens gelegen hätten. [So Rolph, Biologische Probleme, zugleich als
Versuch einer rationellen Ethik. Leipzig 1882. 8. 145 ff.*)]. Glücklicher-
weise ist solchen einseitig mechanischen Ansichten, die einen erstaunlichen
Mangel an psychologischer Analyse zeigen, eine sachgemässe Entgegnung
nicht erspart, vor Allen hat Post, dessen Schriften sich überhaupt durch
klare Auffassung des Materials und ganz besonders durch kritische Nüchtern-
heit vor manchen, zwar äusserst verführerischen, aber wissenschaftlich
unhaltbaren sociologischen Speculationen unserer Tage auszeichnen, die
entsprechende Kehrseite dieses psychologischen Processos mit Recht betont.
Zwar gelten seine Ausführungen zunäclist nur für das Rechtsgebiet, aber,
da eben Recht und Sitte in den primitiven Entwicklungsstadien völlig
zusammenfallen"), so können wir ihn auch für unsere Streitfrage als Ver-
treter aufrufen. Obschon das individuelle Rechtsbewusstsein, wie wir
früher sa)ien, völlig bedingt ist durch den jeweiligen Organisationskreis,
als dessen concreter Niederschlag es erseheint, so wird man doch nie zum
Ziel kommen, wenn man nur aus Eindrücken der Aussenwelt die ganze
sittliche Welt des Mensclien aufbaut, jedes Sollen als ein selbstverständ-
liches Ergebniss irgend einer mechanischen Anpassung betrachtet u. s. w.
Richtig hat deshalb unseres Erachtens der eben erwähnte Gelehrte an-
genommen, dass die Fähigkeit Recht von Unrecht im gegebenen Fall, je
nach Lage der Sache verschieden, zu unterschei<len, eine apriorische sei,
nicht erst nachträglich durch allerlei Nützlichkeitserfahrungen erworbene,
obwohl der Inhalt dieser einzelnen rechtlichen Flmpfindungen empirisch
erlangt sei'). So sehr man von der Wandelbarkeit des sittlichen Ideals
überzeugt sein mag, so stark die Schwankungen bezüglich des Inhalts
der einzelnen moralischen Gebote und Verbote sein mögen, so wenig wird
das blos formale Pflichtbewusstsein lediglich empirisch abgeleitet werden
1) Der Irrthnm Lubbock's (Entstehung der Civilisation, Jena 1875, 8. 830 ff.), dass
den Naturvölkern überhaupt keine Sittlichkeit zugeschrieben werden könne, beruht einer-
seits auf der dogmatisch hochgeschraubten Fiiirung des in Rede stehenden Begriffes,
andererseits auf den vielfach widersprechenden Berichten über den Charakter der Wüden.
Man sollte übrigens nicht vergessen, dass sich solche, anscheinend unTertrftgliche Gegen-
s&tze wohl vereinbaren lassen, wenn man den maass^ebenden Dualismus der niederen
Horalsjsteme 'berücksichtigt Was gegenüber dem Stammesgenossen als schwerste Schuld
empfunden wurde, war nicht nur unanstössig, sondern galt als höchst verdienstvoll in
Bezug auf einen Frenubn ;vergl. hierüber Kulischer, Ztschr. für Ethnol., XVII. 205 fll).
"2) Dass das nicht schlechthin immer zutrifft, ist freilich zugegeben; unter ungünstigen
geschichtlichen Bedinguiigen kann eine Volkerschaft gezwungen sein, nach einem Recht
zu leben (vielleicht dauemd\ das ihrer Sitte durchaus nicht entspricht, und es treten dann
die bedauerlichen Vergewaltigungen des eigentlich volksthünüichen, geschichtlich und
ethnographisch gewordenen Charakters ein, der sich mitunter auch in erschütternden
Revolutionen Luft macht.
8) Post, Grundlagen des Rechts, S. '20 ff. üebrigens stimmt auch Windelband,
obschon er auf ganz entgegengesetztem Standpunkte steht, in dieser psychologischen
Begründung der Pflicht mit Post überein >ergl. Präludien, Freiburg 18h4, S 28B ff.).
Ethnologie und Etiiik. 75
können, vielmehr ist dieses die für alle, selbst die allerniedrigsten, gesell-
schaftlichen Verhältnisse unerlässliche Voraussetzung jedes ethischen Ver-
haltens überhaupt. Nur wenn dies Gefühl der Verpflichtung schon beim
Menschen vorhanden ist, kann sich auf Grund einer bestehenden Autorität,
sei es einer privaten oder socialen, jene Unterordnung des eigenen Willens
entwickeln, durch welche erst eine gedeihliche sittliche Entwicklung mög-
lich ist Und es ist bekannt genug, dass erst in sehr allmählicher Stufen-
folge die anfänglich völlig egoistischen, vom höheren Standpunkte betrachtet,
sittlich fast werthlosen Motive sich in ethisch indifferente oder gar lobens-
werthe umwandeln; das ist, wie Windelband mit Recht bemerkt, das
Geheimniss jeder Erziehung. Durch diesen leider oft übersehenen Unter-
schied zwischen der Form und dem Inhalt der Pflicht sind wir erst in den
Stand gesetzt, auch vom Standpunkte der vergleichenden Völkerkunde aus
die Allgemeingültigkeit des Pflichtbewusstseins, aber eben zunächst völlig
ohne Rücksicht auf den jeweiligen Gehalt festzuhalten und zu begründen.
Ja, diese Analogie der ethnologischen und philosophischen Auffassung lässt
sich sogar noch weiter verfolgen; wir sahen früher, dass die sociologische
Perspective die Moralitat des Einzelnen nach den mehr oder minder innigen
Beziehungen beurtheilt, welche ihn an die betreffende Organisation knüpfen.
Dasselbe ergiebt sich, wenn man rein abstract das beiderseitige Verhältniss
zu einander prüft; denn die ursprünglich rein formale Pflicht wird durch
jene stillschweigende sociale Bezugnahme zu einer materialen, indem die
verschiedenen Aeusserungen derselben (Achtung des fremden Lebens und
Eigenthums, die Unterordnung des eigenen Glückes unter die gemeinsame
Wohlfahrt, eventuell bis zur Preisgebung der eigenen Existenz u. s. w.)
mittelbar und unmittelbar zum Schutz der bestehenden gesellschaftlichen
Ordnung dienen, und sei diese, mit höheren Entwicklungsstufen verglichen,
auch so kümmerlich wie möglich. Ihr sittliclier Werth wird somit steigen,
je höhere Aufgaben sich die Gesellschaft seihst gestellt hat; aber alle ihre
geschichtlichen Gestaltungen, so verschieden sie auch ethnographisch und
historisch sein mögen, verfolgen doch, wie Windelband sich ausdrückt,
ein und denselben Zweck, nehmlich die Schaffung des ihnen eigenthüm-
lichen Cultursystems (a. a. O. S. 309).
Der Dualismus unserer Natur, in den wir ohne unser Zuthun hinein-
geboren werden, das Doppelbild des Psychischen und Mechanischen, unter
dem wir genöthigt sind, alles Geschehen, alle Erscheinungen aufzufassen,
tritt uns auch in den Thatsachen des Völkerlebens unverkennbar entgegen,
und zwar, von allen anderen Gründen abgesehen, schon allein deshalb,
weil doch schliesslich alle ethnischen Bildungen, so verschiedenartig ihre
Structur auch sein mag, auf die psycho -mechanische Thätigkeit mensch-
licher Individuen zurückführen. Es erscheint uns gewagt, wenn man mit
Post die sicheren Grenzen der verlässlichen Erfahrung verlässt, und im
Recht und in der Sitte nicht etwas specifisch Menschliches oder Tellurisch-
76 '^S' AOHBUS:
Organisches sehen will, sondern lediglich die durch die biologische Eigen-
art der socialen Organisation qualificirte Erscheinungsform eines Gesetzes,
welches auch den ganzen übrigen Kosmos beherrsche (vergl. G^rund-
lagen u. s. w. S. 19 fF.), weil es ims eben an einem erschöpfenden Einblick
in das Räderwerk des Universums eingestandeuermaassen doch allzusehr
fehlt. Aber auch unter diesem Verzicht lässt sich die angezogene erkenntniss-
theoretische Parallele festhalten; denn während die mit anderen Gebieten
weit verzweigte Sitte und das in den socialen Yerbänden sich nieder-
schlagende Recht die mechanische Seite darstellen, finden wir die psychische
in der Moral oder in dem Gewissen, demzufolge Jeder an der Gestaltung
und Entwicklung der Association, in der er gerade lebt, Theil nimmt.
Da nach allen Anzeichen es nie eine Zeit gegeben hat, wo der Mensch,
und sei es der verkommenste Urmensch, in streng isolirtem Zustande sein
Dasein gefristet hätte, da man vielmehr annehmen muss, dass es sociale
Verbände gegeben hat, so lange der Mensch überhaupt auf Erden existirt,
80 ergiebt sich daraus auch, dass die letzten Fundamente der Sitte und
des Rechts so alt sind, wie das sociale Leben der Menschheit überhaupt.
Aber wenngleich wir uns diesen Geburtstag einer sittlichen Entwicklung in
die alleräussersten, nebelhaften Femen prähistorischer Verhältnisse zurück-
gelegt denken mögen, so wird doch schon für ihre einfachste und dürftigste
Form jene Scheidung des Mechanischen und Psychischen zu vollziehen
sein, die wir eben berührten. Auf der einen Seite steht der ganze Com-
plex der äusseren Bedingungen, ohne die überhaupt kein Geschehen denk-
bar ist, auf der anderen die in dem Gefühle der Verpflichtung gegenüber
bestimmten Geboten und Verboten sich manifestirende psychische Seite
des Processes. Und auch nach einer anderen Beziehung lässt sich dieser
Gesichtspunkt festhalten, indem das Individuum in erster Linie von seinen
physischen, auf Selbsterhaltung gerichteten Trieben beherrscht wird, anderer-
seits aber socialen Motiven zu gehorchen hat. So entsteht der für die
Ethik so wichtige Gegensatz von Egoismus und Altruismus, und so erklärt
es sich auch, wie Post meint, dass jedes biologische Individuum sich
einerseits berechtigt, andererseits verpflichtet fühle: jenes nehmlich in
seiner Eigenschaft als biologisches Individuum, dieses als Glied socialer
Verbände*). Dass alle weiteren AflTecte aber, die für die Entwicklung
rechtlicher und sittlicher Vorgänge maassgebend sind, wie Furcht, Reue,
Rachegefühl u. s. w., nicht ohne jenen psychischen Gegensatz denkbar sind,
bedarf hofTentlich keiner weitläufigen Erörterung. Die ganze Geschichte
des Völkerlebens und vor Allem die Sittengeschichte ist unverständlich
ohne diese, leider in der modernen Sociologie häufig übersehene, psycho-
logische Voraussetzung, wie sie schon zur Erklärung der einfachsten Hand-
lung unentbehrlich ist; andererseits ist es freilicli wieder möglich, — und
1) YergL GmndUgeD des R<^chts, S. 8 ff.
Ethnologie und Ethik. 77
auch diese Versuchung hat sich, z. B. für den modernen ütilismus, ver-
hängnissvoU erwiesen, — den eigentlichen Gehalt der Gesammtheit, der
Gesellschaft rein atomistisch in die entsprechende Zahl ihrer Glieder zu
verflüchtigen, wodurch dann wieder eine gefährliche Ueberschätzung der
Bedeutung des Individuums entstehen würde. Doch die Betrachtung
dieser Probleme, der Verwendung und Entwicklung des socialen Gedankens
in der neueren Philosophie und anderen verwandten Disciplinen erfordert,
wie schon am Eingang bemerkt, eine vollständige Untersuchung.
Besprechungen.
Heinrich Schliemann. Bericht über die Ausgrabungen in Troja im
Jahre 1890. Mit einem Vorwort von Sophie Schliemann und Beiträgen
von Dr. Wilh. Dörpfeld. Leipzig, P. A. Brockhaus, 1891. 8. 60 8.
mit 1 Plan, 2 Tafeln und 5 Text -Abbildungen.
Die kleine Schrift war in allen ihren Theilen ausgearbeitet, als der Tod den an-
ermüdlichen Arbeiter erreichte. Der von Schliemann selbst verfasste Abschnitt war
sogar schon gedruckt und corrigirt; er ist vollständig authentisch. Er giebt eine kune
Darstellung der beiden Conferenzen, welche auf Hissarlik stattgefunden haben: der vom
December 18S9 und der vom März 1890: die Schlussprotokolle derselben sind schon seit
längerer Zeit bekannt. Sodann folgt eine gedrängte Schilderung der Ergebnisse, welche
die vom 1. März bis zum 1. August fortgeführten, grossartigen Ausgrabungen geliefert
haben. Diese Ausgrabungen betrafen hauptsächlich die „zweite Stadt^, deren Mauern und
äussere Abschnitte nach Nordwesten, Süden und Nordosten hin noch nicht vollständig
aufgedeckt waren, sowie die schichtweise Abtragung der mächtigen Schnttreste, welche
über die Grenzen der „zweiten Stadt'' hinaus, vorzugsweise nach Westen, noch in dem
ursprünglichen Zustande liegen geblieben, zum Theil durch Ueberschüttungen mit dem
Abraum der zweiten Stadt bei den früheren Ausgrabungen erhöht worden waren. Daran
schlössen sich weitläuftige Trancheen längs des Fusses des Hügels, besonders an der
Südwestseite. Durch die weitere Aufdeckung der „zweiten Stadt" gewann Schliemann
die Ueberzeugung, dass innerhalb dieser „Stadt" drei verschiedene, nach und über einander
errichtete Ansiedelungen zu unterscheiden seien, bei deren Errichtung die Stadtmauer
mehrfach verändert und frühere Thore überbaut und durch neue ersetzt worden sind. An
die Stelle des einen Thores, welches bei den ersten Ausgrabungen freigelegt war, sind so
allmählich 5 Thore getreten, von denen freilich das eine noch nicht aufgefunden, sondern
nur durch die Richtung eines grossen, ansteigenden Zuganges angezeigt ist. Aus den
4 oberen Schichten beschreibt Schliemann eingehend die aufgefundenen Topfwaaren,
insbesondere die von ihm als importirt betrachteten archaisch -griechischen Gef&sse, unter
denen in grösserer Tiefe auch solche vom Mjkenae-Stjl zahlreich gefunden wurden^
letztere jedoch gemischt mit einer monochromen grauen, gelben oder schwarzen Topf-
waare, die er für einheimisches Produkt nimmt, und mit Werkzeugen ans geschliffenem
Stein. In der zweiten Stadt kamen unter Anderem zwei Eisenklumpen zu Tage, von denen
der eine noch ziemlich gut erhalten war und ein viereckiges Loch zeigte; sie galten
Schliemann als ausreichender Beweis, dass, entgegen seiner früheren Ansicht, Eisen
schon damals bekannt, wenngleich noch sehr selten, war. Er nimmt (S. 21) bei dieser
Gelegenheit auch ausdrücklich seine frühere Ansicht zurück, dass der rothe oder gelbe
Ziegelschutt „Holzasche* gewesen sei. Zwischen der Topfwaare der untersten Cnltar-
Schicht der „zweiten Stadt" und der der „ersten" findet er mancherlei Analogien. In
gleicher Weise erklärt er Alles, was früher auf Todtencultus und Reste desselben in der
„zweiten Stadt" bezogen war, für irrthümlich. „Nie ist in der Peigamos ein Grab
gefunden** v^* ^)* ^ In einem zweiten Abschnitt folgt eine Reihe von Angaben über die
aufgefundenen Inschriften Obenan steht ein Thonwirtel mit Einritzungen, welche Herr
Sayce für cjprisch erklärte; derselbe wurde in der Schicht mit den mykenischen Gefässen,
der sechsten von unten, entdeckt. Die übrigen Inschriften sind griechische, meist ans der
Kaiseneii, darunter namentlich eine Marmorplatte mit einer langen Aufzählung männlicher
und weiblicher Namen, wie Schliemann vermuthet von sämmtlichen lebenden Bürgern
der Stadt aus hellenistischer Zeit.
Hr. Dörpfeld giebt schliesslich in einem grösseren Abschnitt eine Uebersicht der
Bauwerke. Er erörtert dabei auch die kleine Aufdeckung der ersten oder tiefsten Schiebt,
wobei er sich der Ansicht des Referenten anschbesst (S. 40), dass es sich bei diesen Bao
Besprechungen. 79
werken «Dor am meDschliche Wohnplätze handeln kann*^. Yod besonderem Interesse sind
die, ans so bemfenem Munde doppelt werthToUen Angaben über die Mauern, Thürme und
Thore der zweiten Stadt, sowie über die grossen Gebäude im Innern der Pergamos (S. 51),
deren Analogie mit den Anlagen in Tiryns bestimmt nachgewiesen wird. Ein höchst
übersichtlicher Stadtplan erläutert in anschaulicher Weise die sehr verwickelten Bau-
▼erhSltnisse.
Die grössere Ausarbeitung, welche „nach Beendigung der Ausgrabungen'*, die er für
dieses Jahr in Aussicht genommen hatte, von Schliemann beabsichtigt war (S. 11), wird
vermuthlich durch seinen erfahrenen und nach allen Birhtungen auf das Trefflichste
unterrichteten Mitarbeiter geliefert werden. Jedenfalls dürfen wir erwarten, dass das
grosse Werk im Sinne des Verblichenen vollständig zu Ende geführt werden wird. Denn
Prau Sophie Schliemann erklärt in dem Vorworte zu der vorliegenden Schrift in ihrer
einfachen und hochherzigen Weise: „Nunmehr betrachte ich es künftig als ein heiliges
Vermächtniss, die Ausgrabungen auf Hissarlik im Sinne meines Mannes zum Abschluss
tu bringen.*' Ehre der trefflichen Frau und ein herzliches „Glück aaf^ zu dem immer
noch riesig grossen Werke! Rud. Virchow.
Daniel C. Brinton. A. M., M. D. Races and peoples. New York, N. D. C.
Hodges, 1890. Kl. 8. 313 p. with 8 illustrations, 9 schemes and 6 maps. —
The American Race : A linguistie Classification and ethnographic description
of the native tribes of North and South America. New York, N. D. C.
Hodges, 1891. 8. 392 p.
Der gelehrte Verfasser, dessen bahnbrechende Arbeiten auf dem Gebiete der ver-
gleichenden Linguistik, namentlich der amerikanischen, seit einer Beihe von Jahren die
Aufmerksamkeit aller Forscher auf ihn gezogen haben, giebt in den vorliegenden beiden
Werken eine höchst anschauliche Uebersicht seiner Ergebnisse In grossen Zügen und
mit einer seltenen Entschlossenheit schildert er zunächst die Entwickelungsgeschichte der
Menschheit und ihrer hauptsächlichen Zweige, nicht bloss an der Hand der Linguistik,
sondern unter steter Zuhülfenahme der Anthropologie und der ethnischen Psychologie,
um dann das ihm zunächst liegende Gebiet der amerikanischen Rassen in einer ganz
neuen Ordnung vorzuführen. Seine Anschauung ruht auf dem Boden der Descendenz-
theorie, aber sie ist, gegenüber dem praktischen Zweck seiner Aufgabe, in ihrer weiteren
Ausgestaltung gänzlich losgelöst von traditionellen Schemata. Er leugnet für America
ebenso bestimmt die Annahme einer Aulochthonie des dortigen Menschen, wie die Ein-
wanderung von Asien. Nach seiner Auffassung ist der Mensch in jener uralten Zeit,
wo noch eine Landverbindung zwischen Nordamerica und Europa über Grönland und
Island existirte, von Europa aas eingewandert (American Race p. 31). Diese Zeit würde
der Periode des Eocäns, wahrscheinlich auch noch des Miocäns und Pliocäns entsprechen,
und da er die Existenz des Menschen in Westeuropa zur Zeit des Pliocäns als gesichert
annimmt, so ist für ihn kein Hindemiss vorhanden, die Möglichkeit der üeberwanderung
auszusprechen. Was Europa angeht, so setzt er den ^Geburtsort der Species*' dahin, wo
der am meisten menschenähnliche Affe, der Dryopithecus, gefunden ist, also in den Westen,
freilich zu einer Zeit, wo die Erdoberfläche von der gegenwärtigen noch sehr verschieden
war, wo das Sahara -Meer Nordafrica noch von Centralafrica trennte, wo das Mittelmeer
noch nicht existirte und Nordafrica noch in vollem Zusammenhange mit Südeuropa war
(Baces and peoples p. 82). Damals war der Mensch in allen seinen Besonderheiten noch
einheitlich. Pie Trennung in Rassen begann zwischen dem Schlüsse der Eiszeit und der
protohistorischen Periode. Aber der Mensch war nach B. auch schon vorher, sowohl
nördlich von dem Sahara -Meer in Eurafrica (Europa -i- Nordafrica), als in Austafrica ^Süd-
aMca) vorhanden. Die Ansicht des Verfassers von der Entstehung der schwarzen Rasse findet
Referent nirgends mit Deutlichkeit ausgesprochen; obwohl in der geschichtlichen Zeit,
so alt sie auch gerade für Africa ist, nach seiner Auffassung der AustaMcaner stets
ein Schwarzer war, so sagt er doch weder, dass auch der Eurafricaner schwarz war, noch
80 Besprechungen.
dass der Enrafricaner jeinalä nach Austafrica eingewandert and dort schwarz geworden
sei. Das System ist in dieser Richtung noch ebenso wenig aasgebant, wie in Beziehung
auf die gelbe Rasse. Immerhin kann man anerkennen, dass, unter Zugeständniss seiner
ITiese, wonach der americanische Mensch zuerst am Schlüsse der ersten Eiszeit erschienen
sei, — die ältesten bearbeiteten Steine sollen in dem (?olumbian gravel entdeckt sein, —
die Hypothese von der Einwanderung desselben aus Europa discutabel ist Einmal ein-
gewandert, habe er dann in der nördlichen gemässigten Zone seinen specifischen Rassen-
Charakter entwickelt, genauer in dem Gebiete östlich von den Rocky Mountains und
zwischen der Grenze des zurückweichenden Eises und dem Golf von Mexico (American
Race p. 35).
Zweifellos ist das Bild, welches so gewonnen wird, ein sehr verschwommenes und
lückenhaftes. Die Phantasie hat bei seiner Ausmalung mehr Einfluss, als die Kenntniss
der Thatsachen. Trotzdem hat das Bild den Vorzug, dass es gewisse Hauptfragen schärfer
hervortreten lässt, und dass es dadurch zu erneuter Forschung einen verstärkten Anreiz
bietet. Auch muss es dem Verfasser zum Lobe angerechnet werden, dass er diese synthe-
tische Methode in den Hintergrund treten lässt, sobald er sich zu den einzelnen Stämmen
wendet. Nicht etwa, dass es ihm hier an der gleichen Kühnheit fehlt, aber seine analytischen
Gewohnheiten treten hier um so stärker in ihr Recht, als die Gegenstände der Erörterung
ihm näher liegen. Das gilt vorzugsweise von den americanischen Stämmen, welche er in
ganz selbständiger und znm Theil überraschender Weise ordnet. Seine Klassifikation ist
in erster Linie eine topographische : er unterscheidet 5 Gruppen, eine nordatlantische und
eine nordpacifische. eine centrale, eine südpacifische und eine südatlantische. Aber inner-
halb derselben ist er vorzugsweise Linguist, wobei wiederholt seine Anerkennung für
unseren Landsmann Buschmann in entscheidender Weise hervortritt So lässt er die
athabasb'sche Familie vom Eismeer bis zu der Küste von Durango in Mexico und von
der Hudson -Bay bis zum stillen Ocean sich ausbreiten; dazu gehören die Apachen und
die Navajos ebenso, wie die Sarcees, die Kenai, die Kuchin und die Loucheux. Zu den
Uto- Aztekischen Stämmen rechnet er nicht bloss die Nahuas oder Azteken im Süden,
sondern auch die Utes, die Shoshones und Comanches im Norden.
Eine weitere Darlegung von Einzelheiten ist an dieser Stelle ausgeschlossen. Aber
das muss doch noch besonders hervorgehoben werden, dass der Verfasser eine so um-
fassende und genaue Kenntniss der Literatur, eine solche Meisterschaft in der Darstellung
der historischen Ereignisse und der socialen Einrichtungen der einzelnen Stämme zeigt,
dass sein Buch auf lange Zeit als ein unerreichtes Muster und als ein Quellenwerk ersten
Ranges dastehen wird. Möge es ihm gestattet sein, noch lange Zeit an der Vervoll-
ständig'ung und Klärung des gewaltigen Materials zu arbeiten. Rud. Virchow.
E. Handtmann. Was auf deutscher Haide spriesst. Märkische Pflanzen-
Legenden und Pflanzen -Symbolik. Berlin. 12. 184 Seiten.
Eine originelle Botanik ist es, welche der Verfasser uns vorführt. Wir lernen
diejenigen Bäume. Sträucher und kleineren Gewächse kennen, welche dem Märker <iie
volksthümlichsten sind, und wir erfahren manches interessante Stückchen Volksraedicin
und Volksaberglaubeii, das mit ihnen zusammenhängt Allerdings können wir uns auch
an schlagenden Bei |»i«'len ütiorzt^ugen, wie jungen Datums solche L**gendenbildungen sein
können, und wie der Volksglaube fort und fort beflissen ist, neue „Mähren* zu bilden
und auszusinnen. Das triflTt lusonders bei dem Schiefblatt zu und auch bei den auf di«»
letzten grossen Kriej^^e in Deutschland bezüglichen Erzählungen. Nicht Weniges von dieser
Symbolik und diesen Legt»nden macht ganz unverkennbar den Eindruck, dass es von
Pastoren- oder Priestermund dem Volke eingeimpft worden ist, und manche poetische
Redewendung des Verfassers wird ohne Zweifel dazu beitragen, auf diesem Wege fort-
zeugend zu wirken. Man wird dem angenehm geschriebenen Büchlein aber bereitwillig
ein Plätzchen in dem Bficlier^rbranke gönnen. Max Bartels,
•
V.
Barbarische und griechische Spiegel
von
Dr. KARL SOHUMAOHER,
Assistenten an den Grossherzogl. Samminngen in Karlsruhe.
Im Jahre 1865 stiess in der Nähe des etwa 6 Stunden yon Heidelberg
im Elsenzthal gelegenen Dorfes Dühren ein Bauer beim Pflügen auf ein
Grab, das nach der Beichhaltigkeit der Beigaben unter den gleichzeitigen
Oräbem besondere Beachtung verdient. Es enthielt ausser einem Skelet
Geräthe und Schmuck aus Gold, Silber, Bronze, Eisen, Hom, Koralle,
Bernstein, Gagat, Stein, Thon, Glas und Schmelz. Leider fand keine sach-
gemässe Ausgrabung statt, so dass die Fundverhältnisse nicht festgestellt,
das Skelet und die zahlreichen Thongefässe zerschlagen, die Gegenstände
von Eisen grösstentheils als werthlos weggeworfen wurden. Das Gerettete
befindet sich jetzt in der Grossherzogl. Alterthümersammlung in Karlsruhe ^).
üeber die Zeit des Grabes lassen die erhaltenen Funde keinen Zweifel.
Vor Allem sind es 7 Fibeln: 2 reizende silberne, 1 mit Korallen besetzte
ans Eisen, die übrigen von Bronze, welche, wenn auch in Einzelheiten
verschieden, doch sämmtlich den reinen Mittel -La Teno -Typus zeigen, —
jene etwa dem 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. angehörige Phase der gallischen
Cultur. Bei allen liegt das Schlussstück auf dem Bügel auf, ohne indessen'
mit diesem zusammengewachsen zu sein. Auf dieselbe Zeit weisen auch eine
Anzahl von Glasringen, sowie Form und Styl mehrerer Geräthe und Gefässe,
unter welchen namentlich eine Pfanne und ein Kännchen von Bronze mit
figürlichem Schmuck hervorzuheben sind. Eine gallische Silbermünze, die
mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit dem Volksstamme der Volcae Tectosages
zugetheilt werden kann (vergl. Caesar de belle Gall., VT. 24), bestätigt in
gevrtinschter Weise jenes Besultat.
Unter den Grabesbeigaben ist ein auffallender Gegensatz bemerkbar.
Einerseits finden wir Gegenstände wie eine Lanzenspitze aus Bronze, — unter
den verschleuderten Sachen aus Eisen sollen „Säbel^ gewesen sein, also ofTen-
bar Ausrüstungsstücke eines Männergrabes; andererseits scheinen aber Haar-
1) Ich habe diesen Fund aosfnhrlicher in der Zeitschr. für Geschichte des Oberrheins,
N. F., Bd. V. S. 409 — 424 (verg^. Taf. III) behandelt. Einzelne Gegenstände waren durch
Lindenscbmit, Alterth. heidn. Vorzeit; £. Wagner, Katalog der Berliner prähistor.
Ansgtellung 1880, S. 21, Nr. 125; 0. Tischler, Westd. Zeitschr. V. (1886) S. 197, bekannt
Z«itoe]i7ifi für EUmologi«. Jahrg. 1891. 7
J
82
Karl Schumaohbr:
nadeln aus Bein und zwei Spiegel für eine Prauenbestattung zu sprechen*).
Noch verwickelter macht es die Sachlage, dass die erwähnte, nach Aus-
sagen von Augenzeugen sicher mit den anderen Gegenständen gefundene
bronzene Lanzenspitze nach ihrer Form zweifelsohne aus der sogenannten
Bronze- oder Hallstattperiode stammt. Für die Erklärung dieser Erschei-
nung stehen verschiedene Wege offen. Wer zum Systematisiren neigt,
wird sagen: da von den Eisenwaffen nichts erhalten oder durch wirkliche
Sachverständige bezeugt ist, die Lanzenspitze aber weit älterer Zeit, als
der übrige Grabfund angehört, dürfen wir diese ruhig als nicht zugehörig
ausscheiden. Das übrig bleibende Grabinventar ist dann aus den vielfach
gefundenen gallischen Frauengräbem geläufig. Andere Forscher dagegen
werden vielleicht, nach einer in letzter Zeit bei ähnlichen Gräbern gemachten
Beobachtung (Bull, di pal. Ital., Xu. p. 255), die Gegenstände weiblicher
Toilette als letzte Liebesgaben der Frau für den Verstorbenen betrachten.
Unmöglich wäre auch nicht die Annahme zweier Bestattungen, einer männ-
lichen und einer weiblichen, wenn man ungleiche Erhaltung der Skelette
oder schlechte Beobachtung der grabenden Bauern voraussetzt. Diese
Zweifel wären gehoben, wäre rechtzeitig ein Sachverständiger zur Aus-
grabung beigezogen worden.
Heute wollen wir uns nur mit einem, in diesem Grabe gefundenen
Spiegel näher beschäftigen. Wir hoffen dadurch einige neue Momente für
die eben angedeutete Frage, sowie einige allgemeinere Gesichtspunkte für
die Ableitung von La Tfene -Formen zu erhalten, die man vielfach noch
zu ausschliesslich an etruskische Kunst anknüpft.
Das in Rede stehende^ durch beigefügte Fig. 1
veranschaulichte Geräth besteht aus einer runden,
flach gewölbten, polirten Scheibe von 14,2 cm Durch-
messer und nur etwa 0,1 ci» Dicke mit einem 9,6 cm
langen und 2,3 — 2,8 cm breiten Griff, beide aus
einem Stück. Auf der (nichtpolirten) Innenseite ist
der Rand an Scheibe und Griff ein wenig auf-
geworfen, auf der Aussenseite von einer Rinne be-
gleitet. Die Mitte der Aussenseite des Griffes ist
durch einen Grabt bezeichnet, dem auf der Innen-
seite eine Rinne entspricht, so dass der Griff leicht
dachförmig erscheint. Nahe dem unteren Rande
(bis U cm) ist der Grabt nachträglich entfernt;
auch sind hier Löthspuren zu bemerken. Der Griff
scheint ursprünglich länger gewesen zu sein, doch
wurde die Bruchflächo wieder geglättet. — Auf den ersten Blick möchte
man das Geräth eher für eine Art flache Patera halten, doch spricht die
1) Verschiedeu artige Ringe (such Glasringe) und Fibebi finden sich bei weiblichen,
wie männlichen Begtattungen in gaUischen Grftbern.
Fig.l.
Barbarische und griechische Spiegel.
83
Politur deutlich für die Yerwendung als Spiegel. Dieses wird durch
die Betrachtung einiger ähnlicher Exemplare bestätigt.
Als ich in der Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins, Y. S. 416 f.
diesen Spiegel kurz besprach, hob ich bereits hervor, dass er ausserhalb
Italiens entstanden sein müsse. Ein Blick in das bekannte Werk yon
Gerhard über die etruskischen Spiegel genügt, um die abweichende Form
unseres Spiegels erkennen zu lassen. Am meisten charakteristisch ist
für ihn der breite Griff. Derartige Spiegel sind nie in Italien gefunden
worden, was auch Furtwängler und Körte bestätigen in einem Aufsatz,
auf den wir später noch zu reden kommen. Auch in den gallischen
Gräbern Oberitaliens hat man meines Wissens bis jetzt diese Form noch
nicht angetroffen, sondern immer nur die bekannte etruskische *). Es
bleibt daher nur die Annahme griechischer Entstehung oder besonderer
gallischer Weiterbildung.
Und wir sind thatsächlich in der Lage, die Entwickelungsgeschichte
dieses Spiegeltypus in jener Richtung, wenn auch nur in grösseren Zügen,
zu verfolgen.
Zunächst beschäftigt uns der in dieser Zeitschrift, Bd. XV (1883),
8. 172, Taf. in. 14, publicirte Gegenstand aus einem Grabhügel bei
Stawropol im Kaukasus (Fig. 2): „Instrument aus ganz dünnem Kupfer,
Fig. 3.
Fig. 2.
wie aus Blech . . . Bings herum ist der Rand des Kreises (auf einer
Seite) etwas, aber kaum merklich in die Höhe gebogen. Das Ganze
macht den Eindruck eines Geschirrs^ um etwas darauf zu präsentiren,
1) Yergl. Atti e Memorie della R. Dep. di storia patria per lo provincie d. Bomagna
1887, T. V, 41, 42 (Brizio), und Bull, di pal. Ital, Xn. p. 249, n. 16 (Castelfraneo).
84 Karl SOHDHAcnER:
oder den eines Handapiegels; nur iat, waa aach zofSllig sein kann, eine
kaum merkliche concave Wölbung der Fläche auf deijenigen Seite za
bemerken, auf der sich die Zeichnung nicht befindet, was für die erste
Aunabme sprechen dürfte." Die Uebereinstimmung mit unserem Oeräth
von Dflhren ist so gross, dase wir offenbar die gleiche Verwendung und
Herleitung annehmen müBsen. Das Exemplar aus dem Kaukasus zeigt
allerdings am unteren Ende des Griffes noch eine halbrunde Ausladung,
die an dem von Dühren fehlt, aber nach dem, was wir oben bemerkt
haben, auch hier ganz wohl vorhanden gewesen sein kann. Die Zeit
jenes Grabhügels ist durch eine mitgefundene Thierfigur lokalen bar-
barisirenden Styls, ganz nach Art der La Tfene-Figuren (Taf. HI, 6), sowie
einige Waffenstücke einigermaassen bestimmt').
An die Gestade des Schwarzen Meeres führen uns zwei weitere,
sogleich zu besprechende Exemplare. In einem Frauengrab von Tcher-
Fig. 6.
tomlyk bei Micopol wurde nach Rccueil d'antiqnites de la Scythie, U.
(1873) p. 108 ein Spiegel (Fig. 4) gefunden (npres de la main droite an
1) EJDe Weitercntwickelnng dieser Spiegellomi kenDsn wir ebenfallB na dem Kaa-
kasns (vergl. Zeitschr. f. Ethnol. IhitO, Verh. S. 466, Fig. 72); Scheibe und Griff hkbeo
schon rinige Vcrttndcrungrn erfahren, und der Ictitere ist Id der Uitte durchbohrt
(Rg. 8). Vcrgl. auch ebenda S. 4G5, wo Virchow anf die Wichtigkeit dieses Oerfithes für
Destimmimg der Zeit- und Hand elsbe Ziehungen der kaokasisehen Cultur hinweisL — Unter
den kaukasischen Spiegeln fioden sich hSoSg einfache, runde Scheilien mit einem in der
Hitze hergeBtellten Uebenng, der wie Silber oder Weissmctall aussieht (ve^l, Zeitschr.
f. Ethnol. 18<.<0, S. 440 f. and 462). Ein ganz ähnlicher wurde auch in jenem Grabe Ton
Dühren gefunden, doch wnrde der Ueberiug noch nicht chemisch untersucht (vergl.
Zeitschr. t Gesch. d. Oberrheins. V. 8. 41T, Schumacher, Beschreibung der Sammlung
antiker Bronzen in Karltmhe, Nr. 24<>).
Barbarische und griechische Spiegel. §5
miroir de bronze avec un manche d'os"), dessen Form (Vignette p. 123
genannten Werkes) ihn trotz des anderen Materials des Griffes in unseren
Zusammenhang stellt. Ein Goldplättchen desselben Grabes (Atlas T. XXX,
16, vergl. p. 107, auch Antiquites du Bosphore Cimm^rien, PI. XX, 11)
zeigt einen solchen Spiegel in der linken Hand einer sitzenden Frau, wäh-
rend ein junger, vor ihr stehender Skythe ein Rhyton leert. — Wichtiger
noch ist ein ebenfalls aus einem südrussischen Grabe (Kul-Oba) stammender
Spiegel (Fig. 5), der in den Antiquites du Bosphore Cimmerien, T. XXXI, 7
abgebildet ist. Stephani sagt im Text p. 215, dass der Spiegel aus zwei,
ursprünglich nicht zusammengehörigen Theilen bestände, indem auf einen
älteren (griechischen) Spiegel von vergoldeter Bronze der breite Grriff aus
Goldblech aufgenietet worden sei. Die Verwandtschaft dieses Griffes mit
demjenigen des Exemplars aus dem Kaukasus ist ohne weiteres klar.
Die in Relief dargestellten Thiere zeigen einheimische, aber auf griechische
Vorbilder zurückgehende Arbeitsweise, wohl des 4. Jahrh. v. Chr. (vergl.
z. B. die Thierdarstellungen der Schwertgriffe in Ant. de la Scythie,
T. XL, 9, 12, 14, auch Furtwängler, Der Goldfund von Vettersfelde,
8. 46). Ein Vergleich des im unteren Rund dargestellten Thieres mit der
oben erwähnten, zugleich mit dem Spiegel aus dem Kaukasus gefundenen
Thierfigur könnte auf den Gedanken bringen, dass diese ursprünglich
ebenfalls auf dem Griffrund befestigt war. Wie weit Grössenverhältnisse
und die auf der Rückseite dieser Figur befindliche Oehse dafür sprechen,
kann ich ohne nähere Kenntniss des Originals nicht beurtheilen. Dass
aber derartige Verzierungen auf solchen Spiegelgriffen nicht nur in Relief
getrieben, sondern auch selbständig gearbeitet und aufgenietet vorkommen,
werden wir noch sehen*).
Die Culturgeschichte der Gegenden, in welchen wir bis jetzt unserer
Spiegelform begegnet sind, wie auch die Verzierungsweise der Spiegel
selbst (das Flechtband und die Thierdarstellungen) weisen darauf hin,
dass wir keine lokalen Erfindungen vor uns haben, sondern die Entstehung
dieses Tjrpus an einem anderen Orte suchen müssen.
Furtwängler hat in den Ernst Curtius gewidmeten historischen
und philologischen Aufsätzen (Berlin 1884) S. 181 f. erstmals einen Spiegel
1) Bei Gerhard, Etrosk. Spiegel, Taf. CDIX, 8, ist ein Spiegel unbekannter Herkunft
publicirt, der durch die Form der Scheibe, die Breite des Griffes, sowie den Styl der
GraTirungen von den anderen italischen abweicht Gerhard, dem offenbar auch ein
Unterschied auffiel, hielt ihn eher für romisch, als für etruskisch. Mir scheint letztere
Yermnthnng nach Form des Spiegels und Charakter der Zeichnung abzuweisen. Die
Form stellt ihn in den von uns behandelten Zusammenhang; der Styl der Zeichnung,
die Tracht u. a. finden eher ihre Analogien z. B. in den GraTirungen der bekannten Hall-
statter La Tene-Scheide (Lindenschmit, Alterth. heidn. Yorz., IV. H. VI, Taf. 32;
▼on Hey den, Zeitschr. f. Ethn. 1890, Verb. S. 50), die sicher nicht etruskisch ist, sondern
ihre Entstehung wahrscheinlich in den östlichen Alpenländem selbst hat. — Die Form
einea bei Gdrz gefundenen Spiegels ist mir nach der Skizze im Bull, di pal. Ital., III.
Tay. VI, 10, nicht «ganz ersichtlich.
86
Karl Sohumachee:
Fig. 6.
von der Form nebenstehender Fig. 6 bekannt gemacht
(ans der Sammlung A. Castellani). Fnrtwängler
hält dieselbe mit Recht für eine spezifisch griechische,
da solche Spiegel nie in Italien gefunden seien, und
erwähnt als Bestätigung zwei weitere, aus Korinth
und Naupaktos stammende des Berliner Museums.
Griff und Scheibe bestehen aus einem Stück; bei
dem Exemplare aus Naupaktos hat der Grriff unten
noch eine (allerdings verbogene) Spitze, die an dem
der Sammlung Castellani abgebrochen ist Auf
dem vom Griff zum Spiegelrund überleitenden Yiereck
des Castellani'schen Spiegels ist ein sehr dünnes
Bronzoblech mit einer Beliefdarstellnng (Hektor's
Lösung) durch Blei festgelöthet. Auch der Griff war
ursprünglich mit solchen Reliefplättchen geschmückt,
wie Bleispuren auf demselben und die auf dieser
Seite des Griffes emporstehenden Ränder beweisen. Diese Spiegel können
der Zeit nach nicht nach dem 6. — 5. Jahrh. v. Chr. angesetzt werden. Ein
Vergleich derselben mit den bisher besprochenen Formen zeigt, dass
letztere zweifelsohne von diesem griechischen Typus herzuleiten sind,
wenn auch bei ihnen das den üebergang zwischen Griff und Scheibenrund
vermittelnde Yiereck fehlt. So lernt man auch den Reliefschmnck des
südrussischen Exemplars richtig beurtheilen, und wird die über die Ver-
zierung des kaukasischen Spiegels geäusserte Vermuthung • in richtigem
Zusammenhang verstanden^).
Konnte man vor einigen Jahren noch an eine Lokalisirung dieses
Spiegeltjpus in Korinth denken, so ist dies nach den neuesten Funden
unwahrscheinlich. In einem mykenischen Grabe, das zwar nicht mehr in
die eigentliche „mykenische" Periode gehört, aber immerhin um einige
Jahrhunderte älter als jener Typus ist, fand sich ausser einer einfachen,
runden Spiegelscheibe auch die nebenstehende
Form Fig. 7 (^Ecp. oqx. 1888, T. VIII, 3 und IX, 19,
xaTonxQOv fietä ovo nkaxdßv iX^tpavxivtav ano tijg
laßFjg): ein Bronzespiegel, dessen aus zwei elfen-
beinernen Platten bestehender Griff durch 2 Nieten
auf dem Spiegelruud befestigt ist. Der Griff ist leider
nicht ganz erhalten. Doch ist es wahrscheinlich,
dass der Griff gegen unten schmäler wurde, so dass
dieser Typus von dem vorhergehenden griechischen
sich nur dadurch unterscheidet, dass das vermittelnde
1) Auch auf dem Griffe des Spiegels von Dübren finden sich Löthsporen, so dftss man
auch liier an eine Verxit*nin^ durch eine Reliefplatte denken könnte, doch spricht der
Qraht in der Mitte dagegen.
Fig. 7.
Barbarische und griechische Spiegel 87
Viereck auf der Spiegelscheibe selbst befestigt ist, was schon wegen des
andersartigen Materials, wie auch bei dem oben genannten südrussischen
Exemplar, nöthig war. Das obere Ende ist mit 2 Figuren verziert, wovon
die eine einen Spiegel zu halten scheint. Sind wir auch noch nicht in
der Lage, die Verbindungsfäden zwischen dieser spätmykenischen Cultur
und den zuletzt behandelten altgriechischen Typen im Einzeln zu ver-
folgen, so dürfte doch ein Zusammenhang schwer abzuleugnen sein.
üebrigens muss mit Bezug auf die einleitungsweise gemachten Aus-
einandersetzungen hervorgehoben werden, dass in dieser ältesten Periode
sich in Gräbern, die durch ihre WaflFenbeigaben zweifelsohne als Männer-
gräber charakterisirt sind, Spiegel fanden. Und ich kann mich nicht ent-
halten, das von Tsuntas über diese Erscheinung in der ^Eq). clqx. 1889,
S. 149 Bemerkte wörtlich wiederzugeben: „Kara tovg aqxaioteQOvq ofiojg
%ov ^Of4ij()ov XQ^^ovg xai iv 'Eklaöi ol (xvöqbq wg aJioöeixvvBvai ix xwv
tag>a}v (hier von Vafio), öev änri^iovv va xoofiiovtai „rfme xovqoi^^'
dioTi ^ g>ilaQiax€ia elvai ef4(pvTog af4q>ot€Qoig toig (pvXoig ttSv avd^Qiincüv,
ir trj ßaqßaQifi xataazaaev /ddliaza ol avÖQag vneQßdllovai tag yvvaixag
xai xarä tovto, *uiXXwg ivtaluig imoQixov naQdÖBiypia tojv Xeyo^ivwv 8xo(,iev
Toi5g Faldtag^ wv to q>ik6xQvaov i^inXrjfce tovg ^'ElXrjvag toi tgitoi) n, X
aiwvog ovx rjriov ^ t6 tüv KaQwv tov ^'O^rjgov.*^ Wie man sieht, hat
schon Tsuntas auf die gallische Parallele aufmerksam gemacht.
Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, jene Spiegelform des Mittel -La
Tfene- Grabes von Dühren direkt auf griechisches Kunsthandwerk zurück-
zuführen, womit natürlich nicht gesagt ist, dass jener Spiegel selbst in
einer griechischen Werkstätte entstanden sein müsse. Der Fall liegt
besonders günstig, weil dieser Typus der etruskisch- italischen Industrie
unbekannt ist, deren Export nach dem Norden überhaupt überschätzt zu
werden pflegt. Wir sehen dies erst jetzt recht deutlich, nachdem das
Werk über die Olympia- Bronzen vorliegt. Wie Manches findet sich jetzt
auch in Griechenland, das bisher für etruskisch gegolten hat! Es ergiebt sich
jetzt mit Sicherheit, dass gar manche im mittleren Europa, namentlich auch
in Deutschland gefundenen Gefäss- und Gerätheformen, die bisher mit
Nachdruck für etruskische Kunst in Anspruch genommen wurden, griechi-
scher Herkunft sind, wie es für die vielfach mitgefundenen rothfigurigen
Vasen ja längst feststand. Es kann im Einzelnen nur noch die Frage
sein, 9U8 welchen griechischen Gegenden die betreffenden Gegenstände
eingeführt sind. Die Ausstrahlungen Massilias und der anderen griechi-
schen Colonien des Westens bis nach Oberitalien und an die Rheinstrasse
sind allgemein anerkannt^); dagegen tritt der Einfluss der griechischen
Kolonien des Ostens, sowie der griechischen Städte der Balkanhalbinsel
selbst noch zu sehr zurück'), obwohl uns die gallische Münzgeschichte, die
1) Vergl. zuletzt Fartw&ngler, Archäolog. Anieiger 1889, S. 43, und von Duhn,
Mem. d. B. Acc. d. Sc. di Tormo, 1891, p. 381 f.
2) Vergl. übrigens Fartw&ngler, Der Goldfand Ton Vettersfelde, 8. 49 f.
8g Karl Schumacher: Barbarische und griechische Spiegel.
einerseits massaliotische, andererseits makedonische Münzen nachahmt,
einen deutlichen Fingerzeig giebt. Zwischen diese beiden Interessen-
sphären hat sich der etruskisch- italische Handel eingeschoben, dessen
Artikel sich häufig mit den griechischen mischen. Es ist daher eine der
wichtigsten Aufgaben für die einheimische Alterthumsforschung, jene
griechischen Erzeugnisse Yon den etruskischen zu scheiden, wodurch erst
eine gesicherte Grundlage für die Handels- und Culturgeschichte jener
Periode geschaflFen wird.
VI.
Zur mexicanischen Chronologie, mit besonderer
Berücksichtigung des zapotekischen Kalenders.
Yon
Dr. ED. SELER in Berlin.
Die Eigenthümlichkeiten des Zeitrechnungssystems, welches bei den
verschiedenen Cultumationen des alten Mexico und bis herunter nach
Nicaragua im Gebrauch war, sind bekannt. Wir wissen, dass die Grund-
lage desselben ein Zeitraum von 20 Tagen bildete, die mit dem Namen
verschiedener sinnlich greifbarer Objecto, die Hälfte darunter Thiernamen,
benannt, beziehungsweise mit dem Bilde derselben hieroglyphisch be-
zeichnet wurden. Dass 20 Zeichen genommen wurden, hat seinen Grund
in dem vigesimalen Zahlsystem, dessen sich all' diese Völker bedienten.
Die Zählung der Tage wurde aber — wenigstens bei der vorwiegend
gangbaren Chronologie — nicht vigesimal fortgesetzt, sondern mit diesen
20 Zeichen wurden die Ziffern 1 — 13 in der Weise combinirt, so dass jeder
der auf einander folgenden Tage mit einem Zeichen und einer Ziffer
bezeichnet wurde, dergestalt, dass, wenn zur Bezeichnung des ersten Tages
die Ziffer 1, combinirt mit dem ersten Zeichen, diente, der 14. Tag das
14. Zeichen, aber wieder die Ziffer l erhielt. So gewann man als höhere
chronologische Einheit einen Zeitraum von 13 X 20 oder 260 Tagen. Denn
erst nach Ablauf dieses Zeitraums traf es wieder ein, dass ein Tag die-
selbe Ziffer und dasselbe Zeichen erhielt.
Vergleiche die auf 8. 90 und 91 stehende Tabelle, in welcher die
20 Zeichen durch die römischen, die 13 Ziffern durch die arabischen
Ziffern bezeichnet sind:
Dieser Zeitraum von 260 Tagen, der tonalamatl, „Buch der Tage",
auf mexicanisch, ch'ol k'ih, „Tageszählung", oder k'am uuh, „Buch
der Lose", in Guatemala, bei den Maya dagegen, wie es scheint, — die
gewöhnlichen Angaben lauten anders, — kin katun, „Tagesordnung",
genannt ward, wurde nun in verschiedener Weise mit dem übrigen Zeit-
rechnnngssystem in Zusammenhang gebracht.
Die Nationen des alten Mexico zählten ihr Jahr zu 365 Tagen. Das
ergiebt sich aus der Art ihrer Jahrbezeichnung und aus der Anzahl
der Jahre, die sie zu einer grösseren Periode zusammenfassten. Da
365 = 28 X 13 4- 1 ^löd = 18 X 20 + 5 ist, so folgt, dass, wenn beispielsweise
90
Ed. Sbleb:
1
I
8
I
2
I
9
I
8
I
10
I
4
I
2
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9
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V
12
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18
V
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V
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V
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6
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VI
7
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2
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9
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VII
1
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2
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VII
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2
VIII
9
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10
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4
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11
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9
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10
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11
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5
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12
IX
10
X
4
X
11
X
6
X
12
X
6
X
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X
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5
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12
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6
XI
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1
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12
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6
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18
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2
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18
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10
XIV
4
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9
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10
XV
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XV
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XV
5
XV
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10
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4
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5
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XVI
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4
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11
XVII
6
XVII
12
XVII
6
XVII
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12
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6
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7
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13
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7
XIX
1
XIX
8
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2
XIX
9
XIX
7
XX
1
XX
8
XX
2
XX
9
XX
8
XX
10
XX
ein Jahr mit einem Tage begönne, der die Ziffer 1 und das I. Zeichen
trägt, 80 müsste der Anfangstag des folgenden Jahres die Ziffer 2 und das
VI. Zeichen, der des dritten Jahres die Ziffer 3 und das XI. Zeichen, der
des vierten Jahres die Ziffer 4 und das XVL Zeichen erhalten; der Anfangs-
tag des fünften Jahres dagegen würde mit der Ziffer 5 und wiederum mit
dem I. Zeichen benannt werden müssen. Wir erhalten also folgende Reihe
der Jahresanfänge:
1
I
1
VI
1
XI
1
XVI
1 I
2
VI
2
XI
2
XVI
2
I
und 80
8
XI
3
XVI
8
I
8
VI
fort, wie
4
XVI
4
I
4
VI
4
XI
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5
I
5
VI
5
XI
5
XVI
fang.
6
VI
6
XI
6
XVI
6
I
7
XI
7
XVI
7
I
7
VI
8
XVI
8
I
8
VI
8
XI
9
I
9
VI
9
XI
9
XVI
10
VI
10
XI
10
XVI
10
I
11
XI
; 11
XVI
11
I
11
VI
12
XVI
12
I
12
VI
12
1
XI
18
I
13
VI
\ 13
XI
18
XVI
Man sieht, dass, unter der Yoraussetzung eines Jahres von 365 Tagen,
auf die Anfangstage der Jahre nur 4 von den 20 Tageszeichen fallen, und
Zur mexicanischen Chronologie.
91
11 I
5
I
12
I
6
I
13
I
7
I
1 I
12 n
6
II
13
II
7
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1
n
8
n
und so
13 in
7
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1
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8
III
2
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9
III
fort, wie
1 rv
8
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2
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9
IV
3
rv
10
IV
vorher.
2 V
9
V
3
V
10
V
4
V
11
V
3 VI
10
VI
4
VI
11
VI
5
VI
12
VI
4 VII
11
VII
5
VII
12
VII
6
VII
13
VII
5 vin
12
vin
6
VIII
18
vm
7
vm
1
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13
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7
IX
1
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8
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2
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X
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2
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9
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3
X
8 XI
2
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9
XI
3
XI
10
XI
4
XI
9 XII
3
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10
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4
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11
XII
5
XTI
10 XIII
4
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11
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5
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6
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11 xrv
5
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12
XIV
6
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13
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XIV
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6
XV
13
XV
7
XV
1
XV
8
XV
13 XVI
7
XVI
1
XVI
8
XVI
2
XVI
9
XVI
1 xvn
8
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2
XVII
9
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3
XVII
10
XVII
2 xvni
9
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3
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10
xvm
4
XVIII
11
XVIII
3 XIX
10
XIX
4
XIX
11
XIX
5
XIX
12
XIX
4 XX
11
XX
6
XX
12
XX
G
XX
13
XX
zwar 4 Zeichen, die je um 5 Zeichen von einander abstehen. Und man
sieht, dass aus der Annahme eines Jahres von 365 Tagen sich mit Noth-
wendigkeit eine Periode von 52 Jahren ergiebt. Denn da 365 = 5 X 73
und 73 eine Primzahl ist, so kann es erst nach 260/5 oder 52 Jahren
eintrefiFen, dass auf den Anfangstag des Jahres dieselbe Ziffer und dasselbe
Zeichen des Tonalamatl fällt. Nun wissen wir, durch die übereinstimmen-
den Angaben der Chronisten und der Documente, dass die mexicanischen
Nationen ihre Jahre in der Weise bezeichneten, wie es die obige Tabelle
der Jahresanfänge darstellt, und es wird bei einigen Stämmen mit Be-
stimmtheit angegeben, dass diese Namen der Jahre von den Namen der
Anfangstage derselben hergenommen worden seien. Andererseits wissen
wir, dass die sämmtlichen alten Nationen Mexicos eine Periode von
52 Jahren kannten und nach ihr rechneten. Wir müssen daher schliessen,
dass in der That, wie oben angegeben, in Mexico das Jahr zu 365 Tagen
angenommen ward, die Zeitrechnung also in jedem Jahr um 6 St. 9 Min.
10 Sek., bezw. um 5 St. 48 Min. 48 Sek., hinter der wirklichen Jahreslänge
zurückblieb.
Dieser einfache und klare und — zieht man die Culturhöhe der alten
Mexicaner in Betracht — gar nicht so wunderbare Thatbestand ist bis in
die jüngste Zeit von den Autoren, die sich mit mexicanischer Chronologie
beschäftigt haben, hartnäckig verkannt worden. Es sind hauptsächlich
drei Umstände, welche eine richtige Auffassung der Sachlage nicht recht
92 Bd. Sbler:
aufkommen liessen: das sind erstens gewisse Annahmen, die in Bezug auf
die fünf letzten Tage des Jahres gemacht wurden, sodann die Angaben
der Chronisten über Einschaltungen, die in gewissen, regelmässig wieder-
kehrenden Perioden vorgenommen worden seien, endlich die Variabilität
des Jahresanfangs bei den yerschiedenen Stämmen und auch^ wie es
scheint, in den verschiedenen Zeiten, die eine authentische Concordanz
bestimmter, historisch bezeugter Daten des mexicanischen Kalenders mit
unserer Chronologie bisher unmöglich gemacht hat.
Die chronologische Einheit, die Zahl von 20 Tagen, ist in 365 Tagen
18 Mal enthalten. Jede dieser 18 Zwanziger — von den Spaniern fälsch-
lich Monate genannt — war bestimmten Gottheiten geweiht und gab Ver-
anlassung zu einem bestimmten Feste, das mit der Jahreszeit, den in der
Jahreszeit vorzunehmenden Arbeiten und dem, was man von der Jahres-
zeit erwartete, in Zusammenhang stand. Es blieben übrig 5 Tage, denen
als überschüssigen eine gewisse unheimliche Bedeutung zugeschrieben ward.
Die Mexicaner nannten sie nemontemi oder nen-ontemi, d. h. „die
überschüssigen, die Ergänzungstage ^, mit der Nebenbedeutung: „die un-
brauchbaren, die keiner Gottheit geweiht, zu keinem bürgerlichen Geschäft
brauchbar waren", — acam pouhqui, „die keinem zugezählt oder zu-
geschrieben wurden", „die in keiner Werthschätzung standen", — wie es
im aztekischen Text von Buch U. Cap. 37 des Geschichtswerkes des
P. Sahagun heisst, was der Pater mit den Worten erläutert: estos cinco
dias d ningun dies estän dedicados, y por eso les Uamavan nemontemi,
que quiere decir por demäs. Sie galten als unheilvolle Tage (baldios j
aciagos). Denn mit dem Worte nen, „das üeberschiessende", verband
sich auch der Begriff des „Ueberflüssigen", „Untauglichen", „Unbrauch-
baren". Keine Handlung von irgend welcher Bedeutung, oder die über
den Kreis der allernothwendigsten Lebensverrichtungen hinausginge, ward
vorgenommen. Nicht das Haus ward gefegt, kein Gericht gehalten, und dem
Unglücklichen, der an einem dieser Tage geboren ward, „dem ist kein
Heil beschieden, elend und kümmerlich und arm wird er leben auf der
Erde" (quihiotinemiz ompa onquiztinemiz yn tlalticpac). Ins-
besondere aber hatten diese Tage eine vorbedeutende Kraft für das ganze
Jahr: ayac teauaya, ayac manaya, auh yn aca oncan teaua, quil-
mach cenquicui, „Niemand zankte. Niemand liess sich in einen Streit
ein; denn wer an diesen Tagen zankte, von dem glaubte man, dass er es
immer fortsetzen würde", — heisst es im aztekischen Text des Sahagun.
Und noch ausführlicher an einer anderen Stelle, welche Sahagun mit
folgenden Worten wiedergiebt: guardabanse en estos dias fatales, de dormir
entre dia, ni de renir unos con otros, ni de tropezar, ni de caer, porque
decian que si alguna cosa de estas les acontecia que siempre les habia
de acontecer adelante.
Derselben Vorstellung begegnen wir in Yucatan. Man ging an diesen
Zur mexicanischen Chronologie. 93
Tagen so wenig wie möglich aus dem Hause, wusch und kämmte sich
nicht, und nahm sich ganz besonders in Acht, irgend welche niedrige oder
mit Beschwerden verbundene Arbeit vorzunehmen, ohne Zweifel, weil man
der Ueberzeugung lebte, dass das dann das ganze folgende Jahr so fort-
gehen würde. Verhielten sich aber die Mexicaner diesen Tagen gegenüber
mehr passiv, indem sie sich hüteten, Unheil für das folgende Jahr herauf-
zubeschwören, so machten es die Maya gründlicher^ sie schafiPten in diesen
Tagen, vorbedeutend für das ganze Jahr, das Unheil, was etwa drohen
könnte, heraus. Sie fertigten aus Thon ein Bild des Unheildämons an,
uuayayab, d. i. u-uayab-haab, „durch den das Jahr vergiftet wird",
confrontirten dasselbe mit der Gottheit, die in dem betreffenden Jahre
das Regiment führte, und brachten es dann in der Himmelsrichtung,
welcher das neue Jahr angehörte, heraus aus dem Dorfe.
Von diesen 5 Tagen heisst es nun in den Autoren gewöhnlich, „sie
vrurden nicht gezählt". Und man stellt sich dabei vor, dass die übliche
Bezeichnung der Tage mit Ziffern und Zeichen auf diese Tage nicht an-
gewendet worden sei. Richtig ist, dass schon der aztekische Text des
Sahagun zu dieser Auffassung Veranlassung giebt. Denn daselbst heisst
es von den nemontemi: yn aoctle yn toca tonalli, yn aocmo om-
pouih, yn aocmo om pouhque, „die Tage haben keine Namen mehr,
sie werden nicht mehr gezählt". Und weiter unten: ca atle ytonal, ca
atle ytoca . . . ca nel amo ompouhque atle ypouallo, „sie haben
kein Zeichen, keinen Namen . . . denn sie wurden in Wahrheit nicht
gezählt". Noch deutlicher spricht sich Duran aus: los cinco dias que
sobraban, tenianlos esta nacion por dias aciagos, sin cuenta ni provecho;
asi los dejaban en blanco, sin ponerles figura ni cuenta, y asi los llamaban
nemontemi, que quiere decir dias demasiados y sin provecho. — In
Tucatan wurden diese Tage auch direct als xma kaba kin, „Tage ohne
Namen" bezeichnet. Und was Durän angiebt, sehen wir im Landa dar-
gestellt; in dem von ihm aufgezeichneten Kalender sind die 5 über-
schüssigen Tage in blanco aufgeführt, ohne Ziffer und ohne Zeichen. Soll
man daher in der That meinen, dass diese Tage die fortlaufende Tonal-
amatl- Rechnung unterbrachen? Ich glaube nicht. Das acam pouhqui
und aocmo ompouhque besagen nicht, dass diese Tage aus der Rech-
nung herausfielen, sondern, wie auch Sahagun ganz richtig erläutert, dass
keine Feste an ihnen gefeiert wurden, dass sie als zu bürgerlichen Hand-
lungen unbrauchbar und werthlos galten. Vergl. acan ompoui: „cosa
insufficiente y falta, 6 persona de quien no se hace caso" (Molina). Den-
selben Sinn werden wir auch der Phrase atle ytoca und der Maya-
Bezeichnung xma kaba kin unterlegen müssen. Und wenn nach Durän
und Landa diese Tage weiss gelassen wurden, so bedeutete das wohl nur,
dass man sich scheute, diese Unglückstage irgendwie zu nennen. Still-
schweigend wurden sie weiter gezählt. Sonst könnte z. B. Landa nicht
94 Ed. Sbler:
angeben, dass die auf einander folgenden Jahre mit der „letra dominical",
kan, muluG, ix, cauac, d. h. dem IV. IX. XIV. XES. Zeichen, begönnen,
sondern man mösste annehmen, wie es der alte 6a ma allerdings, aber
zweifellos irrthümlich, thut, dass alle Jahre mit derselben Ziffer und dem-
selben Zeichen begannen.
Richtig scheint dagegen zu sein, was 6ama (Dos piedras pag. 75) an-
giebt, dass die 5 Tage nemontemi der acompanados entbehrten, d. h.
dass die immer wiederholten Reihen der 9 sogenannten „Sonores de la
noche^, welche neben den Zeichen der Tage forklaufend weiter gezählt
wurden, nur bis zu dem 360. Tage des Jahres geführt wurden. Die Haupt-
quelle Gama's für seine Angaben bezüglich der alten Chronologie sind
die in mexicanischer Sprache geschriebenen Aufzeichnungen des D. Cri-
stoYal del Castillo, eines Indianers aus vornehmem tetzkokanischem
Geschlecht, der im Jahre 1606 als alter, 80 jähriger Mann das Zeitliche
segnete. Seinen Aufzeichnungen ist ohne Zweifel auch der Kalender ent-
nommen, den Gama auf p. 62 — 75 seines Buches abdruckt, der also die
Autorität noch ungebrochener Tradition für sich hat. Dieser Kalender
lässt das Jahr mit ce cipactli, d. i. 1 I, beginnen und zählt die nemon-
temi mit Ziffer und Zeichen weiter (10 I, 11 II, 12 IH, 13 IV, 1 V).
Aber die Reihe der 9 Sonores de la noche bricht mit dem 360. Tage des
Jahres ab. Orozco y Berra hat die ansprechende Vermuthung aufgestellt,
dass der Sinn dieser doppelten Zählung der gewesen sei, die Tage des
Jahres, welchen nach der Tonalamatl- Rechnung die gleiche Benennung
mit Ziffer und Zeichen zukommen würde, durch den beigesetzten „acom-
panado" zu unterscheiden. In der That, wenn der erste Tag des Jahres,
als welchen Gama den 9. Januar nimmt, mit 1 I bezeichnet würde, so
würde dem 261. Tage des Jahres, d. h. dem 26. September, dieselbe Benen-
nung zukommen. Von den „acompanados" aber würde, wenn der erstere
Tag (11 = 9. Januar) den ersten derselben (Xiuhtecutli Tletl) als
Begleiter erhält, dem letzteren Tage (11^ 26. September) als Begleiter
der neunte derselben (Quiauitl-Tlaloc) zukommen, denn 260 : 9 ~ 28 -h 8.
Ist die Gama'sche Angabe richtig, dass die nemontemi der „acompanados**
entbehren, so würden die auf einander folgenden Jahre immer mit dem-
selben acompanado anfangen. Und nehmen wir als den des Anfangstages
den ersten derselben, den Feuergott, an, so haben wir in diesem Umstände
vielleicht die einfache Erklärung desjenigen Namens, der der gewöhnlichste
der verschiedenen Namen des Feuergottes ist, — Xiuhtecutli, d. h. „Herr
des Jahres".
An die nemontemi knüpfen sich nun auch die ältesten Angaben
über Einschaltungen, die angeblich von den Mexicanern in bestimmten
Perioden vorgenommen worden seien, um ihr Jahr von 365 Tagen mit der
wirklichen Länge des Sonnenjahres in Uebereiustimmung zu bringen. In
der Ueberschrift zu dem 19. Capitel seines zweiten Buches sagt der
Zur mexicanischen Chronologie. 95
P. Sahagan: Hay conjetura que cuando ahujeraban las orejas ä los ninos
y ninas, que era de cuatro en cuatto anos, echaban seis dias de nemon-
temi, y es lo mismo del bisiesto, que nosotros hacemos de cuatro en
cuatro auos. Und ähnlich an einer anderen Stelle: Otra fiesta hacian de
cuatro en cuatro anos d honra del fuego^ en la quäl ahujeraban las orejas
ä todos los ninos, y la llamaban pillauanaliztli, y en esta fiesta es
verosimil y hay conjeturas que hacian su bisiesto, contando seis dias de
nemontemi. Wohl gemerkt, der Pater sagt: „es verosimil y hay con-
jeturas". Er sagt nicht, dass er das gehört hat, und in der That findet
sich in dem aztekischen Text an den betreffenden Stellen auch kein Wort
davon. Die Verrouthung des P. Sahagun wird von späteren Autoren als
tiewissheit ausgesprochen. So giebt es der gelehrte Dominikaner P. Burgoa
für die Mixteca und die Bewohner von Tehuantepec an (Geografica De-
scriptio, cit. bei Orozco y Berra, 11. p. 136), ohne indes irgend einen
Beleg fCLr seine Behauptung zu erbringen. Von anderen alten Autoren
dagegen wird dieser Vermuthung direct widersprochen. Der P. Motolinia,
der zu den ersten Missionaren gehörte, die ins Land kamen, sagt: Los
indios naturales de esta Nueva Espana, al tiempo que esta tierra se ganö
y entraron en ella los Espanoles, comenzaban su ano en principios de
Mdrzo; mäs por no alcanzar bisiesto, van variando su ano por todos los
meses. Derselben Ansicht ist der P. Torquemada. Und der Autor der
Chronica de la S. Provincia del Santissimo Nombre de Jesus de Gua-
temala vom Jahre 1683 bemerkt: porque como ni los Mexicanos ni estos
(los Guatimaltecas) alcanzoron el bisiesto . . . se apartaban y diferenciaban
de nuestro calendario, y asi ni estos ni los Mexicanos comenzaban siempre
SU ano a primero de nuestro Febrero, sino que cada cuatro anos se abra-
saban un dia ... In der That, wäre thatsächlich eine solche Einschaltung
vorgenommen worden, so wäre die Periode von 52 Jahren und die con-
sequente Weiterbezeichnung der Tage innerhalb derselben ein Unding.
Oder wenigstens diese Einschaltung hätte als wichtiger Factor in jeder,
über den Zeitraum von i Jahren hinausgehenden Aufzählung notirt werden
mfissen. Davon habe ich aber weder in den aztekischen, noch in den
Maya- Handschriften bisher eine Spur entdecken können.
Der Schwierigkeit sich bewusst, in dieser Weise eine Uebereinstimmung
der alten indianischen Chronologie mit der richtigeren europäischen Zeit-
rechnung herzustellen, haben Spätere gemeint, dass am Ende des xiuh-
molpilli, der Periode von 52 Jahren, eine ganze Woche von 13 Tagen
eingeschoben worden sei. Es ist der gelehrte Jesuit D. Carlos Sigüenza
y Oöngora, der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts lebte, auf
den ohne Zweifel diese Theorie zurückzuführen ist. Das Werk dieses
Autors, „Ciclografia Mexicana^, ist, wie es scheint, verloren gegangen.
Aber Gemelli Carreri und Clavigero berufen sich auf ihn. Sigüenza
hatte wichtige Documente zur Disposition, Papiere und Bilderschriften, die
96 Ei». Skler:
D. Juan de Alva Ixtlilxochitl, einem Abkömmling der tetzkokanischen
Eönigsfamilie, gebort batten, und er war ein gescbulter ÄBtronom. Seine
Vermuthung wäre auch um deshalb annehmbarer, weil sie die Ordnung
der Ttige innerhalb der 52jährigen Periode unangetastet lässt. Trotzdem
meine ich, dass auch seine Angaben auf unbegründeten Yermuthungen
beruhen. An keiner Stelle der alten Autoren ist zu ersehen, dass am
Ende der 52jährigen Periode ein 13 Tage währendes Fest gefeiert worden
sei. Es handelt sich immer nur um die eine Nacht, die Wende des Jahr-
hunderts^ in der das Yolk unter Zittern und Zagen das AufSanmien des
neuen Feuers auf dem Uixachtepec erwartete. Und in den Bilderschriften
finden wir Zeiträume aufgezeichnet, die über die Periode von 52 Jahren
hinausgehen und wo die Ordnung der Tage ohne Spnmg aus der einen
in die andere Periode übergeführt ist. Vergl. z. B. die Blätter 46 — 50
der Dresdener Handschrift, die bekannten Blätter, auf denen E. Förste-
mann die Reihe der um 236, 90, 250 und 8 Tage von einander ab-
stehenden Daten nachgewiesen hat. Auf denselben sind, von dem Tage
1 ahau, dem 13. des Monats Mac, beginnend, 13X2920 Tage, oder 13x8,
d. h. 2 X 52 oder 104 Jahre durch, in regelmässigen Distanzen von einander
abstehenden Daten verzeichnet, ohne Sprung irgend welcher Art zwischen
dem einen und dem anderen der beiden 52jährigen Cyclen. Noch weit
grössere Zeiträume sind auf den hinteren Blättern der Dresdener Hand-
schrift durch ohne Sprung fortlaufende und von Controlzahlen begleitete
Daten belegt.
Doch auch die Vertheidiger der Einschaltung berufen sich auf Hand-
schriften. Clavigero (H. 62) sagt: Questi tredici giomi erano gl'inter^
calari, segnati nelle lor dipinture con punti turchini: non gli con-
tavano nel secolo gia compito, neppur nel seguente, ne continuavano in
essi i periodi di giomi, che andavano scmpre numerando dal primo sino
alle ultimo giomo del secolo. Clavigero selbst hat solche Handschriften
nicht gesehen. Er beruft sich auf D. Carlos Sigüenza. Die Materialien,
die Sigüenza besass, sind, wie es scheint, zum grössten Theil in den
Besitz Boturini's übergegangen. In Folge der Beschlagnahme durch die
vicekönigliche Verwaltung verschwanden sie vom Schauplatz. Ein Theil
derselben befindet sich in der A üb in 'sehen Sammlung, deren gegenwärtiger
Besitzer Hr. Eugene Goupil in Paris ist. Ich glaube nicht, dass darunter
sich Papiere befinden, welche die obigen Angaben Clavigero's recht-
fertigen. Doch habe ich in einer Maya- Handschrift blaue Zahlzeichen
gesehen, die im Sinne einer Correctur, also auch vielleicht einer Ein-
schaltung, gedeutet werden könnten. Auf den Seiten 23 und 24 des Codex
Perez, des Manuseript Mexicain No. 2 der Bibliotheque nationale in Paris,
finden sieh 13 Columnen von je 5 Tagesdaten, die von hinten nach vom
und von oben nach unten gelesen werden müssen, wie die Rechnung und
wie die Stellung der lUeroglyphen ergiebt die hier — abweichend von
Zur mexicanischen Chronologie. 97
der sonst in den Maya- Handschriften befolgten Schreibweise, — ihre Stirn-
seite nach hinten (nach rechts) kehren. Die einzelnen Daten in der Reihe
differiren um je 28 Tage und das letzte Datum der ersten (obersten)
Reihe von dem ersten Datum der zweiten Reihe ebenfalls um 28 Tage.
Es sind also im Ganzen 5 X 13 X 28 oder 7 X 260 Tage, d. h. der Zeitraum
von 7 Tonalamatl. Die zu den Tagesdaten gehörigen Ziffern sind, wie
üblich, mit rother Farbe geschrieben, aber über oder unter jeder Ziffer-
colomne ist mit blauer Farbe eine andere Ziffer geschrieben, die ein um
20 Tage weiter liegendes Datum bezeichnen würde. Eine Correctur liegt
augenscheinlich vor, aber schwerlich eine, die als eine Art Einschaltung
aufzufassen wäre. Es ist eine Correctur, die angiebt, was für Ziffern den
Daten zukommen, wenn der Anfang der ganzen Reihe um eine Einheit
von 20 Tagen weiter hinausgeschoben wird.
Eine Variation hat Leon j 6ama in der Sigüenza' sehen Ein-
schaltungstheorie angebracht, indem er angiebt (Dos Piedras p. 52, 53),
dass die alten Mexicaner am Schlüsse eines Doppelcyclus von 104 Jahren
25 Tage, oder am Schlüsse des 52jährigen Cyclus 127« Tage eingeschaltet
und demgemäss die Tage des einen Cyclus am Morgen, die des anderen
am Abend angefangen hätten. Doch das ist eitel Speculation. Die An-
nahme endlich des Jesuiten Fabrega, der sich auch A. v. Humboldt (Vue
des Cordill^res, U. p. 81) anschliesst, dass die Mexicaner am Schlüsse einer
Grossen Periode von 20 Cyclen oder 1040 Jahren sieben Tage unterdrückt
und dadurch ihr Jahr auf nahezu die genaue Länge des tropischen Jahres
gebracht hätten, beruht auf einem thatsächlichen Irrthum. An der betref-
fenden Stelle des Codex Borgia (62 — 66) handelt es sich keineswegs um
einen so langen Zeitraum. Die einfache Reihe der 20 Tageszeichen ist
dargestellt von malinalli = XU auf Blatt 66 ausgehend und mit o<^omatli
«= XI auf Blatt 62 endend. Die Zeichen sind ohne Zweifel ursprünglich
auf 4 Seiten eines Vierecks vertheilt gedacht, mit dem letzten (oQomatli)
in der Mitte.
Ist nun die Einschaltung, wie ich meine, als eliminirt zu betrachten,
so erhebt sich um so drängender die Frage : wie fanden sich die Mexicaner
mit ihrem Zeitrechnungssystem in der wirklichen Zeit zurecht? Mussten
sie nicht gar bald merken, dass ihre Jahresfeste, die doch in bestimmte,
durch den Lauf der Sonne, den Wechsel von trockener und nasser Zeit,
von Winterschlaf und Yegetationsfülle bedingte Jahresabschnitte fielen, sich
im Laufe der auf einander folgenden Jahre gar merklich verschoben?
Ohne Zweifel haben sie es gemerkt, haben aber schwerlich gewusst, wie
dem abzuhelfen sei. Und jedenfalls beruhen auf dieser Unsicherheit, auf
dem Fehlen von Einschaltungen, die confusen und widersprechenden An-
gaben, die von den Indianern selbst über die Zeit ihres Jahresanfanges
and die wirkliche Zeit ihrer verschiedenen Feste zu erlangen waren.
^Es de notar," — sagt Sahagnn am Schlüsse des 7. Buches, — „que discrepan
Ztteekrifl fnr KtliBoloffie. Jabrg. 1891. 8
98 Ed. Selkr:
mucho en diversos Ingares del principio del ano: en uDas partes me dijeron
que comenzaba ä tantos de Enero: en otras que ä primero de Febrero: en
otras que a principios de Marzo. En el Tlaltelolco junte muchos viejos,
los raas diestros que yo pude aver, y jun tarnen te con los mäs bäbiles de
los colegiales se altercö esta materia por muchos dias, y todos ellos
concluyeron, diciendo, que comenzaba el ano el segundo dia de
Febrero."
Die an den Lauf der Jahreszeiten geknüpften Feste mit ihrem ent-
wickelten Cereraoniell sind ohne Zweifel uralte üebung und wurden ähn-
lich über weite Theile des Landes gefeiert. Die Fixirung des Jahres-
anfangs steht mit diesen Festen in enger Verbindung und war ebenfalls,
wie mit Bestimmtheit anzunehmen ist, über weite Theile des Landes
ursprünglich dieselbe. Je früher aber ein Stamm die vage Feststellung
derselben nach dem Lauf der Sonne und dem Stand der Feldarbeiten auf-
gab, und die Priester an der Hand der fortlaufenden Tonalamatl-Eechnung
über die Feste Buch zu führen begannen, desto mehr mussten sich für
diesen Stamm der Jahresanfang und die Feste oder das Yerhältniss der-
selben zum Jahresanfang verschieben.
Es ist Grund vorhanden, anzunehmen, dass dasjenige, was die von
Sahagun in Tlaltelolco zusammenberufene Indianerconferenz schliesslich
feststellte, nehmlich dass das Jahr mit dem Quauitleua, dem Fest der
Regengötter (Tlalo que), und am 2. Februar der christlichen Zeitrechnung
begonnen habe, dem ursprünglichen Brauch ungefähr entsprochen habe.
Denn in dem weit entfernten und von einer anderen Cultumation bewohnten
Yucatan finden wir die Anklänge daran in der Angabe Landaus, dass die
Maya in einem der beiden sogenannten Monate (eigentlich Einheiten von
20 Tagen) Chen und Yax, d. h. ungefähr im Monat Januar, an einem
Tage, den die Priester, ohne Zweifel nach der von ihnen geführten Chro-
nologie, besonders bestimmten, den Regengöttern (Chac) das Fest Ocna,
d. h. „Eintritt in das Haus** oder, wie Landa übersetzt, „Erneuerung
des Tempels", gefeiert hätten. „Miraban los pronösticos de los Bacab
es," d. h. sie stellten fest, nach der Gottheit, die für das Jahr entscheidend
war, ob das Jahr gut oder böse sein würde, „y demas desto renovavan
los idolos de barro y sus braseros. y si era menester, hacian de nnevo la
casa ö renovabanla, y ponian en la pared la memoria destas cosas con sus
caracteres." Also Feststellung des Characters, den das Jahr haben wird,
und Erneuerung der Cultusgegenstände und des Hausgeräthes, — Cere-
monien, deren ursprünglicher Sinn nur der sein kann, dass man in diese
Zeit den Anfang des Jahres setzte. In der That seheinen auch die den
Maya nahe verwandten Zotzil von Chiapas das Jahr mit dem Monat eben,
der bei ihnen tzun, d. h. ^Anfang*', lautet, begonnen zu haben (vergl.
Pineda, citirt bei Orozco y Berra, IT. p. 142). Beiläufig bemerke ich,
dass, wie wir hier das Neujalirsfest der Mexicaner bei den Maya wieder-
finden, so hat auch die Art und Weise, wie ein halbes Jaiir später, im
Zur mexicanischen Chronologie. 99
Monat Juli, die Maya ihr eigentliches Neujahr feierten, indem sie in
solenner Weise das Unheil aus dem Dorfe herausbrachten, ein Analogen
bei den Mexicanern in dem im August gefeierten Besenfest (Ochpaniztli).
Die Feststellung der Indianerconferenz von Tlaltelolco, dass der erste
Tag Quauitl eua auf Anfang Februar gefallen sei, muss auch deshalb
als dem wirklichen Brauch ungeföhr entsprechend angesehen werden, weil
bei dieser Annahme die verschiedenen Feste den Jahreszeiten, in die sie
fallen, angepasst sind: das 6. Fest, Etzalqualiztli, das dem Einsetzen
der Regenzeit gilt, auf den 13. Mai. Der aus tetzkokanischen Quellen
schöpfende D. Cristöbal del Castillo, welchem Gama folgt, lässt das
Jahr mit dem um 2 Zwanziger zurückliegenden Feste Tititl beginnen,
setzt aber dafür den Anfang des Jahres um volle 24 Tage früher an, so
dass das dem Einsetzen der Regenzeit geltende Fest Etzalqualiztli bei
ihm auf den 29. Mai fällt. Der Interpret des Codex Vaticanus A nimmt
an einer Stelle den 15., an einer anderen den 24. Februar als Anfang des
Jahres an. Damach würde Etzalqualiztli auf den 26. Mai, bezw. den
4. Juni fallen. Clavigero mit dem 26. Februar, Duran mit dem 1. März
als Jahresanfang würden sich auch noch nicht allzuweit von dem, durch
die Natur der Jahreszeiten Angezeigten entfernen, Etzalqualiztli, das
Einsetzen der Regenzeit, würde auf den 6., bezw. 9. Juni fallen. Wir
hätten für das letztere, in dem Leben der Culturvölker Mexico's besonders
wichtige Ereigniss einen Spielraum von der ungefähren Dauer eines
unserer Monate, — einen Spielraum, der dem natürlichen Verhalten durchaus
entspricht. Wenn endlich tlaxkaltekische Quellen das Jahr mit Atemoztli,
also einem drei Zwanziger vor Quauitl eua fallenden Feste, beginnen
lassen, so ergiebt das, den spätesten Termin, den wir eben fanden, für
Quauitl eua angesetzt, als Jahresanfang den letzten December, — eine
Angabe, die also den eigentlichen Jahresanfang wieder auf die sowohl den
Mexicanern, wie den Maya bedeutungsvolle Zeit, die Mitte der trockenen
Jahreszeit, verlegt. Die Thatsache selbst aber, dass die nemontemi,
die Schluss- und Ergänzungstage des Jahres, bald vor Quauitl eua, bald
vor Tititl, bald vor Atemoztli, oder andererseits, wie nach der guate-
maltekischen Crönica Franciscana von 1683 bei den Cakchiquel üblich war,
vor Tlacaxipeualiztli gesetzt wurden, beweist, dass bei den Mexicanern
sich die Feste verschoben, dass ihre Jahre thatsächlich zu kurz waren, und
sie in beständiger Unordnung mit ihrem Festkalender lebten.
Wenn aber die Feste sich bei den Mexicanern, in Folge ihrer Unfähig-
keit, die wirkliche Länge des Jahres in dem System ihrer Chronologie
znm Ausdruck zu bringen, beständig verschoben, so bot andererseits die
Tonalamatl-Rechnung ein festes Gerüst dar, das, von kundiger Priester-
hand weiter geführt, über den Zeitraum, der einen bestimmten Tag von
einem anderen trennte, keinen Augenblick in Zweifel Hess. Nur an einer
Stelle kommt auch hier die Unsicherheit der mexicanischen Chronologie
8»' t
100 Ed. Seue»:
zum Ausdruck, das ist in dem Anfangstage ihrer Jahre und in der Benennung,
welche, diesem 'Anfangstage entsprechend, den verschiedenen Jahren zukam.
Wenn, wie ich oben anführte, aus dem System des Tonalamatl und
der Annahme eines Jahres von 365 Tagen mit Nothwendigkeit folgt, dass
von den 20 Zeichen der Tage auf die Anfangstage der Jahre nur 4, und
zwar 4, um je 4 Zeichen von einander abstehende Zeichen fallen, und wir
weiter finden, dass allgemein die Jahre nach 4, um je 4 Zeichen von
einander abstehenden Tageszeichen benannt wurden, so ist es zunächst das
Natürlichste, anzunehmen, dass es eben die Anfangstage der Jahre waren^
nach denen diese Jahre selbst benannt worden sind. Das scheint nun
aber nicht, oder wenigstens durchaus nicht durchgängig, der Fall gewesen
zu sein.
Bei den Mexicanern wurden die Jahre mit den Zeichen acatl (Rohr),
tecpatl (Feuerstein), calli (Haus), tochtli (Kaninchen), d.h. dem XIII.,
XVin., DI. und Vin. der 20 Tageszeichen bezeichnet. Denen entspreehen
genau die chiapanikischen been, chinax, votan, lambat, während in
Yucatan für die auf einander folgenden Jahre die Zeichen kan, mulnc,
ix, cauac, d. h. das IV., IX., XIV. und XIX. Tageszeichen gebraucht
wurden. Die 4 Zeichen acatl, tecpatl, calli, tochtli wurden auf den
4 Armen eines Hakenkreuzes in der Weise eingetragen, wie es die auf
Seite 101 stehende Figur zeigt. Indem man nun die Spirale im entgegen-
gesetzten Sinne der Drehung des Uhrzeigers verfolgte, gelangte man von
1. acatl über 2. tecpatl, 3. calli, 4. tochtli nach 5. acatl u. s. f. bis
13. tochtli. Wie das schon diese Eintragung an die Hand gab, wurden
jedesmal die auf einem Arm des Hakenkreuzes eingetragenen Jahre einer
bestimmten Himmelsrichtung zugewiesen, die acatl-Jahre dem Osten,
tecpatl dem Norden, calli dem Westen, tochtli dem Süden. Die Zäh-
lung innerhalb des Cyclus begann im Osten mit den acatl-Jahren, aber
nicht mit 1. acatl, sondern merkwürdigerweise mit 2. acatl, so dass also
der Cyclus mit 1. tochtli schloss. Die gegenwärtige Weltperiode begann,
so glaubten die Mexicaner, im Jahre 1 tochtli. In diesem wurde die
Erde geschafiPen, oder vielmehr der am Schlüsse der letzten prähistorischen
Weltperiode eingestürzte Himmel wieder emporgehoben. Aber erst nach-
dem das vollzogen, konnte das Feuer neu errieben und damit der erste
52jährige Cyclus begonnen werden. So ist es ausdrücklich in dem Codex
Fuenleal der „Historia de los Mexicanos por sus pinturas*^ gesagt. Darum
ist 2. acatl das Anfangsjahr des ersten und aller folgenden Cyclen. Als
solches ist es auch in sämmtlichen Bilderschriften historischen Inhalts
durch den daneben gesetzten Feuerbohrer bezeichnet. Die Angabe des
Interpreten zu Codex Telleriano Remensis, IV. 24, auf welche Orozco
y Berra so viel Gewicht legt, dass erst im Jahre 1506 unter MotecuhQoma
der Beginn des Cyclus von 1. tochtli auf 2. acatl verlegt worden sei,
wegen der Hungersnöthe, dio in den ersteron Jahren regelmässig ein-
Zar mexicanischen Chronologie.
101
getreten seien, ist nur ein Versuch, den merkwürdigen Umstand, dass der
Cyclns mit der Ziffer 2 beginnt, in euhemeristischer Weise zu erklären.
Die Angabe des Clavigero aber, dass der Cyclus mit l.tochtli begonnen
habe, ist einfach irrig. Sie widerspricht den Berichten der alten Auto-
ritäten und dem, was die Documente uns lehren.
Mit welchem Tage begannen nun die Jahre? Dur an und Cristöbal
del Castillo lassen das Jahr mit cipactli, dem ersten der 20 Tages-
zeichen, beginnen. Und ist dieses als der Anfangstag der einen Jahre
anzusetzen, so würden die anderen mit miquiztli, oQomatli, cozca-
quauhtli, dem VI., XI. und XVI. Tageszeichen, beginnen. So nimmt es
auch Clavigero an, der die tochtli-, acatl-, tecpatl-, calli-Jahre ent-
sprechend mit cipactli, miquiztli, o^^omatli, cozcaquauhtli beginnen
lässt. Ich selbst habe früher angenommen, dass die Jahre acatl, tecpatl,
calli, tochtli mit den Tagen cipactli, miquiztli, o(^omatli, cozca-
quauhtli als Anfangstagen zu verbinden seien, auf das Blatt 12 des Codex
Borgia fussend, welchem Codex Vaticanus B. 28 entspricht, wo man die
5 Himmelsrichtungen und ihre Bedeutung für das Leben und den Haus-
halt des Menschen durch 5 Tlaloc*Figuren dargestellt sieht, und unter
den 4 ersteren derselben die Zeichen der i Jahre in der angegebenen
102 £d. Sbler:
Weise mit den Zeichen der genannten 4 Tage coordinirt. Ich bin aber
neuerdings wieder irre geworden, da die genannten Blätter der Hand-
schriften sehr wohl eine andere Erklärung zulassen. Nicht nur die Jahre
des Cyclus nehmlich wurden in die 4 Himmelsrichtungen vertheilt, sondern
auch die 4 Abschnitte des mit 1. cipactli beginnenden Tonalamatl. Die
Anfangstage dieser 4 Viertel wurden in dem zapotekischen Kalender, —
der, wie wir sehen werden, vielleicht eine der urwüchsigsten Formen
dieses chronologischen Systems darstellt, — geradezu als die cocijo oder
pitäo, d.h. „die Halter der Zeit", „die Regengötter" oder „die Grossen",
„die Götter", bezeichnet. In diesem Namen ist also direct Bezug genommen
auf die Tlaloc- Figuren, die wir in Codex Borgia 12 und Codex Vati-
canus B. 28 als Repräsentanten der Himmelsrichtungen dargestellt sehen.
Und die unter letztere gesetzten Tageszeichen bedeuten eben die Anfangs-
tage der Tonalamatl -Abschnitte und die Anfangsjahre der Cyclenabschnitte,
die den Himmelsrichtungen coordinirt gedacht wurden.
Die Weisheit der mexicanischen Priester -Chronisten erschöpfte sich
in dem Ausbau des Tonalamatl nacli seiner zahlentheoretischen und seiner
augiurischen Seite. Wir haben, — abgesehen von einer Stelle der Maya-
Handschriften, auf die ich gleich noch zu sprechen kommen werde, — in
der ganzen Masse der vorspanischer Zeit angehörenden Bilderschriften
keine einzige, wo die auf einander folgenden Jahre mit ihren Anfangs-
tagen aufgezählt wurden. Dieser Umstand allein muss uns schon miss-
trauisch machen gegenüber den Feststellungen Durän's und Christobal's
del Castillo. Denn cipactli, der Anfangstag des Tonalamatl, und die
folgenden Zeichen werden in den Handschriften allgemein etwa wie unsere
Ziffern 1 — 20 verwendet. Für den Maya-Kalender giebt ja Bischof Land a
auch direct an, dass der Anfangstag der Jahre und der Anfangstag des
Tonalamatl absolut nichts mit einander zu thun gehabt hätten. Zieht
man die Verwirrung in Betracht, die, wie ich oben auseinandersetzte, in
Mexico bezüglich des Jahresanfangs herrschte, so kann man sich der Vor-
stellung nicht erwehren, dass auch die Anfangstage der Jahre im Laufe
der Zeiten sich verschoben, also nicht immer die gleiche Benennung
behalten haben können. Wird aber dies einmal zugegeben, so gewinnt
die Thatsache, dass man sich bemüssigt gefunden hat, die auf einander
folgenden Jahre gerade mit den Namen der Tage acatl, tecpatl, calli,
tochtli zu benennen, verstärkte Bedeutung. Man kann es nicht gut ab-
lehnen, anzunehmen, dass zu der Zeit, als — und an dem Orte, wo — es den
Gelehrten zum ersten Mal aufging, dass auf die Anfangstage der Jahre
nur 4 von den 20 Tageszeichen fallen, es gerade die Tage acatl, tecpatU
calli, tochtli waren, mit denen die Jahre damals und an dem Orte •
begannen, oder wenigstens, dass diese Tage, aus irgend welchen Gründen,
damals und an dem Orte zu Anfangstagen der Jahre gewählt wurden.
Dass das in der That der Fall war, dafür sehe ich einen indirecten Beweis
Zur mexicanischen Chronologie. 103
in dem Umstände, dass alte Bei'ichte aus zwei abgelegenen und weit von
einander entfernten Ortschaften, aus Meztitlan an den Grenzen der Huax-
teea, und aus Nicaragua, die Reihe der 20 Tageszeichen mit acatl beginnen
lassen. Und ein directer Beweis liegt in den Maya-Handschriften vor. In
der Dresdener Handschrift beginnen die Jahre nicht mit kan, muluc, ix,
cauac, dem IV., IX., XIV., XIX. Tageszeichen, mit denen in späterer
Zeit — nach Landa und den Büchern des Chilan Balam zu urtheilen, —
die Maya ihre Jahre beginnen Hessen, sondern mit been, eonab, akbal,
lamat, d. i. dem XIII., XVIII., III., VTLI. Zeichen, die den mexicanischen
acatl, tecpatl, calli, tochtli entsprechen.
In einer dem internationalen Americanisten-Congress zu Berlin vor-
gelegten Abhandlung hat E. Förstemann, dem wir schon so viele schöne
Entdeckungen, insbesondere bezuglich der Mathematik der Dresdener Hand-
schrift, verdanken, den Nachweis geführt, dass die vielen hohen Zahlen,
die namentlich im zweiten Theile der Dresdener Handschrift nachweisbar
sind, den Tag 4 ahau (= 4 XX), den 8. des Monats cumku (des letzten
der 18 Jahresfeste), als Nullpunkt voraussetzen, dergestalt dass, wenn man
von diesem Tage um die Anzahl der Tage, welche die darüber stehende
Ziffer angiebt, weiter zählt, man zu einem anderen Datum gelangt, welches,
— wiederum genau durch Ziffer und Zeichen und Angabe des wievielten
welches Monats bezeichnet, — daneben hingeschrieben ist. Hr. Förste-
mann hat nun sehr wohl gesehen, dass dieser Nullpunkt, 4 ahau,
8. cumku, zu welchem übrigens alle übrigen Daten der Handschrift, —
ausser einigen wenigen Fällen, wo offenbare Verderbniss vorliegt, —
stimmen, mit der Landa'schen Angabe des Jahresanfangs nicht in Ueber-
einstimmung zu bringen ist. Er meint daher, dass 8. cumku wie ein
„heiliger Abend" zu verstehen sei, der Tag, auf den der 8. Tag des Monats
cumku folge. Das Künstliche dieser Erklärung hat Hrn. Förstemann
gewiss am wenigsten befriedigt. Ich meine, 8. cumku kann doch wirklich
nicht gut etwas anderes, als der 8. Tag des Monats cumku, sein. Und soll
nun ein Tag 4 ahau (4 XX) der 8. Tag des Monats cumku sein, so
moss der 1. Tag dieses Monats ein Tag 10 been (10 XTII) sein, und dann
muas auch das Jahr mit been, dem XIH: Tageszeichen, dem mexica-
nischen Zeichen acatl, anfangen. Die Anfangstage der Jahre waren dar-
nach also nicht das FV., IX., XIV., XIX. Tageszeichen (kan, muluc, ix,
cauac), sondern das XHI., XVill., UL, Vlll. Tageszeichen, d. i. been,
eanab, akbal, lamat, oder mexicanisch acatl, tecpatl, calli, tochtli.
Dass dieses sich in der Dresdener Handschrift in der That so verhält,
bestätigt sich auch anderweit.
Aach' die Maya theilten, ähnlich wie ich es oben von den Mexicanern
angegeben habe, die auf einander folgenden Jahre des Cyclus den
4 Himmelsrichtungen zu. Die Bücher des Chilan Balam, von denen ich
eine von dem verstorbenen Dr. Berendt angefertigte Copie in der Biblio-
104 E!d* Sblbs:
thek Prof. Brinton's einzusehen Gelegenheit hatte, weisen übereinstimmend
die kan-Jahre dem Osten, die muluc-Jahre dem Norden, die ix-Jahre
dem Westen, die cauac-Jahre dem Süden zu. L'anda widerspricht dem
zwar. Doch geht aus seinen Angaben die gleiche Beziehung hervor. Denn
die kan-Jahre, die er dem Süden zuweist, waren die Jahre, wo, nach
Landa, man in den Tagen zuvor den für die kan-Jahre bezeichnenden
Unheildämon von der Südseite her in's Dorf holte und ihn dann nach der
Ostseite, — d. h. doch wohl nach der för das neue Jahr bezeichnenden
Richtung, — zum Dorfe hinausbrachte. Und ähnlich in den übrigen
Jahren: der Chac-uuayayab der muluc-Jahre wird nach Norden, der
Zac-uuayayab der ix-Jahre nach Westen, der Ek-uuayayab der cauac-
Jahre nach Süden hinausgebracht. Welche Jahre und welche Himmels-
richtungen werden nun in den Handschriften zusammengebracht?
An Hieroglyphen für die 4, bezw. 5 Himmelsrichtungen mangelt es
in den Handschriften nicht. Wir wissen genau, dass mit den Pigg. 1 — 4
die 4 Cardinalpunkte und mit den Pigg. 5 — 7, die augenscheinlich Vari-
anten einer Hieroglyphe sind, die 5. Himmelsrichtung, die Richtung von
unten nach oben, bezw. von oben nach unten bezeichnet ward. Es war
aber bisher immer noch streitig, wie die Pigg. 1 — 4 auf die 4 Himmels-
richtungen zu beziehen sind. Schultz-Sellack (Zeitschr. für Ethnol., XI.
[1879] S. 221) und Leon de Rosny waren der Meinung, dass die Pigg. 1 — 4
bezugsweise den Osten, Norden, Westen, Süden bezeichnen. Oyrus Thomas
in seinem Study of the Manuscript Troano vertauscht 1 und 3 und nimmt
an, dass die erstere den Westen, die letztere den Osten bezeichne. In
seiner neueren, in dem Third Annual Report of the Bureau of Ethnology
veröffentlichten Arbeit kehrt er die ganze Ordnung um und nimmt an,
dass die Pigg. 1 — 4 bezw. dem Westen, Süden, Osten', Norden entsprechen.
Die Argumentation aber, die ihn zu dieser Aufstellung führt, ist augen-
scheinlich eine verfehlte. Richtig ist es, dass die Mexicaner allgemein
die Himmelsrichtungen in dem umgekehrten Sinne der Drehung des Uhr-
zeigers einander folgen Hessen, wie dies ja auch in der auf S. 101 stehenden
Pigur angegeben ist. Aber was das Doppelblatt 41 und 42 des Codex
Cortez betrifft, auf das Cyrus Thomas sich stützt, so haben die dort den
Quadranten eingeschriebenen Hieroglyphen der Himmelsrichtungen der
Pigg. 1 — 4 nicht, wie Prof. Thomas annimmt, Beziehung auf die in der
linken Ecke der Quadranten gezeichneten Daten 1. ix, 1. cauac, 1. kan,
1. muluc, sondern auf die ganze Reihe der Tage, welche in den betref-
fenden Quadranten theils durch ilu*e Hieroglyphen, theils durch die die
Hieroglyphen verbindenden Punkte bezeichnet sind. In dem Quadranten,
welchem die Himmelsrichtung der Pig. 1 eingeschrieben ist, sind, an der
inneren linken Ecke beginnend und über die äussere linke Ecke<, die
äussere rechte Ecke bis zur inneren rechten Ecke einander folgend, die
Tage vom 1. imix (1 1) bis 13. chicehan (13 V) verzeiclinet, d. h. dai
Zur mezicanischen Chronologie. 105
ganze erste Yiertel des Tonalamatl. Und so in dem im entgegengesetzten
Sinne der Drehung des Uhrzeigers folgenden Quadranten^ welchem die
Himmelsrichtung der Fig. 2 eingeschrieben ist, die Tage, welche das zweite
Viertel des Tonalamatl bilden. Und weiter in dem dritten Quadranten,
welchem die Hieroglyphe der Fig. 3 eingeschrieben ist, das dritte Viertel,
und in dem letzten Quadranten mit der Hieroglyphe der Fig. 4 das letzte
Viertel des Tonalamatl. Da wir nun wissen, dass die 4 mit 1 I, 1 VI,
1 XI, 1 XVI beginnenden Viertel des Tonalamatl bezw. dem Osten,
Norden, Westen, Süden zugeschrieben wurden, so ist gerade dieses Doppel-
blatt des Codex Cortez der stärkste Beweis dafür, dass Schultz-Sellack
und Leon de Rosny im Recht waren, die Hieroglyphen der Figg. 1 — 4
bezw. auf den Osten, Norden, Westen, Süden zu beziehen.
Fig. 1 und 3 enthalten in ihrer unteren Hälfte ein Element, das in
dem Monatsnamen yaxkin (Fig. 10 und 11) enthalten ist und das zweifel-
los die Sonne (kin), die nach den 4 Himmelsrichtungen Strahlen ent-
sendende Scheibe, bezeichnet. In Fig. 10 und 11 ist dieses Element mit
einem anderen verbunden, das auch in der Hieroglyphe des Monatsnamens
yax (Fig. 9) vorkommt und das, wie der Vergleich mit anderen Hiero-
glyphen ergiebt, den Baum, den grünen (yax), bezeichnet. In Fig. 1 ist
das Element kin verbunden mit der Hieroglyphe des 20. Tageszeichens,
welches im Maya ahau lautet, ahau oder abgekürzt ah bedeutet „der
Herr**, „der König". Das Wort hängt zusammen mit einem Zeitwort ah,
welches „sich erheben", „aufwachen", „aufstehen" bedeutet; ahal-ik, „der
Wind erhebt sich"; ahal-cab, „die Welt erwacht" (es wird Tag); ahi-
cab, „seit dem Beginn der Welt". Die Hieroglyphe Fig. 1 würde also
ahal-kin zu lesen sein, „die Sonne erhebt sich", und das ist so viel wie
likin, der . eigentliche Maya- Ausdruck für die Himmelsrichtung des Ostens.
In Fig. 3 dagegen ist das Element kin mit einem anderen verbunden,
welches als Hieroglyphe des 7. Tageszeichens dient, im Maya manik lautet
und dem mexicanischen ma^atl, „Hirsch", entspricht. Das Element stellt
eine Hand dar mit den 4 gegen den Daumen eingekrümmten Fingern.
Ich habe das so schon in meiner Abhandlung über den Charakter der
aztekischen und der Maya -Handschriften erläutert (Zeitschr. für Ethnol.,
XX. S. 65). Die eigentliche Bedeutung war mir aber damals unklar
geblieben. Es ist Zeichensprache für „essen". Als wir in der Huaxteca
reisten, einem Gebiet, das in alter Zeit imd noch heute von einer Nation
bewohnt ist, deren Sprache sie als nahe Verwandte der Maya von Yucatan
erweist, wurde die Aufforderung zum essen^ „vamos a comer", regelmässig
begleitet durch eine Geberde, bei der die in der Art der Hieroglyphe
manik eingekrümmte Hand zu wiederholten Malen an den Mund geführt
ward. Dass dieses Symbol als Hieroglyphe für manik, „der Hirsch",
genommen wurde, hat seinen Grund wohl darin, dass der Hirsch als das
„Fleisch" xcrr' Hox^^i als »der, der gegessen wird", gedacht ward. Im
106
Ed. 8eler.'
Maya heisst „beiasen", „esaea", bezw. „gebissen, gegeseen werden" chi.
Die Hieroglj'phe Fig. 3 würde j^leiunacli chikio zu lesen sein, udiI das ist
bekanotlich das Maya-Wort für die Himmelsricbtung des Westens.
Die beiden anderen Hieroglyphen der Ilimmelsrichtungen, Fig. 2 und 4.
aiml nicht phonetisch construirt. In Fig. 4 haben wir dasselW Element,
das wir schon in den Figg. 9— 11, den Hieroglyphen yax und yaxkin,
Zar meiicuiischen Chronologie.
107
sahen, und das, wie ich angab, den Baum bezeichnet. Wir sehen dasselbe
hier von Figuren umgeben, die als Raucli oder Feuer zu deuten sind.
Die Fig. 4 wäre also die Region des Feuers, der Süden. Die Fig. 2 zeigt
uns einen Kopf und einen Rachen, beide nicht selten in der Weise ver-
eint, als ob der Kopf in den Rachen gezogen würde (Fig. 31 und 32).
Gelegentlich kommt als Variante des Rachens auch das entgegenblickende
Auge vor. Vergl. Fig. 33 aus Tro 24*a. Endlich kommt noch Tro 20*c
fQr die Hieroglyphe Fig. 2 die Hieroglyphe Fig. 34 Tor: statt des in den
Rachen gezogenen Kopfes ein von einer offenen Hand gehaltener oder
aufgenommener Kopf. Die Symbolik ist klar. Es ist der die Lebendigen
verschlingende Enlrachen, die Unterwelt, die, wie wir wissen, tod den
Mexicanem nach Morden verlegt ward. Im Aztekiscnen wird der Norden
geradezu als mictlampa, „Richtung des Todtenreichs", genannt
Die Analyse der Hieroglyphen führt also zu demselben Ergebniss, wie
das, welches una die Betrachtung von Codex Cortez 41, 42 an die Hand
gab, dasB in der That die Hieroglyphen Fig. 1 — 4 in der alten, schon von
Schultz-Sellack angezeigten Weise den Himmelsrichtungen zu coordiniren
seien, d.h. dasa die Figg. 1 — 4 bezw. den Osten, Norden, Westen, Süden
bezeichnen.
108 Ed. Seler:
Hier tritt iudess zunächst noch eine Schwierigkeit auf, die zuvor zu
beseitigen ist, ehe wir mit Vertrauen die bisher gewonnene Erkenntniss
weiter verwerthen. Schon Schellhas hat (Zeitschr. f. Ethnol., XVIII.
S. 77) auf die hieroglyphischen Elemente der Pigg. 19 — 22 aufmerksam
gemacht, die den Himmelsrichtungen in der Weise coordinirt sind, dass
sie, je nach der Himmelsrichtung, den wechselnden Bestandtheil einer im
Uebrigen gleich constituirten Hieroglyphe bilden. So sind in der Dres-
dener Handschrift Blatt 30 und 31b und Blatt 29 und 30c die Hieroglyphen
13 — 16 je mit einer der Hieroglyphen der 4 Himmelsrichtungen zusammen-
gestellt. Und ähnlich sehen wir Blatt 30 und 31c dieselben Elemente der
Pigg. 19 — 22, je nach der Himmelsrichtung wechselnd, den Bestandtheil
einer anderen, im Uebrigen nicht ganz so klaren Hieroglyphe bilden.
Endlich sind dieselben Elemente Dresden 32— 34b der Haupthieroglyphe
Chac's selbst angefügt und mit denselben Himmelsrichtungen zusammen-
gestellt. Ich habe nun schon in meiner vorher angeführten Arbeit
(Zeitschr. f. Ethnol., XX. S. 4) die Vermuthung aufgestellt, dass diese,
nach den Himmelsrichtungen wechselnden hieroglyphischen Elemente die
Bezeichnungen der Parben seien. Wir wissen ja, dass die Mexicaner, wie
die Maya und wie viele andere americanische Völker, den Himmels-
richtungen bestimmte Parben zuschrieben, und dass die Gegenstände oder
Wesen, deren verschiedene Pormen in den verschiedenen Himmels-
richtungen residirend gedacht wurden, durch die der betreffenden Himmels-
richtung zukommende Parbe unterschieden wurden. So wird im Landa,
bei den Xma kaba kin-Ceremonien, je nach dem Jahre, bezw. je nach
der Himmelsrichtung, ein gelber, rother, weisser, schwarzer Bacab, ein
gelber, rother, weisser, schwarzer üuayayab, ein gelber, rother, weisser,
schwarzer Acantun genannt. Ist aber dies der Pall, so muss das Element
der Pig. 22 die Farbe ek, „schwarz", bezeichnen. Denn an beiden, oben
angeführten Stellen der Dresdener Handschrift ist unter der mit diesem
Element versehenen Hieroglyphe der Regengott (Chac) in schwarzer Farbe
dargestellt (während er sonst weiss gelassen ist). Das Element der
Pig. 21 dagegen ist mit grosser Wahrscheinlichkeit als Ausdruck der
Farbe zac, „weiss", zu bezeichnen, denn es bildet das charakteristische
Element in der Hieroglyphe des Monatsnamens Zac (Fig. 8). Das Element
der Fig. 20 dürfte als Ausdruck für chac, „roth", anzusprechen sein, denn
es bildet das charakteristische Element in der Hieroglyphe einer Göttin
(Fig. 12), einer Begleiterin des Chac, die im Codex Dresden 67a und 74
mit rother Farbe und mit Tigertatzen dargestellt wird. Die Fig. 19 end-
lich scheint als kan, »g^lh", angesprochen werden zu müssen. Das
beweist schon die Aehnlichkeit, die das Element mit den Figuren auf-
weist, durch welche in mexicanischen Hieroglyphen das Gold, das „gelbe
Metall", bezeichnet wird; femer der Umstand, dass es im Verein mit dem
Element „Baum^ zur Bezeichnung des Honigs und des Honigweines
Zur mexicanischen Chronologie. 109
gebraucht wird (Fig. 35 und 36a), und dass es vicarirend für kin, „Sonne",
eintritt und umgekehrt durch den hieroglyphischen Ausdruck der letzteren
ersetzt wird. Demnach hätten wir in der That in den Pigg. 19 — 22 die
4 Farben gelb, roth, weiss, schwarz, und zwar in derselben Reihenfolge, wie
sie Ton Landa für die 4 Himmelsrichtungen angegeben wird. Aber diese
Elemente, die ich als kan, chac, zac, ek anspreche, sind an den oben an-
geführten Stellen nichts wie wir annehmen müssten, dem Osten, Norden,
Westen, Söden zugeschrieben, sondern in derselben Weise, wie Landa, —
aber, wie wir annehmen müssen, fälschlich, — die verschiedenfarbigen Bac ab
und ihre Jahre auf die Himmelsrichtungen bezieht, dem Süden, Osten,
Norden, Westen zugeschrieben. Ich muss gestehen, dass diese Thatsache
mir lange Zeit sehr störend war, bis es mir allmählich klar wurde, dass
fQr die Beziehung des Regengottes, des Chac, zu den Himmelsrichtungen
in diesem Falle andere Ideen maassgebend gewesen und demnach andere
Farben zum Ausdruck dieser Beziehungen gewählt worden sein müssen,
als für die in den verschiedenen Jahren dominirenden Bacab. Wo in
der Dresdener Handschrift die Bacab selbst und die verschiedenen Jahre
und die vor Beginn derselben vorgenommenen Ceremonien dargestellt
sind, — nehmlich auf den bekannten Blättern 25 — 28, — da sind die
Elemente der Figg. 19 — 22 nicht mit Fig. 4, 1, 2, 3, sondern mit Fig. 1,
2, 3, 4, d. h. in der That dem Osten, Norden, Westen, Süden coordinirt.
Das ist nun zwar nicht auf allen 4 Blättern zu erkennen, die oberen
Theile von 25 und 27 sind leider zu sehr zerstört. Wohl ist aber noch zu
erkennen, dass auf allen 4 Blättern an einer bestimmten Stelle des oberen
Theils eine durchgehende Hieroglyphe stand, die als wechselnden Bestand-
theil die Elemente der Figg. 19—22 enthielt. Auf 2 Blättern, 27 und 29,
ist dieselbe erhalten (vergl. Fig. 17 und 18), und da sehen wir in der
That, dass dem Norden und dem Süden die Elemente der Figg. 20 und 22,
d. h., wie ich annehme, roth (chac) und schwarz (ek), zukommen. Dass
dementsprechend auch gelb (kan, Fig. 19) und weiss (zac, Fig. 21) sich
vertheilen werden, ist meine ich, so gut wie gewiss. Und diese Annahme
findet ihre Bestätigung durch entsprechende Stellen des Codex Tro. Dort
sind Blatt 30 und 29b die verschiedenen Chac dargestellt, mit dem des
Westens (Fig. 3) beginnend. Und es entsprechen die Elemente ek, kan,
chac, zac den Richtungen der Figg. 3, 4, 1, 2. Auf Blatt 31 und 30d dagegen
sind die verschiedenen Bacab dargestellt, mit dem des Ostens (Chac und
Hobnil) beginnend. Und hier entsprechen, wie der Vergleich mit Codex
Cortez 41, 42 erweist, die Elemente kan, ek, zac, chac den Richtungen
der Figg. 1, 4, 3, 2, d. h. dem Osten, Süden, Westen, Norden. So stimmt
also auch das, was ich über die Farbenbezeichnung herausgefunden zu
haben glaube, zu der alten Schultz-Sellack^schen Aufstellung, dass die
Figg. 1 — 4 die Himmelsrichtungen Osten, Norden, Westen, Süden, oder
likin, xaman, ohikin, nohol hieroglyphisch darstellen.
110 Ed. «Seler:
Gehen wir nun mit dieser, wie ich meine, sicheren Erkenntniss an
die Blätter 25 — 28 der Dresdener Handschrift, auf denen die verschiedenen
Jahre und die vor Beginn derselben in den xma kaba kin vorgenom-
menen Ceremonien dargestellt sind, so habe ich allerdings noch einen Vor-
behalt zu machen. Auf den Blättern ist ein Fehler. In der untersten
Hieroglyphenreihe, derjenigen eben, welche auch die Hieroglyphen der
verschiedenen Himmelsrichtungen enthält, sind Süd und Nord, xaman
und nohol (Fig. 4 und 2), mit einander vertauscht. Dass das wirklich
nur ein Fehler ist, ist zweifellos. Nirgends sonst in dieser Handschrift
ist die Reihenfolge der Himmelsrichtungen 1, 4, 3, 2. Nur in dem lüder-
lich gezeichneten Codex Tro Cortez treffen wir ein paar Mal Verkehrung
der Ordnung. So Codex Tro 36, wo aber auch, wie es scheint, ein Fehler
vorliegt. Denn die Reihe geht nachher in dem richtigen Drehungssinne
weiter. Und ebenso liegt Codex Tro 31, 30 eine Verkehrung der Ordnung
vor, wie die Reihenfolge der Farben, kan, ek, zac, chac, erweist. Doch
das sind Ausnahmen. Insbesondere die Reihenfolge der Jahre folgt auch
im Codex Tro in der richtigen Ordnung. Bringen wir nun diese Correctur
in den Blättern Dresden 25 — 28 an, so haben wir auf diesen Blättern,
wie gebührend, mit dem Osten beginnend, die dem Osten, Norden, Westen
und Süden entsprechenden Jahre, d. h. also, nach den Feststellungen der
Bücher des Chilan Balam, die kan-, muluc-, ix-, cauac- Jahre. Die Zeichen
dieser Jahre aber suchen wir vergebens auf diesen Blättern. Dagegen
sind auf der Vorderseite dieser Blätter je 13 Mal 2 auf einander folgende
Tageszeichen wiederholt, die kaum etwas anderes, als den Endtag des alten
und den Anfangstag des neuen Jahres, angeben können. Es sind auf
Blatt 25: eb (= XH) und been (= XHI), auf Blatt 26: caban (- XVII)
und eanab (- XVHI), auf Blatt 27: ik (= H) und akbal (- HI), auf
Blatt 28: manik (= VH) und lamat (= VIH). Es folgt also, dass, nach
der Drestlener Handschrift, die dem Osten, Norden, Westen, Süden ent-
sprechenden Jahre, d. h. die späteren kan-, muluc-, ix-, cauac-Jahre,
mit den Tagen been, eonab, akbal, lamat, d. h. mit den mexicanischen
Zeichen acatK tecpatl, calli, tochtli begonnen haben müssen. Genau
dasjenige, was uns das Datum 4. ahau, 8. cumku und die anderen, aus
Ziffer, Zeichen und Monatsangabe combinirten Daten lehren.
In einer meiner ersten Arbeiten, in «lenen ich von dem Ergebnis«
meiner Maya- Studien Kenntniss gab (Zeitschr. f. Ethnol. XtX., Verhandl.
S. 224 — 231), habe ich den Versuch gemacht, die auf den Blättern 25 — 28
der Dresdener Handschrift dargestellten Gottheiten mit den von Lau da
bei den xma kaba kin -Ceremonien genannten Gottheiten zu identificiren.
Ich glaube, ich habe damals vollkommen richtig bezogen. Aber ich habe,
weil ich die Hieroglyphen der Himmelsrichtungen nicht richtig las und
von dem im Obigen aus einander gesetzten Verhältniss, dass nehmlich die
kan-, muluc-, ix-, cauac-Jahre mit den T^en been, eonab, akhal.
Zur mexicanischen Chronologie. 111
lamat beginnen, keine Kenntniss hatte, die etwas kühne Vermuthung auf-
stellen müssen, dass die von Landa angegebenen Namen wohl auf die
Figuren der Dresdener Handschrift anzuwenden seien, aber nicht in der
Reihenfolge kan, muluc, ix, cauac, wie Landa die Jahre zählte, sondern
in der Reihenfolge ix, cauac, kan, muluc, wie die Dresdener Hand-
schrift die Jahre zählt. Jetzt wird diese Conjectur vollkommen über-
flüssig. Die Dresdener Handschrift zählt in der That die Jahre genau so,
wie Landa, d. h. mit dem Osten beginnend, aber die Jahre, die Landa
mit der „letra dominical", kan, muluc, ix, cauac, bezeichnet, sind hier
durch die Anfangstage been, eonab, akbal, lamat angegeben. Auf dem
ersten Blatt ist die Hauptfigur ein Gott mit einer merkwürdig proliferiren-
den Nase, dessen Haupthieroglyphe die Fig. 23 ist, — eine Hieroglyphe,
die sonst zur Bezeichnung des aus den Wolken stürzenden Blitzthieres,
des Himmelshundes, dient. An Stelle der letzteren tritt als Haupt-
hieroglyphe in Codex Dresden 3 die Fig. 27 auf, d. h. der Kopf des Chac.
Es ist also zweifellos, dass dieser Gott ein Regen- und Gewittergott ist.
Landa nennt in dem kan-Jahre Bolen Zacab, — einen Namen, der
aus anderen Stellen nicht bekannt ist. Aber er giebt auch, und zwar
einzig von den kan -Jahren, an, dass dieselben reich an Regen sein sollen.
Auf dem zweiten Blatt, 26, der Dresdener Handschrift ist die Hauptfigur
ein Gott, der in der Augenbraue das Zeichen kin eingeschrieben hat, und
dessen Haupthieroglyphe (Fig. 24) ebenfalls das Zeichen kin enthält.
Das stimmt zu Landaus Angabe, der in den muluc-Jahren Kinch ahau
uennt den „Herrn mit dem Sonnengesicht^. Auf dem 3. Blatt ist der alte
Gott dargestellt, dessen Haupthieroglyphe Fig. 25 ist. Das stimmt wiederum
zu Landa, der in den ix-Jahren den Gott Itzamna nennt. Und auf
dem letzten Blatt (28) der Dresdener Handschrift ist ein Todesgott mit
der Hieroglyphe Fig. 26 bezeichnet, — ein Gesicht mit aufgesperrtem
Rachen, anderwärts auch in Form der Fig. 30 geschrieben. Auch das
stimmt zu Landa, der in den cauac-Jahren den Uac mitun ahau, den
^Herm der 6 Höllen" nennt. Auf Näheres über diese Gottheiten kann ich
mich hier nicht einlassen und verweise auf meine oben citirte Arbeit.
Die beiden Figg. 28 und 29, die ich auf der diese Arbeit begleitenden
Tafel noch hingeschrieben habe, sind charakteristische Begleithieroglyphen,
Pig. 28 Kinch ahau^s, Fig. 29 Itzamna's. Die erstere giebt die Ideen
von Wolken oder Himmel, Schlag und Feuer; die letztere kann mit ah-
tok, „Herr des Steinmessers", übersetzt werden.
Wie ist nun aber diese Differenz zwischen der Dresdener Handschrift
und den Angaben Landaus in Bezug auf den Anfangstag der Jahre zu
verstehen? Soll man annehmen, dass Landa sich geirrt hat, indem er die
kan-, muluc-, ix-, cauac-Jahre auch mit den Tagen kan, muluc, ix,
canao beginnen liess? Oder soll man annehmen, dass in einer bestimmten,
in Bezug auf die Zeit der Abfassung der Dresdener Handschrift jüngeren
112 Ed. Seler:
Zeit eine Correctur vorgenommen wurde, in Folge dessen die Anfangstage
der dem Osten, Norden, Westen, Süden zugeschriebenen Jahre nicht mehr
auf die Zeichen been, eonab, akbal, lamat, sondern auf die Zeichen
kan, muluc, ix, cauac fielen? Ich neige mich der letzteren Ansicht zu
und bemerke, dass darnach die Codices Tro und Cortez, die nur die beiden
Hälften eines und desselben Codex sind, der jüngeren Epoche angehören
würden. Denn auf den Blättern 23 — 20 des Codex Tro, deren Inhalt dem der
Blätter 25 — 28 der Dresdener Handschrift entspricht, sind auf der Vorder-
seite der Blätter nicht die Anfangstage been, eonab, akbal, lanlBt,
sondern, ebenfalls in 13 maliger Wiederholung, die Tage cauac, kan,
muluc, ix verzeichnet.
Trotz dieser Variabilität des Jahresanfangs wurde eine feste Chrono-
logie bei den Maya-Völkem dadurch erreicht, dass man, von einem Null-
punkte aus, nicht die Jahre, sondern die Tage weiterzählte. So bot die
Tonalamatl-Rechnung ein festes Gerüst, das jede Irrung ausschloss.
Bei den Cakchiquel gab den Nullpunkt ein bestimmtes historisches
Ereigniss ab, die Vernichtung des aufrührerischen Stammes der Tukuchee,
die auf einen Tag 11. ah (11 XIH) fiel. Indem man nun von diesem
Nullpunkt aus vigesimal um 20 X 20 Tage weiter zählte, erhielt man
Perioden, die alle mit einem Tage ah (XIH = mexicanisch acatl) be-
gannen, der aber der Reihe nach die ZiflFem 11, 8, 5, 2, 12, 9, 6, 3, 13,
10, 7, 4, 1 und dann wieder 11 erhielt. Eine solche Periode wurde ein
huna genannt und 20 solcher Perioden ein may. (Vergl. meine Mit-
theilung in der Zeitschr. für Ethnol. XXL, Verhandl. S. 475.)
Bei den Maya bildete den Ausgangspunkt ohne Zweifel der von Pörste-
mann in der Dresdener Handschrift nachgewiesene Nullpunkt 4 ahau,
8. cumku, d. h. ein Tag. der die Ziffer 4 und das Zeichen ahau (XX
= mexicanisch xochiti) trug und der 8. des Monats cumku, des letzten
der 18 Monate des Jahres, war. Von diesem Nullpunkt wurde aber nicht
consequent vigesimal^ sondern, wie ebenfalls aus der durch Förstemann
klar gelegten Rechnung der Dresdener Handschrift hervorgeht, um Perioden
von 20 X 360 Tagen weiter gezählt. Diese Perioden mussten, da ihre Zahl
durch 20 theilbar ist stets dasselbe Zeichen ahau (XX = mexicanisch
xochiti) erhalten. Aber da die Ziffer 13 in 7200 nur mit einem Rest
von 11 aufgeht so musste die Ziffer des Anfangstages der Periode, gegen-
über dem Anfangstag <ler vorhergehenden Periode, um 2 vermindert
erscheinen. Mit einem Worte, die Anfangstage der auf einander folgenden
Perioden von 7200 Tagen sind 4 ahau, 2 ahau, 13 ahau, 11 ahau,
9 ahau, 7 ahau, 5 ahau, 3 ahau, 1 ahau, 12 ahau, 10 ahau, 8 ahau,
6 ahau und dann wieder 4 ahau. Eine solche Periode wurde katun
genannt. Auf welchen Umständen es beruhte, dass man gerade eine solche
Periode von 20 X 360 Tagen erwählte, das ist noch eine offene Frage.
Jedenfalls aber ist dies die wahre Grösse der sogenannten ahau katun
Zur mexicanischen Chronologie. 113
Perioden, deren Rechnung in der Dresdener Handschrift; klar vorliegt,
deren Bedeutung aber bis in die jüngste Zeit noch arg verkannt worden
ist. Die spätere Zeit nehmlich, der der Zusammenhang mit der alten
Tradition, wenn nicht ganz geschwunden, so doch vielfach durchlöchert
war, nahm den katun nicht als 20 X 360 Tage, sondern als 20 Jahre, und
da stellte sieh alsbald heraus, dass dann die Perioden nicht in der an-
gezeigten Weise mit 4 ahau, 2 ahau, 13 ah au u. s. w. beginnen konnten,
denn in 7300 geht die Ziffer 13 mit einem Rest von 7 auf. Es müssen
daher die Anfangstage der auf einander folgenden Perioden von 20 Jahren
(das Jahr zu 365 Tagen gerechnet) der Reihe nach mit 4 ahau, 11 ahau,
5 ahau u. s. f. beginnen. Um dieser Schwierigkeit zu begegnen, wurde
die Theorie aufgebracht, dass der katun nicht aus 20 Jahren, sondern
aus 24 Jahren gebildet sei, denn 24x365 oder 8760 ist ebenfalls durch
20 theilbar, und die Ziffer 13 geht darin mit einem Rest von 11 auf,
ebenso wie in dem wahren katun, in der Periode von 20x360 Tagen,
und daher der Streit, über den viel unnützes Papier verschrieben worden
ist, ob der katun mit 20 oder mit 24 Jahren anzusetzen sei. In Wahr-
heit bestand er weder aus 20, noch aus 24 Jahren, — die Jahre nahmen
die alten Chronisten direct gar nicht in ihre Rechnung auf, — sondern
aus 20 X 360 Tagen.
Nachdem nun das Verhältniss des Tonalamatl zu der übrigen Zeit-
recbnung klar gelegt ist, kehre ich noch einmal zu dem Tonalamatl
selbst zurück. Ich habe seiner Zeit in meiner Arbeit über den Charakter
der aztekischen und der Maya- Handschriften (Zeitschr. f. Ethnol. XX.
S. 1 ff.) den Nachweis zu führen gesucht dass auch die anscheinend ganz
abweichenden und anders benannten 20 Tageszeichen der Maya mit den
sprachlich und hieroglyphisch klaren Zeichen der Mexicaner in Ueber-
einstimmung zu bringen sind. Ich habe aber damals einen Kalender ausser
Acht gelassen, weil er mir noch nicht zugänglich oder wenigstens nicht
verständlich war, das ist der zapotokische, der in der Grammatik des
P. Juan de Cördoba aufgezeichnet ist, welche vor einigen Jahren von
Dr. Leon, — leider, wie es scheint, sehr ungenau und fehlerhaft, — neu
herausgegeben worden ist.
Ich erwähnte oben schon, dass der zapotokische Kalender einen
besonders alterthümlichen Charakter aufweist. Das zeigt sich einerseits in
der alterthümlichen Form der Worte, die aus der gegenwärtig gesprochenen
oder der bald nach der Conquista aufgezeichneten Sprache schwer erklärbar
sind; dann aber auch dadurch, dass die Beziehung der Zeichen zu den
13 Ziffern sich in der Form der als Tagesbenennung dienenden Worte
gewisserroaassen inkrustirt hat. Man kann deshalb bei allen von dem
Namen des Wortes eine Vorsilbe loslösen, die für alle mit der gleichen
Ziffer verbundenen Zeichen annähernd die gleiche ist. Einige Ausnahmen
kommen vor, die vielleicht schon Versehen oder irrthümliche Auffassung
X*H»ckrift für Echnologie. Jahrg. 1891. 9
114 Ed. Sbler:
des verdienten Mönches waren, der diesen Kalender uns erhalten hat, viel-
leicht aber auch einfach auf den unsorgflltigen Neudruck zurückzuführen
sind. Man erhält bei den mit der Ziffer
1 (chaga, 8. tobi) verbundenen Worten die Vorsilbe quia, quie,
2 (cato, s. topa) „ » » » P©? pi^ pela,
3 (cayo, 8. chona) „ » » » P©o, peola,
4 (taa, 8. tapa) „ » » » eala,
5 (caayo, s. gaayo) „ » ^ » pe, pela,
6 (xopa) „ » » » qua, quala,
7 (caache) „ » » » pilla,
8 (xona) „ » » » o©? ni, nela,
9 (caa, 8. gaa) „ „ „ „ pe, pi, pela,
10 (chij) „ » « » pilla,
11 (chijbitobi) „ » » » wö> ni, nela
(das ist wenigstens die häufigste Vorsilbe, doch sind hier die Ausnahmen
zahlreicher, die Confusion besonders gross),
12 (chijbitopa) verbundenen Worten die Vorsilbe pina, piiio, pinij,
13 (chijno) „ » » » pece, pici, quici.
Von diesen verschiedenen Vorsilben scheint jedoch nur einigen wenigen
eine bestimmtere Bedeutung inne zu wohnen. In erster Linie der Vor-
silbe quia, quie, die den mit der Ziffer 1 verbundenen Zeichen zukommt,
die, wie wir wissen, eine besondere Stellung einnahmen, als Regenten
der ganzen folgenden Dreizehnheit galten. Juan de Cördoba sagt, dass
diese Dreizehnheiten oder die Anfangstage derselben cocij, tobi cocij
genannt worden seien, „como decimos nesotros, un mes, un tiempo". Die
4 Zeichen aber, welche der 1., 6., 11., 16. Dreizehnheit, d.h. den 4 Ab-
schnitten des Tonalamatl präsidiren, seien cocijo oder pitäo, d. h.
„Grosse", genannt worden. Man hätte sie als Götter angesehen und sie
durch Opfer und Blutentziehungen geehrt. Im Lexicon finden wir in der
That z. B. „tiempo encogido, en que no se puede trabajar" — cocij
cogäa; „tiempo de mieses, fhitas 6 de siego o de algo" — cocij coUkpa,
cocij layna, cocij; „tiempo enfermo b de pestilencia" — qöo yöocho,
piyfe yöocho, cocij yöocho. Die ursprüngliche Bedeutung von cocij
kann aber schwerlich „Zeit" gewesen sein. Die Vorsilbe co bezeichnet
ein Nomen agentis mid entspricht in gewisser Weise der mexicanischon
Vorsilbe tla. Cocii bedeutet: „wenn man genommen hat", also etwa gleich
dem mexicanischen tlapoualli, und gleich diesem bezeichnet es eine
Einheit von 20 Tagen: cocii, „20 Tage in der Vergangenheit", d. h. heute
vor 20 Tagen; huecii oder cacii, „20 Tage in der Zukunft" oder „in
20 Tagen", cacii-cacii, „immer in 20 Tagen". Ist daher die Angabe
des Paters richtig, so kann die Anwendung des Wortes cocii auf eine
Dreizehnheit von Tagen nur eine übertragene oder ungenaue gewesen
sein. Cocijo dagegen ist im Lexicon mit „Dies de las Uuvias" und „rayo*
Zur mezicanischen Chronologie. 115
übersetzt; tötia peni quij cocijo, „sacrificar hombre por la pluvia h
nino*'; täce cocijo, „caer rayo del cielo". Mit anderen Worten, cocijo
ist der Regengott Tlaloc, der hier in dem Tonalamatl seine Stelle hat,
weil die 4 Abschnitte des Tonalamatl den 4 Himmelsrichtungen zugehören,
und der Regengott in den 4 Himmelsrichtungen zu Hause ist, bezw. nach
den 4 Himmelsrichtungen verschieden ist, wie das die oben erwähnten
Blätter der Codices Borgia 12 und Vaticanus B. 28 bildlich vor Augen
führen. Sehen wir nun nach, was die Vorsilbe quia, quie in der Sprache
bedeuten könnte, so finden wir „schlagen", „Stein", „Regen", „Verbrechen
oder Strafe", „färben", „Blume", wobei sich aber die ersteren 4 durch be-
sondere Aussprache des i von den letzteren unterscheideir sollen. Setzt man
für „Regen": „Gewitter", was ja in jenen Gegenden meistens gleich-
bedeutend ist, so lassen sich die 4 ersten Bedeutungen recht gut eine aus
der anderen entwickeln, und nehmen wir dies dann auch als die Bedeutung
der Vorsilbe quia, quie an, so hätten wir z. B. quia-chilla mit „der
Krokodil -Tlaloc" zu übersetzen, der Tlaloc, der das Krokodil als Zeichen
führt, oder ce cipactli (1 I).
Von den anderen Vorsilben scheinen nur noch die letzten beiden eine
besondere Bedeutung zu haben, die vielleicht aus dem besonderen auguri-
schen Werth der Ziffern 12 und 13 hervorgeht. Piici heisst „das Vor-
zeichen", allerdings gewöhnlich das üble. Pino könnte eine Nebenform
von chino sein, denn p und ch vertreten in zapotekischen Wortformen
vielfach einander. Chino, chijnno heisst „voll", „Glück", „Segen",
„Reichthum", „dreizehn", „fünfzehn". Das sind aber alles Bedeutungen,
die mit der Ziffer 12, — auf welche die Vorsilbe pino hinweist, — kaum
in Beziehung zu bringen sind. Die anderen Vorsilben scheinen nur Vari-
anten der bekannten Praefixe pe, pi, co, hua zusein, wodurch handelnde
Personen und lebende Wesen bezeichnet werden. Die Silbe la ist demon-
strativ.
Lassen wir nun diese, nach der beigesetzten Ziffer wechselnden Vor-
silben bei Seite, so erhalten wir für das 1. Tageszeichen das Wort chilla
oder chijlla. Hierfür finde ich im Lexicon 3 Hauptbedeutungen: einmal
heisst es die Würfelbohne (pichijUa, frisolillos 6 havas con que echan
las suertes los sortilegos), dann der Grabt (pichijlla, lechijlla, chijlla-
tani, „loraa 6 cordillera de Sierra"), ferner das Krokodil (pfeho pichijlla,
pichijlla-peöo, peyöo, cocodrillo, lagarto grande de agua) und Schwert-
fisch (pella-pichijlla-tko, espadarte pescado). Endlich ist chilla-täo,
„der grosse Chilla", noch als einer der Namen des höchsten Wesens an-
gegeben. Hier scheint mir die Bedeutung „Krokodil" die ursprüngliche
und hierher passende zu sein. Denn die Art, wie das 1. Tageszeichen in
nicxicanisehen und zapotekischen Bilderschriften gezeichnet ist (Fig. 37),
iässt zweifellos den Kopf des Krokodils erkennen, mit dem selbständig
l>ewegl]ehen. nach oben klappenden Oberkiefer, der diesem Thier ein so
9*
116 Ed. Seler:
charakteristisches AnsebeD giebt Die von Sahagun und Dur in für
cipactli gegebenen Erklärungen „Schwertfisch" und „Schlangenkopf",
obwohl die erstere ja auch in dem zapoteki scheu Wort vorliegt, sioil darnach
5-9 bo^^ U hl 6i,
wohl auszuscheiden. Den Indianern des Hochthals von Mexico, dt-n
Gewährsmänncni dicsi-r beiden lliHtorikcr, war eben das Urbild des äi'ht«>ii
cipactli we<ler aus eigener Anschauung, norli durch sieben- Ui-berliefening
bekannt. Aus der itcdcutung „Krokodil" ist die andere „Bergreihe**.
„ Spitzenreihe " und weiter „Schwertfisch" leicht ableitbar. Schwieriger ist
Zur meiicaDiscbeD Chronologie. 117
es, einen Uebergang zu der BedeutuDg „WOrfelbohiie" zu finden. Doch
ist auch der, meine ich, Torhanden. Das mit cipactii beginnende Tonal-
amatl war der Inbegriff aller augurischen Kunst. Es ist durchaus nicht
gewagt, anzunehmen, dass sich deshalb der Name auch auf das Hand-
werkszeug der Auguren, die Bohnen, deren sich diu Wahrsager neben
118 Ed. Sblbr:
dem Tonalamatl bedienten, übertrug. Bei den Maya wurde die Würfel-
bohne am genannt. Bei dem Fest im Monat Zip Hessen die Zauberer
und die Aerzte dies ihr Handwerkszeug blau anstreichen, d. h. weihen.
Es erscheint mir nun nicht unwahrscheinlich, dass die Worte imix, imex,
mit denen die Maya und die Tzental-Zo'tzil das erste Tageszeichen be-
nannten, mit diesem Worte am zusammenhängen. Ja, ich möchte noch
das etymologisch sonst schwer erklärbare mexicanische Wort amoxtli,
„Buch", auf diese Mayawurzeln zurückführen. Die Maya- Hieroglyphe
imix (Fig. 38) findet sich überaus häufig vergesellschaftet mit der Hiero-
glyphe kan, und gar nicht selten sehen wir diese Gruppe unter den den
Göttern dargebrachten Gaben (Fig. 39). Sie bedeutet vielleicht „Bohnen
und Mais".
Bei dem zweiten Tageszeichen ist es nicht ein Wort, sondern es sind
zwei verschiedene Worte, die nach Ablösung der Vorsilben übrig bleiben:
die beiden Worte quij und laa, die aber beide dasselbe bedeuten, und
zwar nicht „Wind**, wie man nach dem mexicanisehen zweiten Tageszeichen
eecatl vermuthen sollte, sondern „Gluth" oder „Feuer". Das ist eine
ausnehmend merkwürdige Thatsache, denn sie macht die Rolle erklärlich,
die wir das zweite Tageszeichen in den Maya-Handschriften spielen sehen.
Im Maya und den verwandten Sprachen führt das zweite Tageszejchen
allerdings den Namen ik, eigentlich i'k, d. h. „Wind". Aber wo es in
bildlichen Darstellungen oder in Hieroglyphen auftritt, da giebt es die
Idee von Flanmie oder Feuer. So in der Fig. 40 aus Codex Dresden 25,
wo wir es im Centrum der aus dem Feuergefäss auflodernden Flamme
sehen; in Fig. 41, wo es am Stabe getragen wird, und in der Hieroglyphe
des Sonnengottes (Fig. 24), die zusammengesetzt ist aus dem Bilde der
Sonne, einem Element, welches „geflügelt" bedeutet, dem Zeichen beou,
welches die geflochtene Matte und das geflochtene Strohdach bedeutet,
und dem Zeichen ik, das in dieser Combination nur das an das Dach
gelegte Feuer bedeuten kann. Im Cogolludo ist als Name eines Kriegs-
und Schlachtengottes das Wort Kakupacat, „Feuerblick", gegeben und
von ihm gesagt: „fingian quo traia en las batallas una rodela de fuego,
con que so abroquelaba". Nun, im Codex Tro 24 und Codex Dresden 69
ist der schwarze Chac abgebildet mit Speer und Schild, und letzterer
(Fig. 42) hat auf seiner Fläche das Zeichen ik. Kein Zweifel, dass dies
der Feuorschild ist, und dass eben der schwarze Chac der Kakupacat
ist, verwandt dem Cit-chac-coh, dem die Krieger im Monat Fax den
Kriegertanz (holcan okot) tanzten. Diese Verbindung von Wind und Feuer,
die sich also hier in dem zapotekischen Namen und dem Maya -Bild des
zweiten Tageszeichens entgegenstellt, ist auch wohl die beste Erklärung
für die Zwitternatur, die dem Windgott Quetzalcoatl zuzukommen scheint,
der bald einfach als solcher, als Windgott, erscheint, bald die getreuen
Merkmale des alten Feuer- und Lichtgottes aufzuweisen scheint.
Zur mexicanischen Chronologie. 119
Beim dritten Tageszeichen erhalten wir, nach Ablösung der nach den
Ziffern wechselnden Vorsilben die Formen guela, ela und ala oder laala.
Hier sind guela und ela bekannte, viel gebrauchte Wörter für Nacht:
queela s. gueela, „Nacht"; te-ela, „bei Nacht"; te-chij te-ela, „bei
Tag und bei Nacht"; xilo-öla c51o-ela, „Mittemacht". Die Form ala
oder laala scheint zu der Zeit, wo Juan de Cördoba die Sprache auf-
nahm, nicht mehr im Gebrauch gewesen zu sein. Wir werden auch weiter-
hin finden, dass bei den Namen der Tageszeichen der Vocal a gegenüber
späterem e bevorzugt ist. In der Bezeichnung des dritten Tageszeichens
mit dem Namen der Nacht, dem „dunklen Haus der Erde", anstatt des
aztekischen calli, „Haus", stimmt der zapotekische Kalender mit denen
der verschiedenen Zweige der Maya- Familie überein.
Bei dem vierten Tageszeichen erhalten wir nach Entfernung der Vor-
silben die Formen gueche, quichi, ache, achi, ichi. Das Zeichen ent-
spricht dem mexicanischen cuetzpalin, Eidechse. Die Bilderschriften
zeigen ein in der Regel blau gemaltes, geschwänztes, eidechsenartiges Thier,
und die Interpreten geben an, dass das Zeichen „Reichthum an Wasser"
bedeute. Nun ist es wirklich schwer verständlich, wie so die Eidechse, die
man ja am häufigsten auf den von der Sonne erhitzten Steinen und Mauern
findet, als Symbol des Wasserreichthums genommen sein kann. Die zapo-
tekischen Wortformen scheinen diese Schwierigkeit zu lösen, denn diese
sind mit „Frosch" oder „Kröte" zu übersetzen. Das Lexicon giebt peche,
peeche, beeche, „todo genero de rana 6 sapo". Hier ist pe nur Vor-
silbe, die wir in der Form pe oder pi bei fast allen Thiernamen vorfinden.
Und dass das eche mit dem ache, achi, ichi des Kalenders gleich zu
setzen ist, beweist der Vergleich mit dem 14. Tageszeichen, wo wir die-
selben Formen, gueche, ache, eche, finden, für den Tiger gebraucht,
der in dem Lexicon mit pfeche-täo, „der grosse pfeche", bezeichnet ist.
Wie nun aber bei dem 1. Tageszeichen das zapotekische Wort uns eine
Möglichkeit an die Hand gab, die anscheinend so incongruenten mexica-
nischen und Maya -Hieroglyphen und deren Bezeichnungen mit einander
zu vereinen, so scheint das auch hier bei dem 4. Tageszeichen der Fall
zu sein. Peche bezeichnet im Zapotekischen nehmlich auch das Maiskorn,
allerdings nicht das einfache reife Korn, sondern das geröstete und in
Folge des Röstens geplatzte. Wir wissen, dass diese Kömer, welche die
Mexicaner momochtli nannten, bei den Darbringungen an die Götter eine
grosse Rolle spielten. In Tucatan wird bei den xma kaba kin-Cere-
monien sogar jedes Mal angegeben, wie viel solcher Maiskörner zu dem
Getränk verwendet wurden, das den an der Procession theilnehmenden
Priestern und Häuptlingen entgegengebracht wurde. Die Maya -Bezeich-
nung für das 4. Tageszeichen ist kan, was wohl auf kan s. kanan,
„cosa abundante 6 preciosa", zurückgeht. Von der Hieroglyphe habe ich
in den Figg. 39, 43, 44 die charakteristischsten Formen gegeben. Sie
120 ^^' Sbi^R:
zeigen in dem oberen Theil entweder die Zähne (wie an der Gef&ss-
möndung der Fig. 39 und in den Hieroglyphen der Figg. 26, 30 und 2, 31, 32,
oben S. 106, 107) oder das Auge, die beide, — wie ich oben schon bei der
Hieroglyphe der Figg. 2 und 31 — 33^ auseinandersetzte, — die Idee der
OeflPhung des Spaltes geben. In dem unteren Theile der Hieroglyphe, unter-
halb der geschwungenen Querlinie, haben wir ebenfalls ein paar Zähne,
die, gleich den Zähnen des oberen Theiles, wenn die Hieroglyphe farbig
gemacht ist, weiss gelassen werden. Sie sind am Natürlichsten ebenfalls
als Andeutung eines Spaltes aufzufassen. Nimmt man dazu, dass die Hiero-
glyphe, wenn sie farbig gemacht ist, regelmässig gelb, d. h. in der Farbe
der Aussenrinde des Maiskorns, gemalt ist, so wird man einräumen müssen,
dass die Hieroglyphe kan in der That den Vorstellungen, welche das
geplatzte Maiskorn an die Hand giebt, entspricht. Und wirklich ist
ja auch die Rolle, welche diese Hieroglyphe in den bildlichen Darstellungen
der Maya- Handschriften spielt, eine derartige, dass bisher alle Autoren
von selbst darauf gekommen sind, die Hieroglyphe kan für das Maiskorn
zu erklären. Ich selbst habe früher, weil ich nicht an das geplatzte Kom
dachte, für kan den Maiskolben gesetzt, den man mitunter mit Auge und
Zähnen abgebildet sieht, kann aber jetzt diese Erklärung fallen lassen,
weil das Wort pfeche und die damit sich verbindenden Vorstellungen
einen genügenden Aufschluss über die besonderen Merkmale der Hiero-
glyphe geben.
Für das 5. Tageszeichen giebt der zapotekische Kalender die Staram-
worte zee, zij, die wiederum nicht, wie man nach dem aztekischen Namen
des 5. Tageszeichens (coatl) vermuthen sollte, etwa mit „Schlange" zu
fibersetzen wären, — die Schlange heisst im Zapotekischen pella
8. bela, — sondern die zunächst etwas Abstractes, nehmlich „Unglück**,
„Unheil", „Beschwerde", „Elend", zu bedeuten scheinen. An einer Stelle
des Kalenders, und zwar gleich in der ersten Dreizehnheit, ist statt zee,
zii das Wort eignij angegeben. Und das bedeutet „Betrüger", „Fallen-
steller, der einen ins Unglück bringt". Zieht man diese Variante in
Betracht, so, meine ich, werden wir dem zii eine prägnantere Bedeutung
zuschreiben können, diejenige, welche in dem unzweifelhaft von dieser
Wurzel abgeleiteten Worte pijci (pijze, peezi) vorliegt, nehmlich „un-
heilvolles Vorzeichen". So kommen wir auf Umwegen auf denselben
Begriff, den uns der aztekische Name des 5. Tageszeichens an die Hand
giebt, auf das Wort „Schlange". Denn diese war es, welche den Zapo-
teken als das erste und be<lenklichste aller unheilvollen Vorzeichen galt.
Tenian estos Zapotecas muchas cosas por agueros, a las quales si encon-
traban 6 venian a sus casas 6 jnnto ä ellas, se tenian por agorados dellas
(„dass ihnen dadurch Unheil gebracht sei"). El primero y mas prin-
cipal era la culebra, que se llama pella, y como ay muchas maneras
dellas, de la manera quo era ella, assi era el aguero; esto deslindava ol
Zar mexicanischen Chronologie. 121
sortilegio (Juan de Cördoba, Arte edid. Leon, p. 214). In meiner Arbeit
über den Charakter der aztekisclien und der Maya- Handschriften (Zeitschr.
fär Ethnol., XX. S. 61) habe ich den Nachweis geführt, dass die Maya-
Hieroglyphe des 5. Tageszeichens (Fig. 45) von bestimmten Eigenthümlich-
keiten der Schlange hergenommen ist und zweifellos die Schlange be-
zeichnen soll. Die Bedeutung des Wortes aber, mit welchem die Maya
diesen Tag bezeichneten, nehmlich chicchan, war mir nicht ganz klar
geworden. Jetzt ist es mir zweifellos, dass es chic-chaan, d. h. „tonuido
senal*', „tomado aguero**, bedeuten soll.
Für das 6. Tageszeichen ergicbt der zapotekische Kalender die Wort-
form lana s. laana. Von den verschiedenen Bedeutungen, welche das
Lexicon für diesen Stamm an die Hand giebt, würde mir, wenn keine
anderen Vergleichsmomente in Betracht gezogen werden müssen, als natür-
lichste die Bedeutung „Hase*' erscheinen, — pela-pilläana, liebre animal;
too-quixe-pillaana, s. pfella pillaana, red para liebres, — um so
mehr, als wir vorausgehend Frosch und Schlange haben, und in der Reihe
der Tageszeichen folgend Hirsch und Kaninchen antreffen werden, und
als Juan de Cördoba in seinen Bemerkungen zu dem Kalender geradezu
sagt: „y para cada treze dias destos tenian aplicada una figura de animal,
8. aguila, mono, culebra, lagarto, uenado, liebre** etc. Dem steht nun
aber allerdings gegenüber, dass wir sowohl in dem mexicanischen Kalender,
wie in denen der Maya -Stämme, an dieser Stelle das Bild des Todes finden,
und dass, — mit einziger Ausnahme des Tzental-Zo'tzil, — dieses Tages-
zeichen auch mit dem Namen des Todes bezeichnet wird. Da wir bei den
übrigen Zeichen jederzeit eine directe oder indirecte Uebereinstimmuug
zwischen diesen 3 Kalendern finden, so werden wir uns umsehen müssen, ob
nicht auch bei diesem Zeichen von dem in dem zapotekischen Kalender
gegebenen Wort ein Uebergang zu der Bedeutung der übrigen Kalender
eich finden lässt. Hier könnte man nun zunächst in Betracht ziehen, dass
pillaana, „Hase**, im Lexicon regelmässig vergesellschaftet ist mit pela,
„Fleisch**, wie etwa, wenn wir sagen würden: „Hasenwildpret", und dass lana
auch das „frische, rohe Fleisch** ist: hualkna naläna, „cosa que hiede a
carne 6 carnaza"; tilläa naläna, „heder algo ä carnaza**. Man könnte also
etwa an das frisch getödtete, das erlegte Wild denken. Läna heisst aber
auch „verhüllt**, „versteckt**, „dunkel**, „heimlich**. Und ich glaube, diese
Bedeutung wird man hier heranziehen müssen, um so mehr, als von dieser
Bedeutung aus der merkwürdige Name tox, welchen das 6. Tageszeichen
in dem Tzental-Zo'tzil -Kalender führt, eine Erklärung zu finden scheint.
Ich habe schon in meiner früheren Arbeit diesen Namen in Verbindung
gebracht mit dem Coslahun tox, welchen Bischof Nunez de la Vega bei
den Tzental-Zo'tzil nennt, — el demonio, segun los Indios dicen con trece
potestades (mit 13 Gewalten), le tienen pintado en silla y con astas en la
cabeza como de caniero (mit einer Art Widderhörnern auf dem Kopfe).
122 ^^' SBLERr
Ich habe aber damals diesen Dämon nicht richtig aufgefasst. Coslahun
tox ist ohne Zweifel Oxlahun-tox, und das würde im Maya Oxlahun
tax heissen, — wie der Maya-Monat Mac im Tzental-Zo'tzil Moc lautet
Oxlahun-tax aber bedeutet die „13 Ebenen", und ist augenscheinlich
nichts anderes, als die oxlahun taz. „die 13 Betten oder Schichten",
d. h. die oxlahun taz muyal, die „13 Schichten der Wolken", die in
dem von ßrasseur de Bourbourg in der Hacienda von Xconchakan auf-
gezeichneten Ackersegen (tich, „Misa milpera") angerufen werden. Mit
anderen Worten, der Dämon Coslahuntox ist nichts anderes, als der
Wolkendämon Mo an*), in dessen Hieroglyphe (Fig. 46) wir ja auch die
13 Schichten oder Decken angegeben finden, und dessen Bild (Fig. 47, 48)
in dem Bischof sehr wohl die Vorstellung erwecken konnte, als ob er
mit Hörnern dargestellt worden sei, um so eher, als die Mönche in den
Grestalten der eiugebornen Mythologie überall Teufel sahen und die Teufel
sich sehr realistisch mit Hörnern vorzustellen pflegten. Wir hätten also
den Tzental-Zo'tzil- Namen tox mit „Decke", „Verhüllung", „Schicht",
„Wolkendecke" zu übersetzen. Und da ist es denn doch wirklich eine
auffallige Uebereinstimmung, dass wir auch das zapotekische Wort für
das 6. Tageszeichen, allein oder in Verbindung mit pfee oder zäa, für
„Wolke" gebraucht finden. Vergl. pfee-läna-täo-peye s. pee-zaa-
lana-täo-nagace, „nubo negra y oscura" (eigentlich: „grosse Nebel-
wolke", „grosse schwarze Wolke"), zaa-quiepäa, pee-zaa, zee-läua-
tao-yäti, „mibe blanca". Aus dem Begriff des „Verhüllten", „Dunklen"
konnte sich sehr wohl der des Todes entwickeln, mit dessen Namen in
den anderen Kalendern das 6. Tageszeichen benannt ist. In der That
erscheint auch der Moan, der Wolkendämon, in den Maya- Handschriften
regelmässig von Todessymbolen begleitet.
So schwierig, wie das 6. Tageszeichen zu entziffern war, so einfach
ist das siebente. Wir erhalten nach Entfernung der Vorsilben den Namen
china, und das ist genau das mexicanische ma^atl, „Hirsch", das in den
mexicanischen, und das queh, quieh, das in den guatemaltekischen
Kalendern für das 7. Tageszeichen angegeben wird. Dass auch die Maya-
Hieroglyphe für das 7. Tageszeichen damit übereinstimmt habe ich mich
in meiner früheren Arbeit bemüht nachzuweisen. Die eigentliche Bedeutung
derselben ist, wie ich oben S. 105 auseinandersetzte, „essen", „Speise",
„Fleisch". Das Maya -Wort manik ist vielleicht may-nik, „gespaltener
Huf"?
Für das 8. Tageszeichen, welches dem mexicanischen tochtli, „Ka-
ninchen", entspricht, erhalten wir, nach Entfernung der Vorsilben, iias
Wort lapa. Ein Wort lapa, „Kaninchen", giebt es nun allerdings
nicht. AbtT die Bezeichnungen, die für „Kaninchen" gebraucht werden,
1) Seier, Charakter der aztekischen und der Maya -Handschriften (Zeitschr. für
Ethnol,, XX- 8. 91).
Zur mexicanischen Chronologie. 123
fähren auf denselben Begriff, der in lapa vorliegt. Läpa heisst „zer-
thellen", „zerbrechen", und das Kaninchen heisst peola oder piteeza,
welche beiden Worte „das Zertheilte", „das Zerlegte" bedeuten. Dass
der Begriff des Zertheilten, Zerlegten der Bezeichnung dieses Tageszeichens
zu Grunde liegt, das beweist auch die Maya- Hieroglyphe für dasselbe
(vergl. Fig. 49), in der das Zertheilte, Zerlegte deutlich angegeben ist.
Vielleicht fuhren auch die Ausdrücke lambat und lamat, die im Tzental-
Zo'tzil und im Maya für dieses Tageszeichen gebraucht werden, und die
aus den bekannten Maya -Wurzeln kaum erklärbar sind, auf das hier vor-
liegende zapotekisohe lapa zurück.
Das 9. Tageszeichen ist im Mexicanischen atl, „Wasser". Der zapo-
tekische Kalender ergiebt die Worte niza und queza. Das erstere ist
das bekannte und allgemein gebrauchte zapotekische Wort für „Wasser".
Dass queza nur eine Variante von niza ist, beweisen verschiedene Ab-
leitungen: peque^^a, penipa, s. pini^a, „milano ave"; quie-cäche-
ni^a, quie--qufe<ja, marmor, piedra marmolena. Beides sind vermuthlich
Ableitungen von ezaa, „hernieder kommen".
Für das 10. Tageszeichen ergiebt der zapotekische Kalender das Wort
tella, der mexicanische hat itzcuintli, „Hund". Die Maya-Ausdrücke
für dieses Tageszeichen sind dunkel, aber dass die Hieroglyphe
(Fig. 50, 52) den Hund bezeichnet, habe ich in meiner früheren Arbeit
nachgewiesen. Der Hund spielt in den Maya-Handschriften eine bedeut-
same Rolle. Er ist das Blitzthier, das mit der Fackel in den Händen
vom Himmel herunterstürzt (vergl. Codex Dresden 40 b). Und die tod-
bringende Bedeutung des Hundes ist auch in seiner Hieroglyphe (Fig. 51)
ausgesprochen, in der man die Wirbelsäule eines Skelets dargestellt findet,
ähnlich wie in der Fig. 53, der Hieroglyphe des Monats kan-kin, der
gelben, d. h. der sengenden, im Zenith stehenden Sonne. Der Hund
theilt diese Rolle als Blitzthier in den Handschriften mit zwei anderen
Wesen: das eine stellt ein Raubthier dar, mit langem Schwanz, un-
geiieckt, etwas länglichem Kopf und dem Zeichen akbal über dem
Auge, das in Codex Dresden 36a mit der Haupt- Hieroglyphe des
Tigers und daneben mit der Fig. 54 bezeichnet ist, einer Hieroglyphe,
die aus dem Tageszeicben kan und der Hieroglyphe kan, „gelb",
zusammengesetzt ist, die also vermuthlich das gelbe Thier bezeichnen
solL Ich glaube, dass der Löwe oder Kuguar (coh) gemeint ist, der
ja auch z. B. im Zapotekischen als „das gelbe Raubthier" (peche-
yäche) bezeichnet ist. Das andere Wesen hat einen Kopf mit rüssel-
artig verlängerter Schnauze (Fig. 55) und Hufe an den Füssen, das-
selbe ist hieroglyphisch durch eben diesen Kopf und daneben durch die
Fig. 56 bezeichnet, welche ans einem Beil, einer Feder und der Abbre-
viatur eines Kopfes oder des Zeichens uinal [ein ganzer Manu^)] zu-
1) Sei er, Ueber die Bedentnng des Zahlzeichens 20 in der Maja -Schrift (Zeitscbr.
f. EthnoL, XIX. Verhandl. S. 238, 239).
124 Kd- Seler:
sammengesetzt ist. Dieses Wesen nehme ich als tzimin, „Tapir". Wir
wissen, dass der Tapir von den centralamerikanisohen Völkern in enge
Verbindung mit den Gottheiten der 4 Himmelsrichtungen gebracht wurde.
Von den Itzaex in Peten wird berichtet, dass sie ein Idol „de figura de
oavallo" verehrten, welches den Namen Tzimin-Chac, „Gaballo dtd
Trueno 6 Rayo", geführt habe, und von ihnen als Gottheit des Blitzes
und Donners angesehen worden sei. Von dem grossen Gott Votan in
Chiapas berichtet Nufiez de la Vega: „que en Huehueta, que es pueblo
de Soconusco estuvo, y que alli puso dantas (Tapire), y un tesoro grande
en una casa lobrega, que fabricö a soplos." Ja, bis nach Mexico ist das
Wort und die Vorstellung der himmelstützenden Tapire gedrungen. Die
6 tzitzimime ilhnicatzitzquique, „ängeles de aire sostenedores dol
cielo", welche Tezozomoc nennt, — „que eran, segun decian, dieses de
los aires que traian las lluvias, aguas, truenos, relämpagos y
rayos, y habian de estar ä la redonda de Uitzilopochtli", — sind nichts
anderes, als die nach den Kegeln der mexicanischen Sprache gebildete
Mehrheitsform von tzimin, „Tapir", aus der freilich dann umgekehrt
eine Singularform, tzitzimitl, abgeleitet worden ist, die Bezeichnung
einer bestimmten, mit einer Schädelmaske verbundenen Kriegerrüstung.
Und wenn in den Maya-IIandschriften der Regengott Chac sich durch
eine besonders lange, über den Mund herabgekrümmte Nase auszeichnet
(vergl. die Hieroglyphe der Fig. 27, oben S. 107), und bei der anderen
Form des Regengottes, welcher, wie es scheint, der Name Bolen Zacab
zukommt, die Nase sich geradezu ausbreitet und Ausläufer treibt, so meine
ich, hat auch dafür der Tapir, der mit dem Chac, dem Regengott, iden-
tisch gesetzt wurde, das Vorbild geliefert.
Der Tapir heisst im Zapotekischen peche-xölo, und der einheimische
haarlose Hund peco-xblo. Hund und Tapir, die beiden vom Himmel
herabstürzenden Thiere, die den Blitz und Donnerschlag in den Händen
tragen, sind also hier durch die gemeinsame Bezeichnung xolo zusammen-
gebracht. Und dieses Wort xolo selbst ist der bekannte Name eines
Dämons, des Dämons Xolotl, der die 16. Woche (ce cozcaquauhtli)
und das 17. Tageszeichen (olin) regiert, und der bald direct als Hund
(Cod. Vat. B. 4 und 77) oder doch wenigstens mit den abgestutzten Ohren
des Hundes dargestellt wird (Cod. Borgia 50 und Vaticanus B. 33), und
der als Gottheit der Luft und der 4 Windrichtungen durch den Brust-
schmuck QuetzalcoatTs gekennzeichnet ist, und dadurch, dass neben
ihm die 4 Farben, — Symbole der 4 Himmelsrichtungen, — und das
Zeichen naui olin, „die 4 Bewegungen", dargestellt sind. Es ist also
kein Zweifel, dass dieser Dämon dem vom Himmel herabstürzenden Thior
der Maya- Handschriften gleich zu setzen ist. Der Dämon Xolotl wird
von den Interpreten in der Regel als „Gott der Missgeburten" bezeichnet.
Thatsächlich ist er auch im Codex Borgia 27 mit verkrümmten Glied-
Zur mexicanischeD Chronologie. 125
maassen und auslaufenden Augen gezeichnet. Und mit dem Worte Xolotl
wurden in Mexico allerhand Zwitterbildungen, die als Missgebnrten an-
gesehen wurden.» bezeichnet.
Kehren wir nun zurück zu dem Worte ihla. womit im zapotekischen
Kalender das 10. Tageszeichen bezeichnet ist^ so zeigt sich^ dass für das-
selbe kein Sinn sich herausfinden lässt wollen wir hierfür einfach „Hund",
entsprechend dem mexikanischen itzcuintli^ setzen, dass aber das Wort
sofort Terständlich wird, wenn wir an den vom Himmel herabstürzenden
Hund denken, den uns die Maya- Handschriften vor Augen führen. Tela
ist nehmlich tee-läo, „boca abajo", mit dem Kopf nach unten, also ent-
sprechend dem mexicanischen Tzontemoc. Die znsanmiengezogene Form
tela liegt im Zapotekischen in verschiedenen Ableitungen vor, wie ti-
tela-nii, was von dem nach hinten Ausschlagen der Thiere gebraucht
wird: tinnij-natela, ^verkehrte Reden führen*'; totela, ^die Würfel
aus dem (mit der Mündung nach unten gekehrten) Becher schütten^;
quela-natela-lachi, „Verwirrung" (wenn im Geiste Alles kopfüber und
kopfunter geht).
Für das 11. Tageszeichen giebt der zapotekische Kalender nach Ent-
fernung der Vorsilben die Form loo oder (bei 1 XI) goloo. Das ent-
spricht dem mexicanischen ocomatli, „AfiTe", denn das Vocabular ergiebt
pillao, pilleo, pillöo gonna, „mona animal" (gönna ist nur Ferainin-
Beseichnung). Dass auch die übrigen Kalender, sowie die Maya- Hiero-
glyphe dieses Tageszeichens mit dieser Bedeutung in Einklang zu bringen
sind^ habe ich in meiner früheren Arbeit nachgewiesen.
Für das 12. Tageszeichen giebt der zapotekische Kalender die Form
pija. Xur bei dem mit der ZifiFer 1 verbundenen, wo wir quia pija
oder quiepija zu erwarten hätten, ist qui cuija angegeben. Es scheint,
dass hier eine Verderbniss vorliegt, und dass wir quie pija oder quie
chija zu lesen hätten. Pii, chii heisst „gedreht werden". Es entspricht
also pija genau dem Namen (malinalli), welchen das Tageszeichen in
dem mexicanischen Kalender führt. Abweichend ist die Benennung und
die Darstellung dieses Zeichens in den Maya- Kalendern. Der Name lautet
ee wler eb, d. h. „Zahnreihe", „Spitzenreihe". Er wird in der guatemalte-
kischen Chronik, ebenso wie das mexicanische malinalli, mit „escobilla"
übersetaEt. Diese üebersetzung ist zweifellos richtig. Die „escobilla" ist
ein aas Pflanzenfasern zusammengebundenes, besen- oder pinselartiges
Werkzeug, das noch heutigen Tags allgemein zum Reinigen der Kleider
und zum E^ämmen der Haare von den Indianerinnen gebraucht wird
(zapotekisch: peego). Die escobUla ist daher das Symbol der Reinigung
und das Werkzeug der Frauen; sie ist das Attribut der mächtigen Göttin
Teteoinnan oder Toci, der alten Erdgöttin, welcher in der Mitte des
Sommers das Ochpaniztli. das ^Besenfest", d. h. das Reinigungs- oder
Sftndentilgungsfest, gefeiert ward. Die Maya- Hieroglyphe des 12. Tages-
126 Ed. Sblbr:
Zeichens (vergl. Fig. 88) zeigt uns das Gesicht der alten Göttin und hinter
ihm, als Erkennungszeichen, die escobilla.
Bei dem 13. Tageszeichen finden wir die Wortformen quij, ij und
laa. Quij heisst „das Rohr", entsprechend dem Namen acatl, welchen
das Tageszeichen im mexicanischen Kalender führt, und mit welchem auch
die guatemaltekische Bezeichnung ah in Ueberoinstimmung zu stehen
scheint. Das Maya-Wort been ist dunkel; dass aber die Hieroglyphe
been auf denselben Begriff des Rohrs oder, genauer vielleicht, des rohr-
geflochtenen Daches, der rohrgeflochtenen Matte zurückführt, habe ich in
meiner früheren Arbeit nachgewiesen. Das Wort Ida finde ich in dem
zapotekischen Lexicon in der Bedeutung „Rohr" nicht angegeben. Da
wir indes bei dem 2. Tageszeichen (Wind, Feuer) dieselben Wortformen
quij, laa synonym gefunden haben, so spricht die Wahrscheinlichkeit
dafür, dass auch für quij, „Rohr", ein Synonymen laa existirt haben
mag. Es ist übrigens ein merkwürdiges Zusammentreffen, dass in der
Maya- Schrift die Hieroglyphen dieser beiden, im Zapotekischen gleich-
lautenden Tageszeichen, die Hieroglyphen ik und been, überaus häufig
vergesellschaftet angetroffen werden (vergl. Fig. 24).
Beim 14. Tageszeichen, mexicanisch ocelotl, „Tiger**, giebt der
zapotekische Kalender gueche, eche, ache, ähnlich wie beim 4. Tages-
zeichen. Wie wir dort in den Worten peche, pfeeche, beeche, „Frosch"
des Vocabulars, eine Ueberoinstimmung mit der mexicanischen Benennung
herstellen konnten, so giebt hier das Lexicon pfeche-täo, „das grosse
Thier" =^ tigre, animal feroz. Dass die Maya- Hieroglyphe ebenfalls den
Tiger zum Ausdruck bringt, habe ich in meiner früheren Arbeit nach-
gewiesen. Für den Maya-Namen dieses Tageszeichens (ix) ist wohl die
Cakchiquel- Benennung yiz, — d. i. Maya h-ez, „der Zauberer", — als
aufschlussgebend zu betrachten. Meiner Auffassung nach ein Glied mehr
in der Kette der Gründe, die dafür sprechen, dass das Tageszeichen-
System den Maya durch Vermittelung der verwandten Stamme von Chiapas
bekannt geworden ist. Denn dem Maya z entspricht vielfach ein Tzental-
Zo'tzil X.
Das 15. Tageszeichen hat im zapotekischen Kalender die Form naa.
und bei dem mit der Ziffer 1 verbundenen quin naa. Die mexicanische
Bezeichnung ist quauhtli, „Adler", mit der die guatemaltekische tziquin,
„Vogel", sich recht gut, schwieriger das Maya-Wort men und die Maya-
Hieroglyphe (Fig. 57) vereinen lässt. Aber wiederum liefert die zapote-
kische Bezeichnung den sprachlichen Beleg für dasjenige, was ich in meiner
früheren Arbeit aus der Form der Hieroglyphe schliesst^n zu müssen glaubt«».
Die Maya- Hieroglyphe (Fig. 57) zeigt uns ein altes, gefurchtes Gesicht.
Und wir sehen diese Hieroglyphe, in die Länge gezogen, mit Federbällen
bestockt (Fig. 58), in verschiedener bildlicher und hieroglyphischer Ver^
Wendung, unter anderem auch in der Hieroglyphe, welche die Haupt-
Zur mezicaDischen Chronologie. 127
Hieroglyphe des Adlers zu begleiten pflegt. Ich hatte damals geschlossen,
dass die Maya- Hieroglyphe das Bild der alten Erdmutter darstelle, der
allverehrten Göttin, die Tonantzin, ^unsere Mutter", genannt wird, die
mit den feinen weissen Daunenfedem des Adlers beklebt einhergeht, und
die im Wiener Codex direct mit der Namenshieroglyphe ce quauhtli
»■ „1. Adler" erscheint. Nun, die zapotekische Benennung ergiebt das-
selbe, denn naa, naa heisst „Mutter", ein Wort, das nur gewöhnlich
mit dem Präfix xi der Genitivbeziehung erscheint, weil Verwandtschafts-
namen nie ohne Possessivbeziehung genannt zu werden pflegen.
Das 16. Tageszeichen ist im mexicanischen Kalender mit dem Bild
des Geiers (cozcaquauhtli) bezeichnet. Die Maya-Stämme von Guate-
mala bezeichnen es mit ah-mak, und dieses Wort scheint ebenfalls den
Geier zu bezeichnen, ,,der die Augen ausfrisst", ^jder grubige Vertiefungen
macht". Das zapotekische Wort ist loo oder guilloo. Damit könnte
zwar nicht der Geier, aber ein anderer Vogel, der Rabe (pelao, balloo),
gemeint sein. Der Geier heisst im Zapotekischen pelläqui (pelahui,
balai, baldai). Und es wäre nicht unmöglich, dass diesen beiden Bezeich-
nungen eine einheitliche Vorstellung zu Grunde liegt. Läo, Ibo heisst
„Auge", „Angesicht", „Vorderseite", „Aussenseite". Laqui, lahui, lai
heisst „mitten innen eingesetzt", „zwischen", „gemeinsam", „öffentlich".
Jedenfalls aber ist die Bedeutung, welche dem Stammwort von pelläqui,
baldai, „Geier", zu Grunde liegt, auch in dem Stammwort loo vor-
handen. Wir haben z.B. xi-loo-eela, co-loo-eela, „Mitte der Nacht",
„Mittemacht"; loo-thbo, „Mitte des Körpers", „Brust", „Rumpf". Noch
ein dritter Vogel ist in dem mexicanischen Kalender der Cronica Fran-
eiseana vt>n Guatemala genannt, nehmlich tecolotl, „der Nachtvogel",
„die Eule". Für den leichenschmausenden Geier und 3en dunklen Vogel
der Nacht ist der Begriff des Todes die leicht verständliche verbindende
Vorstellung. Auch in den Bilderschriften findet man es öfters, dass der
cozcaquauhtli und die Eule stellvertretend für einander eintreten.
Ganz andere Vorstellungen ergeben sich, wie ich schon in meiner
früheren Arbeit ausführte, aus der Maya -Hieroglyphe. Dieselbe zeigt
(vergl. Fig. 59) eine Figur, die regelmässig in den Handschriften auf den
Krügen angebracht ist, aus denen das berauschende Getränk, der Honig-
wein, herausschäumt (vergl. Fig. 36 b, oben S. 107), und die nichts anderes,
als eine etwas stylisirte Form des yaca metztli, des halbmondförmigen
Nasenschmuckes der Pulquegötter, der in mexicanischen Bilderschriften
auf Trinkgefässen augebracht wird, zu sein scheint*). Der obere Theil
der Hieroglyphe zeigt die Streifung, die bei Schlangen angebracht zu
werden pflegt, und scheint die Schlange andeuten zu sollen, die nicht
selten den Weinkrug umwindend gezeichnet wird. Auch der Name cib
1) Vergl. Veröffentlichungen des Konigl. Musenms für Volkerkunde in Berlin, I. S. 132,
Idd und Fig. 61, 62, 8. 169.
128 Ed. Sbler:
passt zu dieser Vorstellung, denn ci ist die Maguejpflanze und wird
auch zur Bezeichnung des daraus bereiteten Pulque, wie jedes anderen
berauschenden Getränkes, verwendet. Gib durfte dann mit dem Instru-
mentalsuffix gebildet sein und ^was zu dem. Weine dient*' bedeuten, also
entweder den Honig oder, richtiger vielleicht, die narkotische Wurzel,
die dem gährenden Getränk zugesetzt wurde. Diesen Zusatz bezeich-
neten die Mexicaner mit pätli, „Medicin", wonach der Pulquegott
PatecatP) genannt ward. Eine Verbindung zwischen diesen Vor-
stellungen und dem mexicanischen Namen des Tageszeichens (cozca-
quauhtli, „Geier*^) ergiebt sich, wie ich ebenfalls schon in meiner
früheren Arbeit andeutete, aus der Vorstellung des Geiers, des kahlköpfigen^
als Symbol des Alters, denn nur dem Alter war in Mexico der Genuss des
Pulque, des berauschenden Getränkes, gestattet. Es scheint nun, als ob
auch der zapotekisehe Name dieses Tageszeichens in den Rahmen dieser
Vorstellungen sich fügt, denn loo, loo-pka heisst die Wurzel, könnte
also dem pätli der Mexicaner, dem Maya cib, d. h. der Pulquewürze,
entsprechen. Auch in unserer Sprache besteht ja ein unzweifelhafter
etymologischer Zusammenhang zwischen Wurzel und Würze. Ja, ich
meine, der Doppelsinn der zapotekischen Bezeichnung ist an der diver-
girenden Darstellung und Benennung des 16. Tageszeichens, wie sie im
mexicanischen und Maya- Kalender vorliegen, vielleicht mehr betheiligt,
als der Ideonzusammenhang, der die Vorstellungen von Geier, Kahl-
köpfigkeit, Alter und Pulque verknüpft. Irre ich nicht, so kommt eine
divergireride Darstellung auch in der Maya -Hieroglyphe dieses Tages-
zeichens direct zum Ausdruck. Denn gelegentlich finden wir als Variante
derselben die Fig. 60, in der der auszeichnende Bestandtheil Glicht das
Pulque -Symbol, sondern eine Feder oder vielleicht direct der Nachtvogel,
die Eule, ist (vergl. Fig. 63, eine der Hieroglyphen der Eule). Das
würde also der oben angeführten guatemaltekischen Benennung dieses
Tageszeichens entsprechen. Auch die Formen der Bücher des Chilan
Balam (Fig. 61, 62) scheinen eine Feder andeuten oder wiedergeben zu
sollen.
Das 17. Tageszeichen heisst im zapotekischen Kalender xoo. Das
entspricht genau dem aztekischen Namen desselben, olin, Bewegung, denn
das zapotekisehe Wort xoo verbindet mit der allgemeineren Bedeutung
„gewaltig", „kräftig", „gewaltsam" die besondere „Erdbeben": xoo,
xixooui, „temblor de tierra"; tixoo layoo, „temblar la tiorra"; pitäo-
xoo, „dies de los terremotos". Und bekanntlich wird in mexicanischen
Bilderschriften historischen Inhalts, wie in den Codices Telleriano Kemensis
1) In meiner Abhandhing ..Das Tonalamatl der AubinVhen SarnmluiiK'* (Compte
rendu, Vif. Shss. Congres int^'rnaHonal Ampricanist«»», Berlin 1888) habe ich die irrtbüm-
liche l^sart Pantecatl auf^enommeD Alle daran geknüpften Folgerungen sind also
hinfillig.
Zur medcanischen Chronologie. 129
und Yaticanus A, das Zeichen olin, — allerdings gewöhnlich in Ver-
bindung mit den braunen und schwarzen punktirten- Streifen, die die Erde
oder den Acker bedeuten, — allgemein zur Bezeichnung eines eintretenden
Erdbebens verwendet, wie auch das Zeitwort olini insbesondere vom
Erdbeben gebraucht wird: „auh in tlalli olini^ (Olmos).
Wenn aber dies die Grundbedeutung des olin ist, so werden wir auch
für die Hieroglyphe, mit welcher in den Maya- Handschriften das 17. Tages-
zeichen bezeichnet ist, eine ähnliche Ausgangsvorstellung ins Auge zu fassen
haben. Und in der That, schon der Name, den das Tageszeichen in den
Kalendern der Maya- Stämme führt, weist auf diese Grundvorstellung hin.
Das Tzental-Zo'tzil-Wort chic heisst „sich schütteln". Die guatemalte-
kische Bezeichnung noh heisst „gross", „gewaltig", entsprechend der
Grundbedeutung des zapotekischen xöo. Der Maya-Name caban heisst
„was nach unten gebracht, was unten ist", s. v. a. Erde, Welt. Eine noch
prägnantere Bedeutung hat das Stammwort cab, das in Charencey's
Vocabular mit „terrain volcanique" übersetzt ist, also „Erdbebengebiet".
Im weiteren Sinne wird es auch 'für „Erde", „Welt" gebraucht. Und
wenn dasselbe Stanmiwort cab ausserdem noch „Ausscheidung" und
„Honig" bedeutet („miel, colmena, ponzona de insecto, untuosidad de una
planta b fruta), so ist, scheint es, der Zwischenbegriff der des Abtropfens,
des nach unten Tropfens.
Die Formen der Hieroglyphe caban (Fig. 64) sind sehr überein-
stimmend. Ihre eigentliche Bedeutung aber hatte ich in meiner früheren
■
Arbeit noch nicht erkannt. Die Hieroglyphe enthält ein Element, das den
charakteristischen Bestandtheil der Hieroglyphe der jungen Göttin bildet,
der Chibirias oder Ixchebelyax, der, wie ich nachweisen zu können
glaube, der Name Zac Zuhuy, „die weisse Jungfrau", zukommt, ein
Name, den wir auch in dem Zac Ziui, dem Bacab der ix- Jahre, welchen
Lau da nennt, zu erkennen haben. In der Hieroglyphe dieser Göttin
(Pig. 65, 66) ist nun deutlich zu sehen, dass das Element, welches die
auszeichnenden Bestandtheile der Hieroglyphe caban bildet, einen Theil
des dunklen Haarschopfes mit den lang herabwallenden, peitschenartigen
Strähnen darzustellen bestimmt ist, die der ganzen Figur der Göttin, wo
sie voll gezeichnet ist, ein so charakteristisches Ansehen geben. Demnach
werden wir die Hieroglyphe caban nur als eine Abbreviatur der Hiero-
glyphe dieser Göttin aufzufassen haben, und kommen also wiederum auf
dieselbe Bedeutung zurück, die ich schon aus dem zapotekischen Worte
xoo ableitete, nehmlich auf die Erde. Denn die Ixchebelyax, die junge
Göttin, ist nur eine andere Form der Erdgöttin, die der alten Erdniutter
Ixchel in ähnlicher Weise gegenübersteht, wie bei den Mexicanem die
Xochiquetzal der Tonantzin. Einen schlagenden Beweis für die
Richtigkeit dieser meiner Auffassung der Hieroglyphe caban sehe ich in
dem Umstände, dass diese Hieroglyphe homolog auftritt der Hieroglyphe
Zttmchritt für Ethnologie. Jahrg. 1891. 10
130 ^* Selbb:
men (Fig. 57), die, wie ich oben ausführte, das Bild der alten Erdgöttin,
der Erdmutter, der Ixchel oder Tonantzin, wiedergiebt. Vergl. die
beiden Figg. 70 und 71, die Codex Tro 9*a für die herabfliegende Biene
gebraucht werden.
Mit dieser Auffassung des Zeichens caban stimmt nun endlich auch
sehr gut überein die Rolle, welche wir die Hieroglyphe caban in den
Ilieroglyphengruppen der Maya- Handschriften spielen sehen. Dieses Ele-
ment bildet nehmlich einen wesentlichen Bestandtheil in allen Hiero-
glyphen, welche das „unten** oder „das Herabkommen aus der Höhe**
versinnbildlichen. So in der Hieroglyphe der fünften Richtung (Fig. 5 — 7),
die das Centrum bezeichnet; in der Hieroglyphe der Biene (Fig. 68 — 71),
des von oben herabschwebenden Insekts; in der Hieroglyphe Fig. 74 — 76,
die das Ausgiessen aus dem Kruge oder dem Schlauche veranschaulicht;
in der Hieroglyphe Fig. 77, die das Fällen des Baumes bezeichnet; in der
aus dem Element caban gebildeten Schlange, auf welcher im Codex
Dresden 30a der grüne Chac, der Chac der fünften Richtung, her-
niederfährt. Wenn ich in meiner früheren Abhandlung diese caban -
Schlange, wie auch die Fig. 67, die in der Dresdener Handschrift an
mehreren Stellen als Sitz oder Fussgestell des Chac fungirt, und das
Element caban überhaupt als den himmlischen Sitz bezeichnet habe, so
habe ich dabei fölschlich das Herabkommen aus der Höhe an Stelle des
Herabkommens betont. In Wahrheit ist diese Figur, wie die Fig. 58,
die an anderen Stellen der Dresdener Handschrift als Sitz des Chac fun-
girt, als das „Unten*^, als die Erde zu bezeichnen. Das Gesicht der alten
Erdgöttin liegt ja in der Fig. 58 klar vor, während die Figur der
Hieroglyphe caban, wie ich oben anführte, die Frisur der Erdgöttin zur
Anschauung bringt. Ich erwähne noch die Fig. 72, welche im Codex
Tro 25*b das Bild des Tabak rauchenden Himmelsgottes begleitet. Nach
einer noch heute in Tucatan lebendigen Anschauung sind die Bai am, die
Götter der 4 Himmelsrichtungen oder der 4 Winde, grosse Raucher, und
die Sternschnuppen nichts anderes, als die brennenden Stummel der
Riesencigarren, welche diese Wesen vom Himmel hemiederwerfen. Und
wenn es blitzt und donnert, so schlagen die Bai am Feuer, um ihre
Cigarren anzuzünden^). Die Fig. 72 zeigt das Element des Steins und
das Element des Herabkommons aus der Höhe. Der bezeichnete Volks-
glaube erklärt daher in einfacher Weise diese sonderbaren Bilder und die
Hieroglyphen, welche diese Bilder begleiten. An einer anderen Stelle,
Codex Tro 26 *b, ist der Raucher im Text durch die Hieroglyphe der
Fig. 73 bezeichnet. Dieselbe ist entweder als „der Nächtliche*' zu über-
setzen (vergl. die Hieroglyphe akbal) oder als „der Rothe", „der Chac".
Denn das Element akbal habe ich an verschiedenen Stellen (z. B. Codex
Cortes 20d) als stellvertretend für Fig. 20 = Chac, „roth", angetroffen.
1) Brinton, Folklore Journal, VoL I.
Zar mexicanischen Chronologie. 131
Das 18. Tageszeichen führt im zapotekischen Kalender den Namen
opa oder gopa. Das ist ohne Zweifel dasselbe Wort wie copa, ^kalf^,
„Kälte"; täca-cöpa, tipfee-ebpa, frio hacer, tixöpa-ya, „mir ist kalt".
Diese Bezeichnung stimmt zu der Bedeutung des Zeichens im mexicanischen
Kalender (tecpatl, „Feuerstein") und zu den Bildern der Maya- Hiero-
glyphe (eonab), die ebenfalls den geschlagenen Stein, die Feuersteinspitze
zur Anschauung bringen. Denn die Begrifife „Stein", „Spitze", „Kälte"
gehen in der Vorstellung und in den Sprachen der Mexicaner in einander
über. Itztlacoliuhqui, der Gott des Steins, ist zugleich der Gott der
Kälte, der Verblendung und der Sünde.
Der zapotekische Name des 19. Tageszeichens ist schwieriger zu
deuten. Nach Entfernung der Vorsilben erhalten wir die Formen ape,
appe, aape, gappe. Das ist wohl in aa-pee oder caa-pee aufzulösen,
und dieses würde dann „mit Nebel überzogen" oder „Wolkenbedeckung"
bedeuten. Das entspricht nun zwar nicht direct der mexicanischen Bezeich-
nung qniauitl, „Regen", wohl aber der Form der Maya-Hieroglyphe
(Fig. 78), welche, wie ich in meiner früheren Arbeit nachgewiesen habe,
eine Abbreviatur des Kopfes des Mo an -Vogels (Fig. 46 — 48) enthält, der
mythischen Conception des muyal, der Wolkenbedeckung des Himmels.
Auch scheint die Benennung dem anderen mexicanischen Namen zu ent-
sprechen, den das Zeichen in Guatemala führte, ayotl, „Schildkröte".
Denn die Wolke wurde auch unter dem Bilde der fliegenden Schildkröte
angeschaut. Im Codex Cortes 17 a sehen wir das Bild derselben begleitet
von der Hieroglyphengruppe der Fig. 79, die in ihrem ersteren Theile
oben das Element des Fliegens und darunter das Element cauac enthält.
Und anderwärts sehen wir die Schildkröte bald in dem Wasserstrahl,
neben dem Frosch, von oben herunterkommen, bald mit aufgesperrtem
Rachen an dem Himmelsschilde hängen^).
Wenn aber die zapotekische Benennung des 19. Tageszeichens nur
mit einem gewissen Fragezeichen den Namen der anderen Kalender an-
zureihen ist, so bietet andererseits die zapotekische Sprache den einzigen
und directen Anhalt zur Erklärung der Rolle, welche wir die Hieroglyphe
cauac in den Maya -Handschriften spielen sehen. Wir finden nehmlich
einerseits allerdings Verwendungen, die dem Begriff Wolke oder Regen nahe
liegen. So die Hieroglyphe Fig. 80, die Begleithieroglyphe der Fig. 46, d. h.
des Vogels Mo an. Sodann die Fig. 28 (oben S. 107), die Begleithieroglyphe
des Namens Kinchahau, die ausser cauac noch das l^lement des Feuers
und das der Axt enthält, wobei man also an den aus der Wolke zuckenden
Strahl denken kann. Vorwiegend aber wird die Hieroglyphe cauac ein-
1) Eine ähnliche Rolle spielt die Schildkröte auch hei den nördlichen Indianern.
Catlin erfahr bei den Mandan: „There were four tortoises, one in the North, one in the
East, one in the Sonth and one in the West. Each one of these rained ten dajs and
the water covered the earth" (Dlustr. Mann. Cust. N. Am. Indians, £. p. 181).
10*
132 ^- Skler:
fach in der Bedeutung „Stein" oder „Gewicht" gebraucht. Das zeigt sich
am auffälligsten in den Thierfallen, die im Codex Tro 9 a und 22 *a ab-
gebildet sind, wo die der Balkenlage aufgelegten beschwerenden Steine
mit den Elementen der Hieroglyphe cauac beschrieben sind. Aber die-
selbe Erklärung müssen wir auch annehmen, wenn wir den Pyraraiden-
unterbau der Tempel mit den Elementen des Zeichens cauac bedeckt
finden. Und wenn im Codex Tro 15*a dem, einen Baum fällenden Chac
der Todesgott gegenübergestellt ist, einen Baum fällend, der mit den
Elementen des Zeichens cauac bedeckt ist, so ist hier wohl eben dem
Todesgott als starrer Stein untergeschoben, was bei Chac ein sprossender
Baum ist. Die zahlreichen Fälle, wo die Hieroglyphe cauac als Sitz oder
Fussgostoll der Götter dient, sind theilweise wohl als Wolken zu deuten,
in den meisten Fällen aber unzweifelhaft als Stein, homolog der Hiero-
glyphe caban und dem Elemente tun, „Stein", selbst (Fig. 85), die man
beide ebenso häufig als Sitz und Fussgestell der Götter gezeichnet findet
Ebenso zweifellos ist in der Hieroglyphe der Fig. 84, durch welche das
Tragen einer Last auf dem Rücken bezeichnet wird, das Element cauac
einfach als der Ausdruck des Beschwerenden, der Last aufzufassen. In
den sonderbaren Fällen, wo wir die Götter ein mit den Elementen des
Zeichens cauac versehenes Brett in der Hand halten sehen, oder wo vor
den Göttern ein mit einem geflochtenen GriflF versehenes Brett gezeichnet
ist, dessen Fläche mit den Elementen cauac bedeckt ist, scheint es sich
um Klangplatten zu handeln. Denn die beigesetzten Hieroglyphen scheinen
Musik zu bedeuten. Endlich finden sich auch directe Homologien zwischen
dem Elemente cauac und dem Elemente tun. So in der Hieroglyphe
des Jagdgottes der Fig. 83, dessen auszeichnendes Kennzeichen zu sein
pflegt, dass er in der Stimbinde ein Auge oder das Element tun (d. h.
einen Edelstein) trägt. Die Hieroglyphe dieses Gottes wird nehmlich bald
in Gestalt der Fig. 81, bald in der der Fig. 82 geschrieben. Und dass
hier das Element, das in Fig. 82 dem Element cauac sich unterschiebt
in der That als tun oder „Stein", „Edelstein" aufzufassen ist, das
ergiebt sich einerseits aus der Verwendung als Edelstein im Kopfschmuck
(tun, „piedra, piedra preciosa"), andererseits aus der als Basis für den
Pfahl, auf dem der Mam, der T3uayayab-Dämon, in den xma kaba
kin aufgesteckt wird (Codex Dresden 25c). Nun kann man ja allerdings
an sich schon mit einer gewissen Sicherheit einen begrifflichen Znsammen-
hang zwischen Wolken, Regen, Stein construiren, denn in jenen Gegenden
ist jeder Regen ein Gewitter. Immerhin aber wird man es begreiflich
finden, dass mir ein ganzer Bann von Zweifeln gelöst ward, als ich im
Verlaufe meiner zapotekischen Studien darauf stiess, dass im Zapotekischen
für „Regen" und „Stein" genau dasselbe Wort, nehmlich quia, quie,
gebraucht wird.
Für das letzte Tageszeiehen finden wir im zapotekischen Kalender
Zur mexicanischen Chronologie. 133
•
den Namen läo oder loo, und das bedeutet „Auge", „Gesicht", „Vorder-
seite". Das stimmt nun wiederum nicht direct zum mexicanischen
xochitl, „Blume", wohl aber zu der Form der Maya- Hieroglyphe
(Fig. 86, 87), die ohne Zweifel ein Gesicht darstellt. Auch der Name des
Maya-Zeichens ahau, „Führer", fügt sich dem an. Ein begriflFlicher Zu-
sammenhang zwischen „Auge" und „Blume" ist unzweifelhaft ebenfalls
vorhanden. Aus der zapotekischen Sprache kann ich ihn allerdings vor
der Hand noch nicht belegen. Aber in den zapotekischen Figuren, die
ich in dem 4. Heft des I. Bandes der Veröflfentlichungen aus dem Königl.
Museum für Völkerkunde beschrieben und abgebildet habe, wies ich die
Metamorphose des Auges in die Blume nach. Und vielleicht erklärt sogar
das zapotekische Wort für „Blume" einige sonderbare Homologien der
Hieroglyphe ahau. Im Zapotekischen heisst nehmlich die Blume quije,
also nahezu gleich dem Worte quie, „Kegen" und „Stein". Das i soll,
wie in einer Grammatik angegeben ist, mit stärkerer Betonung gesprochen
werden (^para esta hieren mas la ij que para significar la piedra"). Nun
ist es wirklich ein anfälliges Vorkommen, dass das Element ahau
(= mexicanisch xochitl, „Blume") in einigen Hieroglyphen homolog
auftritt dem Element cauac (= mexicanisch quiauitl, „Kegen"). Wäre
das ein vereinzeltes Vorkommen, so würde ich nicht gerade viel Gewicht
darauf legen. Aber da die in dem Obigen angestellten Untersuchungen
über die Bedeutung der zapotekischen Tageszeichon fast bei jedem der-
selben ergeben haben, dass die zapotekischen Namen das Bindeglied ab-
geben für anscheinend unvereinbare Verschiedenheiten in der mexicanischen
und in der Maya -Benennung und -Bezeichnung, so glaube ich auch dieses
Zusammentreffen den anderen einreihen zu müssen.
Dass das Zapotekenland dasjenige Gebiet war, durch welches vor-
zugsweise der Austausch der Cultureinwirkungen von dem mexicanischen
Gebiet nach dem der Maya- Stämme und umgekehrt sich vollzog, ist aus
der Lage desselben begreiflich und auch historisch bezeugt. Die obigen
Untersnchungen aber drängen zu dem Schluss, dass das Zapotekenland
noch mehr als ein Austauschgebiet war, dass es dasjenige Land war,
in welchem ein Factor, der in der Wissenschaft der mexicanischen Stämme
einen breiten Raum einnimmt, der mexicanische Kalender, seinen Ursprung
bat Thatsächlich ist bei keinem der anderen Stämme der Kalender und
die damit verknüpfte Schicksalsbestimmung so sehr alle Verhältnisse
beherrschend gewesen, wie bei den Zapoteken. Mit grösserer Sicherheit
wird man sich über diesen Punkt aussprechen können, wenn erst über
den an die Zapoteken grenzenden Maya -Stamm, die Tzental-Zo'tzil von
Chiapas, Genaueres bekannt sein wird.
Besprechungen,
B. Florschütz. Die Giganten -Säule von Schierstein. Wiesbaden,
Rud. Bechtold & Co., 1890. 8. 22 S. mit 2 Tafeln (Separat- Abdruck
aus den Annalen für Nass. Alterth. und Geschichte, Bd. XXII).
Die kleine Schrift bringt in sorgfältigster Ausführlichkeit die genaue Beschreibung'
des interessanten Fundes einer sogenannten Gigantensäule, welche letzthin (1889) in der
Nähe von Schierstein bei Wiesbaden, nicht weit von einem fränkischen Friedhofe, ent-
deckt worden ist und welche durch die Vollständigkeit der einseinen Theile unter der
grossen Zahl analoger Fundstücke eine hervorragende Stellung einnimmt. Nach den Aus-
f&hrungen des Verfassers kennt man gegenwärtig nahe an 50 solcher Säulen, jedoch nur
aus einem eng begrenzten Verbreitungsbezirk, der sich über beide Abhänge der Vogesen,
die Gegenden der Saar und der Meurthe bis zur Mosel im Luxemburgischen, und durch
die bayrische Pfalz bis zum unterlaufe des Mains und des Neckars erstreckt. Ihre west-
lichsten Fundplätze sind la Jonchere in der Auvergne, Cussy im C6te-d'or und Merten
bei Saarlouis. Die Zeit ihrer Errichtung ist, wenigstens für deutsches Gebiet, jetzt genau
festgestellt Zwei derartige Denkmäler von Heddemheim tragen die Jahreszahlen von
240 und 241 n. Chr.; an der Schiersteiner Säule ist der 28. Februar 221 als Tag der
Errichtung angegeben. Alle diese Säulen haben dieselbe Ausführung: eine Basis mit
römischen Götterbildern und eine Krönung durch einen liegenden, schlangenfussigen
Giganten, über welchen ein triumphirender Reiter hinwegjagt. Der Verfasser deutet unter
Anfuhrung guter Gründe den Reiter als Jupiter, der über einen niedergeworfenen Barbaren
siegreich vordringt. Die seltsame Darstellung des höchsten Gottes als Reiter wird mit
Glück auf keltische Ueberlieferungen bezogen, die ja allerdings in der gallorömischen
Archäologie eine grosse Rolle spielen. Da die Inschrift, wie einige andere, besagt, dass
der Gründer, hier ein römischer Legionär, Vis. Seneca, die Säule auf seinem Grunde
errichtet hat, so liegt die Beziehung an die Besiegung der Barbaren sehr nahe, näher
jedenfalls, als bei den Säulen im Innern Galliens, wo man geneigt ist, die ursprünglichen
Vorbilder zu suchen. Sehr sonderbar ist die Thatsache, dass diese Säulen vielfach in
tiefen Brunnen gefunden sind. So lag auch die Schiersteiner Säule in einem Brunnen-
schacht, 6,5 m unter der Horizontalebene der bedeckenden Lössschicht, und zwar unter
einer Reihe von sehr künstlichen Steindecken, welche absichtlich hergestellt sein mfiasen.
Der Verfasser vermuthet daher, dass die ersten Glaubensboten des Christenthums, welche
die Franken bekehrten, die, übrigens kopfüber in den Brunnen versenkte Säule „ein für
allemal und für ewige Zeiten von Gottes Erdboden tilgen wollten**.
Rud. Virchow.
Ernst Krause (Carus Sterne). Tuisko-Land, der arischen Stämme und
Götter Urheimat Erläuterungen zum Sagenschatze der Veden, Edda,
Dias und Odyssee, ülogau, Carl Flemmiug, 1891. 8. 624 S. mit 76 Ab-
bildungen im Text und einer Karte.
Der Verfasser, der unter seinem angenommenen Namen schon seit Jahren einen an*
gesehenen Platz unter den deutschen Schriftstellern errungen hat, bringt in dem vor-
liegenden Werke eine eigenartige, durch eine ungewöhnliche Fülle literarischer Kenntni8s«\
durch weitreichende Combination und Originalität der Gedanken und durch kühne Erfassung
der schwierigsten Probleme ausgezeichnete Leistung. Er stellt sich zu der von Jahr
zu Jahr an Zahl zunehmenden Schaar derjenigen, welche die ürheimath der Arier in Nord-
Europa suchen, und er hat Entschlossenheit genug, nicht bloss die nordischen Sage&,
sondern auch die nordischen Stämme für älter und ursprünglicher lu erkllren, als dir
südlichen und östlichen, welche sich nach seiner Meinung erst aus jenen entwickelt haben.
Besprechungen. 135
Der grosse Reichthuin an Kenntnissen im Gebiete der Mythologie und der Sagenkunde,
den er dabei vor dem Leser ausbreitet, wird an sich nicht verfehlen, die Aufmerksamkeit
der Folkloristen auf sich zu ziehen, und es lässt sich erwarten, dass der Eindruck ein sehr
nachhaltiger sein wird, da er seine Sätze durch zahlreiche Hinweise linguistischer und natur-
wissenschaftlicher Art zu stutzen weiss. Unsere Anzeige kann aus der gewaltigen Anhäufung
Ton wichtigstem Material keine Einzelbetrachtung herausnehmen; für eine genügende Be-
sprechung wird jede besondere Richtung des Wissens herangezogen werden müssen. Für
uns tritt jedoch eine Betrachtung in den Vordergrund, und diese ist, offen gesagt, nicht
ohne Bedenken über die Berechtigung des Verfassers zu seinem Vorgehen. Er construirt
den Arier auch anthropologisch. Nun wird nicht bestritten werden können, was ja auch
die Urheber und Vertheidiger der jetzt von ihm mit so viel Ungestüm angegriffenen indo-
germanischen Völkerfamilie verlangten, dass nicht bloss Sprachen und Sagen dieser
Familie auf eine gemeinsame Urquelle zurückgeführt werden müssten, sondern dass auch
die Einheit der Rasse im naturwissenschaftlichen Sinne darzulegen sei. Dazu genügt nun
aber die actnellc Forschung nicht. Was Blumenbach in der Aufstellung der kau-
kasischen Rasse versucht hat, das ist heute nicht mehr möglich. Die gegenwärtigen
Völker, grosse wie kleine, erweisen sich so sehr als Gemische verschiedener physischer
Typen, dass eine unabsehbare Summe von analytischen Arbeiten erforderlich ist, um die
einfachen Typen herauszuschälen und den Aufbau der „Völkerfamilien** aus ihren Grund-
elementen neu zu beginnen. Für den Verfasser sind diese Arbeiten eine Nebensache; er
hat gelegentlich sogar eine spöttische Bemerkung über das viele Messen und Untersuchen.
Frisch entschlossen nimmt er eine blonde dolichocephale und hochgewachsene Urrasse an,
aber wenn man diese bei Lichte besieht, so ist es keine andere, als die nordgermanische.
Die blonden Finnen behandelt er schon als einen Mythus, oder wenigstens sind ihm diese
blonden und brachycephalen Finnen germanische Mischvölker. Auch die brünetten Süd-
stimme, ja schon die brünetten Süddeutschen sind ihm secundäre Erscheinungen, die er
um so leichter in den Hintergrund drängt^ als er überzeugt ist, dass auch Hellas einst
Ton der blonden Rasse besetzt war. Die Frage der Descendenztheorie, ob denn überhaupt
eine blonde Urrasse existirt hat und ob nicht vielmehr die blonde Rasse selbst eine ab-
geleitete, die Metamorphose einer ursprünglich farbigen Rasse gewesen ist, berührt ihn
wenig. Man kann ihm daher den Vorwurf nicht ersparen, dass er sich die Sache etwas
leicht gemacht hat, dass er in der That auch nicht eine volle Kenntniss der anthro-
pologischen Thatsachen besitzt und dass er mit den ihm bekannten Thatsachen zuweilen
etwas cavaliermässig umgeht. Aber auch wir Anthropologen wollen gern anerkennen,
dass es seine Vorzüge hat, wenn die Dinge von Zeit zu Zeit mehr im grossen Styl um-
gewilxt und von ihrer Kehrseite aus betrachtet werden. Und so wollen wir uns gern dem
Beize hingeben, die griechische Mythologie im Sinne der Edda und als eine Tochter der-
selben and die Hellenen als Söhne oder Enkel nordischer Barbaren dargestellt zu sehen.
Rud. Virchow.
Carl Peters. Die deutsche Emin-Pascha-Expedition. München und
Leipzig 1891, R. Oldenbourg. 8. 560 S. mit 32 Vollbildern und 66 Text-
abbildungen, einer Portraittafel und einer Karte.
Verh<nissmässig schnell ist die Schilderung der mit so viel Theilnahme und Erregung
betriebenen und mit so grosser Energie und Zuversieht durchgeführten Expedition erschienen.
Der Mann, dessen Initiative das ostafrikanische Unternehmen zum grossen Theil seine
Verwirklichung verdankt, hat durch seine neue Leistung, unzweifelhaft die schwierigste,
die er zu einem, wenn auch nicht gelungenen, so doch glücklichen Ende gebracht hat,
einen glänzenden Beweis seiner Führer -Begabung abgelegt. Auch diejenigen, welche mit
Hm. Peters in den Zielen nicht übereinstimmen, werden ihm die Anerkennung nicht
versagen können, dass er unter den ungünstigsten Umständen und mit verhältnissmässig
geringen Mitteln einen Erfolg erzielt hat, auf den wenige gerechnet hatten und der
allein seinen persönlichen Eigenschaften zuzuschreiben ist. Die DarsteUung in dem vor-
liegejiden Werke ist eine offene und selbstbewusste, scheinbar ohne Rückhalt und in
136 Besprechungen.
voller Aufrichtigkeit gegehen; sie bietet für das psychologische Yerständniss des Yer^
fassers und seines Erfolges sicheres und genügendes Material. Wenn sie nicht in
gleicher Ausdehnung der Colonialpolitik und der Wissenschaft dient, so liegt der Grund
dafür zum grösseren Theil in Verhältnissen, welche au dieser Stelle nicht zu erörtern sind;
nur das mag gesagt sein, dass Hr. Peters, gleich so vielen „Pfadfindern^, nicht Zeit und
Neigung gefunden hat« die für eine wissenschaftliche Ausnutzung seines Kriegszuges
erforderlichen Vorstudien zu machen. Verglichen mit einer grossen Zahl anderer Reise-
werke, enth< das seinige immer noch verh<nissmässig eingehende Schilderungen von
Land und Leuten. Dieselben werden überdies durch eine ungewöhnlich reiche Beigabe von
Illustrationen veranschaulicht, von denen wohl angenommen werden muss, dass sie nicht
sämmtlich auf freier Erfindung des Zeichners beruhen, obgleich der Natur der Sache nach
eine aus eigener Anschauung fliessende Wiedergabe von Landschaften und Begegnissen
nicht erwartet werden kann. Wie schon öfter an dieser Stelle auseinandergesetzt ist, hat
diese Art von Illustrationen einen sehr bedingten Werth, am wenigsten einen wissen-
schaftlichen, namentlich so lange die Autoren oder Herausgeber sich nicht entschliessen,
für jede einzelne Illustration ehrlich einzugestehen, ob dieselbe auf Grund von Aufnahmen
oder Skizzen, die an Ort und Stelle angefertigt sind, entworfen wurde oder nicht Man kann
das grosse Geschick des Zeichners, Hm. Hellgrewe, und die Vorzüglichkeit der tech-
nischen Ausstattung Seitens der Verlagshandlung rühmend hervorheben, aber man kann
doch den Wunsch nicht unterdrücken, dass in einem Werke, welches in erster Linie dazu
bestimmt ist, einen authentischen Bericht darzustellen, wenigstens die Grenze, wo Dichtung
und Wahrheit einander beriihren, erkennbar gemacht wird. Dass die Mittheiinngen des
Verfassers in anthropologischer Beziehung keine Fortschritte bringen, ist eine Eigenschaft,
welche sie mit der Mehrzahl der Publikationen unserer Reisenden gemein haben. Dagegen
kann man sagen, dass sie für die ethnologische Erschliessung eines weiten und noch sehr
unbekannten Gebietes manche werthvolle Gabe enthalten. Leider sind diese Gaben aber so
zerstreut, dass es ein besonderes Studium erfordert, sie zu einer übersichtlichen Sammlung
zusammenzubringen; den Vorzug hat das Buch jedoch, dass ihm ein, freilich kurzes
Namen- und Sachverzeichniss beigegeben ist. Wer indess die Hoffoung hegt, es werde
ihm gelingen, z. B. über einen so merkwürdigen und zugleich so wenig bekannten Stamm,
wie die Wanderobo, der dem Verfasser oft genug begegnet ist, irgend etwas Eingehenderes
zu erfahren, der wird seine Wünsche nicht ohne Enttäuschung vertagen müssen. Nicht
einmal die Massai, deren häufige Berührung den Hintergrund für den grösseren Theil des
Werkes bildet, treten unserem wissenschaftlichen Verständniss so nahe, dass wir einen um-
fassenden Eindruck von ihrem Leben, ihren Sitten und Anschauungen erhalten. Der Ver*
fasser hat es sich hartnäckig versagt, auch nur seine persönlichen Eindrücke von den
einzelnen Stämmen zu anschaulichen Gesammtbildem zusammenzudrängen. Wer nicht
schon eine gewisse Kenntniss von dem Völkergewirr der ostafrikanischen Tropenländer
mitbringt, der wird durch die Lektüre des vorliegenden Werkes keine rechte Meinung
darüber gewinnen. Und doch sollte man nach der reichen Beanlagung des Verfassers
erwarten, dass er befähigt wäre, eine Art von Endurtheil auch über die ethnologischen
Besonderheiten der Ostafrikaner auszusprechen. Vielleicht wird ihm die neue Stellung,
die er eben angetreten hat, Gelegenheit und auch so viel Müsse, als für wissenschaftliche
Aufzeichnungen nöthig ist, zu ernsteren Studien gewähren. Rud. Virchow.
Objets du demier ägo du bronze et du premier age du fer decouverts en
Berry. Publ. par la Societe des Autiquaires du Centre. Bourges 1891.
14 p. avec une carte.
Die kleine Schrift bringt in gedrängter Kürze eine Zusammenstellung der bisher
bekannt gewordenen Funde aus der Bronze- und ersten Eisenzeit, welche in Berrj gemacht
worden sind. Es handelt sich dabei um 14 Funde aus der Bronze- und um 21 ans der
ersten Eisenzeit (Hallstatt), namentlich um Schwerter. Besonders interessant scheinen ein
grosser Depotfund von 628 Stücken aus einer Schmelzstätte von Villatte (commune de
Neuvjr-sur- Barangeon, Cher), der mit Pfahlbaufunden übereinstimmt, aus der letitCD
Besprechungen. 137
Bronzexeit, und mehrere Bronzeeimer aas der ersten Eisenzeit. Unter letzteren erwähnt
Referent eine gerippte Giste, die 1889 in einem Tumalns von Chaumoj (bei Le Subdraj,
eher) gefunden wurde; sie hatte 2 gedrehte Henkel und zwischen den Rippen Linien
gestanzter Punkte. Eine kleine Karte bringt die örtlichen Yerhältnisse zur Anschauung.
Die antiquarische Gesellschaft schliesst daraus, dass in dem durch sie durchforschten
Gebiete in jener Zeit keine fremde Invasion stattgefunden habe und ebensowenig durch
eine solche Invasion Waffen importirt seien, vielmehr glaubt sie eher, im Sinne von
LiTius, schliessen zu dürfen, dass von dem Centrum Frankreichs aus derartige Expeditionen
nach ausw&rts stattgefunden haben. Rud. Yirchow.
Aurel V. Török. Gmndzüge einer systematischen Eraniometrie. Metho-
dische Anleitung zur kraniometrischen Analyse der Schädelform für die
Zwecke der physischen Anthropologie, der vergleichenden Anatomie^ so-
wie für die Zwecke der medizinischen Disziplinen und der bildenden
Künste. Ein Handbuch fürs Laboratorium. Stuttgart, Ferd. Enke.
1890. 8. 631 Seiten mit 52 Pigurentafeln im Text.
Der Verfasser betont mit Recht den grossen Unterschied zwischen Kraniometrie und
Kranioskopie und er verlangt mit eben so viel Recht als Ergänzung für beide eine zu-
yerlftssige Kraniographie, ja er trägt kein Bedenken, die blosse Kraniometrie fOr gänzlich
unzureichend für die Bestimmung der Schädelform zu erklären. In dem Torliegenden
Buche stellt er sieh jedoch nur die Aufgabe, die systematische Kraniometrie zu behandeln,
und er thut dies in einer Ausführlichkeit und in einem Detail, wie es früher niemals auch
nur versucht worden ist. Das ist gewiss sehr nützlich, zumal, wenn man ihm darin bei-
treten wollte, dass bisher von einer systematischen Kraniometrie noch nicht die Rede ge-
wesen sei. Er ist von der Unbrauchbarkeit der bisherigen Arbeiten so überzeugt, dass
er erklärt, es müsse „behufs einer zweckmässigen Inangriffnahme der systematischen
Kraniometrie, wie überhaupt der ganzen Anthropologie, zuvörderst eine medizinische
Ckneration erst herangebildet werden^ (S. 24). Zu diesem Zwecke verlangt er nicht nur
anthropologische Lehrkanzeln an allen Universitäten, und zwar innerhalb der medicinischen
Fakultäten, sondern auch „mit allen nötigen wissenschaftlichen Hilfsmitteln versehene
anthropologische Laboratorien^; sei doch die Anthropologie ,Jene Disciplin, die das philo-
sophische Element in den medizinischen Fächern repräsentiere^. Von diesem Zustande sind
wir nun freilich recht weit entfernt und es möchte bezweifelt werden dürfen, ob einer der
Lebenden den Zeitpunkt erleben wird, wo nach dieser Auffassung die Medicin so weit
vorgerückt sein wird, um das „philosophische Element^ in sich aufgenommen oder wenig-
stens lebendig gemacht zu sehen. Jedenfalls wird mit der Kraniometrie allein noch kein
wesentlicher philosophischer Fortschritt erreicht werden. Trotzdem soll der Werth einer
systematischen, ja, sagen wir, auch nur einer verbesserten Kraniometrie nicht unterschätzt
werden: sie bildet in der That eine der Voraussetzungen für die wissenschaftliche und
insofern auch für die philosophische Betrachtung des menschlichen Kopfes. Aber es
darf wohl daran erinnert werden, dass sie nur deshalb einen grossen Werth hat,
weil sie eines der Hülfsmittel ist, um Rückschlüsse auf die Beschaffenheit des Qehims zu
machen, und weil gerade für den Mediciner die Frage im Vordergründe steht, inwiefern
die Kraniometrie und die Kranioskopie praktische Gesichtspunkte für die Herstellung einer
systematischen Encephalologie zu liefern im Stande sind. Der Referent, der in seiner
eigenen Entwickelung als Kraniologe von der Pathologie des Schädels und des Gehirns
aasgegangen ist, ist sich der Schwierigkeit dieser Aufgabe voU bewusst, und wenn er bei
jeder Gelegenheit offen anerkannt hat, dass die Kraniologie diese Aufgabe nicht gelöst
hat, so will er doch nach so manchem Jahr ehrlicher Arbeit auch seine Ueberzeugung
nicht verschweigen, dass eine volle Lösung des Problems auf diesem Wege überhaupt
unerreichbar ist VieUeicfat hat er sich einer zu grossen Resignation hingegeben, viel-
leicht wird die „systematische Kraniometrie** ungleich mehr leisten, als es ihm jetzt wahr-
scheinlich ist Gewiss wird er zu den ersten gehören, welche jeden grossen Fortschritt
»♦
1 38 Besprechangen.
auf dem Wege zur Herstellung einer zugleich praktischen und philosophischen Betrachtnng
des menschlichen Kopfes mit Freuden begrüssen. Aber er kann nicht sugestehen, dass
das bisher Erreichte werthlos sei, und er hält die harten und absprechenden Urthefle,
welche der Verfasser gegen die bisherigen Vertreter der Kraniologie richtet, f&r angerecht
und übertrieben. Wer den Znstand der Anthropologie vor 20 Jahren mit dem gegen-
wärtigen vergleicht, der muss anerkennen, dass diese Wissenschaft von einer Unmasse Ton
Irrthümern und falschen Voraussetzungen gereinigt worden ist und dass sie die
Kenntniss des Menschen und der verschiedenen Rassen und Stämme auf zuver-
lässige, thatsächliche Grundlagen gestellt hat Der Verfasser ist aber von einem
solchen Misstrauen in die bisherigen Vertreter erf&Ut, dass er kein Bedenken trägt,
ihnen die thörichtsten Absichten unterzuschieben, und zwar zu dem rein pexsön-
lichen Zwecke, ihre Autorität als unantastbar zu sichern. Sein Zorn richtet sich
vorzugsweise gegen die sogenannte Frankfurter Verständigung von 1882. Er fiber-
sieht planmässig, dass diese Verständigung nichts weiter beabsichtigt hat, als die Fest-
setzung gewisser Minimalforderungen, welche bei jeder Schädelmessung erfüllt werden
sollen. Er bleibt dabei, dass diese ,,Schablone^ dazu bestimmt gewesen sei, jede weitere
Entwickelung abzuschneiden und alle Anthropologen in eine Zwangslage zu bringen, in
welcher sie gehindert werden sollten, andere Methoden der Untersuchung, als die vor-
geschriebenen, auszubilden. Dagegen kann nicht lant und bestimmt genug Einspruch
erhoben werden. Jedem Theilnehmer an der „Verständigung^ war und ist es unbenommen,
auch andere Methoden zu suchen und anzuwenden, und die Erfahrung hat gelehrt, dass
dies in der That geschehen ist. Gehörte doch auch der Verfasser, wie er selbst in Erinne-
rung bringt, zu den Unterschreiben! der Verständigungs- Urkunde! Es ist doch eine
billige Forderung, dass wenigstens ein kleines Maass, dasjenige, welches für alle FäUe
erforderlich ist, von gleichartigen Untersuchungen durch jeden Anthropologen geleistet
werde, damit eine Vergleichung möglich werde und die Ergebnisse der anderen Forscher
von jedem verwerthet werden können. Es war niemals ausgeschlossen, dass eine weitere
Verstllndigung gefunden werde, wie sie denn in Wirklichkeit ffir die Bezeichnnng der
Schädelindices erreicht worden ist Der Verfasser klagt über die Tyrannei der Autoritäten,
und doch würde sein Vorbild nur dahin fuhren, an die Stelle der CoUectiv- Autorität,
in welcher jeder Einzelne Opfer zu bringen hatte, wieder die Individual- Autorität, d. h. die
ausgesprochene babylonische Verwirrung, wie wir sie friiher hatten, zu setzen. Dass die
Frankfurter Verständigung derartige Versuche nicht hindern kann, zeigt sein neues Buch,
das in seinem praktischen Abschnitte übrigens viel mehr Concessionen an die Frankfurter
^Schablone" macht, als er, wie es scheint, zugestehen will. Allerdings war diese
^Schablone*' nicht für das ^anthropologische Laboratorium^, wie der Verfasser es im
Auge hat, gedacht, sondern für das tägliche Arbeiten, nicht sowohl der Nominal-
Professoren für Anthropologie und ihrer Schüler, als vielmehr aller AnÜiropologen, auch
der Reisenden, der Künstler und aller derer, denen weder die Zeit, noch die äusseren Mög>
lichkeiten gegeben sind, in jenes feine Detail einzudringen, welches der Verfasser verlangt
Sonderbarerweise beruft er sich in seiner Opposition auf die Zustimmung solcher Schrift-
steller, denen schon das Messen ein Gegenstand des Spottes ist. Was würde er sagen,
wenn diese Herren erst ihre Aufmerksamkeit auf die 5000 Linien und 2500 Winkel richten
würden, die er als (Gegenstände der Untersuchung empfiehlt! und was würden die Wilden
erst sagen, wenn er ihnen mit seinen complicirten Methoden an die Köpfe kommen wollte!
Die kleine Zahl der messenden Anthropologen wird sicherlich die Wege des Verf. nicht
hindern, zumal wenn er seiner üblen Laune weniger Raum oder wenigstens weniger Aut-
druck gewährt: sie werden nicht einmal Bedenken tragen, eine oder auch viele seiner
Methoden anzunehmen, sobald er durch die That bewiesen haben wird, dass das Studium
der Anthropologie durch sie zu neuen Aufschlüssen über Menschen und Menschenrassen
geführt werden kann. Schon jetzt wird jeder Anthropolog aneri[ennen, dass der Verf in
nicht wenigen Beziehungen, so namentlich in der Verbesserung der Instrumente, be-
merkenswerthe Resultate gewonnen hat; sollte es ihm gelingen, auf Grund seiner Arbeiten
eine bequeme und praktisch ausführbare , Schablone" aufzustellen, so kann er sicher darauf
rechnen, dass sie ehrlich geprüft und, wenn sie sich bewährt, auch angenommen werden
wird. Das Studium seines Buches, das in sehr verständlicher Weise geschrieben und von
Besprechungen. 139
der Verlagshandlung in bester Weise aasgestattet ist, wird wesentlich dazu beitragen, die
Oemäther vorzubereiten und die Nachprüfung seiner Methoden einzuleiten. Warten wir
ab, tu welchem Ergebniss die praktische Erfahrung gelangen wird!
Rud. Virchow.
Ferd. Freih. v. Andrian. Der Höhencultus asiatischer und europäischer
Völker. Eine ethnologische Studie. Wien 1891, Carl Konegen. 8. 385 S.
Der Verf. hat schon durch die Richtung seiner früheren Arbeiten dargethan, in wie
natürlicher Weise er von seinem Fachstudium, der Geologie, aus die Geschichte mensch-
licher Cultnr in ihrer Verkettung mit der umgebenden Welt zu erfassen und in ihren
Konsequenzen su erklären vermag. In dem vorliegenden Werke, welches die Berge und
deren Stellung in der mystischen Auffassung der Natur zum Gegenstände hat, lag die
Versuchung sehr nahe, eine mehr spekulative Betrachtung vorwiegen zu lassen. Der Verf.
hat dieser Versuchung erfolgreich Widerstand geleistet; seine Arbeit ist eine wesentlich
objektive, indem er aus den Berichten über die verschiedensten Völker Asiens und Europas,
sowie aas den Schriften specialistischer Schriftsteller über Mythologie und Sagenkunde
das einschlagende Material gesammelt hat und in übersichtlicher Ordnung vorführt. In
der mehr und mehr erstarkenden Weise der empirischen Psychologie versucht er, das an-
ziehende Problem, wie der Mensch seine Anschauung von den „heiligen Bergen** gestaltet
hat, an der Hand ethnologischer Erfahrung zu lösen Auch der anderen Versuchung ist
er nicht erlegen, obwohl sie gewiss sehr nahe lag, sich in den Zusammenhang der volks-
thümlichen Tradition, namentlich den indogermanischen Sagenkreis, zu vertiefen Freilich
schliesst er, was zu bedauern ist, die polynesische Inselwelt, America und Africa von
seinen Erörterungen aus, aber er nimmt die gelbe Rasse in ihrer ganzen Ausdehnung in
dieselbe auf; ja, die Chinesen und Japaner, die arktischen und sogar die malayischen
St&mme, letztere bis nach Madagascar, liefern ihm sogar vorwiegend sein Material. Daran
sehliessen sich die anarischen Völker Indiens und die Semiten. Also ein grosses Gebiet
für vergleichende Betrachtung. Er zeigt dann, wie auch ohne direkte Beeinflussung
des einen Stammes durch den anderen die Volksseele an den verschiedensten Orten die-
selben Wege wandelt, wie und warum sie den Bergen eine höhere und zwar vergeistigte
Bedeutung beilegt, ihr eigenes Streben und Hoffen, ihre Furcht und ihre Sorgen mit ihnen
in Verbindung bringt und nicht selten darin endigt, die Berge in rein animistischem Sinne
ZQ deuten. Hoffentlich wird der für diese Arbeit besonders veranlagte Verfasser seine
fruchtbare Th&tigkeit nicht mit dem vorliegenden Werk als beendigt ansehen. Die anderen
Wehtheile erfordern eine analoge Sichtung der Quellen. Aber noch mehr würden wir es
dem Verf. danken, wenn er sich auch der weiteren Aufgabe nicht entziehen wollte, das
Schlnssergebniss seiner Betrachtungen in zusammenfassender Analyse der Einzelangaben
vorzutragen und den Einflnss der Berge auf die religiösen Anschauungen im Grossen dar-
zolegen. Er ist, wie das Buch zeigt, durch seine bisherigen Studien genügend mit der
Literatur bekannt, um ohne zu grosse Vorarbeiten an das Werk gehen zu können.
Rud. Virchow.
R. Verneau. Les races humaines. Preface par A. de Quatrefages.
Paris, J. B. Bailliöre et fils (ohne Jahreszahl), gr. 8. 792 p. avec
500 figures. (Aus A. E. Brehm, Les merveilles de la nature. L'homme
et les animaux.)
Unter der Zahl der sehr übersichtUchen und verhftltnissmftssig billigen Volksbücher,
welche die Sammlung Brehm lunfasst, dürfte das vorliegende ein besonders wirkungsvolles
werden. In grossen Zügen, sehr häufig in den Worten der Beobachter selbst, giebt es
eine Schilderung der verschiedenen Rassen und St&mme, nicht bloss der lebenden, sondern
anch der vorgeschichtlichen und der fossilen, überall erläutert durch Text- Abbildungen.
Letztere, nach Art derjenigen im Tour du monde ausgeführt, gehören nicht zu den Glanz-
140 Besprechungen.
punkten des Werkes, da sie im Ganzen, namentlich aber in den Abbildungen der nackten
Theile der Menschen, zu dunkel und schmutzig sind, um einen vollen Eindruck zu machen.
Trotzdem bilden sie eine werthyolle Beigabe, da sie zu einem grossen Theil nach Photo-
graphien des Museum d^histoire naturelle und sonst nach neu heimgebrachten Photo-
graphien der Reisenden gemacht worden sind. In Beziehung auf den Text hebt Herr
de Quatrefages, der eine sehr eingehende Vorrede geschrieben hat, die Selbständigkeit
seines Präparators hervor, und in der That zeigt der letztere öfters Bedenken, wo sein
Meister bestimmte Urtheile aussprach, und umgekehrt. Aber der Unterschied ist nicht
gross; die Urtheile des Meisters werden doch gewöhnlich wörtlich citirt, und die Kritik^
namentlich die deutsche, bleibt dagegen machtlos, denn entweder kennt der Verfasser sie
nicht, oder er erw&hnt sie wenigstens nicht Die Rasse von Canstatt erscheint genau in
der alten Weise, gleichsam als wäre die vernichtende Kritik über den „Schädel von Can-
stadf* niemals vorgekommen; nur darin liesse sich vielleicht eine Nachwirkung erkennen,
das3 die race de Canstadt nicht bloss mit der race du N^anderthal identificirt, sondern
schliesslich in die race de Spj verwandelt wird, weil sowohl der Schädel von Canstatt,
als der aus dem Neanderthal „schlecht datirt^ seien (p. 52). Dagegen hält der Verfasser
mit Bestimmtheit trotz aller Gegenbeweise daran fest, dass die von Hrn. Capellini
geschilderten Balaenotus- Knochen vom Monte Aperto Einschnitte menschlicher Werkzeuge
tragen (p. 27) , dass die Feuersteine von Thenay und Otta Produkte des tertiären Menschen
sind, u. s. w. Die Krone dieser wiederkäuenden Darstellung bildet der kurze Abschnitt
über die Prussiens (p. G57), der mit den Worten beginnt: Cest avec intention que j^ai
omis de citer les Prussiens parmi les Allemands du Nord. Comme le disait si bien
M. Godron, les habitants du Mecklembourg, de la Pom^ranie, du Brandebourg et de la
SiUsie „ne sont ni des Allemands, ni des Slaves; ils sont Prussiens*'. Und mit Zuversicht
fugt er hinzu: M. de Quatrefages, qui a fait de cette question une ^de speciale, a publik,
en 1871, le r^sultat de ses recherches sur la Race prussienne. Ses conclusions concordent
avec Celles de M. Godron. Les Prussiens sont le r^sultat du melange de Finnois, de Slaves,
de Germains et de Fran^ais cmigrcs k la suite de la r^vocation de Pödit de Nantes.
Chacune de ces races a apporte sa part au fond commun. So erwuchs auf einem un-
dankbaren Boden und unter einem rauhen Himmel der Prussien: A cette ^cole Pintelligence
grandit^ les volontös s'affermirent, les courages se tremperent comme les corps; mais
aussi les coeurs s'endurcirent^ Tambitiou se developpa, et la röUgion elle-meme prit trop
souvent un caractere sanvage. Ce ne fut plus le Dieu du Christ, le pere commun, que
Ton invoqua, ce fut J^hovah le vengeur. Wie es scheint, meint der Verfasser den Gott
der Antisemiten. Sollte Hr. de Quatrefages in der That noch immer glauben, dass
das Wissenschaft sei? Sicherlich wird er aber den Adepten des Museums nicht von seinen
Rockschössen abschütteln können. Rud. Virchow.
M. Höfler. Der Isar-Winkel, ärztlich -topographisch geschildert Mflnehen
1891, Ernst Stahl sen. 8. 280 S. mit Tafeln und eingedruckten Illu-
strationen.
Der Verfasser, Bezirksarzt in Tölz, schildert in höchst eingehender und fast ängstlich
genauer Weise die geologischen und orographischen Verhältnisse seines Bezirkes, er bringt
eine topographische Beschreibung der einzelnen Ortschaften mit ihrer Bevölkerung, er
bespricht das Klima und die Witterung, die Quellen und Wasserlftufe, giebt in ausführ-
lichster Weise die Statistik, genug er liefert ein mustergültiges Handbuch der Local-
Anthropologie. Er schildert die Einrichtung der Flur und des Hauses (S. 57), die Ab-
stammung der Bevölkerung (S. 144), die Augen-, Haut- und Haarfarbe (S. 146), die Schidel-
bildung (S. 155) und das sonstige körperliche Verhalten der Bewohner (S. 161), namentlich
Kropf und Cretinismus. Es mag hervorgehoben werden, dass die Zahl der Brachycephalen
97,5 pCt. beträgt, und dass der Verfasser aus seinen Untersuchungen den Einflnss de«
Bodens als einen starken Factor in der Umbildung der menschlichen Organisation nach«
zuweisen bestrebt ist. Jedenfalls muss man ihm dankbar sein für seine gewisdenhafte
Arbeit Bud. Virchow.
vn.
Zur Maya- Chronologie
von
Prof. Dr. E. PÖRSTEMANN in Dresden.
In der bisherigen Lehre vom Maya -Kalender finden sich einige un-
erklärte oder anstössige Punkte, für die man eine Erklärung oder Berich-
tigimg suchen muss. Ich führe diese Punkte hier, mit Nummern versehen,
an, um mich auch weiterhin auf diese Nummern beziehen zu können.
1. Die Reihe der 20 Tage soll entweder mit imix beginnen, wofür
die Anordnung im Aztekischen, sowie mehrere Stellen im Tro-Cortesianus
sprechen, oder mit kan, welche Ansicht sich auf das ausdrückliche Zeug-
niss des Diego de Landa, sowie auf den Dresdensis gründet.
2. Alle Berechnung grosser Zeitperioden soll nach meiner eigenen,
im Jahre 1887 aufgestellten Hypothese vom 8. Tage des 18. Monats aus-
gehen. Was ist der Grund einer so hervorragenden Stellung dieses
Tages?
3. Die Zählung der 24jährigen Perioden, der ahau^s, soll beginnen
vom 2. Tage der cauac- Jahre. Wie mag dieser Tag dazu kommen?
4. Der Tag XTTT 20 hat im Dresdensis entschieden eine grosse Be-
deutung in solchen Fällen, wo es sich nicht um eine Periode von
260 Tagen handelt, sondern um ein in 4 Viertel von je 91 Tagen getheiltes
äonnenjahr. Wie erklärt sich diese Bedeutung in diesem Falle?
5. Die Blätter 25 — 28 des Dresdensis^ die ganz entschieden den Jahres-
wechsel zum Gegenstande haben, sollen, genau genommen, nur die beiden
letzten der unglücklichen Schalttage am Jahresschlüsse behandeln. Warum
bloss diese?
6. Die Ealenderdaten haben die Form z. B. DI, 2; 13, 3. M., was
ich im Jahre 1887 so deutete: der 3. Wochentag chicchan, auf welchen
der 13. Tag des 3. Monats folgt. Habe ich auch diese Auffassung zu
begründen versucht, so haftet ihr doch immer etwas Gezwungenes an.
Wie lässt sich das beseitigen?
Ich bin nun vor Kurzem auf die Annahme gekommen, dass man am
Ende des 15. oder Anfang des 16. Jahrhunderts die Unordnung bemerkt
habe, die dadurch entstanden war, dass man das Jahr nur zu 365 ganzen
Tage« annahm. In früherer Zeit ist solche Unordnung vielleicht gar nicht
möglich gewesen, denn damals wird man wohl gar nicht das Sonnenjahr,
Z«it*cferlfl für Btbnologi«k Jahrg. ^991. H
142 E. FÖRSTEMANN:
sondern nur die Zeit von 260 Tagen, das tonalamatl, vielleicht auch eine
Periode von 400 (20 X 20) Tagen der Zeitrechnung zu Grunde gelegt
haben. Um nun jene Unordnung zu beseitigen, denke ich, man habe,
wie es auch ähnlich von anderen Völkeni geschehen ist, 17 Tage ein-
geschaltet und statt des Tages imix, der bis dahin die Tagesreihe begann,
den verflossenen Tag kan und die folgenden Tage noch einmal eintreten
lassen. Auf jener älteren Anordnung beruhen nun die Spuren im Tro-
Cortesianus, z. B. Cort. 31a, Tro 36, mag dieser nun älter sein als der
Dresdensis (was man mir brieflich nicht zugeben will) oder aus einer
älteren Handschrift abgeschrieben oder in einer anderen Gegend entstanden
sein, die hierin noch der aztekischen Weise folgte. Landa aber, der
jedenfalls von seiner Zeit sprach, ist vollkommen glaubwürdig, wenn er
kan als 1. Tag setzt, zumal der Dresdensis diesem Tage den Vorrang
giebt; ich erinnere nur an die höchsten Zahlen dieser Handschrift, die in
den Schlangen auf Blatt 61 und 62, die alle 8 von einem Tage, kan, aus
gezählt sind. So erkläre ich mir die oben angeführte Nr. 1.
Weiter aber erklärt sich nun auch sehr einfach die Nr. 2. Denn jener
8. Tag des 18. Monats, von dem alle Zeitrechnung ausgeht, war ja vor der
Kalender -Verbesserung der 25., also der letzte Tag des 18. Monats und
damit des ganzen Jahres, wenigstens alle 4 Jahre. Die Maya^s zählten
also, wie viele Tage seit ihm, als dem Nullpunkte, verflossen waren. Die
Jahre, welche auf ein mit ahau schliessendes Jahr folgten, fingen ganz
passend mit imix, dem ersten Tage der Reihe, an, die anderen mit cimi,
chuen und cib (nach meiner Bezeichnung 3, 8, 13). Es wäre anziehend,
wenn man auch bei diesen 3 Tagen die Spuren einer einstigen hervor-
ragenden Bedeutung entdeckte; man beachte z. B. Cort. 13b bis 18b, wo
4 Reihen von je 52 auf einander folgenden Tagen gerade mit diesen
4 Tagen (jede mit einem derselben) beginnen.
Nun erhält auch Nr. 3 ein neues Licht. Nach diesem Anfangspunkte
aller Zeitrechnung, diesem letzten Tage der mit cib beginnenden Jahre,
wurde die dann beginnende 24jährige Periode (die zugleich die Periode
von 15 scheinbaren Venusjahren war) stets gezählt. Der 4 ahau z. B.
beginnt mit dem Jahre 5 imix und jeder ahau so mit diesem ersten Tage,
bis durch Einschub dt*r 17 Tage Alles verschoben wurde. Es sieht wie
eine Milderung dieser schroffen Umwälzung aus, dass statt des imix^ des
Maisbrotes, sein Synonjrmum kan, das Maiskorn, gesetzt wurde, deren
beide Hieroglyphen sich in den Handschriften unzählige Male eng ver-
bunden zeigen.
Während so die ersten 3 Punkte durch meine Annahme einer Kalender-
Verbesserung sich erklären, geschieht es in Bezug auf die drei anderen
durch einen Gedanken des Hm. Dr. Sei er, den derselbe mir brieflich
am 21. December 1890 äusserte. Derselbe schreibt mir nehmlicb, daM
nach seiner Ansicht im Dresdensis die Jahre nicht mit kan, muluc, ix und
Zur Maya- Chronologie. 143
cauac, sondern mit akbal, lamat, ben und ezanab beginnen; die Schluss-
tage der Jahre müssen also nun, nach der Kalender -Verbesserung, ik,
manik, eb und caban sein. Als Haupttage gelten aber immer noch kan
u. 8. w., und die Jahre werden nach dem darin zuerst begegnenden Haupt-
tage bezeichnet. Als deutliche Haupttage treten sie z. B. hervor im
Cort. 3 a bis 6 a, Tro 33 c bis 32 c, Tro 23 bis 20, Dresd. 9 b, 29 c.
Nun fallt ein neues Licht zunächst auf Nr. 4. Der Tag XHI 20
(akbal), worin sich die höchste Wochentagezahl mit dem letzten Tage der
Reihe verbindet, ist nichts Anderes, als der Neujahrstag der Jahre 1 kan.
Jene Perioden zu 91 Tagen sind also, zu je 4 geordnet, die 4 Mal 91 Tage,
die, auf den Tag XHI akbal folgend, das Jahr 1 kan ausfüllen, so z. B.
im Dresdensis Blatt 32 und 64. In der an dieser letztgenannten Stelle
befindlichen Reihe sieht man recht deutlich die Bedeutung des Sonnen-
jahres, betont durch die ganz eigenthümlich feierlich gestalteten Zeichen
für die Null im vierten und achten Gliede der Reihe, also am Schlüsse
des ersten und zweiten Jahres.
Weiter erledigt sich auch, wie schon Hr. Dr. Seier selbst mir schreibt,
ganz einfach Nr. 5. Denn nun sind im Dresdensis 25 — 28 nicht die beiden
letzten Tage des Jahres^ sondern viel natürlicher der Schlusstag des alten
und der Neujahrstag des neuen Jahres behandelt. Ich muss es Herrn
Dr. Sei er überlassen, seine Ansicht durch Besprechung der Bilder und
Schriftzeichen zu bestätigen.
Endlich gestaltet sich auch Nr. 6 mehr zufriedenstellend. Denn nun heisst
lU 2; 13, 3. M. nicht mehr 3 chiechan, worauf der 13. Tag des 3. Monats
folgt, sondern viel einfacher, welches der 13. Tag des 3. Monats ist.
Das Normaldatum IV ahau, 8, 18. M. liegt also nun wirklich am 8. Tage
des 18. Monats, und zwar, wie ich immer annahm, im Jahre 9 ix, das aber
nach dieser neuen Ansicht mit 8 ben begann.
Es liegt nun nahe, von dem festen Punkte der Zahlen und Rechnungen
aus weitere Eroberungen auf dem Gebiete der Schriftzeichen zu ver-
suchen; am nächsten aber liegt diesmal die Umschau nach Bildern für die
Begriffe des Jahres, des Jahreswechsels, des Jahresanfangs und des
Jahresschlusses. Wie die Schtangenbilder überhaupt eine unleugbare
Beziehung zu Zeiträumen haben, so scheint mir das vollkommenste Bild
für das Jahr eine Schlange zu sein, die einen geschlossenen Ring bildet.
Eine solche Schlange finden wir im Cort. 3 a und in sie hineingeschrieben
die Zahl 18, welche ich durch die 18 Monate deuten möchte. Auch im
Cort. 4a, 5a, 6a begegnet man stets einer Schlange mit beigescbriebener
18, so dass man hier auf diesen 4 Blättern leicht an die 4 Arten von
Jahren denkt.
Ebenso glaube ich ein sehr vollkommenes Bild des Jahreswechsels
gefunden zu haben, und zwar im Dresd. 68 links oben in den zwei mit
dem Rücken gegen einander gelehnten Götterbildern, die auf einer Reihe
144 S- FÖBSTBMAHH:
Yon Himmelszeicheu sitzen, welche fast wie Dach und Wand eines Hauses
geordnet sind. Dieses Bild aber gehört zu einem grossen Abschnitte,
welcher auf Blatt 65 beginnt und mit der linken Seite yon Blatt 69 schliesst
Ich muss hier auf diesen Abschnitt etwas näher eingehen, als ich es in
meinen „Erläuterungen*^ (Dresden 1886) konnte.
Den eigentlichen Korn dieses Abschnittes bilden 4 Reihen zu 91 Tagen,
also ein Jahr; die nähere Erklärung dazu besteht aus 6 Reihen Schrift-
zeichen und 26 Bildern. Nun, da ich glaube, die oberste, fast ganz zer-
störte Reihe aus den noch übrigen Spuren ergänzen zu können, lese ich
diese 4 Reihen in folgender Weise :
9XII,5IV, 1 V, 10II,6VIII,2X,llVIII,7n,3V, 12IV,8XII,4III,13IIL
111,131, llXII,lXIII,8Vm, 6I,4V,2VII,13Vn,6Xin,6VI,8I,2ra.
1 1 XI, 1 3 XI, 1 1 IX, 1 X, 8 V, 6 Xt, 4 n, 2 IV, 1 3 IV, 6 X, 6 m, 8 XI, 2 XHI.
9IX, 51, in, loxn, 6 V, 2 vn, 11 V, 7XII, 311, 121, 8ik,4xni, i3xra.
Die Betrachtung dieser 4 Reihen zeigt, dass jede derselben mit ihrem
Ende sich ganz gut wieder an ihren eigenen Anfang anschliesst, dass aber
auch vom Ende der vierten zum Anfang der dritten und ebenso vom Ende
der zweiten zum Anfang der ersten guter Anschluss stattfindet, ebenso
auch umgekehrt vom Ende der dritten zum Anfang der vierten und vom
Ende der ersten zum Anfang der zweiten. Dagegen stehen die zweite
und dritte Reihe in keiner solchen Verbindung.
Nun sehen wir femer, dass der Endpunkt der ersten beiden Reihen
ein Tag HI, der letzten beiden ein Tag XIII ist. Was liegt da näher,
als an die beiden Tage m 2 und Xm 20 zu denken, die auf Blatt 62—64
von so grosser Bedeutung sind? Dann zeigt sich unser Abschnitt (Blatt
65 — 69) wie eine Einleitung zu jenen Blättern, und es tritt wieder ein
Stück unserer Handschrift in Harmonie mit einem anderen.
Jede Reihe ist, wie wir sehen, in 13 Zeiträume zerlegt, deren Durch-
schnittsdauer also die von 7 Tagen ist; die 4 Reihen bilden daher 52 Zeit-
räume. Nun finden wir auf diesen Blättern 26 Bilder; es bleibt also die
Hälfte jener Zeiträume anscheinend ohne Bild. Von den Bildern stehen
13 zwischen der zweiten und dritten, 13 unter der vierten Reihe, doch
wohl nur in Rücksicht auf symmetrische Anordnung der Blätter.
Weiter zeigt sich aber, dass, wenn man oben mit der ersten Reihe
anfängt und zur zweiten fortschreitet, unten dagegen mit der vierten
beginnt und daran die dritte anschliesst, beide Reihen ganz gleichmässig
verlaufen und die mit arabischen Ziffern bezeichneten Zwischenräume
zwischen den einzelnen Tagen ganz dieselben, beide Reihen also ge-
wissermaassen identisch sind^ und deshalb die 26 Bilder unter Umständen
für beide Reihen, also für alle 52 Zeitabschnitte gelten können, obwohl
die Anfangspunkte verschieden sind. Doch will es mir scheinen, als ob
Bilder sowohl als Schriftzeiehen sämmtlich nur auf die unteren beiden
Reihen, also auf den wichtigeren der beiden Tage (XIH 20), sich beziehen.
Zur Maya- Chronologie.
145
Nun steht auf Blatt 65 am Anfange (links) der untersten Reihe der
Schriftzeichen 9 kan. Sollte das nicht das hier gemeinte Jahr sein, das
übrigens vielleicht nicht zufällig das mittelste eines mit 9 ix beginnenden
katun ist? Im Jahre 9 ix scheint ja, wie ich im Compte rendu des Ber-
liner Americanisten-Congresses p. 742, dargethan habe, der Anfang der
Maya -Zeitrechnung zu liegen. Der Tag XIII 20 aber ist im Jahre 9 kan
der erste Tag des 11. Monats (nach der neuen Annahme, dass 9 kan der
zweite Tag des Jahres ist); das wäre der Anfangspunkt der vierten Reihe.
Zählt man nun in dieser vierten Reihe mit den Differenzen 9, 5, 1 u. s. w.
fort, so endet sie mit dem 12. Tage des 15. Monats, und die dritte Reihe
beginnt mit dem 3. T<ige des 16. Monats. Das neunte Glied dieser dritten
Reihe wäre der 21. Tag des 18. Monats, das zehnte der 2. Tag des
1. Monats, also der dem neuen Jahre den Namen gebende Tag 10 muluc.
Und gerade an dieser Stelle (Blatt 68, links oben) treffen wir jenes Janus-
bild. Und um diese Bedeutung noch klarer hervorzuheben, stehen über
den Göttern 2 Zeichen, die einer liegenden 8 (oo) sehr ähnlich sind. Ich
denke, das ist die hieroglyphische Abkürzung für 2 an einander stossende
Schlangen, also 2 Jahre. Und unter den darüber stehenden Schriftzeichen
ist das erste in der obersten Zeile nichts als die graphisch abgekürzte
Wiedergabe der 2 sich an einander lehnenden Personen (Fig. 1). Rechts
c/o
igji<^
8
OIIOs
10
11
12
18
davon aber finden wir ein sehr zusammengesetztes Schriftzeichen, dessen
einer Theil wieder jener liegenden 8 sehr ähnlich ist. Ich hoffe, dass wir
auf festem Boden stehen. Ja, sogar das vorhergehende 9. Bild (Blatt 67,
oben rechts) könnte auf den Jahres schluss deuten; es ist ein schreitender
Gott, zu dessen Füssen eine kleine Gottheit wie in einem Sacke ein-
geschlossen liegt, also vielleicht das alte und das noch nicht aus dem Ei
gekrochene junge Jahr.
Dass dieses neue Jahr ein muluc -Jahr ist, scheint mir auch aus dem
fortwährend strömenden Regen des 10. bis 13. Bildes hervorzugehen, ebenso
ans dem auf dem 11. Bilde und in dem dazu gehörigen Schriftzeichen
erscheinenden, uns aus Dresd. 44 — 45 besonders bekannten Sturm- oder
Blitzthiere (vergl. Seier, diese Zeitschrift 1888, S. 68 und 69 des Separat-
abdmckes).
Zwei an dieser Stelle vorkommende Gebilde können wir auch noch
146 E. FÖR6TBMANN:
an anderer Stelle dieser Handschrift sehen. Zunächst die beiden, Rücken
gegen Rücken sitzenden Gestalten auf Blatt 22, unten rechts, als letztes
der oberen Reihe von Schriftzeichen. Hier ist deutlicher, als an der eben
besprochenen Stelle, zu sehen, dass sie statt der Köpfe 2 halbe (auf- oder
untergehende) Sonnen haben. Dass hier wirklich ein Jahreswechsel vor-
liegt, kann ich nicht entscheiden, da mir bisher nicht gelungen ist (was
ein sehr bedeutender Schritt vorwärts wäre), das Ealenderdatum des An-
fangs der verschiedenen tonalamatl der Handschrift zu ergründen. Eine
solche, wie es scheint, ganz unbekleidete Person dieser Form begegnet
uns in der Handschrift öfters, z. B. auf Blatt 58 rechts, sogar mit dem
Kopfe nach unten, neben einem Venusbildo, auf Blatt 57b und 58b. Auch
wenn hier gar nicht Personen, sondern Wolkengebilde gemeint sind, hinter
denen ein Gestirn auf- oder untergeht, wird meine Deutung auf den
Jahreswechsel dadurch nicht berührt. Nachträglich sehe ich, dass Dr. Seier,
Charakter der Maya- Handschriften, S. 9 des Separatabdruckes, wirklich
hierin Menschenbilder sieht.
Mit der im Sacke eingeschlossenen Gottheit könnte man das Bild
links auf Blatt 33 c vergleichen, doch ist hier zu berücksichtigen, dass
Dr. Seier, Charakter der Maya -Handschriften, S. 88 des Separatabdruckes,
hierin wohl mit Recht die Höhlung eines Baumes (des Wolkenbaumes)
erkennt.
Eine andere Art der Bezeichnung des Jahresschlusses möchte ich auf
Blatt 53, unten, der Dresdener Handschrift, auf die ich mich hier be-
schränken muss, erblicken. Dort sehen wir eine todte Frau an einem
Strick erhängt, der an Himmelszeichen befestigt ist. Ueber ihr stehen
8 Schriftzeichen zu je vieren in 2 perpendiculären Reihen. Das 3. Schrift-
zeichen der 2. Reihe zeigt in der Mitte wieder das einer 8 ähnliche Gebilde,
diesmal in aufrechter Stellung; in dem rechts davon angehängten Zeichen
sehe ich die abgekürzte Hieroglyphe für den Westen oder die ix -Jahre
(s. Schellhas, Die Maya -Handschrift zu Dresden, 1886. S. 70); in dem
links angefügten aber nicht das erwartete Zeichen für den Norden, sondern
einen menschlichen Arm, wie eine Andeutung jener Frau. Sollte nicht
die hängende Figur die Wassergöttin Xnuc sein und das Ganze den Tod
oder das Ende eines muluc -Jahres, den Anfang eines ix -Jahres, bedeuten?
Wahrscheinlich ist 13 muluc und 1 ix gemeint, doch ist das nicht ganz
sicher, zumal da die periodische Reihe, die sich aus 54 X 177, 9X 148 und
6 X 178 Tagen wunderbar zusammensetzt, mir jetzt noch grosse Schwierig-
keiten macht. Vorgl. übrigens eine andere Auffassung der erhängten
Frau bei Schellhas, ebendaselbst S. 45.
In beiden, ausführlicher besprochenen Stellen (Blatt 68 und 53) sehen
wir das einer oo ähnelnde Zeichen, und dieses müssen wir noch %^eiter
betrachten. Auf Blatt 2 b links find(»n wir es sogar ganz deutlich als
Kopfschmuck eines Gottes, ob aber auch hier mit Bezug auf den Jahres-
Zur Maya- Chronologie. 147
Wechsel, bleibt imgewiss. In anderen Stellen glaube ich, dass das Zeichen
Fig. 2 eine blosse Abkürzung davon ist. So auf Blatt 38a rechts. Dort
stellt das Bild den Gott mit der Schlangenzunge dar, in der Hand das
Zeichen kan; darüber die gewöhnliche Hieroglyphe des Gottes und
hierüber ein zusammengesetztes Zeichen (Fig. 3), also das hier besprochene
Zeichen mit den gewöhnlichen Punkten, die eine Bewegung oder einen
Verlauf anzeigen, und links davon das Zeichen für den Osten, also die
kan -Jahre. Sollte dies das Ende eines kan -Jahres bezeichnen? Dann
auf Blatt 41b rechts; darunter scheint ein neues Götterbild (der neue
Jahresgott?) aus einem Baume geschnitzt zu werden; unter den Schrift-
zeichen ist das erste das des Westens, verbunden wahrscheinlich mit dem
Zeichen des Jahresschlusses, dem wir später begegnen werden (dem Stein-
haufen, auf dem das Götterbild errichtet wird). Ferner auf Blatt 52b,
wo wir 1034 Tage vor jenem erhängten Frauenbilde als erstes der Schrift-
zeichen die Fig. 4 sehen; dazu gehört unten unter Himmelszeichen eine
wappenähnliche Figur, die in ihrem linken Theile gelb, im rechten schwarz
gefärbt ist, in der Mitte aber das Zeichen der Sonne trägt. Dass auch
hier ein Jahreswechsel gemeint sein kann, ist wohl möglich, da hierzu ein
Spielraum von 178 Tagen vorhanden ist, doch mehr kann man nicht
behaupten.
Hier möchte ich nun noch auf ein anderes Zeichen hinweisen, das
vielleicht ebenso, wie das vorige, aus der Schlange entstanden, vielleicht
also ebenso auf das Jahr bezüglich ist. Ich meine die Spirale oder
Schneckenlinie (Fig. 5). Wir begegnen ihr auf Blatt 29c, sowohl bei dem
mittleren Bilde, als bei dem rechts stehenden. Bei jenem finden wir sie
im Wasser, zu Füssen einer schwarzen Gottheit, daneben das Zeichen kan,
über dem ein Krokodil liegt. Unter den darüber stehenden Hieroglyphen
sehen wir die abgekürzte des Ostens (der kan -Jahre), rechts darüber das
volle Zeichen des Westens. Und bei dem rechts sitzenden Gotte (dem-
selben mit der Schlangenzunge, doch diesmal weiss) ist Folgendes zu
bemerken: Ueber dem Kopfe das Zeichen kan mit einem Fische darüber,
in der rechten Hand eine Vogelfeder, in der linken jene Spirale, ver-
bunden mit den abgekürzten Hieroglyphen des Westens und Südens. Zu
den darüber stehenden Hieroglyphen gehört die des Südens, sowohl in der
vollen, als in der kürzeren Gestalt.
Diese Gruppe setzt sich nun auf Blatt 30 c fort. Hier hält der Gott,
zu dessen Füssen ein Thier erscheint, in der Linken einen Speer, die
Spitze nach unten gewendet; unmittelbar darüber finden wir unsere Spirale,
verbünden mit den abgekürzten Hieroglyphen des Westens und Südens.
In den darüber stehenden Schriftzeichen begegnet man wieder Westen und
Süden.
Allen diesen 3 Bildern geht nun aber, die ganze Reihe erst erfüllend,
ein viertes voran. Der Gott Wart hier in einem Kahne, neben seinem
148 S* FÖBSTEMANN:
Kopfe ist ein Yogelkopf abgebildet; in den darüber stehenden Schrift-
zeichen finden wir das des Nordens; die Spirale fehlt. Uebrigens ist die
Entfernung jedes Bildes von dem benachbarten 16 Tage.
Beiläufig noch die Bemerkung, dass diese Stelle 29 c — 30 c sich un-
mittelbar an 29b — 30b, vielleicht sogar an 29a — 30a anschliesst, was zur
Erklärung beitragen könnte; doch gehört Weiteres hierüber nicht hierher.
Ganz in der Nähe dieser Gruppe, auf Blatt 33 — 35 b, begegnet die
Spirale in einer zweiten, die hier wie dort nur das Ende einer Reihe,
eines tonalamatl bildet. Auf jedem dieser Blätter sitzt links derselbe Gott
in dem Rachen einer geschlossenen Schlange; in dem Kreise, den die
Schlange bildet, findet sich Wasser und in dem Wasser jedesmal die Zahl
19 (man vergleiche die 18 in der Stelle des Cod. Gort., von der wir oben
ausgingen). Und jedesmal enthalten die darüber stehenden Hieroglyphen
unsere Spirale mit der Zahl 9 davor. Ich habe über die zu dieser Stelle
gehörigen Tagesreihen in meinen „Erläuterungen" S. 57 gesprochen.
Wir sind von der Schlange ausgegangen und unvermerkt zu ihr zurück-
gekehrt. Ich erwähne hier noch Blatt 56b, wo wir als letztes der untersten
Reihe von Schriftzeichen wieder eines finden, das aus dem abgekürzten
Zeichen des Südens und einer Schlange besteht. Es ist das wieder die-
selbe Reihe, in der wir das erhängte Frauenzimmer finden, und zwar
3484 Tage nach dem Zeitpunkte, auf den sich jenes bezieht. Habe ich
oben Recht mit der Festsetzung jenes Zeitpunktes, so bezieht sich dieser
auf ein Jahr 10 cauac, und dem Süden entspricht allerdings cauac.
Es mag hier noch erwähnt werden, dass die Schlange mehrfach geradezu
als Kopfschmuck vorkommt; so auf Blatt 9c bei einem Gotte, 15b, 20a
und 23b bei einer Frau. In der dritten dieser vier Stellen sind die dazu
gehörigen Schriftzeichen verwischt, in der zweiten ist die Hieroglyphe
der Frau mit dem Zeichen des Nordens verbunden, in den beiden anderen
finde ich nichts auf eine Zeit Bezügliches.
Wir verlassen hier das Gebiet der Schlange und kommen zu einem
ganz anderen Zeichen, das wir vielleicht bestimmter als Zeichen des Jahres-
wechsels, nie des Jahres an sich, ansehen können. Ich meine das Zeichen
•X' oder •)(*, dessen Elemente natürlich nach Maya-Weise eben so gut
vertical, als horizontal neben einander stehen können. Zeigt es den Jahres-
wechsel wirklich an, so ist es sehr natürlich, dass es meistens mit zwei
Hieroglyphen benachbarter Weltgegenden verbunden wird; bei kan-muluc
sollte man Ost-Nord u. s. w. erwarten. Doch ist gleich zu erwähnen, dass
in der Regel West-Süd vorgezogen wird, als käme es nicht darauf an, die
bestimmten Weltgegenden genau zu bezeichnen. So finden wir es auf
dem Blatte 27 in der Mitte, wo man Süd-Ost erwarten sollte.
Auf Blatt 18 c sehen wir es mit diesen Weltgegenden als Hieroglyphe
einer Frau, die selbst die Zeichen West-Süd auf dem Rücken trägt Das
tonalamatl, zu dem es gehört, beginnt mit dem Normal tage lY 17; ist
Zur Maja-Ghronologie. 149
dieser Tag wirklich das Normaldatum, der 8. Tag des 18. Monats, so
könnte das Bild gerade auf den Neujahrstag 10 cauac fallen, denn die
Tagesreihe meldet, dass 15 Tage verflossen und 33 im Verfliessen begrifl^en
sind; auch stimmen hier die Weltgegenden West-Süd.
Auf demselben Blatte oben, 18 a, trägt eine Frau die Zeichen der
beiden Weltgegenden, über denen wieder unser Zeichen steht, in den
Händen; die dazu gehörigen Hieroglyphen sind verwischt, aus der Tages-
reihe ist nichts zu schliessen.
Das folgende Blatt, 19 c, zeigt wieder auf dem Rücken einer Frau die
Zeichen West-Süd, in den Hieroglyphen dieselben und unser Zeichen.
Ganz eigenthümlich mit dem Westen und dem Zeichen cimi verbunden,
auch etwas abweichend von der sonstigen Form^ steht es auf Blatt 8 c in
der ersten Reihe der Hieroglyphen.
Nun haben wir auch noch die Blätter 46 — 50 zu betrachten, auf denen
wir dieses Zeichen vorzüglich erwarten müssen, da hier Erden- und Venus-
jahre in Einklang gebracht sind. Gleich auf Blatt 46 auf der untersten
Zeile finden wir es an letzter Stelle; es soll zwar hier das Datum 2,
17. Monat stehen, der Schreiber aber hat zwischen die beiden Punkte der
2 das kleine Kreuz gesetzt, vielleicht um anzudeuten, dass hier ein Yenns-
jahr von 584 Tagen schliesst. Und auf der rechten Seite desselben Blattes
beginnt die vorletzte Zeile gerade wie im Anschluss an die eben genannte
Stelle wieder mit unserem Zeichen;, gehört das, wie es scheint, zur dritten
Reihe der Kalenderdaten, so trifft es allerdings auf einen Uebergang der
kan- zu den muluc-Jahren.
Die folgenden drei Blätter entbehren dies Gebilde, aber auf Blatt 50
begegnet es fast an derselben Stelle, wo wir es auf Blatt 46 fanden (rechte
Seite, erstes Zeichen der untersten Reihe), hier, wieder in Verbindung mit
den Hieroglyphen des Westens und Südens, wo das fünfte Venusjahr zu-
gleich mit dem achten Erdenjahre, allerdings nicht gerade am Schlüsse
des letzteren, abgelaufen ist.
So weit von diesem Kreuze zwischen zwei Punkten. Der Punkt
zwischen zwei Kreuzen, der gleichfalls begegnet, scheint dagegen nicht
hierher zu gehören; ein Punkt mit einem Kreuze könnte leicht eine Ab-
kürzung der Zahl 20 sein.
Wir kommen jetzt zu einem weiteren Zeichen für das Jahr, doch, wie
ich gleich bemerke, für das alte officielle Jahr von 360 Tagen, das die
fünf am Schlüsse eingeschalteten unglücklichen Tage nicht umfasst. Ich
meine die Figur 6, die zuweilen noch mit drei Punkten als Suffix, zu-
weilen noch mit anderen Anhängseln versehen ist. Ich will sie im Fol-
genden der Kürze halber das 360-Zeichen nennen.
Schlagen wir zunächst die Blätter 25 — 28 der Handschrift auf, die am
sichersten von dem Jahreswechsel handeln, so finden wir auf jedem der-
selben links unten statt der Steinhaufen, auf welchen am Jahresschlüsse
150 ^- Förstemann:
die Jahresgötter aufgestellt wurden, dieses Zeichen. Dasselbe begegnet
auch in der Zeile Hieroglyphen, welche die zweite Abtheilung der Blätter
von der dritten scheidet, auf jedem der Blätter, auf Blatt 27 sogar 2 Mal.
Ebenso zeigt es sich in den oberen, zum Theil zerstörten Zeilen der Blätter
26 — 28, auf Blatt 26 sogar 3 Mal, einmal mit dem Zeichen ix und einmal
mit cauac als Präfix, und gerade dieses Blatt handolt vom Uebergange
der ix- in die cauac-Jahre. So ist also wohl schon hier die Bedeutung
des Zeichens hinreichend gesichert.
Schlagen wir weiter das Blatt 50 auf. Hier finden wir als das zweite
Zeichen der ersten Zeile von Kalenderdaten dieselbe Figur wieder, ver-
sehen mit einem Präfix, das die Zahl 20 bedeutet, und einem etwas un-
deutlichen Superfix. Das Ganze muss, wie ich schon in meinen ^Erläute-
rungen" (1886), S. 12 erwähnt habe, den 20. Tag des 18. Monats, also den
officiellen Jahresschluss bedeuten. Wiederum eine Bestätigung meiner
Annahme.
Dass dieses 360- Zeichen ganz oder fast ganz mit der Hieroglyphe
des 16. Monats übereinstimmt und deshalb oft die Entscheidung schwierig
gemacht wird, welches von beiden vorliegt, hat gewiss seinen Grund, der
aber bis jetzt noch unbekannt ist. In meinen „Erläuterungen" habe ich
noch beide verwechselt und dazu noch mit einem dritten Zeichen ver-
mischt, das ich jetzt besprechen will.
Die Zahl 360 ist nach dem Zahlensystem der Maya's die Einheit der
dritten Stufe, die der vierten ist 7200. Sollte nicht auch diese, also die
Zeit von 20 officiellen Jahren, unter den Schriftzeichen vertreten sein?
Ich glaube die Hieroglyphe in einer Erweiterung des 360 -Zeichens zu
sehen (Fig. 7). Diese Figur wollen wir das 7200- Zeichen nennen.
Um diese Annahme zu begründen, schlagen wir zunächst Blatt 58 auf.
In dessen unterer Hälfte links eine Reihe von 11958 (genauer 11960)
Tagen, durch ein höchst auffallendes Bild beschlossen. Ueber diesem
Bilde stehen zehn Hieroglyphen in folgender Ordnung:
1
6
2
7
3
8
4
9
5
10
Die mittelsten Zeichen der Stellung nach, 3 und 8, sind Sonne und
Mond, die mittelsten in der Zahlenreihe aber, 5 und 6, unser 7200- und
unser 360-Zeichen, jenes versehen mit einer 1 (oder einer 20, wenn man
die 1 mit darunter befindlichem Kreuzchen so lesen will), dieses mit einer
13. Die Mayaziffem der hierzu gehörigen Zahl 11958 aber sind 1, 13,
3, 18. Da ist denke ich, wohl nichts natürlicher, als in den beiden Hiero-
glyphen die Zeichen för 7200 und 13 • 360 = 4680 zu sehen. Zusammeo
Zur Maya- Chronologie. 151
wäre das 1 1 880. Wie weit etwa noch die übrigen Zeichen die an der
Summe fehlenden 18 anzeigen, vermag ich noch nicht zu entscheiden.
Weiter betrachten wir Blatt 61 mit seinen zwei von oben nach unten
gehenden Reihen von Hieroglyphen. Die fünfte Zeile von unten wird
hier gebildet durch unser 7200-Zeichen mit der Zahl 15 und durch unser
360-Zeichen mit der Zahl 9. Das würde zusammen 111 240 Tage be-
deuten. Dazu kommen noch jedenfalls aus den darüber und darunter
stehenden Zeilen weitere Zahlen, doch können wir diese nicht bestimmen,
da wir noch nicht wissen, in welcher Beziehung das Ganze zu der vorher-
gehenden (rechts davon stehenden) Reihe oder zu welcher der sonstigen
Zahlen steht. Vermuthen darf man vielleicht, dass das unter dem 7200-Zeichen
stehende Gebilde, bestehend aus dem Tage chuen mit Präfix und Suffix
und vorgesetzter 1, den Monat von 20 Tagen bezeichnen soll; das chuen-
Zeichen würde nicht ganz ungeschickt diese Function haben, da es die
zweite Hälfte eines mit imix beginnenden Monats anfangt, also gewisser-
maassen den ganzen Monat als dessen Mitte vertritt. Unter dem 360-Zeichen
aber sehen wir die Sonne, kin, mit Suffix und vorgesetzter 3. Das würde
darauf hinweisen, dass kin im Sinne von Tag gefasst, die ganze uns noch
unbekannte Zahl mit drei Einheiten endet. Und solche Zahl gebührt in
der That dem wichtigsten Tage dieses Theils der Handschrift, dem Tage
Xin 20, denn dem Tage 17 (ahau) entspricht ja stets eine mit 0 endende
Zahl.
Auf demselben Blatte 61 und in denselben senkrechten Reihen bildet
die sechste Zeile von oben wieder unser 7200-Zeichen und unser 360-
Zeichen, letzteres an einem Gesichte gezeichnet und mit einer 8 versehen.
Wir erkennen hier wenigstens wieder die Zusammengehörigkeit beider.
Was uns aber in diesem Abschnitte begegnet, dazu dürfen wir ganz
Entsprechendes in dem letzten Theile der Handschrift (Blatt 69 — 73)
vermuthen, nachdem ich den Parallelismus beider Abschnitte in meinem
Aufsatze „zur Entzifferung der Maya-Handschriften H" bewiesen habe.
Und so finden wir denn in Blatt 69 dieselben zwei senkrechten Reihen
von Schriftzeichen und in ihnen wieder in der fünften Zeile von unten das
7200- und das 360-Zeichen, jenes wieder mit 15, dieses wieder mit 9;
darunter das chuen-Zeichen, diesmal mit 4, und das kin-Zeichen, diesmal
wieder mit 4. Wir dürfen also eine grosse, mit 4 schliessende Zahl ver-
muthen, wie sie allerdings dem Haupttage dieses Abschnittes, dem Tage
IX 1 1, zukommt, wenn man wieder von ahau = 0 ausgeht.
Auf demselben Blatte blicken wir nun unwillkürlich weiter hinauf
und da finden wir nicht bloss unsere beiden Zeichen wieder, sondern er-
kennen auch, dass die obersten 16 Hieroglyphen, die im blauen Felde
gezeichneten, genau denen auf Blatt 61 entsprechen, abgesehen von kleinen
Varianten und von dem Ersätze des moan-Eopfes durch ein dafür öfters
stehendes gleichbedeutendes Zeichen.
152 S- FÖRSTEMAKN:
Es ist aber die Zusammengehörigkeit der Hieroglyphen für 7200 und
360 Tage nicht bloss eine Eigenthümlichkeit des Dresdensis, sondern sie
erstreckt sich auch auf die von den Handschriften so sehr abweichenden
Steininschriften. Die Inschrift des Kreuzes von Palenque zeigt beide fast
zwölfmal einander benachbart, das eine neben oder unter dem anderen.
Wo beide Zeichen nicht so unmittelbar bei einander stehen, wird die
Sache unsicher, eben wegen der fast vollkommenen Gleichheit des 360-
Zeichens mit dem des Monats pax. Ich lasse daher dieses jetzt aus dem
Spiele; für das 7200-Zeichen verweise ich noch auf Blatt 24 erste Spalte,
Blatt 70 dritte Spalte, drittes Zeichen von unten, Blatt 73 oben, zweite
Spalte von rechts. Besonders gross steht es endlich auf dem ganz einzig
gestalteten Blatt 60b. Doch unterlasse ich es, hier viele noch nahe lie-
genden Bemerkungen zu machen, um nicht auf einem Boden weiter zu
bauen, der unter den Füssen zu schwanken beginnen könnte.
Um nun weiter vorzugehen, muss ich die Bemerkung vorausschicken,
dass mir jetzt die ganze Vorderseite des Codex B, also Blatt 46 — 60, in
engem Zusammenhang zu stehen scheint; das ganz vereinzelte, besonders
räthselhafte Blatt 60 bildet den Schluss. Nun wissen wir, dass Blatt 46 — 50,
das erste Drittel dieses Ganzen, eine weitere Ausführung von Blatt 24 ist.
Es behandelt das Zusammenstimmen der scheinbaren Yenusjahre von
584 Tagen mit den Sonnen- oder Erdjahren von 365 Tagen. Und zwar
geschieht das in drei Abtheilungen, von denen jede 13 mal 8 Erdjahre oder
5 Yenusjahre behandelt, also 13 mal 2920 Tage, das sind zusammen
37 960 Tage oder 2 katun oder 104 Jahre.
Dem entsprechend behandelt die zweite Abtheilung (Blatt 51 — 58)
104 scheinbare Merkursjahre zu 115 Tagen, also den Zeitraum von
11 960 Tagen.
So vorbereitet, treten wir an die obere Hälfte des Blattes 52, und zwar
an die vierte Colunme. Hier finden wir ganz oben ein leider theilweise
wieder zerstörtes Ealenderdatum, darunter aber, wieder ebenso verbunden,
wie ich es Blatt 61 und 69 nachgewiesen habe, das chuen- und das 360-
Zeichen, jenes mit 1, dieses mit 5 verbunden. Das würde also nach meinem
Yorschlage 1820 = 7 • 260 bedeuten; es könnte durch das darüber stehende
unleserliche Datum sich erklären, kann sich aber auch auf die links
stehenden 7 ganz identischen Tagescolumnen beziehen, die um je 260
von einander abstehen; also eine kleine Bestätigung meiner Theorie.
Nun aber sehen wir unmittelbar darunter das Zeichen Fig. 8. Also
imix mit einem Superfix, welches wie eine Yereinigung, Zusammen-
fassung aussieht, vielleicht einer Yariante des aus den Klappern der
Klapperschlange zusammengesetzten Zeichens, das öfters eine Zeitdauer
anzudeuten scheint. Das nehme ich für das Zeichen des katun («- 52 * 365
= 18 980 Tage) als des Zeitraumes, in welchem jeder Tag (hier ver-
treten durch den einstigen Anfangstag imix) wieder an dieselbe Stelle de«
Zur Maja- Chronologie. 153
Jahres rückt. An unserer Stelle sind also zwei katun gemeint, gerade der
Zeitraum, den wir so eben als Gegenstand der Blätter 46 — 50 fanden. Und
unter diesem Zeichen treffen wir 13 mal eine rothe 13; das kann doch
nichts Anderes heissen, als man soll die zwei katun in 13 Theile zerlegen,
deren jeder also wie auf Blatt 46 — 50 2920 Tage umfasst; die 104 Erden-
jahre stehen hier dicht neben den 104 Merkursjahren. Ich denke^ das
kann kein Blendwerk sein. Dieser vermuthliche Fund des katun-Zeichens
scheint sich schon in unmittelbarer Nähe, auf der ersten Spalte von Blatt 51,
zu bestätigen. Hier lesen wir oben die beiden Kalenderdaten IV 17;
8, 18. M. und XII 5 und darunter die Gruppe Fig. 9.
Die 8 mit dem kin darunter kann die 8 Tage bezeichnen, die von
lY 17 bis Xn 5 verfliessen, aber sie kann zugleich (denn dass eine Zahl
sich auf mehrere Zeichen bezieht, ist ganz der Maya- Weise gemäss) zu
dem katun-Zeichen gehören, und zwar aus folgendem Grunde:
Der Ausgangspunkt in der Merkursreihe (die ich übrigens in meinen
„Erläuterungen** als Saturnsreihe ansah) ist der Tag XU 5. Dieses Datum
steht bei zwei Zahlen:
Blatt 52 bei 1 412 848, d. h. Jahr 6 muluc; 1, 15. M.
„ 51 „ 1 578 988, d. h. „ 6 kan; 6, 18. „
Die erste der beiden grossen Zahlen liegt 166 140 Tage vor der
zweiten, das erste Datum aber 39 Jahre 65 Tage = 14 300 Tage vor dem
zweiten. Addirt man aber zu diesen 14 300 die Zahl 151 840, also 8 katun,
80 ergiebt sich wirklich 166 140^ und darauf scheint mir jene Zeichen-
gruppe hinzudeuten.
Nur vorübergehend will ich erwähnen, dass dies katun-Zeichen auch
in den oben besprochenen Columnen auf Blatt 61 und 69 begegnet, und
zwar dicht bei den anderen, auf eine Zeitdauer hinweisenden Hieroglyphen.
Sehen wir die eben genannte Stelle auf Blatt 61 näher an, so finden
wir dicht über dem katun-Zeichen die noch unbesprochene neue Hiero-
glyphe Fig. 10.
Und nun blicken wir auf die obere Hälfte von Blatt 73, vorletzte
Columne. Da ist das oberste Zeichen zerstört, dann aber folgt:
das katun-Zeichen,
das neue Zeichen,
das 7200-Zeichen,
die Zahl 34 732.
Hier liegt es nun so nahe wie möglich, in dem neuen Zeichen das
ahau-Zeichen im Werthe von 24 • 365 = 8760 zu sehen. Addiren wir nun
die drei Zahlen:
18 980
8 760
7200
34 940
154 £• F5R8TEMANN:
und zwar bezieht sich alles das auf den Tag IV 9. Dieser aber liegt
208 Tage vor dem Normaldatum IV 17, ihm gebührt also mit Recht eine
— 208. Und 34 940 - 208 ist wirklich 34 732.
Auf Blatt 70, dritte Spalte unten, stehen fünf Zeichen über einander.
Davon ist das erste das ahau-Zeichen = 8760, das dritte das 7200-, das
fünfte das 360-Zeichen. Man wird begierig auf die Bedeutung des zweiten
und des vierten.
Das zweite Zeichen zunächst zeigt Fig. 11. Also der chicchan-Kopf
mit dem wahrscheinlich phallischen Präfix, das wir als Element der Monate
yaxkin und yax, des Zeichens für den Süden, u. s. w. kennen. Wenn wir
nun sehen, dass derselbe chicchan-Kopf mit demselben Präfix noch Blatt 61,
Mitte der ersten Spalte, und Blatt 69, Mitte der dritten Spalte begegnet,
und zwar in ganz ähnlicher Verbindung wie hier (Blatt 21c und 23b
freilich in ganz anderer Umgebung), so kommen wir leicht zu dem Schlüsse,
dass auch hier eine Zeitdauer gemeint ist; anderswo begegnet uns diese
Verbindung in unserer Handschrift nirgends. Es liegt nun die Vermuthung
nahe, dass die Zeitdauer, die wir suchen, eine nahe Beziehung zu dem
eben vermutheten ahau haben müsse, denn bei letzterem sehen wir jenes
phallische Präfix gespalten und mit zwei Superfixen versehen. Sollte es
also nicht ein Drittel des ahau. also 2920 Tage bedeuten, jenen wichtigen
Zeitraum von 8 Erden- = 5 Venusjahren, der auf Blatt 24 und 46 — 50
eine so grosse Rolle spielt? Sehen wir nun dort nach, so finden wir das
Zeichen von Fig. 12.
Die Figur an der Stirne des Kopfes scheint doch nur eine (gewisser-
maassen von anderer Seite gesehene) Abkürzung jenes Präfixes zu sein;
die betreffenden Stellen sind auf Blatt 24, zweite Spalte über der Mitte,
Blatt 49 vierte Spalte Mitte und Blatt 60 links unten; sonst finde ich es
nirgend. Zu erwähnen ist vielleicht noch, dass der chicchan-Kopf, wie
Dr. Schellhas, Die Mayahandschrift (1886) S. 64, erwähnt, aber mit anderen,
etwas undeutlichen Präfixen und Superfixen versehen, zu dem Bilde einer
Schlange auf Blatt 35b gehörig ist. Die Windungen der Schlange ver-
laufen in 5 Richtungen und an ihrem Körper sind 8 Flecken wie Buckel
gezeichnet; soll sogar das auf die 5 Venus- und 8 Erdenjahre deuten?
Das wäre wohl zu weit gegangen. Genug, einige Gründe deuten darauf,
dass hier wirklich die Zeitdauer von 2920 Tagen vorliegt.
Wie alle die zuletzt erwähnten Zeichen wirklich zusammengehören,
zeigt auch ein Blick auf Blatt 31a. Dort steht in der zweiten Spalte von
rechts die Zahl 2 804 100. Darüber müssen sechs Zeichen gestanden haben.
Die beiden obersten sind vernichtet, dann folgt eine Spur von imix, also
wahrscheinlich das katun-Zeichen mit einer Zahl davor; dann eine sehr
befleckte Hieroglyphe, vielleicht unser jetzt eben besprochenes 2920-Zeichen:
zuletzt aber ganz deutlich das 8760- und das 7200-Zeichen. Die Zerstörung
oder Unklarheit der obersten Zeichen ist hier besonders zu beklagen^ da
Zur May a- Chronologie. 155
allem Vermuthen nach diese Zeichen in der nächsten Beziehung zu der
genannten grossen Zahl stehen müssen.
So viel von dem zweiten der fünf Zeichen auf Blatt 70 unten. Nun
will ich auch von dem vierten eine schüchterne Vermuthung wagen. Es
hat die Gestalt von Fig. 13.
Wahrscheinlich ist es aus einem Vogelkopf entstanden. An Stelle des
Auges finden wir eine Figur, die fast genau dem 360-Zeichen gleicht; die
darunter stehenden Striche ähneln sehr denen im katun-Zeichen imix.
Nun steht dieses vierte Zeichen zwischen dem dritten, gewissermaassen
einem alten ahau Von 20 • 360 (ein ahau von 20 Jahren ist ja wirklich in
den Quellen überliefert) und dem fünften, dem alten Jahre von 360 Tagen.
Da scheint nun nichts natürlicher, als dass das vierte Zeichen sich auch
auf die alte Zeitrechnung bezieht, und hier liegt nichts näher, als einen
alten katun == 52 • 360 (= 72 • 260) anzuuehfnen. Nach dieser keineswegs
behauptenden, sondern nur vorschlagenden Annahme hätten also die fünf
Zeichen folgenden Zeitwerth:
8 760 = 1 ahau « 24 • 365.
2 920 = V3 ahau = 8 • 365 = 5 • 584.
7 200 = 1 alter ahau = 20 • 360.
18 720 = 1 alter katun = 52 • 360 = 72 • 260.
360 = 1 altes Jahr.
Summa 37 960 = 2 katun (2 • 52 • 365 = 2 • 73 • 260).
Der Zeitraum von 2 katun hat sich aber schon mehrfach als be-
deutungsvoller ergeben, z. B. Blatt 46 — 50; in ihm geht ja auch das Venus-
jahr von 584 Tagen auf, was bei 1 katun nicht der Fall ist. Dass mau
nach Einführung des Jahres von 365 Tagen und des ahau von 24 Jahren
nicht die alten Bezeichnungen verwarf, die schon durch den Gebrauch
geheiligt sein mussten, darf nicht zu sehr auffallen; grössere Mannichfaltig-
keit der Hieroglyphen erhöhte das Geheimnissvolle der Schrift und die
Ehrfurcht vor den Priestern.
Doch hier halte ich an. Heber den besprochenen 5 Zeichen stehen,
zu zwei und zwei, noch 4 andere.
Ich habe bereits die Ansicht niedergeschrieben, dass diese Zeichen
einen nicht geringeren Zeitraum als 652 katun bedeuten, habe auch diese
Ansicht zu begründen versucht, doch muss sie noch fester gestützt werden,
ehe ich sie kuudthun kann. Schon jetzt habe ich vielleicht zu viel zur
Prüfung vorgelegt.
• e
vnr.
Beiträge zur Anthropologie der Papuas
von
Dr. O. SOHELLONQ zu Königsberg i. Pr.
(ffienu Taf. m— YL)
Vorbemerkung.
Die nachstehende Untersuchung ist in mehrfacher Beziehung von
hervorragendem Werthe. Zunächst ist sie die erste, welche in eingehender
und streng wissenschaftlicher Weise die Bevölkenmg des deutschen Schutz-
gebietes in Neu- Guinea und den benachbarten melanesischen Gebieten
schildert, und zwar auf Grund eigener, umfassender und planmässiger
Untersuchungen bei längerem Aufenthalte im Lande selbst Sodann
gewinnt sie eine dauernde Bedeutung dadurch, dass der Verfasser eine
grössere Anzahl von Eingebomen in sorgfaltigster Weise abgegypst hat.
Seine Formen sind von der Neu-Guinea-Compagnie in den Besitz der
Berliner anthropologischen Gesellschaft übergegangen und von dieser
Hrn. L. Gast an zur Herstellung von Abgüssen übergeben worden. Die
Abgüsse sind in hohem Maasse gelungen und werden als mustergültige
Beweisstücke der gelehrten Welt erhalten bleiben. Die Gesellschaft ist
bereit, gegen Erstattung der nicht unerheblichen Rosten Exemplare davon
oder auch die ganze Sammlung abzulassen, um sie, soviel an ihr ist, zum
Gemeingut der anthropologischen Forschung zu machen. Das Beispiel,
welches hier in erfreulichster Weise gegeben ist, wird hofiEentlich auf
viele Nachfolger einwirken, damit endlich' einmal dem bedauerlichen
Mangel an einer au^ebigen Kenntniss der noch vorhandenen Naturvölker
in Bezug auf ihr physisches Verhalten ein Ziel gesetzt werde. Der Dank
der Wissenschaft wird dem fleissigen und umsichtigen Forscher auf alle
Fälle gesichert sein. Rud. Virchow.
Einleitendes.
In den Jahren 1886 — 1888 hatte ich Gelegenheit, als Arzt der Neu-
Guinea-Compagnie an den ersten Anfängen deutscher Colonisation an der
Nordostküste von Neu-Guinea, auf dem „Kaiser Wilhelms -Land*' genannten
Gebiete, Theil zu nehmen und daselbst eine Reihe von anthropologischen
Beobachtungen zu sammeln, deren Resultat die vorliegende Arbeit ist
Meine Beobachtungen galten vorzugsweise den in der Gegend von Finkch-
hafen lebenden dunkelfarbigen Papula; jedoch fand ich wiederholt
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*•
Beiträge znr Anthropologie der Papnas. 157
Gelegenheit^ die Bewohner benachbarter melanesischer Gebiete, wie Neu-
Pommem, Neu-Meklenburg, Salomons und Neue Hebriden, zu Gesicht
zu bekommen und damit die anthropologischen Eigenthtimlichkeiten der
Papuas Oberhaupt kennen zu lernen. Die Angehörigen dieser Kasse,
gleichviel auf welchen Inseln man ihnen begegnet, haben bei blosser
äusserlicher Betrachtung eine Anzahl körperlicher und ethnologischer
Merkmale gemeinsam, welche sie als zusammengehörig erscheinen lassen:
eine mehr oder weniger dunkelbraune Hautfarbe, spiralgelocktes dunkles
Kopfhaar, eine gewisse Plumpheit der Körperformen und eine grosse
Üebereinstimmung in Haltung und Gebärde, hinsichtlich der Wohnungen,
der Ernährung, Bekleidung, Bewaffnung, Schifffahrtsgebräuche u. s. w.
Die Papuas sind schon mehrfach der Gegenstand anthropologischer
Untersuchungen gewesen; vor Allen waren esWallace"), A. B. Meyer*),
Miklucho-Maclay*), D'Albertis") u. a., welche auf Grund umfassender
Beisebeobachtungen und an dex Hand eines mehr oder weniger umfang-
reichen Schädelmaterials die Pappas als Basse bestimmten und ihre An-
sichten über die ursprünglichen Beziehungen der Papuas zu anderen
Bässen aussprachen. Diese Beisenden haben übereinstimmend die Wichtig-
keit betont, welche gerade die Insel Neu- Guinea füf die Papua -Präge
hat; denn der Papua ist hier in einer grossen Anzahl von Stämmen ver-
treten, welche trotz der im Grossen und Ganzen sich zeigenden Gemein-
samkeit der körperlichen Erscheinung und der Sitten sich im Einzelnen,
— so besonders hinsichtlich der Sprache, — nicht unwesentlich von
einander unterscheiden. Hier ergiebt sich noch ein weites Arbeitsfeld für
die anthropologische Forschung; denn was auch alle diese verdienten
Männer in mühevoller Arbeit bisher zusammengetragen haben, es bleibt
im Vergleich zu dem ganzen, grossen Areal dieser Insel, deren Inneres
noch fast gänzlich terra incognita ist, doch immer nur ein Bruchstück:
ausser einigen Küstenstrichen im Norden, Süden und Westen der Insel
wurde vorzugsweise das Terrain des Ply-Biver explorirt.
Miklucho-Maclay hat als der erste seine Untersuchungen auch auf
die Nordostküste der Insel ausgedehnt; sein Arbeitsfeld war hier, wie
bekannt, die Gegend der Astrolabebay. Meine Beobachtungen, welche ich
auf der Station Finschhafen und in Nachbargebieten derselben anstellte,
stehen deshalb den Maclay'schen geographisch am nächsten und ver-
vollständigen vorzugsweise die anthropologische Kenntniss der Nordostküste
der Insel. Sofern ich meine Beobachtungen auch auf die Bevölkerung
benachbarter melanesischer Inseln ausdehnen konnte, enthalten die darüber
gemachten Aufzeichnungen weitere Beiträge zur Kenntniss der Basse der
Papuas überhaupt.
Da ich diese Studien als Nebenbeschäftigung betrieb, so habe ich
denselben nicht diejenige Ausdehnung geben können, welche ich im
Interesse des Gegenstandes gewünscht hätte. Immerhin hoffe ich, dass
Z«HMhria für BÜinologio. Jahrg. 1891. 12
158 0. Sohellong:
diese Arbeit von einigem Nutzen sein wird, indem sie zu weiteren Unter-
suchungen auf diesem Gebiete anregt und die vielen, noch unbeantworteten
Fragen in der Völkerkunde der Südsee ihrer allmählichen LOsung entgegen-
führen hilft.
Papnas yon Nen- Guinea (Nordost, Kaiser Willielnis-Laiid).
Die Jabim-Leute*).
Das Wort Jäbim bedeutet einen Küstenstrich oder vielleicht auch
nur einen Theil dieses Küstenstriches, ein Dorf, einen Landvorsprung oder
sonst derartiges an der Nordostküste von Neu- Guinea zwischen dem
6. und 7. Grad südlicher Breite. Sicher ist, dass die Bewohner der Ein-
gebornen- Dörfer in der nächsten Nähe der Station Finschhafen ihre
Sprache Jabim („tassum jabim") nannten, im Gegensatz zu der Kai-Tami-
und Poum- Sprache. Es war das diejenige Sprache, welche wir europäische
Ansiedler zuerst zu erkennen und zu erlernen hatten, um weitere An-
knüpfungspunkte mit Land und Leuten zu gewinnen.
Der Jabim -Stamm ist nicht gross zu nennen; die Leute leben zer-
streut in kleinen, der Küste entlang, zwischen Festnngshuck und Cap
Cretin, gelegenen Dörfern und Ansiedelungen, welche sich schon von
weitem durch schlanke Cocos- Palmen verrathen. Da diese Palmen, ihrer
Spärlichkeit nach zu urtheilen, nicht ursprünglich vorhanden waren, sondern
angepflanzt wurden, so lässt sich das geringste Alter dieser Ansiedelungen
auf wenigstens 30 — 40 Jahre schätzen. Die grössten Dörfer bestanden aus
nicht mehr als 20 Häusern; die ganze Zahl der Jabim -Leute möchte ich
auf höchstens 1000 Köpfe veranschlagen.
Ich habe 37 Individuen, davon 32 Männer ( J) und 5 Frauen ($), dieser
Gegend einer genauen anthropologischen Untersuchung unterworfen, deren
nähere Daten in den dazu gehörigen Mess-ProtocoUen enthalten sind.
Zur allgemeinen Charakteristik der Jabim-Leute sei das Fol-
gende bemerkt: Es sind mittelgrosse bis grosse, im Allgemeinen gut
genährte Gestalten von einer mittleren Körperhöhe von 1606 »wn für die
Männer und 1530 mm für die Frauen. Die Körperhöhe schwankt bei den
Männern zwischen 1550 mm und 1692 mm^ bei den Frauen zwischen
1438 mm und 1570 mm. Die Körperformen, wenngleich bei Einzelnen
öfters angenehm zu nennen, erreichen doch nur bei sehr Wenigen einen
höheren Grad von Harmonie und Vollendung, wie bei Kaualüo 2 (Nr. 37)
und Ssessengo S (Nr. 28). Die Mehrzahl zeichnet sich unvortheilhaft aus
durch unschöne Gesichtszüge und wenig proportionirte Körperverhältnisse;
besonders haben Alle für unseren (ioschmack zu lange Arme, auch begegnet
man ganz gewöhnlich breiten, plumpen Händen und Füssen und der X-Bein-
stellung. Die Klafterweite überragt gewöhnlich um ein Erhebliches
1) Daiu 87 Mess-Protocolle (Nr. 1 — 37) und 24 Gesichts -Masken (Nr. 1 — 22b).
Beitrftge zur Anthropologie der Papnas. 159
die Körperhöhe; bei 30 Männern ergiebt sich als geringster unterschied
40 wm», als grösster 164 mm (Nr. 26); die durchschnittliche Differenz
beträgt 98 mm. Bei den 5 gemessenen Jabim -Frauen übertrifft die Elafter-
weite die Körperhöhe im Mittel um 66 mm. Dieses auffallende Yerhältniss
hängt nicht etwa mit einer besonders kräftigen Entwickelung der Brust
zusammen, denn der Brust -Umfang der Männer bewegt sich im Allgemeinen
in Werthen von 800 — 900 mm^ wenngleich Zahlen bis 925 mm aufwärts
und 764 mm abwärts notirt sind. Bei Japoa (Nr. 26) beträgt die Körper-
höhe 1556 mm^ die Klafterweite 1720 mm^ die Differenz beider 164 mm,
der dazu gehörige Brust -Umfang 910 mm.
Die Hautfarbe der Jabim-Leute ist diejenige der melanesischen
Bevölkerung überhaupt: ein gesättigtes Chocoladenbraun, welches bald
mehr in das Lichte, bald mehr in das Dunklere hinüberspielt. Die Ein-
gebomen selbst kennen diese Abstufungen in ihrer Hautfarbe sehr wohl
und haben für dieselben besondere Bezeichnungen. Die am häufigsten
angetroffene dunkelbraune Haut^ ist ihnen die ulin mäjang; die nächst
hellere, etwa von der Beschaffenheit der Colorado claro, die uliriiong, und
die weitere Abstufung nach dieser Richtung die ulinköko, in welchem
Worte bereits der Begriff weiss (kö) zum Ausdruck gelangt. Endlich
giebt es die Specialität der ulingnara, worunter eine Haut verstanden wird,
welche durch ein universelles Schuppen -Eczem (Herpes tonsurans) ihren
Glanz uAd ihre Braunfärbung mitunter in einem Qrade eingebüsst hat,
dass solche Individuen von weitem wie aschgrau oder schmutzigweiss aus-
sehen^). Die gesunde Haut ist von angenehmer, sammetartiger Beschaffen-
heit und schwitzt äusserst selten, selbst nicht bei grosser Körperanstrengung,
wie Märschen, Tragen schwerer Lasten u. s. w. Die gedeckten Körper-
partien haben stets eine hellere Färbung, so die Innenflächen der Ober-
arme, bei den Frauen die Partien unterhalb der mammae; Fusssohlen und
Handflächen sind manchmal nahezu weiss zu nennen. Ich notirte nach
Broca för das Gesicht 30 oder Mittelfarben zwischen 30 und 28 — 29*); für
1) Solch ein schnppenh&atiges Individunm ist das Non plus ultra von Hässlichkeit,
dessen der Mensch überhaupt fähig ist. Die Krankheit der Haut beginnt im frühen
Kindesalter dnrch Infection an einer umschriebenen Stelle der Nates oder der seitlichen
^aacbparden, da, wo die Kinder beim Tragen am häufigsten mit ihren Müttern in
Berührung kommen, und verbreitet sich von hier in concentrischen Ringen allmählich
über den ganzen Körper. Die grauen Schuppenzeichnnngen auf der Haut ordnen sich
dann gewöhnlich zu sehr merkwürdig geschlängelten, regelmässigen Mustern an einander.
8«hr oft, und das riclitot sich wohl nach dem Alter des Processes, schuppt sich die Haut
in ganz unregelmässigen Schuppen ab, so dass von einer normalen Haut- Beschaffenheit
auch nicht die Spur übrig bleibt. Nebenbei bemerkt, ist es schwierig, diese alten Processe
zur Heilung zu bringen; selbst die Chrysophansäure lässt dabei häufig im Stich, wenn
sich damit zugleich nicht eine ganz energische mechanische Behandlung verbindet. Der
Yerbreitong dieses Schuppen-Eczems leistet ganz entschieden der Mangel jeder regelmässigen
Hautpflege Vorschub.
2) Also eine Farbennuance, welche zwischen Nr. 28 und 29 der Broca'schen Parben-
skala gelegen ist.
12*
160 0. SOHBLLONO:
die Brust 28—29 oder 42—43, auch 28—43 und 28—30; fQr den Oberann
28—44 oder 29—30; für die Handflächen 30 oder 29—30, auch 44; fOr
die Stirn 30 — 28, 30 und 37. Man würde solche Bestimmungen beliebig
fortsetzen können. Eine constante Hautfarbe giebt es eben nicht, was
ohne weiteres einleuchtet, wenn man ein paar Menschen zusammenstehen
sieht. Die Schleimhäute des Mundes haben ein blassröthliches Aus-
sehen und zeigen bisweilen einige bräunliche oder schwärzliche Pigment-
flecken. Die Farbe der Lippen ist eine unreine dunkelrothe Mischfarbe,
welche manches Mal mehr ins Braune, andere Male mehr ins Bläuliche
spielt. Einen Rosenmund, wie ihn der Dichter besingt, giebt es nicht.
Tättowirungen im eigentlichen Sinne kommen bei den Jabim -Bewohnern
nicht vor. Unter den 37 gemessenen Individuen notirte ich nur bei dreien
(Nr. 18, 19, 36) an den Oberarmen (Deltoides) und auf dem Rücken zahl-
reiche längsgestellte, strichförmige, etwa 1 cm lange, im übrigen ganz
oberflächliche Narben, welche trotz einer gewissen Symmetrie in ihrer
Anordnung nicht den Eindruck machten, als ob damit eine Zeichnung
beabsichtig worden wäre, vielmehr wohl als Ueberbleibsel von Scari-
ficationen, aus medicinischen Rücksichten hervorgegangen, anzusehen sind.
Die Behaarung ist auf dem Kopfe stets eine sehr üppige, der Bart
dagegen ist meist spärlich zu nennen. Das dunkle Körperhaar bietet
nichts Besonderes dar und ist gekräuselt. Dasselbe gilt von dem Scham-
haar. Die Augenbrauen sind nicht besonders stark entwickelt; dieses ist
dagegen bei den Lidhaaren reichlich der Fall. Der Spirallocken -Typus
ist für das Haupthaar charakteristisch. Es verfilzen sich die einzelnen
Haare zu spiraligen Bündeln, ohne irgend welches Dazuthun Seitens des
Trägers. Die Haarfarbe ist schwarz; sehr selten kommt auch röthliches
Haar mit ebensolchen Augenwimpern vor. Solche Individuen haben dann
zugleich die hellste Färbung der Haut (ulin köko). üebertünchungen des
Haares mit rother und schwarzer Farbe sind gewöhnlich. Wenn das Haar
eine bestimmte Länge erreicht hat, wird es mittelst des Obsidianmessers
rasirt. Die Männer rasiren das Haar sehr oft nur in einem etwa hand-
breiten Streifen um den Kopf, schmücken dasselbe mit einer Kakadu-
Feder oder einer rothen Hibiscus-Blüthe, oder tragen einen drei- bis
siebenzinkigen Haarpfeil darin, auch verhüllen sie das Haar mit einem
Basttuch (obo) zum Zeichen der Trauer. Frauen tragen das Haar gewöhn-
lieh gleichmässig und kürzer geschoren. Kinder erhalten bisweilen die
merkwürdigsten Frisuren, es wird z. B. Alles glatt rasirt bis auf einen
fingerdicken Schopf an einer Seite des Hinterhauptes. Schon neugeborene
Knaben werden nach Art der erwachsenen Männer rasirt und mit rother
Erde eingesalbt Mit dem Bart zugleich werden auch die Augenbrauen
geschoren. Weder das Auskämmen des Haares zu Fiji -Perrücken, noch
das Verkleben desselben zu herabhängenden Zotteln (Neu -Lauenburg),
noch das Entfärben desselben durch Kalk ist dieser Gegend eigenthflmlich.
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 161
Das Auge ist voll und gross, dunkelbraun, glänzend, weit geöflfhet,
gewöhnlich von intelligentem, häufig zugleich verschmitztem Ausdruck.
Die Lidspalten stehen annähernd horizontal; ganz allgemein ist der Bulbus
im Bereiche der Lidspalte mit einem bandartigen, braunen Pigment ver-
sehen. Die Länge der Lidspalte maass bei 5 Männern im Durchschnitt
35 www, bei 5 Frauen 31,6 mm. Die Intraorbital -Distanz schwankt zwischen
27 und 40 mm^ geht jedoch gewöhnlich nicht über 35 mm hinaus.
Die Ohren sind gut gebildet und von entsprechender Grösse. Die
Ohrläppchen sind bei Männern und Frauen gewöhnlich durchbohrt und
vermittelst eines federnden Cocosblatt- Röllchens (Baninga) zu weiten
Ringen aufgeweitet. Li diese so behandelten Läppchen werden sodann
Muschelriuge und andere Zierrathen hineingehängt oder eingeknöpft. Bis-
weilen wird das aufgeweitete Läppchen auch gespalten und hängt dann
in zwei langen Zipfeln herab (siehe die Masken).
Die Kopfform macht im Allgemeinen einen mesocephalen Eindruck
imd zeigt auch bei den gemessenen 37 Lidividuen einen mittleren Kopf-
index von 76,6 sowohl für die Männer, als für die Frauen. Unter
37 Köpfen finden sich nur 2 brachycephale (höchster Lidex 81,0) und
11 dolichocephale (geringster Index 70,5);. 24 sind ausgesprochen
mesocephal. Es findet also die allgemeine Annahme, dass der mela-
nesischen Rasse die dolichocephale Kopfform eigenthümlich sei, hier keine
Bestätigung. Selbst wenn ich meine mittleren Messfehler für die grösste
Länge + 2, die grösste Breite + 1 in der Weise in Anrechnung bringe,
indem ich die erstere Zahl den erhaltenen Längenwerthen zuzähle, die
zweite von den erhaltenen Breitenwerthen abziehe, so bekomme ich noch
immer einen gemittelten Index von 75,2.
In Bezug auf die Ohrhöhe des Kopfes ergiebt sich im Mittel eine
geringe Ohamaecephalie von 69,8. Die Frauen, für sich betrachtet, haben
dagegen eine massige Orthocephalie von 70,8 aufzuweisen. Im Allgemeinen
¥rird man also sagen können, dass die Köpfe nahe an der Grenze der
Orthocephalie stehen. In der That notirte ich unter den 37 Individuen
13 Orthocephale und 2 Hypsicephale (höchste von 75,7).
Die Stirn ist gewöhnlich gut gewölbt^ dabei weder auffallend hoch,
noch auffallend niedrig, wenngleich hierin gerade grosse Schwankungen
vorkommen. Sehr hohe Stirnen weisen die Nrn. 27 und 30 auf mit
90 und 84 mm Höhe. Die Mehrzahl misst Höhen -zwischen 60 und 70 mm.
Bei Allen zeigt sich eine besonders starke Entwickelung der Orbitalbögen,
an welcher häufig auch die Nasenfortsätze theilnehmen. Das ergiebt dann
im Profil eine tief einspringende Nasenwurzel. Auch die Stirnbreiten sind
aberall recht erhebliche. Nr. 11 und 32, Vater und Sohn, zeigen ausser-
gewöhnliche Maasse von 116 und Wbmm, Aber auch die Stimbreiten von
7 weiteren Individuen gehen über 110 wm hinaus.
Das Gesicht zeigt nur selten ein angenehmes Oval. Im Allgemeinen
162 0. SOHELLOMO:
erscheint dasselbe niedrig und erhält durch die stets sehr stark ent-
wickelten und yorspringenden Wangenbeine eine unebenmässige Gestaltung,
welche, noch vervollständigt durch die Breite des Mundes und die platte,
gedrückte Beschaffenheit der Nase, diesen Menschen oftmals ein wildes,
kannibalisches Aussehen giebt. Die Gesichtshöhe B (Nasenwurzel) erreicht
unter den gemessenen Individuen nur einmal das Maass von 132 mm; die
bei weitem meisten Werthe halten sich jedoch unterhalb 120 mm» Dem
gegenüber ist die jugale Breite stets sehr beträchtlich, und es resultirt
daraus eine ausgesprochene Chamaeprosopie von im Mittel 80,8, wenngleich
auch 3 leptoprosope Individuen mit einer höchsten Ziffer von 91,6 heraus-
kommen.
Die Nase ist gewöhnlich niedrig, breit und abgeplattet. Die Flügel
sind breit ausgelegt, die Nüstern weit und nach vom geöffnet. Die Nasen-
höhe erreicht nur einmal das Maass von 64 mm^ sinkt dagegen 8 Mal unter
50 mm herab, unter den Breitenwerthen ist zwar 2 Mal 44 mm notirt
worden, doch halten sich die meisten Werthe in der Grenze zwischen
35 und 40 mm. Die Abflachung der Nase (der gemittelte Index beträgt
66,5) würde also zunächst vorzugsweise auf Rechnung eines geringen
Nasenhöhenwerthes zu setzen sein; doch würde dieser Umstand allein
nicht die ungeheuere Plattnase ergeben können, welche dem Beobachter
sofort als solche in die Augen fällt. Das Platte, Zusammengedrückte der
Nase resultirt vielmehr vorwiegend aus der Weite der Nasenflügel, welche
wiederum in der allgemein üblichen Durchbohrung und der dadurch
bewirkten Verkürzung des Nasenseptums ihren Grund hat Der Abstand
der stärksten Ausweitung der Flügel beträgt bei Nr. 5 41 mm gegen 31 mm
Nasenbreite, bei Nr. 26 46 mm gegen 36 mm Nasenbreite. Das sind also
sehr auffallende Differenzen von 10 mm. In derselben Weise übertrifft
der Flügel -Abstand die Nasenbreite um 9 mm bei 4 Individuen, um 8 mffi
bei 3, um 7 mm bei 6 und um 6 mm bei 5 Individuen. Es bleiben also
nur 17 unter 37 Individuen übrig, bei welchen dieser Unterschied geringer
als 6 mm ausfällt. In welchem Grade diese Nase verflacht ist, ersieht man
am deutlichsten aus der Stellung der Nüstern, welche nicht, ¥rie bei uns^
ein Längsoval, sondern nahezu ein Queroval bilden. Uebrigens giebt es
als Ausnahmen auch ganz wohlgeformte Nasen, trotz des durchbohrten
Septums, so bei 2 Frauen (Nr. 34 und 37), welche die kleinsten Indices
mit 52,6 und 58,3 aufweisen; besonders die letztere, Kaualuo, ist mir noch
als ein hübsches Stupsnäschen in Erinnerung (vergl. die Maske). Anderer-
seits kommen ganz monströse Gebilde vor, wie z. B. die Nase des Ssangoan
(Nr. 11) mit einem Index von 93,6 oder Nr. 6 mit einem Index von 86,9.
Sehr bemerkenswerth ist die Bildung der Nasenspitze. Bei den meisten
übertrifft die Nasenhöhe die Nasenlänge imi einige Millimeter. Das charak-
terisirt die Nase also schon als Stupsnase. Zu der Vorstellung derselben
trägt aber wiederum in sehr hohem Grade der Umstand bei, dass wir es
Beitr&ge zur Anthropologie der Papuas. 1^3
Überall mit einem durchbohrten Septnm zu thun haben, welches, leicht
gewölbt, nach unten herabhängt und die Nasenspitze in eine Kundung
.verwandelt, so dass es oft schwer fällt, zu entscheiden, wo man bei der
Entnahme des Längenmaasses die Cirkelspitze anzulegen hat. Die Jabim-
Nase ist also eine sehr platte Stupsnase.
Die Mundgegend ist stark entwickelt, die Breite des Mundes eine
sehr erhebliche; dieselbe beträgt häufig 60 mm und mehr; bei Ssanguan
(Nr. 11), welcher sich auch sonst durch ungeheuerliche Maasse hervorthut,
notirte ich sogar 66 mm. Als geringste Werthe finde ich nur einmal
43 mm und 44 mm verzeichnet. Die Lippen sind voll und deutlich vor-
springend. Im Allgemeinen ergiebt sich daraus jedoch nur eine massige
Prognathie. Auch der Kiefer -Prognathismus ist nur sehr wenig aus-
gesprochen. Nach den angestellten Winkelmessimgen, welche ich aller-
dings mit Hülfe eines sehr unvollständig gearbeiteten Apparates ausführte*),
ergiebt sich sogar eine Orthognathie von 85 — 87° (zur deutschen Hori-
zontalen).
Der physiognomische Ausdruck gestaltet sich durch die vor-
wiegende Breite von Stirn, Wangenbein -Abstand, Nase und Mund, wozu
oftmals noch eine sehr stark entwickelte Masseteren -Gegend hinzutritt
(wie bei der Familie Ssanguan), keineswegs zu einem für unsere Begriffe
angenehmen. Jedoch wird derselbe sehr gemildert durch das volle,
glänzende, meist gute, oft sogar milde, im Ganzen recht sympathische
Auge, — ein Yerhaltniss, welches Virchow") auch zur Charakteristik des
viel roher und hässlicher aussehenden Austral- Negers hervorhebt. Auf den
ersten Eindruck hin möchte man diesen Leuten nicht leicht etwas absolut
Schlechtes zutrauen. Sie nähern sich dem Europäer schnell mit grosser
Freundlichkeit und Zutraulichkeit, nehmen ein lebhaftes Interesse an den
vielerlei fremden und unbekannten Dingen, welche den weissen Mann um-
geben, wissen sich erstaunlich leicht über das, was man von ihnen haben
will, durch Zeichen zu verständigen und sind so entgegenkommend und
hülfsbereit, dass man bitter enttäuscht wird, wenn man bei längerem Ver-
kehr mit diesen Leuten die Ueberzeugung gewinnt, dass alle ihre Liebens-
würdigkeit Berechnung ist, dass theils Furcht, theils die Aussicht auf
Gewinn, und sei es auch nur ein Fingerhut voll Perlen, sie dieses Interesse
für den Europäer erheucheln lässt. Denn das ist die vorwiegende Eigen-
schaft ihres Charakters, durch Lügen, Betrügen und Stehlen so .viel zu
gewinnen, wie sie nur können. Dieses Urtheil wird nur dadurch ein
wenig gemildert, dass man sie diese Untugenden in die Form einer
gewissen Gutmüthigkeit kleiden sieht Ich hatte häufig den Eindruck,
1) Ein nach meinem Modell construirter Apparat znr l^Iossong des Profilwinkels am
Lebenden ist jetit von dem Instmmentenfabrikanten Thamm in Berlin, Karlstrasse, an-
gefertigt worden.
2) Zeitachrüt för Ethnologie 1884. Yerhandl. S. 413.
Ig4 0. ScU£LtX>MG:
als ob diese Leute bei jedem Europäer, dem sie begegneten, zunächst
dessen ünerfahreuheit auf die Probe stellen wollten; dupirten sie den
Fremdling, so zogen sie daraus ihren Gewinn, wurde ihre List durchschaut,
so lachten sie darüber wie Menschen, welche sich einen lustigen Spass
hatten machen wollen ^). Ich konnte deshalb diesen Leuten niemals ernst-
lich böse werden, trotz mancher Enttäuschungen, welche ich mit den
besten Freunden unter ihnen erlebte. Meine vielfachen redlichen Be-
mühungen, Kranken Hilfe zu bringen, wurden entweder mit vollständiger
Gleichgültigkeit beantwortet, oder man verlangte noch Bezahlung oben-
drein. Als mein junger Freund Ssali, welchen ich mit Freundlichkeit
überschüttet hatte, den Arm gebrochen hatte, erfuhr ich davon nur ganz
gelegentlich, und als ich ihn dann zu veranlassen suchte, sich den Arm
schienen zu lassen, damit er den Speer wie früher gebrauchen könnte,
erhielt ich einfach zur Antwort, „dazu habe er ja noch den anderen Arm".
Diese Ablehnung mag freilich in den besonderen Vorstellungen ihren Grund
haben, welche diese Leute sich über das Wesen und die Heilung der
Krankheiten überhaupt bilden*); aber ich habe auch viele andere Beispiele
erlebt, wo von einer Art dankbaren Gefühls auch nicht die Rede war, so
z. B. als ich dem Kamelun (Nr. 12, Maske 7) zu seiner sehr niedlichen
Frau Kaualuo (Nr. 37, Maske 11) verhelfen hatte^ indem ich ihm nach
mehrfachen vertraulichen Besprechungen eine Axt und andere Kostbar-
keiten, jedenfalls die Mittel gewährt hatte, welche ihn befähigten, sich die
Hand dieser Papua -Schönheit zu erringen. Gespannt wartete ich dann
auf den Augenblick, wo der junge Ehemann nach abgelaufenen Flitter-
wochen sich mir wieder vorstellen würde: wie sehr war ich damals ent-
täuscht, als besagter Freund eines Tages mit ganz gleichgültiger Miene
durch das Wasser auf mein Haus zuschlenderte und sich auf meiner
Yeranda seiner Länge nach träge ausstreckte, als hätte sich nichts in-
zwischen ereignet! Tiefes Gemüth muss man also bei diesen Leuten im
Allgemeinen nicht voraussetzen; sie thun Alles aus Berechnung, sind freund-
1) Unsere Dorfbewohner controlirten mit peinlichster Genauigkeit unsere Ab- und
Zugänge auf der Station; sie wussten von jedem neu angekommenen Weissen schon beim
Einlaufen des Schiffes, wie er aussieht und was er bei sich führt. Am nächsten Tage
konnte der Fremdling, welcher von den manuichfachen neuen Eindrücken, welche er
empfangen hatte, noch sozusagen betäubt war, sicher sein, dass ihm die ganze Eingebomon-
Gesellschaft ihren Besuch abstattete und dass sie dabei die schlechtesten, abgebrauchtesten
Gegenstände zum Kauf anboten, welche sie ^auf Lager** hatten. Mir wird es unvergesshch
bleiben, wie ein junger Ankömmling ganz glücksstrahlend uns seinen sehr kostbaren Arm-
ring zeigte, welchen er, kaum gelandet, einem Eingebomen für einen ^ganz geringen Preis"
abgetauscht hatte, und was für ein verdutztes Gesicht der Herr machte, als wir ihm
bedeuteten, dass er denselben Ring für einen noch civileren Preis aus unseren Lager-
Yorräthen beziehen könnte, da wir diesen Gegenstand selbst den Eingebornen zum Tausche
anzubieten pflegten, wenn freilich auch mit geringerem Erfolg.
2) Siehe darüber meine Abhandlung „Ueber Familienleben und Gebräuche der Papuas*'
(Zeit«chr. für Ethnol. 1888).
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 165
Kch und traurig, lachen und weinen, ganz wie es der Augenblick erheischt.
Das führte mich denn nach manchem gründlichen Studium dieser Menschen
dahin, dass ich, als ich sie bei der Kundgebung meiner bevorstehenden
Abreise in Thränen und Klagen ausbrechen sah, nur an die Eisenstücke
und Aexte denken musste, welche zufälligerweise noch in meiner Kiste
als die letzten Reste meiner Tausch -Gegenstände sichtbar waren. Ich
habe niemals Thränen schneller trocknen sehen, als hier! Und doch war
ich ihnen ein wohlwollender, aufrichtiger Freund gewesen und bin es auch
noch. Denn ihr mangelnder Sinn für tiefe Gemüthsreguugen wird gewisser-
maassen aufgewogen durch eine seltene Entwickelung ihrer intellectuellen
Fähigkeiten. Schon was ich so eben angeführt habe, spricht für ihre
Intelligenz. Aber ich will noch erwähnen, wie leicht sie Gehörtes und
Gesehenes in sich aufnehmen, wie spielend sie das gesprochene oder
gesungene Wort wiederzugeben vermögen, wie gewandt sie sich in dem
Verkehr mit den anders sprechenden Nachbarstämmen zurecht finden u. s. w.
Ich möchte hier auch gleich das Farben-Unterscheidungs-Ver-
mögen der Jabim- Bewohner besprechen. Ein solches geht ihnen keines-
wegs ab, ist im Gegentheil vorzüglich ausgebildet; dagegen fehlen ihnen
die Worte für die feinen Farbennuancen, und auch ihrer ganzen Farben-
bezeichnung haftet ein gewisser Grad von Unsicherheit an, indem eine
ganze Anzahl von Farben nicht nur von verschiedenen Personen ver-
schieden, sondern auch von einer und derselben Person bei wiederholtem
Ausfragen öfters ganz verschieden benannt werden. Ich vermuthe deshalb,
dass den Jabim -Leuten eine exacte Farben -Benennung überhaupt fehlt,
dass sie vielmehr Farben nach ihnen bekannten Gegenständen aus der
Natur benennen. Mui ist z. B. constant „roth", bedeutet aber eigentlich
den rothen Thon, mit welchem sie ihr Haar färben; de oder da, „schwarz",
ist eigentlich die schwarze Erde, mit welcher sie die Zähne schwärzen;
quoram quoram, die Bezeichnung für weiss, bedeutet Kakadu. Merkwürdig
häufig finden sich Wort -Verdoppelungen bei den Farben -Bezeichnungen,
welche der Sprache sonst nicht eigenthümlich sind*). Folgende Bezeich-
nungen werden durchweg angegeben: weiss = quoram -quoram, ziegelroth
= mui, gelb = gär le, hellblau = ju ju, moosgrün = matta matta, dunkel-
grün = kedda. Sonst wurden noch für „schwarz" und dunkle Farben-
schattirungen überhaupt die Worte je je, ssi, da und kedda genannt; im
Gegensatz 4azu bedeutet k5 weiss und helle Farbenschattirungen, wie
weiss, hellbraun, jedenfalls nicht ein „weiss", welches so rein ist, wie das
Kakadu -Weiss.
Ihre Intelligenz bekunden die Bewohner der Finschhafener Gegend
auch durch ihre mannichfaehen technischen Fertigkeiten; sie sind
gute Holzschnitzer und machen vortreflFliche Flecht- und Häkel- Arbeiten,
i) VergL meine „Jabim -Sprache der Finschhafeuer Gegend^ (Leipzig 1890).
0. SOHEl-LOHG :
woTOD die ethnograpbiechen Sammlungen das beredteste Zeugnies ablegen.
Auch geht ihnen ein gewisaer künstlerischer Sinn nicht ab, wenngleich
ihre zeichnerischen, bezw. malerischen Barstellungen meist unvollkommene
Zerrbilder der Gegenstände wiedergeben, welche sie darstellen sollen.
Beliebt sind fratzenhafte Zeichnungen von Hann und Fran. wie in Fig. 1
und 2, oder einer Schlange (Fig. 3), eines Fisches (.Fig. 4), eines Kakadu
(Fig. 5>
Sohltnge (moä).
Fisch (jbano).
In Bezng auf die Körperbildung habe ich bereite das auffallende
MisBverhältnisB hervorgehoben, welches zwischen Klafterweite und KArper-
h&ho besteht. Yon dem Verdachte eines Hessfehlers möchte ich mich
hierbei freisprechen, da ich diese Maasse gerade wegen ihrer Ungewöbn-
Uchkeit sehr genau genommen habe.
Beiträge zur AnÜiropologie der Papuas. 167
Die Nabelhöhe ist stets eine sehr beträchtliche; sie ergiebt durch-
weg, dass der Nabel weit über der Mitte des Körpers sitzt. Bei elf be-
liebig herausgegriffenen Individuen, bei welchen ich dieses Verhältuiss
berechnete, überragte der Nabel die Körpermitte um rund 300 mm.
Die notirten Beinlängen schwanken zwischen 812 und 938 Tnm; die
Beine (Trochanterhöhen) sind im Allgemeinen länger als der Oberkörper;
sie überragen gewöhnlich um ein Geringes die Hälfte der Körperhöhe.
Bei den Nummern 1, 6, 8, 9, 17 ging die Trochanterhöhe in die Körper-
höhe 1 • 9 X und' 1 • 8 X auf; die Differenzen zur halben Körperhöhe be-
trugen hier 23, 92, 25, 25, 86 mm.
Sowohl Ober- als Unterschenkel sind fast durchweg gut entwickelt;
der Oberschenkelumfang beträgt selbst bei der kleinen jugendlichen
Kaualuo (Nr. 37) 438 mm] der Umfang der Waden überschreitet gewöhn-
lich um ein Beträchtliches die Zahl von 300 mm; unter den Männern finde
ich nur zwei, im Ganzen atrophische Greise (Nr. 27 und 30) mit einem
Wadenumfang von 278 bezw. 285 mm.
Eine sehr auffallende Entwickelung sowohl der Länge als der Breite
nach zeigen gewöhnlich die Füsse. Den längsten Fuss von 295 mm hat
Bumtau (Nr. 23) aufzuweisen; einen nicht minderwerthigen Japoa (Nr. 26)
mit 280 mm Länge. Beide haben Breitenmaasse von 111 und 114 mm und
Indices von 37 und 40. Auch die Frauen zeigen anfallende Breitenmaasse;
bei Atikio (Nr. 36) beträgt der Index 42, bei Matao (Nr. 35) sogar 44.
Daneben kommen auch weniger unförmig gestaltete Füsse vor, wie der-
jenige des Häuptlings Makiri (Nr. 29) mit 262 mm Länge und 95 mm
Breite und Index 36; der kürzeste Männerfuss ist mit 229 mm Länge
notirt; der kleinste gemessene Frauenfuss (bei Nr. 37) hat eine Länge von
228 mm. Die Männerfüsse gehen in die Körperhöhe 5*5 bis 6 • 9 X auf;
die Frauenfüsse 6-3 bis 6 • 5 X. Bei einer grösseren Anzahl von Füssen
übertrifft die zweite Zehe die erste an Länge; bei anderen sind beide
ziemlich gleich lang; bei allen ist der Einschnitt zwischen der ersten und
zweiten Zehe sehr beträchtlich; der Spalt zwischen der zweiten und dritten
Zehe steht am meisten nach vom. Die erste Zehe wird allgemein als
Gh'eifzehe benutzt (s. Fusszeichnungen Fig. 1 — 6).
Eine ungleiche Entwickelung beider Unterextremitäten wird nicht sehr
selten angetroffen, wie bei Kamelun (Nr. 12):
Oberschenkelumfang. . rechts 450 mm links 469 mm
Wadenumfang .... „ 310 „ „ 330 „
Pusslänge „ 270 „ «275 „
Fugsbreite „ 90(85) „ „ 108(100)„
Die Oberextremitäten machen wegen ihrer Länge, in welcher sie
oftmals bis zum Knie herabreichen, bei verhältnissmässiger Dünne der
Muskulatur einen unproportionirten Eindruck; die Hände sind nicht gerade
gross oder auffallend breit zu nennen, wengleich Einzelne, so Bumtau
(Nr. 23) mit einer Handlänge von 202 mm und Breite von 88 mm (101)
168 0. Schbi.lonq:
wesentlich über den Durchschnitt hinausragen. Bumtau's Hand hat auch
einen Breitenindex von 43; andere haben entschieden geringe Handbreiten
wie Lakka (Nr. 30) 63 mm, Kaualuo (Nr. 37) 68 mm und Nr. 20 73 mm.
Die Finger sind unschön geformt und entbehren der angenehmen
gleichmässigen Rundung. Der Zeigefinger übertriflFt öfters den Ringfinger
um ein Weniges an Länge; meistens sind beide jedoch gleich lang,
üebrigens macht sich der Mangel jeder Hautpflege ganz besonders an den
Händen bemerkbar. Schon die gänzlich unkultivirten Fingernägel rufen
bei uns die Vorstellung des Hässlichen hervor (siehe Handzeichnungen
Fig 1 und 2).
Der Bau des Brustkorbes ist im Allgemeinen kräftig zu nennen; der
Brustumfang bewegt sich meist zwischen 800 und 900 wim; bei vieren
ragt das ümfangsmaass über 900 hinaus. Die höchste notirte Zahl ist
925 mm. Auch in den Schultern sind die Jabim-Leute gut ausgelegt,
wenngleich mir Zahlenangaben dafür fehlen. Die Frauen zeigen eine gut
entwickelte Beckengegend; die Brüste hängen bei allen, welche geboren
haben, beutelartig herab und zeigen sich schon frühzeitig als schlaffe
runzelige Säcke. Nichtsdestoweniger scheinen die Milchdrüsen auch bei
diesen dürftig aussehenden Brüsten reichlich zu secerniren, da sie selbst
älteren Kindern^ kleinen Burschen, welche bereits herumlaufen, noch
Nahrung zu spenden vermögen. Die jungfräuliche Büste zeigt die üblichen
Charakteristika; häufig habe ich auffallend grosse und sehr dunkel pig-
mentirte Warzenhöfe angetroffen.
Zieht man aus den vorstehenden Erörterungen das Facit, so darf man
die Individuen des Jabim- Stammes als im Ganzen kräftig gebaut bezeichnen.
Daher erscheint es auffallend, dass diese Menschen in einem recht hohen
Procentsatze an den Malaria-Erkrankungen des Landes Theil nehmen, und,
wie ich an anderer Stelle*) nachgewiesen habe, zu 84 pCt. an grossen
palpablen Milztumoren leiden. Auch fand ich die Herzthätigkeit von recht
mangelhafter Energie: bei Ssabiam (Nr. 1) einen Puls von 56, bei Talabi
(Nr. 9) einen solchen von 60 Schlägen in der Minute; nur der sehr kräftige
Labum (Nr. 25) hatte Puls 84*). Auch die sorgfältig gemessenen Körper-
temperaturen erreichten bei Ssabiam Vormittags 8 Uhr nur 36,7, bei dem
kräftigen Labum und dem ihm in dieser Hinsicht nicht nachstehenden
Kassei (Häuptling von Bussum) Nachmittags 37,2. Die Athmungsfrequenz
betrug 20 bis 24 in der Minute, ist also als eine hohe zu bezeichnen.
Ausführliche Aufnahme - Protokolle von 23 Individuen des Jabim-
Stammes siehe unter dem Capitel ^Gesichtsmasken^ (Nr. 1 — 22b).
1) Vergl. meine ^Malaria-Krankheiten*' (Berlin, Julius Springer, 1890%
2) Ich habe mich h&afig genug bei der Ausübung meiner ärztlichen Th&tigkcit daron
übeneugen können, dass den Melanesien! ein schwacher, niedriger Puls elgenlhfimlich int.
Meine fiebeiteanken melanesischen Arbeiter von der Station Finschhafen la^n mitunter
g&nzlich pulslos da, so dass mir nach unserer üblichen Anschauung ein Aufkommen der-
selben fast anmöglich erschien : nichtsdestoweniger erholten sich diese Kranken aoffallend
schnell und ich hatte unter ihnen nicht einen TodesfalL
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 169
Die Kai-Leute*).
Das Wort Kai bedeutet in der Tamisprache „Wald", und in Bezug
auf einen Eingeborenenstaram angewandt, würde man darunter Menschen
zu verstehen haben, welche als Wald- oder Bergbewohner den Küsten-
bewohnem gegenüber gestellt werden. Unsere Jabim-Leute, die Bevöl-
kerung der Station Finschhafen, pflegten die Kai-Leute als einen von
ihnen vollkommen getrennten Stamm anzusehen und zu behandeln und,
augenscheinlich in dem Bewusstsein eigener Superiorität, denselben gegen-
über ein hohes Maass von Misstrauen und Missgunst zu beobachten.
Nachdem wir schon längere Zeit von ihrer Existenz gehört hatten,
bot sich uns die Gelegenheit dar, ein Paar Kai-Leute auf der Station
Finschhafen zu sehen, und erst viel später gelang es uns unter manchen
Sch¥rierigkeiten, in eines ihrer dürftigen Dörfer (Memming) einzudringen.
In ihrer Sprache zeigten sie sofort einen sehr auffallenden Unterschied
gegenüber den Jabimbewohnem, besonders durch die Anwendung eigen-
thümlicher Zischlaute, welche in der Jabimsprache nicht vorhanden sind').
Die geringen Sprachproben, welche ich Hrn. Freiherm vonderGabelentz
vorlegte, bestimmten diesen Forscher, wie derselbe mir mitzutheilen die
Güte hatte, zu dem Urtheile, „dass Anklänge an den Jabimdialekt sich
nur in ganz vereinzelten Fällen vorfinden." Eine nähere Bekanntschaft
mit den Kai-Bewohnern habe ich während meines über zweijährigen Auf-
enthaltes in Kaiser Wilhelms-Land nicht anknüpfen können und somit
bilden die gewonnenen 3 Mess-Protocolle die einzige Grundlage zu ihrer
anthropologischen Beurtheilung.
Die Individuen, welchen ich begegnete, boten kleine dürftige Figuren
dar, deren ganze Erscheinung und Gebühren die Vermuthung nahe legten,
dass sie in augenscheinlich ärmlichen, heruntergekommenen Yerhältnissen
lebten. Auch numerisch sind sie sehr schwach, wofür schon der Umstand
spricht, dass V\e es nicht vermochten, mit uns in selbständigen Verkehr
zu treten, sondern sich dazu der Vermittelung der Jabim-Leute bedienten,
von welchen sie dann bei ihrer jedesmaligen Anwesenheit auf der Station
sorgfältig im Auge behalten wurden, dass sie nicht etwa zu grosse Vor-
theile von uns genössen. Auch war nirgends ein betretener Weg oder
Zugang zu ihren Dörfern aufzufinden. Sofern auf der Grundlage unserer
bisherigen ethnologischen Kenntniss der Finschhafener Gegend eine Ver-
muthung überhaupt schon geäussert werden darf, möchte ich meinen,
dass wir in der die Berge bewohnenden Kai -Bevölkerung einen Volks-
stamm zu erblicken haben, welcher älter ist, als der Jabim- Stamm; sie
sind vielleicht die ursprünglichen Bewohner des Landes. Wie weit sich
ihre Dörfer landeinwärts erstrecken, ist eine gänzlich offene Frage, da
eine erfolgreiche Expedition in das Land bisher wegen der ausserordent-
1) Dazu 3 Messprotokolle (Nr. 38-40) und 5 Gesichtsmasken (Nr. 23—27).
2) Siehe darfiber meine „Jabim -Sprache" (Leipzig, Wilh. Friedrich, 1890).
170 - 0. SOHELLONO:
«
liehen Terrainschwierigkeiten und wegen anderer hindernder umstände
nicht möglich war.
Die 3 Repräsentanten des Eai-Stammes, welche ich gemessen habe,
bieten eine mittlere Körperhöhe von nur 1576 mm dar; der grösste
unter ihnen, Gamtei (Nr. 39), misst 1577 mm. In ihrer^ Erscheinung
treten ausser der Dürftigkeit der Muskulatur im Ganzen eckige, un-
proportionirte Formen hervor; die Klafterweite übertrifft die Körper-
höhe im Mittel um 78 mm^ im Minimum um 66 mm; dabei ist der
Brustumfang ein sehr geringer, er schwankt zwischen 726 und 887 mm.
Ueber ihre Hautfarbe gilt im Allgemeinen dasjenige, was auf die
Jabim- Bewohner und die melanesische Rasse überhaupt Bezug hat; die
Hautpflege wird in noch höherem Grade vernachlässigt, als bei den
Jabim -Leuten; Tättowirungen sind nicht bemerkt worden. Auch über
die Behaarung (Spiral -Locken -Typus) ist nichts besonderes hervor-
zuheben. Die Augen sind dunkelbraun, glänzend, im Allgemeinen gross
zu nennen. Die Lidspaltenlänge beträgt im Mittel 36 mm^ dagegen weisen
sämmtliche Individuen eine geringe Intraorbitaldistanz Von 33 mm im Mittel
auf. Die Kopfform zeigt eine durchschnittliche Mesocephalie von 75,9;
doch muss bemerkt werden, dass diese Zahl auf Rechnung des brachy-
cephalen (80,9) Gamtei (Nr. 39) herauskommt, während Kopal (Nr. 38)
und Bikuan (Nr. 40) dolichocephale Indices von 72,1 und 74,7 aufweisen.
Es mag also hier vielleicht die Annahme einer Dolichocephalie überhaupt
die richtigere sein. In Bezug auf die Ohrhöhe sind die Kai-Leute aus-
gesprochene Chamaecephalen; der geringste Index beträgt 68,5, der durch-
schnittliche 68,7. Doch stehen auch diese Individuen ebenso wie die
Jabim-Bewohner an der Grenze der Orthocephalie. Die Stirn ist bei
Kopal sehr hoch, 80 mm; auch bei den übrigen ragen die Stirnhöhenmaasse
über 71 hinaus; die Stimbreiten sind nicht beträchtlich, bei Gamtei 106 mm,
bei den anderen sogar nur 105 und 102 mm; besonders in die Augen
fallend ist bei allen eine mächtige Entwickelung der Augenbrauenbogen;
das tritt ganz besonders bei Kopal und Bikuan hervor. Dementsprechend
finden wir tiefe Nasenwurzeln und tiefe Augenhöhlen. Die Gesichts-
höhe B erreicht nur bei Kopal die beträchtliche Höhe von 119 mm, bei
den anderen geht dieselbe über 110 mm nicht hinaus; der erstere zeigt
deshalb auch eine längliche Gesichtsform, während Bikuan ein mehr rundes
Gesicht darbietet, dessen Eindruck durch eine auffallend kräftige Ent-
wickelung der Masseteren noch erhöht wird; bei Gamtei besteht nur eine
scheinbare Verlängerung durch das Vorhandensein eines Zickelbartes. Der
gemittelte (lesichtsindex beträgt 81,4, orgiebt also ein chamaeprosopes Ver-
hältniss. Am ausgesprochensten tritt dasselbe bei Gamtei hervor mit einem
Index von 76,0. Die Nase erweist sich besonders breit bei Kopal mit
einem Index von 79,9; der durchschnittliche Nasenindex beträgt 67,5.
Ueber die Durchbohrung des Nasenseptums vermisse ich eine Aufzeich-
nung; doch waren auch die Nasenscheidewände der Kai -Leute, soweit ich
Beiträge znr Anthropologie der Papuas. 171
mich erinnere, durchbohrt. Dem entsprechend ist auch der unterschied
zwischen dem weitesten Abstand der Nasenflügel und der Nasenbreite ein
sehr grosser; derselbe beträgt bei Gamtei und Bikuan 11 mm; die Nasen-
spitze ist plump bei Eopal; Gamtei hat einen etwas gekrümmten Nasen-
rücken, wodurch seine Physiognomie "in Verbindung mit dem Zickelbart
ein jüdisches Gepräge erhält. Die Mundlänge ist nicht sehr erheblich,
54 — 57 mm. Der physiognomische Ausdruck gestaltet sich bei allen
ziemlich gleich. Alle haben einen scheuen, verschlossenen Blick; bei
Kopal tritt eine entschiedene Verlegenheit hervor; nichtsdestoweniger zeigt
er eine grosse Begehrlichkeit nach unserm Besitzthum; Bikuan blickt halb
stumpfsinnig, halb blöde und weinerlich vor sich hin und ist augenschein-
lich sehr wenig intelligent. Gamtei geht eine gewisse gutmüthige Ver-
schmitztheit nicht ab. Ein auffallender Prognathismus kommt nur Bikuan
zu; bei den anderen ist ein solcher nur in sehr massigem Grade vorhanden.
In Bezug auf die Körperbildung habe ich die schwache Muskulatur
bereits hervorgehoben; Oberschenkelumfang von nur 380 — 445 mm^ Waden-
umfang zwischen 293 und 334 mm. Die Füsse sind nicht an sich, wohl
aber im Vergleich zu der Eörpergrösse lang und breit zu nennen; der
Breitenindex beträgt 38 — 42 (s. Pusszeichnungen Fig. 7). Die Füsse gehen
bei Allen 6*2 X in die Körperhöhe auf. Die Hände sind bei massiger
Länge (bis 173 mm) von erheblicher Breite; der grösste Breitenindex
beträgt 47.
Aufiiahme-ProtokoUe der Nr. 38 — 40 s. unter Capitel ^Gesichtsmasken^
(28—25).
Die Poum-Leute*).
Poum ist eine Landschaft 20 — 30 Seemeilen nördlich von Finsch-
hafen*). Es ist wahrscheinlich, dass man darunter einen Complex von
Dörfern zu verstehen hat, welche zwischen Festungshuck und Cap William
längs der Küste gelegen sind. Als wichtigster Ort wurde mir wiederholt
Kamocka bezeichnet. Gegenüber der Jabimbevölkerung, mit welcher sie
übrigens freundschaftliche Beziehungen unterhielten, fielen die Poum-
Leute auf durch eine grosse Verschiedenheit der äusseren Erscheinung
und der Sprache.
Hinsichtlich der letzteren stimmen sie mit dem Jabim wohl nur in
einigen, auf die gegenseitigen Handelsbeziehungen bezüglichen Wörtern
überein. Herr Freiherr von der Gabelentz fasst nach den ihm von
mir vorgelegten Sprachproben sein ürtheil dahin zusammen, dass, ihm der
Poum -Dialekt eine Art Mittelglied zwischen dem Jabim- und dem Kai-
Dialekt zu bilden scheine.
Das zuerst in die Augen Fallende ist bei den Männern eine höchst
1) Dmh 15 Mess-ProtokoUe Nr. 41—55 (5 Frauen Nr. 51—55).
2) Die Angabe meines Finschhafener Gewährsmannes, dass man, nm nach Poum hin-
mgelangen, dreimal übernachten müsse, stinmit mit dieser Annahme uberein.
172 0. SOHELLONO:
eigenartige Haarfrisor, welche die Conturen des Kopfes nach allen Rich-
tungen hin mächtig überragt. Der Kopf gewinnt dadnrch das Aussehen
ungewöhnlicher Grösse, und man hat den Eindruck, als ob der Hals dafür
zu klein und zu niedrig, zugleich aber auch, als ob das ganze Individuum
klein und eckig gebaut wäre. Bei näherer Betrachtung kann man vorzugs-
weise drei Formen dieser Haarfrisur unterscheiden: 1) Der mächtige Haar-
wuchs ist über einen, der Circumferenz des Kopfes eng anliegenden,
geflochtenen Reif (ssüng) gelagert; die bis 30 cm langen, mit Lehm-
klümpchen vielfach verklebten Spirallocken hängen über diesen Reif hin-
weg oder sind an diesem in besonderer Weise befestigt. 2) Das, wie
eben angegeben, konstruirte Haargebäude wird ausserdem noch mit einer
Kappe überzogen. Letztere besteht aus einem filetgestrickten Netz und
einem zwischen Haar und diesem eingelagerten Basttuch (obo). 3) Als
weitere Complication wird über diese Kappe, d. h. also über die ganze Frisur
ad 2, noch eine weitere Lage eines Spirallockenfilzes, diesmal mithin eine
wirkliche Perrücke, befestigt. Dann ist also der Reihe nach über einander
gethürmt: lebendes Haar mit Haarreif, Basttuch, Netz, künstliche Haar-
perrücke^). Als ein gemeinsames Attribut aller dieser Haartouren waren
stets zahlreiche Läusecolonien bemerkbar; auch fehlten nicht Einsalbungen
mit schwarzer und rother Farbe (vielleicht als Antipediculosum). Die
Poum- Frauen trugen das Haar nach Art der Jabim- Leute geschoren
d. i. also in einem etwa drei Finger breiten Rasirstreif rings um den Kopf.
Auch in der Bekleidung der Schamgegend zeigt die Poum-Bevölkerung
bomerkenswerthe Unterschiede gegenüber dem Jabim-Stamme. Die Männer
von Jabim begnügen sich mit einem kleinen koketten Stricklein; die
von Poum dagegen legen reelle breite Schambinden aus Basttuch an.
Der Schamschurz der Poum-Frauen ist im Gegensatz zu dem sonst all-
gemein verbreiteten Faserschurz*) aus bunt gefärbten Schnüren gefertigt
Doch werden die Schnüre nur vom getragen; nach hinten zu findet
sich eine oder mehrere Lagen ungefärbter Grasfasern, welche nach
Art der Toumüren aufgebauscht sind, um die nates voller erscheinen zu
lassen. Statt eines einfachen Hüftbandes ist ein zwei Finger breiter ge-
flochtener Hüftgurt üblich, welcher Vorder- und Hinterschurz zusammen-
hält. Auch hinsichtlich mancher Putzgegenstände weichen die Poum-Leute
nicht unwesentlich von den Jabim ab; recht eigenartig und geschmackvoll
ist eine feine Haarspitze, mit welcher der Haarfilz bisweilen zusammen-
gehalten wird').
1) Diese Haarfrisur war um keinen Preis käuflich; sie behaupteten, sterben eq müssen,
wenn sie sich derselben entfiusserten.
2) Die gewöhnlichen Faserschurze der Frauen bestehen nicht aus Qrasfasem, sondern
aus entfaserten Cocospahnen- Blättern.
3) In Bezug auf die Tracht stimmen die Poum-Leute sehr auffallend mit den Bfli-
Bili-Leuten des Constantinhafens überein und es wird weiteren Untersuchungen ▼orbebalt4*D
sein, festzustellen, inwiefern sich sonst etwa noch Berührungspunkte vorfinden. Wie ich
weiter unten ausführen werde, lehnen sich die Tami-Insulaner sprachlich an Nen-Pommfini
Beitr&ge znr Anthropologie der Papuas. 173
Ueber die numerische Starke der Poum- Bevölkerung vermag ich
sichere Angaben nicht zu machen; da die Leute sich produktiv zeigten
und bei dem Jabimstamme in Ansehen standen, so dürften sie diesem
wohl zum mindesten gleichkommen.
Die Individuen dieses Stammes sind meist klein und ungelenk, öfters
in dürftigem Ernährungszustande, mit flachem Brustkorb, abfallenden
Schultern, kurzem dünnem Halse. Die Frauen erschienen mir kräftiger als
die Männer. Den Meisten ist ein stumpfer Gesichtsausdruck eigen; nur
wenige haben einen freien klugen Blick; andere haben einen vorwiegend
melancholischen Zug in ihren Augen. Es fällt sonst auf ein entschiedener
Prognathismus*), welcher mehr ausgesprochen ist, als derjenige der Jabim-
Leute, femer eine verhältnissmässige Breite des Obergesichts gegenüber
einem niedrigen, schmalen Kinn und schmalen Wangen, welche, jeder Run-
dung entbehrend, sich öfters wie zwei ebene Platten nach dem Kinn zu
neigen und dem Gesicht eine ausgesprochene D^eiecksform verleihen.
Nicht zum wenigsten unvortheilhaft fielen die Leute auf durch eine beispiel-
lose Vernachlässigung der Körperpflege, so dass öfters aus einem bunten
Gemisch von Schmutz, Rauch und Asche das Braun der Haut beinahe
nicht herauszufinden war. Allen voran gehen in dieser Hinsicht die Frauen,
sehr zu ihrem Nachtheil, da sie einen viel gefälligeren Wuchs darbieten,
als die Männer*). Männer sowohl als Frauen zeigten ein ungewohntes
Maass von Scheu und Zurückhaltimg. Während der Ausführung der
Messungen hatte ich förmliche Mühe, die sich ängstlich umschlungen
haltenden Frauen auseinander zu bringen. Aus diesem Grunde habe ich
von den Poum -Leuten auch keine Gesichtsmasken gewinnen können.
Die Körperhöhe der gemessenen Poum-Leute beträgt im Mittel für
Männer 1543 mm^ für Frauen 1498 mm; das grösste Maass hat Ssimeio
(Nr. 50) mit 169S mm. Die Klafterweite übertrifft bei sämmtlichen die
Körperhöhe, im Maximum um 144 mm, im Minimum um 36 mm^ im Mittel
um 70 mm. Der Brustumfang ist gering, hält sich gewöhnlich zwischen
740 und 800 mm; einer, Nr. 48, misst sogar nur 675 mm; die höchste Zahl
hat Nr. 49 mit 850 mm aufzuweisen.
In Bezug auf die Hautfarbe notirte ich bei Assap (Nr, 48) eine
eigenthümliche Scheckzeichnung. Die Haut desselben zeigte nehmlich
■n; 80 wird eine gewissenhafte Lokal-Untersuchung vorzugsweise dazu berufen sein, mehr
Licht über die häufigen Hin- und Herwanderungen der melanesischen Yolksstämme zu
▼erbreiten.
1) Ein Mann, Namens Geiko, angeblich aus Ssiana, der über Nacht leider verschwand,
wohl ans Besorgniss, dass ich ihm mit meinen anthropologischen Gelüsten zu nahe treten
könnte, frappirte geradezu durch sein prognathes Gesicht. Ich konnte seiner später nicht
mehr habhaft werden und noüre dieses Factum mit dem Wunsche, dass vielleicht Jemand
von den gegenwärtig in Finschhafen lebenden Europäern Gelegenheit nehmen möchte, auf
diesen Mann zu fahnden.
2) Mangaia (Nr. 55) präsentirte sich mir zur Messung mit gänzlich von angetrocknetem
Blut besudelten Waden.
ZtthMhrift f&r Ethnologie. Jahrg. 1891. 13
174 0. Schbllong:
nur an einzelnen Stelleu des Bauches, der Brust und den vorderen Partien
der Unterschenkel das Papuabraun (Broea 29/43); im Uebrigen war die
Farbe der Haut ein schmutziges Weiss, so besonders an den Schultern,
den inneren Armpartien, den seitlichen Theilen des Halses, der Oberlippe,
den Waden, den Nates. Diese helleren Hautbezirke waren zum Theil mit
Schüppchen bedeckt, welche dem chronischen Schuppen-Eczem entsprachen ;
zum anderen Theile war die Haut glatt oder sie gewährte einen welken,
gerunzelten Eindruck und es fehlten die Körperhärchen; hier war also der
eczematöse Prozess bereits abgelaufen und die Haut schien ihr Pigment
dauernd eingebüsst zn haben. Ich notirte für diese Stellen Broca 24 und 25*).
Tättowirungen der Haut fehlen. Das Haar hat bis auf die Besonder-
heit der Frisur die spirallockige Beschaffenheit und die schwarze Farbe des
Papua- Haares. Nr. 54 hat rothes Haar, welches nur schwarz gefärbt ist
Dab Auge ist dunkelbraun und zeigt bei einzelnen, wie bei Garaua
(Nr. 45), eine derartig starke Pigmentirung der Bulbi, dass diese bei
1) Es ist hier vielleicht der richtige Ort, um eine Bemerkung anzufügen, welche sich
auf das Hautpigment der Melanesier bezieht. Die Anregung zur Pigmentbildun^ ist in
den Tropen eine sehr grosse; die Beobachtung, dass sich dunkelbraune Pigmentflecke bei
dem Europäer ganz gewöhnlich bilden, wenn oberflächliche, längere Zeit eiternde Wanden
und Schrunden, besonders an den Unterschenkeln, vernarben, ist eine alltägliche. Da die
Europäer Beinkleider tragen, so lässt sich zur Erklärung dieser Tatsache die direkte Ein-
wirkung des grellen Sonnenlichtes nicht heranziehen und man wird, je nachdem man der
einen oder der anderen der heutzutage über die Pigmeutbildung geltenden Anschauungen
beitreten will, entweder annehmen, dass in der Wunde eine Umwandlung des Blutfarb-
stoffes in Pigment stattgefunden, oder dass die Wunde gewissei-maassen auf die pigmeni-
bildende Malpighische Schicht als formativer Reiz eingewirkt hat. Nichtsdestoweniger ist
aber die Einwirkung des grellen Sonnenlichtes bei der Pigmentbildung nicht wegzuleugnen;
wie bei dem Europäer, so zeigen sich auch bei dem Papua diejenigen Partien der Haut
dunkler braun, welche nicht gedeckt sind, heller braun diejenigen, welche thoilweise
gedeckt sind, wie die Innenflächen der Arme, die Hautstellen unterhalb der Mammae u. s. w.,
fast weiss sogar diejenigen Hautpartien, welche so zu sagen vollständig gedeckt sind, wie
die Handflächen und Fusssohlen. Auch treten die Pigmentirungen am Bulbus des Papua
vorzugsweise in dem Bereich der Lidspalte (als horizontaler Pigmentstreif) auf, also da,
wo das Sonnenlicht direkt trifft; bei den Pigmentflecken der Schleimhaut der Lippen,
der Wangen oder der Zunge, welchen man gelegentlich, wenn auch nicht sehr häufig,
begegnet, liegt die Vermuthung nahe, dass hier vielleicht Verschwärungen oder ent-
zündliche Prozesse vorangegangen waren. Am meisten auffallend ist es nun, gelegent-
lich Papuas mit pignientfreien, also weissen Narben anzutreffen. Ich sah solche weisse
Narben einige Male am Unterschenkel; sie waren meist über thalergross und tief
eingezogen und bessen darauf scldiessen, dass hier tiefgreifende l'lceratiouen bestanden
hatten. Es liegt also die Thatsache vor, dass sich bei dem Papua auf oberflächlichen
Narben das Pigment wieder herstellt, bei tiefgreifenden Wunden dagegen die Fähig-
keit der Reproduction des Pigments verloren geht. Daraus aber ist, wie ich glaube,
ein weiterer Beweis für die Anschauung erbracht, dass das Pigment nicht ein Ab-
kömmling des Blutes, beiw. des Blutfarbstoflfes ist, — denu es müsste sich dann doch
überall da auf der Körperoberfläche bilden können, wo eine Blutcirkulation stattfindet,
also auch auf Narben ~, sondern «lass dasselbe ein Produkt der Malpighischen Schicht
ist; geht diese, nie bei tiefen Wunden, verloren, so vermag sich das Pigment hier nicht
mehr zu erneuern. Bei Individuen, welche, wie Assap, schufjpenhäutig sind, müsste man
hingegen annehmen, dass durch die dauenide Anwesenheit des die Hautkrankheit ei^
zeugenden Pilzes das Rete Malpi^^hii so sehr in seiner Ernährung beeinträchtigt wurde,
dass es die Fähigkeit, Pigment zu produciren, überhaupt eingebüsst hat.
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 175
natürlicher Lidstellung braun erscheinen. Lidspaltenlänge und Intraorbital-
distanz gestalten sich, wie bei den Jabim-Leuten; für beide Verhältnisse
ist 35 m^n die ungefähre mittlere Zahl. Die Ohrläppchen sind durch-
bohrt, oft aufgeweitet, auch gespalten.
Ueber die Kopfform vermag man wegen der Ungeheuerlichkeit der
Frisur nicht leicht ein ürtheil zu gewinnen. Die Messungen ergaben
überwiegende Mesocephalie (11 Individuen) gegenüber 3 Brachycephalen
und 1 Dolichocephalen. Der gemittelte Index ist 77,7. Hinsichtlich der
Ohrhöhe des Kopfes finden sich unter den 15 Individuen 10 Hypsi-
cephalen, dagegen nur 1 Chamaecephaler, Garaua (Nr. 45) mit dem sehr
geringen Index von 58,8; 4 sind Orthocephalen. Der gemittelte Auricular-
index ist 65,9.
Dieser geringen Kopfhöhe entspricht eine ebenfalls nur geringe Höhen-
entwickelung der Stirn; dagegen zeigen die Breitenmaasse der Stirn relativ
hohe Werthe, 100 — 104 ^nm, erheben sich sogar bis 111mm. Die Orbital-
bögen sind nur bei wenigen in auffallender Weise entwickelt; in dieser
Hinsicht stehen die Poum- Leute den Kai- und Jabim-Leuten ent-
schieden nach.
Das Gesicht erscheint im Ganzen klein. Die Gesichtshöhe B er-
reicht gewöhnlich nur die Zahl von 110 mm; als höchster Werth ist ein-
mal 120 mm notirt. Die Jochbeinabstände sind ziemlich beträchtliche, so
dass bei sämmtlichen Individuen ein chamaeprosopes Verhältniss resultirt.
Der gemittelte Gesichtsindex ist 82,5. Bei zweien, Nr. 46 und 50, findet
sich doppelseitige Parotidenschwellung, welche das Gesicht noch breiter
erscheinen lässt. Das Kinn ist bei den meisten schmal und niedrig; eine
dreieckige Form des Gesichts deshalb vorherrschend.
Die Nase hat die breite Beschafi^enheit der Papua-Nase; doch ist die-
selbe weniger gross, als plump zu nennen. Nasensepta durchbohrt, zum
Theil auch herabhängend; Flügelabstand sehr weit, übertrifft das Nasen-
breitenmaass gewöhnlich um 10 mm] Nasenspitze abgestumpft. Gemitteiter
Nasenindex 63,5. Die Frauen bilden hinsichtlich der Form der Nase theil-
weise rühmliche Ausnahmen. Mmbag (Nr. 51) steht mit ihrem Index von
48,1 geradezu unerreicht da. Auch die Frauen Nr. 52, 53 und 54 haben
verhältnissmässig schmale Nasen mit Indices von 53,8 — 58,8. Nichts-
destoweniger sind auch die Nasensepta dieser Frauen durchbohrt, was
in einer breiten Flügeldistanz zum Ausdruck kommt. Bei Mmbäg beträgt
die Nasenbreite 26 Twm, der Flügelabstand 36 wm; das Nasenseptum hängt
bei ihr so weit herab, dass die Entfernung, von der Nasenwurzel zum' herab-
hängenden Theil des Septum gemessen, das gewöhnliche Nasenhöhenmaass
(bis zum Septumansatz an der Oberlippe) um 5 mm übertrifft (59 mm
gegen 54 mm).
Die Mundgegend der Poum-Leute ist ziemlich auffallend entwickelt.
Der Mund misst gewöhnlich über 50 wm, was für die Kleinheit der Figur
13»
176 0. SOHELLONQ:
immerhin ein erhebliches Maass bedeutet. Unter den Frauen hat Nr. 53
den grössten Mmid (59 mm)^ Nr. 55 einen sehr kleinen Mund (47 mni).
Die Lippen sind weder wulstig, noch besonders voll angelegt; nichts desto-
weniger steht der Mund im Ganzen nach vom, so dass der Prognathismus
also reiner Kieferprognathismus ist.
Der physiognomische Ausdruck der Poum-Bewohner ist ein für
unsere BegriflTe nicht angenehmer; es geht diesen Menschen anscheinend
jede Spur von geistiger Regsamkeit ab; sie sehen schläfrig und matt aus
und haben sich nicht mit Unrecht Schlafmützen aufgesetzt.
In Bezug auf die Körperbildung ist noch das Folgende hervor-
zuheben:
Die Nabelhöhe übertrifft die Körpermitte um 125 bis 175 »nw; nur
bei Mangaia (Nr. 55) liegt der Nabel viel tiefer, nur 63 mm oberhalb der
Körpermitte.
Die notirten Beinlängen betragen 789 — 818 w»w; dieselben übertreffen
die halbe Körperhöhe nur um ein Geringes, 15 — 43 mm^ sind also im All-
gemeinen geringe zu nennen. Der Oberschenkelumfang der Frauen ist
ein recht beträchtlicher, 425 mm und mehr; Nr. 52 $ hat sogar ein Urafang-
maass von 498 mm. Auch der Wadenumfang, mit einem gewöhnlich über
300 mm betragenden Maass, kann als ein guter gelten.
Die Füsse sind relativ gross; das Fussmaass geht in der Körperhöhe 1
6,2 bis 6,5 X auf; nur der vergleichsweise kleine Fuss von Nr. 43 5 geht
gerade 7 mal in der Körperhöhe auf. Die absolute Fusslänge ist eine
geringe, überschreitet bei den Frauen nicht die Zahl 246; die Männer
haben noch kleinere Längenmaasse von 225 — 240 mm. Unter den Breiten-
maassen sind zwei erhebliche, bei den Nrn. 41 und 42, sie betragen
je 95 mm\ die übrigen haben geringe Fussbreiten, geringer als 90 mm;
Mangaia ^ (Nr. 55) hat sogar einen schmalen Fuss von 78 mm Breite.
Die Breitenindicos schwanken zwischen 34 und 39, sind also im Vergleich
mit denjenigen der Kai- imd Jabim- Leute geringe. Die Zehen sind kurz
und dick (siehe Fusszeichnung Taf. V. Fig. 8).
Die Hände sind im Allgemeinen von entsprechender Grösse und
etwas breit; der grösste Breitenindex beträgt 44 (bei Nr. 54$). MmbägS
(Nr. 51) hat recht magere Finger; auch zeigt sich an dieser Hand der
Ringfinger von auffallender Kürze. Ein gleiches Verhältniss findet bei
Nr. 52 2 nicht statt (s. Handzeichnungen Taf. HI. Fig. 3 und 4).
Ich bemerke endlich, dass unter 7 darauf untersuchten Poum-Leuten
nur einer einen palpablen Milztumor hatte, was für die klimatische Güte
ihrer Siedelungen zu sprechen scheint.
Aus den Aufnahme-Protokollen ist noch das Folgende hervorauhebcn:
Nr. 41. Gnärassa J, ITjährig, intelligent, ängstlich blickend; gut entwickelte
Körperformen.
Nr. 42. Mök^)ng $, etwa 22 jährig, mit starkem Knochenbau, schwacher Muskulatur;
rechtes Auge mit altem totalem Pannus.
Nr. 43. Ssäpöa, etwa SOj&hrig. hager, mit hellerer Hautfarbe (uliniong).
Beiträge zur Anthropologie der Papnas. 177
Nr. Ä. B5ssS, etwa 80 jährig, hat in Farbe, Fignr, Gesichtsbildung grosse Aehnlich-
keit mit den Torigen.
Nr. 45. Gäraua §, etwa 85 jährig; massig genährter Mann mit dünnen Waden,
zierlichem Knochenbau, nicht grossen Händen und Füssen. Gesicht Yon auffallender
Breite mit sehr starken Joch -Beinen und -Bögen, zurückliegenden Schläfen. Stirn nur
massig hoch, breit, geneigt. Kinn sehr kurz. Augen liegen tief; Bulbus mit so lebhaft
braunem Pigmentstreif, dass bei natürlicher Lidstellung der Bulbus braun erscheint. Lid-
spalten ein wenig nach aussen, oben divergirend; im üebrigen weit, mit langen, gleich-
massigen Wimpern. Nasenwurzel nicht tief, Nase eher breit als gross, hässlich, mit
dicker Spitze, kurzem Septum, etwas flach gedrückten Nüstern, grossen, gut gewölbten
Flügeln. Mund gross, vortretend, verleiht dem Gesicht einen prognathen Ausdruck.
Haar dick verfilzt, Spirallöckchen von 80 cm Länge; von sehr typischer Matratzen-Kon-
sistenz. Es wimmelt von Kopfläusen.
Nr. 46. Bükärra ^, 28jährig, kleiner (1502 mm) Mensch aus Poum, mit stumpfem
Blick, dickem Bauch, abfallenden Schultern, wenig entwickeltem Brustkorb und Schlüssel-
beingruben, im üebrigen bei massig guter Ernährung. Beide Ohrläppchen weit durchbohrt
(für 4 Finger zugänglich), desgleichen Septum. Gesicht breit, mit beiderseitig ge-
schwollenen Parotiden, Kinn kurz, schmal. Lippen stark vortretend; proguather Typus.
Stirn niedrig. Schläfenpartien voll. Augenbrauenbögen nicht auffallend markirt. Augen
wie beim vorigen; weite horizontale Lidspalten.
Nr. 47. Mönai ^, etwa 38jährig, mittelgross, mit freiem Bück, unschön geformter
flacher Brust und Schlüsselbeingruben; erinnert an den slavischen Typus. Scharf markirte
Orbitalbögen, horizontaler Lidspalte. Mund breit, Oberlippe voll, beide Lippen vorstehend.
Das Gesicht im Ganzen hoch oval (Index 85,7), Schläfen zurücktretend. Kinn gegenüber
den vorigen gross, rund.
Nr. 48. Assäp ^, etwa 20 jährig; kleines, hässliches, blöde dreinschauendes In-
dividuum, mit scheckiger, gänzlich ungepflegter Haut; in schlechter Ernährung (Yambauch);
mit flachem, fast kindlichem Brustkorb, welken, fleischlosen Armen; das Gesicht von auf-
fallender Kleinheit, durch eine zurücktretende hellfarbige Unterlippe stark entstellt, sonst
rundlich, mit kurzem vorstehendem Kinn Stirn niedrig, breit, mit vollen Schläfen, scharf
markirten Orbitalbögen. Die glotzäugigen Bulbi rollen in tiefen Höhlen ; sind im Üebrigen
auffallend wenig pigmentirt. Die weiten Lidspalten etwas nach aussen, oben divergirend.
Nr. 49. Sslnäbi $, etwa 40 jährig, sieht eharakteristisch jüdisch aus; hat runde
Körperformen, kurzen gedrungenen Knochenbau, reichliche Behaarung, einen kurz ge-
haltenen Bart. Kinn vorstehend, die volle Unterlippe ein wenig hängend, die hohe Ober-
lippe desgleichen, ein wenig vorstehend. Gesicht rund, mit etwas zurücktretenden Wangen,
dem entsprechend markirten Wangenbeinen. Nasenrücken leicht sattelförmig eingedrückt;
Augen liegen tief, sind massig weit, Lider ein wenig nach aussen und oben geschlitzt.
Nr, 50. Ssimeiü, etwa 28 jährig, klein, engbrüstig, gracil; breiter Mund, stark vor-
tretende Lippen, breites niedriges, vorstehendes Kinn; breites Gesicht, durch Parotiden-
Bchwellung noch verbreitert; scharf markirte Augenbrauenbögen, tief liegende, kleine
^Schweinsaugen", welche ganz wenig nach unten und aussen divergiren; tiefe Nasenwurzel,
plumpe Nase, niedrige gerade gestellte Stirn, volle Schläfen.
Nr. 51—56. Poum-Frauen. Nr. 51 und 55 sind ältere Frauen von etwa 50 und
80 Jahren mit ganz welken, hängenden Brüsten, Nr. 52 und 58 wohlgeformte, blühende
Gestalten, mit breiten Hüften, kräftigen Schenkeln, gerundeten Schultern und vollen,
straffen, divergirenden Brüsten. Nr. 54 ist ein in der Entwickelung begriffenes 17— ISjäh-
riges Mädchen, in etwas dürftiger Ernährung. Alle haben durchbohrte und ausgeweitete
Ohrläppchen, zum Theil mit „Baningas^ versehen; auch gespaltene Ohrläppchen finden
sich vor. Geflochtene Armbänder um beide Oberarme haben alle, einige auch Kniebänder
oberhalb der Wade, oder auch Bänder unterhalb derselben. Alle tragen das Haar kurz, in
der üblichen Frisur mit dem Rasirstreif; einzelne Lockenbündel sind mit Thon zusammen-
gebacken. Nr. 54 hat das rot he Haar schwarz geförbt, man sieht das Roth nur noch
am Hinterkopf, an Augenbrauen und Augenwimpern. Die Augen sind dunkelbraun, ver-
schämt. Auf Brüsten und dem Abdomen, auch der alten Frauen, bemerkt man nirgends
Striae (!). Die Zähne aller sind mit blendend weissem Schmelz versehen, gleichmässig
gestellt, nicht gross, vollzählig. Die Nasen, trotz der Durchbohrung der Septa nicht gross,
178 0. Schellono :
gut gefonnt. Die Lippeu aller sind nicht voll, der Mund nicht gross und nur ganx
wenig oder kaum yorstehend. Aasgesprochener Prognathismus kommt keiner einzigen
ZQ. Es finden sich weder auffallende Orbital-, noch Jochbögen.
Nr. 51, mit kleinem Kopf, Haar zum Theil ergraut.
Nr. 52, mit breitem, niedrigem Schädel, weinerlichem Gesichtsausdrnck. Kleines,
wohlgeformtes Kinn.
Nr. 53 sieht den vorigen sehr ähnlich, nur mit breiterer Stirn und Wangen.
Nr. 54, mit breitem hohem Kopf, desgleichen breiter Stirn und Gesicht
Nr. 55, mit kleinem, kurzem, breitem, niedrigem Schädel, desgleichen breiter Stirn,
niedrigem Gesicht
Die Tami-Leute*).
Die Tami-Inseln sind auf älteren Karten als Cretin-Inseln bezeichnet,
bezw. als Inseln am Cap Cretin. Diese Inseln sind von Finsehbafen mittelst
Dampfschiff in wenigen Stunden zu erreichen. Es sind nicht mehr als 4
kleine, reich mit Cocos- Palmen bestandene, höchst malerisch gelegene
Inselchen, deren Bewohnerzahl kaum 150 Köpfe betragen dürfte. Ein
Ausflug nach den Tami-Inseln im Segelboot oder im Eingebomen -Canoe
gehörte zu den angenehmsten Abwechselungen, welche sich den in Finsch-
hafen lebenden Europäern darboten*), und die Beziehungen der letzteren
zu dem glücklich lebenden Insulaner -Völkchen waren bei weitem die
intimsten. Der äusseren Erscheinung nach ächte Papuas, stellen die Tami-
Insulaner einen in mancher Hinsicht besonderen Schlag dar; es sind voll-
kräftige, männliche, ebenmässige Gestalten mit offenem, klugem Blick,
graciös in Haltung und Bewegung; sie machen den Eindruck vornehmer
Menschen und entfalten eine gewisse Opulenz in ihrem Ausputz: schöne
Haarpfeile mit Kasuar-Federn, Schildpatt- Ohrringe, Schildpatt -Armringe,
breite, acht und mehrere Male um den Leib geschnürte Bastleinen bilden
denselben. Als tüchtige Seefahrer bekannt, unternehmen sie auf ihren schön
geschnitzten Segelkanoes weite Fahrten und stehen mit den Küstendörfem
weit und breit in lebhaften Handelsbeziehungen. Ihre Handelsspecialität
sind Cocosuüsse, geschnitzte Cocosnussschalen, kahnförmig geschnitzte Holz-
schüsseln mit hübschen Bemalungen, grosse Signal -Muschel -Trompeten,
Schildpatt-Verzierungen, kleine Schnecken -Perlen u. s. w.') Ihre Sprache
weicht von der Jabim- Sprache in mancher Hinsicht ab, hat aber auch
viele Berührungspunkte mit derselben. Andererseits tritt eine entschiedene
Anlehnung an den Dialect der Insel Rook -Island (an der Südwestküste
von Neu-Britannien) hervor, wie aus folgenden Worten ersichtlich ist*):
1) Dazu 8 Mess-Protocolle (Nr. 56—63) und 4 Masken (Nr. 28—31).
2) Eine solche Tami- Fahrt hat der Artillerie -Hauptmann M. Dreger, welcher sich
auch um die geographische Aufnahme dieser Inseln verdient gemacht hat, in der Täg-
lichen Rundschau lSh8, Nr. 14B ff., in höchst launiger und anmnthiger Weise geschildert.
Es finden sich daselbst mehrere ethnographische Bemerkungen.
3) Ueber die Herstellung der letxteren siehe meine Arbeit ,,üeber die Herstellong
einiger Ethnographica der Finschhafener Gegend" (Internat. Archiv für Ethnographie 1888).
4) Siehe darüber auch meine „Jabim -Sprache der Finschhafener Gegend** (Wilh. Fried-
rirh, Leipzig 18*)0).
Beiträge zur Anthropologie der Papuas.
179
Tami
Rock -Island
Jabim
Zahl 1
te
teng
teng
« 2
lu
ru
luagi
» 3
tul
to(r)l
tilia
r, 4
pat j(N.-Britannien:
> hi wat
pang
ali
r. 5
lim hei lim)
lim
lemengteng
r 10
limandalu (Neu-
ssangawull (Neu-
lemeru
Britanuien:
Irland: ssangahuU)
lewalimraa)
Mond
ka(i)jo
kaio
ajum
Sonne
kä(a)t (Nen- Bri-
as
/
oa
tannien: keake)
V
Stern
bitti
pütum
uti
Mann
tamo
tamo
gnä (tamo = Vater)
Haar
dauänelaü
dabann(e)saQ
mukilong
Nabel
bissön
pissum
missu
Speer
iss
Iss
kim
essen
tagämbi
tägänänin (g)
tannin
schlafen
/
tängissQ
tagen
tanibi
gehen
täbädjäl
tälla(t)
tassilling
Zur
anthropologischen Charakterisiru
ne der Tami-Tjo
stehen mir 8 Mess-Protocolle zu Gebote, ausserdem Aufnahme -Protocollo
von 3 Individuen (Katong S 32jährig, Logom S IGjährig und Djeledja S
14 jährig) und 4 Gesichts -Masken.
Katong, Modiamo (Nr. 56) und Makili (Nr. 57) sind Brüder, welche
durch ihre grosse Aehnlichkeit unter einander auffallen.
Die Figuren der Tami -Leute können als stark mittelgrosse gelten.
Als durchschnittliche Körperhöhe ergiebt sich aus den Messungen 1613 ?n?n.
Der kleinste gemessene Mann hat eine Höhe von 1563 mm. Die Körper-
bildung ist eine im Ganzen harmonische, der Ernährungszustand ein sehr
guter, der Brustumfang ebenfalls erheblich (850 — 920 mm). Auch beiden
Tami -Leuten übertrifft die Klafterweite die Körperhöhe um ein Beträcht-
liches (42 — ISO mm) ^ im Mittel um 7b mm.
üeber die Haut ist dem schon in den früheren Capiteln Gesagten
nichts Wesentliches hinzuzufügen, nur, dass die Tami -Leute, im Gegensatz
zu den Bewohnern des Festlandes, eine lobenswerthe Sorgfalt der Haut-
pflege zuwenden und in Folge dessen von dem entstellenden Hautausschlag
des Herpes tonsurans fast gänzlich verschont bleiben. Tättowirungen
begegnet man häufig im Gesicht und an den unteren Extremitäten. Die-
selben stellen gewöhnlich Zeichnungen von 4- oder 5 eckigen Figuren dar.
Bei der Herstellung der Tättowirungen wird die Haut mittelst Obsidians
geritzt und in den noch blutenden Riss frisch bereitetes Kolilenpulvre
(durch Verkohlen eines Palmblattes gewonnen) hineingerieben. Am Inter-
180 0. SCHELIiONa:
essantesten ist die nnn folgende Manipulation: um nehmlich die Blutung
mögliehst rasch zum Stillstand zu bringen, wird ein dazu geeignetes, grosses,
frisch abgepflücktes Blatt unter Hersagen einer Formel über einem glim-
menden Kohlenfeuer erhitzt und fest gegen die tättowirte Hautstelle
gedruckt. Der dadurch verursachte Schmerz ist ein ziemlich beträchtlicher,
wovon ich mich aus eigener Erfahrung überzeugt habe*).
Der Haarwuchs der Tami- Insulaner ist ein sehr üppiger. In der
Haartracht weichen sie sehr wesentlich von den Bewohnern des Festlandes
ab. Sie kämmen nehmlich das Haar zu grossen Fiji- Perrücken aus, und
verwenden auf diese, sie sehr kleidende Frisur augenscheinlich grosse
Sorgfalt. Um dem Haar die aufstehende Richtung fortdauernd zu geben,
scheint es nothwendig zu sein, dass sie es vor dem Kämmen mit Wasser
befeuchten*). Diese künstliche Frisur ist also weiter nichts^ als die durch
Kämmen ausgezogene Spirallocken-Frisur: es stellt sich das Haar nicht
mehr als aus einzelnen Spirallocken -Bündeln bestehend dar, sondern jedes
einzelne Haar bildet jetzt für sich eine weite, lang gedrehte Spirale. Statt
des Matratzen -Gefühls bekommt man beim Betasten jetzt mehr die Em-
pfindung, als wenn man ein locker aufgeschichtetes Flachsbündel betastet").
Das Auge des Tami -Insulaners ist dunkelbraun, glänzend, freimüthig
blickend und verräth viel Intelligenz. Die Lidspalten -Länge beträgt
32 — 37 mm. Die Ohren haben meist durchbohrte und weit ausgezogene
Läppchen*).
1) Meine Sprachkenntniss reichte nicht hin, um mir über den Sinn der T&ttowirungen
volle Aufklärung zu verschaffen. Doch schien man mir, als man mich tättowirte, zweierlei
damit verheissen zu wollen: die Freundschaft des Tami -Stammes im Speciellen und die
Freundschaft der Frauen im Allgemeinen.
2) Ich sah einen Tami -Mann, gelegentlich einer Canoe- Fahrt, sein Haar ordnen,
wobei er die ganze Perrücke über den Rand des Bootes hinaus ins Wasser tauchte.
3) Zwei junge Leute, Logom (IGjährig) und Djeledja (14 jährig), hatten statt der
Spirallocken glatte Locken, welche sich aus einzelnen, glatten Haaren zusammensetzten.
Ihre Frisur erinnerte an die unserer Modeherren, welche sich das Haar in Locken brennen
lassen. Bei Djeledja dürfte dieses Yerhältniss noch an der Maske 28 zu erkennen sein.
4) Mörlö (Nr. 58) bietet an seinem linken Ohr einen Defect der Ohrmuschel dar.
Von diesem Ohr habe ich einen Gjpsabdruck genommen und das Folgende darüber notirt:
Das linke Ohr setzt sich zusammen aus einem 26 mm hohen, 12 m%n breiten Stumpf und
dem durchbohrten und zu 67 mm Länge ausgezogenen Läppchen. Der kleine Stumpf,
welcher eine Ohrform wegen des Fehlens von Concha, Heiix, Antihelix und Tragus über-
haupt nicht mehr erkennen lässt, hat eine etwa länglich -viereckige Gestalt; an Stelle des
fehlenden Meat. audit. ext. sieht man zwei kleine, hirsekomgrosse Grübchen, welche sich
mit der Sonde nicht weiter verfolgen lassen. Der Stumpf ist von normaler, nirgends ein<i
Narbe zeigender Haut überdeckt, welche gegen eine knorpelige Unterlage allerseits gut
verschiebbar ist. Bei Annäherung an dieses Stümpfchen oder bei Reizung der Stimhaut
bewegt sich dasselbe lebhaft in die Hohe (der Muskel des anderen Ohrs functionirt nur
ganz andeutungsweise), ganz nach Art eines gereizten Muskels. Da, wo die Haut des
Stümpfchens nach hinten zu sich auf den Proc. mast. fortzusetzen beginnt, gewahrt man
eine kleine, erbsengrosse, rundlich -spitze Prominenz, welche sich bei Bewegungen des
Stünipfchens unter der Haut mitbewegt und mit dem Knorpel in directer Verbindung steht.
Von vornherein glaubt man an Verstümmelung; bei näherem Zusehen überwiegt der Ein-
druck, dass es sich um einen angebomen Defect handelte.
Beitr&ge znr Anthropologie der Papuas. 181
Der Kopfform nach sind die Tami- Leute Mesocephalen. Unter den
8 Individuen, welche ich gemessen habe, befindet sich nur ein Dolicho-
cephale mit Index 73,1 und ein Brachycephale mit Index 81,0. Der
gemittelte Index sämmtlicher 8 Individuen ist 78,2.
In Bezug auf die Ohrhöhe betrachtet, finden sich 1 Chamaecephaler
(Index 63,6) und 7 Hypsicephalen (höchster Index 70,9). Im Ganzen
resultirt eine durchschnittliche Hypsicephalie von 67,6.
Die Stirn ist überall als hoch und gut gewölbt notirt. Die Breite
ist bei den Nm. 57, 58 und 63 nicht sehr beträchtlich, nur 97 — 99 wm; bei
zweien findet sich 106 mm; die grösste Breite misst 109 mm. Die Stirn hat
also nur als eine massig breite zu gelten. Die Augenbrauenbögen zeigen
allenthalben eine kräftige Entwickelung.
Das Gesicht ist wohlgeformt, hoch, mit schmalen Wangen. Die
(Jesichtshöhe B. beträgt im Durchschnitt 120 mm. Jochbeine und Jochbögen
sind kräftig, aber nicht so mächtig entwickelt, wie bei der Küstenbevölke-
rung. Der Gesichts -Index beträgt 89,7, nähert sich also stark der Lepto-
prosopie. Es ist überhaupt die Frage, ob die Annahme eines leptoprosopen
Yerhältnisses für die Tami -Insulaner nicht zutreffender wäre, da sich unter
den 7 in Betracht kommenden Individuen bereits 5 Leptoprosope (höchster
Index 93,0) befinden. Die Form der Nase ist gefallig zu nennen, wenn-
gleich ihr das hauptsächliche Charakteristikum der Papua- Nase, die erheb-
liche Breite, ebenfalls nicht fehlt. Der gemittelte Nasen -Index ist 65,4.
Als grösste Breite ist 40 mm^ als geringste 29 mm notirt. Das gefälligere
Aussehen der Nase ist theils in ihrer relativen Höhe von 54 — 56 mm^
theils in dem Umstände begründet, dass, trotz der Durchbohrung der Septa,
der Flügel -Abstand das Breitenmaass gewöhnlich nicht um ein Erhebliches
übertrifiFt; bei vieren (Nr. 58 und 60 — 62) beträgt dieser Unterschied nur
1 — 2 nwn, bei Nr. 63, welche die sehr geringe Breite von 29 mm aufweist,
kommen freilich wiederum 11 mm heraus.
Die Mundgegend ist nicht besonders stark entwickelt. Der Pro-
gnathismus ist ein sehr massiger, wenn überhaupt vorhanden (84 — 89°).
Die grösste notirte Mundlänge beträgt 59 mm.
Der physiognomische Ausdruck ist ein höchst sympathischer.
Die Leute bekunden durchweg einen für ihre Verhältnisse auffallenden
Grad von Intelligenz. Im Verkehr mit Fremden zeigen sie sich von
grosser Gewandheit und verstehen es vortrefflich, neue Handelsbeziehungen
anzuknüpfen und auszunutzen^). Ihre Erzeugnisse bekunden viel Fleiss
1) In der günstlgeii Jahreszeit (S. W. Monsam) verging kaum eine Woche, ohne dass
nicht ein Paar ihrer prächtigen Segelcanoes auf der Station Finschhafen erschienen wären.
Da ich hei einer Gelegenheit Vorliebe fax die Tridacna- Muschel gezeigt hatte, brachten
sie mir fast regelmässig einige dieser Prachtexemplare, deren jedes Centnerschwere
besitxt, xum Kauf. Einmal zeigte ich mich nicht geneigt, einem jungen Manne ein Beil
taaschmiasig zn überlassen, auf welches er ein Auge geworfen hatte. Ich verlangte dafür
einen oder mehrere bestinmite Gegenstände, welche mich wegen ihres ethnographischen
Wexthes interessirten. Mein IiYennd versprach wiederzukonmien und mir das Gewünschte
182 0. SCHBLLONG:
und manuelles Geschick, auch einen hohen Grad von künstlerischem
Geschmack*). Von diesen Leuten habe ich auch einzig und allein An-
deutungen gehört, welche sich auf ein Leben nach dem Tode beziehen*).
Das Farben-Unterscheidungs-Vermögen ist, wie bei den darauf unter-
suchten Melanesien! überhaupt, gut ausgebildet*).
Hinsichtlich des Körperbaues gebe ich noch die folgenden Daten:
Die Nabelhöhe übertrifft die Körpermitte im Mittel um 159 mm. Die
Beinlängen betragen 808 — 864 mm\ dieselben übertreffen die halbe
Körperhöhe um 26 — 48 mm. Nur bei Magedu (Nr. 62), welcher durch
eine gedrungene, untersetzte Figur auffallt, bleibt die Beinlänge 5 mm
gegen die Körpermitte zurück. Füsse und Hände sind etwas breit, aber
im Ganzen wohlgeformt. Der längste Fuss misst 260 mm. Die grösste
Fuss- Breite hat Nr. 61 mit 111 mm aufzuw^eisen, den grössten Fuss -Index
Nr. 62 mit 44 mm^ den geringsten Nr. 63 mit 36 mm. Die Füsse gehen
5,8 — 6,6 Mal in der Körperhöhe auf, sind also relativ gross.
Im Uebrigen verweise ich auf die Masken- und Mess-Protocolle.
Papaas von anderen melanesischen Inseln.
Neu-Lauenburg*) (Duke of York).
Mein anthropometrisches Urtlieil über die Neu-Lauenburger gründet
sich auf nur 2 Aufnahme-, bezw. Mess-Protokolle, von welchen das eine
in dem Capitel „Gesichtsmasken" aufgeführt werden wird (w. s.!). Ich
lasse deshalb hier das andere Protokoll folgen.
Nr. 64. Toaut, etwa 22 jährig, von der Insel Meoko, ein mittelgrosser, tief donkel*
brauner, starkknochiger, etwas eckig gebauter Mensch, mit stark eingebogenem Krem, langen
Händen, breiten, platten Füssen, wenig entwickelten Waden. Farbe: Brust B. 28—29 — 30,
leicht in's Graue spielend; Nase 28—29, Rücken 28 -50. Penis sehr dunkel, tief graa*
schwarz, unbeschnitten. Kopfhaar ganz kiu*z gehalten, lässt an den Schläfen den spiiiaÜgen
Tj-pus erkennen. Bart fehlt. Körperhaar spärlich. Eine dunkelblaugraue, in der Mitte
der Stirn herunterlaufende Tättowirung setzt sich auf dem Nasenrücken bis nahe lur
Nasenspitze fort. Rechtes Ohrläppchen durchstochen; Septum durchbohrt. Schädel vor-
wiegend lang und schnial (Index G7,3). Stirn massig hoch, gerade gestellt; Schläfen an-
genehm zurücktretend. Orbital- und Jochbögon kräftig markirt, nicht eigentlich massig.
zu bringen, fürchtete aber zugleich, dass das Beil inzwischen in andere Hände gelangen
könnte. Um dieser Eventualität vorzubeugen, holte er einen Grashalm^) herbei und knüpfte
denselben um das Beil, darauf hindeutend, dass er sich nunmehr bereits als den Besitier
des Beiles betrachte. Ein Paar Tage später wurde das Geschäft perfekt
1) Siehe hierüber den Aufsatz von Hm. Ü reger in der Täglichen Rundschau 188j<,
Nr. 148 ff.
2) Siehe darüber meine Arbeit ,Ueber Familienleben und Gebräuche der Papuas*'
(Zeitschr. für Ethnol. 1888).
3) Da ich an anderer Stelle darüber nicht berichtet habe, möchte ich die FarWn-
Benennung in der Tami- Sprache hier aufführen: nda - weiss; nabil = hellblau, hell-
lila, dunkellila; mbubob = braun, graublau; ssll = schwarz; matta-matta = grün; yn**-
jing = moosgrün; megapik = rosa, ziegelroth; ssimöck = gelb.
4) Dazu 1 Messprotokoll (Nr. G4 und 65) und 1 Gesichtsmaske (Nr. 32).
5) Die Sitte, sein Eigenthuinsrecht durch Umknoten des im Besitz befindlicbm
Gegenstandes mittelst eines Grashalmes auszudrücken, besteht auch im FinsrhhaffD--T
Bezirk.
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. Ig3
Augen dunkelbraun, wie mit blaugrauem Schleier überzogen ; lebhafter, horizontaler Pigment-
streif; desgleichen Pigmentirungen in der Umgebung der Iris ; das Auge ist sonst glänzend,
ernst, mit offener, gering nach oben und aussen divergirender Lidspalte, vollen, leicht ge-
weUten Augenbrauen. Der grosse vorspringende Mund zeigt volle dunkelgrauröthlichc
Lippen; die Oberlippe besonders voll und fleischig, das Kinn breit gegenüber schmalen
Kiefern Nase hässlich dick; ein wenig platt, mit tiefer Wurzel, breitem, flach gewölbtem
Rücken, die Spitze wenig vortretend, mit den dicken Flügeln wie aus einem Stück ge-
schnitten. Die massig weiten Nüstern quer oval, ein wenig nach vorn geöffnet; das
Septum kurz, breit, nach unten hängend. Farbensinn vortrefflich entwickelt. Parben-
benennuDgen:
mörüm-morum schwarz, dunkelgrün, braun, graublau
kambang weiss
gÖmbol(n) gelb, Schweinfurter grün, moosgrün
tänga täng(a) dunkellila
märS hellblau, helllila
(k)gä(o) benhäp ziegelrot h, rosa.
Beide Männer haben die hauptsächlichsten Charakteristika der
Papuas: gedrungene, kräftige Figuren, Brustumfang 850 wm, Oberschenkel-
umfang 440 mm; lange Arme, deren Klafterweite die Körperhöhe um 78
und 107 mm übertrifft; breite plumpe Füsse, mit Indices von 39. In Bezug
auf die Kopfform ist der eine dolichocephal (67,3), der andere brachy-
cephal (85,0), dagegen sind beide orthocephal (63,3), chamaeprosop
(84,5) und plattnasig (63,0), und haben starke Orbitalbögen und eine
starke Entwickelung des Mundes.
Zur Charakteristik der Neu-Lauenburger gehört sonst noch ein un-
beschnittener Penis mit langem Praeputium, Durchbohrungen der Nasen-
scheidewand und der Ohrläppchen, öfters auch feine Durchbohrungen der
Ohrmuscheln, strichförmige Tättowirungen auf Stirn und Extremitäten.
Neu- Pommern*) (Neu-Britanien).
Nr. 66. Tümelle(i) $, etwa 35jährig, aus Rotawöll (bei Port Weber, Nordostküste
der Gkzellenhalbinsel). Kleine untersetzte Figur von gedrungenem Bau, mit breiten Schultern,
kurzem Nacken; sein Kopf hat ein lächerlich pithekoides Aussehen; derselbe erscheint
hoch, nach dem Scheitel zu sich stark verschmälemd, mit einer hohen, stark gewölbten
Stirn, kaum zurücktretenden Schläfen, massigen Orbital- und Jochbogen. Grosse Ohren,
Nase, Mund; breites niedriges Kinn; braunrothe vortretende Lippen ^besonders die Unter-
lippe); dazu ein schlecht gepflegter, massig langer Bart, welcher von einem Ohr zum
andern gehend nur den Aussencontour des Gesichtes umrahmt. Schnurrbart nur angedeutet.
Haut und Haar wie üblich. Von Verstümmelungen werden bemerkt: Durchbohrungen
des Septnms, feine Durchbohrungen der Nasenflügel und der Ohimuscheln; dunkelblau-
graue Tättowirungen im Gesicht, massenhafte Stichelnarben am Kücken. Augen leicht
Terschwommen, stumpf, blöde, mit massig weiter, horizontal gestellter Lidspalte, dunkel-
braan, ohne lebhaften Pigmentstreif, mit langen Wimpern, haarigen Augenbrauen. Nase:
tiefe Wurzel, breiter Rücken, plumpe Spitze, herabhängendes Septum; Nüstern nach vorn
geöffnet Hinterhauptsleisten stark entwickelt. Hände, Füsse sehr gross und breit; erste
Zehe überwiegt Farbensinn gut entwickelt; bei der Benennung der Farben zögert T.
jedoch wiederholt und bleibt dabei, dass er für einige Farben keine Bezeichnungen kenne
(„mi no call bim"), z. B. für braun, helllila, graublau. Ohne zu zögern bezeichnet
er schwarz b^Um^rüm, weiss kä(e)mbäng, roth und rosa rrä(e)s, grün und gelb gbmbol;
hellblau ble(t}.
Nr. 67. Siehe Capitel Gesichtsmasken!
1) Hierzu 2 Messprotocolle (Nr. 66 und 67), 1 Gesichtsmaske (Nr. 33) und 1 Fuss-
omiba (Tal V. Nr. 9).
184 0. SOHELLONG:
Diese beiden Männer zeigen vollkommen den melanesischen Typus,
doch unterscheiden sie sich von der Mehrzahl der von mir gemessenen
Individuen durch dolichocephale Indices (71,3), während ihnen Hypsi-
cephalie (67,5), Chamaeprosopie (82,4) und Hyperplatyrrhinie (63,5) eigen-
thümlich sind.
Bei Nr. 66 übertrifft die Klafterweite das Körpermaass nur um 129 mm
(siehe auch die Fusszeichnung Fig. 9).
Neu-Meklenburg*) (SW.).
Die Bewohner der Südwestküste von Neu-Meklenburg (Neu-Irland)
unterscheiden sich in mancher Hinsicht von denjenigen der Nordküste
der Insel (Nusa- Distrikt), so hinsichtlich der Sprache; weitere Unter-
schiede treten im Bau der Häuser, der Kanoes, hinsichtlich der Waffen,
Schmuckgegenstände u. s. w. hervor. Das Mädchen dieser Gegend (Nr 68)
hat eine brachycephale Kopfform (Index 80,1). Auch zeigt sie entgegen
den sonst üblichen Verhältnissen eine schmale Nase (Index 50), mit welcher
sie den Mesorrhinen beizuzählen ist. Das Gesicht ist ganz auffallend niedrig
(Index nur 75,0). Von den Körpermaassen ist zu erwähnen: das lieber-
wiegen der Klafterweite gegenüber der Körperhöhe um nur 17 mm; Hände
und Füsse (in Gyps geformt, der Maskensammlung beigegeben) sind zwar
etwas gross und breit zu nennen (Fusslänge 6,1 X in Körperhöhe), nichts-
destoweniger können sie aber als ganz wohlgeformt gelten. Fussindex 39,9
(s. Fusszeichnung Taf. V. Fig. 10, Handzeichnung Taf. HI. Fig. 5).
Neu-Meklenburg«) (NO.).
Die Nordostküste von Neu-Meklenburg (Nusa-Distrikt) ist zahlreicher
bevölkert, als die Westküste dieser Insel. Die Papuas wohnen hier in
zwar nicht grossen, doch verhältnissmässig gut aussehenden Dörfern und
verrathen auch in der Construction ihrer Fahrzeuge eine gewisse Wohl-
habenheit. Es sind im Allgemeinen sympathische, proportionirte, kräftige
Gestalten. Ihre Haarfrisur unterscheidet sie in sehr bestimmter W^eise
von den Papuas benachbarter Gebiete; die Frisur zeigt nehmlich meist
eine hohe, vom Hinterkopf nach der Stirn zu verlaufende Leiste, welche
mit dem bayerischen „Raupenhelm** am ehesten zu vergleichen ist Diese
Leiste tritt nun in zahlreichen Variationen auf und wirkt imi so eflTect-
voller, als das Haar zu beiden Seiten derselben gewöhnlich noch in eine
feste, harte Kalkkruste eingebettet ist*). Von den 4 gemessenen Indivi-
duen sind 2 (Nr. 69 ? und 71 $) in dem Kapitel Gesichtsmasken aufgeführt.
Ich lasse hier noch das Aufnahmeprotocoll des Wellagamus (Nr. 72) folgen:
1) Dazu 1 Mcssprotokoll (Nr. 68) und Gesichtsmaske (Nr. 34) w. 8.1
2) Dazu 4 Messprotokolle (Nr. 69—72) und 2 Gesichtsmasken (Nr. 85 $ und 36 J ).
3) Siehe über diese Haartrachten und über ethnographische EigenthümhVhkeit^n
dieser Gegend N&heres in meinem Aufsätze ,l)er Bismarck- Archipel** u. ^ w. : Beilage
xur Allgem. Ztg. 1S89, Nr. 147).
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 185
Etwa 22 jährig; eine der sympathischsten melanesischen Gestalten, welchen ich begegnet
bin, mit sehr intelligentem Qesichtsausdruck und bescheidenem, zutraulichem Blick. Figur
mittelgross (1620 wiwi), wohl proportionirt, gerundet Füsse etwas breit. Stirn gerade
gestellt, breit Schädel breit und anscheinend hoch, besonders das Hinterhaupt. Kopf-
index 79,6, Auricularindex 67,2. Augen fast schwarz, mit dem üblichen Pigmentstreif.
Stellung der Lidspalten genau horizontal. Wimpern und Augenbrauen reich entwickelt.
Angenbrauenbögen stark markirt, ohne massig zu sein. Nase mit flacher Wurzel, geradem,
langem Rücken, wohl markii'ter Spitze, stehendem, undurchbohrtem Septum, breiten
Flügeln. Index 63,3. Mund etwas breit, Lippen meist voll. Zähne blendend weiss.
Profillinie orthognath. Ohren klein; linkes Läppchen durchbohrt.
Auch bei den Individuen der Nordost -Küste von Neu-Meklenburg
übertrifft die Klafterweite die Körperhöhe um ein Beträchtliches (bis
147 mm). Hinsichtlich der Kopfform begegnen wir einem Brachycephalen
(80,9), einem Dolichocephalen (70,9) und 2 Mesocephalen. Der gemittelte
Kopfindex ist 77,2, also mesocephal. Der Ohrhöhenindex ist bei Allen
hypsicephal (66,3), der Gesichtsindex chamaeprosop (79,8). Der Nasen-
bildung nach ergeben sich einzelne Verschiedenheiten: Zangen $ und
Wellagamus $ weisen geringe Breiteniudices von 53,5 auf; bei dem letz-
teren erklärt sich dieses Verhältniss wohl durch das erhaltene, undurch-
bohrte Septum. Zangon's Septum ist zwar durchbohrt, aber wenig hängend;
überhaupt ist die Nase der letzteren von geringen Dimensionen (Höhe
45 mm). Der gemittelte Nasenindex sämmtliclier beträgt 60,0. Die Füsse
sind relativ gross, gehen 6,1 — 6,5 Mal in der Körperhöhe auf. Die Fuss-
breite ist eine massige. Grösstor Index 39,0. (S. Fusszeichnung Taf. V.
Fig. 11 und Handzeichnung Taf. HI. Fig. 6.)
Neue Hebriden*).
Veranlassung zur Bekanntschaft mit Eingebornen der Neuen Hebriden
gab die Schiffsbesatzung des Kutters ^Lölje" der Handels- und Plantagen-
Gesellschaft, gelegentlich ihrer Anwesenheit in Finschhafen.
Allgemeine Charakteristik: Kleine, starkknochige, gedrungene,
sehr gut genährte Individuen von hell- bis dunkelbrauner Hautfarbe,
mit breiten, ein wenig plumpen Händen und Füssen, reicher Behaarung
(spirallockig, schwarz), braunen Augen, pigmentirten Scleren, sehr vor-
springenden Orbitalbögen, breiter, hässlicher Nase mit weiten, offenen
Nüstern, voller, vorstehender Oberlippe. Ohrläppchen durchbohrt, nicht
ausgezogen. Septa nicht durchbohrt, nichtsdestoweniger beträchtliche
Nasenbreiten -Indices (70 — 77). Unregelmässige Tättowirungen auf Schul-
tern und Rücken. Alle mit Ozaena behaftet. Alle haben ein mächtiges
Gebiss aufzuweisen mit gleichmässig gestellten, schmutzig- weissen, un-
geputzten Zähnen.
In Bezug auf die Kopfform sind Nr. 74 und 75 Dolichocephalen.
Bei Nr. 73 allein gelangt ein mesocephales Verhältniss mit einem Index von
76,5 zum Ausdruck. Als gemittelter Index ergiebt sich hier ausnahmsweise
1) Dam SMesa-Protocolle (Nr. 73— 75).
186 0. SCHELLONG:
Dolichocephalie (74,3). Die Höhe des Kopfes ist eine geringe. Alle
sind hypsicephal, weisen aber als gemittelten Index nur 65,9 auf. Das
(iesieht ist niedrig (Index 79,6). Der Nasenindex ergiebt eine mittlere
Hyperplatjrrrhinie von 74,5. In dieser Hinsicht überragen diese Individuen
sogar noch die verwandten Stämme Neu -Guineas. Nr. 75 hat den un-
geheuerlichen Nasenbreitenindex von 77,7, welcher selbst von Papuas sonst
nicht leicht erreicht wird.
Die Klafterweite übertrifft die Körperhöhe im Minimum um 54 wm,
im Maximum um 146 mm. Letzteres ist bei Nr. 75 der Fall. Der zu
dieser Nummer gehörige Brustumfang beträgt 818 mwi, ein nicht gerade
ungewöhnliches Maass. Es liegt also in der That eine relative Länge der
Arme vor. Hände und Püsse sind an sich nicht ungewöhnlich gross;
nichtsdestoweniger gehen die Fussmaasse rund 6 Mal in die Körperhöhen-
maasse auf. Die Fussbreite ist eine massige, es berechnen sich Indices
von 35 — 38. An den Füssen fällt ein sehr weiter Zehen -Abstand auf,
desgleichen eine relative Dünne der Phalangen -Gelenke. (Siehe übrigens
Fuss- Zeichnungen Taf. V. Fig. 12, Taf. VL Fig 13 — 14, und Hand-
Zeichnungen Taf. 111. Fig. 7 — 9.)
Der Farbensinn ist bei sämmtlichen sehr gut entwickelt; sie sind
ohne Zögern im Stande, selbst feinere Nuancen, wie liellgrün, moosgrün, hell-
blau, helUila, auseinanderzuhalten. Hierzu steht in auffallendem Gegensatz
ihre Farben -Bezeichnung, bezw. -Benennung, welche bei den 3 Individuen
zu wiederhol ton Malen verschieden ausfällt, (ianz übereinstimmend werden
nur bezeichnet schwarz als hilong, bezw. tülong, w^mss als b(i)jächau, roth,
rosa als mal, nläl, n6(e)l, grün und blau als gässana, gässfi, ge(a)88, tlgess.
Kr. 73. RumaDn J, etwa 35 jährig, aus Malaküla, weist eiucn ungewöhnlichen Brust-
umfang von 909 mm auf, desgleichen einen beträchtlichen 0})erschenkel- Umfang von
500 mm und ist im Ganzen von gedrungener Figur. Köri)erhöhe 1536 mm. Einige
Narben an den Schultern imd am Rücken. Striche von 50 mm Länge und 3 mm Breite,
welche das Niveau der Haut überragen, rühren von Wundon her, welche zu Heilzwecken
gesetzt waren.
Hautfarbe: Brast B. 30 — 45, ebenso Arme; Stirn und Rücken nahezu 30; Ober-
schenkel 29 -30; Handteller 26—23.
Haar kurz gehalten, spirallocklig; desgleichen Bart. Penis unbeschnitten, linksseitige
Orchitis chronica.
Kopf gross, rund, mit hoher, voller, wenig geschrägter Stirn. Orbitalbögen sehr
massig, lassen die Nasenwurzel auffallend tiefliegend erscheinen: Schläfen gegend angenehm
zurücktretend. Gesicht breit. Augen mit massig weiter, gering nach aussen und unten
j,'eneigter Lidspalte; ein dunkel pigmentirter, kräftiger, horizontaler Pigmentstreif um den
Bulbus. Nase auffallend breit; Index 75,4. Die hohe, volle, fleischige Oberlippe tritt
stark hervor. Kinn niedrig Ohren gross.
Nr. 74. Mäns8u(ni)nälet, etwa 35 jähriger Mann, mittelgross (1609 t/iw), weniger
plump, als der vorige. Penis beschnitten Lidsj>alt€n annähernd horizontal, ganz wenig
nach oben divergirend. Physiognomie von jüdischem Zuschnitt. Die einzelnen Verhält-
nisse sonst ähnlich, wie beim vorigen. Auch dieser hat eine breite, volle Oberlippe, welche
über die Unterlippe hervorsteht. Ausgeprägte Nasolabial- Falten.
Nr. 76. Nörack, etwa 28jährig; sauer blickender Mann, beschnitten, klein mittel-
j^oss (1566 mm), mit pustulösem Eczein, Contraction der 2. und 3. Zehe. (Siehe im
Tebrigen das Mess-Protocoll.)
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 187
Salomons-Inseln*).
Die von mir untersuchten Salomons- Insulaner gehören den ver-
schiedensten Inseln dieser Gruppe an; 7 von ihnen bezeichneten die Insel
Vella Lavella als ihre Heimath, einer (Nr. 83) Green Island, einer (Nr. 84)
St. Christophel, einer (Nr. 85) Guadalcanar; 5 (Nr. 86—90) waren auf
Malayta zu Hause.
Da man nach der Analogie der Eingobornen- Bevölkerung von Neu-
Guinea vermuthen darf, dass auch auf den Salomons -Inseln mehrere
differente Volksstämme existiren, diese Annahme ausserdem eine weitere
Stütze in den sprachlichen Aufzeichnungen findet, welche ich hinsichtlich
des Farben -XJnterscheidmigs -Vermögens der Salomons -Insulaner gemacht
habe, so mögen auch die Salomons-Iusulaner, wie oben die Papuas von Neu-
Ciuinea, nach ihrer Herkunft gesondert, in Folgendem betrachtet werden.
a) Vella Lavella*).
Allgemeine Charakteristik. Es sind wohlgebildete, runde, eben-
massige Figuren von dunkel-graubrauner, fast schwarzer (wie Quecksilber-
salbe) oder auch rein brauner Hautfarbe, mit Spirallöckchon- Haar. Einige
klein und fast zierlich gebaut; andere, wie Nr. 79, mit einer Körperhöhe
von 1710 mm^ gross und stattlich, jedenfalls alle vorwiegend proportionirt
und, im Gegensatz zu den meisten anderen Papuas, von höchst angenehmer
Gesichtsbildung, einschliesslich einer meist wohlgeformten Nase. Der
Mund ist weder breit, noch vorstehend. Die Lippen sind niclit wulstig.
Die Nasensepta sind nur bei einigen durchbohrt; dagegen weisen sämmt-
licho durchbohrte Ohrläppchen auf. Die Augen zeigen den charakte-
ristischen Pigmentstreif am Bulbus, der Oeffnung der Lidspalte entsprechend,
in horizontaler Anordnung. Auch die dunkelbraune Iris ist öfters von einem
schmalen Pigmentring umlagert. Die Pigmentirungen der Salomons sind
überhaupt sehr reiclie. Die Schambinde erinnert an diejenige der Papuas
der Finschhafener Gegend (Name dafür: wagäschüma). Penis nicht be-
schnitten.
Hinsichtlich der Kopfform finden sich 1 Brachycephaler (82,7),
3 Dolichocephalen, 3 Mesocephalen. Der gemittelte Index ist 77,0. Die
Auricularhöhe variirt stark: bei Nr. 78 beträgt der Index nur 59,7; von
den übrigen sind 2 ortho-, 4 hypsicephal (gemittelter Index 65,6). Die
Nase ist bei einigen von massiger Breite*, Nr. 76 gewährt den für Papua-
Nasen sehr geringen Index von 51,0. Nr. 79 hat einen Nasenindex von
54,5: er besitzt trotzdem ein durchbohrtes Septum, was bei Nr. 76 nicht
der Fall ist. Als durchschnittlicher Nasenindex ergiebt sich 60,4.
Auch bei den Salomons -Insulaneni übertrifft die Klafterweite die
Körperhöhe um ein Beträchtliches, bei Nr. 81 sogar um 180 mm^ bei
1) Dazu 15 Mess-Protocolle (Nr. 76-90) und 1 Gesichts -Maske (Nr. 37).
2) Daxu 7 Me8ö-l*rotocolle (Nr. 76--S2) und 1 Gesichts -Maske (Nr. :n).
188 0. SOHELLONO:
Nr. 79 um IM mm; beide haben freilich recht grosse Brustmaasse von
903 mm und 912 mm. Aber auch bei Nr. 82 mit einem Brustmaasse von
882 mm ergiebt sich eine Differenz von 108 mm. Bei den übrigen über-
trifft das Klafterraaass die Körperhöhe um 60 — 10 mm.
Hände und Füsse sind im Allgemeinen wohlgestaltet, nicht breit
Selbst der grosse Tetecke (Nr. 79) hat einen Fussbreitenindex von nur 36.
Die übrigen haben Indices von 34 und 35. (Siehe Fuss- Zeichnungen
Taf. VI. Fig. 15 und 16, Hand -Zeichnungen Taf. IV. Fig. 10 uöd 11.)
Tetecke's Fuss geht 6,6 Mal in der Körperhöhe auf.
Das Farben-Unterscheidungs-Vermögen ist gut ausgebildet, die
Farben -Benennung dagegen dürftig, indem alle immer nur 4 Worte zur
Bezeichnung der 13 vorgelegten Farben benutzten: schwarz = ssimbiem,
ff ' '
weiss = täpoem oder tapetäpem, roth = (hin) diriem oder (hin) dere(a)m,
gelb = wängöäm oder wänge wängöam.
Aus den Aufnahme -ProtocoUen der einzelnen Individuen ist noch
hervorzuheben :
Nr. 76. Sslöwäck ^, ISjährig, klein (1511 mm), mit aasnehmend klngem Gesichts-
ansdmck; ein kleiner (49 mm), wenig vortretender Mund, eine wohlgeformte Nase mit
scharfgeschnittener Spitze, nndnrchbohrtem Septum; ein wohlgerundetes, zierliches, im
Ganzen kleines Gesicht. Beide Ohrläppchen sind durchbohrt.
Nr. 77. Tape $, 18j&hrig; dessen ausführliches ProtocoU unter dem Capitel „Gesichts-
Masken^ w. S.
Nr. 78. 0(a)n6 $, etwa 32 jährig, entschieden braun, strafTlockig; sehr niedriger
Sch&del mit Index von 59,7. Das Gesicht von im Ganzen derben Zügen wird yerunglimpft
durch eine breite Nase mit grossen, wie gerollten Flügeln und weiten, nach vorne
geöffneten Nüstern. Lidspalten gering nach oben und aussen divergirend. Markirte Joch-
bögen bei schmalen Wangen.
Nr. 79. TetScke S, etwa35j&hrig; hohe, imposante Gestalt (1710 mm), wohlgen&hrt,
das Braune der Haut mit Stich ins Grauschwarze. Beide Ohren und Nasen -Septum durch-
bohrt, die Stirn auffallend hoch gewölbt, Nase gross, aber nicht unschön, Gresicht erscheint
hoch (Index 80,6) mit langem, spitz zulaufendem Kinn.
Nr. 80. Momau $, etwa 40 jährig; etwas eckige Figur mit graubrauner, an manchen
Stellen rein schwarzgrauer Hautfarbe, am Bauch nahezu B. 49, Brust zwischen 29 und GO,
Nase 48, Rücken zwischen 29 und 30. Das Haar durch Kalk entfftrbt. Beide Ohrläppchen
durchbohrt IJdspalten gering nach aussen und oben divergirend. Nase gut geformt mit
geradem Rücken, ausgebildeter Spitze, breitem, undurchbohrtem Septum (Index 56,6).
Gesicht niedrig, breit; Stirn hoch gewölbt.
Nr. 81. E(i)ri $, etwa 35 jährig, plump und ungelenk, mit kurzem, dickem Haie,
voller Stirn, gut geformter Nase; gering vortretende, aber volle Lippen, beide Ohriftppchen
durchbohrt.
Nr. 82. Tni $, etwa 32 jährig, mit dunkel -graubrauner, sammetartigor Hantfarbe;
etwas kurznackig; durchbohrtes Nasen -Septum: Gesicht durch Parotis • Geschwülste ver-
breitert.
b) Green Island*).
Nr. 83. (D)rahäm $, etwa 43 jährig, dunkelbraungrauer, reich behaarter Mann mit
etwas eckigen Schultern, langen Armen, deren Klafterweite die Körperhöhe um 169 mm
übertrifft, plumpen, sehr breiten Händen und Füssen*) (Fussbreitenindex 38). Die dfinn^n
Waden (805 mm) stehen in gar keinem Yerhfiltniss zur Körpergrösse (1676 mm). An b«idca
1) Dazu 1 Mess-ProtocoU (Nr. 83).
2) Siehe Fusszeichnnng Taf. TL Fig. 17 und Hindzeichnung TaL lY. flg. IS.
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 189
Annen treten volle Venennetze hervor. Auf Arm, Brust, Schulter und Rücken befinden
sich rundliche (wie Blattemnarben aussehende) und längliche, nicht prominirende Tätto-
wirungen, welche auf dem Rücken in weitem Halbbogen von einer Schulter zur anderen
über die unteren Partien der Schulterblätter hin weglaufen. Gesichtsausdruck gutmüthig
und intelligent, heiter. Beide Ohrläppchen und Nasenseptum weit durchbohrt.
Farbe: Brust B. 49 bis 28/29, Schlüsselbein - Gegend 28—29, Stirn wie Brust, Nase
heller 29—80, Rücken sehr dunkel 49—28, Handteller etwas heller als 33.
Haar tief dunkelschwarz; Bart desgleichen, kurz gehalten. Spirallocken - Typus nicht
deutlich erkennbar.
Auge nicht gross, mit massig weiter Lidspalte, dunkelbraun, glänzend. Am Bulbus
reiche Pigmentirungen. Augenbrauen und Wimpern lang, dicht, nicht gekräuselt.
Beide Augenlidachsen fallen in eine gerade Linie, welche ein wenig von rechts oben
nach Hnks unten verläuft. Bei genauerem Zusehen bemerkt man überhaupt eine geringe
Asymmetrie beider Gesichtshälften, so dass der linke Supraorbitalbogen nach unten gesenkt,
die linke Schläfe weiter zurücktretend, desgleichen die linke Wange weniger hervortretend,
der linke Mundwinkel dagegen leicht angehoben erscheint. Die Gesichtsmuskulatur funktio-
nirt correspondirend; die Zunge wird gerade herausgestreckt. Kopf sonst der Grösse ent-
sprechend. Der Schädel, von vorn gesehen, erscheint schmal und hoch (Längenbreitenindex
79,4, Auricularindex 68,8), die Stirn hoch und flach gewölbt. Von hinten gesehen, macht
der Kopf einen asymmetrischen Eindruck, indem die ganze rechte Kopfhälfte (Hinterhaupt,
Hinter- Ohrgegend, hintere und obere Partien der Seitenwandbeine) stark prominirt, die
entsprechenden linken Partien des Kopfes dagegen stark zurücktreten. Dieses Yerhältniss
lässt sich bis zum Scheitel hinauf verfolgen und ist auch messbar: die Entfernung von
der Mitte des linken Supraorbitalbogens nach dem am meisten seitlich vorspringenden
Punkt des rechten Hinterhauptes beträgt 180 mm, gegenüber 171 mm von rechts vom nach
links hinten gemssen. Die Lineae semicirculares sind beiderseits massig entwickelt; ein
Trauma als Ursache dieser Deformität ist nicht bekannt, es dürfte sich also wohl um ein
nngleichmässiges Wachsthum handeln. Gesichtsindex 87,1.
Die Nase ist das Non plus ultra von Ungeheuerlichkeit. Der gerade, nach unten
sich stark verbreiternde Nasenrücken biegt etwas nach rechts herüber. Die Nasenspitze
dick und kolbig; die Nüstern von erstaunlicher Weite; die hohen Flügel wenig scharf
abgesetzt; das Septum trotz der Durchbohrung nicht wesentlich eingesunken. Index 66,6.
Mund klein, mit wenig vollen Lippen. Gebiss vollständig.
c) St. Christophe^).
Nr. 84. Hei(e)ke $, etwa 30 jährig, ist IVj Jahr in Sydney gewesen, spricht gut
englisch, weiss auf der Seekarte Bescheid, ist von lebhaftem Temperament, etwas auf-
geregt, erzählt auf Befragen, dass die Leute seiner Heimathsinsel Mäkfle (= St. Christophe!)
mit denen von Gurkeneine (= Guadalcanar) im Verkehr ständen (,,segelten^), nichtsdesto-
weniger aber beide verschiedene Sprachen redeten. Er vergleicht ihr Yerhältniss zu
einander treffend mit ,,£ngland and Germany^. Es wären dieses ja auch, führt er aus,
Leute einer und derselben Rasse, aber mit verschiedener Sprache; dennoch ständen sie
im Verkehr. H. bestätigt auch, dass auf Odöwelle (= Vella Lavella) eine besondere
Sprache gesprochen werde, wohin seine Leute jedoch nicht segelten.
Es ist geradezu erstaunlich, mit welcher Gewandheit H. Farben unterscheidet und mit
welcher Sicherheit er dieselben benennt. Er kennt auch für die meisten Nuancen besondere
Bezeichnungen. Nur für moosgrün und dunkellila sind ihm die Ausdrücke seiner Heimaths-
sprache entfallen (^I forgot him''). Er benennt folgendermaassen: schwarz dödö, weiss
mamahui, dunkelgrün hihiböra, Schweinfurter grün börObÖrä, braun mfila (siehe das Wort
Melanesier), hellblau b&rä(e), helllila desgl., ziegelroth (w)Qwöre(ä), rosa l&la, graublau
döhn, gelb UUäm«(r)lä.
Grosser (1715 mm), gut genährter, ebenmässig gebauter Mann mit fleischigen Waden
(3B4 mm), kräftiger Brust- Muskulatur, gerundeten Schultern, von mehr hellbrauner, glatter
1) Dazu 1 Mess-Protocoll (Nr. 84), 1 Umriss der Hand (Taf. IV. Fig. 13) und des
FoMea (Tat VL Flg. 18).
Z«U«ctanft mr Bttanologie. Jahrg. U91. 14
190 0. Schellono:
Hautfarbe. Brnst B. 29, Rucken 28—29. Schwarzes Haar im Spirallocken-Typas. Bart
schwarz mit ansrasirtem Kinn. Dunkelbraunes, glänzendes, lebhaftes Ange mit massigem
Pigmentstreif. Nase etwas plump, kurz, breit mit m&ssig tiefer Wurzel, kurzem, nicht
durchbohrtem Septum, dicken, abgesetzten Fl&geln. Index 84,1. Mond nicht gross, yor-
stehend. Unterlippe aufgeworfen. Kinn rund, breit. Stirn hoch, schön gewölbt Orbital-
bögen voll entwickelt Jochbögen nicht auffallend markirt. Zähne gleichmässig gestellt
Ohrläppchen fein durchbohrt Penis nichtbeschnitten. (Die Beschneidung sei nicht
üblich.) Kopfindex 74,8, Auricularindex 68,8, Gesichtsindex 84,5.
(1) Guadalcanar*).
Nr. 85. Terungai $, etwa 30 jährig, verkehrt bereits seit 8 Jahren („jams'O mit
Europäern (in Matupit), versteht möglichst gut Pigeon, macht im üebrigen auch nicht im
Entferntesten den angenehmen Eindruck des vorigen. Farbensinn: Die vorgelegten
Farben werden mit einigem Zögern unterschieden und wie folgt benannt: bÖ(a)ränni^
= schwarz, dunkelgrün, dunkellila, graublau; si(e)rena s weiss; mälätsiz = braun;
* 9 0
märaünä = Schweinfurter grün, moosgrün, gelb; S(a)kd = hellblau, helllila; (t)zizinä
= ziegelroth, rosa.
T. ist ein grosser (lf>50 mm), wohlgenährter, starkknochiger, etwas ungelenker Mann
mit X- Beinen und breiten, platten Füssen. Beide Ohrläppchen durchbohrt, desgleichen
das Nasen -Septum. Keine Tättowirungen. Dunkelbraune Hautfarbe, Brust B. 29—90,
Bücken 28 — 80. Kopf rund, breit; desgleichen Stirn. Supraorbitalb^gen scharf markirt,
mit reichen, straffen Augenbrauen bedeckt (Haupthaar spiralgelockt); Oesicht breit; Nase
dick mit massig tiefer Wurzel, geradem, breitem Rücken, dicker Spitze, wenig scharf
geschnittenen Flügeln, ein wenig nach vom geöffneten, quer- ovalen Nüstern. Lippen
stehen beide vor, sind leicht gewulstet. Kinn klein, rundlich. Augen matt blickend, mit
reichen Wimpern. Horizontale Lidspalte. Lebhafter Pigmentstreif.
e) Malayta*).
Fünf jugendliche Eingebome, von welchen der eine (Nr. 86, Toena)
gut Pigeon versteht. Letzterer unterscheidet die ihm vorgelegten Farben
ohne Zaudern; nur die Unterscheidung zwischen Schweinfurter grün und
moosgrün macht Anfangs Schwierigkeiten, ngöa: schwarz (auch bllli),
graublau, hellblau, dunkellila; mlokölkollo: rosa; miollu: ziegelroth; quaQo:
weiss; ssäkssäkoä: gelb; märäkkö: Schweinfurter grün; maraufift: moos-
grün; miirm^rkoa: dunkelgrün; melä: braun; (m)bulln: helllila.
Alle sind mittelgross oder klein, mit unschönen, eckigen Figuren^ in
dürftiger Ernährung (Yambäuche), bald mehr hell-, bald dunkelbraun.
Sie haben reiches Spirallockenhaar und volles Schamhaar. Körperhaar
spärlich. Bartwuchs fehlt vollständig. Gesichts- und Schädelbildung von
im Ganzen graciler Anlage; es fehlt darin alles Massige, und in dieser
Hinsicht stehen diese Personen im Gegensatz z. B. zu den 3 Individuen
der Neuen Hebriden. Nichtsdestoweniger sind auch die Gesichtszüge der
Malayta-Leute unschön; besonders entstellend wirkt die Nase. Die Augen
sind braun und meist mit einem lebhaftem Pigmentstreif versehen. Alle
haben durchbohrte Ohrläppchen, die Mehrzahl auch durchbohrte Nasen-
septa. Die Nüstern sind weit, nach vom geöffnet und quer oder schräg
gestellt.
1) Dam 1 Mess-Protocoll (Nr. 86).
2) Dara 5Mes8-Protocolle (Nr. 80— 90), ö Fnss- Zeichnungen (Tat VL Fig. 19— 25}
und 5 Hand -Zeichnungen (Taf. IT. Fig. 14 — 18).
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 191
Hinsichtlich der Kopfform tritt ein dolichocephales Verhältniss in
den Vordergrund; nur Nr. 88 ist mesocephal. Der gemittelte Index ist 73,0.
Das Kopf höhen -Verhältniss ist ein hypsicephales (66,0). Das Gesicht
niedrig (Index 83,3); die Nase sehr platt (65,0) und unschön. Die Klafter-
weite übertrifft die Körperhöhe bei Nr. 87 um 127 mm, bei den übrigen
um 67 — 82 mm. Die Füsse zeigen nur bei Nr. 86 und 90 hohe Breiten-
indices von 38 und 39; die der übrigen haben geringe Breitenwerthe,
Indices Ton 34 und 35. Die grosse Zehe ist die am meisten entwickelte.
Die Fusslängen gehen 6,2 — 6,5 mal in den Körperhöhenmaassen auf. In
Bezug auf die Handbreiten tritt bei allen ein ziemlich übereinstimmendes
Verhältniss zu Tage. Die Indices betragen 41 — 43.
Tättowirungen fehlen vollständig*).
Aus den einzelnen ProtocoUen ist das Folgende hervorzuheben:
Nr. 86. To6na ;^, etwa 22 jährig, ungelenke Figur, plattfüssig, X-Beinstellung, un-
entwickelte Schultern, lange Arme, kurzer Hals; massig vorstehende, volle Lippen geben
dem Profil einen m&ssigen Grad von Prognathismus; nicht durchbohrtes Nasen -Septum,
Nasen -Index trotzdem 64,8.
Nr 87. Langadmei $, 27 jährig, hat ziemlich helle Hautfarbe: am Rucken 6 30,
am Oberschenkel nahezu 15; ebenfalls eine ziemlich dürftige Erscheinung; das Gesicht
ziemlich ausdruckslos; der hässliche Mund wird weit offen gehalten; Gesicht rundlich,
Stirn gerade mit gut markirten SupraorbitalbOgen; hässliche, kurze Nase mit durch-
bohrtem Septum und tiefer, flacher, breiter Wurzel.
Nr. 88. Ambui $, 19 jährig, wenig entwickelt, wie die vorigen; Gesicht annähernd
nind; Mund nicht gross, wenig vorstehend; Nase kurz, breit, stumpf, flach.
Nr. 89. Tuhnmbaru $, 25 jährig, im Ganzen ebenmässig gebaut, doch ebenfalls in
schlechter Ernährung; breite Stirn, desgleichen relative Breite der Jochbögen, gegenüber
einem kleinen, schmi^en Kinn: das ergiebt eine ausgesprochene Dreiecksform des im
Ganzen feingeschnittenen Gesichts. Lippen wenig vortretend; Nasen -Septum und Ohr-
läppchen durchbohrt
Nr. 90. Aua8chi(a) ^, 18 jährig, kleiner, plumper, pausbackiger Junge mit kugel-
rundem Kopf auf kurzem Nacken; Septum und beide Ohrläppchen durchbohrt; Augen
weit nach oben und aussen divergirend, lebhaft pigmentirt, klug, glänzend, gutmüthig; das
kleine, dicke Naschen ist nicht übel geformt
Hess-Protocoll.
A. Vorbemerkung.
Ein Jeder, welcher sich mit Messungen am Lebenden beschäftigt hat,
wird wohl bei gewissenhafter Prüfung seiner Messresultate die Ueber-
Zeugung gewonnen haben, dass der Methode nicht unerhebliche Fehler
anhaften. Die aus einer Anzahl von Messungen abgeleiteten Schlüsse
werden jedenfalls nur einen bedingten Werth haben und dieser wird im
Allgemeinen der Zahl der Einzelmessungen proportional zu setzen sein,
da ja das Durchschnittsresultat aus vielen Messungen zuverlässiger sein
wird, als dasjenige, welches aus wenigen Messungen gewonnen wird. Ueber
1) Aus der Sprache sind noch die folgenden Worte notirt: Morgen = üss^ndeng,
Mittag = i^5ä, Abend = 88Ö-lfi(p) (siehe das Malayische ssörS), rechts = ölöUo, links
= maüli, Wind = kir(u)kfrö, Sturm = köbürru, Wie heisst das? = tachininia? Stein
= chöömbülL 14*
192 0. SCHELIiOMG:
die Zuverlässigkeit seiner Messresultate kann schliesslich ein Jeder an-
nähernde Gewissheit erlangen, wenn er sich aus wiederholten Messungen
bei einem und demselben Individuum seinen Messfehler berechnet Ich habe
solches in Bezug auf meine Messungen gethan und die mittleren Fehler
jedesmal in der Tabelle in Klammern beigefügt. Halten sich somit die
Messfehler, welcher jeder Einzelne für sich verzeichnet, im Allgemeinen
in controlirbaren Grenzen, so gestaltet sich diese ganze Sache viel schwie-
riger in dem Augenblicke, wo die Messresultate Zweier oder Mehrerer
zusammengestellt werden sollen. Denn hier handelt es sich öfters um
eine verschiedene Handhabung der Messungsmethode. Ich halte es des-
halb für geboten, dass ein Jeder, welcher sein anthropometrisches Material
bekannt giebt, zu gleicher Zeit auch eine ganz genaue Beschreibung seiner
Messungsmethode angiebt.
Ich habe in Bezug auf die Entnahme einzelner Maasse das Folgende
hervorzuheben:
I. Haasse am Kopf.
1. Die Obrhöhe oder die Distanz zwischen Ohrloch und dem darüber senkrecht
stehenden Punkte des Scheitels, senkrecht znr „deutschen Horizontalen^, bietet in Bezug
auf den oberen Messpunkt keine Schwierigkeiten. Den unteren Messpunkf habe ich in
der Weise gewählt, dass ich den einen, auf etwa 1 Vs cm yerkürzten Arm des Schiebezirkels
in das Ohrloch steckte und mit seiner Kante scharf gegen die Mitte der oberen Circum-
ferenz des Gehörganges andrückte.
2. Die Mittel-Gesichtshöhe habe ich mit dem Tasterzirkel gemessen, dessen eine
Spitze auf die Nasenwurzel (entsprechend der Sutura naso- frontalis), dessen andere Spitze
zwischen die mittleren oberen Schneidezähne, an der Grenze des Zahnfleisches (die Mitte
des Alveolarrandes), angelegt wurde.
3. Die Entnahme der malaren Gesichtsbreite am Lebenden kam mir stets
besonders schwierig yor. Es wollte mir scheinen, als ob die Durchtastung der inneren
Wangenbeinwinkel, also derjenigen Stelle, wo jugaler Oberkieferfortsatz und Jochbein
an einander stossen, von aussen her sehr wenig zuverlässig sei. Auch war diese Art zu
messen den meisten Individuen augenscheinlich unbequem und schmerzhaft.
4. Die Distanz der äusseren Augenwinkel bestimmte ich durch sanftes Anlegen
der Spitze des Tasterzirkels an diejenigen Punkte, wo die Augenwinkellinien am knöchernen
Rande der Orbita zusammenliefen. Ich habe dabei Druck gegen den knöchernen Rand
selbst vermieden.
5. Bei der Bestimmung der Nasenlänge habe ich als unteren Punkt die Nasenspitze
an ihrer grössten Prominenz gewählt. Dieser Punkt war an Papua -Nasen nicht immer
ganz leicht zu bestimmen, da derselbe oftmals in das herabhängende (durchbohrte)
Septum fiel.
6. Bei den Maassen der Nasenbreite bezieht sich das geringere Maass auf den
Abstand der Ansatzstellen der Nasenflügel an der Oberlippe, das grössere (in Klammem
gesetzte) Maass auf den weitesten Abstand der Nasenflügel.
7. Bei der Bestimmung der Entfernung Nasenwurzel-Ohr wählte ich als Ohr-
punkt die Mitte der Linie vor dem Ohr, welche sich schon bei äusserlicher Betrachtung
als die vordere Begrenzung des Tragus darstellt
U. Maasse am Rumpf und den Extremitäten.
8. Die Klafterweite habe ich bei ausgestreckten Armen von Spitze zu Spitze des
3. Fingers entnommen. Die Arme waren dabei horizontal erhoben und in die Transversal-
ebene des Rumpfes gestellt; die Handflächen sahen nach vom.
Beiträge zur Anthropologie der Papaas. 193
9. Die Länge der Hand habe ich folgendermaassen gemessen: Die Hand liegt aus-
gestreckt auf der Unterlage; die Spitze des Tasterzirkels berührt die äusserste Kuppe des
3. Fingers, die andere Spitze wird in die Yerlängemng dieses Fingers nach hinten und
zwar da eingesetzt, wo sie das Handgelenk (Verbindungslinie der beiden Proc. styloid.)
trifft.
10. Die Handbreite habe ich in Fauststellung (wie Handschuhmacher) gemessen,
da ich fand, dass die lüttelhand bei dieser Haltung fester gestellt wurde, als bei aus-
gestreckter Hand, und die Grössenverhältnisse dieselben bleiben: der Schiebezirkel spannt
die Breiten -Entfernung über die Knöchel hinweg ein (mit Ausschluss des Daumens).
Badialwärts kommt dabei die äussere Fläche des MetAcarpo-Phalange^tl- Gelenkes des
Zeigefingers in Betracht, ulnarwärts besonders der Vorsprung der Basis der Phalanx I des
kleinen Fingers.
Bei dem in Klammem vermerkten Breitenmaass ist dieser zweite Messpunkt un-
verändert geblieben; dagegen wurde der auf der Unterlage aufliegende Daumen jetzt
adducirt und gestreckt und die Breite über die Knöchel hin mit Einschluss des Daumens
genommen.
11. Die Länge des Fusses maass ich mit dem Tasterzirkel von dem nach hinten
am weitesten vorspringenden Punkte der Ferse bis zum äussersten Punkte der Spitze der
grossen Zehe. Die Zirkelspitzen wurden leicht angedrückt.
12. Die Breite des Fusses maass ich über die Metatarso-Phalangeal- Gelenke mit
dem Schiebezirkel und (in Klammern vermerkt) von dem lateralen Zehenknöchel -Yorsprung
senkrecht zur Längsachse des Fusses, wobei der mediale Messpunkt gewöhnlich unmittelbar
hinter dem Ballen der grossen Zehe zu liegen kam.
Ich möchte hier noch die folgende Bemerkung hinzufügen:
Nach meinem Dafürhalten würde der Beisende der anthropologischen
Wissenschaft einen ungleich grösseren Dienst erweisen können, wenn er
statt der sehr zeitraubenden systematischen Aufnahme ausführlicher Einzel-
messungen und ebensolcher Mess-Protocolle seine Aufmerksamkeit auf
nur einige wenige anthropologisch besonders wichtige Punkte richten,
diese jedoch durch möglichst viele Einzelmessungen klarzustellen versuchen
würde. Ich würde also vorschlagen, die Hauptmaasse des Kopfes, besonders
die Längen- und Breitenmaasse von Schädel und Gesicht, das Auricular-
Höhenmaass u. s. w. in möglichst grosser Ausführlichkeit zu entnehmen,
dagegen die Maasse des Rumpfes und der Extremitäten auf ein Minimum
zu beschränken. Man kann sich hier, wie ich glaube, mit dem Brust-
umfang, der Elafterweite, der Körperhöhe, dem umfang des Oberschenkels
und vielleicht noch ein Paar Maassen mehr begnügen. Ich bin auch über-
zeugt, dass ein so umfangreiches Zahlenmaterial, wie es z. B. in meinen
Tabellen enthalten ist, zu einem grossen Theil ganz unbenutzt bleibt,
und bei der Bearbeitung meines Materials habe ich den Gedanken nicht
unterdrücken können, dass ich zu einem mehr befriedigenden Endresultat
gelangt wäre, wenn ich die von mir auf Messungen verwandte Zeit auf
ein Paar bestimmte Maasse concentrirt, dafür aber statt 90 etwa 250
Individuen oder noch mehr durchgemessen hätte. Die Beschäftigung mit
Körpermessungen ist in den Tropen besonders für denjenigen, welcher
dieselbe nur nebenbei betreibt, eine ausserordentlich mühevolle und stra-
paziöse Sache; es wäre eine dankenswerthe Aufgabe, hier von berufener
Seite auf eine Vereinfachung der Maasse hinzuwirken.
0. SOBELLOHO:
B
Proto
collirte
Landschaft, Insel:
Jftbim (Nen-aniQe&)
Dorfbezirk:
Baam
P^^o-'-jcScht, Älter:
Ssabism
5 26J.
Bnmbomü Obosse
^ 5 24J.ji S 28J.
Gnaiaba
5 20J.
Jaoaln
Ö20J.
Fortlaufende Nnmmer:
1
8 1 8
4
b
L Kopftnaasae.
B. (±1,5
Uittelgesichtshöhe (.*■ 1.5}
Qeaichtsbreit« : a) jngal (* Iß). . .
b) malBT {±3,8) . .
c) mandibular (±2,0)
InterorbitaldiBtant (± Ofit)
Di8tanider&nBBeTenADgenwiDket(±3,9}
Nase: HBhe (=fc 1,1)
, Lange (±1,9)
„ Breite ± 1^ (1,1) . .
Hnad: L&nee
HBhe des Onres
Entfernung des Olirlochea '
Nasenwnnel
Uoriiontaler Umfang . . .
Profilwüikel
n. KSrpermaiuse.
EOipertidhe
Klafterweite
HObe: Kion
. Schnlter
„ Ellenbogen. , . .
, Eandfrelenk . . .
, Hittelfinger . . .
„ Nabel
, Crista osB. iliom .
„ Trochanter . . . .
, Capit. fibnl. . . .
, Halleolna eit«rDDS .
Im Sitten: Scheitel . . .
Schnlter . . .
Hand: LEnge
. Breite
Poss: Linge
1685
ni5
! 1597
. 1675
1818
1 -
m. Berechnete Indicea.
Lingeobreilen index . . .
OhrbQfaenindei
Gesichtsindei (Kollmann) .
Kasenindei
?»,6
1G^
■n,h
K3'l
82,0
6»J(
67,8
los
SS
40 1
118
111
64
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10(48)
87(40)
67
60
120
112
m
WS
-
—
77,1
71,8
8S,S
673
1) l>i<> Zahlen in Kiamincm hedenten die OrSsse dPs Mi'ssfehlers in Millimeter
Beitr&ge zur Anthropologie der Papuas.
195
Messwerthe.
Jabim (Neu- Guinea)
Ssim-
bang
Kamlaua
Suam
Ssiu
Kasse
S25J.
Deta-
tong
$ 15 J.
1
Gnaiaba
6 85J.
Talabi
S 8aj.
Kaisse-
gong
$ 21J.
Ssanguan,
S 58J.I
Kamelun
$ 18 J.
Eulabi
$ 45 J.
Geissi
S 3öJ.
6
7
8
9
10
11
12
13
14
I. Kopftnaasse.
184
183
140
128
110
110
64
138
81
116
35
116
46
42
40(42)
65
106
540
77°
1692
1785
1494
1425
1114
1018
1066
938
479
77
868
617
185
77(93)
260
99(94)
465
838
880
76,5
69^
79,7
86^
178
182
139
130
106
176
110
67
ISO
77
95
36
106
52
46(Sep-
tnm 5o)
38(42)
116
530
1568
1660
792
178
182
140
120
97
104
68
136
76
101
32
92
50
50
36(35)
51
61
187
190
143
123
106
116
72
147
70
100
36
98
53
60
34(43)
49
173
172
137
113
105
98
66
134
66
90
35
91
51
49
36(36)
60
56
116
607
186
189
147
130
116
184
117
75
141
76
102
32
104
47
52
44(46)
66
72
114
557
85°
191
195
146
122
112
112
74
140
83
100
38
106
59
52
43 (44)
62
56
85
170
179
142
123
99
118
72
130
72
92
81
96
58
58
37 (42)
60
n. Körpermaasse.
m. Berechnete Indices.
1690
1675
1560
1618
1655
1589
1635
1665
1610
1716
1774
1661
1336
1318
1321
1378
1381
1366
1037
986
1001
1033
1052
1048
788
740
740
788
771
816
619
673
563
599
600
633
943
960
%7
980
1021
965
820
812
818
828
883
867
440
448
453
466
492
472
69
60
67
64
57
60
...
^.
_
874
830
^mm
_
_
^
597
652
—
161
176
164
192
190
—
—
—
90(105)
81 (89)
—
246
266
236
271
1.275r.270
260
87(82)
87(86)
86(87)
110 (99)
1.108(100)
r. 90 (86)
M^^
—
.^.
1.373 r.36ö
464
11.469 r. 450
1
—
.^
1.277 r.l95
313
L330
1
i 764
823
780
896
822
792
76,3
76,9
75,2
79,6 1
77,7
74,8
79,3 i
71,4
66,9
64,7
65,7
68,7
62,6
I 68,7
84,6
77,0
78,2
73,1
82,9
80,0
90,7
73,0
70,0
64,1
68,6
93,6
72,0
63,8
189
189
139
127
105
112
68
145
83
100
36
104
52
55
44(47)
57
58
1578
1689
1331
1019
643
581
973
864
465
62
247
87
882
73,6
67,1
77,2
84,6
196
0. SCHELLONG:
Landschaft, Insel:
Jabim (Neu -Guinea)
Dorf bezirk:
Pojalim
Ssiu
1
Bussum
1
^ Gingala
Personen { G^uJ^ht, Alter:
Kassarlap
6 40J.
Sseigun
$ 85-88J.'
16
Dangabi
i 30J.
Mojam
$82J.
18
Galiki
S 82J.
Fortlaufende Nummer:
15
17
19
L Kopfimiasse.
Gerade Länge {± 1,0)
Grösste Länge (^ 2,1)
Grösste Breite (i 1,0)
Ohrhöhe {± 2,8) "...
Stimbreite (± 2,1)
Gesichtshöhe A
Mittelgesichtshöhe (:t 1,5)
Gesichtsbreite: a) jugal (i 1,0) . . .
„ b) malar (± 8,8) . .
„ c) mandibular (=t 2,0)
Interorbitaldistanz (=b 0,9)
Distanz der äusseren Augenwinkel (^ 8,9)
Nase: Höhe (± 1,1)
„ Länge (i 1,9)
„ Breite ± 1,5 (1,1)
Mund: Länge
Höhe des Onres
Entfernung des Ohrloches von der
Nasenwurzel
Horizontaler Umfang
Profilwinkel
189
187
147
ISO
105
123
75
187
82
102
82
98
61
58
48(46)
60
60
187
169
190
190 i
174
192
144
184
150
122 ;
' 112
126
' 110
%
97
i —
•ü^
—
115
70
144
85
109
84
102
52
50
38(44)
59
62
86
n. Körpermaasse.
Körperhöhe . . .
Klafterweite . . .
Höhe: Schulter .
„ EUenbofi^en .
„ Handgelenk
„ Mittemnger
„ Nabel . .
,, Trochanter »
. Patella . .
„ Capit fibul. . .
„ Malleolus eztemus
Im Sitzen: Scheitel .
„ y, Schulter .
Hand: Länge . . .
„ Breite . . .
Fuss: Länge . . .
„ Breite. . . .
umfang: Oberschenkel
Wade . .
Brustumfang . . .
1615
1724
1340
1000
725
565
965
855
484
61
252
92
848
1627
1695
1869
1041
808
631
985
860
475
65
169
80(96)
248(250)
104(99)
858
m. Berechnete Indices.
Län^enbreitenindex . .
Ohrnöhenindex ....
Gesichtsindex (KoUmann)
Nasenindex
78,6
69,5
89,7
70,6
76,7
64,2
79,8
73,0
111
69
141
75
97
80
105
55
55
34(37)
50
58
112
514
88(89)°
125
76
147
82
100
35
110
54
49
37 (42)
59
65
878
484
60
809
562
172
73(86)
229
90
464
828
847
864
465
61
191
103(99)
925
77,0
64,3
78,7
61,8
78,1
66,6
85,0
68,6
I
1584 '
1628
1745
1720
1328
1873
998
1010
740
778
569
604
970
961
187
191
140
181
101
116
70
140
78
100
85
106
49
54
86(48)
1690
1800
1399
1062
790
612
1018
875
601
70
180
75(92)
2fö
94(90)
844
78,3
68,6
82,8
73,4
Beiträge zur Anthropologie der Papuas.
197
Jabim (Neu- Guinea)
Ssimbang
üoro-
üoro
Ssimbang
Bnmtau
$ 21 J.
23
Suam
Ssiu
1
1
Ssimbang 1
Ssiu
(Poum)
Suam
Lema-
dei(ng)
S36J.
1
Bor(o)m
$27J.
Kokung <
$ 82 J.
. Nagui
a 19 J.
Labum
S 28J
Japoa
S 40 J.
Boagga
$ 45-50J.
27
Ssesengo
5 17 J.
20
_ _ t
21
22
24
25
26 J
28
177
182
134
125
100
116
68
131
78
98
81
102
52
49
36*(41)
55
1550
1625
1265
965
711
557
922
800
485
60
168
78(89)
242
87(82)
783
73,6
68,6
91,6
67,3
179
182
144
125
105
110
64
136
68
88
30
99
51
45
171
172
137
114
100
116
70
133
66
93
32
100
59
54
I 81 (38) : 30 (39)
I 53 54
— 58
85
87
1595
1675
1880
1041
792
605
945
805
451
62
1586
16%
1315
1000
739
570
940
809
450
58
171 I 182
70(86) , 77(91)
250 ;| 261
90(87) , 100(91)
880
887
79,1
79,6
68,6
66,2
80,8
87,2
60,7
60,8
I. Kopftnaasse.
190
189
147
135
112
115
65
145
79
103
34
110
47
46
37(44)
61
63
118
178
187
140
121
108
175
108
66
134
65
97
29
%
57
59
34(41)
55
58
110
530
182
187
143
132
113
180
113
67
138
76
99
35
114
56
56
36 (43)
62
55
119
540
182
182
136
135
101
194
119
65
143
75
103
29
112
57
59
36 (46)
63
112
584
183
178
144
126
108
205
115
74
145
74
103
31
109
51
49
38(43)
51
61
116
540
n. Körpermaasse.
1694
1417
630
202
88 (101)
1590
1750
1837
568
951
68
786
535
179
78(92)
259
95(88)
440
800
849
1675
1780
1411
618
1019
in der
Mitte 4%
67
835
615
189
82 (103)
278
104(96)
475
846
918
1556
1565
1720
1616
1398
1285
643
612
958
918
__^
in der
Mitte 430
69
59
872
840
615
570
182
169
80 (102)
280
'V
114 (103)
93(85)
487
400
348
278
910
820
m. Berechnete Indices.
77,8
71,4
79,8
78,2
74,9
64,7
80,6
59,6
76,5
70,6
81,9
64,2
74,7
74,1
83,2
63,1
80,9
70,8
79,3
74,8
182
184
144
122
108
180
110
71
139
74
88
30
95
57
54
32(38)
56
56
115
530
1616
1745
1356
584
%6
828
560
470
310
860
78,3
66,3
79,1
56,1
198
O. SCHELLOMQ:
Landschaft, Insel:
Dorfbeiirk:
{Namen :
Geschlecht, Alter:
Personen
Fortlaufende Nummer:
Jabim (Nen-Gmiiea)
Snam Madang Snam Ssin
Makiri Lakka Musseboa Majom ^'^H^'
5 66-60 J. $Ö8J. $27J. Ji5J. ^^ j
29 80 81 32 83
I. Kopfknaasse.
Gerade Länge (^1,0)
Grösste Linge (± 2,1)
Grösste Breite {± 1,0)
Ohrhöhe (=»= 2Ä
Stimbreite (^2,1)
Gesichtshöhe A
B.{^ljb)
Mittelgesichtshöhe (^1,5)
Gesichtsbreite: a) jugal (± 1,0). . .
b) malar {± 3,S) . .
, c) mandibular {*^ 2,0) .
Interorbitaldistani ( ir 0,9)
Distanz der äusseren Augenwinkel (=t 3,9)
Nase: Höhe ^± 1,1)
. Länge (-1= 1,9)
„ Breite * \fi U,l)
Mund: Länge
, Höhe (Lippen)
Höhe des Ohres
Entfernung des Ohrloches von der
Nasenwursel
Horixontaler Umfang
179
179
146
134
113
193
121
72
146
69
92
80
108
57
66
87(48)
62
188
186
136
120
100
201
108
61
129
78
99
27
93
62
62
87(48)
68
116
628
110
619
n. Kdrpermaasse.
Körperhöhe
Klarterweite
Höhe: Schulter . . .
. Ellenbogen . .
„ Handgelenk • .
, Mittemnger . .
,, Nabel ....
, Trochanter. . .
, Patella ....
, Capit, fibuL . .
„ Maileolus extemus
Im Sitien: Scheitel . .
. . Schulter . .
Hand: Länge ....
, Breite ....
Foss: Län^e ....
, Breite ....
Umfang: Oberschenkel .
Wade . . .
Brustumfang ....
1675
1750
1406
1025
640
998
486
60
846
670
187
76(92)
262
95(86)
470
860
886
1678
1618
1267
988
684
872
766
607
170
68(81)
2^
88(78)
416
286
790
m. Berechnete Indices.
Längenbreitenindex . .
Ohrhöhenindex. . . .
Geaichtsindex (Kollmann^
Nasenindex
81,0
74,8
83,4
66,0
78,6
643
79,8
71,8
180
181
183
187
110
118
72
187
74
102
80
108
63
61
^^)
66
116
625
1614
1746
1818
828
520
257
92(86)
490
320
900
78^
7^7
82,6
64,1
188
186
148
136
116
196
117
80
147
76
110
84
108
68
66
87(46)
66
117
548
1670
1800
1888
278
106(92)
79,6
72,6
79,6
64,2
169
172
187
118
104
162
96
57
188
62
92
80
97
48
42
81(«>)
107
610
1588
1695
1266
79,6
68g6
7W
T24
BeitrSge zur Anäiropologie der Papnas.
199
Jabim (Nen-Gninea)
Kai (Neu -Guinea)
Poum (Neu - Guinea)
Ssin
Anduh
Tschigga
Kamumbang
Poum
Gilao
$ 35J.
' Matao
9 25 J.
Atikio
$ 22J.
1
• Kanaluo
S 17 J.
Kopal
5 42 J.
Gamtei
$45J.
Bikuan
S 4ÖJ.
Gnarassa
S 17 J.
Mokong
S22J.
84
. 86
36
37
38
39
40
41
: 42
168
178
181
125
99
166
110
72
126
62
86(127)
82
92
67
68
80(85)
47
111
498
1546
1620
1290
76,7
72,2
88^0
62^
172
178
136
180
107
162
98
67
138
68
98
84
98
64
54
82 g9)
172
180
136
188
106
164
108
61
134
67
102
86
98
46
46
86(39)
50
110
643
110
617
1570
1655
1296
682
260
112
1660
1680
1288
774
600
179
74 (91)
288
100(90)
448
820
I. Kopftnaasse.
174
177
181
115
99
164
104
62
118
60
88
29
92
48
46
28
go
64
106
486
n. Körpermaasse.
' 1488
1486
1019
687
887
698
488
166
68(81)
228
87 (81)
480
275
815
1664
1620
438
300
887
1577
1507
1676
1577
1312
1248
582
647
938
880
805
802
560
620
173
170
80(94)
82(92)
1 262
240
97(94)
102(94)
446
880
834
298
793
726
1506
1570
1256
960
730
575
913
791
435
60
156
248
95 (89)
745
m. Berechnete Indices.
189
172
180
188
190
178
182
182
137
144
186
137
181
122
125
117
106
106
102
100
198
192
181
119
108
110
110
72
76
67
69
139
142
133
134
64
75
76
62
98
101
94
84
83
80
85
31
110
106
102
100
55
57
51
50
51
56
61
47
46
34(45)
82 (43)
85(88)
64
67
54
16
60
67
—
—
—
110 (120)
655
112(117)
115 (120)
_^
522
622
78,6
75^
74,0
72,1
80,9
74,7
76,2
76,1
73,8
66,0
68,9
68,5
68,7
64,2
71,0
76,9
88,1
85,6
1 76,0
82,7
82,0
69,2
78,2
58,3
79,9
60,0
62,7
70,0
172
170
186
114
100
111
70
136
76
94
31
100
50
50
86(42)
60
56
1574
1610
1313
998
750
595
986
818
460
62
161
239
95 (93)
832
80,0
67,0
81,6
70,0
200
0. SCHEUX)NO:
Landschaft, Insel:
Ponrn (Neu -Guinea)
Dorf bezirk:
Ponm
' Komocka
(Poum)
Poum
^'^^'"""{Shlecht, Alter:
Ssapoa
$ ÖOJ. ,
43 '"
Bore
$ 30 J.
! Garaua
$ 35 J.
45
Bukarra Mona!
S 21J. : $ 38J.
Fortlaufende Nummer:
44
46 ! 47
I. Kopftnaasse.
Gerade Lftnge (=t 1,0)
Grösste Länge (± 2,1)
Grösste Breite (^ 1,0)
Ohrhöhe (±2,8)
Stimbreite (=fc 2,1)
Gesichtshöhe B. (± 1,5)
Büttelgesichtshöhe (=fc 1,5)
Gesichtsbreite: a) jugal (d- 1,0) . . .
„ b) malar (+ 3,8) . .
„ c) mandibular (:t 2,0)
Interorbitaldistanz (-fc 0,9)
Distanz der äusseren Augenwinkel ( J^ 3,9)
Nase: Höhe (± 1,1)
, Länge (=b 1,9)
„ Breite ± 1,5 (1,1)
Mund: Länge
Ohr: Höhe
Entfernung des Ohrloches von der
Nasenwurzel
Horizontaler Umfang
184
174
134
125
102
105
70
185
70
99
33
97
52
51
183
180
189
124
103
100
60
186
60
87
33
97
48
50
183
187
147
110
104
116
70
140
79
102
39
110
56
50
52
58
60
i?
120
531
179
182
147
120
103
106
64
131
75
86
33
102
52
47
40(41) 38(41) 36(40) 33(39)
52
113
522
n. Körpermaasse.
Körperhöhe
Klanerweite
Höhe: Kinn
„ Schulter. . . .
„ Ellenbogen . .
^ Handgelenk . .
„ Mittemnger . .
„ Nabel ....
„ Trochanter . . .
n Patella ....
„ Gapit. fibul. . .
j, Maileolus eztemus
Im Sitzen: Scheitel . .
„ „ Schulter . .
Hand: Länge ....
„ Breite ....
Fuss: Länge ....
„ Breite
Umfang: Oberschenkel .
Wade . . .
Brustumfang ....
1580
1647
1331
1025
762
595
940
807
459
58
165
438
48
162
225 1 244
81 (84) 90 (87)
755
772
479(426)»),
450
60
180
70 (85)
242
82(76)
443
295
822
747
UL Berechnete Indices.
Längenbreitenindex . .
Ohrhöhenindez ....
Gesichtsindez (Kollmann)
Nasenindex
77,0
71,8
77,7
76,9
77,2
68,8
73,5
79,1
78,6
58,8
82,8
62,5
80,7
65,9
80,9
63,4
1548
1580
, 1502
1592
1660
; 1643
1
1361
—
1295
1309
—
965
1009
-^
786
748
—
562
584
—
. 982
965
' _
. 789
823
—
185
184
147
121
104
120
71
140
71
IQ»
35
100
58
51
35(41)
57
134
530
1585
1734
800
79,8
65,7
85,7
66,0
1) Oberer und unt^rt*r Hand.
Beiträge zur Anthropologie der Papuas.
201
Poum (Neu -Guinea)
Assap
S20J.
48'
Pourn
Ssinabi i
a 40 J. I
~49 I
Ssimeio
5 38 J.
182
181
189
116
102
96
52
ISO
70
91
34
102
47
41
82(37)
61
62
104
603
177
181
137
120
104
105
62
143
70
102
40
106
52
51
36(43)
58
126
529
1442
1479
1519
1626
676
850
76,7
64,0
78,3
68/)
75,6
66,2
73,4
67,3
50
183
194
141
123
111
104
67
136
75
104
36
109
53
50
35(40)
61
121
532
1598
1748
806
Komocka
Mmbag ; Gbaming j Gossack I Laua J Mangaia
5 50J. 5 25 J.
51
52
5 25 J. 1$ 17-18 J.;' $ 30J.
55
53
I Kopftnaasse.
172
181
137
119
91
107
70
130
65
95
34
97
64
51 (Sep-
tuni59)
26(36)
52(69)»)
114
521
180
182
148
121
106
114
69
134
74
96
32
104
51
50
30(36)
60
109
530
172
178
139
113
107
106
67
138
67
97
35
105
52
50
28(36)
69
116
508
n. Körpermaasse.
1488
1550
1018
838
770
495
166
69 (77)
230
88(81)
426
270
735
1630
1566
1247
572
894
1551
1696
1290
943
825
588
167
73^80)
89 (80)
498
319
831
785
503
175
74(90)
246
89(85)
443
319
932
54
Tami
(Neu-
Guinea)
Tami
Modiamo
S 27 J.
56
m. Berechnete Indices.
1472
1615
1209
550
585
54
778
503
166
73 (81)
242
89(80)
426
292
771
177
164
180 1
174
143
137
121
122
101
96
HO
97
67
61
135
130
72
66
97
97
33
31
101
96
62
46
51(54>
46
30(40)
30(39)
55
46
110
108
616
495
1451
1550
1176
838
735
503
171
67 (79)
227
78 (74)
425
282
775
175
176
140
120
100
121
77
132
85
94
30
103
56
56
32 (40)
62
1661
1730
1397
1078
795
608
861
491
63
179
76 (91)
260
97 (94)
858
72,6
76,6
81,3
1
i '8.0 ,
1
\ 79,4
78,7
63,4
66,7
66,4
! 63,4 !
67,2
70,1
76,4
82,3
85,0
76,8
81,4 ;
74,6
66,0 ,
48,1
1
; 68,8
68,8
57,6
1
65,2
79,5
68,1
91,6
67,1
1) Beim Lachen.
202
0. SOHELLOMO:
Landschaft, Insel:
Taroi (Neu -Guinea)
Dorf bezirk:
Tami
^^"^"""{aScht, Alter:
MakiU
$22J.
57
Mor(l)o 1 (G)naue Ssekabo Mangel
5 36 J. S 40 J. $ 26 J. $ 87 J.
Fortlaufende Nummer:
58 : 59 60 61
I. Kopftnaasse.
Gerade Länge (±1,0)
Grösste Lftnge (=fc 2,1)
Grösste Breite (±1,0)
Ohrhöhe (±2,8)
Stimbreite (± 2,1)
(^esichtshöhe A
B (-1:1,5)
Mittelgesichtshöhe (±1,5)
Gesichtsbreite: a) jugai (± 1,0) . . .
, b) malar (± 3,8) . .
^ c) mandibular (± 2,0) .
Interorbitaldistanz (± 0,9)
Distanz der äusseren Augenwinkel (± 3,9)
Nase: Höhe (±1,1)
„ Länge (± 1,9)
„ Breite ± 1,5 (1,1)
Mund: Länge
„ Höhe
Ohrhöhe
Entfernung des Ohrloches von der
Nasenwurzel
Horizontaler Umfang
Profilwinkel
175
180
141
121
98
118
76
127
75
96
80
108
56
58
40(88)
52
165
169
187
119
97
117
66
189
76
95
27
101
55
58
87 (39)
56
IL Kdrpermaasse.
Körperhöhe
Klarberweite
Höhe: Kinn
„ Schulter . . .
„ Ellenbogen . .
„ Handgelenk . .
„ Mittemnger . .
„ Nabel ....
„ Trochanter . .
, Ganit fibul. . .
„ Malleolus ezt«mus
Im Sitzen: Scheitel . .
, „ Schulter . .
Hand: Länge ....
„ Breite ....
Fuss: Länge ....
„ Breite
Umfang: Oberschenkel .
Wade . . .
Brustumfang ....
1608
1810
1000
766
568
958
834
442
58
168
72(88)
240
89(84)
1565
1695
1315
971
728
572
953
• 808
464
69
175
80(95)
236
96(90)
896
III. Berechnete Indices.
184
146
121
109
141
107
I^ängenbreitenindez . .
Ohrnöhenindez ....
Gesichtsindex (Kollmann)
Nasenindex
181
183
145
124
100
120
70
138
79
108
82
102
64
64
39(40)
68
182
189
144
134
106
181
72
143
96
109
86
105
68
51
37(39)
61
87-89
88
1688
I 1610
1680
1747
1360
1369
1027
1016
774
789
692
689
986
966
864
1 888
466
470
64
61
171
186
79(97)
81(97)
260
274
101 (92)
lll (100)
843
990
ISfi
81,0
79,3
' 79,2
67,2
70,4
66,7
' 67,7
92,9
84,1
—
90,2
72,7
67,3
—
72,2
76,1
70^
91,6
69,8
Beitr&ge zur Anthropologie der Papuas.
203
Tami
(Neu-Gninea)
Neu-Laüenburg
(Duke of York)
Neu -Pommern
(Neu -Britannien)
Neu-
Meklen-
burg SW.
(Neo -Irland)
Neu-Meklen-
burg NO.
(Neu -Irland)
Tami
Mioko
Utuen
Port
Weber
Rotawnll
Reben
Tub-Tub
Lemerut
Magedu
$Ö0J.
(G)uo-
amba
;S28J.
Toaut
$22J.
Taganu
$ 82J.
Toma-
eUe(i)
S 85J.
Tomana-
lam
s
Ipirkom-
bin
5 20J.
Zangon
$2Sj.
. Käme
$ 26 J.
62
68
64
65
66
67
68
69
; 70
181
181
148
128
106
113
67
188
84
95
87
102
56
55
87(38)
69
84
1589
1680
1684
1720
1820
1855
997
1018
768
772
598
608
980
986
789
868
448
470
59
61
176
178
88(100)
260
79^)
110 (100);
' 98 (60)
866
860
79,0
67,9
84,9
66,1
185
1%
191
190
1%
194
139
182
165
121
121
126
99
108
102
120
116
117
72
71
73
129
183
143
75
71
65
95
99
105
82
38
84
98
107
110
66
53
55
54
49
58(58)
29(40)
86(44)
83(47)
55
58
57
—
58
61
^.^
119
121
—
550
550
^—
—
1680
1758
1400
1890
1070
805
620
1045
61
840
586
194
78(85)
256
98(%)
486
284
849
L Kopftnaasse.
188
196
140
135
105
116
69
146
82
100
88
107
55
52
35 (42)
52
66
117
545
n. Kdrpennaasse.
181,8
172
183,7
181
130,6
145
122,8
—
100,7
106
172,4
166
111,6
99
70,6
58
130,6
132
' 68,8
68
99,8
94
—
31,6
98,8
98
51,95
60
48,3
45
33,2 (40,4)
25(40)
64,1
60
21
66,8
53
118,2
108 (112)
521
519
■^
~~
1557
1664
1271
659
941
57
179
76 (91)
247
98(90)
440
317
858
1681
1760
1353
1041
773
699
989
64
833
555
191
77 (99)
271
105 (95)
482
335
942
1533
1550
1270
585
925
806
575
165
78 (95)
237
90 (81)
495
311
890
m. Berechnete Indiees.
175
188
178
196
144
139
— ~
127
94
102
166
196
90
109
56
68
126
137
65
75
82
94
30
30
96
100
45
54
41
48
24(35)
52
34 (44)
20
17
51
—
108 (107)
513
111 (iia
1 ~~*
1500
1590
1265
560
950
1557
1620
1270
579
910
470
518
170
67 (87)
228
87
480
295
850
811
558
160
90(85)
443
290
820
78,1
67,8
86,0
71,4
71,2
80,1
68,6
61,7
64,9
68,8
66,3
—
98,0
87,2
81,8
79,4
85,4
75,0
; 52,7
66,0
60,0
68,6
63,5
50,0
80,9
7M
53,3
70,9
64,8
79,5
62,9
204
0. Schellong:
Landschaft, Insel:
Dorf bezirk:
n f Namen:
Personen | (jeschlecht, Alter:
Fortlaufende Nummer:
Neu-MeklenborgNO
(Neu-Irland)
Tub-Tubl Lassuck
- 1
MaUe WeUaga-
5 19 J.
71 ~
mns
$ 22 J.
72
Nene Hebriden
Insel Malakola
Bumann | """fl"*-
ö ^ •*• $ 35 J.
73
74
Norak
$ 28J.
' 75~
I. Kopfmaasse.
Gerade Länge (^1,0)
Grösste Lange (^ 2,1)
Grösste Breite (±1,0)
Ohrhöhe ( t 2,8)
Stimbreite (± 2,1)
Gesichtshöhe A
. B. (-b 1,5)
Mittelgesichtshöhe (±1,5)
Gesichtsbreite: a) jugal ( t 1,0) . . .
„ b) malar (J: 3,8) . .
M c) mandibular (± 2,0) .
Interorbitaldistanz (± 0,9) ....
Distanz der äusseren Augenwinkel (±8,9)
Nase: Höhe (± 1,1)
„ Länge (±1,9)
„ Breite ± 1,5(1,1)
Mund: Länge
„ Höhe
Ohrhöhe
Entfernung des Ohrloches von der
Nasenwurzel
Horizontaler Umfang
Profilwinkel
180
180
140
120
104
167
107
67
134
72
100
34
106
51
44
86 (45)
57
22
58
112(117)
538
181
177
141
119
106
174
117
71
182
58
91
35
102
60
60
82 (37)
50
19
57
111(117)
536
n. Kdrpermaasse.
Körperhöhe
Klarterweite
Höhe : Kinn
^ Schulter . . .
„ Ellenbogen . .
„ Handgelenk . .
„ Büttemnger . .
„ Nabel ....
„ Grista oss. ilium
„ Symphyse . . .
„ Trochanter . .
„ Patella ....
„ Oaoit. fibnl. . .
^ Madleolus extemus
Im Sitzen: Scheitel . .
„ Schulter . .
Hand: Länge ....
y. Breite ....
Fuss: Länge ....
„ Breite ....
Umfang: Oberschenkel .
Wade . . .
Brustumfang ....
1603
1750
1844
550
1008
1620
1747
1360
590
1002
776
526
186
77 (91)
260
97 (91)
407
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790
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179
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259
103 (97)
447
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196
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112
115
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111
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40 (47)
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29
96
45
45
35(46)
49
65
116
533
III. Berechnete Indices.
Längenbreitenindex . .
Ohrnöhenindex ....
Gesicht&index (KoUmann)
Nasenindex
77,7
66,6
79,8
70,6
79,6
67,2
88,6
58,8
76,6
66.8
80,4
75,4
78,9
65,1
77,0
70,5
1566
1712
1348
1825
1026
740
664
970
826
864
449(489)
486
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640
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760«)
250
97(96)
413
800
818
72,4
66,4
8U4
77,7
Beiträge zur Anthropologie der Papua.
205
Salomons- Inseln
a) Yella Lavella
b)Green-
Island
c)StChri-
stophel
Ssolo-
wak
S 18 J.
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$ 18 J.
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$ 32J.
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$ 35 J.
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6 40J. 1 5 35J.
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Kdrpermaasse.
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1 95(90)
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III. B€
^rechnete Indices.
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72,2
79,8 i
i 77,5
78,7 f 73,9
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56,6
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15
206
0. ScilEUiONG:
Inselgruppe :
Insel:
^^^«^''^''{Ges'^hlocht, Alter:
Fortlaufende Nummer:
SalomoDs- Inseln
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5 30 J. 5 22 J.
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S 27 J.
87
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181
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135
133
132
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Stimbreite (:t 2,1) ....
126
120 ,
123
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101
102
103
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114
119
111
108
107
108
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66
70
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60
60
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Gesichtsbreite : a)jugal(± 1,0)
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(
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104
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111
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Nase: Höhe (J- 1,1) . . .
51
54
60
41
43
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52
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32(40)
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29(36)
Mund: Länge
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57
56
54
65
56
Ohrhöhe ... . .
62
I 60
59
62
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Entfernung des Ohrloches von
der Nasenwurzel ....
111
115
111
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112
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535
529
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530
503
532
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Körperhöhe
Klatterweite
1650
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1578
1593
1625 .
1608
1845
1680
1705
1660
1695
1590
Höhe: Schulter
1370
1345
1283
1298
1345
1240
„ Ellenbogen ....
Handgelenk ....
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Im Sitzen: Scheitel . .
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858
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1 1 4
„ Schulter . . .
5(0
559
516
558
564
516
Hand: Länge
191
, 184
178
171
174
170
„ Breite
SbaOb)
80(93)
76 (87)
71(80)
73 (93)
71 (75)
Fuss: Länge
2.'S4
259
240
250
250
240
„ Breite
106 (92)
103 (95)
89 (87)
89 (77)
425
97 (89)
92 85^
Umfang: Oberschenkel . .
485
484
453
438
442
Wade
342
342
1 325
268
291
294
Brustumfang
8W
835
884
768
813
; 780
111. Berechnete Indices.
Längenbreitenindex . . .
Ohrnöhenindei
76,0
69,2
73,7
78,6
72,9
70,6
68,4
62,5
67,2
72,1
66,1
68,5
Gesichtsindex (Kollmann) .
81,4
^,\
H4,0
83,0
79,2
82,4
Nasenindex
62,7
64,8
54,0
78,0
72,0
60,4
1) Die Zahl in Klammem bezieht sich auf das Maass, bis zum Septum genommen.
Beiträge zur Anthropologie der Papua.
207
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208 0. Schellono:
Gesiehts - Hasken.
A. Vorbemerkung.
Unter den körperlichen Merkmalen, welche zu der Bestimmung eines
Rassentypus gehören, steht das Gesicht, die Physiognomie, obenan. Denn
es sind vorzugsweise die physiognomischen Eigenthümlichkeiten, welche
den Reisenden zuerst interessiren, wenn er dem fremden Individuum
begegnet. Die Haartracht, die Breite des Mundes, die Wölbung der Stirn,
die Form der Nase, der Ausdruck des Auges, das Mienenspiel, die Art
des Sprechens, sie geben dem Reisenden nicht nur sofort einen persön-
lichen Eindruck des Individuums, sondern sie dienen ihm auch hauptsäch-
lich, fast unbewusst, als wichtigste Anhaltspunkte für die ganze anthro-
pologische Auffassung desselben. Denn in dem Gesicht concentrirt sich
gewissermaassen die Individualität des Menschen. Das Bestreben, gerade
das Gesicht des Menschen in der Erinnerung festzuhalten und dauernd
zu fixiren, ist deshalb den anthropologischen Untersuchungen besonders
förderlich gewesen. Man sucht diesen Zweck in doppelter Weise zu
erreichen, durch die bildliche W^iedergabe in Skizze oder Photogramm
und durch die plastische Wiedergabe in Form der Gesichts -Maske. Jedes
dieser Vorfahren hat seine Vorzüge: die photographische Darstellung,
besonders in grossem Maassstabe ausgeführt, bringt den ganzen Kopf, die
Haltung desselben und die belebte Physiognomie zum Ausdruck; die
Gesichts -Maske stellt etwas Todtes dar, aber sie wirkt mehr überzeugend
durch die Plastik, auch ergiebt sie beim blossen Anschauen die natürlichen
Grössenverhältnisse, welche bei dem Photogramm erst mit Zuhülfenahme
der Phantasie vom Beschauer herausconstruirt werden müssen. Auch fällt
bei der Maske die Sprache des Auges hinweg, so dass das rein Körper-
liche des Gesichts mehr zur Beachtung gelangt. Gewöhnlich pflegen die
Masken aus technischen Gründen sich eben nur auf das Gesicht zu
beschränken; sie bringen am häufigsten eine Ansicht des Gesichts von
vom und umfassen dann die Stirn, beide Augen, die Wangen, Mund und
Nase und einen Theil des Kinns. Dass sich die Masken nicht auf den
ganzen Kopf erstrecken, scheint mir, rein anthropologisch betrachtet, ein
erheblicher Mangel nicht zu sein. Denn die Haarfrisur, welche zur Vor-
stellung des ganzen Kopfes noch vorzugsweise daran fehlt, verdeckt die
Maasse des Schädels, — soweit man es nicht gerade mit rasirten Köpfen
zu thun hat, — ohnehin und ist überhaupt eines derjenigen anthro-
pologischen Merkmale, welches den Beobachter meist in hohem Grade ver-
wirrt, anstatt ihn zu fördern. Wir können es alltäglich beobachten, wie
Menschen durch eine andere Haarfrisur ein gänzlich verändertes Aussehen
erhalten. Gerade bei der sehr schwierigen Auswahl sogenannter ^Rassen-
typen" hat sich mancher Beobachter sicherlich ganz unbewusst durch zu-
fällige Aeusserlichkeiten, physiognomische Attribute, wie Bart, Haar,
Beiträge zur Anthropologie der Papua. 209
Kopfpuj;z u. 8. w. mehr bestimmen lassen, als durch wirkliche anatomische
Merkmale.
Die Papua präsentirten sich mir zur Untersuchung meist bartlos,
dagegen in der allergrössten Mannichfaltigkeit der Haarfrisuren. Wenn
ich die letzteren bei der Anfertigung der Masken ausser Acht Hess, so
glaube ich mich damit also keiner tadelnswerthen Unterlassung schuldig
gemacht zu haben. Hingegen möchte ich es als ein qualitatives Plus der
von mir gefertigten Masken hinstellen, dass ein Theil derselben in Halb-
profil-Aufnahme zur Darstellung gelangt ist. Es werden dadurch dem
Gesicht zwei wichtige physiognomische Anhaltspunkte hinzugefügt, der
Kieferwinkel und das Ohr. Weniger das Ohr selbst, als die Stelle, an
welcher das Ohr am Kopfe sitzt, ist wichtig zur richtigen Würdigung der
Breite des Gesichts, indem En- face -Masken ohne Ohr das Gesicht gewöhn-
lich zu breit erscheinen lassen. Der grössere Vortheil der Halbprofil-
Masken aber liegt in dem durch den Namen selbst charakterisirten Um-
stände, dass nehmlich in dieser Weise eine Vorstellung von dem Profil
des Gesichts möglich ist.
Ich fertigte die Masken aus Gyps.
Die oftmals aufgestellte und ebenso oft bestrittene Behauptung, dass
man uncivilisirte Eingeborne zu der an und für sich nicht sehr einladenden
Procedur des Gypsens nur schwer heranbekommen könne, habe ich bei
den Papua gewissermaassen in beiderseitigem Sinne bestätigt gefunden.
Es hielt zu Anfang sehr schwer, die Leute, mit welchen freilich eine
andere Verständigung, als die durch die Zeichensprache gegebene, nicht
möglich war, von der Gefahrlosigkeit der Procedur zu überzeugen; das
tassambang langanu, — das Gesicht verbinden, wie sie es später nannten, —
betrachteten sie in der ersten Zeit als eine riskante Sache, und dass ich
überhaupt damit zum Ziele gelangte, verdanke ich nur der sehr liebens-
würdigen Bereitwilligkeit eines meiner Freunde, welcher sich, obwohl
als Kaufmann an anthropologischen Untersuchungen nicht sonderlich inter-
essirt, mit heiterster Miene coram publice nigro von mir gypsen liess.
Seinem Beispiele folgend, diente sodann ein Malaye zu einer zweiten
Demonstration, und auch jetzt, nachdem die Ungefährlichkeit der Procedur
an zwei Beispielen zur Evidenz dargethan war, kostete es nicht geringe
Ueberredungen und Versprechungen, um den ersten Papua zu diesem
kühnen Schritt zu bewegen. Aber dann war alsbald der Bann gebrochen,
und ich hatte später Anerbietungen genug. Nur steigerte sich der Kauf-
preis allmählich vom gewöhnlichen Bandeisen zum Handbeil. Makiri, der
vornehmste Häuptling der Pinschhafener Gegend (Nr. 1), erhielt sogar
2 Aexte, eine Bezahlung, welche nach papuanischen Begriffen einem
respektabeln Vermögen gleichkam.
Die Technik der Masken-Abnahme ist für denjenigen, welcher
überhaupt schon mit Gyps gearbeitet hat, ohne besondere Mühe zu erlernen.
210 0. SOHELLONG:
Das Gesicht wird leicht eingefettet und kleine Kartenblatt -RöHchen in
die Nasenlöcher gesteckt, um die Athmung nicht zu behindern; dann kann
der Guss beginnen. Um diejenigen Partien des Gesichts, auf welche es
mir jedesmal besonders ankam, auch sicher in den Guss hineinzubekommen,
bediente ich mich einer Anfangs aus Pappe, später aus einer biegsamen,
dünnen Bleiplatte gefertigten Cravatte, mittelst welcher ich das Gesieht
wie mit einer Form uraschloss. Da die biegsame Bleiplatte sich allerseits
fest gegen die darunterliegende Haut andrücken liess, so verhinderte die-
selbe zugleich das Danebenfliessen des Gypses, was bei der Halbprofil-
Aufnahme besonders zu Statten kam. Ich kann dieses Verfahren als sehr
brauchbar empfehlen; die erstarrte Masse nimmt sich in dieser Bleiform
sehr bequem vom Gesicht ab. Man kann eine und dieselbe Cravatte
beliebig oft benutzen, da der Gyps mit dem Blei nicht verklebt. Eis
bedarf nur weniger Hammerschläge, um die Platte wieder gerade zu
klopfen. Im Interesse der grösseren Haltbarkeit der Masken, also vor-
wiegend mit Rücksicht auf den Transport, glaubte ich sodann eine Ver-
stärkung der Maske in der Weise erstreben zu sollen, dass ich der Gyps-
masso mehrere dicke Hanfstreifen einfügte. Als Vorbild diente mir dabei
die Methode der in der chirurgischen Praxis üblichen Gypshanfschienen.
In dieser Art gefestigt, langten die Masken via Sydney-Bremen in bestem
Zustande in Berlin an, und die Anfertigung der Positive machte keinerlei
Schwierigkeit.
In der Finsch 'sehen Masken -Sammlung der Südsee befinden sieh
ebenfalls Typen aus Neu-Guinea; dieselben entstammen jedoch sämmtlich
dem südlichen, unter englischem Schutz stehenden Theile dieser Insel.
Da ich meine Masken in Finschhafen und Umgebung, also an der Nordost-
küste von Neu-Guinea gewonnen habe, so dürften dieselben die Finsch-
sche CoUection in wünschenswerther Weise zu ergänzen berufen sein.
Ausserdom sind in meiner Sammlung vertreten die Salomons- Insel Vella
Lavella mit einer Type, Neu -Lauenburg (Duke of York) mit einer Type,
Neu-Pommern mit einer Type, Neu-Meklenburg mit 3 Typen. Die An-
zahl der von mir gefertigten Masken beträgt 39.
Der Reisende würde eine grosse Erspamiss an Zeit machen können,
wenn es ihm gestattet sein würde, die Masken auch für anthropometrische
Zwecke zu benutzen, wenn er also die Maasse des Gesichts oder wenig-
stens einen Theil derselben der Maske, anstatt dem Lebenden, ent-
nehmen dürfte. Um ein Urtheil über das Maassverhältniss von Maske
zum Lebenden zu erhalten, habe ich das Positiv der Maske Nr. 33 aus-
gemes8(»n und die so erhaltenen Messwerthe den Zahlen des Mess-Proto-
eoUs gegenüber gestellt. Ich wählte gerade die Maske Nr. 33 zu diesem
Zweck, weil ich bei dem dazu gehörigen Individuum (Tomänälam) durch
zu verschiedenen Zeiten ausgeführte Messungen den Schwankungswerth
Beiträge zur Anthropologie der Papaa.
211
bestimmt habe, welchen die Messmigen am Kopfe des Lebenden im All-
gemeinen zu unterliegen pflegen^).
Ich stelle nun zum Vergleich die folgenden Maasse zusammen:
Am
Lebenden
An der
Maske
Differenz
beider
Grösster
Schwan-
kungs-
Werth beim
Lebenden
Stimbreite
(jesichtshöhe A
B
Mittelgesicht
Jagale Gesichtsbreite
Entfernung der inneren Augenwinkel
„ 9 äusseren „
Nase: Höhe
„ Länge
, Breite 1
^ Flügelbreite 2
Mund: Länge
Entfernung des Ohrloches von der
Nasenwurzel
100,7
172,4
111,5
68,8
130,5
29,5
98,8
51,9
48,8
33,2
40,4
52,3
113,2
127
174
111
67
134
35
111
52
43
40
45
59
129
4-27
+ 2
0
- 2
-h 3
+ 5
+ 12
0
- 5
+ 7
+ 5
+ 7
+ 16
7
17
6
5
4
3
10
4
6
5
3
7
Aus dieser Zusammenstellung ist zu ersehen, dass die Maasse an der
Gypsmaske im Allgemeinen zu gross ausfallen, was von vornherein zu
erwarten war; nur das Maass der Nasenlänge erweist sich an der Maske
als zu klein, was wohl auf den Umstand zurückzuführen sein dürfte, dass
bei dem Aufgiessen des Gypses das durchbohrte und deshalb für gewöhn-
lieh hängende Septum wiederum angedrückt und der Messpunkt für die
Nasenspitze nach vorn verlegt wurde*).
Vergleicht man die Differenz der Messwerthe am Lebenden und an
der Maske mit den Zahlen der Columne 4, so erscheint der damit ver-
knüpfte Messfehler nicht sehr erheblich. Nur für das Stimbreitenmaass
der Maske muss ein grösserer Werth in Abzug gebracht werden; ebenso
gestaltet sich die Entfernung zwischen Ohrloch und Nasenwurzel an der
Maske um ein Erhebliches zu gross. Hier würden also grössere Werthe
von 20 und 15 mm in Abzug zu bringen sein.' Bei den übrigen Maassen
der Maske würde ein Abzug von 3 mm wohl das Maass des lebenden
Individuums im Allgemeinen richtig wiedergeben. Genau ist weder das
eine, noch das andere.
1) Siehe darüber meine Mittheilung in den Schriften der physik.- Ökonom. Gesellschaft
in Königsberg, XXX. Jabrg. 1889.
2) Auch die Mittelgesichtshöhe fallt an der Maske zu klein aus, woran indessen wohl
ein Messfebler Schuld sein dürfte.
212 0. SOHBLIiONO:
B. Masken -Proto CO 11 e.
L Nen-Gninea, Nordost-Küste (Kaiser Wilhelms-Land), Finsehhafen.
a) Rüstenstrich Jabim.
Maske 1. Makiri ^ (Nr. 29)*). Alt^r Häuptling aus dem Dorfe Saam, der ein-
flassreichste Mann des Jabim -Stammes. Im angefahren Alter von 56 — 60 Jahren, zeigt
er kanm Spuren des vorgerückten Alters. Seine Figur ist proportionirt und gerundet.
Die Oberschenkel und Waden sind kräftig entwickelt, desgleichen die Brust. Das Haupt-
haar ist nur mit grauen Härchen vermischt und bildet im übrigen einen dichten Spiral-
lockenfilz Der kurz gehaltene, rasirte Bart ist dagegen durchweg weiss -grau. An dem
Fuss ist die erste Zehe die längste. Körperhöhe 1675 mm.
Die Physiognomie ist ernst; aus derselben spricht ein entschiedener Zug ton
Falschheit. Die Naso- Labialfalten sind stark ausgesprochen*).
Hautfarbe dunkelbraun; Stirn, Wange, Brust Broca 80—28, Oberarm 44 — 28.
Kopf kurz, breit, niedrig. Index brachjcephal 81,0. Auricularindex 74,8.
Gesicht breite oval. Index 83,4.
Die Wangen, mit kleinen, stark pigmentirten Warzen besetzt, erscheinen etwas ein-
gefallen. Eine beträchtliche jugale Breite (145 mm) contrastirt gegen ein yergleichsweise
schmales Kinn (92 mm).
Auge gross, offen. Iris dunkelbraun, mit ringförmigem, bläulich -weissem Greisen-
bogen; der horizontale Pigmentstreif am Bulbus stark ausgebildet; die Lidaxen horizontal
gestellt.
Nase mit tiefer Wurzel, breitem, geradem Rücken, massiger Spitze, durchbohrt4*r
Scheidewand, verhältnissmässig kleinen Flügeln. Nasenindex 65.
Lippen voll, wenig voitretend. Zähne mit abgenutzten Kauflächen, schwarz gefärbt,
gering prognath gestellt.
' Maske 2. Lakka $ (Nr. 80), der frühere Besitzer der Insel Madang im Finseh-
hafen, welcher die Insel bereitwilligst an die Gründer dieser ersten Station von Kaiser
Wilhelms- Land für ein Beil verkaufte, eine kleine, dürftige, höchst komische Figur, mit
ganz runzligem, wie eingeschrumpftem, kleinem Gesicht, aus welchem eine lange, gebogene
Nase hervortritt. Ungefähres Alter 58 Jahre. Das Haupt ziert eine für Papna -Verhält-
nisse seltene Glatze, welche von spiraligen Haarbüscheln begrenzt wird.
Der Ernährungszustand ist ein massiger. Die Haut zeigt an Stirn B. SO— 28, ao
Brust und Oberarm fast 28. Körperhöhe 1573 mm.
Die kleinen Augen, mit horizontalen Lidspalten, werden etwas gekniffen gehalten;
links besteht totaler Pannus.
Kopf massig lang, breit, niedrig. Index 78,5 Auricularindex 64,8.
Gesicht niedrig, schmal Index 79,8. Stirn hoch, schräg, voll, mit kräftigen
Wülsten. Wangenbeine ziemlich angelegt.
Nase mit tiefer Wurzel, welche sich von dem gefalteten Stirn -Augenbrauen -Wulst
scharf absetzt; der Rücken lang, ein wenig gebogen; die Scheidewand durchbohrt; die
Flügel breit ausgelegt Index 71,3.
Lippen voll, vortretend, gf»ben dem Profil das Gepräge ausgesprochener Prognathie.
Zähne schwarz gefärbt, gerade gestellt.
Am Fuss ist die zweite Zehe die längste. Linkes Ohrläppchen durchbohrt.
Maske 8. MüssSboa $ (Nr. 31), etwa 2Tjährig, aus Suam, eine grosse, besondert
kräftige, etwas plumpe Erscheinung. Körperhöhe 1614 mm. Dichtes, dunkelbraones
Haupthaar; spärlicher Bart
Die Augen von üblicher Farbe, gross, mit langen, ein wenig hängenden nnterea
Augenlidern. Die Lidspalte ein wenig geschlitzt. Neben dem linken Augenlide ein«
flache, narbige Schrumpfung.
1) Die eingeklammerten Zahlen beziehen sich auf die Nummer des Mess-Proiocolk.
2) Ein nach einer photographischen Aufnahme des Dr. Hollrung hergestellter Licht-
druck des Makiri befindet sich in den Nachrichten über Kaiser Wilhelms- Land u. s. w^
l»8y. Heft II.
Beitr&ge zur Anthropologie der Papua. 213
Kopf knrx, breit, hoch. Index 78,5. Auricularindex 75,7.
Gesicht hoch, breit, oTal Index 82,5. Die Stirn auffallend hoch, mit stark ent-
wickelten Augenbrauenbögen Wangenbeine angelegte
Nase mit tiefer Wurzel, sehr breitem Bücken, dicker Spitze, durchbohrter Scheide-
wand, wenig abgesetzten Flügeln. Index 64,1.
Lippen toU und vortretend. '
Die schwarz gefärbten Zähne gerade gestellt.
Die Hände breit, mit langen Fingern. Die zweite Zehe ist die längste.
An der Halbprofil -Maske kommt eine Ohrdecoration, bestehend aus einem ein-
geknüpften Hanf bündel, gut zum Ausdruck.
Maske 4 — 14, Typen des Dorfes Ssiu.
Maske 4. Ssanguan ;§ (Nr. 11), 58— 65jähriger Häuptling aus Ssiu, Vater von 3
erwachsenen Söhnen: Majom (Nr. 32), Labum (Nr. 25), Kamelun (Nr. 12), und einer
erwachsenen Tochter: Mätao (Nr. 35). Untersetztes, für sein Alter sehr gut genährtes,
schuppenhäutiges Individuum, von grosser Intelligenz, schlauem, verschmitztem Blick,
lebhaften Gestikulationen, zu Spässchen geneigt. (Die Physiognomie erinnert mich lebhaft
an diejenige eines alten Pfarrers meiner Heimath.)
Haar rings um den Kopf geschoren, sehr dicht, nur ab und zu ein graues Härchen
leigend, Broca 41— 48. Bart rasirt. Körperhöhe 1618 mm. Linkes Ohrläppchen
für 3 Fingerspitzen durchbohrt
Kopf mit stark entwickelter Prot, occipit. und vorspringenden Lin. semicirculares.
Index 77,7. Auricularindex 68,7. Stirn breit, hoch, wenig gewölbt.
Gesicht breit. Haut gerunzelt, Augenbrauenbögen stark vorspringend. Gesichts-
index 82,9.
Nase dick, mit breiter Spitze, sehr weiten Nüstern, flach ausgebogenen Flügeln.
Septum kurz, nach unten convex. Index 93,6 (!)
Oberlippe hoch, fleischig, wenig vorstehend.
Kinn breit. Profilwinkel 85°.
An dem Gesicht fällt auch auf die starke Entwickelung der Kaumuskulatur
(Masseteren), welche sich noch mehr ausgesprochen auf seinen Sohn Labum
vererbt hat (siehe Maske 6).
Hände und Füsse breit, plump.
Maske 5. Majom "^ (Nr. 32), ältester Sohn Ssanguan^s, Bruder von Labum
und Kamelun und der Matao (Masken Nr. 4, 6, 7, 8), etwa 45 jährig, bekannt als gut-
müthiger, aber verschmitzter Mensch ; etwas diebisch veranlagt. Er ist ein guter Familien-
vater, geht freundlich mit Frau und Kindern um. Mittelgrosse Figur, in massigem
Ernährungszustände. Recht schmutzige Haut; die Finger mit einer förmlichen Schmutz-
kruste überzogen. Der Kopf ^.verlaust". Körperhöhe 1670 mm.
Der Kopf erscheint gross durch einen sehr dichten, grossen Spirallöckchen- Haarfilz.
Index 79,6. Auricularindex 72,6.
Das Gesicht desgleichen .ziemlich hoch und breit, besonders die Partien der Unter-
kiefer-Winkel. Im Ganzen, von vom gesehen, eckig -Rundlich. Index 79,6. Im Profil
tritt entschiedener Prognathismus hervor, an welchem sich namentlich die sehr fleischige
Oberlippe betheiligt.
Die Stirn ist breit und massig hoch, nur wenig geneigt. Die Augenbrauenbögen
stark entwickelt, setzen sich seitlich auf die ebenfalls mächtigen Jochbogen fort, denen
gegenüber die Schläfenpartien zurücktreten.
Die Nase mit breiter und tiefer Wurzel, breitem, gerade verlaufendem Rücken,
welcher sich in eine plumpe, knollige Spitze umbiegt, an deren Bildung das durchbohrte
und hängende Septum Theil nimmt. Die Flügel sind wenig scharf gegen den Rücken
abg^etzt. Die Nüstern, fast quer gestellt, öffnen sich ein wenig nach vom ; aus denselben
ragen dichte Haarbüschel heraus. Nasenindex 64,2.
Daa Kinn ist nicht hoch, jedoch breit. Die Lippensäume voll und mehr bräunlich-
bUiüiclt als röthüch.
214 0- Schellono:
Das linke Ohrläppchen durchbohrt, das rechte intakt, im Ganzen schwach entwickelt.
Der Bartwuchs reichlich, rasirt. An den nicht auffallend plumpen Zehen überwiegt die
erste an Länge.
Die Augen wenig geöfEnet und wenig hervortretend, dunkelbraun mit dunkelgelbem
Pigmentstreif. Lidspalten nach oben und aussen ein wenig divergirend (geschlitit).
Wimpern am oberen Lid reichlich. Augenbrauen spärlich.
Maske 6. Labum $ (Nr. 25), etwa 28jährig, aus Ssiu, Sohn des Ssanguan, Bruder
von Majom, Kamelun und Matao (Masken Nr. 4, 5, 7, 8). Mittelgrosse, kräftige, gerundete
und proportionirte Erscheinung; als intelligent und verschlagen bekannt Körperhöhe
1675 mm. Die Figur weist wohlgeformte Brust- und Nacken -Partien auf^ während
andererseits Fasse (besonders links) und Hände plump gebildet sind. Die erste Z«he
überwiegt um ein geringes die zweite.
Kopf mit breitem Hinterhaupt, an welchem sich mächtige Occipitalwälste markiren;
sonst anscheinend mesocephal und eher hoch als flach. Index 76,5. Auricularindex
70,6. Die Stirn von massiger Höhe, breit (113 wiw) und aufrecht gestellt, mit markirten
Augenbrauen- und Nasenbögen. Dem entsprechend setzt sich die Nasenwurzel scharf von
der Stirn ab. Die Nase selbst erscheint nicht gross, aber breit und ziemlich flach«
Nasenindex 64,2. Die nicht auffallend vorstehenden Lippen geben dem Profil den
Ausdruck eines nur massigen Prognathismus.
Von vom erscheint das Gesicht breit (Index trotzdem 81,9). Der Abstand der
äusseren Augenwinkel weit, desgleichen die Distanz der Jochbogen. Die Gesichtsbreit«
gewinnt sodann ganz besonders durch auffallend entwickelte Masseteren, welche wie
Parotistumoren vor den Ohren lagern (vergleiche den Vater Ssanguan). Die Nüstern sind
weit und ein wenig nach vom geöffnet. Der Mund breit, mit ziemlich mächtiger Ober-
lippe. Das Kinn klein und angenehm gerundet. Das Auge von der üblichen Beschaffen-
heit, mit massig weiter, fast horizontal gestellter Lidspalte und schönen Wimpern.
Maske 7. Kamelun § (Nr. 12), ISjährig, in Figur und Physiognomie seinem Vater
Ssanguan ähnlich (vergl. Maske 4). Verräth Zutraulichkeit und ein wenig Beschränktheit,
ist immer hungrig und träge.
Die Stirn ist hoch, mehr vorgewölbt, als bei Ssanguan. Auch zurückliegende
Schläfengegenden. Beide Lippen mehr vorstehend, als bei Ssanguan. Profilwinkel 86®.
Augen gross, glänzend, vortretend. Lider ganz wenig geschlitzt Kamelun zeigt auf-
fälliges Zurückbleiben in den Maasscn der rechten unteren Extremität (siehe Mess-Proto-
coll). Körperhöhe 165o mm, Kopfindex 74,8, Auricularindex 62,5, Gesichts-
index 80,0, Nasenindex 72,0.
Maske 8. Matao $ (Nr. 35), die Schwester von Majom, Labum, Kamelun, Tochter
Ssanguan's, ist mit Sseigun in Ssiu verheirathet, hat 3 Kinder, von welchen das älteste,
Sebque, etwa 7jährig ist. Matao ist demnach etwa 25j ährig, entbehrt jedoch ber^^ifcj
der jugendlichen Frische, welche sich nur noch in kräftigen Oberschenkeln und breiten,
gut ausgelegten und angenehm geformten Hüften zu erkennen giebt. Die Brüste sind
auffallend klein, beutelartig und schlaff Der Warzenhof gross, aber wenig scharf abgesetzt
Die Schultern sind vergleichsweise schmal, besonders gegenüber den breiteren
Hüften-
Das Gesicht hat einen gutmüthigen, nicht unsympathischen Ausdruck, bekommt aber
durch kleine, wenig vortretende, etwas geschlitzte und kaum einen Wimperschmuck auf-
weisende Augen einen gewissen Anflug von Blödigkeit. Auch die ganze Phjsiognomi«*
ist eckig und unschön angelegt.
Die Nase klein, breit, gedrückt, mit plumper Spitze, durchbohrtem Septum, weni^
scharf abgesetzten Flügeln, in toto mit kleinen, dunkel pigmentirten Narben besetzt (wie
pockennarbig) und dadurch entstellt Im Profil tritt massiger Prognathismus hervor, an
welchem beide Lippen gleichen Antheil haben.
Das Kinn ist niedrig und breit Die Gesichtsbreite hauptsächlich auf Rechnung »ehr
starker Masseteren (scheint Familien -Eigenthümlichkeit zu sein) sehr ausgesprochen.
Der Schädel erscheint ziemlich hoch, nicht lang; die Breite bezieht sich »<*hr vor-
wiegend auf den Hinterkopf. Doch ist auch die Stimbreite eine ausgesprochene ^107 mm%
Beitr&ge zor Anthropologie der Papaa. 215
Die Stirn sonst hoch, wenig voll, fast gerade gestellt, mit kräftigen Schlafen und
gut abgesetzten Angenbranenbogen. Gebiss voll, bräunlich gefärbt, wenig abgenutzt.
Linkes Ohrläppchen gespalten, rechtes durchbohrt.
Körperhöhe 1670 m»/i.
Kopfindex 78,6.
Anricnlarindex 75,1.
Gesichtsindez 71,0.
Nasenindex 59,2.
Maske 9. Gingoanduo 5 (Nr. 3S), die etwa 45jährige Frau des Majom (Maske 5),
stammt aus Ssimbang, ist Mutter von 5 Kindern, von welchem das älteste etwa 14 jährig
(sie wird also vielleicht jünger sein), sieht gealtert und abgenutzt aus, ist in schlechtem
Ernährungszustände, mit ganz schlaffen, beutelartigen Hängebrüsten, welche trotz der
scheinbar geringen Entwickelung von Milchgängen entschieden reichliches Secret liefern.
Der sich nährende, etwa 7 Monate alte Defter-ssaun*) (mit 2 Schneidezähnen unten und
4 oben) sieht frisch und gerundet aus. Gingoanduo ist uns seit lange bekannt als eine
gutmüthige, stille Frau, welche für ihre Angehörigen offenbar tiefe Anhänglichkeit
bekundet. Sie liebkost ihren kleinen Säugling mit demselben glücklichen Blick, wie er
bei uns die beste Mutter auszeichnet Als ihr Sohn Ssali zur Beschneidung geführt
wurde, war ich Augenzeuge, wie sie, aufrichtig bewegt, Thränen der Rührung und der
Bangigkeit vergoss. Mit ihrem sehr sympathischen Wesen, welches sich durch stete an-
genehme Gleichförmigkeit auszeichnet, contrastirt ihre äussere Erscheinung.
Das Gesicht ist geradezu hässlich zu nennen, und dieser Eindruck wird, wie es
scheint, besonders hervorgerufen durch ein niedriges, etwas zurücktretendes Mittelgesicht,
dem gegenüber die Unterlippe mit Kinn stark vorspringt. Im Profil bedingt dieses
Yerhältniss ausgesprochenen Prognathismus. Der Mund wird gekniffen gehalten, und man
vermuthet denselben eigentlich zahnlos; trotzdem zeigt Gingoanduo ein volles, sauberes,
weisses, wenig abgenutztes Gebiss. Körperhöhe 1538 mm.
Hautfarbe schmutzig -hellbraun. Auf Armen und Rücken alte Narben. Hände und
Füsse nicht gross und plump. (Es ist interessant zu beobachten, dass sich diese, bei den
Männern fast plump und massig gestalteten Theile bei den Frauen im Allgemeinen
von gracilen, angenehmen Formen zeigen.) Zehen annähernd gleich lang. Dichtes,
schwarzes, spiraliges Haar auf dem kleinen, niedrigen und breiten Kopf. Kopfindex
79,6. Das ebenfalls kleine Gesicht sieht wie geschrumpft aus. Kinn und Unterlippe treten
gegen die Oberlippe bedeutend vor. Stirn und Schläfengegend breit. Die Angenbranen-
bogen scharf markirt, jedoch nicht massig. (Das Yerhältniss tritt auch bei den anderen
Frauen nicht hervor.) Das dunkelbraune, kluge, grosse Auge etwas geschlitzt (Axe nach
oben und aussen). Kleine Stupsnase mit durchbohrtem Septum. Nasen index 72,1.
Entwickelte, schmale Wangen; zurücktretende Oberlippe. Auffallend dünner Hals und
vorspringende Schlüsselbeine. Linkes Ohrläppchen durchbohrt und für einen Finger durch-
gängig; rechtes ebenfalls durchbohrt, jedoch weniger weit.
Maske 10. Atikio $ (Nr. 36), die etwa 22jährige Frau des Labum-Ssiu (Maske 6),
aus Jabim gebürtig, Primipara, befindet sich gegenwärtig (25. Juni 1887) am Ende ihrer
zweiten Schwangerschaft: der Fundus hat sich bereits gesenkt, Kopf steht fest im Becken-
eingang, kleine Theile oben rechts, Steiss oben links, hier auch Herztöne. Bei der Pro-
cedur des Gjpsens stellten sich bereits die Vorwehen ein. Circumf. über dem Nabel
860 mm, Ist dann wahrscheinlich am 3. Juli niedergekommen. Das auffallend hellfarbige,
fast weisse männliche Kind wurde von mir am 7. JuÜ (am 5. Tage) gesehen. Dasselbe
hatte bereits den üblichen Rasirstreifen um den Kopf^ und der Rest des Haares war mit
rötblichem Thon verschmiert. Die Mutter sass mit dem Kinde mit allen übrigen zusammen,
als ob gar nichts vorgefallen wäre. Das Kind wurde nach meinem Vater Louis -ssaun
1) Deiter, eine Verstümmelung von Doctor; ssaun bedeutet „klein"; also „der kleine
Doctor*, eine mir zu Ehren veranstaltete Namenbildung. Der Verf.
216 0. Schellono:
benannt^). Die Frau ist eine kleine, massige Person, mit sehr breitem Gesicht und wenig weib-
lichen Zügen; nur die ganz wohlgeformten Hände und Füsse (zweite Zehe die längste)
heben sich vortheilhaft ab. Die Hängebrüste mit reichlichem Drüsengewebe und dicken
Yenennetzen. Die dunkelbraune Haut an den Oberarmen und auf dem ganzen Bücken
in roher Art tättowirt, so zwar, dass etwa 1 cm lange, von oben nach unten geführte
Striche im Abstände von 1 — P/i cm von einander symmetrische Figuren bilden. Der
verhältnissmässig grosse, runde Kopf ruht auf dünnem, niedrigem Halse. Merkwürdig ist
die sehr dichte Behaarung des Kopfes, welche auch die Schläfen überzieht. Der Schädel
erscheint im Ganzen niedrig, mit breitem Hinterhaupt. Auch die Stirn ist breit, ziemlich gerade,
mit vollen Augenbrauenbogen. Hervorragend ist die Breite der Jochbogen, denen ge<?en-
über die Yerschmälerung des Unterkiefers nach dem Kinn zu eine besonders auffallende
wird. Die Lippen sind massig voll und treten nicht auffallend, aber deutlich hervor. Die
Nase hebt an mit sehr breiter Wurzel, ist auch weiterhin breit und flach. Die dunkel-
braunen, klugen, glänzenden, doch etwas geschlitzten Augen sind noch der beste Theil
der Physiognomie.
Körperhöhe 1660 mm.
Kopfindex 75,5.
Auricularindex 73,8.
Gesichtsindex 76,9.
Nasenindex 78,2.
Maske 11. Kaualuo $ (Nr. 37), die junge, etwa 17jährige Frau Kamelun^s (Maske 7),
des jüngsten Sohnes Ssanguan^s. Eine reizende, kleine Erscheinung, ganz virginal, mit
einem klugen, freundlichen, unschuldigen Puppengesicht, ziemlich wohlgebildeten Händen,
etwas zu grossen Füssen, an welchen der Zwischenraum zwischen der ersten und zweiten
Zehe auffallend weit erscheint. Ist vor einigen Monaten von Kamelun ans ihrem Heimaths*
dorfe Bussum entführt, war dann für kurze Zeit nach Poum, schliesslich zu den Ver-
wandten des Mannes nach Ssiu gegangen, mit welchen sie gegenwärtig die Häuslichkeit
theilt. Die ganze kleine, elastische Figur ist proportionirt angelegt und von einer gewissen
angenehmen Gracilität, welche besonders dem runden, mit einem Stupsnäschen versehenen
klugen und lebhaften Gesicht eigen ist. Das Haar ist mit rothem, glänzendem Thon zn
kleinen, rundlichen Klümpchen verbacken. Die Haut hat die hellere Nuance des nliniong,
ist von tadelloser Glätte und Reinheit (ein Yerhältniss, welches sich sogar an der Maske
wiedergiebt) ; die Büste könnte etwas vollendeter gedacht werden. Die Brüste sind kuglig,
stehend, straff, mit dunklerem, scharf abgesetztem, entsprechend grossem Warzenhof, an
welchem die Montgomery 'sehen Drüsen auffallend entwickelt sind, und ganz kleinen, rund-
lichen Mamillen, welche nach aussen divergiren. Der Schädel erscheint vergleichsweise lang,
breit, niedrig. Das rundliche Gesicht ist im Ganzen fein geschnitten: es fehlen an dem-
selben die massigen Augenbrauenbogen, sowie die bedeutenden Breitenmaasse der Jorh-
bogen und des Unterkiefers. Die Stirn ist wenig geneigt, gerundet, voll; die Schläfen
nicht angelegt Das dunkelbraune, glänzende, lebhafte, hervortretende Auge gewinnt
durch reiche Wimpern und Augenbrauen. Das Profil ist gering prognath, mit wenig vor-
tretenden Lippen und niedlich gerundetem Kinn. Die Nase ist der schlechteste Theil
der Physiognomie: breit, etwas aufgeworfen, mit gut abgesetzten Flügeln, die Nüstern
nach vom geöffnet, die Scheidewand durchbohrt. Zähne tadellos, blendend weiss. Ohren
klein und wohlgeformt.
Körperhöhe 1438 mm.
Kopfindex 74,0.
Auricularindex 65,0.
Gesichtsindex 88,1.
Nasenindex 58,3.
Maske 12. Gilao$ (Nr. 34), verheirathete Frau, gebürtig aus Bussum, wohnt jetxt
in Ssiu, etwa 35 jährig, mit einem sehr unsauber gehaltenen, vollständig mit Wanden
1) Siehe Näheres hierüber di*»se Zeitschrift 1888: üeber Familienleben und Gebräuche
u. s. w.
Beiträge zur Anthropologie der Papua. 217
bedeckten, henintergekommenen S&ugling an der Brust. Die Frau ist von kleiner, pro-
portionirter Figur, wohlgenährt, etwas schmalbrüstig, mit entsprechend grossen, ganz edel
geformten Händen und Füssen, an welchen die erste Zehe überwiegt Fällt angenehm
auf durch einen edlen, ernsten, klugen Gesichtsausdruck. Das Oval des Kopfes, mit
dichtem, dunkelbraunem Spiralhaar, trägt einen abweichenden, an den ägyptischen und
jüdischen Typus sich anlehnenden Charakter. Der Hinterkopf zeigt sich besonders hoch
und breit entwickelt. Die Stirn ist verhältnissmässig schmal, niedrig und auffallend
gerade gestellt. Die Augenbrauenbogen, wohl markirt, ohne massig zu sein, tragen
weichen, dunklen Haarwuchs. Desgleichen finden sich reichliche Augenwimpern.
Das Gesicht, im wesentlichen oval, würde das in noch erhöhterem Maasse sein, wenn
nicht auffallend entwickelte Masseteren die Partien der Ohrgegond verbreiterten. Das
kaum prognathe Profil wird ausgezeichnet durch eine lange, gerade verlaufende Nase,
wenig vorspringende, etwas volle Lippen, ein angenehm gerundetes Kinn. Durchbohrtes
Septum. Die Brüste sind hängend und lang, beutelartig, die linke, mehr entwickelte um
8,5 cm tiefer stehend; die Warzen cylindrisch, stehend, werden von einem grossen, nicht
auffallend dunkel pigmentirten Warzenhof umgeben. Die Berührungsfiächen von Mammae
und Thoraxfläche sind, wie stets, heller gefärbt. Linkes Ohrläppchen für eine Fingerspitze
durchbohrt.
Körperhöhe 1545 771m.
Kopfindex 75,7.
Auricular index 72,2.
Gesichtsindex 88,0.
Nasen index 52,6.
Maske 18. Seigun J (Nr 16), etwa 38 jährig, mit Matao (Maske 8) verheirathet ;
schön gewachsener, bescheiden blickender Mann mit eckigen Gesichtsformen. Haupthaar
mit dem üblichen Rasirstreif. Auch die Augenbrauen rasirt Körperhöhe 1627 fw;n.
Es fällt auf: ein raesocephaler Schädel (Index 75,7) mit stark entwickeltem Proc.
mastoid , hohe, breite Stirn, vorspringende Supraorbitalbogen, wohlgebildete, etwas dicke
Nase (Index 78,0); wohlgeformter, etwas breiter Mund, schmaler Unterkiefer; etwas zurück-
liegende, matt und träumerisch blickende, massig weite Augen mit Pigmentstreif, brauner
Iris und starkem, bläulich -schwarzem Corneo-Scleralring; Wimpern gleichmässig, schön
gewölbt und dicht. Profilwinkel 86°. Auricularindei 64,2; Gesichtsindex 79,8.
Maske 14. Boägga J (Nr. 27), kleiner (1565 mm), ältlicher, 45— 50 jähriger,
hagerer Junggeselle aus Ssiu, Schwager Ssanguan^s, Onkel Labum^s, mit abfallenden,
schmalen Schultern und schmaler Brust, dünnen Waden, augenscheinlich der gutmüthigste
seines Geschlechts. Der kleine Kopf, mit etwas verwitterten Gesichtszügen, gewinnt durch
eine Doppelglatze, welcher sich nach hinten zu eine mächtige, nach hinten gekämmte
Haarfrisur (Pobella) anschliesst^ fast ein komisches Aussehen. Kopfindex 80,9. Stirn
sehr breit und hoch, ein wenig zurückliegend. Der Höhe nach erscheint der Schädel flach.
Auricnlarindex 70,8. Das Gesicht wird von einem dichten, kurz gehaltenen, gekräu-
selten Bart umrahmt Es markiren sich scharf die Supraorbital- und Jochbogen. Das Profil
ist bis zur Oberlippe prognath, während das kleine Kinn zurücktritt. Gesichtsindex 79,3.
Das Auge nicht gross, klug, freundlich blickend. Diö Nase ist auffallenderweise
nicht durchbohrt, sie ist sonst kurz und breit und zeigt eine breite, aber wohlmarkirtc
(besser markirt, als bei durchbohrtem Septum) Spitze. Nasenindex übrigens ebenfalls
sehr hoch, 74,8. Der Mund nicht gross, gekniffen. Das Lippenroth unterscheidet sich
kaum von der Hautfarbe, spielt eher in's Bläuliche, als in's Röthliche.
Maske 15. Ssabiam $ (Nr. 1), etwa 26 jähriger, dürftig genährter, gutmüthiger
Mann aus Ssuam. Die unsaubere Haut auf Brust B 42—48, am Gesicht B. 28— 30, an
den Handflächen 29—80. Die Nase mit durchbohrtem Septum ist klein, gedrückt. Das
reichliche Haar rings um den Kopf rasirt. An der hohen Stirn sind die Supraorbitalbogen
stark entwickelt. Kieferstellnng gering prognath. Mund und Lippen nicht vorstehend.
Kinn mit Grübchen.
218 Ö. SCHELLOMO:
Körperhöhe 158B mm.
Kopfindex 73,6.
Auricularindex 71,5.
Gesichtsindex 83,2.
Nasenindex 63,3.
Masken 16 — 20. Jugendliche Typen.
Maske 16. Nagai(^ (Nr. 24), etwa 19 jährig, ans Suam, Leihsklave*) Makiri^s (^£i
kak^dang Makiri**?), wurde von uns Meyer genannt wegen seiner frappanten jüdischen
Physiognomie; uliniong (d. i. hellbraun), mittelgross (1590 mm), gut genährt, mit etwas
schmalen Schultern und flacher Brust. In seinem Profil tritt auffallender Lippen-
prognathismus (besonders Oberlippe) und eine lange, gebogene Nase zu Tage. Der Kopf
ist im Ganzen klein. Der Schädel mit breiter, gut gewölbter Stirn, sonst anscheinend
mesocephal und etwas flach (Kopfindex 74,9, Auricularindex 64,7). Gesicht chamae-
prosop, Index 80,6. Das braune Auge mit lebhaftem, schlauem, falschem Ausdruck. Das
Septum der Nase durchbohrt und mit Nasenstift versehen, zugleich herabgesunken; die
Spitze kolbig, nach unten hängend; die Nasenflügel wie plattgedrückt; Index 59,6. Nie-
driger, dünner Hals. Breite Hände, colossale Füsse (besonders links). Schlechte Waden,
geringe X- Beinstellung.
Maske 17. Bümtau$ (Nr. 23), etwa 20 jährig, aus Ssimbang, sympathische, jugend-
liche Erscheinung, gut genährt, von im Ganzen proportionirten Körperformen, bis auf eine
etwas flache Schlüsselbeingegend. Grosse Hände und Füsse, an welchen letzteren die grosse
Zehe die zweite überragt. Der linke Fuss ist breiter, als der rechte. Kopf rund. Das
Gesicht mit nur massigem Prognathismus; volle Lippen, welche über ein niedriges, gerun-
detes Kinn hervorstehen. Stirn sehr breit; massige Augenbrauenwülste; tiefe NasenwuneL
Nase nicht gerade gross, jedoch breit und plump, Stift im Septum. Das Auge mit dunkel-
brauner, fast schwarzer Iris, klug, glänzend, offen. Die kurz gehaltene Spirallöckchen-
Perrücke ist sehr dicht und giebt bei der Betastung das ächte Matratzen -GefühL
Körperhöhe 1694 mm.
Kopfindex 77,8.
Auricularindex 71,4.
Gesichtsindex 79,3.
Nasenindex 78,2.
Maske 18. KaissSgong $ (Nr. 10), etwa 21jährig, aus Suam, zeigt Atrophie der
ganzen rechten Unterextremität, schuppenhäutig, schmutzig, in schlechter Emähnmg.
Kleine Figur, kleiner, flacher Kopf mit niedrigem, breitem, rundlichem Gesicht, kurzem
Kinn. Geringer Prognathismus. Mund nicht gross. Lippen nicht wulstig. Die Nase
nicht allzu plump, entstellt durch durchbohrtes, herabhängendes Septum und weite Nüstern.
.\ugen dunkelbraun, glänzend, weit; auffallend breiter Pigmentstreif am Bulbus; Höhlen
tief. Stirn gerade, in gut gewölbte seitliche Schläfenpartien übergehend. Hals niedrig
und schlank.
Körperhöhe 1560 mm.
Kopfindex 79,6
Auricularindex 65,7.
Gesichtsindex 78,1.
Nasenindex 68,6.
Maske 10. Ssl^ss^ngö $ (Nr. 28), etwa 17 jährig, aus Suam, eine der angenehmst««
jugendlichen Erscheinungen, sieht stets anständig aus und beträgt sich beischeidea.
Körperformen nicht plnmp, wohlproportionirt Körperhöhe 1616 mm. Das Gefacht, im
(Ganzen fein geschnitten, zeigt im Profil nur massigen Prognathismus; Nasenrücken leicht
gebogen; wenig vorspringende Lippen. Kopfindex 78,3; Auricularindex 66,3. Nasen-
1) Soweit man sich dieses Ausdruckes überhaupt bedienen darf. In Wirklirkkeit
«'xistirt bei den Papua keine mit den afrikanischen Verhältnissen etwa zu v«rgleicb«adc
Sklaverei.
BeitrSge zur Anthropologie der Papua. 219
I
septnm dorehbohrt;, die Spitze deshalb hängend, Flügel aber nicht breit. Nasenindex 56,1.
Wangen auffallend schmal. Das Kinn mit kleinem Grübchen. Gesichtsindex 79,1.
Maske 20. DstätÖng $ (Nr. 7), etwa 15 jähriger, intelligenter Junge von kräftigem
Körperbau. Körperhöhe 1568 mm. Beide Ohiläppchen weit durchbohrt; an dem rechten
ein häufig vorkommender Schmuck, bestehend aus kättam (Cocosnussblatt), ssalassä
(Schildpattringe), djöko (kleiner Ring aus rothem Flechtwerk), kekum (Perlenschnur).
Im Haar ein 7 zinkiger Haarpfeil (ssüpoa). Haar mittelkurz gehalten. Es fällt sonst auf:
breite Nase mit grossen Nüstern, Pigmentstreif am Bulbus, massiger Prognathismus, breiter
Mund mit vorstehenden Lippen (besonders Oberlippe), geschwollene Brustdrüsen (Pubertät),
schöne Brust, gerundete Schultern, massige X- Beinstellung.
Kopfindex 76,3.
Auricularindex 71,4.
Gesichtsindex 84,6.
Nasenindex 73,0.
Maske 21. Jäpöa J (Nr. 26), etwa 40jähriger, mittelgrosser (1556 mm), stark-
knochiger, x-beiniger, ungelenker Mann aus Ssimbang, mit colossalen Füssen (Länge
280 mm. Breite 114 mm) , gut genährt, gewährt einen gutmüthigen, heiteren Gesichts-
ausdruck. Das Haar ist zu einer langzottigen, mit rothem Thon verbackenen Perrücke
(Pobella) geordnet, deren einzelne Strähne 10 cm lange Spiralen bilden. Im übrigen fehlt
nicht der übliche Rasirstreif rings um den Kopf. Beide Ohrläppchen sind weit durch-
bohrt, das rechte Läppchen durchschnitten, so dass ein hinterer zeigefingerlanger und ein
vorderer kürzerer, nur 1 Zoll langer Zipfel davon zurückgeblieben sind. Bartwuchs sehr
reichlich, rasirt.
Die Physiognomie erscheint eckig. Stirn im Profil hoch und gerade gestellt. Die
Augenbrauenbogen und der nasale Stimhöcker (Proc. nasal, des Stirnbeins) zu einem
Wulst von grosser Mächtigkeit vereinigt. Die Nase setzt sich mit tiefer Wurzel ab, zeigt
einen ungewöhnlich gekrümmten Rücken mit langer, hängender Spitze, durchbohrtem
Septum, breiten, scharf gegen den Rücken abgesetzten Flügeln. Zwei mächtige Falten
ziehen von hier in die Mundwinkel -Gegend herab. Der Prognathismus im Ganzen recht
ausgesprochen; an demselben betheiligen sich auch Unterlippe und Kinn. Die Jochbogen
sind scharf markirt; die Schläfengegenden treten diesen gegenüber stark zurück.
Kopfindex 74,7.
Auricularindex 74,1.
Gesichtsindex 83,2.
Nasenindex 63,1.
Maske 22. Dtangäbi J (Nr. 17), etwa SOjUhrig, aus Bussum, ein hübsch gewach-
sener, mittelgrosser Mensch mit runden Körperfornien, ganz besonders gut entwickelter
Brost und Schultern; er sieht ausgesprochen jüdisch aus und hat einen klugen, ver-
schmitzten Blick. Er ist in Trauertracht: schwarze, geflochtene Stricke um den Hals in
mehreren, überfingerdicken Lagen, nach vom und hinten, über den Rücken weg, in
Quasten auslaufend, daneben ein Trauerturban auf dem Haupte, das ganze Haar einhüllend,
welches er sich scheut zu entblössen. Die Trauer gilt seiner verstorbenen Frau. Dieser
Mann weicht in mancher Hinsicht von dem Rassentypus ab. Das Gesicht angenehm rund-
lich, mehr hoch als breit. Nase mit langem, gerade verlaufendem Rücken; Flügel gut
ausgelegt; Septum durchbohrt. Mund nicht gross, mit gewulsteten, doch wenig vor-
stehenden Lippen. Hände und Füsse, wohl gebildet und entsprechend gross, zeigen nichts
von Plumpheit. Ohren klein, linkes Läppchen durchbohrt. Trägt kleinen Kinn- und
Schnurrbart Körperhöhe 1584 mm, Kopfindex T7,o, Auricularindex 64,3, Gesichts-
index 78,7, Nasenindex 61,8.
Maske 22a. Jauälu J (Nr. 5), ein gutmüthiger, sehr dummer Mensch, etwa
SOjihrig, über welchen ein Aufoahme-Protocoll fehlt. Janalu war der erste Jabim-Mann,
welcher gegypst wurde. Kopfindex 77,1, Auricularindex 71,2, Gesichtsindox 82,2,
Naienindex 67,8.
220 0. Schellono:
Maske 22b. Möjam^ (Nr. 18), etwa 82j&hrig, gut aussehender, mittelgrosser Mann
aus Gingala, mit grossen Händen und Füssen, starklmochig, gut genährt Körperhöhe
1628 i/im. Hautfarbe: Stirn B. 30, Wangen desgleichen, Brust B. 29—80, Oberarm aussen
B. 29 — 80, innen B. 30 — 33. Tättowirungen auf den Delta -Muskeln und über den ganxen
Rücken hin, kleine, centimeterlange, längsgestellte, in Querreihen angeordnet« Ritze.
Auge dunkelbraun, mit Pigmentstreif, lange, horizontale Lidspalt«. Haar schwarz, B. 48,
spiralgelockt Bart spärlich. Sonstiges Körperhaar reichlich. Kopf niedrig, Index 78,1.
Auricularindex 65,6. Gesicht rundlich -breit, Index 85,0. Stirn massig breit, gut
gewölbt, mit stark markirten Orbitalbogen ; zurücktretende Schläfengegenden. Stark hervor-
tretende Wangenbeine und Jochbogen Nase mit tiefer, breiter Wurzel, breitem, flachem
Rücken, kurzem, durchbohrtem, nach unten hängendem Septum, unförmig plumper Spitze,
weiten, nach vom sich öf&ienden Nüstern, schmalen, rundlich ausgelegten Flügeln.
Index 68,5. Mund weit, mit wulstigen Lippen. Unterkiefer und Kinn breit. Wangen
wenig eingezogen Ohren gut geformt, klein; linkes Läppchen durchbohrt. Gebiss toU-
ständig. Zähne massig, opak. Lippenschleimhaut und Zahnfleisch blassrosa- bläulich, mit
braunen Pigmentflecken. Zunge schön rosafarben. Waden massig entwickelt Die grosse
Zehe überragt ganz wenig die zweite.
b) Bergdistrikt Kai.
Die Masken23 — 27 stellen Typen dar, welche dem Kai -Stamme angehören. Die^r
Volksstamm wohnt der Jabim- Bevölkerung Finschhafens benachbart. Ihre Dörfer siiid
verstreut auf den einzelnen Bergrücken und ebenso dürftig und elend, vne die Leute
selbst^ welche eine von der Jabim -Sprache abweichende und von dieser durch besondere
Laute, wie es scheint, gänzlich unterschiedene Sprache sprechen^).
Maske 23. Kopal $ (Nr. 38), aus Anduh TschTgga, einer Bergsiedelung in der Näh«
des Dorfes Bussum. Dieser Mann, etwa 42jährig, wurde daselbst Ostern 1886 Ton mir
und einigen Freunden zuerst angetroffen. Er und eine ältere Frau geriethen in die
höchste Bestürzung, als sie uns kommen sahen; sie liefen davon und schrieen vor Angst, als
ob ihr letztes Stündlein gekommen wäre. Späterhin befreundeten wir uns mit dem Manne;
er besuchte uns ab und zu auf der Station, und zwar jedesmal mit den offenbarsten
Handelsabsichten. Seine Physiognomie interessirte mich vom ersten Augenblicke an wegen
einer geradezu frappanten Aehnlichkeit mit einem mir bekannten Professor. Kopal hat einen
stets ernsten, etwas scheuen, bisweilen verlegenen Blick. Der Mund wird eigenthümHch
gekniffen gehalten. Die Gesichtszüge sind im Ganzen markirt, das Kinn eckig. Besonders
auffallend ist eine sehr hohe Stirn und massige Augenbrauenbogen, welche eine tiefe
Nasenwurzel bedingen. Die Nase ist besonders nach der Spitze zu sehr plump und hat
weite, nach vom geöffnete Nüstern. Die Oberlippe ist voll und fleischig bei verj^eichsweise
schmalem Lippenroth. Die etwas hohlen Wangen sind von ausgeprägten Nasolabial- Falten
durchfurcht. Im Profll zeigt sich massiger Prognathismus. Kopal versuchte während
der Maskenentnahme zu sprechen und zerbrach dabei das Kinn. Körperhöhe 1554
Kopfindex 72,1, Auricularindex f>8,9, Gesichtsindex 85,6, Nasenindex 79,9.
Maske 24. Gamtei $ (Nr. «^9), etwa 45jährig, aus Kamumbang, einem Dorfe
linken Ufer des Bumi, ist interessant wegen seiner jüdischen Physiognomie. Die Naae ist
lang, etwas gekrümmt, nicht besonders scharf abgesetzt Das Kinn erscheint in Fol^
eines Zickelbartes lang und vortretend, in Wirklichkeit tritt dasselbe etwas zurück. BresUr
Mund mit vorstehender wulstiger Unterlippe. Sehr breite Stirn und voUe Schläfern.
Körperhöhe 1577 mm, Kopfindex 80,9, Auricularindex 68,5, Gesichtsindez 76,0,
Nasenindez 60,0.
1) Auch zu der Zeit, als ich Finschhafen verliess (1888), war die Kenntnis« über «S«
Kai -Bevölkerung noch sehr mangelhaft; es war damals noch nicht im Entferntesten nthtr
gestellt, wie weit landeinwärts der Kai -Stamm oder eine Bevölkerung ftb«rhAnpt a»-
zutreffen seien. Ich persönlich hatte den Eindruck, als ob weiter landeinwärts too Fbudi-
hafen Menichen überhaupt nicht wohnten.
Beiträge znr Anthropologie der Papua. 221
Maske 25. ßikäan$ (Nr. 40), ebenfalls ans Kamumbang, ein Mann, dessen Alter
sehr schwer zn schätzen ist. Das liegt wohl besonders an der Aosdruckslosigkeit der
Physiognomie. Nach der Beschaffenheit der abgenutzten, zum Theil wackeligen Zähne
zu nrtheilen, kann sein Alter auf wenigstens 45 Jahre geschätzt werden. B. ist die reine
Jammerfigur; er blickt theilnahmslos, stumpfsinnig, weinerlich vor sich hin. Das Gesicht
ist klein und eckig. Im Profil tritt ausgesprochener Prognathismus hervor. Es fallen
sonst auf riesige Augenbrauenbogen, tiefe Augenhöhlen, kräftige Masseteren, welche das
Gesicht stark verbreitem. Körperhöhe 1607 mm, Kopfindex 74,7, Auricularindez
68,7, Gesichtsindex 82,7, Nasenindex 62,7.
Maske 26. Kai $, 28jährig. — Maske 27. Halem $, 34jährig. Beide stammen
aus Limmin, einem Kai-Doife, über dessen Lage mir weiter nichts bekannt wurde. Kleine,
gedrungene Figuren. Kai, von jüdischem Zuschnitt, mit breitem, grinsendem Munde,
zeichnet sich aus durch sehr kräftigen Wuchs der Augenbrauen. Er ist mit dem obo
(Basttuch), welches er um die Stirn trägt, gegypst worden. — Halem mit hoher, flacher
Stirn (welche um IVt Finger höher zu denken ist, als auf der Maske), rundem Gesicht,
gutmfithlgen Zügen, bäuerlich angehaucht Der kurze Hals ist an seiner vorderen Fläche
bis zur Insicura interclavicularis mit abgedrückt.
c) Tami-Inseln.
Die Inseln sind identisch mit den Inseln am Cap Cretin bei Finsch-
hafen. Die Bevölkerung weicht in der Sprache und in mancher anderen
Hinsicht von der Jabim Bevölkerung ab. Zur Orientirung empfiehlt sich
ein sehr hübsch geschriebener Aufsatz von Hauptmann D reger (Tägl.
Rundschau 1888. Nr. 148 IT.).
Maske 28. Djeledja $, etwa 14jährig, Sohn des Alügi aus Tami, ein hübscher,
intelligenter Junge von etwas jüdischem Schnitt Blendendes Gebiss. Das Haar nicht
eigentlich spirallockig, sondern straff bündelig. An der Maske fehlt ein Stück Hals; da-
gegen kommt gut zum Ausdruck das rechte Ohr mit durchbohrtem Läppchen und baninga
(BöUchen) darin, desgleichen die Nase, auch Augenbrauen und etwas Kopfhaar.
Maske 29. Modiämo $ (Nr. 66), etwa 27 jährig, mittelgross (1661 mm), mit gerun-
deten, ebenmässigen Formen, schönen Schultern und Rücken, kleinen Händen und Füssen.
Reiches, ausgekämmtes Spirallöckchen-Haar auf kleinem, rundem Kopf mit gut gewölbter
Stirn. Beide Ohrläppchen durchbohrt, das linke wie ein Gummilatz über die Ohrmuschel
geknüpft (so gegypst). Grosse, gute, kluge, vortretende, glänzende, dunkelbraune Augen
mit grossen Lidern und Pigmentstreif. Kleiner, wenig vorstehender Mund Kleines, rundes
Kinn. Grosse, ein wenig gebogene Nase mit dicker Spitze, durchbohrtem Septum, schön
ausgelegten Flügehi, im Ganzen wohlgeformt. Indices: a) 79,5, b) 68,1, c) 91,6, d) 67,1.
Maske 30. Guämbü $ (Nr. 68), etwa 28jährig, typischer Tami-Mann. Haar aus-
gekämmt Ohrläppchen beiderseits durchbohrt und gespalten (das rechte ist in 2 Zipfel
gespalten und so gegypst . Tättowirungen auf dem Rücken, strichförmig in Parallelreihen.
Kopf rund, hoch, schmal (Index 73,1), Auricularindez 63,6 (die Kopfhöhe also wohl
durch die Frisur vorgetäuscht!). Schläfen zurücktretend, Stirn hoch, Augenbrauenbogen
'markirt. Gesicht, beiderseits durch Parotis -Geschwülste verbreitert, ist sonst schmal,
besonders die Wangen (Gesichtsindex 93,0). Nase nicht gross, dick, mit sich nach
der Spitze zu verbreiterndem Rücken, massig grossem Septum, gut ausgelegten Flügeln,
Index 52,7. Mund nicht gross, Lippen ein wenig vorstehend. Augen mit Pigmentstreif.
Körperhöhe 1630 mm.
Maske 81. SsekSbö $ (Nr. 60), etwa 26 jährig, hübscher, wohlgewachsener Mensch
von ebenmässigen Proportionen, besonders gut entwickelter Brust und Schultern. Der
Kopf mit hober, dichter Spirallöckchen- Perrücke, welche demselben ein kugelrundes Aus-
sehen giebt Stirn hoch, gewölbt, breit Gesicht angenehm gerundet^ nicht breit (Index
SMtocIirift für Bthnologle. Jabrg. 1891. 16
222 ^' SOHBLLONG:
90,2!). Augenbrauenbogen stark ausgebildet. Augen etwas Terschwonunen, braun, mit
Pigmentstreif. Bartwuchs fehlt. Nase mit dicker Spitze und nach unten gewölbtem
(durchbohrtem) Septum, Flügel und Nüstern von angenehmen Dimensionen; Nasenindex
72,2. Mund mit etwas hoher Oberlippe. Beide Lippen gering vortretend. Hände und
Füsse wohlgeformt. Körperhöhe 1638min, Kopfindex 79,2, Auricularindex 67,7.
n. Inselgruppe Nen-Laiieiibiirg (Dnke of York).
Maske 82. Tagänu J (Nr. 65), etwa 32 jährig, von der kleinen Insel ütuen, ein
gutmüthiger, intelligenter Mann von 1557 mm Körperhöhe. Hautfarbe gleichm&ssig dunkel-
braun, im Gesicht etwas heller, B. 29— 30, sonst zwischen B. 28— 29— 80 gelegen»).
Haar ausgesprochen spirallockig, durch Kalk entf&rbt Der Contour de« Gesichts wird
von einem spärlichen Bart (Pastorenbart) umrahmt Penis mit Phimose. Auf Brost,
Rücken, Armen, Beinen Stichelnarben. Der Kopf macht einen mesocephalen Eindruck,
ergiebt sich aber bei der Messung als ausgesprochen brachycephal*) (Index 85,0). Kopf-
höhe mittel, Index 64,9. Gesicht massig hoch, Index 81,8. Massiger Prognathismos.
Mund breit, vorspringend, mit wenig vollen, dunkelbraun -rothen, in's Bläuliche hinüber-
spielenden Lippen. Nase gross, breit, flach, mit quergestellten Nüstern (tritt an der Maske
weniger hervor), gut gewölbten Flügeln, geradem Rücken, wenig tiefer Wurzel, Septum
kurz, hängend, durchbohrt, ebenso die Nasenflügel, Nasenindex 60,0. Augen dunkel-
braun, glänzend, in tiefen Höhlen. Supraorbital- und Jochbogen scharf markirt, Schläfen
zurücktretend. Beide Ohrläppchen an den Ausläufern der Fossa scaphoides fein durch-
bohrt. Wangen schmal. Im Gesicht zahlreiche Comedonen. Hände und Füsse der Grösse
des Individuums entsprechend. Abstand zwischen erster und zweiter Zehe nicht auffallend.
Die erste Zehe überwiegt an Länge die zweite. Im Ganzen sind die Füsse etwas breit
angelegt, besonders der linke. Der rechte Fuss scheckig in Folge alter Wunden.
IIL Insel Nen-Pommem (Nen-Britaiiiiieii).
Maske 83. Tömänäläm $ (Nr. 67), etwa 20 jährig, stammt aus Rotawull bei Port
Weber an der Nordküste der Gazellen -Halbinsel, ist ein für seine Rasse hübsch zu
nennender, intelb'genter, aber träger Junge von zutraulichem, gutmüthigem Wesen. An
ihm sind 10 Messungen an verschiedenen Tagen ausgeführt, um die Messschwankungen
zu berechnen (siehe darüber Mess-Protocolle S. 192). Kopfindex 71,2, Ohrhöhenindex
66,8, Gesichtsindex 85,4, Nasenindex 68,5.
IV. Insel Nen-Meklenbnrg (Nen-Irluid).
a) Südwest-Küste.
Maske 34. IrpirkÖmbin $ (Nr. 68) (dazu die rechte Hand und der linke Unter-
schenkel gegypst), etwa 20 — 22jährig, aus RöbSn (zwischen Cap Strauch und Givry
gelegen), von im Ganzen proportionirten, gut gerundeten Formen. Nach der Beschaffen-
heit der Brüste zu urtheilen, hat sie bereits geboren. Striae am Abdomen fehlen jedoch
gänzlich. I. hat einen freundlichen, etwas scheuen Gesichtsausdruck, tiefdunkelbraune,
glänzende, bei seitlichem Licht ganz schwarz erscheinende Augen, die Oefbiung der Lid-
spalten ist mandelförmig, divergirt leicht nach oben und aussen. Der Kopf erscheint
breit (Index 80,1). Stirn hoch, breit, wenig geneigt. Die Nase flach, breit, mit hängendem,
durchbohrtem Septum, plumper Spitze, sie hebt an mit breiter, nicht sehr tiefer Wunel;
Nasen index 50,0. Lippen wenig voll, die obere etwas über die untere vorstehend. Profil
1'^ Das Papua-Braun ist durch die Broca'schen Tafeln schwer wiederzugeben.
B. Nr. 80 ist zu hell, 29 hat einen gar nicht zutreffenden (Jrundton, desgleichen führt 28
in eine unrichtige Stimmung hinüber. Nr. 30, etwas dunkler gedacht, würde noch am
ehesten die Hautfarbe wiedergeben.
2) Ich mache diese Angabe mit Absicht, um damit aufinerksam lu machen, wie leicht
eine blosse Schätzung der Kopfform zu Täuschungen führt
Beitrftge zur Anthropologie der Papua. 223
gaaa progii«th. Das Kinn ist etwas unsymmetrisch gestaltet, nach dem linken Mundwinkel
hin Tersogen. Schultern, Schlüsselbeingegond, Nacken gerundet und wohlgeformt. Nates
•ehr starke desgleichen Oberschenkel (495 mm) und Waden. Das spirallockige Haar kurz
|tebaU4>n, durch Kalk entfArbt^ trocken. Dichte Augenbrauen. Spärliches, gestrecktes
Achselhaar. Dichtes, gekräuseltes Schamhaar. Gutes, volliShliges Gebiss. Auf der Haut
Tide rohe, wulstige Tftttowirungen, am zahlreichsten am rechten Oberschenkel, um den
NaiN'l hemm, an den Schultern. Hftnde und Füsse kurz, jedoch nicht plump. Die
zweite Zehe die längste. Der zweite Finger überwiegt den vierten an Länge.
Körperhöhe 1583 mm. Beckenmaasse: Dist. spin. ant. sup. 250*/im, Dist der Darm-
betnkämme 256 mm^ Conjugat. ext. 206 fnm. Bei der Explorat. interna findet man eine
hArte, gut entwickelte, nach unten und vom gestellte Portio, mit querem Muttermund,
ohne f&hlbaren Einriss. Das relativ grosse Corpus uteri ist stark retroflectirt, seitlich
mobil, aber nicht anfrichtbar. Rechtes Ovarium palpabel.
b) Nordost-Küste.
Maske 35. Zangon $ (Nr. 69), etwa 25jährig, ein kleines (1500 mm:, heiter und
gutmfithig aussehendes, dickbäuchiges Mädchen mit ruhigem, phlegmatischem, etwas
dummem Genichtsausdruck, stammt aus Tüb-Tüb, in der Nähe von Lemerüt. Ihre Figur
ist unproportionirt Ein relativ grosser Kopf sitzt auf niedrigem, dünnem Halse. Die
Hautfarbe zeigt sich an der Vorderfläche des Körpers wesentlich heller, als an der Hinter-
fläche. Am Rücken und an den Nates viele rohe Tättowirungen. Die Brüste machen
einen virginalen Eindruck Striae nirgends vorhanden. Die Extremitäten sind gracil an-
irvl^gt, etwas zn dünn. Gebiss vollzählig. Nase mit auffallend tiefer, sehr breiter Wurzel,
im Ganzen klein, breit, stupsig, Nasenindex 53,3, Flügel stark gerundet, die relativ
grosaen Nüstern nach vom geöfbet, Septum durchbohrt, aber wenig herabhängend. Lippen
nicht sehr voll, jedoch vorspringend. Massiger Prognathismus. Kinn wenig markirt,
niedrig, mnd, wodurch das ganze Gesicht, von vom gesehen, rund erscheint. Gesichts-
indez 71,4. An den Haaren nichts besonders Bemerkenswerthes. Länge der ersten und
zweiten Zehe annähernd gleich. Kopfindex 80,9. Beckenmaasse: Dist. spin. ant. sup.
233 mm, Dist crist. 246 mtn, Conjugat extern. 175 mm, Conjugat diagonal. 112 mm. Die
Explorat. int ergiebt eine ganz kurze, verdickte Portio, mit breitem, hartem Orificium
and rechtsseitigem Einriss. Ein auffallend kleines, weiches Corpus uteri in Anteflexions-
stellnng.
Maske 36. Malle J (Nr. 71), etwa 17 — 19jährig, ein mittelgrosser (1603 mm\
zatranlicher, klag blickender Junge mit etwas grossen Füssen, durchbohrtem rechtem Ohr-
läppchen Kopf erscheint mnd (Index 77,7, Auricularindex 66,0). Stirn und Ober-
g'^sicht breit, die Stira sonst nur wenig vorgewölbt, ziemlich gerade gerichtet Die
Schläfengegend wenig abgesetzt Gesichts index 79,8. Das Kinn ist schmal und niedrig,
aber ganz hübsch hervorgewölbt. Das Auge weit, dunkelbraun, ausdrucksvoll, klug, etwas
schwärmerisch blickend, Lider ganz wenig nach aussen und oben divergirend An dem
oberen Angenlid lange, gleichmässig gestellte Wimpern (an der Maske schlecht heraus-
;;<'kommen), desgleichen kräftige, dunkelbraune, nicht gekräuselte Augenbrauen. Das
fpirallockige Haar durch Kalken entfärbt Die Nase nicht lang, etwas breit, stupsig, mit
wohlabgesetzten, unschönen, sich etwas nach vom öffnenden Flügeln, bezw. Nüstern und
nicht durchbohrtem Septum (Index trotzdem 70,6;. Von den etwas vorstehenden Lippen
überwiegt die Oberlippe. Das Lippenroth von der üblichen braun -bläulichen Farbe.
Das Profil ist fast rein orthognath.
V. Salomons -Inseln (VeUa LaveUa).
Maske 37. Tape ^ (Nr. 77), etwa 18jährig, aus Bilba (d. h Billowa Point der
]nael Yella Lavella). Kleiner (1529 mm), wohlproportionirter Mensch von dunkclschwarz-
graabraaner Hautfarbe, welche in Glanz und Glätte durch einen auf Beinen und Schultern
iocaÜBiten Schuppenausschlag beeinträchtigt wird. Brust B. 49—28/35, Handfläche 26.
T. idgt volle, feingeschnittene, classische Schultern, mit einem eben so wohlgeformten,
16*
224 0. Schellong:
schlanken, nicht langen Hals, ein kleines, vornehmes Gesicht, in welchem die Nase nur
etwas zu breit erscheint. Schädel lang, oval (Index 72,2, Auricnlarindex 67,7). Stirn
voll, schmal. Schläfen gering vorgewölbt. Die nicht auffallend markirten Orbitalbogen
werden von dichten, buschigen, glatten Augenbrauen bedeckt. Die tief braunen, glänzenden,
offenen Augen treten angenehm hervor, erscheinen unter dichten, langen Wimpern klug
und melancholisch. Lidspalte divergirt ganz gering nach aussen und oben. Lid -Schleim-
haut blassrosa. Bulbus mit sehr lebhaftem Pigmentstreif und Iris -Ring. Die wenig vor-
stehenden, schmalen Lippen lassen eigentliches Lippenroth kaum mehr erkennen, erscheinen
vielmehr fast von der Farbe der Körperhaut, dagegen ist die Lippen • Schleimhaut blass-
bl&uÜch-rosa, mit zahlreichen Pigmentirungen. Nasenwurzel tief, Rücken gerade ver-
laufend, Spitze wenig breit und plump, die Nase im Ganzen wohlgeformt. Nasenindez 66,9.
Auch Nasolabial-Falten angenehm markirt. Lippenfurche breit. Beide Ohrläppchen weit
durchbohrt (für 4 Finger durchgängig).
Schlnss-Capitel.
Ausser denjenigen melanesischen Stämmen, welche ich in den
vorangegangenen üapiteln mehr oder weniger ausführlich behandelt habe,
sind mir während meines Aufenthaltes in Neu -Guinea noch manche andere
zu Gesicht gekommep; so besonders die Bewohner der Astrolabebay,
diejenigen der Station Hatzfeldthafen und des unteren Laufes des Augusta-
Flusses. Nach der äusseren Erscheinung, der Hautfarbe, der Haar-
beschaffenheit u. s. w. zu urtheilen, stehe ich keinen Augenblick an, alle
diese Menschen als zu einer und derselben Rasse gehörig zu betrachten,
und die anthropologischen Merkmale, welche dieser Rasse (den Papua)
gemeinhin zuerkannt werden, als im Grossen und Ganzen zutreffende sa
bestätigen.
Auf Grund einer Zusammenstellung von sämmtlichen bisher verzeich-
neten Schädel- und Kopfmessungen (etwa 400) von Papua der verschiedenen
Theile Neu-Guineas, darunter 135 Schädel A. B. Meyer's (Gelvinkbay),
35 Schädel Miklucho-Maclay's (Astrolabebay), 30 Schädel desselben
Autors aus dem Kowiay-District, 39 Schädel D'Albertis' (Fly River)
berechnete Deniker") einen gemittelten Kopfbreitenindex von 72,0, und
die Dolichocephalie erscheint überall, so bei To.pinard"), Lesson**)
u. A., als eines der hervorragendsten Charakteristika der Papua. Nichts-
destoweniger findet sich bei weiterer Durchsieht der Zahlenreihen bei
allen Autoren eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Indices vor, welche
die Zahl 75 überschreiten, nach der heutzutage üblichen Eintheilung also
bereits als mesocephale Werthe zu gelten hätten. So notirt Virchow")
(1876) für die von ihm gemessene Kandaze einen Index von 76,1; des-
gleichen weist er*) an 2 von ihm gemessenen Schädeln der Astrolabebay
(Miklucho-Maclay) auf die Verschiedenheit der Kopfindices hin, von
welchen der eine ein dolichocephales (72,7), der andere ein mesocephales
(78,8) Verhältniss aufweise. Regalia") (1878) findet unter 14 (Beccari-
schen) Schädeln dei^ Gelvinkbay 4 mesocephale; Mantegazza und Re-
galia") (1881) berechnen für 24 D'Albertis-Schädel des Fly River eine
Beiträge sor Anthropologie der Papna. 225
Dolichocephalie von 74,2 (also sehr nahe der Mesocephalie!), für 14 andere
eine Mesocephalie von 76,9; Langen'*^) (1889) hat unter 4 Messungen
einen Mesocephalen (78,9) zu verzeichnen. Ich finde unter meinen
63 Kopfmessungen von Papua aus Neu -Guinea nur 15 dolichocephale,
dagegen 41 (= 65 pCt.) mesocephale Indices; alle meine
90 Messungen von Papua zusammengenommen ergeben 50 meso-
cephale (= 55 pCt.) und nur 29 dolichocephale Indices (= 32 pCt.).
Unter den letzteren befinden sich wiederum nur 2. bei welchen die
Dolichocephalie einen sehr hohen Grad erreicht, d. h. unterhalb 70,0 liegt.
Andererseits habe ich unter meinen 63 Papua von Neu -Guinea nur
7 brachycephale, unter sämmtlichen 90 nur 11 brachycephale gemessen.
Meyer ^) notirt unter seinen 135 Schädeln sogar nur 2 brachycephale.
Kann somit die Brachycephalie sicher nicht als die Regel angesehen
werden, so wünschte ich doch andererseits, auf Grund meiner Be-
obachtungen, die allgemeine Annahme der Dolichocephalie der
Papua dahin modificirt zu sehen, dass auch die mesocephale
Kopfform als häufig vorkommend anerkannt wird. Als den
gemittelten Kopfindex für meine 63 Papua von Neu -Guinea habe ich die
Zahl 77,0 erhalten; sämmtliche 14 Papua- Stämme der melanesischen Inseln,
an welchen ich insgesammt 90 Messungen ausgeführt habe, ergeben einen
gemittelten Kopfbreitenindex von 75,1.
In Bezug auf den Höhen-(Auricularhöhen-)Index des Kopfes
ergeben meine Zahlen wesentlich niedrigere Werthe, als sie für Schädel
notirt sind. Unter meinen 90 Messungen finden sich 18, deren Höhen-
index die Zahl 70,0 überschreitet; der höchste davon beträgt 77,7; — alle
übrigen liegen unterhalb 70,0. Ich muss trotzdem die Hypsicephalie
als das überwiegend vorkommende Yerhältniss ansehen. Als
gemittelten Index aus 14 Papua -Stämmen (in zusammen 90 Messungen)
habe ich die Zahl 67,0 erhalten. Noch kleiner (orthocephal) waren die
Zahlen bei der Vir c ho w 'sehen**) Messung der Kandaze, welcher für dieses
Mädchen 63,6 notirt, und in den 4 Langen'schen'^) Messungen, woselbst
Höhenindices von 60,0 — 64,0 angegeben werden. Im Gegensatz dazu
nennt Deniker") die Zahl 75,0 als den gemittelten Schädelhöhenindex;
Miklucho-Maclay*) giebt den Höhenindex auf 72,0 an, Comrie**) auf
78,0. Nach diesen Angaben hätten die Papua geradezu als Hyperhypsi-
cephalen zu gelten.
Nach Topinard's Anthropologie") kommt den Papua ein „im
Ganzen längliches^ Gesicht zu. Diese Angabe kann ich bestätigen,
wenngleich hohe Gesichter, leptoprosope, im Sinne der Frankfurter Ver-
ständigung mit Indices über 90,0 grosse Seltenheiten sind. Unter meinen
90 Gesichtsindices befinden sich nur 8 leptoprosope; die übrigen 82 sind
nach diesem Schema als chamaeprosop zu bezeichnen. Als
mittlerer Gesichtsindex ergiebt sich mir die Zahl 82,8. Die Stirn des
226 0. SOHELLOHO:
Papua nennt Topinard schmal, Miklucho-Maclay*) bezeichnet dieselbe
als „seitlich zusammengedrückt^. Aus meinen Messungen ergeben sich
Stirnbreitenwerthe von meist über 100 mm imd darüber; 14 davon, also
15 pCt. sämmtlicher, haben sogar Werthe von 110 mm und darüber. Das
würde also der obigen Annahme bestimmt widersprechen.
Die besonders kräftige Entwickelung der Orbitalbogen, die
Tiefe der Nasenwurzel, die Breite der Jochbogendistanz wird
von allen Seiten übereinstimmend hervorgehoben; diese Eigenschaften bilden
in der That ein hervorragendes Charakteristikum des Papua -Gesichts.
Ebenso sehr kann ich die meist hervorragende Entwickelung der Eau-
muskulatur bestätigen, weniger der Temporalmuskeln, ein Yerhältniss,
welches Yirchow^) aus den sehr ausgedehnten Ansatzflächen dieser
Muskeln vermuthet, als der Masseteren. Nicht selten begegnet man Paro-
tiden- Geschwülsten, welche dann eine Masseteren -»Verdickung vortäuschen
können.
Die Nase wird bei Topinard'*) als an der Basis breit und gebogen
gekennzeichnet^ deren Spitze als Medianläppchen über die Nasenlöcher
hinausragt. Miklucho-Maclay*) hebt besonders das durchbohrte und
deshalb häufig herabhängende Septum hervor, welches auf die Form der
Nase bestimmend einwirke. Alle Autoren stimmen ferner darin überein^
dass der Typus der Nase ausgesprochen platt ist, und dass schmale
Nasen zu den grössten Seltenheiten gehören. Als gemittelten Nasenindex
habe ich jedoch 65,2 erhalten, also ganz ausgesprochene Leptorrhinie.
Lesson") erkennt den Papua „vrais** einen Nasenindex von 54,7 zu;
den Bewohnern von Dore käme nach demselben Autor jedoch nur ein
Nasenindex von 50,5 zu, und diese scheidet er deshalb von den Papua als
„Papous^ ab und bezeichnet sie als Mischrasse (Metis des Papua avec une
autre race). Das dort aufgestellte Rechenexempel scheint mir indessen
etwas gekünstelt zu sein*). Die Spitze der Papua -Nase ist nur in den
seltensten Fällen wohl markirt, sie geht in Folge des Herabhängens des
Septum gewöhnlich unvermittelt in das letztere über, und man hat bei
der Entnahme des Nasenlängenmaasses häufig Schwierigkeiten, den unteren
Messpunkt zu bestimmen. Man ist aber eigentlich nicht berechtigt zu
sagen, dass die Spitze als Läppchen herabhänge; nur das Septum hängt,
die Spitze wird vielmehr in der Richtung von vom nach hinten verschoben
und trägt dazu bei, die Nase zu verflachen. Individuen mit gebogenem
Nasenrücken oder gar „Adlernasen^, wie Wallace*') sie angiebt, sind
*) Es kann sich nach Lesson nur handeln am Kreojmng Ton Papna mit MaUjra
oder mit Alfuren, „das sind von Süden gekommene Poljmesier*. Die letzt^en haben Nasen*
indices Ton 49,25, die Malayen solche von 50,29; wenn sich also durch die Kreuxong mit
den Papua vrais ein Index von 50,5 ergiebt, so haben zu der Kreuzung wahrscheinUch
die Poljnesier beigetragen. Aus einer Differenz im Index Ton 1,04 diese weitgehemd«
Conseqaenz !
Beiträge zur Anthropologie der Papua. 227
mir nur ganz vereinzelt begegnet; es scheint, als ob sich dieser Typus
häufiger in der Gegend des nördlicher gelegenen Hatzfeldthafens auf Neu-
Guinea findet. Die Papua-Nase ist nach meinem Dafürhalten eine
sehr platte Stupsnase. Wegen des Herabhängens des Septum sind
auch die Nüstern von vom nach hinten zusammengedrückt und zeigen
dann bei der Ansicht von vom nicht ein Längsoval (mit sagittaler Axe),
sondern ein Queroval (mit frontaler Axe). Auch sehen die Nüstern weniger
nach unten, als nach vom. Die Nasendecorationen der Papua sind sehr
mannichfaltig, am häufigsten begegnet man Nasenpflöcken.
Der Mund der Papua ist sehr breit; dagegen dürften Breiten werthe
von 75 und 80 wm, wie Miklucho-Maclay*) sie angetroffen hat, doch
zu den Seltenheiten gehören. Mein höchster notirter Mundlängenwerth
ist 66 mm. Der Prognathismus der Papua ist sicherlich nicht so
beträchtlich, als wie derselbe häufig angenommen wird. Ich glaube, dass
ein mittlerer Profilwinkel von 85,17 **,» wie er von A. B. Meyer') angegeben
wird, für die Mehrzahl der Individuen zutreffen würde. Sehr viele gewähren
den Eindruck vollkommenster Orthognathie. Die Lippen betheiligen sich
nicht in auffallender Weise an diesem Verhältniss; dieselben sind weder
aussergewöhnlich dick, noch gewulstet, sondern man kann sie meist
nur als geringe vorstehend bezeichnen und auch häufig von einer vollen
Unterlippe reden. Die Prognathie ist also wohl vorzugsweise durch die
Oberkieferstellung bedingt, sie ist in keinem Falle so ausgesprochen,
dass dadurch eine nach vorwärts gerichtete Stellung der oberen Zahn-
reihe bedingt würde.
Die physiognomische Bildung der Papua ist eine sehr mannich-
faltige, das Urtheil darüber wird nicht zum geringsten beeinflusst durch
die ausserordentliche Mannichfaltigkeit, welche die einzelnen Stämme und
auch die Individuen eines und desselben Stammes hinsichtlich der Tracht
von Haar und Bart zu entfalten pflegen. Es scheint beinahe, als ob die
Eitelkeit der Papua vorzugsweise in dem Ausputz des Haares zum Aus-
druck gelangte. Vielfach wird des jüdischen Zuschnittes der Papua-
Physiognomie Erwähnung gethan; es wäre aber falsch, wenn man diesen
Typus als den vorwiegenden ansehen wollte. Ich bin zahlreichen Physio-
gnomien begegnet, welche mich an alle möglichen guten Christen erinnerten:
an Universitäts- Professoren, ostpreussische Bauem, Landpastoren u. s. w.
Von einer Uebereinstimmung der Physiognomie auch nur innerhalb eines
und desselben Stammes kann daher meiner Meinung nach keine Rede sein.
Ein hervorragender Theil der Papua-Physiognomie ist ein intelligentes
Auge, welches den Papua gleich auf den ersten Blick als nicht auf der-
jenigen niedrigen Stufe stehend erscheinen lässt, welche ihm lange Zeit
irrthümlich zuerkannt wurde. Auch der Ausdruck der Wildheit ist dem
Papua- Gesicht nicht eigentlich eigen; in dieser Hinsicht steht er ungleich
höber, als der rohe Australneger.
228 0. SOHELLOHG:
üeber Hautbeschaffenheit und Haar liegen so genaue Angaben
vor, dass ich darüber nichts Wesentliches mehr zu sagen habe. Wenn ich
nach eigenen Eindrücken angeben sollte, welche anthropologischen Merk-
male mir als die wichtigsten erschienen sind, so müsste ich die Hautfarbe
und die Haarbeschaffenheit in den Vordergrund stellen. Der Spirallocken-
Typus ist der gewöhnliche, der einfache lockige Typus kommt als grosse
Seltenheit vor. Die Haarfarbe ist schwarz, sehr selten kommt sogenanntes
rothes Haar vor, und dann auch ebensolche Augenbrauen, Wimpern u. s. w.
Die Bart-Entwickelung ist im Allgemeinen spärlich zu nennen; Yollbärten
bin ich niemals begegnet.
Hinsichtlich der Eörperbeschaffenheit kann ich bestätigen die
mittlere Grösse der Individuen, die breite Entwickelung von Händen und
Füssen, den im Ganzen kräftigen und gedrungenen, öfters plumpen Bau.
Uebereinstimmend ergab sich mir ein beträchtliches Ueberwiegen der
Klafterweite über die Körperhöhe. Die erhaltenen DiflTerenzen schwankten
zwischen 36 und 195 mm.
Auf das Yerhältniss der Papua zu den angrenzenden Australnegem,
Polynesien! und Malayen hier einzugehen, fühle ich mich nicht veranlasst;
auch nicht auf die Frage, ob die Papua eine ursprüngliche, reine Rasse
vorstellen, oder ob sie das Product einer oder mehrerer Rassen-
Yermischungen sind. Derartige Schlüsse sind heutzutage wohl noch ver-
früht und werden dereinst am ehesten vielleicht mit Zuhülfenahme einer
peinlichen lokalen Sprachforschung gewonnen werden können. Die Insel
Neu -Guinea mit ihrem unendlichen Spracheugewirr dürfte in dieser
Beziehung ganz besonders wichtig erscheinen. Somatisch betrachtet, Iftsat
sich eine gewisse üebereinstimmung des Papua mit dem Australneger nicht
von der Hand weisen.
Erklärung der Taf. HI— VI.
Ein t hinter der Figorenzahl bedeutet, dass von derselben Person Hand- und Fussomrisae
gezeichnet sind.
I. Handumrisse von Melanesien!.
Taf. m.
Jabim- Leute Yon Neu -Guinea. | Neu-Meklenborg (Ken -Irland).
Fig. 1. t Bumtau $ Nr. 23. ' ¥\%. 6. t Irpirkombin $ Nr. 68.
, 2. t Makiri $ Nr. 29. | • , 6. f Zangon $ Nr. 69.
Neue Hebriden, Malakola.
Poum Ton Neu-Guinea. p.^ ^ ^ ^^^ ^ j^^ ^3
Fig. 8. Mmbag $ Nr. 51. » B. f Man88n(m)nalet $ Kr. 74.
, 4. t Gbaming $ Kr. 62. | » 9. t Korack J Nr. 76.
Beitr&^e zur Anthropologie der Papua.
229
Taf. IV.
Salomons-Inseln (Fig. 10—11, Vella Lavella. Fig. 12, Green Island. Fig. 13, St. Christophel.
Fig. 14—18, Malayta).
Fig. 10. t Sslowak $ Nr. 76.
„ 11. t Tape $ Nr. 77.
„ 12. t (D)rÄham $ Nr. 88.
. 18. t Hei(e)ke $ Nr. 84.
„ 14. t Toena J Nr. 86.
Fig. 15. t Langadmei $ Nr. 87.
„ 16. t Ambui J Nr. 88.
„ 17. t Tuhumbaru J Nr. 89.
„ 18. t Auaschia 5 Nr. 90.
Jabim yon Neu- Guinea.
Fig. l.tBumtau $ Nr. 23.
9 2. Japoa $ Nr. 26.
, 8. Atikio $ Nr. 86.
„ 4. Matao $ Nr. 35.
„ 5.tMakiri J Nr. 29.
, 6. Kaualuo $ Nr. 37.
Kai von Neu -Guinea.
Fig. 7. Bikuan $ Nr. 40.
n. Fossiimrisse von Meluiesiem.
Taf. V.
Poum von Neu -Guinea.
Fig. 8. t Gbaming $ Nr. 52.
Neu -Pommern (Neu -Britannien).
Fig. 9. Tomelle $ Nr. 66.
Neu - Meklenburg (Neu - Irland).
Fig. 10. t Irpirkombin $ Nr. 68.
„ 11. t Zangon $ Nr. 69.
Neue Hebriden.
Fig. 12. + Rumann J Nr. 78.
Taf. VI.
Neue Hebriden.
Fig. 13. t Man88u(m)nalet $ Nr. 74.
, 14. t Norack $ Nr. 75.
Salomoos-Inseln (Fig. 15—16, Vella La-
Tella. Fig. 17, Green Island. Fig. 18,
St. Christophel. Fig. 19—23, Malayta.
Fig. 16. t Sslowak $ Nr. 76.
»
Fig. 16. t Tape $ Nr. 77.
, 17. + (D)raham $ Nr. 83.
„ 18. t Hei(e)ke $ Nr. 84.
19. t Toena $ Nr. 86.
20. t Langadmei $ Nr. 87.
21. t Ambui J Nr. 88.
22 t Tuhumbaru ^ Nr. 89.
23. t Auaschia $ Nr. 90.
Durchgesehene und zum Theil benutzte Literatur.
1) TonBaer, Karl Ernst, lieber Papuas und Alfuren (Mömoires prösent^s 4 Pacad^mie
imperiale des sciences de St Peters bourg, 1859, p. 271— 346 [Supplement zu
Crania selecta]).
2) Mueller, Prof. Friedrich, lieber die Melanesier und die Papua -Rasse (Mitth. der
anthrop. Ges. Wien, H. S. 45. Ausland XFV. 1872, S. 188—190).
3) Spengel, J. W., Das büschelförmige Haar der Papuas (Correspondenzblätter der
deutsch. Ges. für AnthropoL 1873, S. 62 — 70).
4) Virchow, R., üeber Sch&del von Neu-Guinea (Verb, der Berliner Ges. für Anthrop.
1878, 8. 66—73).
6) Meyer, Dr. Adolph Bernhard, Anthropologische Mittheilungen über die Papuas von
Neu-Guinea, I. (Mitth. der anthrop. Ges. in Wien, IV. 1874, S. 87).
6) Derselbe, üeber die Papuas von Neu-Guinea (Zeitschr. für EthnoL V. 1873, S. 306).
7) Derselbe, üeber 135 Papua -Schädel von Neu-Guinea und der Insel Mysore (Mitth.
des xoolog. Mus. Dresden, I. (1875) S. 59—84; 11— IV. (1877) S. 136—204;
Vm-X. (1878) S. 383-411; XXXI— XXXV).
8) Incoronato, Dr. Angelo, Sullo scheletro e cranii dl Papua mandati da 0. Beccari
(Arch. Anthrop. Ethnol. IV. 1874, p. 252—281).
230 0. SOHBLLONG: Beitrftge zur Anthropologie der Papaa.
9) YonMiklncho-Maclaj, Nicolaus, Anthropologische Bemerkungen üher die Papoas
der Maclay-Küste in Neu-Gninea (Cosmos 11. 1874, S. 287; lY. 1877, 8. 111).
10) Derselbe, üeber die Brach jcephalität bei den Papnas von Nen- Guinea (Verh. der
Berliner Ges. für Anthrop. 1874, S. 177).
11) Winckel, F., Einiges über die Beckenknochen und die Becken der Fspuas (MitÜL
zoolog. Mus. Dresden I. 1875, S. 87).
12) Yon Wille mos s, R., Ueber die Eingeborenen Neu- Guineas und benachbarter Inseln
(Arch. f. Anthrop. EX. 1876, 8. 99).
13) D'Albertis, L. M., Remarks on the natives and products of the Flj River (Jonm.
Anthrop. Instit VI. 1877, p. 214. Zeitschr. der Gesellsch. für Erdkunde zu Berlin
XII. 1877, S. 22).
14) Haiselt, J. L., üeber die Papuas von Neu -Guinea (Terh. der Berliner Gesellsch. für
Anthrop. 1876, S. 62).
15) Naumann, Dr. F., Ueber Land und Leute an der Mac Cluer-Baj (Neu- Guinea) und
in Melanesien (Verb, der Berliner Ges. für Anthrop. 1876, 8. 67).
16) Comrie, Dr. Peter, Anthropological notes on New -Guinea (Joum. Anthrop. Inst TL
1877, p. 102).
17) Regalia, Su nove crani metopici di razza papua (Arch. antrop. etnoL VUL 1878,
p. 121).
18) Finsch, Otto, Anthropologische Erlebnisse einer Reise in der Südsee und dem
malajischen Archipel in den Jahren 1879 — 1882 (Beschreibender Catalog der
gesammelten Gesichts -Masken von Völkertypen. Berlin [Asher] 1884. Neu-
Guinea 8.41—54).
19) Allen, Francis A., The original ränge of the papuan and negritto races (Joum. of
the Anthrop. Institute 1879, VIII. p. 38).
20) Neu-Guinea (Ausland VIII. 1880, S. 124—181).
21) Lawes, Rev. W. G., Notes on New Guinea and its inhabitants (Proc. R. G. 8. [n. sj
II. 1880, p. 602).
22) Mantegazza, Prof., e Regalia, Nuovi studi craniologici snlla nuova Guinea**
(Arch. antrop. etnol. XI. 1881, p. 149). Sopra dei crani del Fly River (L c. p. 482).
23) Deniker, J., Les papous de la nouvelle Guin^e et les vojages de M. Miklucho-
Maclay (Revue d'anthropoL VL 1883, p. 484).
24) Finsch, 0, üeber weisse Papuas (Zeitschr. für Ethnol. XV. 1883, 8.205),
25) Lesson, A., Les Polynesiens; leur origine, leurs migrations etc. (Paris [Leroux] 1880-84).
26) Haie, H., The melanesian races and languages (Science 1887, p. 99).
27) Brown, George, Papuans and Polynesians (The Joum. of the Anthrop. Inst 1887, p. 811).
28) Topinard, Dr. Paul, Anthropologie (übers, von Neuhauss), 18^.
29) Dictionnairo des sciences anthropologiques (Paris).
30) Langen (Zeitschr. für Ethnol. 1889).
81) Virchow, Besprechung der Kandaze (Verb, der Berliner Ges. für Anthrop. 1876).
82) Wallace, New Guinea and its inhabitants (Contemporary Review 1879).
Berichtlgiingen.
Seite 161. Das dritte Alinea von unten muss folgcndermaassen lauten: Aus der Ohrh6h#
des Kopfes berechnet sich im Mittel eine Hjpsicephalie von 69^ f^ die
Frauen allein von 70,8. Unter den 37 Individuen sind 7 Orthoeephale und
80 Hypsicephale (höchster Index 75,7).
n 167. Zeile 12 von unten ist hinter „Fusszeichnungen** einzuschalten: Taf. V.
^ 168. Zeile 10 von oben ist hinter ..Uandzeichnungen" einzuschalten: TafL lU.
„ 170. Zeile 21 von unten ist statt „Chamaecephalen*' zu setzen ^Hypsicephalea*, and
Zeile 19 — 20 ist der Satz ,Doch stehen — Grenze der Orthocephalie" zu streiehen.
y. 171. Zeile 19 von oben: statt ^usszeichnungen** ist zu setzen ,J^S8zeichninig Taf. V*.
Besprechungen.
Abhandlongen zur Landeskunde der Proyinz Westpreussen, herausgegeben
Ton der Provinzial- Kommission zur Verwaltung des Westpreussischen
Provinzial-Museums. 4. Heft L S. Anger, Das Gräberfeld zu Rondsen
im Kreise Graudenz. Graudenz 1890. 70 S., 23 Lichtdruck -Tafeln und
eine Fnndkarte. — Heft H. A. Lissauer, Alterthümer der Bronze-
zeit in der Provinz Westpreussen und den angrenzenden Gebieten.
Danzig 1891. 30 S. und 14 Lichtdruck -Tafeln. (Zugleich als Fest-
schrift zur Begrüssung der XXH. allgemeinen Versammlung der deut-
schen anthropologischen Gesellschaft ausgegeben.)
Die Fürsorge für die prähistorischen Sammlungen, welche durch die neuere Gesetz-
gebung in Preussen den Provinzial -Verwaltungen übertragen ist, hat, wie dankbar an-
zuerkennen ist, in dem letzten Jahrzehnt fast überall zugenommen, und in mehreren Pro-
vinzen sind in liberaler Weise nicht nur für eine bessere Ordnung und Aufstellung der
Funde, sondern auch für Förderung der Untersuchungen und für eine, den heutigen An-
forderungen entsprechende Yeröffentlichung der wichtigsten Ergebnisse Geldmittel flüssig
gemacht worden. Unter diesen Verwaltungen hat die westpreussische, insbesondere durch
die umsichtige Thätigkeit des Hm. Lissauer und durch die verständnissvolle Unter-
stützung des früheren Oberbürgermeisters von Danzig, des Hm. v. Winter, besonders
rühmenswerthe Fortschritte gemacht. Die Mitglieder der deutschen anthropologischen
Gesellschaft haben bei ihrem neulichen Besuche von Danzig Gelegenheit gehabt, in dem
stylvoll restaunrten alten Gebäude des grünen Thors die ebenso lehrreiche, als wohl-
geordnete Sammlung des Provinzial-Museums und zugleich die wichtigsten Fundstücke
aus den städtischen und Vereins -Sammlungen Westpreussens zu mustern. Die beiden
Hefte der „Abhandlungen*" haben diese Kenntnissnahme in hohem Maasse begünstigt, und
sie werden zugleich den fremden Gelehrten die erwünschte Gelegenheit bieten, die authen-
tischen Abbildungen in Verbindung mit so genauen Fundangaben, als sie geliefert werden
konnten, bei ihren Erörterungen zu Rathe zu ziehen.
Das Gräberfeld von Rondsen ist den Lesern dieser Zeitschrift schon durch eine
Originalarbeit des Hm. J. Böhm (Bd. XVII. 1885) bekannt geworden. Seitdem sind die
Ausgrabungen unter der sachverständigen Leitung des Hm. Anger in umfassender Weise
fortgesetzt worden; der vorliegende Bericht reicht bis zum Juli 1889. Er liefert eine
Gesammtübersicht der Funde nach den einzelnen Gräbern und Brandgmben und schliesst
mit einer knappen, aber sehr sicher durchgeführten epikritischen Beleuchtung über die
Zeitstellung des reichen Gräberfeldes. Damach gehört dasselbe wesentlich der jüngeren
Tine-Zeit an, reicht jedoch noch bis in die römische Zeit, etwa bis zur Mitte des zweiten
nachchristlichen Jahrhunderts. Es ist also älter, als das Gräberfeld auf dem Neustädter
Felde bei Elbing, mit dem es sich jedoch noch zum Theil berührt. Der Verf. ist der
Meinung, dass die Träger dieser Cultur den Gothen angehörten, und zwar dem zuerst
nach den pontischen Gebieten aufgebrochenen Stamme derselben. Vortreffliche Licht-
drucktafeln gewähren einen vollständigen Ueberblick der hauptsächlichen Fundgegenstände.
Die Abhandlung des Hm. Lissauer betrifft eine ungleich ältere Zeit, die der Bronze.
Diese ist in Westpreussen im Ganzen spärlich vertreten, zum Theil durch Depot-, zum
Theil durch Gräberfunde. Letztere betreffen ausschliesslich Brandgräber, die theils in
Hügeln, theils in Steinkisten angelegt wurden Hr. Lissauer entscheidet sich dafür,
die Vertheilung der Bronze -Funde im Anschluss an Tischler und Beiz auf eine kleinere
Zahl von Perioden vorzunehmen. Er nimmt 4 solche Perioden an: eine frühe (1450—1260
T. Chr.), eine alte (1250—900 v. Chr.), eine jüngere (900—550 v. Chr.) und eine jüngste
232 Besprecbnngen
(650—400 y. Chr.). Er verhehlt nicht, dass die genaue Scheidung dieser Perioden
schwierig, ja zum Theil unmöglich ist, aber man wird ihm zugestehen müssen, dass
wenigstens der Versuch gemacht werden mnsste, die chronologische Folge der Haupt-
richtungen festzustellen. Wenn z. B. die Formen der jüngeren Hallstattzeit als Beprftaen-
tauten der jüngsten westpreussischen Bronzezeit definirt werden, wohin vorzugsweise die
Steinkistengräber mit den Gesichtsumen gehören, so wird diese Auffassung, die Ref. schon
vor Jahren vertreten hat, sicherlich anzunehmen sein Schwieriger ist die Frage, inwie-
weit die jüngere Bronzezeit mit der älteren Hallstattperiode zu verknüpfen ist, und noch
schwieriger die Entscheidung, wie viel von den Funden dieser Zeit einer einheimiscben
Cultur zuzuschreiben ist Der Umstand, dass fast nur Depotfunde aus dieser Zeit bekannt
sind und diese nur aus den Gebieten auf dem linken Weichselufer, beweist, wie sehr der
Handel hier eingegriffen hat. Aber da nahezu dieselbe örtliche Beziehung auch für die
,,frühe" Bronzezeit gilt, so wird man nicht umhinkönnen, zu schliessen, dass diese west-
lichen Theile von jeher Besonderheiten besassen, welche auf eine gewisse Scheidung, viel-
leicht sogar auf einen Gegensatz der Bevölkerungen hinweisen und damit die chrono-
logische Rechnung erschweren. Die Chronologie des linken Weichselufers deckt sich
möglicherweise mit der des rechten nicht vollständig. Depotfunde gehören an sich zu
den am meisten trügerischen Erscheinungen, da sie wohl das Vorhandensein gewisser
Handels- oder Raubwege anzeigen, aber für die wirkliche „Cultur" der betreffenden
Gebiete nur vieldeutige Anhaltspunkte gewähren. Die Sicherheit des Urtheils wird jedoch
wachsen in dem Maasse, als aus vielen Gegenden genaue Fundberichte vorliegen werden,
und daher verdient jeder Versuch, der die topographischen Beziehungen der einzelnen
Leitobjecte klarlegt, als ein verdienstliches Werk bezeichnet zu werden. Die Arbeiten des
Hm. Lissauer haben gerade in dieser Beziehung eine grosse Bedeutung, und die schonen
Illustrationen, mit denen er hier die Wissenschaft bereichert, werden sicherlich auch f&
die weitere Entwickelung dieser schwierigen Abschnitte der Prähistorie reiche Fmcht
bringen. Rud. Virchow.
Richard Kleb 8. Aufstellung und Katalog des Bernstein -Museums von
Stantien und Becker, Königsberg i. Fr. Nebst einer kurzen Geschichte
des Bernsteins. Königsberg, Hartungsche Buchdruckerei. 1889. 103 S,
Das berühmte Bernstein -Museum der Firma Stantien und Becker verdankt seine
gegenwärtige Gestalt, namentlich seine wissenschaftliche Aufstellung, wesentlich der lang-
jährigen Arbeit des Hm. Klebs. Dasselbe zählt rund 26000 Nummern, von welchen
11000 als Doubletten oder nicht ganz tadellose Stücke nicht eingereiht wurden; daneben
gab es noch etwa 2000 Einschlüsse, welche erst der Bestimmung harrten. Für unsere
Zwecke nehmen das hauptsächliche Interesse die prähistorischen Schmucksachen in An-
spruch und unter diesen wiederum vorzugsweise diejenigen, welche aus dem Grunde de»
Karischen Haffs bei Schwarzort in einer Tiefe von beiläufig 6 — 8 m ausgebaggert wnrdeB.
Sie gehören der Hauptsache nach der Steinzeit an. Ihre Bedeutung ist um so grösaer,
als die Baggerarbeiten von der Firma Stantien und Becker seit Kurzem ganz eingestrOt
worden sind und nunmehr von der Königlichen Staatsregierung in rein praktischem Interease
der Erhaltung der Wasserstrasse fortgeführt werden, lieber diese Funde liegt bekanntlicfa
eine besondere Arbeit der HHm. Klebs und Tischler vor. Der Verf. giebt in der vor-
liegenden Schrift eine gedrängte und zugleich populäre Uebersicht von den Lagemng»-
Stätten des Bernsteins und von der Geschichte seiner Benutzung und Bearbeitung. IHe
ältere Geschichte, wie er sie vorträgt, ist nicht ganz einwandfrei, jedenfalls nicht so sicbfT«
wie er sie darstellt Mit der Besitzergreifung des Ordens änderte sich der ganze BenuteiB-
handel, indem der Orden den Bernstein zum Regal erklärte und die kaufinännische Ver^
werthung desselben im Grossen organisirte. Von da an entstiinden in verschiedeikf-ii
Städten Zünfte der Bemsteindreher oder Patemostermaeher, zuerst in Brügge (1803) und
Lübeck (seit 1317), dann zu Stülp und Colberg in Pommern, in Danzig und erst gmni fpü,
im 15. und 17. Jahrhundert, zu Elbing und Königsberg. Eine actenmässige DarsteHnair
dieser Periode findet sich in W. Tesdorpf (Gewinnung, Verbreitung nnd Haadel ilei
BesprechüDgeD. 233
Bernsteins in Preussen von der Ordenszeit bis zur Gegenwart. Jena 1887), worauf ver-
wiesen werden kann. Dabei mag bemerkt werden, dass Hr. Klebs einen Irrthum begeht,
wenn er (8. 20) sagt: ^Begal ist der Bernstein an den Seeufem der ehemalig west-
prenssischen, dann pommerschen Kreise Neustettin, Drambarg, Beigard, Bütow.*' Keiner
dieser Kreise stösst an die See, und mit Ausnahme von Bütow hat keiner derselben jemals
SU Westpreussen gehört. Neustettin und Beigard gehörten von der frühesten historischen
Zeit an zu Pommern, Dramburg zur Neumark. Indess ist das ein untergeordneter Punkt;
in der Hauptsache wird die kleine Schrift dem Leser reiche und gute Belehrung bieten,
nnd zwar nicht bloss dem gewölmlichen Leser, sondern auch dem Archäologen vom Fach.
Die vielen Streitfragen, welche neuerlich über die Herkunft und den Handel des aljten
Bernsteins sich erhoben haben, erfordern ein grösseres Maass von thatsächlicher Kenntniss
der verschiedenen Bemsteinsorten, als der Mehrzahl der Gelehrten beiwohnt.
Rud. Virchow.
Georg Jacob. Welche Handelsartikel bezogen die Araber des Mittel-
alters aus den nordisch -baltischen Ländern? 2. gänzlich umgearbeitete
und vielfach vermehrte Auflage. Berlin, Mayer und Müller, 1891. 8.
83 8. — Ein arabischer Berichterstatter aus dem 10. oder 11. Jahr-
hundert über Fulda, Schleswig, Soest, Paderborn und andere deutsche
Städte. Gleicher Verlag. 1890. 20 8.
Die erste Auflage der zuerst genannten Schrift ist in dieser Zeitschrift 1886, Bd. XVIII.
S. 288, von demselben Referenten besprochen worden. Es ist nicht ersichtlich, dass der
Verfasser von dieser Besprechung Kenntniss erhalten hat. Weder hat er die darin aus-
geführten Wünsche berücksichtigt, noch hat er, wie er es gegenüber anderen Besprechungen
thut, seinen Gefühlen einen Ausdruck verliehen. Letzteres ist in so gereizter Weise und
so oft wiederholt geschehen, dass der unbetheiligte Leser dadurch nicht angenehm berührt
werden kann. Der Verfasser klagt über eine generelle Missachtung oder, wie er sich aus-
drückt, Verachtung der arabischen Geschichtsquellen, die sicherlich nicht in dem von ihm
vorausgesetzten Umfange besteht, aber wenn man ihm auch darin beitritt, dass eine aus-
giebigere Benutzung derselben erwünscht wäre, so geht seine Forderung doch zu weit,
dass seine Kritiker — und im Grunde meint er seine Leser überhaupt — selbst Orientalisten
sein sollen. Der Referent hatte in seiner ersten Besprechung ausdrücklich bekannt, „dass
er ausser Stande sei, die orientalischen Quellen des Verfassers zu controliren''; er setzte
hinzu: ^er vermag nicht einmal die häufig eingestreuten Worte und Sätze zu lesen, und
er erlaubt sich im Namen der wahrscheinlich nicht ganz seltenen Leser, die sich in
gleicher Lage befinden, für weitere Publikationen den Autor um die Beigabe von üeber-
setznngen, vielleicht gelegentlich auch von Transcriptionen, zu bitten. ** Der Verfasser hat
dies nicht nur nicht gethan, sondern er erklärt (S. 4) geradezu, er habe bisweilen, wo es
ihm wünschenswerth erschien, statt der üebersetzung das Original mitgetheilt, „indem ich
nicht beabsichtige, Eselsbrücken für den des Arabischen unkundigen Historiker zu schaffen^«
Daraus scheint fast hervorzugehen, dass der Verfasser sein Buch nur für Historiker bestimmt
bat, und dass er die Forderung an die Historiker stellt, arabisch zu lernen. Referent
möchte dem gegenüber noch einmal betonen, dass dem Verfasser grössere Rücksicht auf
die Bedfirfoisse seiner Leser, und nicht bloss der Historiker vom Fach, zu empfehlen ist. —
Auch die Bemerkung des Referenten, dass der gewählte Name „nordisch- baltischen
Ländern** wohl mehr der ursprünglichen Absicht des Verfassers, als der wirklichen Aus-
fühmng entspreche, hat keine Berücksichtigung gefunden. Schweden und Norwegen pflegt
man nicht nordisch -baltische Länder zu nennen; von den gewöhnlich als baltisch bezeich-
neten Ländern ist fast nichts gesagt, als was auf 2 Halbseiten (63 und 64) über den
Bemsteinhandel beigebracht wird. Dagegen ist in ausführlicherer und in der That dankens-
werther Weise das Material zusammengestellt, welches sich auf die grosse continentale
Länderstrecke von Böhmen bis nach Sibirien bezieht Ausführlich behandelt der Verfasser
den Handel mit Sklaven und mit Pelzwaaren, den beiden Hauptartikeln des nordischen
234 Besprechungen.
Imports m den arabischen Staaten Centralaslens, wobei manche ethnologisch notxhaie
Bemerkung unterl&uft» z. B. der Ezcurs über den blonden Tjpns bei den Slayen (S. 14).
Besonders wichtig ist die hier zum ersten Male gegebene Uebersetsnng einer Stelle mos
Maqdisi: „Und von Eharezm (Khiva, — zu ergänzen, werden eingeführt) Zobel, Vehe,
Hermelin, Korsack, Marder, Füchse, Biberfelle, bunte Hasen, Ziegenfelle, Wachs, Pfeile,
Birkenrinde, Mützen, Fischleim, Fischz&hne, Bibergeil, Bernstein, gekörntes Leder, Honig,
Haselnüsse, Habichte, Schwerter, Panzer, Ahorn, slayidche Sklaven, Kleinvieh und Binder:
alles dieses von Bulgär her.*' Der Handel mit Schwertern betraf hauptsächlich fränkiKhe
Schwerter (S. r>7), welche „schneidiger waren, als die indischen** (Qazwint). Die Mit^
theilungen über den Export der Araber nach dem Norden hat der Verfasser sich nicht
die Mühe genommen zusammenzustellen, so namentlich nicht einmal den Export des Silber-
schmuckes, auf den Referent schon früher hingewiesen hatte. Beiläufig wird nur erwähnt
(S. 76), dass Schwerter aus Adherbeig&n durch Kaufleute „von Bulgar nach dem Lande
Isü, von wo der Biber kommt", gebracht wurden; was damit gemacht wurde, verl&uft sich
ins Mystische, doch lässt sich nicht annehmen, dass der Autor (Abu Hamid, am das
Jahr 1000) eine reine Fabel erzählt hat So finden sich unter dem reichen Stoff immer
neue, anregende Xotizen, und wir können daher nur den Wunsch aussprechen, dass der
Verfasser nicht aufhören möge, die einflussreiche Rolle eines Yermittlers zwischen uns und
den arabischen Schriftstellern des Mittelalters festzuhalten.
Aus der kleinen Schrift über die Anführung deutscher Städte durch einen arabischen
Autor des 10. oder 11. Jahrhunderts möge hier nur die auf Mainz (Mgftnga) beiügliche
Stelle aus Qazwint (S. 13) erwähnt werden, welche über die schon länger bekannte, sehr
merkwürdige Einfuhr von Dirhems aus der Münze von Samarkand, sowie anch von Pfeifer,
Ingwer, Gewürznelken, Spikenarde, Costus und Galanga berichtet
Rud. Virchow.
Alex. Bertrand. Xos origines. La Gaule avant les Gaulois d'apres let
monoments et leg textes. 2^ Edit. enti^rement remaniee. Paris 1891,
E. Leronx. 8. 349 pag., 4 cartes et 205 gravures.
Der berühmte französische Archäolog, Direktor des National -Museums im 8chl
von St Germain- en-Laje, hat sich der überaus dankenswerthen Aufgabe nntenogen,
bedeutendes Werk: „Gallien vor den Galliern'' einer umfassenden und einschneidenden
Neubearbeitung zu unterziehen. Dasselbe bringt in scharf gezeichneten nnd mit aUen
Belegen, thatsächlichen und literarischen, auf das Reichste ausgestatteten, fast mono-
graphischen Darstellungen alle wesentlichen Culturperioden von der Tertiäneit bis nr
Einwanderung der Gallier zur Anschauung. Es ist ein besonderer Vorzug, dass der Ver^
fasser sich, gewisse allgemeinere Erörterungen abgerechnet, wesentlich an das eigeatlidi
gallische Gebiet hält, wie es in den Sammlungen des Museums und io den Specialarbeltea
der französischen Gelehrten hervortritt. Dadurch gewinnt seine Schilderung jenen con-
creten Charakter, der die Sicherheit des ürtheils verbürgt und zugleich für uns Fremde
in höchstem Maasse lehrreich ist Noch bedeutungsvoller ist der Umstand, dass der Ver-
fasser, inmitten einer Schule, die in ihren Lehrsätzen allmählich eine beanmhigeade
Bestimmtheit erlangt hat, sich eine Ooabhängigkeit des ürtheils und der Betrachtung
bewahrt hat, welche seinen Worten eine, wenngleich vorzugsweise individuelle, so doch
wegen ihrer kritischen Unterlage besonderes Vertrauen erweckende Färbung giebt. Wenige
der heutigen Anthropologen haben in gleicher Genauigkeit und Ausdehnung die altn
Schriftsteller durchforscht, wie es der Verfasser, vielfach geleitet durch die Vorarbeitm
von d^Arbois de Joubainville, gethan hat: noch viel kleiner ist die Zahl derer, welc^
Kühnheit genug besitzen, an der Hand dieser sehr zerstreuten NoÜien den Vemch n
wagen, die Chronologie der hauptsächlichen Vorgänge bis auf eine Art von Jahreisaklfa
aufzubauen und darnach auch die archäologischen Funde zu bestimmen.
Das Werk beginnt nach einer sehr lehrreichen Einleitung über die „Schule des Lonvre*
mit einem ernsthaft durchgearbeitet4'n Kapitel über den tertiären Menschen. Es mag hkr
iirenügen, den Schlusssatz des Verfassers (pag. 61) aniulühren: Qne llionune tertiaire sott
Besprechangen. 235
possible, je n'y contredis pas, mais jusqu'ici, il est encore tout th6orique. Beferent darf
wohl hinzufügen, dass dies genau der Standpunkt ist, den er selbst seit Jahren ein-
genommen hat Wer die Grunde dafar kennen lernen will, der wird sie bei dem Ver-
fasser in sorgfältigster Weise zusammengestellt finden. Von besonderem Interesse ist der
Abschnitt, welcher die Funde des Abb6 Bourgeois bei Thenaj, zum Theil nach neuen,
Yon dem Museum eigens angeordneten Untersuchungen, bespricht (p. 48).
Es folgen dann Kapitel über den quatemären Menschen, über die neolithische Zeit,
die megalithischen Monumente und die älteren Pfahlbauten, endlich über die Einführung der
Metalle und die Pfahlbauten der Bronzezeit. Zahlreiche, Tortrefflich ausgeführte Illn-
strationen bringen die wichtigsten Gegenstände zur Anschauung; von besonderem Werthe
sind die Karten über die Verbreitung der bewohnten Höhlen der Renthierzeit (p. 98) und
der Dolmen (p. 128).
Sodann kommt ein höchst anziehendes Kapitel über die ersten historischen Bevölke-
rungen, die Iberer und die Ligurer (p. 234). In Betreff der letzteren zeigt Verfasser, dass
sie schon vor dem 7., wahrscheinlich schon seit dem 10. oder 12. Jahrhundert vor unserer
Zeitrechnung am Mittelmeer, namentlich im südlichen Italien und in Sicilien, sowie an
den südlichen und nördlichen Küsten von Spanien erschienen sind. Aber obwohl dies
lange vor der Einwanderung der Gallier geschah, so lehnt er doch mit Entschiedenheit
den Gedanken ab, dass jemals Ligurer das Innere des Landes in einer nennenswerthen
Ausdehnung eingenommen haben. Nach seiner Auffassung waren sie ausschliesslich ein
Küstenvolk mit maritimen Gewohnheiten, und zwar von hjperboräischer Herkunft, das
orsprünglich an den Küsten der Nord- und Ostsee Sitze hatte. Alte Legenden bringen
sie mit den Traditionen über den Bemsteinhandel in Beziehung. C^est une premiere In-
vasion des Normands (p. 241). Aber freilich meint er dies nur in Bezug auf ihr Treiben;
mit Entschiedenheit weist er die Au^assung von d^Arbois zurück, dass die Ligurer
Indo- Europäer gewesen seien. Obwohl man bisher noch gar keine Alterthümer kennt,
welche ihnen zuzuschreiben wären, so hält er es doch für möglich, dass eine gewisse Zahl
der ältesten Bronzen durch sie eingeführt sei (p. 247). Referent hat die Frage der Ligurer
und Iberer in einem Vortrage über die Urbevölkerung Europa's (Sammlung gemeinverst.
wiss. Vorträge von R. Virchow und Fr. v. Holtzendorff 1874, IX. Serie, Heft 193,
S. 19, 29, 37) erörtert und dem Gedanken Ausdruck gegeben, dass die Ligurer ein turani-
scher Stamm gewesen sein könnten, aber er hat auch hervorgehoben, dass dies nur eine
Möglichkeit sei und dass wir im Grunde recht wenig über sie wüssten. Die Deutung
des Verfassers, wonach die Ligurer nirgends ein eigentlicher Inlandsstamm gewesen seien,
geht vielleicht etwas zu weit. Wenigstens hat Hr. Nicolucci Thatsachen zusammen-
gesteUt, wonach ligurische Stämme einstmals im Gebiete des Po bis zu den Enganeischen
Bergen gewohnt haben. Indes könnte daneben immer die sehr plausible Auffassung des
Verfassers stehen bleiben, dass die Ligurer ursprünglich nur ein Küstenvolk waren. Anders
Hegt die Sache mit den Iberern, welche der Verfasser im Ganzen etwas stiefmütterlich
behandelt Von ihnen kann nicht bezweifelt werden, dass sie einmal einen grossen Theil
der iberischen'' Halbinsel besetzt hatten und dass sie weit über die Pjrenaeen herüber
bis tief nach Gallien sassen, ja nach Tacitus wären sie auch im heutigen Wales gewesen.
Das letzte Kapitel behandelt die Einwanderung der Gallier auf der Donau-
Strasse. Der Verfasser betont, dass ihnen hier die Sigynnen voraufgegangen seien,
die schon seit Jahrhunderten den Handel längs der Donau besorgten und mit den Ligurem
Handel trieben (p. 259). Von den Galliern selbst nimmt er an, dass sie in den Völkern
mit enthalten waren, die H ero dot mit dem Gesammtnamen der Thraker belegte. Genaueres
darüber verspricht er in einem folgenden Theile zu bringen.
Den Schluss des Werkes bildet eine Reihe sehr wichtiger Specialabhandlungen der
Herren £. Piette, £. Hamy, Berthelot, R. CoUignon und S. Reinach, auf welche
wir nicht im Einzelnen eingehen können. Nur wollen vrir auf die sehr bemerkenswerthen
Untersuchungen des Hm. Piette (p. 262) aufmerksam machen, der in der Grotte des
Mas d'Azil (Ost -Pyrenäen) die Reihenfolge der Schichten aus der Renthierzeit in grösster
Genauigkeit erhoben und darin 4 verschiedene Ablagerungszonen (Anerochs, Pferd, Ren-
thier, Edelhirsch) nachgewiesen hat Ein besonderer Reichthum an artistischen Produkten
Ton grosser Feinheit der Skulptur und der Zeichnung ist in dieser Höhle zu Tage
getreten. Rud. Virchow.
236 Bespreehongeii.
Moriz Hoernes. Die Urgeschichte des Menschen nach dem heutigen
Stande der Wissenschaft. Wien, Pest und Leipzig, A. Hartleben, 1891.
8. Lieferung 1 — 12. 384 S. mit zahlreichen Abbildungen im Text und
ganzseitigen Illustrationen.
Von dem auf 20 Liefeitmgen berechneten Werke liegt bis jetzt etwas über die
Hälfte vor. Wir werden darauf zurückkommen, wenn dasselbe vollendet ist Für j^^tzt
mag nur hervorgehoben werden, dass die Darstellung des Verfassers die Vorzüge eines
eleganten und klaren Styls, die von ihm bekannt sind, nirgends verleugnet Seine
Geschicklichkeit in der Anordnung des so mannichfaltigen und bunten Materials wetteifert
mit dem gereiften Verständniss, welches er durch lange, eigene Forschungen gewonnen
bat. Wie weit Verf. den Begriff der Urgeschichte ausdehnen will, ist aus seinen, viel-
leicht für diesen Zweck etwas zu langen Einleitungen nicht ganz deutlich zu entnehmen.
Er gebraucht meist die Ausdrücke „Urgeschichte*' und „Prähistorie" als identisch. Dies
entspricht nicht dem gewöhnlichen Sprachgebrauche und führt in der That leicht zu Ver-
wirrung. In Amerika z. B. ist fast alles Präcolumbische auch prähistorisch, aber sicher-
lich nur zum kleinsten Theile urgeschichtlich, gerade wie bei uns die altslavischen Sachen.
Bei Mykenae ist es sogar zweifelhaft, ob wir es prähistorisch nennen dürfen; urgeschicht-
lich ist es in keiner Weise. Indes ist das eine Aeusserlichkeit, über die man leicht hinweg-
kommt, wenn im Uebrigen die Gruppimng des Stoffes eine bequeme Fortbewegung im
geschichtlichen Sinne ermöglicht Dies scheint im Wesentlichen erreicht. Die letzte der
vorliegenden Lieferungen führt uns schon zu der Bronze, was für das Tempo der
Darstellung einen Maassstab ergiebt. Schwieriger ist der Umstand, dass der Verfasser
in seiner Schilderung den regionären Verschiedenheiten wenig Rechnung trägt. Für
jemand, der erst lernen soll, ist es etwas schwer, alle Länder, ja die ganze Erde gewiaser-
maassen im Gemisch vor sich vorübergeführt zu sehen. Eine strengere Scheidong der
Entwickelung in den einzelnen Ländern würde uns mehr geeignet erscheinen, das Ver-
ständniss zu sichern. Sehen wir zu, wie sich das Ganze ausnimmt, wenn wir dasselbe
vor uns haben werden. Jedenfalls können wir schon jetzt sagen, dass es ein gedankea-
reiches und fleissiges Werk ist^ das uns hier geboten wird. Rud. Virchow.
Paul Kohlstock. Aerztlicher Rathgeber für Ostafrika und tropische
Malariagegenden. Berlin, H. Peters, 1891. 12. 344 8.
Der Verfasser, der schon bei der Begründung der deutschen Schutxtmppe in 0»t-
afrika als Arzt bei derselben eintrat (1889) und die Versorgung der Truppe mit Aimneien
und Verbandstoffen zu leiten hatte, nach dem Tode des Dr. Schmelz köpf aber seihet
die Stelle des Chefarztes erhielt, hat die Erfahrungen, die er in Ostafrika macht«, in zweck-
massigster Weise zum allgemeinen Nutzen der dort beschäftigten Personen, Aente imd
Laien, zusammengestellt. Das Buch giebt eine kurze üebersicht nicht bloss der wichügstfli
pathologischen Verhältnisse, sondern auch der nothwendigen hygieinischen and thera>
peutischen Maassregeln, natürUch unter besonderer Berücksichtigung der Malaria -ErkrmiH
kungen und der Ruhr. Bei beiden ist es bemerkenswerth, dass Verfasser die Lufl ab
Trägerin des Krankheitsgiftes betrachtet (S. 105, 143). Sehr eingehend und lehmndi
sind seine Mittheilungen über die Formen der Malaria- Erkrankungen, ihre Prognose vnd
Behandlung. Den Schluss des Werkes bildet eine Zusammenstellung der nothwendi^c«B
Arzneien, Verbandmittel, Instrumente und anderen Gebrauchsgegenstände zur Kranken- «ad
Verwundetenpflege. Das Buch kann allen nach tropischen Gegenden reisenden Perwnm
als ein nützlicher Begleiter empfohlen werden; schon für die Vorbereitung zu der ]
wird es die besten Dienste leisten. Rud. Virchow.
IX.
Archäologische Aufsätze über süd europäische
Fundstücke
von
Dr. INGVALD UNDSET in Christiania.
(Fortsetzung von Bd. XXIII. S. 38.)
Herrn Geheimen Medicinalrath
Professor Dr. Rudolf Virohow
widmet der Verfasser diese kleine Abhandlung zu seinem 70jährigen
Geburtstage, den 13. October 1891, in lebhafter Anerkennung und
Dankbarkeit wegen seiner grossen Verdienste auch um die prä-
historische Wissenschaft.
VII. Orientalisclie Einflfisse innerlialb der ältesten europäisclieii
CiTilisatlon.
Seit langer Zeit ist man darüber klar gewesen, dass die ältesten
civilisirenden Einflüsse dem europäischen Boden von Aegypten mid West-
asien zugekommen sind. Nach dem allgemeinen Gange der geschichtlichen
Entwickelung an den Ufern der innersten Mittelmeer-Länder war man
einig darüber, aber die detaillirte Nachweisung, wie dies alles vor sich
gegangen ist und z. B., welche Elemente die ältesten europäischen Ent-
wickelungen vom Süden und Südosten entlehnt hatten, konnte bisher
nicht geliefert werden, weil einschlägiges archäologisches Material von
Nordafrika und Westasien bisher nur sehr dürftig vorhanden war. Daher
musste und muss grösstentheils noch jetzt ein genauerer Nachweis und die
Erklärung aller entlehnten Elemente der Zukunft vorbehalten bleiben.
Aber in dem vorhandenen Material sind schon verschiedene Details
nachweisbar, und es scheint mir geboten, schon jetzt zu fixiren, was man
von solchen Entlehnungen und Einwirkungen erkennen kann; dadurch
wird die Aufmerksamkeit in der Zukunft mehr wach sein können, und
nach und nach wird man im Stande sein, viel mehr zu beobachten und
zu fixiren, so dass man dann besser das gesammte Material überblicken
und genauer erkennen kann, was die orientalischen Einwirkungen der
ältesten Entwickelung auf europäischem Boden in Griechenland und nach-
hef auch in Italien zugeführt haben.
Schon an einigen Punkten in meinen vorangehenden Aufsätzen in
Z«ittchrUt f&T Bthnologie. Jahrg. 1891. 17
238 InGVALD ÜND8ET:
dieser Serie habe ich auf solche Einwirkungen hingewiesen. So habe
ich z. B. in meinem ersten Capitel (diese Zeitschrift 1889, S. 205 ff.,
mit dem Nachtrage ebendaselbst 1890, S. 144) gezeigt, wie die älteste
Fibelform, die auf europäischem Boden auftritt (in den italischen Terra-
maren und im Pfahlbau von Peschiera am Gardasee), aus der uralten
mykenischen Culturgruppe in der griechischen Welt unserem ErdtheiU*
zugeführt sein muss*).
In dem Capitel über die ältesten Schwertformen (diese Zeitschrift 1890,
S. 1 — 29) habe ich nachgewiesen, wie die älteste Schwertforra, die in der
europäischen Bronzezeit auftritt, der griechischen Welt aus Aegypten zu-
gekommen sein muss.
Im Capitel IV (diese Zeitschrift 1890, S. 49—75) über antike Wagen-
Gebilde ist hervorgehoben worden, wie die Sitte, eine Nachbildung des
Verstorbenen auf seinem Streitwagen anzubringen und in voller Kriegs-
rüstung in sein Grab niederzulegen, in orientalischer Sitte ihr Vorbild findet
Im Capitel V über italische Gesichtsumen (diese Zeitschrift 1890,
S. 109 — 145) habe ich dargelegt, wie die Sitte, die wir auf europäischem
Boden finden, das Gefass, das die Knochen des Verstorbenen birgt, irgend-
wie als seine Portrait -Darstellung oder überhaupt als das Abbild eines
Menschen zu formen, in orientalischer Sitte wurzelt.
Bei genauerer Durchforschung und Untersuchung des fremdländischen
und des europäischen Materials wird man zweifelsohne dies alles genauer
erkennen und darstellen können.
Dazu werde ich heute einige Details fügen, die an schon jetzt vor-
handenem Material zu beobachten sind. Ich ziehe einige Punkte hervor,
die in unserem Material aus der ältesten italischen Eisenzeit sich con-
statiren lassen. In Folgendem nenne ich auch mehrere Fundstücke aus
nordalpinen Funden, welche Fundstücke aber alle sicher südländischem
Import oder wenigstens directen Beeinflussungen zu verdanken sind.
So stellt unsere Fig. 1 eine Löwenmaske aus getriebener Bronze im
Museum des Louvre dar, welche mit drei ähnlichen aus einem pböniciscben
Grabe stammt. Die Masken stellen alle ein gähnendes Löwengesicht dar, wo
aus dem offenen Munde die Zunge heraushängt. Das Gesicht ist von einem
runden, gewölbten Wulste mit quergehenden, getriebenen Rippen umgeben.
Diese getriebenen Löwenmasken von Bronzeblech waren wahrscheinlich als
Decoration an einem Holzsarkophage, der im Grabe gefunden ist. an-
gebracht Mit solchen phönicischen Masken sind offenbar die getriebenen
1) Commend. L. Pigorini wollte frühor nicht zogeben, dass diese Fibeln so mM mn
könnten, wie die Terramarenzeit ; er sprach aus, dass sie den etruskischen Altorthüm^in
angehören mOssten, die öfters oberhalb der Terramare-Högel auf der norditalischen Ebene
gefanden werden. Jetzt ist auch er klar darüber j?eworden, dass es sich hier um uralte
Stücke, etwa aas der mykenischen Civilisationsepoche, handelt (Pigorini, Le p^n«
c\ttk deW Italia, pag. 15, in der Zeitschrift Nuova Antologia 1891, 1. April).
Orienlaluche Einflösse innerhalb der ältest«Q europfiisclien CiTUisation. 239
Masken in Verbindung zu setzen,
die mehrmals in altetrnskischen ^K- !•
Kammei^äbeni gefunden worden
sind, wo sie die Mitte von Lacu-
naren, Ton Decken der Kaninier-
gräber bildeten. Ihre Mitte wird
gewöhnlich von solch einer Löwen-
maske mit aus dem offenen Munde
bervorgestreckter Zunge eingenom-
men und von einem kleinen Kranze
mit quei^ehenden, getriebenen er-
höhten Rippen umgeben. Die Maske
mit der nächsten Umgebung befindet
sich meist in der Mitte eines
grösseren Kreises, der von einem
erhöhten, getriebenen Wulste um- Y^
geben wird. Ansser Löwenmasken-
(Fig. 8) kommen auch öfters andere Darstellungen in der Mitte des
runden Feldes vor, von Reihen kleiner, quergehender, getriebener Rippen
oder von nur angedeuteten solchen umgeben. So trif^ man öfters die
Maske des b&rtigen und mit kleinen Hörnern versehenen Dionysos
Ebon, wie unsere Fig. 3 zeigt. Selbstverständlich wird es sich hier um
Fig. 2.
Fig. 3.
eine oigenthümliche .\usbildung der Gestalt des Gottes und am Ver-
schmelzung mit orientalischen Motiven haudeln. Alle diese abgebildeten
Scttilde mit Löwenmasken und mit anderen mit einem behömten und
bärtigen MenschenkopFe wurden 1835 in Grabkammem bei Corneto-
IT
240 Ihovald Uhdsbt:
Tarquinia gefunden. Natürlich handelt ea sich bei diesem bärtigen und mit
kleinen Hörnern versehenen Kopfe nm Yerschmelzung mit orientalischen
Ideen u. s. w.
Fig. 4 stellt einen phönicischen Bronzescbild dar, der jetzt im Louvre-
Museum sich befindet; er ist in einem phönicischen Grabe auf der Insel
Cypem gefunden worden'). Das Original ist ziemlich beschädigt und
Fig. 4.
7.
namentlich an der einen Seite defeet, wie die Abbildung zeigt; die
Decoration ist jedoch vollständig klar und unzweifelhaft: zwischen concen-
trischen Kreisen, die durch glatte Bänder getrennt sind, laufen andere
Kreise, die mit einem eigenthnmlichen Ornamente gefflllt sind, einem regel-
mässig geschlungenem Bande, das zwischen kleinen Cirkelschlägen mit
Centralpunkten sieb windet. Das am meisten Eigenthümliche bei der Aus-
stattung dieses Schildes ist jedoch in dessen Mitte zu finden; hier sieht
man, wie die Ornamentringe eine winkelförmige Einkerbung von der einen
Seite zeigen, die gegen die Mitte läuft, ganz als ob aus der einen Seite
der Mittelpartie des Schildes etwas ausgehauen wäre. Watirsc heinlich
ist dieses OmameTit-Dettiil dadurch entstanden, dass ein etwa durch einen
Hieb entstandener Defeet an einem besonders berühmten Schilde später
an anderen Schilden nur omamental nachgeahmt worden ist. Wie gesagt,
1) Ptrrot et Cliipiei, Histuire de l'art antiqne, m. pag. 80'J.
Orientalische Einflüsse innerhalb der ältesten europäischen Civilisation. 241
ist ein solcher Einschnitt nur in der Mitte angegeben, gar nicht in den
äusseren Kreisen und am Aussenrande des Schildes. Fig. 5 stellt einen im
hohen Norden gefundenen Bronzeschild aus einem alten Moorfunde in
Dänemark dar, der aus getriebenem Bronzeblech gearbeitet 'ist, ent-
schieden ein aus dem Süden importirtes Stück. In der Mitte auch
dieses Schildes sieht man, wie der Buckel und die ihn umgebenden Kreise
an der einen Seite eine Einkerbung haben, die an und für sich ganz
sinnlos erscheint, die aber, wie ich glaube, in dem so eben besprochenen
und abgebildeten cyprischen Exemplare ihre Erklärung findet. Wie die
Technik zeigt, ist dieses Stück entschieden ein aus dem Süden nach dem
Norden importirtes Exemplar, und die genannte Einkerbung in der
Decoration der Mitte ist aller Wahrscheinlichkeit nach eine ferne Erinne-
Fig. 5.
Fig. 6.
rung an die Decoration eines besonders berühmten südeuropäischen Exem-
plares, wo dieselbe Einkerbung ursprünglich gewiss eine absichtliche
Nachahmung eines technischen Details war, das ursprünglich, als es das
erste Mal gearbeitet wurde, eine bestimmte Absicht und Bedeutung gehabt
haben muss, die wir aber nach dem einzelnen Exemplare, das uns erhalten
^t, kaum herausfinden können. (Man wollte offenbar das Detail eines
besonders berühmten Vorbildes wiedergeben, oder auch, um die Mitte
des ganz dünnen Stückes zu verstärken^ einige nach dem Centrum zu
laufende Linien in der Ornamentik mitnehmen.)
Fig. 6 zeigt eine kleine Bronzefigur, die bei Cometo-Tarquinia
in Etrurien gefunden worden ist und jetzt im etruskischen Museum im
Vatikan sich befindet. Sie stellt einen kleinen Knaben dar, der auf dem
Boden sitzt und der in Etrurien offenbar einen bestimmten Namen
tuovALn üiroSBT:
(Tagesnamen oder anderen) gehabt hat, wohl in Folge einer etruskischen
Tolksthümlichen Tradition, die auch sonst von dort bekannt ist. Aber das
Bild and die S^e, die es illustrirt, hängen offenbar mit einer aus dem
Oriente fiberlieferten bildlichen Tradition zusammen, weil die cypriacbe Ab-
theiluDg des britischen Museums ganz ähnliche Terracotta- Statuen besitzt,
die auf der Insel Cypem gefunden worden sind und die beweisen, dass dort
oinst eine solche Sagenfigur existirt hat, nach der die etruskisobe ähnliche
Figur gebildet worden ist. Auch andere, ähnliche Figuren wären hier zu
nennen, so ein Knabe, der ebenfalls auf dem Boden sitzt und einen Vogel
in der Hand hält'}. Auch diese Figur hat ganz ähnliche Seitenstücke
unter den cyprischen Terracotta -Bildnissen im britischen Museum.
leb berühre hier einen Funkt, wo unzweifelhaft viele EinSfiase
auf die älteste griechische und später italische Civilisation in der Orna-
mentik und Technik zu constatiren sind, die aber Torläufig noch gar
nicht hinreichend studirt, vorbereitet und aufgeklärt sind. In der ältesten
griecbisclien Vasenmalerei und in den eingepresaten Figuren auf den so-
genannten dorischen und sicilianischen Rothwaare - Thongefössen und auf
den altetraskischeu Bucchero-Gef^ssen werden gewiss bei genauerem Stu-
dium mehrere Details zu ooa-
Fig. 7.
statiren sein, die vom Orient
entlehnt sind, so z. B. halb-
menschliche Kentauren und
andere Figuren 'J. Die Figuren
7 und 8 nach etruskischen Bnc-
chero-Qefässen werden einige
solche vom Oriente entlehnte
Details zeigen ; jeder Beobach-
ter wird bei diesen Figuren
einen bestimmten Eindruck
von der orientalischen Her-
kunft oder wenigstens von
einer starken Beeinflussung
von jener Seite her erbalten.
In Fig. 7 bemerkt man vor-
nehmlich den halbmensch-
lichen Kentauren, der einen
Baum trägt, and Darstellungen
von Weibern und Männern, die
1) Vergl. Miisco Etmsco Gregoriano, I. Tat. XXXXIII.
2) Srhiin Pmr. Dr. Milchhüfer in seinein sDregenden Bnche „Deber die AnHiig«
der grirrliischoa Knust. Berlin 1^3-, hat auf einen iolchen Pnokt hiDgedeotet. j«do«h
ist aut-h er nicht nUicr darauf cinfCfgsDgrn, ««hrscheinlich veil auch ihm die Zeil dasa
uui'h vcrTrübt schien, ila lücs Gebiet nocli nicht gebührend beacbt«! und atndirt »onl«D irt.
Orientalische Einflüsse innerhalb der ältesten europäischen Civilisation. 243
einer sitzenden Frau Weihgaben bringen, welche Figuren -Gruppe einen
bestimmt orientalischen Charakter hat. In Fig. 8 sieht man ähnliche
Gestalten, die sitzenden Frauen Gaben darbringen; ferner ein Paar gegen
einander gewendete thierisclie, vierbeinige und geflügelte Sphinx -Figuren.
Diese Figuren -Gruppen sind von, in Etrurien gefundenen, Bucchero-
Geftssen entnommen*). Die Figuren -Gruppen wiederholen sich mehr-
mals rings um dasselbe Gefass, zweifelsohne weil sie auf kleine Gylinder
eingegraben waren und bei Abrollung dieser kleinen Gylinder rings um
das Gefäss sich mehrmals identisch nach einander einpressten und wieder-
holten. Auf diesen Punkt aber näher einzugehen, ist noch nicht die Zeit
gekommen, und bin ich auch nicht der geeignete Mann, weil ich das
einschlägige orientalische Material nicht beherrsche und weil es in
Publicationen oder originalen Stücken mir gar nicht zugänglich ist.
Schliesslich nenne ich noch einen Punkt aus der Ornamentik der
italischen Villanova- Civilisation, wo, wie ich glaube, ein einst vor-
herrschendes Motiv auf eigenartige Umbildung eines ornamentalen Motives
hinweist, das in der alten ägyptischen Kunst und in den von dort beein-
flussten Stylarten sehr hervortritt. Die Sonnenscheibe, von Uräusschlangen
umgeben, ist bekanntlich ein in der altägyptischen Kunst und Ornamentik
häufig vorkommendes Decorations -Element. Fig. 9 zeigt ein solches
Detail in Stein gehauen, an einem phönicischen Monumente angebracht*).
Fig. 10 ist die eine Halbseite einer Bronzevase der Villanova -Zeit, in
einem alten Brandgrabe bei Cometo-Tarquinia gefunden"). Fig. 11 zeigt
einen Theil eines umlaufenden Omamentbandes an einer Bronzevase, die
bei Hessin in Pommern gefunden worden ist*). Dies Ornamentmotiv ist
offenbar eine Umbildung des gedachten Motives, das so stark von der
ägyptischen Kunst abhängig ist. Fig. 12 zeigt dasselbe Omamentmotiv
in einer anderen Umbildung von einer Bronzevase, die in Dänemark
1) Micali, Storia degli antichi popoli italiani, Tav. XX. Fig. 18, 15.
2) Perrot et Chipiez, Histoire de Tart antique, III. Phenicie-Cypre, p. 127, F^g. 70.
3) Diese Vase ist in den Notizie degli scavi 1882, Tav. XXXXI. Fig. 14, wieder-
gegeben, dort aber leider in der Ornamentik ganz falsch aufgefasst und gezeichnet. Kurz
nach dem Erscheinen des betreffenden Heftes der Notizie habe ich in Cometo-Tarquinia
von dem Originale die gegebene Zeichnung und die Ornamentik correcter zeichnen können
und nach meiner damals genommenen Zeichnung ist das hier gegebene Bild angefertigt
Von den Cirkelgrappen gehen ein oder zwei schlangen- oder vogelartige Köpfe in die
Höhe aus, welche Figuren aber in der citirten Abbildung in den Notizie ganz falsch auf-
gefasst und wiedergegeben worden sind. Offenbar haben wir hier, wie ich glaube,
ein Omamentmotiv, das auf dem citirten und im Texte abgebildeten ägyptischen Motive,
der Sonnenscheibe, von Uräusschlangen umgeben, bemht. Dieses Motiv spielt weiter in
der Ornamentik der getriebenen Bronzebleche der Villanova- Gmppe eine sehi* grosse Rollo;
die folgenden Figuren von Ornamenten dieser Art, die alle nördlich der Alpen gefunden
worden sind, werden es illnstriren.
4) Dr. Ingvald Undset, Das erste Auftreten des Eisens in Nordeuropa, Hamburg 1882,
S. 239, Taf. XXIV. Fig. 3. — Einige der hier behandelten Punkte habe ich schon in meiner
Abhandlong n den römischen Annali dell' instituto 1885 angedeutet.
244 Imovald TJhdsct:
Fig. 9-
^^•..,X-
OrieatAlUche EinflSsse innerhalb der filteaten enropSischen Civiiisation. 245
gefanden worden ist. BieBe Vase wurde mit einer anderen ähnlichen
Bronzevaae in einem Moore bei Siera, Helium Herred, Amt Aalborg in JOt-
lanil, ausgegraben und wird jetzt im Museum von Kopenhagen aufbewahrt.
Fig. 13 zeigt dasselbe Motiv in eitler anderen Umbildung auf einem
Bronze sc bilde ebenfalls aus getriebenem Bronzeblech, also ohne allen
Zweifel ein Büdliches, nach dem Norden importirtes Produkt. Hier ist
Fig. 13.
V.
das Hotiv (Girkelgruppe mit nach beiden Seiten ausgehenden Schlangen-
oder eher Yogelköpfen) dreimal wiederholt zwischen drei getriebenen
Bnckeln; die Vogelköpfe sind auch hier auf beiden Seiten der Girkel-
grappe verdoppelt und von einander gewendet, so dass das Ganze ein
eigenartiges Gepräge erhalten hat. So umgebildet kommt dieses Omament-
motiv öfters an getriebenen südländischen Bronzearbeiten vor, die nach
dem Norden gekommen sind.
Wenn das Material aus dem sfldeuropäischen Alterthum und aus dem
ganzen europäischen Bronzereiche einmal reichlicher wird, werden ohne allen
Zweifel die hier angedeuteten Zeugnisse von orientalischen Einwirkungen
bedeoteod vermehrt werden können. Vorläufig müssen wir uns mit diesen
Andeutungen begnügen; eine zukünftige Durchforschung des ganzen bronze-
zeitlichen Materials and des Alterthumsbestandes aus der ältesten eüd-
eoropäiscben Eisenzeit wird sicherlich das hier nur Angedeutete vielfach
vergrSssem und erweitem können.
Besprechungen.
W. Schnarrenborger. Die Pfahlbauten des Bodensees. Beilage zu dem
Jahresberichte des Grossh. Bad. Gymnasiums zu Konstanz. 1891. 46 S.
Nach den Worten der Einleitnng soll die Arbeit im Wesentlichen eine Zusammen-
fassung der weit zerstreuten Nachrichten über die Pfahlbaufunde des Bodensees sein und
das Material, welches der Verfasser in den verschiedenen Museen selbst studirt hat, vor-
legen. Die Behandlung der einzelnen Stationen geschieht in geographischer Reihenfolge,
Tom Südufer des Ueberlinger Sees ausgehend, dem sich Ober- und Untersee ansclüiessen.
Das Verständnis erleichtem drei Tafeln mit einfachen Zeichnungen der wichtigsten Fnnd-
gegenstände, sowie eine Uebersichtskarte des Bodensees (und seiner nächsten Umgebung),
auf der die einzelnen Ansiedelungen eingetragen sind.
In methodischer Weise bemüht sich der Verfasser, ein Bild der geschichtlichen Ent--
wickelnng der einzelnen Stationen zu geben, indem er scharf die Schichten der Steinzeit,
der Bronzezeit und der folgenden Perioden scheidet. Als Resultat ergiebt sich, dass eine
von Niederlassungen nicht mehr die Metallzeit erlebt hat, andere erst zu Beginn dieser
gegründet, wurden dassaber nur ganz wenige Funde in die eigentliche Eisenzeit hinüber-
führen. Doch schliesst Verfasser auf Grund dieser letzteren, theils der Hallstatt-, theils
der la Tene- und selbst der Römerzeit angehörigen Funde, dass einzelne günstig ge-
legene Pfahlbauten bis in die Römerzeit hinein bewohnt gewesen seien. Letztere Mei-
nung findet sich allerdings da und dort in einschlägigen Schriften, wobei die Vernichtung
der Pfahlbauansiedlungen mit dem von Strabo berichteten Seetreffen des Tiberius gegen
die Vindeliker zusammengebracht wird. Meines Erachtens ganz mit Unrecht Denn die
dieser späteren Periode angehörigen Funde sind so wenig zahlreich und meist an solchen
Punkten gemacht, dass sie ebensowohl von Anlagen herrühren können, die für Zwecke der
Fischerei und Schiffiahrt oder der militärischen Ueberwachung dienten Wollte man den
vereinzelten Funden jene Bedeutung beilegen, dann müsste man ja auch ein Fortbestehen
der Pfahlbauwohnungen bis in die alamannische Zeit und später annehmen, da auch
Fundgegenstände dieser Epoche nicht fehlen. Und ein weiterer Grund: Verf. selbst zieht
als ein Resultat seiner fleissigen Untersuchung, dass die Pfahlbauten des Bodensees in
Anlage und Fundergebnissen (abgesehen von der geringen Anzahl der Bronzen) in allen
Hauptsachen vollständig mit denen der schweizerischen übereinstimmen. Nun steht aber
für letztere, soweit sie an den grossen Völker- und Handelsstrassen lie^^en, fest, dass sie
die Anfänge der Hallstattkultur nicht überdauert haben. Dasselbe gilt daher auch für
den Bodensee, wo dieselben Gesichtspunkte walten. In abgelegeneren Gegenden, an den
Seen Thraciens (Prasias) und sonst, mag sich die Sitte der Seewohnungen immerhin länger
gehalten haben .
Noch auf einen Punkt möchte ich etwas näher eingehen. Die Feststellung, ob in
dem oder jenem Pfahlbau des Bodensees Bronze gefunden wurde, ist oft eine recht miss-
liche. Einmal aus dem Grunde, weil sehr viele der Bodenseealterthümer in alle Welt
hinausgewandert sind. Sodann aber wurde den vereinzelten Funden nicht immer die ge-
nügende Beobachtung geschenkt, theils weil die Bodensee-Bronzen meist mit einer sehr ent-
stellenden Kalkkrusto zu Tage kommen, theils weil ja dieselben Gegenstände aus den
Pfahlbauten der Schweiz viel schöner und reichlicher bekannt waren. Daher wird noch
Manches durch künftig« Funde rectiticirt werden können. Nur wäre sehr zu wünschen,
dass bei weiterer Ausbeutung solcher Pfahl bauansiedelungen die bi« jetzt noch sehr häufige
Art der Ausbaggerung möglichst beschränkt, unbedingt aber da untersagt würde, wo bei
niederem Wasserstand und durch Abdämmen eine Trockengrabung vorgenommen werden
kann. Denn im letzteren Fall last sich bei vorsichtigerem Abtragen dünner Horizontal-
Besprecliungen. 247
schichten durch Sachrerst&ndige schon beobachten, wie innerhalb des steinzeitlichen Sta-
diums die Entwickelung der einzelnen Typen vor sich geht und ob der üebergang zur
Bronzezeit ein allmählicher ist, — wie Verf. für den Bodensee annimmt, — oder ob sich
mit einem Schlage eine ganz neue, im Besitze der Bronze befindliche Kultur darüber
legte. Natürlich haben nur an rerschiedenen Orten gemachte Beobachtungen die Gewähr
der Sicherheit und muss vor Allem in den reicheren Stationen der Schweiz darauf geachtet
werden. In der Ffahlbauausplünderung ist schon eine Menge von Resultaten für alle Zeiten
remichtet worden. Sehe man zu, dass den wenigen Stationen, die noch einigermaassen
intact geblieben sind, das abgewonnen wird, was dem jetzigen Stande der Wissenschaft
entspricht
Zum Schlüsse möchte ich noch dem Wunsche Ausdruck verleihen, dass einige der
wichtigeren Pfahlbauansiedelungen des Bodensees eine mehr eingehende Darstellung fänden.
So sind in Bodmann im letzten Sommer sehr bedeutende neue Funde gemacht worden.
Namentlich ist die Zahl der Thongefässe so gross, wie in irgend einer Station der Schweiz.
Die Zusammenstellung der Haupttypen würde ein wichtiges Yergleichsmaterial ergeben.
Karl Schuhmacher.
Alois Raimund Hein: Maeander, Kreuze, Hakenkreuze und urmotivische
Wirbelomamente in Amerika. Ein Beitrag zur allgemeinen Ornament-
gescbichte. 48 Seiten S'*, 30 Original-Dlustrationen, Wien. (Alfred
Holder). 1891.
Das in erfreulicher Weise stetig an Ausdehnung Zunehmende Interesse an der Ethno-
logie hat bereits begonnen, einige Specialitäten zu zeitigen. Die eine derselben, die
Ethnographie des Ornaments, wird erfolgreich von dem Verfasser betrieben, dessen Mono-
graphie über die bildenden Künste bei den Dayaks auf Bomeo auf Seite 168 und 169 des
Torigen Jahrganges ihre Besprechung gefunden hat. In der vorliegenden Schrift sind
einige „Urmotive'' aus Amerika zum Gegenstande der Untersuchung herausgehoben, welche
ihre Analogie in allen möglichen anderen Gebieten unseres Erdballes finden. Aber
es wird versucht, den Nachweis zu führen, dass aus dem Bestände einer mit Symboltypen
der alten Welt nahe verwandten prähistorisch-indianischen Ornamentik sich die Ueber-
tragung künstlerischer Traditionen nach dem Westen noch nicht folgern lässt und dass
es als ein müssiges unternehmen aufgefasst werden muss, wegen einiger religiösen, so-
cialen oder omamentalen Analogien das vorcolumbische Amerika zu einer geistigen Pro-
vinz Europas oder Asiens machen zu wollen. Denn „der Punkt, die gerade und die ge-
bogene Linie, die geradgebrochene Linie und das Zickzackband in seinen verschieden-
artigen Bildungen, das Dreieck, das Viereck, der Kreis, die Spirale, — das sind Elemente,
die in der Ornamentik jedes Volkes vorkonmien." „Die Kirnst des Flechtens und des
Webens, die Handhabung der Töpferscheibe, das Schnitzen des Holzes, das Hämmern und
Giessen der Metalle mussten die Völker nicht erst einander abgelernt haben. Ein Blick
auf die Erzeugnisse in vollster Abgschiedenheit lebender Naturvölker überzeugt uns, dass
höchst beachtenswerthe Leistungen auf den verschiedensten Kunstgebieten an Orten ge-
macht werden, wo man vergebens nach einem Lehrmeister fragen würde. Die menschlichen
Bedürfoisse, in ihrer elementaren Ursprünglichkeit auf der ganzen Erde voUkonmien iden-
tisch, mussten natumothwendig eine bedeutende Aehnlichkeit der zu ihrer Befriedigung
hervorgebrachten Objecto zur Folge haben. Unter allen Himmelsstrichen werden schmieg-
same, elastische Stoffe zu Körben und Matten verarbeitet, wird die Pflanzenfaser gesponnen,
gedreht, gezwirnt, Gefässe geformt, Werkzeuge geschmiedet, wird Holz gespalten, ge-
schnitten, geschnitzt. Dass die Gebrauchsgegenstände, unbeschadet der tausendjährigen
Variation desselben Themas, eine grosse Aehnlichkeit besitzen, kann uns nicht befremden.**
Aber auch die Ausschmückung dieser Gteräthe zeigt uns Decorationstypen von universeller
Terbreitung, welche man als omamentale Urmotive bezeichnen kann Solchen Urmotiven
and ihrer fast immer mit ihnen verbundenen symbolischen Bedeutung femer nachzuspüren,
ist eine lohnende Aufgabe, welche auch sicherlich einst der Kunstgeschichte zu Gute
248 Besprechungen.
kommen wird. Denn die Wege, welche zu den Anfangsstadien der Kunstentwickelnng fu-
rückleiten, sind bis jetzt noch fast g&nzlich unbetreten. Aber bis die Kunst dasjenige
wurde, was heute ausschliesslich den Gegenstand kunstwissenschaftlicher Betrachtung aus-
macht, mussten ganze Völkergenerationen erstehen und wieder verschwinden, und um von
deren Können ein richtiges Bild zu gewinnen, vermag nur die vergleichende Ethnologie
die nöthigen Handhaben herbeizuschafTen. Max Bartels.
Garrick Mallery. Israeliten und Indianer. Eine ethnographische Parallele.
Aus dem Englischen von Friedrich S. Krauss. Vom Verfasser berech-
tigte Uebersetzung. 105 Seiten kl. 8*. Leipzig. (Th. Griebens Verlag)
[L. Femau]. 1891.
Es ist ein dankenswerthes Unternehmen von Friedrich S. Krauss, dem gelehrten Er-
forscher des südslavischen Yolksthumes, die vorliegende kleine Schrift des bekannten Ethno-
logen einem weiteren Leserkreise zugänglich zu machen. Der Titel des Werkchens könnte
zu der Vermuthung Veranlassung geben, dass hier wieder die veraltete Hypothese
hervorgezogen wäre von der direkten Abstammung der Indianer von einem der verlorenen
zehn Stämme Israels. Diese eine Zeitlang so bewunderte Behauptung wird mit Recht
in das Gebiet der Fabel verwiesen. Aber dennnoch werden uns Seite für Seite die über-
raschendsten Analogien in den Anschauungen, Sitten, Gesetzen u. s. w. zwischen den In-
dianern und den Israeliten vorgef&hrt Hierdurch soll aber keinerlei Yerwandschaft be-
wiesen werden, sondern dieselben sollen weiter gar nichts darthun, als dass auch das
israelitische „Gesetz" nichts von vornherein Fertiges darstellt, sondern dass es eine lange
Entwickelungsgeschichte durchzumachen hatte, welche sich in nichts von derjenigen unter-
scheidet, was wir bei den Indianern, aber auch bei allen möglichen anderen Völkern
zu beobachten vermögen. Denn das mag hier gleich angeführt werden: die Indianer sind
hier nur ein Paradigma, für welches ebenso gut irgend ein anderes der sogenannten
Naturvölker hätte gewählt werden können, und darin liegt der Schwerpunkt und das
Wichtige in Mallerj's Abhandlung. Sie führt uns in knapper und klarer Form die Ent-
wicklung in dem geistigen Leben der Völker vor, sowohl in Bezug auf die ^religiösen
Grundvorstellungen'', d. h. die Anschauungen über die Existenz der Götter und Dämonen,
und über deren Priester und Beschwörer, über das Leben nach dem Tode, über Träume,
Weissagungen, Opfer und Reinigungen, über den Sabbath und die Beschneidung, ab
auch in Bezug auf den Parallelismus der Mythen und endhch in Bezug auf die so-
cialen Einrichtungen, das Clanwesen, die Ehegesetze, die Strafen und Freistätten, den
Land- und Grundbesitz und die Adoption. So bietet das kleine Werk eine Fülle von Be-
lehrung und Anregung dar und versetzt uns in die Möglichkeit, manchen absonderlichen
Gebrauch eines fremden Volkes, über den uns die Reisenden Nachricht geben, in richtiger
Weise in seinen Entstehungsgründen zu begreifen und zu erklären. Die Uebersetzung ist
fliessend und die Verlagsbuchhandlung hat es nicht unterlassen, der kleinen Schrift eine
gute Ausstattung zu geben. Max Bartels.
Snell: Hexenprozesse und Geistesstörung. Psychiatrische Untersuchungen.
130 Seiten 8*. München (J. F. Lehmann) 1891.
Eine der traurigsten Perioden menschlicher Verirrung und, man kann wohl hinzu-
setzen, Verthierung wird uns von dem Verfasser vorgeführt. Er zeigt, wie im 18. Jahr-
hundert zuerst die blutigen Ketzerverfolgungen begannen, welche gegen alle diejenigen
gerichtet waren, die sich der geistlichen und weltlichen Macht der Kirche nicht un-
bedingt fügen woDten, so z. B. gegen die Stedinger 1238, die dem Erzbischof von Bremen
die Zahlung des Zehnten verweigert hatten. Später gingen hieraus die Hexenprozesse^ hervor,
welche die einmal Angeklagten rettungslos zu Grunde richteten. Denn'^die Folter presste
Besprechungen. 249
ihnen das Zugeständnis aller ihnen zur Last gelegten Schandthaten aus und zwang sie
auch, eine Anzahl Ton Mitschuldigen namhaft zu machen, welche dann ebenfalls dem
peinlichen Grerichte und schliesslich einem qualvollen Tode verfallen waren. Dass die
Mehrzahl der Geständigen ihre Schuld nicht glaubten, weist der Verfasser überzeugend
nach. Es liegen zahlreiche Zeugnisse ihrer Beichtväter vor, welchen sie vor dem Tode
bekannten, dass sie unschuldig seien, mit der flehentlichen Bitte aber, dieses geheim zu
halten, damit sie nicht von Neuem den Schrecknissen der Folter übergeben würden. Die
von einigen Autoren vermuthet« Wirkung der Hexensalben weist der Verfasser zurück.
Es ist bekanntlich bisweilen behauptet worden, dass sich die Hexen durch die Einreibung
bestimmter narkotischer Salben in einen künstlichen Schlaf mit erotischen Träumen ver-
setzt und später ihre im Traum erlebten Teufelsbuhlschaften als wirkliche Thatsachen ange-
sehen hätten. Nun kommt aber emerseits den uns bekannten Hexensalben, deren genaue
Recepte auf uns gekommen sind, eine derartige Wirkung gar nicht zu, und andererseits
würde, selbst wenn die Salbe in der beschriebenen Weise wirksam gewesen wäre, die Hexe
dem ersten Versuche die Anwendung einer zweiten sicherlich nicht haben folgen lassen;
denn der geschlechtliche Verkehr mit dem Teufel wird in allen Hexenprocessen, welche
Aussagen darüber enthalten, übereinstimmend als ausserordentlich unangenehm, quälend
und schmerzhaft und nichts weniger als wollüstige Empfindungen hervorrufend geschildert.
Nun giebt es aber vereinzelte Fälle, und auch dafür werden Beispiele herbeigebracht, wo
die Unglücklichen sich selbst beschuldigten und es selber glaubten, dass sie mit dem
Teufel einen Bund geschlossen und allerlei Böses verübt hätten. Diese sind aber nur in
verschwindender Anzahl und das waren zweifellose Geisteskranke, Melancholiker, deren
Sclbstanklagen, wie das bei dieser Art der geistigen Störung immer der Fall ist, nur die
zeitgemässe Richtung genommen hatten. Auch kommen sicherlich noch einige andere
Arten von Psychosen vor. Denn die Gerichtsakten sprechen von eigenthümlichen Fällen
von Krämpfen und von Anästhesien; auch bezüchtigten sich einige Hexen selber der Teufels-
buhlschaft mit den oben bereits erwähnten unangenehmen und sogar erheblich schmerz-
haften Empfindungen. Ganz gleiche Fälle von Hallucination eines schmerzhaften Ge-
schlechtsverkehres sind auch heute noch in unseren Irrenhäusern zu finden. Immerhin
aber bilden diese wenigen, wirklich Geisteskranken an Zahl eine verschwindende Minorität
gegen die Zehntausende Gesunder, welche unschuldig und im vollen Bewustsein ihrer Un-
schuld dem Feuertode überliefert wurden.
Es ist aber im Wesentlichen eine andere schwere Nervenerkrankung, welche in den
Hexenprocessen eine hervorragende Rolle gespielt hat. Das ist die Hysterie. Dieselbe ist
als eine wichtige Ursache der Hexenprozesse zu betrachten. Aber nicht die Verklagten
waren die Hysterischen, sondern die hysterischen Anfälle anderer Personen wurden als
Besessenheit aufgefasst und die Verursachung dieser Besessenheit wurde den Verklagten
zur Last gelegt. Für diese sicherlich richtige Annahme führt der Verfasser eine Reihe
von Belegen vor, deren Beweiskraft man sich wohl nicht entziehen kann.
Max Bartels.
Heinrich von Wlislocki: Märchen und Sagen der Bukowinaer und Sieben-
bürger Armenitir. Aus eigenen und fremden Sammlungen übersetzt.
188 Seiten 8*. Hamburg. 1892.
Der Verfasser, welchem wir bereits mehrere wichtige Arbeiten über die Zigeuner
Siebenbürgens verdanken, bietet uns hier eine Sammlung von 60 armenischen Märchen
und Thierfabeln und von gegen 100 Sprüchwörtem dar, welche, wie er selber angiebt,
„sehr genau, fast Wort für Wort" übertragen sind. Sie sind um so wichtiger, als die
armenische Sprache in Siebenbürgen immer mehr und mehr verschwindet und ^nur noch
von der älteren Generation als ConversatiouFsprache gebraucht, in den Schulen aber nur
noch beim Religionsunterricht** angewendet wird. In der Thierfabel spielt der Fuchs
eine ähnliche Rolle, wie bei uns; nur einmal erscheint er als überlisteter Prahlhans. Die
Märchen haben meist einen versöhnlichen Schluss und viele von ihnen werden gewiss auch
250 Besprechungen.
von unserer Kinderwelt sehr gern gelesen werden. Sie bieten nicht sehen AnUfinge an klassisch
antike oder an nordische Sagen. Was den Ethnologen an ihnen besonders interessirt, sind
mancherlei Züge des auch heute hei jenem Volke noch gültigen Volksglaubens, der hier und da
zum Vorschein kommt; Wlislocki hat es nicht versäumt, auf diese besonders hinxuweisen
und in den Anmerkungen ihre Erklärung zu geben. Unter den Sprüchwörtem ist Manches,
das uns fremdartig anmuthet Andere Lebensbedingungen zeitigen eben andere Sprüchwörter.
Nicht wenige aber auch bieten im fremden Gewände den gleichen Gedankengang, wie viele
unserer gebräuchlichsten Sprüchwdrter dar. Die Ausstattung des Buches in Bezug auf Dmck
und Papier möge hier noch rühmend hervorgehoben werden. Max Bartels.
G. Hellmann: Meteorologische Volksbücher. Ein Beitrag zur Geschichte
der Meteorologie und zur Kulturgeschichte. Sammlung populärer Schriften,
herausgegeben von der Gesellschaft Urania zu Berlin. No. 8. 53 Seiten
gross 8*. Berlin. (Hermann Paetel.) 1891.
Der Verfasser entrollt ein Stück Kulturgeschichte des 15. bis 19. Jahrhunderts,
welches der Mehrzahl der Leser wohl neu sein dürfte. Es ist geradezu staunenswerth,
welche Menge meteorologischer Volksbücher, gewöhnlich mit dem fragwürdigsten Inhalte,
in der genannten Zeitperiode auf den Büchermarkt kam. So erschienen vor 900 Jahren
allein in Deutschland mehr als 10 verschiedene „Bauem-Praktiken** im Jahre. Der Zeit-
raum von 1586—1595 brachte deren 140, das Jahr 1590 allein 19 hervor. Die meisten
basirten auf falschen astrologischen Voraussetzungen, deren Schatted in dem „Hundert-
jährigen Kalender" bis in die jüngste Neuzeit reichen. Diese Art der Volksliteratnr war
häufiger und gelesener, als selbst die Bibel. Einige der wichtigsten dieser Bücher werden
genauer besprochen und drei seltene Titel sind in treuer Nachbildung wiedergegeben.
Max Bartels.
Skandinavisches Archiv. Zeitschrift für Arbeiten Skandinavischer Ge-
lehrter (d. h. Schwedens, Norwegens, Dänemarks und Finlands) auf
dem Gebiete der Philologie, Philosophie und Geschichte, herausgegeben
von Edward Theodor Walter, Lektor für deutsche Sprache an der
Universität Lund (Schweden). Gleerupsche Universitäts- Buchhandlung
(Hjalmar Möller) 1891. Heft 1 und 'L
Die obige Zeitschrift soll ein Archiv bilden für die wissenschaftlichen Bestrebungen
der Gelehrten Schwedens, Norwegens, Dänemarks und Finlands auf den gekennzeichneten
Gebieten. Die Aufsätze können, in einer der skandinarischen Sprachen abgefasst, einge-
sandt werden. Dire üebertragung ins Deutsche erfolgt kostenlos unter Verantwortung
der Redaktion. Ausnahmsweise können in französischer oder englischer Sprache abgefasste
Arbeiten in der Originalsprache zur Veröffentlichung gelangen. Das Archiv erscheint in
zwanglosen Heften, deren 4 einen Jahrgang von mindestens 82 Bogen bilden. Der Preb
betrfigt jährlich 15 Mark.
Das 1. und 2. Heft des 1. Bandes, welche vorliegen, umfassen:
1. Axel Kock (Professor in Gothenburg) ^Untersuchungen zur ost- und west-
nordischen Grammatik." 2) Fredrik Wulff (Professor in Lund) „Von der Rolle de«
Accents in der Versbildung. 3) Sam. Wide (Docent in Uspala) „Bemerkungen in der
spartanischen Lykurgos-Legende.** 4) Sven Linde (Docent in Lund) «Ueber das
Carmen Saliare.- 6) George Stephens (Prof. m Kopenhagen) VER = SPRING (in
englischer Sprache). 6) Reinhold Geiger (Professor in Uspala) „Hermann Lot z es Philo-
sopheme über die Raumanschauung. L Von der inneren Structur der Raumanschauung*,
imd endlich eine Uebersicht über die der Redaktion zugegangenen Schriften.
BesprechuDircn. 251
Wenn wir schon vom allgemeinen Standpunkt aus mit aufrichtiger Theilnahme eine
derartige Centralisation der wissenschaftlichen Bestrehungen des skandinavischen Nordens
begrüssen, so macht die gewählte Form uns selbige doppelt sympathisch, indem wir neben
den internationalen Gesichtspunkten einen engeren Anschluss an die deutschen wissen-
schaftlichen Studien analoger Art darin erblicken und eine vielversprechende Gemeinschaft
80 zu hoffen steht Bricht doch auch überall in Ziel und Methode eine erfreuliche Homo-
geneität der Anschauung hindurch, wie auch die behandelten Themata geeignet sind, mannich-
fach anzuregen. Philologische and historische Kreise möchten wir besonders auf den Aufsatz
von Linde über das Carmen Saliare aufmerksam machen. Der Verfasser erörtert die Be-
deutung desselben in eingehendster Weise, und wenn wir gleich nicht der Etjrmologie
und Deutung des Namens der Salier als Sancti, „die Heiligen", zustimmen können, so hat
unsdestomehr die Erklärung des bisher unverständlich gebliebenen, von Varro überlieferten
Fragments in ihrer scharfsinnigen Weise angesprochen. Verf. verwirft alle bisher ver-
suchten Herstellungsversuche als von dem falschen Princip der Buchstaben-Konjektural-
kritik ausgehend. Er findet in der betreffenden Stelle nur eine Zusammenstellung von
Wörtern aus den betreffenden Liedern, um gewisse „sprachliche" Data und Fakta zu be-
leuchten, und indem er diesem Gedanken nachgeht, wirft er ein ganz neues Licht auf die
bisher so räthselhaft erscheinenden Citate des Varro. — Wir wünschen dem Archiv ge-
deihlichen Fortgang und vielseitige Verbreitung. W. Schwartz.
Emil Carthaus. Aus dem Reich von Insulinde. Sumatra und der ma-
laiische Archipel. Leipzig 1891. Wilh. Friedrich. 8. 267 Seiten.
Verfasser, der als Geolog während der Jahre 1888 und 1889 im malaiischen Archipel
beschäftigt war, giebt im vorliegenden Werke eine eingehende Schilderung der Eindrücke
und Beobachtungen, welche er dort gesammelt hat Der naturwissenschaftliche Theil der-
selben, welcher ausser den geologischen Verhältnissen auch die Flora und Fauna be-
handelt, ist, entsprechend dem mehr populären Zweck dieser Publikation, verhältnissmässig
zusammengedrängt, liefert aber ein recht anschauliches Bild der fremdartigen Natur.
Ausführlicher wird ein Ausflug zu dem Vulkan Kantjah, der nach längerer Ruhe im März
1889 einen neuen Ausbruch machte, beschrieben (S. 229).
Der grössere TheO der Schrift betrifft ethnographische und nationalökon mische Ver-
hältnisse, mit der besonderen Absicht, europäischen und speciell deutschen Zuzüglern eine
Anschauung von den Zuständen und Lebensbedingungen zu geben, die ihrer warten. Ob-
wohl in dem Titel des Buches von Insulinde (der barbarische Ausdruck der Holländer
für Indonesien) und von dem malaiischen Archipel im Allgemeinen die Rede ist, so be-
schränkt sich die Darstellung doch vorzugsweise auf das Gouvernement „Sumatra's West-
küste", in welchem er thätig war. Es ist derjenige Theil des Landes, der zwischen Atchin
und Benkulen (den Lampong^schen Distrikten) gelegen ist und die Padang'schen Ober-
und Unterländer nebst Tapanuli umfasst. Seine Schilderung, obwohl mit mancherlei sta-
tistischen Angaben durchsetzt, würde bei einem mehr umfassenden Studium der lite-
rarischen Quellen gewiss sehr gewonnen* haben. Immerhin gewährt sie ein lebendiges
Bild von der Lebensweise und den Eigenthümlichkeiten der Bevölkerung, von den Ein-
wirkungen der holländischen Regierung und ihrer Beamten, sowie von den Möglichkeiten
der Colonisation und der wirthschaftlichen und industriellen Ausnutzung der natürlichen
Producte. Der Gesammteindruck in Bezug auf die Betheiliguug der Europäer an den
letsteren Thätigkeiten ist ein recht niederschlagender; man muss annehmen, dass der Haupt-
sweck der Darstellung der gewesen ist, die europäische Einwanderung in jeder Form nach
Möglichkeit zu beschränken. Vielleicht wäre dieser Eindruck noch verstärkt worden, wenn
der Verfasser die Einwirkung dieses gewaltigen und so überaus reichen Inselbesitzes aui
die Staatsfinanzen Hollands einer kritischen Prüfung unterzogen hätte. Seine Darstt'llung,
die leider durch endlose Parenthesen in unbequemer Weise unterbrochen wird, dürfte jedoch
gerade wegen ihrer verhältnissmässig unbefangenen und offenen Aussprache für den auf-
merkstamen Leser werthvoU sein.
252 Besprechungen.
In Betreff der Bevölkerung vertritt der Verfasser die Meinung (S. 26), dass vor den
Malaien in Sumatra papuanische Stämme gehaust haben. Er citirt die Angabe des Assi-
stent-Residenten Kooremann, dass an der Westküste von Sumatra bis weit über Pa-
dang hinaus an verschiedenen Stellen sehr alte Gräber existiren, welche die Einge-
borenen den Orang-Rupis, einer nicht-malaiischen Bevölkerung, zuschreiben, aber der erste
und, wie es scheint, einzige Versuch einer Ausgrabung ergab nur arg verwitterte Knochen-
reste mit etwas Holzkohle und kleinen Thonscherben. Verfasser appellirt mit Recht an die
niederländische Regierung, diese Gräber einer genaueren Untersuchung unterziehen zu lassen.
Lebende Reste von Papuas hat er nicht getroffen. Die Malaien, welche er als Jüngere" be-
zeichnet, versetzen ihre Wiege in das Königreich Menang-Kabau, das jetzige Gouverne-
ment Sumatras Westküste; von hier aus hätten sie später die Halbinsel Malacca be-
völkert und seien dort zum ersten Mal unter dem Namen Orang-Malaiou (Wandermenschen)
aufgetreten. Von da seien sie nach den Küsten der Sunda-Inseln gekommen und hätten,
wie auf Bomeo, die „älteren'^ Malaien ins Innere zurückgedrängt (S. 28).
Rud. Virchow.
Achelis: Adolf Bastian. Sammlung gemeinverständlicher wissenschaft-
licher Vorträge, herausgegeben von Rud. Virchow und Wilhelm Watten-
bach. Heft 128. Neue Folge, Sechste Serie. Hamburg. 1891.
Der eigentliche Lebenslauf Bastian^s wird in dieser interessanten Schrift auf nur
wenigen Seiten abgehandelt. Um so eingehender aber schildert der Verfasser das durch
endlose Mühen und stets zielbewusste Arbeit in so herrlicher, in der gesammten civilisirten
Welt anerkannter Weise aufgerichtete Werk des gelehrten Forschers: die Begründung und
den Ausbau der modernen wissenschaftlichen Ethnologie. Wie Bastian hier mit den alt-
hergebrachten, auf haltlosen Spekulationen beruhenden Hypothesen aufgeräumt hat, wie
er bahnbrechende, neue Anschauungen schuf und wie er in das Studium der Ethnologie
die naturwissenschaftliche Methode eingeführt hat, welche ihre Schlüsse nur aus wirklich
beobachteten Thatsachen zu ziehen sucht, das wird uns in fesselnder Weise, oft mit Basti ans
eigenen Worten, vorgeführt So bildet die kleine Schrift gleichzeitig einen kurzen Abriw?
der Geschichte der heutigen, wissenschaftlichen Völkerkunde. Es steht zu erwarten, dass
sie sich zahlreiche Freunde erwerben wird. Max Bartels.
Dierks, Gustav: Helgoland. Sammlung gemeinverständlicher wissen-
schaftlicher Vorträge, heraubgegeben von Rud. Virchow und W. Watten-
bach. Heft 121. Hamburg, 1891.
Das grün-roth-weisse Nordsee-Eiland wird von dem Verfasser in seinen geologischen,
historischen und politischen Verhältnissen geschildert, welche sämmtlich noch Vielerlei
des Räthselhaften und Unaufgeklärten enthalten. Die kleine, anziehend geschriebene
Abhandlung wird sicherlich den vielen Freunden Helgolands eine willkommene Gabe sein.
Mai Bartels.
Meyer, Christian: Eine deutsche Stadt im Zeitalter des Humanismus und
der Renaissance. Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vor-
träge. Herausgegeben von Rud. Virchow und Wilhelm Wattenbach.
Heft 122. Hamburg. 1891.
Die deutsche Stadt, welche der Verfasser meint, ist Augsburg, dessen Umwandlung
zu der ihr heutigen Tages noch aufgeprägten Physiognomie durch den Baumeister Elias
Holl uns vorgeführt wird. Aber auch das geistij^^e und politische Leben auf den Gebieten
der anderen Künste, der Wissenschaften und d»'r tfiplichen Gewohnheiten wird in an-
regender W«»i8e ge^childert. Max Bartels.
Verhandlungen
der
Berliner GeseUschaft
für
Anthropologie, Ethnologie nnd Urgeschichte.
Redigirt
Ton
Rud. Vircliow.
'-»'-^■N,^-v-^ -Hj^ y^ ■
Jahrgang 1891.
BERLIN.
VERLAG VON A. ASHER & 00.
1891.
Berliner Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
1891.
Vorstand, 1. Januar 1891.
Dr. Kudolf Virohow, Professor, Geh. Med.-Kath, Vorsitzender.
Dr. Ernst Beyrioh, Professor,
Geh. Bergrath.
Dr. Wilhelm Reiss.
Stellvertreter ! ^^s Königl. Museums für Völkerkunde,
des I Schriftführer.
Vorsitzenden Dr. med. Max Bartels, Sanitätsrath, Schrift-
Dr. Robert Hartmann, Professor, Geh. Med.- ! führer, W. Karlsbad 12/13.
Rath, Schriftführer. Wilhelm Ritter, Bankier, Schatzmeister,
Dr. Albert Voss, Director der vaterl. Abth. SW. Charlottenstrasse 74/75.
Anssoliuss, 17. Januar 1891.
Dr. W. Schwartz, Gymnasialdirector, Obmann.
Dr. A. Bastian, Professor, Geh. Reg.-Rath. ' ethnologischen Abtheilung des Kgl.
H. Deegen, Geh. Ober-Regierungsrath.
E. Frledel, Stadtrath.
Dr. G. Fritsch, Professor.
Mus. für Völkerkunde.
Dr. W. Joest, Professor.
Dr. H. Steinthal, Professor.
A. Grinwedel, Directorial-Assistent an der i Dr. G. Wetzstein, Consul a. D.
Ehrenmitglieder, 1. Januar 1891.
Don Pedro II. d'Alcantara, Kaiser von Brasilien, erwählt den 19. Juni 1875.
Professor Dr. Ludwig LIndenschmit, Director j Geh. Medicinalrath Professor Dr. SchaatT-
des römisch-germanischen Central- hausen, Bonn, erwählt den 22. Juni
museums, Mainz, erwählt d. 20. Octo- ' 1889.
ber 1883. ! Frau Gräfin UwarofT, Präsident der kaiser-
Professor Dr. Carl Vogt, Genf, erwählt den i liehen Archäologischen Gesellschaft in
22. Juni 1889. Moskau, erwählt den 21. December
1889.
Correspondirende Mitglieder, 1. Januar 1891,
mit Angabe des Jahres der Ernennung.
1. AMrtsohin, D., Professor Dr., 1889 2. Aspelin, J. R., Dr., Staatsarchae- 1874
Moskau. olog, Helsingfors, Finland.
w
3. Bahnson, Rr., Dr., Assistent
am Ethnographischen Museum,
Kopenhagen.
4. Baye, Baron Joseph de, Chateuu
Baye, Dep. Marne, Prankreich.
5. Beddoe, John, M. D., P. R. S.
Clifton, Glocestershire.
6. Beilucoi, Giuseppe, Prof., Dr.,
Perugia.
7. Bertrand, Alexandre, Director
des Museums zu St.-Germain-
en-Laye, Prankreich.
8. Bogdanow, Anatol, Dr. Professor,
Präsident der Raiserl. Gesell-
schaft der Freunde der Natur,
der Anthropologie und Ethno-
logie, Moskau.
9. Bonaparte, Roland Prinz, Paris.
10. Brinton, Daniel G., Dr. med.,
Professor an der Universität von
Pennsylvania, Philadelphia.
11. Burgess, J., L. L. D., C. I. E.,
Director Gen. of the Archaeo-
log. Survey of India, Edin-
burgh.
12. Barmeister, Hermann, Professor
Dr., Buenos Aires.
13. Calori, Luigi, Prof., Bologna.
14. Calvert, Prank, Amer. Consul,
Dardanellen, Rleinasien.
15. Capellini, G., Prof., Bologna.
16. Cartailhac, E., Toulouse.
17. Casteifranoo, Pompeo, R. Ispet-
tore degli Scavi e Monumenti
d'Antichitä, Mailand.
18. Chantre, Ernest, Professor, Sub-
director des Museums für Natur-
geschichte, Lyon.
10. Costa, Pereira da, Dr., Prof.,
Lissabon.
20. Canninghain, Alexander, Lieut.-
General, Calcutta.
21. Dawkins, W. Boyd, Professor,
M. A., P. R. S., Woodhurst,
Jallowfield, Manchester.
22. Delgado, Joaquim Pilippe Nery,
Chef der Geologisch. Landes-
aufhahme, Lissabon.
23. Dibea, Gustaf, Baron von, Pro-
fessor, Stockholm.
1889
24.
25.
1890;
1871 I 26.
1881
27.
1877
1878
28.
1885
1886
29.
30.
1887 31.
32.
33.
1871
34.
1871 35.
1875'
36.
1871 37.
1881
1883 38.
1881 39.
1872
40.
41.
1875
42.
1877
43.
44.
1881
45.
I
1872
46.
Duhmberg, Otto von, Dr., Staats- 1879
rath, Dorpat.
Dupont, Edouard, Director des 1871
Rönigl. naturgeschichtlichen
Museums, Brüssel.
Ernat, A., Dr., Director des 1878
Nationalmuseums, Caracas, Ve-
nezuela.
Evans, John, D. C. L., L. L. D.. 1874
P. R., S., Pres. Num. Society
London, Nash Mills, Hemel
Hempsted, England.
FelleRberg, Edmund von, Dr., 1883
Director der archäolog. und an-
thropologischen Sammlungen
Bern.
Flex, Oscar, Missionär, Ranchi, 1873
Nagpore, Ostindien.
Flower, Wüliam Henry, Prof., 1879
P. R. S., Director des Natural
History Museum, London.
Franks, Augustus W., M. A., 1872
P. R. S. London.
Garson, J. G., M. D., London. 1889
Gemellaro, Director des paläont 1883
Museums, Palermo.
Gerlach, Dr. med., Hongkong. 1880
Gross, V., Dr. med., Neuveville, 1880
Schweiz.
Gainiet, E., Lyon. 1882
Hampel, J., Prof., Dr., Custos 1884
am Nationalmuseum, Budapest.
Hamy, Ernest, Dr., Conservateur 1882
du Musee d'EHhnographie du
Trocadero, Paris.
Hauer, Pranz Ritter von, Dr., 1887
Intendant d. R. R. naturhistor.
Hofmuseums, Wien.
Hazelios. Artur, Stockholm. 1888
Heierii, J., Secundarlehrer, Zürich. 1 890
Heibig, Wolfgang, Dr., Professor, 1883
ROUL
Heldreioh, Dr. von, Prof., Director 1 873
des botanischen Gartens, Athen.
Herrmann, Anton, Dr. phil., 1889
Budapest.
Hildebrand, Hans, Dr., Reichs- 1872
antiquar, Stockholm.
Hirth, Pr , Prof. Dr., Tamsui, 1886
Pormosa.
(5)
47. Hoffnaiiii, W. J., Dr. med., Ca-
rator Anthropological Society,
Washington, D. C.
48. HoutifflhSohindler, A., General u.
Telegraphendirector, Teheran.
4d. Hnbrig, Missionär, Canton.
50. Hanfalvy, Panl, Professor Dr.,
Bibliothekar der Akademie der
Wissenschaften, Budapest.
51. Huxley, Professor, P. R. S.,
London.
52. Jacques, Victor, Dr., Secretaire
de la Societe d'Anthropologie,
Brüssel.
53. Ihering, Hermann von, Dr., Na-
turalist d. Museu Nacional von
Rio de Janeiro, Rio Grande do
Sul, Brasilien.
54. Kate, H. ten, Dr., Haag, Nieder-
lande.
55. Koilaann, J., Prof. Dr., Basel.
56. Kopemloki, Isidor, Dr., Krakau.
57. Uosrda, Dr. Prof., Rio de Ja-
neiro.
58. Layard, Edgar Leopold, früher
Britischer Consul, Para, Bra-
silien.
59. Leenaos, Dr., Director, Leiden,
Holland.
00. Lepkowski, Joseph, Prof. Dr.,
Director des archäologischen
Cabinets, Krakau.
61. Lortet, Louis, Prof. Dr., Direc-
tor d. naturhist. Museums, Lyon.
62. Ubbock, Sir John, Bart, M. P.,
High Elms, Famborough, Kent,
England.
63. Majer, Prof. Dr., Präsident der
k. k. Akademie, Krakau.
64. MtR, Edward Horace, Assistant
Superintendent, Port Blair, An-
damanen.
65. Mantegazza, Paolo, Prof., Di-
rector d. Nationalmuseums für
Anthropologie, Senator, Flo-
renz.
66. Marcbesetti, Carlo de, Dr., Di-
rector des naturhist. Museums,
Triest.
67. MontellM, Oscar, Dr., erster
1886
1878
1879
1889
1871
1889
1886
68.
69.
70.
71.
72.
73.
1886
1887
1875
1889
i
18711
74.
75.
76.
1
77.
1882
78.
1876
79.
1883
80.
1871
81.
1878
1885
82.
1871
83.
84.
1887
85.
86.
1872
Araanueusis am Königl. histor.
Museum, Stockholm.
Moreno, Don Francisco, Director 1878
des National -Museums, La
Plata.
Morse, Edw. S., Professor Dr., 1889
Director der Peabody Academy
of Science, Salem, Mass.
Morselli, Henri, Dr. med., Pro- 1881
fessor, Turin.
Möller, Baron F. von, Director 1872
des botanischen Gartens, Mel-
bourne, Australien.
MOIIer, Sophus, Dr., Museums- 1882
inspector, Kopenhagen.
Netto, Ladisläu, Dr., Director 1885
des National-Museums, Rio de
Janeiro.
NIoolacci, Giustiniano, Professor 1871
Dr., Isola di Soni, Neapel.
Omsteln, Bernhard, Dr. med., 1877
Generalarzt, früher Chefarzt der
griechischen Armee, Athen.
OrsI, Paolo, Dr., Königlicher 1888
Inspector der Ausgrabungen,
Syracus.
Penaflel, Antonio, Dr., Prof., 1891
Mexico.
Petersen, Henry, Dr., Inspecteur 1889
der Erhaltung der Alterthümer,
Kopenhagen.
Phillppl, Rudolf A., Professor 1871
Dr., Santiago, Chile.
Plgorinl, Luigi, Prof., Director 1871
des prähistorisch - ethnographi-
schen Museums, Rom.
Pleyte, W., Conservator aan's 1890
Rijksmuseum van Oudheden,
Leiden, Niederlande.
Powell, J. W., Major, Smith- 1876
sonian Institution, Washington,
D.O.
Prosdocimi, Cav., Alessandro, 1889
Professor Dr., Este, Italien.
Pulsky, Franz von, Dr., Director 1876
des Nationalmuseums, Budapest.
Radde, Gustav, Dr., Director des 1871
kaukasischen Museums, Tillis.
Radlow, W., Dr., Akademiker, 1884
St. Petersburg.
(6)
87. RijendralÄla Mitra, Bahädur, 1878 j 100. Stieda, Ludwig, Professor Dr., 1883
L. L. D., Calcutta. Königsberg i. Pr.
88. Retzius, Gustaf, Dr., Professor, 1882 , 101. Shider, Theophil, Professor 1885
Stockholm. Dr., Bern.
89. Riedel, Joh. Gerard Friedr., 1871 102. Toplnard, Paul, Professor Dr., 1879
Niederländischer Resident, z. Directeur adjoint du Labora-
Z. Brüssel. toired'anthropologiedeT^cole
90. Rivers, A. H. Lane Fox Pitt, 1888 pratique des hautes etudcs,
Lieutenant-General, F. R. S., Paris.
Inspector of Ancient Monu- 103. Troll, Joseph, Dr., Wien. 1890
ments in Great Britain, Rush- 104. Tublno, Francisco M., Prof., 1871
more, Salisbury, England. Madrid.
105. Turner, Sir William, Prof. der 1890
Anatomie, Edinburg.
91. Rivett-Carnac , J. H., Bengal 1882
Civil Service, Allahabäd, Ost-
indien.
106. Ujfalvy de Mezö-KaveMl, Gh. £. 1879
92. ROtimeyer, Prof. Dr., Basel. 1883 de, Professor, Paris.
93. Rygh, O., Prof. Dr., Director 1879 1 107. ündtet, Ingvald, Dr., Museums- 1881
d. Sammlung nordischer Alter- assistent, Christiania.
thümer, Christiania. , 108. Vedel, E., Amtmann, Vice- 1887
94. Sallnas, Antonio, Professor, 1883 präsident der Kön. Ges. f. nor-
Director des Nationalmuseums \ dische Alterthumskunde, Sorü
Palermo. in Dänemark.
95. SchonlNirgk, Rieh., Dr., Diroc- 1879 109. Vllaiiova y Plera, Juan, Prof., 1871
tor des botanischen Gartens, i Madrid.
Adelaide, Südaustralien. jHO. Welsbaoh, Augustin, Dr., Ober- 1871
96. Sermrier, L., Dr., Director des 1889 Stabsarzt, Wien.
Ethnographisch Rijks-Museum, 'lU. Wheeler, George M., Captain 1876
Leiden. Corps of Engineers U. S. Army,
97. Spiegelthal F. W., Schwedi- 1875, Washington, D. C.
scher Vice-Consul, Smyma. 112. Wilken, G. A., Professor Dr., 1887
98. Steenstrop, Japetus, Professor, 1871 ! Leiden.
Kopenhagen. 113. Zwingmann, Georg, Dr., Medi- 1873
99. StefuiK Stefano de, Cav., R. 1889 cinalinspector, Kursk.
Ispettore degli Scavi, Verona.
Ordentliolie Mitglieder, 1. Januar 1891.
a) Immerwährende (nach § 14 der 4. Achenbaoh, Dr., Exe, Oberpräsident,
Statuten). Potsdam.
1. Ehrenretoli, Paul, Dr. med., Berlin. , 5. Adler, E., Dr. med., Berlin.
2. Hainaoer, Oskar, Bankier, Berlin. G. Albreoht, Paul, Prof. Dr., Hamburg.
3. Riegler, C, Director, Heidelberg. 7. Alba, Dr. med., Berlin.
4. SokokMkl, L., Wreschen. 8. AHleri, L., Kaufmann, Berlin.
^ , ^ . . , '9. Alsberg, M., Dr. med., Cassel.
b) Jährlich zahlende (nach J? 11 deri,^ AltbofT, Dr., Geh. Ob.-Reg.-Rath, Berlin,
Statuten). jj AltricWer, Karl, Gerichtssecretär,
1. Abeklng, Frau Marie, Sanitätsraths- ' Wusterhausen a. d. Dosse.
wittwe, Charlottenburg. 12. Aadree, Richard, Dr. phil., Heidelberg.
2. Abel, Karl, Dr. med., Berlin. 13. Aadritii-Werbtiro. Freih.Ferd.v.. Aussee,
3. Abraban, Dr., Geh. Sanitätsrath, Berlin Steyermurk.
(7)
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
32.
33.
Appel, Karl, Dr. phil., Königsberg i. Pr.
Arons, Alb., Gommerzienrath, Berlin.
Arzruni, Andreas, Prof. Dr., Aachen.
Asohenborn, Oscar, Dr. med., Berlin.
Ascherson, F., Dr. phil., Berlin.
Ascherson, P., Prof. Dr., Berlin.
Asohoir, L., Dr., Sanitätsrath, Berlin.
Ash, Julius, Fabrikant, Berlin.
Audouard, A., Major a. D., Gharlotten-
burg.
Awater, Ad., Dr. med., Berlin.
Bär. Adolf, Dr. med.. Geh. Sanitäts-
rath, Berlin.
Bärthold. A., Prediger, Halberstadt.
49.
50.
51.
52.
53.
54.
55.
56.
57.
58.
34.
35.
36.
37.
38.
39.
40.
41.
42.
43.
44.
45.
46.
47.
48.
Bässler, Arthur, Dr. phil., Berlin.
Barchewitz Victor, Dr., Hauptmann, 1 59.
z. D., Berlin. 60.
Bardeleben, Professor Dr., Geh. Ober- 61.
Med.-Rath, Berlin. i
Bardeleben, Karl, Prof. Dr. med., Jena. 62.
Bamewitz, Realgymnasiallehrer, Bran- 63.
denburg a. H.
Barsohall, Max, Dr., San.-Rath, Berlin. 64.
Bartela, Max, Dr. med., Sanitätsrath, 65.
Berlin. |
Bastian, A., Geh. Reg.-Rath, Professor i 66.
Dr., Director des K. Mus. f. Völker-
kunde, Berlin. 67.
Behia, Robert, Dr., Kreis wund arzt, 68.
Luckau. 69.
Behn, W., Maler, Tempelhof b. Berlin. 70.
Behrend, Adolf, Verlags-Buchhändler, 71.
Berlin.
Belli, Ludwig, Dr. phil., Frankfurt a.M. 72.
Benda, C, Dr. med., Berlin. 73.
Benda, v., Rittergutsbesitzer, Berlin. .
Bennigsen, R. von, Oberpräsident, Exe, 74.
Hannover. 75.
Berendt, G., Prof. Dr., Berlin.
Bergnann, Ernst v.. Geh. Medicinal- 1 76.
rath, Prof. Dr., Berlin. j
Bernhardt, Prof. Dr. med., Berlin. j 77.
Bertram, Alexis, Dr. med., Sanitäts- 78.
rath, Berlin. 79.
Beveter, Dr., Geh. Sanitätsrath, Berlin. |
Beyfm, Gustav, Dr., Officier van ge- ' 80.
zondheid I Klasse, Malang bei Sura-
baja, Java. 81.
Beytos, Otto, Kaufmann, Berlin. j
BeyHch, Prof. Dr., Geh. Bergrath, Berlin. 82.
Bibliothek, Grossherzogliche, Neu-
strelitz.
Bibliothek, Stadt-, Stralsund.
Blbliotheii, Universitäts-, Greifswald.
Bindemann, Hermann, Dr. med., Berlin.
Binzer, Ludwig von, Forstmeister a. D.,
Berlin.
Blaeiue, Wilhelm, Prof. Dr., Braun-
schweig.
Blell Theodor, Gross-Lichterfelde bei
Berlin.
Blumenthal, Dr. med., San.-Rath, Berlin.
Boas, Franz, Dr. phil., Worcester,
Massachusets, Amerika.
BSnInger, M., Rentier, Berlin.
Boer, Dr., Königl. Hofarzt, Berlin.
Borghard, A., Fabrikbesitzer, Berlin.
Borgmeyer, Hotelbesitzer, Göhren in
Mönchgut auf Rtigen.
Born, L., Dr., Corps-Rossarzt, Berlin.
Bracht, Eugen, Landschaftsmaler, Pro-,
fessor, Berlin.
Bramann, v., Dr. med., Prof., Halle a. 8.
Brand, E. von. Major a. D., Wutzig
bei Woldenbeiig in der Neumark.
Brandt, von, kaiserl. deutscher Ge-
sandter, Peking, China.
Bredow, v., Rittergutsbesitzer, Berlin.
Breelauer, Heinrich, Prof. Dr., Berlin.
Bröeiiie. G., Dr. med., Berlin.
Bruohmann, K., Dr. phil., Berlin.
Brückner sen., Dr. med., Rath, Neu-
Brandenburg.
Briinig, Max, Kaufmann, Berlin.
Brugsch, Heinr., Prof., Legationsrath,
Berlin.
Brunnemann.Karl, Rechtsanwalt, Stettin.
Buchholz, Rudolf, Custos des Märki-
schen Provinzial-Museums, Berlin.
Budczies, Friedrich, Schulvorsteher
a. D., Berlin.
Bötow, P., Dr. jur., Berlin.
BQtow, H., Geh. Rechnungsrath, Berlin.
Bujack, Georg, Dr., Gymnasial -Ober-
lehrer, Königsberg i. Pr.
Busch, Dr., Kaiserl. deutscher Ge-
sandter, Bucarest, Rumänien.
Buschan, G., Dr. med. et phil., Kaiserl.
Marine-Assistenzarzt, Wilhelmshaven.
Cahnheim, 0., Dr. med., Dresdep.
(8)
83. Castan, Qustay, Berlin.
84. Castan, Louis, Besitzer des Panopti-
cums, Berlin.
85. Chlingensperg-Berg, M. von, Rirehberg
bei Keichenhall.
86. Christeller, P., Dr. med., Berlin.
87. Cohfi, Alexander Meyer, Banquier,
Berlin.
88. Cordel, Oskar, ßchrifteteller, Halenseo.
89. Corning, Dr. med., Morillon, Genf.
90. Cremer, Chr. J., Redacteur, Abgeord-
neter, Berlin.
91. Croner, Eduard, Dr., Geh. Sanitäts-
rath, Berlin.
92. Daffls, Ludwig, Kaufmann, Berlin.
93. Danes, W., Prof. Dr., Berlin.
94. Dammami, C. W., Kew, London, Eng-
land.
95. Davidsohn, H., Dr. med., Berlin.
96. Deegen, Hermann, Geh. Ober-Reg.-
9 Rath, Berlin.
97. Degner, Eduard, Dr. phil., Berlin.
98. Delorme, D., Minister der Republik
Haiti, Berlin.
99. Dengel, A., Dr. med., Berlin.
100. Dernbnrg, Bernhard, Bankdirector,
Berlin.
lOL Dieroiis, Gustav, Dr. phil., Gross-
Lichterfelde
102. D9nhofr-^Hedriohstein, Graf, Friednch-
stein bei Löwenhagen, Ostpreussen.
103. D5nitz, W., Prof., Dr. med., Berün.
104. Drawe, Rittergutsbesitzer, Saskozin
bei Praust, Westpreussen.
105. Dfimiehen, Prof. Dr., Strassbnrg im
Elsass.
106. Dzieducziecky, Graf, Lemberg, Galizien.
107. Eben, A., Dr. med., 8an.-Rath, Berlin.
108. Ehlers, Dr. med., Berlin.
109. Ehrenhaiis,S., Dr., Sanitätsrath, Berlin.
110. Eisel, Robert, Gera.
111. Ellis, Havelock, London, EIngland.
112. EMie, H., Kön. Baurath, Prof., Berlin.
113. Engel, Hermann, Dr. med., Berlin.
114. Eperjesy, Albert ?on, K. K. Oesterr.
Ranunerherr, Rom.
115« Erokert, Roderich von, Generallieut-
nant a. D., Exe, Berlin.
1 16. ErdmiMi, Max, Gymnasiallehrer, Mün-
chen.
17. Ewald, Ernst, Professor, Director des
R. Ronstgewerbe-Museums, Berlin.
18. Ewald, J. W., Prof. Dr., Mitglied der
Akademie d. Wissenschaften, Berlin.
19. Eyrich. Emil, Maler, Berlin.
20. Falb, Rudolf, Berlin.
21. Fasbender, H., Prof. Dr. med., Berlin.
22. Felkin, Robert W., Dr. med., Edin-
burgh.
23. Feyerabend, Dr. phil., Görlitz.
24. Finciih, Theodor, Raufmann, Stuttgart.
25. Finn, W., Ron. Translator, Berlin.
26. Fischer, Dr., Marinestabsarzt, z. Z.
auf Reisen.
27. Fischer, Rarl, Dr.roed., Lenzen a. Elbe.
28. Fischer, Wilhelm, Dr., Realgymnasial-
director a. D , Bernburg.
29. Fischer, Dr. phil., Berlin.
30. Fischer, Louis, Rentier, Berlin.
31 . Flaeschendraeger, Fabrikdirector, Dem-
min.
32. Flesch, Max, Prof., Dr. med., Frank-
furt a. Main.
33. Fraas, Professor Dr., Stuttgart.
34. Fränkel, Bernhard, Prof. Dr., Berlin.
35. Fränkel, Isidor, Dr. med., Berlin.
36. Freund, G. A., Dr. phil., Berlin.
37. FHedel, Ernst, Stadtrath, Berlin.
38. Friederich, Dr., Ober-Stabsarzt a. D.,
Dresden.
39. FHedländer, Heinr., Dr., Berlin.
40. FHedländer, Immanuel, stud. min.,
Berlin.
41. Friednuinn, Paul, Privatgelehrter,
Berlin.
42. Frisch, A., Druckereibesitser, Beriin.
43. Fritsch, Gustav, Prof., Dr. med., Berlin.
44. Fritsch, R. E. 0., Architect, Berlin.
45. Fronhäfer, G., Major a. D., Berlin.
46. Flirstenhein, Ernst, Dr., Sanitätsrath.
Berlin.
47. Fnrtwaengler, Dr. phil., Prof., Berlin.
48. Gericke, Wilhelm, Dr. med., Berlin.
49. Gesenins, F., Stadtältester, Director
des Berl. Pfandbriefamts, Berlin.
50. Qiebeler, Carl, Ingenieur, Berlin.
51. Gärke, Franz, Raufmann, Berlin.
52. Goäs, Apotheker, Soldin.
53. 69tz, Q., Dr., Obermedicinalrath, Neu-
strelitz.
(9)
154. 89tze, Alfred, Dr. phU., Berlin. 1 185.
155. 65tze, Hugo, Bürgermeister a. D., ' 186.
Berlin. j 187.
1 56. Goidschmidt, Leo B. H., Banquier, Paris. ' 1 88.
157. Goldsobmidt, Heinr., Banquier, Berlin.
158. Ckiidschmidt, Lerin, Prof. Dr., Geh.
Justizrath, Berlin. 189.
1 59. 6oid8tficker, Eug.,Verlagsbuchhändler, |
Berlin. 190.
160. Goltdammer, Ed., Dr., Geh. San.-Kath,
Berlin. 191.
161. Gottschalk, Sigi8mund,Dr.med., Berlin. 192.
162. Grawitz, Paul, Professor, Dr. med.,
Greifswald. 198.
163. Grempler, Wilhelm, Dr., Geh. Sanitäts-
rath, Breslau. 194.
164. Grossmaim, Adolf, Dr. med., Sanitäts-
rath, Berlin. 195.
165. Grabe, W., Dr. phil., Directorial-Assi- 196.
Stent am Kgl. Museum für Völker-
kunde, Berlin. 197.
166. Grubert, Dr. med., Palkenberg, Pom- 1
mem. 1 198.
167. Gniiiwedei, Albert, Dr. phil., Direeto- 1 199.
rial- Assistent am Kgl. Museum für ' 200.
Völkerkunde, Berlin. 201.
168. Gronow, A., Buchhalter, Berlin.
169. GHbitz, Erich, Dr. med., Breslau. 202.
170. Gfinther, Carl, Photograph, Berlin.
171. Gfiterbook, Bruno, Dr. phü., Berlin. 203.
172. Güterbook, Paul, Dr. med., Medicinal- 204.
rath, Berlin.
173. Güsserow, A., Geh. Med.-Rath, Prof. 205.
Dr., Berlin.
174. GIS80W, Prof., Berlin. 206.
175. Gnttmanii, S., Dr. med.. Geh. Sanitäts- 207.
rath, Berlin. 208.
176. Gymnasiimi, Rönigl. Luisen-, Berlin. 209.
177. Haacke, Dr., Sanitätsrath, Stendal. 210.
178. Hagenbeok, Karl, Hamburg. 211.
179. Hahn, Eduard, Dr. phil., Berlin.
180. Hahn, Eugen, Geh. San.-Rath, Prof. 212.
Dr., Dir. im allgem. städt. Rranken-
hause, Berlin. 213.
181. Hahn, Gust., Dr., Oberstabs- u. Regi-
mentsarzt, Berlin. 214.
182. Hahn, Dr. med., Stabsarzt, Spandau.
183. Hahn, Oscar, Fabrikant, Berlin. 215.
184. Handtmann, E., Prediger, Seedorf bei 216.
Lenzen a. Elbe, Westpriegnitz. 217.
Hansemann, David, Dr. med., Berlin.
Hansemann^ Gustav, Rentier, Berlin.
Harck, F., Dr. phil., Berlin.
Hardenberg, Freiherr von, Majorats-
Herr in Schlöben bei Roda, S. Alten-
burg.
Harseim, Wirkl. Geheimer Kriegsrath,
Berlin. •
Hartmann, Herm., Dr., Oberlehrer,
Landsberg a. W.
Hartmann, Martin, Professor, Berlin.
Hartmann, Rob., Professor Dr., Geh.
Med.-Rath, Berlin.
Hartwich, Karl, Apotheker, Tanger-
münde.
Haselberg, Rudolf von, Dr., Sanitäts-
rath, Stralsund.
Hattwich, Emil, Dr. med., Berlin.
Hauohecorne, W., Dr., Geh. Bergrath,
Dir. d. K. Bergakademie, Berlin.
Heck, Dr., Director des zoologischen
Gartens, Berlin.
Heimann, Ludwig, Redakteur, Berlin.
Heintzel, C, Dr., Lüneburg.
Heiimann, Gustav, Dr. phil., Berlin.
Hempel, G., Fabrikbesitzer, Pulsnitz
bei Dresden.
Henning, R., Prof. Dr., Strassburg im
Elsass.
Henooh, Anton, Raufmann, Berlin.
Hermes, Otto, Dr. phil., Director des
Aquariums, Berlin.
Herter, E., Dr. med., Docent an der
Universität, Berlin, z. Z. Neapel.
Herzberg, Ph., Dr. med., Berlin.
Hesselbarth, Georg, Dr. med , Berlin.
Heyden, August von, Prof., Berlin.
Hiigendorf, F., Dr. phil., Berlm.
Hilie, Dr. med., Strassburg im Elsass.
Hirsohberg, Julius, Dr. med., Professor,
Berlin.
Hirschfeld, Ernst, Dr. med., Oberstabs-
und Regimentsarzt, Berlin.
Hitzig, Dr., Prof., Geh. Med.-Rath,
Halle.
Holder, von, Ober-Medicinalrath, Dr.,
Stuttgart.
H«ner, F., Zahnkünstler, Berlin.
Hom, 0., Dr., Kreisphysicus, Tondem.
Horwitz, Dr., Justizrath, Berlin.
(10)
218. Hoslus, Prof. Dr., Münster in West- . 258.
falen. '
219. Humbert, Wirkl. Geh. Legationsrath, I 259.
Berlin. 260.
220. Ideler, Geh. Sanitätsrath, Dr., Wies-
baden. 261.
221. Israel, Oskar, Dr. med., Priratdocent, 262.
Berlin. •
222. Itzig, Philipp, Berlin. 263.
223. Jacob, Georg, Dr. phil., Assistent an
der königl. Bibliothek, Berlin. | 264.
224. Jacobsthal, E., Prof., Charlottenborg.
225. Jaoubowski, Stud. pharm., Berlin. 265.
226. Jänicke, Ernst, Kaufmann,, Berlin. 266.
227. Jaff6, Benno, Dr. phil, Berlin. 267.
228. Jagor, Fedor, Dr., Berlin.
229. Jahn, Ulrich, Dr. phil., Berlin. 268.
230. Jannasoh, R., Dr. jor. et phil., Berlin. 269.
231. Jaqoet, Dr., Geh. Sanitätsrath, Berlin.
232. Jensen, Christian, Lehrer, Oevenum, 270.
Pöhr. 271.
233. Jentsch, Hugo, Dr., Oberlehrer, Guben. 272.
234. Joest, Ed., Geh. Oommerzienrath, Cöln.
235. Joest, Wilhelm, Prof. Dr., Berlin. 273.
236. Jelly, Dr. med., Professor, Berlin.
237. Joseph, Max, Dr. med., Berlin. 274.
238. Jürgens, Rud., Dr. med., Berlin. 275.
239. Junker, Wilhelm, Dr., z. Z. in Wien. , 276.
240. Kahlbaun, Dr. med., Director, Görlitz. I
241. Kallsoher, G., Dr. med., Berün. ' 277.
242. Kaiifnann, Riehard von, Prof. Dr., 278.
Berlin. 279.
243. Keller, Jean, Weingrosshändler, Berlin.
244. Keller, Paul, Dr., Berlin. 280.
245. Kerb, Moriz, Kaufmann, Berlin. • 281.
246. KlrchhofT, Piof. Dr., HaUe a. S. 282.
247. Klaar, W., Raufmann, Berlin. (
248. Knesebeck, Baron von dem, Land- 283.
rath, Karwe bei Neu-Ruppin. 284.
249. Kooh, R., Prof. Dr., Geh. Med.-Rath, 285.
Berlin. 286.
250. K9hl, Dr. med., Worms. : 287.
251. Köhler, Dr. med., Posen. 288.
252. K5nig, C. A., Kaufmann, Berlin. 289.
253. Körte, Dr., Geh. San.-Rath, Berlin.
254. Kofier, Friedrich, Rentier, Darmstadt. 290.
255. Korth, Karl, Hotelbesitzer, Berlin. >
256. Krause, Aurelius, Dr. phil., Berlin. 291.
257. Krause, Eduard, Conserrator am K.
Mus. f. Völkerkunde, Berlin.
Krause, Hermann, Dr. med., Prof.,
Berlin.
Krehl, Gustar, Kaufmann, Berlin.
Kroner, Moritz, Dr. med., Sanitätsrath,
Berlin.
Kronthai, Karl, Dr. med , Berlin.
KrzyianowskI, W. von. Probst, Ka-
mieniec bei Wolkowo, Prov. Posen.
Kuchenbuch. Franz, Amtsgerichtsrath,
Müncheberg.
Kanne, Karl, Buchhändler, Charlotten-
burg.
Kuhn,M., Dr. phil., Friedenau b. Berlin.
Kuntze, Otto, Dr. phil., Kew, London.
Kurtz, F., Prof. Dr., Cordoba, Repü-
blica Argentina.
Kusohel, Oberst a. D., Berlin.
Kusserow, H. von, Kön. Preuss. Ge-
sandter, Hamburg.
Lachmann, Georg, Kaufmann, Berlin.
Lachmann, Louis, Baumeister, Berlin.
Lachmann, Paul, Dr. phil., Fabrik-
besitzer, Berlin.
Lahr, Dr. med.. Geh. San.-Rath, Prof.,
Schweizerhof bei Zehlendorf.
Landau, H., Bankier, Berlin.
Landau, Leop., Dr. med., Berlin.
Landau, W., Freiherr von, Dr. phil.,
Berlin.
Lange, Henry, Prof. Dr., Berlin.
Lange, Julius, Kaufmann, Spandau.
Langen, Königl. Landbau -Inspoctor,
Berlin.
Langen, A., Captain, Mannheim.
Langerhans, P., Dr. med., Berlin.
Langerhans, Robert, Dr. med., Privat-
docent, Berlin
Langhotr, Eduard, stud. theol., Berlin.
Lasard, Ad., Dr., Director, Berlin.
Lassar, O., Dr. med., Berlin.
Lazarus. Moritz, Prof. Dr., Berlin.
Le Coq, A. von, Berlin.
Lehmann, Karl F., Dr. phil., Berlin.
Lehnebach, Adolf, Kais. Oberlehrer.
Mülhausen i. Elsass.
Lehnerdt, Dr. med.. Geh. Sanitätsrath,
Berlin.
Leiningen -Neudenau, Graf Emich zu,
Premier- Lieutnani im GJarde-Füs.-
Reg., Berlin.
(11)
292. Lenke, Elisabeth, Berlin. 330.
293. Leitz, Freiherr t., Rittmeister, Berlin.
294. Leo, F. A., Professor, Dr., Berlin. 331.
295. Lesser, Adolf, Dr., gerichtl. Stadt- 332.
physikus, Breslau.
296. Leseer, Robert, Bankdirector, Berlin, j 333.
297. Leseier, Paul, Consul, Dresden. 334.
298. Lewln, Georg, Prof. Dr., Geh. Med.- j
Rath, Berlin. 335.
299. Lewin, Leop., Dr. med., Geh. Sanitäts- 336.
rath, Berlin. j
300. Lewln, Moritz, Dr. phü., Berlin. ' 337.
301. Liebe, Th., Professor Dr., Berlin. 338.
302. Uebe, Professor, Gera. 339.
303. Uebenow, W., Geh. Rechnungsrath, 340.
Berlin.
304. Liebemann, F. ron, Dr. med., Berlin. 341.
305. Liebemann, B., Geh. Commerzienrath,
Berlin. ' 342.
306. Llebermann, Felix, Dr., Berlin. 343.
307. Liebemann, Karl, Prof. Dr., Berlin.
308. Uebemann, Louis, Rentier, Berlin. 1 344.
309. Liebreich, Oscar, Prof. Dr., Berlin. 345.
310. Uman, Prof. Dr., Geh. Med.-Rath,
Berlin. 346.
311. Uneiie, Rentier, BerUn. 347.
312. Ueea, Dr. med., Sanitätsrath, Berlin. ! 348.
313. L«w, E., Dr., Oberlehrer, Berlin. i 349.
314. LSwenbeim, Ludw., Kaufmann, Berlin.
315. Lücae, Dr. med., Professor Berlin. 350.
316. Lfidden, Karl, Dr. med.. Wollin, Pom- 351.
mem. 352.
317. LIbe, Dr., Oberstabsarzt, Königs-
berg i. Pr. 353.
318. LIbreen, Dr., Generalconsul, Odessa. 354.
319. Lnsoban, F. von, Dr. med. et phil., 355.
Direktorial- Assistent am Kgl. Museum
für Völkerkunde, Berlin. 356.
320. Maat, Heinrich, Kaufmann, Berlin.
321. Maas, Julius, Kaufmann, Berlin. 357.
322. Maase, Karl, Dr. med., Oberstabsarzt,
Berlin. 358.
323. Magnus, P., Prof. Dr., Berlin. 359.
324. Mantey, Otto, Dr. med., Beriin. 360.
325. Marasee, 8., Dr. phil., BerUn. i361.
326. Marouee, Dr. med.. Geh. San.-Rath, 362.
Berlin. 363.
327. Maronee, Louis, Dr. med., Berlin. 364.
328. Maronse. Siegb., Dr. med., Berlin. 365.
329. Maregrair, A., Stadtrath, Berlin. 366.
Marimon y Tudö, Sebastian, Dr. med.,
Sevilla.
Martens, E. von, Prof. Dr., Berlin.
Martbe, Friedrich, Dr. phil., Prof.,
Berlin.
Martin, A. E., Dr. med., Berlin.
Manila, Karl J., Prof., Neutitschein,
Mähren.
Matz, Dr. med., Stabsarzt, Berlin.
Meitzen, August, Professor Dr., Geh.
Reg.-Rath, Berlin.
Mendel, E., Dr. med., Prof., Berlin.
Menger, Henry, Dr. med., Berlin.
Menzel, Dr. med., Charlottenburg.
Merke, Director des städt. Kranken-
hauses, Moabit.
Meyer, Dr. med., Geh. Sanitätsrath,
Osnabrück.
Meyer, Adolf, Buchhalter, Berlin.
Meyer, Alfred G., Dr., Oberlehrer,
Berlin.
Meyer, Hans, Dr., Leipzig.
Meyer, Moritz, Dr., Geh. Sanitäts-
rath, Berlin.
Meyer, Richard M., Dr. phil., Berlin.
Meyerhof, Wilhelm, Kaufmann, Beriin.
Miee, Josef, Dr. med., Berlin.
Minden. Georg, Dr. jur., Syndikus des
städt. Pfandbriefamts, Berlin.
Möbiüs, Geh.Reg.-R.,Prof.Dr., Beriin.
Möller, H., Professor Dr., Berlin.
Moser, Hofbuchdrucker, Charlotten-
burg.
Moses, S., Dr. med.,San.-Rath., Berlin.
Mooh, Matthäus, Dr., Wien.
Mühlenbecli, Gutsbesitzer, Gr.- Wach*
lin bei Stargard (Pommern).
Miibsam, Eduard, Dr. med., Sanitäts-
rath, Berlin.
MQIIer, Erich, Regierungs- und Ver-
waltungsrath b. d. Kgl. Museen, Berlin.
MOIIer-Beeek, Georg, Nagasaki, Japan.
Müler, Friedrich, Dr. phil., Berlin.
Malier, Louis, Dr. phil., Berlin.
MOIzel, Gustav, Thiermaler, Berlia.
Munk, Hermann, Prof. Dr., Berlin.
Museum, für Völkerkunde, Leipzig.
Museum, Provinzial-, Halle a. S.
Muth, Julius, Lieutenant, Berlin.
Nathan, Heinrich, Kaufmann, Berlin.
(12)
367. Nathanson, F., Dr. med., Berlin. 400.
368. Nehring, A., Prof. Dr., Berlin.
369. Neuhauss, Richard, Dr. med., Berlin. 401.
370. Neomayer, G., Professor Dr., Wirkl. 402.
Admiralitätsrath, Hamburg. 403.
371. NlendorfT, Oscar, Amtsgerichtsrath,
Berlin. 404.
372. Nothnagel, A., Prof., Hofmaler, Berlin.
373. Oesten, Gustav, Oberingenieur der 405.
Wasserwerke, Berlin. 406.
374. Olshausen, Otto, Dr. phil , Berlin. 407.
375. Oppenheim, Max Freiherr von, Dr. jur., 408.
Regierungsreferendar, Berlin. 409.
376. Orth. A., Prof. Dr., Berlin. 410.
377. Oebome, Wilhelm, Rittergutsbesitzer, 411.
Dresden.
378. Oeke, Ernst, Vereid. Makler, Berlin. 412.
379. OseowidzkI, Dr. med., Oranienburg, 413.
Reg.-Bez. Potsdam. 414.
380. Päteoh, Johannes, Dr. med., Prof., 415.
Berlin. ;
381. Palm, Julius, Dr. med., Berlin. !416.
382. Ränder, Dr. phil., Prof., Hankow, China
383. Pauli, Gustav, Berlin. ,417.
384. Pflagmaoher, E., Dr. med., Oberstabs- ,418.
arzt, Spandau. 419.
385. Pfuhl, Fritz, Dr., Königl. Gymnasial- 1 420.
Oberlehrer, Posen.
386. Philipp, Paul, Dr. med., Kreisphysikus, 421.
Berlin. 422.
387. Pippow, Dr., Regierungs- und Medi-
cinalrath, Erfurt. 423.
3H8. Polenz, 0., Geh. Reg.-Rath, Berlin. 424.
389. Ponfick, Dr. med., Prof., Geh. Med.- 425.
Rath, Breslau. 426.
390. Pringsheim, N., Prof., Geh. Reg.-Rath,
Dr., Berlin. 427.
391. Proohnow, Apotheker, Gardelegen. 428.
392. Pudll, H., Baudirector, Bilin in 429.
Böhmen.
393. Quedenfeldt, M., Premierleutnant a. D., 1 430.
Berlin.
394. Rabl-ROckhard, H., Prof. Dr., Ober-
r
Stabsarzt, Berlin. 431.
395. Raeohkow» F., Dr. med., Berlin.
396. Rarnoh, Oberst a. D., Charlottenburg. 432.
397. Reioheahelm, Ferd., Berlin.
398. Reinhardt, Dr., Oberlehrer, Rector, 433.
Berlin.
399. Reite. Wilhelm, Dr. phil., Berlin 434.
Remak, E. J., Dr. med., Privatdocent,
Berlin.
Richter, Berth., Banquier, Berlin.
Richter, Isidor, Banquier, Berlin.
RIchthofen, F., Freiherr von, Professor
Dr., Berlin.
Rieck, Dr. med., San.-Rath, Köpenick
bei Berlin.
Rieck, R., Raiserl. Stallmeister, Berlin.
Riedel, Bemh., Dr. med., Berlin.
Riedel, Paul, Kaufmann, Oranienburg.
Rizal, Don Jose, Dr. med., Madrid.
Ritter, W., Banquier, Berlin.
Rohel, Ernst, Dr. phil., Berlin.
RSckl, Georg, Regierungsrath am
Kaiser!. Gesundheitsamt, Berlin.
Röhl, von, Assessor Dr., Berlin.
Rdner, Hermann, Senator, Hildesheim.
R58tel, Hugo, Rentier, Berlin.
Röwer, Karl, Dr. med., Neustrelitz,
z. Z. auf Reisen.
Rohlfs, Gerh., Dr., Kaiserl. General-
consul, Godesberg.
Roeenberg, Robert, Kaufmann, Berlin.
Rosenkranz, H., Dr. med., Berlin.
Roeenthal, L., Dr. med., Berlin.
Roth, Wilhelm, Dr. med, Generalarzt
Dresden.
Rüge, Karl, Dr. med., Berlin.
Rage, Max, Dr. phil., Steglitz bei
Berlin.
Rüge, Paul Dr. med., Berlin.
RMyter, Gustav de, Dr. med., Beriin.
Saawon, Alb., Banquier, Berlin.
Sander, Wilh., Dr. med., Medicinal-
rath, Dalldorf bei Berlin.
Sarasin, Fritz. Dr. phil., Berlin.
Saratln, Paul, Dr. phil., Berlin.
Sauer, Hermann, Dr., Rechtsanwalt,
Berlin.
Saarma-Jeltsch, Baron von, Kaiser!.
Deutscher Gesandter, Haag. Nieder-
lande.
Schadenberg, Alex., Manila, Philip-
pinen.
Sohedel, Joseph, Apotheker, Yoko-
hama, Japan.
Sohellhae, P., Dr. jur., Gerichts-
Assesson Berlin.
Schemel, Max, Fabrikbesitzer, Guben.
»s^9mmmmmfmmß
(13)
435. $chierenberg,G.A.B.,Luzern, Schweiz. 467.
436. Schillmann, R., Dr., SchulYorsteher, 468.
Berlin.
437. Schinz, Hans, Dr., Seefeld, Zürich. 469.
438. Sohirp, Freiherr Fritz von, Berlin. 470.
439. Sohiesinger, H , Dr. med., Berlin.
440. SchlSssingk, Georg, Dr. jur., Berlin. 471.
441. Schmidt, Colmar, Landschaftsmaler, 472.
Berlin.
442. Scluildt,Emil,Dr.med., Prof., Leipzig. 473.
443. Schmidt, Oscar, Dr. med., Berlin. 474.
444. Schdier, H., Dr. med., Prof., Berlin. 475.
445. SohSne, Richard, Dr., Wükl. Geh.
Ober-Reg.-Rath, Generaldirector der 476.
Rönigl. Museen, Berlin. 477.
446. SohSnlanlc, William, General-Consul, 478.
Berlin. 479.
447. Schötensacii, 0., Dr., Heidelberg. 480.
448. Schroter, Dr. med., Eichberg, Rhein-
gan. 481.
449. Schobert, W., Kaufmann, Berlin. 482.
450. Schätz, W., Dr. med., Prof., Rector 483.
der thierärztl. Hochschule, Berlin.
451. Schütze, Alb., Academischer Künstler, 484.
Berlin.
452. Schulenbirg, Reinhold von, Lieute- 485.
nant a. D , Berlin. 486.
453. Schlitze, Oscar, Dr. med., Sanitäts- 487.
rath, Berlin. 488.
454. Schlitze, Wilhelm, Dr. med., Sanitäts- 489.
ratk, Stettin.
455. Schlitze, Rentier, Berlin. 490.
456. Schumann, Hugo, pract. Arzt, Löcknitz
in Pommern. 491.
457. Schwabacher, Adolf, Banquier, Berlin. 492.
458. Schwartz, Albert, Hof- Photograph,
Berlin. 493.
459. Schwartz, W., Prof. Dr., Gymnasial- 494.
director, Berlin.
460. Schwarzer, Dr., Grubenbesitzer, Zilms- 495.
dorf bei Teuplitz, Kr. Sorau.
461. Schweinfirth, Georg, Prof. Dr., Berlin, 496.
z. Z. auf Reisen. 497.
462. Schweitzer, Dr. med., Daaden, Kreis
Altenkirchen. 1 498.
463. Schwerin, Ernst, Dr. med., Berlin.
464. Schwetschiie, Ulrich, Verlagsbuch- 1 499.
händler, Halle a. Saale.
465. Sebes, Heinrich, Berlin. I 500.
466. Seier, Eduard, Dr., Steglitz b. Berlin. ;
Siebold, Heinrich von, Berlin.
Siegmund, Gustav, Dr. med.. Geh. San.-
rath, Berlin.
Siehe, Dr. med., Kreisphys., Oalau.
Siemens, Werner v., Dr. phil.. Geh.
Reg.-Rath, Charlottenburg.
SIemering, R., Prof., Bildhauer, Berlin.
Sieraiiowekl, Graf Adam, Dr. jur.,
Waplitz bei Altmark, Westpreussen.
Siesicind, Louis J., Rentier, Berlin.
Simon, Th., Banquier, Berlin.
Sinogowitz, Eugen, Apotheker, Ghar-
lottenburg.
Sökeland, Hermann, Berlin.
Sommerfeld, Sally, Dr. med., Berlin.
Sonnenburg, Dr. med., Prof., Berlin.
Souchay, Weinhändler, Berlin.
Spitzly, John H., Ofßcier van gezond-
heid 2. Rl, z. Z. London.
Staudinger, Paul, Naturforscher, Berl in.
Steohow, Dr., Stabsarzt, Berlin.
Steinen, Karl von den, Dr. med. et
phil., Marburg.
Steinen, Wilhelm von den, Maler,
Düsseldorf.
Steinthal, Leop., Banquier, Berlin.
Steinthal, H., Prof. Dr., Berlin.
Stell, Dr. med., Zürich.
Straosmann, Maurermeister, Berlin.
Strauch, Corvetten-Capitän, Wilhelms-
hafen.
Strebel, Hermann, Kaufmann, Ham-
burg, Eilbeck.
Strecker, Albert, Kreissecretär, Soldin.
Struck, H., Dr. med., Geh. Gber.-Reg.-
Rath, Berlin.
StUbei, Alfons, Dr., Dresden.
Tappeiner, Dr. med., Schloss Reichen-
bach bei Meran.
Taubner, Dr. med., Provinzial-Irren-
anstalt, Neustadt, Westpreussen.
Teige, Paul, Hof-Juwelier, Berlin.
Teschendorff, E., Prof., Geschichts-
maler, Berlin.
Thorner, Eduard, Dr. med., Sanitäts-
rath, Berlin.
Thunig, Domänenpächter, Kaiserhof
bei Dusznik, Prov. Posen.
TImann, F., Dr. med., Oberstabsarzt,
Potsdam.
(1*)
533. Weidenlianiner, Dr. med., Marinestabs-
arzt, WilhelmshaTen.
534. Waigel, Max, Dr. phil., Direktonal-
Assistent am Rgl. Museum fÜrVölker-
501. Tischler, Otto, Dr., Director des Pror.-
Museums der physik.-ökonom. Ge-
sellschaft, Königsberg i. Pr.
502. THel, Max, Raufmann, Berlin.
503. Tolmateohew, Nicolaus, Dr. med., Pro- 1 künde, Berlin.
fessor, Kasan, Russland. 535. Weigelt, Gurt, Dr. phil., Berlin.
504. T5r5k, Aurel von, Prof. Dr., Director , 536. Weinliold, Dr. phil., Geh. Kegierungs-
d. anthrop. Museums, Budapest. , rath, Professor, Berlin.
505. Travcrs, G., Kais. Deutscher Minister- , 537. Weinitz, Franz, Dr. phil., Berlin,
resident z. D., Punchal, Madeira. 538. Weisbaoli, Valentin, Bankier, Berlin.
506. Treichel, A., Rittergutsbesitzer, Hoch- 539. Weise, H., Professor, Geh. Reg.-Rath,
Paleschken bei Alt-Kischau, "Westpr. j Berlin.
507. Utile, Max, Dr. phil., Kötzschenbroda. 1 540. Wendeler, Paul, Oekonom u. Brauerei-
508. Ulrich, R. W., Dr. med., Berlin. , beaitzer, Soldin.
509. Umlaoff, J. F. G., Hamburg. 541. Welssteln, Hermann, Reg.-Baumeister,
510. Unnihe-Bomst, Freiherr von, Landrath, ; Düsseldorf.
Wollstein, Fror. Posen. 542. Weneierckl-Kwilecki, Graf, Wrobiewo
511. Vater, Moritz, Dr., Oberstabsarzt, bei Wronke, Pro v. Posen.
Spandau. 543. Werner, F.,Dr.med.,8an.-Rath,Bcrlin.
512. Verein, anthropologischer, Hamburg- 544. Werner, Georg, Dr. med., Unterarzt,
Altona, Hamburg. Berlin.
513. Verein, Alterthams-,Dürkheim vorder 545. Wessely, Hermann, Dr. med., Sanitäts-
Hardt. - rath, Berlin.
514. Verein der Alterthumsfreunde, Genthin. ' 546. Wetzelein, Gottfried, Dr., Oonsul a. D.,
515. Verein, historischer, Bromberg. Berlin.
516. Verein, historischer, der Grafschaft 547. Wlechel, Hugo, Abtheilungs-Ingenieur,
Ruppin, Neu-Ruppin. Leipzig.
517. Verein, Museums-, Lüneburg. 548. Wllke, Theodor, Rentier, Guben.
518. Virchcw, Hans, Dr. med., Prof., Berlin. ' 549. Wilmanns, Hilmar, Vice-Consul der
519. Virchcw, Rudolf, Dr. med., Professor, I ver. Staaten von Mexico, Berlin.
Geh. Med.-Rath, Berlin. ' 550. Wilskl, H., Director, Rummelsburg
520. Vdbcrth, Dr. med., Sanitätsrath, Berlin. bei Berlin.
521. Vclmer, Dr. med.. Geh. Sanitätsrath, 551. Wittgenstein, Wilhelm von, Guts-
Berlin. besitzer, Berlin.
522. Vcriänder, H., Rittergutsbesitzer, 552. Wittniack, L., Prof. Dr., Berlin.
Dresden. 553. Wcitf, Max, Dr. med., Prof., Berlin.
523. Vcee, Albert, Dr. med., Director der 554. WutzerH., Dr. med., San.-Rath, Berlin,
vaterländischen Abtheilung des Kgl. 555. Zabel, Dr., Gymnasiallehrer, Guben.
Museums für Völkerkunde, Beriin. 556. Zadek, Ignaz, Dr. med., Berlin.
524. Wacker, H., Oberlehrer, Berlin. 557. Zandt, Walther, Freiherr von, Prem.-
525. Wagner, Adolf, Fabrikant, Berlin. Leutnant, Berlin.
526. Waiden, R., Beriin. 558. Zenker, Wilhelm, Dr. med., Kreis-
527. Waideyer, Dr. med., Prof., Geh. Med.- , physikus a. D., Bergquell-Frauendorf
Rath, Beriin. bei Stettin.
528. Wanjnra, Arthur, Beriin. 559. Zierold, Rittergutsbesitzer, Mietzel-
529. Wankel, Heinrich, Dr. med., Olmütz. felde bei Soldin.
530. Wattenliach.Wilhelm, Prof. Dr., Berlin. 560. Zintgratf, Eugen, Dr. jur., Detmold,
531. Weber, W., Maler, Beriin. , z. Z. in Kamerun.
532. Weeren, Julius, Prof. Dr., Charlotten- [ 561. Zilzer, W., Dr. med., Prof., Beriin.
bürg.
(15)
Uebersicht der der Gesellschaft durch Tausch oder als
Geschenk zugehenden Zeitschriften. 1. Januar 1891.
I. Deutschland,
nach Städten alphabetisch geordnet.
1. Berlin. Amtliche Berichte aus den königlichen Kunstsammlungen.
2. Veröffentlichungen aus dem königlichen Museum für Völkerkunde (1 u.
2 T. d. Generaldirection der königlichen Museen).
3. Zeitschrift für Erdkunde.
4. Mittheilungen von Porschungsreisenden und Gelehrten aus den deutschen
Schutzgebieten.
5. Verhandinngen der Gesellschaft für Erdkunde (3—5 v. d. G. f. E.).
6. Jahrbuch der königl. geologischen Landesanstalt (v. d. G. L.).
7. Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie (t. d. Hydrogra-
phischen Amt der kais. Admiralität).
8. Verhandlungen der Berliner medicinischen Gesellschaft (r. d. B. m. G.).
9. Berliner Missions-Berichte (v. Hm. Bartels).
10. Nachrichten für und über Kaiser Wilhelmsland und den Bismarck-
Archipel (v. d. Neu-Guinea-Compagnie).
11.- Die Flamme. Zeitschrift zur Förderung der Feuerbestattung im In-
und Auslande (v. Hm. R. Virchow).
1 2. Photographische Nachrichten (v. d. Freien Photographischen Vereinigung).
13. Jahresbericht des Directors des Königl. Geodätischen Instituts (t. Hm.
R. Virchow).
14. Comptes rendus des seances de la commission permanente de Tasso-
ciation geodesique internationale (v. Hm. R. Virchow).
15. Mittheilungen aus der historischen Literatur.
16. Verwaltungsbericht über das Märkische Provinzial - Museum (v. d.
Director).
17. Verhandlungen des deutschen Greographentages (r. Hrn. C. Künne).
18. Bonn. Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden (v. d. V. v. A.).
19. Brandenburg a. d. H. Jahresberichte des Historischen Vereins (v. d. H. V.).
20. Braunschweig. Archiv für Anthropologie (v. Hm. Friedrich Vieweg nnd
Sohn).
21. Globus, niustrirte Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde (v. Hrn.
Künne).
22. Bremen. Deutsche Geographische Blätter.
23. Jahresberichte des Vorstandes der Geographischen Gesellschaft (22 u.
23 V. d. G. G.).
24. Abhandlungen, herausgegeben von dem naturwissenschaftlichen Verein.
25. Breslau. Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift (v. d. Museum Schlesischer
Alterthümer).
26. Cassel. Mittheilungen an die Mitglieder des Vereins für Hessische Geschichte
und Landeskunde.
27. Zeitschrift des Vereins f. H. G. u. L. (26 u. 27 v. d. V. f. H. G. u. L.).
,(16)
28. Colmar. Bulletin de la Societo d'histoire naturelle (v. d. S.).
29. Danzig. Bericht über die Verwaltung der naturwissenschaftlichen, archäologi-
schen und ethnologischen Sammlungen.
30. Schriften der Naturforschenden Gesellschaft (29 u. 30 v. d. N. G.).
31. Dresden. Sitzungsberichte und Abhandlungen der Naturwissenschaftlichen
Gesellschaft Isis (v. d. N. G. I.).
32. Emden. Jahrbuch der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische
Alterthümer (v. d. G.).
33. Gi essen. Mittheilungen des Oberhessischen GeschichtsYcreins (v. d. O. G.).
34. Görlitz. Neues Lausitzisches Magazin (v. d. Oberlausitzischen Gresellschaft
der Wissenschaften).
35. Jahreshefte der Gesellschaft für Anthropologie und Ui^schichtc der
Oberlausitz (v. d. G.).
36. Gotha. Dr. A. Petermann's Mittheilungen aus Justus Perthes Geographi-
scher Anstalt (v. Hrn. Künne).
37. Ergänzungshefte zu 36 (werden angekauft).
38. Grcifswald. Jahresberichte der Geographischen Gesellschaft (r. d. G. G.).
39. Jahresberichte der Rügisch-Poramerschen Abtheilung der Gesellschaft für
Pommersche Geschichte und Alterthumskunde (?. d. G. f.P. G. u. A.).
40. Halle u. S. Mittheilungen des Vereins für Erdkunde (v. d. V. f. E.).
41. Hamburg. Verhandlungen des Vereins für Naturwissenschaftliche Unter-
haltung (v. d. V. f. N. ü.).
42. Hannover. Jahresbericht der Geographischen Gesellschaft (v. d. G. G.).
43. Heilbronn. Internationale Zeitschrift für allgemeine Sprachwissenschaft (von
Hm. F. Techmer).
44. Jena. Mittheilungen der Geographischen Gesellschaft für Thüringen (v. Hm.
M. Bartels).
45. Kiel. Mittheilungen des Anthropologischen Vereins in Schleswig-Holstein.
46. Bericht des Schleswig-Holsteinischen Museums vaterländischer Alter-
thümer (v. d. M.).
47. Königsberg i. Pr. Sitzungsberichte der Altcrthumsgeselischaft Pmssia (v. d.
A. G. P.).
4H. Schriften der Physikalisch-Oekonomischen Gesellschaft (v. d. Ph.-Oe. G.)
49. Leipzig. Bericht für das Museum für Völkerkunde (v. d. G. f. V.).
50. Halbjahrsbericht der deutschen Gesellschaft zur Erforschung vaterländi-
scher Sprache und Alterthümer (v. d. d. G. z. E. v. S. u. A.).
51. Lübben. Mittheilungen der Niederlausitzer Gesellschaft für Anthropologie und
Urgeschichte (v. d. N. G. f. A. u. U.).
52. Mannheim. Sammlung von Vorträgen, gehalten im Mannheimer Alterthums-
Verein (v. d. M. A.-V.).
53. Metz. Jahresberichte des Vereins für Erdkunde (v. d. V. f. E.).
54. München. Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns (v. d. G. f.
A. u. U).
55. Jahresberichte der Geographischen Gesellschaft (v. d. G. G.).
56. Prähistorische Blätter (v. H. J. Naue).
57. Neu- Brandenburg. Jahresbericht über das Museum in Neu-Brandenburg
(v. d. M.).
58. Nürnberg. Mittheilungen aus dem Germanischen Nationalmuseom.
59. Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums (58 u. 59 v. d. G. N.-M.).
(17)
60. Posen. Posener Archäologische Mittheilungen. Herausgegeben von der Archäo-
logischen Comraission der Gesellschaft der Freunde der Wissen-
schaften (y. d. G. d. F. d. W.).
61 . Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen (v. d. H. G.).
62. Schwerin. Jahrbücher und Jahresberichte des Vereins für Meklenburgische
Geschichte und Alterthumskunde (herausgegeb. v. d. V. f. M.G. u. A.).
63. Stettin. Baltische Studien.
64. Monatsblätter. Herausgegeben von der Gesellschaft für Pommersche
Geschichte und Alterthumskunde (63 u. 64 v. d. G. f. P. G. u. A.).
65. Stuttgart. Das Ausland. Wochenschrift für Länder- und Völkerkunde (von
Hm. Künne).
66. Jahresbericht des Württemberg. Vereins f. Handelsgeographie (v. d. V.).
67. Trier. Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst.
68. Correspondenzblatt für Geschichte und Kunst (67 u. 68 v. d. G. f. n. F.).
69. Weimar. Zeitschrift für wissenschaftliche Geographie (v. Hm. J. J. Kettler).
70. Wiesbaden. Annalen des Vereins für Nassauische Alterthumskunde und
Geschichtsforschung (v. d. V. f. N. A. u. G.).
IL Earop&isctaes Aasland,
nach Ländem und Städten alphabetisch geordnet.
Belgien.*
71. Brüssel. Bulletins de TAcademie Royale des Sciences, des Lettres et des
Beaux-Arts de Belgique.
72. Annuaire de TAcademie Royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-
Arts de Belgique (71 u. 72 v. d. Ac. R.).
73. Bulletin de la Societe d' Anthropologie (v. d. S. S. d'A.).
74. Lüttich. Bulletin de Tlnsütut archeologique Liegeois (v. d. I.).
Dänemark«
75. Kopenhagen Memoires de la Societe Royale des Antiquaires du Nord.
76. Aarböger for nordisk Oldkyndighed og Historie.
77. Nordiske Fortidsminder, udgevne af det Kgl. Nordiske Oldskrift Selskab
(75—77 V. der Gesellsch.).
78. Reykjavik (Island). Arbok til hid Islenzka fomleifafelag (v. d. L f.).
«
Finland.
79. Helsingfors. Journal de la Societe Finno-Ougrienne. (Suomalais-Ugrilaisen
Seuran Aikakauskiija.)
8(). Memoires de la Societe Finno-Ougrienne. (Suomalais-Ugrilaisen Seuran
Toimitukria.)
81. Finska Fornminnesföreningens Tidskrift (79 — 81 durch Hrn. Aspe 1 in).
Frankreleh.
82. Lyon. Bulletin de la Societe d'Anthropologie (v. d. S. d'A.).
83. Archives du Museum d'histoire naturelle (v. d. M.).
84. Paris. L' Anthropologie. (Materiaux poar Thistoire de l'homme, Revue
d' Anthropologie, Revue d'Ethnographie r^unis.) (v. d. Verleger).
85. Memoires de la Societe d^ Anthropologie.
86. Bulletins de lu Societe d' Anthropologie (v. d. S. d'A.).
87. Annales du Musee Guimet.
Verhandl. der Berl. Anthropol. Geselkchafl 18i»l. 2
(18)
88. Paris. Revue de Thistoire des religions (87 u. 88 v. d. Ministöre de Tln-
struction publique).
89. Actes de la Societe philologique (t. d. 8.).
Griechenland.
90. Athen. AeKriov rv^q i^opooj; x*t e^vokoytKviq rrcitpici; rij^ *£XXa^o; (t. d. Histori-
schen und Ethnologischen Gesellschaft von Griechenland).
Grossbritannien.
91. Edinburgh. The Scottish Geographical Magazine (y. d. Sc. G. Society).
92. London. The Journal of the Anthropological Institute of Great Britain and
Ireland (v. d. A. I.).
93. Proceedings of the Royal Geographical Society (v. Hm. C. Kttnne).
Italien.
94. Bologna. Atti e Memorie della Reale Depntazione di storia patria per le
provincie di Romagna (y. d. R. D.).
95. Memorie della R. Academia delle Scienze.
96. Rendiconto delle sessioni della Reale Accademia delle Scienze del
Istituto di Bologna (v. d. R. A.).
97. Florenz. Archivio per FAntropologia e la Etnologia (v. Hm. F. Mantegazza).
98. Bullettino della Sezione Fiorentina della Societa Afiicana d'Italia (yon
d. S. A.).
99. BoUettino di Publicazione Italiane.
100. Neapel. BoUettino della Societa Africana d'Italia (y. d. S. A.).
101. Parma. Bullettino di Paletnologia Italiana (y. Hm. L. Pigorini in Rom).
102. Rom. Bullettino deiristituto, Mittheilungen des Kaiserlich Deutschen Archäo-
logischen Instituts (y. d. D. A. I.).
103. Atti della Reale Academia dei Lincei.
104. Notizie degli scayi di antichita (103 u. 104 v. d. R. A. d. L.).
105. BoUettino deUe opere moderne e straniere.
106. Turin. Gosmos (y. Hm. G. Cora).
Niederlande.
107. Leiden. Intemationales Archiy für Ethnographie (y. Hm. P. W. M. Trap).
Norwegen.
108. Kristiania. Aarsberetoing fra Poreningen til Norske Fortidsmindesmerkers
beyaring.
109. Kunst og Handyerk fra Norges Fortid (108 u. 109 y. d. üniyersitets
SamUng af nordiske Oldsager).
Oesterreieh-ÜDgam.
110. Budapest. Mathemathische und natnrwissensch. Berichte aus Ungarn (y. d.
Akademie).
111. Ungarische Reyue.
112. Archaeologiai ^Irtesitö (y. d. Anthropologisch -archäologischen GeseU-
schaft).
113. Ethnographische Mittheilungen aus Ungarn (y. Hm. A. Hermann).
114. Herraannstadt. Archiy des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde
115. Jahresbericht des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde (114 and
115y. d.V.).
116. Krakau. Anzeiger der Akademie der Wissenschaften (y. d. A.)*
117. Laibach. Mittheilungen des Museal -Vereins für Krain (y. d. M.-V.).
(19)
118. Prag. Pamdtky archaeologicke a mistopisne (y. d. Museum Kegni Bobemiae).
1 1 9. Jahresbericht der Lese- und Redehalle deutscher Studenten (v. d. L. u. R.).
120. Triest. Atti del Museo civico di storia naturale.
121. BoUettino della Societd Adriatica di Scienze naturali (v. d. S.).
122. Wien. Annalen des K. K. Naturhistorischen Hofmuseums (v. d.M.).
123. Mittheilungen der Wiener Anthropologischen Gesellschaft (v. d. A. A.).
124. Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik (v. Hrn. C. Ktinne).
125. Mittheilungen der prähistorischen Commission der kaiserlichen Aka-
demie der Wissenschaften (v. d. Pr. C).
Portugal«
126. Lissabon. Boletim de la Sociedade de Geographia (y. d. S.).
127. Porto. Rerista de Sciencias Naturaes e Sociaes (v. d. Sociedade Carlos
Ribeiro).
Bnmftnien«
128. Bucarest. Analele Academiei Romane (t. d. A.).
129. Jassy. Archira d. Societatii ^ciinjifice fi Literare (v. d. S.).
Ragsland*
130. Dorpat. Sitzungsberichte der gelehrten Estnischen Gesellschaft.
131. Verhandlungen der gelehrten Estnischen Gesellschaft (130 und 131
T. d. G.).
132. Moskau. Tagebuch der anthropologischen Abtheilung. (Nachrichten der
kaiserlichen Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaftieo.)
(y. Hrn. Anutschin).
133. St. Petersbucg. Das lebendige Alterthum. Periodische Schrift der ethnol.
Abtheilung d. k. russ. geogr. Gesellschaft (russisch.)
134. Sitzungsprotocolle der Russischen Anthropologischen Gesellschaft
(russisch) (v. d. G.).
135. Warschau. Wisla. M. Geograficzno-Etnograficzny (y. d. Red.).
Schweden.
136. Stockholm. Antiqyarisk Tidskrift for Syerige.
137. Teckningar ur Syenska Statens Historiska Museum.
138. Akademiens Mänadsblad (136 — 138 y. d. Kongl. Vitterhets Historie og
Antiqyitets Akademien).
139. Samfundet för Nordiske Museet främjande Meddelanden, utgifna af
Artur Hazelins.
140. Handlingar angHende nordiske Museet (139 u. 140 y. Hrn. Hazelius).
Schweiz*
141. Aarau. Fernschau (y. d. Mittelschweizerischen Geographisch -Commerziellen
Gesellschaft;.
142. Hottingen-ZUrich. Antiqua (y. Hm. Forrer).
143. Neuchätel. Bulletin de la Societe Neuchäteloise de Geographie (y. d. S.).
144. Zürich. Anzeiger fOr Schweizerische Alterthumskunde.
145. Mittheilmngen der Antiquarischen Gesellschaft (y. d. A. G.).
III. America*
146. Boston (Mass. U. S. A.). Proceedings of the Boston Society of Natural
History (y. d. S.).
147. Buenos-Aires (Argentinische Republik). Anales del Museo Nacional (y.d.M.).
2»
(20)
148. Caracas (Venezuela). Revista cientifica mensual de la Uniyersidad central
de Venezuela (v. Hrn. Ernst).
149. Cördoba (Argentinische Republik). Actas de la Academia Nacional de Ciencias.
150. Boletin de la Academia Nacional de Ciencias (149 u. 150 v. d. A.).
151. Davenport (Iowa U. S. A.). Proceedings of the Davenport Academy of
Natural Sciences (v. d. A.).
152. Halifax (Nova Scotia, Canada). Proceedings and Transactions of the Nora
Scotian Institute of Natural Science (v. d. L).
153. Mexico. Mittheilungen des deutschen wissenschaftlichen Vereins (t. d. V.).
154. New-York. Bulletins of the American Oeographical Society (t. d. 8.).
155. Philadelphia (Penn*a ü. S. A.). Proceedings of the Academy of Natural
Sciences (v. d. A.).
156. Proceedings of the American Philosophical Society (v. d. S.).
157. Transactions of the Wagner Free Institute of Sciences.
158. Rio de Janeiro (Brasilien). Archivos del Museo Nacional (t. d. M.).
159. Santjago (Chile). Verhandlungen des deutschen wissenschaftlichen Vereins
(v. d. V.).
160. San Jose (Costa Rica). Anales del Museo Nacional (v. d. M.).
161. Toronto (Canada). Proceedings of the Canadian Institute.
162. Annual Report of the Canadian Institute (161 u. 162 v. d. C. I.).
163. Washington (D. C. U. S. A.). Annual Report of the Smithsonian Institution.
164. Report upon ü. S. Geographica! surveys West of the 100^ Meridian.
165. Annual Report of the Geological Sunrey.
166. Report of the Geological Survey of the Territories.
167. Bulletin of the ü. S. Geological and Geographica!* Sunrey of the Terri-
tories (163—167 T. d. Smithson. L).
168. Annual Report of the Bureau of Ethnology (y. d. Bureau of Ethnol.).
169. The American Anthropologist (y. d. Anthropol. Society of Washington).
170. Bulletin of the ü. S. National Museum.
171. Proceedings of the U. S. National Museum.
IT. Asien.
172. Batayia. Tijdschrifl yoor Indische Taal-, Land- en Volkenkunde.
173. Notulen yan de Algemeene en Bestuursyergaderingen yan het Bata-
yiaasch Genootschap yan Künsten en Wetenschappen.
174. Verhandlingen yan het Batayiaasch Genootschap yan Künsten en
Wetenschappen (172—174 y. d. G).
175. Bombay. The Journal of the Anthropological Society (y. d. S.).
176. Calcntia. Epigraphia Indica and Record of the Archaeological Sunrey of India.
177. Shanghai. Journal of the China Brauch of the Royal Asiatic Society (y. d.S.}.
178. Tokio. Mittheilungen der deutschen Gesellschaft fttr Natur- und Völker-
kunde Ost-Asiens (y. d. G.).
179. Memoirs of the Ldterature College, Uniyersity of Japan.
180. The Calendar, Imperial uniyersity of Japan (152 u. 153 y. d. L ü. o. J.).
V. AastraUen.
181. Adelaide. Report on the progress and condition of the Botanic Garden
(y. Hm. R. Schomburgk).
182. Sidney. Report of the trustees of the Australian Museum.
183. Records of the Australian Museum (182 u. 183 ?. d. M.).
Ausserordentliche Sitzung rom 10. Januar 1891.
Vorsitzender Hr. Virchow.
(1) Vorsitzender:
Als ich in der letzten Sitzung am 20. December in meinem Jahresrückblick
die Reihe unserer Ehrenmitglieder musterte, konnte ich noch mit hoffnungsreichem
Blick auf die Arbeiten hinschauen, welche der unermüdliche Schi ie mann in dem
gegenwärtigen Jahre auszuführen gedachte. Mit welcher FVende und mit welchem
Gefühl innerer Befriedigung hatte er noch am 14. Dec. mit uns die neu aufgestellte
Schlicmann-Sammlung durchwandert und seine Wünsche dargelegt, wie der noch
in Athen befindliche grössere Theil der trojanischen Funde nach seinem Tode in
Berlin aufgestellt werden solltet Sein letzter Brief an mich aus Paris ?om 17.
hatte fortschreitende Besserung seines Gehörs und die unmittelbar bevorstehende
Abreise nach Neapel gemeldet, von wo er zu den Seinen zurückkehren wollte.
Wie hinfällig ist der Mensch! wie trügerisch seine Berechnungen! Die Seinen
sollten nur seine Leiche wiedersehen. Am 26. December machte ein schneller Tod
seinem Sehnen und Hoffen, seinem Arbeiten und Forschen auf immer ein Ende.
Meine Nachrichten aus Neapel ergeben, dass er sich dort in gewohnter Weise
und trotz aller Warnungen, ohne Rücksicht auf das rauhe Wetter, anhaltend mit
Kenntnissnahme der neuen Verhältnisse beschäftigte. Am 25. war er in der deutschen
zoologischen Station, scheinbar ohne Sorge, voll von Interesse für die Einrichtungen
der Station und das Leben der Meeresbewohner; er klagte über nichts, als über
die Empfindung, als sei im Ohr etwas Verstopfendes zurückgeblieben. Darüber
hatte er schon hier geklagt und zur Beseitigung dieses Zustandes von mir verlangt,
ich solle das Ohr ausräumen. Ich hatte es ablehnen müssen, etwas Eingreifendes
zu unternehmen, da er darauf bestand, schon in wenigen Stunden die Reise nach
Paris anzutreten. Aber in Paris hatte er einen Ohrenarzt consultirt und dieser
hatte ihm, wie er mir schrieb, ausser einer grösseren Menge von Jodoformpulver,
das er selbst sich eingeblasen, „eine Masse^ von Knochenstückchen herausgeholt.
Eb kann wohl kaum zweifelhaft sein, dass schon damals Caries des Gehörganges
bestanden hat Nichtsdestoweniger blieb er in Neapel in voller Aktion. Am 25.,
als Morgens 9 Uhr Herren von der zoologischen Station ihn in seinem Hotel be-
suchen wollten, war er schon ausgegangen. Aber an demselben Tage wurde er am
Ende des Toledo bewusstlos auf der Strasse gefunden und der Arzt, zu dem man
ihn endlich brachte, constatirte eine halbseitige (gekreuzte) Lähmung und ausser-
dem schwere Bronchitis. Auf der Fahrt nach dem Hotel kehrte das ßewusstsein
noch einmal zurück: er wollte, wie immer, den» Kutscher bezahlen. Auf seinem
Zimmer aber fiel er wieder in Bewusstlosigkeit zurück, aus der er nicht mehr
erwachen sollte. Es wurde noch eine operative Eröffnung des Warzenfortsatzes
aasgeführt, wonach viel Eiter ausfloss, aber auch eine starke Blutung erfolgte.
Vei^geblich! Der Zustand verschlimmerte sich immer mehr. Am Nachmittage des
(22)
folgenden Tages trat der Tod ein. Keiner der Seinigen, kein Freund konnte an
seinem Sterbebette sein! Einsam in der Fremde mosste er aus dem Leben scheiden!
Seitdem ist die Leiche nach Athen gebracht worden und am letzten Sonntag,
2 Tage vor seinem 69. Geburtstage, sollte sie bestattet werden. Zwei Lorbeerkränze,
einer im Namen der Gesellschaft, einer in dem meinigen auf den Sai^ gelegt,
werden gezeigt haben, dass alle unsere Gedanken bei den Leidtragenden waren.
Der Vorstand unserer Gesellschaft hat beschlossen, in einer besonderen Trauer-
feier das Gedächtniss unseres berühmten Ehrenmitgliedes, des treuen Freundes
und Genossen, zu erneuem. Wir haben die archäologische Gesellschaft und die
Gesellschaft für Erdkunde eingeladen, sich mit uns zu dieser Feier zu vereinigen.
Unser correspondirendes Mitglied, Hr. V. Gross in Neuveville, hat mir ein
grosses, von ihm aufgenommenes photographisches Portrait des Verstorbenen über-
sendet. Ich übergebe dasselbe zur dauernden Erinnerung der Gesellschaft
Ebenso ist uns als Geschenk unseres ordentlichen Mitgliedes, des Hrn. Hof-
photographen Schwartz, ein von ihm bei Gelegenheit der Nürnberger General-
versammlung (1887) aufgenommenes photographisches Gruppenbild zugegangen, auf
welchem sich die Gestalt unseres dahingeschiedenen Freundes in besonders ge-
lungener Naturwahrheit darstellt.
Die Herren Germain Bapst zu Paris, Milchhöfer in Münster, G. Hirsch-
feld in Königsberg, H. Cohn in Breslau haben in besonderen Zuschriften ihr Bei-
leid schriftlich ausgedrückt.
Die athenische S^eitschrift To \mJ hat in einer reich illustrirten Nummer die
Bildnisse des Verstorbenen und seiner Gattin nebst einer Uebersicht seiner besten
Funde veröffentlicht.
In Deutschland ist wohl keine politische oder literarische Zeitung erschienen,
die nicht in eingehender Weise die Verdienste Schliemann^s geschildert und
dem allgemeinen Schmerle Ausdruck gegeben hat
(2) Et. A. V. Hey den übersendet unter dem 1. Januar folgendes Schreiben in
Betreff der
trojanischen Aegis-Urne.
In der Sitzung vom 25 October, der ich leider nicht beiwohnen konnte, macht
Hr. Dr. Krause in Gleiwitz brieflich auf den Fransengürtel einer von Schliemann
gefundenen Vase aufmerksam und weist darauf hin, dass dieselbe zur Erklärung
der Stelle Ilias 2, 447 dienen könne, in welcher die Aegis beschrieben wird.
Ebenso erkläre die Vase auch die Stelle Ilias XIV, 181.
Beide Hinweisungen sind längst bekannt. In den Abhandlungen des archäo-
logisch-epigraphischen Seminars der Universität Wien, herausgegeben von O. Benn-
dorf und E. Bormann, Heft VL 1886. L Theil hat Dr. tVanz Studniczka S. 121 ff.
diese Fransenbehänge am Gürtel der Aphrodite und der Aegis ausführlich abge-
handelt, auch Schliemann's Vasen erwähnt und noch mehr Beweisstücke fOr
dieselbe Erklärung, welche Hr. Dr. Krause giebt, angeftlhrt.
Auch in meiner ^Tracht der Kulturvölker Europas^ beziehe ich mich auf diese
homerischen Franseugürtel, also bereits 1889. —
Der Vorsitzende dankt für die interessanten Hinweise, glaubt aber die Ori-
ginalität der Deutung des Hm. Krause als zweifellos betrachten zu dürfen. Bei
der grossen Fülle der archäologischen Arbeiten sei ein solches üebersehen wohl
zu entschuldigen.
(23)
(3) Im Anschlüsse an seine frühere Mittheilung (Verh. 1890. S. 473) theilt
das Bureau des internationalen geographischen Congresses, der im An-
fang August zu Bern stattfinden soll (Präsident Dr. Gobat, Secretär C. H. Mann),
unter dem 20. December mit, dass mit dem Congress eine grosse Ausstellung ver-
bunden sein soll.
(4) Die Kaiserliche Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaften, der
Anthropologie und Ethnographie an der Universität Moskau erlässt, in Erfüllung
eines, auf dem prähistorischen Congress in Paris 1889 ausgedrückten Wunsches, die
Einladung zu einem internationalen Congresse für Anthropologie, prä-
historische Archäologie und Zoologie in Moskau im August 1892. Als
Präsident des Organisations-Comitcs zeichnet Hr. Anatole Bogdanow, als Präsi-
denten der Commission für wissenschaftliche Arbeiten die Herren Dmitri Anu-
tschin und Nicolas Zograff.
(5) Der Hr. Unterrichtsminister tibersendet mittelst Erlasses vom 8. Januar
das erste Heft des IX. Bandes des Jahrbuchs der Gesellschaft für bildende
Kunst und vaterländische Alterthümer zu Emden zur Kenntnissnahme.
Dasselbe enthält unter Anderem einen Bericht des Hrn. Germelmann über die
bei Herstellung der Canalisation der Stadt 1885 — 87 gemachten Funde von archäo-
logischer Bedeutung, die freilich sehr spärlich und imbedeutend waren.
(6) Der Vorsitzende legt Nr. 1 der Amtlichen Berichte aus den Königlichen
Kunstsammlungen vom 1. Januar vor, worin auf S. VI — X eine kurze Uebersicht
der von der anthropologischen Gesellschaft an die vorgeschichtliche Abtheilung
des Museums für Völkerkunde aus ihrer Sammlung abgelieferten prähistorischen
Gegenstände gegeben ist.
(7) Nach einem Bericht der Heidelberger Zeitung hat am 28. December t. J.
zu Heidelberg eine Versammlung von Vertretern von Preussen, Bayern, Württem-
bei^, Baden imd Hessen, sowie der Akademien von Berlin und Mtlnchen statt-
gefunden, um, dem Auftrage der betreffenden Regierungen entsprechend, für die
einheitliche Erforschung des römischen Grenzwalles in Deutschland
Vorschläge und Kostenveranschlagungen aufzustellen. Es wurde die Niedersetzung
einer Commission beschlossen; die Leitung der Arbeiten selbst soll zweien Diri-
genten, von denen der eine Archäolog oder Architekt, der andere Militär ist, und
unter diesen einer Anzahl von Strecken-Commissaren übertragen werden. Für die
Ausführung der Arbeiten wurde ein Zeitraum von 5 Jahren in Aussicht genommen.
Der Vorsitzende begrüsst das, freilich etwas spät in Angriff genommene Unter-
nehmen als ein immerhin sehr dankenswerthes. Der Eifer, mit dem überall in
Deutschland, auch ausserhalb der Linie des Limes, die Erforschung der römischen
Reste betrieben wird, bürgt dafür, dass es an freiwilliger Hülfe nicht fehlen wird.
(8) Hr. A. Nehring überschickt unter dem 2. Januar folgendes Schreiben, be-
treffend die
altpreussische Wirthschaftsgeschichte.
Beifolgend erlaube ich mir, einige vorläufige Bemerkungen zu Otto Hein 's
Abhandlung über „Altpreussische Wirthschaftsgeschichte bis zur Ordens-
zeit", Theü n, abgedruckt im 5. Hefte der Zeitschrift für Ethnologie 1890, 8. 173 ff.
zu übermitteln:
(24)
Die auf Jagd, Fischerei und Viehzucht bezüglichen Angaben sind ohne alle
Berücksichtigung der reichen Fände aus dem Pfahlbau des Szontag-Sees (zwischen
Lötzen und Lyck) gemacht worden. Abgesehen von sonstigen Publicationen, welche
von Mitgliedern des Alterthums -Vereins „Prussia*' zu Königsberg herrühren, ver-
weise ich auf meinen Aufsatz über „die Fauna eines masurischen Pfahl-
baus", welcher am 7. October 1888 in der „Naturwissenschaftlichen Wochenschrift"
(herausgegeben von H. Potonie) erschienen und an viele Interessenten verschickt
worden ist. Ich verweise ferner auf meine Bemerkungen in diesen Verh. 1888.
8. 342 f. und auf meinen Artikel über „die Jagdthiere eines masurischen
Pfahlbaus aus der älteren Bronzezeit" in der hiesigen Neuen Deutschen
Jagd-Zeitung vom 22. December 1888.
Hinsichtlich der wilden Pferde verweise ich auf meine ausführliche Arbeit über
„Fossile Pferde aus deutschen Diluvial-Ablagerungen und ihre Beziehungen zu den
lebenden Pferden", Berlin 1884, hinsichtlich des Bos primigenius auf meine Mit-
theilungen in diesen Verh. 1888. 8. 222 flf.
Wunderlich ist die Meinung Hein's, dass sich ausser Bären, Luchsen und
Bibern auch die Hermeline aus Preussen zurückgezogen haben sollen. Dieses
ist vollkommen unrichtig! Wie in ganz Deutschland, so giebt es auch in Preussen
noch heutzutage zahlreiche Hermeline (Foetorius erminea R. u. Bl.). —
Der Vorsitzende bemerkt, es gäbe auch sonst manche Ursache, an noch
anderen Theilen jener Arbeit Kritik zu üben, so namentlich an den Ausführungen
über die prähistorische Chronologie und an der höchst summarischen Darstellung
der verschiedenen Artefakte; es sei aber doch als ein Fortschritt anzuerkennen,
dass dieses höchst wichtige und in seiner Art sehr eigenartige Gebiet einmal in
zusammenhängender Darstellung in Angriff genommen sei. Ein weiterer Ausbau
werde sich leicht herstellen lassen.
(9) Hr. Richard Andree überreicht in einem an Hm. Voss gerichteten Briefe
aus Heidelberg, 3 1 . December, aus dem Nachlasse seines Vaters folgende Abhandlung
des verstorbenen Rath, der lange in San Paulo in Brasilien lebte, über
die Begräbnisse der jetzt lebenden brasilianischen Eingebomen.
Die sogenannten Curanteiros der Guaycurus legen ihre Todten auf die blosse
Erde und bedecken sie alsdann mit Zweigen, Holz, Rindenstücken oder auch mit
Schilfmatten. Darüber wird dann etwa 2 Fuss hoch Erde geschüttet und auf diese
Erdschicht legt man die Waffen und das sämmtliche Hausgeräth des Todten; dar-
über kommt abermals eine Matte und dann nochmals Erde und Stein. Dieser
Begräbnissplatz wird nun nicht wieder besucht, ausgenommen, wenn ein neues Be-
gräbniss stattfindet.
Die Ouaycurus theilen sich in 3 Klassen: 1) Edellcute oder Hauptleute, Joage
genannt, 2) Krieger, mit den vorigen von demselben Stamm, und 3) Sklaven, welche
von verschiedenen Horden abstammen, d. h. aus allen denjenigen Horden, welche
um ihren Jagdkreis herum wohnen. Mit diesen mischen sie sich, wie bekannt,
durchaus nicht, dazu sind sie zu stolz. Sie theilen sich in 7 Stämme ein, wovon
jeder seinen eigenen Namen hat Ihre Namen sind: Chagoti'os, Pacachodeo, AdioiH),
Aliadeo, Oteo, Landeo, Cadioeo.
Ihre Hauptnahrung ist Fleischspeise, sie essen alle Thiere, das Pferd aus-
genommen. Hornvieh wird hauptsächlich gezogen, die Bullen aber sogleich, wie
(25)
Schafböcke, Ziegen und Hunde, kastriri Sie ziehen sehr viele Hühner, Oänse,
Enten, Pavos u. s. w. Alle diese Thiere werden sehr zahm.
Sie glaaben an einen Schöpfer der Welt, zollen ihm aber keine Art von An-
betung. Sie glauben an ein anderes Wesen, was sie Nanigogigo heissen. Diesem
schreiben sie allerlei Fatalitäten zu, die ihnen begegnen. Sie haben keine Idee
von einer Zukunft, wo das Gute vergolten und das Böse bestraft wird, wohl haben
sie aber einen festen Glauben, dass ihre Anführer, ihre Edelleute und ihre Zauberer,
welche sie Onequenitos nennen, nach dem Tode in jene von allen üraraerikanern
geträumten Campos der Freude und des Vergnügens gelangen, während die Seelen
des Volkes in der Nähe ihrer (der Hauptleute) Gräber herumschweben und Wache
halten, wobei sie der Nanigogigo unterstützt.
Sie glauben, dass dieser Nanigogigo mit den Zauberern und Aerzten, den
Onequenitos, im Einverständnisse sei. Den Aberglauben unterhalten überhaupt bei
allen Völkern der Erde diejenigen, welche sich herausnehmen, die Anderen glauben
zu machen, dass sie mit dem höchsten Wesen in unmittelbarer Verbindung stehen.
Sie leben in Frieden mit den Brasilianern, sind kriegerisch und stolz. Sie er-
innern an die in Nordamerika lebenden Indianer. Auch sind sie gute Reiter, wie
die Patagonier und die Nordamerikaner.
Bei ihren Verheirathungen halten sie grosse Gelage mit Tanz und allen Arten
von bei ihnen gebräuchlichen Speisen und Getränken; ganz dasselbe findet bei den
Begräbnissen statt. Die Krieger, besonders ihre Anführer und Priester, die ja
allein Hoffnung auf ein Jenseits haben, werden mit aller Sorgfalt geschmückt und
aufgeputzt: sie allein bekommen reichliche Speisevorräthe mit auf die Reise,
welche ja die Anderen nicht machen, viel weniger die Weiber und Sklaven. Je-
doch werden die Jungfrauen festlich geschmückt. —
Die verschiedenen Stämme der Ingraegnungs, Tabayas oder Botocu-
dos lassen sich durch die besondere Namensendigung kraus oder gez erkennen,
z. B. Capikrans, Samekrans, Paremekrans, Xomokrans, Macaumekrans oder Procobgez
und Craygez (Tymberas da Canella ftna oder Gamellas); von den verschiedenen
anderen Tribus werden sie jedoch mit ebenso viel verschiedenen Namen genannt,
wie Aimores, Potentas, Gnatacas, Guaramomis, Goaregoarez, Jesara^ias, Amani-
paqucs, Payeas, Tapuyas. Es ist dasjenige Volk, welches als ein urstämmiges
von allen Indianern genannt wird und das am meisten gefürchtete von der Ent-
deckung an bis heute war und ist. Es sind diejenigen Stämme, welche der Kate-
chisirung und Givilisation sich hartnäckig entgegengestellt haben. Ihre Sprache ist
verschieden von der aller anderen Stämme. Bei den, in ihrem Urzustände ver-
harrenden Menschen finden sich auch die grössten Analogien der uralten Begräbniss-
weisen mit denen dieses Stammes, obgleich bei vielen anderen Stämmen zum Theil
ähnliche Gebräuche stattfinden. Sie allein sind wahre freie Menschen.
Vasconcellos sagt in seiner Beschreibung von Brasilien p. 34, dass die
Portugiesen lange in dem Zweifel beharrten, ob die Tapuyas oder Botocudos
wegen ihrer Hässlichkeit wirkliche Menschen seien. Dazu mag ihr acht cannibali-
sches Thun und Treiben beigetragen haben. Sie sind wirklich die hässlichsten
Menschen in Brasilien, wozu ihre dunklere, braunrothe Hautfarbe (Bronze), ihre
meist sehr breitgedrückte Nase, die schiefstehenden Augen, die breiten, hervor-
stehenden Backenknochen, der mehr viereckige Kopf, '[die 'über den Ohren rund
abgeschnittenen Haare und die bunte künstliche Färbung von Roth, [Schwarz und
Weiss, die meist kurze, gedrungene, breitschulterige^Figur und die lauernden Augen
beitragen; dazu noch die gros.sen runden Holzpflöcke in Unterlippe und Ohren, wobei
(26)
die Zähne des Unterkiefers hervorsehen, — das Alles znsammengenoroinen lässi frei-
lich einen Zweifel aufkommen, ob diese Köpfe zum Menschengeschlechte gehören
oder nicht.
Die jungen Weiber sind nicht so hässlich in ihren Gesichtszügen, wie die
alten, aus deren Gesicht jener bei allen Stämmen dear Indios in Brasilien, d. h. bei
Mädchen und jungen Weibern, stets beobachtete Zug von Freundlichkeit total ver-
schwunden ist.
Ich nehme mir nicht heraus, sie in irgend einem Charakterzuge oder in ihren
übrigen Handlungen zu tadeln, denn, von der Ursache ihrer Handlungsweise genau
unterrichtet, würden wir oft nicht besser handeln, als sie in ihren Umständen, wie
ich mich sehr oft überzeugt habe.
Bei diesen Individuen zeigt sich das Thierische, das dem Menschen angehört
und ihn auch nie verlassen wird, selbst in seinem vollkommensten Zustande. Ein
solches, die wilden Thiere übertreffendes Individuum frisst Weib und Rind, ja
selbst seinen eigenen Vater, wenn es die Umstände mit sich bringen. Eh* ist der
unversöhnlichste Feind seines eigenen Geschlechts, hat allen Menschen den Krieg
erklärt. Er ist schlau, heimtückisch, grausam, kennt keine Scham, keine Dankbar-
keit, — dies zeigt sein brutales Gesicht; dagegen ist er tapfer, verwegen und üink,
schwimmt wie ein Fisch, klettert fast wie ein Affe auf alle Bäume. Seine fünf
Sinne sind auf das vollkommenste ausgebildet Er kann wochenlang hungern und
ist dafür im Stande, an einem Tage für 8 Tage zu essen. Wenn er zu essen hat,
ist er faul, wie eine vollgefressene Schlange; wenn ihn dagegen der Hunger plagt,
ist er unermüdlich. Er ist sehr selten krank und erreicht ein Alter von 100 bis
150 Jahren.
Dies ist für Europäer unglaublich, aber hier in Brasilien selbst kann man in
allen S^eitungsblättem von 2jeit zu Zeit lesen, dass Nachkommen dieser Rasse,
welche unter den sogenannten Civilisirten lebten und leben mussten, ein solches
Alter erreichen. Diese Menschen lieben ihre Kinder über Alles, sie haben eine wahre
Affenliebe für sie. Sie leben unter sich in einer Harmonie, Reinlichkeit (aus-
genommen das Kopfungeziefer, welches für sie eine Delicatesse zu sein scheint) und
Ordnung, welche zu verwundem ist. Man wird fhigen, wie dieser Widerspruch,
wo man Vater, Weib und eigenes Kind frisst, sich vertrage mit der Liebe, der
Ordnung und dem friedlichen Zusammenleben. Wenn der Vater jedoch so alt ist,
dass er nicht mehr den oft aus Noth veranstalteten Wanderungen, wegen Verfol-
gung von Feinden u# s. w., folgen kann, so bittet er selbst darum und erst nach
vielem Heulen und Wehklagen befolgt der Sohn seine Bitte, und damit sein Körper
nicht ausgegraben und von den Feinden geschändet wird, wird er mit allen den
Ceremonien, die sie befolgen, gebraten und von der ganzen Familie und Tribus
unter Heulen und Schreien, Erzählung seiner Thaten u. s. w. aulgezehrt, der
Schädel und die Knochen verbrannt und zerschlagen, der Rest mit Waffen und
Geräthen in einen oft sehr grossen Topf gothan und vergraben. Kinder dagegen
werden nur bei Noth und Gefahr gegessen oder wenn sie sterben, und zwar nur
von der eigenen Mutter; man glaubt ihnen kein besseres Grab geben zu können,
als dasjenige, worin sie sich zuerst ausgebildet haben.
Simao de Vasconcellos sagt in seiner Chronik von Brasilien p. 53 — 54:
^Ein merkwürdiger Fall begab sich mit einem Tapuya Goagtacd (Ingraeknung).
Dieser hatte einen Erzfeind, welcher ein Anführer desselben Tribus war. Dieser
begab sich aber in eine Mission der Jesuiten-Patres, mit welcher sie in Frieden
lebten, da viele von ihresgleichen an diese verkauft waren. Dieser Tapuya ver-
(27)
folgte den Anführer bis dorthin; da hörte er, dass derselbe dort krank geworden
und darauf gestorben and beerdigt sei, wie es bei den Jesuiten Gebrauch war. Er
hatte keine Ruhe, bis er den Begrabenen ausfindig machte. Er riss ihn aus der
Erde und zerschlug ihm den Himschädel (wie es Gebrauch unter ihnen ist, wenn
sie Rache zu üben haben). Nach dieser Handlung war er zufrieden, denn seine
Ehre war gerettet und er hatte sich seinen Ruf als Tapferer wieder verschafft."
Die gefangenen Krieger werden, wenn es Alte sind, sogleich verspeist; wenn
es aber junge Leute sind, so werden sie womöglich erst gemästet und dann unter
grosser Festlichkeit erschlagen, gebraten und aufgezehrt, ihre Knochen aber auf
Haufen gelegt und der Zeit und Verwesung überlassen.
Der Kopf macht gewöhnlich eine Ausnahme, das Gehirn wird nicht gegessen,
sondern in das Feuer geworfen. Der Schädel aber wird von dem Sieger auf-
bewahrt oft sogar mit Haut und Haaren zubereitet, geräuchert und getrocknet; die
Augen- und Schädelhöhle wird mit wohlriechenden Kräutern ausgestopft;, eine
Schlinge durch den Mund gezogen und so aufgehängt. (Vor einigen Jahren wurde
ein Handel mit diesen Köpfen auf Bestellung einiger Franzosen getrieben, was
Veranlassung zu Morden gab, um diesen Bestellungen gerecht zu werden.)
Die gewöhnliche Begräbnissweise der Ingraeknungs ist folgende: Wenn es
einen der Anführer betrifft, so wird die Leiche gerade so aufgeputzt, wie im Leben,
gemalt und angethan mit allem Kriegsschmuck, in sitzende Stellung vermöge Cipos
gebracht, und zwar an der Stelle, wo er gewöhnlich geschlafen hat. Um ihn her wird
all sein Kriegs- und Speisegeräth gestellt. Tanz, Gesang und Wehklagen, Reden mit
dem Verstorbenen und Erinnerungen an die vorangegangenen Krieger imd Ver-
wandten folgen auf einander, und dies geschieht so lange, als noch Vorräthe zum Ver-
zehren da sind. Dann wird Alles dtill. Der so vorbereitete Todte wird nun mit Palm-
blättem, dann mit einigen Steinen und endlich mit von Weitem hergeholter Erde
zugedeckt; zu diesem Zwecke suchen sie einen Erdabfall, wo sie mit Leichtig-
keit die Erde auf Rindenstücke, Thierfelle und Körbe bringen können, da ihnen
wirkliche Grabewerkzeuge fehlen. Ist der Stamm sehr zahlreich, so wird auch
der Hügel proportional anwachsen. Ist das Grab in einer Gesellschaftshütte,
so wird diese ohne Weiteres von der Familie verlassen, sei das Haus noch so
gross. Das Wohnhaus ist fast immer CO — 80 Schritte lang, für etwa 30—40 Fami-
lien, mit senkrechter Fronte und nach hinten zu dachförmig von 16—18 Fuss Höhe
zur Erde laufend, eine Tiefe von 18 — 24 Fuss bildend. Oft in grosser Entfernung
wird sogleich ein neues Haus gebaut.
Geringere Personen des Stammes, sowie Weiber, welche nicht in die Campos
der Freude kommen, bedürfen weder der Speisen noch der Waffen, denn ihre Geister
oder Seelen verweilen nur so lange in der Nähe, bis die Körper ganz verwest
sind. Die Geister necken während dieser Zeit die Lebenden, welche in ihre Nähe
kommen. Die Leichen werden auf ebenem Boden mit Erde bedeckt, zuweilen aber
auch in zufällige Vertiefungen begraben, oft verbrannt und die Asche in die grossen
Töpfe gethan, die dann in der Erde vergraben werden.
Diese grossen Töpfe, Igacabas genannt, dienten früher dazu, die berauschenden
Getränke darin zu fertigen, welche bei den Festlichkeiten aller Stämme Brasiliens
figuriren. Dieselben sind 2 — Sy, Fuss hoch, haben einen kurzen Hals, eine Oeffnung
von 2 — 3, einen Bauch von 3 — 4 Fuss Weite, einen fast gar nicht flachen Boden,
sondern sind mehr zugespitzt. Sie haben einen Deckel mit Knopf, sind von rothem,
eisenhaltigem Thon, gut gebrannt und bemalt, d. h sie haben mehr oder minder
breite Linien, hier und da Rautenzeichnungen. Sie sind sehr glatt und rund gearbeitet
(28)
und haben eine Wanddicke von 1 — l'/j Zoll. Sie nehmen den Körper eines Men-
schen in der Lage anf, wie er im Mntterleibe als Foetus lag. Diese Grabnmen
findet man zufälligerweise bei Abgrabungen, auch habe ich sie öfter in den hier
sehr zahlreichen Kalkhöhlen getroffen. Bei Aus- oder Abgrabungen gehen sie
meistens ganz in Scherben; in den Höhlen findet man sie oft ganz wohl erhalten.
An dem Flusse Ribeira do Iquape bei Xirissea fand man einen viereckigen
Sarg aus Thon, gebrannt, mit Deckel, und in dem Innern Knochen. Sehr viele
Xirisicaner bezeugten mir dies, selbst habe ich denselben nicht gesehen. Er soll
zerschlagen worden sein. Ebendaselbst erhielt ich einen kleineren zerbrochenen
Topf, und an dem Einfluss des Flusses Jaguya in die Ribeira, bei der sogenannten
Portaleger, Eigenthum eines alten Herrn Peireira, fand ich selbst eine solche grosse
Orabume mit einem vollständigen Skelet darin, wie in einigen in den Höhlen
geftmdenen. Nur in einer traf ich Waffen von Stein, sowie Schmuckgegen-
stände.
Bei den Logamentos der Botocuden an dem oberen Itajahy, an der Strasse
des Südens nach Rio Grande, in der Provinz St. Gatharina, giebt es mehrere
grössere Hügel, die ein frischeres Aussehen haben und nicht mit den grossen
und alten, mit Urwald bewachsenen Hügeln zu verwechseln sind. Wie schon
bemerkt, haben die alten einen Graben ringsum, den die neueren nicht haben.
Andere Gräber waren kaum erhabene längliche Vierecke, etwas grösser, als unsere
christlichen Gräber, welche neu zugeworfen sind. Der Todte lag auf ebener Erde,
mit einer nicht sehr dicken Schicht Erde zugedeckt. Bei einigen fanden sich ver-
faulte Bogen und Keulen von Holz, Thier- und Menschenzähne, welche ehemals
aufgereiht gewesen sein mögen, wie sie heute noch im Gebrauch sind. Debrigens
wurde mir von ihnen selbst bestätigt, dass ihre Anführer, Pahys, oft sehr grosse
Hügel bekämen, weil sie zahlreich seien.
Der Geschichtsschreiber Yas CO n cell OS sagt § 148: „Der Anführer dieser In-
graeknungs ist zwischen den anderen wohl zu erkennen, denn er trägt sein Haar
so geschoren, dass es eine Krone bildet (d. h. es bleibt ein Theil der Haare auf
dem Oberkopfe in der Art stehen, dass rings um den Kopf über den Ohren das
Haar erhalten, unterwärts aber alles geschoren wird; zu jetziger Zeit haben alle
Männer diese Haartracht). Was ihn mehr auszeichnet, ist, dass er allein die Nägel
des Daumens sehr lang wachsen lassen darf, während die ersten und älteren Krieger
und Verwandte nur die Nägel der anderen Finger wachsen lassen durften. Ihre
Kinder beiderlei Geschlechts sollen nach 9 Wochen schon laufen, sowie sie eben-
falls schon schwimmen lernen, worin die Tapuyas Meister sind, wenngleich ein
Reisender das Gegentheil behauptete. Sie werden älter, als die Angehörigen aller
anderen Stämme. Die Alten werden unter ihnen in grössten Ehren gehalten, sie
gelten als Orakel; dennoch werden sie bei Noth aufgezehrt. —
Die Begräbnissweise der Aroaquis, Parasis, Bacahiris, Banibas, Puris
und der unter vielen Namen in Brasilien und dem französischen, holländischen und
englischen Guyana lebenden Ureinwohner von sehr bildungsfähigem Charakter ist
folgende, von der ich selbst Augenzeuge war; sie gleicht übrigens den anderen in
ihrem Aeusseren. Bei Todesfällen, und zwar eines Mannes, ist das Erste, dass der
nächste männliche Verwandte den Weibern die Haare so glatt als möglich von dem
Kopfe schneidet, was oft eine harte Operation ist, da dies mit Feuersteinen, scharfen
Muscheln oder Fischknochen geschieht, wenn sie noch keine Scheere oder Messer
besitzen. Hierauf überlassen sich die Weiber ihrem Schmerze, schreien und weh-
klagen, während sie den Körper des Todten waschen. Bei dieser Arbeit sprechen
(29)
sie mit ihm, erimiern ihn an Mancherlei und geben ihm Aafträge an längst
geschiedene Verwandte u. s. w. mit in das Jenseits. Je nach seinem Range
geben sie sich die grösste Mühe, ihn zu bemalen, ihm die Bart- und anderen
Haare auszuraufen, ausgenommen die Kopfhaare, wie es im Leben Sitte ist.
Hierauf wird demselben aller Staat angelegt, welcher den Krieger oder Anführer
auszeichnet, wenn er auf seinen Kriegs- und Siegesfesten ist. Dann reiben sie
ihn sorgfältig mit Copaiva- oder Mamoca-Oel ein. Ist diese Todtentoilette fertig,
so gehen sie erst an ihre eigene. Während der Schmückung des Leichnams
sind bereits die Verwandten und Freunde gekommen, um denselben zu em-
pfangen. Sie bringen ihn in eine sitzende Stellung, so dass die Ellenbogen auf
den Oberschenkeln und der Kopf in den Händen zu ruhen kommen. Damit aber der
Körf^er in dieser Stellung verbleibe, wickeln oder binden sie ihn mit Bast oder
Gipos fest, Glied an Glied. An den Füssen, dem Hals und den Handgelenken werden
Rlappergeräthe, welche aus Muscheln, Knochen, Nüssen, Samenschalen, Hufen oder
Klauen gemacht sind, angebracht, und zum ßeschluss putzt man den Oberkopf
mit dem Federschmuck, wenn der Betreifende hierzu im Leben berechtigt war;
wenn nicht, so klebt man ihm blos einige Federn in das Haar und Gesicht
Der Todte wird, solchergestalt rorbereitet, nun da aufgestellt, wo er gewöhn-
lich zu essen pflegte; vor ihn hin stellt man alle Gefässe, aus denen er ass und trank.
Dies letztere geschieht von den Weibern xmter den gebräuchlichen Ceremonien,
Schreien und Wehklagen. Unterdessen bringen die Söhne oder die nächsten männ-
lichen Verwandten alle seine Waffen, Jagd' und Fischereigeräthe, legen sie neben
den Todten und empfehlen ihm bei jedem Stück, es ja wohl zu gebrauchen und
ohne Fehlstreich die ihm begegnenden Feinde zu bekämpfen. So geschieht es bei
allen Geräthen, je nach Gebrauch und Zweck. Nach dieser Ceremonie treten die
ältesten Krieger auf, um wechselweise alle Thaten des Todten, seine Geschicklich-
keiten aller Art hervorzuheben. Dies geschieht in einem Vortrage, der am Ende
in ein Geheul ausiirtet.
Einige Reisende gaben an, dass die Indianer diese Reden in einer Art von
Gesang in Reimen vortragen, allein dies ist durchaus nicht der Fall, wie ich gar zu
oft bemerkte. Allerdings improvisiren sie und dies geht in eine monotone Sprech-
weise über, welche so klingt, als wären es Verse, da alles gleichsam frageweise
vorgetragen wird und am Ende immer eine Pause entsteht. Der Irrthum entstand
aus der Unkenntniss der Sprache Seitens der Reisenden.
Endlich bringt die Wittwe mit den anderen Frauen unter Weinen eine Art von
Danksagung den Männern dar für ihre Theilnahme und Hülfe, und fordert sie
im Namen des Geschiedenen auf, einen Abschiedstrunk zu nehmen, damit der
Verstorbene seine Reise alsobald antrete, da er unmöglich scheiden könne, so
lange seine Freunde bei ihm weilen. Sie kredenzt jedem der Männer eine Oala-
basse voll Baivas; haben die Männer getrunken, so trinken die Weiber und Kinder
ebenfalls. Das grosse Gefäss mit dem gegohrenen Getränke ans Mandioca, dem
Baivar, wird nun in die Mitte gestellt, aber in die Nähe des Verstorbenen. Es
dauert nicht lange Zeit, so ist alle Trauer verschwunden. Tanz, Gesang, Reden
zur Ehre des Verstorbenen, Nachahmung seiner Tänze u. s. w. steigern sich bis
zum Tumult.
Mit der Abenddämmerung, die sich hier schnell in Nacht verwandelt, ziehen
die Männer ab und nur die Weiber bleiben bei der Leiche, welcher sie Lecker-
bissen vorsetzen. Tanz, Essen und Trinken beginnt mit dem frühen Morgen und
dauert bis Abends und zwar so lange, als der Verstorbene dazu Lebensmittel hinter-
lassen hat
(30)
War der Verstorbene ein Anführer, so wird er in seine Hängematte eingenäht;
da, wo er gewöhnlich geschlafen, wird ein Loch gemacht, der Todte hineingesetzt,
Waffen, Geräthe und Lebensmittel rings um ihn gestellt und zuletzt ihm seine
volle Trinkschale (aus einer Ktirbisart) auf den Kopf gesetzt. Palmzweige decken
denselben und dann erst wird Erde aufgeworfen.
War der Todte ein Jüngling und besass er einen genügend grossen Topf
(Igacaba), so wird er hineingesetzt mit Allem, was sein war.
Die Weiber bleiben so lange im Hause, bis der nächste Verwandte die Wittwe,
welche nun sein Erbe ist, sowie die kleineren Kinder abholt; alsdann wird die
Hütte verschlossen und dem Verfall überlassen.
Hat jedoch der Verstorbene Anpflanzungen hinterlassen, so geht der Todten>
schmaus bei der Ernte wieder los, bis nichts von ihm ererbtes Essbare mehr vor-
handen ist.
Auf ihren Reisen machen sie für einen verstorbenen Anführer einen kleinen
Hügel von Erde über ihn, d. h. die Leiche wird auf flachem Boden mit Erde
bedeckt, wie es bei den meisten Ureinwohnern Sitte ist. Hin und wieder sollen
sie auch Leichen verbrennen und die Knochen und Asche vergraben; die Ursache
des Unterschiedes konnte ich nie erfahren.
Auch haben einige dieser Tribus die Gewohnheit, sich bei diesen Todtenfesten
die Waden gegenseitig unter Tanz und Gesang mit dreitheiligen Peitschen zu
bearbeiten, und zwar so, dass das Blut herabströmt.
Von den Coroados oder Tapes-lndier, welche in der Nähe der Campos
Quarapuavas hausten (Prov. Parana), sah ich einen ziemlich grossen Hügel, worin
der sehr berühmte Anführer Condofe begraben liegt; obwohl er sich von dem
Pater Chagus 1818 — 20 taufen Hess, glaubte er an keinen Christengott und machte
dem Pater sehr viel zu schaffen, er wollte Beweise haben u. s. w. Der Hügel hat
keinen Graben und nicht die Grösse der uralten Hügel.
(10) Hr. Virchow zeigt eine, ihm ohne Adresse durch die Post zugegangene
Blechbüchse mit einem grossen
Fruchtkuchen aas Salta, Argentinien.
Der etwa 18 rwi im Durchmesser haltende und 4 — 5 cm dicke Kuchen hat un-
gefähr die Form und Farbe eines Miniatur-Schweizerkäses und einen recht nahr-
haften Geruch. Die Substanz ist ganz trocken, etwas kömig und brüchig. Zu-
fälligerweise hatte ich Gelegenheit, das Präparat einem Sachkenner vorzulegen.
Der zufällig in Berlin anwesende Hr. Prof. Ludw. Brackebusch aus Cordoba er-
kannte darin einen sogenannten Patai. Dieser wird aus dem Hehl der Samen
der Algarrobo negro (einer Prosopis-Art) heimstellt und dient im nördlichen
Argentinien auf Reisen als gewöhnliches Nahrungsmittel. Der sehr grosse, wild-
wachsende Baam trägt unzählige Schoten, die im Herbst abfallen; dann zieht die
ganze Bevölkerung in den Wald und lebt fast allein von diesen Samen.
(11) Hr. Virchow zeigt ein frisches, mikroskopisches Präparat von
Distomom haematobiom, einem afrikanischen Parasiten.
Ein aus Südafrika zurückgekehrter Knabe, der Sohn eines Missionärs, leidet
häufig an Haematurie. Li den Blutgerinnseln finden sich, wie zuerst einer meiner
Zuhörer, Hr. Wendland, beobachtet hat, zahlreiche Eier eines Parasiten, der zu-
erst in Aegypten gefanden wurde, aber weithin durch Afrika und auch andere
tropische und subtropischen Gebiete verbreitet ist, des Distomum haematobiom oder
(31)
der ßilharzia. In diesem Falle sind lebende Embryonen in den Eiern nicht selten.
Der Brader des Knaben hat polypöse Auswüchse der Blase gehabt, von denen er
durch eine Operation mit Erfolg befreit worden ist.
(12) Das correspondirende Mitglied, Hr. de Marchesetti, berichtet in einem
an Hm. Virchow gerichteten Briefe aus Triest, 23. December pr., über seine
Ansgrabiingeii in S. Lucia und Istrien, namentlich über die Aufflndang von
Umenharz.
„Ich habe in diesem Sommer weitere 520 Gräber in S. Lucia geöffnet, wo-
durch die Summe von 2631 erreicht wurde. Ausser den gewöhnlichen Sachen
wurden mehrere Neuigkeiten gefunden, so z. B. ein partiell Bestatteter, dem der
obere Theil des Körpers fehlte und der mit einer Bronzesitula, 2 Schlangenfibeln,
einer Lanze u. s. w. ausgestattet war. Auch heuer gewann ich eine grosse Aschenume
in Form einer Amphore (ähnlich derjenigen, deren Exhumirung Sie vor 2 Jahren
theilweise beiwohnten), die, ausser der Situla und mehreren Beigaben, 2 prächtige
Glasgefässe enthielt. Noch ein drittes Olasgefass kam in den diesjährigen Grabun-
gen zum Vorscheine, so dass ich bereits 5 dieser in der Hallstattzeit so seltenen
erfasse Ton S. Lucia besitze. Interessant scheint mir noch die Auffindung eines
Pferdes, dessen Kopf nebst dem Zaume mit zahlreichen, ehemals auf Riemen be-
festigten eisernen Beschlägen (Borchien) und Ringen sehr zierlich geschmückt war.
An seinem Halse hing ausserdem eine grosse bronzene Bulle.
„In mehreren der Bronzegefässe fand man eine gelbliche harzige Substanz, die
ich nicht bestimmen kann und die exotischer Herkunft zu sein scheint. Ich er-
laube mir, Ihnen davon eine kleine Probe zu schicken, in der Hoffnung, dass es
Ihnen gelingen wird, ihre Natur zu erkennen.
„Weitere Grabungen habe ich in Caporetto (Karfreit) gemacht, wo ich wieder
141 Gräber öffnete, die manche Neuigkeiten lieferten. Es ist mir auch gelungen,
zwei neue, der Hallstattperiode angehörende Grabfelder zu entdecken, wovon eines
ebenfalls im Idriathale bei St. Veits berg, das andere nicht weit von Triest liegt.
„Bei Begehung einiger südistrianischen Castellieri traf ich eine Menge
von Hügelgräbern, die ich nächstes Jahr zu eröffnen gedenke. Vielleicht werden
sie die Lücke der bei uns noch nicht constatirten reinen Bronzeperiode ausfüllen.
„Weiter wurde die Durchforschung der Höhlen von Gabrovizza und von
St. Canzian fortgesetzt und dabei mehrere schöne Bernde, besonders aus der Stein-
zeit, gemacht.
„Der Harzprobe von S. Lucia lege ich noch eine Probe von Karfreit bei, die
mir identisch zu sein scheint." —
Hr. Salkowski, dem die eingesendeten Proben von Hrn. Virchow zu ge-
nauerer Bestimmung übergeben wurden, fasst das Ergebniss seiner Untersuchung
folgendermaassen zusammen:
I. Die zur Untersuchung übergebene Substanz, bezeichnet „S. Lucia, Grab 2151
in einer Situla", bildet ein bräunlich-graues, zum Theil ziemlich feines, zum Theil
zu grösseren und kleineren rundlichen Ballen vereinigtes, eigenthümlich klebriges
Pulver. Dieselbe schmilzt beim Erhitzen auf dem Platinblech unter Verbreitung
aromatisch riechender Dämpfe und verbrennt mit leuchtender Flamme unter Hinter-
lassung dunkelgeförbter Asche. Beim Erhitzen im Glasrohr schmilzt die Substanz,
bläht sich stark auf und giebt ein halb öliges, nach Juchten riechendes Destillat.
(32)
Löst man dasselbe in Aether und verdunstet die Lösung, so bleibt ein röthlich-
gelbes, klebriges, allmählich fester werdendes Harz zurtlek.
In heissem Alkohol, sowie in Aether löst sich nur verhältnissmässig wenig von
der Substanz, und zwar mit gelber Farbe. Die ätherische Lösung hinterlässt ein hell-
gelbes, sprödes Harz. Aus dem beim Behandeln mit Aether gebliebenen Rückstand
nimmt Chloroform noch reichlich Substanz mit brauner Farbe auf. Die Chloroform-
lösung hinterlässt beim Verdunsten ein Anfangs weiches, dann hart und spröde
werdendes dunkelgefärbtes Harz.
Das von Chloroform nicht Gelöste erscheint nach dem Auswaschen mit Chloro-
form und Trocknen an der Luft als lockeres, gelbliches Pulver. Dasselbe ver-
glimmt beim Erhitzen auf dem Platinblech unter Hinterlassung einer schwarz ge-
färbten, kupferhaltigen Asche. Bei genauerer Durchmusterung des von Chloroform
nicht Gelösten findet man darin auch kleine Stückchen oxydirter Bronze, die wohl
zufällig in Folge des Zusammenliegens mit Bronze hineingelangt sind.
Nach diesem Befunde ist die Aehnlichkeit mit dem von Heintzel (S^eitschr. f.
Ethnol., 1880. Verhandl. d. anthropol. Gesellsch., S. 377) beschriebenen Umenharz
unverkennbar, jedoch deutet in dem vorliegenden Falle nichts auf die Beimischung
von Wachs hin, die Heintzel in seinem Falle fand, namentlich entwickelte sich
bei der trocknen Destillation des Umenharzes durchaus nicht der Geruch, welchen
Wachs giebt, wenn man es dieser Operation unterwirft.
n. Das äusserlich ganz gleiche Pulver, bezeichnet „Caporetto Grab 208 in
einer Zonenume, 1887, Juni, verhielt sich beim Erhitzen auf dem Platinblech, bei
der trocknen Destillation, sowie gegen die oben angegebenen Lösungsmittel n. s. w.
genau so, wie I , so dass an der Identität dieser beiden Substanzen wohl nicht zu
zweifeln ist.
(13) Hr. Vater berichtet über eine
dreiköpfige Figor in Brixen.
Ich bitte, nur auf wenige Augenblicke mir Ihre Aufmerksamkeit zu schenken,
um Ihnen Mittheilung machen zu können von einem höchst eigenthümlichen Bild-
werk, das ich im vorigen Herbst zu sehen Gelegenheit hatte, ohne dass es mir ge-
lungen wäre, die Bedeutung desselben aufzuklären.
Es war in Brixen in Südtyrol, dem uralten Fürstbischofssitz, jetzt einem eng
gebauten Landstädtchen mit ungefähr 5000 Einwohnern. Dasselbe zeigt dieselbe
Bauart, wie die Städte in Ober-Italien, mit schmalen Gassen, deren unterstes
Stockwerk meist von den sogenannten Lauben eingenommen wird. Diese, meist
sehr wenig vom Tageslicht erhellten Bogengänge, in denen man die Strassen durch-
schreitet, verhindern den Ausblick auf die gegenüberliegende Strassenfront und nur
so kann ich es mir erklären, dass bisher nirgends der eigenthümlichen Figur Er-
wähnung geschehen ist, die ich auf einem meiner Spaziergänge plötzlich ganz zu-
fällig an der Ek^ke zweier der Hauptstrassen, der Stadtgasse, in der sich das Rath-
haus befindet, und der Schlossergasse, entdeckte:
Die abgestumpfte E^cke des einen Eckhauses trägt nehmlich im ersten Stock-
werk, offenbar aus einem Eichenstamm zugehauen und geschnitzt, auf schmalem
Consol stehend, eine etwa 3 m hohe männliche Figur, die zunächst täuschend den
Eindruck eines Christophoros macht. Ich hielt sie auch dafür, bis ich entdeckte,
dass die gänzlich nackte, sehr haarige, nur mit einem Blätterschurz um die Hüften
bedeckte, kräftige Mannesgestalt aus der oberen Brustöffnung 3 Hälse mit 3 voll-
ständig gesonderten und verschiedenen Köpfen hervorwachsen lässt, die nach den
(33)
rerschiedenen Strassen ausschauen. Die Oestalt stützt sich mit der rechten Hand
auf einen langen Schürbaum, den sie senkrecht an Körper und Arm lehnt. Der
linke Arm fehlt ganz, wahrscheinlich durch Alter verwittert, wie auch die ganze
Figur Spuren der fortgeschrittensten Verwitterung, aber auch grosser technischer
Kunstfertigkeit und eines gewissen künstlerischen Geschmacks zeigt, mit denen sie
einst angefertigt worden ist.
So ist z. B. der mittlere, geradeaus schauende Kopf, der ganz den Typus eines
Cbristuskopfes trägt, noch jetzt recht wohl erhalten und sehr schön, Bart und Haare
von soi^altiger Schnitzarbeit. Dem auf der linken Schulter sitzenden Kopf möchte
ich einen entschieden semitischen Typus zuerkennen, während der auf der rechten
Schulter genau so aussieht, wie die Bildnisse alter römischer Krieger, die ja so
zahlreich in Denkmälern aufgefunden sind.
Was hat das Ganze nun zu bedeuten? Denn ein so wunderbares Phantasie-
gebilde, in solcher Grösse und mit solcher Mühe und Kunst hergestellt, muss doch
aus irgend einem Grund oder zu irgend einem Zweck an einem der auffallendsten
Plätze der Stadt angebracht und daselbst Jahrhunderte lang erhalten sein! So
dachte ich und suchte mir bei allen städtischen Behörden, wie bei den Eigen-
thümem des uralten Hauses und denen der benachbarten Häuser Auskunft zu er-
holen. Aber leider erfuhr ich nichts, auch nicht das Geringste. Selbst über das
Alter des Hauses konnten mir auf dem Kathhaus und dem Katasteramt nicht an-
nähernde Mittheilungen gemacht werden, nur dass wohl immer in dem Hause eine
Weinschenke gewesen sei, schien man annähernd bestimmt versichern zu können.
Als einfaches Wirthshauszeichen kann man einen dreiköpfigen Mann aber doch
nicht deuten, wenn nicht irgend eine Legende mit dem Hause oder dem Mann
selbst verknüpft ist, die als bekannt voraussetzt, wie dieser zu den drei Köpfen
gekommen ist
Ob nun eine solche Legende in dieser Gegend existirt, davon habe ich trotz
eifrigsten Forschens nichts erfahren können und möchte ich daher die sagenkun-
digen Herren unter unseren verehrten Mitgliedern hiermit herzlich bitten, in ihren
Quellen einmal nachzuforschen, ob sich nicht eine Spur auffinden lässt, auf der
man die Sache weiter verfolgen kann.
Ich habe die Figur photographiren lassen und beehre mich, hiermit der Ge-
sellschaft ein Abbild derselben zu überreichen.
Das Einzige, was ich noch über den dreiköpfigen Mann in der übrigens sehr
gleichgültigen Einwohnerschaft erfahren konnte, ist der Scherz, dass die kleinen
Rinder mit der Täuschung geneckt werden, die Figur speie am „stillen Freitag",
Mittags, wenn die Glocken geläutet werden, Gold. Es soll dann den betreffenden
Eltern viel Vergnügen bereiten, zu sehen, wie die bethörten Kleinen am stillen
Freitag vergebens auf das Ertönen der Glocken warten. —
Hr. W. Schwartz weist darauf hin, dass der dreiköpfige Mann an einen alten
slavischen Götzen erinnere. —
Hr. Virchow erinnert daran, dass der Name des Triglav noch an einer der
höchsten Bergspitzen der julischen Alpen haftet.
(14) Hr. Bässler hat eine grosse Reihe von Photographien aus Java
aasgestellt.
Verhandl. der Berl. Antbropol. GeselUchaft 1891. 3
(34)
(15) Der Vorsitzende begrüsst den in der Sitzung als Gast anwesenden Hm.
Max Ohnefalsch-Richter, der eben nach jahrelangen Ausgrabungen in Cypem
in das Vaterland zurückgekehrt ist. Letzterer hält einen, durch eine reiche Aus-
wahl alter und neuer Gegenstände erläuterten Vortrag über
Parallelen in den Gebräuchen der alten und der jetzigen Bevölkerung von
Cypem,
Vergleiche aus dem Culturleben der alten Kyprier und der heutigen Cyprioten
erregen aus verschiedenen Gründen ein aussergewöhnliches Interesse. Wie aus den
heutigen kurzen Mittheilungen gleich klar werden wird, haben wir es mit einer
Fundgrube zu thun, aus welcher der Archäologe, wie der Anthropologe und Ethno-
graph, unendlich viel Neues hervorziehen kann.
Wir sehen, wie sich aus den verschiedenen Schichten des Alterthums, den
verschiedenen Pundschichten der Ausgrabungen gewisse antike Formen, Decorations-
weisen, technische Verfahren, Motive, Sitten, Gebräuche, Hauseinrichtungen, ja
ganz eigenthü milche Gebrauchsgegenstände von Generation auf Generation bis auf
den heutigen Tag in merkwürdiger Reinheit erhalten haben und noch heute im Volke
leben Ja bei vielen hochwichtigen Dingen greifen wir einfach zurück in die
Uranfänge einer Cultur, die zeitlich mit den Culturanfängen von üissarlik, Meso-
potamien und selbst Aegypten zusammenfallen. Sachlich sind dabei die Verwandt-
schaften, zumal mit Hissarlik-Troja einerseits und der prähistorischen Zeit Ungarns
andererseits, höchst auffällige und sehr weitgehende.
Die Consequenzen solcher vergleichender Studien liefern noch andere hoch-
wichtige Resultate. Sie lösen nehmlich viele noch schwebende Fragen über den
Ursprung gewisser technischer Verfahren und Decorationselemente, Geräthe, Waffen
und dergleichen. Sie geben ein für allemal den Schlüssel für die richtige Erklä-
rung gewisser, bisher falsch gedeuteter oder überhaupt noch nicht gedeuteter Gegen-
stände, die im täglichen Leben der Alten eine hervorragende Rolle spielten.
An der Hand der hier ausgestellten alten und modernen Gegenstände aus
Cypem liefere ich Ihnen den besten Beweis für die überzeugende Wahrheit der
hier kurz vorangestellten Forschungsresultate, die sich auf einen Zeitraum von
12 Jahren Studirens auf der Insel Cypern ausdehnen.
Ich beginne mit den Gefässen und Geräthen aus Flaschenkürbis.
In Figur 1 habe ich eine jener gewöhnlichen Kürbisflaschen abgebildet, die
sich Hirt oder Bauer heute selbst am Schöpfbrunnen oder Dorfbach von der Kürbis-
ranke abzuschneiden pflegen.
Die grosse Masse der Kürbisflaschen ist nicht decorirt. Die Prunkstücke
aber werden in den Mussestunden, besonders gern vom Hirten auf der Weide,
wenn er sich satt geflötet hat, mit eingeschnittenen Mustern verziert, die mit
Schiesspulver oder Holzkohle ausgerieben werden.
Die Kürbisflasche dieser Form und Grösse, — denn unser Exemplar ist 29 cm
hoch, — ist die beliebteste Weinflasche, so dass man das Maass des Trinkens nach
der Zahl der geleerten Kürbisflaachen bemissi „Wir tranken so und so viel
Kürbise Wein", — heisst es.
Figur 2 repräsentirt einen der allerältesten Vasentypen, der schon in sehr frühen
Kupfer- Bronzezeit -Grabschichten auftaucht, lange vor jedem semitischen, lange
vor jedem babylonisch-assyrischen Einfluss. Er entstand in jener frühen Cultur,
die sicher keinem semitischen Volke, sondern einem wahrscheinlich arisch-indo-
germanischen zuzuschreiben ist.
Die gewöhnliche Grösse dieser handgemachten, stets henkellosen Thonvasen,
(35)
stets mit zwei Löchern aa der verbreiterten Mündang des gerade aufsteigeDdeD
HaUes, beträgt etwa 14 em. Wir sehen auf den ersten Blick, dass hier in Form
und Technik eine KUrbisflasche nachgeahmt wurde. Füllt der Cypriot heute die ein-
geschnittenen und geritzten Ornamente der zuerat ziemlich hellgelben, glänzenden
Flaschenkürbisse mit Schwarz aus, so dunkeln durch Alter, Luft und Wind lang-
gebrauchte Kürbisse und werden förmlich braunroth. In die Vertiefungen setzt
sich oft weisser Staub und dann, etwa nach 4U — 50 Jahren, hoben sich weisse und
graae Ornamente rom rothbraunen, wie glänzend polirten Grunde ab. Schöpf-
kellen, Trinkscbalen, wie Weinflaschen, aus Kürbissen geschnitten, werden zur Er-
höhung der Haltbarkeit und Feuchtigkeitsdichligkeit mit schwarzem Pech aus-
gegossen. Als nun der alte Kyprier im dritten, vierten Jahrtausend vor Christi
oder noch früher sich daran machte, die Technik der verzierten KUrblsgefässe
nachzuahmen und zu vervollkommnen, überzog er den rohen ungefärbten Thon-
körper mit feiner geschlemmtem und künstlich roth gefärbtem Tbon; dann polirte
er sorgrältig das Gefäss nnd oft füllte er mit weisser Erde, Kalk oder Kreide die
vertieft angebrachten Ornamente aus. Ja, bald ahmte er bei Thongerässen dann
aach noch die ausgepichte schwarze Innenseite der KUrbtsgefasse dnrch Farbe
nach. Daher kommt es, dass viele der halbkugelförmigen Trinkschalen aussen roth
und innen schwarz sind. Dasselbe Princip übertrug man als eine constante Regel
anf die in Figur 2 abgebildete Tbonflasche. Boden und Bauch sind stets roth ge-
färbt; von der Halsmündung nach nnten slels dieselbe schwarze, in das Roth un-
regcl massig verschwimmende Farbe.
Fignr 3.
Figur 1. Figur 2.
Eine Vase, ganz wie die hier abgebildete, wurde z. B. in der ersten Hälfte des
August 1885 von mir in einem Erdgrabe zu Hagia Paraskevi bei Nicosia in Grab
Nr. 2 (S. 6 — 7 meines Ausgrabejoumales) in einer Gräbersohicht ausgegraben, in
der noch alle mit Farbe bemalten Gefässe ganz fehlten und in der jeder auch
noch HO frühe Einfluss von Mesopotamien, Syrien oder Aegypten ausgeschlossen
war. Diese Vasengattung hat als Regel nie einen Henkel, dagegen stets die zwei
Durch bohrnngen an der Halsmündung, ganz so wie die moderne Kürbis Hasche.
Wir besprechen jetzt die in den Figuren 3—5 abgebildeten Gefiisse. In
Vig. 3 haben Sie das moderne Kürbisgeföss, in Fig. 4 und 5 zwei antike Tbon-
gefäase, wie sie ebenfaUs noch in der ersten Hälfte der Kupfer- Bronzezeit vor Ein-
führung der mit Farbe aufgemalten Decorationen in Menge fabricirt wurden.
(36)
Figur 6.
In Fig. 3 sehen Sie ein 22 cm hohDS Palrerhorn oder eine Palverflaschc uaa
Kürbis abgebildet- So lieferteo Spielereien der Natnr, die ja bei der Ktlrbisrrucht-
bildnng so zahlreich sind and denen auch heute die Cyprioten künstlich nachheiren,
das Uotiv zu der in Fig. 4 abgebildeten, eigenthUmlich gebauten, ebenralls uralten
cyprischen Thongerässgattung mit einer Fülle verschiedener Varianten. Sie sehen
auf den ersten Blick, wie verwandt damit gewisse von Schliemann in Hissarlik
constatirtc Typen sind.
Hier bei der Pnkerilasche ist der hölzerne Pfropfen durch Ledcrriemchen an
der Uebergangsstellc vom Vasentaals zur Vasenscbultcr befestigt. Durch die Ver-
knüpfung der Riemenenden entsteht eine Gabelung. Statt Riemchen sind Strick*
chen, ßindlüden, SchnUre. wie ja auch in Fig. I und dann wieder in Fig. ti zu
sehen, beliebt. Man versteht nun leicht, wie der kurze, eine Schnur nachahmende
Henkel an der Thonvasc Fig. 4 entstehen konnte. Ja, oft gabelt sich der Vasen-
hcnkel oder die Vasenstütze am antiken GeRiss, wie die Riemchen bei unserer
Pnlverflasche. Diese Gabelung sieht man in anderer Weise bei der grossen, in
Fig. 7 abgebildeten, alten Milchschale über dem Ausgiesser.
Figur 7. Figur 8.
Vasen, wie Fig. 4. kommen in verschiedenen Dimensionen vor, erreichen jedoch
nie die Höhe der stattlichen Wasserkmgart, von der ich unter Fig. A ein gutes
Exempliir abgebiJdel habe. Das Mittel für diese Wasserkrüge liegt bei ungeßihr
50 !■"• Höhe. Die Riemchen und Schnüre, die der Cyprier an seinen Rlirbisflascheo
(37)
theils zum Befestigen des Pfropfens oder Deckels, theils znm Aufhängen, endlich
als Zierde anwendete, führte den Töpfer zur Relieftechnik. Zuerst brachte er
auf demselben Gefässe neben den vertieften Ornamenten erhöhte an, wie der
Kttrbisgefasstechniker. Allmählich Hess er die Ornamente in Relief vorwalten oder
ganz herrschen. Das führte zu der ebenfalls schon sehr alten Reliefgefässtechnik.
Die älteste Sorte, stets handgemacht und als Regel roth polirt, entsteht ebenfalls
noch in der ersten Hälfte der- Kupfer-Bronzezeit vor der Elrftndung aufgemalter
Decorationen. Dafür ist nun Fig. 5 ein recht typisches Beispiel. Man sieht, wie
Riemchen um den Hals und den Henkel des Gefässes gebunden und wie gewun-
dene Schnürchen um den Vasenbauch gelegt gedacht sind. Ja, der auf der Vasen-
schulter aufgesetzt gedachte Holzsteg, durch den eines der Schnürchen gezogen
erscheint, erinnert weiter an die Nachahmung der Holztechnik in Thon, von der
noch unten zu reden ist. Auch diesen Krug grub ich in einem Erdgrabe zu Hagia
Paraskevi 1885 aus. Der Grabgrundplan wich jedoch schon wesentlich von dem
oben als Grab 2 bezeichneten Grabe mit einer Vase, wie Fig. 2, ab. Dort eine ein-
fache Grube mit ünterhöhlung, ohne darüber gebaute Steine. Hier in eigeuthtlm-
licher Weise Steinplatten, über den Beigaben aufgebaut nach Art der Kartenhäus-
chen, wie sie bei Kindern beliebt sind. Ich habe im Journal of Cyprian Studies
Taf. H, 11 und 12 b, links die Vase und rechts unter 11 Grundriss und Durch-
schnitt des Grabes mit den Steinen und Beigaben abgebildet.
Die Gefässe Figuren 6 und 8 beschliessen für heute unsere erste Betrach-
tung über die Kürbisgefässe und deren irdene Nachbildungen. Das Kürbisgefäss
Fig. 6, heute bereits in der ethnographischen Sammlung des K. K. Naturhistorischen
Hof-Museums zu Wien, wurde von mir in einem Bauernhause zu Rizokarpaso ')> an
einer Säule hängend, vorgefunden. Es diente in der Wirthschaft als Behälter für
den Sauerteig, der beim jedesmaligen Brodbacken für das nächste Mal aufbewahrt
wurde. Zuweilen hat man hölzerne oder lederne
Deckel mit zwei oder vier Löchern, ganz wie die Figur^ 9. Figur^.
antiken thönemen, die ich in Fig. 9 und 10 ab-
bilde. Die Sitte, alle möglichen Flaschen, Ge-
fässe, Krüge an den Wänden aufzuhängen, ist
noch heute allgemein durch die Insel verbreitet.
Die antike Dreifussvase Fig. 8 zeigt (denkt
man sich den später darunter componirten Drei-
fuss weg) eine ganze ähnliche Form, wie unsere Kürbisschale. Man versteht nun
sofort, warum häufig diese antiken Gefässe über die Halbkugel hinausgehen und
nach oben dann eingezogen erscheinen. Der Kugel bauch des Kürbis ist weit über
der Mitte abgeschnitten und das ist in Thon nachgeahmt'-^).
Entsprechend dem modernen Kürbisgefäss dienten die 4 Löcher zum Auf-
hängen der antiken Vase, wie zum Zuschnüren des Deckels. Der in Fig. 9 ab-
gebildete Deckel mit 2 Löchern wurde in diesem Falle in situ auf der Vasen-
mündung ausgegraben. Die Vase war mit grauschwarzem Thon überzogen, der
Deckel nicht. Im Journal of Cyprian Studies habe ich auf Taf. TL unter Nr. 14
den Durchschnitt und Grundplan des zu Hagia Paraskevi im December 1884
ausgegrabenen Felsgrabes, sowie ebenda den gesammten Grabinhalt dargestellt.
1) das nordöstlichste grosse Dorf der Insel auf der Landzunge Karpas.
2) Schliemann hat in seinem Ilios am Anfange unter den ersten Abbildungen eine
aus der untersten Stadt stammende Dreifussvase. die zu der unserigen eines der merk-
würdigsten Analoga bildet.
(38)
Nr. I4w zeigt den in demselben Grabe Rua^grabenen steinernGn Keilschriftcylinder,
den zuerst C. Bezold in der Zeitachrirt TUr Keilschriftrorschung publicirt, aber
nicht datirt hat. Bezold sah nicht das Original, sondern erhielt nur von mir einen
Siegel abdruck. A. B. Sayce studirtc das im Cypms Museum befindliche Origimd
und meint, es sei nicht jünger als 2PÜ0 v. Chr. anzusetzen. Ich habe eine Illu-
Htration des abgerollten Siegelbildes in Originalgrösse im Journal of Cyprian Studies
Taf. I Nr. 13 geliefert.
Zu dem Decorations System eingeschnittener Ornamente sei hier noch auf die
iu Fig. 3 der modernen Puherflaschc aas Kürbis und der antiken Vase Fig. 4 an-
gebrachten Oniamente von Halbkreisen und Kreisen, die von Linien durchschnitten
sind, hingewiesen, dasselbe heute wie damals. Dabei kann man nicht sagen, die
modernen Kürbisdeco rateure seien von antiken Mustern beeinflnast.
Nachzutragen ist ferner noch, dass, wie bei dem Rohrrocken Pig. '24, so bei der
Kürbisflasche Fig. 3 helle grünblaue Perlen eingelegt sind.
In meinem Besitze beHndet sich eine zu Hagia Faraskevi in einem Felsgrabe
gefundene Dreifussvase der Kupfer-Bronzezeit. Selbige ist mit achwuzen geome-
trischen Mustern bemalt; ausserdem sind grünblaue Agalmatolitb-Perlen in den
weichen Thon vor dem Brennen gedrückt. Mithin ist selbst diese moderne Ferien-
Decoration stechnik dem Alterthume entlehnt: von Kttrbis und Kohr wanderte sie
in die Keramik. —
Figur 11.
Die Figuren 11 — 14 führen uns zur zweiten Gruppe der heute zu beleuch-
tenden technischen Verfahren, den Flechtarbeiten.
Neuerdings ist Keknli- wieder vor der Archäologischen Gesellschall dieser
Frage ausführlich näher getreten; durch seine Ausführungen bin ich weiter ange-
regt worden. Gerade unsere Abbildungen zeigen ja, wie schlagend die voi^oftihrten
Repräsentanten nach diese Seite beleuchten. Aber alle oder überhaupt nur die
meisten antiken Formen und Decorationen auf Flechtarbeiten und geflochtene Ge-
fiiase zurückfuhren zu wollen, dürflc kaum möglich sein. Bereits sahen wir, wie
für viele Formen technische und stylistische Einzelheilen aus der Kürbisgeräss-
technik hervorgingen. Natürlichl Ehe man irgend welchen Gegenstand ans Rohr,
Blättern, Binsen, Stroh n. e. w. flechten kmU\ brach man den Flaschenkürbis,
benutzte ihn im Alltagsleben, lernte ihn auch roh dccoriren, und ahmte auch diese
Geflissart zuerst in Thon nach.
In Fig. 11 bilde ich eine 11,2 <■»■ hohe Schachtel ab. Sie ist aus Blatttheilen
der Dattelpalme geflochten. Eid ebenfalls geflochtener Deckel ist zum Auf- und
ZaschnUren eingerichtet; die dabei dienenden Schnüre sind aus demselben Palmen-
blattmateriale angefertigt.
Fig. 13 ist eines jener fass- oder eiförmigen Thongefässe der Kupfer-Bronze-
zeit, die offenbar einfach aolchen Palmen blattschachteln, wie Kig. 11, nachgemacht
sind. Es ist wieder der polirte Thon und sind die Vertiefungen mit weisser Kreide
ausgefüllt. Ein ganz entsprechendes Thongeniss, das auch F. DUmmler auf
Beilage II, U der Mittheilungen des deutschen Archäolog. Institutes zu Athen
Band XI abgebildet hat, wurde in derselben Ausgrabung August 1885 zu Hagia
Paraskevi im Erdgrabe Nr. 4 von mir gefanden, während Grab Nr. 2 eine henkel-
lose Thonflasehe, wie unsere Fig. 2, lieferte. Man sieht bei diesen Gefassen sofort,
dass sie geflochtenen nachgebildet sind ; die horizontalen Schichten und die sich
in schrägen Winkeln kreuzenden parallelen Liniensegment-Gruppen beweisen auf
das Klarste die Nachahmung geflochtener Schachteln, wozu unsere Palmenblatt-
schachtel Fig. 11 das überzeugende Vorbild abgicbt. Selbst entsprechende ge-
flochtene Deckel sehen wir hier in Thon nachgeahmt. Der in Fig. 15 abgebildete
Deckel ohne Durchbohrung, mit mutzen- oder hornartigem Grifl', gehörte zu den
von F. Dümraler reproducirten Stücken. Ich bilde ihn der Vollständigkeit halber
mit ab und weil er uns wieder an ähnliche Deckel von Hissarlik erinnert.
Fig. 13 ist ein modemer Strohtcller von 39 cm Durchmesser, Fig. 14 ein an-
tiker, 24 cm Durchmesser haltender Thonteller, welcher wieder in deutlichster
Weise einen antiken Strohteller nachahmt, ebenfalls Handarbeit ohne Töpferscheibe
and von mir 188.5 in einem Kapfer-Bronzezeitgrabe ausgegraben. — Der moderne
Strohteller ist flacher, als der stärker gewölbte antike aus Thon. Beim modernen
ein Henkel, der beim antiken fehlt. Dabei zeigt der moderne 8 troh teil erben kel,
wie gewisse Schneppenhenkel an Kupfer-Bronzezeit-Schalen und graecophönikischen
Eisenzeit-Teilern solchen Strohtellerhenkeln nachgebildet sind'). —
Nächst der RUrbisgerässtcchnik haben Holzarbeiten, Gefa^se aas Holz, rohe
Tischlerarbeiten und Holzdrechalorarbeiten sowohl gewisse technische
Verfahren in der Keramik, wie in der Metall technik, beeinfluasl.
In Fig. 7 bilde ich ein Frachtstück unter den keramischen Erzeugnissen der
Kupfer- Bronzezeit ab, welches ich 1H89 für die Kgl. Berliner Museen zu Tamassos
Grab 20 Sect V im Lamberti- Hügel ausgrub und welches sich jetzt im Antiquarium
befindet. Diese mächtige, wohl etwa W cm im Durchmesser haltende Schale wurde
1) F. D9mmler in d. MitUieilung<>n m Athen, Beilage II Fig. 12. Journal of Cypriaii
Stadies Taf. I. iS; H, 28c und 16a.
(40)
in Stücken zerbrochen ausgegraben. Der schlecht gebrannte Thon ist der Grund,
dass nicht schon mehr Schalen derselben Gattung von Anderen und mir in die
Sammlungen gelangten. Uebrigens enthielten auch mehrere Gräber in derselben
Section V entsprechende Schüsseln. Erst durch diesen Fund verstehe ich Frag-
mente von entsprechenden Exemplaren, die theils aufgelesen (Psemmatismeno 18^5),
theils ausgegraben wurden (Hagia Paraskevi 1885).
Wir haben es also durchaus nicht mit einer Abnormität oder der Schrulle
eines reichen Arbeitgebers, sondern mit einem, für den gewöhnlichen, wenn auch
besseren Markt fabricirten Typus zu thun. In vier Abständen sind an und unter
dem Schalenrande angebracht ein grosser Ausgiesser und drei Henkel, davon zwei
von gleicher Grösse und Form. Um den Rand läuft in Zickzacken ein erhaben in
Relief gebildetes Bund; dazwischen und darunter viele concentrische Kreise mit
Centralpunkt, die hineingestempelt sind. Das ganze Gefäss, die massiven Henkel,
die dicken Thonwandungen, vor allem . die Ornamente und deren Ausführung lassen
auf ein hölzernes Vorbild schliessen.
Ich bilde in Fig. 16 das Stück der Lehne eines modernen cyprischen Bauem-
stuhles ab. Auch hier liefert der Vergleich die beste Controle. —
Neben den Holzarbeiten laufen die Rohrarbeiten ohne Flechten her. Die
Betrachtung der modernen cyprischen Spindeln und Rocken (Kunkeln) geben uns
da wieder neue und überraschende Gesichtspunkte, gewisse antike Gegenstände
aus Thon, Stein, Kupfer oder schwach zinnhaltiger Bronze besser zu verstehen und
ihren Gebrauchszweck festzustellen.
In Fig. 17 sehen Sie die gewöhnliche cyprische Handspindel, die ohne das
oben aufsitzende eiserne Häkchen 22,5 cm lang ist. Sie besteht aus dem Wirtel,
oft mit roth und schwarzen (oder roth und grünen) Streifen bemalt, und der im
Wirtel steckenden Spindel von Nadel- oder Bolzenform.
Figur 20.
Figur 17. Figur 18. Figur 19.
Figur 1«.
In Fig. IH haben Sie die schwach zinnhaltige bronzene oder überhaupt kupferne
Bronzenadel, die in dem thönernen Spinnwirtel so steckte, wie es Fig. 19 zeigt
Beide Stücke grub ich 1885 zu Hagia Paraskevi im Grabe 4 mit dem Fassgeföss
vom Typus, wie hier Fig. 12, aus. Die Bronzespindel, 15 mi lang, und den
(«)
Thonspinnwirtel flnden Sie auch im Joarnul oF Cyprian Stadiea Taf. II, 3d und e
abgebildet, ebenda unter 3 Grab-Grnndriss und Durchschnitt.
Fig. 20 zeigt Ihnen stärker verkleinert einen jener mächtigen, ohne den eisernen
Qaken 39 cm hohen und schweren Spinnwirtel, mit dem die zottige, weniger Teine,
aber starke und schwer glatt und gerade zn spannende Schafwolle und das Ziegen-
haar gesponnen werden. Die kleine, in Fig. 17 abgebildete Handspindel ist nur
für Baumwolle und Elanf. Auch hier steckt der grosse Bolzen in dem nicht
weniger als etwa 8 cm langen, schweren Spinnwirtel. Abwechselnd schwarze und
rothe Horizontal streifen laufen in paralleler Anordnung hemm.
Nun versteht man aach, dass in der That alle die grossen schweren, bald ein-
fach kegelförmigen, bald doppelkegeirörmigen, bald mehr abgeplatteten oder ab-
gerundeten Gegenstände ans Tbon und Stein, die Viele ihrer Schwere nnd Grösse
wegen nicht als Spinnwirtel gelten lassen wollten, dennoch Spinnwirtel sind.
Freilich Fig. 21 ist gleich wieder ein Irappantes Beispiel, dass man überall, so
auch hier, mit dergleichen allgemeinen Gesichtspunkten vorsichtig sein muss. Hier
steckt ein thönemer antiker Gegenstand an einer bronzenen oder kupfernen Nadel.
Pig. 22 und 23, Exemplare des
Figur 24.
Figur 23.
Figur 25.
heutigen Spinnrockens, beweisen,
dass wir es anch bei Pig. 31 mit
einem antiken Spinnrocken und
nicht mit der Handspindel zu '^"^
thun haben. ^fc
In Fig. 23 ist der in Karpaso- WihJ
Dörfern, besonders im Dorfe Gia- w^M
lussa tlbliche, mit eingeritzten gnC
Ornamenten (die mit Pulver ge- ^'^/(ß
schwärzt sind) und hineinge- "
pressten bunten Glasperlen ge-
schmückte Rocken sichtbar. Hier
sind auf dem Rohrcylinder nur Figur 22.
zwei (acher^chtfSrmige Kugeln
dicht übereinander dadurch er-
zeugt, dass fein geschnittene
Rohrstäbchen gegen einander um
den Rohrcylinder gestellt wurden.
In Pig. 22 ist. der Rocken
der Bäuerinnen von Pera (bei
Tamaasos) abgebildet. Ohne wei-
tere VerziemDgen sieht man drei
Kugeln über einander an und um
den Rohrcylinder gestellt. Diese Rohrrocken oder Rohrkunkeln sind ausser-
ordentlich leicht und praktisch, weil viel Baumwolle, Hanf oder Wolle daran haften
kann. Die Spinnerin hält den Rocken entweder mit der Linken oder steckt ihn
sich in den Busen, während sie mit der Rechten den Paden spinnt und die Spindel
auf dem Rüie abschlägt.
A. V. Gohausen hat im XV. Bande der Annalen für die Nassaoische Alter-
thumskunde nnd Geschichtsforschung S. 24—27 Über das Spinnen bei den Alten
gehandelt und auch Taf. II Fig. 1—4 und Fig. 15 Spindeln, Rocken und Spinne-
rinnen nach ägyptischen und griechischen Bildern abgebildet. Anch er weist be-
(42)
reite darauf hin, dass die grösseren und schwereren Wirtel auf gröbere Wolle und
dickeren Faden schliessen lassen.
Zu dem grossen, in Fig. 20 abgebildeten hölzernen Spinnwirtel für Wollefaden
gehört der grosse hölzerne, in Fig. 24 abgebildete, gleich grosse, hölzerne Spinn-
rocken. Er ist mit grünen und rothen Farbstreifen decorirt und die sauber ge-
drechselte Form entbehrt trotz aller Einfachheit nicht einer gewissen Eleganz.
Der in Fig. 25 abgebildete, einem Kupfer- Bronzezeit- Felsgrabe zu Hagia
Paraskeri bei Nicosia entnommene, schwach zinnhaltige, 13,5 cm lange Bronze-
gegenstand, den ich mir selbst Jahre lang nicht erklären konnte, wird uns nun auf
einmal verständlich. Es ist ein antiker Spinnrocken. Bohrspindeln, wie die von
Pera und Gialussa, gedrechselte Holzspindeln, wie die vom Drechsler in Nicosia
gekaufte (Fig. 24), wurden vom Metall techniker zugleich benutzt und zu einer
Form combinirt. Oben haben wir eine Fächerfrucht ganz wie der Rohrrocken-
kopf, darunter die Riefen und vorspringenden Ringe, wie bei dem Holzrocken.
Zwei von Schliemann in Hissarlik gefundene Gegenstände aus Silber, mit
einer ähnlichen Fächerfrucht oder Rohrquirl am Ende, können Spinnrocken sein.
Wie die vorgeführten modernen Gegenstände aus Kürbis, Flechtwerk, Rohr,
Holz merkwürdige Parallelen zu den entsprechenden Gegenständen im Alterthume
lieferten und so ein Stückchen Hausindustrie und Sittenleben illustrirten, so gilt
nun dasselbe für die ganze Einrichtung der Häuser und deren Bauart:
Ich verspare mir die Abbildungen von modernen Fenstern, Thüren, Riegeln,
von Säulen aus Holz und Stein, von Säulenhallen und Hausinterieurs auf die Ver-
öiTentlichung meiner vorjährigen, für die Königl. Berliner Museen gewonnenen Aus-
grabungsresultate. Selbige werden demnächst in meinem, in Buchform mit einem
unserer ersten Verleger herauszugebendem „Journal of Cyprian and Oriental Studies"
erscheinen. Es ist mir nehmlich geglückt, in einem zweikammerigen graeco-phöni-
kischen Königs- oder Fürstengrabe aus dem 6. vorchr. Jahrhundert die Nachahmung
eines antiken Holzbaues aufzufinden, wie bisher nicht einmal annähernd Aehnliches
bekannt war, selbst die lykischen Gräber mit eingerechnet. Der Vorbau hat ein
horizontales Dach und wird durch Wandpfeiler getragen, denen protoionische
Capitelle oder ionisirende capitellartige Voluten als Krönung dienen. Die Kammern
selbst haben spitze Balkendächer. An den nicht mit Thüren versehenen Seiten
der Hauptkammer sind mit Riegeln von Innen geschlossen gedachte blinde Thüren
angebracht. Die Verriegelung in Stein ist dieselbe, wie die heutige aus Holz.
lieber den Thüren sind Fensternischen mit reich durchbrochener Holzschnitz-
arbeit an den niedrigen Brüstungen in Stein dargestellt. Ganz entsprechende
Fenster ähnlicher Form, heute aus Holz, finden sich bei den Cjrprischen Bauern.
Auch für jene Säulen aus Holz und Stein, die sowohl in der Stylistik, wie in der
Anordnung und Bauweise an den Vorbau unseres Fürstengrabes erinnern, ja die
für die Profilstellung der antiken Pfeiler den Schlüssel liefern, habe ich in cypri-
schen Bauerhäusem, besonders wieder im Karpas, die Erklärung gefunden.
An der Innenseite der Thüren der drei steinernen, von mir 1889 zu Tamassos
ausgegrabenen Fürstengräber sind femer hölzerne Schlösser in Stein angegeben.
Diese Schlösser konnten nur dadurch geöffnet werden, dass man durch ein rundes,
in der Thür oder Wand befindliches Loch, gross genug den Arm aufzunehmen,
mit dem Arm hineinfuhr und so den Schlüssel innen in das Schloss stecken und
die Schliessvorrichtung emporheben und auf diese Weise öffnen konnte.
Das, was wieder unser rühmlichst bekannter Forscher A. von Cohausen im
Bande XIU der Annalen des Vereins für Nassauische Alterthumskunde und Ge-
(43)
Schichtsforschung Taf. X Fig. 2 an der Hofthür des Szekler Hauses 1873 auf der
Wiener Weltausstellung beobachtete, dasselbe ist auf Cypern bei den meisten aller
jener von den Dörfern fem gelegenen Hirtenhäuser und Sommerwirthschaftshäuser
der Brauch. Man fährt mit Schlüssel, Hand und Arm durch ein rundes Loch
hinein und öffnet von innen.
Figur 26.
In Fig. 26 lege ich Ihnen wenigstens noch das cyprische Holzschloss vor. Es
giebt noch ganze Dörfer, in denen kein einziges eisernes Schloss aufzutreiben
wäre.
Sie sehen, Alles ist aus Holz, während in Syrien, drüben in Beirut und Tripolis,
ein ähnliches Holzschloss bei Magazinen im Gebrauch ist; doch ist dabei der
Schlüssel von Eisen. Aehnliche Holzschlösser, wie auf Cypern, sollen in anderen
orientalischen Ländern, auch in Nordafrika in Brauch sein.
V. Cohausen bildet auf derselben Tafel X Fig. 5 ein Holzschloss ab, wie es
auf dem Hundsrück und auf dem Westerwald noch üblich sein soll. Dieses
zeigt in der That mit dem cyprischen die grössten Verwandtschaften. Bei dem
deutschen Schlosse sind nur 3 auf- und absteigende Fallriegel, die in den grossen
Schlossriegel ein- imd ausheben. Bei dem cyprischen kommt ein vierter Fallriegel
hinzu, der sich wieder aus 3 schmalen Riegeln zusammensetzt. Da diese letzten
3 Riegelchen von xmgleichem Ausschnitt sind, muss das Holzschlüsselende dem
entsprechend gezähnelt sein, um mit seinen Zahnschnitten in die entsprechenden
Zahnschnitte der letzten 3 Fallriegelchen eingreifen zu können.
Die Abbildung zeigt den Schlüssel im Schlosse, die Fallriegel vermittelst ihrer
Schwere hinuntergefallen in die Zahnausschnitte des Hauptriegels und des Schlüssels.
Zieht man den Schlüssel heraus, bleibt das Schloss geschlossen. Hebt man den
Schlüssel in vertikaler Richtung nach oben, kann der Hauptriegel zur Seite ge-
schoben und die Thür demnach geöffnet werden.
Ich glaube diese wenigen Mittheilungen genügen, auf die Wichtigkeit cypri-
scher Studien in der von mir zum ersten Male betretenen Weise hinzuweisen.
Anthropologie, Ethnographie, Archäologie und Culturgeschichte überhaupt ziehen
daraus gleich grossen Nutzen. —
(44)
(16) Hr. Virchow macht Mittheilungen
SEHT Anthropologie der WestaMkaner, besonders der Togo-Stämme.
Hr. Dr. von Danckelman hat mir, wie schon erwähnt (Verh. 1890. S. 608),
aus dem Nachlasse des Stabsarztes Dr. Ludwig Wo 1 f 3 Notizbücher mit anthropo-
logischen Aufnahmen zugehen lassen. Nicht ohne Rührung habe ich daraus von
Neuem ersehen, mit welchem Ernst der Verstorbene die ihm vorliegenden Auf-
gaben ins Auge gefasst und mit welcher Sorgfalt er die Mittel zu ihrer Lösung
vorbereitet hatte.
Die Bücher sind in bequemem Taschenformat zugeschnitten. Die beiden
ersten, welche in Leder gebunden sind und äusserlich die eingepresste Bezeich-
nung F. St. T. A. 1 und A. 2 tragen, enthalten im Abklatsch nach geschriebener
Vorlage wörtliche Copien des von mir entworfenen Schemas zu anthropologischen
Aufnahmen, in der Art, dass jedesmal zwei Seiten für die Beschreibung, zwei andere
für die Messungen vorbehalten sind. Das dritte ist ein gewöhnliches Notizbuch,
in Wachsleinwand geheftet; es beginnt mit einem Auszuge meines Artikels in
Neumayer' s Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen. II.
S. 317, und giebt nach einer Aufzählung der Messinstrumente eine Aufführung zu-
nächst der bei der mindesten Anforderung verlangten Maasse, dann der Maasse
„wenn mehr Zeit". Um die ersteren nicht zu übersehen, sind in dem zweiten der
ledergebundenen Bücher im Voraus von vom bis hinten die ^nothwendigen" Maasse
auf jeder Seite roth angestrichen.
Unverkennbar ist dieses Verfahren ein sehr praktisches und in mehreren Be-
ziehungen ein besonders empfehlenswerthes. Dem Verlust einzelner loser Blätter
ist sicher vorgebeugt, die Mitnahme erleichtert und die Möglichkeit jederzeitigen
Beginns der Aufnahmen, wenn auch vielleicht nur der beschreibenden, gegeben, —
Vorzüge, welche namentlich auf einer mit grösseren äusseren Schwierigkeiten um-
gebenen Reise nicht gering zu veranschlagen sind.
Die Durchsicht der Bücher zeigt aber auch, dass die Aufgabe, im Umher-
ziehen anthropologische Messungen zu veranstalten, selbst für einen so gut vor-
bereiteten, so eifrigen und so hingebenden Reisenden, wie Ludwig Wolf es war,
nur in einer gewissen Beschränkung durchführbar ist Man kann deutlich verfolgen,
wie mit jedem Tage vorwärts die Neigung zu Reduktionen der festzustellenden
Nummern zunimmt; von Zeit zu Zeit kommt wieder eine Selbstaufmunterung, die
Zahl der ausgefüllten Nummern wächst, — aber es dauert nicht lange, dann ver-
sagt die Kraft. Leider ist gerade die erste beschreibende Nummer der Listen (Ort
und Tag der Aufnahme) nur in folgenden Fällen ausgefüllt: Die erste Aufnahme
ist vom 14. October 1888 in Adeli; dann folgen in dem Buche A. 1 28 Aufnahmen,
von denen nur eine (Nr. 16) Ort und Zeit: Bismarckburg, G. 11. 89, angiebt; bei
einer zweiten (Nr. 14) steht als Ort „Station", also wohl auch Bismarckburg, bei
einer ilritten (Nr. 22) das Datum 18. October 1888. Das Bändchen A. 2 enthält
überhaupt nur 3 Aufnahmen; davon sind die ersten beiden auf der Station am
16. März 1889 gemacht, die dritte auf den October 1888 ohne Ortsangabe, offenbar
erst später, eingetragen. Man darf wohl annehmen, dass alle drei Uebungsaufhahmen
waren, denn Nr. 2 betrifft den uns bekannten Diener Wolfs, den Wakussu Sao-
kuru, und Nr. 3 einen anderen Diener, den Muluba Kalala, beide aus dem Congo-
Gebiet. Letzterer erscheint übrigens noch einmal unter dem 15. März 1889 unter
den Aufnahmen des Notizbuches (Nr. 11). Auch das Buch A. 1 beginnt mit der
Aufnahme eines Haussa, wo ausdrücklich das Wort „Beispiel^ übergeschrieben ist;
trotzdem fehlt auch hier die Angabe über Zeit und Ort.
(45)
Diese Omissiooen sind um so mehr zu bedaaern, als sie uns sogar der fVende
berauben, den Reisenden gleichsam an der Arbeit zn sehen. Aber sie entziehen
auch der Kritik wichtige Anhaltspunkte, denn es ist klar, dass Messungen in der
Ruhe der „Station^ ungleich höheren Anspruch auf Correktheit haben, als solche
auf der Reise. Da einzelne Eintragungen, wie Nr. 16 in A. 1 und Nr. 3 in A. 2,
erst nachträglich gemacht sein müssen, so lässt sich nicht einmal aus der Reihen-
folge der Nummern ein Schluss auf Zeit und Ort der Aufnahmen machen.
Glücklicherweise fehlt nirgends die Angabe des Stammes. Wir erfahren so,
dass, abgesehen von dem Haussa und den beiden Congo-Leuten, aufgenommen sind
19 Wei 2 Aposso
1 Mende 13 Kebu
3 Mandingo 4 Adeli
23 19
im Oanzen 42 Leute. Darunter waren, abgesehen von der wahrscheinlich irrthtim-
lichen Eintragung eines Wei (A. 1 Nr. 11), nur 4 Weiber, sämmtlich Rebu (Taschen-
buch Nr. 1—4).
Die zuerst genannten 23 Personen gehörten benachbarten oder etwas entfern-
teren westafrikanischen Stämmen an, von denen einzelne, wie die Mandingo, an-
thropologisch wenig studirt sind. Für das Togo-Gebiet selbst haben jedoch nur die
zweiten 19 Personen Bedeutung: die Aposso wohnen in geringerer Ekitfemung von
der Küste; wenn er ihr Land passirt hat, gelangt der Reisende zu den Kebu und
dann zu den Adeli, in deren Lande die Station Bismarckburg errichtet ist. Es
sind dies Inlandsstämme, über welche Genaueres zu erfahren, sehr wichtig ist.
Aber es ist sehr zu beklagen, dass von den weiteren Reisen des Dr. Wolf und
namentlich von seiner letzten auch nicht eine einzige Aufzeichnung vorhanden ist.
In dem Taschenbuch findet sich ausserdem das sorgfältig ausgearbeitete Gerüst
eines Vokabulars, aber leider ohne eine einzige Angabe. Nur ein eingelegtes loses
Blatt enthält eine kleine Reihe von Namen für ethnographische Gegenstände und
Bekleidungsstücke, das am Schlüsse mitgetheilt werden wird. Auch sind einige
Farbenbezeichnungen und Angaben . über die Unterscheidung von Blau und Grün
unter den beschreibenden Notizen aufgeführt. Eine einzige zusammenhängende
Darstellung steht in dem Taschenbuch : sie betrifft Gegenstände der Religion oder
des Aberglaubens.
Unter den Maassangaben verschwindet am frühesten die „Ohr höhe". Sie ist
nur bei 6 Personen (1 Haussa, 2 Wei und 3 Mandingo) genommen. Diese Omission
ist leicht verständlich, da die Messung für die Leute peinlich ist und höchst un-
gern zugelassen wird. Sehr viel vollständiger sind die Angaben über Körper-
höhe und Klafter weite: die erstere fehlt nur einmal (bei einem Adeli Nr. 27);
die letztere dagegen 22 mal, darunter, was schwer verständlich ist, bei sämmtlichen
Kebu. Die Differenzen beider Maasse sind stellenweise so stark, dass man an Irr-
thümer denken muss. So beträgt die Differenz bei einem Wei (Nr. 15) 203, bei
einem anderen (Nr. 2) 189 mm. Gesichtshöhe und Gesichtsbreite sind nur
bei den Kebu vollständig aufgeführt; unter den anderen lässt sich der Gesichts-
index nur 8 mal berechnen (1 Haussa, 4 Wei und 3 Mandingo). Am schlimmsten
steht es mit den so wichtigen Nasenmaassen: ein Index ist nur 4 mal (bei dem
Haussa und den 3 Mandingo) zu berechnen. Hier liegt der Mangel jedoch weniger
in der Omission, obwohl sie häufig genug vorkommt, sondern viel mehr in einer
augenscheinlichen Irrung. In meinem Schema sind die Höhe und die Länge der
Nase unterschieden und Dr. Wolf hat in seinen Vorbemerkungen auch ausdrück-
lich die Nasenhöhe definirt als die „gerade Entfernung der Nasenwurzel von dem
(46)
Ansätze der Nasenscheidewand an der Oberlippe". Er setzt auch, meiner Instruk-
tion entsprechend, hinzu: „Abstand der Nasenspitze von dem Ansätze der Nasen-
scheidewand = Elevation". Offenbar hat er aber alsbald Höhe und Elevation ver-
wechselt, denn schon bei Nr. 2 giebt er als Maass der Höhe 18, bei Nr. 3 15 ww,
was nur für die Elevation passt. Was er unter Nasenlänge (nach meiner Aus-
drucksweise „Länge des Nasen rücke ns**) verstanden hat, ist nicht zu ersehen;
möglicherweise hat er mit diesem Ausdruck die Nasenhöhe bezeichnen wollen.
Uebrigens hören die Angaben über die Nasenmaasse sehr bald ganz auf; nur bei
den Kebu ist die „Höhe" aufgeführt, aber nicht mehr die Breite.
Eine tabellarische Ucbersicht sämmtlicher vorhandener Maassangaben wird am
Schlüsse vorgelegt werden. Bevor ich die Hauptresultate zusammenfasse, will ich
nur noch ein Paar Beispiele anführen, um zu zeigen, wie selbst in der Hand eines
so gut geschulten Arztes das Messen sich als eine recht schwierige Kunst erweist
Wie schon erwähnt, kommt der Muluba-Diener Ralala zweimal vor. Er wurde
im October 1888 (A. 2, Nr. 3) und am 15. März 1889 (Taschenbuch Nr. 11) ge-
messen. Die verzeichneten Maasse lauten folgendermaassen:
1888 1889
Körperhöhe 1538,0 mm 1551 vi>u
Grösste Länge des Kopfes 179,2 „ 180 „
. Breite „ „ 142,0 „ 129 „
Höhe des Gesichts (Nasenwurzel bis Kinn) 108,0 ., 109 „
Jochbreite 127,0 „ 129 „
Malarbreite 121,0 „ 120 „
Maxillarbreitc 106,0 „ 108 „
Nasenhöhe 18,5 „ (44?) 46 „
Obwohl Kalala noch ein Junge im Alter von 13—14 Jahren war, so kann
doch nicht angenommen werden, dass seine Kopf breite in einem halben Jahre um
13 mm kleiner geworden ist. Es würde sonst zugestanden werden müssen, dass
sein Schädelindex im Jahre 1888 79,3, also fast brachycephal und ein halbes Jahr
später 71,6, also ausgemacht dolichocephal gewesen wäre. Dieser Fehler, vielleicht
nur ein Schreibfehler, ist um so mehr bedauerlich, als alle anderen Maasse er-
träglich stimmen, selbst die Nasenhöhe, wenn man im Jahre 1888 statt der „Ele-
vation" die „Nasenlänge" (44) einsetzt.
Von besonderem Interesse waren mir die Angaben über Sankuru. Ich habe
denselben im Jahre 1883 (Verh. S. 511) mit Hrn. Wolf zusammen gemessen, gerade
um diesen noch einmal im Messen zu controliren und zu instruiren. Damals
wurde der kleine Bursche auf 11 — 12 Jahre geschätzt. Seitdem waren mindestens
57^ Jahre verstrichen und Dr. Wolf nahm ganz entsprechend am 16. März 1889
ein Alter von etwa 16 Jahren an. Die parallelen Maasse stellen sich nun so:
Körperhöhe
Grösste Länge des Schädels
Gesichtshöhe B
Gesichtsbreite a (jugal) . .
b (malar) . .
c (maxillar) .
Hier erhellt sofort, dass bei dem Malar-Durchmcsser (Entfernung der beiden
1) Hr. Wolf bemerkt, dass er im October 18S8 dasselbe Maass gefanden habe.
erbst 1883
Frühjahr 1889
1449 mm
1609 mm')
192 ,
198 „
139 „
137 ,
HO ,
114 ,
12G „
135 ,
«1 r
130 ^
95 ,
115 .
(47)
Tuberositates von einander) ein Trrthum im Messen stattgefunden haben ranss.
Denn, ganz abgesehen davon, dass dieser Durchmesser in 5 — 6 Jahren nicht um
49 mm zugenommen haben kann, so ist auch die für 1889 angegebene Zahl ganz
unmöglich. Und doch definirt Dr. Wolf „die obere Breite des Gesichts" ganz
richtig als die Entfernung „von dem unteren Rande (Höcker) des einen Wangen-
beines bis zu demselben Punkte des anderen". Auch die Distanz der Unterkiefer-
winkel zeigt eine Dififerenz von 20 mm^ die kaum als richtig zugestanden werden
kann. Bei der Ropfbreite findet sich, wie bei Kalala, dass das frühere Maass
grösser ist, als das spätere. Daraus folgt, dass der Schädelindex von 72,3 in 1883
auf 69,2 herabgesunken sein müsste, beides freilich dolichocephale Maasse, aber
doch nicht wohl zulässig. Dagegen ist es möglich, dass in mehr als 5 Jahren die
Körperhöhe um 160, die Kopflänge um 6, die Gesichtshöhe um 4, die Jochbreite
um 9 mm zugenommen haben. (Man vergleiche übrigens meine Mittheilung in den
Verh. 1889. S. 784. Fig. 1—2.).
Es liegt mir fem, aus dieser Nachprüfung Vorwürfe gegen die Messungen des
Dr. Wolf überhaupt erheben zu wollen. Nur das wollte ich darthun, dass die
Reisenden bei derartigen Untersuchungen die äusserste Vorsicht an-
wenden und, wenn möglich, die Messungen mehrmals hintereinander
vornehmen müssen, bis sie constante Resultate erhalten. Auch ist es
vielleicht am Platze, auf die beschränkte Bedeutung vereinzelter Messungen für
die Bestimmung der Rassentypen hinzuweisen; gerade bei solchen Verhältnissen
haben die Mittelzahlen aus grösseren Beobachtungsreihen eine grosse Bedeutung.
Sehen wir uns nun die einzelnen Stämme etwas genauer an. Da sind in
erster Linie die Kebu zu erwähnen, nicht bloss weil von ihnen eine grössere Zahl,
auch Weiber, gemessen sind, sondern weil wir Schädel von ihnen besitzen. Ich
habe solche in der Sitzung vom 21. December 1889 (Verh. S. 768. Taf. VI) be-
schrieben. Aus den Messzahlen des Dr. Wolf berechnen sich folgende Indices:
Geschlecht Schädelindex Gesichtsindex
Nr. 1 $ 75,0 75,4
„2 $ 70,4 70,9
„3 $ 74,4 71,0
„4 ? 73,0 80,1
„5 $ 73,1 78,1
„6 Z 72,9 79,2
«7 5 71,7 78,6
„8 S 72,5 79,1
n 9 $ 72,5 72,4
„10 Z 72,5 78,5
„12 S 71,9 76,4
„13 $ 71,4 80,1
«U $ 75,1 74,8
Die Indices bieten eine überraschende Uebereinstimmung: alle 13 Schädel
(das kleine Mehr von 0,1 bei Nr. 14 ungerechnet) sind dolichocephal und
chamaeprosop. Das Mittel der Schädelindices bei den Weibern beträgt 73,2,
bei den Männern 73,7, das Gesammtmittel 73,5. Etwas weniger übereinstimmend
sind die Gesichtsindices, wenn man sie genauer analysirt. Hier treffen wir auf indivi-
duelle Differenzen von 70,9 (Nr. 2) und 71,0 (Nr. 3) einerseits und von 80,1 (Nr. 4
und Nr. 13) andererseits, also von 9,1 bis 9,2. Auch ist der gemittelte Gesichts-
index der Weiber (74,3) ungleich kleiner, als der der Männer (77,4). Das Ge-
sammtmittel beträgt 76,5. Es könnte von Bedeutung erscheinen, dass der grösste
(48)
Mann (Nr. 13, Körperhöhe 1714 ww) auch den grössten Gesichtsindex (80 J) hat,
aber ein Weib (Nr. 4), dessen Alter Dr. Wolf auf etwa 35 Jahre schätzte und das
nur 1582 mm hoch war, zeigi; denselben Index.
Vergleicht man sodann die Schädelmaasse (Verh. 1889. 8. 784), so ei^ebt sieb
für den Gesichtsindex gleichfalls eine chamaeprosope Zahl. Die Schädelindices
waren mehr verscbieden, indem der eine 76,5, der zweite 73,4, der dritte 75,9 be-
trug, indess bemerkte ich schon damals (S. 772), dass freilich 2 von den Schädeln
Mesocephalie, nur einer Dolichocephalie zeigen, dass jedoch diese Mesocephalie
ziemlich niedrig sei, ja bei dem letzten Schädel der Dolichocephalie ziemlich nahe
stehe. Man wird daher gegenwärtig die Rebu wohl generell zu den Dolichocephalen
und Chamaeprosopen rechnen dürfen.
Was ihre Grösse anbetrifft, so ergeben die Messungen des Dr. Wolf, dass die
gemittelte Körperhöhe der Männer 1649, die der Weiber 1535 mm beträgt. Die
letzteren waren sämmtlich über die Pubertät hinaus: 2 (Nr. 2 und 3) wurden auf
16—18, eine (Nr. 1) auf 25—28, eine (Nr. 4) auf etwa 35 Jahre geschätzt, und
doch maass auch die letztere nur 1582 mm in der Höhe. Bei den Männern be-
trugen die Maximalzahlen 1714 (Nr. 13, etwa 20 Jahre), 1685 (Nr. 12, 18— 20 Jahre)
und 1682 (Nr. 5, 20 Jahre); die Minimalzahl war 1589 (Nr. 9, 18 Jahre).
In Betreff der übrigen Körpermerkmale giebt Dr. Wolf an, dass der Er-
nährungszustand der Leute gut, zum Theil sehr gut war und dass die Männer
muskulös erschienen. Die Hautfarbe auf der Brust variirte in der Radde'schen
Scala nur zwischen 3 b und 3f, ohne dass die Geschlechter merkbare Unterschiede
wahrnehmen liessen. Bei den Weibern sind Tätto wirungen angegeben, und
zwar kurze senkrechte Striche, wie es scheint, zu je 3 an Stirn, Schläfen, Hals
und Brust, sowie radiär gestellte Striche um den Nabel. Iris durchweg dunkel-
braun. Die Lippen bei einigen der Weiber (Nr. 3 und 4) bläulich schwarz. Das
Kopfhaar kraus, spiralgelockt, bei den Männern ausgestreckt 1 — 1,5 ctn, auch bei
den Weibern nur etwa 2 cm lang. Bei einigen der Männer ist ein spärlicher Voll-
bart (Nr. 7 und 10, beide 30 — 35 Jahre alt), bei einem (Nr. 13, etwa 20 Jahre)
ein spärlicher Bart an der Oberlippe und am Kinn, hier bis etwa 2 cm lang, er-
wähnt.
Blau und Grün wurden durchweg unterschieden: ersteres hiess couatzi (in
Adeli gara), letzteres sakke. —
Die anderen beiden Stämme des Togo-Landes bieten folgende Schädelindices:
Aposso, Nr. 22 . . . . 75,6
79,3
n
»
24
Adeli,
ji
23
n
n
25
»
ti
26
n
Ji
27
sich ein
»e
wisi
1'
im Mittel 77,4
78,5
76,9
74,5
74,3
i im Mittel 76,0
Hier zeigt sich ein gewisser Gegensatz zu den Kebu. Die Mittelzahlen er-
geben sowohl für die Aposso, als für die Adeli mesocephale Maasse.
Nun sind freilich nur wenige Individuen gemessen und unter den 4 Adeli haben
2 dolichocephale Indiccs, indess ist das Hervortreten grösserer Breiten, gegenüber
der allgemeinen Dolichocephalie der Kebu (die nur an den Schädeln Ausnahmen
erleidet) bemerkenswerth. Am meisten gilt dies von dem einen Aposso (Nr. 24),
der ganz hart an der Grenze der Brachycephalie steht.
Die Adeli waren verhältnissmässig gross und Dr. Wolf notirt speciell die gute
Entwickelung ihrer Waden. Von den Adeli war der eine (Nr. 25, 20 — 25 Jahre
alt) 17'26, der andere (Nr. 23, ein Fetisch priester von 25—30 Jahren) 1652, ein
(49)
dritter (Nr. 26, 20 Jahre alt) 1641 mm hoch. Dagegen hatte Wapa, der Häuptling
der Aposso (Nr. 22, 25—30 Jahre alt), nur 1602, und ein anderer Mann (Nr. 24,
30 — 35 Jahre) 1588 mm. Indess wird auch bei ihm die stärkere Ausbildung der
Waden bezeugt.
Die Hautfarbe wurde nach Broca und zwar am Oberarm bestimmt. Bei
2 Adeli fand Wolf 28—41, bei dem Priester der Aposso 43, bei dem anderen
Mann 28. Iris durchweg dunkelbraun. Haupthaar schwarz und spiralgerollt; der
Fetischpriester hatte fingerlange Locken und einen spärlichen Rinnbart; der Aposso
Nr. 24 trug das Haar kurz geschoren. Auch der Häuptling hatte einen spärlichen
Kinnbart Tättowirung wird nicht erwähnt.
Da die Aposso der Rüste näher wohnen, so will ich wenigstens beiläufig an
den von Hm. Rund mitgebrachten Anehö aus Klein Povo erinnern, den ich früher
beschrieben habe (Verh. 1889. S. 541. Fig. 2). Er erwies sich als dolichocephal
und chamaeprosop. Ich darf daher jetzt wohl noch mehr, als vor einem Jahre
(Verii. 1889. S. 773), betonen, dass ein bestimmter, mehr facialer Typus bei diesen
Negern hervortritt. —
An die Togo-Leute reihen sich nach den anthropologischen Merkmalen, welche
Dr. Wolf verzeichnet hat, am nächsten die Mandingo. Auf ihre genauere Auf-
nahme hat unser verstorbener Freund besondere Anstrengung verwendet. Leider
waren es nur 3. Von zweien (Nr. 14 u. 16) wird angegeben, dass sie in Bismarck-
burg untersucht wurden; beide waren aus Baki-ema gebürtig, der erste 18, der
andere 20 — 25 Jahre alt. Der dritte, aus Tene, hatte 20 Jahre. Für die Be-
sprechtmg füge ich den einzigen Mende (Nr. 8, etwa 18 Jahre alt) hinzu.
Schädel-
Ohrhöhen-
Oesichts-
Nasen-
index
index
index
index
Mandingo, Nr. 14 .
. 73,3
66,0
84,6
97,6
, 16.
. 71,8
61,0
82,8
110,2?
„ 28.
. 75,5
67,6
82,9
95,6
Mende, „ 8 .
. 75,7
—
—
—
Damach waren die 2 Mandingo aus Baki-ema dolichocephal, dagegen
reichen der dritte aus Tene und der Mende eben in das Gebiet der Mesocephalie
hinein. Dem Ohrhöhenindex nach dürften 2 Mandingo als hypsi-, einer als ortho-
cephal bezeichnet werden können, doch sind die Höhenindices nicht ebenso ver-
theilt, wie die Breitenindices. Zugleich sind sämmtliche Mandingo chamae-
prosop, wie die Rebu, eine Art von weiblicher Bildung, für die ich auch sonst
Nachweise in Westafrika geliefert habe. Zur Vervollständigung des Breiteneindrucks
trägt die beträchtliche Stimbreite von 108—116 mm gewiss nicht wenig bei, während
die geringe Rieferwinkeldistanz von 91 — 97 mm dem Unteigesicht eine mehr keil-
förmige Gestalt verleihen muss. Die Nase ist leider bei keinem der Leute be-
schrieben worden; nach den Indices muss sie ausgemacht platyrrhin sein. Ob
das ganz extreme Maass von 110,2 correkt ist, mag dahingestellt bleiben.
Die geschilderten Mandingo gehörten zu den längsten Leuten, deren Grösse
Dr. Wolf bestimmt hat Er giebt Zahlen von 1730, 1666 und 1629 für ihre Höhe
an, wobei constant noch sehr viel grössere für die Rlafterweite vorkommen (bezw.
1860, 1734 und 1735). Der Mende dagegen hatte nur Zahlen von 1550 und 1645,
dagegen wird auch ihm eine gute Ausbildung der Waden bezeugt.
Die Hautfarbe wird auch für die Mandingo auf analoge Weise bezeichnet,
wie bei den Adeli und Aposso. Bei Nr. 16 fand Wolf an Stirn und Oberarm
(nach Broca) 41, für Wange und Brust 27—28; bei Nr. 16 an Stirn und Oberarm
28-41, für die Wange 28—29, für die Brust 28; bei Nr. 28 für Stmi und Brust 28,
Verband!, der Berl. Antbrupol. Ge«eLUchftft 18^1. 4
IM
(50)
Wange 28 — 29, Oberarm 28—35. Iris durchweg dunkelbraun. Haar sebwars,
spiralgelockt, nur bei Nr. 28 einfach kraus. Bei letzterem werden zugleich spär-
licher Bart, eine gerade Stirn, ein schmales Gesicht mit angelegten Wangenbeinen,
bei allen volle Lippen angegeben. Auch der Mende zeigte an Stirn und Oberarm
eine Farbe von 28 Broca und schwarzes spiralgelocktes Haar.
Von dem Mende heisst es ausserdem, dass er Blau mit lufonno, Grün mit
jänji bezeichnete. —
Ich erwähne dann noch den einzigen Haussa, der in dem Buche A. 1 auf-
geführt ist. Er wird als Lederarbeiter bezeichnet. Haar lockig, kraus, nicht
spiralgelockt. Iris dunkelbraun, Lidspalte wagerecht. Kopf lang, Gesicht oval,
Wangenbeine vortretend. Körperhöhe 1785, Rlafterweite 1845 mm. Breitenindex
des Kopfes 74,6, Ohrhöhenindex 62,9, also orthodolichocephal. Gesichtsindex
77,6, chamaeprosop. Nasenindex 93,0, platyrrhin. —
Es erübrigen jetzt noch die Wei. Von ihnen liegen 19 Aufnahmen vor. Auf
der einen (Nr. 11) ist das Individuum als weiblich bezeichnet; ich vermuthe jedoch,
nur irrthümlicherweise, da der Name George angegeben ist. Die beschreibenden
Aufzeichnungen sind sehr spärlich: es finden sich fast nur Angaben über Haut-
farbe, Iris und Kopfhaar. Die Hautfarbe ist meist an Stirn und Oberarm be-
stimmt, jedoch stets mit derselben Nummer der Farbentafel: 11 mal mit Broca 28,
4 mal mit 41, 1 mal mit 43; in 2 FäUen (A. 1 Nr. 27 und A. 2 Nr. 1) Ut Radde 3e
angegeben. Iris stets dunkelbraun. Das Kopfhaar stets schwarz, 12 mal spiral-
gelockt, 4 mal bloss kraus. In 3 Fällen wird „spärlicher Kinnbart^ aufgeführt
Mehrmals zeigten sich die Lippen voll und vortretend. Tättowirung wird nirgends
erwähnt
Unter den Maassangaben steht obenan die Körperhöhe. Es maassen
1 Wei bis 1550 mm
5 . n 1600 „
ö n « 1650 „
4 „ « 1700 „
3 n V 1750 „
1 „ über 1750 „
Das kleinste Maass (1526 mm) hatte ein 18jähriger Bursche (Nr. 19), dessen
Klafterweite auf 1655 angegeben wird. Das grösste Maass (1795 mm) erreichte ein
Mann, dessen Klafterweite 1865 betrug. Die Differenz im ersten Falle war also
129, im zweiten nur 70 mm; es ist also sehr wahrscheinlich, dass bei Nr. 19 ein
Fehler untergelaufen ist. Im Ganzen liegt die Mehrzahl der Fälle zwischen 1550
und 1700 mm^ was einer Mittelgrösse entsprechen würde. Das drückt auch die
gemittelte Zahl von 1649 mm aus, — genau dasselbe Maass, das wir vorher für
die Kebu-Männer geftmden hatten.
Von den berechneten Breitenindices sind 5 meso- und 14 dolichocephal.
Unter den ersteren erreicht einer (Nr. 18) den hohen Index von 79,1; das Mittel
der Mesocephalen beträgt jedoch nur 76,6. Unter den 14 Dolichocephalen ist ein
hyperdolichocephaler (Nr. 1, Index 68,4). Das Mittel beträgt 72,6. Mittelt man
sämmtliche Fälle, so erhält man die Zahl 73,7.
Der Ohrhöhenindex konnte nur in 2 Fällen (Nr. 1 u. 2) berechnet werden;
er beträgt 63,1 und 63,5, — orthocephale Maasse.
Der Gesichtsindex lässt sich in 5 Fällen berechnen:-
A. 1 .... Nr. 1 hat 94,5
A. 1 . . . . „ 2 „ 94,4
A. 1 . . . . n ^ n 85,8
(51)
AI .... Nr. 29 hat 82,4?
Das eiig:iebt 3 chamae- und 2 leptoprosope Fälle. Dabei ist zu bemerken,
dass in keiner der hier aufgeführten anderen Messungen der Reisende sonst
Leptoprosopie gefänden hat
Das ist das, was sich aus den Aufzeichnungen des Dr. Wolf über die Wei
zunächst zusammenstellen lässt. Ich will nur noch erwähnen, dass er einmal
(A. 2. 1) auch die Parbenbezeichnung für Blau = fadifima und für Grün = lufonno
notirt hat Das letztere Wort wurde ihm von dem Mende firf Blau angegeben,
so dass die Farbenbezeichnung doch wohl nicht so ganz sicher ist, als es Dr. Wolf
annahm.
Zur Vei^leichung mit den vorliegenden Messungen stehen die von Hm. Zint-
graff (Verh. 1889. S. 85) an 40 Wei-Negem angestellten zur Verfügung, die sich
jedoch nur auf den Kopf bezogen:
Unter den Breitenindices (ebendas. S. 92) fanden sich 16 dolicho-, 20 meso-
und 4 brachycephale. Da aus den Messungen des Dr. Wolf sich 14 dolicho- und
nur 5 mesocephale, dagegen kein einziger brachycephaler eichen, so tritt hier
ein nicht geringer Unterschied hervor. Meine eigene Messung an iem Wei-Knaben
des Grafen' J. Pfeil (ebendas. S. 764. Fig. 1 — 2) brachte einen dolichocephalen Index.
Das ergäbe ftlr 60 Wei 31 dolicho-, 25 meso- und 4 brachycephale Köpfe. Ich
habe aber schon früher darauf hingewiesen, dass nach den Messungen des Herrn
Zintgraff auch unter seinen Mesocephalen die mehr langen Formen bei Weitem
vorherrschen (15 gegen 5), und man wird daher jetzt wohl um so mehr berechtigt
sein, den Wei-Negem« im Ganzen eine lange Schädelform zuzuschreiben.
Der Ohrhöhenindex berechnete sich nach den Zahlen des Hm. Zintgraff
in der Weise, dass unter seinen 40 Fällen entfielen auf diesen Index
unter 60 . . . 9 Fälle (chamaecephal),
60—64,9 ... 22 „ (orthocephal),
65 — 69,9 . . . 7 „ (hypsicephal),
über 70 . . . 2 „ (hyperhypsicephal).
Da die genaue Rlassirung der an Lebenden gewonnenen Ohrhöhenindices im
Yerhältniss zu den am Schädel berechneten nicht ganz sicher ist, so müssen diese
Zahlen mit einiger Reserve beurtheilt werden. Immerhin ist unverkennlich die
Zahl der orthocephalen und chamaecephalen überwiegend. Dabei ist bemerkens-
werth, dass nur einer der hypsicephalen Köpfe Dolichocephalie zeigte. Von den
8 anderen Hypsicephalen waren 2 brachy-, 6 mesocephal. Der eine Hyperhypsi-
cephale hatte einen Ohrhöhenindex von 70,9 und einen Breitenindex von 81,9,
der andere 72,7 und 76,5.
Da ich aus den 2iahlen des Dr. Wolf, die leider nur für 2 Leute vorhanden
sind, und ebenso aus den von mir an dem Wei-Knaben gefundenen einen ortho-
cephalen Index berechnete, so verstärkt sich das Gewicht dieser Kategorie. Wir
linden dann unter 43 Wei-Negem 25 orthocephale, 9 chamaecephale und eben so
viele hypsicephale. Somit darf als typisches Maass das orthocephale an-
genommen werden.
Der Gesichtsindex ist aus den Messungen des Hm. Zintgraff bisher nicht
berechnet worden; ich gebe daher nachträglich die Indexzahlen mit den Nummem
der einzelnen Fälle:
Nr. 1 74,3 Nr. 4*. . . . . 75,4
n 2 87,5 „5 77,8
«3 86,2 „6 87,8
4*
(52)
Nr.
n
»
»
n
»
7 . . .
. 82,8
8 . . .
. 80,7
9 . . ,
. 78,6
10 . . .
.* 80,1
11 . . .
. 87,1
12 . . .
. . 75,8
13 . .
. . 80,0
14 . .
. . 76,2
\h . .
. . 80,5
16 . .
. . 79,9
17 . .
. . 81,0
18 . .
. . 76,0
19 . .
. . 81,5
20 . .
. . . 81,8
21 . .
. . 82,4
22 . .
. . 77,9
23 . .
. . 79,6
[r. 24
• •
90,5
» 25
• •
75,7
» 26
• «
71,6
„ 27
• •
79,9
„ 28
• «
78,4
n 29
■
72,7
» 30
•
67,2
„ 31
• 1
74,6
„ 32
•
73,4
» 33
•
75,3
„ 34
•
79,0
„ 35
• 1
74,9
» 36
•
79,6
n 37
•
78,7
n 38
•
73,6
» 39
•
80,7
r, 40
•
78,0
einziger 1
ieptop
rosoper, Nr. 24,
Unter den 40 Köpfen war also nur ein ein einziger
von dem Hr. Zintgraff (a. a. 0. S. 88) ausdrücklich das „lange (Jesicht** hervor-
hebt. Im Uebrigen erwiesen sich sämmtliche aufgeführte Personen als
chamaeprosop. Diesen Index zeigte auch mein Wei-Knabe. Dagegen hat Dr.
Wolf unter 5 Fällen 2 leptoprosope. Vielleicht ist es nicht ohne Bedeutung, dass
gerade diese beiden sich durch besonders grosse Rörpermaasse auszeichneten:
Nr. 1 hatte eine Höhe von 1795 und eine Klaflerweite voivl865 mm^ Nr. 2 1746
und 1935 mm. Im Gegensatz dazu stehen die ungewöhnlich niedrigen Indexzahlen
vieler der von Hrn. Zintgraff gemessenen Leute: es sind darunter 8, die man
geradezu als ultrachamaeprosop bezeichnen kann, da ihre Indices unter 75
liegen. Am niedrigsten ist der Index von Nr. 30 = 67,2; den entsprechenden
Mann bezeichnet Hr. Zintgraff ausdrücklich als „sehr klein*^. Auch Nr. 32 wird
„klein" und Nr. 29 „zart" genannt Nur von Nr. 31 heisst es, dass er „lang" ge-
wesen sei. Es dürfte daher ein gewisser Zusammenhang zwischen Körperhöhe
und Gesichtsindex wohl nicht wegzuleugnen sein.
Hr. Zintgraff hat durchweg auch die Hautfarbe bestimm! Nach seinen
Angaben, die auf die Pariser Farben tafel zu beziehen sind, hat er 15 mal die Nr. 42,
je 10 mal 42 und 28, 4 mal 29 und einmal 27 gefunden. Dies stinunt ziemlich
gut mit den Angaben des Dr. Wolf, der nur in etwas grösserer Häufigkeit die
Nr. 28 aufführt. —
Wir sind aber jetzt in der guten Lage, die Maassverhältnisse der Wei an
einer ganz neuen Erwerbung prüfen zu können. Unter dem 30. October erhielt
ich von dem Reisegefährten des Dr. Wolf, dem Hm. Hauptmann Kling, ans
Ludwigsburg in Württemberg die Nachricht, dass er bei seiner Abreise aus Afrika
den Techniker Bugslag beauftragt habe, das Gerippe eines Wei-Negers, der
an Dysenterie gestorben und in der Nähe der Station beerdigt war, auszugraben
und nach Europa zu bringen. Dieser Auftrag ist von Bugslag, dem früheren
Reisegefährten Wissmann^s und des Dr. Wolf im Congo-Gobiet, sorgfältig aus-
geführt worden. Das Skelet hat Hr. v. Danckelman am Ende des November an
mich ausgeliefert.
Eis fehlen daran manche Theile, namentlich einzelne Wirbelkörper'), der
V Dafür sind einige andere kleinere Knocheo, namenthch ein Wirbel und ein Kahn>
(53)
grössere Theil des Brustbeins, die meisten der kleinen Knochen an Händen und
Füssen, indess das Meiste ist erhalten und wir müssen um so mehr Werth daranf
legen, als dies wohl das erste Skelet eines Wei ist, das nach Eoropa gelangt. Ich
statte daher gern den Herren Kling und Bugs lag unseren Dank ab.
Der Schädel hat die für Westafrikaner ziemlich zutreffende Capacität von
1350 ccm. Sein Horizontalumfang beträgt 507, der Sagittalbogen 367 mm; von
letzterem entfallen 33,2 pCt. auf das Stirnbein, 36,7 auf die Parietalia und nur
29,2 auf das Occipitale. Da auch der Hinterhauptsindex nur 27,8 pCt. der Gesammt-
länge ergiebt, so darf man die Entwickelung als eine vorzugsweise parietale
bezeichnen. Die Form ist orthodolichocephal (Breitenindex 72,2, Höhenindex
72,7). Die etwas schräg stehende Stirn ist schmal (89 mm) und niedrig, mit einem
massigen Nasenwulst, dagegen fast ohne Orbital wülste; Glabella yorhanden, Tubera
schwach, über denselben sofort eine starke Umbiegiüig der Scheitelcurve; letztere
steigt noch bis zu der parietalen Tuberallinie .und macht von da ab einen schnellen
Abfall. Die Parietalia lang, mit starken Tubera. Das Hinterhaupt voll, zumal die
Oberschnppe; Lambdawinkel sehr stumpf, die Naht wenig gezackt, keine Protu-
berantia ext, dafür ein breiter, jedoch niedriger Wulst; Facies muscularis stark
▼ertieft. Die Nähte im Allgemeinen wenig gezackt; die Coronaria unregelmässig,
links am Stephanion mit kurzer Synostose, rechts mit einem starken Einsprung an
gleicher Stelle. Sagittalis in der Mitte einfach, keine deutlichen Emissarien. Alae
sphenoideales unten breit, oben in schmale Enden ausgehend; daneben die Sut. squa-
mosa links uneben, mit weit ausgreifenden Zacken, und mit Abplattung der Schuppe,
rechts mit einem starken Eindruck der Schläfe und einem kleinen Intercalarknochen
an der Schuppe. Ohrlöcher gross. Warzenfortsätze dick und zugespitzt. Das
Foramen magnum gross, 3b mm lang, 34 breit, Index 97,1. Gelenkhöcker stark
und vortretend. Apophysis bstsil. fast horizontal. — Das Gesicht leptoprosop
(Index 91,3), hoch und schmal. Jochbogen angelegt. Orbitae gross, in der Dia-
gonale ausgeweitet, von schwermüthigem Ausdruck, hypsikonch (90,0). Nasen-
beine oben sehr schmal, fast sichelförmig, eingedrückt, unten in die Höhe ge-
bogen; der Nasenrücken stark eingebogen, die Spitze vortretend, die Apertur läng-
lich; Index mesorrhin (50,0). Gesichtswinkel 70°. Fossae caninae massig ver-
tieft. Alveolarfortsatz stark prognath, Zähne gross und vorstehend. Molares UI
noch gut erhalten. Gaumen tief, lang und schmal, ultraleptostaphylin (56,1).
Unterkiefer stark, mit breiten Aesten (41 mm) und grosser Incisur; Proc. coronoides
in senkrechter Richtung 63 mm hoch. Kieferwinkeldistanz gering (85). Sehr
grosse Foram. mentalia ext.
Am Becken ist das Bandstück der Cristae ilium nur unvollkommen angewachsen.
In der Sacralgegend eine Spina bifida (wahrscheinlich occulta): die Proc. spi-
nosi unvollständig und nicht geschlossen. Insbesondere sieht man an der Vert. sacra-
lis I die Bogen sich von beiden Seiten her nähern, jedoch nicht zusammenfliessen,
während darüber und darunter eine grosse Oeffnung in den Wirbelkanal führt. Die
nächst tieferen 2 Proc. spinosi sind ausgebildet und der Wirbelkanal hier geschlossen;
darunter aber ist Alles offen. Vom Steissbein ist nur der I. Wirbel vorhanden,
der links, mit dem Kreuzbein verwachsen ist. Vom am Schambein neben der
Symphyse ein starker Muskelfortsatz. Am absteigenden Ast, an der Verbindung mit
dem aufsteigenden Aste des Sitzbeins, ein starker Absatz. Die Darmbeinschaufeln
bein vorhanden, die nicht zu diesem Skelet gehören. Vielleicht stammen sie von einem
Mandingo, der nach der Mittheilung des Hm. Kling gleichfalls an Dysenterie gestorben
und dort begraben war.
(54)
steil. An den unteren Lombalwirbeln sehr lange, rippenartige Querfort-
sätze.
Im Uebrigen ist das Skelet ziemlich regelmässig gebaut, jedoch erscheinen
alle Knochen verhältnissmässig zart. Die gesammte Höhe des Skelets (nach un-
gefährer Ausfüllung der Lücken in der Wirbelsäule) beträgt 1612, die Schulterhöho
1348, die Höhe der Crista ilium 999 mm. Dem gegenüber beträgt die Höhe des
Oberschenkels (Spitze des Trochanter bis zum unteren Bande des Condylus ex-
temus) 443, die der Tibia (vom oberen Bande der Tibia bis zur Spitze des
Malleolus internus) 394, zusammen 837 mm. Daraus geht die unverhältnissmässige
Länge der ünterextreraitäten hervor: zieht man von der Schulterhöhe die Höhe
der Unterextremitäten (ohne Fuss) ab, so bleibt 1348 — 837 = 511 mm. Die Ober-
extremitäten sind verhältnissmässig viel kürzer: Oberarm vom oberen Umfang des
Kopfes bis zum Gondylus extern us 295, Badius von der oberen Fläche des Köpf-
chens bis zur Spitze des Proc. styloides 263, zusammen 558 mm. Dabei sind die
Ossa humeri an ihrem unteren Ende nicht durchbohrt; oben ein tiefer Sulcus
intertubercularis. An den Ossa femoris die Colla kurz und mehr horizontal ge-
stellt, die Diaphysen an ihren uuteren Enden stärker nach rückwärts gebogen, so
dass die Condylen stark nach hinten gerichtet sind; der untere Theil der Diaphyse
hinten abgeplattet. Die Tibiae nicht abgeplattet, wenngleich zart.
Es zeigt sich an diesem Skelet wieder einmal die schon öfter hervorgehobene
Erscheinung, dass gerade bei Wilden verhältnissmässig grosse Anomalien
im Knochenbau hervortreten, und zwar häufiger, als wir es an Gerippen civili-
sirter Nationen antreffen. Die Anomalien am Becken, welche ich erwähnt habe,
gehören zu den ganz ungewöhnlichen Vorkommnissen bei Erwachsenen.
Vergleichen wir die Verhältnisse an den macerirten Knochen mit den an
Lebenden festgestellten, so fiaden wir in Bezug auf die Kopfform grosse Ueber-
einstimmung: sie ist orthodolichocephal. Dabei erscheint es in Bezug auf die
Vergleichung nicht unwichtig zu erwägen, dass an dem nackten Schädel der ordi-
näre Höhenindex von 72,7 ein orthocephales Maass darstellt, während der Ohr-
höhenindex von 59,8 nach der obigen Klassiruiig eigentlich schon chamaeoephal
ist, wenngleich er hart an der Grenze zur Orthocephalie steht
Dem leptoprosopen Gesichtsindex des Schädels entspricht, wie dai^gelegt,
nur die kleinere Hälfte der von Dr. Wolf gemessenen Wei-Neger und unter den
40 Fällen des Hru. Zintgraff nur ein einziger. Die Verhältnisse der einzelnen
Gesichtstheile sind mit dem Gesammtverhältniss im Einklänge: der hypsikonchc
Orbital- und der mesorrhine Nasalindex stehen in einer gewissen Harmonie. Trotz-
dem werden wir bei der starken Mehrheit chamaeprosoper Formen unter den
Lebenden eine relativ vollkommnere Ausbildung der Gesichtsknochen an den
Schädeln annehmen dürfen.
Die Körperhöhe des Skelets entspricht der Hauptkategorie der an Lebenden
ermittelten Zahlen.
Eine weitere Veigleichung ist wenig lohnend, da Dr. Wolf nur wenige Messun-
gen einzelner Körpertheile vorgenommen hat Nur bei 2 Wei-Negem (Nr. 1 u. 2)
hat er die Höhe der Schulter, des Darmbeinrandes, des Ellenbogens und Hand-
gelenks bestimmt; Messungen an den Unterextremitäten sind, mit Ausnahme des
Fatellarrandes, überhaupt nicht von ihm gemacht worden. Zur Vergleichung stehen
die in analoger Weise ausgeführten Messungen an 3 Mandingo, bei denen aber
auch die Höhe der Crista ilium fehlt Leider zeigen sich überall gewisse Wider-
sprüche, die wohl auf irrthümliche Aufzeichnungen zu beziehen sind. Berechnet
man z. B. aus der Differenz der Schulter- und Ellenbogenhöhe die Länge des
(55)
Oberarms und aus der Differenz der Höhe des Ellenbogens und des Handgelenks
die Länge des Vorderarms, so erhält man
Oberarm Vorderarm zusammen
Wei Nr. 1 . . . 390 mm 296 mm 686 mm
jf jf Z , , , d09 yj Zoo yj Ol 7 ^
Mandingo Nr. U 308 „ 262 „ 570 „
„ 16 308 „ 214 „ 522 „
„ „28 353 „ 289 „ 642 „
Es ist schwer glaublich, dass bei gleicher Länge des Oberarms der Vorderarm
der beiden ersten Mandingo um 48 mm differirt haben sollte, so wenig es wahr-
scheinlich ist, dass der Wei Nr. 2, dessen Vorderarm nur um 1 mm kürzer ist, als
der 'des letzten Mandingo, einen um 36 mm längeren Oberarm gehabt haben sollte.
Jedenfalls ei^ebt sich durchweg eine nur massige Länge des Vorderarms,
wie sie auch an dem Skelet ersichtlich ist. —
Hr. Hauptman Kling hat noch einen anderen Schädel mitgebracht, der in dieser
Umgebung ein besonderes Interesse darbietet, den eines Yoruba. Er schreibt
ipir darüber: „Derselbe stammt von einem unserer Lagos-Leute, der bei einem
Ueberfall in Rebu (17. Jan. 1889) hinterlistig erschossen wurde. Die Feinde gruben
nachher seine Leiche aus, schnitten ihm Herz, Leber und Lunge für Fetischzwecke
heraus und den Kopf ab. Ich fand die Eingeweide in dem von uns zerstörten
Kebudorf Pellawe zum Trocknen angehängt später vor, während der Schädel,
dessen Kinnlade schon entfernt und präparirt war, — sie benutzen letztere in
Aschanti, Dahome und Togo als Schmuck für die elfenbeinernen Kriegshömer, —
während der Friedensunterhandlungen ausgeliefert wurde. ^
Der sehr vollständige, noch sehr jugendliche Schädel hat ein böses, entschieden
an einen Gorilla erinnerndes Gesicht. Er ist ausgemacht plagiocephal, indem
fast die ganze linke Hälfte der Coronaria synostotisch ist. Die linke
Hälfte des Schädeldaches ist schmäler und zugleich höher, als die rechte, während
eine Verkürzung vorn weniger bemerkbar ist und auch hinten nicht gerade auffällig
hervortritt Ein kleines Stück der linken Coronaria dicht über der Schläfe ist
noch erhalten: hier sieht man eine ballonartige Auftreibung dicht über dem Stepha-
nion. Umgekehrt zeigt sich eine beschränkte Synostose an der rechten Coronaria
and zwar gerade an der Kreuzungsstelle der Linea temporalis; darunter ist die
Nahtgegend und der ganze Schläfenfortsatz des Stirnbeins aufgetrieben. Die übrigen
Nähte etwas unregelmässig. An der Sagittalis zwischen den sehr verkleinerten
Emissarien eine daumenstarke Vertiefung. — Die Capacität massig, 1380 ccm.
Horizontalumfang 506, Sagittalumfang 375 mm. Von letzterem enfallen auf das
.Stirnbein 35,4, auf die Parietalia 33,3, auf das Occipitale 31,2 pCt., so dass also
in diesem Falle die frontale Entwickelung dominirt. Immerhin beträgt der Hinter-
hauptsindex noch 31,3 pCt. der Gesammtlänge. Die Stirn ist etwas reclinirt, gross
und breit (106 mm), ihre Mittellinie ein wenig vorgewölbt, der rechte Theil etwas
niedriger liegend. Der Nasenfortsatz massig voll, aber breit, Orbitalwülste und
Tubera fehlend, der hintere Theil des Stirnbeins hoch. Die grösste Breite an den
Schläfenschuppen. Das Hinterhaupt voll, namentlich die Oberschuppe stark ge-
bogen, keine Protub. ext., ünterschuppe mit tiefen Einzeichnungen. Warzenfort-
sätze gross, Gehörgänge etwas eng. Foramen nygnum lang, 32 auf 25 inm, also
Index von 75,9. Die Gelenkhöcker vortretend, abgeplattet, ihr Rand nach hinten
scharf vorspringend. Apophysis fast horizontal. Noch offene Synchondrosis
spheno-occipitalis. —Das Gesicht trotz colossaler Oberkiefer wegen der enormen
(56)
Jochbreite (141 mm) chamaeprosop: Index 84,3. Der Alveolarfortsatz ist leider
stark verletzt, so dass an ihm keine medianen Maasse genommen werden können.
Wangenbeine vortretend : untere Distanz 103 mm, Orbitae niedrig und mehr breit,
medialwärts enger, fast eckig: Index mesokonch (81,1). Nase fast katarrhin,
abgeflacht, die Nasenbeine kurz und breit, nach oben an der Naht vorspringend,
seitlich eingedrückt, der Rücken fast gerade und im Querschnitt gewölbt, die
Apertur gross, hoch und breit, mit Pränasalfurchen; Index platyrrhin (75,7).
Gesichtswinkel 73°. Die ganze Gesichtsfläche der Oberkiefer ^chräg gestellt, die
Possae caninae voll, der Alveolartheil stark prognath. Zähne gross. Molares III
noch mit frischen Kronen. Gaumen breit, aber vom verletzt. Zahncurve elliptisch.
— Der Unterkiefer stark und gleichfalls mit alveolarem Prognathismus. Das drei-
eckige Rinn kräftig, innen doppelte Spina mentalis. Die Aeste breit (39 mm) und
steil, fast senkrecht, aber von innen nach aussen auf der Fläche etwas ausgebogen.
Proc. coronoides 70 mm hoch, Incisur massig. Die Winkel nach innen gewendet
und am unteren Rande mit einem Absätze (Andeutung von Proc. lemur.); die
Distanz der Winkel sehr klein, nur 83 tum betragend. Die unteren Zahn-
reihen in ihren hinteren Theilen fast gerade und parallel.
Auch dieser Schädel erläutert die Richtigkeit des Satzes von der verhältniss-
mässig grossen Häufigkeit erheblicher Rnochenanomalien bei den Wilden. Die
halbseitige Synostose der Rranznaht ist in Europa eine seltene Erscheinung.
Hier ist sie um so mehr bemerkenswerth, als der Yoruba noch sehr jung war:
die offenen Rnorpelfugen am Schädelgrunde und die Beschaffenheit der Zähne
lassen darüber keinen Zweifel. Gewöhnlich entwickelt sich aus dieser Synostose
eine starke Verkürzung und nicht selten eine Erniedrigung der entsprechenden
Schädelhälfte (vgl. meine Gesammelten Abhandl. zur wiss. Medicin S. 911. Fig. 23
bis 27); hier dominirt sonderbarerweise die Verschmälerung und Erhöhung der-
selben, obwohl die Verkürzung nicht ganz fehlt. So ist es geschehen, dass, ab-
gesehen von einigen kleineren compensatorischen Ausweitungen, die Schädelform
orthodolichocephal geblieben ist, wie sie wahrscheinlich auch im Normal-
zustande sich berechnet haben würde.
Das Wenige, was man über Yoruba-Schädel weiss, habe ich in der Sitzung
vom 21. December 1889 (Verh. S. 781) mitgetheilt. Es waren überhaupt nur 5 sol-
cher Schädel, und zwar ausschliesslich weibliche, bekannt und von diesen waren
4 dolichocephal und 1 mesocephal. Ich habe aber damals darauf aufmerksam ge-
macht, dass ein Schädel unserer Sammlung, der von Flegel aus dem Lagos-Gebiet
mitgebracht und einem Jabu zugeschrieben ist, wahrscheinlich in dieselbe Reihe ge-
hört. Sonderbarerweise ist es auch ein weiblicher, wenigstens halte ich ihn dafür.
E3r hat durch seine Dolichocephalie, Chamaeprosopie, Platyrrhinie und Prognathie
viel Aehnlichkeit mit unserem Yoruba.
Das Verhältniss der beiden neuen Schädel zu einander wird sich am leichte-
sten in einer zusammenfassenden Tabelle übersehen lassen.
Togoland
L Kopftnaasse.
Capacität
Qnlsste horiiontale Länge
„ Breite
Wei Yoruba
1850 1380
187 182
13öt I ItVIt
(57)
Togoland
Gerade Höhe
Ohrhöhe
Hinterhauptslänge
Uorizontalumfang
Sagittalumfang des Stirnbeins ....
j, der Parietalia ....
der Hinterhauptsschuppe
Ganzer Sagittalbogen
Stimbreite '
Gesicht, Höhe A
» »B
„ Breite a
» V b
» » c
Orbita, Höhe
y, Breite
Nase, Höhe
y, Breite
Gaumen, Länge
„ Breite
Gesichtswinkel
n. Berechnete Indices.
Längenbreitenindex
Längenhöhenindex
Ohrhöhenindex . .
Hinterhauptsindex
Gesichtsindex . .
Orbitalindex . . .
Nasenindex . . .
Gaumenindex . .
Wei
s
Yoruba
136
136
112
117
52
57
507
506
122
133
135
125
110
117
367
375
89
106
116
119
68
73?
127
141
89
103
86
83
36
31
40
38
52
52
26
29
57
32
40
70°
73°
o«t cor. sin.
nf. part
8ynost. cor. sin
72,2
73,6
72,7
74,7
59,8 1
64,3
27,8 1
31,3
91,3
84,8
90,0
81,5
50,0
55,7
56,1
—
Schon in der December-Sitzung von 1889 (Verband!. S. 780) habe ich einen
Gesammtüberblick über die Craniologie der Guinea -Küste gegeben. Damals
habe ich dargethan, dass auf diesem grossen Gebiet Brachycephalen eigent-
lich ganz fehlen. Die gegenwärtige Untersuchung hat dies in ToUem Maasse
bestätigt. Ja, sie hat sogar gelehrt, dass selbst unter den Wei, deren jetzige
Wohnsitze über Liberia hinaus hegen, die Brachycephalie nur sporadisch vor-
kommt. In Beziehung auf die Bildung der Schädelkapsel dürfte also kaum ein
durchgreifender Unterschied unter den betreffenden Stämmen bestehen.
Was das Gesicht betrifft, so haben leider die Messungen des Dr. Wolf nur
sehr vereinzelte Verhältnisse betroffen und auch diese nicht in genügender Häufig-
keit Scheinbar hat sich ein gewisser Gegensatz zwischen den Köpfen und Schädeln
einzelner Stämme herausgestellt, indem neben der herrschenden Chamaeprosopie
(58)
hier und da Leptoprosopen vorkommen. Indess dasselbe hatte ich schon früher
gefunden und zugleich war mir die Thatsache entgegengetreten (ebendas. S. 780),
dass es hauptsächlich Männerschädel waren, an denen diese Eigenschaft bemerkbar
wurde. Die gegenwärtige Untersuchung hat dies bestätigt. Daraus geht hervor,
dass ich nicht Unrecht hatte, wenn ich schon früher bei mehreren Oelegenheiten
betonte, dass, wenn nicht der Gesichtsindex überhaupt, so doch jedenfalls die jetzige
Eintheilung desselben in ethnologischem Sinne ungenügend ist Es fehlt offenbar
ein mittleres Maass, eine Mesoprosopie, welche genauer zu fixiren, eine Auf-
gabe der nächsten Zeit sein muss. Aber es ist kaum zu bezweifeln, dass auch
mit einer solchen Einschiebung der von mir wiederholt nachgewiesene Einfluss
der Sexualität bestehen bleibt, nicht bloss in dem Sinne, dass die Weiber mehr
zur Chamae-, die Männer mehr zur Leptoprosopie neigen, sondern auch in der
Weise, dass gewisse Stämme im Grossen, auch bei den Männern, einen
mehr weiblichen Gesichtstypus zeigen. Dahin gehören von den hier be-
handelten Stämmen vorzugsweise die Wei und die Kebu, letztere vielleicht in
höherem Maasse. Diese Stämme besitzen, dem entsprechend, auch mildere Formen
der Gesichtsbildung, namentlich geringere Prognathie und weniger häufig Platyr-
rhinie. —
Wie ich schon vorher (S. 45) anführte, hat Dr. Wolf in seinem Notizbuche
einen Passus über die religiösen Gewohnheiten der Togo-Leute nieder-
geschrieben. Derselbe lautet folgendermaassen:
^Die Togo-Eingebomen glauben an einen Gott, den sie Maue nennen, der überall
ist und Alles sieht. 401 kleine Götter und Göttinnen, gute und böse, dienen als
Mittelspersonen zwischen Maue und den Menschen. Zu ihnen gehören unter anderen
in Popo der Donner als Gott und der Blitz als Göttin. Die Priester und Prieste-
rinnen des Donners haben als Abzeichen einen Kreis von Punkten etwa in der
Magengegend um den Körper, die des ßlitzes so, dass hinten auf dem Rücken
die Schlusslinien der ßogen nach oben dem Nacken zu gehen.
Messungen des Dr. Wolf
Haussa
Bnch^A. 1
1 2 ■'
Wci I Wei
i
$ 5
3
Wei
5
Wei
20—25 etwa 20
Jahre i Jahre
L Kopftnaasse.
Gr58ste Länge
, Breite
Ohrhöhe
Stimbreite
Gesichtshöhe A (Ilaarrand) . . . .
^ B (Nasenwurzel) . . .
Mittelgesicht
(iiesichtsbreite a (Jochbogen) . . .
^ b (Wangenbeinhöcker)
„ c (Kieferwinkel) . . .
Distanz der inneren Augenwinkel . .
- .. äusseren « . .
197
147
124
120
162
108
72
189
140
128
85
100
206
141
130
85
193
121
85
128
128
116
42
105
197
144
125
62
190
119
69
126
125
115
87
105
194
148
197
144
(59)
„Die Götter Adeli's, Neyo, Prikko gehören ebenfalls zn den 401 und sind weit
und breit als besonders mächtig bekannt; sie haben in Adeli ihren Wohnsitz auf-
geschlagen.
„In Jege (Adeli), wie auch in anderen Ortschaften, befindet sich eine unförm-
liche grosse Lehmftgur in sitzender Stellung mit Kauri-Augen unter einem Schutz-
dach. Diese stellt den Teufel vor und heisst Elegba. Morgens gleich nach dem
Aufstehen pflegt der Eingebome sich zu Elegba zu begeben, vor derselben mit den
Füssen auf dem Boden zu scharren und zu bitten, alles Böse an diesem Tage an
ihm vorübergehen zu lassen.
„Seelenwanderung in Klein-Popo. Wird ein Kind geboren, so befragen
die Eltern das Orakel Ifa mit 16 Palmenkernen, ob in das neugeborne Kind eine
Seele von mütterlicher oder väterlicher Seite und welche bestimmte übergegangen
sei. Von der Antwort des Orakels hängt die Benennung des Kindes ab, welches
den Namen des oder der Verstorbenen erhält, dessen oder deren Seele in dasselbe
übergegangen ist. Der Glaube an ein Fortleben nach dein Tode ist vorhanden,
jedoch giebt es dieses nur für die guten Menschen. Die Seelen der Guten gehen
zu Maue, die Seelen der Schlechten dagegen sterben mit dem Körper."
Das leider sehr kleine Vocabular lautet:
Nun-proe, Unterkleid.
Ffonchokolo, Hose.
Owu-chyon, Umhang.
Godo, Lendentuch eines Mannes (von
Jalus).
Dovo, Armband.
Aga-vo, Ueberkleid einer Frau.
Hun, Trommel (Ganchya).
Kpo-ge, Singstab.
Vilgure, Hängekorb.
Pitterke, Webeschifl".
Pabaru, Ledertasche.
Mabbirgil benbel, Urnen.
Gurma, Zierplatte für die Unterlippe der
Frauen.
Nasenring (. . . insky).
Zum Schlüsse gebe ich aus den Einzel-Aufnahmen des Dr. Wolf eine Zu-
sammenstellung seiner Aufzeichnungen:
7
8
9
Buch
10
A. 1
13
14
6
11
12
15
Wei
Wei
Mende
Wei
Wei 1 Wei
Wei
Wei
Man-
dingo
Wei
$
s
$
S
■ s ??
$
s
s
$
20
20
etwa 18
25
i 20 i 20-25
18
25-28
18
20-25
Jahre
Jahre
Jahre
Jahre
Jahre Jahre
Jahre
Jahre
Jahre
Jahre
1
[. Kopfmaasse.
202
192
189
199
179 1 191
195
' 203
191
1%
147
142
143
148
136
.148
142
154
140
126
116
168
110
145,2
0
—
—
—
■^— »
—
,
69
130
121
97
35
—
—
—
.
—
94
—
(60)
Messungen des Dr. Wolf
Uaussa
Nase, Höhe
n L&nge
„ Breite
Mund, Länge
Ohr, Höhe
Entfernung des Ohrloches von der Xasenwursel
Horizontalumfang
43
46
40
57
57
124
670
n. Ktfrpermaasse.
Ganze Höhe
Klafterweite
Höhe, Kinn
^ Schulter ....
„ Ellenbogen . . .
y, Handgelenk . . .
,, Mittelfinger . . .
„ Nabel
,, Crista ilium . . .
„ Symphysis pubis
j, Trochanter . . .
Patelia, oberer Rand
„ Malleolus extemus .
Schulterbreite
Brustumfang
Hand, Länge
„ Breite
Fuss, Länge
„ Breite
Grösster Umfang des Oberschenkels .
der Wade ....
1785
1845
1562
1519
1156
806
688
952
1020
927
908
508
81
4nO
885
191
86
265
161
495
856
1
Wei
Buch k,Jl
2 !
Wei I
49 , 42
52 44
(lief.) 18 (II. t) 15
57 56
62 55
670
1795
1865
1537
1147
851
665
1076
1026
1746
1935
1482
1093
805
601
1098
1082
539
812
852
3
Wei
5
Wei
20—26 etwa 20
Jahre Jahre
555 —
1700 1 1633
1770 : —
699 I — I _
825 836
Buch A. 1
Messungen des Dr. Wolf
Grösste Länge
Breite
16
Man-
dingo
s
20-25
Jahre
I. Kopftnaasse.
195
17
Wei
i
18
Jahre
18
Wei
19
Wei
25-80 ä
Jahre * Jahre
140
186
189
187
148
185
188
20
Wei
Jahre
146
(61)
Buch
A. 1
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
Wei
$
20
Jahre
Wei
Jahre
Mende
etwa 18
Jahre
Wei
1
Jahre
Wei
1
Jahre
Wei
$?
20—25
Jahre
Wei
Jahre
Wei
s
25—28
Jahre
Man-
dingo
Jahre
Wei
20—26
Jahre
43
40
42
45
129
108
545
n. Körpermaasse.
1594
1687
1810
1550
1645
1701
1835
790
820
820
830
1567
1720
1589
1685
1603
1705
805
775
795
1631
1730
1629
1735
1425
1348
1040
778
591
981
820
760
1732
1935
Sö5
Buch A. 1
27
1
1
29 ]
Buch A.2
21
22
23 ;
24
25 26
28
1
Wei
Aposso
Adeli I
Aposso Adeli Adeli
AdeH
Man-
dingo ,
Wei :
Wei
25-30
Jahre
25-30
Jahre
25-30
Jahre
S 1 $ s
30 35 20 25 20
Jahre Jahre Jahre
1 1
s
etwa 14
Jahre
20
Jahre
S
20-24
Jahre
25-30
Jahre
I. Kopfmaasse.
190
193
191
184
195 ' 192
187
188
192
199
142
146
150
146
150
148
139
142
136
140
(62)
Messungen des Dr. Wolf
Ohrhöhe
Stimbreite
Gesichtfihöhe A (Haarrand)
„ B (Nasenwurzel)
Mittelgesicht
Gesichtsbreite a (Jochbogen)
„ b (Wangenbeinhöcker) . . .
„ c (Kieferwinkel)
Distanz der inneren Augenwinkel
„ „ äusseren „
Nase, Höhe
« Lange
„ Breite
Mund, Länge
Ohr, Höhe
Entfernung des Ohrloches von der Nasenwurzel
Horizontalumfang
16
Man-
dingo
$
20—25
Jahre
119
112
182
106
62
128
128
91
38
130
39
37
43
52
60
114
665
n. Körpermaasse.
Ganze Höhe
Klafterweite
Höhe, Kinn
„ Schulter ....
„ Ellenbogen . . .
., Handgelenk .
„ Mittelfinger . . .
„ Nabel
„ Patella
Brustumfang
Hand, Länge
, Breite
Fuss, Länge
„ Breit«
Grösster Umfang der Wade
17
Wei
18
Buch A. 1
18
Wei
19
Wei
26-30
Jahre l Jahre Jahre
20
Wei
Jahre
^■^
115
1
*
134
—
116
«■^
98
49
1666,2
1666
1634
1626
1668
1734
1725
1738
1665
1730
1436
—
__ 1
—
—
1383
—
—
—
—
1075
—
—
—
—
821
—
—
•
—
633
—
—
—
1009
--
—
—
—
490
--
—
—
—
798
780
sr/)
786
812
172
—
—
—
—
254
_
1 ^~
.^
102
—
—
—
—
345
^—
...
.^—
^_
(63)
■
Buch A. 1
Bich A. 2
21
22
23
24
25 26
27
28
29
1
Wei
s
25-30
Jahre
Aposso
s
25-30
Jahre
AdeH
$
25 30
Jahre
Aposso
s
30—85
Jahre
Adeli
s
20-25
Jahre
Adeli
Jahre
Adeli
Jahre
Man-
dingo
20
Jahre
127
Wei
s
20-24
Jahre
Wei
$
25—30
Jahre
—
1
1
•
108
186
112
73
185
113
122
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_
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— .
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137
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—
—
t
1
—
122
135
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—
—
*""
—
97
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113
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—
~
91
46
45
44
49
66
44
46
—
__
—
—
—
1
—
—
^"^^
•^^
—
—
119
535
—
n.
1
Körpermaasse
1.
1633
1602
1652
1588
1726
1641
-—
1780
1687
1750
1785
"~~
~"^
^■^
(V,) 930
1509
1421
1068
779
596
1012
525
780
190
86
■
—
780
«HB»
._
_M_
__
__
■
__
■"^
—
278
107
277
—
(64)
Messungen des Dr. Wolf
Kebn (Taschenbuch)
1
Ossua
?
25-28
Jahre
2
Alossn
$
16-18
Jahre
Dobosse Elle Ni
5
16-18
Jahre
etwa ti5
Jahre
Aufrechte Höhe
Grösste horizontale Länge . . .
^ Breite des Schädels. . .
Höhe des Gesichts B
Obere (malare) Breite des Gesichts
Untere (maxillare) Breite. . . .
Jochbreite
Nasenhöhe
1543
1557
1459
1582
192
186 '
176
178
144
1
131
131
130
107
95
91
105
183 1
124
118
121
108
107
100
10*2
142
134
128
131
48
40
36
41
III. Berechnete Indices.
Berechnungen von Virchow
Längenbreitenindex
Ohrhöhenindex
Gesichtsindex
Nasenindex
Längenbreitenindex
Ohrhöhenindex
Gesichtsindex
Nasenindez
Längenbreitenindex
Gesichtsindex
Haussa i Wei
I
2
Wei
3
Wei
74,6
68,4
73,1
73,7
62,9
63,1
63,5
—
77,6
94,5
94,4
—
93,0
—
—
19
20
21
29 .
Wei
Wei
Wei
Wei
5
Wei
73,1
74,6 70,1 ! 74,7
85,8 i —
.A,2. 1
Wei
70,8 70,4
I
^_ I ^_
82,4 ? 83,5
12 3
Kebu$ Kebu2 Kebu?
75,0
75,4
70,4
70,9
74,4
71,0
4
Kebu$
73,(»
80,1
(17) Hr. Hob. Hart mann hält einen Vortrag tibcr die
Amazonen des Königs von Dahome.
Ich beabsichtige heute keineswegs noch weiter tibor jene Art von Amazonen
zu sprechen, welche jetzt im Gas tan' sehen Panopticum durch ihre drallen Ge-
stalten, sowie durch ihre mit grosser Verve und Correctheit ausgeführten militäri-
schen Wendungen Aufsehen erregen. Sie haben diese schwarzen Personen wohl
selbst, theils an Ort und Stelle, oder auch hier, in der Sitzung, hinlänglich
(65)
Keba (Taschenbuch)
5 { 6
Ifibeso ! Akparra
Jiüire
Jahre
Aradschi
s
30-35
Jahre
8
Osnssn
$
20—25
Jahre
9
Odunna
t „
etwa 18
Jahre
10
Nenne
30-35
Jahre
12
N'Dassu
$
18—20
Jahre
13
Jamissi
5
20 25
Jahre
1_.
14
Oujabba
20-25
Jahre
1682
1607
197
192
144
140
111
103
129
120
105
102
142
130
45
43
1653
187
184
107
120
107
136
45
1642
189
137,5
106
103
102
134
44
1589
193
140
105
127
118
145
44
1629
193
140
110
127
106
140
46
1685
192
138
107
124
105
140
41
1714
185
132
105
125
96
131
43
1637
189
142
104
180
105
139
40
m. Berechnete Indices.
6
Wei
7
Wei
9
Wei
' 10
Wei
11
Wei
1 12
Wei
1
13
Wei
15
Wei
17
Wei
75,1
18
Wei
72,7
74,0
74,4
76,0
77,5
72,8
75,8
74,0
79,1
—
• ^^^^
—
""
—
—
—
—
8
Mende
1
14
Man-
dingo
16
Man-
dingo
28
Man-
dingo
22
Aposso
1
24
ApoE
79,
\80
23
AdeH
25
AdeH
26
AdeH
27
AdeH
75,7
73,3
71,8
75,5
75,6
1 1
3 78,5 76,9
74,5
74,3
—
66,0
61,0
67,6
—
—
—
—
—
—
84,6
82,8 82,9
—
1
— —
—
—
97,6
110,2?
95,6
—
—
—
•
—
5
Keba
6
Keba
7
Kehl
1
1
8
Keba
72,5
9
Keba
72,5
10
Keba
72,5
12 13
Keba Keba
14
Keba
73,1
72,9
71,1
71,9
71,4
75,1
78,1
79,2
78,C
*
)
79
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7
2,4
78,5
76,4
80,1
1
74,8
beobachtet nnd auch die hübschen, von unserem Mitgliede, Hm. Franz Görke, auf-
genommenen Photographien jener Damen gesehen.
Obwohl nun die Caat an' sehen Amazonen schwerlich je die Zeribah oder
Boma des Herrschers von Dahome betreten haben werden, so können wir dennoch,
glaube ich, dem Aussteller und dem Impresario für die Gewährung solcher immer-
hin recht interessanten westafrikanischen Typen, wohl theüs Kroomen oder Wei's,
theils Yorubaner, Dank wissen.
Von einigen Mitgliedern dazu animirt, will ich heut die wirklichen^ ächten
Verbandl. der BerL Anthrop. OeseUsehaft 1891. 5
(66)
Amazonen des Königs in Dahome nach verschiedenen Vorlagen besprechen, jene
vor Blutdurst und kriegerischem Eifer halbtollen Megären, welche inmitten der
sonst so gutherzigen und mildsinnigen nigritischen Weiberwelt wie ein entsetzliches,
psychologisches Käthsel auftauchen!
Vorher zeige ich Ihnen noch käufliche Photographien der Castan' sehen
Amazonen, sowie Holzschnitte aus dem Yoruba-Lande. Letztere sind der einzige
Schmuck verschiedener Bände der Missionary Church Intelligencer. Ich hatte
diese Zeitschrift aus dem Nachlasse des frommen Prof. Lepsius für theures Greld
und mit der sicheren Hoffnung erworben, darin reichliche Belehrung über Länder-
und Völkerkunde zu finden. Da ich aber leider in den Bänden fast nur Expectora-
tionen über hochkirchliche Askese und andere mir uninteressante und unverständ-
liche Dinge angetroffen, so habe ich sie der immerhin recht hübschen xylographi-
schen Beilagen entledigt, von denen Ihnen eine Reihe vorliegt
Zugleich mache ich auf die sehr beachtenswerthe ethnographische Ausstellung
aus Dahome und aus den Nachbarländern aufmerksam, welche Hr. Gas tan jun.
heute hier veranstaltet hat. Ich komme dann zu unserem eigentlichen Gegenstände.
Dahome, von H. Zoll er nicht mit Unrecht ein Wachtthurm uralter afrikani-
scher Barbarei, ein wahrhaftes Schreckensreich genannt, erstreckt sich längs eines
Theiles der Sklavenküste und nach dem Innern, östlich durch den Rüstenstaat
Porto Novo und durch Yoruba, westlich durch das Küstengebiet von Gross Popo
und das Reich Aschänti begrenzt. Das Reich mag zwischen 175 — 185 geographische
Quadratmeilen gross sein. Dasselbe wird von einigen Flüssen durchströmt und
ist im Ganzen fruchtbar, auch bevölkert. Im Küstengebiet finden sich die Häfen
Kotonü und Wyda (Hvida oder Ajuda), letzterer der reichste des Landes, in einer
sumpfigen Umgebung. Die etwa 180000 Individuen zählenden Bewohner Dahomes
treiben Ackerbau und Handel. Ihre Religion besteht im ausgesprochensten Fetisch-
dienst.
Die Regierung von Dahome hat es bis jetzt hartnäckig verweigert, die um
Wyda herumliegenden Sümpfe trocken legen oder wenigstens durch hindurch-
gezogene Dämme zugänglicher zu machen. Es entspricht dies der Abschliessungs-
politik eines Landes, das, obwohl im Ganzen im Verfalle begriffen, nach Zöller in
seiner Regierung und Verwaltung neben aller Grausamkeit doch noch mehr Leben,
Thatkraft und Weisheit entwickelt, als die ganze englische Goldküsten-Rolonie.
Dahome bringt weder Gold, noch Silber hervor. Allein die dortigen Gold-
schmiede wissen aus Piastern und Dublonen recht geschmackvolle Schmuckgegen-
stände zu verfertigen. Man hatte zwar in den öfters recht gut gearbeiteten Töpfer-
waaren des Landes goldhaltigen Thon erkennen wollen, allein das Material dazu
besteht nach Bosset nur aus glimmerhaltiger Masse.
Der König des Landes, der Ahäsu, ist vollkommener Despot. Unter ihm
stehen zunächst die Fetischpriester und die Häuptlinge. Diese duldeten früher
keinen Besuch des Königs an der Meeresküste. Jede ungeziemende Aeussemng
oder Bewegung Seitens des Volkes dem Landesoberhaupt gegenüber wurde und
wird noch jetzt mit einem martervollen Tode bestraft. Spionirerei und Angeberei
dienten den Machthabem zur Stütze ihrer Gewalt
Hauptstadt ist Aböme, A'gbome. Sie zählt (nach unsicheren Angaben) nur
10 000— 12 0(K) Einwohner. Der Ort wird von breiten Gräben und von domigem
Buschwerk umgeben. Eline neuere französische Arbeit schreibt Aböme monu-
mentale Thore zu (Les colonies frantjaises, Paris 1890, vol. VI, p. 227).
Alljährlich unternimmt der König Kriegszüge in die Nachbarländer, nament-
lich die yorubanischen, überfüllt hier, womöglich in Mondscheinnächten, die nichts
(67)
ahnenden Ortschafken, brennt sie nieder und macht dabei möglichst viel Ge-
fangene, die dann als männliche (Kalia) und als weibliche (Kir) Sklaven dienen
müssen. Früher, als noch der Sklavenhandel der Europäer blühte, wurde nur ein
Theil der Gefangenen bei den Festlichkeiten, bei der sogenannten „grossen Sitte"
vor den Augen der Menge abgeschlachtet. Gegenwärtig betreibt man diese
Metzeleien in kolossalem Maassstabe. Die grosse Sitte wird meist im Januar und
Februar gefeiert. Es giebt dabei Trink- und Essgelage, Paraden, Gesänge und
Tänze, sowie jene Massenopfer, bei welchen eine beispiellose Grausamkeit ent-
wickelt zu werden pflegt. Diese Opfer scheinen nach dem ürtheile Mancher mit
einem tief eingewurzelten Unsterblichkeitsglauben zusammenzuhängen. Man denkt,
die Geschlachteten führten im Jenseits ein gutes Leben. Grosse Menschenopfer
werden hier, wie dies ja auch unter den Aschanti und unter anderen afrikanischen
Barbarenstämmen geschieht, bei den Bestattungsfestlichkeiten eines Ahasu dar-
gebracht Man sendet nehmlich dem abgeschiedenen Könige die Dienerschaft ins
Grab nach. Wenn der regierende König eine Botschaft an den Geist eines seiner
Vorfahren auszurichten gedenkt, so vertraut er dieselbe einem beliebigen Sklaven
an und stösst diesen entweder sofort höchst eigenhändig nieder oder lässt ihn vor
seinen Augen von Anderen tödten. Man wirft bei Gelegenheit der grossen Sitte
unglückliche, in Körbe gepackte Kriegsgefangene von einer Platform herab mitten
unter die Menschenhaufen, die dann über diese Opfer herfallen und sie in scheuss-
licher Weise zerstückeln. Andere werden vom officiellen Schlächter, dem Mingän,
auch vom Grossschlächter, Gram' Mingän (vom Portugies, gräo), mit einem Riesen-
schwerte geköpft. Das Blut wird in kupfernen Pfannen gesammelt. Ich zeige
Ihnen hier die Holzschnittabbildung eines zum Opfertode bestimmten Individuums.
Dasselbe, in eine weiss- und blaugestreifte Tunica gehüllt und mit einer weiss-
und rothgestreiften Baumwollenkappe bedeckt, ist an einen Pfahl gefesselt (Aus
der Pariser Illustration, 1852 er Jahrgang). Eine von mir angefertigte Aquarell-
darstellang betrifft den sein Amt verwaltenden Gram' Mingän, nach einem Holz-
schnitt des Dr. Repin (Le Tour du Monde, 1863). Ich habe letzteres Bild in
starker Vergrösserung copirt und demselben etwas „afrikanische Färbung" zu
verleihen gesucht.
Ausser Menschen opfert man bei der grossen Sitte allerhand Thiere auf ebenso
kannibalische Weise, wie jene.
Der Ahasu stützt sich auf ein gut geübtes, stets schlagfertiges Heer. Darunter
ßnden sich auch die berühmten und berüchtigten Amazonen. Es sind dies unter
dem gegenwärtigen Könige etwa 6000 Mädchen. Einer unserer jüngeren Mitbürger,
Hr. Schlicke, der als Kaufmann an der Sklavenküste gelebt hat, erzählte mir,
das gegenwärtige Regime dulde als Amazonen nur sehr junge Personen von
15 — 19 Jahren, kräftige Negerinnen, darunter manche nicht anmuthlose Erschei-
nung. Aehnliches haben schon Repin und Porbes erwähnt. Gerade solche ganz
junge Wesen sollen den grössten Muth und die grösste Bestialität entwickeln. Der
bekannte, alle Nigritier auf das Absurdeste carrikirende Afrikareisende Richard
Burton hat eine dahomeische Amazone dargestellt, ein wahres Zerrbild von lächer-
licher Fratzenhafligkeit, eine physisch-anthropologische Unmöglichkeit (A mission
to Gelele, King of Dahome. London 1864. Vol. I, Titelbild). Repin hat an
seinem Amazonenbilde insofern übertrieben, als er zwei solcher Weiber in völlig
unausführbarer Stellung abbildet. Eine derselben schiesst nehmlich im tollsten
Laufe den Bogen ab, die andere dagegen hält im Laufen mit beiden Händen zwei
abgeschlagene, schwere Nigritierköpfe mit höhnender Geberde steil empor. Der-
gleichen Kunststücke soll mir erst einmal Jemand vormachen ! Am Besten ist noch
(68)
das Amazonenbild bei Forbes gerathen. Das hält sich ganz im Bereiche des
Verständlichen.
Ich habe nach solchen älteren Vorlagen ein Gooachebild von Amazonen in
ruhiger Stellung gezeichnet, vom die Rriegstrompete von Messing und Elfen-
bein, sowie die mit menschlichen Schädeln und Rinnbacken gamirte Rriegs-
pauke. Daneben abgehauene Köpfe, Arme und FHisse, weiterhin das Gadaver einer
geköpften Frau, die bei solchen Schlächtereien unvermeidlichen Aasgeier (Gyps),
im Hintergrunde eine niedere, z. Th. mit abgesäbelten Köpfen besetzte Garten-
mauer. Sie sehen, diese meine Darstellungsweise hat viel Derbes, aber Gouache
hat für solche skizzenhaften, ethnologischen Bilder ihr sehr Gutes, namentlich
wenn der Darsteller derselben, bei sonstigem Mangel an Müsse, in kurzer Zeit
einen gewissen realistischen Effect zu erzielen beabsichtigt
Die Amazonen, sagt Aug. Bouet (im Jahre 1852), sind fast immer Töchter der
Häuptlinge, welche von diesen, im Alter von 8 — 9 Jahren, dem Könige zum Ge-
schenk gemacht werden. Wenn letzterer die Mädchen gnädigst angenommen hat,
so verlassen sie den königlichen Palast nicht mehr anders, als um ins Feld zu
rücken. Ihre Abrichtung behält nur das einzige Ziel im Auge, alle männlichen
Krieger Dahomes an Hingebung und Tapferkeit zu übertreffen. In allen Kriegen
des Königs Gezo haben die Amazonen stets den tollktlhnsten Muth bewährt Wenn
zur Zeit des eben erwähnten Despoten eine Amazone den Palast verliess, so ward
sie stets von einem Eunuchen begleitet, welcher das auf der Strasse befindliche
Volk durch den Ton einer Klingel von dannen scheuchen musste. Denn eine
auch rein zufällige Begegnung mit der Amazone wurde vom Könige stets mit dem
Tode bestraft. Er wählte aus dem Corps einzelne Mädchen aus, welche ihres
kriegerischen Amtes entkleidet und der enormen Zahl seiner Beischläferinnen hinzu-
gesellt wurden. So kommt es, dass die ächte Amazone männliche physische Bil-
dung nur an solchen Individuen kennen lernt, welche von ihr im Kampfe tödtlich
niedergestreckt worden sind. Eine durch einen männlichen Feind gefangene Ama-
zone würde sich aber lieber selbst entleiben, als eines solchen Mannes Hausfrau
werden (Ulllustration, 1852, No. 491). Um sich einen weiteren Begriff von dem
unbeugsamen Sinne dieser kriegerischen Megären machen zu können, diene die
Erzählung, dass zwei, 1851 bei dem vergeblichen Sturme auf Abbeoküta durch die
Egba gefangene Amazonen diejenigen Leute getödtet haben, von denen sie mit
Nahrung versorgt werden sollten.
J. Bayol, auch bei uns bekannt durch sein Werk: Voyage en Senegambie,
Paris 1888, hat im November und December 1889 am Hofe zu Abome während
der grossen Sitte den verstorbenen Könige Glegle oder Gelele täglich etwa
280 Leute schlachten sehen. Den zur Execution Verurtheilten wird jetzt europäi-
sche Kleidung angezogen und man stellt ihnen, noch zum Hohn, einen Sonnen-
schirm zwischen die Beine. Von den Amazonen mit den lebhaftesten und wilde-
sten Bocksprüngen umtanzt, werden die Unglücklichen dann auf ein Zeichen des
Königs abgethan. In der Pariser „Illustration^ vom 15. März 1890 ist eine der-
artige Scene recht anschaulich dargestellt worden.
Die Amozoncneinrichtung ist in Dahome nicht neu. Schon frühere Bericht-
erstatter, wie Bosman, erwähnen solcher Kriegerinnen. Nach Burton heissen
sie Ahii'si, des Königs niedere Weiber, oder auch Mino, unsere Mütter (Mutter
heisst Nöe, Nödschi). Sie sind in eine Art von Regimentern abgetheilt. Ihre OfR-
ciere sind ebenfalls Weiber. Als Kleidung dienen ihnen kurz- oder ohnärmligc
Tuniken, deren Farbe je nach den verschiedenen Heeresabtheilungen variirt Dar-
unter hängen ein kurzgeschürzter Rock von verschiedenfarbigem yombaner Baum-
(69)
wollenstotf, auch wohl kurze Hosen. Charakteristisch bleibt die weisse Bamn-
wollenkappe mit eingestickter schwarzer oder indigoblauer Figur eines Rrokodiles,
eines der Hauptfetische des Landes (Lö), neben welchem allerdings auch der
schöne, wehrhafte Leopard (Gbö) und verschiedene, nicht giftige Schlangen in
Ehren stehen. Auf dem Gipfelpunkt der Rappe sitzt ein kleiner, schwarzer oder
dunkelblauer Knopf oder Fuschel. Die Officiere pflegen ein Pellkäppchen mit an-
gehefteten polirten Antilopenhörnern und einigen Raurischnecken anzulegen. Die
Bewaffnung der Amazonen bestand früher nur in Bögen (Dägbo), Spiessen (Adschi),
Schwertern (Ohoi) und Streitäxten. Gegenwärtig verfügen sie durchgängig über
Musketen (So), meist noch mit Peuerschloss, alte (in Europa ausrangirte) Schiess-
prtigel, deren Munition in Pulverhömem, in Reihen von Patronenhülsen und in
Cartouchen verschiedenster Porm und Farbe getragen wird. Schwerter und Messer
von allerhand Porm und Behang dürfen nicht fehlen: dienen sie doch ganz beson-
ders dazu, den niedergestreckten Feinden die Köpfe vom Bumpfe zu trennen, um
diese als Siegeszeichen forttragen zu können.
H. Zoll er hat beim Schacha, dem portugiesisch gemischten Civilstatthalter de
Souza zu Whyda, einer Vorstellung der hier nur zum Prunk gehaltenen 60 Ama-
zonen, früheren Kriegerinnen von Abome und im Alter von 18 — 25 Jahren be^
findlich, beigewohnt „Man denke sich 60 junge, schlanke und ausgesucht kräf-
tige Pi-auen, die, ohne unweiblich zu werden, dennoch einen unbezweifelt krie-
gerischen Eindruck hervorrufen. Diese Vereinigung des Weiblichen und des Krie-
gerischen würde bei Europäerinnen kaum denkbar sein, sie erklärt sich durch
die eigenthümliche Bildung des Knochenbaues imd besonders durch die Schmal-
heit des weiblichen Negerbeckens. Negerinnen von unvermischtem Blut (bei
Mulattinnen ist es gerade umgekehrt) haben nur selten üppige Formen und ähneln
in Bezug auf den Knochenbau auffällig den Männern. Man muss sich daher die
Amazonen ungefähr so vorstellen, als ob die erwachsenen Zöglinge eines deutschen
Mädchenpensionates turnten oder kriegerische Spiele veranstalteten" (Die deutsche
Kolonie Kamerun, I. Theil, S. 43).
Keine Begebenheit dürfte übrigens besser dazu dienen, die wilde Tapferkeit
dieser Megären zu erläutern, als der im Jahre 1851 stattgehabte vergebliche An-
schlag des dahomeschen Heeres auf Abbeoküta. Dieser Ort gehört dem intelli-
genten und fleissigen Egba-Stamme der Yorubaner an. Im Jahre 1825 versteckten
sich nehmlich an einem am Ogunflusse gelegenen, zerklüfteten Porphyrfelsen
(Olumo) eine Anzahl vor den Sklavenräubern geflohener Schwarzen. Diese suchten
Unterhalt durch Ackerbau, erhielten später Zuzug und vertheilten sich in verschie-
dene Gemeinden, deren jede über eigene Häuptlinge und Satzungen verfügte. Eines
der Oberhäupter, voll Energie nnd praktischen Sinues, Namens Schodeke, schuf
eine einheitliche Verfassung, welche die Leute in den Stand setzte, den ganzen
Verkehr des Ortes zu erweitem und ihm Wohlhabenheit zu schaffen. So entstand
Abbeoküta, in welchem allmählich christliche Missionäre Fuss fassten und wahre
Wunderdinge der Bekehrung vollzogen. Unter Schodeke's Nachfolger Sagbua wuchs
der Ort noch mehr. Auch englische Spekulanten fanden allmählich dort Eingang.
Die steigende Blüthe Abbeoküta^s aber erregte den Neid und den Hass des da-
maligen blutdürstigen Königs von Dahome, des Gezo, sowie seines barbarischen
Volkes.
Im Jahre i850 gab es wieder „grosse Sitte" zu Abome. Die dabei auf-
marschirenden (angeblich von brasilianischen Officieren ganz besonders einexer-
cirten) Amazonen zogen vor G^ezo und kreischten ihm voll Uebermuth zu: „Wir
haben die Stadt Attapäm zerstört und Okedän in einen Schutthaufen verwandelt,
(70)
überlass uns nun auch Abbeoküta! Deine Söhne (Pisönu), d. h. Soldaten, sind
feige vor Attapäm geflohen, Deine Töchter (Fijunu), d. h. die Amazonen, wollen
sich lieber die Köpfe abhacken lassen, als Abbeoküta nicht erobern. Wir wollen
seine Einwohner wie Gras hinmähen, wir sind die Finger des Königs" u. s. w.
fm Februar und März 1851 rückten denn auch 10 (KH) männliche und 6(XK) weib-
liche Krioger Gezos gegen die Stadt heran. Unterwegs schlössen sie einen Bundes-
vertrag mit Isagga, einem etliche Meilen von Abbeoküta gelegenen Yoruba-Orte.
Die Bewohner Isagga's aber gaben den Truppen von Dahöme den falschen Rath,
Abbeoküta bei Tage und an seiner festesten Stelle anzugreifen. In der Nacht aber
sendeten sie Boten zur Nachbarstadt mit geheimen Warnungen. Man rüstete sich
hier denn auch zur Gegenwehr. Die zur Zeit dort anwesenden Missionäre Crow-
ther, Townsend, Smith und Bowen feuerten die Vertheidiger, etwa H(KM> Wehr-
fähige, auch die Weiber, dazu an, ihr Möglichstes zu wagen. Am 3. März Vor-
mittags erfolgte der Angriff auf die Stadt. Es müssen damals furchtbare Stunden
für die dort hausenden Europäer und für die verständigeren schwarzen Bewohner
gewesen sein, als die Dahomeer in langen, geschlossenen Linien deployirten und
unter fortwährenden Salven und gellendem Kriegsgeheul herbeistürmten. Auf sie
herab krachten die Schüsse der Abbeokutaner, auf sie herab zischten brennende
Balken, Kübel siedenden Wassers und heissen Palmöles, auf sie flogen sausend
schwere Steine hernieder. Nach stundenlangem, heissem Kampfe wandte sich
Grezo's Heer, trotz aller vorheriger Grosssprecherei, zur Flucht Bei Isagga von
den Yorubanern noch einmal geschlagen, überschritten sie die Grenzen ihres
Landes. Unterwegs nahmen sie aber noch beinahe 100 Egba-Landleuten die Köpfe
ab, um diese als Trophäen nach Hanse zu bringen. Als Bischof Crowther am
4. März den Kampfplatz vor der Stadt betrat, zählte er 80 Leichen von Dahomr-orn
im Umfange von wenig Ellen, von denen alle, ausser fünf, Amazonen waren.
Qvzo hatte hier etwa 1S(K) Todte gelassen. Seitdem ist Abbeoküta verschont ge-
blieben.
Manche glauben schon, es habe mit der Herrlichkeit der Amazonen überhaupt
ein Ende. Neuere Berichte stimmen aber damit nicht überein. Diese wunder-
same Institution wird erst mit einer gänzlichen Aenderung der Sitten in Dahöme
eingehen und vielleicht dann selbst noch in unverfänglicherer Form für abseh-
bare Zeiten fortleben.
Der Weisse, der Europäer, gilt gegenwärtig dem Dahomeer als die reine Bete
noire Daher auch die oben beschriebene höhnische Verwendung der europäischen
Kleidung bei den Abschlachtungen. Früher war der Hass nicht so gross. Damals
blühte der Sklavenhandel und der Schnaps verkaufende und Sklaven kaufende
europäische Krämer war im Reiche nicht ungern gesehen. Seit Unterdrückung
des Sklavenhandels hat sich alles dies wesentlich geändert.
Neuerdings ist ein blutit^er Conflikt zwischen Frankreich und Dahöme aus-
gebrochen, bei welcher Gelegenheit ersterer Staat dem letzteren gegenüber mit
Recht Vertragsverletzungen zu beklagen gehabt. Da auch in diesem Streite Aller
Augen auf die Amazonen gerichtot waren, so ziemt es wohl, von der ganzen
Angelegenheit Notiz zu nehmen. Ueber die neuerdings so viel besprochenen
Anrechte Fninkreiehs tin Dah» nie hat der Unterstaatssekretär Herr Etienne Fol-
gendes geäussert: Nach den IHVH bestätigten Verträgen hatte der König von Dah<*me
der Französischen Republik das Gebiet von Kotouii und jenes Land^ück abgetreten,
auf welchem das Fort von Whyda erbaut worden ist Die Stadt Whyda gehört
dagegen den Franzo>en nicht. Antiererseits hat der König von Porto Novo das
französische Protektorat angenommen. Nun hat aber der zeitige König (von
(Yl)
t)ahöme) die durch seinen Vater abgeschlossenen Verträge verworfen und den Ver-
such gemacht, die Ausländer aus Rotonü zu vertreiben, sowie den König Porto
Novo's zu nöthigen, dem Protektorate zu entsagen. Aus jenen Gründen unter-
nahmen denn auch die Dahomeer ihre Angriffe auf Kotonö, die noch rechtzeitig
von den durch Gommandant Terrillon befehligten, senegalischen Tirailleurs zurück-
gewiesen wurden. Man glaubt, dass der König damit seine Anstrengungen gegen
Frankreich vorläufig erschöpft habe.
Der Feldzug hatte mit Wegführung der whydaer Faktoreiagenten Bontemps,
Leyrand, Pietri, Chaudouin, Thoris und Dorgere Seitens dahomischer
Häuptlinge begonnen. Diese französischen Beamten hatten, trotz Bayol's War-
nung, zu passender Zeit nach Kotonü zu flüchten, auf ihrem Posten ausgehalten
und waren, augenscheinlich durch den Verrath eines Händlers, den wilden Schwarzen
in die Hände gespielt worden. Gegenwärtig siedeln sich die Franzosen in Porto
Novo, Kotonü imd Whyda an.
Kriegerische Weiber hat es zu allen Zeiten und in verschiedenen afrikanischen
Greländen gegeben. Berüchtigt sind u. A. die Königinnen Tem-Ban-Dumba und
Anna Xinga in Angola zur Zeit der Begründung der portugiesischen Herrschaft.
Amazonen hielt sich auch Mtesa, der berüchtigte König von Uganda. Stanley
bildet sogar eine Parade derselben vor dem erwähnten Monarchen ab (Durch den
dunklen Welttheil, I, S. 434). —
Die weitere Besprechung des Gegenstandes wird vertagt.
(18) Hr. Voss spricht unter Vorzeigung von Fundstücken über
die Steinzeit der Lausitz und ihre Beziehungen zu der Steinzeit anderer
Länder Europas, insbesondere über die homförmigen durchbohrten Henkel
und das Lochomament.
Hr. Degner hat bei Gelegenheit seines höchst interessanten Vortrages in der
Sitzung vom 20. December 1890 über einige Gräberfelder der Niederlausitz auch
einige Funde aus der Steinzeit, bestehend in Scherben von Thongefässen mit un-
zweifelhafter Schnurverzierung, aus der Nähe von Freiwalde im Kreise Luckau,
vorgelegt. Das Kgl. Museum besitzt schon seit längerer Zeit eine nicht unbedeutende
Anzahl grösserer Feuersteingeräthe aus den Kreisen Calau und Luckau. Aus der
Gegend von Geissen, ebenfalls Kr. Luckau, sind ausserdem schon seit Jahrzehnten
einige Feuersteinwerkstätten durch die Publicationen des verstorbenen Apothekers
Schumann in Geissen bekannt.
Ausserdem kommen hier noch einige sehr eigenthümliche Funde in Betracht,
welche das Kgl. Museum der Güte des Hm. Dr. Behla zu Luckau verdankt. Die-
selben bestehen zunächst aus einem anscheinend nasenähnlich geformten, an der
Grundfläche wagerecht durchbohrten Henkel eines Thongefässes, bei Kahnsdorf in
der Nähe von Luckau gefanden (Katalog L 5650). Das Vorkommen dieser Henkel-
form war mir aus den grossen Ansiedelungsfunden von Tordos bei Broos in Sieben-
bürgen, welche zum grössten Theil der Steinzeit angehören, bekannt. Durch die
grosse Güte seiner hochherzigen Gönnerin, des Frl. von Torma zu Broos, besitzt
das Königliche Museum eine grosse Sammlung von dieser Fundstelle und zahl-
reiche Henkel von dieser Form. Indess erschien es mir zu gewagt, auf einen so
vereinzelten Ftmd hin an irgend welche Beziehungen zwischen zwei so entfernten
Fundstellen zu denken.
Elinige Zeit später war Hr. Dr. Behla wiederum so glücklich, einen ähnlich
(?2)
geformten Thongefässhenkel zu finden und zwar in der Nähe des Dorfes Fresdorf^
welches gleichfalls in der Gegend von Luckan belegen ist. Dieser Henkel (Fig. 1 ;
Katal. I. f. 2518) war reich verziert und bot für die Zeitbestimmung einen sicheren
Anhalt. Das an ihm sichtbare Ornament besteht nehmlich in reihenweise geord-
neten, mit einem meisselförmig geschärften Stäbchen eingedrückten kurzen Strichen,
welche zu beiden Seiten des Henkels je vier senkrechte Parallellinien bilden. Auf
dem Rücken des Henkels sind dieselben quergestellt und bilden ein senkrecht
herablaufendes quergestricheltes Band. Ausserdem sind noch die Anfänge von ähn-
lichen quergestrichelten, wagerecht verlaufenden Bändern sichtbar.
Dasselbe Ornament fand ich auf einem Scherben, welchen ich in einem Riesen-
bette bei Klemmen, Kr. Cammin in Pommerti, im Jahre 1877 ausgegraben habe
(Fig. 2; Verhandl. 1877. S. 307 ff.). Ich habe in meinem Bericht über diese Aus-
grabungen nachgewiesen, dass diese Verzierungs weise mit dem viel mehr ver-
breiteten und besser gekannten Schnuromament zusammen vorkommt und jedenfalls
gleichzeitig mit demselben ist
Hierdurch ist nun festgestellt, dass auch der Henkel von Fresdorf der Steinzeit
angehört, woftlr sich auch noch eine weitere Unterstützung findet. Ich stiess nehm-
lich bei Gelegenheit unseres Museumsumzuges auf ein ganz bestaubtes und längst
vergessenes Packet mit Thonscherben, welche bereits vor Jahrzehnten in das
Museum gelangt waren und aus der Nähe von Waltersdorf, Kr. Teltow, zwischen
Köpenick und Königs-Wusterhausen, stammten (Katal. I. 4084). Dieselben waren
meist sehr roh aus grober Masse und dickwandig und bestanden aus Wandstücken
mit sehr starken Henkeln, einigen Randstücken und mehreren Stücken mit Hen-
keln von der oben beschriebenen eigenthümlichen nasen- oder vielmehr homähn-
lichen Form (Fig. 3 und 3 a, Seiten- und Vorderansicht). Besonders merkwürdig
war unter den Randstücken ein Exemplar mit einer Reihe von runden, gleich-
grossen Löchern, welche in gleichen Abständen nahe dem Rande und parallel mit
demselben in den noch weichen Tbon eingestochen waren (Fig. 4).
Anfangs war ich zweifelhaft, ob diese Löcher einem praktischen Zweck dienen
sollten, wie jene vereinzelt oder paarweise in den Rand des fertig gebrannten Thon-
gefasses nachträglich eingebohrten, welche zum Aufhängen und Tragen des Ge-
fässes bestimmt sind. Bei weiterem Nachforschen fand ich aber, dass diese Löcher
lediglich zur Verzierung dienen und nur zum Theil vielleicht eine praktische Be-
stimmung haben.
Es giebt nehmlich eine Verzierungsweise, welche darin besteht, dass dicht
unterhalb des Randes in regelmässigen Abständen Vertiefungen angebracht sind.
Letztere sind auf verschiedene Weise hergestellt: sie sind entweder mit der Finger-
spitze und dann auch noch in verschiedener Weise, oder mit Instrumenten und
zwar runden Stäbchen, die zuweilen hohl waren, eingedrückt, manchmal bis zu
einer Tiefe, dass nur wenig an der vollständigen Durchbohrung der (Jefass-
wand fehlt Die Form dieser Eindrücke ist demnach auch sehr verschieden. Bei
den Fingereindrücken wurde entweder nur die Fingerkuppe ganz leicht eingedrückt
oder es wurde die ganze Spitze des Fingers so stark in den Tfaon gepresst, dass
auch noch der Nagel seinen Abdruck hinterliess. Bei den mit einem Rundstäbchen
gemachten Eindrücken kam es auf die Haltung desselben an, ob derselbe auf die
Gefässwand senkrecht aufgesetzt oder schräg gegen dieselbe geführt wurde. In
erstercm Falle gab es eine einfache, fast kreisrunde Vertiefung, in letzterem eine
längliche, bogenförmige. Gewöhnlich wurde das Stäbchen von unten her senkrecht
gegen den Rand geführt, so dass der lang ausgezogene Bogen nach unten ge-
richtet ist. Die dem Gefassrande zugewendete Basis des Bogens ist entweder gerad-
(73)
linig oder ebenfalls bogenrsmiig gekiHmmt, je nachdem der Bundstab massir oder
hohl war. Die beiden in Fig. 5 und ti abgebildeten Randstücke, ebenfalls ans den
Riesenbetten von Klemmen stanunend, zeigen dergleichen Verzierongen.
Warde das Rnndstäbchen senkrecht auf die Gefasswand gesetzt und etwas
kräftiger angedrückt, so entstund eine vollständige Dnrchbofarung und statt der Ver-
tiefungen bUdeten runde Löcher die Verzierung des Bandes (Fig. 4).
Figur 1.
Figur 2
Figur 3.
Wir haben hier also zwei grosse Grappen von Verzterungs weisen, die ich der
Kurze wegen als Grtibenornament und als Lochornament bezeichnen will.
Sie sind, wie weiter unten ansfuhrlicher mitgetheiit werden soll, früher auch be-
reits ron Hm. Virchow besprochen und unter der gemeinsamen Benennung „Locb-
oroament" zusammengefasst. Beide Gruppen kommen neben einander in denselben
Fandstellen vor und wechseln mit einander ab. Am häufigsten finden sie sich mit
Schnuromament gleichzeitig vor.
Zur Erläuterung will ich einige Beispiele anführen. Zunächst habe ich
wiedenim die oben erwähnte Fundstelle, die Riesenbetten von Klemmen, Kreis
Cammin in Pommern, hier zu nennen. Unter den daselbst gel\indenen 'Scherben
findet sich ausser den beiden schon erwähnten RandstUckon, welche mit Gmben-
omament verziert sind (Fig. 5 und 6), ein solches, bei
welchem die Vertiefungen mit der Spitze des Daumens
durch wiederholtes Eindrücken auf derselben Stelle
helgestellt sind und die Spuren des langen und kräfti-
gen Daumennagels sich noch deutlich erkennen lassen
(Pig. 7). Besonders interessant ist ein Stück, welches
in dem Photograph. Album der prähistor. Anstellung
zu Berlin (Voss und Günther, Berlin 1880) Sect. I,
Taf 4 Nr. 162 abgebildet ist. Dnsselbe stammt von
der ron Berendt (Schritten der Phys.-Oekon. Ges. z.
Königsberg 1875) und Tischler (ebendas. 1882) beschriebenen Fundstelle von
Wirthschansabfällen de» Steinzeit bei Tolkemit am frischen HafF /wischen Etbing
and Fninenbnrg und weist gleichzeitig Schnnrrerzicrung und zwei Reihen Gmben-
verzierungen auf, welche beide mit einem massiven Rundstäbchen hergestellt sind.
Die obere Reihe derselben besieht aus kreisrunden Gruben, welche bis zu einer sehr
Figur 7.
erheblichen Tiefe in die Gefässwand eingedrückt sind, so dass nicht viel an der
vollständigen Darchbohrong der Gefässwand fehlt; die untere Reihe ist aus bogen-
förmigen Gruben gebildet, ähnlich den in Fig. 5 dargestellten.
Hier ist also auf das Deutlichste bewiesen, dass diese beiden Arien von
Grubenverzierungen gleichzeitig mit dem Schnuroniament vorkommen, also der
Steinzeit angehören.
In Ostpreussen kommen aber ausserdem auch wirkliche Lochverzierungen vor,
bei Gefässresten aus einem Pfahlbau des Arys-Sees, in welchem Anfangs nur Stein-
geräthe, später aber auch bronzene und Eisengeräthe gefunden wurden. Die Funde
sind in dem Katalog des Prussia-Museums zu Königsberg, herausgegeben von Prof.
Dr. Bujack (Königsberg 1884) S. 14 unter Nr. 157—198 verzeichnet; unter Nr. 1(>8
sind „Wandungen von Gefässen mit künstlich hergestellten Löchern am Rande*^
aufgeführt. Die Abbildung eines solchen Scherbens giebt Munro in seinem vortreff-
lichen Werke über die Pfahlbauten Europas (The Lake Dwellings of Europe,
Cassel u. C, London, Paris und Melbourne 1890 p. 327, Fig. 99, 10).
Die Zeitstellung der ostpreussischen Pfahlbauten ist mehrfach Gegenstand der
Erörterung gewesen, ob dieselben wirklich bis in die Steinzeit hinaufreichen oder,
wie die übrigen Pfahlbauten Norddeutschlands, einer späteren Zeit angehören. Im
Jahre 1877 hat Hr. Virchow über die Pfahlbauten des Arys-Sees bereits in den
Verhandlungen der Berl. anthropol. Ges. berichtet (Bd. 9. S. 434 ff.) und dieselben
zwar der grossen slavolettischen Pfahlbautengruppe zugezählt, sie aber von den
eigentlich slavischen, denen zwischen Elbe und Weichsel, unterschieden. Herr
Virchow erwähnt bei dieser Gelegenheit auch bereits sehr grosse Gefässe mit
Löchern am Rande und die verhältnissmässig einfache Ornamentik, welche u. A.
in Nageleindrücken besteht, die in horizontalen und schrägen Linien, zuweilen
guirlandcnförmig angeordnet sind. Hr. Prof. Hey deck hat dann später nochmals
in den Sitzungsberichten der Prussia (1882 — 1883, S. 155) über neue Pfahlbao-
untersuchungen im Kock-See und Probkcn-Sce berichtet und die ostpreussischen
Pfahlbauten in Bezug auf ihre Construction und Fundobjekte denen der Schweiz
und anderer Länder, abgesehen von einzelnen, durch Art und Klima bedingten
Specialitäten, gleichgestellt. Mit Bezug darauf hat dann Hr. Virchow die Zeit-
stellung dieser Pfahlbautengruppe nochmals erörtert (Verh. 1884, S. 561) und sich
dahin ausgesprochen, dass auf Grund des fast gänzlichen Mangels an Funden von
charakteristischen Steinwaffen, des dagegen constatirten Vorkommens von Eisen
und Glas, die preussischen Pfahlbauten wahrscheinlich der Eisenzeit angehören
dürften, dass sie sich von denen der Schweiz und anderer mehr südlicher Länder
wesentlich unterschieden, dagegen eine Art Verbindungsglied zwischen den Pfahl-
bauten Pommerns, der Mark und Posens einerseits und denen Livlands anderer-
seits bildeten. Eine weitere recht genaue und umfassende Erforschung sei sehr zu
wünschen.
Ich selbst kenne die Funde aus den ostpreussischen Pfahlbauten nur von der
prähistorischen Ausstellung hierselbst (Katal. d. Ausstellung S. 432 und 433) und
von einem kurzen Besuche des Prussia-Museums in Königsberg, bin aber nicht in
der Lage, daraufhin jetzt noch aus dem Gedächtniss ein bestimmtes ürtheil über
dieselben abzugeben, glaube aber, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass diese Pfahl-
bauten bis in die Steinzeit hinaufreichen, da diese Lochverzierungen auch noch in
anderen Ansiedelungen vorkommen, welche entweder der Steinzeit angehören oder
bis in dieselbe hinaufreichen. Die Reste einer solchen Ansiedelung sehen wir
z. B. in den Küchenabfällen auf der Insel Hesselö im Kattegat, südlich der Insel
Anholt. Die nordischen Forscher setzen diese Fundstätte in die Uebei^gangsseit
(75)
ron der älteren zur jüngeren Bronzezeit. Eine kurze Beschreibung von derselben
findet man bei Sträle, Grafkärl funna i Svensk jord, Stockholm 1873 S. 18 u. 19,
wo unter Fig. 3a ein dreimal durchlochtes Randstück abgebildet ist. Zugleich ist
unter Pig. 3d ein anderes Randstück von derselben Fundstelle abgebildet, welches
mit Schnurornament verziert zu sein scheint.
Eine andere, sehr wichtige Fundstelle ist der grosse Brucksberg bei Königsaue
in der Gegend von Aschersleben, von Hrn. Pastor Becker, jetzt zu Lindau in
Anhalt, 1884 bereits ausführlicher beschrieben (Verh. 1884, S. 360 ff. und in der
Zeitschrift des Harzvereins Jahrg. 1888, S. 7 und auf Taf. I, Fig. 14 abgebildet).
Die dort gefundenen Gegenstände hat Hr. Becker dem Königlichen Museum mit
seiner übrigen Sammlung als Geschenk verehrt; sie konnten von mir einer directen
vergleichenden Prüfung unterzogen werden. Damach besteht kein Zweifel dar-
über, dass ein Theil derselben der neolithischen Zeit zugeschrieben werden muss.
Ich verweise ausser verschiedenen anderen, in der Sammlung enthaltenen
Stücken nur auf die a. a. 0. S. 361 abgebildeten Fig. 2, 3 u. 5. Unter den zahlreichen,
von Hm. Becker dem Museum geschenkten Scherben befinden sich nun auch nicht
wenige durchlochte. Einige haben in den gebrannten Thon gebohrte, konische
Löcher, andere dagegen weisen die charakteristische Form der Lochverzierung auf.
Unter denselben ist auch ein Stück vorhanden, von Hm. Becker a. a. 0. in Fig. 6
abgebildet, welches mit zwei Reihen von Löchem verziert ist. Es ist ein sehr wenig
gekrümmtes Randstück, welches einem sehr weiten und flachen Gefässe entstammt.
Das Stück ist besonders beachtenswerth, weil es einigen Exemplaren entspricht,
die Hr. Virchow Jahrg. 1877, Taf. XVIII, Fig. 3 und 5 abgebildet und Verhandl.
S. 403 besprochen hat. Letztere stammen von dem Rinnehügel oder Rinnekaln,
am Burtnecksee in Livland, einem Muschelhügel, welcher von Hrn. Virchow der
Steinzeit zugeschrieben wird. Uebereinstimmend ist hier wesentlich die Anordnung
der nmden Gruben, welche bis zu einer solchen Tiefe in die Wand eingedrückt
sind, dass sie von Hm. Virchow als „Lochornament" bezeichnet werden (a. a. 0.
S. 403 und 406) und demnach die grösste Aehnlichkeit mit dem ostpreussischen
Ornament zeigen. Neben diesen unvollkommenen Durchbohrungen kommen auch
wirkliche Löcher vor (a. a. 0. Taf. XVUl, Fig. 4).
Die Fundstelle auf dem grossen Brucksberge bei Königsaue hat ihre Lage auf
einem Hügel in dem Bette des ehemaligen Sees, welcher im vorigen Jahrhundert
abgelassen wurde. Es wäre nicht unmöglich, dass am Rande des Hügels sich auch
noch Pfahlbautenreste befinden.
Dies Thongeräth von dem grossen Brucksbei^e hat auch sonst noch Aehnlich-
keit mit jenem von Waltersdorf insofern, als sehr starke Henkel und eigenthüm-
liche, nach oben gerichtete, zungenförmige Henkelansätze, welche an die hora-
ibrmigen Henkel erinnern, daselbst häufig vorkommen. Auch ist ein Randstück dar-
unter, welches mit einem meisselförmigen Stäbchen eingedrückte Verzierungen, in
Gestidt eines quergestrichelten horizontalen Bandes, aufweist, ähnlich wie auf dem
von Tischler (Beiträge zur Kenntniss der Steinzeit, Schriften der phys.-öcon. Ges.
Königsber 1882. S. 20) abgebildeten Stück. Bei dem Scherben von Fresdorf (Fig. 1)
sind solche Bänder ebenfalls, aber nur in ihren Endigungen erhalten.
Die Loch- und Gruben vorzierangen kommen dann noch an Gefässen der Schweizer
Pfahlbauten vor. Keller bildet ein solches ab (I. Bericht, Taf. III, Fig. 3). Auf
der Zeichnung erscheinen die Gruben so stark vertieft, dass sie das Aussehen von
Löchem haben. Das Gefäss ist henkellos, hat eine sehr weite Mündung und nur
eine geringe Auskehlung. Es ist in dem der Steinzeit angehörigen Pfahlbau von
Meilen gefunden worden, wo auch ein Schnurornament-Gefäss gehoben wurde
(76)
(Keller a. a. 0. Taf. III, Fig. 1). Das Königliche Maseum besitzt ausserdem von
der Station Robenhansen ein Stück mit flachem, rundem Grubenomament (Kat I.
2378), ebenso von der Station Wangen am Bodensee, mit etwas grösseren and
tieferen, gleichfalls runden Gruben (Kat. I. 2267). Diese beiden Stationen gehören
gleichfalls der Steinzeit an, und in der von Robenhausen ist auch das Schnur-
ornament vertreten. Femer befindet sich im Kgl. Museum ein Scherben von einem
grossen dickwandigen Gefäss aus grober Masse, ähnlich wie die beiden vorher-
gehenden mit der Fundortsangabe Bodensee, mit achtem Lochomament (Katal. Nr. L
2270), sowie ein ähnlicher, gleichfalls bezeichnet: Bodensee, mit eingestochenem
Grubenomament (Katal. I. 2271).
Sodann zeigen auch einige Scherben von Tordos das Grubenomament, be-
stehend in kleinen, ziemlich dicht an einander gereihten, randen flachen Gruben
sehr nahe dem Rande (Katal. l. 4805;. Wenngleich hier der Verzierungsweise
noch dasselbe Motiv zu Grande liegt, so ist doch die Anwendung desselben etwas
verschieden. Wie mir Hr. Olshausen freundlichst mitgetheilt hat, sind auch in
Italien, in der Provinz Bologna bei Castel dei Britti auf einer alten Wohnstätte,
wo auch Feuersteinartefakte gefunden wurden, Reste von groben Thongefässen
gesammelt worden, welche nicht auf der Scheibe gedreht, aber längs des Randes
mit eingepressten Grübchen verziert waren.
Schliesslich muss ich noch einige Thongeräthe erwähnen, über welche ebenfalls
bereits in dieser Gesellschaft von unserem Hrn. Vorsitzenden berichtet ist, nehmlich
durchlochte Thonstücke vom Hanai Tepeh in der Troas. Dieselben wurden von
BÜTi. Frank Calvert ausgegraben und als Kochöfen gedeutet (Verh. 1884, S. 306,
Fig. 1 — 6). Es sind sehr dickwandige Thonstücke mit verbreiterter Basis, welche
sich zu einem an einer Stelle offenen Ringe zusammensetzen lassen. Die Dar-
stellung des Hrn. Frank Calvert scheint zweifellos richtig zu sein Indess befindet
sich in der Schliemann-Sammlung ein grösserer Scherben, welcher zwar sehr stark-
wandig ist, aber möglicherweise doch wohl von einem Gefäss herstammen kann,
da er nicht nach der Basis zu sich verdickt und es ist um so mehr zu vermuthen,
dass in dem Hanai Tepeh auch Gefässe mit Lochverzierung vertreten sein mögen,
als dort auch hornförmige, durchbohrte Henkel gefunden sind. Schliemann (Ilios,
S. 787 Nr. 1546 und 1547) bildet einen solchen ab, wahrscheinlich dasselbe Exem-
plar, welches in seiner Sammlung aufgestellt ist (Katal. Nr. 5154). Auf den Abbil-
dungen sind die höckerigen Unebenheiten etwas zu kräftig dargestellt, die Ober-
fläche ist glatter, nicht eigentlich höckerig, sondern nur wellenförmig geschwungen.
Es würde hier also, selbst wenn das in der hiesigen Sammlung befindliche durch-
lochte Randstück nicht von einem Gefäss, sondern von einem solchen Kochofen
herstammen sollte, wegen der horaförmigen Henkel eine immerhin sehr beachtens-
werthe Aehnlichkeit mit den Funden von Waltersdorf vorliegen.
Durch die Fundstücke vom Hanai Tepeh, welche Frank Calvert als Koch-
öfen deutet, könnte meine Annahme, dass die Durchlochung der Gefässränder
nicht zu praktischen, sondern nur zu omamentalen Zwecken gedient haben sollte,
etwas gewagt erscheinen, um so mehr, als auch Hr. Becker (Verh. 1884, 8. 361 ff.)
berichtet, dass die Marktfrauen in Aschersleben sich jetzt noch thönemer Kohlen-
becken bedienen, auf welche ein aus Blech angefertigter durchlöcherter Rand auf-
gesetzt wird, und annimmt, dass die Thongefässe mit durchlochten Rändern eben-
falls als Feuerbecken gedient haben. Ich glaube aber, dass es nicht möglich
war, in einem tiefen Thongefäss mittelst dieser Löcher ein Kohlenfeuer zu unter-
halten, da dieselben zu klein und zu nahe dem Rande angebracht sind, nament-
lich scheint mir ein solches Gefäss, wie jenes mit zwei Lochreihen, von wel-
(77)
chem Becker (Verh. 1884, S. 361, Pig. 6) eine Abbildung giebt, wegen seiner
grossen Flachheit nicht recht geeignet zu einem Kohlenbecken zu sein, vielmehr
nach einem im Kgl. Museum befindlichen, ganz erhaltenen Exemplare von Stass-
furt, mit zwei Doppelreihen von Löchern, die eine nahe dem Rande, die andere
nahe dem Boden (Katal. Nr. I. 3955), eine Art Stürze oder Sturzdeckel.
Ich glaube nun, dass die Sache so zu erklären ist, dass das Lochomament ent-
weder auf einer durch technische Gründe bedingten Form der Qefässwandung beruht,
dass aber später durch eine neue Erfindung die Verwendung derartig geformter
Gelasse überflüssig und die Durchlochung der Gefässwandung aus alter Gewohn-
heit noch als Ornament beibehalten, oder dass dasselbe von einem anderen
Geräth, z. B. den Kochöfen vom Hanai Tepeh, auf die Gefösse tibertragen wurde.
Altmählich ging die ursprüngliche Bedeutung der Durchbohrung ganz verloren und
es erhielt sich nur noch in dem Grubenomament eine sehr verblasste Erinnerung
an dieselbe. Letzteres ist aber nicht zu verwechseln mit dem sehr ähnlichen
Tupfenomament der Metallzeit, welches dadurch entstanden ist, dass man auf die
Gefässwand zunächst eine erhabene schmale Leiste auflegte, welche man dann
mit den Fingerspitzen fest andrückte. Allerdings finden sich diese stark erhabenen
und viel wirkungsvolleren Tupfenomamente gleichfalls meist am Gefässhalse, nicht
weit unterhalb des Randes und gewöhnlich auch an grossen dickwandigen, einfach
bauchigen Töpfen, man kann aber nicht ohne Weiteres annehmen, dass das er-
habene Tupfenornament die directe Fortsetzung des Grubenomaments sei.
Unsere vergleichenden Betrachtungen über das Lochomament hatten uns über
Europa hinaus bis nach Klein-Asien in die trojanische Ebene geführt. Augenblick-
lich fehlt es allerdings noch sehr an Yergleichsmaterial, um genau übersehen zu
können, wie weit die slavolettischen Pfahlbauten mit Funden an der Küste der
dänischen Kattegatinsel Hesselö, mit den Funden in der Provinz Sachsen, in den
Schweizer Pfahlbauten und in Sieben büi^en im Zusammenhange stehen, ob wir in
den lochverzierten Stücken Funde vor uns haben, welche ihre Aehnlichkeit der
Ausbreitung eines einzelnen Volkes oder nur der Verbreitung einer technischen
Vorrichtung oder eines Ornamentes auf dem Wege der üebertragung von Volk zu
Volk verdanken. Zur Zeit können wir nur constatiren, dass das Lochomament
der Steinzeit angehört, in Ostpreussen, vielleicht auch in Dänemark und in den
schweizer Pfahlbauten in nächster Beziehung zu dem Schnuroraament steht und
können allenfalls die Vermuthung aussprechen, dass es, mit Rücksicht auf die
grobe Masse, die Rohheit der Form und der Ausführung der betreffenden Gefäss-
stücke, namentlich in den slavolettischen Pfahlbauten, vielleicht älter als das
Schnuromamcnt ist. Wir dürfen sodann annehmen, dass zwischen den Funden
von Waltersdorf und jenen aus der, Hanai Tepeh genannten Ansiedelungsstätte in
der Troas ebenfalls ein Zusammenhang besteht, der durch Zwischenfunde in der
Provinz Sachsen, durch ein Gefässfragment mit horaförmigem, undurchbohrtem
Henkel von Stöckners Berg bei Merseburg, in Mähren durch einen senkrecht durch-
bohrten Henkel dieser Art an der von Wankel als Opferstätte angesprochenen
Fundstelle (Mitth. der anthrop. Ges. m Wien 1873, Heft 4, Taf. HI, Fig. 1 1), in
Siebenbürgen durch die zahlreichen Funde von Tordos vermittelt wird. Auf einen
Verkehr in alter Zeit zwischen Ungarn und der Troas weisen schon gewisse, der
Bronzezeit wahrscheinlich angehörige Goldfunde, welche Herr Olshausen vor
längerer Zeit erwähnt hat. Aber noch ältere Parallelen zeigen sich in den ge-
henkelten Stürzdeckeln von Hissarlik und von Lengyel in Süd-Ungarn, Comitat
Tolna (Wosinszky, Das prähistorische Schanz werk von Lengyel, Budapest 1889/90),
die in dem bei Kirchheim a. Eck nahe bei Dürkheim a. H. in der Rheinpfalz ge-
(78)
fundenen und in der Vereinssammlung zu Dürkheim a. H. aufbewahrten Exem-
plare bisher ihre westlichste Vertretung erreicht haben.
Sonderbarerweise befindet sich auch unter den zur Schliemann-Sammlung ge-
hörigen ägyptischen Oefässen aus Rumah ein kugüges Exemplar von gelblicher Farbe
mit reicher rother Bemalung (Kat. Nr. 9151), welches sehr gut erhalten, ausserordent-
lich regelmässig, aber mit der Hand geformt, und mit 4 horizontal durchbohrten
Henkeln versehen ist. Letztere haben in ihrer Form grosse Ä^ehnlichkeit mit denen
von Tordos, sind aber kleiner und zierlicher. Man ersieht an diesem Gefäss, wie
die oben beschriebenen hom förmigen Henkel, welche zum Theil mehr an Nasen, als
an Hörner erinnern, am Gefässkörper angebracht waren, dass dieselben mit der
Spitze nach oben (also homartig) und nicht nach unten (nasenartig) gerichtet waren.
Weitere Schlüsse wird man wohl aus diesem vereinzelten Funde, über dessen nähere
umstände, namentlich Zeitstellung, nichts bekannt ist, nicht herleiten dürfen.
Vielleicht finden sich später noch einmal Anhaltspunkte, welche es mit grösserer
Sicherheit darthun, dass es zu Anfang der neolithischen Periode eine Zeit gab, in
welcher em grosser Theil Ost- und Mittel-Europas bis nach Rlein-Asien hinein
von einer spärlich gesäeten, gleichartigen Bevölkerung bewohnt war, die vorzugs-
weise an Fluss- und Seegestaden hauste. Einstweilen können wir nur unser Augen-
merk auf diesen Punkt gerichtet halten. Ich glaube, dass es bei der Beurtheilang
der Steinzeitfunde von besonderer Wichtigkeit ist, zunächst noch mehr leitende Ge-
sichtspunkte herauszufinden. Das Hauptroaterial liefert die Keramik. Bisher hat man
in derselben aber mehr Gewicht gelegt auf die Unterschiede in der Technik der
Ornamentirung (Schnurornament, Strichornament, Schnittornament u. s. w.), sowie auf
die einzelnen Elemente der Verzierung, als auf die Gruppirung derselben zu Mustern.
Man wird deshalb die einzelnen Verzierungsweisen mehr nach ihren besonderen
Motiven, Schachbrettmuster, Zickzackbänder, Spiral biindcr, Zweig- und Grähtenoma-
mente. Horizontal bänder, senkrechte Streifen und Rechteckfelder u. s. w. unter-
scheiden und gruppiren müssen, um zu sehen, welche Motive hauptsächlich in dieser
oder jener Technik ausgeführt sind und welche Verzierungs weisen üebergangs- oder
Mischformen sind. Noch wichtiger aber, als die Unterscheidung der Verzierungs-
weise, erscheint mir die Beachtung der Formen der Thongeräthe, namentlich der
Form des Gefässbodens, der Zahl und Form der Henkel und der Bildung des
Halses und der Mündung Als Beispiel führe ich hier das Schnnromameot an.
Dasselbe ist verbreitet von Perm durch Norddeutschland, Dänemark, Holland und
Frankreich bis nach England, südlich bis in die Schweiz, Böhmen und Nord-
ungarn (Verh. 1877, S. 307 ff.). Es ist vorläufig nicht zu gewoisen, dass dieses weite
Gebiet in neolithischer Zeit von einem einzigen zusammengehörigen V^olksstamm
bewohnt war, vielmehr werden wir zunächst annehmen müssen, dass in diesen Län-
dern ein gleich massiger Culturzustand, welcher sich von einem Gebiet auf das andere
fortgepflanzt hatte, zu dieser Zeit herrschte, dass die Bewohner dieser Gebiete das-
selbe Material und dieselbe Technik besassen, um Schnüre anzufertigen, mit welchen
man dergleichen Ornamente auf dem weichen Thon herstellen konnte. Ein Blick auf
die grosse Verschiedenartigkeit der Formen des Thongeräthes beweist nach meiner
Meinung zur Genüge, dass auch die Menschen dieser Zeit schon verschiedenen
Stämmen angehörten. Man vergleiche z. B. die plumpen topflormigen Urnen Englands,
mit dem weiten umgekrempten Rande (W. Greenwell, British Marrows Oxford IHTT,
p. 67 Fig. 54; p. Hl Fig. 72 u. a. m.; Kemble, Horae ferales, London 186:i, PI. XXK
Fig. 4 u. ">) mit den ausserordentlich gefälligen, flaschen- und amphoreniormigen
Thongefässen Thüringens und Sachsens, wie sie Klopfleisch z. B. in seinem, diese
Fragen sehr eingehend behandelnden Werke (Vorgeschichtliche Alterthümer der
^ b.
(79)
ProY. Sachsen u. s. w., Halle) abbildet und welche sonst auch hinreichend be-
kannt sind.
Wenn nun die einseitige Betrachtung der Verzierungsweise nicht ausreicht zu
ethnologischen Bestimmungen, so ist doch auch die Form der Gefässe nicht immer
maassgebend, da gewisse Formengebungen durch den Gebrauch bedingt, andere
aber so einfach sind, dass sie überall erfunden werden können. Indess giebt es
auch hier ein Beispiel, welches durch seine ausserordentlich weite Verbreitung
zeigt, dass in dieser Beziehung üebertragungen von Volk zu Volk stattfanden.
Ich meine die geschweiften Becher, welche sich in Sicilien, Branowitz in Mähren,
Ungarn, Mitteldeutschland, Westfrankreich, England und Norddeutschland bis nach
Dänemark hinauf finden. Wir werden daher, ausser den sehr selten erhaltenen
Skeletresten, auch noch andere Begleiterscheinungen zu Rathe ziehen müssen,
namentlich die Verbreitung der Formen der Steingeräthe. Ich habe früher bereits
(Verh. 1877, S. 309 und Voss und Stimming, Vorgeschichtliche Alterthümer der
Prov. Brandenburg, Brandenburg a. H. 1887, Einleitung) auf die Verbreitung ge-
wisser Formen hingewiesen und die Meinung ausgesprochen, dass auch in jenen
entfernten Zeiten schon ausgedehnte Handelsbeziehungen existirt hätten. Um dies
näher zu begründen, werden genaue mineralogische Bestimmungen des verwen-
deten Gesteins angestellt werden müssen, um zu ermitteln, woher dasselbe stammt.
Hoffentlich wird in der nächsten Zeit das Forschungsraaterial wesentlich be-
reichert werden und werden vor Allem auch Skeletfunde in grösserer Zahl zu
ethnologischen Bestimmungen verwerthet werden können. Besonders in Mittel- und
Süddeutschland, sowie in Oesterreich-Üngarn ist sicherlich noch mancher Fund zu
heben, wenn dieser Sache nur die richtige Würdigung zu Theil wird und sich mehr
sachkundige Personen finden, welche die Mühe nicht scheuen, von den in diesen
Landesgebieten an vielen Flussläufen so zahlreich vorkommenden Resten uralter
Ansiedelungen die allerdings sehr unscheinbaren Thonscherben zu sammeln. Man
wird zwischen den Scherben hin und wieder auch interessante Geräthe finden und
schliesslich, wenn man erst den Ueberblick über ein grösseres Material bat, auch
mit Erfolg Schlüsse aus letzterem ziehen können.
(19) Hr. Voss legt vor einen zierlich geflochtenen
Haarzopf ans einem römischen Bleisarkophag.
Der Sarkophag wurde bei dem Bau des neuen Centralbahnhofes in Cöln a. Rh.
gefunden und von der Königl. Eisenbahn-Di rection zu Cöln (Linksrheinisch) dem
Kgl. Museum für Völkerkunde zu Berlin überwiesen, wofür der verbindlichste Dank
hiermit ausgesprochen wird. Er ist 1,25 in lang, 0,35 m breit, 0,40 m hoch und nicht
verziert. In demselben fanden sich ausser den Resten der Bestatteten, wahr-
scheinlich eines noch sehr jungen Mädchens, zwei zierliche Glasbecher. Die Farbe
des Haares ist ein ziemlich helles Blond mit einem Stich ins Bräunliche. Es ist
wohl anzunehmen, dass es ursprünglich braun war und durch die umgebende
Masse gebleicht ist.
(20) Hr. Voss zeigt einen
Bronzefnnd von Tangendorf, West-Priegnitz.
Derselbe besteht aus 8 sehr kräftig quergerippten, schön patinirten Arm-
ringen und zwei Bruchstücken von solchen, und lag etwa 1 m tief unter einem
grossen Steinblock. Die Ringe haben grosse Aehnlichkeit mit dem bei v. Tröltsch,
(80)
Fandstatistik (Stnti^rt 1884) S. 16, Fig. 34 abgebildeten Exemplar, sind jedoch
bedeutend kräftiger geformt.
(21) Hr. Voss legt einige
Bronzenachgüsse aas den Httncheberger Gnssformen,
sowie den Abguss eines Hohlceltes vor. Die Stücke gehören dem Gewerbe-Museum
zu Magdeburg, welchem sie geschenkt sind; sie sollen angeblich aus Holstein
stammen. Sämmtliche Stücke stimmen jedoch in Form, Technik und Material n^it
den von Hm. Krause im Jahre 1887 hier vorgelegten aus dem Museum zu Marien-
werder auf das Genaueste überein und sind wohl mit Sicherheit, ebenso wie jene
und die Runenspeerspitze des Hm. Blell (Verhandl. 1887, S. 179; 1890, 8.85), als
Fabrikate des verstorbenen Literaten Rubehn zu Wrietzen zu betrachten.
(22) Hr. Voss bespricht das neu erschienene Werk des bekannten schottischen
Alterthumsforschers Robert Munro, The Lake Dwellings of Europe, bei Gassei
u. Co. in London, Paris und Melbourne 1890. Dasselbe giebt eine Uebersicht über
alle bisher bekannten Pfahlbauten und ähnliche Ansiedelungen in Sümpfen und
Mooren, Terremaren, Terpen, Warthen, Crannogs u. s. w. in ganz Eluropa, welche
in gedrängter Kürze alles Wissenswerthe über sämmtliche Fundplätze in präcisester
Weise enthält. Zahlreiche Illustrationen dienen zur Erläuterung. Hr. Munro hat
die wichtigsten hier in Betracht kommenden Sammlungen selbst besucht, das
Material an Ort tmd Stelle studirt und auf diese Weise ein Werk geschaffen, wel-
ches sich durch Zuverlässigkeit und Oebersichtlichkeit auszeichnet und gewisser-
maassen als ein Handbuch der Pfahlbautenkunde dem Anfänger als ein sicherer
Führer und dem Forscher als ein unentbehrliches Nachschlagebuch angelegentlichst
zu empfehlen ist.
(23) Eingegangene Schriften.
1. Wittmack, L., Führer durch die vegetabilische Abtheilung des Museums der
Kgl. landwirthschaftl. Hochschule in Berlin. Berlin 1886. Gesch. d. Verf.
2. von Mueller, F., Inaugural address. (Extr. Trans. Australas. Ass. Advance-
ment of Sc.) Melbourne 1890.
3. Derselbe, Brief report on the Papuan Highland Plauts, gathered during Sir
William Macgregor's expedition in May and June 1889.
Nr 2 und 3 Gesch. d. Verf.
4. Borsari, F., Le zone colonizzabili dell' Eritrea e delle finitime regioni etio-
piche. No. 1. Napoli 1890. Gcsch d. Verf.
5. Wilson, Th., A study of prehistoric anthropology. (Smiths. Inst Rep. Nat-
Mus. 1887—88.) Washington 1890.
6. Derselbe, Results of an inquiry as to the existence of man in North America
during the paleolithic period of the stone age. (Smiths. Inst. Rep. Nat-
Mus. 1887—88.) Washington 1890.
7. Lucas, F. A., The expedition to the Funk Island, with observations upon the
history and anatomy of the Great Auk. (Smiths. Inst. Rep. Nat Mus.
1887-88.) Washington 1890.
Nr. 5 — 7 Gesch. d. Smithsonian Institution.
[
Sitzang vom 17. Januar 1891
Vorsitzender Hr. Virchow.
(1) Die Wahl der Mitglieder des Ausschusses für 1891 erfolgt gemäss
den Vorschriften des § 30 der Statuten. Es erhalten die meisten Stimmen die
Herren W. Schwartz, Bastian, Priedel, G. Fritsch, Grünwedel, Deegen,
W. Joest, Wetzstein und Steinthal.
(2) Gestorben ist das ordentliche Mitglied, Dr. Lilien fei d, ein lange Zeit in
Südafrika thätig gewesener praktischer Arzt, dem die Gesellschaft einen Buschmann-
Schädel verdankt.
Als neue Mitglieder werden angemeldet:
Hr. Gustav Pauli, Berlin.
„ Dr. 0. Schoetensack, Heidelberg.
„ Sanitätsrath Dr. Lissa, Berlin.
(3) Die Gedächtnissfeier für Schliemann ist auf den I.März angesetzt.
Hr. Dörpfeld hat mitgetheilt, dass die Kränze der Gesellschaft und des Hm.
Virchow auf den Sarg des Verblichenen niedei^elegt sind.
(4) Hr. Virchow zeigt einen
verzierten Nephrit-Ring von Erbil, Mesopotamien.
In der Sitzung vom 16. Juli 1887 (Verh. S. 457) legte ich der Gesellschaft
eine Reihe assyrischer Fundstücke vor, welche ich dem freundlichen Entgegen-
kommen des früheren türkischen Militärarztes, Hm. Otto Blas, verdankte. Dar-
unter befanden sich ein Paar Nephritbeilchen und ein, seinem Alter nach zweifel-
haftes Amulet aus Nephrit, gefunden bei Erbil (dem alten Arbela).
So werthvoll diese Stücke, von denen unsere Sammlungen bis jetzt nichts
Aehnliches besitzen, auch waren, so werden sie doch bei Weitem übertrofFen durch
ein neues Geschenk des Hrn. Blas, das mir ftiit einem Briefe desselben aus Strass-
burg i. Eis. vom 15. d. M. so eben zugegangen ist. Es ist ein Ring aus Nephrit,
der gleichfalls aus der Umgegend von Erbil bei Mossul herstammt. Nach der An-
gabe des gütigen Gebers hat er ihn im Jahre 1884 zu Erbil von einer Frau ge-
kauft, die erzählte, derselbe stamme von einem benachbarten Landgute und sei seit
alter Zeit als Schmuckgegenstand und Kinderspielzeug im Besitze ihrer Familie ge-
wesen, lieber Zeit und Ort des ersten Erwerbes wusste sie nichts. Nach Ansicht
des Hm. Blas habe der Ring vielleicht zum Spannen der Bogensehne gedient.
Das schöne Stück besteht aus ziemlich klarem, durchscheinendem, im Grossen
dunkelgrünem, im durchfallenden Licht hellgrünem Nephrit, dessen breite Aussen-
fläche durchweg mit einem einfachen, ziemlich gross ausgeführten erhabenen Blatt-
omament verziert ist. Der Ring hat eine obere, genau runde Oeffnung von 23 mm
lichter Weite. Die Seitentheile sind 15 mm hoch, innen und aussen schwach ge-
wölbt, in der Mitte 5 mm dick, am oberen und unteren Rande stark verjüngt und
mit einer fortlaufenden Leiste versehen. Hinten beträgt die Höhe 18 mw, indem
Verbaotil. der Bcrl. Autbropol. Geiieliachart lbi»l. 6
die Mitte des unteren Randes in eine stumpfe Spitze aasgezogen ist. Nach vom
schiebt sich eine 30 mm lange, abschüssige Fläche vor, nelcher innen eine ähn-
hche, flachgewölbte Fläche entspricht. Der dadurch gebildete, dachförinige Vor-
spning hat in seiner Uittc eine Dicke von 14 mm. Die untere OeDnung bildet ein
FiKor 2.
grosses O^al von 45 auf 30 mm lichter Weite. So entsteht ein Ring, gerade gross
genug, dass ich ihn auf meinen (etwas schlanken) Daumen stecken kann, wo der
gedachte Vorsprang eine Art von Schutzdach Über das Metacarpo-Pbatangeal-Gelenk
bildet. (Fig. 1 Seitenansicht, Fig. 2 Oberansicht, Fig. 3 aufgerolltes Ornament, links
die hintere Figur, rechta der Mittettheil mit den beiden Seiten zweigen. Alle
3 Figuren auf Vi redncirt.) Auf der linken Seite gebt ein nahezu senkrechter
Sprung von oben nach unten durch den Ring, ungefähr da, wo der dünnere Seiten-
theil sich dem dickeren Vordach anschliesst.
Da das Stück ersichtlich nicht einen einfachen Fingerring darstellt, so wUrde
allenfalls die Frage aufgeworfen werden können, ob es sich nicht um einen jener
Zehenringc handelt, wie sie noch jetzt in den mannich faltigsten Formen in Indien
gebräachlich sind. ludeas hat die Deutung des Hm. Blas gewiss viel für sich,
znmal da eine üppige Phantasie sich leicht dazu einen königlichen Bogenschützen
ans der Schlacht von Arbela hinzudenken kann. —
Hr. Bartels hält es für zweifellos, dass der Ring den Zweck gehabt habe,
die Hand vor der Verletzung zu schützen, welche beim Spannen des Bogens durch
den Rückschlag der Sehne leicht entstehen kann. —
Die Herren Ehrenreich und G. Fritsch äussern sich in ähnlichem Sinne. —
Hr. Herrn. Weiss beruft sich wegen des Gebrauches derartiger Ringe auf
frühere Angaben. „So aus G. Klemm, Werkzeuge und Waffen- Leipzig I8M.
8. 313 (mit Abbildung): „Perser, Turkomanen und Chinesen bewehren den Danmen
der rechten Hand mit einem Ringe aus Hirschhorn, Elfenbein, Knochen, Jade oder
Carneol, der die Iimenscite des Fingers schirmt und auf welchem die Sehne um
so besser abgleiten kann. Dieser Ring gehört zu jedem vollständigen Schiesszeug.
Die Vorderseite ist abgerundet und einen halben Zoll breit." Gleichfalls die Ab-
bildung eines solchen Ringes und den Hinweis, dass er ein Rüstzeug morgenländi-
Bcher Bogenschützen bildet, enthalt: J. A. Hansard, The book of orchcry being
the complete hislory and practice of the art, ancient and modern. London 1841'
(Taf. VIII, '.!).
CÖ3)
(5) Hr. Grünwedel überreicht einen Brief des Hm. H. H. Risley, Pres.
Chota Nägpore, Bengal Civil Service, aus Calcutta, 21. December 1890, worin der-
selbe, im Anschlüsse an seine Mittheilung in der Sitzung vom 15. März 1890
(Verh. S. 254), ein von ihm an den Secretär des Finanz-Departements der Regie-
rung von Bengalen unter dem 12. November gerichtetes Schreiben zur Kenntniss
bringt, betreffend die
Förderung der ethnologischen üntersachungen in Indien.
1. With reference to the Resolution of the Government of Bengal, dated the
1 st May, 1885, sanctioning certain arrangements for the prosecution of ethnographic
researches in the territories subject to the Lieutenant Govemor of Bengal, I have
the honour to submit for the consideration of His Honour the Lieutenant Govemor
the outlines of a scheme for continuing similar researches in the Lower Provinces,
and for extending them to other parts of India.
2. It will be remembered that in 1885, and the two following years, a series
of questions, based for the most part upon the heads of inquiry drawn up in 1874
by a Committee of the Anthropological Institute of Great Britain and Ireland, and
framed so as to adapt to Indian conditions the methods of research sanctioned by
European men of science, were circulated with the authority of the Government,
and that answers were collected by a voluntary agency working under my super-
vision in every district of Bengal. Of the data procured by this method of inquiry
portions have been published in the Contemporary and the Asiatic Quarterly
Reviews, the Journal of the Anthropological Institute, and the Zeitschrift für
Ethnologie, and in the form of Papers read before the British Association, the
Anthropological Institute of Great Britain and Irelaud, and the Anthropological
Society of Berlin. A proof copy of two out of the four volumes in which the results
have been compiled for the Government of Bengal has also been laid before the
Board of Biology and the Board of Oriental Studies in the University of Cambridge,
both of which bodies take considerable interest in the study of Indian ethnography.
3. Although the inquiry extended only to the Lower Provinces of Bengal,
and the record of the results, however complete for ordinary administrative pur-
poses, must be regarded as incomplete from the scientific point of view, still
enough has been done to demonstrate the remarkable facilities which India offers
for collecting ethnographic data on a large scale, and, what is even more important,
for testing these data by repetition and comparison. The reason for this is clear. In
India a highly organised administrative body of the most modem type carries on
the work of Government in constant and close contact with people whose beliefs
and observances present examples of all stages and varieties of primitive culture,
and who, nevertheless, show no signs either of dying out themselves or of parting
with their most characteristic usages and superstitions. This State of things offers
peculiarly favourable opportunities for the formation ol a trostworthy record of
primitive custom and tradition.
4. It is unnecessary for me to lay stress upon the high value which the
customary law, the social observances, the folk lore and traditions, the superstitions,
ritual, and religion of the people of India possess for all students of the early
history of institutions. The field is comparatively untried, but the results obtained
in Bengal seem to show that it is one of remarkable richness and variety. The
data already collected, imperfect as they are, throw considerable light upon the
early history of marriage and the family, the various forms of the custom of
exogamy, the comparative prevalence and distribution of male and female kinship,
(84)
ihe phenomena of totemism, and the deyelopment of different stages of religious
belief. It is believed that they will also tend to facUitate and cheapen the Opera-
tions of the Indian census and to enhance its accuracy, that they embody valaable
inforraation concerning infant marriage and the prohibition of widow maniage, and
that by extending onr knowledge of the customs and habits of the people, they
will indirectly raise the general Standard of administration in India.
5. This being so, it seems, k) me desirable to eontinne in Bengal and to
initiale in other Provinces of the Indian Empire, the methods of investigation which
haye yielded such valaable resolts. I believe that this may be done without
incnrring large expenditure and without pntting an undue strain on the regnlar
administratire staff.
6. The Bengal inqniries hare shown that in all grades of the administration
offtcers, both European and Native, are to be found, who take a genuine intere«t
in the investigation of social phenomena, and who would be prepared to assist
actively in collecting ethnographic data in addition to their regulär official duties.
All that is needed is that the work should be set on foot under the general coun-
tenance and authonty of the GoTemment, that it should be organized on a regulär
System, that the current expenses of postage and stationery should be met, that
some clerical assistance should be given, and that the results should be published
from time to time in a form somewhat resembling that already adopted in Bengal.
7. The followiug are the main features of the scheme which seems to me
best calculated to carry out the objects in view:
a) That unpaid Provincial Directors of Ethnographic inquiries should be
appointed by the Government in each of the large Provinces of India. It is believed
that several of the higher ofAcials will be ready to untertake this work in addition
to their ordinary duties.
b) That each Provincial Director should be provided by the Goverment with
a Clerk to carry on correspondence, and should be given an allowance for postage,
stationery, etc.
c) That a series of Ethnographic questions should be drawn up, printed, and
circulated by the authority of Government. I think it probable that the set of
questions fraraed by Mr. J. G. Frazer, of Trinity College, Cambridge, would answer
this purpose if modified to suit Indian conditions, and amplifted with reference to
the questions used in Bengal. Mr. Frazer has been good enough to offer to assist
in carrying out the necessary alterations.
d) That the Provincial Directors, working through the District Ofßcers, and
the heads of departments, and in such other ways as they may find suitable,
should enlist a number of correspondents in each Province, should supply them
with copies of the questions and such further Instructions as may be necessary,
and should arrangc with them the subjects to be taken up for inquiry, mnch
in the same way as was done in Bengal.
e) That the Provincial Director, or correspondents selected by him, should
from time to time draw up monographs on the Ethnography of different castes,
tribes, or social groups, or on different branches of custom and folk lore.
f) That these monographs should be printed h^ the Government in such form
as may be found convenient, and distributed to leamed Societies in Europe and
elsewhere in the same manner as the publications of the United States Bureau of
Ethnology are now circulated.
8. I submit that this plan offers a reasonable prospect of collecting at com*
paratively small cost a mass of Information of great scientific valne, which would
(85)
at the same time be of use to the Goyernment of Tndia in dealing with the large
class of administrative and legislative questions which directly or indirectly affect
the social and religious iife of the people. I would ask with reference to the
Resolution already cited, and connected correspondence, that the Lieutenant Goveraor
may be moved to take the subject into consideration, and to submit this letter with
a favourable recommendation to the Government of India. —
Der Vorsitzende spricht Namens der Gesellschaft die herzliche Sympathie
derselben für das wichtige Unternehmen aus. Er erinnert an dasjenige, was er
in der Sitzung vom 15. März vorigen Jahres (S. 256) gesagt hat, und fügt hinzu,
dass die Gesellschaft und die einzelnen Mitglieder derselben gern bereit sein
werden, nach Kräften die Förderung des grossen Werkes zu unterstützen. Sollte
unsere Mitwirkung bei Aufstellung des Schemas für die Untersuchung gewünscht
werden, so werden wir um so lieber darauf eingehen, als es in hohem Maasse er-
wünscht sein würde, wenn eine gewisse üebereinstimmung in Bezug auf die zu
beantwortenden Fragen Seitens der verschiedenen Nationen herbeigeführt werden
könnte. Jedenfalls erscheine es aber passend, die Anträge des Hm. Risley durch
eine förmliche Erklärung bei der indischen Regierung zu befürworten.
Die Geseilschaft ertheilt dazu ihre Zustimmung.
(6) Hr. Felix Milleker in Werschetz, Ungarn, tibersendet mittelst Schreibens
vom 26. October v. J. eine Abhandlung, betreffend eine
Ansiedelung der Steinzeit im Gebiete der Stadt Werschetz.
Zwecks wirksamer Ableitung der Markovaczer und Kudritzer Wässer durch
den „Kleinen" oder „Werschetzer Ried", wurde 1888 im Werschetzer Territorium,
westlich von der Stadt, durch die „Temes-Bega-Regulirungs-Gesellschaft" ein Kanal
gezogen, der, weil er die Flur „Ludosch" durchzieht, auch Ludosch-Kanal ge-
nannt wird. Bei dieser Gelegenheit wurden besonders in dem von der Temesvarer
Reichsstrasse gegen Südwest ziehenden Segmente des Kanals viele interessante
Zeugen längst vergangener Zeiten zu Tage gefordert. Hier durchschneidet nehmlich
der Kanal eine Gegend, die etwas höher liegt, als der Kleine Ried, und bis zu
einem gewissen Grade auch als Wasserscheide zwischen diesem und dem „Grossen
Riede" angesehen werden kann. Schon beiläufig 250 m nördlich von der Temes-
varer Strasse kamen einzelne Funde vor, die sich in der, zwischen dieser Strasse
und der südlich davon gegen Nordwest führenden Fahrstrasse sich ausbreitenden
Gegend häuften.
Am ergiebigsten erwies sich jener Theil, welcher von dem zuletzt erwähnten
Fahrwege, beziehungsweise der dort über den Kanal führenden Brücke, bis zu
dem vom „Werschetzer Kanal" gegen Nordwest ziehenden Feldwege reicht und
700 — 800 tn lang ist. Hier durchschnitt man die Ueberreste einer alten Ansiede-
limg. Die meisten Funde kamen in der Mitte dieses Theiles und unterhalb der-
selben in der Länge von 250 — 300 m vor. Dieser Punkt ist beinahe unmittelbar
unter dem dort beginnenden Plateau und wird im imteren Theile auch von der
„Römerschanze" durchschnitten. Hier ist die Humusschicht, eine fette schwarze
Erde, 0,9 m dick. Unter dieser beginnt die Schicht mit den üeberresten von
FeuersteUen und Begräbnissstätten, Thongefässscherben und Küchenabfällen. Die-
selbe wird von einem licht graulichgelben Thone gebildet, in dessen oberster Lage,
knapp unter der Ackererdeschicht, die meisten Funde vorkommen. Die grösste
Tiefe, aus welcher wir Funde erhielten, betrug 3,5 m.
Genauere Angaben über die Menge der Fundstücke selbst lassen sich nicht
machen, du die Gegenstände zaeret eben durch Zofall bekannt worden und die
Fnndstelle nicht systematisch durchforscht worden ist. Ich selbst habe den Ort
Umal, und zwar am 17., 19,, 21-, 24., 26., 2a. Mai und am 1., 2., 10., 14., 16.,
19., 23. und 26. .loni in Gesellschaft Eduard Rittinger's, welcher dort Artefakte
sammelte, besucht.
Ueber die Anzahl und Grösse der Feuerstellen konnte ich wenig in Erfahntn^
bringen, da der Kanal die Gegend nur in einer Breite von 12 m durchzieht und
die Arbeiter, besonders Anfangs, als sie noch nicht auf den Neben Terdienst durch
den Verkauf der Funde nnfmerksam gemacht waren, ohne alles Vcratändnisa für die
Sache deren Spuren unbeachtet zcrstdrten und wegräumten. Von einer Feoerbank,
welche aus schön roth gebi'anotem Estrich bestand, konnte ich constatiren, daas
dieselbe beiläufig l,d m im Durchmesser breit und bei 30 cm dick war.
Bei den Fenerstellen lagen selbstverständlich die meisten Fundobjekte. Dort
waren die meisten Thonsch erben und Rüchen abrälle. Letztere bestehen vor-
wi^end aus Kinds- und Hirsch knochen. Zuerst lallt das Hom des Bos priscns
ine Auge. Dann Rindshömer von gedrungener Gestalt, höchstens 30 cm lang, den
BUCTelhömem ähnlich. Das Geweih des Cervus elaphus war durch einige recht
stattUche Bruchstücke vertreten. Auch Pferdezähne snh ich. Einmal constatirle ich
den Hauer eines Wildschweines, während einige Knochen von mittleren Hausthicrcn,
wie Schafen und Ziegen, herzustammen schienen. Auch die Schale der grossen
Teicbmuschel (Anadonta cygncu) traf ich unter den Ucberrcstcn. Die Knochen
fanden sich oft neben den Feuerstellen separat gesammelt, wie in Nestern gebettet.
Viele davon waren, um das Mark daraus zu gewinnen, der Länge nach gespalten.
Die Gera th Schäften, Waffen und auch Schmuckgegenstände, sind theils aus
Thon oder Stein, theils ans Knochen oder Hom verfertigt. Gegenstände aus Hctull
fanden sich im Verhältniss nur sehr wenige vor.
Das Material, woraus das Gros der Thongefasse verfertigt war, ist nicht das
beste zu nennen. Selten erscheint der Thon etwas gereinigt, meistens ungeschlemmt,
mit Kiesel-Sandkömchen vermischt, wie ihn die Gegend der Ansiedelung eben bot.
Figur 1.
> c
<C3^
Die Formen der Thongefasse (Fig. 1) bieten wenig Abwechselung. Am
häufigsten kam die topfartige Gestalt vor, und zwar in der Grösse bis zu 20 Liter
(87)
Rauminhalt Eine Urne hatte gar einen Rauminhalt von 45 — 50 Liter. Nicht
selten ist die Rein- und Schtlsselform. Ein Fragment stammte von einer runden
Schüssel, die 30 cm Bodendurchmesser, 12 cm Wandhöhe und 1 cm Wanddicke
hatte. Einige Scherben gehörten zu viereckigen Schüsseln. Auch die Tassenform
kam vor. Ein Bruchstück Hess auf ein kahnförmiges, sau9eschalenartiges Gefäss
schliessen. Runde, schalenartige Gefässe fanden sich auch mehrere, dieselben sind
beinahe halbkugelförmig. Eines hatte einen Bodendurchmesser von 4 cm, Höhe
von 5 und eine innere Weite der OefTnung von 11 cm. Von den kleinen Doppel-
gefässen mit übereinander befindlichen Räumen fanden sich 3 Stück, freilich auch
beschädigt.
Gebrannt waren die mit freier Hand verfertigten Gefässe meistens nicht be-
sonders. Eine schöne rothe Farbe fand ich nur ein- oder zweimal. Schwarz,
schwarzgrau und dunkel-fahlgelb waren die vorherrschenden Farben. Auch hier
konnte man bei einigen constatiren, dass sie aussen fahlroth und innen schwarz
waren.
Die Dicke der Gefässwände variirte zwischen 6 und 26 mm ; dickere oder
dünnere Wände gab es selten.
Die grösseren Gefässe waren zumeist ohne Verzierungen; ein einziges Bruch-
stück zeigte 4 wagerecht und parallel um den Bauch laufende, mit den Fingern
eingedrückte Linien. Die grossen urnenartigen Gefässe hatten oft aussen an der
Ausbauchung Knöpfe (Fig. 1 A), die* ein- oder zweimal sogar in herabhängende
Zipfel übergingen. Diese Knöpfe waren nicht selten durchbohrt. Interessant ist
es zu beobachten, wie aus diesen durchbohrten nussgrossen Knöpfen schliesslich
der Henkel entstand, dessen kleinere, gedrungenere Form auch zu constatiren ist.
Selten mögen aber wohl jene zwei üeberreste einer grossen Urne sein, an deren
äusseren Bauchseiten nussgrosse Knöpfe mit 4 mm weiten Bohrlöchern waren,
denen im Innern des Gefässes kleine Uenkelchen genau verkehrt gegenüber standen.
Eine Rein besass Füsse. ,
Von den kleineren Gefässen mögen die bemerkenswertheren hier folgen:
1) Becher (Fig. 1, «); 8 cm hoch, cylinderförmig, mit 5 cm Oeffnungsweite,
verziert mit einem einzigen Knopfe an der äusseren Seite, von sehr primitiver Aus-
führung und an der Sonne getrocknet; vollkommen.
2) Becher (Fig. 1, a); 8 cm hoch, unter dem OefiTnungsrande je 2 kleine Löcher
einander gegenüber, halb ausgebrannt; vollkommen.
3) Mörserförmiges Gefäss (Fig. 1 , rf), mit 2 winzigen Henkelchen, 6 cm hoch,
an der Sonne getrocknet; vollkommen.
4) Kleines Gefäss. Höhe 3 cm^ Oeffnungsweite 3 cm, Wanddicke 5 mm, an
der Sonne getrocknet; fragmentirt.
5) Kleines Gefäss. Höhe 4 cm, Oeffnungsweite 4 cm, an der Sonne getrocknet;
vollkommen.
6) Kleines Gefäss. Höhe 4 cm, Oeffnungsweite 2 cm, an der Sonne getrocknet;
vollkommen.
7) Kleines Gefäss. Höhe 5 cm, Oeffnungsdurchmesser 4,5 cjn, halb ausgebrannt;
lädirt.
Bei Nr. 3 — 7 scheinen wir es mehr mit Spielereien zu thun zu haben. Uebri-
gens sind die oben angeführten Stücke von sehr plumper Ausführung, mit den An-
fängen der Töpferkunst vergleichbar. Dieselben wurden aber auch alle in einer
Tiefe von 2 — 3 m gefunden und waren von Feuersteingeräthen begleitet.
8) Töpfchen. Höhe 9 cm (7,5 cm der Bauch und 1,5 cm der senkrechte Hals).
Dasselbe ist aas ungeschlemmtem Thone, der mit verkohlten Theilchen vermischt
(88)
war, schwarz gebrannt und hatte an dem Bauche einen Ansatz zur Einpassung
eines Stieles.
9) Schale (Fig. 1, «7). Höhe 5 cm, Oeffnung 10 cm, Boden 2,5 cm. Reines Material,
schwarz, geglättet, auf dem Bauche mit Strichelchen verziert, mit über den Rand
der Oeffnung hinaufgebogenem Henkel; hübsches, wohlerhaltenes Ebcemplar.
10) Schale. Höhe 15 cm (3 an Bauch und 2 cm Hals); Material und Ausführung
wie Nr. 9, mit um den Bauch parallel laufenden Linien; Fragment.
11) Henkelkrug. Niedrig; Höhe vom Boden bis zum Halse 4 cm, Boden-
durchmesser 4 cm, Bauchdurchmesser 9 cm. Glatt, schwarz gebrannt, unverziert;
Hals und Henkel, deren Spuren sichtbar sind, fehlen.
12) Krug. Höhe 11 cm, Oeffnung 8 cm, Bauchdurchmesser 12 cm. Auf dem
Bauche und an der Basis des Halses je ein Kranz von Dreiecken und Strichelchen
um das ganze Gefass laufend. Glatt und schwarz. Lädirt; der Henkel fehlt.
13) Krug mit Henkel (Fig. 1, f), Höhe 8,5 cm (Bauch 5 cm, Hals 3,5 cm), Wohl-
erhalten. Fahl gebrannt.
14) Grosse Henkelschale (Fig. 1, h). Höhe 8 cm, Oeffnung 1 cm, Bauchdurch-
messer 1 1 cm, Boden 4,5 cm, Bauch mit regelmässig nebeneinander angebrachten
Wülsten verziert, zwischen welchen immer mehrere senkrechte Striche zu sehen
sind. Henkel fehlt.
15) Kleiner Krug. Höhe 7 cm, Oeffnung 7 cm, Bauchdurchmesser 7 cm und
Bodendurchmesser 3 cm. Verziert wie Nr. 14. Henkel fehlt
16) Schliesslich ist noch ein wohlerhaltener kleiner netter Hafendeckel zu
erwähnen, der kreisrund von Gestalt, 9 cm im Durchmesser und oben in der
Mitte einen winzigen Henkel hat Dieser Deckel war röthlich gebrannt
Sonst wurden von kleineren Gefassen, die aus mehr gereinigtem Material her-
gestellt und nicht nur schwarz gebrannt, sondern auch — vermuthlich auf mechani-
schem Wege — geglättet und manchmal mit eingekratzten parallelen Strichelchen
verziert waren, unter der grossen Menge von keramischen Ueberresten nur sehr
wenige Bruchstücke gefunden.
Bei den Feuerstellen fanden sich
auch die aus Thon gebrannten „Feuere
hunde" (Fig. 2, a, c, d), Bemerkenswerth
unter diesen war ein Exemplar, das schön
roth gebrannt, aber beschädigt war. Dieses
war pyramidenfönnig, viereckig in der
Basis und in der Spitze. Die Höhe be-
trug 22 cm und hatte dasselbe unter der
Spitze ein Loch. Die übrigen waren be-
deutend kleiner und kegelförmig, und zwar
hatte ein Exemplar von diesen 9,5 cm in
der Höhe, zwei andere waren je 8 ctn, eines
6,5 cm und eines gar nur 4 cm hoch; ein
Fragment stammte von einem 8 cm hohen
Exemplare. Nur das von den kegeUbnni-
gen zuerst angeführte war schlecht gebrannt und hatte kein Loch.
Unter den Gegenständen aus gebranntem Thon kamen, der Anzahl nach, nach
den Gefassen meistens roth gebrannte Kugeln im Durchmesser von 1 — 6 cm am
häufigsten vor, denn ich zählte deren 92 Stück. Dieselben mögen als Schleuder-
steine gedient haben.
Hiemach erwähne ich Perlen von verschiedener Grösse: 3 ganze und 1 cer-
Figur 2.
tTMl*
(89)
brochene, deren Durchmesser 4 — 5 cm betrug, mögen als Spinn wirtel gedient
haben; 10 ganze und 6 zerbrochene aber, deren Durehmesser zwischen 5 — 11 cvi
yariirte und deren Gestalt theils kugelrund, theils plattgedrückt, scheibenförmig war,
waren Termuthlich beim Fischfange als Netzbeschwerer in Verwendung (Fig. 2, b).
Ein Fragment stammte von einem Discus, der in der Mitte durchlöchert, 1 cm
dick war und im Durchmesser beiläufig 15 cw maass. 3 Perlen endlich können nur
als Schmuck gedient haben. Eine davon war cylinderförmig, weiss gebrannt und
hatte an der Aussenseite 3 einander gegenüberstehende Knöpfe. Die anderen
2 waren roth gebrannt und hatten an der einen, dickeren Hälfte je 2 Knöpfe, wo-
durch sie beinahe eine Kreuzesform erhielten.
Höchst interessant sind 3 Nachbildungen des menschlichen Fusses.
2 davon sind schwarzblau gebrannt. Das erste Exemplar davon hat eine Länge
von der Ferse bis zum Knie von 9 c/w, während die Fusssohle 4,5 cm lang ist;
das zweite davon hat eine 3,5 cm lange Fusssohle und das ßeinfragment misst
4 cm. Die Ausführung ist höchst primitiv. Besser ausgeführt ist das dritte Stück,
dessen Länge vom Knie bis zur Ferse 10 cm beträgt. Dieses ist schön roth gebrannt
und zeigt deutlich das Knie, die Ferse und die beiden Knöchel; der vordere Theil
des Fasses mit den Zehen ist abgebrochen. Nach den Bruchflächen am Knie zu
schliessen, stammen diese Bruchstücke von ganzen menschlichen Figuren.
Figur r>.
d
Q
Von den Steinfunden (Fig. 3) sind in erster Linie jene zu erwähnen, welche
vorwiegend in den tieferen Lagen mit den wenigen Erzeugnissen der primitiven
Töpferkunst vorkamen. Es sind dies jene Artefakte, welche durch Schlagen aus
härterem Material erzeugt wurden. Gefärbte Quarze und Feuersteine (Flint) bilden
das vorherrschende Material, dazwischen finden sich einzelne Stücke aus Obsidian,
Jaspis, Wachsopal, Weintopas und Homstein. Im Besitze des Hrn. E. Rittinge r
zählte ich aus diesen Stoffen 30 Steinkerne (Nuclei), 102 Splitter, 6 Pfeilspitzen,
2 Lanzenspitzen, 108 Messerklingen, 11 Sägen und 8 Beile; aber leider alles frag-
mentirt
Die übrigen Steinsachen wurden aus weicherem Stoffe erzeugt und sind polirt.
Viele halten diese für jünger; einige behaupten sogar, dass die schönen Hämmer
und Beile mit den hübsch gebohrten StieUöchern erst in der Metallzeit verfertigt
worden seien. Die polirten Werkzeuge unserer Ansiedelung wurden nur in höheren,
der Erdoberfläche näheren Schichten aufgefunden, welcher umstand für die letzt-
erwähnte Ansicht sprechen würde.
(90)
In diese zweite Kategorie gehört in erster Reihe ein Beilhammer ans Trachyt
(Fig. 3, a) von 12 cm Länge: ein hübsches, rein gearbeitetes Exemplar. Ein zweites
kleines Beil (Fig. 3, 6), 9,5 cm lang, aus Grünstein (Diabas) verfertigt und von
etwas eigenthümlicher Form, ist auch sehr schön erhalten. Hämmer sind nur im
fragmentirten Zustande vertreten, imd zwar sind dieselben vorwiegend schlanker,
länglicher Gestalt. Solche Hammerbruchstücke zählte ich 6 aus Serpentin, 4 aus
Grünstein und 2 aus Kalkstein. Von den Fragmenten aus Serpentin hatte eines
die Spuren zweier Stiellöcher, was sich so erklären lässt, dass der Hammer nach
dem ersten Bruche durch ein neues zweites Loch nochmals brauchbar gemacht
worden ist. Ein Fragment wieder stammte von einem beinahe kugelrunden, ein
anderes von einem länghchrunden schweren Hammer; letzteres Stück (Fig. 3, ««)
zeigt in interessanter Weise den Versuch der Stielbohrung.
Meissel, hauptsächlich Breitmeissel, kamen in grosser Anzahl vor (Fig. 3, ^, // — /).
Ich zählte 66 theils ganze, theils zerbrochene Stücke. Der kleinste misst 5,5 tn.
Einige sind bis zu 1 2 cm lang, haben noch eine schöne Schneide und dienten, wie dies
der zugespitzte Griff zeigt, wahrscheinlich auch als Beile. Ihr Stoff ist überwiegend
Kalkstein und Kalkmergel ; ein Fragment stammte von einem Exemplar aus reinem
weissem Marmor. Ein \0 cm langer Meissel ist aus einem geeigneten Geröllstück
(Sandstein) mit wenig Mühe zugerichtet worden. Drei Exemplare sind aus Chlorit-
schiefer und eines aus Serpentin verfertigt worden. Ein aus schiefrigem Kalkmergel
verfertigter Meissel mit viereckigem prismatischem Körper gehört in jene Kategorie
von Steinwerkzeugen, welche „Steinhobel ** genannt werden. Schmalmeissel sah ich
nur drei. Einer davon, aus Serpentin, mit walzenförmigem Körper, 12 cm lang,
ist ein sehr schönes Exemplar; die anderen 2 kleineren, die in Bruchstücken vor-
handen sind, waren aus Kalkstein.
Von den übrigen Steinstücken mit Spuren von Bearbeitung seien hier ange-
führt: ein Kalkmergelstück, rinnenartig ausgeschliffen (Fig. 3, c), also ein Schleif-
stein, und ein viereckiges, plattenartig zugeschliffenes Stück aus Lydit Prisma-
tische Steinkerne aus Kalkstein und Kalkmergel in der Länge von 8 — 19 cm sah
ich 7 Stück (Fig. 3, /", g); dieselben waren offenkundig zur Meisselerzeugung bestimmt
Fragmente solcher Kerne, die vermuthlich während der Werkzeugfabrikation ent-
standen, zählte ich ausserdem 12 Stück.
Interessant sind endlich die Bruchstücke von mehreren (9) concav ausgehöhlten
Mahlsteinen, auf welchen die ürbewohner mit Hülfe runder apfelgrosser Steine
Getreide und Hirse zerrieben. Ich fand Fragmente, die auf ganze Exemplare von
30 cm Durchmesser schliessen liessen. Das Material, woraus dieselben verfertigt
sind, ist Quarzit, Quarzsandstein, Granit, Gneiss und Glimmerschiefer.
üeberraschend häufig fanden sich Steine von kugelrunder Gestalt, 4 — 10 cm
im Durchmesser. Hr. Kittinger sammelte 48 ganze und 27 zerbrochene. Die-
selben sind vorwiegend aus Quarz, nur einer ist aus Granit, einer aus Hornblende
und 2 aus Feuerstein. Einige davon sind stark abgeschliffen, so dass ihre Gestalt
in den Würfel übergeht: diese scheinen zum Zermalmen des Getreides gedient zu
haben. Andere Exemplare, wie die beiden aus Feuerstein, waren gewiss Behau-
oder Klopfsteine, womit die Steinwerkzeuge verfertigt wurden. Etliche mögen aber
auch, da diese Art von Steinen gar so häufig erscheint, als Schleudersteine benutzt
worden sein, um so eher, da auch viele derartige Kugeln aus gebranntem Thon
gefunden wurden. —
Aus Knochen und Hirschhorn verfertigte Geräthe fanden sich eben*
falls in bemerkenswerther Zahl. Aus Knochen kamen 12 Stück Pfriemen (5 — 13 cm
lang; Fig. 4, h) vor, darunter 1—2 so wohl erhaltene, dass man sie heute noch ver-
(91)
wenden könnte. Femer fand Figur 4.
man 3 GläUbeine (Fig. 4, f)
I Meiasel ans Hom {Vi and
17 cm lang), 2 Hauen mit hori-
zontaler Schneide (Fig. 4, a) zur
Bearbeitung des Bodens (20
und 30 em lang), 2 Hämmer
(11 und 14 em lang! und noch
II FVagmente von Hauen nnd
Hummern; ein Beüfragment
mit verticaler Schneide. Alle
Hauen, Hämmer und das Beil
hatten schöne Stiellöcher, die
je nach dem Material entweder
unter dem Geweih ansalze
(„Rose"), oder bei der Ver-
üstang seitlich gebohrt sind. Ein Äststück war so zugerichtet, dass der dickere
Theil auf einem Stiel berestigt werden und der aas dem dickeren Theilc aeitwärls
wegstehende Zacken ^Is Grabe- und Scharrinstrument dienen konnte (Fig, 4, c).
Von Waffen sah ich 4 Dolche, von denen 3 aus Knochen und einer aus Hirsch-
horn erzeugt war (Fig. 4, g). 2 beiläufig 20 cnt lange Rindshörner waren seitlich
du i-ch löchert, vermuthüch zum Tragen aneinem Bindfaden. Zu was diese dienen
mochten und ob dieselben ein Schmuck waren, läsat sich nicht erniren. 22 Zacken
von Hirschgeweih hatten geglättete Spitzen (Fig. 4, d, e)), wozu diese dienen mochten,
ist mir auch unbekannt. Schliesslich erwähne ich noch 4 Geweihstücke, welche
interessante Spuren von Bearbeitung, nehmlich Glätten und Schneiden, bezw. Sagen
zeigten. Besonders ein Äatstück (Fig. 4, b) ist hübsch; es zeigt, wie man dasselbe
durch Absägen der kleineren Seitenästc zu einem Hammer oder Beil umgestalten
wollte. —
Es wird als eine ausgemachte Thatsache betrachtet, dass der Mensch zuerst
Stein- und Knochen werk zeuge benutzte und erst später die Metalle zur Herstellung
seiner Geräthscbaften verwendete. Dieses geben selbst die Gegner der Dreitheilung
der ältesten Zeit in eine Stein-, eine Bronze- und eine Eisenzeit zu. Diejenigen
Metalle, mit welchen der Mensch zuerst bekannt wurde, sind das Gold und das
Kupfer, denn diese kommen oft in reinem Zustande in der Natur vor. Auch die
schon bekannten Funde bezeugen dies, da Gold nnd Gegenstände aus Kupfer
meistens mit Steinsachen zusammen vorkommen, wie dieses unter Anderem auch
die Deschanfalvaer Ansiedelung bei Werschetz, wo 4 Kupferbeile in
QeseUscbaft von Steingeräthen vorkamen, erst vor Kurzem bewies.
Am 8. Juli wurden etwas nördlich von der Römerschanze, in einer Tiefe von
etwas unter 1 nt, 2 ans reinem
Waschgolde gegossene Gold- Figur 5.
ringe gefunden, von welchen der
eine (Fig. 5, f) 17,7 g schwer, ein-
mal gewunden und an dem einen
Ende zurOckgebogen war; ein ähn-
liches Exemplar ist im Atlas zum
II. Bande der „Archeologiai Kdzle-
menyek" auf der Tafel I der
Läpujtöer Antiquitäten unter 1 a,
(92)
b, c und d abgebildet. Der zweite Ring (Fig. 5, g) war 12,5 g schwer und glich toU-
kommcn dem auf der XL VIII. Tafel in Dr. Josef HampeTs ^Die Denkmäler der
Bronzezeit in Ungarn" mitgetheilten, im Budapester National-Museum aufbewahrten
Ringe.
Diese Ringe werden theils als Schmuck betrachtet, theils aber auch als das
erste Wertbzeichen, weshalb sie auch „Ringgeld" genannt werden. Dieselben
kommen in Ungarn nicht selten vor und werden theils einzeln, theils in einander
als Rette verbunden gefunden. So wurde 1883 nordwestlich Ton der hier be-
sprochenen Ansiedelung auf dem Plateau gegen die Obradovits'schen Weingärten,
also in der Congruenz der Ansiedelung, ein dem kleineren Ringe ähnlicher ge*
funden, der ebenfalls 12,5^ wog. Ferner sah ich am 2(». September 1889 einen
vierten Goldring, welcher ebenfalls aus der Gegend unserer Ansiedelung zu stammen
schien. Derselbe wog 15,2 <;, hatte dieselbe Form, wie die übrigen, nur besass er
am Corpus keine Kanten.
Aus reinem Kupfer fand man am 14. Juni in einer Tiefe von beiläufig 2 m
ein 2,5 cm langes und 6 mm dickes formloses Stückchen (Fig. 4, e).
Später, als die Menschen die Metalle legiren konnten, erzeugten sie Bronze.
Auch unsere Fundstelle lieferte einige Bronzegegenstände. So wurden am
17. Mai unterhalb der Temesvarer Strasse, in einer Tiefe von 1,8 */i, 3 Fragmente
einer schön patinirten Bronzenadel (Fig. 4, a), welche zusammen 42 cm lang waren,
gefunden. Die Nadel ist 1 1,5 cm unter dem, 1 an im Durchmesser haltenden, scheiben-
förmigen Kopfe mit eingegrabener Linearverzierung versehen. Gleich darauf, am
18. desselb. M., fand man in derselben Gegend, in derselben Schicht, ein 11 cm langes
Säge-Fragment (Fig. 4, d% ein Stück eines zu einem Ringe gewundenen Drahtes
und zwei 10 ctii lange Bruchstücke einer zweiten Nadel aus Bronze. Anfangs Jmii
förderte man dortselbst einen schön erhaltenen Schaftmeissel (Paalstab), 12 cm
lang, zu Tage (Fig. 4, c). Am 20. Juni endlich wurde im Gebiete der Ansiedelung,
1,5 an tief, ein Sichelbruchstück (Fig. 4, b) gefunden.
Zu den zuletzt angeführten Bernden sind auch 2 Steingeräthe zu rechnen.
Beide sind Schleifsteine zum Schärfen der Bronzewerkzeuge. Der eine davon
(Fig. 3, (i) ist 7 cm lang, 1 cm dick und oben, wo derselbe ein Loch zum Auffädeln
besitzt, 1,5 an, unten 2 cm breit Der andere (Fig. 3, c), ein 6 cm langes, 3 cm
breites und 2 cm dickes Bruchstück, mit einer vom Schleifen herrührenden Rinne.
Beide Werkzeuge bestehen aus feinkörnigem Sandsteine. —
Nun bleibt uns noch übrig, die Zeit, aus welcher die Gegenstände stammen,
und die Culturstufe des Menschen in derselben zu bestimmen. 3 — 3,5 m unter
der Erdoberfläche fanden sich die ersten Funde: Feuersteingeräthe, Knochen aus-
gestorbener Thiere und die Anfänge der Töpferei, vertreten durch einige kleine
Gefässe primitivster Ausführung. Die Existenz des Menschen in der Paläolith-
periode, das ist in der Zeit der unpolirten Steinwerkzeuge, halte ich deshalb für
die Werschetzer Gegend für wahrscheinlich. Die eigentliche Ansiedelung jedoch
blühte in der Neolithperiode, nehmlich in der Zeit des polirten Steines, um erst in
der Bronzezeit, also in der Zeit, als der Mensch schon die Metalle zu gewinnen
und zu verarbeiten verstand, aufzuhören.
Den Culturzustand der Ansiedler der Neolithperiode führen uns die Fund-
gegenstände lebhaft vor Augen. Die Feuerstellen bezeichnen die Stellen der
Wohnungen, die, wie es Funde an anderen Orten bezeugen, in aus Fachwerk ge-
bauten Hütten bestanden. An den Feuerstellen kochten die Bewohner ihr fhigalet
Mahl und brannten sie ihre einfachen Geschirre aus Thon. Die Beschäftigung
der Bewohner war Jagd, Fischfang und sogar Landwirthschaft Die Werkzeuge,
(93)
welche der Mensch brauchte, waren aus Stein: Breit- und Schmalmeissel, wovon
die ersteren oft als Beile verwendet wurden, Beile, Hamraerbeile und Hämmer mit
Stiellöchem, wozu sie sich das Material aus dem Banater Erzgebirge beschafften,
und die sie sich, wie wir oben sahen, selbst verfertigten. Dazu kamen noch
Beile, Sägen und Messer aus geschlagenem Material. Behau- und Schleifsteine
dienten zur Herstellung der Werkzeuge. Aus Knochen führen wir Pfriemen,
Hämmer und Beile an. Zum Feldbaue dienten Hauen aus Hirschhorn, das die
Egge und den Rechen ersetzende Instrament, während die Produkte der Land-
wirthschaft auf den concaven Mahlsteinen mit den runden Reibsteinen zerrieben
wurden. Netzbeschwerer bezeugen den Fischfang, und die Waffen — Pfeil- und
Lanzenspitzen aus Stein, Dolchklingen aus Hom und Knochen, sowie Schleuder-
steine — weisen auf die Jagd hin, deren Beute wir in den Küchenabfällen consta-
tiron können, üeber die Kleidung können wir das Wenigste angeben; vermuthlich
bestand dieselbe vorherrschend aus Thierfellen, bei deren Verarbeitung die Glätt-
beine und Pfriemen eine Rolle gespielt haben mögen. Schmuck zeigt sich auch
schon, vertreten durch Perlen aus Thon.
Da die Bewohner unserer Ansiedelung das Material zu ihren Steinwerkzeugen
nicht an Ort und Stelle vorfanden, sondern sich dasselbe aus dem nahen Erz-
gebirge verschaffen mussten, so muss sich auch schon ein localer Handelsverkehr
entwickelt haben, in welchem später das Ringgeld aus Gold als erstes Werth-
zeichen auftritt.
Die Begräbnissart der Steinzeit wurde auch bei uns constatirt. Am 9. Juni
wurde in meiner Gegenwart, knapp unter jenem Punkte, wo die Römerschanze
den Kanal kreuzt, ein Grab geöffnet, das 1,5 m tief war. Das Skelct ~ es war das
einer noch jungen, unvollkommen ausgewachsenen Person, — lag mit dem Kopfe
nach West und hatte die Füsse so eingezogen, dass das Knie in die Nähe des
Kopfes kam. Dieser Umstand erinnert lebhaft an die hockenden Skelette der Stein-
zeit. Die Erdschicht zeigte, dass dieses Grab ein sogenanntes „Kesselgrab" war.
Aus der Bronzezeit, in welche hinein unsere Ansiedelung reichte, haben
wir zu Vorstehendem nur noch weniges hinzuzufügen, da sich in derselben die
Lebensverhältnisse nicht viel anders gestaltet haben mögen. Jedoch ist ein be-
deutender Fortschritt in der aDgemeinen Cultur entschieden anzunehmen. Die
besseren Produkte der Töpferei unseres Fundes gehören bestimmt der Bronzezeit
an. Die Metall Werkzeuge sind besser und dauerhafter. Die Bestattungsweise der
Todten ist eine ganz andere. Die Leichname wurden nehmlich verbrannt und die
Reste in grossen Urnen beigesetzt. Eine solche Graburne, in welcher sich Asche
und verkohlte Knochen mit Erde untermengt befanden, maass in der Höhe 21 cm^
in der Oeffnung 10 cm, im Bauchdurchmesser 20 cm und im Bodendurchmesser
10 cm. Die Wand des schlecht gebrannten, un verzierten Gefässes war 1 cm dick
und befanden sich an der Aussen sei te des Bauches einander gegenüberstehend
2 kleine Henkel. Anfangs Mai 1890 fand man gelegentlich einer Erdaushebung
bei der südlich von der Temesvarer Strasse über den Kanal führenden Brücke
des nach Nordwest führenden Seitenfahrweges ein zweites Umengrab. Ausser den
Resten lag in der Urne noch ein kleines Gefäss; als Deckel der Urne diente eine
Schüssel. Die Urne (Fig. 1, k) war 36 cm hoch, einfach, aber hübsch geformt.
Die Schüssel schön verziert, mit Kalkeinlagen in den Ritzen der Verziening.
Das kleine Gefäss war schwarz, geglättet, und besass einen Ansa lunata-Henkel.
Dieses Umengrab hat seine Analogie im Urnenfriedhof der „Ludosch"-Flur.
Auch die Anfänge der Kunst kannten die Bewohner unserer Ansiedelung.
Abgesehen von der Form und Verzierung der Thongefässe, sei hier nur auf die
(94)
schon beschriebenen Nachbild angen des menschlichen Fusses in Thon hingewiesen.
Dieselben zeugen, wenn auch primitiv ausgeführt, schon von einer entschiedenen
Entwickelung des bildnerischen Sinnes. Wie die Bruchspuren es wahrscheinlich
machen, stammen diese Fragmente von ganzen, 30 — 40 cm hohen menschlichen
Figuren her, die möglicherweise als Götzenbilder gedient haben, und so hätten wir
auch Beweise für ein religiöses Leben unserer Uransiedler.
(7) Hr. Milleker überschickt femer einen Bericht über
die alte Ansiedelung in der Flnr Lndoneh der Gremarkung der Stadt
Werschetz.
Im November 1888 wurde beim Graben des „Gross -Szredistye-Werschetzer
Kanals" in der „Ludosch" abermals eine fiir die Vergangenheit der Werschetzer
Gegend wichtige Entdeckung gemacht. In der nordöstlichen Ecke der zur Gemar-
kung der Stadt Werschetz gehörigen „Ludosch"-Flur, unfern des v. Lazarovics'schen
Meierhofes, 2200 m von der über die alte Bega führenden Brücke der Gross-
Szredistye-Klein Zsämer Fahrstrasse, erhebt sich der den „Kleinen Ried" von West
begrenzende Plateaurand hügelartig bis zu 10 m. Diese Bodenerhebung, von der man
über das Wasser des Riedes hin eine schöne Aussicht auf die gegenüberliegenden
bewaldeten Berge des Werschetzer Gebirges geniesst, war in der Vorzeit allem
Anscheine nach von einer beträchtlichen Ansiedelung bedeckt, die in zwei Zeit-
epochen blühte. 2200 m von der erwähnten Brücke angefangen, gegen Süd, fand
man nehmlich in einer Länge von 1 km üeberreste von Begräbnissstätten zweierlei
Perioden.
Am 13. November 1888 war ich in Gesellschaft E. Rittinger's trotz Schnee
und —8° R. draussen an Oi-t und Stelle, die wir von der Stadt aus mit Wagen in
1 '/4 Stunden erreicht hatten. Eben hatte man 4 Graburnen zu Tage gefordert Da
konnte ich auch constatiren, dass sich der Kern der Begräbnissstätte am östlichen
Fusse der Erhöhung in einer Länge von beiläufig 150 m hinzog. Der Kanal streift
deren östlichen, an das Wasser des Kleinen Riedes grenzenden Rand, denn das
Gros der Urnen kam an der westlichen Böschung des Kanalbettes vor, somit ist
anzunehmen, dass sich der Urnen friedhof auf dem Abhänge befand.
Da ich selbst ausser jenem einzigen Male in Folge Zeitmangels, der grossen
Entfernung und der ungünstigen Jahreszeit nicht mehr zur Fundstätte hinaus-
gekommen bin, so konnte ich leider nur verhältnissmässig wenig über die Pund-
umstände erfahren. Das Meiste verdanke ich Daniel Mihailovits, Kontrollor bei
den Kanal bauarbeiten, welcher von dort eine ganze Collection Gefässe erwarb.
1,1 m unter der Erdoberfläche kamen etliche menschliche Skelette vor, die in
hockender Stellung sich befanden. Bei einem war eine grosse Schale, die ich zer-
brochen im Besitze Mihailovits' sah; dieselbe war 8 cm hoch, hatte einen Durch-
messer in der Oeffnung von 14 cm und am Boden von 8 cm. Sie war schwarz
gebrannt und hatte oben am Rande zwei einander gegenüberstehende Henkel. Die
grössere Tiefe, in welcher die Skelette vorkamen, sowie der Umstand, dass in der-
selben Schicht zerstreut auch Stein- und Homsachen gefunden i^iirden, weisen
diese Gräber in die Steinperiode. Ob dieselben sogenannte Kesselgräber waren,
wie ich ein solches bei der anderen, in den unteren Theil dieses Kanals fallenden
Ansiedelung fand, konnte ich nicht ermitteln.
Ueber den Skeletgräbem kamen Urnen vor, auf die man 70 — 80 cm unter
der Erdoberfläche stiess. Es mögen über 100 solche Gräber aufgerührt worden
sein. Die meisten derselben wurden zerstört, du der grosse Frost die Elrde bein*
(95)
hart gemacht hatt«. Die [Jmen atanden 0,5 — 1 m weit von einander entfernt,
einzeln, and war in den meisten nnr ein Leichnam, bezw. dessen Reste bestattet;
in einer nur sah ich Knochen von zwei Personen. In der MUndun^^ der Urne befand
sich ein kleines Qeläss- Einmal sah ich eine grosse Schale dieselbe verschliesseu and
in dieser lag wieder ein gehenkeltes Töpfchen. In 3 Urnen waren auf den Knochen
Ueberreste von Bronzesachen : in zweien Blech fra gm entc, in einer Bruchstticke von
langen Nadeln. Die meisten Urnen hatten überdies ein weidlingartiges Gefass als
Deckel; anf eine war ein flacher Stein gelegt.
Einmal fand man, wie mir MihailoTite mittheiUc, an einer Stelle 4— 5 kleine
gehenkelte Geräsae im Kreise aufgoHtellt und mit einem grossen Weidling zuge-
deckt. Sollte dieses ein Todtenopfer gewesen sein?
Die am 13. November und an den kommenden Tagen von E. Rittingcr er-
worbenen Gegenstände ans Thon sind folgende:
1) Grabome. Dieselbe hatte 40 cm Höhe nnd 50 cm Bauchdarch messe r, der
Durchmesser des Bodens betmg bis 12 cm und der des Halses war ebenso gross.
In der runden MUndnng mit herabgebogenem Rande lag ein seh üssel artiges GefHss
und in diesem wieder ein gehenkeltes Töpfchen. Die Urne war mit kleinen Oehren
am Bauche und mit Tupfen und Strichen verziert.
2) Grabnme. Einfacher als die erster«, ohne Verzierung; 34 na hoch, der
Durchmesser des Bauches 28 cm, der des Halses 10 cm. Diese Urne war mit einem
einfachen Weidling zugedeckt.
Fignr 2. Figur I.
Figur 3. Figur 4,
3) Vier kleine gehenkelte üerässe Mm «— lUcm Höhe, theils golblichroth,
theils schwärzlich gebrannt, an dem Bauche geschmückt mit niedrigen, breiten
Tupfen.
4) Fragment einer schwarzgebrannten Schüssel mit eingeritzten Verzierungen,
die ans Linien nnd Punkten bestanden und in deren Uctailzeichnung Kreise und
Spiralen vnrkamen.
Daniel Mihnilovits zeigte mir die nachstehenden Stücke aus Thon:
I) Grabume, deren Obertheil fehlt. Umfang des Banches 1,1 m. Dieselbe hat
an der Halsbasis 2 einander gegenüberstehende längliche, röhrenartige Oehren.
(96)
2) Graborne (Fig. 3), deren Halstheil ebenfalls zerbroeben, jedoch in Stücken
Torhanden ist. Höhe 40 cm, Durchmesser des Bodens 10 cm, des Halses 14 cm nnd
der Mündung 20 cm. Der Bauchumfang misst 1,02 m. Hübsches Exemplar. Hat
am Bauche 4, am Halse aber 2 einander gegenüberstehende Oehren, ausserdem am
Bauche symmetrisch angebrachte Tupfengruppen und aus eingedrückten breiten
Streifen bestehende Verzierungen.
3) Graburne, wohlerhalten; Höhe 35 cm^ Durchmesser des Bodens 10 cm^ des
Halses 14 cm^ der Mündung 22 cm. Der Bauchumfang beträgt 88 cm. Am Bauche
waren 4 Oehren, 4 Tupfen und mit dem Pinger eingedrückte Punktreihen.
4) Grabume von Mörsergestalt (Fig. 4), zerbrochen; Höhe 31 cm^ Durchmesser
des Bodens 12 cm^ der der Mündung 28 cm. Beiläuüg 10 cm unter der Mündung
ging ein Wulstring um das Geföss, das überdies noch mit 4 Tupfen versehen, sonst
aber aus sehr schlechtem Material war.
5) Schale (Fig. 2); Höhe 8 cm^ Mündung 14 cm, Boden 5 cni. Am niedrigen
Halse ein kleines Oehr, schwarz, schön yerziert mit eingeritzten Linien nnd Punkt-
reihen, die stellenweise Spiralen und Kreise bilden.
6) Schale; Höhe 8 cm^ Mündung 15 cm, Boden 5 cm. Ein Oehr und ein Tupfen
einander gegenüber.
7) Schüssel; zerbrochen. Höhe 9 cm, Mündung 15, Boden 5 cm.
8) Kleines Henkelgefäss, rothgebrannt, fand sich in Nr. 2 oder 3; Henkel ab-
gebrochen; mit 4 Tupfen verziert.
9) Kleines Henkelgefäss, grau, ohne Zierrath, zerbrochen.
10) Kleine Schale, grau, zerbrochen.
10 n V roth, „
12) Grosse Schüssel, roth, schön verziert (Fig. 1); Höhe beiläufig 15 cm, Mün-
dung 40 cmy am kurzen Halse 2 kleine Henkel; die Ritzen der Verzierung mit
Kalkmasse ausgefüllt; in Trümmern.
13) Kleiner, niedriger Topf, schwarz, zerbrochen; ein Stiel und 3 Tupfen; ein-
gedrückte Punktreihen. *%
14) Hübscher schlanker Becher, grau gebrannt; Höhe 9 cm\ zerbrochen.
15) Henkelgefäss, klein, rothschwarz gebrannt, zerbrochen.
16) „ roth, schön, ganz.
17) „ schwarz, schön, ganz.
19) Kleines Gefäss, mit 2 Henkeln, schwarz, schön, ganz.
Nr. 16—19 gehören zu jenen kleinen Gefässen, welche im Kreise aufgestellt
nnd mit einem grossen Weidling zugedeckt waren.
20) Lange, kahnartige Schale'}, schwarz gebrannt, ganz; Länge 15, Breitein
der Mitte 6, Höhe 3,5 cm.
21) Deckel; roth, ganz; Durchmesser 5 cm.
22) Töpfchen, zerbrochen: Mündung 7, Boden 5, Höhe 7 cm,
23) Fragment einer schwarzgebrannten Schüssel von mittlerer Grösse, mit
Zeichnung wie Nr. 12.
Das Material der Thonsachen ist überwiegend rein; nur wenige Stücke sind
aus grobsandigem Thon. Die Farbe der Gefässe ist schwarzgrau, schwarz oder
^Iblichroth. Die Technik befindet sich auf einer ziemlich hohen Stufe: Nr. 2 des
Mihailovits ist eine Urne von so schöner edler Form und mit solch' geschmack-
l ) Analoge Gefässe kamen in der AnsieHelang am unteren Theile des neuen Kanals
und in den Kesten der Ansiedelung vor der «Postklinge*' vor.
(Ö7)
voller Verzierung, dass sie selbst heute noch als Salonzierde dienen könnte. Von
80 elegantem Aussehen muss auch die grosse Schüssel Nr. 12 gewesen sein. Auch
die kleineren Oefässe weisen einige hübsch ausgeführte Exemplare auf, so z. B.
Nr. 16 — 19. Nur wenige, wie die Graburne Nr. 4, \y eiche Mörserform hat, lassen,
was Material und Ausführung anbelangt, zu wünschen übrig.
Von Steinsachen kamen Yor, und zwar vereinzelt, ohne nähere Angaben:
4 bearbeitete Feuersteine (Bruchstücke von Messern?);
eine zerbrochene Perle von länglicher Gestalt aus gelbem, quarzartigem Gestein;
ein Steinkern aus Serpentin, der Form nach für einen Hammer bestimmt.
Aus Hirschhorn verfertigte Gegenstände gab es wenige und auch diese kamen
vereinzelt — ^ niemals in Urnen — vor. In erster Linie ist von diesen zu er-
wähnen eine lange Nadel mit abgebrochener Spitze. Kopf und Schaft sind 8,5 cm
lang. Aus einem Hörnende geschliffen, ist der Kopf cylinderförmig, schön polirt
und mit parallel um den Mantel laufenden, streifenbildenden Linearverzierungen
versehen. Die Verzierungen sind eingeritzt und gleichen vollkommen jenen, welche
wir auf den Armbändern der Bronzezeit sehen. Weiter fanden sich noch zwei
Hörnenden (13 und 18 cm lang), welche gerade abgeschnitten und deren Spitzen
schön geglättet sind.
Die gefundenen Bronzesachen lagen in Graburnen. Ausser Resten von Bronze-
blech^ die ich in zwei Urnen sah, fand man in einer, auf die menschlichen
Reste gelegt, vier Fragmente einer Nadel, 28 cm lang, aus viereckigem gewun-
denem Draht; vier Fragmente einer zweiten Nadel, 12 cm lang, ebenfalls aus vier-
eckigem gewundenem Draht, und ein Drahtfragment, 12 cm lang, mit Blechresten.
Während die in hockender Stellung vorgefundenen Skelette die Annahme ge-
statten, dass dort in jener Gegend, vermuthlich auf der Erhöhung, der Mensch
der Steinzeit ein Heim hatte, weist der ürnenfriedhof — denn so lassen sich
füglich die vielen Urnengräber nennen, — in die Blüthezeit der Bronzeperiode, wo
jene Anhöhe neuerdings eine Ansiedelung trug. Das im Besitze E. Rittinger's
befindliche, verzierte Schüsselfragment, dann die derartigen Bruchstücke, welche
ich beiD. Mihailovits (oben tmter Nr. 12 — 23 erwähnt) sah, weisen die charakte-
ristischen Zeichenmuster der Bronzezeit: die Spirale und den Kreis, auf. Auf der
Schüssel Nr. 12 ziehen sich vom Halse zum Boden 3 — 4 cm breite Streifen, welche
den Verzierungen auf den Schwertklingen der Bronzezeit ganz ähnlich sind. Ueber-
haupt ist der Schmuck, bestehend aus Linien und Punktreihen, die mit einem
spitzen Werkzeuge eingeritzt sind, bis zu einem Grade geschmackvoll zu nennen.
(8) Hr. Georg Busch an sendet aus Wilhelmshaven unter dem 14. Januar
folgende ZusammensteUung
anir Vorgeschichte der Obstarten der alten Welt.
Von den verschiedenen Culturgewächsen erfreuen sich die Obstarten der aus-
gedehntesten Verbreitung und der grössten Mannichfaltigkeit auf unserem Erdball.
Während z. B. die Zahl der gewöhnlich als Cerealien bezeichneten Arten nur etwa
den vierten Theil vom Hundert ausmacht, erreicht die Menge der Obstpflanzen,
wie Hock*) berechnet hat, praeter propter die Ziffer 115. — Auch die Anzahl der
Familien, denen die letzteren angehören, ist im Vergleich zu denen der Getreide-
1) F. HGck, ursprüngliche Verbreitung der Obstpflanzen und deren Einflnss auf die
Cultur der Menschheit. Natur. 188D. Nr. 35.
Verhaiidl. dw B«rl. Anthropol. Geiellfohaft 1891. 7
(98)
pflanzen eine bei weitem grössere. Denn während diese aus etwa 4—5 Familien
entstammen, liefern mehr als 30 Pflanzen familien Obstsorten.
Vergegenwärtigen wir uns mit Hock die ursprüngliche Ausbreitung der
Getreide- und Obstpflanzen in der alten Welt, so constatiren wir die auffällige Er-
scheinung, dass diejenigen Gebiete, welche die meisten Pflanzen mit mehlreichen
Samen hervorbringen, auch mit obsttragenden Gewächsen am reichlichsten gesegnet
sind. Das grösste Contingent für beide Pflanzengruppen stellt in Asien das indi- §
sehe Florenreich, in Europa und Afrika das mediterrane Gebiet. Was speciell die
Obstsorten anbetrifft, so besassen ursprünglich die Mittelmeerländer etwa 30 Arten,
die übrigen Landstrecken der genannten Continente dagegen nur etwa den dritten
Theil. Natürlicherweise hat seitdem ein gegenseitiger Ausgleich stattgefunden.
Obenan stehen somit die das Mittelmeer umgürtenden Ländercomplexe, wohin
die neueren Urgeschichtsforscher die Anfänge der Cultur zu verlegen geneigt sind.
Dieser Reichthum an Obst spendenden Gewächsen reizte ohne Zweifel den
Menschen sehr frühzeitig, ihren Nahrungswerth zu erproben. Obst bildete daher,
abgesehen von der Fleischnahrung, das ursprünglichste Nahrungsmittel der anfäng-
lich nomadisirenden Menschen. Beweise für dieses hohe Alter der Obstpflanzen
besitzen wir in den ältesten Funden der jüngeren Steinzeit Europas. Anbau und
Pflege waren anfänglich nicht nöthig, da die gütige Mutter Natur dem Menschen
ohne sein Zuthun den Tisch deckte. Durch glücklichen Zufall mag er später bei
einer Gelegenheit dazu geführt worden sein, den betreffenden ßaum in Pflege zu
nehmen. Freilich fielen diese ersten Züchtungsversuche anfangs noch sehr primitiv
aus; selbst bei den schon auf ziemlich hoher Culturstufe stehenden Pfahltmuem
ist noch kein rechter Fortschritt zu ersehen. Der Anbau der Cerealien dagegen,
deren grösserer Nährwerth dem Menschen schon sehr frühzeitig zum ßewusstsein
kam, wurde mit mehr Erfolg in Angriff genommen. Die Getreidearten der Pfahl-
bauem tragen schon Spuren einer gewissen Mannichfaltigkeit und Veredlung
an sich.
Es ist ein überaus interessantes Gebiet in der Culturgeschichte, den ersten
Anfängen der Nutzpflanzen und ihrer Verbreitung nachzuspüren. Ueber das Alter
der Cerealien habe ich mich schon an anderer Stelle '), wenn auch nur in flüchtigen
Umrissen, ausgelassen. Der vorliegende Aufsatz soll sich mit der anderen grossen
Gnippe von Culturpflanzen : den Obstarten, beschäftigen. Vorausschicken möchte
ich noch, duss ich unter dieser Bezeichnung nicht nur jene Pflanzen verstehe, die
im landläufigen Sinne als Obst aufgefasst werden, sondern überhaupt alle Ge-
wächse, die eine geniessbare fleischige Frucht besitzen. Dieselben sollen indess
nur soweit in Betracht gezogen werden, als sie der vorgeschichtlichen Flora der
alten Welt angehören.
Beginnen wir zunächst mit den Gewächsen der gemässigten Landstriche, von
denen wiederum die Mitglieder der Familie der Rosaceen die wichtigste Rolle im
Haushalt der Menschheit spielen. Denn diese Familie liefert uns die eigentlichen
Obstsorten, das sogenannte Stein- oder Kernobst, als da sind: die Kirsche, die
Birne, der Apfel, die Pflaume, die Aprikose u. a. m.
Von diesen Früchten geniesst der Apfel (Pirus malus L.) unstreitig die wei-
teste Verbreitung. Nach Roth') liegen sprachliche Beweise vor, dass Apfelbäume
in Aegypten schon zur Zeit der XIX. Dynastie, also ungefähr um das 14. Jahr-
1) Die Heimftth und das Alter der europäischen Culturpflanzen. Corresp-Bl. der
deutsch, anthrop. Gesellschaft 1S90. Nr. 10. S. 128—184.
2) Dr. E. Roth, Die Pflansen des alten Aegypten. Zeitschr. Uomboldt 18W. 8. 81 ff.
(99)
hundert r. Chr., angepflanzt worden. Handgreifliche Reweise für diese Behauptung
in Gestalt von üeberresten aus ägyptischen Grabkammern fehlen uns leider zur
Zeit noch. — Dagegen lehren uns die Funde der schweizerischen Pfahlbauten,
dass ihre Bewohner in den Aepfeln schon ein Nahrungsmittel besassen. Wie
bekannt, ist uns aus diesen Niederlassungen eine Menge derartiger verkohlter
Früchte überkommen, die sich so schön erhalten haben, dass wir an ihnen noch
deutlich Kelch- und Kerngehäuse, fleischige Partien und Schale zu unterscheiden
vermögen. Fast alle Aepfel sind zerschnitten, entweder halbirt oder dreigetheilt,
offenbar, um sie besser rösten zu können Vollständig erhaltene Exemplare kommen
auch vor, jedoch sind es nur die kleineren Früchte. Die grosse Anzahl, in der
diese Apfelspalten zum Vorschein kamen, lässt vermuthen, dass der Apfelbaum
eine grosse Verbreitung in den dortigen Gebieten besass, und dass seine Frucht
sich einer grossen Beliebtheit erfreute. Freilich dürfte dieselbe unserem ver-
wöhnten Graumen nicht gemundet haben. Denn sie stammte ohne Zweifel von
dem wilden Apfelbaum ab, der nur saure Früchte zeitigt. Heer') schloss dies
einerseits aus der auffallenden Uebereinstimmung des inneren Baues des Kern-
gehäuses mit dem beim Wildapfel unserer Wälder, andererseits aber besonders aus
der Kleinheit der Fundstücke (15 — 24 mm Durchmesser), die sie gewaltig von den
Gulturäpfeln unterscheidet. Freilich liess sich auch eine Anzahl grösserer Exem-
plare (29 — 32 mm Höhendurchmesser und bis 36 mm Querdurchmesser) heraus-
finden, bei denen auch das Fleisch im Vergleich zu der kleineren Sorte stärker
entwickelt war, so dass Heer der Vermuthung Raum gab, es könnte sich in diesen
Fällen um die Früchte einer schon veredelten Sorte handeln, die vielleicht durch
Züchtung aus jener hervorging. Von anderer, und zwar landwirthschaftlicher Seite ^)
ist neuerdings gegen diese Annahme eingewendet worden, dass es in unseren
Wäldern ziemlich grosse Wildäpfel noch gäbe. — Die kleinere Sorte kommt nach
Heer in den Pfahlbauten von Wangen, Robenhausen, Moosseedorf und Concise vor.
Weniger zahlreich sind sie nach Much im Pfahlbau Mondsee'), desgleichen nach
Deschmann*) im Laibacher Moor vorhanden. Auch im Pfahlbau von Lagozza*)
fanden sich zwei Hälften, die einer kleinen (17 : 19 mrn Durchmesser der Länge
zur Breite) und einer etwas grösseren (19 : 27 mm) Sorte angehören. Im Pfahlbau
von Bardello*) (Torfmoor bei Varese) gehören Aepfel zu den häufigeren Vorkomm-
nissen; einzelne bilden darunter Uebergänge vom Typus des wilden Holzapfels zu
solchen von einer gewissen Veredlung. Ich selbst konnte einige wenige Kerne im
steinzeitlichen Hüttenbewurf von Ettersberg (Thüringen) feststellen.
Gegenüber dieser hochwichtigen Frucht, dem Apfel, tritt eine andere, heut-
zutage völlig ebenbürtige, in der Vorzeit sehr zurück: die Birne (Pirus communis L.).
Denn in den vorgeschichtlichen Funden tritt sie uns nur sehr sporadisch ent-
gegen. Die wenigen Exemplare aus den schweizerischen Pfahlbauten stammen
aus den Niederlassungen von Wangen und Robenhausen'). Dieselben sind eben-
1) Heer, Pflanzen der Pfahlbauten. Schriften d. naturf. Gesellsch. von Zürich. 1866.
LXVra. Stück. S 24ff.
2) nach Staub.
3) MittheiL der Wiener anthrop. Gesellschaft. IV. S. 806.
4) V. Sacken, Der Pfahlbau im Laibacher Moor. K. Deschmann, Bericht über die
Pfahlbauaufdecknngen im Laibacher Moor. Wien 1877.
5) F. Sordelli, SuUe plante della torbiera et della stazione preistorica della Lagozza.
Atti della societii Ital. di seien, nat Vol. 23. Milano 1880.
6) Bevue d'authropologie. Tome XVII, ÖSi. Schöne Bronzezeit
7) Heer, a.a.O. S. 26.
7*
(100)
falls nur in halbirten Stücken erhalten; sie stimmen nach Heer in ihrem sehr
grossen gekörnten Oriebsch und in der geringen Entwickelung der fleischigen
Partien mit der wilden Holzbirne unserer Wälder, im Besonderen mit der Species
Achras (Basis der Frucht länglich zulaufend) überein. Sonst ist das Vorkommen
der Birne nur nachgewiesen in dem Pfahlbau von ßaradello; das Exemplar soll
demselben Typus, wie oben beschrieben, angehört haben (Länge 25, Breite 16 mm
im Durchmesser). Der Pund im Pfahlbau von Casale*) ist zweifelhafter Be-
stimmung.
Neben Apfel und Birne kehrt unter den vorgeschichtlichen Funden noch eine
Pirus-Art mehrmals wieder: der Mehlbeerbaum (Pirus aria L.;. Einige Kerne
aus Wangen und Robenhausen ^) machen es wahrscheinlich, dass auch diese Frucht
zur Nahrung der Pfahlbaubewohner gehörte. Das Vorkommen des Mehlbeerbaumes
breitete sich damals bis nach Oberitalien hin aus; denn im Torfmoor Sofßa bei
Caldiero (Uebergang von Steinzeit in Bronzezeit) und im Pfahlbau Fontanellato')
(Eisenzeit) sind üeberreste dieses Baumes nachgewiesen.
Die geschilderten Gewächse der Gattung Pirus gehören sämmtlich der Flora
des temperirten Europa an. Der Ursprung des Apfelbaumes speciell scheint bis in
unsere Gegenden hinauf zu reichen. Das vereinzelte Vorkommen der Birne im
Vergleich zu dem überaus häufigeren ihrer Schwesterfrucht, des Apfels, giebt der
Vermuthung Raum, dass jene in der Urzeit noch nicht so allgemeine Verbreitung
fand, als dieser. Möglicherweise hatte sich der Birnbaum in den Gebieten der
bekannten mitteleuropäischen Niederlassungen damals noch nicht eingebürgert;
denn seine Heimath dürfte etwas östlicher zu suchen sein. In Nordgriechenland
wenigstens scheint der Birnbaum auf ein hohes Alter zurückzublicken. Sprach-
liche Gründe machen es nach Hoernes*) wahrscheinlich, dass das albanesische
Wort für Birne, darda, sich in einer Anzahl von Namen, wie Dardoni, Dardania
und ähnlichen noch nachweisen lässt. Vielleicht gestattet auch die Bezeichnung
„Bim baumer Wald'* einen Schluss auf das dortige häußge Vorkommen der Wild-
bime in weit zurückliegender Zeit.
Eine andere Unterabtheilung der Familie der Rosaceen, die (Gattung Prunus,
liefert uns ebenfalls mehrere Repräsentanten für die Torgescbicbtliche Culturflora.
Der Wichtigkeit und Häufigkeit nach verdient hiervon in erster Linie die Kirsche
genannt zu werden. In den Terramaren der Provinz Parma wurden Kirschkerne
von Pigorini und Strobel recht häufig gefunden. In den schweizerischen und
österreichischen Pfahlbauten fehlen sie ebensowenig. Man kennt sie hier aus
Robenhausen*), Bleiche- Arbon *), Petit-Cortaillard 0 (Neuchateier See) und dem
Mondsee''). Den meisten Autoren zu Folge scheint die Süss- oder Vogelkirsche
(Prunus avium L.) derjenige Baum zu sein, von dem die vorgeschichtlichen Funde
herstammen*); die Sauerkirsche (Prunus cerasus L.) ist bisher unter diesen noch
nicht nachgewiesen.
Die vorgeschichtlichen Kirschsteine weichen in ihrer Grösse nur wenig von
1) Bullettino di Paletnologia Italiaoa 1^<S6. p. 54. 55. Birne?
2) Heer, s. a. 0. 8.26.
8) L. Pigorini, Le abitaz. palustre di Fontanellato dellVpoca del ferro. Parma 1865.
4) MittheiL der Wien, anthropolog. Gesellschaft IH88. 8. 217.
5) Heer, a. a. 0. S. 26.
6) Antiqua 1885, S. 155. Ausland 1885, S. KXM.
7) Anzeiger für Schweiz. Alterthumsknnde Bd. V. S 40.
8) Mach in Mitth. d. Wien, anthrop Gesellschaft a. a. 0.
9) Bei einigen Funden fehlt die diesbezügliche Angabe, ob Süss- oder Sauerkirtcbe.
(101)
den caltivirten Sorten ab. Die Robenhausencr z. B. sind nach Heer nur um ein
geringes kleiner, als diese letzteren. An ihnen lassen sich schon zwei Varietäten
unterscheiden: die einen fast kugelrund, mit 7,5 — 8 mm Durchmesser, die anderen
kurz eiförmig mit 8— 10 mm Längs- und 6 — 7,5 mm Querdurchmesser. Auch die
ans dem Pfahlbau zu Lagozza^) stammenden Kirschkerne sollen dieselbe Form
und Grösse wie die cultivirten Kerne besitzen, weshalb Sordelli ihrem hohen
Alter Zweifel entgegenbrachte. Aus demselben Grunde spricht Wittmack*) den
Steinen aus der Höhle von Mentone ihre Aechtheit ab. Da aber alle diese Funde
uns eine tibereinstimmende Anschauung von der Grösse und Form der Kirschen
der Vorzeit geben, so trage ich kein Bedenken, ihr hohes Alter anzuerkennen.
Für eine Anzahl von Kirschkernen, die aus einer Urne (Lausitzer Typus) des
Gräberfeldes zu Kreuzburg, Oberschlesien, stammten, fand ich ebenfalls den heutigen
Formen annähernde Maasse: 9 — 10 mm Längen- und 7—8 mm Querdurch raesser.
Einer weit verbreiteten Annahme zufolge soll Lucullus ums Jahr 64 v. Chr.
den Kirschbaum aus Cerasunt am Pontus nach Italien verpflanzt haben. Als
Gewährsmann für dieselbe wird Plinius angeftthil, bei dem sich eine Stelle') des
Inhaltes findet, dass es vor dem Siege des genannten Feldherrn über Mithridates
in Italien noch keine Kirschen gegeben habe. Die vorgeschichtlichen Funde nun
scheinen dieser Nachricht zu widersprechen. Dies ist aber nicht der Fall, wenn
wir die angeführte Stelle in dem Sinne auslegen, als habe Plinius sagen wollen,
dass zur Zeit des Lucullus eine veredelte Sorte ihren Einzug in Italien gehalten
habe. Vielleicht ist sie auch so zu deuten, dass Lucullus die saure Kirsche vom
Pontus her mitgebracht habe. Die letztere Erklärung scheint mir wenigstens die
annehmbarere zu sein. Denn wie die vorgeschichtlichen Funde lehren, war da-
mals höchst wahrscheinlich nur die Süsskirsche bekannt. Möglicherweise war sie
auch noch zur Zeit der römischen Republik die einzige Kii-schensorto, welche in
Italien gezüchtet wurde.
Die pflanzengeographischen Forschungen verlegen das Vaterland der Sauer-
kirsche in die Gebiete vom kaspischen Meer bis nach Kleinasien hinein, das der
Süsskirsche dagegen nach Europa. Die ubiquäre Verbreitung der letzteren in Mittel-
und Nordeuropa ist bekannt. Nach Schübeier') trifft man hier und da im süd-
lichen Theil Norwegens einzelne Bäume an, von denen sich nicht mehr sagen
lässt, ob sie wildwachsend sind oder nicht. Im Kirchspiel Urnaes im Stifte Bergen
befindet sich ein förmlicher Wald von diesen Bäumen, der ungefähr V* Meile
lang ist.
Pflaumen (Prunus insiticia L.) und Schlehen (Prunus spinosa L.) gehören
ebenfalls zur vorgeschichtlichen Flora. Heer*) bestimmte Pflaumensteine unter
den Speiseresten der Pfahlbauern der Schweiz (Robenhausen), und zwar eine Sorte,
die der Form nach der sogenannten Haferschlehe (Prunus insit. avenaria Tab.)
verwandt erscheint. Pflaumenkerne fanden sich femer in den Pfahlbauten von
Weyeregg*) und CasaleO (Steinzeit), Mercurago") (Bronzezeit) und Paladru*) (Isere,
1) Sordelli, 1. c.
2) Vorhandl. d. Berl. anthrop. Gesellschaft 1883, S. 404.
3) Historia natural. XV. c. 30.
4) Schab eler, Die Pflanzen Norwegens. Christiania. S. 131.
6) Heer, a.a.O. S. 27.
6) Wejreregg im Attersee Mittheilungen der Wiener anthrop. Gesellsch II, S. 267.
7) Casale 1. c. siehe oben.
8) Pigorini, Le abit. di Fontanellato 1. c. siehe oben.
9) E. Chantre, Les palafittes da lac de Paladru. Materiaux 2«ie s^rie 187ü, p. 177.
(102)
Eisenzeit). — Oeller kehren Schlehen unter den Funden wieder. Das häufige
Vorkommen von solchen Steinen in den Pfahlbauniederlassungen Ton Wangen,
Robenhausen, Moosseedorf, Greing*), Bleiche-Arbon*), Casale und Isola Virginia*)
(tiefste Schicht) lassen auf eine grosse Verbreitung dieser FVucht seh Hessen. Ihr
sehr herber Geschmack mag sie freilich nicht besonders wohlschmeckend gemacht
haben. Parazzi*) vermuthet daher, dass nur die Steine benutzt wurden, und
zwar zur Herstellung eines Getränkes, wie es heute noch in Italien unter dem
Namen vino di prugnola (^Schlehenwein) genossen wird, ähnlich dem ungarischen
Slivowitz. —
Auf Früchte des Zwetschgenbaumes (Prunus domestica L.) ist man bisher in
prähistorischen Niederhissungen meines Wissens noch nicht gestossen. Es ist
daher höchst wahrscheinlich, dass dieser Baum zur damaligen Zeit in Eui'opa noch
nicht bekannt war und sich erst seit höchstens 2000 Jahren daselbst halbwegs
naturalisirt hat. Nach de C an doli e^) ist seine Heimath im Orient, Anatolien,
Süden des Kaukasus und Nordpersien zu suchen. — Die alten Griechen unter-
schieden die coccumelea ihres Landes von denen Syriens (um Damaskus wild
wachsend)*) und verstanden unter letzterer wohl die Zwetschge, unter ersterer da-
gegen die Pflaume, die ihre heutigen Nachkommen nach v. Held reich') noch als
coromeleia bezeichnen.
Auch die Früchte der Traubenkirsche (Prunus Padus L.) scheinen in der
Vorzeit als Nahiungsmittcl eingesammelt worden zu sein. Wie noch heutzutage,
traten sie nach Heer^) schon damals in zwei Formen auf: in runden, fast kugligen
Steinen und in solchen, die an einem Ende zugespitzt sind. Jene Sorte ist bei
weitem häufiger; in Roben hausen, Wangen, Moosseedorf und Greing*) trifft man
sie in Unmasse an. Diese dagegen ist seltener; ihr Vorkommen beschränkt sich
auf die Pfahlbauten von Robenhausen und die im Neuchateier See. Ohne Zweifel
gehört auch die Tmubenkirsche der mitteleuropäischen Flora an.
Das Vorkommen der Felsenkirsche') (Prunus Mahaleb L.) in der Pfahl-
baute Robenhausen und in den Terramaren Parmas ist noch nicht sicher erwiesen.
In viel jüngerer Zeit, als die bisher erwähnten Prunus-Arten erscheint in
Europa zum ersten Male der Pfirsichbaum (Prunus Persica Bentham u. Hooker).
Aus vorgeschichtlichen Niederhissungen kennen wir ihn gar nicht. Die sporadi-
schen Funde von Pfirsichsteinen aus den Pfahlbauten von Bor bei Pacengo '^) und
bei Paladru*') gehören zweifellos einer sehr späten Zeit an; die Niederlassung
von Paladru wird sogar der Merovingerperiode zugeschrieben. Zeitlich genau be-
stimmt sind nur zwei Funde aus spätrömischer Zeit. Pater de la Croix ent-
1) Heer, a.a.O. 8.27.
2) Antiqua 18S5, S. 155.
8) Rcgazzoai, Dei nuovi scavi nelF Isola Virginia in Riv. Arch. della provinc. <li
Como. Die. 187y. p. 1—12.
4) Bullettino di Paletnolog. Ital 1886. p. 54.
5) A. de CandoUe, Der Ursprung der Culturpllanzen. Uebersetzt von E. Götze.
Leipzig 1884. S 5.58.
6) Dioscorides, Materia medic. I, 1. 179.
7) Th. V. Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands. S. G8.
8) Heer, a. a. 0. S. 27.
9) Heer, a. a, 0. S. 2S.
10) A. Goiran, Alcune notizie veronesi di botanica archeolojnca. Estratto dal Nuovo
Giomale Botanico Italiauo. Vol. XXIf. 1890 p. 27.
11; Chantre, 1. c.
(103)
deckte einen kleinen Pfirsichkern beim Dorfe Sanxay*) in Poitou an einer römi-
schen Mauer, die um das 2. — 5. Jahrhundert, p. Chr. errichtet wurde; Stefano
dl Stefani machte einen ähnlichen Fund zwischen römischen Hau srcsten der Villa
Sospirogna') in der Gemeinde Casaleone.
Wie de Candolle') überzeugend nachgewiesen hat, stammt der Pfirsichbaum
aus China. Hier geht seine Cultur in die ältesten Zeiten zurück; die Bewohner
des Reiches der Mitte haben seit Tausenden von Jahren bereits verschiedene Alien
des gemeinen Pfirsichs gezüchtet. — Die Griechen und Römer erhielten den
Pfirsichbaum ungefähr zu Beginn unserer Zeitrechnung. Die älteste bildliche Dar-
stellung kennen wir aus den pompejanischen Wandgemälden*). Thcophrast (um
322 V. Chr.) gedenkt seiner als einer persischen Frucht. Offenbar gelangte die-
selbe aus ihrer ursprünglichen Heimath über die centralasiatischcn Gebirge nach
Kaschmir, der Bucharei und auch nach Persion. Die römischen Bezeichnungen
Persica und Malum persicum deuten darauf hin, dass Italien von dem letztgenannten
Lande aus mit der Pfirsich frucht beschenkt wurde.
Im Anschlüsse an die ObstpQanzen aus der Klasse der Rosaceen sei noch
eine Steinfrucht angeführt, die zwar nicht zur genannten Klasse gehört, deren
Früchte aber, wie man aus dem überaus zahlreichen Vorkommen von Kernen
schliessen kann, ebenfalls in der vorgeschichtlichen Zeit eingesammelt und wahr-
scheinlich auch genossen wurden. Es ist dies die Cornelkirsche (Cornus mas L.).
Man trifft Steine dieser Frucht sehr häufig, zuweilen in dicken Schichten in ver-
schiedenen steinzeitlichen Niederlassungen an: in den Pfahlbauten von Casale*),
Lagozza'), denen im Lago di Fimon') und di Varano"), von Sabbione*), Bodio*)
und Pozzolo*) im Lago di Monate, Arquä-Petrarca »*) und im Laibacher Moor,
sowie in den bronzezeitlichen Terramaren von St. Ambrogio, Castione") und
Gorzano**) (ob römisch?). Selbst in den Niederlassungen aus der späteren Bronze-
und Eisenzeit, so in den Pfahlbauten im Garda- und Varese-See, sind solche Kerne
nachgewiesen worden. Cornus succisa kam im Pfahlbau Weyeregg vor. — Ver-
gegenwärtigen wir uns die geographische Verbreitung der Kornelkirsche in der
Vorzeit, so finden wir die interessante Erscheinung, dass dieselbe sich auf Ober-
italien und Oesterreich beschränkt. In den Niederlassungen der Schweiz fehlt sie
1) BuUettino del Naturalista. Anno VIH. Siena 18F8. No. 12. p. 167.
2) A. Goiran, 1. c. p. 28.
3) A. de Candolle, Der Ursprung der Culturpftanzen. Uebersetzt von E.Götze.
Leipzig 1884. S. 278 ff.
4) Or. Comes, Illnstrazione delle piante rappresentale nei dipinti pompejani, aus dem
Werk: Porapei e la rogione sotterrata dal Vesuvio. Memorie publicato delP nfficio tecnico
degli scavi delle provincie meridionali. Kapoli 1879. p. 14.
5; BuUettino di Paletnologia Italiana 1882. p. 69.
6) Sordelli, I.e.
7) Paolo Lioj, Le abitazione lacustri della eta della pietra nel Lago di Fimon, in
Atti dell' Istituto Ven. di scienze, lett. ed arti Venezia 1864/65.
8) Castelfranco, Le stazione lacustri di Laghi di Monate e di Yarano. Atti della
Societa Ital. dei scienze natnr. Vol. XXI. Milano 1878.
9) Cam. Marin oni, Le abitazione lacustri e gli avanzi di nmana industiia in Lom-
bardia, in Memorie della 8oc. It. di scienze nat Tom. IV. Milano 1868.
10) Bullett. di Paletn. Ital. 1888. p. 120.
11) Terramare di Castione dei Marchesi, in Atti della R. Accademia dei J^incei. Gl.
delle scienz. mor. 3 serie YIII. Roma 1888.
12) G. Coppi, Monografia ed iconografia della Terramare di Gorzano. Modena 1871
und 1874.
(104)
vollständig. Es berechtigt uns diese Thatsache zu dem Schlosse, dass dieser
Baum zur Stein- und Bronzezeit in der Schweiz noch nicht zur einheimischen Flora
gehörte. Noch heutzutage ist die Komelkirsche in Italien sehr verbreitet ;'*[denn
ihre Kerne werden von der heutigen Bevölkerung roh gegessen. Eäne gleiche
Sitte mag m der Vorzeit bestanden haben. Vielleicht dienten sie auch, wie
Parazzi aus einer ähnlichen Verwendung in der Neuzeit schliesst, im g^ohrenen
Zustande zur Bereitung eines sauren Weines.
Nachdem wir bisher das Stein- und Kernobst der vorgeschichtlichen Gultur-
flora Europas kennen gelernt haben, wenden wir uns nunmehr zum sogenannten
Beerenobst. Die schmackhaftesten Früchte aus dieser Kategorie von Obstpflanzen
sind offenbar die Himbeere (Rubus idaeus L.) und die Brombeere (Rubus fhiti-
cosus L.). Beide Sorten treffen wir auch schon bei den steinzeitlichen Pfahlbauem
an. Himbeersamen besonders lieferten die Niederlassungen von Robenhausen,
Wangen, Moosscedorf, Greinig*), Bleiche-Arbon '), Schussenried "), Laibach*), im
See Fimon^) und die Terramaren Oberitaliens. Mitunter treten sie so massenhaft
auf, dass sie ganze Schichten bilden. Da diese Samen stets im unverkohlten Zu-
stande angetroffen werden, so vermuthet Heer, dass sie bereits den Darmkanal
passirt haben mögen und mit den Abfallstoffen beseitigt wurden. Es hat diese
Erklärung mehr Wahrscheinlichkeit, als die von Dorn*), wonach diese Samen von
getrockneten Himbeeren herrühren sollen, die, wie noch heute in Russland üblich,
in jeder Hütte zu Heilzwecken vorräthig gehalten wurden. — Die Heimath der
Himbeere ist Europa.
Erdbeeren (Fragaria vesca L.) und Heidelbeeren (Vaccinium myrtillns L.) sind
bis jetzt äusserst selten, und zwar nur in der Pfahlbaute Robenhausen ^), nach-
gewiesen worden. Preisseibeeren (Vaccinium vitis idaea L.) traf man dagegen
noch nirgends an. Wahrscheinlich wurden sie nicht eingesammelt.
Dagegen scheinen die Hagebutten (Rosa canina L.), wie noch heute von den
Kindern, so von den Pfahlbauem gesammelt und genossen worden zu sein. Zu
Robenhausen und Moosseedorf constatirte Heer') ihr Vorkommen unter den Speise-
resten; desgleichen Much in grösseren Mengen im Mondsee *"). Derselbe Autor
erinnert an die in mancher Haushaltung Oesterreichs noch gebräachliche Sitte, aus
Hagebutten eine Wildbrettsauce zu bereiten. Es sei nicht unwahrscheinlich, dass
die Pfahlbauem diese Samen in ähnlicher Weise in der Küche verwertheten.
Im Pfahlbau Mondsee ^) und zu Robenhausen *^) fanden sich noch Beeren der
Eberesche (Sorbus aucuparia L.). Dieselben sollen in den dortigen Gegenden noch
heutigen Tages theils als Futter für das Vieh, theils zur Erzeugung von Brannt-
wein benutzt werden*). In Schleswig-Holstein geniesst man sie als Gompot").
Mit den besprochenen Pflanzen dürften wir die Reihe der Obstsorten aus der
1) Heer, a.a.O. S. 28.
2) Antiqua a. a. O.
3) Correspondenzblatt d. deutsrh. Qesellschaft f. Anthropologie u. s. w. 1877. S. 162.
4) Deschmann, a. a. O.
6) P. Lioy l. c.
6) Württembergische Jahreshefte 1877. Februar-Sitxnog.
7) Heer, a.a.O. S. 29.
8) Mittheilungeu der Wiener anthropoL Gesellschafl, Bd. VI, S. 188.
9) Ebendaselbst Bd. IV, 8. 306.
10) Heer, a.a.O. S. 41.
11) F. Hock, K&hrpflanxen Mitteleuropas, ihre Heimath, Einführung u. i. w. Stutt-
gart 18J0. S. öl.
(105)
Torgeschichtlichen Flora Europas erschöpft haben. Da wir uns aber zur Aufgabe
dieser unserer Abhandlang gestellt haben, die Prähistorie nicht bloss der Obst-
pflanzen unseres Continentes, sondern überhaupt derer der ganzen alten Welt kennen
zu lernen, d. h. soweit sie für die Entwickelung der Cultur in den Mittelmeer-
ländem Ton Belang waren, so liegt es uns jetzt ob, noch einige Pflanzen zu behan-
deln, deren Verbreitung und Pflege sich in der Vorzeit im Grossen und Ganzen
auf die alten aussereuropäischen Culturstaaten am Mittelmeere beschränkte.
Beginnen wir mit dem Oelbaum (Olea europaea L.), dessen Frucht im Süden
unseres Continerites noch heute allenthalben ein beliebtes Nahrungsmittel bildet.
In Europa ist das Vorkommen dieser Pflanze unter den vorgeschichtlichen Funden
noch nicht sicher nachgewiesen. Es ist zwar eine Anzahl von Olivenkernen
in einer Höhle bei Mentone*), deren Alter bis auf die ältere (?) Steinzeit von
einigen Autoren zurückgeführt wird, gefunden worden; desgleichen unter den Terra-
marenresten von Gorzano'). Beide Funde sind aber zweifelhafter Natur. Denn
einmal ist es noch nicht sicher erwiesen, dass die betreffenden Culturschichten
wirklich ein so hohes Alter besitzen, wie von einigen angenommen wird, — die
Schichten von Gorzano sollen sogar römischen Ursprunges sein, — zum anderen ist
es fraglich, ob diese Olivenkerne nicht später und zwar zufällig durch Thiere hinein-
geschleppt worden sind. Möglicherweise sind es aber überhaupt keine Olivenkeme,
sondern die Samen entpuppen sich bei fachgemässer Untersuchung') als solche
der Comelkirsche, wie es bei dem Funde im Pfahlbau von Peschiera der Fall war,
wo die anfänglich als Olivenkeme bestimmten Samen sich später als Steine der
Komelkirsche herausstellten. Untersuchungen neueren Datums*) haben allerdings
ergeben, dass einige im Torfe des Gardasees aufgefundene Blätter dem Oelbaum
entstammen. Goiran, der Gewährsmann hierfür ist, hat auch Oelbanmblätter aus
dem Pfahlbau Bor bei Pacengo nachgewiesen. Beide Funde gehören aber er-
wiesenermaassen der Eisenzeit an. Es ist wohl möglich, dass um diese Zeit
herum in Folge der ausgedehnten Verkehrsbeziehungen mit den östlichen Mittel-
meerländem die Olive in Italien ihren Einzug gehalten hat. Dieser Zeitpunkt
ihrer Einwanderung dürfte mit der Angabe des Plinius^) ziemlich übereinstimmen,
der zufolge Tarquinius Priscus im Jahre 173 der römischen Zeitrechnung (d. h.
ungefähr um das Jahr 627 vor Christi) den Oelbaum aus Griechenland nach
Italien verpflanzen Hess. Auf der griechischen Halbinsel*) wuchs von jeher
der nur seines Holzes wegen geschätzte wilde Oelbaum (Olea europaea var.
Oleaster L.), der als die Mutterpflanze des edlen Olivenbaumes angesehen werden
darf. Auf attischem Boden fand die Kenntniss von der Olivenzucht indessen erst
verhältnissmässig spät Eingang. Wenn auch der Sänger der homerischen Epen
das Olivenöl uns als ein auf dem griechischen Festlande sowohl, als auch auf dem
Archipel weit verbreitetes Lebensbedürfniss schildert, so dürfte es trotzdem frag-
lich sein, ob dasselbe in jenen Gebieten schon Landesproduct gewesen ist oder ob
es nicht vielmehr einen Importartikel bildete. Nach den Schilderungen der Alten
war das Klima Griechenlands ursprünglich für den Anbau der immergrünen Olive
viel zu rauh. In Hesiod's Gedichten findet sich auch noch keine Andeutung
1) YerhandL der Berlin, anthrop. Gesellschaft 1888. S. 404.
2) Coppi, Monografia etc.
3) Die fachmännische Untersuchung der Kerne von Mentone findet sich unmittelbar
vor der von Hrn. Busch an citirten Stelle, S. 403. Red.
4) Goiran, Alcune notizie etc. p. 26.
5) Histor. natur. I, 15. c. 1.
6) V. Heldreich a. a. 0.
(106)
von attischer Olivenzucht. Wenn wir Herodot Glauben schenken, wurde der
griechische Pestlandsboden erst zur Zeit Solons*) mit dem Geschenk der zahmen
Olive bedacht. Auf dem Archipel dagegen muss die Einführung dieser Frucht
schon beträchtlich früher stattgefunden haben. Denn zur Zeit des Philosophen
Thaies, der ein Zeitgenosse der solonischen Verfassung war, gedieh die Oliven-
cultur auf den Inseln Milet und Chios schon recht ergiebig.
Dagegen bildete das Olivenöl in den östlichen und südöstlichen Mittelroeer-
ländem, speciell in Palästina und Aegypten, schon seit undenklichen Zeiten ein
nicht unbedeutendes Landesproduct. In den ältesten hebräischen Schriften ge-
schieht des Oelbaumes unter der Bezeichnurtg Sait oder Zeit*) Erwähnung. Die
Uebereinstimraung der betreffenden Benennungen im Neupersischen (Seitun), im
Arabischen (Zeitun, Sjetun), sowie im Türkischen und Tartarischen (Seitun)*) iässt
die Entstehung des semitischen Wortes in weit zurückliegenden Zeiten vermuthen.
Den Kindern Israel wird die Olive als die Frucht des verheissenen Landes ge-
priesen; unzählige andere Stellen der ältesten Theile des alten Testamentes ge-
denken des Olivenöls als Speisezusatz, Brennmaterial für Lampen, Salböl u. a. m.
Speciell über den Anbau der zahmen Olive im Pharaonenlande haben uns die
Schriftsteller der Alten mehrfach ausführliche Nachrichten hinterlassen. Ausserden:
besitzen wir aber handgreifliche Beweise dafür in einer Anzahl ägyptischer Grab-
funde. Strabo*) berichtet von einer ausgedehnten Oelbaumzucht im arsinoitischen
Nomos (dem heutigen Fajüm) und in den Gärten von Alexandria; Theophra.st^)
von dem Vorkommen des Oelbaumes in den Oasen der lybischen Wüste im the-
banischen Nomos, ungefähr 30 — 35 km vom Nil landeinwärts; Diodor endlich be-
zeichnet den Osiris als den Entdecker und Züchter der Olive. — Wann die Cultur
dieser PQanze in den Nilländem ihren Anfang nahm, darüber besitzen wir keine
Anhaltspunkte. Victor Loret®) nimmt die Periode der XVIII. Dynastie, also un-
gefähr das 15. Jahrhundert v.Chr. als Zeitpunkt der Einführung an. Schwein-
furth') seinerseits vermuthet, dass vor der griechischen Epoche die Olive im alten
Reiche unbekannt gewesen sei. Er beruft sich hierbei auf das Fehlen von dies-
bezüglichen üeberresten in den Funden vor der XX. Dynastie. Dagegen schlägt
Maspero das Alter des Oelbaumes in Aegypten viel höher an. Der Name dafür
findet sich nehmlich schon in den Texten der VIJJ. Dynastie. Dieses Wort Tat
das mit der semitischen Bezeichnung nicht den geringsten Zusammenhang hau
bedeutete in der ägyptischen Sprache sowohl die Pflanze, als das aus ihr gewonnene
Product.
Wie schon hervorgehoben, gehören Olivenüberreste zu den häufigen Vor-
kommnissen in ägyptischen Königsgräbern. Der älteste Fund geht jedoch nicht
über die XX. Dynastie zurück. Zumeist sind es ganze Aeste oder an einander ge-
reihte Blätter, die das Hauptmaterial für die Todtenkränze und Sargguirlanden
lieferten. Denn Olivenblätter waren ein Symbol der Rechtfertigung des Abgeschie-
denen vor dem Richterstuhl des Osiris. Schiaparelli entdeckte Olivenkeme in
1) Schwendener, Aus der Geschichte u. s. w. S. iJO.
2) Rosenmüller, Handbuch der biblischen Altertimmskunde. IV, S. 258.
3) de Candolle, Ursprung u. s. w. S. 305.
4) XVIL § 293.
ö) Hist plant. IV. 2 9.
6) V. Lore t, La flore pbaraoniqne d'apres les documents hieroglyphiques et les sp^
cimens dans les tombes. Paris 1887.
7) G. Schweinfurth, Die letzten botanisohen Entdeckungen in den ^iräbem Aegyp-
tens, in Engl er 's botanischen Jahrbüchern IHbi Ö. 7.
(107)
Sarkophagen, die während der XX. und XXVI. Periode beigesetzt waren. An
ihnen lassen sich zwei Formen unterscheiden, von denen die eine an beiden Seiten
spitzig oder ein wenig spindelförmig zusammengezogen verläuft, die andere da-
gegen länglich und an den Enden abgerundet erscheint.
Die ursprüngliche Heimath des Oclbaumcs scheint sich, de CandoUe') zu-
folge, von Syrien bis nach Griechenland erstreckt zu haben. —
Eine andere, in der prähistorischen Zeit ebenfalls nur auf die afrikanischen
Küsten des Mittelmeers verbreitet gewesene Obstfrucht tritt uns in der Dattel-
palme (Phoenix dactylifera L) entgegen. Auf älteren und jüngeren Monumenten
finden sich vielfach Darstellungen dieses für das wirthschaftliche Leben der alten
Aegypter so überaus wichtigen Baumes. Acgypten wird in dem Turiner Todten-
buche das Land des Bakbaumes, das Palmenland, genannt^). Ueberaus zahlreiche
üeberbleibsel dieser Pflanze, darunter Kerne und ganze Früchte, haben sich aus
den Grabdenkmälern erhalten. Schweinfurth') sammelte sie z. B. in den Sarko-
phagen aus der XV III. — XXI. Dynastie.
In Europa war die Dattelpalme noch ziemlich unbekannt, als sie in den Nil-
ländern bereits zu hoher Cultur gelangt war. Der Sänger der Odyssee gedenkt
ihrer auf der Insel Delos mit Worten, die, wie Seh wendener*) betont, keinen
Zweifel lassen, dass es sich hierbei um eine für den griechischen Archipel neue
Erscheinung aus der Pflanzenwelt handelte. Auf dem Festlande scheint der Baum
sich noch später eingebürgert zu haben, in Attika und Korinth vielleicht ums
Jahr 700 v. Chr. In Italien endlich lässt sich die Dattelpalme nicht vor dem
dritten Jahrhundert nachweisen. Fundstücke aus Gräbern, Niederlassungen u. s. w.
fehlen uns hier vollständig.
Anknüpfend an die Dattelpalme wollen wir noch zweier Palmengewächse ge-
denken, deren Vorkommen im alten Aegypten ebenfalls durch Funde belegt ist.
Dieselben scheinen jedoch bei weitem nicht die Rolle, wie jene, gespielt zu haben.
Es sind dies Hyphaene theba'ica Mart. (der Dum) und Medemia Argura
P. W. Württ.0
Dagegen lernen wir in der Feige eine der Dattel ziemlich ebenbürtige Frucht
des Pharaonenlandes kennen. Wie die Gräberfunde beweisen, bildete besonders
das Fruchtfleisch der Sykomore oder Eselsfeige (Ficus sycomorus L) ein sehr
geschätztes Nahrungsmittel. Diese Flüchte zeigen schon ehemals dieselben Ein-
schnitte, wie sie heutzutage die Bevölkerung an der Sykomoren feige zu macheu
pflegt, um die Entwickelung der Blastophagen zu hindern*). Nach Unger') bildete
die Sykomore unter den einheimischen Bäumen der Nilländer den ursprünglichen
1) de Candolle, ürspning u. s. w. S. 354.
2) E. ünger, Botanische Streifzüge auf dem Gebiete der Cultiirgeschichte. IV. Die
Pflanzen des alten Aegypten, in Sitzungsber. d. math -naturw. Akademie d. Wissenschaften.
Bd. 38. 1859. S. 104.
3) G. Schwein furth. Neue Funde aus dem Gebiete der Flora des alten Aegypten,
in Engler^s botanischen Jahrbüchern 1884. S. 189. ^
4) S. S^^wendener, Aus der Geschichte der Cidturpflanzen. 2 Vorträge. Basel
1872. S 25.
6) Unger, Streifzüge a. a. 0. S. 106 und 107: AI. Braun, üeber die Pflanzenreste des
ägyptischen Museums in Berlin. 1871. Sep.-Abdr. S. 9; Schweinfurth, Neue Funde u. s. w.
8. 198 (XIL Dynastie).
6} Schweinfurth, Die letzten botan. Entdeckungen a. a. 0.
7) ünger, Streifzüge u. s. w. a. a. 0. S 110.
(108)
Waldbestand. Ihr Holz fand, wie Abbildungen and Funde vielfach lehren, nicht
nur zum Häuser- und Schiffsbau Verwerthung, sondern auch zur Anfertigung von
allerlei Kunst- und Industriegegenständen. Fast alle Holzschnitzereien, sowie der
grösste Theil der Sarkophage ist aus Sykomorenholz gearbeitet. — Auch in der
religiösen Verehrung spielte die Eselsfeige eine bedeutungsvolle Rolle. — Was
schliesslich die Heimath der Sykomoro anbetrifft, so versetzt Graf Solms-Lau-
bach*) ihren Ursprung in das tropische Afrika. Als Mutterpflanze des heutigen
Culturgewächses ist diesem Autor zu Folge vielleicht Sycomorus trachyphylla Miq.
anzusehen.
Die gewöhnliche B^eige (Ficus carica L.) fand ebenfalls schon frühzeitig,
wenn auch später als die vorige Art, in den Nilländem Eingang. Wir kennen
selbst zwar nur einige wenige Exemplare dieser Frucht aus den ägyptischen
Funden ») (XII. Dynastie d. h. um 2200—2400 v. Chr.), dafür finden wir aber diesen
Baum auf einem alten Wandgemälde von Beni-Hassan*) (Feigenemte) naturgetreu
dargestellt. Die fünflappigen Blätter und die flaschenförmigen Früchte charakten-
siren ihn auf diesem Bilde ganz genau. Das altägyptische Wort für die Feige
hiess Teb^). Nach den Angaben des Grafen Solms-Laubach scheint die Feige
zuerst auf der arabischen Halbinsel in Cultur genommen zu sein. Es dürfte wohl
für erwiesen gelten, ilass die veredelte süsse Frucht sich aus der wilden Art ent-
wickelt hat. Zur Zeit des trojanischen Krieges scheint die cultivirte Sorte noch
unbekannt gewesen zu sein^). Sykos benannten sie die Griechen später; En'neos
hiess bei ihnen dagegen der wilde Feigenbaum. Dieser mag ursprünglich auf dem
griechischen Archipel und Kleinasien einheimisch gewesen sein*). Homer er-
wähnt ein Exemplar dieses Baumes, das in der Umgebung von Ilios stand. Die
veredelte Feige hingegen tritt uns erst in der Odyssee entgegen, und zwar hier
zum ersten Male unter der Bezeichnung S]^kos. Indessen sollen die betreffenden
Stellen nachträglich eingefügt worden sein^). Auch Hesiod spricht noch nicht
von der Feige*); zum ersten Male erscheint sie literarisch belegt ums Jahr 700
vor Christo bei Archilochos, der Feigenbäume unter den Gewächsen seiner Hei-
math Faros anführt.
Ob wir unter dem Feigenbaume, an dem der Sage nach eine Wölfin die beiden
Gründer des römischen Weltreiches säugte, einen wilden oder zahmen Baum zu
verstehen haben, ist schwer zu entscheiden. Wahrscheinlich handelte es sich um
die erstere Sorte, die vnr dem zufolge auch als einheimisch in Mittelitalien gelten
lassen müssen. —
Als letzte der ägyptischen Obstpflanzen ist der Granatapfelbaum (Punica
granatum L.) zu verzeichnen. Seine Einführung in diesen Landen blickt auf ein
ziemlich hohes Alter zurück. Granatäpfel bestimmte man unter den Funden
aus der XII. Dynastie (um 2400 v. Chr.)'). Zur Zeit der XVII. Dynastie scheinen
sie sich vollends eingebürgert zu haben. Unter den Opfergaben der Mumien finden
wir Granatäpfel mehrfach vertreten. Auch besitzen wir zahlreiche Abbildungen,
1) H. Graf zu Solms-Laubach, Die Herkunft^ Domestication und Verbreitung des
gewöhnlichen Feigenbaumes. Abhandlungen der kgl. Qesellsch. d. Wissen^ch. in Göttiogen.
Bd. 28.
2) Schweinfurth, Neue Funde aus dem Gebiete der Flora des alten Aegypten, in
Engler's botan. Jahrbüchern. 1884. S. 198.
8) Unger, a. a. 0.
4) de Candolle, Der Ursprung n. s. w. S. 871.
5) S. Schwendener, Aus der Geschichte der (^nlturpflanxen. Basel 1872. 8. 18.
ti) de Candolle, a. a O. S. 372.
(109)
die keinen Zweifel über die Bestimmung lassen. Die in den Gräbern gefundenen
sind durchweg kleiner, als die jetzigen Sorten. Braun*) macht auf einen weiteren
Unterschied aufmerksam, der darin besteht, dass die prähistorische Frucht nur
4 — 6 Fächer im Gegensatz zu der heutigen (6—8) besitzt.
Granatbäume gehörten zu den Fruchtbäumen des den Juden verheissenen
Landes. Mehrere Male werden sie im alten Testamente unter dem Namen Kimmon ")
erwähnt. Persien, Afghanistan und Beludschistan scheinen nach de CandoUe^)
ihre Heimath zu sein, nicht Africa, wie aus mehrfachen Gründen hervorgeht.
Homer kannte den Granatapfel schon; denn zweimal gedenkt er seiner in der
Odyssee als eines Baumes in den Gärten der Könige von Phäakia und Phrygien.
— In Rom scheint sich diese Frucht erst später, vielleicht mit der Olive zusammen,
eingebüi^ert zu haben*). —
Halten wir unter den Obstpflanzen Umschau, die unsere heutige Kost und
Nahrung ausmachen, so constatiren wir die interessante Thatsache, dass die An-
zahl der Arten, abgesehen von einigen wenigen Früchten, mit denen uns die neu
entdeckten Erdtheile beschenkten, ziemlich die nämliche geblieben ist, wie sie es
ehemals war. Dieselben Früchte, an denen sich die alten Aegypter oder die Pfahl-
bauem bereits vor 3 — 4000 Jahren delectirten, geniesst der Afrikaner und Euro-
päer noch heutigen Tages. Der Fortschritt der Oultur besteht allein darin, dass
ans den meisten dieser ursprünglich wild wachsenden Pflanzen durch stetige Züch-
tung und Veredelung mehr und mehr Abarten und wohlschmeckendere Formen er-
zielt worden sind, deren Menge fast unzählbar ist.
Die Uranfänge dieser Züchtung liegen weit zurück. Aegypter sowohl, als
Griechen und Römer, wie überhaupt alle alten Culturvölker, waren, bezw. ge-
langten sehr bald, soweit wir im Stande sind, ihre Prähistorie zu verfolgen, bereits
bei ihrem Eintreten in die Vorgeschichte in den Besitz des Geheimnisses der
Obstzüchterei ; sie hatten es nicht mehr nöthig, sich mit mühevollen Cultur-
versuchen an wilden Formen abzuquälen, da dieser grossartige Gedanke schon vor
ihnen im Gehirn einer älteren Generation aufgeblitzt war, von denen sie schon die
fertige Kunst, bezw. veredelte Gewächse übernahmen. Auch die Pfahlbauem
scheinen den Gedanken einer Veredelung der Früchte nicht aus sich selbst heraus
entwickelt zu haben, sondern erhielten ihre Directiven indirect über die südeuro-
päischen Länder von jenem uralten Culturvolke her. Wer dasselbe war und wo
wir es zu suchen haben, ist ein dunkler Punkt in der Vorgeschichte der Mensch-
heit. Vermuthen können wir nur, dass sein Sitz in den östlichen Gebieten des
Mittelmeeres zu suchen ist. Nachdem die alte Theorie von einem centralasiati-
schen Ursprünge eines indogermanischen Gesammtvolkes abgethan ist, stehen wir
jetzt vorläufig wieder vor einem Ignorabimus.
(9) Hr. Virchow theilt in Bezug auf den in der letzten Sitzung vorgelegten
Algorrobe-Kuchen von Salta
mit, dass ihm inzwischen ein Brief des Hrn. Fernando Kramer aus Salta, Argen-
tinien, vom 20. November zugegangen ist, wonach diese Art von „Fruchtkuchen"
von den Indianern häufig gegen Syphilis angewendet wird. Man nehme davon
1) AI. Braun, a. a. 0. S. 19.
2) Bosenmüller, a. a. 0. I, 27B.
3) de Candolle, Ursprung a. a. 0. S. 299 und 559.
4) Schwendener, a. a. 0. 8. 25.
(110)
jeden Tag 3mal, immer vor dem Essen 16 .7, in 30 — 40 g Wasser aufgelöst. Die
Pracht selbst, die erst im Februar reife, habe noch bessere Wirkungen. Man
giesse auf 500 g derselben 1 Liter bis auf 60° R. erwärmtes Wasser, lasse dieses
einen Tag lang stehen und gebe dann dem Kranken 3 — 4 mal des Tages eine Tasse
voll zu trinken. Die Heilung gehe schnell von statten. Gleichzeitig sei das Mittel
auch ein Prophylacticum.
Hr. Virchow hat den Kuchen Um. 0. Liebreich zur Prüfung übergeben.
(10) Hr. Ai-thur Baessler hat eine zweite Abtheilung seiner javanischen
Photographien ausgestellt.
(11) Zu der in der vorigen Sitzung (S. 71) vorbehaltenen Diskussion nimmt
Hr. Mies das Wort. Er spricht über
die Höhenzahl des Körpergewichts der sogenannten Amazonen and Krieger
des Königs von Dahome.
Durch die wohlwollende Vermittelung des Herrn Virchow und des Herrn
Görke und mit der gütigen Erlanbniss der Herren Castan und Pinkus, wofür
ich diesen Herren verbindlichst danke, habe ich an den sogenannten Amazonen
und Kriegern des Königs von Dahome Messungen und Wiegungen angestellt, über
deren Ergebnisse ich hier kurz berichten will.
Um die bei dieser Truppe bestimmten Höhenzahlen des Körpergewichts
verständlich zu machen, muss ich einiges aus einer vorläufigen Mittheilung von
mir anführen, welche unter dem Titel „Ueber die Höhe und Höhenzahl des Ge-
wichts und des Volumens von Menschen und Thieren** in Virchow's Archiv för
pathologische Anatomie (1891, Heft 1, S. 188 — 193) erschienen ist. Dort habe ich
nehmlich Gewicht und Volumen von Menschen und Thieren auf einen und den-
selben Körper, nehmlich auf destillirtes Wasser bei 4° C. in einem Gefässe be-
zogen, dessen innerer Querschnitt überall ein Quadrat von 10 ein Seitenlänge bildet
Von der in einem solchen Gefässe befindlichen Wassersäule wiegt jeder Millimeter
10.7, weil 100 mm derselben (oder ein Kubik-Decimeter Wasser) \ kg = 1000 .7
schwer sind. Auf dieser Vergleichseinheit beruht die Höhenzahl des Körper-
gewichts eines Menschen oder Thiercs, d. h. diejenige Zahl, welche angiebt, wie
viel Mal die ganze Körperlänge kleiner oder grösser ist, als eine gleich schwere
Wassermasse in einem Gefässe von der vorhin beschriebenen Gestalt. Um diese
Zahl zu erhalten, dividirt man die in Millimetern angegebene ganze Körperlänge
durch den zehnten Theil der Anzahl von Grammen, welche der Körper wiegt, d. h
durch das mittelst Dekagramm bezeichnete Körpergewicht.
Wie in der genannten Mittheilung^ fand ich auch bei den Amazonen und Krie-
gern, dass die Höhenzahl des Gewichts mit steigendem Körpergewichte
abnimmt. Denn für die Amazonen beträgt dieselbe bei einem mittleren Körper-
gewichte von 48 324 g (5 Fälle) 0,343—0,300,
54 300 „ (5 „ ) 0,297—0,280,
59 813 „ (7 „ ) 0,272—0,257,
6G 250 „ (2 „ ) 0,248 und 0,236.
Femer finden wir bei den Kriegern, welche im Mittel wiegen
51 470 g (1 FaU), 0,303,
63 023 , (3 Fälle), 0,266—0,255,
70 780 „ i3 „ ), 0,244—0,224,
78 300 ^ (1 Fall), 0,218,
(111)
als Höhenzahlen des Körpergewichts, üebrigens wiegen die Amazonen, unter Aus-
schluss der 9 jährigen*), 29 570// schweren Titi, durchschnittlich 56 016//, die
Krieger, ohne den 16 jährigen, 41250.7 schweren Royma, im Mittel 66397//.
Die Amazonen hatten nur eine Art von leichtem Badekleid, die Krieger eine Bade-
hose an, als sie gewogen wurden.
Was die ganze Körperlänge betrifft, welche bei den 19 erwachsenen Amazonen
im Mittel 1573 mm^ bei den 8 erwachsenen Kriegern durchschnittlich 1654 mm be-
trägt, so nimmt in gleicher Weise, wie ich in meiner vorläufigen Mittheilung
gezeigt habe, auch bei dieser afrikanischen Truppe mit Zunahme der ganzen
Körperlänge die Höhenzahl des Gewichtes ab. Denn diese Zahl beträgt
bei Amazonen, welche gross sind
unter 150 cm (1 Fall mit 1489 mm) 0,343,
150—154 „ (4 Fälle „ 1511—1524 „) 0,297,
155—159 „ (9 „ „ 1548—15^3 „) 0,281,
160—164 „ (2 „ „ 1632,5—1644 „ ) 0,276,
165 m und darüber (3 „ „ 1646,5-1680 „) 0,257.
Ebenso beläuft sie sich bei den Kriegern, welche eine Körperlänge haben von
unter 160 cm (2 Fälle mit 1557 und 1592 mm) auf 0,284,
165—169 „ (3 „ „ 1653—1666 „) „ 0,250,
170 „ (3 „ „ 1698—1704 „ ) „ 0,233.
Auch die Verkleinerung der Höhenzahl des Gewichts mitzunehmen-
dem Alter lässt sich bei den Amazonen und Kriegern erkennen. Denn die
9 jährige Titi hat eine Höhenzahl des Gewichts von 0,424, während die grösste
Höhenzahl des Gewichts der übrigen Amazonen nur 0,343 ist. Und bei dem
16 jährigen Boyraa übertrifft die Höhenzahl des Gewichts, 0,370, noch bedeutend
die grösste Höhenzuhl, 0,303, seiner Genossen.
um den Einfluss der Rasse auf die Höhenzahl des Gewichts zu zeigen,
habe ich aus Gocke's Dissertation „über die Gewichtsverhältnisse normaler
menschlicher Organe" (München 1883) die mittleren Höhenzahlen des Gewichts von
7 verunglückten Männern und einem verunglückten Mädchen, sowie von 4 an
akuten Krankheiten gestorbenen Männern und 12 ebenso zu Grunde gegangenen
Weibern berechnet, welche dasselbe Alter und dieselbe Körperlänge hatten, wie
die Krieger und Amazonen. Hierbei stellte es sich heraus, dass die mittlere Höhen-
zahl des Gewichts dieser an akuten Krankheiten gestorbenen Männer 0,311 und
dieser verunglückten Männer 0,279 betrug, während unsere Krieger eine mittlere
Höhenzahl des Gewichts von nur 0,249 haben. Auch die mittlere Höhenzahl, 0,2.Sl,
des Gewichts der Amazonen ist bedeutend geringer, als diejenige der an akuten
Krankheiten gestorbenen Weiber = 0,323; sie liegt ebenfalls unter der Höhenzahl,
0,299, jenes verunglückten Mädchens. Das Körpergewicht ist also bei diesen
Negern weniger auf die Körperlänge und mehr auf die Breiten- und Tiefendurch-
messer des Körpers vertheilt, als bei den oben herangezogenen Personen, welche
im pathologischen Institut zu München secirt wurden.
Was zum Schlüsse den Einfluss des Geschlechtes auf die Höhenzahl des
Gewichts betrifft, so scheint er auch bei dieser Negertruppe ein sehr geringer zu
sein. Die Amazonen haben zwar eine mittlere Höhenzahl des Gewichts von 0,281,
die Krieger eine solche von 0,249, was einen Unterschied von 0,032 ergiebt. Aber
die mittlere Körperlänge der Amazonen beträgt nur 1 573 wm, die der Krieger da-
1) Alter und Namen nach Angaben des Hm. Pinkus, des Impresario dieser Gesell-
schaft.
(112)
gegen 1B54 mm, und mit zunehmender Rörperlänge verkleinert sich, wie wir sahen,
die Höhenzabl des Gewichts. Ganz andere Ergebnisse erhalten wir, wenn wir
Krieger und Amazonen von ähnlicher Rörperlänge zusammenstellen. Denn bei
einer Rörperlänge von 1G5 — 169 cm beträgt die mittlere Höhenzahl des Gewichts
von 3 Rriegem 0,250, von 3 Amazonen 0,257; sie ist also bei den ersteren nur um
0,007 kleiner, als bei den letzteren, und bei einer Rörperlänge von 155^159 cm
finden wir diesen Unterschied bloss 0,003 gross und (vielleicht wegen der un-
gleichen Zahl der verglichenen Fälle) sogar zu Gunsten der Amazonen, indem die
mittlere Höhenzahl des Rörpergewichts dieser 9 Amazonen 0,281 und die der
beiden gleich grossen Rrieger 0,284 beträgt.
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
U.
12.
13.
14.
16.
16.
17.
18.
19.
20.
Guthu.
Gumma
Fengere
Mamuna
MUBSQ.
Jenne .
Messjr .
Bathu.
Bondobo
Gassa .
Kemma
Foma .
Jemma
Sombo
Maima
Gathj .
Fatu .
Haua .
Samba
Titi. .
1. Alfa .
2. Schobj
3. Gebbas
4. Qnaku.
5. Bakbo.
6. Jambo
7. Waki .
8. Tio. .
9. Boyma
Namen
Alter ! Rörperlänge
m
Jahren
m
Millimetern
Körner-
gewicnt in
Grammen
Höheosahl
des Körper-
gewichts
I.
U
Amazonen.
•
28 1
1560
66000
0,236
21
1646,5
66500
0,248
24
1680
66270
0,257
21
1644
62850
0,262
23
1652
61800
0,267
22
1554
57 650
0,270
25
1559
57 500
0,271
18
1583
58120
0,272
18
1511
55500
0,272
19
1514
54200
0,280
25
1548
55300
0,280
20
1682,5
56150
0,291
22
1574
53650
0,298
19
1550
52200
0,297
25
1565
52200
0,300
26
1593
50 800
0314
23
1524
48 220
0,316
26
1513
46950
0,822
22
1489
43450
0,343
9
1255
29570
0,424
. Rriegi
er.
25
1704
78300
0,218
20
1701
75120
' 0,226
2*»
1666
68920
0,242
22
1664
68300
0,244
20
1698
66 700
0,355
21
1653
62500
0,264
19
1592
59870
0,866
19
1557
51470
0,808
16
1527
41250
, 0,870
(113)
Hr. Virchow zeigt Photographien von Negern, Männern und "Weibern, welche
im Jahre 1887 als „Einwohner des Negerreiches Aschanti und der Negerrepublik
Liberia* von dem Impresario Mr. Hood in Berlin vorgeführt wurden. Sowohl in
dem Aussehen, als in der Haartracht, dem Schmuck u. s. w. bieten dieselben so
viel Aehnlichkeit mit jetzt gezeigten Personen, dass die Frage erlaubt scheine,
ob nicht manche Personen in beiden Truppen identisch seien; jedenfalls dürfe man
annehmen, dass die jetzigen nahe Verwandte von der Gold- oder Sklavenküste
seien. Das schliesse jedoch nicht aus, dass auch anderes Gemisch „von der
Negerrepublik Liberia" darunter sei. Der sehr erfahrene Afrika-Reisende Herr
Baumann habe ihm mitgetheilt, dass er sich mit verschiedenen der Leute in der
Wei-Sprache unterhalten konnte.
Er verliest sodann aus einem aus Magdeburg, 17. October 1890, an die Ge-
sellschail; gerichteten Briefe des Hm. Emil Blumenthal folgende Stelle: „Der
Zufall wollte es, dass ich im Sommer d. J. bei der Landung der Truppe, — sie
kam mit dem englischen Dampfer Winnebah, — am Sonntag Nachmittag in Ham-
burg war, und da ich mit den dortigen Schiffen, welche aus Afrika kommen, viel
zu thun habe, wurden mir vom Of&cier die Mädchen gleich gezeigt. Ich kann die
Versicherung geben, dass die Mädchen alle aus Serlion (Westküste) stammen,
ein schönes reines Englisch sprechen, und jedenfalls keine Ahnung haben, dass
sie mit einem Mal zu Amazonen eines Sultans ernannt worden sind. In ihrem
Leben haben sie keine Ahnung von einem Gewehr oder Säbel gehabt, sondern
sind meines Wissens von ihrem Impresario in Hamburg ungefähr wie unsere
Rekruten gedrillt worden. Was den Schmuck anbelangt, bezw. die Muscheln, so
giebt es in Hamburg zwei Geschäfte, wo man derartige Sachen gut haben kann.
In ihrer Heimath leben die Leute vom Schiffeentladen oder Kohlentragen."
üebrigens hatte schon in einem Briefe vom 12. October v. J. Hr. E. Fried el
Folgendes mitgetheilt: „Unser Mitglied, der Tourist Louis Fischer, giebt mir den
sicheren Schlüssel für die sogen. Dahomeyer. Er hält sie für Togo-Leute, bat
mich aber, heut zu seinem Freunde, Hm. Raufmann Schmidt, zu kommen, der
seit 13 Jahren in Lagos wohne und mir die Sache vollständig aufklären werde.
„Hr. Schmidt hat längere Zeit einen dahomeyschen Boy gehabt, der die hier
anwesenden sogen. Amazonen zum Theil bei Namen kennt. Damach sind die
Frauenzimmer in der Hauptsache von 3 Punkten: a) von Little Pop6, deutsche
Ünterthaninnen, leicht an einer eigenartigen Tättowirang kenntlich, die sie unter
den Augen haben; b) von Whydah, c) von Porto Novo, beide an der Dahomey-
Küste. Von letzteren kann man also allerdings sagen, dass sie Unterthanen des
Königs von Dahomey seien. Keineswegs sind sie aber aus dem Innern von Dahomey;
sie kennen die eigentliche Dahomey-Sprache nicht und haben mit den Amazonen
des Sultans von Dahomey absolut nichts zu thun.
„Hr. Beck in Hamburg, von der renommirten Firma Beck & Co. daselbst,
der längere Zeit beim König von Dahomey in Abomey gewesen ist, bestätigt das,
was Hr. Schmidt sagt, und hat bei der Vorstellung, dass der König von Dahomey
von seinen Kriegerinnen irgend welche beurlauben werde, herzlich gelacht." —
Hr. Louis Fischer erklärt, dass auch ein aus Lagos stammender Diener des
Hm. Hönigsb erger mehrere der sogenannten Amazonen persönlich kenne und sie
als Angehörige der Küste bezeichnet habe. —
Hr. G. Fritsch hebt hervor, dass die Dressur der Amazonen im Bäjonet-
fechten u. dgl. ganz nach europäischem Muster durchgeführt sei. —
YerhandL der Berl. AnthropoL GMeUichaft 1891. g
(114)
Hr. Vir c ho w erkennt dies an und glaubt, dass Beweise genug beigebracht
seien, um die Herkunft der Personen aas der an sieh sehr gemischten Rüsten-
bevölkerung darzuthun. Indess findet er eine Milderung darin, dass es sich nicht
um eine eigentlich anthropologische Vorstellung, sondern um ein Schauspiel für
die Masse gehandelt habe; dafür genüge es, dass die Dressur der Frauenzimmer
im Gebrauch der WafTen, wie allgemein zugestanden werde, eine vorzügliche sei
und dass die Personen selbst gute westafrikanische Typen darstellten, nicht, wie
man eine Zeit lang vermuthet habe, nur eine Sammlung von Antillen-Negern.
(12) Hr. Virchow zeigt bei dieser Gelegenheit in einer älteren grossen Pho-
tographie die
sechsflngrige Hand eines Antillen-Negers.
In der Sitzung vom 16. November 1889 (Verh. S. 650) wurde im Namen de»
Hm. W. Joest die Photographie der rechten Hand eines, gegenwärtig in Süd-
deutschland angestellten Negers vorgelegt, welche durch eine recht merkwürdige
Verdoppelung des Kleinfingers ausgezeichnet ist. Ich erinnerte mich, diesen Mann
früher selbst gesehen und untersucht zu haben, konnte aber die Notiz lange nicht
auffinden. Erst jetzt, als ich nach den Photographien der „Ashanti" suchte, kam
die Photographie der Negerhand mir wieder vor Augen und damit auch die be-
treffende Notiz.
Es handelte sich damals um eine beträchtliche Anzahl von Schwarzen, welche
im December 1886 im Eden-Theater vorgeführt wurden. Der Angabe nach stammten
sie von der dänischen Insel St. Croix. Unter ihnen befanden sich ein Paar
„Zwillinge", Daniel und David, von denen der erstere eine Körperhöhe von 1710 bei
einer Klafterweite von 1860 mm, der zweite» eine Höhe von nur 1559 bei einer
Klafterweite von 1655 min hatte. Die Hautfarbe bei Daniel entsprach ungefähr
3 h Radde, die von Daniel 3 f, im Gesicht 4 h. Der Schädelindex von Daniel be-
trug 80,3, der von David 76,4; ersterer war also brachy-, letzterer roesocephal.
David, der kleinere, hatte an der rechten Hand 6 Pinger, so zwar, dass dem An-
schein nach die erste Phalanx des Kleinfingers getheilt und an jedes Theilglied
eine zweite und dritte Phalanx angesetzt waren, — also eine ziemlich ungewöhn-
liche Combination, die auch in der Abbildung von 1889 erträglich wiedei^egeben
ist. Die Hand war dem entsprechend breit: sie maass unter den Ansätzen der 4
(oder eigentlich 5) Pinger 95, unter dem Ansätze des Daumens 114 wim, bei einer
Länge von der Falte am Handgelenk bis zur Spitze des Mittelfingers von 175 mm.
(13) Hr. Ed. Sei er spricht über
altniexikanischen Federsclunnck und militärische Rangabzeichen.
In dem XXI. Bande dieser Zeitschrift, S. 63—85 habe ich eine Abhandlung
veröffentlicht, in welcher ich die Hauptformen der Federschmucke, die von den
mexikanischen Kriegern als auszeichnender Schmuck, gewissermaassen als Ab-
zeichen eines bestimmten militärischen Banges, getragen wurden, besprach und die
ihnen zukommenden Namen festzustellen sachte. Meine Hauptquellen waren dabei
einerseits die in der Tributliste des Codex Mendoza abgebildeten Büstungen ge-
wesen, andererseits ein Kapitel des Geschichtswerkes des P. Sahagun, in welchem
„die Schmucke, welche die Fürston im Kriege trugen**, aufgezählt werden. Ich
kannte damalig nur den spanischen Text dos Sahagun. Seither aber habe ich
Veranlassung genommen, den in aztekischer Sprache geschriebenen Originaltext
(115)
unseres Werkes, der in zwei Bibliotheken in Madrid aufbewahrt wird, zu studiren.
Dabei stellte sich heraus, dass nicht nur der aztekische Text viel reicher und voll-
ständiger ist, als die spanische üebersetzung, sondern auch, dass der P. Sahagun
dasjenige, was ihm die Indianer in ihrer Sprache mittheilten, zum Theil gründ-
lich missverstanden, oder auch vielleicht — was bei einem Manne seines Alters
nicht Wunder nehmen kann, — in Momenten grösserer Abspannung nicht richtig
oder unvollständig übersetzt hat. Da nun aber die Unrichtigkeiten der spanischen
Sahagun-Üebersetzung auch meine in der oben erwähnten Abhandlung gegebene
Darstellung stark beeinllusst und mich zu positiv unrichtigen Angaben verleitet
haben*), so will ich in dem Folgenden die Sache richtig zu stellen und dasjenige,
was mir das reiche Material des aztekischen Originaltextes über diesen Gegen-
stand ergiebt, kurz zusammenzufassen suchen.
Der mexikanische Krieger zog in die Schlacht, bekleidet mit seinem wattirten
Rock (ichca-uipilli), der als Panzer diente, und bewaffnet mit dem aus Bambu
geflochtenen Schild (chimalli), mit dem an zwei Seiten mit scharfen Obsidian-
splittem besetzten Eichenknittel (maquauitl) und wohl noch einer Hand voll
Speere (tlatzontectli), mit deren Abschleuderung — ganz wie bei der altrömi-
sehen Kriegführung, — der Kampf eröffnet wurde. Die Rüstungen und Abzeichen,
die ich in dem Folgenden zu besprechen gedenke, zu tragen, war nur den aus-
gezeichneten Kriegern gestattet. Sie bestanden in verschiedenfarbigen Wämsern
(euatl), die über dem Wattenpanzer getragen wurden, in Kopfbedeckungen und
in sehr verschieden gestalteten und eigenartigen Abzeichen, die an einem beson-
deren leiterartigen Gestell, einer Art Kraxe (cacaxtli) befestigt, auf dem Rücken
getragen wurden. Diese Wämser sowohl, wie die auf dem Kopf und dem Rücken
getragenen Abzeichen waren Federarbeit- In das Wams wurden die Federn wohl
eingewebt, in der Weise, wie es uns die Gewebereste der peruanischen Gräber
zeigen. Für die Banner und sonstigen Abzeichen wurde ein Gestell aus Bambu
geflochten und die Federn darauf, ebenfalls an Bambustäben mit Zwirn befestigt,
eingefügt. Die Fläche der Schilde und so auch wohl grössere Flächen auf den ver-
schiedenen Abzeichen waren Federmosaik (iuitlacuilolli). Auf einem papierartigen
Stoff wurden die zerschnittenen Federn aufgeklebt, und in dieser Weise verschieden-
farbige Muster hergestellt, richtige Gemälde, deren einzelne Theile, ganz wie es
die Technik der eigentlichen Malerei mit sich brachte, durch schwarze Contoureu
gegen einander abgesetzt waren'). Bei den Unterhäuptlingen und den Kriegern
niederen Ranges (quauhtli „Adler", quauhtli-ocelotl „Adler und Tiger" oder
1) Als Beleg dafür sei mir gestattet, folgenden eiuen Fall zu erwähnen. Auf der
ersten Seite meiner oben erwähnten Abhandlung sagte ich, dass nach Sahagun das
tlauhquecholtzontli von den Königen beim Tanzen auf dem Rücken getragen wurde.
Die betreffenden Worte Sahagun's lauten auch in der That: — „y traian un plumage
rico acuestas, que se Uamaba tlauhquecholtzontli muj curioso." Im aztekischen Text
heisdt es dagegen an der betreffenden Stelle: — „das quetzalpatzactli, das mit Gold
veraerte, trägt er auf dem Rücken. Das tlauhquecholzontli, das kostbare, mit dem
wallenden Quetzalfederbusch. Sein Genosse ist die vergoldete Trommel, die Devise, die
er beim Tanz auf dem Rücken trägt.^ Hier hat also Sahagun das ynquimama. ^wel-
ches er auf dem Rücken trägt", das zu dem vorhergehenden quetzalpatzactli gehört,
fälschlich auf das folgende tlauhquecholtzontli bezogen.
1) Die Art und Weise dieser Technik ist in einigen Kapiteln des aztekischen Original-
textes des P. Sahagun genau beschrieben, die aber in der spanischen üebersetzung fehlen.
Ich gedenke dieselben in den Comptes rendus der Vni. Sitzung des Congres international
des Am^ricanistes zu publiciren.
8*
(116)
tiacauh, „der den Anderen vorangeht" genannt), waren diese Ausrüstungsstücke
aus den gemeineren einheimischen Federn hergestellt. Bei den Häuptlingen hohen
Ranges dagegen, tlätoani, „der das Wort führt", oder pilli „Kind", „Prinz" (Tgl.
spanisch „hijo d'algo") genannt, wurden dieselben aus den kostbaren und prächtig
gefärbten Federn, die man aus der Tierra caliente importirte, gefertigt Letztere
repräsentirten einen hohen Werth. Aber auch die Abzeichen der niederen Häuptlinge
waren von solchem Werth, dass man billig fragen muss, zu welchem Zwecke solche
Kostbarkeiten in den Krieg, in die männermordende Schlacht, genommen wurden.
Zum Theü mag ja das seinen Grund in einer gewissen Prachtliebe haben,
die der kriegerischen Männlichkeit zu allen Zeiten und unter allen Völkern an-
gehaftet hat, imd deren Wurzeln man versucht ist, bis in das Thierreich hinab-
zuführen. Der Hauptgrund ist aber jedenfalls ein anderer. Der Krieger bemalt
sich imd putzt sich phantastisch auf, um auf diese Weise dem Feinde in irgend
einer Schreckgestalt zu erscheinen. Ja ich glaube, wir können sogar einen Schritt
weiter gehen und sagen: der Krieger steckt sich in die Livree irgend einer Schreck-
gestalt, um auf diese Weise die Krafk derselben in sich übergehen zu machen.
Der seelische Vorgang, den wir dabei anzunehmen haben, ist der gleiche, wie
wenn bei Zaubereien das Wort die Sache, eine an dem Bilde oder symbolisch
vorgenommene Handlung, an dem Gegenstande selbst und in Wirklichkeit herbei-
zuftLhren bestimmt ist. Dass nun eine solche Anschauung auch für die Ver-
kleidungen maassgebend war, in die sich der mexikanische Krieger steckte,
geht aus verschiedenen Angaben mit Sicherheit hervor. Als der ältere Mote-
cuh^oma seinen Kriegszug gegen die Mixteca ins Werk zu setzen sich an-
schickte, be6ehlt er alles für den Krieg Nöthige in Bereitschaft zu halten: die mit
scharfen Obsidiansplittem besetzten Eichenknittel, die Muschelhömer, mit denen
das Signal zur Schlacht gegeben wurde, die Tiger-, Löwen-, Adler- und Schlangen-
häute, „um den Feinden Schrecken einzujagen" (para poner terror y espanto a
les enemigos)*)- Und den Kriegern, denen vor der Schlacht ihre Führer Mulh
einsprechen, wird gesagt, dass die Feinde keine wirklichen Dämonen, Spukerschei-
nungen, Tiger, Löwen, Adler, tzitzimitl (Todesdämonen), dass sie von Fleisch
und Blut und mit Waffen, ähnlich den ihren, ausgerüstet seien'). Wir werden
in der That in dem Folgenden sehen, dass eine gleiche oder ähnliche Vorstellung
all den verschiedenen Kriegertrachten und -Abzeichen zu Grunde liegt. Daher
auch die von den Schriftstellern der Conquista übereinstimmend berichtete That-
sache, dass der Fall des Führers die Flucht des ganzen Heeres zur Folge hatte.
Der Führer in seinem Federschmuck repräsentirte eine bestimmte mythische oder
göttliche, siegverheissende Gestalt. Fiel er, so hiess das, die nationale Gottheit
ist unterlegen, auf Sieg nicht mehr zu bauen.
Die gewöhnlichsten Verkleidungen waren die als Tiger, Löwe, Adler, die auch
in der angeführten Stelle des Tezozomoc genannt werden.
Der Tiger (ocelotl) wird unter den Rüstungen der Tributliste häuüg ange-
troffen. Der runde Katzenkopf und das geQeckte Fell sind sehr kennzeichnend
(Fig. 1). Als Farben kommen in der Tributliste gelb (braun), weiss, blau und roth
vor, wohl den Farben der vier Himmelsrichtungen (Osten, Norden, Westen, Süden)
entsprechend. Der Kopf des Tigers wurde, und so auch die der folgenden Thierc,
als Helmmaske getragen, d. h. das Gesicht des Kriegers blickte aus dem geöffneten
Rachen des Tigers heraus. Vgl. Fig. 3. In dem Trachtenkapitel des Sahagno
1) Tezozomoc, Oronica Mexicana, cap. 33.
*2 Tezozomoc, ebend., cap. 2H.
(117)
kommt der Tiger merkwürdigerweise uicht vor, wenigstens nicht als gewöhnliche
Rriegertracht. Der ocelo-totec oder, wie richtiger zu sein scheint, ocelo-tontec,
der genannt wird, hat eine besondere Bedeutung.
Mit dem Namen „Löwe" scheint in der spanischen Uebersetzung nicht der
Puma (miztli), sondern der Coyote (coyotl) bezeichnet werden zu sollen. Die
angefleckten Thierverkleidungen der Tributliste zeigen deutlich einen länglichen
Kopf (Fig. 2), der von dem runden Tigerkopf sich merklich unterscheidet. Und
in dem Trachtenkapitel des aztekischen Sahagun sind diese ungefleckten Thier-
verkleidungen direct als coyotl bezeichnet. In der Tributliste ist die gewöhn-
lichste Farbe gelb. Daneben kommt einmal Both vor. In dem Trachtenkapitel
des aztekischen Sahagun wird ausser dem toz-coyotl, dem gelben Coyote
(Pig. 3), noch ein weisser iztac-coyotl, ein blauer xiuh-coyotl, ein roth violetter
chamol-coyotl unter den Trachtabzeichen der Häuptlinge, und ein feuerfarbener
tle-coyotl, ein weissgefleckter citlal-coyotl, ein schwarzer tliltic-coyotl, ein
rother tlapal -coyotl unter den Trachtabzeichen der niederen Häuptlinge genannt
und abgebildet. Auch hier scheinen die verschiedenen Farben jedesmal den vier
genannten Himmelsrichtungen zu entsprechen.
Der Adler (quauhtli) fehlt merkwürdigerweise, sowohl in der Tributliste,
wie in dem Trachtenkapitel des Ssjiagun. Sollen wir aber den Abbildungen im
Atlas zu Durän glauben, so wäre dies eine der häufigsten Kriegerverkleidungen
gewesen. Auch in der Cronica des Tezozomoc wird der Adler immer neben
dem Tiger und dem Löwen genannt. Quauhtli „Adler" oder quauhtli-ocelotl,
„Adler und Tiger", sind bekannte Bezeichnungen für den tapferen Krieger, und
bei dem blutigen Kampfspiel amTlacaxipeualiztli rücken Adler und Tiger gegen
den auf dem Steine temalacatl mit einem Fusse festgebundenen Gefangenen an.
Eine vierte Rüstung besteht aus einem Todtenkopf als Helmmaske, verbunden
mit einem Federwams, auf dem quer über die Brust ein Schnitt markirt ist (Fig. 5).
Dieser Rüstung kommt, wie ich schon in meiner früheren Arbeit vermuthete, wie
ich aber jetzt in dem aztekischen Sahagun direct angegeben finde, der Name
tzitzimitl zu.
In der Tributliste sind diese Rüstungen in den vier Farben gelb, weiss,
blau, roth angegeben. Das Trachtenkapitel des Sahagun nennt nur drei: den
gelben toztzitzimitl, den blauen xoxouhquitzitzimitl und den weissen
iztactzitzimitl. Mit dem Namen Tzitzimime, — eine Pluralform, aus der
die Singularform tzitzimitl erst abgeleitet ist, — wurden bei den Mexikanern
gewisse in der Luft hausende Dämonen bezeichnet, von denen man annahm,
dass sie beim Weltuntergang vom Himmel herabkommen und der ganzen Mensch-
heit den Garaus machen würden. In Wahrheit haben diese Dämonen aber
eine harmlosere Bedeutung. Nach einer Angabe in der Cronica Mexicana des
Tezozomoc sind es die Dämonen der Luft, die den Regen, den Donner und den
Blitz herabsenden. In der That ist das Wort Tzitzimime nur die mexikanisch
gebildete Pluralform des Wortes tzimin, das in den Maya-Sprachen „Tapir" be-
deutet. Mit dem Tapir aber wurde bei den Maya -Völkern der Regen- und Ge-
wittergott Chac identificirt. Immerhin ist dieser Chac, gleich seinem mexikani-
schen Vetter TIaloc, eine todbringende Gewalt, und auf dem Wege aus dem
Maya-Land nach Mexico mochte diese Gestalt wohl noch eine unheimlichere, phan-
tastischere Bedeutung erlangt haben, die eines Schreckgespenstes, die seine Ver-
wendung als Verkleidung für den in die Schlacht ziehenden Krieger ganz beson-
ders rechtfertigen.
Als letzte unter den häufigeren Formen der Rüstungen oder Verkleidungen
im eagci-en Sinne wäre dann noeh der cnextecatl, die uaxtekische spitze Mutze
(Fig. 6, 8, 9), nnd seine Nebenform, der iztac-teocnitla-copilli und coztic-
teocuitla-CDpilli, die silberne nnd goldene Mütze (Fig. 10), zn nennen. Das isL
wie ich schon in meiner früheren Arbeit ausgeftihrt habe, die Tracht der Diener
der Tetcoinnan oder Toci, der attcn Erdgöttin, die gleichzeitig auch als Eid-
bebengöltin und als „Mutter des Krieges" (madre de In discordia) galt. Der Name
cnextecall wird bei der Beschreibung des Festos der Göttin als der Name ihrer
Diener genannt. Und die hier gezeichneten Rüstungen Figg. 6, 8 — lü erweisen
ihre Beziehung zur Teteoinnan hauptsächlich durch drei Stücke, die alle drei
bekannte charakteristische Stücke des AuspntzPs dieser Göttin sind (vergi. Pig. 1 1
das Bild der Tetcoinnan aus Codex Tolleriano Remensis II. 9): die halbmond-
förmige goldene Flutte fcozlic-tcocnitla-yaca-mctztli), die in der durchbohrten
Nasenscheidewand hängt; das goldene, bis auf die Schultern herabfallende Ohr-
gehänge (coztic-teocuitla-pipilolli; und die eingestockten Spindeln (imama
lacaquelzal), die in den Abbildungen allerdings nur bei der Fig. 10 angegeben
sind, im Text aber auch bei den Mützen cuextccatt, welchen die Figg. ti, 8, V
(119)
im üebrigen genau entsprechen, aufgeführt sind. Die Angabe der spanischen Ueber-
setzung des Sahagnn, dass diese Ohrgehänge Maiskolben ähnlich waren, ist nur
ein Einfall Sahagun's. Im aztekischen Text steht nichts davon. Sie sollen viel-
mehr die ungesponnene Baumwolle wiedergeben, das Merkmal weiblicher Thätig-
keit, die in dem Bilde der Erdgöttin das Material für ihr Ohrgehänge, ebenso wie
für ihre Kopfbinde, abgiebt.
Der cuextecatl, die uaxtekische spitze Mütze, ist die einzige von den eigent-
lichen Rüstungen oder Verkleidungen, die in dem historischen Theil des Codex
Telleriano Remensis und Vaticanus A. bei den Figuren der mexikanischen Krieger,
und zwar wenigstens an drei Stellen, angegeben ist (Pig. 6). Unter den Figuren der
Tributliste zeichnet sich der cuextecatl (Fig. 8) durch die schwarzen Querstreifen
aus, mit denen das zugehörige Wams bedeckt ist. Ausserdem ist bei diesen Rüstun-
gen noch der besondere Schild Fig. 7 u. 1 5 angegeben. Von Farben kommen in der
Tributliste wiederum die vier schon oben genannten vor. Das Trachtenkapitel des
Sahagun nennt nur drei: den gelben coztic cuextecatl, den weissen iztac
cuextecatl und den blau und gelben chictlapanqui cuextecatl.
Der cuextecatl scheint übrigens keine besonders kostbare Devise gewesen
zu sein. Am Feste Ochpaniztli, wird erzählt, kommen zum Schluss die Krieger
und Häuptlinge im Tempel Atempan zusammen, und der König Motecuh(^oma ver-
theilt an sie Schmuckgegenstände und kostbare Rüstungen. Die grossen Häupt-
linge (ueucy tiacauan), heisst es daselbst im aztekischen Text des Sahagun,
erhielten kostbare Gegenstände zum Geschenk. Die übrigen, die darnach kommen,
erhielten die Devise cuextecatl, — auh yye yxquich 9atlacuitlapiloa yeuatl
ynquimomaca cuextecatl tlauiztli (Sah. Ms. Bibl. Palacio).
Das sind die Rüstungen im engeren Sinne, d. h. die mit einer üelmmaske
oder Kopfbedeckung versehenen Verkleidungen, die in der Tributliste abgebil-
det sind. Sahagun nennt und zeichnet noch einige andere, die aber augen-
scheinlich weniger häufige Formen darstellen. So die goldene Haube (coztic-
tcocuitla-quacalalatli), die er als mit zwei Hörnern aus Quetzalfedem be-
schreibt, und die ohne Zweifel mit der Devise Fig. 13 identisch ist, die in dem
aztekischen Text des Sahagun an einer anderen Stelle unter dem Namen quetzal-
quaquauitl, „Hörner aus Quetzal federn", beschrieben und abgebildet ist. Ferner
die silberne Haube (iztac-teocuitla-quacalalatli), die aber im Text sehr un-
genau beschrieben ist und die möglicherweise mit der Fig. 14 identisch ist, welche
an der anderen Stelle des Sahagun-Manuskripts unter dem Namen ananacaztli,
„das Wasserohr", abgebildet ist. Beide scheinen bestimmt zu sein, die Träger in
die Gestalt der Xochiquetzal zu stecken, der jugendlichen Erdgöttin, der Jung-
frau, die die Genossin der Krieger des Telpochcalli, die ältere Schwester
Uitzilopochtli's ist, und die ebenfalls regelmässig mit zwei homartig aufragen-
den Quetzalfederbüscheln auf dem Kopfe ausgerüstet ist. Als Wams wurde zu
diesen Hauben das gelbe Papageienfederwams (toz-euatl) getragen.
Femer sind noch zu erwähnen die Federkronen (tzontli), die aber auch
augenscheinlich sehr seltene Formen des Kriegerfederschmucks sind. Sie kommen
im Allgemeinen nur den Idolen zu. In dem Trachtenkapitel des Sahagun (Buch 8
Cap. 12) ist ein (jacuan tzontli, eine Krone aus den goldgelben Federn des
(^acuan, genannt. Es wurde dazu ebenfalls das gelbe Papageienfederwams ge-
tragen. Femer ein quetzalaztatzontli, das aus Reiherfedem mit einzeln ein-
gefügten Quetzal federn bestand. Und in einem anderen Kapitel des Sahagun-
Manuskripts der Academia de la historia, welches in die spanischen Uebersetzung
nicht aufgenommen ist, wird unter einer Reihe verschiedenartiger Devisen auch
(120)
die Vig. 12 abgebildet, mit der Bezeichaung qaetzal-qxia-tlainoayaoalti, d. h.
ein wirr durcheinander fallender Kopfschmuck ans QnetzalfederQ-
Die Federkronea tlaahqnecholtzontli und xiuhtototzontii bilden Be-
slandtheile besonderer Verkleidungen, die ich unten noch zu beschreiben haben
werde.
Endlich nenne ich noch den qaetzaltoto-icpac-xochiti, den „Quetzat-
Togelkopfschmnck", von Sahagnn mit den Worten beschrieben: Tarobien traian
por gnirnatdas una ave de plamas ricas hecha, quc traia la cabeza y el pico im
la t^nte, y la cola äcia el cogote, con onas plnmaa mny ricas y lärgas: las älai
de esta ave, venian äcia las sienes como caemos hechos de plumas ncas'). —
Dieser Schmnck gehörte aber nicht znr KriegerrUatnng, sondern wird anter den
TanzkosttUnen der Fürsten genannt. Beim TanzkostUm scheinen Überhaupt die
Stimbinden (icpacxochiti)') eine Rolle gespielt zn haben. Sie werden neben
den qnetzalli, neben Oberarm- und Handgelenkringen (machoncotl, mateme-
catl), Fächern (ecaccuaztli) und Handfahnen (macparoiti) unter den zum Tanz
benöthigten Gegenständen genannt. Daneben aber waren die icpacxochiti Ab-
zeichen der königlichen Würde. Uit „Corona real" ist im Molina das Wort
teocuitla-icpBC-sochitI, „die goldene Stirnbinde" übersetzt. Eine solche war
nnn allerdings das Bangabzeicfaen der mexikanischen Könige nicht. Die letzteren
^
trogen (vgl. Fig. 18, das Bild des Königs Itzcoatl aus dem Sahagnn Hs. der Aca-
demia de la htatoria) einen Kopfreif mit erhöhtem dreieckigem Stimblatt ans
Türkismosaik, der xiuh-nitzolli*) genannt ward. Aber aus der Mixteca nnd dem
Zapotek engebiet kamen goldene Stimreife und Diademe ans Gold mit erhöhtem
Stimblatt (vgl. Figg. 20 u. 19, die der IVibutliste des Codes Hendoza entnommen
sind). Und in mixtekischen Bilderschriften sehen wir auch di<! KriegshänpÜlnge
mit diesem goldenen Diadem geschmttckt. Vergl. die Fig. 21, die einer mixtcki-
schen Handschritl entnommen ist, die sich im Besitz des Hm. Cktnsnl Dorenberg
in Puebla befindet.
1] Der Ictite Sati ist wipdenim ciae unrichtig« Hiniufägtmg. Ueon mit dem im Ted
folgenden quetialqnaquauitl ist ein b«s<inilprer Knpfschniuck gemeint.
2] Remi Simeon, Dictionnaire de la langiit' Nahuatl. übersetzt; ,c(inronne de Heim
puuT la tetc". Dus [et fslsfh. Icpac-xochitl hei-'»t weiter nichts. uU .der auf dem
Kopfe getrag-ene Schmuck", .die Kopfbinde". Vergl. die Worte irhca-iochitl. tUcol-
lochit!, eca-iorhill in Seler. .Ein Kapitel aus dem Ge^rhichtswork des F. Sahapan".
Veröffentl. kSu. llw. f. VOlkerknnde I. p. 148. 16«. 174.
8) Da« ist fler richtig.' Name, and nicht copilli. wie ClsTigero sogietit.
(121)
Ich komme mm zu den Devisen, die an einem leiterartigen Gestell (cacaxtli)
befestigt getragen wurden, das der Krieger sieh auf den Kücken schnallte. Hier
sind in erster Linie die verschiedenen Fahnen, pamitl oder pantli, zu nennen. Sie
sind das natürlichste und wohl auch ursprünglichste Abzeichen des Führers in der
Schlacht, und sind auch in dem historischen Theil des Codex Telleriano Bemensis
und Yaticanus A. am häufigsten an den Rriegerfiguren zu sehen. „Das quach-
pamitl, das coztic teocuitlapamitl, das quetzalpamitl, die geben im Kriege
das Zeichen an" — heisst es im Sahagun-Manuskript - „wenn die Leute sehen,
jetzt werden die Banner (qua ch pamitl) hochgehoben, so brechen die Krieger
zum Kampfe auf^^. Und vom quetzalpamitl heisst es im Text tlacochcal-
cayotl, d.h. es ist das Abzeichen des tlacochcalcatl, des Obergenerals. Doch
sind auch diese Standarten nicht bloss das ragende Abzeichen, welches die Stelle
anzeigt, wo der Obergeneral sich befindet. Auch sie haben ihre bestimmte reprä-
sentative Bedeutung. Der KriegsfUhrer Tezcatlipoca und der Kriegsführer
Uitzilopochtli werden im Codex Telleriano Bemensis und Yaticanus A. mit dem
Banner auf dem Bücken dargestellt. Panquetzaliztli, das „Hochheben der
Banner", heisst das Fest Uitzilopochtli' s. Im Codex Telleriano Bemensis und
Yaticanus A. sehen wir diesen Gott abgebildet mit einem quachpamitl in der
hoch erhobenen Bechten. Und sein Yertreter oder Vorläufer Painal trägt das
teocuitlapamitl, das Goldbanner, in der Hand. Wenn diese Götter dadurch als
Führer im Kriege gekennzeichnet sind, so sollen doch umgekehrt unzweifelhaft die
Kriegsführer, die in gleicher Tracht erscheinen, als Bepräsentanten des Gottes, der
der Führer im Kriege ist, . sich darstellen. — Als besondere Arten von Bannern
werden genannt:
1) Das quachpamitl, das „Banner aus gewebtem Stoff^^* Dieses scheint
von gewissen Kriegerfiguren des Codex Telleriano Bemensis getragen zu werden
(Fig. 23). Ausserdem scheint, nach der oben angeführten Stelle des Sahagun,
angenommen werden zu müssen, dass es den Alten vorzugsweise als Handbanner
(macpamitl) diente. So scheint auch das Banner, das der Kriegsführer Uitzi-
lopochtli in der Hand hält (Cod. Teil. Bem. und Yat. A.), zu dieser Klasse von
Bannern gehört zu haben.
2) Das iztac-teocuitla-pamitl, das „Banner aus Silberblech" und das
coztic-teocuitla-pamitl, das „Banner aus Goldblech". Beide wurden in der
Begel paarweise getragen. So giebt es Sahagun an. Und so sehen wir es in
der Fig. 22, die dem Codex Telleriano Bemensis lY. 20 entnommen ist. Die-
1) Sahagun, im spanischen Text, spricht von Bannern, die in der Hand gehalten
werden, und die, hochgehalten, das Zeichen zur Schlacht gaben. Das ist, wie man sieht,
im axtekischen Text nicht direct gesagt. Die Sache scheint aber richtig zu sein. Denn
der Kriegsführer Uitzilopochtli und sein Stellvertreter Painal werden mit hoch er-
hobenem Banner in der Hand dargestellt.
2) Frau Nuttall in ihrem Aufsatz über den Federschmuck des Wiener Museum,
nimmt quachpamitl f&lschlich als generellen Ausdruck und macht die etwas ungeheuer-
liche Coignnctnr, dass quachtli, „der gewebte StoflT" (blanket) und quachpamitl, „das
Banner'', beide von quechtli, „der Nacken** (el cuello, el pescuezo) abzuleiten seien.
Denn beide würden „auf den Schultern^ getragen! Quechpan wird allerdings ^en
los hombros" (auf den Schultern) übersetzt. Aber die Banner und sonstigen Abzeichen
wurden liicht „en los hombros^, sondern „acuestas*', „auf dem Rücken** getragen.
Inqnimama, „er trägt es (wie eine Last, einen Korb u. s. w.) auf dem Rücken** — heisst
es immer in dem aztekischen Text, und quachtli (d. i. kuatä-tli) und quechtli (d. i.
ketS-tli) kann doch eine vorsichtige Sprachvergleichung nicht gut zusanmienbringen.
(122)
selbe stimmt nahezu genau mit dem Bilde des Tlacoehcaleatl im Codex Hen-
doza 68. 21.
3) Das quetzalpamitl, die „Fahne aus Quetzalfedern". Im Sahagun Ms.
der Aeademia de la Historia ist unter diesem Namen ein Banner abgebildet, das
in Farbe und Zeichnung genau dem entspricht, welches die hier gezeichnete Fig. 24
des Codex Telleriano Remensis auf dem Rücken trägt. Im Text ist es als aas
zwei Schichten verschieden farbiger Quetzal federn gebildet beschrieben.
4) Das (jaquan-pamitl (Sahagun, Ms. Acad. Hist.), eine Fahne, deren
Fläche aus den goldgelben Federn des Qaquan-Vogels gearbeitet war.
2) Das macuil-pamitl (Sahagun, Ms. Acad. Hist.), eine Gruppe von fünf
mit Federbusch an der Spitze versehenen Fahnen.
6) Das ixtlapal-pamitl (Sahagun, Ms. Acad. Hist), das Querbanner, bei
dem, nach Art unserer eigentlichen sogenannten „Banner", auf der Spitze des IVag-
gestells ein Querstock angebracht war, von dem das aus Federn gearbeitete Banner
herabhing.
Eine zweite Gruppe von auf dem Rücken getragenen Devisen wurde mit dem
allgemeinen Namen patzactli, d. h. „das Angepresste", bezeichnet. Sie bestanden
aus einem in Gestalt eines Kopfes gearbeiteten Gestell, das mit Federmosaik belegt
wurde, und von dem man auf beiden Seiten einen kurzen Federabhang herabfallen
liess, und einer Doppelreihe aufrecht eingefügter Federn, die vom Scheitel des
künstlichen Kopfes über den Hinterkopf desselben weit hinabreichen *). Das sind
die Devisen Figg. 26 — 31. Die ersteren derselben (Fig. 26, 27) habe ich in meiner
früheren Arbeit fälschlich als Federkronen gedeutet. Ich wurde dazu verleitet
durch den Umstand, dass sie im Codex Mendoza ohne Traggestell gezeichnet sind,
das übrigens im Codex Mendoza auch der Rückendevise quaxolotl fehlt. —
Im aztekischen Sahagun aber sind diese Devisen ausnahmslos mit dem leiter-
artigen Traggestell (cacaxtli) gezeichnet. Vgl. Fig. 28. Und im Text werden sie
ausdrücklich als auf dem Rücken getragene Devise bezeichnet (quetzalpatzactli
coztic teocuitlayo inquimama).
Die vornehmste dieser Devisen ist das quetzalpatzactli 0 (Fig. 26), bei dem
die kammartig gestellte Doppelreihe aus schönen, grünen, wallenden Federn, den
Schwungfedern des Phacromerus mocinno, hergestellt ist. In dem Sahagun-Mann-
skript der Aeademia de la Historia sehen wir mit diesem Schmuck den ersten der
drei dort in kriegerischem Schmuck gezeichneten Oberhäuptlinge (tlätoani pilli)
bekleidet (Fig. 25). Derselbe trägt dazu ein Wams, aus den Federn des türkis-
farbenen Vogels, des blauen Kotinga, gefertigt (xiuhtotoeuatl), und den kostbaren
quetzaUxical-coliuhqui chimalli (Fig. 4). In dem Kriegertrachtenkapitel (8. 12)
des Sahagun wird diese Devise ebenfalls als zusammen mit dem xiuhtotoeuatl')
getragen bezeichnet. Aber als Schild ist dazu der teocuitla-xapo-chimalli, übri-
1) Im Sahagun Ms. der Aeademia de la Historia wird z.B. der qaetsalpatiartli
mit folgenden Worten beschrieben: jnic tlacbiahtli colotli tlatlalili nepapan ivitl
ynic tlatzacutli ocampa. mixuamiqai yn quetzali yn icpac tlavipautli <:ain
motquitica quetzali, ..wird folgendermaassen gefertigt: es wird ein Gestell (in (Jedalt
eines Kopfes) gemacht, das mit verschiedenartigen Federn auf beiden Seiten bedeckt winl.
Darauf werden, einander gegenübergestellt, Quetzalfedem in Reihen geordnet, imd zwar
ausschliesslich Quetzalfedem". — Die in Klammer gesetzten Worte «in Gestalt ein«
Kopfes** habe ich nach der Beschreibung der anderen Arten patzactli ergänzt.
2) In meiner früheren Arbeit habe ich diese Devise mit dem xiuhtototzontli (vgl.
unten) verwechselt
n\) Im spanischen Text fälsch als ..chamarra de plumas verdös" bezeichnet.
(123)
geas ein nicht minder kostbarer Schild, angegeben. Auch unter den Tanzkostümen
der Könige ist der quetzalpatzactii mit an erster Stelle genannt.
Neben dem qnetzalpatznctli scheint das cne[;alpatztictli besonders häufig
getragen worden zu sein, das aus den brennend rothen Federn des alo, des rothen
Gnacuniayo (Sittace Uacao), gefertigt wird. Vgl. Fig. 3^, die dem Sahagnn Ms.
der Academia de la Historia entnommen ist. Die Guacumayo federn sind in diesem
Manuskript regelmässig dnrch Zinnoberfarbe, an Stelle des für andere rothe Federn
verwendeten Carmins, gekennzeichnet. Hierzu gehören wohl auch die rothen Feder-
schmucke Fig. 27 der Tributliste des Codex Mendoza. Femer werden im Sahngun-
Mannskript der Academia de la Bistoria noch ein cacalpatzactli genannt, aus
schwarzen Rabenfedern gefertigt, ein tlacochpatzuctli (Fig. 29), bei dem die
kammartig gestellten Federn durch befiederte Speerschälle ersetzt sind, endlich
(124)
ein aztapatzactli aus weissen Reihorfedern gefertigt mit einzeln eingesteckten
und lang heraas ragenden grünen (Quetzal-) Federn. Diese sämmtlichen vier
Devisen werden nicht als Trachtabzeichen von Oberhäuptlingen aufgeführt, sondern
nur von Rottenführern (t i a c a u a n) oder ausgezeichneteren Kriegern (q u a q u a u h ti n).
Die Fig. 30—31 der Tributliste des Codex Mendoza scheint der Farbengebung
nach als tlauhquechol-patzactli, d.h. ein derartiger, aber aus den Federn des
rothen Löffelreihers gefertigter Schmuck, angesprochen werden zu müssen. Während
das quetzalpatzactli und das cuei^alpatzactli im Codex Mendoza ohne Trag-
gestell gezeichnet sind, — das aber, ich wiederhole es, hier nur ausgelassen ist,
ähnlich wie es bei dem quaxolotl (unten Fig. 43) derselben Handschrift ausge-
lassen ist, — ist bei den Figg. 30, 31 das Traggestell regelmässig gezeichnet. Auch
sieht bei den letzteren Devisen das kopfartige Gestell, welchem die Federreihe
aufsitzt, etwas anders aus, doch liegt ihm augenscheinlich dieselbe Idee zu Grunde.
Die kammartig gestellte, weit hinabreichende Reihe von Federn ist charakte-
ristisch für ein Abzeichen, das in den Bilderschriften und im Sahagun den Göttern
Uitzilopochtli und Xiuhtecutli, dem Feuergott, zugeschrieben wird, und das
diese Götter, in derselben Weise, wie die Riiegor das quetzalpatzactli auf dem
Rücken tragen. Das ist der xiuhcoatl, das himmlische Feuer, die Feuerschlange,
der Komet. Vgl. Fig. 40, die dem Uitzilopochtli-Bilde des Sahagun-Manuskripts
der Biblioteca del Palacio, und Fig. 41, die dem Bilde des Feuergottes im Codex
Telleriano Remensis II. entnommen ist. Es ist ein Symbol des Feuers, das ge-
legentlich auch als blosser Federkamm erscheint. So in dem Bilde des alten
Hiromelsgottes Tonacatecutli in der zapotekischen Wiener Handschrift (Fig. 42).
Die p atz actli- Devisen stimmen mit diesem Abzeichen überein, indem auch sie
aus einem Kopf und einer kammartig gestellten Federreihe darauf bestehen.
Auf den Feuergott weist auch das Material der gemeineren Abarten dieses
Schmucks hin. Die rothen Guacamayofedern und die schwarzen Rabenfedem
werden überall in den Devisen verwendet, wo die Idee des Feuers erweckt werden
soll, z. B. bei dem tlecoyotl, der „Feuer-Coyoterüstung'' (Sahagun, Ml. Acad.
Hist) und der Devise tlecocomoctli, das „flackernde Feuer^ (veiigl. unten). Und
das tlacochtzontli, die „Krone aus Speerschäften ^* ist ein bekannter Bestandtheil
des Kopfschmuckes des Feuergottes')*
Der Feuergott ist der Schlachtengott — „avvocato della guerra"*, wie der Inter-
pret des Codex Vaticanus A. angiebt Denn der Blitz ist sein Symbol, und Mord
und Brand — teoatl tlachinolli — associirt nicht nur der Mexikaner, sie sind
zu allen Zeiten und bei allen Völkern Bezeichnung für den Krieg gewesen. Ich
glaube also, dass der Krieger, der die patz actli- Devise trug, dadurch sich als
Diener des Feuergottes, des in der Schlacht mächtigen, gewissermaassen als der
verkleidete Feuergott, kundgeben wollte. — Die Reiherfedem, aus denen das azta-
patzactli gefertigt ist, haben allerdings mit dem Feuergott direct nichts zu thun.
Sie sind Abzeichen der Berg-, Regen- und Pulquegöttor. Doch auch diese, die
den Blitz in den Händen tragen, sind ihrem Wesen nach nur Emanationen, Boten«
Diener des grossen Himmelsgottes, des Feuergottes. Die tlauhquechol-Fedem
endlich sind der auszeichnende Schmuck Xipe's. Ihnen, sowie dem Gott, der lie
trägt, werden wir weiterhin noch begegnen. Der Gott ist der verkörperte Schlachten-
gott. Und in seiner Tracht erscheint der Obergeneral der Mexikaner, der tlacate-
catl, der König selbst.
1) Seier, Ein Kapitel aus dem GeschichUwerk des P. Sahagun. VerGffentl. kfinigl
Mua, f. Völkerkunde I. Heft 4. S. 143.
(125)
Eine Abart von Feldabzeichen dieser Klasse habe ich bisher noch nicht ge-
nannt, das ist das xiloxochipatzactli, das in dem Rriegertrachtenkapitel (Saha-
gun 8 cap. 12) zum Schlass genannt wird. Der spanische Text beschreibt die-
selbe: „hechas ä manera de almete, con mnchos penachos, y dos ojos de oro^,
d. h. „eine Art Helm, mit vielen Federbüschen und zwei goldenen Augen". Im
aztekischen Text heisst es: „mit Blättern aus Quetzalfedern und Steinmessem aus
Gold und an den Schläfen goldene Scheiben". Ich glaube, dass hiermit eine
Ropftracht beschrieben ist, die man an Steinbildnissen häufig sieht, und deren
Grundform die Helmmaske Macuilxochitrs ist^*
Ich komme nun noch einmal auf die vornehmste Abart von Devisen dieser
Klasse, das quetzalpatzactli zurück. Es ist nehmlioh schon mehrfach bemerkt
worden, dass mit dem quetzalpatzactli, sowie dasselbe z. B. in der Fig. 26 ge-
zeichnet ist, ein Schmuck die grösste Aehnlichkeit hat, der im Atlas zu Durdn,
aber auf dem Kopf der dort in der Schlacht vorangehenden mexikanischen Könige,
zu sehen ist (Fig. 32). Ferner, wenn auch nicht ganz so frappant, der Schmuck,
den die zweite der in dem Codex Vaticanus A. in Tracht abgebildeten Häuptlinge
anscheinend auf dem Kopfe trägt (Fig. 34). Die Gestalt der kamraartig gestellten,
weit hinabreichenden Federreihe, die in so merkwürdigerweise an den Aufputz
nordamerikanischer Prairie-Indianer erinnert, ist zu charakteristisch, als dass hier
Verwechselungen vorliegen sollten. Soll man nun annehmen, dass ein solcher
Schmuck, bald als eine Art von Helm auf dem Kopfe, bald an einem Traggestell
befestigt, auf dem Rücken getragen worden sei? Ich glaube nicht. Die Zeichnungen
und die Angaben der Sahagun-Manuskripte — das authentischste Material, das wir
in dieser Frage haben, — sind zu präcis. Und auch der Ursprung, den ich der
ganzen Devise zuschreiben zu müssen glaube, dass sie nehmlich gewissermaassen
eine Abbreviatur des xiuhcoatl, der Rückendevise des Feuergottes, sei, spricht
gegen die Verwendung derselben als Helm. Zieht man Bilder in Betracht, wie
die Fig. 25, die dem Sahagun-Manuskript der Academia de la Historia entnommen
ist, wo man diese Devise noch deutlich als auf einem Rückentraggestell befestigt,
aber unmittelbar hinter dem Kopfe des Kriegers angegeben findet, so begreift man,
wie ein flüchtiger und ununterrichteter spanischer Zeichner dieselbe als Kopf-
schmuck aufiTassen und wiedergeben konnte-). Und ein solcher war ohne Zweifel
der Illustrator der Geschichte Durdn's. Ja, ein solcher war auch der Zeichner
des Codex Vaticanus A., denn dieser Codex ist, wie männiglich bekannt, nur eine
ziemlich lüderliche Copie des Telleriano Remensis mit einigen anderweitigen Zu-
thaten. Ich habe in den Figg. 33—35 die Köpfe der drei Häuptlinge wiedergegeben,
die auf Blatt 81 — 83 des Codex Vaticanus A. mit dem cuechin') bekleidet, d. h.
1) Seier, £in Kapitel aus dem Geschichtswerk des P. Sahagun S. 163 und Fig. 100.
S. 173.
2) An einer Stelle ist im Atlas zu Dur an dieser Schmuck auch deutlich hinter dem
Kopf gezeichnet. Das ist in der das Cap. 40 begleitenden Zeichnung (Tratado I. Lam. 13.
unten). Der Zeichner von Frau Kutt all hat aber das Kopf haar, das in allen Exemplaren,
die ich einsehen konnte, deutlich als solches und mit Druckerschwärze gemacht ist, blau
gemalt. Vgl. PI. III. Fig. 3 der englischen und Taf. III. Fig. 3 der deutschen Ausgabe. —
Wenn die kleinen Figürchen Fig. 37, die ich einer Darstellung des Festes Ochpaniztli
im Sahagun-Manuskript der Biblioteca del Palacio entnommen habe, diesen Schmuck an-
scheinend ebenfalls als Kopfputz tragen, so erklärt sich das durch die Kleinheit und die
dadurch bedingte Ungenauigkeit der Figuren. Auch an der Fig. 36, die an derselben Stelle
steht, sieht es aus, als ob die Devise quaxolotl, die hier der Krieger trägt, auf dem
Kopfe getragen wurde. Und doch ist das zweifellos eine Rückeudevise.
8) Seier a. a. O. S. 166.
(IM)
j
in Tanztracht, dargostelll sind. Wenn mich nicht Alles tiiuscht, so liegt hier ■>.. B.
der Pig. 35 einfach die fiestalt eines Kriegers zu (irundc, der eine Fahne, eine
quachpamiti, auf dem Bücken bereatigt trägt. Und so meine ich auch die Pig. 3-),
Bo deutlich sie anscheinend gezeichnet tat, als unreratandene Bildung bezeichnen
zu müssen und auch hier das quctzalpatzactli zu erkennen, dessen wahre
Form nnd dessen richtige Tragweiae nach dem Sabagon-Manuskript, das die Aos-
aagen and die Zeichnungen der Indianer seibat enthält, beurtheilt werden muaa-
Das qnetzalpatzactli glaube ich endlich aber ancb in der Devise zu er-
kennen, die aaf dem grossen Sonnenatein des Museo Naciünal de Mexico hinter
dem Kopfe des Königs Ti(;oc za suchen ist. Der König führt dort eine Reihe
von Kriegern an, die, gleich ihm, in der Tracht Tezcatlipoca-Uitzilopochtli'a
and mit der Brustplalte des Feuergottes bekleidet dargestellt eind, und die eine Art
von religiösem Tanz aulTühren, durch «eichen der Sieg der nationalen Gottheil Über
verschiedene Feinde zum Ausdruck gebracht wird. Die Krieger (Pig. 38) tragen
eine Stirnbinde, die vorn mit einem Vogelkopf versehen ist. In den Bilderschrinen
ist mit einer solchen der Sonnengott gezeichnet. Violleicht ist das das tototla-
manalli, was nach dem Sah agun- Manuskript der Biblioteca del Palacio die tla-
manime, d. h. die Krieger, die einen Gefangenen heimgebracht haben, beim Tanze
auf dem Kopfe tragen. An diese Stimbinde schliesst sich eine steife Krone aus
Adlerfedern ((jauhtzontli) und aus letzterer ragt ein langer Schwanz von Quetzal-
fedem. Der König aber (Fig. :S9) trägt einen Adlerkopf als Bclmmaske, d. h. sein
Gesicht achaut aus dem geöffneten Rachen des Adlers, dessen Ober- und ünter-
xchnabet deutlich gezeichnet ist, heraus. Hinter diesem Adlerkopf aber sieht man
einen mächtigen Federschmuck, der zweifellos mit dem quetzalpatzactli des
Kriegertrachtenkapitel identisch iat. Xichts hindert unii, anzunehmen, dass auch
hier dieser Schmuck in derselben Weise getragen gedacht ist, wie es die Fig. 25
des Sahagun-Manuskripts der Academiu de In Historia uns vor Augen Fuhrt, d. h.
auf einem am Rtieken befestigten Gestell'). — Beiläufig möchte ich auf den be-
1) Dir wpitgchPnJeu RchlQssp, welche FVau Nuttall auf ilicse — öbrigens Bof ihrfn
Taffln rerlit srhlc.lit wiedergegebrne — Figur iurbsul, werden nichtig, sobald nirht mit
Sicherheit nnchgcwicEcn nerdeo kann, dais dieser Srliniuck in d«r That, irie sie umunnil.
ein Kiipfäfhinnck ist. Ich wcrdp unten der Fragt- des Wiener Srhmackes D&her tr*!*«
and hoffe, il<>ii Roireiä liefern zu kSonen, dass er alu nine Safhe sui generii oiigMebeii
werden mnss.
(127)
mcrkenswerthen Umstand aufmerksam machen, dass hier weder die mexikanischen,
noch die fremden Krieger die übliche Waffe, das raaqfuauitl, in den Händen haben.
Bei den ersteren ist es begreiflich, denn sie sind in der Tiacht des Gottes dar-
gestellt, dessen besondere Waffe das Wurfbrett (atlatl) und das Speerbündel ist.
Beide Waffen sind daher auch hier, zusammen mit Schild und Papieifahne (ama-
pamitl), in der rechten Hand der Krieger zu sehen. Aber auch die am Schopf
gefassten — nach Art der zum Sacrificio gladiatorio bestimmten Gefangenen fri-
sirten — fremden Krieger sind nicht, wie in den ähnlichen Darstellungen des
Codex Mcndoza 65, 66, mit Schild und maquauitl bewaffnet, sondern halten mit
der linken Hand das Bündel Speere hinter sich und reichen mit der rechten das
Wurfbrett (atlail) dem Sieger hin.
Eine weitere Gruppe von auf dem Rücken getragenen Kriegerabzeichen wird
mit dem generellen Namen quaxolotl bezeichnet, d. h. „der auf dem Kopf ge-
tragene xolotl". Das ist die Devise, die der tlacatecatl Fig. 43 (Codex Men-
doza 68, 20) trägt. Ich habe dieselben schon in meiner früheren Arbeit auf diesen
Namen bezogen, und diese Beziehung nunmehr in dem aztekischen Sahagun-
Manuskript bestätigt gefunden. Diese Abzeichen bestehen aus einem halbkugligen
Gestell (colotli tlatlalilli yaualtic), das mit Federmosaik belegt wird und von
dessen unterem Rande ein Pederbehang herabfällt. Auf dem Scheitel der Wöl-
bung ist in den Bildern des Codex Mendoza ein Thierkopf angebracht, der genau
dem Kopf entspricht, durch welchen in demselben Codex die Stadt Xolotlan
hieroglyphisch bezeichnet wird. Im Sahagun-Manuskript der Academia de la Historia
ist statt des Xolotl- Kopfes ein Todtenschädel gezeichnet (Fig. 44). Gleich den
im Anfang besprochenen Rüstungen (ocelotl, coyotl, tzitzimitl), kommen auch
diese Devisen in den vier Farben vor: der gelbe toz quaxolotl, der blaue
xoxouhqui quaxolotl, der weisse iztac quaxolotl, der rothe chichiltic s.
tlapal-quaxolotl, — wiederum vermuthlich entsprechend den Farben der vier
Himmelsrichtungen.
Dabei haben Devise und Federwams in der Regel dieselbe Farbe. So in
den Bildern der Tributliste und nach den Angaben in dem Kriegertrachtencapitel
des Sahagun (8. cap. 12). Nur der tlacatecatl Codex Mendoza (»8 trägt zu dem
gelben tozquaxolotl das rothe Federwams (tlapal-iui-euatl). Und so auch
der Häuptling, der im Sahagun-Manuskript der Academia de la Historia mit dieser
Devise bekleidet dargestellt ist. In den Abbildungen der Tributliste ist mit dem
quaxolotl ausnahmslos noch der yacametztli, die halbmondförmige Nasenplatte,
verbunden. Und so trägt ihn auch im Sahagun-Manuskript der Academia de la
Historia der mit dem tozquaxolotl ausgerüstete Häuptling. Nur dem tlacate-
catl (Fig. 43) des Codex Mendoza fehlt merkwürdigerweise dieser Schmuck, da-
gegen stimmen beide Figuren, der tlacatecatl des Codex Mendoza und der Häupt-
ling des Sahai^un-Manuskripts, darin überein, dass sie zum tozquaxolotl den
teocuitlaxapo chimalli, den mit Federmosaik bedeckten und in der Mitte mit
einem Goldreifen geschmückten Schild, tragen.
Xolotl ist eine merkwürdige Figur, deren Ursprung wohl in südlicheren
Regionen zu suchen ist. Im Kalender ist unter diesem Mamen, als Regent des
einen Zeichens, ein Gott in Gestalt eines Hundes (mit abgeschnittenen Ohren) ge-
zeichnet, von Symbolen der vier Himmelsrichtungen umgeben. Und als „Hünd-
chen" wird auch überall der Xolotl-Kopf, der auf dem Scheitel der vorliegenden
Devise zu sehen ist, erklärt. Der Hund war bei den Maya-Stämmen das Blitzthier,
der Diener des Regengottes, des Chac. Vgl. Fig. Fig. 45, den vom Himmel stürzen-
den, das Feuer in den Händen tragenden Hund (aus der Dresdener Handschrift).
(128)
Wenn die Duvisi' patzHclli den Kopf und den Fcdurkuinm der Kcuerscbluntcv
(xiuhcoati vgl. Vii[. 40. 41) zam Ansdruck bringen za sollen schien, so scheint
diu Devise i|Uaxolotl bestimmt zu sein, den weiten Himmel nnd dug BlJtzthier
vor Aogen zu führen. Beiden liegt also dieselbe Idee zu Grunde. Der Krieger
kleidet sich in die Tracht des mit dem Blitze tödtenden Gottes. Aber der zinh*
eoall lind dio patziiutli-DcTJee sind gewisHermiDissen nationaleren Urspranges.
Der quaxolotl von exotischem, Tierra calienle-Chamkter. Daher aueh die halb-
mondrörinigc Nasenplatte und der teocnitlaxHpo chimalli, — bekannle Aus-
rüstungsstücke der Küstcnleute und der Göttin, die im KUstenlande heimisch
gedacht wurde, der grossen Erdmutter Teteoinnan.
Eine weitere grosse Gmppc von Kriegerabzeichen sind die an einem Gestell
(129)
auf dem Rücken getragenen Schmetterlinge aus Federwerk (papalotl). Es giebt
verschiedene Arten derselben. In dem Kriegertrachtenkapitel des Sahagan
(8. cap. 12) werden ein quetzalpapalotl, ein itzpapalotl und ein xochi-
quetzalpapalotl genannt, alle drei aus kostbarem Federwerk gearbeitet. In dem
besonderen Kapitel des Sahagun-Manuskripts der Academia de la Historia, welches
die verschiedenen Devisen der Oberhäuptlinge und der Häuptlinge niederen Ranges
aulführt, werden ein quetzalpapalotl, aus Quetzalfedern gefertigt, ein xolopa-
palotl, aus grünen Papageienfedem, und ein (^aquanpapalotl, aus den goldgelben
raquan -Federn, als Rangabzeichen von Oberhäuptlingen, ein tlilpapalotl, aus
schwarzen Rabenfedem gefertigt, und ein itzpapalotl aus Kupferblech (Fig. 47),
als Abzeichen der Krieger niederen Ranges genannt. Sämmtliche genannte und
so auch die Schmetterlingsdevisen, die in der Tributliste des Codex Mendoza abge-
bildet wurden, sind zweifarbig gemalt (vgl. Fig. 46), und in der Tributliste ist diesen
Devisen ein besonderer Schild beigegeben, der quauhteteponyo chimalli
(Fig. 48), der auf der, ebenfalls in zwei Farben (roth und weiss) gemalten Fläche
das Bild eines Adlerfusses zeigt. Eine besondere Rolle spielt diese Devise an
dem Feste Xocotl uetzi, an welchem das Abbild Xocotl's, d. i., wie ich nach-
gewiesen habe*), Otontecutli's, des Königs und Stammvaters der Otomi, vom
Baume heruntergeholt ward. Diese Devise tragen daselbst die Krieger, welche
einen Gefangenen gemacht haben und denselben zu Ehren des Gottes lebend in
das Feuer zu werfen sich anschicken. Und zwar ist es ein Schmetterling, aus
rothen Guacumayofedern gefertigt, ein cuec^alpapalotl, den diese Krieger tragen.
Und wiederum ist hier mit dieser Devise der tetepontli chimalli verbunden,
der Schild, auf dessen Fläche ein Adler- oder Tigerfuss gemalt ist. Die Krieger
selbst sind gelb und im Gesichte roth bemalt.
unter dem Namen Itzpapalotl wird im Kalender als Regent eines der zwanzig
Zeichen ein Dämon genannt, der mit Schmetterlingsflügeln und Steinmessern und mit
einem Steinmesser in der Hand, sowie mit Füssen, die Tigerflecken und Adlerkralle
zeigen, abgebildet wird. Letzteres deshalb, giebt der Interpret an, weil er oftrnals
den Menschen erscheine, und man sähe nichts von ihm, als Füsse wie von einem
Adler. Dieser Dämon wird von dem Interpreten ausserdem in einer Reihe von
Gottheiten oder Dämonen genannt, die in der Luft hausen und Verderben bringend
vom Himmel herunterkommen. Er wird in weiblicher Gestalt gedacht und ist augen-
scheinlich identisch mit den Frauen, die, nach dem Glauben der Mexikaner, in Adler-
gestalt vom Himmel herunterkommen, Hass, Zwietracht, Streit, Kampflust unter den
Menschen entzündend. Die papalotl -Devise steht somit in engster Verbindung
mit den tzitzimitl -Rüstungen und auch mit den quaxolotl- und patzactli-
Devisen. Der Krieger, der sie trug, gab sich dadurch als Abbild dieser Dämonen
kund. Es ist übrigens eine chichimekische Gestalt, dieser Dämon, und er steht,
wie ich an anderer Stelle nachgewiesen habe, in nahen Beziehungen zur Erdgöttin.
Als die aus der Stadt Mexico herausgeworfenen Spanier auf der einzig gang-
baren Strasse, d. h. in nördlicher Richtung, das Thal von Mexico verliessen, stellte
sich ihnen in der Ebene von Otumba ein feindliches Heer entgegen, das die von
Wunden erschöpften, durch Hunger und Sonnengluht gepeinigten Spanier ernsthaft
bedrohte. Hier soll Cortes die Schlacht entschieden haben, indem er, mitten in
den feindlichen Haufen hineinreitend, den auf einem Hügel haltenden feindlichen
General zu Fall brachte. Die Fahne, welche dieser General auf den Rücken ge-
schnallt trug, beschreibt Gl avigero als „un rete d'oro, fissa nella punta d'un'asta,
1) Ein Kapitel aus dem Geschichtswerk des P. Sahagan a. a. 0. S. 137.
Veriuuidl. der Berl. AnthropoL QeMÜacbaft 1891. 9
(130)
la fjualc avea fortemente legata sulla schiena, e s'innalzava dieci palmi in circ»
Sulla testa di lui"^, und er bemerkt dazu, dass Standarten dieser Art von den Mexi-
kanern tlauiz-matla-xopilli*) genannt worden seien. Ich weiss nicht, welcher
Quelle Clavigoro diese Angabc entnommen hat. Weder Sahagun, noch Durän,
noch der Codex Ramirez nennen und beschreiben dieses Banner, ebensowenig
ist in dem Bericht des Cortos, noch in dem des Bernal Diaz, noch in Gomera
etwas darüber zu finden. Ich weiss also nicht, ob hier eine authentische Angabe
vorliegt oder nicht. Dass es aber Abzeichen dieses Namens gegeben hat, und dass
diesen die Beschreibung des Clavigero ungeriihr entspricht, ist zweifellos. In
dem Kriegertrachtenkapitel (8. cap. 12) nennt Sahagun eine Devise quetzal-
xopilli, die mit Goldschmuck versehen war; es sei das gelbe Papageienfeder-
wams dazu getragen worden. Es ist das diejenige Devise, die er im spanischen
Text als „hechas con plumas verdes que sc llaman qnetzal, amanerade
chosa, y en todas las orillas tenia unas Üocaduras de plnma rica y con oro*^ be-
schreibt'). Ich hatte schon in meiner früheren Arbeit die Devise „a manera de
chosa" auf die Fig. 51 bezogen. Ich werde demnach auch den Namen quctzal-
xopilli auf diese Figur beziehen müssen und komme hier in Uebereinstimmung
mit Frau Nuttall, die das von Clavigero erwähnte Banner tiauiz-matla-
xopilli auf die Devise Fig. 51 bezieht, wegen des goldenen Netzes, das in letzterer,
im Centrum der Devise, zu sehen ist. Frau Nuttall aber emendirt, wie ich meine,
offenbar mit Unrecht, tiauiz-matla-topilli. Ich finde gerade in dem Namen
xopilli, „Zehe** eine Stütze für die von mir und ihr angenommene Beziehung.
Bei dem im Sahagun-Manuskript der Biblioteca del Palacio abgebildeten Gotte
Macuiltochtli (Fig. 52) ist im Text als sein Halsband ein xopil-cozcatl ge-
nannt. Die Abbildung zeigt den Hals dieses Gottes, umgeben von einer ge-
schwungenen, doppelt contourirten Linie, die ziemlich genau die Form wiedergiebt,
die uns die Devise Fig. 51 vorführt. Wie diese Form dazu kommt, mit dem
Worte xopilli, „Zehe" bezeichnet zu werden, ist mir freilich noch nicht klar.
Wenn wir annehmen, dass die in der Tributliste des Codex Mendoza abgebil-
deten Devisen die häufigeren Formen darstellen, so wären mit dem Obigen
die häufigeren Formen derselben erschöpft. Es wäre höchstens noch die Pig 50
zu nennen, die einmal in der Tril>utliste vorkommt Ich habe schon in meiner
früheren Arbeit auf diese Devise den Namen tozcocolli bezogen, „das gelbe
Hinundhergekrümmte", der in der Cronica mexicana des Tezozomoc für eine
Devise angegeben sich findet, die daselbst mit den Worten „como rio corriente,
el rio de oro 6 dorado" beschrieben wird. Ich finde diese Angabe bestätigt, indem
im Sahagun-Manuskript der Academia de la Historia unter dem etwas vanirten
Namen tozcololli, der aber dasselbe bedeutet, die Devise Fig. 49 gezeichnet ist.
— Die ganze Form dieser Devise erinnert an die Art, wie in den Bilderschriften
und auf Gerasson die abgezogene Menschenhaut, in die gekleidet Xipe einher-
geht, gezeichnet und gemalt ist. Und es erscheint mir nicht unwahrscheinlich.
1) Di«' ganz willkürliche Conjectur der Frau Nuttall. da>> tlauiz-iiiatla-topilli
zu lo^jpn sei, habe ich schon in uieiuem früheren Aufsatz zurückgewiesen. In dein Folgen-
den ist aus deui aztekischen Sahagun der Nachweis erbracht, dass es Devisen gegeben
hat, die den Namen xopilli, „Zehe** führten.
*J, Da«s diese Beschreibung des spanischen Textes auf die Devise quetimlx^^pilli
zu beziehen i.st, foljrt aus der Ueilienfidjre der Beschreibungen, die im spanischen Text
streng ib-r Keihenfolge ^le^ a^trki^ehen Text«*< folgt.
(131)
dass das tozcocolli oder tozcololli einen Streifen abgezogener Menschenhaut
zur Anschauung zu bringen bestimmt war.
Von den übrigen Devisen möchte ich hier an erster Stelle das bannerartige
Abzeichen erwähnen, das der Krieger des Oelbildchens der Bilimck'schen Samm-
lung*) auf einem sonderbaren, von Hochstetter als Haus gedeuteten Gestell auf
dem Kücken trägt. Ich habe das Urbild dieses Kriegers in einer aztekisch ge-
schriebenen Handschrift der früher Aubin'schen Sammlung gesehen, und zwar als
das Bild dis Königs Axayacatl, der, in Wehr und Waffen und mit dieser Devise
auf dem Rücken, zum Kampf gegen die treulose Nachbarstadt Tlaltelolco ausrückt.
Die Erklärung der Frau Nuttall, die in dem Abzeichen des Bilimek'schen Krie-
gers drei Worte herausliest, Calmecaua Tlacochcalcatl Quetzalapanecatl,
die Namen, Rang und Vaterland eines bestimmten hypothetischen Kriegers wieder-
geben sollen, fällt damit von selbst.
In dem Kriegertrachtenkapitel des Sahagun (8. cap. 12) werden als „aderezos
que usaban los senores en la guerra" noch ein quetzal-tonatiuh, eine goldene
Sonne mit einer Scheibe Quetzalfedem in der Mitte, und ein ocelo-tlachic-
comitl, ein Pulquetopf, erwähnt, bei dem das herausschäumende Getränk durch
Reiherfedern mit einzeln eingesteckten Quetzal federn zum Ausdruck gebracht ist.
An Stelle der ersteren Devise finden wir in dem Kapitel des Sahagun-Manuskripts
der Academia de la Historia, welches die Abzeichen der oberen und niederen
Häuptlinge und ihre Anfertigung erzählt, einen ^aquantonatiuh beschrieben
(Fig. 55), aus den goldgelben ^aquan-Federn gefertigt. Und an Stelle des ocelo-
tlachic-comitl ein ometoch-tlauiztli, d. h. „Devise der Pulquegötter" (Fig. 53).
Es ist ebenfalls ein Topf, welcher übrigens in der Form mit demjenigen überein-
stimmt, der auf den Mänteln ometoch-tecomayo-tilmatli gezeichnet ist'), und
das herausschäumende Getränk ist wiederum durch Reiherfedern mit einzeln ein-
gesteckten Quetzal federn zum Ausdruck gebracht. Beide Abzeichen sind auch hier
als Trachtstücke von Oberhäuptlingen angegeben. Den Pulquetopf sehen wir augen-
scheinlich auch in der Fig. 54 des Codex Vaticanus A. 137 als Devise auf dem
Rücken getragen.
Von den sonderbaren und vielgestaltigen Abzeichen, die ausserdem noch in dem
letzterwähnten Kapitel des Sahagun-Manuskripts der Academia de la Historia ab-
gebildet und beschrieben sind, erwähne ich zunächst die Fig. 5G, die raexayaca-
tlauiztli genannt wird und ein bekanntes Bild vor Augen führt, das in dem
Kalender unter dem Namen Itztlacoliuhqui, „Gottheit der Kälte, der Verblen-
dung, der Sünde"^ genannt wird, und der eigentlich Gottheit des Steins und Sohn
der grossen Erdmutter Teteoinnan oder Toci ist'). An dem Ochpaniztli, dem
Feste der Toci, wurde dem zu Ehren der Göttin geschlachteten, die Göttin reprä-
sentirenden Opfer die Haut abgezogen und vom Schenkel desselben ein Stück Haut
entnommen, das zu einer Maske verarbeitet wurde, die mexayacatl, gleich der
hier erwähnten Devise, genannt und mit dem gekrümmten und mit Zackenkamm
versehenen Hute itztlacoliuhqui verbunden getragen ward. Zum Schluss der
Feier wurde diese Maske von erlesenen Kriegern übernommen, die dieselbe im
1) Ferd. von Hochstetter, „Mexikanische Reliquien aus der Zeit Montezuma's.'*
Denkschriften der Philos.-histor. Klasse d. Kais. Akademie d. Wicsensch Wien. Bd. XXXV.
2) Vgl. 8eler, Ein Kapitel ans dem Geschichtswerk des P. Sahagun a. a. 0. S. 169.
Fig. 60.
3) Vergl. Seier, Das Tonalamail der Aubin'schen Sammlung. Comptes rendus
Vn Session Congres international des Am^ricanistes. Berlin 188S. p. 643— G49.
9*
(132)
Lauf an die nächste Grenze brachten und dort auf feindlichem Gebiete depo-
nirten.
Wir haben oben die Devise cuextecatl kennen gelernt, die aus einer spitzen
Mütze (copilli) niit Quaste am Ende bestand, welche, wie wir nach den Abbil-
dungen des Codex Telleriano Remensis schliessen müssen, auf den Kopf gesetzt
wurde (vergl. oben Fig. (>). Dieselben spitzen Mützen, nur mit einem reicheren
Federbehang versehen und ohne den bei dem cuextecatl angegebenen Gold-
schmuck (Ohrgehänge und Nasenplatte), finden wir nun in dem genannten Kapitel
des Sahagun-Manuskripts als Rückendevise gezeichnet, und zwar ein quetzal
copilli (Fig. 57) mit Mosaik von Quetzalfedern belegt, als Trachtabzeichen von
Oberhäuptlingen, ein aztacopilli, aus weissen Reiherfcdem gefertigt, als Tracht-
abzeichen von ünterhäuptlingen. In einem aztekischen Manuskript, das sich in
der Bibliothek zu Florenz befindet und von welchem Frau Nuttall photographi-
sche Copien aufgenommen hat, sind auch Kriegerfiguren mit dieser Devise auf dem
Rücken abgebildet.
Eine Devise tlecocomoctli, „flackerndes Feuer^ genannt, aus rothen Guacu-
mayofedem gefertigt, giebt das Bild eines brennenden Feuers. Zwei andere, eine
rothe und eine weisse, tlapal-iui-telolotli und iztac-iui-telolotli genannt
(Fig. 62), stellen wirre Ballen von Federn dar. Eine dritte, das tlapal-itz-raitl
(Fig. 60), giebt das Bild einer Pfeilspitze. Merkwürdig sind die Devisen in Hans-
form. Ein xacalli, „Haus mit Strohdach" wird genannt (Fig. 5JS), ein <;acacalli,
„aus Gras geflochten** und der Beschreibung nach in Gestalt eines Käfigs gefertigt,
endlich ein caltzaqualli, ein mit Stufenpyramide versehenes Steinhaus. Der
Quetzal vogel (quetzaltototl) und der Truthahn (uexolotl) werden, auf eine
Stange gesteckt, als Abzeichen auf dem Rücken getragen, ersterer von Oberhäupt-
lingen, letzterer von ünterhäuptlingen. Die goldene Trommel (teocuitla-ueuetl)
Fig. 61 werde ich gleich noch zu erwähnen haben. Eine Devise, tlaquimilolli
genannt, sieht wie ein mit Stricken umschnürtes Bündel aus. Fig. 59 zeigt ein
Kind, ein Baby (tzipitl oder tzipiton), aus Holz geschnitten, der Beschreibung
nach ^ein schmutziges Baby mit seinem Schmutz in der Hand^ (quauitl tlaxintli
yuhquin piltontli tlatzatlauilli ymacca ytlamatzoval). Auch ein Schild
mit einem darauf gemalten üngeheuergesicht (chimallauiztli) wird als Ab-
zeichen anf dem Rücken getragen.
Was für eine besondere Bedeutung all' diesen Abzeichen innewohnt, darüber
bin ich zur Zeit noch nicht im Stande, mich mit Bestimmtheit zu äussern, nr.d
eine Erörterung von Möglichkeiten würde mich zu weit führen. Nur möchte ich
betonen, dass ein Wirken von Laune oder Zufall ausgeschlossen erscheint, .dass
alle diese Abzeichen ohne Zweifel in Beziehung zu einer bestimmten mythischen
oder göttlichen Persönlichkeit standen, dass der mit diesen Abzeichen bekleidete
Krieger dadurch als Repräsentant dieser Persönlichkeit sich darzustellen beab-
sichtigte.
Das letztere Verhältniss liegt klar zu Tage in einer Anzahl von Rüstungen^
die ich bisher unbesprochen Hess, weil sie keine Gegenstände gemeinen (Gebrauchs
waren, sondern, wie es scheint, ausschliesslich dem obersten Kriegshäuptling der
Mexikaner, dem König, reservirt waren. Das sind die Rüstungen tlauhquechol-
tzontli, xiuhtototzontli und ocelototec, welche Sahagun in dem Kapitel
(H. cap. \2i „de los aderezos que usaban los Senores en la guerra" an erster Stelle
nennt, und die auch in der Cronica mexicana des Tezozomoc an verschiedenen
Stellen als Krio^erschmuck des mexikanischen Königs aufgeführt werden. Alle
drei sind keine einzelnen Tn^chtabzeichen, sondern ganze Kostüme, und zwar
(133)
Kostüme eines und desselben bestimmten Gottes, des Gottes Xipe, des „Geschun-
denen", der auch Tlatlauhqui Tezcatl, „der rothe Spiegel", oder Tlatlauhqui
Tezcatlipoca, „der rothe rauchende Spiegel", oder Totec genannt wird, ein
Name, der ja auch in dem Namen der einen dieser drei Rüstungen, in dem ocelo-
totec, deutlich ausgesprochen ist.
Ich möchte hier zunächst erwähnen, dass, wenn im Tezozomoc Gap. 91
„una divisa de oro llamada teocuitla tontec con una ave encima de el tlauh-
quechol" als Rüstung des Königs Axayacatl genannt und weiterhin (cap. 84) tlauh-
quechol-tontec als die Devise erwähnt wird, in welcher der die Otomi von
Nopalla und Icpactepcc bekriegende Motecuh^oma erscheint, darin nicht, wie ich
in meiner früheren Arbeit annahm, eine Verderbniss vorliegt, sondern dass viel-
mehr tontec die richtigere — oder genauer gesagt — die klassische Form für das
provinciale totec ist. Denn Totec, als Name des genannten Gottes, bedeutet
nicht, wie gewöhnlich angenommen wird, „unser Herr" = totecuyo, sondern ist
Ton-tec zu lesen und mit „Herr der Sonne, der Glüht, der 'Pein" zu übersetzen.
Vergl. tona „hacer calor", toneua, onitoneuac „padecer dolor, escocimiento o
aflicion", toneua, onitetoneua atormentar 6 afligir 6 otro". Das geht aus der
Uebersetzung hervor, die der Interpret des Codex Telleriano Remensis von einem
der Namen des Gottes, dem Namen Iztapaltotec, giebt: „pedemal ensangrentado
del dolorido", — eine Uebersetzung, die sofort zu verstehen ist, wenn wir statt
des provincialen, dialektischen Iz-tapal-totec die richtigere (klassische) aztekische
Form: Itz-tlapal-tontec setzen, wo itz-tli das Stein messer (pedemal), tlapal-li
(ensangrentado) und tontec-tli der Gepeinigte (el dolorido) bedeutet.
üeber die Tracht und den Aasputz dieses Gottes habe ich an anderer Stelle
ausführlich gesprochen*). Die drei genannten Rüstungen charakterisiren sich als
Kostüme Xipe's hauptsächlich durch den Umstand, dass bei allen dreien der
tzapocueitl, das kurze Röckchen aus Zapoteblättern, angegeben ist, welches Xipe
um die Hüften trägt, und dass zu allen dreien als Rückendevise die Trommel
(ueuetl) getragen wird, die an anderen Stellen als yopiueuetl, die Yopi-Trommel,
die Trommel Xipe's, bezeichnet wird. Auch der anauayo chimallli, der bei
dem tlauhquecholtzontli, und das tlacanaualli, das bei dem xiuhtoto-
tzontli angegeben wird, sind charakteristische Bestandtheile der Tracht Xipe's.
Das tlauhquecholtzontli besteht aus einer Krone aus den schönen karmoisin-
rothen Federn des rothen Löffelreihers (Platalea ajaja L.), die mit Gold besetzt
ist und aus der ein Busch von Quetzal federn herausragt. Dazu wird ein Wams
getragen, das aus denselben rothen Löffelreiherfedern gefertigt imd am unteren
Rande mit goldenen Anhängen in Gestalt von Steinmessern besetzt ist (coztic
teocuitlatl initetecpayo), ferner das grüne, aus Quetzalfedem gefertigte Zapote-
röckchen und als Rückendevise (tlamamalli) die goldene (mit Gold beschlagene
oder vergoldete) Trommel. Zu dem Wams ein Halsband aus grossen Grünstein-
oder Türkisperlen, und der aus getriebenem Gold gefertigte anauayo chimalli.
Das ebenfalls aus getriebenem Golde gefertigte tlaca naualli Xipe's, eine
grosse glänzende Scheibe, die auf der Brust getragen wurde, ist hier imSahagun
bei der Beschreibung des tlauhquecholtzontli nicht genannt, aber in der oben
citirten Stelle des Tezozomoc, wo die Rüstung des Königs Axayacatl genannt
wird, ist darauf hingedeutet, indem diese als „una divisa de oro llamada
teocuitla tontec con iina ave encima de el tlauhquechol" beschrieben wird.
1) „Das Tonalamatl der Aubin'schen Saramlmig" a. a. 0. S. 657 — 669 und «Ein Kapitel
aus dem Geschichtswerk des P. Sahagun" a. a. 0. S. 145—147.
(134)
Und beim xinhtototzontli ist, wie wir gleich sehen werden, auch im Sahagun
das tlacanaualli ausdrücklich angegeben.
Das xiuhtototzontli war, wie der Name besagt, aus den türkisfarbenen
Federn') des xiuhtototl, des blauen Kotinga, gefertigt, mit Gold verziert und
mit einem wallenden Busch von Quetzalfedern versehen. Es war, wie hier im Text
ausdrücklich gesagt ist, eine Krone, die auf den Kopf gesetzt wurde. Es wurde dazu
ein Wams, aus denselben hellblauen Federn gefertigt, getragen (xiuhtotoeuatl),
das am unteren Rande ebenfalls mit goldenen Steinmessern besetzt war. Ferner
das Zapoteröckcben und das goldene tlacanaualli. Als Rückendevise wurde dazu
eine hellblau angestrichene und mit Gold verzierte Trommel (xoxouhqui ueuetl
coztic teocuitlayo) getragen.
Der ocelototec endlich bestand aus einem Tigerfell (mit zugehörigem Kopfe),
unten ebenfalls mit goldenen Steinmessern besetzt. Dazu wurde das Zapoteröck-
cben getragen und als Rückendevise eine mit Tigerfell beschlagene Trommel. Als
Schild wurde hierzu — und vielleicht ebenso zu dem xiuhtototzontli, — ein
teocuitlaxapo chimalli getragen, d.h. 'ein Schild, dessen Fläche mit einem
Mosaik aus den Federn des türkisfarbenen Vogels (xiuhtototl) bedeckt war, mit
einem breiten Goldreif in der Mitte.
Xipe ist die nationale Gottheit der Yopi, einer den Zapoteken und Mixteken
verwandten Nation, die im Gebiete des heutigen Staates Guerrero, den mexikanisch
redenden Couixca*) benachbart, wohnten. Sie wurden auch Tlapaneca, ^di«'
von der rothen Farbe" oder „Bewohner des Rothlandes", genannt, weil sie sich
roth schminkten und ihre Priester und ihr Gott roth geschminkt und roth gt»-
kleidet gingen. Die tIauhquecholtzontli-Devise, die rothe Federkrone und das
rothe Federwams, bilden daher das eigentlichste Kostüm des Gottes, der ja auch
„der rothe Tezcatlipoca" genannt ward. Aber die mexikanischen Gottheiten
haben alle ein doppeltes Gesicht. Der rothe Gott ist der Feuergott, der oberste
Himmelsgott. Als solcher repräsentirt er nur die eine Seite des Wesens der Gott-
heit. Der Gott lässt sich auch zur Erde hinab, um die Erde zu befmchten. Dann
ist er der „in der Wasserherberge hausende", der in Wolken gehüllte, der in d<T
Luft sein Wesen hat, der dunkle, nächtige. Daher das blaue xiuhtototzonili
und das xiuhtotoeuatl, das andere Gewand, das dem Gotte ebenfalls zu Recht
1) In dorn spanisohon Text ist fälschlich von ..plumas verdes cn In^ar de caballera*
die Rede. Xinitl ist der Türkis, dessen mexikanische Varietäten (Calait) allerdings ein
ins Grünliche ziehendes helles Hlan aufweisen. So bedeutet auch xoionhqui nicht, vie
fifcwöhnlich angej^eben wird, «grün**, sondern ein ins Grünliche ziehendes helles Blau.
Xoxoctic wird im Codex Raniirez als Farbe des Gewandes der Wassergöttin Chal-
chiuhtlirue angegeben, das man in Bilderschriften ausnahmslos hellblau oder mit hell-
blauen Wellenlinien angegeben findet. Und xoxouhqui ist die helle Farbe des HimmeR
Der xiuhtototl endlich ist. wie die Beschreibung dieses Vogels im Bach Sabagnn's
erkennen lässt, der blaue Kotinga, de>sen Federn Hr. von Hochstetter ja auch in dem
Wiener mexikanischen Schmuck eonstatirt hat. Die unp'naue Angabe Sahagnn's, der
hier von ..pluma^ verdes en lugar de caballera" spricht und auch die als Rückendevise
getragene Trommel als .tambien verde" bezeichnet, hat mich in meiner früheren Arbeit
verleitet, die (|uetzalpatzactli- Devise mit diesem xiuhtototzontli za confnndiren.
An anderer Stelle übersetzt Sahagun das Wort xoxouhqui richtig mit .axul** (blau).
2] Couixca selbst ist ein zapotekisches Wort, wie die Vorsylbe co, die im Zapoteki-
schen ein nomen agentis bezeichnet, kundj^ebt. In Juan de Cordoba's zapotekiscbeni
Vocabular findet man peni -hnijchi, peni - cohuijchi Mexirjino; quela - huijrhi.
quela-cuhuijch i lengua o babla Mexirana.
C1S5)
L f
iiJlich / *
:5 00
yukammt. Der Galt steigt endlich
auch 7U den Todten hinab,
Sonnenlmll vorachwindet hinter (i
Bergen, dus Licht i
Erdß verschluckt Dann ist der Golt
der Tiger, das Thicr der Höhlen,
der in der Nacht auf Raub ausgehl,
derlnbcgrilT todbringenderGewaltcn.
Die Tigorrüslung, der ocelotolcc,
iüt dnhor die dritic der Verkleidun-
gen, in der die Goltheil erscheint
Im Himmel, auf der Erde und in
der Unterwelt hiit Teiccatlipoca
sein Wesen, berichten die Chro-
nisten. Und iils Nachttt^r sehen wir
ihn im Codex Telleriano Rcmcnsis
H. 31 derErdgottin Xochiquet/iil
({egcntil)cr diirgestellt.
Als um die Mitte des l"). Jahr-
handcrts das mexikanische Ge-
meindewesen unter enei^ischeu
Häuptlingen, dem alteren Moteeuh-
t;oma und AxayacatI, sich'fester zu-
sammcnschloss, die Nachbarstadt Tlaltclolco angegliedert und der Bund zwischen
den drei Stämmen des Vallc de Mexico, den Mexikanern, den Acolhua und den
Tepanecii, begründet ward, machte sich die Kraft des Gemeinwesens auch nach
ansäen dnrch weit nach dem Osten und dem Süden gerührte kriegerische Expedi-
tionen bemerkbar. Tziuhcoue und Cuctiaxtlan wurden unterworfen, das im Norden
und Süden des Toto nakeninn des belegene Gebiet der Goirküste. Und das Gebiet
der Tinihuica ond (Touixca, der Landstreifen, der von den Bergen im Süden des
Thals Ton Mexico hinab zur paciRschen Küste zieht, wurde unterthnn gemacht.
In diese Zeit Hillt auch, wie aas einer Angabe im Tezozomoc mit Bestimmtheit
zu entnehmen ist, die Einführung des Cultus Xipe's oder wenigstens seine all-
(136)
gemeinere, staatliche Verehrung. Das Wappen Xipe's — d. h. sein Schild und
seine Handfahne — ist daher auch auf dem Chimalii = Stein von Cuemavaca
dargestellt (Fig. 65), der, wie ich nachgewiesen habe, das Datum des Regierungs-
antrittes des Königs Axayacatl enthält*}. Seit der Zeit finden sich auch in der
mexikanischen Chronik verschiedene Angaben, welche beweisen, dass der mexika-
nische König in der Schlacht im Kostüm Xipe's im tlauhquechol-tontec, mit
der Pederkrone tlauhquecholtzontli bekleidet, erschien. Und wie oben er-
wähnt, wird diese Devise im Kapitel 91 auch als die Rüstung erwähnt, welche
ehemals der König Axayacatl trug. Fig. 66 aus Codex Vaticanus A. 128 zeigt uns
den König Motecuhi^oma den Jüngeren, in die Tracht Xipe's gekleidet und mit
der Trommel als Rückendevise, als Sieger über Toluca (im Jahr 9 calli = A. 8. 1501).
Als Motecuh(joma ist diese Figur durch die Hieroglyphe gekennzeichnet, die an
dem Kopfe derselben zu sehen ist, — eine Königskrone (xiuhuitzolli), die auch
anderwärts in Hieroglyphen den Lautwerth tecutli, „König, Fürst", bezeichnet
Der Gott Xipe ist in der Form, in welcher er in der Stadt Mexico gefeiert
ward, insbesondere der Repräsentant des Kampfes und des Triumpfes über den
Feind. Die erlesensten und tapfersten unter den feindlichen Kriegern wurden ihm
geopfert, das Opfer selbst unter Vorführung eines Kampfes (Sacrificio gladiatorio)
vollzogen. Es ist der Feuergott und Schlachtengott der Tierra caliente, wohl iden-
tisch mit dem Cit-chac-coh der Maya, dem die Krieger Yucatan's das Pest der
Trommel (pax) feierten, und auch in den Maya-Handschriften erkennbar in der
Figur eines in gleicher Weise, wie Xipe, im Gesicht gezeichneten Gottes, dessen
Hieroglyphe von Todessymbolen und von dem Bilde des Löwen (des Blitzthieres)
und des Adlers begleitet erscheint. Es war somit eine besondere Schreckgestalt,
die der König annahm, die Verkleidung eines in der Schlacht besonders mächtigen
Gottes, wenn der mexikanische König und Obei^eneral in der Tracht Xipe's er-
schien. Und wenn die mexikanischen Schaaren zum Angriff vorgehen, so über-
nimmt der in das tlauhquecholtontec, d. h. als Xipe gekleidete Köuig die
Führung. Er lässt das „atamborcillo dorado" erklingen, die Trommel Xipe's, und
schüttelt von Zeit zu Zeit das chicauaztli, den Rasselstab Xipe's, seine Schaaren
anfeuernd. Und diese „gewinnen dadurch solchen Muth, dass sie gleich Blitz-
strahlen auf die Feinde fallen und Alles erschlagen. Alte und Junge, Männer und
Weiber und die kleinen Kinder, die Häuser verbrennen und zum Schluss den
Tempel, so dass die eroberte Stadt dem Rauche gleicht, der von dem Gipfel des
Vulkans aufsteigt*)". In dieser Stelle des Chronisten ist die Bedeutung dieser
Verkleidung und der Kriegerverkleidungen überhaupt aufs Klarste ausgesprochen.
Es war ein sehr reeller Zweck, den der Krieger verfolgte, wenn er die Gestalt
dieses und jenes Schreckbildes, dieses und jenes schlachtengewaltigen Gottes an-
nahm. Und dass an die Wirksamkeit dieser Verkleidungen, sowohl hüben wie
drüben, auf mexikanischer, wie auf feindlicher Seite, auf das Ernsthafteste geglaubt
wurde, darüber kann nicht der geringste Zweifel bestehen.
Das „atamborcillo dorado** (coztic teocuitla-ueuetl), die veiigoldete Trommel,
wurde übrigens nicht bloss zu den Xipe-Rüstuogen getragen. Ich habe oben
schon angeführt, dass sie im Sahagun-Manuskript der Academia de la Historia mit
unter den Trachtstücken von Oberhäuptlingen aufgeführt ist (oben Fig. 61). Und
in dem Giro del mundo von Gemelli Carreri ist der König Ne<^aualcoyotl von
Tetzcoco abgebildet, mit dem ueueti als Rückendevise, aber der Kopf ist be-
1) Tonalamatl der Aubin'schen Sammlung 1. r. p. 6G7.
2) Tezozomoc, Crönico mexicana cap. 84.
(137)
kleidet mit einer Art Kappe, in der zwei ' -
SpiDdeln stecken, und der Schild enthalt
eine längliche Figur, wie den LängsachlilT
einer Muschel, mit einer Vertiefung in der
Mitte (Pig. C7). Obwohl dieses Bild späteren
Ursprunges ist, liegt ihm doch wohl eine
beslimnite Tradition zu Grunde. Gemelli
Carreri erhielt sein Material yon D. Carlos
Sigucnza y Gongora, und dieser wieder
hatte seine Papiere und Manuskripte von
den Älvit [xtlilxochitl, den Abkömmlingen
der tetzkokani sehen Künigc, geerbt. Ist
also dieses Bild in gewisser Weise als authen-
tisch zu betrachten, so wUrde daraus folgen,
dass die tetzkokani sehen RriegshüaptliDge
die auf dem Rtlcken getragene Trommel mit
Abzeichen vereinten, die sie als in die Tracht
der Erdgöttin, der Teteoinnan oder Toci,
gekleidet erscheinen liessen.
Zqt Vcr\-o II stand igung des oben Auf-
geführten erwähne ich noch einige Namen, die im S ah agun- Manuskript für die
Schilde angegeben werden, welche zu den oben näher eharukterisirten Rüstungen
getragen wurden. In der Tribntlislc des Codex Mendoza sind hauptsächlich zwei
Arten von Schilden gezeichnet: die Pig. 4, welche im Sahagun a. a, 0. als quetzal-
xlcalcoliahqui chimalli benannt und als Trachtstück von Oberhäuptlingen an-
gegeben wird. Und die Pig. 16, die im Sahagun-Manuskript der Acudemia de la
Historia als quetzalcuexyo chimalli, der aus Quetzalfedem gefertigte Schild
von Cuextlan, d. h. wie ihn die Cuexteca, die Uaxtekcn, tragen, bezeichnet und
ebenfalls als Trachtstück von Oberhäuptlingcn angegeben wird. Zu den ersteren
gehört der eine der beiden Pedermosaikschilde des Stuttgarter Museums (t. Hoch-
stetter. Altmexikanische Reliquien. Tafel IV. Pig. 2). Und eine Abart derselben
(Pig. 68) ist im Sahagun-Manuskript der Academia de ta Historia unter dem Namen
ixcoliuhqui chimalli, als TrachtslUck von Unterhäuptlingen, angegeben. Zu ihnen
gehört vielleicht der andere der beiden Pedermosaikschilde des Stuttgarter Museums
(v. Hochstetter, Altmexikanische Reliquien. Tafel IV. Pig. I). Eine Abai-t des
quetzalcuexyo chimalli zeigt die Fig. IT, die der Tributliste des Codex Men-
doza entnommen ist. Bei diesem Schilde, welcher der Rtistung mit der silbernen
Kappe (Iztac-teocuitla-copilli) beigegeben ist, sind die goldenen Halbmonde
des quetzalcuexyo chimalli durch Halbmonde aus Wasserlinien ersetzt. PUr
den Schild Pig. 7 und 15, der in der Tributliste als Begleiter der cuextecatl-
Devise nnd des teocuitla-copilli gezeichnet ist, Andc ich keinen Namen an-
gegeben. Er kommt aber in dem historischen Theil des Codex Telleriano Remensis
öfters vor und ist, da er ähnliche dunkle Streifen zeigt, wie das zum cuextecatl
getragene Wams, vielleicht als cuexteca chimalli zu bezeichnen.
Der quauhtetepoyyo (oder quauhpacbiubqui) chimalli, Pig. i6, ist im
Sahagun-Manuskript der Academia de la Historia in der Pig. 69 gezeichnet. Und
sein Genosse ist der ocelo tetepoyyo chimalli (Pig. 70). Beide werden als
Trachtstucke von Oberhäuptlingen angegeben. Der teocuitlaxapo chimalli
(Fig. 75 und Pig. 43), ans Federmosaik bestehend, mit einem breiten Goldreif (oder
einer durchbohrten Goldscheibe) In der Mitte, scheint dem anauayo chimalli
(138)
Xipe's verwandt zu sein. Er wird ebenfalls als Trachtstück vob Obcrhäuptlin^n
angegeben. Gemeinere Abarten desselben sind der tlilxapo, tlapalxapo und
texoxapo eh i mall i (Fig. 7G), d. h. Schilde mit einer schwarzen, rothen oder
blauen durchbohrten Scheibe in der Mitte. Endlich sind noch als Trachtstticke
von Oberhäuptlingen zu nennen: der tozmiquizyo chimalli (Fig. 71) mit einem
weissen Todtenschädel in gelbem Felde; der teocuitla-teteyo chimalli (Fig. 72)
und der zweifarbige quetzalpoztecqui chimalli (Fig. 73). Letzterer scheint,
nach dem Codex Tclleriano Remensis zu ui*theilen, von den Kriegern von Uexotzinco
mit Vorliebe getragen worden zu sein. Der iuiteteyo chimalli Uitzilopochtli's
Ist hier merkwürdigerweise unter den Trachtstücken der Untei häuptlinge aufgeführt,
allerdings ohne Federbehang am unteren Rande (Fig. 77). Sonst sind noch als
Trachtstücke von Unterhäuptlingen der weisse texaxacallo chimalli (Fig. 7<h)
genannt, der zu dem weissen aztaeuatl und dem aztapatzactii getragen winl,
der citlallo chimalli (Fig. 74\ der iuitezc^ouhqui chimalli (Fig. 71)\ der
macpal lo chimalli (Fig. HO), der ohne Zweifel mit dem Schilde identisch ist,
welchen der Krieger des Oelbildchens der Hilimek'schen Sammlung am Arme trägt:
der tez(;acanecuillo chimalli (Fig. Ml), der auf seiner Fläche das Bild des
hauerartig gekiümmten, aus einem Meerschneckengehäuse geschliffenen Krie^er-
lippenpflocks (tezc^acanecuilli) trägt. Endlich der tlaauitectli chimalli, dessen
Fläche einfach weiss getüncht erscheint.
Ich komme nun noch einmal auf das „Prachtstück altmexikanischer Feder-
arbeit aus der Zeit Montezuma's" zurück, das im Jahre lH7s von dem vei*storbonen
Ferd. von Hochstetter in der Ambraser Sammlung entdeckt wurde, und da*,
sorgsam restaurirt, gegenwärtig eine Hauptzierde des k.k. Xaturhistorischen Museums
zu Wien bildet. Hr. von Hochstetter hatte diesen Schmuck seiner Zeit al.s
Banner gedeutet, ähnlich der oben beschriebenen Devise des Oelbildchens der
Bilimekschen Sammlung. In neuerer Zeit aber hat Frau Nuttall') mit grossem
Eifer eine entgegengesetzte Theorie verfochten, der zufolge der genannte Schmuck
als Kopfschmuck anzusehen sei. Ich hatte in meiner früheren Arbeit insofern
Stellung zu dieser Frage genommen, als ich. ohne mich für das eine oder das
andere zu entscheiden, doch die Gründe, auf welche Frau Nuttall ihre Theorie
stützte, zurückweisen zu müssen glaubte.
Ich bin Frau Nuttall zunächst eine Rechtfertigung schuldig. In meiner Be-
sprechung erwähnte ich den Schmuck, den im Atlas zu Du ran der Gott Uemac,
das ist der Quetzalcoatl der Mythen von Tollan, auf dem Kopfe trägt (Fig. Üt)^
und fuhr fort: „dieser Schmuck scheint in der That über der Stirn etwas erhöht
zu sein, ohne dass indess der mittlere Theil sich irgendwie an den Seiten abs«»t/ie.
1 Abhandlungen des K. Zoolog, u. Anthropol.-Ethnol. Mus. Dresden 1H86.H7.
(139)
and auch ohne die Trennung, die der Zeichner der Frau Nuttall in dem oberen
Theile zwischen den Fetlera über der Stim und den seithch darnach folgenden
andeutet." — Ich habe selbstverständlich diesen Fehler nur nls ein Versehen des
Zeichners aurgerasst und habe mich nachmalen überzeugt, das» in der englischen
Ausgabe') dieser Kopfschmuck richtig, d. h. ohne Trennung des mittleren Theils,
gezeichnet ist. Fcnier sagte ich; „In Wirklichkeit ist ein Kopfschmuck, wie ihn
Frau Nuttall sich vorstellt (d. h. mit besonders abgesetztem mittlerem Thcil), im
Uehrigen in den Bildermalercien und in den Illustrationen der Historiker, und
auch in dem Auspntz der FigUrchen nicht zu finden.'' Hier habe ich zu viel ge-
sagt. Frau Nuttall hat, bei der vorjährigen Tagung des internationalen Ämeri-
kanistencongresscs, die in Paris stattfand, ans einem asttekischen Manuskript, das
in der Bibliothek zu Florenz aufbewahrt wird, ein Bild des Oottes Uitzilopochtli
beigebracht, bei welchem der kroncnaitigc Kopfschmuck einen besonders abf;e-
setzten und erhöhten mittleren Theil erkennen lässt, genau in der Art, wie es uns
iler Wiener Schmuck vor Augen führt (Vgl, Pig, 83).
Ferner hat Frau Nnttnil die Muthmaassung aufgestellt, dnss der Federschmuck,
den in der Fig. Hi der Gott Ucmac auf dem Kopfe tragt, als quetKalspane-
cayotl zu bezeichnen sei, — ein Name, der für die Fedcrarbeiton der Tolteken
angegeben wird. Ich hatte in meiner früheren Arbeit diese Bestimmung, als ein-
fache und auf nichts basirte Muthmaassung, zunächst zurückweisen zu müssen ge-
glaubt und es für unzulässig erklärt, -diese Conjektur als Fundament für weitere
Schlüsse zu benutzen. Ich muss noch heute aufrecht erhalten, dass Frau Nuttall's
Annahme falsch ist, dass apanccayotl „der allgemeine Ausdruck für Insignien,
mit welchem ihre Trtiger bekleidet wurden oder welche sie in irgend einer Weise
umgaben", gewesen sei, und ebenso muss ich ihre Ableitung des Wortes apa'necn-
yotl ron dem Zeitworte apana, „umbinden, gürten", für unrichtig erklären. Aber
ich finde, dass der Name apanecayotl. den ich als Name eines bestimmten
S chmuckcs fasse, vielleicht doch auf den Schmuck der Pig. 8:! anzuwenden ist,
weil ich in den Anales de Quauhtitlan dieses Wort nls Nume für den Schmuck
QuetzalcoatTs, des Priesterkönigs der Tolteken, angegeben finde. Und von
diesem Grunde aus ist es mir auch möglich, der Theorie der Frau Xuttall, dnss
l) Archapological and ethnnlogical papprs of thf Penlioily yfnuf
Bitj) Vol. I. No. I. Cambridge Mass. 1888.
n (Harvard L'ui
(140)
die Hieroglyphe Fig. 84, die den Namen Apanecatl wiedergiebt, das Element
apanecayotl enthalte, in gewisser Weise näher zu treten.
Als der aus seinem Reiche Tolhin vertriebene Quetzal coatl, — so wird in
den Anales de Quauhtitlan erzählt, — „an den Rand des Meeres" (teo-a-pan
ilhuiea-a-ten-co) gelangte, fing er an zu weinen und legte das Kostüm ab, mit
welchem er bisher geschmückt war, sein apanecayotl und die Türkismaske
(xiuh-xayacatl), um sich dann an dem Orte, „der Tlatlayan (Verbrennungs-
stätte) genannt ward, ins Feuer zu stürzen".
Hier ist also apanecayotl in Verbindung mit einer Türkismaske als Schmuck
(itlatqui mochichiuh) Quetzalcoatl's genannt. Das muss uns an die Be-
schreibung erinnern, die im letzten Buche des Sahagun von den Trachtstücken
gegeben wird, welche der König Motecuhcoma dem nahenden Cortos, den er als
den wiederkehrenden Quetzalcoatl betrachtete, entgegenschickt, — „los atavios
sacerdotales que a el convienen: — primeramente una mäscara labrada de musaico
de turquesas, tenia esta labmda de las mismas piedras una culebra doblada y
retorcida cuyo doblez era el pico de la nariz, luego se dividia la cola de la cabeza,
y la cabeza con parte del cuerpo iba por sobre el un ojo de manera que hacia
ceja, y la cola con parte del cuerpo iba por sobre otro ojo, y hacia otra ceja. —
Estaba esta mascara engerida en una Corona alta y grande, llena de plumas ricas,
largas y muy hermosas, de manera que, poniendose la Corona sobre la cabeza se
ponia la mascara en la cara. Wenn wir hier in der aus Türkismosaik gearbeiteten
Maske, welche ein aus den Windungen einer Schlange gebildetes Gesicht darstellt,
den oben genannten xiuhxayayatl QuetzalcoatPs zu erkennen haben, so ist
es in der That das Natürlichste, anzunehmen, dass mit dem Worte apaneca-
yotl die „Corona alta y grande, llena de plumas ricas, largas y muy hermosas"
bezeichnet worden sei, die an dieser Maske befestigt war, mit anderen Worten, dass
apanecayotl oder quetzalapanecayotl in der That den hohen und reichen
Federkopfschmuck des Quetzalcoatl von Tula bezeichnete. Und zu dieser An-
nahme stimmt, dass im ersten Buch des Sahagun das quetzalapanecayotl als
Trachtstück PainaTs angegeben ist, und zwar in Verbindung mit dem Zeitworte
on-tlalia (contlaliticac, „er hat es angelegt"*, „er hat es aufgesetzt"), das, wenn
es auch nicht mit Noth wendigkeit „auf den Kopf setzen" bedeutet, doch sehr
häufig in diesem Sinne gebraucht wird.
Was für eine Art von Kopfschmuck war nun aber das apanecayotl? Eine
gewisse Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass es ein Kopfschmuck gewesen ist,
ähnlich dem, welchen die Fig. 82 des Atlas zu Du ran trägt. Denn er entspricht
ungefähr der vagen Beschreibung, die in der eben angeführten Stelle aus Sahagun
von dem mit der Türkismaske verbundenen Schmucke Quetzal coatTs gegeben
wird, üeberzeugende Gründe dafür lassen sich aber schwer beibringen. Die
Fig. S'2 ist das einzige sicher bezeugte Bild des Gottes üemac oder Quetzal-
coatl von Tula. Die Interpreten identificiren mit dem Quetzalcoatl von Tula
einen Gott in Coyotegestalt, der dem vierten der zwanzig Zeichen des Tonalamatl
präsidirt. Dieser Gott trägt aber in den Kalendern des Codex Telleriano Remonsis
und Vaticanus A nur eine einfache Federkrone. Nur im Codex Borgia ist er mit
einem eigenartigen Federkopfschmuck dargestellt (vgl. Fig. 85), der aber mit dem
Schmuck der Figur Duran's wenig Aehnlichkeit hat, vielmehr Kopf und Schwanz
des rothen Guacamayo vorstellt.
Das Wort apanecayotl ist nach Art der Worte mexicayotl, anauaca-
yotl u. A. gebildet und bedeutet, „was den Apaneca eigenthümlich ist", d. i. den
Leuten, welche äpan, „an" oder „auf dem Wasser", wohnen. Dass dieses Wort
(141)
dosxb'lbc bedeutet, wie Anauaque, und die Bcwuhncr der KUslc bezeichnet: \ns-
besondere die Maya-Bevölkernng der GolfkUste, ist mir zweifeUos. Denn auch der
QuetzBlcoatl von Toltim und die Tolteken selbst sind an der Golfküste zu
Hause- Die letzteren sind Tielleichl nur ein Namo für die CultureinßUsse, die von
der konst- und gewerbreichen Maya-Berölbcmng der Küste ausgingen. Nonoualca
tepec, d. h. „die Stadt der Maya", wird' in den Anales de Quauhtitlan als Ter-
sammlungsort der Tolteken ^nannt. Wenn ulso irgendwo eine Urform des apa-
necayotl vorhanden ist, so haben wir dieselbe unter den Maya-Bewohnem der
Ktlste ZD suchen.
E^ ist eine vielTach wiederholte Angabe, dass der Gott, den die Mexikaner
unter dem Namen Quetzalcontl verehrten und dessen Wiederkommen von Osten
sie erwarteten, bei den Maya Rukulcan geheissen habe. Ich glaube das Bild des
letzteren Gottes an zwei Stellen der Dresdener Hondschrirt und an einem Paar an-
derer des Codex Tro nachweisen zu können. Interessant ist die Fig. 88 aus Codex
Dresden 12, in der nian über dem Gesicht des Gottes, als Haske, das Gesicht des
Regengottes sieht. Denn auch die oben beschriebene TUrkismaske Qaetzalcoatl's
ist eine Tlnloc-Maske. Die Pig. 87 aus (Dodex Dresden 4 zeigt über der Stirn
des Gottes einen Edelstein (Türkis) und von demselben weit über Nacken und
Rücken herabrallend einen mächtigen Federschmuck. An keiner St4>lte aber sind
diese Figuren mit einem Schmnck bekleidet, der etwa dem der Fiif. 83 gliche.
öeberhaupt sucht man anch in den Maya Handschriften nach einem Kopfschmuck
dieser Form vergebens. Der Schmuck des KricgHgottes Fig. 89 bietet nur eine
(142)
sfhiiinbiiri' A(.'hnlichkeit. Denn hier ist nur mit ciniT i'iii Tuchen Kedt-rkronc tin
hi-sondcrcr Stirnschniack verbunden, ähnlich dem, welchen in Fig. >iti (aus Codex
Borgi») der Feuergott triijit. Das zeigt die Fig. 91 desüelliun Kriepigottcs, wo,
slalt der Federkronc, eine Helnimuske mit diesem Stiraschmuek verbunden )!>l.
Dagegen scheint unter den Thonfiguren. soweit ich Ans Mnierial bis jetzt zu übci^
sehen im Stunde hin, eine gunze An/uhl sich zu befinden, deren Koprschmvct.
nach dem Schema der Fig. 82 gebildet ist. Ja es seheinen in der Masse der
l^eTundenen Sachen Figuren, die mit solchem Sckmuck bekleidet sind, besonders
hiiuhg XU sein- Fig. 1>3 — 96 sind Figoren der Yucutan-^Hnuniung des Kgl Maseurti»
für Völkerkunde. Xumenllich Fig. 9a und 95 erinnern sehr an den Schmurk
Fig. 82— ö'l. Duss aber auch die anderen in dieses Schemii gehören, wird durch
mancherlei Uebergangsrormen bewiesen. Fij;. 93, die einem Kelief des sogenannten
Hallspielsaals von Chichen itza entnommen ist, zeigt den Midellheil zwar wenig
erhöhl und sehwach von den Seilenlheilen abgesetzt, dagegen stimm! die ganze
Form des Schmuckes um so besser mit der Fig. 82.
Wenn die Fii:- 112 beweist, dass Schmucke in der Art der Fig. «2 im Kflslcn-
hinde oder von den Ciollern des Küstenlandes getragen wurden, so lassen sich,
glaube ich, auch gewisse Urilnde anfuhren, die es wahmcheinlich machen, dass
genide dem Kukulcan oder dem QuetzalcoatI von Tula solche Schmacki-
zukamen. Uekunnt sind die Bilder der eingerollten und in verschiedener Weise
mit der Figur eines Menschen in Uebireinslimmung gebrachten Schlange, deren
ganze Oberfläche mit Federn bedeckt ist und aus deren geöfTnetem Rachen ein
Mcngchcngestcht hervorsichl. Dass diese Ililder Qnelzalcoat) vorstellen sollen.
(Ud)
ist wohl zweifellos. Denn verschiedentlich erkennt man an diesen Bildern das
Ohrgehänge und den Brustschmuck des Windgottes. Schon an den Steinbildern
der Federschlange ist ein besonderer Pederbusch auf dem Scheitel oder auf den
Nüstern der Schlange deutlich erkennbar. Klarer ist das in den Bilderschriften
zu sehen. Ich möchte nun die Figg. 94—96 für homolog halten. Alle drei stellen
männliche Figuren dar. Fig. 95 und 96 haben beide in der linken Hand den
Beutel für Räucherwerk. Fig. 96 ausserdem in der Rechten ein Steinmesser. Also
priesterliches Handwerkzeug. Bei Fig. 94 — 96 ist ein Reptilrachen als Helmmaske
deutlich erkennbar. Bei Fig. 95 ist ein Rachen nicht erkennbar, dafür erinnert
aber der längs des ganzen Körpers hinabziehende Federschmuck um so mehr an
die Befiederung der Pederschlange. Ich möchte den in der Mitte aufragenden
Busch als demjenigen entsprechend ansehen, der von dem Scheitel oder den Nüstern
der Federschlange aufragt, vlie Seitentheile für Homologa kammartig den Rücken
hinabziehender Federreihen.
Wenn alle diese Dinge mehr oder minder hypothetisch bleiben, so wird doch
soviel daraus hervorgehen, dass ich mich aus dem Bereich des Möglichen und
Wahrscheinlichen nicht entferne, wenn ich den für den Federschmuck des Quetzal-
coatl von Tula angegebenen Namen apanecayotl gerade mit dem Schmuck der
Fig. 82 in Zusammenhang bringe. Und wiederum stimmt dazu, dass einerseits im
ersten Buch des Sahagun bei Painal, dem Stellvertreter und Genossen üitzilo-
pochtli^s, das Wort quetzalapanecayotl, wie es scheint, für den Kopfschmuck
dieses Gottes angegeben ist, — an Stelle des sonst für diesen Gott, wie für
Uitzilopochtli angegebenen tozpolli, — andererseits Frau Nuttall aus dem
Florentiner aztekischen Manuskript das Bild Fig. 83 beibringt, wo der Gott Uitzi-
lopochtli einen Federschmuck trägt, der unleugbare Aehnlichkeit mit denen der
Fig. 82 und 92 hat. — Beiläufig bemerke ich, dass in der Fig. 83 der Mitteltheil
auf seiner Fläche weisse Kreise in blauem Felde zeigt, ähnlich wie beim citlallo
chimalli, Fig. 74, so dass er also, wie es scheint, dazu bestimmt ist, das Bild
des Himmels wiederzugeben.
Wenn ich nun mit Frau Nuttall darin übereinstimme, dass auch ich den
Namen apanecayotl auf den Schmuck der Fig. 8^, den Kopfschmuck üemac-
QuetzalcoatTs, anwende, so muss ich doch sehr energisch dagegen Verwahrung
einlegen, dass man denselben mit der Kolibri-Helmmaske (uitzitzil-naualli)
Uitzilopochtli's und Painal's, mit der quetzalpatzactIi-Devise, wie sie
der tlatöani pilli des Sahagun-Manuskripts und der König Ticoc des grossen
Sonnensteins auf dem Rücken trägt, und der rothen Löffelreiherfederkrone Xipe's,
der Kriegstracht der mexikanischen Könige, in einen Topf werfe. Wie ich den
Namen apanecayotl nicht als generellen Ausdruck, sondern als Name eines
bestimmten Schmuckes fasse, so muss ich auch den Federschmuck Uemac-
Quetzalcoatrs als sui generis betrachten, der zwar unter umständen von den
Göttern Painal und Uitzilopochtli getragen wurde, der aber deshalb nicht
mit anderen, auch von diesen Göttern getragenen Devisen, insbesondere nicht mit
der Kolibri-Helmmaske (uitzitzil-naualli) identisch war.
Wie steht es nun mit dem Wiener Schmuck? — Dass derselbe in der Form
Aehnlichkeit hat mit dem Kopfschmuck der Fig. 82, dem apanecayotl (wie ich
mit Frau Nuttall annehme), wird Niemand leugnen. Und dass die All der Ver-
steifungen vielleicht dafür spricht, dass er als Kopfschmuck getragen wurde, will
ich meiner verehrten Collegin gern zugeben. Auch darin mag Frau Nuttall Recht
haben, dass der Wiener Schmuck, wenn es ein Kopfschmuck war, der aus dem
Valle de Mexico stammte, füglich nur von dem Idol Uitzilopochtli's oder von
(144)
dem lebenden Stellvertreter und Nachfolger desselben, dem mexikanischen König,
getragen sein konnte. Trotzdem mnss ich auch heute noch aufrecht erhalten,
dass mir vor der Hand die alte Deutung als Banner noch ebenso berechtigt
erscheint, wie die neue der Prau Nuttall. Denn das Bilimek'sche Bildchen be-
steht zu Recht. Sein Urbild liegt in dem Manuskript der Aubin'schen Samm-
lung vor.
Die Herkunft des Wiener Schmuckes ist dunkel und in zerstörtem Zustande
liegt er vor. Vielleicht bringt die Folgezeit noch Thatsachen ans Licht, die es
mir ermöglichen, mich ganz und ungetheilt zur Ansicht der Prau Nuttall zu be-
kehren. Doch sei es nun ein „mörischer Hut", sei es eine Standarte, jedenfalls
hat Pi'au Nuttall das Verdienst, eine wichtige Frage angeregt und neue That-
sachen ans Licht gezogen zu haben. Und dass der Verlauf der Diskussion nicht
ganz fruchtlos geblieben ist, wird ein aufmerksamer Leser unserer beiderseitigen
Arbeiten wohl erkennen. —
Hr. M. Uhle macht folgende Mittheilungen
zur Deutung des in Wien verwahrten altmexikanischen Feder8chmacke^i.
Nachdem Frau Nuttall 1887 in den Abhandlungen und Berichten des K. Zool.
und Anthrop.-Ethnogr. Museums zu Dresden Nr. 7*) der Neudeutung des be-
rühmten Stückes durch F. v. Hochstettcr') als Standarte entgegengetreten war
und die durch die älteste Inventar-Aufnahme*) als „möhrischer*) Huet" gegebene
Bestimmung als Kopfputz (welche nur der gelehrte und gewissenhafte v Sacken
seitdem — 1855 — gebührend wieder geachtet) durch tiefere wissenschaftliche
Gründe neu zu befestigen gesucht hatte, hat sich Hr. Sei er durch eine an der Arbeit
der Frau Nuttall geübte Kritik in der Sitzung der Gesellschaft vom 19. Januar
1889 (Verhandl. S. 63) auf die Seite von Hochstetter's gestellt Nach Herrn
Sei er' 8 scharf geäusserter Ansicht (ebendas. S. 69) erscheint ihm durch Frau
NuttalTs Ausführungen v. Hochstetter's Deutung gestützt, statt widerlegt zu
sein. Prau Nuttall würde also durch ihre fleissige Arbeit das Gegentheil von
dem erreicht haben, was sie erreichen wollte, v. Hochstetter's an sich schon
für naive Denker verwunderliche Deutung gestützt, statt beseitigt haben, und wenn
ein Forscher von der Bedeutung Hm. Seler's sein Schwergewicht zu Gunsten
einer, wenn auch verwunderlichen Deutung mit einsetzte, so konnte angenommen
werden, dass wohl v. Hochstetter und nicht Frau Nuttall in der Deutung Recht
habe, dass die kostbare Reliquie im Wiener Museum trotz der, F. v. Hochstetter
gegenüber überlegenen Kenntniss mexikanischer Dinge auf Seiten der Frau NuttalL
so sonderbar auch dann die Form des Gegenstandes erscheinen musste, eine
Standarte und kein Kopfputz sei.
Es erschien mir unter solchen Umständen nur als ein Akt der Gerechtig-
keit, wenn ich Fi-au NuttalTs Darlegungen unabhängig ftlr mich prüfte, und da
diese Prüfung mich zwang, in dem wesentlichen Ei^bniss, dass der Wiener
1) Das Prachtstück altmexikanischer Federarbeit aus der Zeit Mont«iQma's im Wiener
Museum von Zelia Nuttall.
2) F. v. Hochstetter, üeber mexikanische Reliquien aus der Zeit Montesuma^B, to
Denkschriften der k. k. Acadeinie der Wissenschaften zu Wien, Phil.-hisior. Klasse 1884,
Bd. XXXV.
3) in dem Inventar der ehemaligen Ambraser Sammlung vom Jahre 15%.
4, .,Möliriöch'' in den ältesten Katalogen aller Sammlungen bei Angaben ans diMcr
Zeit fast immer statt ..indianisch''.
(U5)
Grcgenstand eiöen Kopfputz darstellt, mich wieder auf Seite der Frau Nuttall zu
stellen, so möchte ich mir erlauben, auch Tor der Gesellschaft unter Vorlegung
der Gründe diesen Standpunkt einzunehmen.
Ferdinand von Hochstetter hatte in einer ausführlichen Beschreibung des
Gegenstandes gebührend angegeben, dass an der Rückseite des Gegenstandes ein
Netz sich befunden habe, dessen sackartige Oeffnung gerade gross genug war, um
einen Kopf aufzunehmen. Lassen wir v. Hoch stet ter's bedenklichen, weil nur
zu leicht umzukehrenden Schluss, dass die „kapuzenartige Oefifnung" irrthtimlich
die AufiTassung als Kopfschmuck herbeigeführt habe, bei Seite, so hätte, selbst
ohne auf die an das Vorhandene knüpf baren Schlüsse Rücksicht zu nehmen, Herr
Sei er (S. 63) nicht äussern sollen, dass von der Befestigung keine Spur mehr vor-
handen ist, welche bei der Entscheidung der Frage über die Bestimmung des
Gegenstandes mit behülflich sein könnte. Die „kapuzenartige Oeffnung, gross
genug, um einen Kopf aufzunehmen**, bildet ein Moment in den thatsächlichen
Verhältnissen des Gegenstandes, auf welches für die Ausdeutung des Gegenstandes
Rücksicht zu nehmen, Frau Nuttall sehr wohl berechtigt, ja verpflichtet war.
Gäbe es nicht noch gewichtigere Gründe, so bildete dieser schon einen der ge-
wichtigsten^ den Gegenstand als Kopfputz anzusehen, und es muss als unberechtigt
angesehen werden, der Schlussrichtung v. Hochstetter's folgend, einem so wich-
tigen Umstände, weder für, noch wider, eine Beachtung zu schenken.
Der Auffassung der Frau Nuttall, dass das (vollständig genau nach dem Original
hergestellte!) Modell vorzüglich als Kopfputz dem Kopf sich anpassen lasse, steht
der Befund v. Hochstetter*s, welchen Hr. Seier S. 64 erwähnt, dass der Schmuck
wegen der an der Rückseite befindlichen Versteifungen nicht als Hut zu brauchen
sei, gegenüber. Wer kann ermessen, ob von Hochstetter das Experiment
des Anpassens in richtiger Weise angestellt hat! Wenn er nicht sagte, dass die
Versteifungen hinderten, so müsste angenommen werden, dass der Mangel der
Versteifungen (weil sie nehmlich am Original gebrochen sind) das Gelingen des
Experiments verwehrte. Die Versteifungen selbst aber können, in mit dem Ge-
lingen des Experiments durch Frau Nutt all übereinstimmender Weise, wenn man
ihre Wirkungen theoretisch prüft, bei recht angestelltem Experiment nicht wohl
hinderlich gewesen sein. Ausser einer dreitheiligen, die Mitte sichernden Ver-
ästelung (Frau Nuttall, Taf. I. Fig. Ib) und zwei tangential an den halbkreis-
förmigen Ausschnitt angeschmiegten, nach der Mitte zu die schmalen Seitentheile
des Fächers nicht verlassenden Querstäbchen, besteht die Versteifung ausschliess-
lich aus radial gestellten Stäben, worin der Beweis zu finden ist, dass der Gegen-
stand bestimmt war, in seiner Fläche seitlich gebogen gebraucht zu werden. Die
radialen Stäbe schützten nur vor einem Zusammenklappen der inneren Theile mit
den äusseren. Die tangentialen Stäbe konnten, da sie keine den inneren Rand in
eine bestimmte Richtung zwängende Stützen waren, die willkürliche, einer Kopf-
rundung entsprechende Biegung des inneren Randes nicht wohl hindern. Im
Ganzen begünstigten sie die Abbiegung der schmäler gebildeten Seitentheile nach
hinten, und konnten höchstens die Wirkung äussern, wenn der Gegenstand einem
Kopf umgelegt wurde, die der Mitte des Fächers nächst gelegenen Theile der
schmäleren Seitenstücke an ihren oberen Enden nach aussen zu drängen, dafür
die endigenden äusseren oberen Ecken der Seitenstücke um so mehr einwärts über-
fallen zu lassen, wie es unter Umständen für einen derartigen Kopfputz besonders
zweckmässig gefunden werden konnte. Es scheint demnach, dass auch die Ver-
steifungen in der Frage, wozu der Gegenstand gebraucht worden sein kann, in
ganz bestimmter Weise zu Gunsten der Verwendung als Kopfputz auszudeuten
Verbandl. der Berl. AnUirop. Gesellscbaft 18:^1. 10
(146)
sind. EUngegen bedürfte es zur Annahme der Standartendentung nach dem Be-
fand der Versteifungen einer Anzahl hypothetischer besonderer Voraussetzangen
über die Art, wie der Gegenstand getragen nnd befestigt worden sein könnte, um
diese denkbar erscheinen zu lassen.
Einen bindenden Beweis für den Werth des Wiener Federschmuckes als Kopf-
putz hatte Frau Nuttall in der einem aztekischen Wanderer Apanecatl zugeschrie-
benen Hieroglyphe des Ms. Boturini (bei Frau Nuttall a a. 0. Taf. I. Fig. 9, bei
Hrn. Sei er S. 64. Fig. 1) zu erkennen geglaubt, — einer Hieroglyphe, deren Aehn-
lichkeit in einem Bestandtheil mit dem Wiener Federschmuck erkannt zu haben,
auch Herr Seier der Verfasserin als entschiedenes Verdienst angerechnet hat
(S. 67). Folgerte Frau Nuttall aus der Existenz dieser Hieroglyphe auf den
Werth des Wiener Federschmuckes als Kopfputz, so umgekehrt Hr. Sei er gerade
auf die Geltung als Standarte. Einige der von Hrn. Sei er vorgebrachten Ein-
würfe haben sich inzwischen durch neu von Frau Nuttall gefundene Thatsachen
selbst widerlegt.
Frau Nuttall schloss aus der Kopfputzform (halbkreisförmiger Ausschnitt! vgl.
auch die Abbildung des Copilli bei Frau Nuttal 1 Taf. I. Fig. 2) in dem oberen
Bestandtheil genannter Hieroglyphe auf Kopfputzwerth. Mehrere Stellen in Fra
Bernardino de Sahagun's Historia, in welchen von gewissen Abzeichen („Divisas")
„Apanecayotl" neben Schilden die Rede ist, gaben Frau Nuttall Veranlassung, in
diesen Abzeichen Kopfbedeckungen zu sehen und dieselben mit dem oberen Theil
der dem Ausdruck des Namens „Apanecatl" dienenden Hieroglyphe in Vorbindung
zu bringen. Eüergegen hatte Hr. Sei er 1. sachliche, 2. hieroglyphisch-formale
Gründe. Das Sachliche hat sich durch Frau NuttalTs und auch Hrn. Seler^s
neuere Erfahrungen schon widerlegt. Das sachliche Bedenken war folgendes: Da
die Abzeichen „Divisas" „Apanecayotl" bei Sahagun den Schilden gegenüber-
gestellt sind, sei es falsch, in ihnen Kopfbedeckungen und nicht die den Schilden
als Abzeichen gegenüberstehenden ganzen Rüstungen zu sehen. Wäre der Ein-
wurf richtig, so wäre die Annahme der Frau Nuttall, der obere Theil der Hiero-
glyphe drücke einen Kopfputz aus, unbegründet gewesen. Nun hat aber schon
Frau Nuttall in einer Mittheilung, welche sie dem Pariser Congress der Ameri-
kanisten 1890 übersandte, darauf hingewiesen, dass in der That unter den Ge-
schenken, welche Montezuma Cortes übersandte, eine Corona sich befand, welcher
der Name „Apanecayotl" zukam (spanischer und dazu correspondirender Nahna-
Text von Sahagun's Historia 9. Buch). Andererseits hat Hr. Seier in Veröffentl.
aus dem Königl. Museum f. Völkerkunde 1890, I. Heft 4 („Ein Kapitel aus dem
Geschichtswerk des Sahagun**) S. 124 selbst den Ausspruch gethan, dass „Quetzal-
apanecayotl Ausdruck für den Kopfputz des Gottes (Huitzilipochtli) zu sein scheine".
Ob das Recht, Apanecayotl, wie Frau Nuttall thut, als einen generellen Ausdruck
für Federkopfschmuck überhaupt anzusehen, erwiesen ist, kann man mit Hm. Sei er
(8. 68) bezweifeln. Doch dies ist unwesentlich. Es berührt nicht die Frage, ob
ein einzelner Kopfschmuck unter Umständen als ein „Apanecayotl*^ angesprochen
werden darf.
Es bleiben die hieroglyphisch-formalen Bedenken, auf welche heute, wie 1889,
Hr. Seier Gewicht legte.
Es ist Hrn. Sei er zuzugeben, dass die Deutung, nach welcher die angeführte
Hieroglyphe des Codex Boturini im oberen Theil ein Apanecayotl aufweist, womit
der ganze Name Apanecatl genügend zum Ausdruck gebracht erscheinen m&sste,
nur unter der Annahme möglich ist, dass das untergeschriebene „Atl*", Wasser,
keinen selbständig in dem Laut der Hieroglyphe zum Ausdruck kommenden Be-
CU7)
deutungswerth hat, also als ein reines Ergänzungszeichen wirkt. Nun bestreite
Hr. Sei er (8. 68) das Vorkommen der Ergänzungszeichen nicht schlechthin. Er
erklärt sie nur für so vereinzelt, dass sie keiner weit hergeholten und yiele un-
sichere Elemente aufweisenden Erklärung als Stütze dienen könnten. Er bestreitet
der Deutung blos die „besondere Wahrscheinlichkeit", keineswegs die Möglichkeit,
alles dies aber unter der Voraussetzung, dass der Bedeutungswerth : Kopfschmuck
für Apanecayotl nicht blos ein unsicherer, sondern sogar anzuzweifelnder sei.
Durch die Festigung, dass Apanecayotl wirklich Ausdruck für Ropfschmucke ist,
erscheint aber die &klärung der Hieroglyphe mit Zugrundelegung von „Apanecayotl"
für den oberen Theil durchaus nicht mehr so weit hergeholt und so viele un-
sichere Elemente aufweisend. Dfe Sicherheit, mit welcher Hr. Seier ein von
FVau Nuttall angeführtes Beispiel ähnlicher Anwendung eines Ergänzungszeichens
(Acolhnacan, dargestellt durch „Acolli", Schulter, und „Atl", Wasser, a. a. 0. S. 64
Pig. 10) anders deutet, ist jedenfalls keine grössere: Acolhuacan scheint ihm, wie
atl, mit langem An fangs-a gesprochen, und dieser Unterschied gegenüber „Acolli",
Schulter, mit kurzem Anfangs-a (Accent saltillo) scheint ihm in der Hieroglyphe
zum Ausdruck gebracht. Also auch die Beweise gegen die Wirkung von Atl,
Wasser, in der Hieroglyphe als Ergänzungszeichen sind doch recht unsichere.
Eine Berechtigung, ein Zeichen als Ergänzungszeichen für eine supponirte Deutung
in Anspruch zu nehmen, in der Weise, wie es Frau Nuttall gethan hat, besteht
also zur Zeit und ist noch nicht genügend angezweifelt worden *);
Neben die Gründe geilen die Deutung der Hieroglyphe des Codex Boturini
mit dem Werth „Apanecayotl" im oberen Theil, stellte Hr. Sei er Gründe für eine
Deutung mit Annahme des Werthes pan (also Standarte, pantli) im oberen Theil.
Er schloss (S. 67) aus dem Parallelismus der Boturini - Hieroglyphe mit einer
Hierogl3rphe des Ms. Aubin (1- c. S. 64 Fig. 2), welche beide dem Ausdruck des
Namens „Apanecatl" dienen, beide das Zeichen ätl, Wasser, untergeschrieben
zeigen, und nur von einander dadurch abweichen, dass das eine den bekannten
iacherförmigen Zierrath, das andere die Fahne (pantli, Banner, also ä-pan: Apane-
catl) oben zeigt, — dass auch der Fächer in der Boturini-Hieroglyphe nur ein Banner,
pantli (A-pan: Apanecatl), natürlicher Annahme nach darstelle.
Allein dieser Schluss hat keine hohe Berechtigung. Die mexikanischen Hiero-
glyphen bieten so zahlreiche Varianten für gleiche Namen, dass ein Recht, aus
ähnlicher Constitution zweier Zeichen, welche Gleiches ausdrücken, auf lautliche
und sachliche Identität auch aller ihrer Bestandtheile zu schliessen, stracks zu
leugnen ist. Es wäre tiberflüssig, dafür noch Beispiele bringen zu wollen. Nur
gegen die psychologische Harmonie der beiden Hieroglyphenschreiber, dessen des
Codex Boturini und dessen des Ms. Aubin, in der Wiedergabe der Namen der
1) In interessanter Weise fungirt ätl, Wasser, wenn nicht überhaupt, so mindestens
durch seinen Stellungswerth als Ergänzungszeichen in der Hieroglyphe für Acolman, wenn
man die Hieroglyphe für Acolhuacan daneben betrachtet (Hr. Penafiel, Nombres geo-
grÄficos de Mexico 1885 p. 46, Atlas Taf. II). Das Zeichen für Atl, Wasser, das bei
„Acolhuacan" (siehe Verh. 1889, S. 64, Fig. 10) der Schulter übergeschrieben ist, halbirt
hier den dargestellten Arm, um neben „Schulter" Acolli auch die Hand „maitl" als lautende
Bestandtheile des Zeichens zu markiren.
üebrigens wird „Atl", Wasser, als lautlich wirkender Bestandtheil in den Hieroglyphen
für „Acolhuacan" und „Acolman" dadurch unsicher, dass in der Hieroglyphe fur-,Acol-
nahnaC (bei Hm. Penafiel 1. c), wo in dem Zeichen für „um-herum" ein auf die
Schulter („Acolli- ; hinweisendes Zeichen schon genügend gegeben ist, auch das als ä
dehnend angesehene Zeichen »Atl" weggeblieben ist.
10*
(U8)
zusammenhängenden Ileihe der 4 aztekischen Wanderer, Quauhcouatl, Apanecail,
Tezcacoatl, Chimalman, aus welcher Hr. Sei er auch einen Beweis für die Wahr-
scheinlichkeit des Lautwerthes „pantli", Banner, im oberen Theile der Boturini-
Hieroglyphe zu schöpfen scheint, sei entgegnet. Hr. Seier sagt, die Hieroglyphen
stimmten in beiden Codices für den 1 ., 3. und 4. Namen (also wahrscheinlich auch
ftlr den 2.). Jedoch die angenommene Harmonie fehlt auch bei dem ersten der
Namen. Der Codex Boturini drückt Quanhcoatl durch eine „adler-(quauh"-)köpfige
Schlange („Coatl"), das Ms. Aubin durch einen schlangen-(„coatl"-)beköpften Holz-
klotz („quauitP) aus. Uebrigens ist das Ms. Aubin jünger, als das Ms. Boturini,
in seinen Hieroglyphen auch sonst vereinzelt brachylogischer, selbst die Aus-
führung der Zeichen darin nicht sehr schön. I^elleicht steht die Hieroglyphe de«
Codex Boturini mit ^Apanecayotl", für „ApanecatI", an inhaltlicher Genauigkeit
ähnlich über der Hieroglyphe des Ms. Aubin „Apan" für „ApanecatI". Jedenfalls
hat die Fahne „pantli" in der Hieroglyphe des Ms. Aubin nichts Verbindendes
für die Annahme, dass auch in der entsprechenden Hieroglyphe des Codex Boturini
der abweichend dargestellte und in keiner Weise unmittelbar als Banner an-
zusprechende obere Theil der Hierogl3^he ein Banner veiTgegenwärtigt. Dazu
kommt nun noch folgende Erwägung. Die verschiedenen ßannerabzeichen hatten,
wie wir z. B. aus Sahagun wissen, verschiedene Namen. Das einfache Banner,
dessen Bild darum auch gut für den generellen Ausdruck für Banner stehen kann,
ist die Fahne pantli. Sie ist ein so einfaches Zeichen und gezeichnet frei von
der Gefahr der Missverständlichkeit, dass nie und in keiner Weise für einen
mexikanischen Hieroglyphenschreiber ein Grund vorliegen konnte, beliebig, also
nach Laune, nach einem anderen, ein Banner unter Umständen vergegenwärtigenden
Zeichen zu greifen, um den Laut des einfachen Banners „pantli" zu erzeugen.
Ein ungewöhnliches Banner, wie das in der Hieroglyphe des Codex Boturini ver-
suchter Annahme nach vorliegende, würde sicher einen abweichenden, in die
Hieroglyphe darum nicht passenden Laut erzeugt haben, ganz abgesehen davon,
dass es unter Umständen, wie das in der Boturini-Hieroglyphe vorliegende, miss-
verständlich werden konnte. Gerade der Umstand, dass der obere Theil in der
Boturini-Hieroglyphe nicht mit der gewöhnlich und regelmässig für die Silbe ^pan**
angewandten Form eines Banners ., pantli" stimmt, berechtigt und muss bestimmen,
einen anderen, nicht mit dem Begriff „Banner'^ zusammenhängenden Lautwerth fOr
diesen Theil des Zeichens aufzusuchen, in der Weise, wie es durch Frau Nuttall
geschehen ist. So weist also die Hieroglyphe, trotz Hm. Seler's 18K9 geäusserter
Ansicht, selbst darauf hin, in ihrem oberen Theile einen anderen Ausdruck, als
einen für „Banner^, zu vermuthcn. Dass dies dann einer für Kopfputz (gemäss
dem halbkreisrörmigen Ausschnitt und dem Vorkommen des Lautwerthes „Apanc-
cayotl" für Kopfzierden), also der Laut „Apanecayotl" sein muss, scheint mir
zweifellos. Gegen die Hypothese von Frau Nuttall, der obere Theil der Boturini-
Hieroglyphe stolh ein Apanecayotl, einen Kopfschinuck, dar, scheint sich darnach
nichts Begründetes einwenden zu lassen.
Was F. V. Hochstetter veranlasste, den Wiener Federschmuck als Standarte
anzusprechen, war das ihm unter die Hände gerathene, nach seiner eigenen Auf-
fassung etwa zwischen IBsO und 17.'U) (also 160— 200 Jahre nach der Entdeckung!)
entstandene Bild der nach Wien gelangten Biliraekschen Sammlung (Denkschriften
a. a. 0. Taf., Frau Nuttall 1. c. Taf. I, Fig. r>), auf welchem in ganz vereinzelter Weise
ein derartiger Fächer standartenartig angejreben ist. Die Begründung F. v. Hoch-
stetter's für seine Deutung im Anschluss an dieses Bild war eine wenig ein-
gehende. Dem Beweise aus diesem Bilde hatte Hr. Sei er den aus der Hiero-
(149)
glyphe des Codex Boturini neu geschöpften zug:efügt, welcher, wie wir gesehen,
nicht stichhaltig ist. Dem Biliraek'schen Bilde hatte Hr. Seier wegen seines
augenscheinlich späten Ursprungs nur beschränkte Beweiskraft zugemessen (Verh.
S. 68). Heute theiltc er allerdings mit, dass es ihm vor Kurzem bei einer An-
wesenheit in Paris gelungen sei, zu dem Bilimek'schen Bilde das ältere Original
desselben (welches einen höheren Beweiswerth wohl besitzen könnte) aufzufinden.
Allein dieses Original liegt •öfiTentlich, durch Hm. Sei er' s Bemühung, noch nicht
vor. So lange es noch nicht vorliegt, nicht einmal näher beschrieben, bloss als
existirend behauptet ist, wird man zweifeln dürfen, dass es diejenigen Stützen
dem zur Zeit allein vorliegenden Bilimek'schen Bilde gewährt, durch welche dieses
an seinen schwachen Punkten für die vorliegende Frage beweiskräftiger würde.
Frau Nuttall hatte das Bilimek sehe Bild als Beweis standartenartigen Gebrauches
des Wiener Federschmuckes in der Form zu entkräften gesucht, dass sie die hinter
dem Kopf des Kriegers sichtbare Standarte sinnbildlich, als Hieroglyphe, erklärte.
Hm. Sei er pflichte ich unumwunden bei darin, dass er die Berechtigung, diesen
Gegenstand nur sinnbildlich zu nehmen, bestreitet. Denn ich trete ihm darin
bei, dass die sinnbildliche Deutung der hinter dem Krieger sichtbaren Gegen-
stände in dieser Art dem widerstreitet, was über die Verwendung hieroglyphischer
Bilder bekannt ist. Aber mit dem Zugeständniss an Hm. Sei er, dass der fächer-
förmige Gegenstand in dem Bilimek'schen Bild kein blosses hieroglyphisches Sinn-
bild ist, sondern eine Standarte sein soll, ist noch nicht gesagt, dass diese Dar-
stellung einer Standarte eine auch für Annahme des Vorkommens ähnlicher Standarten
hinreichend glaubwürdige ist. Sowohl F. v. Hochstetter, wie Frau Nuttall,
haben den am Kücken des Kriegers sichtbaren parallelepipedischen Gegenstand für
ein Haus angesehen. Dieser ist eine Art Kasten, an welchem dunkle, unterschied-
liche Thür- und Fensterausschnitte deutlich wahrzunehmen sind. Anstatt sich,
was richtig gewesen wäre, von so charakteristischen Merkmalen zur Annahme der
Darstellung eines wirklichen Hauses leiten zu lassen, leitete Hr. Sei er umgekehrt
aus der, dem gegenüber nebensächlichen Thatsache, dass „in den Bilderschriften
und noch in späten, verderbten Copien das Haus in übereinstimmender, aber anderer
Weise" wiedergegeben wird, ab, dass der Gegenstand nur vermeintlich ein Haus
und aller Wahrscheinlichkeit nichts weiter sei, als eine Art Rückengestell, welches
zur Befestigung der Standarte diente. Dass der Fertiger des Bildes ein Haus
darzustellen dachte, ergiebt auch der rothe Fries am Hause, welcher rothen fries-
artigen Linien an zahlreichen Hausbildcm der Bilderschriften (vergl. Frau Nuttall
Taf. 1 Fig. 10, Pe na fiel, 1. c. Taf. 14: „Huitznahuac^, u. a.) entspricht. Die
Darstellung des Hauses darf also in dem Gegenstand nicht bezweifelt werden.
Zugleich aber müsste das Haus hier der Standarte als Traggestell dienen. Dieses
Haus als Standartengestell wäre aber das einzige Vorkommniss der Art in der ge-
sammten bilderschriftlichen Literatur der Mexicaner. Vergleicht man die sonstigen
abbildlichen, rost- oder gitterförmigen Traggestelle von Standarten (mehrere Bei-
spiele bei Frau Nuttall Taf. H Fig. 8, 12, 23, 25, 27), so muss man sich sagen,
dass auch die Hausform, motivisch auf derartige Standartentraggestelle angewendet,
bei den alten Mexikanem auf jeden Fall höchst widersinnig erschienen sein müsste.
Wie das Haus als Standartengestell auf den Kücken des Kriegers gekommen ist,
braucht den Kritiker nicht weiter zu beschäftigen. Die Thatsache, dass es vorliegt,
stempelt aber das Bild zu einer Erscheinung, welches des Beimessens irgend einer
Beweiskraft in kritischen Fragen so unwürdig ist, dass man sich mit den näheren
Umständen der abgebildeten Standarten noch näher zu beschäftigen eigentlich nicht
nöthig hätte. Thatsache ist jedoch, dass die Standarte des Bilimek*schen Bildes
(150)
nach dem ungefähr für sie anzunehmenden Flächenraume eine der grössten ror-
gekommenen gewesen sein würde, dabei zugleich wahrscheinlich die einzige, welche
mit ihrer breiten gestreckten Fläche gerade nach vom gekehrt getragen worden
wäre. Krieger, welche im Kampf stehen, dürfen, wenn sie, wie es bei den
Mexikanern der Fall war, ihr Banner selbst führen, keine durch seine Grösse oder
Tragweise im Kampf hinderliches Banner führen. Dieser praktische Gesichtspunkt
wäre an keinem der sonst abbildlich bekannten Banner allem Anschein nach so
wenig beiücksichtigt, als an dem Banner des Bilimek'schen Bildes.
Das Bild kann also als ernster Beachtung werthe Instanz für standartenartigen
Gebrauch des Wiener Federschmuckes kaum weiter betrachtet werden.
Die Kritik des Hrn. Sei er an den Darlegungen Ton Frau Nuttall war eine
rein formale. Es wäre aber doch wohl berechtigt gewesen, mit in Erwägung zu
ziehen, dass ein Gregenstand fächerartiger Form mit wesentlich radialen Ver-
steifungen, die dazu so dünn sind, dass sie sicheren Widerstand starkem Wind
nicht entgegensetzen konnten, derartig getragen, wie es nach dem Bilimek'schen
Bilde der Fall sein würde, in keiner Weise gedacht werden kann.
Eigenthümlich verwickelt haben sich die Beziehungen zu den helroartigen
Zierrathen der Tributlisten dadurch gestaltet, dass Hr. Seier seine Auffassung von
letzteren seit seinen Entgegnungen vom Jahre 188^, wo er ihre Aehnlichkeit mit
dem Wiener Federschmuck nicht anerkannte, in die als Standarten verändert hat,
bei welcher ihm die Anerkennung ihrer Aehnlichkeit mit dem Wiener Feder-
schmuck von seinem Standpunkt aus eigentlich dienlich sein mUsste.
Nach Hrn. Seier (Verh. 1889, S. 65) hatte der Wiener Gegenstand mit den
helmartigen Zierrathen der Tributlisten des Codex Mendoza (siehe bei Frau Nuttall
Taf. II, Fig. 7, 9, 10, bei Hrn. Sei er S. 70, Fig. 12 a, b) nichts zu thun, da diesen
letzteren der stutzartige Theil, welcher bei ersterem ein so wesentliches Kenn-
zeichen bildet, abging. Allein Hr. Seier gab sich hier den Anschein, als habe er
in einem Kennzeichen, welches eigentlich nur die Behauptung der Ranggleichheit
der Abzeichen zu treffen geeignet ist, das Mittel gefunden, die Behauptung auch
der allgemeinen constructiven Gleichheit zu widerlegen. Der Stutz hat für die
Frage Wichtigkeit, ob der Putz von einem König getragen worden ist, nicht jedoch
für die Frage, ob der Gegenstand ein Kopfputz ist. Sein Vorhandensein bertlhrt
nicht die principieile Construction des Gegenstandes. Sieht man aber auf diese,
also auf die allgemeine Form ohne den Stutz, so ist eine engere Uebereinstimmung,
als zwischen dem Wiener Gregenstand und den helmartigen Zierden der Tribut-
listen besteht, kaum denkbar. Es scheint ein hinreichender Grund darin zu liegen,
diese constructiv homologen Gegenstände auch ihrer allgemeinen Verwendungsart
nach für gleichartig zu erklären.
Das Fehlen der Kappe, welche Hr. Sei er für die helmartigen Zierden der
Tributlisten annahm, genügt nicht als Einwand gegen den Gi^brauch des Wiener
Federschmuckes als Kopfputz, da dieser Gebrauch auch ohne Vorhandensein einer
Kappe denkbar wäre, oder die Kappe auch früher vorhanden gewesen sein könnte.
Nun hat aber Hr. Sei er neuerdings die bisher für Helme angesehenen Zier-
rathen der Tributlisten des Codex Mendoza als Banner erklärt. Nach seiner Auf-
fassung sind an diesen die Standartengestelle durch eine — an sich ja vielleicht
denkbare — Willkür der Zeichner nur zufällig weggelassen worden. Er setzt
diese Helme den helmartigen Standarten, welche in einigen Abbildungen in un-
publicirten Theilen von Handschriften vorkommen (siehe z. B. den 3. Krieger in
Fig. 2), gleich, was natürlich richtig ist; schreibt ihnen den Namen ^Quetzalpatzactli*^
oder ^Patzactli^ zu, wozu auch Wahrscheinlichkeitsgründe vorliegen dürften; und
(151)
schreibt dieaen Zierrathen auch die Bczeichnong „Tzontli", Haare, zu (man ver-
gleiche tlanhqDechol tzontli bei Tezozomoc und Sahagan, xiahtototzontU und
andere mehr bei Sahagun), womit bei Tezozomoc ausdrücklich an einer
Stelle ein Standarten artig getragener Schmuck gemeint ist. Die dagegen
sprechenden Zeugnisse des Codes Vaticanus A und des Atlas von Dnrän, in
welchen derartige Zierrathe auf Köpfen von Königen erscheinen, erklärt er als
irrevalent, weil diese Bilderwerke ihres immerhin jüngeren Entstehens wegen eine
geringere Anerkennung verdienten.
Da ist jedoch gleich einzuwenden, ob mnn denn mit solcher Leichtigkeit in
einem solchen Falle über die in anderen Dingen doch immer noch werthvollen
Autoritäten dos Atlas von Durän und des Codex Vaticanus A weggehen darf!
Aber zugegeben, es bestünde eine solche Berechtigung, deren nähere Erörterung
an vorliegender Stelle zu weit abfiihren wtii-dc, so scheint gerade der Änsdmck
„zontli", „Haare", welchen Hr. Seier selbst anf die „patzactli" bezieht, darauf
hinzuweisen, dasa solche Gegenstände auch als Kopfschmuck gebraucht wurden,
weil man sich nur unter dieser Voraussetzung recht erklaren kann, wie der Aus-
druck „Haare" (also Scheinhaopthaare, von Federn des Tlauquechol, des Xiuhtototl)
auf einen Gegenstand anwendbar war, dessen bannerartiger Gebrauch mit den
„Haaren" des Uenschen gar nichts zu thnn gehabt hätte Hr. Seier hatte früher
(Verh. 1889, S. 63) selbst den Standpunkt vertreten, dass die einzelnen Devisen
bald als Kopfschmuck, bald als Banner gebraucht wurden, und man darf ihm
gern auf denselben folgen ').
Derselbe erlaubt die Annahme, dass die helmartigen Zierden der Tributlisten
ausser als Banner auch als Kopfzietden getragen wurden. Ja, wenn man Figur 1
bis a aus der Handschrift dos Sahagnn (nach gütiger Mittheilung von Frau
Nuttall) betrachtet, wo ein Gegenstand einmal (vom 1'. Krieger, Fig. I) als Banner,
das andere Mal (vom 'i. Krieger, Fig. 2) als Kopfbedeckung, Mütze, getragen ist,
Ftgur 1. Fignr 2. Figur 8.
und nichts anderes zu schliessen ist, als dass der Gegenstand eigentlich eine
Mütze ist, welche daneben auch bannerartig getragen werden konnte (man ver-
gleiche auch breite Hüte in Codex Mendoza Taf. 23 als Kopfbedeckung, Taf. 68
1) Wenn man auch das von ihm dufür zuzweit vurgebrachfe Beispiel (Vügul ab
Standarten- und als Kopfachmuck-llniblpiii) als nicht herpassend ablehnen musü. Der
Vogel als Slaadarlp ist ein wirklicher ausgestopfter Vogel (Teioiomnc), der Vojfel
als Kriegeranzug ein in der Form eines Krtegeraninges nachgemachter.
(152)
Fig. 29, bannerartig getragen), so wird man es für möglich zn halten haben, daas
abbildlich und nach Angaben Ton Schriftstellern Gegenstände nor als Standarten
vorliegen, welche eigentlich keine Standarten, sondern Kopfbedeckungen sind, und
als Standarten nur in einem bei ihnen vorkommenden Nebengebrauche vorkommen.
Das Vorkommen von gewissen Gegenständen nur als Standarten schliesst nicht
aus, dass sie unter gewissen Umstünden das Gegentheil von dem sind, was sie
zu sein scheinen, dass sie Kopfbedeckungen und nicht Standarten sind. Das Bei-
spiel der Mützen beweist nehmlich zugleich, dass man es bei einer Entscheidung
über die begriffliche Natur gewisser Gegenstände, welche in zwei Functionen, als
Kopfschmuck und als Standarten, erscheinen, nicht in der Unbestimmtheit zu lassen
braucht, welche aus dem Vorkommen in zwei Functionen an und für sich viel-
leicht hervorgehen könnte. Bieten also die Erwähnungen und Abbildungen der helm-
artigen Zierrathen der Tributlistcn als Standarten keine hinreichende Garantie dafür,
dass sie nicht vielleicht doch eigentlich Kopfbedeckungen darstellen, und enthält die
Bezeichnung „Tzontli" vielleicht sogar etwas der Deutung als Staudarten Wider-
sprechendes, so sind anscheinend auch die Abbildungen der helmartigen Zierrathen
in den Tributlisten nicht frei von Hinweisen darauf, dass sie vielleicht doch besser
als llelme angesehen werden, denn als Banner.
Dass die bisher als Helme angesehenen Zierrathe der Tributlisten und kreis-
theilförmige Banner in denselben grosse allgemeine Aehnlichkeit mit einander
haben, ist jederzeit anerkannt worden. Die Kappe ist etwas anders geformt bei
den „Helmen**, als bei den ^Standarten". Darin besteht nicht der ganze Unter-
schied. Die „Helme" zeigen durchgehend einen breiten äusseren Kranz langer frei-
wallender Endfedern an einem inneren festen Theile, welcher nur die halbe radiale
Breite der ganzen radialen Breite des Schmuckes einnimmt Die entsprechenden
Standarten zeigen jedoch eine fast durch den ganzen Schmuck durchgehende feste
Wand. Nur eine Anzahl ganz kurzer Randfedcm sind dieser Wand peripherisch
aufgesetzt. Die „Helme" zeigen in den lang wallenden peripherischen Aussen-
fedem Uebereinstimmung mit zahlreichen kronenartigen Zierrathen der Bilder-
schriften (man vergleiche bei Frau Nuttall z. B.: Taf. II, Fig. 1, 19, 20, ganz
abgesehen von den Helmabbildungen des Codex Vaticanus A und des Atlas von
Dur an). Analoge Uebereinstimmungen der kreistheilformigen Banner mit kronen-
artigen Zierrathen fehlen. Der Umstand, dass gerade die Uebereinstimmung vor-
handen ist bei Gegenständen, welche auch schon wegen des Fehlens der Standarten-
gestelle nur mit Znhülfenahme besonderer Voraussetzungen für Standarten angesehen
werden könnten, während die Standartengestelle vorhanden sind bei Gegenständen,
welche, auch schon ihrer augenscheinlichen sonstigen Constrnction nach, im Rahmen
der allgemeinen mexikanischen Erscheinungen nicht wohl für Kopfzierden ge-
halten werden könnten, scheint darauf hinzudeuten, dass jene auch wesentlich etwas
anderes sind, als diese, — jene in der That, worauf die Art der Zeichnung zu
deuten scheint, Helme, diese Standarten.
Aus diesen Gründen würde man wohl die weitere Entwicklung der Frage,
ob die helmartigen Zierrathe der Tributlisten durchaus Banner sein müssen, ab-
zuwarten haben, ehe man genöthigt werden könnte, auf die Unterstützung, welche
sie der Deutung des Wiener Federschmuckes als Kopfschmuck gewähren, zu ver-
zichten.
Uobrigens ist die kreisviertelartige Form der Standarten, seien nun die mit
Standartengestellen abgebildeten (siehe bei Frau Nuttall Taf. II Fig. 8, 12, 23)
allein, oder auch die ohne Standartengestelle abgebildeten helmartigen Zierden
solche, nach der Abnormität dieser Form für Standarten und ihrer Aehnlichkeit
(153)
mit Ropfsierden im Allgemeinen, jedenfalls auf keiner f^reien Erfindung dieser
Form für Standarien beruhend, sondern eine aus einer Ropfschmuckform abgeleitete.
Damit wtlrde auch das Vorhandensein der ron Hrn. Sei er für die helmai-tigen
Zierden angenommenen Rappe stimmen. Die Beziehung dieser Form auf Kopf-
zierden wird man daher in keiner Weise ganz zu beseitigen im Stande sein.
Dem Anschein nach sind die helmartigen Zierden der Tributlisten ächte Ropf-
bedeckungen; der üebergang der reinen Ropfschmuckform in die reine Standarten-
form wäre dagegen am deutlichsten bei der Standarte erkennbar, welche von Frau
Nuttall Taf. II Fig. 23, von Hrn. Sei er S. 76 abgebildet ist, da hier neben der
ausgeprägten kreisviertelartigen Ropfschmuckform der reine, den Gebrauch als
Ropfputz vollständig ausschliessende Standartencharakter am klarsten ersichtlich ist.
Sehen wir nun in den verglichenen helmartigen Zierrathen der Tributlisten
ihrer wesentlichen Natur nach Ropfzierden, dem praktischen Gebrauche nach Gegen-
stände, welche sowohl auf dem Ropfe, wie standartenartig getragen werden konnten,
so braucht doch für den Wiener Federschmuck, wenn wir ihn der Analogie nach
für einen Ropfschmuck halten, nicht auch, zugleich zu folgen, dass auch er stan-
dartenartig getragen irgendwo vorkommen musste. Denn der Stutz kennzeichnet
ihn als das Abzeichen eines besonderen Amtes, für welches erst noch in be-
sonderer Weise nachgewiesen werden müsste, dass auch seine Verwalter eventuell
in die Lage kamen, ihr Ropfputzabzeichen als Standarte hinter sich tragen zu
müssen. Gesetzt aber den Fall, der Wiener Federschmuck wäre als Ropfputz
auch in die Lage gekommen, als Standarte getragen zu werden, so würde er nach
allen Analogien der standartenartig getragenen Helme, und der aus ihnen ent-
wickelten festen kreisviertelartigen Standarten nicht halbkreisförmig entfaltet, wie
es das Bilimek'sche Bild andeutet, sondern kopfputzartig (also doppelt, kreisviertel-
artig) zusammengefaltet getragen worden sein. Das Bilimek'sche Bild behielte
also selbst dann nicht Recht, wenn man auch nur die Möglichkeit des Tragens
eines Ropfschmuckes, wie des Wiener, in der Art des Bilimek'schen Bildes ins
Auge fassen wollte.
Es ist ja recht verdienstlich, dass Hr. Sei er auf die Aehnlichkeit der Ropf-
bekleidung an der Abbildung eines am Xocotl (Hist. de la Indias de N. Esp. 1867,
Atlas: Trat. 2 lam 8 cap. 12 fig. b) hingewiesen hat. Nur sollte er bemerkt haben,
dass es sich in der Abbildung nicht um eine Vogel-, sondern um eine Fledermaus-
Verkleidung handelt, welche ja nach dem Texte Dur an 's (1. c. II 168) an diesem
Feste neben der Vogelverkleidung üblich war, und speciell in der Abbildung an
den Ohren (bei Hrn. Sei er auch an den Zähnen) und den Flughäuten des Thieres
(unter den Armen des Tänzers) sichtbar ist. Ob die, in der von Hrn. Sei er an-
geführten Sahagun-Stelle angedeuteten, vogelartigen Bekleidungen der Röpfe von
tanzenden Rönigen (S. 65) dem Wiener Federschmuck in bedeutsamer Weise
ähnlich waren, muss deshalb als fraglich erscheinen, weil daran die Schwanzfedern
des Vogels herabhängend, die Flügel aber hörnerartig aufragend geschildert sind,
was beides mit dem Wiener Ropfschmuck nicht stimmen würde.
Gesetzt aber, der Wiener Federschmuck wäre eine derartige Vogelmaske, was
Hr. Sei er zulassen würde, um daraus zu folgern, dass der Gegenstand kein Ropf-
putz sei, wohl aber als Maske auch bannerartig gebraucht sein könne, so ist ein-
zuwenden, dass damit dennoch die specifische Natur des Gegenstandes als Ropf-
bedeckung von Hm. Sei er selbst aufgestellt wäre, wogegen die angenommene
gelegentliche Verwendung als Banner dabei wieder streitig wäre. Denn es fehlt
an hinreichenden Beweisen dafür, dass wirkliche Masken emblemartig am Nacken
(154)
getragen wurden, wie auch das Vorkommen ähnlicher Masken, bannerartig am
Rücken getragen, durchaus hypothetisch wäre.
Die vorausgehenden Erörterungen zeitigen das Ergebniss, dass die Hieroglyphe
des Ms. Boturini für den Namen Apanecatl als Unterstützung für den Gebrauch
des Wiener Federschmuckes als Kopfschmuck in Anspruch genommen werden
darf, dass das Bilimek'sche Bild als Beweis für standartenartigen Gebrauch des
Wiener Federschmuckes keines hinreichenden Vertrauens würdig ist, dass die
helmartigen Zierden der Tributlisten trotz des Einspruches ron Hm. Sei er ver-
muthlich doch Helme, nicht Banner sind, und als Unterstützung für den kopfputz-
artigen Gebrauch des Wiener Federschmuckes ihrer constructiven Analogie wegen
wohl noch niemals in Anspruch genommen werden dürfen, und dass in gewissen
maskenartigen Verkleidungen wohl einige vergleichbare Aehnlichkeiten vorgekommen
zu sein scheinen, nicht jedoch hinreichende, um den Wiener Federschmuck selbst
als Maske bestimmen zu müssen, ganz abgesehen davon, dass er selbst dann als
Kopfbedeckung, statt als standartenartigen Charakters er\i'iesen wäre.
In der ersten Hauptfrage, ob der Wiener Federschmuck als Kopfbedeckung
oder als Standarte anzusehen sei, dürfte demnach Frau Nuttall im Rechte sein,
gegenüber F. v. Hochstctter und dem Vertheidiger seiner Ansicht, Hm. Sei er.
Der Wiener Federschmuck ist ein Kopfschmuck, keine Standarte, seiner con-
structiven Natur und Verwendung nach (siehe Fig. 3).
Es darf nicht verschwiegen werden, dass die Stützen, welche Frau Nuttall
dann für ihre Ansicht vorbrachte, der Kopfputz sei von Montezuma, als Kriegsfürst
und als Hohepriester Huitzilipochtli's, selbst getragen worden, auch mir nicht als
zwingende erschienen sind. Der Vogelschnabel erscheint auf dem Tizoc-Steine
auch an den Kopfzierden der Krieger, der den König Tizoc begleitenden Krieger,
ebenso führt ihn die Göttin Xochiquetzal (bei Frau Nuttall Taf. II Fig. 19) an
ihrem Hauptschmuck; der Stutz wird als Abzeichen der königlichen Kriegshelme,
wenn je, vielleicht nur mit grosser Mühe nachgewiesen werden können; dass der
König Montezuma in der Schlacht den Gott Huitzilipochtli durch seine Tracht
zu verkörpern gesucht habe, dürfte kaum je zureichend begründet werden können,
und ob ihm ausser der Schlacht, eventuell in gottesdienstlichen Handlungen, das
Recht zustand, in der Tracht diesen Gott zu verkörpern, könnte vielleicht einmal
nachgewiesen werden, — es wäre in jeder Hinsicht interessant, wenn es Frau
Nuttall gelänge, — jedenfalls ist es zureichend von ihr noch nicht erwiesen. Von
hohem Interesse, und als möglicherweise vollständig richtig, erscheinen ihre An-
führangen für die Geltung des blau-rothen Streifes an Kopfzierden als Abzeichen-
farbe der Könige oder überhaupt höchstgestellter Personen. Anzunehmen aber,
dass darnach ausser den Königen nicht auch z. B. verschiedene Götter und deren
Hohenpriester mit dem blau-rothen Streifen am Kopfputz geehrt worden sein
könnten, scheint mir gleichfalls unberechtigt. Jedoch alle solche Bedenken, welche
man gegenüber den Ausführungen der Frau Nattall über den Rangwerth des Wiener
Federschmuckes haben könnte, haben sich durch Frau NuttalTs hohes eigenes
Verdienst erledigt, indem es ihr gelungen ist, in dem von ihr neogefundenen Codex
anonimo der Florentiner Bibliothek (dessen Herausgabe auch ihrem hochschätzens-
werthen wissenschaftlichen Eifer verdankt werden soll) eine Abbildung des GotU*s
Huitzilipochtli aufzufinden, welche einen in Constraction, Form und Farben (nur
abzüglich des hier fehlenden Vogelschnabels) genau mit dem Wiener Kopfpntx
stimmenden Kopfschmuck zeigt (Fig. 4). In der schon einmal erwähnten Mit-
theilnng an den Congress der Amerikanisten zu Paris ist dieser Fund von Frau
Nuttall bekannt gemacht und schon verwerthet worden. Frau Nuttall l>ehiklt
(156)
sei vollständig verkehrt. Und Was die angezogene Hieroglyphe apanecatl betreffe,
so sei es eine blosse, auf keiner Thatsache basirte Mathmaassang von Seiten der
Frau Nuttall gewesen, dass der Federschmuck, dessen Zeichnung in der Hiero-
glyphe zu erkennen sei, mit dem Worte apanecayotl bezeichnet worden sei. Und
wenn das zutreffe, wofür der Redner selbst, auf Grund anderer Erwägungen,
Belege beigebracht habe, was in aller Welt hätte dann das Element ätl, „Wasser"
in dieser Hieroglyghe zu thun? Bei der Hieroglyphe Acolhuacan könne man
annehmen, dass auch das Element ätl das lange ä von Acolhuacan, welches in
dem Elemente acolli, „Schulter" nicht enthalten sei, zum Ausdruck gebracht
worden sei. Apanecayotl enthalte aber schon das lange ä, denn das Wort be-
deute: „der Schmuck der Leute, welche ä-pan (am Wasser) wohnen". Hier gebe
es also nichts mehr zu determiniren. Von einer determinativen Vemvendung
von hieroglyphischen Elementen, im Sinne der ägyptischen Hieroglyphik oder der
chinesischen Rlassenzeichen, sei überhaupt in der mexikanischen BilderschriA nir-
gends eine Spur zu finden. Höchstens könne man, und das treffe vielleicht auch
für die in Rede stehenden Hieroglyphen zu, an eine pleon astische Verwendung
hieroglyphischer Elemente denken.
(14) Hr. Ed. Sei er giebt Beiträge
zur mexikaDischen Chronologie mit besonderer Berttcksichtigung des
zapotekanischen Kalenders.
Diese Abhandlung wird in der Zeitschrift für Ethnologie veröffentlicht werden.
(15) Eingegangene Schriften.
1. Goode, G. B., Report upon the condition and progress of the U. S. National
Museum during the year, ending June 30. 1888. (Smiths, fnst. Rep. Smiths.-
Inst. 1887—88.) Washington 1890.
2. Adler, G., Report on the section of oriental antiquities in the U. S. National
Museum 1888. (Smiths. Inst. Rep. Smiths.-Inst. 1887'-88.) Washington
1890.
<i. Watkins, J. E, Report on the section of transportation and engineering in
the U. S. National Museum 1888. (Smiths. Inst. Rep. Nat. Mus. 1887—88.)
Washington 1890.
4. Hippisley, A. E., A catalogue of the Hippisley collection of Chinese porce-
lains, with a sketch of the history of ceramic art in China. (Smiths. Inst.
Rep. Nat. Mus. 1887—88.) Washington 1890.
5. Jouy, P. L., The collection of Korean mortuary pottery in the United States
National-Museum. (Smiths. Inst. Rep. Nat. Mus. 1887 — 88.) Washington
1890.
6. Hough, W., Firc-making apparatus in the United States National Museum.
(Smiths. Inst. Rep. Nat Mus. 1887—88.) Washington 1890.
7. Niblack, A. P., The Coast Indians of Southern Alaska and Northern British
Columbia. (Smiths. Inst. Rep. Nat. Mus. 1887—88.) Washington 1890.
Nr. 1 — 7 Gesch. d. Smithsonian Institution.
8. Polakowsky, H., Antigüedades de Costa Rica. San Jose 1890. Gesch. d. Verf.
9. Schreiner, W., Das Militärdiplom von Eining. (Aus den Sitzungsber. d. kgl.
bayer. Akad. d. Wissensch. 1890. Bd. U. Heft lU.) München 1890. Gesch.
d. Verf.
: 1 :,
t
.IC.
Ausserordentliche Sitzung am 14. Februar 1891.
Vorsitzender Hr. Virehow.
(1) Vorstand und Ausschuss haben Hrn. Antonio Penafiel in Mexico zum
correspondirenden Mitgliede der Gesellschaft erwählt.
(2) Als neue Mitglieder werden angemeldet:
Hr. Arthur Wanjura, Berlin.
„ Professor Dr. JoUy, Berlin.
„ Stud. theol. E. Langhoff, Berlin.
„ Ingenieur Carl Giebel er, Berlin.
„ Chr. Jensen, Lehrer im Oevenum, Holstein.
(3) Das correspondirende Mitglied, Hr. Ladislau Netto, ist nach einem, unter
dem 13. Januar an den Vorsitzenden gerichteten Schreiben nach Rio de Janeiro
zurückgekehrt und hat daselbst sein Amt als Generaldirector des Museu Nacional
wieder übernommen. Die Regierung der Republik hat ihm zur Erwerbung der
nächstgelegenen Privathäuser die Summe von fast 1 Mill. Francs (350 Contos de
Reis) bewilligt, damit die erforderliche EJrweiteruug des Museums bewirkt werden
könne. Die Sammlungen, besonders die zoologischen, versprechen eine grosse
Bntwickelung.
(4) Der verdiente Polarforscher und Entdecker noch lebender CliCT-Dwellers,
Fr. Schwatka, ist zu Mason City, Iowa, in Folge eines Sturzes von der Treppe,
verstorben. Er war 1849 in Gallena^ Illinois, geboren und in der Militärakademie
zu West-Point ausgebildet. Wir erinnern uns mit besonderer Anerkennung der
lebhaften Schilderung seiner schaurigen Reise in den arktischen Regionen zur
Aufsuchung der Reste der Franklin'schen Expedition, die er vor mehreren Jahren
hier in der geographischen Gesellschaft vortrug.
(5) Der Hr. Unterrichtsminister übersendet mittelst Erlasses vom 31. Janaar
für die Bibliothek der Gesellschaft ein Exemplar des 18. Jahresberichtes des
Westfälischen Provinzialvereins für Wissenschaft und Kunst.
(6) Der Hr. Unterrichtsminister iiberschickt zur Mittheilung einen Bericht
des Conservators Hrn. Fr. Tewcs über:
Aasgrabungen und Untersnchnngen bei Ehestorf, Kr. Zeven, und bei Ander-
üngeD, Kr. Bremervörde, in der ProT. Hannover.
In einem Moor nördlich von Ehest orf befand sich unter 3 nahe bei einander
liegenden Hügeln ein grösserer, abgesehen von einigen oberflächlichen« Grabungen,
noch ganz unversehrter. Er mauss 14 m in der Länge, 12 in der, Breite und etwa
ftf
'),
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f!
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(168)
[) der Höhe. Schon in einer Tiere von 1 m stiess man &ut eine Steinse
en Ränder von grossen Steinblöcken bis zu 1 m Länge nnd 30 cm Stärl
let waren. Zwischen den Steinen Tiind sich alsbnid ein ßronzcmesser,
; nnd nn der Schneide 4 cm breit, sowie überull zerstroQt Rohlcnslücke. %
kam ein 24 cm langes Bronzedolchblntt mit 4 ßronzenietcn am Grit
» 20 cm lange Speerspitze ans Bronze zu Tage, welche, ebenso wie ein:
deckter Celt, mit Resten von Leder umhüllt waren. Letzterer Cell
i cm lang und hntte eine Schneidenbrctlc von 4,5 cm\ an ihm sassen noch
es hülzcrnon GriTres. Ausserdem wnrde noch eine Speerspitze
aerstein mit vorzüglich gezähnten Schneiden nnd ein etwa 6 cm langer Bn
ken gewonnen. Hr. Tevves setzt diesen Hügel in den Anfang der Hügelg
■, wo schon Verbrennung der Leichen stattrand.
Etwa lOlH) Schritte weiter nördlich auf dem Gebiete von Niendorf li
erer schöner Hügel mitten zwischen mehreren, leider schon zerstörten.
le hatte l'2 w im Durchmesser bei einer Höhe von 3 m. Auch bei ihm
der Mitte eine Steinsetzung freigelegt, jedoch bestand sie aus viel klei
:nen. Metall wurde nicht gefunden, dagegen die Hülfte eines, vielleicht zi
sehen die Steine gemthenen Polirstcines (20 cw lang, l'! breit, 7 dick
Innern, an drr Stelle einer stark mit Kohle durchsetzten aschenhaltigen S(
scböngeschliffcner, durchbohrter Steinhammer von 16 cm Lang
n Seh neiden breite, sowie ein einfaches, vier-, bezw. fünfkuntiges Hesse
aerstein, 12 cm lang nnd dem breit. Hr. Tewes verleibt dieses Grab
)crgangBzeit zwischen der Periode der Hügelgräber und der der Steingrät
Von einem, durch frühere Angaben bezeichneten Burgwall bei Burg
'f konnte keine Spur aufgefnnden werden.
Bei Änderungen licsscn sich die Kesto eines sputen rrnenfricdl
hweisen, doch war uusser Scherben zertrümmerter Thongefasse und Reste
chcnbrand nichts zu erkennen. Nur einmal soll ein ganzes Getäss, in de
nes Beigefuss steckte, gefunden sein.
(7) Der Hr. Unterrichtsminiater Übersendet zur Kenntniss nähme c
lem Auftmge durch Hrn. Hartwich in Tungermünde besorgte Sammlung
:raphischer Aufnahmen von megalithischen Denkmälern der
(8) Vom 1.— 10. September 1891 tagt der neunte internationale 0
istencongress zu London. Derselbe wird besondere Sektionen für Aeg
ica nnd die malayischen und poiynesischen Gebiete organisiren.
(9) In Washington wird am 2i;. Angust 18UI der fünfte internatii
ologencongrosa eröffnet. In der Woche vorher werden daselbst die i
lische Association für den Fortschritt der Wissenschaften und die amerikai
ilogische Gesellachaft Sitzungen abhalten.
(10) Hr. Franz Boas berichtet in einem Briefe an den Vorsitzender
ircester in Massachusetts vom Januar über seine letzte
Reise an die paciHscbe Küste.
Ich komme jetzt allmählich dazu, die Resultate meiner letzten Reii
:iHBcben Küste übersehen zu können. Ich besuchte letzten Sommer die
(160)
[ommen anch recht deatlich bei der Messung von Skeletten zum Ausdr
inaes 3ö derselben und Tand Bt«ts die Länge der Beine klein im Verhall
f der Arme. Wollte man nach den üblichen Procentsätzen die Köq)erlär
en Beinlängen berechnen, so würde man Werthe erhalten, die schlecht
lessangeD an Lebenden übereinstimmen.
lieht man die Indianer des nördlichen Colambiens allein, so wird man
I an ostasiatische Typen erinnert. Farbe, Haar, Körperbau, Auge (besom
ist stets vorhandene Epicnnthus) tragen daza bei. Sieht man aber beide
en, so tritt sofort der grosse Unterschied scharf hervor. Ich reiste lel
ler Kufällig anf einem Schiffo, auf dem etwa 30 japanische Arbeiter, (
nesen und 90 Indianer von verschiedenen Stämmen des nördlichen Brit
ibiens waren. Die Japaner und Indianer trugen gleichartige Kleidung.
denn sofort die grobe, breite Nase, das grössere Ange mit viel schwäch
interna, das grössere Gesicht, besonders die grosse Breite des Unterkie
ler volle Mund, sowie endlich das braunere Haar als unterscheidende M
klar in die Augen.
Tnler anderen Merkmalen ßel mir besonders die grosse Häufigkeit von
Hypertrichose, besonders an Slim und Nacken, unf. Vor allem das w
Geschlecht scheint dazu zu neigen. Ich traf eine ganze Reihe von Individi
—3 rm lange Haare auf der Stirn hatten, so dass nur die kleine dreiecl
c auf der Glabella frei blieb. Rechl eigenihllmlich wirkt die Oberlippe,
einend ohne begleitenden Prognathismus, so voll und lang ist, dass sie i
rttcken panillel läuft oder ihn in seiner Verlängerung nach unten schnei
.nthropo logisch von Interesse dürfte auch der Stammbaum der letzten 10 Gi
en einer Hau ptlingsfiimilie sein, welcher recht schön die Art der Vermisch
tamme durch Heii-uthen zeigt, die nicht so ausgedehnt ist, wie ich
II) Hr. Boas bespricht gleichzeitig eine
FelsenzeichoDDg von Vancouver Island.
}ie beifolgende Felsen Zeichnung flndet sich am Ostufer von Sproat Lake, r
(1 stldlichem Ausflüsse. Sproat Lake liegt etwa IQ km nördlich vom ob<
des Albemi-Pjords, welcher tief in das Innere von Vanconver Island
idet. In früheren Zeiten war diese Gegend, die auch heute noch nicht
;n ist, das Gebiet dei' Höpetschisä'th, eines Stammes der N'ootka oder
och jetzt ein Dorf einige Meilen unterhalb des Sees, an dem Einfluss
I River in den Hauptfluss, haben. Der Aussage älterer Mitglieder des Stam
■e, war derselbe ein Zweig der Cowitchin, welche die üstseite von Vancoi
I, wenige Kilomeier nordöstlich vom oberen Ende des Albcrni- Fjordes, i
. Noch die Grossväter meiner Gewährsmänner sollen ausschliesslich
chin-Sprache gesprochen haben. Demnach müsste der Sprachwechsel
110 Jahren vor sich gegangen sein. Damals sollen die Ts'eschä'ath,
i;r Stamm der Nootka, den Fjord hinaufgezogen sein und sich mit
schisfi'lh vermisch! haben. Die heutigen Bewohner des Gebietes wissen ni
den Ursprung der Felsenzeichnong mitzatheilen. Nach ihrer Sage soll
auf dem dieselbe eingegraben ist, einsl du« Haus Kwötiatb's gewesen f
uth ist die wandernde Gottheit in der Xootka-Hythologic und entspricht I
Raben der Tlingit und Haida, dem Qäls der Cowitchin. Die Zeichnong B
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(162)
loee. Dil' Spuren waren so zuhlreich, dass sie aassahen, wie ein breiter A
rHase dachte: wahrscheinlich gehen die Elenthiere m einer Rathaversamm)
I beachloss sie zu verfolf^en. Kr ging heim, um sich ein Paar Schneesc)
machen. Als die Leute (d. h. die Thiere) hörten, dass Spuren von ElenÜii
unden waren, machten sie sich fertig und gingen ans, sie zu verfolgen.
iere, der Wolf, der Bür und ilic Vögel waren auf der Jagd begriffen. Die I
I Hasen, ein kleioer rother Vogel, hiitte kurz zuvor ihren Mann verlassen,
te mit dem rothen Habicht, der ein guter Juger war. Die Thiere waren st
ei Tage auf Jagd; nur der Hase war noch zu Hause, damit beschäftigt
meeschuhe zu machen. Sein Kind und ein alter Uann, der Frosch, lebten
(I zusammen. Nachdem er zurückgekehrt war und den Thieren erzählt h
IS er Spuren von Eicnthicrcii gefunden habe, war er wieder in den Wald
Igen, um sich Holz zu holen, aus dem er Schneeschuhe machen wollte. Drau
Walde fand er eine schöne, junge Hindin. Er sprang auf sie zu und rief:
Ist meine Frau werden.'^ Sie aber wollte ihn nicht zum Manne haben,
g er betrübt nach Hause zurllcb und sprach zum Frosch: „Grossvuter! ich
lassen eine schöne, junge Hindin, die ich heirathen wollte; sie wollte mich
ht zum Manne haben." Der Frosch versetzte: „Das war Deine Schwc
he nochmals za ihr und lade sie ein herzukomraen und mit ans zu let
folgte dem Rathc. Das Mädchen kam und lebte fortan bei ihnen, ohne
end Jemand darum wusste. Der Hase hatte Holz für seine Schneeschuhe
iden, er hatte dieselben fertig gemacht und bereitete sich vor, auf die Jag
ncn. Ehe er ging, sagte der Frosch: „Höre, mein Enkel, gebrauche nicht E
lineeschuhe, sondern ziehe ein Fiiar Fausthandschuhe an Deine Fusüe. 1
rat Du nicht in den Schnee einsinken und die Elenthiere überholen.'*
Der Hase legte zunächst aber seine Schneeschuhe an und folgte den aad
fern, die einen Vorsprung von zwei Tagen hatten. Bald traf er den Uäupl
n Raben, welcher aaf dem Rückwege begriffen war und dem viele Jäger fol,
rsetbe sprach: „Wohin willst Du':* siehst Du nicht, dass alle Jüger mit l(
nden zurückkommen? Glaubst Du, dass Du besseren Erfolg haben wi
d er trampelte auf des armen Hasen Rücken herum. Derselbe liess sich
;ht abschrecken, sundem wanderte ruhig weiter. Bald traf er den Specht
äscn Söhne, die mit leeren Händen von der Jagd zurückkehrten. „Armse
ise", so sprachen sie, „was willst Du Ihun? siehst Du nicht, dass wir mit 1(
inden zurückkommen;"- und traten ihn mit Füssen. Bald traf er den Tai:
nen Schwimmvogel) und dessen Söhne, die mit leeren Händen von der
rückkehrten. „Armseliger Hiise", so sprachen sie, „was willst Du thun?
d meine Sühne können fliegen und haben die Elenthiere nicht einholen köi
aubstDu, Du könnest mehr als wir" und sie warfen ihn mit Schnee. Bald
den Wolf und dessen Söhne. Dieser sprach: Kehre um, Hase! Du wir»
eren". Er aber ging unbekümmert seines Weges. Bald erreichte er die S
I die Jäger die erste Nacht ihr Lager aufgeschlagen hatten. Er aber lief wi
ne sich aufzuhalten. Bald Inif er den Habicht und dessen Fraa. die ihn
Dtteteu and mit Schnee bewarfen. Alle Jäger ausser dreien, dem Wiesel,
ichs und dem jungen Wolfe, wan-n nun zurückgekehrt. Am nächsten Tage
auch sie. Alle hatten die Jagd aufgegeben. Der junge Wolf, den er zi
if und der bei weitem der beste Jüger war, sprach zu Ihm: .Ich hin g»
igekehrt. Es ist ganz unmöglich, die Elenthiere zu erreichen.'* Der Hase
er dennoch weitiT.
Als er wnsste, dass er an allen Jägern vorbei war und Xieraund mehr li
(163)
würde, nahm er seine Schneeschuhe ab, zog die Fausthandschuhe an die Püsse
und flog über d^ Schnefe hin. Nach kurzer Zeit sah er die Elenthiere. Er hatte
zwei Pfeile mit. Mit einem derselben durchschoss er die eine Hälfte der Elen-
thiere, mit dem zweiten die andere Hälfte. Er schnitt sie auf, zog ihnen die Haut
ab und schnitt das Fett heraus, welches er schüttelte, bis es nur einen ganz kleinen
Raum einnahm. Er schnitt die Mägen heraus, füllte sie mit Blut und häufte sie
auf einander. Er sagte zu den Mägen: „Wenn Jemand Euch trägt, platzt und be-
giesst ihn mit Blut." Er Hess sie im Walde liegen und nahm das Fett auf den
Rücken. Obwohl es schwer war, konnte er es mit Leichtigkeit tragen, da die
Handschuhe, die er an den Füssen trug, ihm halfen. Dann lief er rasch nach
Hause. Dort schüttelte er das Fett wieder, und es ward so viel, wie es vorher
gewesen war. Er röstete ein kleines Stück am Feuer und gab es seinem Kinde.
Dann dachte er: „Ich will meinen Bruder Ente wissen lassen, dass ich reichliche
Vorräthe habe", und er warf ein wenig Fett ins Feuer, damit die Ente es riechen
sollte. Sein Bruder kam sogleich herbei und beide hatten vollauf zu essen, wäh-
rend die anderen Leute fast verhungerten. Dann sandte er seinen Bruder ins
Dorf und Hess den Leuten sagen, dass er die Elenthiere getödtet habe, sie könnten
sich das Fleisch holen. Er dachte: „Ich wollte, der Habicht wählte die Mägen!"
Die Felle bestimmte er für den Frosch. Ente nahm etwas Fett für ihre Kinder
mit nach Hause und richtete den Auftrag des Hasen aus. Da sagte der graue
Bär: „Ich will die Rippen haben." Der Wolf rief: „Ich will die Beine haben".
Der Rabe wollte die Augen haben, und ein Jeder sagte, was er am liebsten hatte.
Sie gingen in den Wald, um das Fleisch zu holen, und es geschah, wie der Hase
gewünscht hatte. Der Habicht nahm die Mägen und gab sie seiner Frau zu tragen.
Der Hase folgte ihr und machte unbemerkt mit einem spitzen Stocke Löcher in
dieselben. Dann trat er von hinten auf ihre Schneeschuhe, so dass sie fiel. Das
Blut floss über sie und sie erfror.
Die Felle wurden in das Haus des Frosches getragen. Jedermann wusste,
dass der Frosch zu alt war, um zu arbeiten, aber nichtsdestoweniger waren die
Felle nach wenigen Tagen fertig zubereitet. Die Leute begannen nun, sein Haus
zu beobachten, und fanden dann die Spuren eines Mädchens, aber Niemand wusste,
wer sie war. Nachdem alle Thiere vergeblich aufgepasst hatten, versuchte der
Wildkater ausfindig zu machen, wer für den Frosch arbeite. Viele Tage passte er
vergeblich auf, ohne Jemand zu sehen. Er suchte sorgfältig nach Spuren rings
um das Haus und fand endlich die Stelle, an der das Mädchen ihr Wasser abzu-
schlagen pflegte. Er bemerkte, dass sie versucht hatte, die Spuren zu verbergen,
aber nichtsdestoweniger entdeckte er dieselben. Er riss sich vier Haare aus, legte
sie auf die Erde und sagte zu ihnen: „Kriecht in die Scheide des Mädchens,
wenn sie hierherkommt und ihr Wasser abschlägt." Dann ging er jagen. Als das
Mädchen kam, krochen die Haare in ihre Scheide. Nach wenigen Stunden gebar
sie ein Kind. Die Leute hörten es weinen und entdeckten nun die Hindin in des
Frosches Haus. Niemand wusste, wer des Kindes Vater war. Der Frosch liess
die Männer nach einander das Kind auf den Arm nehmen, da er dachte, dass es
aufhören würde, zu weinen, wenn sein Vater es aufnähme. Der Prairiewolf ver-
suchte, das Kind zu beruhigen, doch es gelang ihm nicht. Der alte Rabe dachte:
„Gewiss ist mein Sohn der Vater des Kindes", und sandte denselben hin. Es
hörte aber nicht auf, zu weinen. Alle Leute kamen, aber keiner konnte es be-
ruhigen. Mittlerweile war der Wildkater von der Jagd zurückgekommen. In der
Nähe des Dorfes nahm er seine guten Kleider ab und begrub sie unter Steinen.
Er nahm auch den Feuerstein, den er zum Feuermachen benutzte und im Ohre
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[Ig, und legte ihn zu den Kleidem, Dann ging er ins Dorf. AIb die Leat
immeD sahen, sagten sie: „Da kommt der Wildkater". Kamn hatten si
'orte ausgesprochen, als das Kind begann, sich zu beruhigen, und als der
. aar die Arme nahm, wurde es ganz rnhig. Da wuaaten die Leute, dae
'ildkater des Kindes Vater sei. Noch während er es hielt, rissen sie ihi
leider vom Leibe *nd zerrissen sie. Sie Terliessen ihn, die Hindin and das
sehten alle Feuer ans, nahmen ihre Vorräthe mit und Überliessen sie
nngertode.
Als die Leute Tortgegaugcn waren, TUhrte der Wildkater sein Weib und
ich dem Platze, wo er seine Kleider, das Feuerzeug und Proviant versteckt
r öffnete das Versteck und sie bauten sich eine HUtte. Das Kind wuchs
id wurde ein guter Jäger, wie sein Vater, so dass sie immer reichlich zu
itten. Nach einiger Zeit gebar die Hindin einen zweiten Sohn. Während si
abmng in Hülle und Fülle hatten, htten die Leute, welche sie verlassen 1:
-OBse Noth. Unter ihnen war die Grossmutter des Katers, die Elster,
tchte: „Ich will doch sehen, was aus meinem Enkel geworden ist." Wie
ar ihr Elrstaunen, als sie fand, dass es ihnen so gut ging. Der Kater gi
lieblich zu essen, verbot ihr aber, den anderen Lenten etwas abzugeben. E!
1 Sommer, verhess der Kater seine Faroilie, um Lachse zu Aschen. Er n
n Wehr, liess den Fluss oberhalb desselben sich aurslanen, und liess dan
Nasser wieder ab, wenn das Wehr voller Lachse war. Aur diese Weise t
ele Lachse. Die Matter und ihre zwei Söhne waren allein zurttckgebl
ines Tages sagte sie zu den jungen Männern: „Wisst Ihr, dass die Leub
imit beschSltigt sind, die Sonne zu macheny Geht hin und versnobt, (
Lcht die Sonne werden könnt. Ihr werdet an der Stelle vorbei kommen, w(
ater Ascht; sagt ihm, was Ihr zu thnn gedenkt." Die Söhne rüsteten sii
«ise, nahmen Abschied von ihrer Mutter, und als sie einige Tage gew
aren, traren sie ihren Vater. Dieser erkannte sie zuerst nicht, aber sie api
1 ihm; „Wir sind Deine Söhne und gehen zn dem Platze, wo die Leute die
a machen versuchen. Wenn es uns gelingt, wirst Du ans nicht wieder
inst kommen wir bald zurück." Sie wanderten weiter und gelangten endl
em Platze, wo die Leute die Sonne zu machen versuchten. Als sie anb
'ar der Rabe die Sonne. Schwere, schwarze Wolken bedeckten den Himme
i war sehr kalt. Die Leute riefen den Raben zurück and hiessen den P
'olf seinea Platz eiimebmeo. Derselbe lief fort, und nach kurzer Zeit sah
in hinter den Bergen aufsteigen. Sogleich wurde es schönes Wetter und so
ass die Leute ins Wasser springen mussten, um der Hitze zu entgehen. Na<
er Prairiewolf eine kurze Zeit am Himmel gewesen war, sah er Leute W
raten. Da rief er: „Hailob! esst nicht alles auf, was Ihr gekocht habt. Ic
ach etwas ab haben," und eilte zurück. Daher war der Tag sehr kurz, i
rzählte er alles wieder, was er auf Erden gesehen hatte. Da sagten die
Du sprichst zu viel; Do kannst nicht die Sonne sein". Dann rief der Hat
lit lauter Stimme: „Lasst die beiden Fremdlinge, die eben angekommen au
llück versuchen, der ältere zuerstl" Dieser ging nun hinter den Borg, unc
ingsam empor. Da sahen die Lcalc die Sonne erscheinen, gerade wie \
eute sehen. Es war nicht zu warm und nicht zu kalt. Mittags stand si(
0 hoch, dass gar kein Schatten Ael, und der Tag hatte die richtige l^jigt
r Abends zurückkam, frag der Ukuptliog: ,Was haltet Ihr von ihm'y ur
?hiere priesen ihn. Er wurde daher als Sonne angenommen. Der Häuptlin
ort: qWir müssen aber auch eine Sonne für die Nacht haben; lagst den ju
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Bruder versachen, ob er es werden kann^. Dieser ging hinter den Berg, stieg in
die Höhe, und die Leute sahen, dass er wunderschön hell war. Daher nahmen
sie auch ihn an. Die Söhne des Wildkaters waren also Sonne und Mond ge-
worden. Der Prairiewolf war aber neidisch auf sie, da er seinen Platz nicht hatte
behalten können, und beschloss, die Sonne zu tödten. Er ging zum Platze des
Sonnenaufgangs, aber die Sonne blendete ihn so, dass er sie verfehlte, als er nach
ihr schoss. Vier Mal versuchte er vergeblich, sie zu tödten. Beim letzten Ver-
suche verbrannte einer seiner Pfeile, fiel ins Gras und entzündete es. So ver-
ursachte er das erste Prairiefeuer.
2. Wie die Thiere den Himmel erstiegen.
Der Vater der Moschusratte hatte zwei Frauen. Als er gestorben war, wollte
die Moschusratte seine zweite Frau heirathen, doch diese nahm seine Werbung
nicht an. Da ging die Moschusratte in den Wald und machte sich einen neuen
Pfeil, so dass Niemand, der ihn fand, wissen konnte, wem er gehörte. Mit diesem
erschoss sie ihre Stiefmutter. Dann zerschnitt sie ihr Gesicht und legte sich ins
Bett, als sei sie krank. Niemand wusste, wessen Pfeil die Frau getödtet hatte.
Sie zeigten denselben einem Jeden, aber der Eigenthümer war nicht zu finden.
Schliesslich nahmen sie ihn zur Moschusratte und frugen diese: „Kennst Du diesen
Pfeil ?^ Sie roch daran und sagte: „Der kam vom Himmel.'^ Da beschlossen die
Thiere, den Himmel zu ersteigen und den Missethäter zu bestrafen. Sie wollten
eine Kette aus Pfeilen machen, um daran hinaufzuklimmen. Der Prairiewolf
schoss zuerst einen Pfeil gen Himmel, doch dieser fiel zurück, ohne sein Ziel er-
reicht zu haben. Ein Thier nach dem anderen versuchte, den Himmel zu treffen,
aber keinem gelang es. Schliesslich schössen zwei Habichte, welche schon früher
einmal den Himmel besucht hatten, und die als gute Schützen bekannt waren, ihre
Pfeile ab. Einen Tag und eine Nacht sausten dieselben durch die Luft, und dann
hörten die Thiere, wie sie in den Himmel einschlugen. Dann fuhren sie fort zu
schiessen. Der zweite Pfeil traf die Kerbe des ersten, und so fuhren sie fort, bis
sie eine Kette gemacht hatten, die fast bis auf die Erde herab reichte. Da gingen
ihnen die Pfeile aus. Um die Kette zu vervollständigen, steckte der Rabe seinen
Schnabel in die Kerbe des letzten Pfeiles, und stemmte seine Füsse gegen die
Erde. Da konnten die Thiere hinaufklettern. Der Vielfrass sagte: „Wartet einen
Augenblick! ich muss noch nach meinen Fallen sehen. Dann Mrill ich mitgehen^.
Doch als er zurückkam, waren alle Thiere schon fort. Darob wurde er so zornig,
dass er die Pfeile herunterriss, und sie über das ganze Land verstreute. So ent-
stand das Feidengebirge. Noch ehe die Thiere oben angekommen waren, war die
Moschusratte an ihrem Schwänze in den Himmel hinaufgeklettert. Dort zauberte
sie eine Anzahl Häuser an einem Seeufer hervor und erwartete die Ankunft der
Thiere. Ihre Häuser waren sehr schmutzig. Als die Thiere ankamen, schoss sie
von den Häusern aus nach ihnen. Sobald sie einen Pfeil von einem Hause ab-
geschossen hatte, lief sie durch ihren Gang ins Wasser und kam im nächsten
heraus, von dem aus sie dann schoss. So machte sie sie glauben, dass viele Leute
dort wohnten. Endlich entdeckte der Specht, dass nur die Moschusratte in jenen
Häusern lebte. Er passte an ihrem Loche auf und tödtete sie, als sie herauskam.
Als die Thiere so den Tod der Frau gerächt hatten, machten sie sich auf den
Rückweg. Wie gross war ihr Erstaunen, als sie die Kette, an der sie herauf-
gestiegen waren, nicht mehr fanden. Der Häuptling sprach: „Lasst uns eine
Schlinge machen und den Donnervogel fangen, seine Federn uns anstecken luid
mit deren Hülfe hinunterfliegen. ** Kurz darauf sahen sie einen Blitzstrahl und
'
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hurten den Donnerrogel kommen. Sie dngen ihn in einer Schlinge und i
ihm die Federn aus. Die beateu Federn nahm der Adler: die anderen «
vertheill, reichten aber nicht riir alle Thiere aus. Alle, die Federn bekoi
hatten, flogen hinunter und wurden Vögel; die anderen sprangen hinunte
wurden Fische und Landthiore. Der Prairiewolf gebrauchte seinen Schwai
Steuer und hei deshalb sanft zur Erde. Der „Sucker" (ein Fisch) hei auf
Felsen und brach sich die Knochen. Er mnsste sich ron allen Thieren
leihen und ist seither voller Grähten.
■i. Der Prairiewolf.
Der Prniricwolf hatte einen Freund, den Weidenbaum (tlak'atlanak'oxomal
Der Adler, welcher iu einem Dorfe an der anderen Seite des Flusses wi
sandte zum Wi.'idenbaume und bot ihm seine Tochter zur Frau an. Ah
Prairiewoir dies hörte, spnich er: .,Das ist schön! Gehe hin und hcirntho
Insgeheim aber dachte er: „Ich will sie selbst heirathen", und beschlosa, s
Freund zu todten. Er begleitete den Weidenbaum zum Dorfe des Adlers.
dem Wege doilhin wohnte ein alter Mann, welcher eine Fallgrube fUr Hi
hatte. Der Prairiewolf kannte diese Grube, und als sie damn vorbei kamen,
er zn seinem Freunde: „Tritt ein wenig zur Seitel" und als jener es that,
er ihn an, so duss er in die Grube hol. Der Weidenbaum trug einen kl
Vogel auf seinem Kopfe. Der Prairiewolf, der am Runde der Grube stand
sich den Anschein, ihm heraushelfen zu wollen, und sprach: „GiebmirdenV
Der Weidenbaum that es. Dann sagte der Prairiewolf: ,Gieb mir Deinen t
und Deinen Speichel!" Den letzteren wollte er hüben, um ebenso wie der Wi
bäum zu riechen. Als der Weidenbaum ihm alles gegeben, was er rcrlangt
warf er sieh den Mantel um, nahm den Speichel in den Mund, setzte den
auf den Kopf und Torliess ihn. Er ging Jn das Dorf des Adlers, und a
Leute ihn kommen sahen, riefen sie: „Der Weidenbaum kommt!" Sic ginge
entgegen und luden ihn ein, in das Haus des Häuptlings zu kommen. Er c
den Platz neben dem Mädchen angewiesen und heirathetc sie. Mittlerweile
der Weidenbaum die Gestalt eines Säuglings angenommen und lag weinend i
Grube. Als der alte Mann nach seiner Grube sah, fand er ihn. Er ging zu si
Weibe zurück und sagte: „Ein kleines Kind liegt in meiner Grube. [<as
sehen, wer es haben soll ! Ich will auf der einen Seite der Grube hinuntergr
grabe Du auf der anderen! Wer es zuerst erreicht, der soll es haben." A
anfingen zu graben, machte der Weidenbaum, dass die Erde an der Seite, w
Mann gru>>, hart war. Dort wo die Frau grub, machte er sie lose. Dahi
reichte sie ihn zuerst. Sie pllegte das Kind und zog es auf. Als der Knabe i
Jahn' alt war, bat er den Alten um eine Schlhige, mit der er Vögel fangen «
Der Alte war schlechter I^une und schlug ihm seine Bitte ab. Allein die
erfüllte seinen Wunsch. Er legte die Schlinge, bewegte seine Hände und
war sie voller Vögel. Da freute sich der Alte. Nach einiger Zeit bat ih
Knabe um ein RülTclkalbfell. Der Alte rcrweigerte es ihm ebenso, wie frühf
Schlinge, doch die Fniu crrüllte seinen Wunsch. Er schnitt Riemen aus
Felle und machte einen Reifen aus Weidenzweigen, über den er die Ri
spannte, wie das Netzwerk in einem Schneeschuhe. Er ÜlTncte die Thün
Hütte und sagte, indem er hinaus ging: „Legt Euch nieder und rührt Euch n
Dann rollte er den Reifen gegen die Hüite und rief: ..Nehmt Euch in Acht
da drinnen!" Als der Reif an die ThUre kam, verwandelte er sich in ein gl
Büffelkalb mit Hurnern, »elches nach dem alten Manne stiess. der zu entfl
(167)
sachte. Dann schoss der Weideabaum das Kalb mit seinen Pfeilen. Er nahm die
Eingeweide und Exkremente heraus, und gab sie der Frau zum Aufbewahren. Als
sie am nächsten Tage danach sahen, fanden sie, dass sie sich in getrocknetes
Fleisch verwandelt hatten. Die Frau machte starke Riemen aus dem Felle.
Nach einiger Zeit bat der Jtlngling um das Fell eines einjährigen Büfifels.
Er machte sich wieder einen Reif aus Weidenzweigen, band Riemen darüber und
rollte ihn gegen die Hütte, wo er ein Jährling wurde, der den alten Mann stiess.
Der Weidenbaum tödtete den Jährling. Schliesslich bat er um die üaut eines
alten Büffels imd machte einen Reifen, den er gegen die Hütte rollte. Dieser ver-
wandelte sich sogleich in einen grossen Büffel, der den Alten stiess und welchen
er tödtete. So waren sie reichlich mit Nahrungsmitteln versorgt.
Eines Tages sagte er zu den alten Leuten: „Ihr wisst nicht, wer ich bin. Ich
bin der Weidenbaum. Ich will jetzt ausziehen und die Tochter des Adlers hei-
rathen." Er nahm seinen Becher und trank unbemerkt aus dem Flusse, an dem
des Adlers Dorf stand. Dort traf er die jüngere Tochter des Adlers und heirathete
sie. Nach einiger Zeit zeigte er sich öffentlich im Dorfe. Als die Leute ihn
sahen, wussten sie, dass er der rechte Weidenbaum war, und dass der Prairiewolf
sie betrogen hatte. Letzterer schämte sich sehr. Unter dem Volke des Adlers
herrschte zar Zeit eine Hungersnoth, da sich keine Büffel sehen Hessen. In der
Nähe des Dorfes war eine steile Klippe, zu der die Jäger die Büffel zu treiben
pflegten. Der Weidenbaum sagte: „Stellt Euch in der Nähe der Klippe aufl Bald
wird eine Heerde Büffel erscheinen." Dann ging er fort, und überall wo er Büffel-
dünger fand, stiess er daran. Derselbe wurde dann sogleich in einen Büffel ver-
wandelt. Diese trieb er nach der Klippe, wo die Jäger auf der Lauer lagen und
sie über den Absturz hinab trieben. Es waren so viele, dass auf jeden Jäger zwei
kamen. Der Weidenbaum nahm nur einen, den ältesten und magersten für sich
selbst Eines Tages sagte er zu seinem Weibe: „Schlage unseren Hund nicht!"
Der Prairiewolf hörte dies und gab seiner Frau denselben Befehl. Da geschah es,
dass die Frau des Weidenbaumes den Befehl ihres Mannes vergass und ihren Hund
schlag. Derselbe fiel augenblicklich todt zur Erde. Darauf befahl der Weiden-
baam ihr, den Kopf des Hundes zu schlagen, der dann wieder lebendig wurde.
Der Prairiewolf hatte dem allen zugesehen. Er Hess seine Frau ihren Hund tödten
und dann den Kopf desselben schlagen. Er wurde ab nicht wieder lebendig. Als
der Weidenbaum aber der Frau befahl, den Hund auf den Kopf zu schlagen, wurde
er lebendig. Darauf nahm der Weidenbaum einen Knüppel und sagte zum Prairie-
wolf: „Erinnerst Du Dich noch, wie Du mich in die Grube geworfen?" Dabei
gab er ihm einen solchen Schlag, dass der Prairiewolf davon rannte und nie wieder-
kehrte.
4. Der Prairiewolf und die Sonne.
Der Prairiewolf und sein Weib, die Hündin, lebten in einem Thale. Einst-
mals, zur Winterzeit, ging die Hündin in den Wald, Holz zu sammeln, und traf
daselbst einen Hirsch. Sie j)ackte ihn und schickte ihre Tochter zurück, um den
Prairiewolf herbeizurufen, damit er ihn tödte. Das Mädchen gehorchte; doch ihr
Vater hatte zur i&eit keine Pfeile und musste sich erst zwei machen. Dann stieg
er den Berg hinauf, kam aber nur langsam voran, da der Schnee sehr tief war.
Als er zu der Stelle kam, wo seine Frau den Hirsch hielt, sprach er: „Lass ihn
los! ich will ihn schiessen, wenn er hier vorbei läuft." Die Hündin that, wie ihr
Mann geheissen hatte; der Prairiewolf aber schoss vorbei. Er sagte: Ich will den
Hirsch verfolgen. Komme Du mir mit den Kindern und der Hütte nach." Er
legte seine Schneeschuhe an, und verfolgte den Hirsch, während seine Frau nach
(168)
Hütte zurückging. Sie packte die Rohrmatten uod Stangen zusammen,
fl« ihrem Hanne. Als der Prairiewolf eine Zeit lang gelauren war, ftlhl
:s seine Schneeschuhe immer schwerer und schwerer wurden, und als er hio
;kte, sab er, dass Uäuse darinnen waren. Er nahm sie heraus und bn<
1. Die Htlndin und ihre Kinder sahen den B,auch aufsteigen, und die Tc
te: „Seht dorthin! gewiss hat Vater den Hirsch geschossen, and brät ihn
sie aber ankamen, sahen sie, dass er nichts ais zwei Haufen gebratener B
te. Einen derselben gab er seiner Frau und Tochter, während er den an
sich und seinen Sohn behielt. Die Hündin war böse, dass er den Hirsch
kommen lassen, und verliess ihn mit ihrer Tochter. Sie gingen zur S
che das Hädchcn zum Weibe nahm. Der Prairiewolf sagte zu seinem Si
Dtter wird schou bald genug zurückkommen, wenn sie nichts mehr zu
." Damit nahm er seinen Sohn auf den Rücken und ging auf Biberjagd
a an eine Stelle, wo viele todtc Biber am Ufer des Flusses lagen, während
ge Biber sich im Wasser tummelten. Die letzleren fing er and band sie st
ine als Schmuck für die Ohren an. Die todten Biber schleppte er alle auf
ifen zusammen und ging fort um Holz für ein Feuer zu holen, an dem e
«n wollte. Kaum war er fort da wurden die Biber alle wieder lebe
mgen in den Fluss und als er zarUckkam, fand er seinen Sohn im Kampl
jungen Bibern, die an seine Ohren gebunden waren und ihn ins Wassi
len versuchten. Er tödletc dieselben und sie assen sie.
Als der Schnee geschmolzen war, ging der Prairiewolf mit seinem Sohl
ai Seen, die durch einen kleinen Fluss Tcrbunden waren. Er baute eine 1
Ufer des Flusses. Auf den Seen fand sich eine Menge Enten. Der Pr
If setzte sich vor seine Hütte und weinte. Als die Enten das hörten, sai
zwei Boten itus, um ausßndig zu machen, wer den Lärm verursache,
irten sie mit der Botschaft zurück, dass der Prairiewolf den Häuptling der I
sehen wünsche. Daraufhin schwammen alle Enten hin, ihn zu sehen. AI
iie Nähe der Hütte kamen, sagte der Prairiewolf: „Ich und mein Sohn k
z allein hierher. Meine Frau ist todt." Die Enten antworteten: „Bleibe
und Bcbliesse Dich uns an." Er begleitete sie nach dem See und sie spi
ämmen. Sie tauchten unter und blichen so lange unter Wasser, dass der Pr
f und sein Sohn beinahe ertranken wären. N'achts fingen die Enten plöl
ein Geschrei zu erheben, flogen auf und liessen sich wieder in dem at
nieder. Sie liesen den Prairiewolf und seinen Sohn zurück- Da wurde d
c, da die Enten ihm so Übel mitgespielt hatten, und dachte auf Rache.
; zu seiner KüCto zurück und machte eine Falle, Er spaltete einen Baums)
legte ihn in den Fluss. Er spreizte die Hälften auseinander, so dass aii
imenschlagcn musston, sobald Jemand dazwischen durchging. Dann achw
nit seinem Sohne in den Fluss hinaus und sprach zu den Enten: „Warum
jeden Abend von einem See xum anderen^ Ihr könntet doch ebenso gut
is herunter schwimmen." Die Enten fanden seinen Rath gut, und so gei
dass er jeden Abend einige fing, wenn sie den Fluss hinab schwammen,
lerkten bald, dass ihre Zahl sich verminderte, und trugen einigen auf, die Dn
ergründen. Sie fanden die Kalle und von nun an flogen sie wieder von e
zum anderen. Auf der anderen Seite des Sees stand die Hütte des Wildki
^clbe roch die Federn, welche der Prairiewolf verbrannte, der seine I
i Dn ging er hinüber, schläferte den Prairiewolf ein und stahl ihm alle E
jener sich gebraten hatte. Dann zog er ihn an der N'ase, den Beinen unc
len, die seither so lang sind, wie heute. Als der junge Prairiewolf aufwi
(169)
und seinen Vater sah, lachte er ihn ans. Er wusste nicht, dass seine eigenen
Arme, Beine und Nase so lang geworden waren, wie die seines Vaters. Dieser
lachte, als er seinen Sohn erblickte. Als es ihnen aber klar wurde, dass sie beide
verunstaltet waren, und dass der Wildkater es gethan hatte, dachte der Prairie-
wolf auf Rache. Er ging zu des Raters Hütte, schläferte ihn ein, und stahl ihm
alles Fleisch, mit dem seine Yorrathskammern angefüllt waren. Dann machte er
sein Gesicht platt und breit, brach seinen Schwanz in Stücke und band ein Stück
Kohle daran. Als der Wildkater aufwachte und sich besah, erschrak er so, dass
er ins Gebirge flüchtete. Nun dachte der Prairiewolf an seine Frau und sagte zu
seinem Sohne: „Passe Du auf unser Haus auf. Ich will Deine Mutter suchen." Er
wanderte gen Osten, und als er die Berge übertiegen hatte, sah er viele Häuser.
Das war das Dorf, in dem die Sonne lebte. Als die Bewohner ihn kommen sahen,
sprachen sie: „Suchst Du Dein Weib, Prairiewolf? Hier lebt sie", und zeigten
ihm ihr Haus. Er ging hinein, und sah seine Frau und seine Tochter, welche
letztere wunderschön geworden war, und ein hässliches Kind auf dem Schosse
trug. Seine Frau begrüsste ihn und gab ihm einen schönen Mantel aus Büffelfell.
Er dachte: „Wie hässlich doch das Kind ist!" Des Kind wusste sogleich, was er
gedacht hatte, und sagte zu seiner Mutter: „Der Prairiewolf denkt, dass Du schön
bist, und dass ich sehr hässlich bin." Dann dachte der Prairiewolf: „Ich möchte
dem Kind in den Bauch treten, so dass er platzt"; und das Kind erneth augen-
blicklich seine Gedanken und sagte sie seiner Mutter wieder. Darauf sagte die
Frau des Prairiewolfs zu ihm: „Das ist Deine Enkelin." Sie fuhr fort: „Wir
werden jetzt ein Feuer anzünden, da die Jäger bald zurückkommen werben. Das
Kind wird sich gleich bewegen und dadurch einen Sturm heraufbeschwören, der
unsere Feuer anfachen wird." Als die Feuer hell brannten, kamen die Jäger zurück.
Jeder brachte einen Hirsch mit, den die Frau briet. Als das Essen fertig war,
mussten alle Frauen die Hütte verlassen, ehe die Jäger zu essen anfingen. Die
Frau des Prairiewolfes sagte ihm: „Du musst auch hinausgehen, da die Jäger
immer allein essen." Er ging aber nicht, sondern blieb in der Nähe sitzen. Die
Kinder, welche ein- und ausgingen, beschmutzten seinen neuen Büffelmantel mit
Suppe und Wasser, und die Jäger boten ihm nichts zu essen an. Als alle Jäger
wieder fortgegangen waren, kam seine Frau in die Hütte wieder zurück und sagte :
„Warum bist Du mir nicht gefolgt? Ich wusste, dass sie Dir nichts geben würden."
Sie kochte ihm etwas Essen und gab ihm einen neuen Mantel aus Büffelfell. Der
Schwiegersohn des Prairiewolfs, die Sonne, war blind. Vier Mal versuchte der
Wolf, die Augen derselben zu öffnen. Endlich gelang es ihm und die Sonne war
sehend.
Am nächsten Tage schloss der Prairiewolf sich den Jägern an. Ein jeder der-
selben trug eine Fackel aus Fichtenholz. Der Prairiewolf nahm aber keine mit.
Nachdem sie eine Strecke gegangen waren, machten sie Halt, und der Häuptling
frug: „Wer ist der beste Läufer?" Er Hess immer zwei Männer zur Zeit in ent-
gegengesetzter Richtung um einen Kreis laufen, um ihre Schnelligkeit zu ver-
gleichen. Dann fmg er den Prairiewolf, warum er keine Fackel mitgebracht habe.
Dieser sagte: „Ich habe eine," nahm ein Paar Federn aus seinem Hute und steckte
sie an seine Schneeschuhe. Als er zu laufen anfing, stob Feuer aus den Federn
und erleuchtete seinen Pfad. Er war bei weitem der raschste Läufer, und als sie
zu jagen anfingen, tödtete er sieben graue Bären und zwei grosse Hirsche. Die
Jäger warnten ihn und sagten: „Du musst alles, was Du tödtest, selbst nach Hause
tragen." Er hörte aber nicht auf, zu jagen. Als die Jäger sich auf den Heimweg
begaben, schüttelten sie ihr Wild, welches dann so klein wurde, dass es leicht zu
1
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(170)
1 WUT. Dor Prairiewolf wnsste nicht, wie er seine nenn groBsen Thiere r
: tragen sollte. Wenn er einmal nicht wusate, was ei thun sollte, pfleglt
miaer auf den Hintern za schlugen, und dann llogcn Exkremente heraus,
i Rath fmg. Als er das that, sprachen sie: ^Blasc aur Deine Beate, il
sie znaammcnschmnipren.'' Er Tolgte dem Kuthe und die Tbiere wanlci
tlass er sie an seinen Gürtel hängen konnte. Er lier nach Hause, und
die Jäger ein gutes Stück voran waren, überholte er sie bald und kam la
tinen nach Hause zurück. Er warf seine Bente in der Hütte nieder
ch nahmen die Thiere ihre frühere Grösse wieder an, so dass die Hütte ^
far. Als die Jiiger sich zum Mahle niedersetzten, glaubte er, er müsse
wieder verlassen. Seine Frau erklärte ihm aber, dass er auch mite:
da er dies Mal mitgcjugt habe. Von nun an jagte er jeden Tag mit
cn Jägern,
ein Schwiegersohn hatte eine ewig brennende Fackel, die der Prairiewolf ^
t hätte. Eines Tages sagte er zu seiner Fran: „Moigen werde ich Euch
, um meinen Sohn zn besuchen," und ehe noch Jemand erwachte, stuh
ickel und lief davon. Als er eine Strecke gegangen war, legte er sich nie
1 schlafen. Als er aufwachte, fand er sich wieder im Hanse der Sonne.
1 war noch unter seinem Mantel verborgen und so wusste ein Jeder, das
bsicht gehabt hätte, sie zu stehlen.
Ir schämte sich sehr, konnte aber deswegen doch nicht der Versnchnng wii
i, noch einen Versuch zu machen, die Fackel zu jttehlen. Die folgende N'i
er ^ie wieder fort, and lief noch weiter, che er sich zum Schlafen nici
Als er aafwachlc, fand er sich wiederum im Hause der Sonne, und mu
[ickel ihrem Eigenthüincr zurückgeben. Die dritte Nacht gelang es ihm n
Du sagte sein Schwiegersohn: „Du durfst meine Puckel nehmen, d
dass Du drei Tage und diei Nächte hindurch laufen musst, ohne ar
Die vierte Nacht darfst Du Dich zum Schlafen niederlegen und die Fai
;ine Seite legen. Dann wird sie nicht mehr zurückkommen.'' Und so
es. Der Prairiewolf kam zu seinem Sohne zurück, und erzählte ihm al
r im Lande der Sonne gesehen und gehört hatte.
r>. Der Nerz,
ler Nerz hatte drei Hrüder. Er unterhielt mit der Fruu des grauen Iti
liebes verhältniss. Als der Bär das erfuhr, wollte er den Nerz und si
r lödten. Eines Tages, als sie gerade auf den Bergen Beeren sammel
•r auf sie za und gab ihnen einen Korb Beeren, indem er sagte: „Xe
Beeren und esst sie, wenn ihr nach Bause kommt Aber seht nicht in
ehe ihr heim kommt" Sobald der Bär fort war, öffneten der Nerz
Brüder den Korb und fanden, dass er keine Beeren, sondern nur Haare
erhielt, mit denen er sie vergiften wollte. Sie warfen sie sogleich I
lär hatte auf der Lauer gelegen, um zu sehen, was der Nerz und si
r thun wUrden. Da sie nun das Gift nicht assen, stürzte er ans seinem ^
hervor und verfolgte sie. Er holte die Brüder ein, der Nerz selbst t
1. Er weinte nnd trauerte um seine Brüder. Dann dachte er darüber ni
r Rache nehmen könne Er machte znnächst eine kleine Grube und i
Ureck hinein- Nach kurser Zeit hörte er etwas in der Grube weinen.
:hsah, fand er ein kleines Mitdchen. Er wollte es nicht haben nnd war
mbe hinaus. Dann warf er wieder etwas Dreck in die Grube, nnd all
r'ieder ein leises Weinen hörte und nachsah, fand er einen kleinen Knal
(171)
Er nahm ihn als sein Kind an and reiste weiter. Nach einiger Zeit sah er den
Bären, der seine Brüder getödtet hatte, an der anderen Seite eines Flusses. Er
hiess den Knaben sich ruhig verhalten und sprang ins Wasser, wo er^umher
schwamm, um die Aufmerksamkeit des Bären auf sich zu lenken. Dieser wurde
neugierig. Er machte sich ein Floss, und Hess es auf den Nerz zutreiben. Er
sass in solcher Stellung darauf, dass seine Hoden ins Wasser hinab hingen. Als
er nun zur Stelle kam, wo der Nerz umher schwamm, nahm dieser sein Messer
und schnitt die Hoden des Bären ab. So tödtete er ihn.
Er wanderte weiter und traf nach einiger Zeit den Bruder des Bären. Er ver-
wandelte sich in eine Fliege und flog um den Kopf desselben herum. Dieser sah
ihn und schnappte nach ihm. Dann kehrte er zu seinem Sohne zurück. Dieser
sagte: „Du warst zu gross. Wenn Du willst dass der Bär Dich nicht sehen soll,
musst Du viel kleiner sein.** Da wurde der Nei-z eine Sandfliege und der Bär ver-
schluckte ihn, ohne es zu merken. Als er glücklich im Magen des Bären an-
gekommen war, nahm er sein Messer, schnitt ihn auf und tödte ihn so.
Dann reiste er weiter und kam endlich nach Bonney's Perry, wo viele Leute
(Thiere) lebten. Er wollte sich dort niederlassen und baute sich ein Lachswehr
unter einem überhangenden Felsen. Die Wehre waren immer voller Fische. Nach
einiger Zeit bemerkten die Leute, dass ihre Wehre immer leer waren. Nur das
des Nerzes war eben so voll, wie früher. Sie legten sich auf die Lauer und sahen
nun eine Feuerkugel vom Himmel herabsteigen. Jemand heraus kommen, der alle
Wehre leerte, ausser dem des Nerzes, welches durch den überhangenden Felsen
verdeckt war. Da beschlossen die Leute, sich die nächste Nacht in Hinterhalt zu
legen und die Feuerkugel mit ihren Pfeilen zu tödten. Die Wildkatze und die
Eule, die gute Schützen waren, sollten zuerst schiessen. In der folgenden Nacht
kam die Feuerkugel wieder. Die Diebe stiegen heraus, leerten die Wehre, und
als sie sich mit den Fischen beladen hatten, sprachen sie zu einander: «.Lasst uns
zurückeilen?** Da nahm die Eule die Wildkatze auf den Rücken und flog mit ihr
zu der Feuerkugel. Sie sahen nun, dass dieselbe ein grosser Korb war, der an
einer Schlange hing und so aus dem Himmel herabgelassen war. Als die Diebe
in den Himmel zurückkehren wollten, rief die Eule: „Ich bin hier mit meinem
Sohne, der Wildkatze,** und schnitt die Schlange, an der der Korb hing, durch. Der
Korb fiel zur Erde und sie sahen nun, dass lauter Thiere darin waren. Sie tödteten
alle, ausser einem Büffel, einer Bergziege, einem Frosch und einer Schildkröte.
Der Büffel spmng in den Fluss und zeigte nur seinen Kopf; die Bergziege sprang
gleichfalls in den Fluss und zeigte nur ihr Gesäss. Beide wurden in Felsen ver-
wandelt, die noch heute zu sehen sind. Die Leute versuchten, den Frosch zu
tödten, indem sie ihm mit Stöcken auf den Bauch schlugen. Sie konnten ihm aber
nichts anhaben. Seither heisst dieser Platz Tsemäköwü'm (= Streng Belly). Die
Schildkröte wurde gleichfalls in einen Felsen verwandelt, der am Flussufer liegt.
6. Der Riese.
Eine Frau war einstmals ausgegangen. Beeren zu suchen. Ihr Kind schlief
neben ihr im Grase. Auf einmal trat ein Riese auf das Kind zu, sah es an und
sprach: „0, mein Sohn, wie weiss Du geworden bist, seit ich Dich verloren
habe.** Die Frau war sehr erschrocken. Nach kurzer Zeit sah der Riese auf sie
herab und sprach: „Mutter, wie hast Du es zu Stande gebracht, meinen Bruder so
schön weiss zu machen?** Sie antwortete: „Ich habe ihn geröstet.** Da sagte der
Riese: „Ich möchte auch so schön weiss und rein sein. Röste mich auch.** Die
Frau sagte: „Gut. Grabe ein tiefes Loch und sammle einen Haufen Steine. Dann
(172)
' trocknes Holz, wirf es in die Qnibe, thue die Steine darauf nnd 1
mit Gras." Er that, wie sie gesagt hatte. Dann liuss sie ihn sich dI
leinen niederlegen uad deckte ihn mit Gras, Erde und Steinen zu. Dt
das Holz an und sprach zu dem Riesen: „Rühre Dich nicht! Wt
aasgebrannt ist, wirst Du weiss und rein sein." Als das Feuer anä
mnen, versuchte er aufzasprin^en, konnte es aber nicht, da die 8te
die sie auf ihn gehäuft hatte, zu schwer waren. Uie Frau hörte se
d sein Herz platzen. Dann nahm sie ihr Kind, ging nach Hause v
len Leuten: „Seht doch die Wurzeln an, die ich unten am Flusse ,
i.' Sie gingen hinab, öffneten die Grube und fanden den gekoch
des Biesen.
Tages sahen einige junge Manner, die in ihrem Boote zum Fischen a
waren, einen Riesen am Flussufer sitzen und ftschen. Er sab, dass
r Bäume sich bewegten, und glaubte, ein Boot käme. Da aber alles s
er Niemand sah, setzte er sich wieder mhig nieder. So kamen
>nner unbemerkt heran. Sie schössen ihn von hinten. Er fiel nie
dteten ihn rollends, ehe er sich wieder erheben konnte.
ie Menschen erschaffen wurden, erhoben sie sich, ehe sie ganz Tei
e fingen an, zu tanzen, und tanzten, bis sie todt niederfielen. Dt
tue Menschen geschaffen, die unsere Ahnen wurden. —
ier wiedererzählten Sagen zeigen recht enge Beziehungen zu denen <
r nordpaci fischen Küste. Die Prairiewoif-Sagen gehören zu einem Cyci
ber die Hochebenen von Britiscb-Colurabien, Washington nnd Ore^
ist. Besonders eng sind die Beziehungen zwischen den Sagen i
und Köotenay. Die Beziehungen zu den Sagen der KUstenvölker
ientlich in der Einverleibung gewisser ZUge in Sagen, denen sie siel
;h fremd waren. So kehrt der Passus in der ersten Sage, als der Va
iuf den Arm nimmt und es beruhigt, das nachberige Verlnssen dcssell
leSDch der Grossmutter, in unzähligen Sagen uiid Verbindungen an i
ier. Ebenso spielt die Pfeilketti: der zweiten Sage daselbst eine groi
le Erzählung vom Nerz und dem Bären kennen wir aus Alaska, wo i
Bären auf gleiche Weise tödiei. Ebenso gehört es zu den Fähigkei
I, mit seinen Exkrementen Rath zu pflegen nnd namentlich Wesen i
der anderen Gegenständen zu machen.
Elr. Otto Herz, welcher im Auftrage eines russischen Grossfürsten e
e Reise durch Nordsibirien nnd Kamtschaiku ausgeführt bat, ist i
how wegen zweier Aleuten-Skelelle in Verhandlung getreten, die
3ehrings-lnael mitgebracht bat. Dieselben sind aus Mitteln der Rud
tiftung erworben worden. Hr. Virchow behalt sich vor, darüber and
berichten.
Von Hm. Vaughon Stevens ist eine neue Sendung ethnologischer Geg<
. Malacca eingetroffen, über welche später weitere Hittheilung erfolg
M
(173)
(15) Hr. Prof. Karl J. Maska zu Neutitschein in Mähren übersendet unter dem
12. Febmar folgende Mittheilung
zur Aechtheit der mährischen Diluvialfunde.
1.
Das Heft /> der Verhandlungen von 1890 enthält auf S. 404 eine Notiz des
Hrn. Virchow, betreffend ein Schreiben des Hm. Salomon Keinach, Directions-
attache bei dem National-Museuro in Saint Germain-en-Laye, worin gewisse Be-
denken über die Aechtheit der von mir und Hrn. Dr. Ktiz erörterten archäologi-
schen Funde aus der Diiuvialzeit Mährens zum Ausdruck gelangen. Obzwar Herr
Virchow in der folgenden Bemerkung nur die Funde des Hrn. KH'z, welche
beim Wiener Congress im Jahre 1889 einer besonderen Commission behufs Aeusse-
rung vorgelegt wurden, in Betracht zieht, so musste ich dennoch, da sonst keine
Abbildungen von Artefakten aus der Diluvialzeit Mährens vorliegen und ohne solche
jedwedes Urtheil unmöglich ist, obige Notiz in erster Linie auf die in meiner
Schrift: „Der diluviale Mensch in Mähren" besprochenen und abgebildeten Fund-
objekte beziehen.
Bestrebt, so rasch als möglich volle Klarheit in die Angelegenheit zu bringen,
wandte ich mich direkt an Hm. Reinach in St. Germain mit dem Ersuchen, seine
Hm. Virchow gegenüber nur allgemein angedeuteten Bedenken näher zu formu-
Uren. Hr. Rein ach hatte die Güte, in einem ausführlichen Schreiben die ihm ver-
dächtig erscheinenden Gegenstände zu bezeichnen und zugleich zu bemerken, dass
seine Bedenken namentlich durch den Umstand hervorgemfen und genährt wurden,
dass die betreffenden Objekte, verglichen mit anderweitigen Funden aus der Ren-
thierzeit, einen wesentlich abweichenden Charakter zeigen und dass beim Wiener
Congress die niedergesetzte Commission eines der vorgelegten Artefakte als unächt
erklärt hatte.
Ohne mich hier in eine nähere Erörterang der letzteren Angelegenheit ein-
zulassen, bemerke ich nur, dass meines Wissens keineswegs eines der vorgelegten
Artefakte als „unächt", sondern bloss als „zweifelhaft" bezeichnet wurde, und gehe
zu den von mir selbst besprochenen Funden über. Ich war auf Grund des Schrei-
bens im Stande, die geäusserten Bedenken in Bezug auf ihre Stichhaltigkeit näher
zu prüfen, sowie verschiedene Auskünfte bezüglich der Fundverhältnisse bei den
einzelnen Stücken zu geben, wodurch an und für sich schon mancher Verdachts-
grund gänzlich beseitigt oder dessen Berechtigung auf das richtige Maass zurück-
geführt werden konnte. Nachdem ich mich noch vorsichtshalber mit Herrn Dr.
Wankel in Verbindung gesetzt habe, legte ich meinen Standpunkt gegenüber den
vorgebrachten Bedenken in einer längeren Erklärung dar, deren wesentlicher Theil
den Inhalt der folgenden Zeilen bildet. Ich fühle mich verpflichtet, diese Erklä-
rund der Oeffentlichkeit vorzulegen, um fürderhin weiteren Bedenken zu begegnen,
sowie den guten Ruf der mährischen Funde zu wahren.
Bezüglich meiner Abhandlung: „Der diluviale Mensch in Mähren, Neutitschein
1886", auf deren Abbildungen ich mich in der Folge gleich Hm. Reinach be-
ziehen werde, sei mir zuvor gestattet, beizufügen, dass ich bei der Herausgabe
derselben hauptsächlich bestrebt war, eine gedrängte Uebersicht aller damals be-
kannten Diluvialfunde in Mähren zu liefem, ohne auf erschöpfende und detaillirte
Besprechung der einzelnen Funde eingehen zu wollen, diese sowie eine kritisch
vergleichende Erörterung aller Vorkommnisse auf einen späteren Zeitpunkt ver-
schiebend, beziehungsweise den verschiedenen Forschern und Findern selbst über-
lassend. Mein Urtheil stützte sich zumeist auf Autopsie, sowohl was die Locali-
074)
tUen, als auch was die Funde selbst betrifft. Was aber die Abbildungen anit
:o war ich ans naheliegenden Gründen gezwungen, mehrere, bereits anderwärt«
lutüte Cliches zu verwenden, wenn ich auch mit der Art und Weise der ]
tellung oder der Auswahl der Gegenstände nicht immer einverstanden war.
liese Weise kam es, dass einzelne Abbildungen mit dem wissenschaftlich ge
enen Texte nicht im Einklang stehen und dass die Uebemahme der vollen B
ehafl für die Tadellosigkeit und Provenienz der abgebildeten Gegenstände mei
eits in einzelnen Fällen abgelehnt und den betreffenden Antoren überlassen wei
Quss. Zu diesem Bchure führte ich schon damals überall die Quelle der Entna
[er Abbildungen gewissenhaft an.
Zur Sache übergehend führe ich an, dasB Hr. Reinach im Ganzen •<. ne
ich die auf S. 31, 93D, E und P, d9 und 101 abgebildeten Gegenstände als n
»der woniger verdachtig bezeichnete. Ich werde sie der Reihe nach besprec
1) Auf S. Hl ist in zwei Ansichten ein Scbieferstück ans der Höhle Kosli
.bgehildet, dessen Oberfläche auf beiden Seiten eingeritzte Striche, zumeisi
ymmetrischer Anordnung, aufweist. Bezüglich dieses omamentirten ScbieferstUi
rkläre ich, dass ich nicht Gelegenheit hatte, dasselbe näher zu untersuchen,
lin also ausser Stande, ein endgültiges Urtheil, die Aechtheit oder Ünächtheit
elben betreffend, abzugeben. Der Gegenstand und die Zeichung bieten mit
olche keinen Anlass, an der Aechtheit des Stückes zu zweifeln, da ähnlich
ormte, mitunter auch bekratzte SohieferstUckchen wiederholt in mährischen I
ialstatinnen vorgefunden wurden und die Verzierung keineswegs gar so abson
ich isi ^er Umstand, dass die Einritzung — soweit man ans der Abbild
rsehen kann — zum Theil auch nnler dem oberflächlichen Knlküberzuge fortli
praehe sogar direkt für die Aechtheit des Stückes. Bedenklich aber ist,
i'heil wenigstens, der Umstand, dass das Stück von einem Dilettanten vorgewii
rnrdc, während andere bewährte Erforscher dieser Hohle kein ahnliches Stttcl
^ige brachten. Ich räume ein, dass es dringend wUnschenswerth wäre, das
inal einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen, um die Sache nach s
leiten hin klar zu legen. Die 'Abbildungen wurden den Mitlheilungen der anth
■esellschan in Wien, XI, Band, 1K83 entnommen. Ob die damalige Redsc
as Original gesehen nnd untersucht hat, ist mir nicht bekannt.
2) Die Abbildung D auf S. 93 repnisentirt ein Renthiergeweihfragment
'l-edmost, in welchem ein Feuersteinmesser steckt. Hierzu erkläre ich, dass
eiden Gegenstände nicht in der angegebenen Verbindung vorgefunden wni
nd überhanpl nicht zusammengehören. Die Vereinigung beider Stücke in
,bbildung erfolgte nach Aussage des Finders, Hrn. Wunkel, lediglich in der
icht, um ein vollständig adjustirtes Feuerstein werk zeug zu Teranschnnlichen
lenthiergcweih ist an und für sich acht und weist auf der Oberfläche zwei Bei
ich kreuzender eingeritzter Striche, die indessen in der Zeichnung nicht
fiedergepeben sind. Hauptsächlich wegen dieser Omamentirung wurde das Gew
ragment zur Abbildung gewählt. In diesem Falle stimme ich Hm. Reinach
'enn er ein derartig zusammengestelltes Werkzeug als unmöglich bezeichnet;
Icnthieigeweib hatte gewiss eine andere Bestimmung.
3) In der Figur E auf S. 93 ist ein Elfen bcinkegel aus Predmost abgebi
nd nach Wankel als ^Ahle" bezeichnet. Dieser Kegel ist vollständig Seht
ietet mir in seiner Eigenschaft als einfach zugespitztes, bezw. abgerundetes El
cinartefabt in keiner Hinsicht irgend welche Veranlassung, an seiner kil
chen Herstellung in der Diluviulzeit zu zweifeln, um so weniger, als ich s£
hnliche Exemplare in viel grösserer Vollendung und Zartbeil an derselben Fi
(175)
Stätte in Pfedmost geAinden habe. Hier liegt also für irgend ein Bedenken kein
Ghnind vor.
4) Auch der 25 cm lange und 7 cni dicke Elfen bei ncy linder mit Oehr aus
Pfedmost, Figur F auf S. 93, welchen Hr. Reinach als Unmöglichkeit zu be-
zeichnen geneigt war, ist seiner Substanz und ganzen Form nach acht und jedweder
Zweifel bezüglich dessen unzulässig. Hr. Dr. Wanke 1 fand ihn persönlich in der
diluTialen Culturschicht und zwar, wie ich einer freundlichen Mittheilung desselben
entnehme, mit vollständig unversehrtem Oehr. Gegenwärtig ist letzteres allerdings
beschädigt, indem anlässlich eines Transportes der obere Theil des Bogens ein-
gedrtlckt wurde; doch sind die beiderseitigen Ansätze noch in hinreichender Aus-
dehnung erhalten, um die Authenticität der Abbildung zu bekunden. Ich habe
diesen Elfen beincylinder wiederholt besichtigt und stehe gleichfalls für dessen
Aechtheit ein. Massive Elfenbeincylinder und Aushöhlungen von Elfenbein wurden
auch von mir in Piredmost, erstere in den Höhlen bei Krakau und in der mähri-
schen Höhle K II Ina bei Sloup gefunden. Steht nun die Aechttheit des tadellos
vollendeten Exemplars aus Predmost xmanfechtbar fest, so lässt sich allerdings
über die Art seiner Verwendung streiten. Ihn, nebenbei gesagt, als lassoähnliches
Wurfgewicht zu deuten, wie es Hr. Wankel thut, scheint mir mit Rücksicht auf
die verhältnissmässige Zartheit des durchlöcherten Endzapfens nicht zutreffend.
5 und 6) Die grössten Bedenken scheinen Hrn. Reinach die beiden auf
S. 99 und 101 abgebildeten Mammuthrippen-Pragmente mit eingeritzten geometri-
schen Ornamenten eingeflösst zu haben, da die Zeichnungen zu jenen gehören, die
sehr leicht selbst in einen mürben Knochen eingeritzt werden können und ihr
streng geometrischer Charakter von den bisher bekannten Proben der Renthierjäger-
Kunst stark abweicht. Dem gegenüber erkläre ich ausdrücklich, dass die beiden
Exemplare von mir eigenhändig aus der unversehrten Culturschicht in Predmost
gehoben und eigenhändig gereinigt wurden. Ich stehe für deren Aechtheit in jeder
Beziehung persönlich ein. Die Beschaffenheit der gravirten Oberfläche ist übrigens,
wie schon den nach Photographien hergestellten Zinkographien entnommen werden
kann^ eine derartige, dass beim blossen Anblick derselben auch der leiseste Zweifel
schwinden muss.
Zum üeberfluss bemerke ich noch, dass ausser den zwei abgebildeten Mamrauth-
rippen noch mehrere andere in Predmost und zwar sowohl von mir, als auch von
anderen Forschem ausgegraben wurden. Die Oberfläche dieser Exemplare ist ent-
weder bloss durch wiederholtes Schaben mit einem Feuersteinwerkzeug geglättet,
oder mit eingeritzten Strichen in verschiedener Anordnung bedeckt; ich bildete im
Jahre 1886 eben die beiden schönsten Exemplare von der Fundstätte ab.
Ausser solchen zugerichteten, minder regelmässig oder unvollständig omamen-
tirten Mammuthrippen fand ich im vorigen Jahre in Pfedmost ein neues Pracht-
exemplar von 33 cm Länge, auf dessen einer Breitfläche eine siebenmal gebogene
Wellenlinie, umgeben von sonstigen Strichreihen, eingeritzt erscheint. Diese
Mammuthrippe, welche ich gleichfalls eigenhändig gehoben und gereinigt habe,
steht hinsichtlich der Ausführung der Zeichnung gleichfalls einzig da und bekxuidet
im Zusammenhange mit den anderen Gegenständen von derselben Fundstätte aber-
mals die hohe Wichtigkeit dieser hervorragenden Station, welche, wie kaum eine
andere, zur Aufhellung der diluvialen Verhältnisse in Mitteleuropa beizutragen
vermag. Angesichts der ungewöhnlichen Reichhaltigkeit und grossen Mannich-
faltigkeit der Funde in Piredmost darf es uns nicht wundem, wenn unter den vor-
kommenden Gegenständen auch einige neue Erscheinungen auftreten, um so weniger,
als namentlich die Anzahl der grawten Artefakte in unseren Ländern bisher eine
(176)
geringe igt, ao dass vorlänftg von VergleichuDg derBelbea noch abget
ien muss. Eine volle Ue berein sfim man g dieser, doch nor von der individi
if^e des Künstlers abhängigen, an kein Vorbild sich anlehnenden Erzeag
den westeuropäischen Gravirangen kann man schon mit Rflcksicht an
oliche Entrernung nicht erwarten; meines Erachtens mUsste eine solche :
Taschen, als die vorhandene Unabhängigkeit gewisser mährischer Konstleistu
den französischen and belgischen. Uebrigens glaube ich Anklänge ai
fische diluviale ( >rnamentirung auch bei französischen Exemplaren vorznfi
verweise in dieser Richtung insbesondere auf die mit Einritzungen verzi
!kte aus Laugerie-Basse in der Dordogne, wie sie in Cartailbac, La Fi
istorique, Paris 1889, p. '25 abgebildet sind.
Um schliesslich noch die Funde des Hm. Dr. KH£ kurz zu erwähnen, wi
I Änthropologen-Gongress in Wien zur Sprache kamen, so bemerke ich,
alle diese Objekte aus Autopsie genau bekannt sind und daas ich troti
Hrn. Szombathy bezüglich eines Stückes angeregten Bedenken an
itheit zu zweifeln keinen Grund aufzufinden vermochte. Die Torgebra(
jnken waren so wenig berechtigt, dass nur die Eile, mit der die Prüfung
anstände in Anbetracht des notorischen Zeitmangels vor;genomnien we
äte, daran die Schuld tragen dürfte, dass auch dieses Stück nicht gleicJ
:tändig als acht, sondern in Hinsicht der Provenienz der GinritzuDgeo
felhafl erklärt wurde. Aber selbst zugegeben, dass diesmal Hr. KUi
n Arbeiter hintei^ngen worden wäre, so könnte dieser einzelne Fall mit
Ten mährischen und namentlich Pi-edmoster Funden in keinerlei Bezie
acht werden. Dieselben stehen vielmehr makelloss da und namentlic
r Zweifel an der Aechlheit der von mir aufgefundenen verzierten Marnn
;n ausgeschlossen.
In der vorstehenden Darlegung war ich bestrebt, die Seitens des Hm. Reir
ebracbten Bedenken nach Möglichkeit zu zerstreuen oder anfzaklären,
be ich dargelhan zu haben, dass ein ausgesprochenes Falsnm unter den m
n Diluvialartefakten nicht erwiesen ist. Hr. Reinach war so freundlich
m weiteren Schreiben seinen gegenwärtigen Standpunkt zu präcisiren. E
rttcklich wünscht, das Schreiben nur vollständig zu veröffentlichen, so erl
nir, hier den Wortlaut im Original folgen zu lassen.
Chäteau de St. Germain- en-Laye, le 7 Fevrier 1^91.
Monsienr te Professeur,
„J'ai re^u et In avcc gmnde attention la lettre que vous m'avez fait l'hon
i'ecrire, en rcpoose ä Celle oü, sur votre demande, j'avais precise les d(
m'inspiraient quelques objets ornes de gravures, pubties dans votre tivre .
iale Mensch in Mähren".
„La gravnre qui me semblait, et mc semble encore la plus singuliere, est
1 page 31 (fragraent d'urdoise). Cr, voua me dites precisömcnt qne von
ez pas repondre personeliement de son authenticite. 11 faudmit que l'orii
loumis H l'examcn dune socirtc d'anthropologic; pour le momcnt, je cont
doutes, motives par l'analogie de ces dessina sans caractere avcc ceux qu
inbtics antrefois parBronillet etMeillet (Epoques antediluvieime et celt
'oitou, Poitiers et Paris 1864) et qne Ton a montrös avoir ete fabriques
llet.
,En ce qui conceroe les gravures de la page 93, votre lettre confont
que mes doutes snr la Dgure D. Je considorais comme inadmissible l'inw
i pointe en silex dans nn manche en bois de renne de cette forme et
(177)
m^obligeait ä considerer le tout comme suspect. Vous me dites que ]a pointe en
silex a ^ie inseree dans Ic manche, ,,Qm ein vollständig adjustirtes Feuersteinwerk-
zeag za veranschaulichen^; cette explicaiion me suffit.
„Le cylindre en ivoire avec oreillette de snspension (p. 93, F) me semblait
aussi inadmissible; vous me dites qae le Dr. Wankel Fa tronve de sa propre main
dans la couche quatemaire et quMl en existe d'autres analogues trouves par vous
a Pfedmost Je m'incline devant cette double affirmation.
„Pour les deux cötes de mammouth reproduites aux pages 99 et 101, vous
me dites que vous les avez decouvertes vous-meme dans des couches vierges.
Comme vous Fecrivez, tout doute sur Fauthenticitc dos gravures doit ceder devant
une assertion aussi formelle. Vous ajoutez d^ailleurs que la Station de Pfedmost
vous a fourni des objets de types tout u fait nouveaux. C'est le caractere de
nouveaute qui avait eveille mes soup^ons et il est fort desirable, dans Finteret de
la science, que toutes vos decouvertes soient soumises a quelque commission com-
petente avant d'avoir ete completement nettoyees. Sans cela, les doutes que je
vous ai exprimcs seront renouveles par d'autres, qui connaissent YSige du renne
par les recherches faites dans FEurope occidentale, oü les types d'objets en os et
en corne presentent un caractere reraarquable d'uniformite.
„Je vous autorise, Monsieur le Professeur, a faire de la presente lettre Fusage
que vous croirez convenable, mais je vous prie de ne la publier qu'integrale-
ment.'' —
Dem Schreiben ist zu entnehmen, dass die ehemals vorhandenen Zweifel des
Hm. Sal. Bei nach in der Hauptsache gehoben sind; ich verarge es ihm nicht,
wenn er bezüglich des omamentirten Schieferstückes bei seiner ursprünglichen An-
sicht verbleibt, xmd verweise den Leser in diesem Punkte auf meine obige Erklä-
rung. Was jedoch die Prüfung meiner sämmtlichen Funde von Pfedmost durch
eine competente Commission betrifft, so erlaube ich mir hervorzuheben, dass die
wichtigsten Ergebnisse der Ausgrabungen bis zum Jahre 1889 in einer sehr be-
deutenden Auswahl bereits dem Anthropologen-Congress in Wien vorgelegen haben,
bei welchem Anlasse ich Gelegenheit hatte, namentlich die verzierten Mammuth-
rippen, sowie andere Artefakte von Elfenbein, Knochen oder Stein nebst auf-
geschlagenen Mammuthknochen und sonstigen Belegen der Fauna den anwesenden
Celebritäten aus Deutschland und Oesterreich-Ungarn persönlich vorzuzeigen.
Eine neuerliche Vorlage der gesammten Funde erscheint mir derzeit weder
erforderlich, noch zweckdienlich; deren Ausführung wäre auch mit Schwierigkeiten
verbunden, denn abgesehen von dem Transport der zahlreichen, mitunter volumi-
nösen oder gebrechlichen Fundstücke ist die Zusammensetzung einer competenten
Commission aus Kennern diluvialer Funde nicht immer leicht zu bewerkstelligen.
Gern bin ich hingegen bereit, die wichtigsten Artefakte und insbesondere die geo-
metrischen Ornamente auf Mammuthrippen bei passender Gelegenheit den Fach-
genossen zur Beurtheilung vorzulegen. Vorläufig befindet sich das gesamrote von
mir gewonnene Material von Pfedmost geordnet in meiner Sammlung in Neu-
tiischein (Mähren) und kann von Jedermann besichtigt werden.
V
ß
IL
Die günstige Gelegenheit, welche es mir ermöglichte, die diluvialen Funde
Mährens einer näheren Besprechung an dieser Stelle zu unterziehen, kann ich nicht
vorübergehen lassen, ohne noch in einer anderen Richtung eine Richtigstellung
zu versuchen. Dieselbe bezieht sich auf das bekannte diluviale menschliche
Unterkieferfragment aus der Sipkahöhle, gewöhnlich Sipkakiefer genannt. In der
Vertaaadl. der Berl. Authropol. Gesclltchafl 1S9I.
12
(178)
rechung des Werkes „Anthropologie" von Dr. Alsberg (Zeitschrift für E
1t(88, S. '250) verweist Hr. Virchow auch aar die Darstellung des i
rs and macht dabei die Bemerkung, „dass es bei demselben nachg
Folhaft geworden ist, ob er überhaupt ein diluviales Stück ist"- Diese B'
veranlasste mich, an Hrn. Virchow die höfliebe Anfrage zu richten, w
ide ihn bewogen hätten, von seiner ursprünglichen Ansicht abzugeben ui
^ossihtät des Kieferslückea zu zwcirchi. Hr. Virchow hatte die beso
, mir umgehend bekannt zu geben, dass die citirte Bemerkung auf einer
iing beruhe, welche ihm Prof. Woldrich bei Gelegenheit des hygienischen
les in Wien gemacht hätte. Dieser habe ihm gesagt, die Lage des K
:es in der Höhle mache es zweifelhaft, ob dasselbe zu dem diluvialen Ii
letzteren gehöre. Zugleich ermächtigte juich Hr, Virchow von seiner Ai
auch zu machen, da er keinen Grund hätte, die ihm gerauchte Mittheilm
verb'aulicbe anzusehen. Ich achrieb also Hm. Weidlich in Wien nr
te ihn um Aufklärung, doch bekam ich nur ausweichendo Antworten. D
)etheiligteu Kreise über den wahren Sachverhalt au^uklären vermochte,
igte ich nicht, die Angelegenheit an die OefTentlichkeit zu tragen und hat
e Sache auf sich berahen lassen, wenn nicht später und sogar in neueste
mala bedenken gegen das diluviale Alter des Sipkakicfers laut geworden v
sich wahrscheinlich auf den oben citirten Ausspruch des Hm. Vircho'
m dürften. Ich sehe mich in Folge dessen bemüssigt, ein für allcma
drücklichst zu erklären, daas seit der Auffindung des Sipkakicfers im
keine neuen Momente bebannt geworden sind, welche in irgend welcher
zu einem Zweifel an der Fossilität des StUckea berechtigen würden.
Ich halte es für überflüssig, hier noch eine Lanze für den acht diln
akter des Stpkakiefers zu brechen. Derselbe wurde von allen Forschen
untersucht oder auch nur gesehen haben, ausdrücklich anerkannt. Äugst
nnten Stelle ist mir auch in der Literatur kein einziger Fall bekannt, wo i
md an der Fossilität des Stückes gezweifelt hätte. Ich hebe nur bezi
;r Lagerung in der Sipkahöhle hervor, dass er in einem Theilc derselUer
iden wurde, welcher vor Beginn der neolitbiscben Zeit eingestürzt wa
die TrUmmer der Höhlendecke an allen Stellen unmittelbar auf oder in
ialen Böhlenlehm lagerten. Das Kiefersttick stammt aus der unterstei
ten Culturschicht und wurde in der Nähe einer Feuerstätte mitten zwi
Resten altdiluvialer Thiere und Qu arzit Werkzeugen vom Type Mous
nden- Dasselbe gebärt zu den ältesten diluvialen Funden in Oesterreich-U
überragt an Alter bedeutend namentlich die Pnndc von der Mammoth
e in Ptedmost-
(16) Hr. A. Treichel schickt nebst Brief vom 11, Jannar aus Hoch-Pale»
jndcn Bericht über
westprensBische Schlossberge and BorgwftUe.
1. Schlossberg von Ralhsdorf.
Neulich nahm ich Gelegenheit, den Burg wall von Rathsdorf im I
Stargardt zu besuchen. Er liegt unweit von der Chaussee Hoch-StUblaa-
t und ist es von dem Gute Miradaa aus auf dum von der Schule nach RatI
enden Schulsteige etwa '2 Minuten zu gehen. Dieser Steig führt von Plak
^u, welche durch eine Senkung unterbrochen sind, in deren Kessel zwei
m, rechts der tiefere, weil mit abschüssigen Ufern begabte Radaune-Sce, au
(L St. M. Hochstüblaii Mühle. Mir. HiraiUii. S. Schule (tod da Act KchuUteit;)- Fr. St. Preuss.
Stargardt. R. 1). Rathsdfirf. Path. S. Patheo-See. Gr. Graben. Rad S. Kadaunen ■ See.
E. Kingang. It. Bude. K. Kessel (mit 4 Schritt AbsHeg). Umg. Umgang.
chem ein Graben das Wasser in den tiefer gelegenen, mehr morastigen linken Puthen-
See bringt von welchem ein Bach die Abflüsse zur Pischnica nibrt. Am Fusse dieses
Pathensees, welcher daher seinen Namen führt, dass er einmal als Patheiigescbenk
fortgegeben wurde, liegt auf der Gegen übe rseito der Schlossbcrg, wie er auch im
Volksmnnde heisst, beide zum Gate Ruthadorf als dessen nördlichsten Stücke
gehörig. Nach der Generalstabskarte hat der Pathensee 104 m, der höchste Punkt
am Radaunesee aber 132 in. Somit mag die Höhe des ßergabfalls etwa 20 — 35 m
an dieser Stelle betragen. Die innere Gestaltung ist durch angelegte Gänge neu-
zeitlieh »erändert, lässt sich aber immerhin erkennen. Der jetzt gewählte Eingang
wird wahrscheinlich an der Stelle angelegt sein, wo schon vordem ein solcher vor-
handen war. Eine an der breitesten Stelle 8 Schritte Durchm. haltende Wallkrone um-
giebt den Wall ; sie ist links vom Eingänge etwa "25 Schritte, rechts Über 75 Schritte
lang. Im inneren Raum zeigt der Wall bei 34 Schritten Abstieg eine Haupikesselung
und noch zwej weniger liefe (4 and 5 Schritte im Durchm.) Kessel, auserdem noch
manche kulenartige Vertiefung, überall ausgefüllt von einer starken Humusschicht
12*
(180)
rselben brachte der TouchciA- Lehm herauf^, sowie von dem LaubralU
ind die Ansicht erschwerenden Baumbestand es an Riefern, Kothbnchcn
Birken, Der Abfall geht halbkreiardrmig zum PatKenBee. In früherer
jr Wall za ländlichen Somraer-Vergntigungen fUr die Bewohner der
enutzt, ehe sich solch Stelldichein in die Oberförsterei Wirthy verzog; d
e, daher eine bedachte Bnde am Ufer des Sees, iiuf welchem Boote
iaher vielleicht manche andere Veränderung. Die Wallkrone bilde
aten Stelle einen grösseren, mehr runden Punkt von 14 Schritten Um
ngeebnet, etwa zum Zwecke einer Aussicht. Von der Landseite aut
efindet sich links vor dem Walle ein etwa 50 Puss tiefer Graben, l
; Schlehdorn bewuchert, freilich die beste Abwehr; eine solche Vorth
It rechtsseitig, scheint auch nicht so nöthig, weil hier der Abfall zu e
he ein bedeutenderer ist, wie linksseitig, wo ebenfalls ein Thall
n ist. Zwischen beiden Bruchkesseln geht nnn der Zugang, we
auf den breiten Auagnck fuhrt, indessen nur eine schlechte und schw
ignng abgiebt. Dies ist das Ergebniss einer spät nach mittäglichen V
im November. Funde habe ich nicht gemacht, noch von solchen ge
e sonst sich anschliessende Sage fällt ganz fort, trotz der Umfrage, wi
erPox in Miradau, mein Weiser und Begleiter zum Walle, darüber h
Dagegen erzählte derselbe mir von einem seltsamen Funde von 1»8)<
ichte eines Schnlknaben. Dieser hatte auf dem Schulsteige in dieser Ge
dförmigen Gegenstand von etwa ti ciu Durchmesser, schwärzlichen
mit Speichen versehen, nur dass eine fehlte, gefunden, dcnselbei
lin gehalten und also („was sollte ich damit?") in den nahen See gewc
le, das bestimmt beschriebene Aussehen der Form, ja die fehlende Spi
es sehr wahrscheinlich, dass es das Rad eines kleinen Wagens und
nze gewesen sei. Ist dies Stück auf dem Auswurf des Grabens gefui
lottnung vorhanden, dass die angeregte weitere Suche ein nähere:
bringt.
s nnn die Literatur dieses Walles betrifft, so führt ihn Dr. L. B
ihichtl. Rnndwälle S. 190) nach J. N. Pawlowski (Prov. West-Pr. !
erg Miradau ist identisch mit dem von Rathsdorf) knrz an; er bezei
Dt. Lissaner (Prähistorische Denkmäler f. West-Pr. S. 19-i). im I
I Schwarz Wasser, Weichsel and Ferse als den einzigen anf den G
en Ufers des Scbwarzwassers nach Untersuchung und Bericht voi
irdt, der ihn Buigberg nennt (Sitz. d. anthropol. Section zu Danzig
■• 1877, Sehr. d. naturf. Ges. Bd. IV. H. 3. S. 14). Das Plateau gie
an, den Aufstieg des Wulles auf lä m. Er fand viele Scherben vom 1
s und Holzkohlen. Aber schon Dr. B. Stadie (Landräthl. Kreis Stat
iricht läli9 von den mächtigen Wällen eines früheren Castmm, das '
b dos Schloss Radzons war, in welchem 1270 Herzog Histwin II.
Bruder Wrutislav II. überfallen wurde Rathsdorf, vor 14*>' Radzii
war aber das ursprün gliche (Rcdzk? oder) Radeow oder Radzons
em nahen Niradowe (Mirudau) 1305 von Peter Swenza von N
den deutschen Orden verkauft ward. Mag auch das Ketz zwi
und Konitz Radeow oder Radzons geheissen haben, so darf Atta voi
k's verkaufte Radzons nicht, wie Toppen, Hirsch und Quandt w
bezogen werden; vielmehr muss man es, schon wegen der Näh<
e, anf dies Stargordter Radziejewo, heute Rathsdorf, deuten, Aue
»•
* w r.
(181)
alte Name des hier gelegenen Sees, Radaune, über dessen Vorkommen gerade
hier man sich bei der weiten Entfernung des Radaaneflnsses wwidem müsste,
spricht durchaus dafür. Ja, ich bringe auch den Namen Miradau damit in Verbin-
dung, alt Niradowe, also wohl nicht von „mir" = Friede abzuleiten, sondern viel-
leicht den Gegensatz von Radeow bezeichnend, das hier seine Grenze hatte, da
früher selbst der Fathensee dazu gehörte. Unannehmbar ist dagegen die von Dr.
Stadi^ vorgeschlagene Ableitung dieses Namens von r^d, r^dz, r^dzina = fetter
Boden, Morast, Torfbruch, Sumpfwasser, ganz verschiedene Begriffe bezeichnet,
wenn sie auch auf den Ort passen mögen. Ebenso giebt's im selben Kreise
(näher Dirschau) ein Rathstube, ursprünglich Radostowe, o. Anklingende Orts-
namen, zum Theile germanisirt, findet man häufiger, wie Radawnitz bei Flatow,
Radowno bei Loebau, Radowisk bei Strassburg, Raduhn bei Dt. Krone und im
Kr. Bereut, Radagosz oder Radegast in Kreise Stai^gardt; wie auf der Insel Usedom
Redzow und Redesso w, im Kreise Lauen bürg Reddestow; wie sonst Raddow,
Radekow, Radewitz, Radlow, Rathebuhr und Ratzebuhr in Pommern. Ich selbst
leite es ab von rad, gern oder radda, radzca, Rath, radziö, rathen; es ist das nicht
blos der Sinn des verdeutschten Rathsdorf, sondern steht auch eher in Verbindung
mit dem Burgwalle, weil auf ihm etwa Rath gehalten wurde.
2. Der Burgwall von Borkau-Grabau.
Im westpreussischen Kreise Preuss. Stargardt giebt Dr. Behla in Vorgeschichtl.
Rundwälle S. 190 einen Burgwall von Grabau als verzeichnet auf der prähistorischen
Karte der Provinz Westpreussen von Lis sauer kurz an, den auch ich ihm nach
meinem Gewährsmanne Hr. Peter von Gzarlinski für seine Zusammenstellung
gemeldet hatte. Dr. Lissauer führt ihn nach Ossowski Carte arch. p. 9, Nr. 31
an als am Ufer eines kleinen Sees gelegen, nicht weit vom Borkauer Wäldchen, und
als halb zerstört. Seine genauere Untersuchung konnte von mir erst im Frühjahr 1890
erfolgen, wobei mir Herr Besitzer Kantak getreulich zur Seite stand. Ueberall
wird er als der Wall von Grabau bezeichnet; da er aber wunderbarer Weise
halb zum Gute Borkau und halb zur Gemeinde Grabau gehört, woher der
Eigenthümer Jeschke das ihm gehörige Viertel vor einigen Jahren auf seine Län-
dereien oder Wiesen zur Cultivirung verfahren hat, so dass der Grabausche Antheil
als Wall nicht mehr besteht, so ist es wohl gerechtfertigt, ihn den von Borkau-
Grabau zu nennen. An den Namen (Neu-) Grabau, Kreis Bereut (Grab = Weiss-
buche) knüpft sich bereits (Sitz.-Ber. 'l%, Jan. 1878 und Verhandl. 1884 S. 73) ein
Bericht über einen anderen Burgwall. Sonst, meine ich, hätte der Name weiter
nichts mit der Existenz von ßurgwällen zu thun. Die Weissbuche mag ja früher
die Signatur dieses breiten Landstriches zwischen Schwarzwasser (alt-pomerellisch
Wda), Weichsel und Ferse gewesen sein, heutzutage herrscht aber links von der
Weichsel, wie sonst überall, die Kiefer vor. Der Name des Walles ist im Volks-
munde nicht Schwedenschanze, obschon ihn die Generalstabskarte so nennt, sondern
Zomkowisko, also Schlösschen. Ein solches hat aber niemals darauf gestanden und
würde auch der Platz dazu nicht ausgereicht haben. Es ist der Volksmund, der
solche Vorstellungen weiter trägt. Durch seine Form und Kleinheit hat der WaU,
mehr ein Ringwall, Aehnlichkeit mit dem von Fustpetershütte, Kreis Carthaus.
In Bezug auf den letzteren möchte ich mich gegen die Annahme verwahren
(Lissauer S. 193), als ob ich darin Ziegelstücke gefunden hätte. Es waren viel-
mehr nach Art und Farbe (aber nicht nach Form) der Ziegel gebrannte Lehm-
klumpen, so dass mir die Versetzung des Walles in eine historische Zeit ausge-
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(182)
schlosaen eracheint. Solche durch Brand gorcstigte uod gefärbte Stücke, abi
miiiiroaUter Grösse, Tand ich auch durch das ganze Erdreich der Watlkront
reich vorhanden. Rechts von Grabau nach Borkaa zu erstreckt sich nord
bis südwestlich ein Rucken von uii beträchtlicher Höhe (die umliegenden 1
zeigen 9(1, 68, »1, 72, ül, 65 m Über der Ostseeßäche) in eine vor Zeiten gai
Sampf und Wasser umgebene Ebene hinein, deren Entwässerung durch Se
schon die Vorbesitzer von Borkau, Diebisch (um 1790) nnd Plehn, za G
ihrer Ländetcien in Ausführung gebracht haben. Dadurch sind ringsum heut
moorige Wiesen und uns^enlcm ein tieferer Wasserspiegel als Seechen entsl
und Übriggeblieben, in der Angren7.ung als Torfstich benutzt. Die ganze A
der Gegend hat sich mithin verändert. Mehr Wasser und grösserer Wald sol
vor 20— 30 Jahren vorhanden gewesen sein. So bat dieser Ringwall damals
im Walde gelegen. Heule erreicht man ihn wegen der moorigen Umgebung nu
Borkauer Wäldchen, weit dieses an das ihn tragende Platcuu anslösst, über si
ist er auf der Seite der Ebene lange Zeit, wenn man die Strasse Grabau übei
hausen nach Kehrwalde ,im Volksmunde Kerwaul) einschlägt, so dass eigcntlicl
bereits eingeübter Kutscher August ("l") schon mich auf ihn aufmerksam tu
konnte, während ich 'ihn gemäss der kartographischen Zeichnung mitten im '
gelegen wähnte. Er sieht wie ein Teig, von Menschenhand geformt, aus. Solt
ständlich ist er aufgetragen, Mergel und Muscheln (Hclix fniticum) im Erdre
der Wallkrone lassen unschwer erkennen, woher das Erdreich genommen.
Krone misst 1.^6 Schritte im Umgange, der Aufstieg von aussen *24 Schritt
Niederstieg 16 Schritte. Das abgefahrene Viertel berechne ich auf 26 Sc
Nahe diesem fehlenden Viertel ist jetzt noch ein deutlich zu erkennender
von <> Schritten Länge nnd 'S Schrillen Breite ganz mit Steinen gefüllt, wi
die Leute mit Brunnen bezeichnen. Als ich einen alten Grabaucr Ackersmar
seine Meinung Über den Burgwall ansprach, erzählte mir dessen Kmu, d;
ihrer Jugendzeit noch die Hütejungen vergeblich die Zügel ihrer Pferde zusun
gebunden hätten, um die Tiefe des Brunnens zu ermessen, obschoa dersclbi
?ich durch die Bubtraction der Muasszuhlen ergiebt, bis zu seinem inneren W
Stande kaum tiefer als 10 Puss gewesen sein kann. Wenn auch erzählt v
CS seien früher Treppen sichtbar gcnoscn, so wird sich das wohl auf tem
Rundgange znrUckführen lassen. Bei 24 Schritten Aufstieg bedurfte es
nicht. Die Sage fügt endlich hinzu, eine Jungfrau hole dort Wasser. Abt
Brunnen war ja vorhanden nnd dessen Wasser wird kaum mehr gcniesabi
wesen sein, als das der uraDiessenden Wassermasse. Vor Zeiten kann ni
schmaler Zugang bestanden haben und befremdete es mich nur, dass, wovon
nichts zu bemerken, dessen Endschacht nicht durch einen ausgehobenen Zugg
^kennzeichnet war. Nahe Bergkuppen sind viel höher. Daher erscheint g
jic Auswahl dieses durch die Wasserumgebung gesicherten Platzes, der wie
geformte Torte aussieht, nur für den wunderbar, der nicht an eine fenerwafft
Seit nnd an das Uesircben der alten Bewohner denkt, sich mitten im 8um|
Ferrain einen festen Platz zu sichern. Heute baut eine ortsarme Wittwt
ItartofTcIn, wogegen ganz frische Banmhiebe für wenige Jahre vorher das E
'on im Grunde 2 Pubs starken Kiefern beweisen. Die heule wenigen Nussb
nagen frUher daneben zahlreicher gewesen sein, da ich den ganzen unsserei
lang mit den Schalen dieser Früchte bestreut fand. Ein einziger Krenzdor
ler Wallkronc versetzte mich in alte Zeilen zurück, wo man deren zur
■ung bmuchle. Der höchste und breiti-ste Thcil der Krone liegl im
•n %
(183)
Osten, weil hier der einzige Zugang möglich ist Ganz im Norden findet sich eine
Einsattelung der Krone und daran anschliessend im Aeusseren der Aufhöhung eine
schräge, nahtartige Gonnivenz der Erdmassen. Im Nordosten zeigt sich eine schwarze
Stelle, der Uebeirest kulinarischer Genüsse, über 1 m tief, ohne dass bei Gra-
bungen etwas Anderes als Steine, die Feuer gekostet hatten, zu Tage trat.
Sonstige Funde waren Kohle, äusserst wenige Schälber, zahlreiche, im Feuer gehär-
tete Lehmpartikelchen, Zähne von Schweinen; an keramischen Objekten fand sich
ein Bruchstück (dickwandig, grobgrandig durchsetzt, schwarzthonig) und ein Rand^
stück (feiner gehalten, grauer) von Gefässen, die man ja auch Urnen nennen kann,
beide ohne Ornament. Vielfach calcinirte Conchylien beweisen die Hernähme des
Erdreichs aus bruchigem Boden. Die nahen Berge führen zwar auch Mei^gel, aber
keine Muscheln. Ganz aus der Nähe stammen viele Steinhämmer in den Museen
zu Thorn, Marienwerder und Danzig, z. B. aus Grabau, Pillaraühle, Lipiagora
(Fiindenberg), Barloschno, Mirotken. Auch hier sind sie nur in den Wiesen ge-
funden, selbst unvollendet (Lipiagora), so dass weitere Ausbeute zu erwarten
steht. Elr. Gutsbesitzer Kantak .wird sich für weitere Funde im pro vincialen Inter-
esse alle Mühe gehen. Im (Jebrigen verweise ich auf meine Auslassung gelegent-
lich des Burgwalles von St. Johann im Sitz.-Ber. vom 17. Novemb. 1888 (S. 498),
wonach gemäss der ^ Quand tischen Districtseintheilung für Pomerellen (in
ßalt. Stud. XVI) dieser Bürgst all der von Scossow ist, den er mit der Jagd-
liebhaberei der pomerellischen Herzöge in Verbindung bringt. Dieser Name lebt
heute nicht mehr im Gedächtnisse und auf der Zunge der Umwohner. Entlehnt
war der Ausdruck von Qu an dt den ihm bekannten ältesten Urkunden, wie sie
das Pom. Urk.-Buch auf S. 210—215 bringt (1274. Januar 2. Schwetz), wo es sich
um Documente handelt (acht scheinende und Interpolationen), in denen Herzog
Mestwin dem Cistercienserorden zur Gründung eines neuen Klostei's einen Land-
strich im Lande Thymau zwischen den Flüssen Jonka, Wangermuze und Ferse
schenkt. Für dessen Abgrenzung wird als Ausgangspunkt (errori cauto) „explanirt"
ein locus castri qui vocatur Scossow, mit den Namen Chonotope (Pferdetränke),
Mylcicha, Brezeke, Gribene und Glost (Ghost) für die umliegenden Sümpfe (paludes,
stagna).
Mit Bezug auf das von mir (a. a. O.) Gesagte will ich noch zur Aufklärung
zweierlei hinzufügen: erstens, dass das kaum eine Meile westlich von Bobau,
bezw. Borkau gelegene Dorf Wiesenwald (Anathema der Verdeutschung im Inter-
esse der Forschung I) früher Wissoka hiess, dessen Existenz ich damals be-
streiten musste; zweitens, dass ;iur Auswahl mit dem allerdings ebenso ge-
nannten Oonradstein bei Stargardt ein östlich von Bobau und jenseits der Weichsel
gelegener Ort Namens Kurstein gelegen ist. Soweit für diejenigen, die nach mir
kommen werden.
3) Der Schlossberg bei Lippusch Papiermühle.
Zu der im Westen des Kreises Bereut gelegenen Ortschaft Lippusch Papier-
mühle, jetzt nur eine Mahl- und Schneidemühle (Besitzer Erdmann), gehörtauch
der dicht dabei nordwestlich gelegene Erdrücken, welcher sich in gleicher Rich-
tung in den Lubieschewo-See hinein erstreckt, an dessen linker Seite sich das
Schwarzwasser sein Bett gegraben hat, wogegen die rechteckartige östliche Seite
eine mehrmals im Jahre unter Wasser stehende und daher niemals ganz trockene
Wiese bildet. Der See ist im Durchschnitt ungefähr 8 Fuss tief. Dieser Erd-
rücken hat bei entsprechender Breite über KHK) Schritte Länge. Bei seinem Be-
ginne erhebt sich ein 80 Fuss hohes Plateau, mit Kiefern bestanden. Nach reich-
\m}\
L< V
I'
(184)
0 Schritten Entfemnng, im zweiten Drittel darch eine darcbgehendc
quer unterbrochen, triflt man aur einen anderen Ber^, etwa SO Si
tO Schritte lang, mit einem steilen Abfalle von 50 Fass in den Se
pnnkt des Erdrückens. Diese Kuppe hörte ich als Scbtossberg bczei
}ser Ausdruck reranlasste mich zu seiner Untersuchung. Leider sollt«
Hoffnung, in ihm einen slavischen üurgwall zu finden, eine eitle bl
er nach Aussage des Eigenthümers, noch durch eigene Untersuchunj
riugste vorfand, was ir;gendwie dafür hätte sprechen können. Der
des Erdrückens ist mergeliger Qrand und nur natürliche Bildung
Beigen zu ersehen. Der Hügel hat darin Aehnlichkeit mit der bed<
m Stolinka im Garczino-See (vei^t. Sitz.-Ber. v. 26. Mai 1888, 8. 260;
höchstens vielleicht (in einer der beiden verschieden hohen Kuppe
rg oder Signalbcix anzusprechen sein, da der volksthümliche Name Sc
imerhin aufTällig ist; er könnte mit den räumlich etna 1—2 Meilen nö
cn Bergen der Stolinka und des Blocksberges oder des Zomkowisl
ic (ebendas. S. 257 ff.) in Beziehung gestanden haben, tm Westei
bcrges hat sich ein niedriges Vorland durch Allurion gebildet
ch die Volkssage hat sich des Schioasberges bemächtigt. Nachts lasse
Menschen in ritterlichen Rüstungen sehen, welcbä^ort ihr Wesen li
anchmal kämpfen. Auch ist dort stets ein bellender Hund zu I
jte glauben dort einen Schatz verborgen und den Hund wohl als d
r. Ein Paar beherzte Kerle haben einmal des Nachts dort nach dem S(
n, sind aber davon gelaufen, als sie das drohende Gebelt des Hundei
Das Ijoch aber ist noch jetzt dort zu sehen. Andererseits wird
unbefugt nach grossen Eichenstubben gegraben, die aber ebenfalls L
:hen. Jetzt sind die Abhänge mit vielem Hasel^esträurh bestanden, w(
chliche und blumige Grasnarbe beschallet.
4) Nachtrag zum Burgwall von Sobiensitz (Zarnowitz).
- fälschlich Schlossbci^ von Zarnowitz (Kr. Neustadt, West-Preussei
weil an dem See von Zarnowitz gelegene, Burgwall muss als dei
ilz bemchnet werden, weil er auf Grund und Boden dieser Ortschaft
er sich in foratRskaliachem Besitze beHudet. Als Burgwall (von Z
irch mich bei Dr. Behla, Voi^eschichtl- Rundwälle 8. lifO, gemeide
aer von Dr. Taubner untersucht und in den Verh. 1888, S. 504 besi
rden. Da ich ihn 1800 ebenfalls beging, muss ich folgende Nach
Grossen und Ganzen hat er in seiner Ausdehnung, Ungefügigkcit und
iste Aehnlichkeit mit dem Schlossberg von Carthaos (Verh. \$HB. S.
m von Gr. Ruhnow in Ostpommeni, worüber ich am '22- Juni 188!
Er lii^ auf dem höchsten Ausläufer eines Bergrückens und hat
iten äusserst steile Abhänge, an deren oberem Rande rundum s
ungen sind, mir eine ganz neue Weise der Vertheidigung, stall der
len reinen Terrussongunge. Der Umgang der Krone betrug 330 U
die Breite der Wullkrone i'2 Fuss, der Aufstieg eu ihr im Wi
tte. Im Innern sind 4 Vertiefungen zu bemerken, deren eine vom A
inen bezeichnet wird. In seiner Nähe rdrdertc ein Einstich in 3
ihlreich kiefcme Kohlcnslücke zu Tage. Drei Vertiefungen Uegeu n
CS sichtbaren (juerwalles. etwa in der Mitte der ganzen Kesselung.
(185)
Hauptsache erwähne ich in der Nähe des sogen. Brunnens einen grossen vier-
kantigen Stein. Von dem Baumbestande hat sich viel Blätterhumus gebildet.
Ein bei Restaurirung der Kirche zu Zarnowitz beschäftigter Bauführer Berger
soll diesen Burgwall kartographisch aufgenommen, auch Auszüge darüber aus den
alten Kirchenbüchern von Zarnowitz gemacht und dann die ganze Beschreibung
bei den Kirchenakten depouirt haben. Doch ist davon dem zeitigen Pfarrer nichts
bekannt
Es giebt aber auch mancherlei ihm anhaftende Sagen:
Der Schlossberg scheint bald auf der Erde, bald im See (von Zarnowitz) zu
liegen. Es muss also zeitweilig eine Spiegelung eintreten. Das Schloss, wel-
ches dort stand, soll wegen Uebelthat der Besitzer versunken sein. Es herrschten
dort nehmlich vor Zeiten Raubritter; die hatten imten im See ihr Boot und be-
raubten die Leute, welche am Seeufer einherzogen oder ihre Waaren zu Schiffe
ins Land brachten. Es war damals nehmlich noch der Zarnowitz-See eine Bucht
der Ostsee und erfüllte das ganze, jetzt zwischengelagerte Niederland, das grosse,
von der Piasnitz träge durchflossene Moor von Wierschutzin. Alle diese Wiesen
waren vordem See. Seitdem aber das Schloss mit Getöse versunken ist, kommt
aus dem Berge zu gewissen Zeiten eine Prinzessin. Noch zuletzt kam sie und
gab einem Manne ein weisses Schnupfluch; das sollte er ins (Nonnen-) Kloster zu
Zarnowitz tragen und jedem Wesen einen Kuss geben, das er auf der Strasse
träfe. So geschah es auch, bis fast zuletzt ihm eine Schorfpogge begegnete. Da
schämte er sich doch davor. Da ging aber das eben aufgetauchte Schloss wieder
in den Grund und die ebenfalls verschwindende Prinzessin hörte man noch klagen,
dass sie bis zu ihrer Erlösung jetzt wieder hundert Jahre warten müsse.
Eine andere Sage vom Schlossberg Zarnowitz besagt Folgendes: Die Gräfin des
Schlosses fuhr von der Kirche aus Zarnowitz nach Hause und fragte unterwegs
ihren Kutscher, ob es noch eine Schönere gäbe, als sie; wenn das der Fall sei, so
wollte sie, dass ihr Schloss in Grund und Boden sinken möge. Der Kutscher aber
antwortete ihr: ja, das sei die Mutter Gottes im Kloster zu Zarnowitz. ihr Schloss
aber sank in Ghrund und Boden.
Viel lauschiger ist eine dritte Sage vom Schlossberg, die zugleich über die
Entstehung vom Kloster Zarnowitz Aufschluss giebt, freilich im Anschlüsse
an die Etymologie:
Auf dem Schlosse des Schlossberges von Sobiensitz waren die Gebieter eine
Mutter und ihr Sohn. Der Sohn wurde mit der Zeit liederlich und ging von der
Mutter weg. Das schmerzte sie sehr. Sie hatte aber ein Rehkalb; dem Hess sie
um den Hals einen verschliessbaren Ring machen und Hess es in Freiheit laufen,
nachdem sie ihm den Schlüssel um das Gehörn gehangen. Sie hatte dabei im
Geheimen die Hoffnung, dass, wenn das Reh gefunden würde, auch ihr Sohn sich
wiederfinden möchte, und sie that das Gelübde, alsdann an jener SteUe ein Kloster
zu errichten. Da ereignete es sich nach Jahren, dass die Leute auf der moorigen
Niederung, die sich von dem abfallenden Endrücken des uraHsch-baltischen Höhen-
zuges bis zur Ostsee erstreckt, beim Heuwerben beschäftigt waren, und dass
sich zu ihnen das zum Reh gewordene Kalb gesellte; dasselbe wurde ergriffen,
erkannt und zur Mutter gebracht, in deren Herz jetzt wieder Freude einzog.
Bald fand sich ihr Sohn auch wieder ein. Die Mutter aber, eingedenk ihres
Gelübdes, Hess auf jener Stelle das Kloster bauen, das nach zama, Reh, den
Namen Zarnowitz empfing. Es wurde aber, weil im Moore gelegen, auf ge-
schlagenen Pfählen mit gespundeten Bohlen errichtet. Deshalb prangt auch noch
t
*j
(186)
tenaltare ein Bild, worauf ein Reh mit Schlüssel anT
Es war aber ein Nonnenkloster und wurde um 1840
ben noch drei Nonnen, von welchen die letzte, eine „dam
Dr- Maronski leitet den Namen ab von ziarno, Rom.
el berichtet zugleich Über
irnamentirte Urnen von Hochstäblan.
Kr. Pr, Stargardt, wurde auf dem Pfarracker gleich hintei
90 durch Pfiügen eine Steinkiste blossgelegt, welche 5 V
ganz erhalten geblieben and hat sie Hr. Dekan Pfarrer
ligl. Museum in Berlin zugedacht. Ihre Ornamentik zeigi
hoch, hat an der Stehfläche 10 cm Durchmesser und b
Deiderscita Ohrenansätze (kleine Knastchen) gehabt hat,
ist an cirkelninden Stellen auf der Glättung zu sehen.
! nnregel massige Marmorirong, die vielleicht durch Pflai
sein mag. Ihr Inhalt bestand aus Leichenbrand, Knoc
e, die bisher nicht durchsiebt ist und noch BronzestUck
ben dieser und einer anderen Urne lag zu Füssen ein De
e, von schwärzerem Thonc, gut geglättet. Da er erhaltei
if die Mündung der üme. Er ist 6 cm hoch, oben mit
;n und zeigt in der Verbreiterung zwei Absätze, beidt
(187)
tlos eingeritzter ZcichDang. Meine Abbildung giebt ihn platten förmig. Im
Iren Felde ist er an einer Stelle abgeachälbert, so dass es leicht 5, statt
gezeichneten 4, Syaterae sein können.
Von diesem Hünengrab crliielt ich durch Hrn. Vicar StuJzyaaki Tolgende
ureibnug und Zeichnung (Pig. 3): Die Lage des Deckels deutet auf dessen
hörigkeit nur Urne Nr. V, welche allein deckelloa ist. Indeaaen ist der Deckel
ind gut erhalten, während die Urne mit S^ind- und Knochen Tullung zu einer
losen Masse erweicht war.
Umgekehrt ist Nr. I sehr gut erhalten, der darauf liegende Deckel aber ver-
und seine (weichen) Scherben umschlicsscn theils den Hnta, theils liegen aic
r Urne. Ba iat dies die grösste und einzig ganz erhaltene Urne.
St. 1), Deckel, ganz vorgerunden, zerbrach bei der Uertlhrung und aank ein. Mit
icht gelang ea, die grössere Hälfte der Urne /.usammen zuhalten und zu trocknen.
Sr. III und IV' hüben die Form von Nr. I, simi aber kleiner, und zerfielen bei
ÜerUhrung.
\l\e Urnen waren mit Knochensplittern (Kalktheüen, Einzelnes als zum mensch-
1 Knochengerüst gehörig noch gut zu erkennen) und feinem Staub (Äsclie?),
land Tcrmiacht, angefüllt; doch wahrscheinlich nicht ganz voll, worauf die
iweg eingesunkenen Deckel oder Urnenhülae hindeuten. Der übrige Raum
Irabea war mit Kies fest gefüllt. Die Wände uwd Decke bildeten rohe Flutten
othem Sandstein, ftodenplatto oder sonstige Unterlage war nicht vorhanden,
leidet war das Grab noch mit einer starken Lage kleinerer Granitsteine. Bei-
I nicht vorhanden.
n der Umgebung worden mehrere unregelmässige Steinhaufen, zum Theil mit
irzen Brandresten, ausgegraben.
iJeuerlich hat der Besitzer, Hr. v. Knczkowski, an einer anderen Stelle seines
es, jenseits des FlUaschens Nicdaczck (weil aus dem Nieda6see kommend),
Pisznicu, auf kürzlich gekaultem Lande meist sehr sandiger Art viele nicht
lentirte Scherben uufgefunden, so dass auch dort Urnensetzungen vorgekommen
lerstärt aein mllaaen.
n Miradan auf dem Schulacker fand 1884 Hr. Lehrer Fox einige Münzen,
r älteren branden bni^ischen eine sehr gut erhaltene De ulscbordens münze.
IS)' Hr. Treichcl schickt nachstehende
eilnngen über
weatpreussische Hanser.
1) Haua in Werbelin, Kr. Putzig.
)ie Aufzeichnung zeigt ein bäuerliches
in Werbelin, Kreis Putzig. Vor dem
lu war die rechte Hälfte zum Wohnraum ^
richtet. In der linken, leeren Seite führte
rhUre in das Wohnhaus. Der linke Pfosten
seinen Halt auf einem Steine. Zur gröaae-
laltbarkeit hatte man den linken mit dem
ren Pfosten im oberen Erstfünftel (man
e bequem unten durchgehen) mit einem
n verbunden und durch ihn vom ersten
;l des letzten Oberbnikens aus zwei quere - — ~-~.
landtrSger gezogen.
ftM)
) GiebelrerzJerungen aas WestprensBen.
'ziemDgen im Dorfe Darslub, Kr. Patzig, scheinen mir nich
I, obschon bei recht baaßilli^m Zustande. Die meisten sia
lern Firstende rorgenagelte Brettchen, häuRg mit Untersat
«urern der Giebelbretter scheint mehr der Zahn der Zeit, ti
, zu einer Figur rerholfen zu haben. Nicht bloss Stallnngeri
ngen sind damit begabt. Viele Häuser haben aber nichta '
die häufige Verschiedenheit der Figuren bei demselben Ge
it die Form des Kreuzes tot, neben allerlei Verbindung
B. Sehr wenige sind fein ausgearbeitet und bei diesen I
nicht an eine Nacbbildung de» buigundiachen und des Fatrii
(189)
zes gedacht. Hierher gehören die ersten 24 Nummern,
clkau (etymologisch herzuleiten von Wt^licowice, Kohle
Cengiirdlo und Konarczin, Nr. 35—37 nach ScharshUtt
einebnde, letztere beide Dörfer mit rein deutscher Bevi
Preise Berent gelegen. Nr. 3» und 39 gehören zo Ställe
une, die meisten anderen zu Wohnhänsern. Von darchbr
1, 28, 53, 38, 39.
(13) Herr Hans Virchow spricht über
die Uandstand-Kilnstlerin Eugenie Petree
egt Photographien derselben vor, welche durch Herrn C. GU
I. Ueber die Specialität der Artistin ist Folgendes zu fa
grössten Theil ihres Programmes im Handstande aus.
«ns eine Stellang im Zahnstande, d. h. sie halt sich, n
isen, an einer mit Leder überzogenen Metallplatte, nachden
ong des Rumpfes die Rückseite des Kreuzes auf den S
1); dabei können Arme und Beine in andere Lagen gt
Figur 1.
ipf dagegen nicht. Uus würde wohl »uch über das Mensc
n, denn sonst mttsste der ganze Körper durch die Kralt
Kopf aus bewegt werden. Für den Zahnstand, ebenso '
1 stand Stellungen, wird drittens in hohem Maasse „Kautschi
ungewöhnliche Biegsamkeit in einzelnen Abschnitten dei
ens führt die Artistin auch Saltomortole aus, d. h. sie üb
i in der Luft Hierzu ist zu bemerken, dass an sie:
schuk in einem gewissen Gegensätze stehen, denn Kaulsch
iger Nachgiebigkeit; solche ist jedoch bei Saltomortale ]
plötzlichen und ruckartigen {Bewegungen leicht Beschädig
Wirbelsänte eintreten können, wenn der Rumpf nicht g«
Ebenso steht aber auch Uandstand und Kautschuk in ein
, denn Kautschuk beruht, wie gesagt, auf grosser Nachgi
gen erfordert, wie sich im Verlaufe der Untersuchung he
(190)
I die Artistin, sowie ihr Lehrer, ihr eigener Vater, ^nau wissen, eine
fewöhniiche Festigkeit in den Armen und Schultern. Die Artistin rer
Entgegengesetztes and ist n)it Umsicht »nsgebildet.
II. Anamnese. — Der Vntor (Rumäne) hat in verschiedenen Special
beitet, zuletzt als Dreifpckturner, die Mutter (Dentsche), nach welche
iter in der körperliehen Erscheinung geartet ist, war TrUher Zahnkünsl
jetzt Ißjährigc Müdchen ist von seinem sechsten Jahre an vom Vater
tig ausgebildet, zum TheJl nach den feststehenden Regeln der Gymnastik,
il nach einem eigen ersonnenen Plane, und zwar für die Specialität des I
Jes. Es wurde dabei auch bis zu einem gewissen Grade auT „Kautschuk
t genommen, Iheils weil es für die besonderen Leistungen nöthig war, thei
Programm zu bereichern; doch musste sorgfältig darauf geachtet werden,
t in unerwünschter und schädlicher Weise Dehnungen von Muskeln in gev
itungen und damit Schwächungen gewisser Stellungen stattfanden. Auch
die Ausbildung vom Vater tiberwacht und weitergeführt. Beginn der Ausbi
dem sechsten Jahre hält der letztere für ungeeignet, weil der Körper noi
h und auch zu kraftlos sei und daher leicht verdorben werden ki
mtlich späteren Beginn hält er gleichfalls für ungeeignet, weil sonst nict
ige Anpassung des Körpera an seine besonderen Aufgaben erreicht wi
le. Ueble Kolgen der Ausbildung sind bisher nicht hervorgetreten, insbeso
it die Artistin nicht an Circulations- oder Rcspirationsbesch werden,
len, abgesehen von einem ersten P'rühstüek, zwei Mahlzeiten genommen
ir und um 12 Uhr Xachts, beide reichlich: bestimmte Nahrung ist nicht
hrieben. Die Artistin trägt ein Corsel, jedoch ein loses.
Als Grund einer Verdickung an der Articulatio phalangea prima des re
Hßngers wird angegeben, dass eine .seitlirhe Luxation" vorhanden ge\
dadurch entstanden, dass die Artistin beim Handstande auf einem zu we
pich stolperte; die Produktionen wurden dadurch nicht unterbrochen.
Auch an dem linken Ellenbogen sind Spuren eines Trauma zn beme
sechs Jahren erlitt sie nehmlich an diesem eine Luxation; über den
ichts angegeben. Der Vater bekämpfte zunächst den Schaden seibat t
lage, dann wurde das Kind der Behandlung in einem hiesigen Krni
c unterzogen, und hier der Arm so bandagirl, dass der Unlerarm in B
img horizontal vor dem Rumpfe stand. Die Polgen äusserten sich
gen Tagen in einer völligen Unbe weglieh keit des Vorderarmes. Der 1
Tgt, dass der Arm seine Funktionsfuhigkeit einbüssen möchte, nahm dii
Inng selbst in die Hund und »teilte durch passive Bewegangen und i
üren die Beweglichkeit wieder her, zwar nicht innerhalb der normalen,
. innerhalb ausreichender Grenzen. Die Beweglichkeil ist vollkommen wi
>nnen, jedoch ist der linke Ellenbogen in den Bändern etwas fester. Il
kein Nachtheil, sondern ein Vortheil: der Vater , fürchtet" für diesen
;8, während der rechte durch die starke Belastung beim Handspreizstand t
te Durchbiegung zeigt, die zur Vorsicht mahnen muss. Auch zeigt
nng, bei Hand spreizstand, sowie bei „Säule" (Pig. ^), den Körper etwas
I tiberhängen zn lassen, d. h. den linken Arm starker zu belasten. (Uebi
rschiede beider Ellenbogen in Bezug auf Beugung und Streckung b. S.
TU. Körperbeschaffenheit. A. Kurze Angabe. — Das 16jährige Mä(
iclit groBB, 1437 Hirn. Sieht man es bekleidet, so möchte man eher an
(191)
schwächlicbe Entwicklung denken, wie man ja denselben Eindruck so häu6g von
guten Turaern orhält. Der Körper zeigt mehr kindlichen Habitus. Das Fettpolster
ist überall wohl entwickelt, so dass bei ruhender Haltung scharfe oder eckige
Muskelformen nicht hervortreten; jedoch fehlen gänzlich die specifisch weiblichen
Fettnnsammlungen im Oberschenkel und in den Füssen.
Folgende Züge möchten wohl in der Erscheinung des ruhenden Körpers be-
sonders auffällig sein:
1) kräftiger Hals, besonders Nacken;
2) starke Ausprägung der langen Rückenmuskeln, insofern diese sowohl weit
nach hinten Yorspringen, als weit nach oben hin sichtbar sind;
3) starker Deltamuskel an der Schulter;
4) Störung der Symmetrie am Thorax, bedingt erstens durch eine Skoliose,
zweitens durch stärkere Wölbung des imteren vorderen Thorax- Abschnittes
auf der linken Seite;
5) Breite der unteren Thoraxhälfte;
6) nach hinten und ebenso seitwärts weit abstehende, unsymmetrisch ge-
stellte Schulterblätter;
7) schöngestaltete schlanke Beine von knabenhaftem Habitus;
8) Verdickungen der unteren Enden der Vorderarme;
9) breite feste Hände;
10) verhältnissmässig kurze konische Finger.
B. Genauere Ausführung. 1. Muskulatur. — Am Halse ist eine kräftige
Entwicklung der Mm. stemocleidomastoidei bemerkbar; noch mehr aber fällt die
Stärke der Nackenmuskeln und unter ihnen besonders die der Riemenmuskeln
(Mm. splenii) auf. Der Nacken erhält dadurch eine ungewöhnliche Gestalt: es
fehlt ihm nehmlich die kegelförmige Verjüngimg dort, wo er sich an den Kopf
ansetzt, und es fehlen ihm ebenso die durch die Mm. digastrici und complexi
majores gebildeten, durch eine Rinne getrennten Wülste; er ist vielmehr gleich-
massig cylindrisch und dick, wodurch er auch relativ kurz erscheint. — Die
Schulter erhält durch massige Entwicklung des Deltamuskels Fülle; sonst treten
bei herabhängenden Armen besondere Muskel profile nicht hervor, dagegen
überraschen bei gebeugten Armen und gespannten Muskeln die männlichen, dem
Athletischen zustrebenden Formen, besonders des M. biceps brachii. Im üebrigen
behalten im Allgemeinen noch, trotz eines nirgends stark aufliegenden Fettpolsters,
die weicheren Formen des kindlichen Körpers ihre Geltung; doch zeigt sich
während der Action, dass sämmtliche Muskeln wohl, ja die Muskeln des Ober-
körpers und Armes weit über das Maass hinaus, entwickelt sind, mehr als das
bei typischen „Schlangenmenschen^ sonst der Fall zu sein pflegt. Die Ausbildung
der Handmuskeln, speciell auch des M. adductor pollicis, ist auffallender Weise
nicht bedeutend, der Druck der Hände verhältnissmässig schwach; auch wird von
der Mutter der Artistin bemerkt, dass „die Handkraft gering^ sei. Die langen
Rückenmuskeln zeichnen sich als deutliche Wülste schon bei aufrechter Stellung aus,
und die mediane Rückenrinne ist daher schärfer als gewöhnlich vertieft und in
grosser Ausdehnung sichtbar; besonders aber treten die Rücken wülste bei Bogen-
stellungen sehr scharf hervor, und sie sind dann, z. B. bei der in Fig. 10 wieder-
gegebenen Stellung, bis in den Bereich des Sehnenspiegels der Mm. cucullares
hinein sichtbar. An den Beinen lässt die schöne ebenmässige Gestalt auf har-
monische Entwicklung der Muskulatur schliessen. Die Kaumuskeln endlich
(Masseter, Temporaiis) zeichnen sich zwar beim Zusammenbeissen durch bedeutende
(192)
Härte ans, indessen ist ein solcher Zustand bei gewöhnlichen Men
auch vorhanden in Folge der täglichen Uebung beim Ranen.
2) Kopf. — Lange der Htmd8p»)te 45 mtit. An die Hand«
Bchliesst sich jederseits eine snbepitheliale Narbe an von der Art
man als „SchwaDgerschartsnarben" am Bauche kennt; diese Narbei
laufen ab- und seitwärts und haben eine Länge von 5—6 mm.
Von Zähnen sind ptombirt der linke obere mediane Schneid)
und ausserdem zwei Backenzähne.
Ueber die Kaumuskeln 8. oben.
.H) Hals. — Ueber Gestalt und Muskulatur s. oben; über M
an demselben bei aufrechter Haltung und bei Biegungen s. 8. 19(i
4) Rucken. — Der Rücken erscheint flach, die ConTexitat
selben ist wenig ausgeprägt. Die nebenstehende Kurve (Pig, 2),
Bleidraht abgenommen, mag ein Bild seiner Krtimmung geben
reicht von der Protuberantia occip. est. bis zum Domfortsatze
I. Sacral wirbeis, und die Stellen der Dornfortsätze des L dorsalen
des L lumbalen Wirbels sind auf ihr durch Marken bezeichnet,
näherer Cbarakterisimng der Ruckenform mag auch noch Folgt
dienen : Wenn man bei natürlicher aufrechter Stellung einen Lothl
an den Domfortsatz des VH. Halswirbels anlegt, so verlässt d
die Haut schon bei den obersten Dorsalwirbeln und trifft sie w
etwa bei S. U; am weitesten, nehmlich 27 mm, entfernt ist er voi
Haut bei D. X und D. XL
Geber die langen Rückenmnskeln und die RUckenrinne s. (
über die Dornfortsätze B- S. '206 und das hier Folgende.
Am Rücken ist nun ferner eine Skoliose bemerkbar, und '
stellt nicht das einzige Zeichen von Asymmetrie am Rumpfe vor,
dern es kommen dazu andere in der Stellung der Schulterblätter
des unteren Thorasabschnittes. Diese Züge von Asymmetrie a
hier mit einander besprochen werden.
5. Abweichungen von der Symmetrie am Rumpfe
A. Skoliose. Um eine genaue Aufnahme machen zu können, n
bei anIVechter natürlicher Haltung ein Ijoth von dem Domfortsatzt
VU. Halswirbels herabgelassen, und eine leichte Schiefstellung
Beckens, welche offenbar eine compensirende Bedeutung hatte,
so dass nun das Loth den Domfortsatz des L Sacralwirbels traf;
e Lothlinie auf die Rückenhant aufgezeichnet und darauf ebenso
der Dornfortsätze verbindende Linie. Nun zeigte sich, dass die
lusschliesslich nach rechts von der Lothlinie stattfindet; höchster
oben, im Bereiche des L und H. dorsalen Wirbels, eine solche
1 Seite bis zu einem Betrage von '2 mm vorhanden. Die grösste
]H mm lictragend. flndet sich beim Domfortsatz des IX. Brustwii
egung stellt sich Jedoch nicht unter dera Bilde einer gleichmäsaif
Linie dar, sondern erstens ist die Krümmung am stärksten vom I
des VXl. bis zn dem des XI. Brustwirbels, oben und unten dag
; zweitens ist sie nicht im Ganzen nach rechts convex, sondern si
setzt sich also zusammen ans einem oberen nach links coDvexen 8
bis D VI reichend, einem mittleren nach rechts convexen Stücke,
LI reichend, und einem unteren nach links convexen Stücke,
I rfichujid.
'' !'■
?l--.
t - * l
• k
(193)
Eine andere Bestimttiung der Skoliose, die vor dieser gemacht wurde, hatte
scheinbar ein anderes Ergebniss, nehmlich folgendes: Die „Mittellinie^, d. h. die
Linie, welche die Spitzen der Dornfortsäizc verbindet, ist zuerst nach links, dann
nach rechts, dann wieder nach links von der Lothlinie ausgebogen; die erste Aus*
biegung hat ihren Scheitel mit einem Abstände von 4 mm bei D II und D III; das
Loth schneidet dann die „Mittellinie" wieder zwischen D V und DVI; die grösste
Ausbiegung nach rechts liegt bei D X und beträgt 7 mm ; das Loth schneidet die
Rückenlinie dann wieder bei LI; es erreicht bis LIII einen Abstand von 4mm
von der Mittellinie und bleibt in diesem bis zum Kreuzbein. In dieser Bestimmung
ist die „natürliche" Haltung des Körpers in keiner Weise beeinflusst, aber es ist
eine leichte (compensirte) Schiefstellung des Beckens vorhanden, und deswegen
ist die andere Stellung besser geeignet, die Verbiegung der Wirbelsäule rein zu
zeigen.
Die Mittellinie, d. h. die Linie, welche die Spitzen der Domfortsätze ver-
bindet, entspricht nicht an allen Stellen genau dem Grunde der „Rückenrinne", d. h.
der Rinne, welche zwischen den durch die langen Rückenmuskeln gebildeten Wülsten
herabläuft; vielmehr ist an der Stelle der stärksten Krümmung, also in der Oegend
des Domfortsatzes des IX. und XI. Brastwirbels, die „Mittellinie" noch stärker
verbogen, als die Rückenrinne, so dass an dieser Stelle die Spitzen der Dom-
fortsätze von dem medialen Rande des rechten Rückenwulstes zugedeckt werden.
Dieser scheinbar geringfügige Mangel an Parallelismus ist doch von Bedeutung, weil
er zeigt, dass die langen Rückenmuskeln bestrebt sind, ihren geradlinigen Verlauf
trotz der am Skelet vorhandenen Verbiegung einzuhalten.
Die Spitzen der Dornfortsätze sind, wie ich zu fühlen glaubte, an der Stelle
der stärksten Krümmung nicht genau nach hinten gerichtet, sondem etwas seitlich
abgebogen.
Als Ursache für die geschilderte Skoliose wird von dem Vater mit gtosser
Bestimmtheit eine fehlerhafte Ausfühmng des linkseinseitigen Handstandes') an-
geschuldigt, nehmlich der Umstand, dass nicht, wie beim rechtseinseitigen Hand- [IX p
Stande, der Unterrumpf mit den Beinen frei schwebend erhalten, sondern scharf ' Sr .
geknickt wird, und dass dadurch den mechanischen Hemmungen zu viel auf-
gebürdet wird. Photographien, welche Herr Zettnow gemacht hat, zeigen diesen
UnterscJiied zwischen rechts und links deutlich, und es ist durchaus wahrscheinlich, d^.
dass die gegebene Erklärang die richtige ist, d. h. es ist wahrscheinlich, dass diese \*
durch Jahre hindurch fortgesetzte fehlerhafte Haltung zu einer Veränderung des
Skelets geführt hat Ob der angegebene Grund zur Erklämng ausreicht, oder ob
nicht, nachdem auf diesem Wege die rechtsseitige Skoliose eingeleitet war, sie
sich durch die RUckwärtsbiegungen steigerte, muss dahingestellt bleiben.
B. Stellung der Schulterblätter bei natürlicher aufrechter Haltung.
Bei der Betrachtung des Rückens in natürlicher aufrechter Haltung bemerkt man,
dass die Schulterblätter weit von einander abstehen; ausserdem, dass die rechte
Scapula weiter nach hinten hervorragt, als die linke, und dass sie der Wirbelsäule
näher steht Um eine genauere Bestimmung machen zu können, wurden einerseits
die beiden erwähnten, auf den Rücken aufgezeichneten Linien, die Ijothlinie und
die verbogene „Mittellinie", benutzt, andererseits zwei die medialen Ränder der
Schulterblätter bezeichnende Linien; diese wurden gleichfalls auf die Haut auf-
1) Die so beseichnete Stelluni; besteht darin, dass der Körper auf einem Anne allein,
und iwar hier auf dem linken, 'ruht. Bei einer der Prodoctionen kommt diese SteUung
in ausgiebiger Weise zur Verwendung. ; ^
T«rhuidl. dtr B«rL AnthropoL OMellachaft 1S91. 13 [':'/'-
*«
V.
:♦
(IM)
und daran zwei Punkte an^gcben: einer dort, wo die Spina BCf
1 trifft, und einer etwiis oberhalb des unteren Winkels. Es muss j
werden, dass diese Linien und Punkte keinen absolut (genauen '
inmal weil die Stellung der Schulterblätter Teründerlicli ist, und
E,and schwer genau zu fühlen war wegeta der starken, an die &
Muskeln, Rhomboidcs und namentlich Teres major. Es sei ni
Lbstand" bezeichnet die Entreraung derjenigen Stelle, an welcher die
I triin, von der Lothlinie oder „Mittellinie"; als „unterer Abstand" di'
]es dicht über dem unteren Winkel der Scapnia treiegenen Punktes vc
oder „Mittellinie". Gemessen wurde Jedesmal in einer horizontalen
: nicht schief, sondern in Projektion auf eine frontale Ebene.
ErgebnisH war das folgende:
oberer Abstand von der „Mittellinie" rechts 67, links b8,
unterer » „ „ » „ 54, „ 83.
re Abstand ist also rechts und links gleich (denn der Unterschie
It in die Fehlergrenze); der 'untere dagegen differirt um 29 mm.
jrschiedenheit kommt grossentheils auf Rechnung der Verbiegun
lie". Nimmt man nehmlich den unteren Abstand nicht ron dieser.
der Lothlinie, so crgicbt sich:
unterer Abstand ron der Lothlinie rechts 65, links 7'J.
jrschied beträgt also nunmehr nur 7 mm, d. h. nicht mehr, als die i
ausmachen können. Man wird daher das Verhältniss richtiger j
, dass die Wirbelsäule sich der rechten Scapula, und nicht die
ier Wirbelsänle, genähert hat, und dass die Scapnlae trotz der Abwei
lelsÄule ihre richtige Lage festzuhalten bestrebt sind, sowie das C
1 den langen Riickenmuskeln gesagt wurde. Es darf aber doch nie
bleiben, dass für die zwischen Domfortsützen und Scapulae ansgesp
(Cucullaris, Rhomboidcs) die mechanischen Verhältnisse durch di
e Abänderung erleiden.
Unterer Thoraxabschnitt — Bei der Betrachtung des unteren T
.es von vorn fällt auf, duBs die linke Seite stärker gewälbt ist, i
Um diesen Unterschied genauer zu bestimmen und zur Anschaut
bringen, wurde mit Hülfe von Bli
"l^' die äussere Form abgenommen v
Papier übertragen. Die beisb
Fig. 3 giebt diesen Querschnitt i
Um mit grösserer Sicherheit die C
sowohl für die Umrisszeichnon
auch rUr die Haasse festzuhalten,
auch hier wieder zuerst die Lii
die Haut aulgczeichnet; die Liu
sprach rom der Spitze des Prc
ensiformis, hinten ging aie wenif
halb des X. Brustwirbels vorbei.
Linie hat in unserem Falle do
sonderen Werth, da sie zuglei
der ^liirkaten Biegsamkeit an der Wirbelsäule schneidet (S. 201) u
dem Scheitel der Rechtsskoliose entspricht (S. 192); vom Unit sie
b der noch schwach entwickelten Brüste, so dass durch letztere ki
(19«)
Q achon bemerkt, die „Handkraft gering". Das ZusammendTtlckei
ird Bch merzhart empfunden. Eb acheint sich bei den Leistnngei
weit sie fOr den Handstand in Betracht kommen, mehr Um eine ge
ad Unnachgicbigkeit der bindegewebigen Theile (Haut, Faaciapali
ia intermetacarpea) zn handeln.
Finger erscheinen verhältniss massig knrz und konisch vcrjUngt.
lei auch die Schwielenbildung an der Hand erwähnt. Die Hand ist
Bsig schwielig, sondern man findet eine hintere und eine rordere Seh
:re Schwiele nimmt die an einander stehenden Theile des Danmenb
ifingerballeuH ein, ohne durch die zwischen diesen gelegene EWche i
zu werden; sie hat ihre grössle Ausdehnung in qaerer Richtung.
Schwiele entspricht an der rechten Hand hauptaachlich dem Köpfche
ly., an der linken dem des IV. Mittel handknochens, wozu aber i
I ein schwieliger Streifen tritt, welcher zwischen der Uonatslinie nnd
igen ist.
tf aasse. — Der Uebersichtlichkeit halber seien hier alle Maasse zusan
sowohl solche, welche an anderen Stellen dieser Mittheilung Verwer
haben, als auch andere. Die letzteren erklären sich z. Th. selbst, :
gen sie so zu sagen als Rohmaterial hier abgelagert werden, welcl
ZusammenhängeD, fUr den Vergleich mit anderen Artisten oder m
en Menschen oder für weitere analytische Betrachtungen unserer A
lg gewinnen kann. Die Haasse sind in Millimetern angegeben. Vas
nehrfach nachgeprUR.
Körperiänge = 1437.
Mnndspalte = ib.
Am Halse.
Umfang in der Höhe des oberen Randes des Kchildknorjiels = .311.
Entfernung des Kinnes vom oberen Rande des Brustbeines hei gc^
lieber Stellung (Horizontalhaltong des Kopfes) = 76.
dieselbe bei stärkster aktiver Hinten Ubenieigung des Kopfes s= 18
Luftlinie gemessen).
liänge des (linken) M. stemocieidomastoideus (am vorderen Rand'
Muskels gemessen) = 162 {mit Taslerzirkel), bezw. 167 (mit anliege
Bandmaasa).
dieselbe bei extrem hintenüber geneigtem Kopfe = 164 (mit anliegt
Randmaasse).
Abstand der vorderen Ränder beider Mm. slcrnocleidomastoidei in
des oberen Schildknorpelrandes bei gewöhnlicher anfrechter Stellung
(mit Tasterzirkel gemessen),
derselbe bei Zahnstand (Fig. I) = 110 (Taaterzirkel) '}■
Ad der Wirbelsäule.
Breite der Spitze des Domfortaatzes am 1. dors. Wirbel = 17 od«
am la lumbalen = Itj.
e Musjie 6—9 leigen in inUressaDtcr Weise die Beziehungen der Steram
IQ den übrigen Theilen dea H&leee. Was vor sich geht, bum ea beu
bei Hinten überleben des Kopfes, nsmentlicb bei Zkhnstand, wo die Uslna
arbeiten habßn, gleiten die — übrigen» stark gespannten — Mm. Bt«racM
am Habe geit^ und rückwkits: oder, anders antgedrürkt: der stark g«l
ebt lieh iwischen den Um. Btenucleidomaetuidei nach vom.
Am Bnifl
11. Länge des I
12. Länge desl
IS. Bnistumfanj
14. Derselbe be;
15. Antero-postc
16. Qaerdnrchm
17. Antero-poBt«
143, nach a
18. Antero - poB
Füssen = 1
19. Antero-posh
20. Grfisster AI
Bogen (Pig.
Am Baal
21. Breite der 1
32. Länge der
kiirpers bei
23. Dieselbe be
34. Dieselbe be
25. Dieselbe be
26. Dieselbe be
27. Dieselbe be:
28. Abstand dei
gewöhnliche
1) Ueber die Stell
2) Dieses Haasa fai
!i Bonstigen Kerracl
lecht anafDhrt. Eil
utschukk&nstler Soll
3) Eine Differenz
ht in Entannen ee
und dem des XI. Bi
derer Hesepunkt br
iche bleibt von der
4} Als „Bogenetell
le) Stellung beieicl
Jen ale die Handflft«
Itatien TertheUt. »
ihen Bogen und dei
ArtiBtin dar; in d
le Beschwerden. D
mfortsatz des III.
; dem Torhergehend
5) Unter „Slule"
standen, d. h. diejei
F&sse genau suh
aas.
6) Die Stelle der
rnfortsati des X. oc
(198)
Derselbe bei Bogengtellung anf Händen und Füssen = 138 ').
Am Schulterblatt')-
Abstand beider Scbnltorblätter von einander bei gewöhnlicher aufVe
Stellung: n) oben = 140, b) unten = 126').
Abstand bei „festem Handstand" (F4g. 10) = 165.
Abstand bei „Sünle": a) oben = 105, b) unten = 258.
Oberer Abstand der Scapula von der Wirbelsäule rechts = 67, links =
Unterer Abstand der Sc. von der W. rechts = 64, links = 83,
l'nterer Abstand der Sc. von der Mittellinie rechts = 65, links = Ti
Länge des unteren Randes des M. rhomboides bei grösster passiver
femung der Scupula von der Wirbelsäule rechts <= 160, links » tl>]
Grösster Abstand einer auf die Schulterblätter gelegten Tangente roi
Wirbelsäule bei „tiefem Handstand" (Fig. 11 und 12) = fw»).
Abstand einer auf die Schulterblätter gelegten Tangente von der Wi
sänle bei gewöhnlicher aufrechter Stellung: a) an gleicher Stelle gerne
wie bei 37 = 16; grösster Abstand = 33').
Am Arm.
Dicke des Deltarauskels = 170 'j.
Länge des Annes = 583, rechts ebenso wie links*).
Umfang des rechten Oberarmes in der Mitte ohne Muskel spann nng = '2
3 Ist Überraschend, dass dieses Haass eich bei Bogenstelinng vermindert, ai
'ergrOBsem. Vielleicht ist es vor allem der M. ohüqnns abdominis eitemns,
I der Spreituig des Braslkorbes wjdenetxt.
ie Messungen am Schulterblatt können auf grosse Oensoigkeit keinen Ans
Ixoti der duauf verwendeten Sorgfalt, weil hier iwej Fehlerquellen zusan
erstens tat das Scbulterbbtt in seiner Stellung so labil, dass es dem Hess'
1 Hftnden fortgebt, zweitens erschweren die ansetzenden und bedeckenden st
das Auffinden von Knochenpnnkten; bei solchen Stellungen, bei denen die Mn
k spannen, wird eine Abgrenzung derselben gegen den Knochen, insbeso
n unteren Winkel (Angulus sopulae) zur UnmögUcbkeit>
Is .obere' Ist hier diejenige Stelle bezeichnet, wo die Spina sc. d*n mei
II, als fUnten" eine Stelle des medialen Randes dicht Ober dem unteren W
ie unter 83 — S6 gegebenen Haasse finden ihre Erkl&rung in anderem Ziisan
, 194).
ie unter 87 und S8 mitgetfaeilten Haasse finden ihre Erkl&ruDg in anderen
ange (S. 318). Die Stelle des grössten Abstandea liegt bei 87 in der MU
ie Stelle des grössten Abstandes liegt in der Nihe des unteren Winkels,
iwonnen, indem mit dem Bandmaass über die ftnisere FlAche der Schulte
I des vorderen lur Mitte des hinteren Randes des Deltamaskels gemessen n
IS bat einen geringen Worth, denn erstens giebt es bei der kegelförmigen 0
eis in weit geringerem Maasse einen Ausdruck seiner Dicke, wie es bei i
nnigen Muskel möglich ist: zweitens muss bei der kegelförmigen Oestal
tchon eine geringe Verschiebung der Hesspnnkte, namentlich am hinteren (we
rcn) Rande, das Maass sehr Andern.
SS Maass ist gewonnen, indem bei aufrechter Stellung am horizontal seit
n Arm der Abstand vom lateralen Rande des Acromion bis zur Spitze des II
'emessen wurde. Die I.&nge ist also zu kurz angegeben, und es mftwtt
eingeführt «erden.
m die unter 41 nnd 43 grgeliencn Maass« ganz genau auf einander beziehi
rurde vor dem Mi'üseu eine Linie um den Ami gezeichnet.
(200)
egen des Beckens (Extension des Oberschenkels) n
hes,
tolation) nichts Un^wöhnliches,
^n des Beckens (Klexion des Oberach enkels) eine d
leweglichkeit, dass die Voi-derüäche des Rumpfes ai
der gestreckten anteren Extremitäten angelegt werden
les Beines eine derart gesteigerte Beweglichkeit, doss
ng ajigenominen werden kann, welche in der Spracht
igat" heisst, d. h. die Stellung, bei welcher die medi
Beine auf dem Boden aufliegen.
Wirbelsäule:
oraion) nichts Ungewöhnliches;
gung ebenso,
:h vorn ebenso,
:h hinten gesteigerte Beweglichkeit,
scheidt-'n die Biegung im Ualstbeile oiiü die im unl
(SOS)
Die Bewegungen des Oberarmes im Schultergeleak sind ctwaa
>r, als bei t^wöhnlichen Menschen, und zwar bei Rebung des Oben
:n, wie nach hinten.
im Ellbogengelenk ist
die Streckung die gewöhnliche, d. h. sie geht bis zu 180°;
die Bengung ist bemerkbar eingeschriinkt-
[m Handgelenk bleibt sowohl
die seitliche Bewe^gung, besonders die gegen die radiale Seite, wie
die Bewegung gegen die dorsale und volare Seite etwas ge^en die
zurück.
\a den Fingergelenken ist die Beweglichkeit normal.
B. ÄusTUhrlichere Angaben,
Lu Hüftgelenk. — Um das VornUbemeigen des Rumpfes bis zu
n, wird als „Hülfe" das Umfassen der Unterschenkel mit den Anne
g. 5); ein weiteres Vorneigen (natürlich bei gespreizten Beinen) ist mö
Is Hülfe die Arme zwischen den Beinen hin durchgeführt und die t
en her unter die lateralen Fussränder gelegt werden. Eine durch 1
I angefertigte Photographie giebt diese Stellung wieder. Es ist ab
1, dass diese Bewegung beschränkt ist, und dass unsere Artistin
inem Seh lange nkSn stier zurückbleibt, den Hr. Ammon in Kajlsnihi
phiren lassen.
lU Wirbelsäule. — Die in der Fig. C dargestellte Biegung des Rü
en, wenn man sie mit dcijenigen Bogenstt
vergleicht, bei welcher in dem Heranfgi
der Hände an den Beinen eine „Hülfe" ge
wird (Fig. H). In diese Stellung gelang
Artist so, dass unter rückwärts wippendei
wegungen des Rumpfes die Hände obcrbal
Knöchel an den Untei-schenkeln angreifen
sich dann an den Beinen bis über die
hinaafflngem. Diese Aktion gebort zu
Gewöhnt icbsten, was man bei Schlangen^
lern sehen kann, wie überhaupt derartige i
unbedeutendere, z. Th. aber auch gewaltsi
„Hülfen" eine grosse Rolle in den Uebu
namenilicb den Vorübungen der Schloi
kUnstler spielen, wovon ich früher scho
legentlich gesprochen habe (Sitz. v. 21. Fe
tSyt), Verh. S. IH'i). In unserem Falle ii
treme Ausbildung auf „Kautschuk" nichi
gestrebt worden (S. ISO;, und thatsächlich m
auch die eben geschilderte Uebung einen '
ungeübten, seh werTäll igen Eindruck. Es U
der Fall, obwohl wie gesagt, die Bie^a
des Rückens von ungewöhnlicher Voller
ist. Aber der höchste Grad der Biegung
bei der in Fig. 8 dargestellten Stellung i
drr HandhUlfe gar nicht erreicht; das liegt i
lieh nicht am Rücken, sondern an andere
h besser gewürdigt ^
Fiitur 8.
;;e^D bleiben die Belegungen des Änneg in der Schulter hinter der
wie folgende Bemericungen zeigen mögen. Erstens: Die Ellbogen kj
cht gebeugten Vorderarmen) piissiv nicht auf dem ROcken bis zu
genähert werden; da ich letzteres bei mir selbst, ohne je darauf
, mit Leichtigkeit Hnsführen lassen kann, so sehe ich darin, dass t
so jugendlichen und so geübten Körper nicht m{%Iich ist (es bleil
Ton 130 mm), eine ungewöhnlich geringe Nachgiebigkeit. Zweitens:
1 kann seitwärts aktir nur bis zu senkrechter Stellung erhoben and [
icht viel weiter bewegt werden; die rechte Hand kann daher nicht I
ipfe vorbei den linken Uuudwinkel, und ebensowenig kann die linke
:hten Mundwinkel erreichen. Die Artiatin bleibt in diesem Punkte
gewöhnlichen Menschen zurück und kann noch weniger mit dem Kanta
Solbrig (Verh. 1886. S. 173) oder gar den sogen. „Qrotesk mensche
^ treten.
Zu Ellbogen. — Die Streckung kann links in der gewöhnlichen ^
hrt werden, rechts tritt eine ganz leichte Hyperextension, aber nur eb<
ing einer solchen herror. Eine solche wird z. B. auf der Fhotographi
reizstandes bemerkbar, und es könnte die Befürchtung entstehen, das
dem enormen Druck auf die Daner nicht gewachsen sein mOchl«,
ötzliche Verletzung oder eine allmähliche Deformining entstehen ki
iasere Festigkeit des linken Gelenkes wird von dem Vater auf die F
)r 6 Jahren erlittenen Lusation zurückgeführt (8. 190).
L für die Beugung ein Maass zu finden, wurde der Oberarm etwa in
sllnng gebracht, die Articnlatio clavicnlo-acromialis durch einen Stric
•, nun der Vorderarm in die stärkste mögliche Beugnng gebracht an
7on der Vorderseite des Handgelenkes zu dem Strich gemessen. I
betrug rechts 123, links 172; er ist also links bedeutend grösser als r
ist auch rechts ungewöhnlich gross. Die Biegung ist also hnks bede
ukt, aber sie ist auch rechts beschränkt.
Zu Handgelenk, — Passive Bewegungen, die mit den Händen gei
lieferten folgendes Ergebniss: rolarwärts kann die rechte Hand bis zi
e bis zu 90° bewegt werden, dorsalwärts die rechte bis zu 80°, die
Volarwärts ist also die linke Hend in normaler Weise beweglich
lagegen beschränkt; dorsalwärts ist an beiden die Bewedichkeit jede
rweitert (es kann daran erinnert werden, dass viele Personen gera
Lichtung eine grosse Beweglichkeit haben), eher etwas eingeengt. Diej
also, welche beim Handstande angenommen wird, und welche me
Abbildungen zeigen, stellt ein Extrem vor, welches nur durch die i
lg passiv erreichbar ist; aber eben daraus erwächst die Festigkei
\^, welche dem Bundstande zu Gute kommt.
Zu Finger. — Die Spreizung der Finger, insbesondere die Abduktio
I ist keine ungewöhnlich grosse, eher eine etwas beschränkte. Die Fig. 4
risse der beiden Hände in Spreizstellung wieder. Die passive Bcwe
icapuUe in Medianlini«. Der Kumpf nird vom Srholtergürtel aus getrag«
irch die Hm. atcmocleidomostoidd, rhomboidrs, levatores srap., inhtlere und
er Cucullar^s und obere Partie der Serrati antici. Der Kopf ist jedoch bew
d tum Balancement verwerthet, wie Petrescu spontan bemerkte. Uie j
ingen trod ihrer hinausgeschobcut'n Stellung nicht ala scharfe Ecken hem
;Br schwer fOhlbar, weil die Bngrenieni)>'n unil Oberdeck enden Uusksln {St
Teres m^oi, Latissimas) durch Zu&unnieaiiehung gani hart siad.
(206)
len anzusehen, aU man nicht gezwungen ist, Abweichungen von der
ennen. Duss der Körper im vorliegenden Falle von Haaac hus al
; sei, wird bei der Betrachtung und Untersaehnng desselben ganz hin
len einen wohlgestalteten Körper vor uns, der sich in nichts von >
□nterscheidet, abgesehen von gewissen Hypertrophien und gewisse'
gen, welche durch die Arbeit erworben sind. Dass es sieh etwa um
use aus ungewöhnlich „gelenkigen" Körper handle, wird schoi
inriil%, duss sich die gesteigerte Beweglichkeii auf gewisse Körperabsc
ünkt, und dass daneben in anderen normale, in noch anderen
chränkle Beweglichkeit besteht. Aber unter diesen erworbenen I
ist nichts, was als eine tiefgreirendo Abänderung von der Nor
werden könnte.
Besonderen habe ich meine Aufmerksamkeit auf die Domfortsütze geri
irt gelegentlich, dass die Dornfortsätze bei den RautschukkUnstleni
len oder doch auf den Bang kurzer Stümpfchen herabgesunken s
ulTassung ist schon an sich ganz unwahrscheinlich. An den Domforti
lahlreiche und mächtige Muskelgiuppen ihre Stütze (H. cuculluris, latis
lomboides, serratus posticus superior, inferior, splcnius, longissimus, sp:
lalis, multiDdos, rotatores), und bei diesen handelt es sich, wie bei
ipparaten, um streng mechanische Verhältnisse in Länge der Hebel
tung u. s. w. Es ist gar nicht einzusehen, wo diese Muskeln sollten I
tfundcn haben, und wie sie sollten wirken können bei so sturk abgei
ingungen. Es hat sich ober auch in unserem besonderen Falle bei dt
und Sorgfalt vorgenommenen Untersuchung der Wirbelsäule gezeigt,
che Domfortsätze kräftig entwiclielt waren: der des 1. Brustwirbels I
er „Spitze" eine Breite von 17 (18) mm, der des III. Li'ndenwirbelt
von IH iiiiii. E)s scheint mir dies fUr einen Körper von den vorlieg
onen eher eine ungewöhnliche Entwickeinng in der Breite. Ob da:
wisse Verkürzung in senkrechter Richtung vorliegt, muss ich dahing
sen, jedenfalls hat die Untersuchung nichts derartiges gezeigt.
bei Untersuchungen Über gesteigerte und rerminderte Beweglichkeit
Inseitigen Betrachtung anheimzufallen, muss man sich die Gesamm
en Bedingungen gegenwärtig halten, auf denen gesteigerte oder »erniii
chkeit beruhen kann.
iteigerte Beweglichkeit kann beruhen:
auf Veränderungen der mechanischen Apparate CVerringemng von Kno
Igen?), Verringerung von Bänderhemmangen ;
auf Veränderungen der muskulösen Apparate,
a) Steigerung der bewegenden Kräfte,
b) Verminderung der Widerstände von Antagonisten,
■minderte Beweglichkeit kann beruhen:
auf Veränderungen der mechanischen Apparate (Steigernng der Kno
Igen?), Steigerung von Bänderhcmmungen;
auf Veränderungen der muskulösen Apparate,
a) Steigerung der antagonistischen Widerstände,
b) Termebrung der Huakelmassen.
' letztere Gesichtspunkt trat mir zum ersten Male entg^en bei I
des .iKrafttumers" Bohlig, welcher nicht im Stande war, eine ausg
on auszuführen. Die am Vorderarme lagernden Muskelmassen verhim
be, d. b. als passive Massen, eine normale freie Beweglichkeit. Ein an
(808)
en Verden können, so Tcrmindern sich in demHelben Grade die Widerst
3 einer RUckbiegung im Wege stehen.
ier lässt nan der Vergleich unseres Falles mit dem von mir Trüber i
n Schlangenmenschen Marinelli einen Schritt von dem Reiche des
ihen, Dednctiven gegen das Gebiet des Thatsächlichen thun, und zwa
dasB die Untersnchnng eine wcaentlichi Verschiedenheit zwischen b
heraosstelite. Bei Marinelli ist alles das, was so eben als begünstigen
rärlsbiegung theoretisch angegeben wurde, — weite Spreiznng der Ri
Verliingemng der Mm. recti abdominis, vor allem aber Einbi^^ng
nknorpcl und starke Abflachnng der vorderen RumpISvand, Anoähcmni
en an die Wirbelsäule, > — vorhanden; bei ihm bemerkt man schon be
nlichcn aufrechten Stellung eine Abflachnng der Baucbgegend und Kür2<
-posterioren Durchmesser, und bei BogensteUung eine bedeutende Ännähi
irderen ßaoehwand an die Wirbelsäule unter starker Einbiegung der Ri
Dgenie Petrescn dagegen fehlen so anagesprochene Zeichen derAufhf
nistischer Kräfte: bei aufrechter Haltung ist eine harmonische Gesta
leren Baucbgegend vorhanden, und bei BogensteUung tritt zwar auch £
der Rippen und Verlängerung der Mm. recti ein, aber die Abflachnnj
■ea Bsuchgcgend und ein compenaatorisches HerTorqaellen der We
dies alles, obwohl — wie oben gesagt — der „Bogen" mit unfibertrol
idnng ausgeführt wird, [liese Beobachtungen lassen vermuthen, dass es
lem Falle weniger, als in jenem, um Verringerung gewohnter Widerstä
;n mehr, als in jenem, um Verstärkung der biegenden Kräfte hu
steht das Oesammtbild der Leistungen dieser Artistin darchaus in U
imung, denn bei der Mehrzahl ihrer Haltungen zeigt sich, dass wir es hi
m Grade mit Kraft leistungen zu thun haben, wie das bei den typischen I
ncnschen der Fall zu sein pflegt, — ein Ergebnias, welches auf der sorgfäl
irstandnissTollen, durch Jahre hindurch fortgesetzten Ausbildung beruht,
uns veranlassen, diesen aktiven Kräften unsere besondere Aufmerksai
enden, d. h. den langen Rückenmuskeln. Diese Muskeln Helen schoi
nlicher aufrechter Stellung als ungewöhnlich stark hervortretende W
der medianen RUckenrinne auf, und es zeigte sich dabei nocb besoi
lachtnng werth (s. oben), dass diese Muskeln auf der rechten Seite nich
die Skoliose bedingte Krümmung mitmachen, sondern fast gerade veria
)genstellnng im Handstande, und zwar bei solchen Stellungen, bei denei
ft^i erhoben gehalten werden (Fig. 10), treten nun diese Mnskelwttlste h<
die am oberen Ende des Thorax bcAndlicbe AbQachung, welche dei
nslOHSendcn Sehnenapicgeln der Kappenmuskeln entspricht, machen sich
die tlbcrlagemden Theile, die Mm. trapezius, rhomboides, serratus poi
tr, splenius, hindurch bemerkbar. Man kann bei solchen Stellungen i
In vergleichen der Sehne eines Bogens, mit dem Unterschiede, doss sie
wischen den beiden Endpunkten des Bogens befestigt sind, sondern an
len Wirbel und Rippen Ansätze abgeben. Aber ihr starkes Vorspringen
arke Wirkung lässt doch die F>age entstehen, ob nicht an den langen Rflt
In eine Veränderung vor sich gegangen sei in dem Sinne, daas an den
Zacken, insbesondere des Ileocostalis die muskulösen Abachnitte sie
ihnen entlang weiter nach vom entwickelt haben, so dass ihre Oontn
grösseren Ausschlag als gewilhnlich giebt. Eine solche Fortbildung
In würde nach dem, was man gelegentlich als Varietät bei anderen Mm
it, nichts AutTallendes sein; und ntr die langen Rackenmnskeln im 6<
(209)
1 liegt iils Analogie ein ßofund vor, welchen Ronx
1883) bei einem SkoHotischen erhob, bei dem allerdir
i die sehnigen Abachnitte der Zacken der langen E.
D, doch wie Roux meint, genau so, wie es sich als
ori ergeben wUrde.
Dass aber der höchste Grad der erreichbaren 6ie|
angcn RUckenniaBkeln überhaupt nicht erzwungen wei
InsufRcienz eine absolute oder relative war, d. h.
weiter kontrabiren oder dass sie die entgegenstehe
überwinden konnten, das liess sich in der in Fig.
ich erkennen, indem bei vorwärts oder auch aufwärt
irkopr etwas von dem Kreuz entfernt blieb, während
nen Armen (wie auf dem Bilde) berührte. Das Gewicl
iie Artistin selbst bemerkte, hinzukommen, um den hö
lande zu bringen.
:il. Schulter und Arm. — 1) Für die Einschränku
ichulter darf die Gelenkkapsel bei ihrer bekannten
in Anspruch genommen werden, vielmehr glaube ich,
)2) angegebenen Richtungen die Ursache eine mus
es beide Male der M. deltoides war, auf den die S
dener Weise, nchmlich:
i) bei seitlicher Hebung des Armes verhinderte c
eis durch ihre Vorlagerung die weitere Erhebung;
)) bei Hebung des Armes nach hinten dagegen v
i durch ihre Spannung die weitere Bewegung. Es vi
auch an den Pect, major zu denken, doch war dieser
ides- Es ist endlich auch möglich, an den H. subsca]
ihn lasst sich bei seiner versteckten Lage nichts ansE
I) Für die behinderte Beugung im Bllbogengclen
eihtnderung vorliegen, und zwar entweder seitens de
lus durch Vorlagerung, wie dies ju thatsächlich (s. ob
s des Triccps durch Hemmung. Ersteres licss sieb
ssen, da immer noch zwischen den Bicops und den
inger eingelegt werden konnte; letzteres konnte auch
■r Triceps bei passiven Bewegungen keine derartige S
hätte imnehmen dürfen, ihn bis zu seiner Elasticitütsgr
ieb also nur übrig zu glauben, dass hier Bünderhemn
gcrte Straffheit des Lig. ucceas mediale. Für Bänder
Jicse Hemmung ziemlich plötzlich, ruckweise eintrat,
früher beschädigten Gelenke, dem linken (S. liK)), frU
) Zur Erklärung der Hemmung im Handgelenk e
iter Anhaltspunkt in dem Auftreten eines Wulstes, wi
lalb des Radius hervorquoll. Dieser Wulst fiel alk
ch auf einer ganzen Anzahl der aufgenommenen Phot<
tn Figuren zeigt ihn Fig. 9. Wenn man die Entstehu
3her aktiver oder passiver Flexion der Hand gegen
e, so ergab sich, diiss Anfangs eine weiche Ansehe
ass diese mit zunehmender Flexion grösser und vor i
idlich Knochenhart*.' erlangte. Wiederholte Untersuch
len noch Sehnen die Veranlassung daron waren, soni
<210)
nte OelenkkupKel des Handgelenkes vorlag. Ich kann daher nur annehme
innerhalb der Gclenbspaltcn der Handwurzel die Synovia vermehrt war, ui
bei den Eiewcgongen dicae zwischen den Knochen hervorgcprcsst warde ui
Kapsel in Spannung versetzte, und zwar allseitig, eo Hags hierdnrch eil
imnng weiterer Bewegungen eintrat. Die Einschränkung der Excursionen blii
gleiche, gleichviel welche Stellungen des Vorderarmes gegen den Oberarm g
It wurden.
Fasse ich das in diesem Abschnitt Gesagte zusammen, so ist es das Folgend
Ursachen für die Vermehrung der Beweglichkeit an verschiedenen Körpc
cn sind nicht gleichartig, und ebenso wenig sind es die UrBBchen für die Vc
Icrung der Beweglichkeit. PUr Vermehrung kommen in Betracht: Steigemi
biegenden, Verminderung der antagonistischen Muskelkräfte, vielleicht ani
minderung der Spajmang in Bandapparaten (Zwischenbandscheiben); Vir Vt:
derung der Beweglichkeit kommen in Betracht: grössere Unnachgicbigkeit vi
igonistischen Muskeln, ebenso von Bändern, sowie Zunahme der Sjrnovia.
Vt. Art des Problems; Synergie.
Ich habe in den vorhergehenden Abschnitten von dem Bau und den Bewegung
^lichkeiten dieses Körpers dasjenige geschildert, was mir bei meiner VnU
inng aufgefallen ist; und ich habe die Ursachen für die Abändemngen d
leglichkeit mit demjenigen Grade von Sicherheit angegeben, welcher sich, w
glaube, durch die Untersuchung am Lebenden erreichen lässt. Es würde si'
der zweite Haupttheil der Untersuchung anschliessen müssen, nehmlich d
lyse der Leistungen, welche in den einzelnen, besonders bemerkenswerthi
lungen enthalten sind. Dazu müssten zunächst die Lagen der Knochen, d
en und Längen der Muskeln festgestellt werden, um die Grundlagen für ei
cchnung zu gewinnen. Indessen diese Untersacbang würde weit mehr Z<
nspruchen, als sie mir zur Verfügung stand, und ich muss dafanr vor dies
gäbe Halt machen. Ich könnte also meine Mittheilung hier abschliessen. I
aen will ich doch zum Schlüsse die Bedeutung der Untersuchung derartig
isten hervorheben, — die Bedeutung, welche wenigstens ich solchen Untcrsuchn
beilege. Dies ausdrücklieh zu thun, ist wohl nicht überflüssig, denn im A
leinen acheinen nicht nur von Laien und Aerzten, sondern auch von Anatom'
, Physiologen die Leistungen der Artisten wesentlich als Cnriositäten angeseh
werden. Ich betrachte sie in einem geiadeswegs entgegengesetzten Sinn
stungen, zu denen der Körper mit so viel Ausdauer und Conseqnenz dur
re hindurch erzogen ist, denen so viel Uebericgung und feine Empfindung
inde liegt, wie das bei den besseren Artisten der Fall ist, stellen ein klassisch
terial vor für denjenigen, welcher den Bewegungsapparat kennen lernen w:
weder ist der Bau des Körpers verändert unter dem Einfluas der Uebung, da
len wir vortreffliche Beispiele der „funktionellen Anpassung" vor uns; oder
nicht verändert — und er ist in der That viel weniger verändert, uls man na
n ersten Blick erwarten sollte — , dann lernen wir die Leistungsfähigkeit d
nschiichen Körpers viel besser verstehen, als wir es durch die Betrachtung c
äglichen, stark eingeschränkten Aktionen des gewöhnlichen Mensehen köuii
1 wir erweitem dadurch unsere Auffassang. Dies würde allein genllgea, um i
dinm solcher Probleme erwünscht zu machen. Aber der Nutzen derartiger l
^htungen ist noch ein anderer, so zu sagen mehr unmittelbarer, und di«
rden wir um so mehr fühlen, je mehr wir uns gewohnen, die Aufgaben (
wegungslehre als das zu betrachten, was sie ja natu^miiss sind, als analy
e Aufgaben, je mehr wir an
he bis jetzt, insbesondere in ]
waren, die annlytischc Bch
sse, als die Genauigkeit der E
nammcn hat, als die Mittel
in, als die Gewöhnung an anal
haupt gewachsen ist, hat m
ings- and Haltungs-Prabiemi
in man diese analyairen vil
ongen der Muskeln einzogebei
onen, die Gruppen, von einan(
rcn Fall einige Bemerkungen
n orientirenden Werth haben.
Zwei Gruppen von Aktionen k
in Betracht: die, welche de
oratio n dienen. Auf diese e
Respiration immer die Circal
sie Beachtung linden. Ausc
ncen der Bandstandstellung hir
nkt werden, weil ron ihnen au
die Art der Probleme, die bt
I Körperhaltungen in Betracl
illt
ind. — Von de
benden Handatand
eh die in Fig. 1
„sicheren Hand
;r Fig. 11 von d€
, 12 von vom dai
en Handstand" bE
irste ist diejenig
itande, welche to
ihrem Lehrer al
tresteste" bezeichnet wird; dies
ung kann ziemlich lange ohn
:h werde eingehalten werden
ihr geht die Ärtistio in ander
ungen ttber, in ihr athmet si
^ und frei, spricht ohne sondei
Anstrengung und wendet ohn
ndere Aufforderung den Ro):
lin und dorthin. Die ander
nog ist dadurch gekenn zeich nei
der Oberkörper tief steht, das
Ewischen den Schulterblätter!
bgelassen ist. Zur nähere
itnisagabe mögen einige Brläu
Igen nebst Zahlen dienen, sowi
n Fig. 13 und 14 wiedergegebc
Umrisszeichnungen , welch
(213)
Querschnitte durch den Körper darstellen, mit Hülfe von Bleidraht gewonnen.
Fig. 10 zeigt den Brustkorb in horizontaler Lage, Becken und Beine erhoben und
gegen den Kopf herübergelegt, jedoch frei getragen; die Schwerlinie geht hinter
der Verbindungslinie der Oberarmköpfe in die Höhe; der Kopf ist gegen den
Nacken gehoben, jedoch kann derselbe frei bewegt, d. h. gehoben, gesenkt, seitlich
bewegt, gedreht werden, woraus hervorgeht, dass die von Kopf und Hals zum
Schultergürtel gehenden Muskeln (oberer Theil des Cucullaris, Stemocleidomastoi-
deus, Levator scapulae) noch frei verfügbar bleiben. Die langen Rückenmuskeln
springen als Wülste bis in den Sehnenspiegel der Oucullares hinein vor. Der Ab-
stand der Schulterblätter von einander beträgt 165 fnm, ist also bedeutend (vergl.
die Maasse auf S. 198). In Fig. 11 wird der Brustkorb auch horizontal gehalten,
wenn auch nicht genau in der gleichen Stellung, wie in Fig. 10, Becken und
Beine aber sind weit mehr herübergelegt, die Schwerlinie dürfte durch die Ver-
bindungslinie der Oberarmköpfe gehen, der Kopf ist auch hier frei beweglich
(Fig. 12 zeigt ihn gesenkt, damit die Stellung der Schulterblätter sichtbar werde).
Die Schulterblätter sind einander genähert bis zur Berührung, und der Thorax ist
unter dieselben so tief hinabgesunken, dass eine auf die Schulterblattgegend auf-
gelegt Tangente 55 mm von den Domfortsätzen absteht, gegen 16 mm an der
gleichen Stelle bei gewöhnlicher aufrechter Stellung (vgl. die Maasse auf S. 198) 0-
Ich habe diese beiden Stellungen aus bestimmten Gründen der Aufmerksam-
keit für werth gehalten; die erste, weil es die festeste ist, die zweite, weil bei ihr
der Rumpf am tiefsten steht, weil daher bei ihr, wie man nach deductiver Be-
trachtung glauben sollte, am wenigsten Muskelarbeit aufgewendet werden muss.
Was bei letzterer geschieht, ist scheinbar Folgendes: durch den Druck der auf-
gestemmten Arme werden die Schulterblätter nach oben (hinten) gedrängt, und da
die Schlüsselbeine in den Articulationes stemoclaviculares mit dem Rumpfe zu-
sammenhängen, so werden die Schulterblätter gegen die Mitte des Rückens zu-
sammengedrängt; der Thorax hängt nun in den Mm. serrati magni, „wie in einem
1) Bei der Betrachtung der in Fig. 18 u. 14 wiedergegebenen Kurven möge Folgendes
berücksichtigt werden. Es wurden 2 Stücke Bleidraht angelegt, ein vorderes (unteres) und
ein hinteres (oberes). Vor dem Anlegen behufs Gewinnung der Fig. 13 war sowohl die
IJnie auf die Haut gezeichnet, als vier Marken, letztere die ^Mittellinie*' des Rückens,
die Mitte des Brustbeins, die medialen Schulterblätterränder bezeichnend; diese 4 Marken
wurden dann an dem Bleidraht bemerkt Die Linie schneidet das Brustbein 75 mm unter-
halb seines oberen Randes, die Wirbelsäule am Domfortsatze des VIII. Brustwirbels, sie
geht durch die Aiillarlinie dicht am Ansätze des Armes und über die Schulterblätter nahe
den unteren Winkeln. Vom erfährt sie einen Auftrag durch die Brüste, hinten prägt sich
die Skoliose aus, das Schulterblatt macht sich nur durch seinen medialen Rand bemerkbar,
der Rand des Pectoralis, sowie der des Latissimus, fallen nicht auf. Die leichten Asymme-
trien von rechts und links dürfen für Schlüsse nicht verwerthct werden, da bei der un-
sicheren Haltung ein festes Andrücken des Bleidraht«s nicht gestattet war.
Die Fig. 14 (tiefer Handstand) darf auf Einzelheiten nicht betrachtet werden, denn
obwohl sich bei der Abnahme derselben 4 geschickte Personen in die Hände arbeiteten,
so kann doch bei einer so unsicheren Stellung absolute Genauigkeit nicht erreicht werden.
Leider hat die Kurve keine Marke erhalten, um die Lage der Domfortsätze zu bestimmen,
und die Höhe des vorderen Schnittpunktes wurde nicht festgestellt; eine Wiederholung,
die diesen Mängeln abhelfen sollte, missrieth. Man betrachte nur den hinteren Theil der
Kurve, um den Tiefstand der Wirbelsäule zu ermessen : doch entspricht die Stellung nicht
genau der von Fig. 11 und 12. Auch hier haben die Mammae eine Auftragung bedingt.
Bei der Benrtheilnng sei noch berücksichti^rt, dass Fig. 14 nicht von der gleichen Ebene
gewonnen ist, wie Fig. 18.
(211)
die VcrhHltnisse der vorderen Extremitäten ron Vierfi
nischc Diagnostik der äusaeren Krankheiten der Baosi
».1). Die Errahrung zeigt jedoch, daas diese ansch«
am den Ansdruck der herrschenden Richlnng zu gebm
iing von der Artistin nicht, wenigstens bei dem ^
r Anabildnng nicht als die sicherste nnd leichteste
n die andere, bei welcher die Schulterblätter weiter roi
rax nicht so tief gesunken ist, alle Maskeln in einem hc
enommen sind. Aehnliche Unterschiede zwischen dem
le Haltungen sind, and was uns die dcdnctive Richtui
mal" unfredcn möchte, ßnden sich bei allen Stellungen,
:ewöhnltchün imfrechten Stellung. Dumit will ich nfil
n das, was hier am Handstande gefunden wird, unreri
Stehen Übertragen kann, sondern ich will Folgendes i
rpers, bezw. eine Lage von Körperthellcn zu einander
rieler Einflüsse, von denen das Bestreben, an Arbeit ii
Lage direkt nnterstellt ist, zu sparen, nur einer isl
igslehre aber ist es, alle diese Einflüsse zu bemessen
mg eines so complicirtcn Verhältnisses schwierig ist, n
zu Tage liegt, welche Arten von Faktoren in der Gesi
ist es vorerst nlltzlich und gerathen, möglichst viel
tige Probleme zu prüfen, denn es wird sieh wohl z
irt der andere Einfluss deutlicher zu Tage tritt, so dasi
isen lernt. In unserem Falle nun möchte man an Ver
, dass beim „tiefen Handstande" durch das Znsammcndi
c Haut hinten gedrückt, über der Brust aber gedehnt
D und selbst sehmerahafte Sensationen entstehen, v
cement eingreifen, da dieses ja an die feinen BmpBnd
j, dass gewisse Spannungen in Uuskeln, bezw. Sehnec
das (unbewusste) Urtheil Ober die Lage der Theile
gewisse Muskeln (Rhoroboides, Oucntlaris} in tingünstif
werden, welche bei der anderen („sicheren") Haltan)
werden können. Eine sichere Entscheidung wird si
lassen; jedesfalls aber mnss man die Aeusserung des ^
htigen, dass eine Einübung der in Fig. 11 u. 12 dargesi
-wUnscht sei, weil dadurch eine Nachgiebigkeit der Mi
:, welche fUr die Festigkeil und Sicherheit des Haudsl
und Respiration, a) Circulation. — Die Circv
em Falle in drei Hinsichten anter ungünstigen Bedingn
starken Dehnungen und Drehungen Bindemisse für die
gesetzt; 2) wird bei den Stellangen, bei denen die
opf nach unten gerichtet ist, die Noth wendigkeit gescl
ilicher Weise der Schwere entgegen zu heben; 3) wird
freien Athmung der RückOuss des Blutes in die Brust
le daher wohl daran denken, dass hier dauernde 8tdr
rzcn sich eine Arbeitshypertrophie geltend macht Die
horax in der Herzgegend (S. 19-1) lüast auch danin dt
he Untersuchung (Hr. Ooldseheider) nichts Aofftülig
erdings bei gewissen Stellungen eine starke Zyanose d(
(21
ts auftreten, doch schwindet diese !
QDg, und sie tritt überhaupt auch bei
wofern nur die Athmnng frei ron St
b) Respiration. — Anch hier hai
lung (Hr. Ooldscheider) nichts tq
piration ist aber nicht nur von die.
resse, sondern es ist auch — und d
Hauptinteresse — von Bcdenta
iratorischcn Bewegungen innerhalb de
ehmen. Es wnixlc so eben duniuf hii
die Circnlation ist, dass die Kcspira'
aber auch mit der üenunum; der Atb
ser Nutzen verbunden. Schon wenn
eist der Schultern oder Hände auf dii
Stellung des Thorax in Inspirations
stischc Anatomie S. 137) mit Recht
per auf den Armen ruht und vom T
egt werden. Hier muss sich das Bea
rax in eine feste Combination und d
nehr geltend machen, da ja das Skc
et raht (in der Articulatio sternoci.),
piration zu Oute kommen könnten,
^n Körpers in Dienst gestellt sind.
läast sich a priori annehmen und win
rseits der Lehrer (der Vater) beständi
assen, well nur dann die Hundstellung
irerseits zeigt sich aber auch und tril
bei freiem Atbmen Schwankungen
leidlich sind; und die Artiatin, die dai
kigraphiren für kurze Zeit den Athen
Stellung des Thorax und die freie .
jedes doch in seiner Weise vorthc
^be so, dass ein Compromiss gesi
ih Erfahrung, Uebung, Ueberlegung
e Combination verwandeln und wai
b; oder — noch richtiger ausgedrül
I Combination herstellen oder sie losi
-Schaft über den Bewegungs-Apparat
er Artistin möglich ist, ihre Ahtionei
ufuhren, also über einem in steter G
re Rumpfhälfte, Beine und Kopf zu
ide Aktionen voraussetzt, sei es in
llen. Von dieser Betrachtung aus r
n Bewegungen ihren Platz innerhalt
äisen, aber diese Präge ist freilich t
die Passung des Problems beschränki
Abweichungen der Respirations-Orgi
ichc Untersuchung (Hr. Goldscheii
ung verändern sich die perkutorische]
bei extremer Bogenstellung, v.. B. im
(216)
i zu urwarten. Eine regelmüaai^ and ausgiebig« inspiratorische ui
rische bewnsste Erweiterung und Verengerung bringt die Artistin trota
en Herrschaft über den Bewcgangsap parat nicht zn Stande- Endlii
wähnt, dass bei Bogenstellung auf Händen und FUssen, wobei eine ei
ing der unteren Bippen und passive Spannung der zwischen ihnen g
rischenrippenmuskeln stattfindet, in den Intorcoslalräumen die Verachi
ngengrenzen deutlich sichtbar wird. Nachdem durch Striche die
itorische) und obere (esspira torische) Grenze bezeichnet war, ei^t
ibzühlen, dass in der Axillarlinic die untere Grenze etwas unterhu'
Randes der X. Rippe und die obere Grenze in der Mitte der VIII.
lie Perkussion bestätigte völlig den Befund der Inspektion-
Balancement. — Die auf Glcichgewichterhaltang gerichteten Ak
bei den Betrachtungen Über Haltungen und Stellungen in der Kegel
Blassen. Es ist das z. ß. der Fall bei den Lehren der Brüder Webe
von E. V. Meyer Über die aurrecbte Stellung. Ed. und W. Weber s
leduktiv) die Theile des Körpers so über einiuider auf, dass immer
gleich viel von dem Gewicht jedes Rörperabschnittes vor und hinl
linie fiel, so dass der Körper mit einem Minimum von Muskelarbeit ai
konnte. Gegen diese Betrachtung kann eingewendet werden (Meyer)
seste Bewegung, ja die Circulation und Respiration genügen würdet
' labil aufgestellte Combination zu Falle zu bringen. Meyer legte des
teres Princip seiner Deduktion zu Grunde; er onentirte nehmlich die K
Icr Schwerlinie gegenüber so, dass möglichst an allen Bandappuraten,
die übereinanderliegenden SkeletstUcke verbunden sind, Spannungei
mussteu, durch welche je zwei benachbarte Abschnitte unler einan<
tfsten Combination verbunden wurden. Obwohl das Weber'sche P
türliche Grundlage darstellt, auf welche jede mechanische Betrachtt
Linie bezogen werden mnss, und obwohl in dem Meyer'schen Princ
['heil von Realität steckt, so können wir doch, wenn wir zu völlig
itung durchdringen wollen, weder das eine, noch das andere Princi
en Grundlage unserer Betrachtungen machen, sondern wir müssen
dass die wirklichen Stellungen and Haltungen durch eine Reihe voi
bestimmt sind, die wir in ihrer Tragweite allmählich wollen vcn
Wenn wir nnter diesen Einflüssen ßir einen Augenblick das Ualanc
greifen, und danach die zur Beobachtung gelangenden Stellungen ordm
wir eine Reihe erhalten, an deren einem Ende diejenigen Stellnngei
bei denen in Beziehung auf Balanccmcnt viel gefordert wird. Ich
bei früherer Gelegenheit die militärische Stellung als eine solche na
t, welche unter dem angegebenen Gesichtspunkte unsere volle Aufraer
rdient; die militärische Stellung ist nicht nnter diesem Gesichtspunkte
achten, aber er ist einer der interessantesten. Am anderen Ende der
(vir dagegen diejenigen Stellungen, bei denen die Aufgabe des Balan
lissmässig zurllcktritt, z. B. dadurch, dass die Unterst ützongsflächc
, ist, wie beim brettbeinigen Stehen, oder dadurch, dass durch Spai
adem odtr bindegewebigen Theilen feste Combinationen erzeugt w<
der hängenden Stellung, oder dadurch, dass durch gleichzeitige Ansf»!
istischer Muskeln relativ feste Combinationen hergestellt werden, — ei
mkt, der hei der Beurtheilung der militärischen Stellang neben dem
bcnen Beachtung vordient. Zwischen diesen beiden Enden der Reihe o
nn die übrigen Stellungen.
Von well
dieoenden Ak
sondere Mu8k<
za tban hätte
69 sind diese!
nnd selbst w
liebi^en Ange
welcher Bracl
ist so schwiej
wir ons vorst
wir auch da
wohl kanm a
die behufs de
Gleichgewichl
artige Fälle b
sich Bchärrere
möchte ich at
ihn mittheile
BeobachtnngE
Für nnsi
der Arttstin i
Oberrampf u
rümpf nebst
Theile; im 1
Betracht, und
lerin aeitwärl
»ach vorn gel
Bild zD gebei
Aktionen woh
Ter wendet nai
in entspreche
„Saale" bezei
gegeben, dase
anch der ObE
selnd vor onc
Und endlich
nommen, dei
bemerkte, so
oA hervor,
noch ganz l:
diejenige Hai
flacher Unterl
knickt, dass
Winkel bildei
zweiten nnd
werden dadu
Stützes gewii
wie mit der
auf welcher
abgehoben isl
(218)
Itzungsfläche liegen, und zwar dadurch, daaa die Hände nar big za 90° dorsal
irts flectirt werden können (S. 204), duas ulso, wenn diese Stellung erreicht wirt
e Hand mit dem Vorderarm eine feste Combination eingeht. Es bleibt, sowei
lotographien und Beobachtung schliessen lassen, eine gewisse Freiheit der Bc
•gungen in den Articulstiones interphntangeae primae und Articulationes mett
rpo-phalangeae übrig, und diese kann, wie icb glaube behaupten zu könnet
ch noch für Aas Balanccment verwendet werden. Fügen wir dasjenige bei, wa
;h bei den Stellungen auf den Füssen beobachten Hess, also bei Stellungen, wi
! in den Figuren 5, ü, 7 und S dai^estellt sind, so wurden dabei balancirend
iwegungen bemerkbar, bei denen sich die Unterschenkel in den Fussgelenko:
gen die Füsse bewegten ; d. h. der ganze Körper von den Fussgelonkcn an anl
trts war in eine feste Combination verwandelt, und konnte also nur an diese
len Stelle balancirt werden.
Aus dem Gesagten möchte ich zwei Satze ableiten und als Gesichtspunkte fü
! Beobachtung empfehlen: zum Balancemcnt, d. h. zar Herstellung des gestörten
zw. des bedrohten Gleichgewichtes werden erstens Körpertheile verwendet, di'
igUchst weit von der Schwerlinic entfernt sind; zweitens Körpertheile, die nicb
dem gegebenen Augenblick in festen Gombinationen oder durch bestimmte Auf
ben in Anspruch genommen sind.
VII. Scblussbemerkong.
Wenn ich natürlich im Vontusgeh enden die wisscnschafllicbe Analyse ver
gt habe, so will ich doch hier anch mit einigen Warten den Standpunkt dei
tistcn kennzeichnen. bHlr die wissenschaftliche Analyse Hegt natürlich d»s Inter
te ganz oder doch zum grossen Theilc wo andere, wie für das unterhaltungs
dürftige Publikum und auch für den Artisten selbst, der ja dem BedUjfniss dei
blikums Rechnung tragen muss. FUr das Publikum kommt es darauf an, ctwai
Ige wohnlich es, etwas Uebcrraschendes zu sehen, und dem kommt der Artist ent
^n, indem er etwas noch nicht Dagewesenes, etwas womöglich „Unglaubliches'
ngt. Hier ist das Ungewöbnlichc die Ausbildung auf den Handatand, die Ge
hnung, auf den Händen zu stehen und zu gehen. Das ist nun noch nichts Un
wohnliches, denn zahlreiche Kinder sind darin geübt und zahlreiche gute Turaei
nnen auf den Händen gehen und stehen. Aber es wird in demselben Huassi
etwas Ungewöhnlichem, als erstens die Dauer eine ungewöhnliche isl, um
eitens die Mann ich faltigkeit der Bewegungen sich steigert; wenn zu dem Gcbci
d Stehen auf den Händen sich Laufen, Springen, Steigen, Tanzen hinzugesellt
d wenn vor allem ein bedeutender Wechsel in der Rumpfhaltung schnell unc
her vorgeführt werden kann. Es kann dann eine Illusion bei dem Publikun
:eugt werden, als seien diese Arme Beine; und nichts kann wirksamer den Eiu'
ick des Ueberrasch enden hervorrufen, als diese Illusion. In unserem Falle ent-
ht sie thatsächlich, namentlich bei den Tanzbewegungen, also bei Aktionen, «<
jenUber der Schnelligkeit der Aktionen und der Aenderung der Stellungen dei
bewusst analysirende Blick die Herrschaft über die Vorg^inge verlier! Durcti
■ Verdickung der Vorderarme über den Handgelenken (S. ISO) und den bei
>rsalllection der Hand auftrelenden Wulst (S. 209) wird der Eindi-uck zwer^hollei
inchen vermehrt, und Beschauer äusserten sich, dass während des Haniltanzet
■ Arme der Artistin halb verkümmerten menschlichen Beinen, halb den Beiner
) Schwimmvögeln ähnlich sähen. Das Entgegengesetzte trafen wir hei ilem
sskünstler Unthan, dessen Füsse bei gewissen Aktionen, namentlich Iwini
ilonblasen. die Illusion von Hunden erweckten. Es ist schwer zu sagen, um
11'
(219)
welchen Quellen diese Illasionen stammen, nehmlich wie weit diese Arme der
Ellgenie Petrescu und diese Ftisse des Unthan eine Aehnlichkeit in der Aktion
angenommen haben mit den Extremitäten, deren Rechte sie sich angemaasst haben ;
and wie weit der Beschauer unbewusst solche Füsse, welche längere Zeit vor
seinen Augen feine Thätigkeiten austlben, wie Karten mischen, Piston handhaben,
Violine spielen, schliesslich für Hände, wie weit er Arme, welche vor ihm springen
und tanzen, für Beine nimmt. Jcdesfalls wird die Illusion erst nach einiger Zeit
vollkommen.
(20) Hr. Paul Ehrenreich legt eine indianische Kriegskeule von vor-
trefflicher Arbeit vor. Sie wurde von Dr. Leite Moraes in Salb Paulo, der als
Präsident von Goyaz im Jahre 1882 die Reise auf dem Arajuaza nach Para unter-
nahm, von dem Caraya-Häuptling Ambura (IV, Dorf der Sambioa) erworben und
nebst einem kleineren ähnlichen Exemplar dem Ref. in Austausch gegen Photo-
graphien von Landschafts- und Völkertypen jener Gegenden überlassen. Es dürften
auf ähnliche Weise sich noch manche werth volle Stücke aus Privatsammlungen
erwerben lassen.
Die Reule ist flach, schau felförmig, 1,65 m lang, aus hartem Tecomaholz.
Die Handhabe, von deren Knauf zwei schwarze mit Schneckenschalen verzierte
Quasten herabhängen, ist mit zierlichem Flechtwerk im Rautenmuster umhüllt
Das nach unten sich verbreiternde, vierseitig prismatische Blatt mit scharfen
Kanten läuft in eine lanzettförmige Spitze aus.
Referent fand auf seiner Reise bei den Caraya nur stabförmige Keulen im
Gebrauch, während früher die flachen Formen häufiger gewesen zu sein scheinen.
Eine um so werthvollere Erscheinung jener Sammlung liefern daher die beiden
von Dr. Leite Moraes gütigst zur Verfügung gestellten Stücke.
(21) Hr. Olshausen spricht über
Radsporen auf Siegeln, im Grabe Bemharts von Italien und auf einem
Relief am Dom zu Alonza.
Hr. V. Hey den hatte die Güte, mir in Veranlassung meiner Arbeit über den
Rciterspom einige Bemerkungen über das erste Auttreten des Spornrades zu-
gehen zu lassen. Auf die Autorität des Hm. Blell hin gab ich in diesen Ver-
handlungen 1890, S. 185 an, dass die Einführung desselben gegen die Mitte des
13. Jahrh. fiel, nachdem ich mich überzeugt hatte, dass diese Angabe ungefähr
richtig sein müsse. Hr. v. Hey den aber konnte mir nachweisen, dass wenigstens
in Frankreich bereits auf einer bildlichen Darstellung vom Jahre 1211 der Rad-
sporn erscheint, nämlich auf dem Siegel des Jean de Boury. Andere Siegel von
1225, 1228, 1237, 1246 u. s. w. zeigen das Geräth ebenfalls (G. Demay, Le
costume au moyen äge d'apres les sceaux, Paris 1880, p. 145 ff.). Man wird hier-
nach die erste Einführung des Radsporns etwa bis 1200 hinaufrücken müssen.
Allerdings lässt sich gegen die Beweiskraft der Siegel im Allgemeinen einwenden,
dass so kleine Einzelheiten auf denselben meist nicht gut zum Ausdruck kommen;
aber diese Schwierigkeit war Demay natürlich wohl bekannt (p. 146) und er
führte unter den Radsporen nur solche als Beläge an, bei denen das Rad sehr
gross und also deutlich war, und das trifft namentlich auch für jenes Siegel von
1211 (Fig. 140) zu. Auch scheint es sich hier wirklich um ein Siegel, das ver-
muthlich durch die Urkunde, der es beigefügt, datirbar ist, nicht um den Stempel
zu handeln. Stempel allerdings könnten später nachgeschnitten und dabei ver-
f'l
(220)
ändert (moUernisirt) sein; aber Deniay unterscheidet scharr zwischen den Sicffelo
(sceaux) und den Stempeln (matrices), ao Husa hier nicht wohl ein Zweifel be-
stehen kann. (Die Bedenken, welche Zschille und Forrer in ihrem inzwischen
erschienenen Werke „Der Sporn", Berlin Ia91, S. 13 1 Sole 1 gegen die Beweis-
kraft der Siegel geltend miichen, knnn ich in dieser Allgenieinbcit nicht theilen )
Dagegen waren mir zwei weitere Angaben, nach denen der Radspom schon
um 4, ja sogar um ti Jahrhunderte früher bekannt gewesen sein sollte, von vornherein
ganz unglaublich. Der erste Fall betrifft nach W. Böheim, Waffenkunde, Leipzig
139U, S. 224 ein Paar Sporen aus dem iingeblichen Grabe Bernhurts, Kiinig}.
von Itfdien, f 818 (nicht 811). Dieser, der Sohn Pippins (Karlmanns) und Knkel
Karls des Grossen, war an einer Verschwörung gegen Kaiser Ludwig den Frommen
beiheiligt, wurde gefangen genommen, in Aachen geblendet und sturb einige Tage
darauf. Die Leiche scheint nach Mailand gebracht zu sein. ~ Böheim entnahm,
wie eine Aufrage Hrn. v. Heydens feststellte, die Nachricht über die Sporen
V. Gay's Gloasaire arcbeologiquc da moyen äge et de la renaissance, Tome 1.
Paris 1887, Artikel eperon, und dieser wiederum berief sich auf J. Quicheral,
Histoire du costume cn France, Paris 1875, p. Ilü. Die letzte Qnellc für den
liericht aber ist J. P. Puricelli, Ambrosianac Mediolani Basilicae nc Monasterii
Monumenta, I, Mediolani 164.'), p. 62 IT. — Puricelli wohnte 1(i38 (nicht 39) der
Eröffnung des dem Bembart zugeschriebenen Grabes bei und beschreibt p. 71
genau die aus vergoldetem Kupfer gefertigten, mit kleinem, durch 4 sehr kurze
Stacheln geschärftem Bade versehenen Sporen, sowie deren Rtemcnwcrk. Allein
das fragliche Grab ist entweder nicht das des Königs 'Bernhart oder
enthielt die Ausstattung desselben nicht mehr im ucsprünglichen Zu-
stande. Zwar ist ein marmorner Grabstein zu St. Ambro siua durch eine Inschrift
als derjenige des Königs bezeichnet; aber die Inschrift enthalt eine Unrichtigkeil
im Datum und wird deshalb von Einigen als unücht angesehen, während Andere
freilich sie nichtsdeslt weniger für üchl halten und nur einen FlUchtigkeilsfehler
annehmen. (Vgl. B. Simson, Jahrbücher des fränkischen Reiches unter Lndwig
dem Frommen, I, Leipzig 1874, 8. 125, Note 6; B. Mulfntli, Bcmardo Re d'Italia.
Firenze 1876, p. 47; auf beide Werke wies Hr. Prof. Wattenbach mich gütigst
hin.) Aber selbst wenn die Inschrin nicht zu beanstanden wäre, roüsste mindestens
ein Theil der Ausstatlnng des Grabes dennoch als jünger gellen. Jener Stein kam
zuerst bei baulichen Veränderungen des Klosteii im Jahre 149b wieder zum Vor-
schein, ohne duss indess auch von der gleichzeitigen Wiederaufllnitung des Grabes
berichtet wird. Erst 1638 öffnete man einen murmornen Sarkophag, den man zu
der vorhandenen Grabplatte in Beziehung brachte. Man fand in ihm einen Soi^
aus starken Eichcnplanken, mit Nägeln zusammengezimmert und mit Pech ge-
dichtet, aber in demselben zwei Leichen, die eines Fürsten und die eines Bischofs.
Letzteren hielt Puricelli für den Ei-zbischof Anselm, Freund und Mit verschwore-
nen des Königs, der mit Absetzung und Einsperrang ins Kloster bestraft wurde
und zu St. Ambrosius beigesetzt zusein scheint. Puricelli behauptet, dass uuter
den Mönchen ein dunkles Gerücht verbreitet gewesen sei. wonach der Erzbischof
mit dem Könige in demselben Grabe ruhe; eine andere Grab^itätte desselben ist
auch nicht bekannt. Aber schon G. Giulini erhob in Memorie di Milano, I,
Milano 1760, p. 121 IT. mehrere Einwendungen gegen die Zuverliissigkcit des Grab-
fundes. Die Milra, mit welcher das Haupt des Bischofs bedeckt war, passt nicht in
das 9. Jahrb.. sondern ist jünger (vgl. die Wiedergabe des nach Eröffnung des Grabes
von den Mönchen gemalten Bildes, zu p. I2:i;. Es ist ferner der Grabstein, welcher
als Deckel des Sarkophags diente, nicht au.« dem gleichen Material wie letzterer
(221)
selbst gefertigt und passt auch seiner Grösse nach nicht genau dazu, ist etwas zu
klein. Endlich trägt der Sarkophag das Wappen einer Familie, der besonders
mehrere Aebte des 14. Jahrh. entstammen. (All dies ausführlich auch bei Mal-
fatti.) Dass femer die Kleidung des Königs eine ungewöhnliche war, fiel
Quicherat wohl auf, doch legte er kein Gewicht darauf. — Nach alle dem aber
erscheint das Grab im höchsten Grade verdächtig und die Radsporen sind uns ein
neuer Beweis ftlr eine spätere Veränderung seines Inhaltes, wofern es sich hier
überhaupt um die Leiche des Königs Bernhart handelt. (Zschille und Forrer
haben seit meinem Vortrage ähnliche Ansichten geäussert, a. a. 0. S. 12 — 13.) —
Der zweite Fall, nach welchem der Radsporn schon um 600, oder wenigstens
im 7. Jahrh. in Oberitalien bekannt gewesen wäre, betrifft ein Basrelief über
dem Haupteingange des Domes zu Monza. Diese Kirche (S. Giovanni in
fönte) wurde zuerst von der langobardischen Königin Theo delinde 590 begonnen
und 595 vollendet. Nach Mothes, Die Baukunst des Mittelalters in Italien, Bd. 1,
Jena 1884, 8.234 wäre sie dann im 9. Jahrh. verändert, nach 1311 von Matteo
Visconti bedeutend vergrössert (vgl. S. 485) und zu Ende des 14. Jahrh. an der
Fa<^e mit Marmor bekleidet. Eine von G. Cordero de S. Quintino, DelV
italiana architettura durante la dominazione longobarda, Brescia 1829, p. 198 be-
hauptete (erste) an den Capitälen noch erkennbare Veränderung im 11. oder
12. Jahrh. wäre nach Mothes „ohne Beleg", doch nimmt auch R. Cattaneo,
L^architettura in Italia dal secolo VI ad mille circa, Venezia 1888, p. 44 — 46, wegen
des Styls der Capitäle einen vollständigen Neubau im 12. Jahrh. an. — Nach einer
weit verbreiteten, aber meist nicht näher begründeten Ansicht soll nun jenes Relief
ans dem ersten Bau in den jetzt noch vorhandenen übernommen sein und also
der Zeit Theodelindes angehören. Man vergleiche: Schnaase, Geschichte der
bildenden Künste, 2. Aufl., Bd. 3, Düsseldorf 1869, S. 577. -- Gsell-Fels, Ober-
Italien, 2. Aufl., Leipzig und Hildburghausen 1874, S. 719. — Stacke, Deutsche
Geschichte I, 1880, 8. 136. — Mothes, a. a. 0. S. 235. — Strzygowski, Icono-
graphie der Taufe Christi, München 1885, S. 35—36 und Taf. 8, 1. — v. Hey den.
Die Tracht der Kulturvölker Europas, Leipzig 1889, S. 60—61. — Lebhaft wider-
sprach indess dieser Aufl'assung Cattaneo, dessen Arbeit ich erst während des
Niederschreibens dieser Zeilen durch gütige Vermittelung des Hm. Prof. Dobbert
von der technischen Hochschule in Charlottenburg kennen lernte. Nach Cattaneo
wäre von dem ersten Bau nichts erhalten, als vielleicht ein anderes Relief mit
dem Monogramm Christi.
Unser Relief nun mit den Sporen bildet ein rundbogiges Feld (eine Ltinette)
und zerfällt in 3 Zonen, deren unterste, aus einem schmalen Fries gebildete indess
hier nicht in Betracht kommt. Die zweite zeigt in der Mitte die Taufe Christi,
rechts und links Apostel und Maria; die oberste aber Theodelinde mit ihrer Familie,
dem Patron der Kirche, Johannes dem Täufer, eine Weihekrone überreichend.
Die Figur links am Ende in dieser oberen Zone ist ein knieender Fürst (wie meist
angenommen wird, der zweite Gemahl der Königin, Agilulf) mit Sporen an den
Füssen. Stacke giebt diese obere Zone nach einer Zeichnung von Knackfuss
wieder und die Sporen mit Rädern. Eine Photographie des ganzen Reliefs,
welche Hr. v. Hey den der grösseren Sicherheit wegen in Monza anfertigen Hess,
scheint, wenngleich der sehr kleine Maassstab diese Einzelheit nur undeutlich er-
kennen lässt, doch die Richtigkeit jener Zeichnung zu bestätigen, — für mich
Beweis genug, dass das Relief auch nicht angenähert jener alten Zeit zugeschrieben
werden kann. Cattaneo spricht sich über dasselbe etwa folgend ermaassen aus:
,Die Figuren zeigen alle Charaktere der Zeit, in welcher die Kirche wieder her-
i
!'
)ii
illt ward, d.h. des l'2. Jahrh. oder des folgenden. Dieses Urlheil itüU
HQf den Vergleich mit den elenden Skalpturen, die wir in Ravennit, den
ilpunkt des Exnrchals (d. h. des dem griechischen Kaiser nnterstellten Gebiete
alien) ausgcruhrt sehen und die den Jahren angehören, in welchen Theodc
: ihre Kirche errichtete, und wird bestätigt darch den Umstand, duss auf der
i( die Königin und ihr Gemahl dargestellt sind mit der Krone auf den
)te, während, 90 viel man weiss, diese bei den longo bardischen Königen nich
ebraach war".
Hr. Prof. Springer in Leipzig, welchem die Photographic des Reliefs durcl
T. Heyden Ubersandt worden, bringt dasselbe ebenfalls mit dem Neubau ir
ahrh. in Verbindong, da einerseits die viel grössere Rohheil der spärliche
Itenen Reste Inngo bardisch er Arbeiten die Zeit Theodeiindes ansschliesst
rerseits die Composition der Taufe Christi noch vollständig auf die altchristlich
ntinischc Weise zurückgehe und in dieser Art nach dem 12. Jahrh. nicht meh
efUhrt sein würde. Die Behandlung des Nackten und der Gewandfalten Sprech
tine Kunstperiode, in welcher Elfenbein arbeiten als Muster für grössere Stein
iten dienten. Das Relief mache den Eindruck der Uebertragung einer kleine
ibeintafel in ein gröberes Material und in grössere Formen.
Hr. Prof Schmarsow in Breslau, welcher theils nach der Erinnerung, theil
der nur die obere Zone des Reliefs gebenden Abbildung bei Stacke an<
atb mit allem Vorbehalte urtheill, knUpft an die von Visconti in der erste:
le des 14. Jahrh. vorfcenommene Erweitemng der Kirche an, da Kostüm um
it ihm sicher ins 14. Jahrh. zu gehören scheinen, andererseits aber das Relie
: wohl zu der von Matteo da Camplione erbaul«n Faijade ans der 2. HSItl
!s Jahrhunderts stimmt, auch sehr viel befangener und alterthtlmlicher aussieh
das Kanzelrelief mit der Krönung Karls IV. in demselben Dome und wahi
inlich ebenfallH von Matteo da Camplione, vielleicht aus dem letzten Dritt«
Jahrhunderts. —
Bei Beartheilimg des Reliefs möchte übrigens wohl auf etwaige Reparatnre
dabei erfolgte Modcrnisirung einzelner Theile desselben zu achten sein, wh
rlich nur durch eine Untersuchung des Originals geschehen könnte. Her
Heyden denkt auch an die Möglichkeit der Ausführung des Reliefs zu vei
■denen Zelten. In der That, betrachtet man die Photographie, so scheint siel
rgeben, dass die mittlere Zone aus 3 Platten, die obere aus 4 zusammengeseti
(0 dass einzelne derselben iilter, andere jünger sein könnten, und Hr. Springe
irt für diesen Fall den Theil mit der Taufe, auf welchen er seine Zeitbestim
f im Wesentlichen grtlndetc, als den ältesten. Die Ansicht des Herr
marsow liesse sich hiermit wohl vereinigen, da sie sich nur auf die oben
nach jttngerc Zone stützt. Indessen widerspricht der Annahme nnglcichei
■B der einzelnen Theile des Reliefs eine Thatsache gimz entschieden. Bin
»e nohmlich, über dem Haupte Christi, welche uns der Höhe herubOiegend eii
SS im Schnabel hält und aus demselben eine Flüssigkeit ergiesst, gehört un
felhaft zu der in der mittleren Zone dargestellten Tanfe und doch Ist sie ii
oberen Zone links von Theodelinde angebracht. Von einer nachträgliehe.
ufUgung der Taube kann aber nicht die Rede sein, da der freie Raum nebe'
Königin sonst zu gross sein würde. Wegen anderer ähnlicher Darslellunge
> Strzygowski, S. M und Taf. 8, 3 (Taufe Christi nach einer Elfenbeintoft
eriin) und Taf 8, 4 (Taufe Chlodwigs nach einer ebensolchen Tafel der Bamm
Rigollot zu Ainiens), Strzygowski, welcher in Fig. t nur die Tauf
res Reliefs wiedergiebt und die obere Zone sonst unberücksichtigt läast, uichni
doch gtmz richtijr die T
kfitcn die Datirnng de
),^nct; was die Durste
Hrn. Springer in gorad
der in ihr Anklänge an .
dnrch die eigen thUmlic
Welle bis aber die Scba
Dos Relief ist aber wer
Gleiche dUrlte gelten fU
ein Reiter einen Sporn
bogen Nr. 108, Leipzig
ist nicht genau zu erker
und daran fgesetzter Spit
Das Uonzaer Portal
geeignet, die Zeit des ei
vielmehr selbst durch
aus dem 12. Jahrh. sein,
zur Zeil Thcodelindos i
hjibf ich in meiner erst
Radsporn aber cracheini
so weiss John Hewitt
London 1855, p. 298)
Der Radsporn findet i
Botiler's Grabstein zu St
Allgemein aber wird
14. Jahrh. und ersterer
denklich machen, ein 1
dasselbe alle die andere
von Le Botiler ist von i
Das kleine unschei
die eigentlich ganz ausa
Führer erwiesen und f
p fohlen. —
Hr. V. Hcyden seh
kanm vor das Jahr 90(
fehlt, zu setzen. Erwä
Papst Leo IX. dem Ei
Romana mitra caput t
astreis ofßoiis Romano i
vielleicht eine Mitra get
falls aber der Genosse
Real-Encyclop. der kircl
ist also schon an sich e
(22) Hr. Olshansc
die im KUstengebi«
Im Verfolg meiner
in diesen Terhandl. 189(
(224)
die Bedeutung der nordischen Funde ülterer Münzen zu prilfcn. Die Zahl der ai
geblichen Funde von MUnzen »us tler Zeit vor Kaiser Augnstas im KUstcngebii
der Ostsee ist nicht ganz gering, aber diese Fände sind fast aämmtlich in älterer Ze
gemacht vorden, z. Th. im vorigen Jahrhundert Obachon dieser Umstand zur Voi
sieht hätte mahnen sollen, wurden sie dennoch oft zur Beweisfühning bezüglich all«
Handelsverbindungen zwischen Süden und Norden benutzt, theils ganz im AUgi
meinen (so von Müllenhoff, Deutsche Alterthumsk. I, 1870, 8. IV), theils m
besonderem Bezug auf den Bemsteinhandel nach Oatpreuaaen (von Heibig i
seiner Abhandlang: Sopra il commercio dell' ambra, Roma 1877, Memor. Accai
dei Lincei, p. 3; dann von Genthe und noch ganz neuerdings von Stoppan
L'ambra, Milano 1886, p. 173, und von Lissaner, Prähist Denkmäler der Proi
Westpreussen, Leipzig 1887, S. 56 — ö8}. Allein einer genaueren Prüfung halte
diese Funde beinahe ansnahmslos nicht Stand; ihren Werth auf das richtige Haai
zurückzuführen, ist der Zweck nachstehender Hittheilung. —
Wiberg gab in seinem Werk: „Der Einflnss der klassischen Völker anf de
Norden durch den Handelsverkehr, Hamburg 1867, ans dem Schwedischen nac
der ersten AuH. von 1867", S. 94 — 95 eine Zusammenstellung „ altgriechischer Fund
an der südöstlichen KUslu der Ostsee'*; ebenso in der 2. scbwed. Aufl. „De klassisk
Folkens Pörbindelsc med Norden . , .«, Stockholm 1868, S, 27 und 28. — Juliu
Priedländcr stellte dann 1872 unter Benutzung beider Ausgaben von Wiber
„Funde römischer (richtiger antiker) Münzen im nordöstlichen (richtiger nördlicher
Deutschland" zusammen (Zeitschr. f. Ethnol. 4, S. 162—68), aber nur „die noc
nicht bekannten und einige, welche Berichtigungen enthalten"- — Grewingk bt
handelte livländische und schwedische Münzfunde im Archiv f. Anthrop. 7 (1874
S. 95—96 und 10 (1878) S. 315. — Genthe besprach die betrertenden preussischo
und livländischen Vorkommen in den „Verhandlungen deutscher Philologen un
Schulmänner zu Kariaruhe 1882" (Leipzig 1883) 8. 23, und seine Angaben «urde
wieder abgedruckt dnrch Lissauer (a. a. O. S. 57 — 58), der übrigens schon frühe
selbständig über westpreussische Münzen berichtet hatte, so im Corresp.-Blatt t
D. anthrop. Ges., Versammlung zu Dresden 1874, 8. 41. Allen diesen Znsammer
Stellungen lagen, soweit sie Ostpreussen und Livland betreffen. Fr. Krusc's Necrc
livonica zu Grunde, deren zweite, mit Nachtrag versehene Auflage, 1859 in Leipzi,
erschien. Nur vereinzelt wurde auf allere Originalarbeiten zurückgegriffen, uehni
lieh auf Thcophilus Sigefrid Bayer, De nuramo Rhodio in agro Sambiensi repert«
Regioraontii 1723 (auch in Opnscula ad hisloriam anliquam spectantia, Halae 177(
p. 492 IT. und Taf ü oben rechts) und Johann Sevcrin Vater, Die Sprache de
alten Preussen, Braunschweig 1821, S. XXXVI- XXXVII Note'. Man vergleich
ferner Baltische Studien XII, 1, S. 5— 6 und Schafarib, Slavische Alterthümer 1
Leipzig 1843, S. 519. —
Wiberg's Buch, welches so vielfach benutzt worden ist, leidet in hoher
Grade an Un Zuverlässigkeit, indem nicht nur die Citate recht fehlerhaft sind, son
dem eine grosse Anzahl von Funden doppelt, ja einer sogar 3 mal uotcr rerschif
denen Namen aufgeführt wurde. Friedländer wies schon auf mehrere derartig
Fälle hin, denen ich weitere hinzufügen kann. Stellt man alles dies richtig, »
schrumpft die Zahl der überhaupt zur Discuasion stehenden Funde erheblich zu
Aus Bayer, Vater, Kruse ergeben sich nun für Livhmd und Oslprenaaen di
folgenden Funde:
I) Livland. a) Arenshurg auf Insel Uesel, eine Bronzeraünze von Panor
mos (Palermo), älterer Fund; Secroliv. Generalberichl S. li und Reila^ D S. i
Taf.56, 2; Wi
nicht anrühren,
Pundamatände v
Genthe, Lisst
Krase selbst f
einigen Schriftzt
19,51 Btei); Ne(
Genthe and Li
figar bezeichni
Alcxandricn gep
in Betracht kom
2) Ostpre
griechiche Silbei
ge(. Mittheiinng
Kaufmann Will
ülyricnm 2; Nee
geführt. — b) C
münze von Atht
sleingraben, an;
an einem behofi
bleib unbekannt,
Genthe, Lisa:
Neapolia in Cai
Kruse, Wiberi
darauf anftnerki
wird sie dort so
und Samogitien,
Samogitiea ansst
ist irrthümlich d
Gr. Hubnicken),
früher in der Sa
Dr. Tischler l
]} Ein Fund i
Wihcrg S.95, Q
selben enthaltene
noch dnrrh ander
ständen) an Bewi
diesen Fond dop|
und Ewar in Folg
lagA in Göttingei
Aufutz über Ar:
d. Wisa. München
nicht, dasB die Mi
sehen Meeibus
2] Mit der Mi
D S. 1, auch Wil
1H21 gcfnudea sei
die von Bubnickt
(das Original befi
sische Münzen.
(226)
linet zu Konigaberg; auch in Berlin scheint ea nicht zu sein. — d) Dcatsch
a bei HeiUgenbeÜ, eine römische Consularmünze, also ans republikanische
iTolir.. Nachtrag 8. 24; Fundnmstände nicht erwähnt; bei Wiberg, Genthc
iT nicht anfgeführt.
Tischler weist mich Terner hin anf: e) Angerbnrg, silberner Denar de
k, abgebildet bei Th. S. Bayer, De nummis Bomanis in agro Pmssic
LipBiae 172-2, Taf. 1, 3, p. 21; Tgl. G. A. Helwing, Lithographia Angci
I, Regiomonti 1717, p. 94; wie ea scheint, aoagepflUgt. Anch kaufte da
erger Provinzialmuseum 1889 von einem herumziehenden Schaubuden
eine Ptolemäermünze, deren Provenlenz aber natürlich ganz ungewisi
rigen gehören die ältesten sicher in Ostprenssen gefundenen MOnze
in den russischen Ostseeprorinzen seit Kruse's PnblicatioQ Nenes hinzu
en, konnte ich nicht ermitteln; die mir zugängliche Literatnr scheint nicht
:u enthalten (z. ß. „die Münzen des vaterländ. Mus. zu Dorpat", Verband
rten estn. Gea. zu Dorpat VI, 3 und 4, 1871, 8. 172—198) und die durc:
servator d. gelehrt, estn. Ges., Herrn r. Hofmann gUtigst in Aussicht ge
ittheilnng des speciellen Conaerratora der Münzsammlung war nicht zu et
nn wir nun das rorgefuhrle Material, 2 MUnzen aus LiTland, 5 ans Oal
I, betrachten, so ergiebt sich, dass schon dJe Anzahl der E^dstflcke z
t, um ii^ndwie lebhaftere Handelsbeziehnngen zwischen dem SOden un
m in der Zeit vor Augostns darznthun. Auch werden die ältesten diese
kaum über daa Jahr 300 vor Chr. hinaufgehen und die jOngeren känne
:fat erst zur Zeit des Kaiserthums nach dem Norden gekommen sein. Da
iste aber ist, dass die Funde selbst wenig vertrauenerweckend sind; in de
Fahrzehnten, seit die Kritik mehr geschärft, ist nichts mehr zum Vorscbei
en, trotzdem nie mit solchem Eifer gesammelt wurde, wie jetzt, nnd i
'geführten Fällen sind die Fundomalände fest stets unsicher oder nnlx
r wenden uns jetzt den anderen Ostseeländern zu.
Westpreussen. Genthe (ebenso Liasaner, Denkmäler S. 57 und 10(
dresdener Versammlung S. 41) fuhrt an: St Albrecht, 8. von Danzig, am
n vom Lehrer Pawlowski: a) am Fusse des Kapellenbergea, ftlr sie
a Waldboden, eine silberne barbarische Nachbildung eines makedonische
«rs des 4.Jahrh.Tor Chr., nach Prof.MUller in Kopenhagen „gallisch
^em „Alexander", nach Dr. Menadter vom hiesigen K. Mttnzcabinet all
r „keltisch" nnd vom Typus des „Philippus II." (360—336). Ans weicht
Nachbildung stammt, dürfte fraglich bleiben; Abbildung derselben Dresdenc
41 Fig. 1. — b) an anderer Stelle des Kapellenberges eine griechisch
£c von Phlius in Achaja etwa vom Jahre 200 und 3 kupferne Ftolemäc
:ypten aus dem Ende des 3. Jahrh. vor Chr. — Auch eine athenisch
nzc, „wohl noch vor Christo", soU Pawlowski anf dem Kapellenbcrg
aben haben; Wolsborn in Altprcussische MonaUschrift 23 (1886) S. ^8
Nr. 22, und Lissauer, Denkmäler S. 159. — Hr. Dr. Mcnadier ncnr
ner eine Bronzemttnzc von Hiero von Syracus, 3. Jahrh. vor Chr., häi
o Fundumstände (auf dem Gymnoaialhof von Braunaberg!) für ganz oe
ilich finde ich erwähnt: 4 griechische Kupfermünzen von Briesco
lochan, mit vielen römischen, meist der Kaiserzeit angehörigen Utlnzen zu
(227)
sammen ausgepflügt. Der Fundort wird Balt. Studien IV, 1, 143 und Wiberg
S. 96 Bresen genannt und Balt Stud. VII, 1, 225 Note nach Pommern verlegt; die
Pundnotizen und die Münzen selbst kamen aber aus Bütow ins Stettiner Museum
und gemeint ist offenbar Briesen, dicht an der pommerschen Grenze zwischen
Rummelsburg und Bütow, aber auf westpreussischem Gebiet. Li s sau er führt
den Fund nicht auf. Die griechischen Münzen sind, wie Hr. Dir. Lemcke
mir schreibt, jetzt in Stettin nicht mehr vorhanden; für uns wären sie auch ohne
Bedeutung, da sie jedenfalls spät ins Land kamen; auch können sie der römischen
Raiserzeit angehören. — Es handelt sich für Westpreussen demnach nur um die
Funde von St. Albrecht; die Aechtheit der betreffenden Stücke steht fest, die Fund-
angaben begegnen aber fast allgemein entschiedenem Misstrauen, obgleich Wols-
born für die Richtigkeit auch dieser eintritt.
4) Pommern. Kühne besprach Balt. Studien 27 (1877) 203 ff. die pommer-
schen Funde. Nach S. 203 Note, S. 210—11 und S. 222—24 wäre nur zu erwähnen:
Rügen mit einer Silbermünze der Republik (Mekl. Jahrb. 38, Quartalber. 4, S. 8;
Museum zu Stralsund). Denn eine bei Stettin (nach Kühne S. 203 auf Chaussee-
steinen) gefundene griechische Kupfermünze scheint unsicher (vgl. Balt. Stud. V, 1,
S. 153) und eine griechische Bronzemünze von Berytus (Beirut), gef. auf Rügen,
jetzt im K. Münzcabinet Berlin, kommt nicht in Betracht, weil sie mit arabischen
Bronzemünzen zusammengelegen haben soll und also spät nach dem Norden ge-
kommen sein wird; ist diese Fundangabe aber unrichtig, so verliert das Ganze
überhaupt anWerth (Friedländer S. 166). — Seit Kühne's Mittheilung hat sich
nach gefälliger Auskunft der Herren Prof. Lemcke und Dr. Bai er in Stettin und
Stralsund nichts geändert. Auch die Pogge'sche Sammlung, jetzt in Stralsund,
die Kühne seiner Zeit nicht prüfen konnte, enthält keine im Lande geftmdenen
Münzen aus der Zeit vor Christo.
5) Meklenburg lieferte nach brieflicher Auskunft des Bxn. Dr. Beltz keine
der in Frage stehenden Münzen.
6) Schleswig-Holstein. Nach Handelmann's Veröffentlichungen ist nur
eine keltische Silbermünze, einzeln gefunden bei Pinneberg in Holstein, zu er-
wähnen; denn eine aus Husum von Philipp HL Arrhidaeus von Makedonien (f 317),
einen Ptolemäer von Plön und eine altgriechische Kupfermünze von Klethkamp,
Kr. Plön, hält Handelmann alle 3 nicht für ganz sicher (Zeitschrift d. Ges. f.
Schlesw-Holst-Lauenb. Geschichte II (1872) 64, III 435 Note, XVI (1886) 388;
diese Verhandl. 1880, 128; Kieler Münzcatalog, Heft 4, Kiel 1887, S. 1—4). Neues
ist laut gef. briefl. Mittheilung nicht hinzugekommen.
7) Dänemark. Nach Montelius' „Frän jemäldem*' oder „Remains from
the Iron Age of Scandinavia^, Stockholm 1869, Theil I p. 1 kannte man damals
keine derartigen Münzen aus Dänemark. Bei dem Ausbleiben einer Antwort auf
meine Anfrage in Kopenhagen darf ich wohl voraussetzen, dass auch seitdem sich
in dieser Beziehung nichts geändert hat.
8) Schweden. Montelius veröffentlichte in seinem Werke „Frin jemäl-
dem" Theil I p. 1 folgende, angeblich in Schweden gefundene Münzen: a) von
Gotland: 1 griechische Kupfermünze von Panormos (jetzt Palermo) auf Sicilien;
2 Silbermünzen Philipp's IL von Makedonien (360 — 336); 9 römische Familien-
münzen aus der Zeit der Republik. — b) aus Nerike oder Ostergötland, etwa
vor 100 Jahren gefunden, 3 römische Familienmünzen der Republik. — Das sind
zusammen 15 Münzen aus der Zeit vor Augustus. In einem Nachtrag zu Mon-
telius' Arbeit, Stockholmer MInadsblad 1872, S. 84 kam nichts derart hinzu und
in anderen späteren Veröffentlichungen erwähnt der Verf. die 12 Familienmünzen
lö*
drückt er sich bezüglich der makedonischen und griechische
Itur Schwedens", Berlin 1885, rorsichtig aoB, was den Fnnii
Grewingk, Archiv f. Anthropologie 7 8.96, angiebt, dai
!T griechische MUnzen aus Schonen berichte, so ist da
agt dieser a. a. O. ausdrücklich : „no othcr greek coin from th
is round in Scandinavia"; dennoch ist Grewingk's Angab
sauer wiederholt. —
höchst auffallend, dass von jenen 15 Münzen nicht wenigei
3 aus einer anderen Privataammlung stammen; sie solle
inde vertheilen, aber die Zusammengehörigkeit der einzelne
so unbekannt, wie die näheren Fnndumstände es sind. E
;e werden, dass die Pundortsangabcn nicht richtig sind, ot
in der Bronzezeit ziembch bevölkert war (Congres Stock
513). Eine diesbezügliche Anfrage brachte mir die folgend
telius: , Irgend neue Funde von Münzen aus der Zeit vc
aus 8chwed(n nicht. Die in den „Remains" aulgezählte
bestimmte Angaben vorlagen. Ich kann sie, was die Fund
it für sicher halten, bevor nicht neue Funde hinzukommen
:h mich entsinne, auch niemals als BcweiastOckc angewendet'
die sämmtUchen schwedischen Funde ans.
id annahm, dass die Slatere Philipp's II. von Makedoniei
fachbildungen schon etwa 300 vor Chr. in Scandinavien ge
da eine Figur auf einem Bronzegcfässe „dem Kutscher de
sn nachgebildet sei", so wird man nach Obigem solche
1 zustimmen können (diese Verhandl. 1874, 93; Congres di
)■-
Derer Untersuchung ist, dass die Münzen für den Nacbwei:
leren Verkehrs zwischen Nord und Süd vor Christi Gebnr
sind. Wo ein solcher bestand, mnss er demnach auf ander
g übersandte, durch die Tagesordnung der heutigen Sitzung
»lung über 18 Stück vorvarianische Münzen, 6 silberne um
, Lippe-Detmold, und wies auf die Funde von Barcnai
on Osnabrück, hin, die Th. Mommsen in seiner Schrift
arusschlacht, Berlin 1885, benutzt«. Für den von mir be
kommen diese Münzen aber nicht in Betracht, weil sie wede
irUcksiohtigte Gebiet fallen, noch auch für alte Handels
twas beweisen.
lingcr spricht über die
BeTfilkemng der HansBa-LäDder.
nenstaaten im Innern Afrika's nimmt der des Haussarolkes
isdchnung, als auch durch die Intelligenz der Bewohner, mi
teile ein. Unter dem Namen „Haussaliinder" versteht mai
er den Sultanen von Sokoto und Gandu stehenden Gebiete
] Sinne das Reich Adamaua kommt. Da nun die regieren
auch die meisten Prorinzkönige aus der Fulbedynastii
ic Nachkommen des letzteren Volkes noch vielfach einet
(229)
herrschenden Einfluss ausüben, so ist wohl die richtigste Bezeichnung für das Land :
das Reich der Haussa-Fulbe.
Um nun in groben Zügen die geographischen Grenzen zu zeichnen, kann man
angeben, dass das Land sich nordwärts bis zur Sahara, etwa beim 14° nördl. Breite,
und südlich an das sogenannte Hinterland von Kamerun, bis zum 6° oder 7° nördl.
Breite, erstreckt; westlich ragt es mit dem äussersten Zipfel der Provinz Saberma
bis zum Grade von Greenwich und zieht sich von da hinunter bis zum 3° östl.
Länge, während die äusserste östliche Grenze ungefähr beim 8° Längengrad an
die Bornuprovinz Sinder herangeht. Das ganze Gebiet mag ungefähr 18 —
20 000 Quadratmeilen umfassen; jedoch ist dabei zu berücksichtigen, dass ver-
schiedene Provinzen in einem sehr lockeren Zusammenhange stehen und sich auch
im Innern noch eine Anzahl unabhängiger kleiner Stämme befinden.
Als Nachbarn sind zu nennen: Im Osten und Südosten: das Reich Bomu und
das zu Bagirmi gehörige Musgu; im Süden: eine Anzahl noch unerforschter Neger-
gemeinden; im Südwesten: die von Grandu unabhängigen Theile von Yoruba. Im
Westen befindet sich noch wenig durchforschtes Terrain, während im Norden das
Chaos der Bevölkerung der alten Sonrhayländer und des Reiches Male, also Neger,
Tuaregg und Fulbe, sowie die stammverwandten wilden Gobirri wohnen.
Zwei grosse Ströme begrenzen und durchfliessen das Reich, der gewaltige
Niger und sein mächtigster Nebenfluss, der Benue.
Der geographischen Beschaffenheit nach ist das eigentliche Haussaland ein,
von einem massigen Gebirge durchzogenes, niedriges Hochplateau von 5 — 600 m
Erhebung, das sich nach dem Niger und noch mehr nach dem Benue zu ab-
dacht. Wenden wir uns nun zu der Bevölkerung und zunächst zu den eigentlichen
Haussa, um sie auf ihre Abstammung hin zu untersuchen, so kommen wir leider
zu dem Resultate, dass sich gegenwärtig kaum noch der genaue Ursprung fest-
setzen lassen wird, theils weil schon eine zu starke und lange Vermischung mit
allen möglichen Neger- und Nicht-Negervölkem stattgefunden hat, theils, weil man,
um es offen zu gestehen, zur Zeit noch nicht die nöthigen Hülfswissenschaften zur
j^nauen Trennung der Unterrassen besitzt. Mit der Linguistik konmit man gerade
hier kaum zu einem sicheren Ziele, denn es sind viele Beispiele bekannt, wo zwei
anthropologisch sehr verschiedene Völker die gegenseitigen Sprachen angenommen
haben. Wichtiger sind schon historisch-ethnographische Forschungen und in sehr
grossem Maassstabe angestellte genaue anthropologische Aufnahmen und Messungen,
doch bis es dahin in Afrika kommt, um ein annäherndes Vergleichsmaterial zu
gewinnen, mag so mancher Rest eines eigenartigen Volksstammes untergegan-
gen sein.
Von den Haussa steht indessen das eine wohl fest, dass sie vom Norden
oder Nordosten aUmählich nach dem Süden bis in ihre jetzigen Wohnsitze vor-
gedrungen sind. Zu welcher Zeit dies geschehen ist, kann wohl kaum noch nach-
gewiesen werden. Wahrscheinlich ist bei ihrem Verstoss das Volk der Nupe
einige Grade südwestlicher gedrängt worden, denn der Reisende Gl ap perton
konnte noch Anfang dieses Jahrhunderts Ueberlieferungen erfahren, wonach das
Volk von Nupe früher seinen Sitz in Katschena, einer nördlichen Provinz des
jetzigen Haussareiches, hatte. Ebenso fand er noch bei einigen Völkern eine Sage
von ihrer Abstammung von Bomu verbreitet. Bei den grossen Völkerverschiebungen
im Sudan darf man nicht unberücksichtigt lassen, dass vor Jahrhunderten und Jahr-
tausenden Bewegungen von Norden nach Süden und auch einige Male umgekehrt
stattgeftmden haben. Araber- und Berberstämme sind über die Sahara hinaus in
die Negerländer eingedrungen und haben sich thoilweise dort sesshaft gemacht,
(230)
üt sehr wahrscheinlich seiner Zeit ein starkes Bindringen asiatischer' Völker
n in Afrika stattgefunden.
ligen Aufschluss Aber die Haussa verdanken wir unserem hochrerdientei
lann Barth. In der Oase Asbin, die jetzt ron Tnareggstämmcn, bez«
tümmen zwischen ihnen und der alten BeTölkerang, bewohnt wird, könnt
1 Haassa-Sp räche und -Einüuss bis Agades festsetzen. Nun war aber de
^te Stamm unter den seiner Zeit nach Norden vordringenden Völkern, de
, von dem die Haussa ihre Sprache haben, die Gobini oder Goberaoa, am
iese hat Barth seiner Zeit noch Ueberliefemngen voi^efiindeD, wonach di
<'amilien der Goberana von Kopten oder Berbern abstammen sollten. Icl
:e dazu, dass es jetzt auch noch ein Köuigthum Gobir giebt, welches ante
steht. Der Herrscher besitzt aber wenig mehr, als den Titel und eine einzig
Die jetzigen Gobirri sind mit die erbittertsten Feinde des Hauasareiches um
-cn durch ihre Einfalle oft die Gebiete ihrer früheren Stammesgenosscr
mute allerdings festsetzen, dass gerade in den Provinzen, welche an da
der Gobirri grenzen, das sind Samfara und Katschena, die Haussasprach
u reinsten gesprochen wird.
IS nun durch Verdrängung oder Unterjochung der Ureinwohner gefestigt
reich mag schon damals eine gewisse Industrie und Coltur besessen hnber
es wohl im Westen von den Sonrhayländem und im Osten durch Born
asst worden ist. Grosse Städte bestanden bereits. So finden wir auf 200 Jah
Larten Namen von Städten, die noch heute bestehen, wie z. B. Kano, Kat
, Segseg-Saria, Gobir u. s. w. Da kam zu Anfang dieses Jahrhunderts ci
wung in die Verhältnisse.
hon seit längerer Zeit waren die Fhilbe nach den Haussaländem gekommei
vielleicht gleich hier am Platze, etwas über dies räthsolhallc Volk, welche
n Haussa Fullam oder Fillani, sonst aber noch Fullan, Fellani, Pulde, Fallt
, Pul, Pulla, Fnta Dschallon, P. Banda, F. Torro genannt wird, zu sagei
die Herkunft tappen wir noch im Dunkeln. -Nach den Haussaländem möge
jUeicht schon vor einigen 100 Jahren eingewandert sein, und zwar käme
nals aus dem Hinterlande von Sierra Leone und Senegambien. Noch heul
kann man sogar an der KUsle in Freetown Fnibe sehen, die dorthin de
Is wegen gelangen, aber wollte man nach diesen Leuten das ganze Vol
äilen, so würde man sehr irren, denn man hat es hier mit meistens gan
chten Individuen zu thun. Auch in den Haussaländem haben sich nur wenig
Inen rein gehalten. Die Herrsch erfamilien sind mit Gobirriblnt vermisch
iner der Hauptstämme der eingewanderten Pulbe, die Torobe, waren sei:
mit Dscholoff-Negeni durchsetzt. Am reinsten haben sich die Fulbe noc
I Hanssalandern als Rinderhirtcn gehalten, nur selten kommen von diese
, die Fillani genannt werden, die Hanner in die Stadt, und die Weibe
nur stundenweise, um Milch und Butter zn verkaufen. Diese Fulbe habe
lelle Hautfarbe, bcllröthlich-bräunlicb, von Gestalt sind sie schlanker un
^htiger, als die grossen, oft zur Wohlbeleibtbeit neigenden Haussa, das Qcaüi
licht so steil hervor, Prognathismus ist bei einigen Exemplaren kam
Qcrken, die Nase ist schmalwandig, von häufig aqoiliner Form, die Lippe
lic Augen mandelförmig mit einem bald schwärmerischen, bald tauemdei
Bliebe; die tVanon flechten ihr Haar in lange Zopfe und sind in de
I oft von grosser Schönheit
ezüglich der Hautfarbe bemerke ich noch, dass es auch .Völkerschafleo m
prochenem Ni'gerlypus giebt, welche sehr hell sind, allerdings ist der Färbet
(231)
ton dann hänftg mehr ein lehmfarbener. Die schwäraesteD Leote in Afrika, wel
ich gesehen habe, waren nicht reine Neger, sondern Mischlinge berberischen Bin
Zu Anfang dieses Jahrhunderts befanden sich die Fnibe als Hirten Über
ganze Land zerstreut, ein Theil ron ihnen hatte sich aber auch schon als IIa
werker und Schriftgelehrte niedergelassen. Sie worden von der herrschenden
völkerung ' gedrückt und verspottet, waren aber zugleich strenge Muhammeda
während die grpsBe Hasse der Baassa damals noch dem FetJachdienst znnei
Einem bei Sokoto lebenden Scheich, Othman dan Fodie oder Schehn Bonif
mit Namen, gelang es, seine Landslente durch begeisterte Reden und Gesänge
einem Aufstand gegen die ungläubigen Unterdrücker zu begeistern. Der Ver
des nun begonnenen Krieges ist wohl beispielloa in der Geschichte Afrikas.
Im Stnrm eroberten die Fnlbe das Land. Eine Art von Lähmung hatte :
ihrer Gegner bemächtigt, denn selbst das damals schon mächtige Kano öfTj
seine Thore ohne G^nwehr. Dabei ist noch zu bemerken, dass die Haussa il
Gegnern in Bezug anf Zahl und Bewaffnung überlegen waren nnd in befestif
Städten wohnten. Nur in Sana unterwarf sich der König nicht den Eindringlinj
sondern wandte sich mit seinen Getreuen nach SUden, wo er unter den Abuds
Negern ein neaes ßeich grQndete. Sein Nachkomme ist noch heute ein Feind
jetzigen Dynastie und nennt sich auch noch König von Sana.
Othman dan Fodie nahm nun für sich und sein Geschlecht Besitz von
bestehenden Thronen und gründete eine neue Dynastie. Allmählich erlahmte i
der Kriegsdrang der Fulbe, die noch das Reich Nupe, sowie Theile von Yoi
eroberten, und in den Städten verloren sie bald die Eigenart ihres Wesens.
Tcnnischten sich mit den Haussa uud bUsaten dabei in den meisten Fällen
eigenen Sitten und Sprache ein, In Sana, was zur Zeit des Besuches
Clapperton noch überwiegend eine Fulbcstadt gewesen zn aein scheint, koi
man zur Zeit meines Beauchca kaum noch Spuren davon entdecken. Mit i
nähme einiger kleiner Städte im Norden, ist überall jetzt das Hanssa-Eiement
weitem vorwiegend.
Ungefähr in der gleichen Zeitepoche des Fulbekrieges wurde auch von B(
aus das Reich Fnmbina oder Adamana begründet, wobei die Fulbe bis in
Küstengebiet von Kamerun vordrangen. Nach den wenigen Städten, die ich
besuchte, zn ortheüen, scheint sich das Fulbe-Element ebenfalls sehr mit dem
eingebornen Bevölkerung vermischt zu haben, doch hat sich dort die Fulbe-Spn
als herrschend erhalten.
Noch stetig wird aber jetzt das Völkergewirr vergrössert durch die Anfsang
kleinerer Stämme und den Import von Sklaven aus dem Hinterlande von Adam
Man kann jetzt die Bevälkenmg der Uaussaländer in folgende Hanpigrui
eintheilen:
1) Die eigentlichen HauBsa, welche durch Sprache, Zahl u. s. w. domini
3) die Fulbe, welche sich nur noch an wenigen Stellen rein gehalten haben, i
im Besitze der Throne von Sokoto, Gandn und Adamana sind; 3) die Fnlhe-Mi
Stämme; 4) die zahlreichen noch im Lande zerstreut lebenden Heidenatäm
5) die Nupe nnd Yomba, sowie 6) die Bewohner der westlichen Provinzen
Gandureiches, die von verschiedcntlichen Völkern des alten Sonrhaylandes bewi
werden.
Ich gehe nnn schnell eine Aufzählung der wichtigsten Provinzen oder Ur
königreiche, nnd zwar nur der jetzt bestehenden, ohne ana Zeitmangel auf
alte interessante Eintheilung einzugehen. Zu Sokoto gehört jetzt: Erstens die 1
vinz Sokoto selbst, femer Samfara, Katschena, Keuio, Bautschi, Sario, Goi
(232)
e letztere Provinz, welche direct unter dem Thronfolger ron^Tassani
anch ünterkönigreiche jenseits des Bcnne in Dsctubbn und IbL — Aa<
I Rorrorofa tat schon beinahe ganz von Haussa abhängig. Zd Saria, am
r Sekselv genannt, gehören KeHI und Anassarawa. In einem gewissen A
itsverhältniss soll auch das Volk der Asbenana (Imorschah) stehen, do<
en diese sieb wohl aar zeitweise freiwillig, wenn sie des Salzhande
e Städte besuchen,
r dem Emir von Gandu befindet sich ein Theit von Kebbi. Hanri, Sabenn
Gnrma scheinen jetzt sehr wenig abhängig zu sein. Hingegen zahlt d(
Königreich Nupe, sowie ein Theil von Yomba mit der bedeutenden Stai
loray) an Gandu Tribut.
laraaua stehen unter dem mächtigen Sultan von Jola Oasska, Baguio, Tibai
■e.
Sultan von Sokoto ist als sseriki-n-musolmin, d. i. Beherrscher d
1, der Oberherr aller Haussa. Jährlich einmal finden sich die direct unb
:epter lebenden Könige ein, um Tribut zu zahlen, den er auch manehm
er Zeit erhebt. Er kann Könige ab- und einsetzen. Das Hofleben i
entwickelt. Jeder grosse Konig hat seine Minister, Generale, CeremonJei
ftichter, Priester, Schreiber.
König ist die höchste Instanz tili die Kechtsprechung, die sonst vo
oder OrtSTorBtand ausgeübt wird. Der Religion nach bekennen sich d
um Islam, welche Glaubeuslehre in Westafrika, sogar oft da, wo sie, w
lUste, mit dem Christenthum coucurrirt, beständig mehr Anhänger g
lie gebildeteren Haussa sind zwar fromm, aber nicht fanatische Mohomm
ler jedoch die Pnlbe, welche auch von strengeren Sitten sind. Die g
;n Leute besitzen nur einige Aeusserlichkeiten der Religion und sir
m sie eine Sure des Koran herplappem können,
len und Priester giebt es in allen Städten,
rerei, eine uralte Sitte bei den meisten rohen nnd Halbcnlturrölkem, bestel
den Haussa, doch tritt sie hier in einer sehr milden Form auf. Der Sklai
ins nicht rechtlos, die Behandlung eine sehr gute. Er kann zu hohen Ehrci
>wie zu einer gewissen Selbständigkeit kommen, seine Rinder bleiben jedot
u Herrn hörig. Verwerflich sind eigentlich nur die aus Beuteinst imte
n Jagden. Man mnss das Haussaland in seinem nördlichen Theile a
ölkert bezeichnen. Bei Tagesmärschen von 6—10 Stunden passirtcn w
rs 3—10 Städte und Dörfer. Die Hauptorte, wie Keffi, Sana, Bautscb
klschena, Sokoto, Wumu, wären selbst nach unseren Begriffen schon Mitte
1 nennen. Kano, die reichste und volles chrittenste Stadt, mag wohl t
Einwohner haben. Annähernd so gross ist Jacoba-n-Bautschi. Zu
vor feindlichen Uebcrfällen sind die Städte mit einem Graben und mel
liger hohen Mauern umgeben und gewähren von aussen einen beinal
fliehen Eindruck, nur dass die höheren Thürroe fehlen. Die Thoreingäni
rmartig befestigt. Die Thilren werden thcilweise durch die bekannte
isscr geschlossen, zu denen ein Oherwächter den ScblUssel hat
Form der Lehmhäuser ist die runde, mit spitzem, kegligem Dache. I
1 gehört eine Anzahl von Häascm zu einem Gehöft, das mit einer Mani
m Zaun umgeben ist. Der Eingang geht durch ein offenes Durchgangsbau
üs Versammlungsort oder Oastherbe^ benutzt wird.
en Städten gicbt es jedoch auch schon grössere, rechtwinklige Hänser m
(233)
zwei Stockwerken, während man in Rönigspalästen and einigen Moscheen schon
Hallen mit kuppelförmigen Decken findet
Die redegewandten, intriguenhaften und verschmitzten Haassa sind geborne
Ranfleute und besitzen ein ganz herrorragendes Handelstalcnt. Handeln und
Schachern ist neben Schwatzen und Schlafen ihre Lieblingsunterhaltung. Grössere
Rarawanenzüge von kleineren Leuten oder reichen Händlern, die für weite
Reisen einen Führer oder Madugu wählen, werden von den Haussa nach
Adamaua zur Erlangung von Elfenbein und Sklaven und nach Fanti, dem
Hinterlande von Accra und Togo, zum Einkauf der Goro oder Rolanüsse unter-
nommen. Die Rolanüsse sind das beliebteste Genussmittel, welches vom Rönigc
bis zum Träger hinab gekaut wird. Nirgends jedoch liabe ich die Rolanuss als
Anregungsmittel bei Strapazen angewandt gesehen. Der Preis einer Goro schwankt
in den Haussaländem zwischen 50 — 400 Rauri. (Mit 2—400 Rauh kann sich
schon ein Mann pro Tag ernähren.) Die Raurischnecken bilden den Werthmesser,
auf den Alles zurückgeführt wird. Ein Sack enthält 20 000 Stück. Grössere Gegen-
stände werden indessen auch mit Gewändern und Sklaven bezahlt.
An den Hauptstrassen der Stadt sitzen, ebenso wie an den Rnotenpunkten der
Landstrassen, Händlerinnen, welche Lebensmittel und Getränke verkaufen. Das
Haupttreiben entwickelt sich indessen auf dem Markte. Dieser ist gleichsam der
Sammelpunkt für das gesammte Erwerbsleben der Stadt. Hier gehen aber auch
Leute hin, um Neuigkeiten auszutauschen und zu plaudern. Ebenso werden wich-
tige Bekanntmachungen des Rönigs hier ausgerufen. Die Stände für die verschie-
denen Arten von Waaren sind getrennt. Rurzwaaren und Tuche werden von
fliegenden Händlern auf dem Ropfe zur Schau herumgetragen. Auch die Handels-
vermittler, als Commissionäre und Makler, fehlen nicht; ihnen steht eine be-
stimmte Provision zu.
Sehr entwickelt ist aber auch in den Haussaländem die Industrie. Diese setzt
die Einwohner in Stand, nicht allein alle ihre Bedürfnissartikel, sondern auch
Luxusgegenstände selbst herzustellen. Im Anfang war ich der Meinung, dass die
Araber einen grossen Einfluss auf die Entwicklung des Handwerkes und den
Geschmack der Haussa ausgeübt hätten. Ich kam aber später zu der Ansicht,
dass dies nicht im wesentlichen Maasse der Fall gewesen ist, dass vielmehr wohl
die Fulbe und die Berber, soweit es sich nicht um eine eigene autochthone afri-
kanische Runst handelt, belehrend gewirkt haben. Hervorzuheben ist vor allem
die Textilindustrie. Vorzügliche Baumwolle wird im Lande gebaut. Pleissige
Weiber zupfen sie mit einem Bogen und spinnen sie mit Wirtein, deren be-
schwerende Thonkugeln oft bunt bemalt sind, zu Fäden, die sie dann später bis
zur ziemlichen Feinheit drehen. Auf einem einfachen Webstuhl stellt der Weber
dann 5—6 cm schmale Streifen her, welche darauf zu einem breiten Stück zu-
sammengenäht werden.
Die Färbung geschieht entweder im Faden oder, wie bei den tief blauschwarzen
Gewändern, im Stück. Man muss den Geschmack der Leute bewundem, denn
keine schreiende Farbenzusaroraen Stellung beleidigt das Auge. Das Hauptfärbe-
mittel ist Indigo, der hier in sehr guter Qualität gewonnen wird.
Die Färberei, die ebenso wie die Weberei ein Männerhandwei;k ist, steht in
der Ranogegend in der höchsten Blüthe; dort werden namentlich die tief blau-
schwarzen Gewänder, denen man durch Rlopfen einen appreturartigen Glanz ver-
leiht, als EIxportartikel hergestellt. Zum Rothfärben nimmt man verschiedene
Pflanzen, eine Sorghumari, sowie Baphia nitida. Endlich sah ich noch ocker-
artige, sowie violette Färbungen, letztere aber selten. Sehr beliebt ist eine Art
li
r
\
*.'
(234)
ir weisser Gewänder mit rothem Unterbesatz, ich bemerke aber gleich, daea dan
feinsten Qualitäten in Nupc und in der Yombastadt Ilorin (Elorny) angererti
len. Ferner giebt es gitterartig weiss und blau gestreifle, ganz bunte u. h.
Ein Schneider besorgt das Zusammennähen des langen Haussage wand es, de
:nannten sudanesischen Hemde, das sogar von Arabern getragen wird. Zu
en der Gewiinder benutzt man einen stärkeren Zwirn, von der Seide ein
rniden. Uehrigens kommt auch schon europäische Seide auf dem W^c d
ichenhandels. ins Land. .Besonders geschickte Leute versehen den Bnistli
weisser, blauer, namentlich aber grüner Stickerei von eigenartigem Mast«
ISO die engen Enden der weiten Hosen. Natürlich machen billige enropäiscl
indwaarcn schon erhebliche Concurrcnz, doch können sie an Haltbarkeit nie
den einheimischen Stoffen concnrriren. Der Preis eines Gewandes schwan
8000—100000 Kauri. Beraerkenswerlh ist, dass Haussa- und Nnpegewänd
u starken Exportartikel nach den Tuare^lündem bilden, sie gehen aber am
nach Bornu, Mnrzuk, dem Hinlerlande von Accra und Togo, sowie nach Lage
sie von frommen Gläubigen mit 2 — 10 Pfd. Sterl. pro- Stück bezahlt werde
rend man dort schon europäische Anzüge fUr 1 Pfd. Sterl. erhält. Sogar nai
lilien sollen Hanssa-Stoffe ansgeftthrt werden.
Nächst der Weberei ist die Lederindustrie entwickelt. Auch hier sind die g
□ackvollen Huster, welche theils durch Zusammensetzung von bunten Stücke
la durch Radiren von Flächen oder Einpressen von Linien erzeugt werde
t bemerkenswerth. Hergestellt werden: Sandalen, Pantoffeln, Schuhe, Stiefi
er Sattel- und Zaumzeug, Taschen, Gebetbuchdeckel u. a. w.
Sandalen, sowie Oel- und Buttergefässe, Spiegelbüchsen und andere kleii
älter werden ans Fell und Haut, die übrigen Sachen ans gegerbtem Leder g
ht. Ziegcnleder und Schafleder wendet man für feinere Sachen an. Getär
I das Leder roth, schwarz, gelb, grün. Grünes Leder wird indessen auch v<
lins eingeführt. Gelbe und rothc Haassa-Panloffel findet man weit Tcrbreiti
Als ein hauptsächlich es Handwerk nenne ich noch die Schmiedekunst, die
i afrikanische Völker, vielleicht schon seit Jahrtausenden, kennen. Die Gfi
heigeslellten Sachen hängt natürlich sehr von der Geschicklichkeit der ei
en Person ab. Mit einem einzigen Hammer und Ambos kann ein geschickt
nied schon viel leisten, indessen besitzen die Hanssa-Scbmiede bereits Hammt
ms, Zange, Blechscheere, Feile, Blasebalg und Holzkohlen. Natürlich könni
Werkzeuge sich nicht mit earopäischen messen, aber sie genügen doch w
rührung zierlicher und brauchbarer Sachen. So brachte ich z. B. ein ärztlich'
scr von ziemlicher Feinheit der Schneide mit- Die Schmiedekunst stellt a]
enstände dar, die zum Haushalt, Ackerbau, Zaumzeug, Bewaffnung n. s. w. g
icht werden. Die Klingen der grossen Hau ssa-Sch werter bestehen jedoch meiste]
eingeführtem Material. Zu den Arbeiten der feineren Schmiede gehOren aui
1 die eines Gclbgiessers und Gürtlers. Von einem besonders gescliickt4
mied erhielt ich sogar silberne Broschen von eigenartiger Form. Die Stellm
Schmiede ist hier nicht untergeordnet, wie bei manchen afrikanischen Völker
Die übrigen Handwerke streife ich nur flüchtig.
Die Korbflechterei liefert schöne Matten mit interessanten Mustern, Schüssel
kel zu Calabassen u. s. w. Auch hier zeigt sich guter Geschmack. Ich b
ke indessen, doas auch sehr schöne Matten bei den tiefer stehenden Egbin
em am Benue hergestellt werden. Tischlerei cxistirt, hauptsächlich wohl
^ des Mangels an brauchbarem Holze, nicht Aus Holz geschnitzt werden d
(235)
kleinen Schemel für die Weiber, grosse Essgefässe, Mörser u. s. w. Doch leisten
in der Schnitzerei tiefer stehende Negervölker ebenso Gutes. Viele Gefässe für
den Hanshalt liefert die Schale des Kürbis (sogenannte Galabassen), die entweder
durch Schnitzereien oder Bemal ungen verziert werden. Kleinere Gefässe stammen
von den Früchten einer Strychnacee. Die Töpferei versorgt den Haushalt mit
Wasser- und Kochgcfassen, Lampen, Krügen, Pfeifenköpfen u. s. w. Bemerken
will ich bei den Pfeifenköpfen, dass die gebildeten Haussa wohl in Folge des
puritanischen Einflusses der Fulbe nicht rauchen; nur einige Leute aus dem Volke,
namentlich aber die noch unabhängigen Heiden rauchen mit Vorliebe. Hingegen
kauen die Haussa gern Tabak mit etwas Natron vermischt, wenn ihnen Goronüsse
fehlen. Nicht unerwähnt lasse ich die Einlegearbeiten bei der Herstellung
von Armringen, wobei Messing in hartes Holz tauschirt wird. Die Assbins
legen Messing in Eisen ein. Die Nupe besitzen sogar eine Art Glasindustrie,
indem sie buntgefärbte Armringe aus dem Glase von europäischen Flaschen
schmelzen.
Ich nenne nun noch einige Gewerbe. In grossen Städten giebt es eigene
Fleischer. Fahrende Gaukler und Musikanten findet man im ganzen Lande zer-
streut. Einige Herrscher halten sich Kapellen von Singe- und Spielweibem, welche
keine legitime Ehe eingehen dürfen.
Die Heifkunst steht noch auf einer verhältnissmässig niedrigen Stufe. Sic
wird erstens ausgeübt von Priestern und klugen Leuten durch Besprechen, Be-
speien, Aufschreiben von Koransprüchen. Amulette, die unverwundbar machen
sollen, sind ebenfalls dort zu haben. Femer giebt es eine Anzahl ron Hausmitteln,
unter denen manches Brauchbare sein mag. Ein recht harmloses Mittel ist Butter.
Thees gegen Husten, Pillen gegen verdorbenen Magen bringen die Tuaregghändler.
Herumziehende Barbiere setzen auf Verlangen Schröpfköpfe. Bei einem solchen
Doctor fand ich ein interessantes Besteck, welches ich erworben habe. Es ent-
hielt Rasirmesser, Hom und Messer zum Schröpfen, Zahnzange und ein etwas
complicirtes Instrument, welches zum Herausholen einer weissen Masse aus dem
Kehlkopf dienen sollte; namentlich Kinder leiden nach der Beschreibung an dieser
Krankheit, die vielleicht der Bräune ähnlich ist. Pincetten zum Herausziehen von
Domen aus den Füssen sind ebenfalls bekannt. Es giebt auch Medicinen für die
Pferde, und Schmiede besorgen das Ausbrennen von eiternden Drackstellen.
Bei dem Thema Krankheiten erwähne ich noch, dass auch diese Gegenden nicht
frei von Malaria sind und selbst die Haussa an Fieber leiden und einen eigenen
Namen dafür haben. Hier kann wohl das Mitschleppen der Krankheitskeime aus
einer inficirten Gegend nicht ins Gewicht fallen, denn Keisende, die von Nordafrika
kamen, sowie die in Folge ihrer häufigeren Vermischung mit Negerblut widerstands-
fähigeren Araber sind hier ebenfalls erkrankt und gestorben. Eine Erhebung von
1500— 2000 Fuss über dem Meeresspiegel hat meiner Ansicht nach nichts für eine
Besserang zu besagen. Auch in den von mir besuchten Orten der Westküste tritt
die Malaria mit ihren Folgeerkrankungen in einer besonders heftigen Form auf,
und wenn auch durch hygieinische Verbesserungen die Zahl der Todesfälle unter
den Europäern sehr verringert werden kann, so wird das Klima doch stets Opfer
fordern und nur einen bedingungsweisen Aufenthalt gestatten. Aussätzige, Blinde,
Krüppel sieht man häufig bettelnd an den Strassen sitzend. Albinos habe ich in
einem Falle beobachtet, partielle Färbung der Haut häufiger. Elephantiasis konnte
ich im Innern nicht constatiren, wohl aber häufig am Benue und einen Fall
an der Küste. Am Benue und Niger kommen noch Erkrankungen am Guinea-
(236)
Jen häufig an Dysenterie. Während meiner Re
ünner zu Gesicht.
h wegen der Kürze der Zeit nicht eingehen. I
ghnni, Penicillaria und Erdntisso, daneben Rt
i, Manihot, Colocosieii und anderes mehr. \Vei2
solche getrieben wird, liegt in den Händen <
1, der Esel, das Buckelrind, das Schaar, die Zi^
re sehr selten). Ferner das Huhn, die Ente, t
m in wenigen Exemplaren das Dromedar nnd i
i der Regenzeit schlecht.
ic Kleidung. Alle männlichen Uaussa b^gen (
ogcnes Schamtnch. Die halbwegs vennägend
das hemdnrtige Gewand. Das geschorene Elai
ipe, Turban oder Strohhat bedeckt. Könige u
ichleier. Von Arabern eingeführt ist der Run
ie Träger auf dem Marsche lassen das eine oti
ort. Ganz arme Sklaven haben auch wohl m
:h. In Samfaro traf ich bei der Landbevölkero
t die Männer nicht baiTuss laufen, gebrauchen 1
Reiten Schuhe mit Sporen oder höbe Stiefel. I
Wattepan zerre iter. Mädchen, sowie arme Frau
über die Knie gehendes Unischlagetucb. Vcrh<
n längeres, welches von den Achselhöhlen bis
aen tragen darüber noch ein Tuch. In Kauo s
hemdartige Gewänder,
lussaländern eine geachtete Stellung und zieralic
Ringen um den Oberarm und behängen sieb n
m sich die Augenrändcr mit Bleiglanz, sowie c:
iVauen die Fingernägel mit Henna, die Haare d
[ilz und die Zähne mit einer Art Kolanuss. E
t>, die Arme und Beine PerlenschnUre, Spange
es ganz bestimmte Moden. Ohrringe, Fingerring
eben fall a.
iiden, welche sich in das Gebirge anf Felsen oder
1 haben, gehen die Frauen ganz nackt oder trag
gsstück, welches aus zwei Lappen von der Gros
Diese Lnppen werden vermittelst einer Schnur :
ben nur eine Lederschnur um den Leib gebundt
Blätter oder Gras gesteckt werden. Die Kort
und Unterlippe und fügen ein rundes Holz-, GIü
welche die Haussaländer berühren, nenne ich I) d
dels wegen in einer Anzahl von (M)— lüü Peraou<
iM in anderen Hanplsädten auf oder durchziehe
höfcn schmarotzend, das Land. Von den fromm<
1 Scherif beehrt In weit grösserer Anzahl komm<
id Berbervölker, um Uus Salz aus den Sebchaa d
Teda, sowie Strai
Getreide und Skli
wo weder Araber
Vieh, Yoruba- ui
liagoa durchziehe
Bald Werder
denn an den Uf
Pactorcien. Auch
dort ohne den B
die wirihschaRlic
die Ans fahr aus
hättnisamässig ai
Deutsche auch I
thcitigen. —
Hr. Bartma
Länder anzutrefTi
rühmten entspret
jenen westlichen
tion sei. —
Hr. Staadin
wird vielfach eini
(24) Hr. Ehi
(25) Hr. EU!
(■26) Hr. G..
aammlung in B
Hommaen in Bi
(27) Hr. tVit
Mittheilungen (V.
vopge
„Meinem Ve
Höhlenproducte z
begreiflich und
damals höher gc
und dass da wc
Zeitperiode fiel.
Thaynger, an Ort
1) öftere U(
2) Einsch'
Schönei
Sämmtliche P
G^eod weithin
rheil nach dfr Karte Siegfried (i
ert, &bo 1 : 5OO0O). A B&disi
ave ßüsingeii, S. W. Scbaffhsn
1, 1 Hexenlhnl, 2, 2 Holdem
9sweg, 4 RohleDgrabeii, 5 Weg n,
ffhauseo und Ulin, 6 Oenoersbrn
tO m nnd mehr hohe Flnhwand ä
Fwanner grossen Felsenhöhle,
iciehnet von der Bahngtation.
üren). Dass bei solchen Cult
z andere, als eine Wohnbedi
ganz abgesehen von der me
I, wie des Aensseren. Letzte
tindc- and Staatszweckc
sich Weiler bestätigen, zei;
[i'ciscn in grösserem Haasssts
wie ira Kichtclgebirge und
lle: einen im Solothnmcr Jd
ch in anderen Ländern heute ni
n Alpen, uls Käse- und AlpeDböt
len, go^pnaber dem EinfloM i
rtahel eingerichtet mitThfirfii i
Kattenbild nach Dufonr (verkleinert, daher
1 : 200000), — KantoDBgrenze zwischen
Bern and Neuenbnrg. B. S. Bieter See. 8.
Spitiberg. 1 Partier, 2 Siesse, 3 Lamboing,
4TTaniiberg,6HDhlen, fiPreles, TWeiden,
8 Ligoiere, 9 Monlin blanc, 10 NeuTeville,
U Ligen, 12 Twann, 18 Gaicht, I Schalen-
stein, jetzt im englischen Gaften zu Neuen-
bürg, II Schalen stein, Jetzt im Antiquarium
lu Bern (Darstellung des Tessenhergs und
des Landes bis und mit Biel), III Scbalen-
stein, IT Stein in der Hohle, «ahiechein-
lich Schalenstein, V Grosser Wackelstein
mit einer ansgedehnteu Fl&che. s Grosse
Höhle in der Tranner Bachschlucht.
Nr. 76 der Thajnger Höhlenfunde, natflrl.
Grösse. Knochen plfittcheo.
A\
Sartenbil
I Klettga
IV Höhg
Waldhut
öschingei
7 StflUii
10 Epfen
13 ßlnm«
honen, If
hofen, IS
Stoffeb, !
twiel, 25
krähen, E
31 Tha;
34 Rande
meuthal,
■ 39 Ober-
42 Hasl»
48 Eglisa
ten, 52 A
54 Bassdi
57
T. Für heute sende ich Ihnen zar E^ilnznng
thaler Höhle (das Ten felsloch) liei Schaffhauae
wie ich eolche skizzirte trotz Wald und Gestrüpp (
Kehr wohl, trotzdem ich nur einige Hauptmerkmi
ist die Figur A der Höhlengeographie and Ä der a
Sie sind viel ähnlicher, als das A ans der K
Bxactbeit der nrgeschichtlichen Feldmesser, i
Niian9en wiedergaben, ist mir schon oft aufgefall
sende, sind meinerseits nie ganz mathemathlse
(240)
Ic Zeit mangelte, da ich aie Dar gelcgcnilich, bei Esporlisen u. s.
I Aagnst dieses Jahres nahm ieh aach einmal, aber ganz flüchtig o
I, da ich nur eine fernere Bestätigung suchh;, den oberen Thei) d
ihic ob Twann and Ligcrz (der Bicler Insel gegenüber) aaf (Pig. '
da: auch hier tritt nach dem Kartenbild (Fig. 5, Dafour 1 : lOOCM.
zu verkennende Aehnüchkeit auf, die bei einer photographiach
genauen Zeichnung ganz schlagend wird.
ihle liegt mehr als thormhoch nördlich ob dem Städtchen Twann
ialen Felscngruppc. Der Ort hatte oder hat auch einen Kephaloid be
aber sehr verwittert; davor im See war ein Prahlbau. Die Höhle
und iicigt Steinbearbeitung roher Art. Man spricht von einer Kan:
In der Mitte befindet sich ein grösserer Stein von Katktuff (Fig. !>, l\
lila ein Zeichen- oder Schalenstein ist (wenn er erst abgeklopft b»
', Edm. V. Fellenberg hat ihn schon einmal beschrieben im Zllrct
) Diese Gegend ist sehr reich an vorgeschichtlichen Dingen, neb
Buten, Interessant ist der mächtige Hohl- oder Wackelstein in Gai(
der aber nicht mehr wackelt, weil er seine Ralkunterlage abgcdrU<
ler Höhle aus und vom genannten Stein besonders hat man eine groi
icht über See, Hügel und Alpenschweiz.
sin von Lamboing, den Hr. v. Fcllenberg anf meine Veranlassung na
en liess, ist der, welcher die Stadt Biel im Grundriss enthält, gs
teren Karten. Ist dies möglich? werden Sie fragen, — es ist so.
Übersichtskarte über den sogenannten Dcssenberg (Diesse), in vi
her, römischer and mittelalterlicher Zeit eine berUhmtc Verkehrsac
;nbarg-Genr).
an zu den beiden Knochenblättchen, welche in der Thayng
unden wurden und von denen eines im Schaffhauser, eines im Gonstiui:
gt (in Merk'a Buch betr. Grabung Nr. TG und 77). Nach Analogie meii
I fand ich beifolgende Kartenbilder dazu. Die Blättchen sind kein es wc
wie man annahm, sondern bilden offenbar eine Abgrenzung im Umri
(Fig. ü): das Strasscngebiet durch die wahrscheinlich von gleich
cwohntcn Thäler und Höhen, welche heute noch existiren. So crkl
Ige das Dörfchen Heramenthal (erste Linie von links, Nr. 36 in Fig.
teste Ortschaft im Kanton Schaffhausen und der Kirchhaldor Bu
ak, die Spitze, Höhe) ist eine weitschauende Erd- und Felsenburg t
les Rimdcns (Nr. 3.) in Fig. 7). Es war die urültcstc Strasse von Oal
in und Nordwesten von Thayngen her, an den 3 Höhlen und den „d
" (Pantli) vorüber. Man kann manchmal ganz gut mit dem Zirkel na(
>chr sprechend sind die beiden Schalen. Eine bezeichnet Dörflingen (ö
: noch ein wichtiger Verkehrspunkt (Nr bii in Fig. 7); dann aber ist si
und Ubereinätimmend der westliche King (I in Fig. 7), der die heute no
de liegenden Haupturtc des Klettgaues bezeichnet, das wabruheinli
lebict der Thayngcr gehörte. Das Kletigna ist die Schraalzgrabe c
huffhausen, wie überhaupt der Schweiz, von unerschöpflicher Fmchtb:
überhaupt die Gegend kennt (ich habe dort 2 Jahre gelebt), der erkei
ledeutung des Blütlclien.s Es sind die Hauptstnissen, von denen heute nc
I gehen, wie II nach dem Norden (Ilcmmenihul ist vergangen und dm
Neukirch ersetzt), IV nach Stuttgart imd Ulm, V von Uieaenhofen na
über Feuerthalen, ebenso Rbeinan ebendahin. Uebcr Ralz nach Zun
südlich, westlich nach Kais
keltisch). Durchs Klettgau
bozcichnet, oder galt hierfl
Nr. 77 (Pig. 8) scheint
sichtskartG über den entfe
damaligen Höh- imd Klett^
Rciatcr zu sein. Das K
ziemlich die Geschichte dei
Gebend'). Aach hier läs:
dem Zirkel vergleichen
nuiigen, und selbst der B<
Zorall, sondern ist nach ei:
und mittelst Zirkels o
Punkt ■}■ (Fig. 9) zwischen
rum) und Bülach aus, a]
blosser Zufall oder Berechr
Vergleiche c
Nach einer alten Karte von F
1 Speier, 2 Sinsheim, 3 Oo
gart, 8 Karlsrnhe, 9 Pfor»»
U Böblingen, löRottweil, !
'JO V\m, 31 Ellwangen, 22 fl
26 Thajngen, 27 Eadolfzel
31 Bregenz, 32 Wtddsee, 33
hauaen, 38 Thoni), 39 Epii
44 Säckingen, 45 Waldshnt,
Züricher See), 60 Bula
1) Ednard im Tharn ss«
Herrschaft am Oberrhein solle
gewohnt haben (vgl. Ring, Ni
VtrIiiadU üei BetL AuUKopnl. G
0
schichte darf man jedoch tIdI annehm
ese beiden Blättchen sind sehr originc
doch in unseren Tagen ganz Aehnlich
^enersbrllnste in der Nacht; ja sogar <J
isebeg) eitern nnd AfBchen sehen ga
ser Richtung mÜBBCD sich nun anch d
und die Werke von Caraac (Prankreic
sich daranf verlegen könnte. —
Hrn. Rödiger haben gewiss riel Vi
Reihe von Mittheilungen über ähnlic
welche die aufgeworfene Frage unser
baicbtigt, das Ganze in einem grösser
die Gelegenheit zu einer veigleichend
wird sich dann herausstellen, dass H(
t und dasa die Gleichzeitigkeit der Hi
en werden kann, aber man wird nicht ui
hin können, zozngestehen, dass hier e
ernsthaftes Problem vorliegt, welch
neue Gesichtspunkte in grösserer Za
eröffnet —
(28) Hr. Voss legt ein nach sein'
Angaben angefertigtes Instrument v<
welches bei Ansgrabnugen fDr die sn
tilen Arbeiten, vollständige Preilegui
und Herausnehmen der Fundgege
stände selbst, zn welcher Schaufel ui
Spaten zu ungeschickt sind, Verwc
diuig Anden soll. Dasselbe ist aus stt
kern Eisenblech gebogen, 20 cm la
und an der breitesten Stelle b cmbn
Es besteht, wie die Abbildung zeij
aus einem hakenfönnig umgebogene
and einem löffclförmig gestalteten En
theile, welche beide durch einen röhre
rörmig zusaramcngebogcnen Mittelthi
mit einander verbunden sind, und v<
einigt, wie leicht ersichtlich, eine klcL
Hacke nnd einen spitzen löffeirdrmig
Spaten in sich zn einem Ganzea I
hat den grossen Vorzug, dass es b
quem zu tragen ist, mit geringem G
wicht den Voraug grosser Festigki
und Dauerhaftigkeit verbindet und d
Dd«liciern geschieden, welche im Blbg.
-h hauaten. (Augsburg wu bekanntlich li
(243)
Ausrüstung zur Ausgrabung yereinfacht. Bei dem in der Abbildung gezeichneten
Exemplar ist der Spalt des mittleren Theiles noch etwas zu breit, welches den
Uebelstand hat, dass empfindliche Hände durch die etwas steil gestellten Ränder
leicht etwas gedrückt werden. Ich habe diesen Mangel bei den neuerdings ange-
fertigten Exemplaren dadurch beseitigen lassen, dass der Mitteltheil zu einer fast
ganz geschlossenen Röhre zusammengebogen ist und in dieser Gestalt einen be-
quemen Handgriff bildet. Das Instrument ist leicht von jedem tüchtigen Schlosser
herzustellen und hat somit auch den Vorzug der Billigkeit. Ich bin übrigens sehr
gern bereit, falls jemand ein solches Instrument zu besitzen wünscht, bei dem
Schlosser Winter hierselbst, welcher diese Grabeeisen für mich hergestellt hat,
solche zu bestellen. Der Preis stellt sich auf 1 Mark für das Stück.
(29) Hr, Bartels stellt eine
bärtige Dame,
die Esau-Lady Miss Annie Jones, vor. Er macht darauf aufmerksam, dass die
bei dem weiblichen Geschlechte auftretende Bartbildung nicht in allen Fällen
gleichwerthig ist, sondern dass man vier verschiedene Arten der Weiberbärte zu
unterscheiden vermag. Die erste Art ist das sogenannte Bärtchen, wie man es bei
jungen Damen, namentlich mit dunkler Haarfarbe, nicht selten sieht. Es handelt
sich hier um eine etwas dichtere Entwickelung und eine stärkere Pigmentirung
der Wollhaare, so dass namentlich auf der Oberlippe, aber bisweilen auch dicht
vor dem Ohre in der obersten Backenbartregion ein leichter Flaum hervorsprosst.
Die zweite Bartform findet sich bei älteren Frauen, mit wenigen Ausnahmen ecst
nach den Wechseljahren. Hier entwickeln sich an der mittleren Kinnpartie und
an den seitlichen Abschnitten der Oberlippe dünngesäete, aber an sich dicke,
borstenähnliche Haare. Bei einem Manne würde man eine derartige Haarbildung
kaum mit dem Namen Bart bezeichnen. Dieser Zustand steht auf gleicher Linie
mit dem bei alten Hühnern öfter beobachteten Auftreten der Hahnenfedrigkeit,
d. h. der Entwickelung von Sichelfedem und eines Kammes, sowie einer tieferen,
dem Hahne ähnlichen Stinmie. Auch bei den betreffenden alten Frauen nimmt die
Stimme sehr häufig eine mehr männliche Klangfarbe an. Eine dritte Art des Bartes
0
zeigen weibliche Wesen, welche an Hypertrichosis universalis leiden. Es sind
dieses die gewöhnlich als Hundemenschen, Affenmenschen oder Haarmenschen be-
zeichneten, aber nur in seltenen Fällen beobachteten Monstra.
Die Esau-Lady zeigt uns ein Beispiel der vierten Art des Weiberbartes. Hier
handelt es sich um eine ächte Heterogenie der Behaarung, d. h. um das Auftreten
der männlichen Geschlechtscharaktere in Bezug auf die Art und die Anordnung
des Haarwuchses bei jungen weiblichen Individuen. Für diese Form ist Miss
Annie Jones, wie die vom Redner ausgestellten Abbildungen von 8 anderen bär-
tigen Frauen und Mädchen zeigen, ein ganz besonders vortreffliches Beispiek Ihr
Bart ist lang imd dunkel pigmentirt, schwarzbraun, die Haare sind dicht stehend,
wie bei einem guten Männerbarte; der Schnurrbart ist stark entwickelt und lässt
keine Stelle der Oberlippe frei; seine Spitzen reichen ungefähr bis zu dem unteren
Rande des Unterkiefers herab.
Der lange, dichte Backenbart bedeckt die ganze hintere Seitenpartie der
Wangen (die Masseteren-Gegend) und lässt die eigentliche Wange frei, wie das
auch bei Männern das Ueberwiegende ist. Er geht ununterbrochen in den Kinn-
bart über. Dieser ist ebenfalls dicht; er besteht aus langen, schwarzen, leicht
gewellten Haaren, welche bis ungefähr zu der dritten Rippe herabreichen. Das
16 •
(244)
KiDD ist Tollständig bewachBen tmd der HaarvnichB erstreckt sich aach fiber dii
ganze Unterlippe bis zu der Grenze ihres Lippenroths. Hebt man den Kinnbai
etwas in die Höhe, so überzeugt man eich, dass die oberste Halsgegend dich
unterhalb des Kieferwinkels, die Regio Babmaxitlaris, keinen Haarwuchs trägt. Da
stärt aber nicht den männlichen Typna der Behaarung, denn diese Stelle erweis
sich ancb bei sehr vielen Männern als haarlos.
Die Augenbrauen sind dicht und lang, anf der Nasenwurzel leicht confloircnd
Das dichte, weiche Kopfhaar, von d an kelbrannsch warzer Karbe, reicht der Hisi
Jones bis zu den Fersen herab.
Die Heterogenie der Behaarung kann man auch an den Armen und an dei
Händen erkennen. Die Vorderarme zeigen eine relativ dichte Bedeckung toi
kurzen schwarzen Haaren in ganz männlicher Weise und auch besonders die Streck
Seiten der Grundglieder der Finger sind, wie das bei Männern das Oewöhnlich«
ist, ziemlich dicht und lang behaart. So erweist sich Miss Annie Jones als eit
ganz besonders vortreffliches Beispiel einer bärtigen Dame.
(246)
n ist, 80 würde es TorzngsweiBe wichtig sein, zi
[e und mit ihr das Rttckenmark in ihrem nntcrei
Jt sind. Ich hatte mich schon das vorige Ma
^n in seiner ganzen Erstrecknng zu betasten: di<
,cn Versncbe ein solcheg Geschrei, dass der Vato
. Nichtsdestoweniger mnsste man annehmen, das
otz der innigen Vereinignng der Lenden- und Krenz
1hl und Bewegung in allen Theilen nnterhalb dc:
{etrennt sind. Auch diesmal bin ich nicht wesent
iDg, die Entblüssung der nnterea Rückengegend zi
ndcr Weise meine Hand über dieselbe hinabgicitci
Tortsätze zn verrolgen, begann der alte Widerstani
2her "Weise siegreich.
r diesmalige Besuch ergab, war die Bekanntschal
eren Bruder. Die Mutter, eine durch ihre Pruchl
luste und gut genährte Person, hat wenig Achnlich
laben, die Tielraehr dem Typus des Vaters, eine
es mit schwarzem Kopfhaar, folgen. Uisabildnngei
lie, auch den jüngeren Kindern, werden bestimm
iwesende Bruder ist ein dicker, etwas untersetzte
eben. Der „Doppelknabe" ist also, mich wie voi
ler Familie geblieben.
riften.
NuGvo Mnndo pabl. con notaa dc Marcos Jiro<'ne
) 1. SeTilla 1890. Gesch d. Heransgcbers.
:hen Dolmen auf dem Mont Davon. (ßep.-Abdi
88.
olmens. Geneve 1888.
ienuvG 1888.
Ferf.
3, Tel., El poeblo Eoakalduna. Estudio de antrapo
1889. Gesch. d. Verf.
: vorgeschichtlichen Forschungen des historischei
</89. lieft I and II. Bayreuth IKdII.
si decisinni ale Aeademiei Romüne 1890. Uucn
i Romäni. Studiü istorico-ctnograncü compnrativn
d. Aeademiei Romi'me.
de! arte Mexicano antigno. Rcrün ISiKl. 3 Itünde
[cxic. Regierung.
Jer Frau San.-Rath Schlemm (Tcrgl.Vorh.18M
?. Deutsch in den Vcrsmnosscn der Urschrifl voi
izig ISÜl/ül 3 Bünde.
en Versmaassen der L'rschrilt von 4. J. C. Donner
ile in 1 Band.
Sitzung vom 21. Februar 1891.
Vorsitzender Hr. Virchow.
(1) Der Ausschuss hat sich constituirt und Hrn. W. Schwartz zum Obmann
erwählt.
(2) Die Gedächtnissfeier für H. Schliemann wird, unter freundlicher
Mitwirkung der städtischen Behörden, am I.März im Berlinischen Kathhause statt-
finden.
(3) Hr. M. Qu e den fei dt zeigt unter dem 18. an, dass er am 19. eine etwa
5 monatliche Reise in die asiatische Türkei antrete.
(4) Der Vorsitzende verliest folgenden, aus Santiago, 31. October 1890 datirten
Brief des Hm. R. A. Philippi über
Coca und KartofTeln.
„Erlauben Sie mir eine kleine Berichtigung einer Angabe in dem Vortrage,
welchen Hr. K. Hartmann über das peruanische Kartoffelpräparat Chuiiu in der
Sitzung des Vereins vom 19. April d. J. gehalten hat. Es heisst S. 301 der Ver-
handlungen: „Goca-Blätter waren, mit Thon zugleich gekaut, seit uralten Zeiten
ein Analepticum der peruanischen Indianer." Die Coca-Blätter werden nicht mit
Thon, sondern mit Asche gekaut, welche mit wenig Wasser zu einem Teig ge-
macht i(hd in Form verschieden gestalteter Brödchen gebracht wird. Dieselben
heissen Uucta oder Llucta, und es sind zwei solcher Uuctas auf Tafel 27 des
zweiten Theiles des Werkes „Cultur und Industrie südamerikanischer Völker u. s. w.
von Stübel, Keiss und Koppel. Text und Beschreibung von Max ühle" ab-
gebildet. Die Uuctas, welche mein Sohn von seiner Reise nach der Provinz Tara-
paca von Pica mitgebracht hat, sind von ovaler Gestalt und beiderseits flach; sie
messen 1 1 cm in der Länge, 7 — 7,5 cm in der Breite und fast 1 cw in der Dicke.
Ihre Farbe ist die graue Farbe der Asche. Zerreibt man ein Stückchen und übcr-
giesst das Zerriebene mit Wasser, so färbt sich ein hineingehaltener Streifen rothes
Lakmuspapier sogleich blau, und giesst man eine Säure zu der Flüssigkeit, so ent-
steht ein lebhaftes Aufbrausen; die Zunge spürt nur einen ganz schwachen laugen-
hafken Geschmack. Unter der Lupe sieht man eine Menge weisser Punkte in
dunklem grauem Grunde.
„Was die auf der Hochebene Boliviens gebauten Kartofl*eln anbetrifl*t, so ist zu
bemerken, dass es mehrere verschiedene Sorten, vielleicht Species sind, von denen
jede ihren besonderen Namen hat. Mein Sohn hat eine Anzahl derselben, die er
von einem hier Medicin studirenden Bolivianer aus La Paz erhalten hatte, cultivirt.
Alle wuchsen sehr ins Kraut und fast alle gelangten zur Blüthe, aber sie setzten
wenig Knollen an, so dass nur ein Paar Sorten eine so reichliche Ernte gaben^
(248)
!ui einige Knollen kochen und versuchen konnte. Bb war nichts Besonderes,
standen zum Theil den gewöhnlichen Kartoffeln im Geschmack nach. Im
en Jahre war der Ertrag noch geringer, mehrere Arten setzten gar keine
i an. Offenbar war den Kartoffeln von der Hochebene das Klima von Sant-
warm, es ging ihnen wie dem Tropaeolum tuberosum und der Oca (Oxalis
hi), die auch prachtvoll ins Kraut treiben, aber wenige oder gar keine
L ansetzen, und wie es ähnlich ja auch den mitteleuropäischen Obstarten
renn man sie nach den warmen Tropenländom bringt; sie wachsen sehr
bringen aber gar keine oder nur schlechte Früchte. Leider hat mein Sohn
>r genauen botanischen Untersuchung der erwähnten Solanumformcn von
rra noch keine Zeit gefunden. Die schöne und vortrefflich schmeckende,
fast dottergi^lbe peruanische Kartoffel wuchst, so viel ich weiss, nicht auf
>chland, auf der Sierra, wo es selbst im Sommer fast jede Nacht friert,
1 in den niedrigeren Gebirgen." —
.B. Hartmann erwidert, daas seine .Angabe, beim Goca-Kauen werde von
gebomen Pemanem zugleich mit den Blättern auch Thon angewendet, auf
gaben eines Bolivianers, Don Kuiz Gisneros (während der Pariser Weit-
ung 1867), beruhe. Nach E. Poeppig wird fein gemahlener Kalk zuge-
n nördlichen Peru werden nie die Pflanzenaschen benutzt, welche Martina
(Reise in Brasilien III, 1169, 1180). Unfehlbar, sagt Pocppig, verderbe
k die Zähne, und deshalb hätten die peruanischen Goqueros ein abschreckend
les und cariöses Gebiss (Reise in Ghile, Peru und auf dem Amazonen-
li, S. 2.V2 ff.). Nach Tschudi tragen die peruanischen Indianer die zum
bestimmten Cocablatter in einer Ledertaache, Huallqui oder Chnspa, mit
n einem kleinen, oR zierlich geschnitzten Flaschenkürbis, Ischcupum, be-
sie den bei der Mastication des Analepticums bestimmten, pulverisirten,
ischten Kalk auf. Im Cerro de Pasco, weit mehr aber noch im Süden,
n sich die Indianer der scharfen Asche derQueüna (Ghenopodium quinua),
als Llucta oder Llipla, in Fladen geknetet, mit sich führen. In einigen ge-
I Walddiatricten verfertigten die ladianer ihre Asche aus Wurzeln von
en (Reiseskizzen aus Peru, II, 8. 302). Nach Weddell wird die Llj^la, also
izende Zusatz beim Kauen der Coca, aus Quenna- oder aus gewdhnlicher
he, in einigen Theilen Amerikas aber auch aus Kalk bereitet (Voyage
nord de la Bolivie etc. p. 526). Brackebusch bemerkt, dass die Llipta
ler Asche von Salzpflanzen oder aus gebranntem Kalk hergestellt werde
1. Gesellsch. f. Erdk. zu Berlin, IH91, S. 63).
s allen diesen Angaben scheint sich zu ci^cben, dass man in verschiedenen
Südamerikas auch verschiedene Substanzen beim Coca-Kauen verwendet,
tllein Thon, noch bloss Kalk, oder bloss Asche.
LS nun die zur G hu nu-Be reitung benutzten Kartoffeln anbelangt, so sei Nie-
1, am wenigsten ihm (Hm. H,) selbst, eingefallen, deren Heimath in der
Sierra zu suchen. Er habe von Huumatnnga, mehr als 2<i00in über dem
[nach Tschudi), als Heimath der besten, gelben Perukartoffel und von der
la (Schlucht, Thal) von Hnarochin gesprochen. Uebrigens erinnere er
>ch, dass, der Erzählung von Augenzeugen zufolge, nach den blutigen
ien bei Ghorillos und Miraflores, an den gegen die Chiieüoa gefallenen
sehen Soldaten neben verschösse iion Pntrontaschon auch zierlich gestickte
len mit Resten von Gocu und von ungelöschtem Kalk aufgefunden worden
1
(249)
(5) Der Direktor der prähistorischen Abtheilung des Museums für Völker-
kunde, Hr. Voss, übersendet unter dem 19. im Auftrage des Hm. Unterricht s-
mi nisters eine Schrift des Dr. Schuchhardt in Hannover (Sep.-Abdr. aus Bd. XV
der Mitth. des historischen Vereins zu Osnabrück. 1890) über
Ausgrabungen anf der Wittekindsburg bei Rulle.
Hr. Virchow macht folgende Mittheilung darüber: Auf der sogen. Wittekinds-
burg bei Rulle, nördlich von Osnabrück, sind schon früher gelegentlich Mauer-
reste in dem, jetzt hauptsächlich zu Tage tretenden Erd walle bemerkt worden, so
von Gobelinus Persona und von dem Rector Meyer, der 1851 einige Aus-
grabungen veranstaltete. Hr. v. Stoltzenberg (Luttmersen) hat dann 1889 an
zwei Stellen im Wall Mauerwerk nachgewiesen, welches durch den. zur Verbin-
dung der Kalksteine augewendeten Mörtel auffiel, so dass er die Anlage für eine
römische erklärte. In Folge dessen sind die neuen Ausgrabungen unternommen
worden. Diese lassen keinen Zweifel darüber, dass durchweg in den Wällen, so-
wohl der eigentlichen Hauptburg, als der sich daran anschliessenden Vorburgen,
regelmässige Mauern aus Bruchsteinen stecken, die früher senkrecht nach aussen
abfielen und vermuthlich über die Höhe des Erdwalles hinausreichten. An einer
der Ecken ist überdies das Fundament eines runden, an der diagonal entgegen-
gesetzten die Anlage eines viereckigen Thurmes blossgelegt; auch konnten an
dem nördlichen Eingange die Grandmauern eines festen Thores nachgewiesen
werden. Charakteristische Fundstücke wurden nirgends entdeckt Den halbrunden
Henkel und einige Scherben eines Gefässes, die in dem runden Thurm gesammelt
wurden, hält Hr. Schuchhardt für prähistorisch; im Innern des Kastells kamen
nur rothgebrannte Kalksteine, einzelne Knochen und eine Elisenschlacke zu Tage. Da
nach einer Urkunde von 1243 damals in Castro regis Wedekindi ein Bauernhaus
stand, so sind diese Funde begreiflicherweise werthlos. Auch die Angabe von der
prähistorischen ßeschalTenheit der Thonscherben aus dem runden Thurme, die durch
keine genaueren Angaben gestützt ist, darf wohl vorläufig als zweifelhaft bezeichnet
werden. Man wird daher zugestehen können, dass diese Anlage keine altgermani-
sche gewesen ist, da noch nirgend, weder aus jener, noch aus sächsischer Zeit, alt-
germanische Steinmauern mit Mörtel bekannt geworden sind. Die Anführung aus
einem Manuskript von 1140, welches auf eine ältere Chronik zurückgehen soll,
dass der Sachsenfürst nach seiner Niederlage durch Karl den Grossen an der
Hase nach dem Castrum Widekindsborch geflohen sei, mag immerhin auf dieses
Kastell bezogen werden können, und es dürfte auch wohl nichts der Annahme
entgegenstehen, dass ein ursprünglich römisches Kastell Jahrhunderte später von
den Sachsen benutzt worden ist. Es würde aber etwas ungewöhnlich sein, wenn
weder aus der römischen, noch aus der sächsischen Zeit irgend welche charakte-
ristischen Objekte vorhanden sein sollten, und es darf daher wohl der Wunsch
ausgesprochen werden, dass die Nachforschungen wieder aufgenommen und mit
grösster Sorgfalt, gerade mit Rücksicht auf derartige Objekte, fortgesetzt werden
möchten.
Hr. Schuchhardt spricht sich sehr vorsichtig über die Frage aus, wenngleich
seine Argumente sichtlich der Annuhmc eines römischen Ursprunges der Anlage
zuneigen. Er erwähnt speciell, dass auch in solchen Befestigungen, die allgemein
für sächsische gehalten werden, z. B. auf dem Tönsberg bei Oerlinghausen, auf
Kirch-Borchen und auf der Iburg bei Driburg, Mauern vorkommen, dass aber diese
jedesmal Kemmauem waren, d. h. in der Mitte des Walles steckten und denselben
krönten, statt ihn, wie hier, auf der Seite nach dem Graben hin zu verkleiden
(250)
Im. T. Oppermann beatimmt zurück, dass dii
lischeu Biogwiill auf der Porta als Glied eine
über den
idlanfa, die Depotftinde n. A. in Island.
ttzten Sitzung gehaltenen Vortrag des Hm. Han:
mthümlich entwickelte Körpergewandtheit de
•n sogen. Handlauf in Island hiaweiaen. G
Deutschland Radschlagen nennen, dort als eim
nen geübt und zu einer grossen Fertigkeit ent
iten, so eben veröffentlichten Volkssagen Island
len darüber folgende Schilderungen'). S. I8l
idur: „Er sah, dass die Strecke zwischen seinej
war und dass es so nicht weiter gehen dürfe
af" über und kam ihnen weit Tomoa. Als dii
n ihn zwei von ihnen mittelst des „Handlaafs°
1 anderes Mal, beisst es S. 193, verfolgten ihi
idte den „Handlauf" an, und sie kamen wedc
li. die Distanz blieb dieselbe). Die Pferde de
pfe stecken, der mitten auf der Hochebene isl
Verfolgern. " S. 184 heisst es sogar von ihm
ut, dass er das flinkste Pferd überholte."
dazu die Anmerkung, dass die erwähnte Kunst
!rdc und mancher weite Strecken auf diese At
Ansführungen klingt die ganze Sache doch abe
I so habe ich die Dame um weitere AosfUhmng
m, worauf sie mir auch bei ihren literarische!
nerchen zugesagt hat, von denen ich seiner Zei
rollte zunächst nur überhaupt die Aufmerksam
uf lenken.
n Sagen erwähnte, möchte ich noch auf ein Paa
essante Züge hinweisen, die in denselben vor
solche kleinen Sicheln erwähnt, wie wir si<
Hnden. Sie werden an einen ScbaR gebundei
Kleinheit geht aus einer Stelle im ersten Thei
crvor, wo eine Eibin einem Manne eine solcbi
n hat, und ihm das Blatt ^unter den Sattel" legi
»en, dass die Leichen von Ost nach West liegen
die, welche sie unrichtig bestattet haben. Jetz
lug man die Todten in ein Tuch, in alter Zei
j ein. Diese letztere Zeit knüpft wohl noch ai
itc Besiodelnng Islands in derselben an, jeden
der noch meist geübt wird, wenn Jemand an
rzühlung noch eine Bemerkung in BetrelT de
Sammlnng von Jüd 'AroBson, stugewKblt and 8b«]
■lin 1K91. (Nene Folge.)
(251
80g. Depotfunde, für die man noch immer
Mögliche in denselben Bndct. Die Protokc
dea Qcsammtvereina der deutschen 6cschi<
wieder eiaen Beweis davon Ich habe schoi
fundes von Mellenau, welcher in einem U
lieh einst in einem alten Wasserloch veraf
derartiges Versenken in prähistorisch er Zeit
einem „plötzlichen Ueberfall" seine wenig*
Situationen waren in jenen Zeiten eben die
Verhältnissen und mehr regelrechter Krieg
zeitig sein Geld zn vergraben oder in andc
solche Sitnation, wie ich bei dem Melleue
Topf ein ganzer Bronzeschatz versenkt war
vorkommender Zug höchst anschaulich, j
fallen wurde, hcisst esi „Er besann sich i
verschiedene andere Geräthe und vei
(die Verfolger) sie nicht fanden, und dam
gcnossenschaft" u. s. w. Ich kann zur Be
eine Stelle aas Helmold, 2, 13 aDfUhren,
der alten Zeit ausgesprochen wird, wodnr
erhält: „Quotics autem bellicus tmnultus i:
orgentnm et preciosa qnaeque „fossi:
nibus vel silvis contutant." Man muss ebc
Zeilen immer zuerst die Verhältnisse erwi
Hypothesen macht, — ich erinnere an den
sogen. Gesichts um en angestellten Betrachtn
realen Bedingungen und Beziehungen meial
Hioteignind der ganzen Prähistorie ist übe
(T) Hr. Kurt Taabner übersendet w
12. febmor und 19. März folgendes Manosl
ZOT Landkorteni
(Hierzn 1
„Ja, einige waren prosaisch genng
früheren Civilisation zu erklären", sagt der
steine" in den „lllustrated London News"
einige Abbildungen von Steinen in Bnglan
concentrische Kreise zeigen, welche dnreh
neuen positiven Beitrag zu „topographisci
A. Ernst (Caracas, Venezuela) in der Zeitacl
leicht sind nachstehende AnsfUhmngen gee
tcte Frage wiederum ein Kleines zu forde:
beigebrachten Argumenten den Beiklang de
Die umstehende, etwas sonderbar ansa
„Im dunkelsten Afrika." Deutsche Ausgabe,
entnommen. Sie ist nach der Anschaaunj
Nillaufs von seinem Ursprünge am Mon(
ugyptcn hin. Es hcisst bei ihm wörtlich (E
ZiilltkT.f. Bthnel. (Vtrh. d. A«lkr«p. Gti.) Bd. XXIII. iSgi. Ta/l! I.
l
JT
(253)
7 cm breit sind. Es sind aber nur 4 Pinger zu zählen. Der dem Ballen
der Hand entsprechende Theil ist tief ausgearbeitet und bildet eigent-
lich auch eine grössere Schale, während die fingerförmigen Ansätze
nur flach ausgehauen sind. Zwischen den handähnlichen Figuren sind noch
2 Figuren, nehmlich ein 12 cw Durchmesser zeigender Kreis, der durch zwei sich
kreuzende Striche in 4 Theile getheilt ist; rechts davon eine napfförmige Ver-
tiefung, welche von einer ganz flach audgearbeiteten und 13 cwi im Durchmesser
haltenden kreisförmigen Vertiefung umgeben ist. Etwa in der Mitte, aber weiter
nach dem westlichen Rande hin, finden sich 2 grössere Figuren, welche als
F'üsse bezeichnet werden, 23, bezw. 21 an lang und 6,5 — 7 cm breit. Diese
sind wenig vertieft; dicht an der Westseite des nördlichen Pusses sind
Andeutungen von Strahlen gleich den „Hände" genannten Figuren*'. Der eben
beschriebene Stein befindet sich in Bunsoh, Kirchspiel Albersdorf. Letzteres ist
eine Eisenbahnstation zwischen Heide und Neumünster (Holstein).
Die am meisten überraschenden Analoga beider vorstehenden Beschrei-
bungen sind jedenfalls die beiden runden Seen mit den einmündenden
5 Flüssen und die handähnlichen Figuren, aber mit je nur 4 Fingern. Von
nicht weniger überraschender Analogie sind femerauch wohl noch bei der Nil-
darstellung die A^erbindung der beiden runden Seen mit dem grossenSee
durch gerade Striche und auf dem Bunsoher Stein „die am östlichen
Rande befindlichen grösseren Näpfchen, welche theilweise durch flach
ausgearbeitete Rinnen mit einander verbunden sind". Ein Blick aber
auf die Umgebung von Bunsoh zeigt ausserdem eine grössere, theil-
weise verbundene Seenplatte — im Osten, bezw. Norden. Endlich ist
die ganze Umgebung von Bunsoh von Wasser reichlich umgeben, das heute aller-
dings vielfach nur noch als „Moor" vorhanden ist. Es könnte noch darauf hin-
gewiesen werden, dass hart bei Bunsoh, östlich anfangend, 4 südliche Nebenflüsse
der Eider sich befinden und dass die Karte die Eider hier mit ausgedehnter Niede-
rung (Moor) bezeichnet, doch kann der Mangel eines getreuen Abbildes des Bun-
soher Steines ein weiteres Eingehen auf die Details nicht gestatten. Soviel wird
aber wohl ein Jeder zugeben, dass nunmehr der Bunsoher Schalen- und Näpfchen-
stein als „topographische Darstellung" recht gut erklärt werden kann ').
Noch ehe das Stanley' sehe Werk dem Verfasser in die Hand kam, hatte
er versucht, die eine der von Hm. A. Ernst in Caracas gegebenen, vermuthlich
topographischen Darstellungen zu deuten; die oben gegebene Nilkarte wird seiner
Meinung von der aufgestellten Deutung eine nicht unwesentliche Stütze sein.
— Hr. A. Ernst fand die in Fig. 2 wiedergegebene Zeichnung auf einer genau
südlich orientirten Kalksteinwand in den sogenannten „Cerritos" von
San Sebastian, einem Orte, der ungefähr 40 km südlich von La Victoria
liegt. Unfern der Stelle befanden sich die Eingänge zu einigen ausgedehnten
Höhlen im Kalkgebirge (letztere wohl ehemals als Wohnstätten benutzt). EUernach
rechtfertigt sich die den nachfolgenden Zeichnungen gegebene Orientirung. Fig. 3
stellt im Wesentlichen den Lauf des Rio Chico (Caracas) dar und ist entnommen
8. 92 des Richard Andree'schen Allgemeinen Handatlas (1881). Die als correspon-
dirend angenommenen Partien beider Zeichnungen sind durch gleiche Zeichen an-
1) Gregor,' der Geschichtsschreiber der Franken tadelt, dass letztere nicht den wahren
Gott verehren, sondern formas silvarum atque aqnarum (Darstellungen von Wald-
gebirgen und Wasserläufen sich machen), avium bestiarmnque et aliorum quoque ele-
mentorum fingere easque ut deum colere eisque sacrificia deliberare. Zeit-
sehr. f. Ethnol. XIV. 1882. Verh S. 50 (nach Dr. Behla).
^deatet. Das Gebir^
birgszUgc) ist schräg
strichelt angcgcbeo.
A. Ernst Tand seine
stelloDg in den sogenas
„Cerritos", d.h. den kh
Bei^n, und betrachtet
Fig. 3, so sieht man ii
That, daas, während
eigentliche Thalkesscl
des Rio Chico ein ein:
zuaaramen hängendes j
ses Gebirge bildet, süi
davon einzelne kl ei
Bergzüge liegen.
Die grossen zusam)
hängenden Gebiigsztige
in Fig. 2 ala eine anr
massige wellenformigel
daigestcllt, die aafrechl
hend gedacht «erden i
und dann einfach die '
toaren wiedergiebt, wii
Zeichner dieselben siel
gen den Himmel abh
sah. Das Uondgebirge
Nilkarte , schön syn
trisch geordnet, ist
derselben Idee darget
Die zwei grossen Scei
Ursprung und Ende
Rio Chico erscheinen
Kreise, ganz ebenso,
bei der Nildarstcllung.
Strich zwischen beidei
, der Pluss selbst. DieZs
4—6 in Fig. 3, entaprecl
den gekrümmten Pan
Bei^e. Aehnliche „pan
se der Neustädter Stein. I
zu beachten. Sie findet
er Xildarstcllung. Recht t
f Winkel, den das Ufer A
inong der Fig. 2 ein? Si
iche Meilen in die Länge
n bat, wenn es gelingt, n
e topographische Darstcllai
Tstellen:
(255)
1) Der Ort, wo ein solcher Stein liegt (vorausgesetzt, dass es sein ursprüng-
licher ist), war ein Ort von wichtiger Bedeutung, vielleicht ein Versammlungsort.
2) Die topographische Darstellung gewährt die Möglichkeit, gewisse alte
Grenzen festzustellen.
3) Es ist in gewisser Weise möglich, nachzuweisen, wie sich die Beschaffen-
heit der Umgebung verändert hat, z. B. den Uebergang von See in Moor, veränderte
Flussläufe XL s. w.
Figur I, A auf Taf. I (745 der natilrlichen Grösse) ist die Zeichnung auf einem
Steinblocke (die Contouren des Blockes sind mitgezeichnet) des alten indianischen
Begräbnissplatzes bei Palmano, am linken Ufer des Orinoco, etwa 50 km unterhalb
Garicara. „Dieselbe scheint zu den „topographischen" Darstellungen zu gehören,
worüber vielleicht eine genaue Aufnahme der Umgegend Aufschluss geben könnte" —y
sagt Hr. Dr. A. Ernst (Caracas, Venezuela) weiter. In Figur I, B ist ein Theil
der Umgegend des Punktes, der etwa 50 km unterhalb Garicara liegt, nach Blatt 92
des Richard Andree'schen Allgemeinen Handatlas (1881) wiedergegeben. ^ Es muss
hier noch erwähnt werden, dass Figur I, A das Spiegelbild der von Hm. A. Ernst
gegebenen Zeichnung ist. Eine Orientirung ist im Text nehmlich nicht mitgetheilt
Es wird hier angenommen, dass die ursprüngliche Zeichnung sich auf der nach Nor-
den gelegenen Fläche des Steins befindet; — es wird dies zugleich eine kleine Probe
auf das Exempel sein. Das Spiegelbild, auf der südlichen Fläche gedacht,
ändert nichts an der Richtung und harmonirt mit der Anschauung der modernen
Karte. — Die als correspondirend angenommenen Stellen sind wiederum mit
gleichen Zeichen angedeutet Es seien in erster Linie A, B, G betrachtet. A in
Figur I, B ist der ansehnliche Fluss Orinoco, gewiss für einen Platz am Orinoco
die wichtigste „Verkehrsader" und hauptsächlichste „Landmarke". Beim Vergleichen
der beiden A fällt speciell das Knie xy auf. Es wird zugegeben werden müssen,
dass für das eine sowohl, wie für das andere dieselbe Vorlage dagewesen sein
kann. Noch wahrscheinlicher wird diese Annahme durch das Vorhandensein einer
unregelmässigen Linie, die in beiden Figuren von oben her auf das Knie (y) zuläuft.
Rechts und links vom Orinoco sieht man in Figur I, B einen Gebirgsstock, welcher
Flüsse nach dem Orinoco hinabschickt; in Figur I, A befindet sich oberhalb und
unterhalb der unregelmässigen Linie je ein doppeltcontourirter Kreis, der auf der
einen Seite (bei G) direct durch eine unregelmässige Linie angeschlossen ist, auf der
anderen (bei B) indirect, indem sich noch ein Viereck um denselben erstreckt Vom
Gebirgsstock B in Figur I, B entspringen zahlreiche Flüsse, speciell 4 dicht neben-
einander ziemlich in der Mitte; vom Gebirgsstock G kommt nach Osten vom
Knie xy nur einer. Eine auffällige Uebereinstimmung der Partieen B und G in
Figur I, A mit dem eben Geschilderten springt in die Augen. Mit Ausnahme eines
einzigen Winkels ist überall bei B in Figur I, B die getupft schattirte Stelle theils
als unregelmässige Linie, theils als kleine kreisrunde Fläche (Quellsee), theils
als beides letzteres combinirt vorhanden. Die näheren Details sind durch gleiche
Zahlen markirt.
Aus Vorstehendem ergiebt sich als neu, wenigstens für die Ernst' sehen
Darstellungen, dass der doppeltcontourirte Kreis Erhebungen über das Niveau
bedeutet, wahrscheinlich isolirte Kegel. Ein doppeltcontourirter Kreis findet sich
nehmlich auch in Figur 4 der Ernst' sehen Darstellungen, und die correspon-
1) In der Zeichnong bedeutet A 0 den Orinoco, der Ponkt A am unteren Orinoco ist
Angostora, Ca am oberen Orinoco Garicara, das darunter stehende -h bezeichnet die Stelle,
IjO km unterhalb Garicara, wo sich die Felszeichnung befindet.
(256)
Ic moderne Karle zeigt an derselben Stelle die mit 2782' als höchste Spitze
■ebene Partie des Gebirgszuges am linken Ufer des Bio Chice. Die Aus-
ing wiedemm des Gebiets in Figar I, B entspricht angerähr einem Recht-
das 4U geographische Meilen in der einen, 3h in der anderen Richtung
(hierbei vird angenommen, dass nur eine Fläche des beschriebenen Steins
Gn aufweist). In Figur 2 der Abbildungen des Um. Dr. A. Krnst fallen
t 'i Zerrbild artige Darstellungen menschlicher Gesichter auf, welche neben
I Thterbilde und zwei Menschengestalten fast ausschliesslich die Zeichnungen
^r I ausmachen. Die LectUre s(ld amerikanisch er Reiseberichte, z. B. dei
en Xingn-Expedition in Brasilien (diese Zeitschrift 1890 S. 82 IT.), legt den
nkcn nahe, dass es sich hier um Abbildungen der in so ausgedehnter Weise
endeten Tanzraasken handelt, so dass Figur 1 wohl die Darstellung eines
m Tanzes ist. In Figur 1 finden sich aber noch einige besondere Zeichen,
,0 wiederum in Figur 2 die Darstellungen der angenommenen Tanzmaskcs
khl übertreffen. In Figur 2 rechter Hand befinden sich annähernd in dci
zwei kreis-ovale Darstellungen, schrüg parallel gestrichelt; sie nähern sich an
3n den einfachen Kreisen (See). Zwischen ihnen sieht man eine gezackte Linie
eradcr Ausdehnung; an dem einen Ende derselben Qals und Kopf eines hirsch-
n Thieres (Darstellung eines Flusses, in dem ein hirscbartiges Thier sich
let). Von dem unteren Kreis-Oval geht ein doppeltcontourirter rechter Winkel
eine doppeltcontourirte Spirallinie ab. Unter dem ersten Winkel be-
sieh endltch noch ein anderer gleicher und zwischen beiden eine nnregel-
ge Line, die gewissermaassen von der Doppel spirale „entspringt". Sieht mar
^Ber un regelmässigen Linie wiederum die Darstellung eines Flusses, so ge-
es grosse Waljrscheinliebkeit, dass die Spirale die Darstellung eines spiralig
ndenen Weges einen hohen Berg hinauf ist odet Überhaupt eines llerges,
n Spitze nur in spiralförmig gewundenem Wege (zum Fahren) erreicht werden
Eine gewisse Bestätigung hierfür dürften die Figuren ö und 6 von HerrT
>. Ernst liefern. Sie sind nach Steinzeichnunge'n entworfen, die sich in der
itos de Cuchivero", den „kleinen (einzelnen) Bergen in der Nähe des Flusses
ivero" (linken NcbcnOusscs des Orinoco), befinden. Sie können nach den letzten
ihmngen ihrerseits wieder kaum etwas anderes sein, als Darstcl langen dei
Ten den Berge selbst.
ioide Zeichnungen bestehen nchmlich entweder aus Spiralen allein oder aus
tUcontourirton Kreisen, crstere theilweise rechtwinklig. Ja, Spirale und doppell-
urirten Kreis dem Korne nach gleich setzen zu können, dazu liefert das ver-
Zeichen rechts auf Figur •> eine Handhabe. Es ist nchmlich halb doppelt
urirter Kreis, halb Spirale. Vom naturalistisch erklärenden Standpunkte uu!
rer wohl die Spirale als das primäre, der doppeltconlourirle Kreis als das dar-
bgeleitete anzn.sehen, falls die eine und der andere nicht DilTcrenzcn hinsichl-
ier Höhe nml Grosse markircn sollen.
Spiralen und doppelt oder mehrfach contourlrle Kreise finden sich unter anderer
en auch auf den englischen und skandinarischen Schalen- und Näpfchen-
in und Felsenzeichnungen'); sie haben auf denselben dieselbe Bedeutung
) Krklärung der Flg. II-IV auf Taf. L
Fig. 11. A. BaldurstHn bfi Fatköpia^ (nach „Tuisko-l^nd", von Dr.Emat KrBu«<
((.'»rus Sterne), GloK»n IKLH, S. ilTd).
B, Kartenbild nach Rieh. Andrec's Allg. Haml-Atlaa (IRSI), S. G9
WO West-Ost. K Kattogat. We S Wenem-See a. Wettem-Scc
F. FHlk<>pini.'.
(257)
wie auf den südamerikanischen topographischen Darstellungen. Diese Behaup-
tung plausibel zu machen, giebt es nur ein Mittel, — yei^leichende Beispiele*).
Es folgen davon im Nachstehenden drei; das eine ein Monolith, das andere
eine Felsenzeichnung, das dritte von einem Grabdienkmal (Dolmen). Bei allen
dreien ist in der angegebenen Quelle die Orientirung nicht vermerkt Alle drei
enthalten einmal in verschiedenen Exemplaren das Radomament, — in einer
Geraden verlaufend. Vergleicht man in Bezug auf letzteres Ornament die Dar-
stellung des Weltbildes des Rosmas aus dem 6. Jahrhundert xmserer Zeit-
rechnung, so scheint die Erklärung des Ornaments als Orientirungszeichen, —
Bild der aufgehenden und imtergehenden Sonne, — Ost und West, — gerecht-
fertigt. Die übrigen Zeichen mit Ausnahme der Menschen, Thier- und Schiffs-
darstellungen und des Abdruckes zweier Füsse sind insgesammt orohydrographisch,
— See, Pluss, Berg (Gebirge), üfercontour, Insel. Namentlich in üfercontour,
Insel und gewxmdenem Flusslauf lösen sich scheinbar ganz mysteriöse Darstellungen
auf, die unter anderen auch mehrfach Aehnlichkeit mit Zahlen und Buchstaben haben.
Figur II, A (entsprechend der Figur ET, B) ist theilweise ein kleines Beispiel für die
Behauptung des Hm. Rödiger, dass die Gontouren des Steins selber in einzelnen
Fällen mit als Darstellungen zu betrachten sind. In Figur HL, A ist interessant
die Darstellung der Fusssohlen. Hierbei hat neben rein naturalistischer Auffassung
und Wiedei^be noch die Anschauung des Kontrastes von + und — vorgewaltet
Es gilt den daneben gemalten Zeichen, die als Inseln charaktensirt werden sollen.
Zwischen letzteren und den Fusssohlen ist eine Zone, wo sich Fussabdrücke
auf der Erdoberfläche nicht herstellen lassen, — Wasser. In Figur IH, A bei
B, speciell in Figur IV, A bei A und B macht sich die Tendenz bemerkbar, bei
ausgedehnteren Darstellungen von der Peripherie (diese als der Weg gedacht, den
der Zeichner ging) nach dem Centrum abzuweichen. Dies erklärt sich sehr einfach,
wenn man bedenkt, dass bei Zugrundelegung des Augenmaasses bei der Skizzirung
dieser Landschaft die Gegenstände am Horizont zusammenrücken, wofür das ein-
fachste Beispiel eine grosse Allee ist, die am Horizont in einen spitzen Winkel
zusammenzulaufen scheint.
Aus Figur II, A, HI, A und IV, A ergiebt sich übereinstimmend, dass der ein-
fache Kreis (die Schale) oder das Oval eine begrenzte Wasserfläche, der mehrfach
kontourirte Kreis (die Spirale) eine grössere Terrainerhebung andeutet. Von charak-
teristischen üfercontouren sind in Figur IV, A (IV, B) namentlich die mit 1, 2, 3, 4, 5
bezeichneten Bilder hervorzuheben. Von charakteristischen Berg- und Fluss-
darstellungen ebendaselbst 7, 8, 9 und 10, 11, 12.
Ueberschlägt man endlich noch die annähernde Grösse der berücksichtigten
Fläche, so ergeben sich in Figur II, A und B für die eine Rechteckseite 30, für
die andere 25 geographische Meilen; in Figur HI, A und B analog 35 und 25; in
Figur IV, A und B 40 und 20. Abermals also eine auffallige annähernde üeber-
einstimmung. —
Fig. IH. A. Felsenbilder von Qoille-H&rad (Bohuslän) (nach „Tuisko-Land'' u.s.w.
S. 49).
B. Kartenbild nach Rieh. Andree's Allg. Hand-Atlas (1881) S. 69.
WO West-Ost. ö Oeland. G Gotland. OS Ostsee.
Fig. IV. A. Stein vom Grabdenkmal vom „Aspatria-Platz« bei Carlisle, England.
C Carlisle.
B. H. Lange's Volksschul-AÜas (1880) S. 24. C Carlisle.
1) Vergl. Simpson, Keller, Desor (die einschlägigen Werke) und F. Rödiger,
Solotbom, Correspondenz-Blatt d. Deutsch. Anthr. Ges , XIX. Jahrg., Nr. 1, Januar 1888.
Verhandl. der Berl. ▲ntbropol. Qetelltetaaft 1891. 17
(268)
Hr. Virchow: Daa von den Herren Rödiger und Taubner so eirrig stn-
dirte Gebiet der Fels* and Steinzeichnungen hat eine grosse Ansdehnong (Iher
alle möglichen Theile der Erde, nnd es bietet zngleich der Phantasie ho bequeme
Angrilbpunkie, dass es etwas schwer ist, dem Gedanken Ranm zd geben, daas
diese Zeichnungen überall eine topographische Bedeutnag haben sollten. Unser ab-
wesender Freund Bastian hat, wie Hr. EI. Krause mir in die Erinnerung zorilck-
gcrufen hat, schon vor Jahren bei Gelegenheit einer Beschreibung der Zcichen-
Telsen Columbiens (Zeitsuhr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin, Bd. XIII} eine
weit umfassende, wenngleich auch für jene Zeit nicht erschöpfende Uebersicht der
bekannten Petroglyphen gegeben. Seitdem hat jedes Jahr neue Beobschtangen
gebracht, und wenn nun auch die Schalen- und Näpfchensteine sich derselben Be-
trachtung unterordnen müssen, so darf man sagen, dass die Zahl der in Fragt;
kommenden Zeichen und Zeichnungen Legion wird. Hr. Bastian bemerkte schon,
dass in den Petroglyphen Columbiens das Ghibcha-Zeichen für Dorfansiedelung an
Poithen „so vielfoch in derartigen, Beziehungen zu HUgelreihen andeutenden Er>
höhnngen wiederkehrt, dass der Zusammenhang des Ganzen, an solchen Passage-
steilen der Fltisse, den Eindruck macht, als ob eine topographische Orientirung
beabsichtigt sein könnte". Von einer Art Wegweiser auch im alten Mexico hat
Dupaix gesprochen, indem die auf Steinen angebrachten Fusseindrilcke zur An-
gabe der Richtung gedient hätten. Nachdem nun, wie ich schon in der vorigen
Sitzung (8. 242) angeführt habe, Hr. Rödiger diese „wegweisenden" Petroglyphen
bis in das Herz Ton Deutschland verfolgt hat und Hr. Taubner die an sich nahe
liegende Erörterung der skandinavischen Hällristningur faiHzufUgt, wird es gewiss
angezeigt sein, der Dntersnchung Raum zu geben. Indcsa darf doch wohl auch
daran erinnert werden, dass nicht alle solche Zeichnungen topographische Bedeu-
tung haben dtirften, und vor Allem daran, dass sie sehr verschiedenen Zeiten an-
gehören. Hr. Rieh. Andree (Daa Ausland 1890. Nr. 27. 8.539) hat erst letzthin
die Aufmerksamkeit auf die von Hm. Bonnct (Revue d' Ethnographie VIII. I.Vt)
geschilderten Felszeichnnngen im Süden der Provinz Gran und in den Oasen der
Sahara hingelenkt, wo scheinbar ganz weit ausoinanderliegende Zeitperioden durch
solche Marken charakterisirt werden. Hr. Bastian erinnerte an eine Beobachtung
von Sir Robert Schomburgk, der am Rio Negro Felsabbildnngen einer spanischen
Galeote fand. Wamm sollten nicht ähnliche Erfahrungen, wie man sie an den
Pictographien auf Thierhäuten und Holzbrettem der nord amerikanischen Indianer
gemacht hat, anch bei den Petroglyphen zutreffen? Die grösste Vorsicht in der
Interpretation wird daher um so mehr geboten sein, je unvollkommener die Zeich-
nungen sind, die man interpretiren will, denn es liegt auf der Hand, dass gerade
die UnvoUkommenheit einer Zeichnung das Versländnias der beabsichtigten Dar-
stellung in hohem Maasse erschwert und der Willkür des Interpreten ein weites
Feld eröffnet. Es ist mit den Zeichnungen der Menschen, wie mit den Wolken,
in denen eine erregte Phantasie alle möglichen Thier- und Menschengestalten er-
blicken kann. Möge diese Warnung nicht ungchört verhallen! Möge sie aber
auch nicht so aufgefasst werden, als wollte sie von einer weiteren Verfolgung des
jetzt betretenen Weges abschrecken! Im Gegentheil. möge die Untersuchung fort-
gehen, aber in der kritischen Weise, die jeder einzelnen Erscheinung ihr be-
sonderes Recht vorbehält!
(8) Hr. Anton Hermann hat Nr. I einer Anzeige über das neu erSffhetc
Museum für Völkerkunde in Budapest eingeschickt.
(9) Hr. H. Bartels zeigt Lieferung 1 einer neuen Auflage des von ihm bear-
beiteten Ploss'achen Werkes über das Weib.
(259)
(10) Hr. R. Bachholz legt die Protokolle der Generalversammlung des Ge-
sammtvereins der deutschen Geschichts- und Alterthumsvereine zu Schwerin 1890
Tor und lenkt die Aufmerksamkeit auf seine darin (S. 172) enthaltenen Mittheilungen
über die
Durchlässigkeit vorgeschichtlicher Thongefässe und deren hauswirthschaft-
liehe Verwendbarlieit.
In neuerer Zeit ist die Verwendbarkeit der antiken und vorgeschichtlichen
Thongefässe für hauswirthschafiliche Zwecke wegen der beobachteten starken
Durchlässigkeit bestritten worden, um die Ansicht zu begründen, dass sie aus-
schliesslich für Zwecke der Todtenbestattung gefertigt seien und ihr Yorkommen
deshalb auch eine Nekropole andeute.
Von jener Durchlässigkeit habe auch ich mich durch genaue Versuche im
Märkischen Provincial-Museum überzeugt Ein römisches, drei römisch-rheinische,
sechs altgermanische, ein fränkisches und ein wendisches Thongefass wurden nach
Feststellung der Tara mit abgewogenem Wasser gefüllt, mit Papier verdeckt und
unter gleichen Ruhe-, Temperatur- und Luftveiiiältnissen (allerdings in einem sehr
lufttrockenen Zimmer) 7 Tage lang stehen gelassen. Dann wurden die Gefässe
wieder, zunächst brutto, dann tara, gewogen und aus dem Vergleich der gewonne-
nen Oewichtszahlen die durch die Gefässwandung, zum geringen Theil auch wohl
durch die Pflanzenpapierdecke, verdunstete Wassermenge berechnet.
Das Ergebniss war zwar ein für die verschiedenen Gefässe sehr abweichendes,
es bestätigte aber im Allgemeinen, dass alle jene Gefässe wirklich sehr durch-
lässig sind.
Das römische Gefäss hatte 75 pGt. Wasser verloren, die römisch-rheinischen
100, bezw. 95 und 75 pCt., die altgermanischen 83, bezw. 74, 61, 58 imd 37 pCt.,
das fränkische 62, das wendische 52 pCt. In Vergleich hatte ich zwei klin-
gend gebrannte mittelalterliche Töpfe, einen glasirten Steingutkrug und ein
Porzellangefäss gebracht, von denen die beiden erstgedachten 7, bezw. 5 pGt., die
die beiden letzteren nur eine auf rund Vi pCH. anzunehmende Spur Wasser ver-
loren hatten.
Nach meiner Erfahrung bin ich überzeugt, dass jeder weitere Versuch unter
gleichen Verhältnissen mit anderen vorgeschichtlichen Thongefassen immer dasselbe
Resultat, d. h. immer einen Wasserverlust von 33 bis 95 pCt. ergeben wird, und
es ist deshalb eine starke Durchlässigkeit als erwiesen zu betrachten.
Es fragt sich indess, ob die so constatirte Durchlässigkeit wirklich gegen die
ursprüngliche Tauglichkeit der Gefässe zu Wirthschaftsz wecken, insbesondere ztun
Transport und zum Aufbewahren von Flüssigkeiten, erfolgreich ins Feld geführt
werden kann.
Die Gefässe haben mehr als 1000, ja 2000 bis 3000 Jahre und oft länger, in
der Erde gelegen und sind dort dem Einüuss des Grundwassers und der Tage-
wasser ausgesetzt gewesen. Liegt da eine Veränderung der Wandungsdichtigkeit
ausser der Möglichkeit? Wären die Gefässe aus reinem Thon und hätten sie jenen
scharfen Brand erhalten, der sie klingend und im Bruch gleichförmig und glasig
macht, dann könnte höchstens eine ganz unwesentliche Dichtigkeitsveränderung an-
genommen werden. Aber beides ist nicht der Fall.
Der Thon hatte meistens eine Beimischung erfahren, um das Bersten der Ge-
fässe beim Trocknen zu verhindern; in der Regel hatte man Granit durch Er-
hitzen bröcklig gemacht, dann zerkleinert und mit dem Thon vermengt. Hier-
durch waren neue Elemente genug in den Thon gelangt, um unter dein Einfluss
17 •
(260)
er Erdfenchtigkeit eine auT physikalisch-chemischen GeBetKcn bernhendc Cm-
etznn^ zu bedingen, welche im Laufe der Zeit die DichÜgkeil in hohem Grade
leeinträchtigen moBBtc. Die Undichtigkeit, welche heate constatirt wird, kann des-
lalb erst im Laufe der vielen Jahrhunderte entstanden sein, sie scKliessl die ur-
prtüigliche Dichtigkeit, wenigstens die Annahme einer erbeblich geringeren
iorchlässigkeil, nicht ans.
Auch die mangelnde Schärfe des Brandes kann eine durch die Bewegung des
ji-nndwassers oder durch den Einfluss der Tagewasser hervorgerufene mechaniBchc
iTeränderong in der Lage der Thoupartik eichen beg^Ilnstigt haben. Klingend scharf
gebrannte Oefässe oder auch nur Scherben kommen aber aus vorgeachichtl icher
Seit nur höchst selten vor und wenn sie gefiinden wurden, so Hess sich der schar-
ere Brand als ein nachträglich, durch Zufall entstandener in der Regel erklären.
3ie Brenntechnik war noch nicht auf den Standpunkt gelangt, eine auf die zu
>reniienden Gefässe gleichmassig vertheilte Hitze zu erzeugen, welche eine gc-
ffisae Verglasung bewirkte; der Brand war immer nur ein relativ schwacher.
Wenn es hiemach zugegeben werden mnss, dass die heute als sehr durch-
ässig erscheinenden Gefasse ursprünglich viel weniger durchlässig gewesen sein
lönnen, so ist es ferner Thatsache, dass alle an den unbestrittenen Wohnstälten
|-efundenen Thongefässe von den Grabgefässen derselben Landschaft gar nicht vcr>
tchieden sind, dass sie also heute von derselben starken Dnrchtäasigkeit sind und
lennoch als hauswirthschallliche Gefasae offenbar gedient haben.
An allen, als solche constatirten Wohnstätten Deutschlands, z. B. Pfahlbauten,
Burgbergen, Bui^wällen, an den in der Nähe von Gräberfeldern aufgefundenen
Vohnplätzen, ist eine Töpferwaare von solcher Beschaffenheit, dass sie Wasser
[licht oder weniger durchlässt, als die Grabgefässe, noch nicht beobachtet worden,
höchstens vereinzelte Stticke, welche zufällig später noch zum zweiten Male in
einen Brand geriethen und dadurch mehr oder weniger verschlackt wurden.
Wenn es überhaupt keine undurchlässigen Gefässe gab,
wenn andererseits wohl kaum bestritten werden kann, dass Thongefässe in
erster Linie und ursprunglich fUr den haus wirtb schaftlichen Gebranch ge-
fertigt und erst später nebenher beim Bestattungscnltus Verwendung fanden,
so muss doch wohl dieselbe, heute so porös erscheinende Poterie auch zum kurzen
Transport und zum Aufbewahren von Flüssigkeiten, insbesondere von Wasser, ge-
braucht worden sein.
Geringer ist, wie schon oben erklärt, die Durchlässigkeit gewiss gewesen, wie
sie heute erscheint. Eine massige Durchlässigkeit war aber für die damals be-
nöthigte Gebrauchsweise gar nicht von Nachtheil, im G^entheil, eine schwache
Verdunstung durch die Gefasswandung war zugleich das Mittel, den übrigen Inhalt
kühl zu halten. Eine Veranlassung zu langer Aufbewahrung des Wassers gab es
nicht, denn länger als 1 bis 2 Tage blieb es doch nicht geniessbar, und ftlr eine
so kurze Zeit berechnet sich der Verlust nur auf ä bis 10 pGt. Bei Bereitung von
Getränken durch Oährung oder durch Erhitzen am Feuer ist der in Folge der
Durchlässigkeit entstehende Verlust nicht grösser, als der durch Verdampfen nach
oben, und er musste vertragen worden, da besseres Gefassmaterial nicht zur Ver-
fügung stand. Die Holzgefässe jener Zeit sind zweifellos auch nicht dichter ge-
wesen, und Uetallgefässe waren bei den votgeschichtlichen Völkern noch zu selten,
als dass diese hier in Rechnung kommen können. Gel dringt selbst durch fest-
gebrannte Gefasse, man musste sich einen kleinen Verlust am Vorrath gefallen
lassen, ebenso wie bei den zu längerer Aufbewahrung bestimmten, gegohrencn
oder gekochte
' hat, wie sie t
Weder ai
cultm^geschich
g:eschichtliche
mebr erscbeio
Durchlässig
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der Schnurrbart
aber nicht die
sehen. Dagegen
die unteren Absi
mit einem ganz
ansetzende und ;
der Uann ist dal
Hals geschlnnger
denes Tnch und verbirgt das Ganze anter den Kleidern. Die Haare sind
□kelbrano, durchweg sehr stark, fast wie Franenhaar, meist glatt, nur rereinzell
ih nnd etwas gekräuselt. Nicht selten finden sich im Lanre einzelner Haare
[gliche Spalten, hier und da am Ende, jedoch vorzugsweise in der Continuität,
dass jenseits der Spalte das einfache Haar noch 30—40 cm Tortgeht. Die gute
ege hat sicherlich sehr viel zu der Erzielung des ErMges beigetragen. Ära
rigen Körper bat das Haar keinerlei Abweichung.
(tä) Hr. Ed. Krause berichtet über
Hilgelgrftber zu Rehrberg, Kreta Oatpri«gnitz.
I. Äufgrabnngen im Oktober 1887.
Die im Juli 1887 vorgenommenen Änfgrabungen in den Htlgelgräbem zu
ams, Kreis Ostpriegnitz, veranlassten den Sohn des BittergutspSchters Herrn
ichim Langhoff auf Kefarberg, den damaligen Obersekn adaner, jetzigen Stud.
!ol. Eduard Langhoff einen der auf Kchrberger Feldmark gelegenen, denen zu
ams ähnlichen Htigel aufzudecken. Bei dieser Gelegenheit wurden einige Gc^se,
zw. Oefässreste gefunden, weshalb Hr. Langhoff dem Amtavorsteher, sein
hn der Generalrerwaltung der Königlichen Museen Anzeige von dem Funde
ichte.
Die Ergebnisse der von mir am 6. bis 8. Oktober 1887 vorgenommenen vor-
[figen Cntersnchnngcn waren folgende:
Anf der Feldmark des Gutes befinden sich, soweit damals festgestellt werden
ante, drei Gruppen von Hügelgräbern, deren erste Gruppe A (Fig. 1), aus jetzt
ch erkennbaren 5 Hügeln bestehend, 1,5 tm NW. vom Dorfe liegt Diese
SUgel liegen auf einer Bodenerhebung, die nach Süden am stärksten, nach
en anderen Richtungen sehr schwach, am schwächsten nach Norden ablällL
>n dieser Hügeigmppe wurden die in der Situationsskizze Fig. 1 mit I, II nnd 111
ECichneten Hügel behufs ihrer Untersuchung geöffnet. Von der GetTnung der
rigen beiden nahm ich Abstand, da auf einem, Nr. IV, eine starke Kiefer steht,
t noch nicht gerällt werden sollte, der Hügel V aber an der Südseite eine Gin-
ikung zeigte, die vermutben liess, dass hier bereits früher, vielleicht schon in
er Zeit, ein Eingriff stattgefunden halte.
Hügel I (Fig. 1—3). Der erat« von mir untersuchte Hügel li^ an dem SO.
de einer 42 m langen Stein sc huttung, anf der auch die Hügel II und III errichtet
d. Er hat 7 m Basisdnrchm csser bei 1 m Höhe. Es wurde ein etwa 2,5 n
»ler Graben von SO. in den Hügel eingetrieben. Der Hügel bestand bis auf
1 oberen, fast nur aus flachen Steinen gebildeten Theil durchweg aus Roll-
inen von 0,15 bis 0,30 m Durchmesser. 1,25 m vom Rande süessen wir auf
le Steinkiste, hergestellt aus aufrecht gestellten, flachen Geachiebestücken, die
i zu 0,80 in lang, 0,40 m breit und 0,30 m dick waren. Dreizehn solcher Steine,
t ihren flachsten Seiten nach innen gestellt, umstanden und bildeten einen
'5 in im Lichten weiten Raum, an dessen Westseite Umenscherben mit einigen
sten gebrannter Knochen, hauptsächlich vom Schädel, niedergelegt waren, während
lere Knochenreste in dem ganzen geödeten Tbeil dea Hügels zwischen den
tinen verstreut lagen. Die Steinkiste war mit flachen Steinen in mehreren
(lichten überwölbt, wie dies in Fig. 2 dargestellt ist. Das Qewdibe war in
gender Weise hergestellt: Auf einen (oder zwei neben einander übende) Steine
des Steinkreises der Kiste war ein flacher Stein b derartig aufgelegt, dass die
^inere Uülfle nach unten und aussen überragte; an diesen Stein waren, in gleicher
(263)
HüKcIgiuppe A. 3 ; 4000.
Hügel I. GniDdriss. 3 ; 400.
H&nei I. Querscbnitt. B : 400.
Weise auf 'lie Seitensleine aar^legt, hart an b anatossende andere flache Steine
gefti^, Bo dass sie zusammen einen (i^schlossenen Ring bildeten. Anf die
unten überhitn^ndcn Enden, die ^^n die Ristenwand hin mit Rollsteinen unter-
fUllt waren, waren ron aussen her wieder Dache Steine c gelegt, gegen welche, noch
der Mitte zu, die Schicht d stiess, deren Zusammenstoss mit c die Schichten e und f
Überdeckten. Oben, fast genau in der Mitte des Gewölbes, fand sich als Schlnssstein
ein flacher Mahlstein aus Granit g, der sich jetzt im Museum für Völkerktinde be-
flndel, mit der flach ausgehöhlten Gebrauch sfläche nach unten gekehrt. Diese Stein-
kiste war mit Sand geftillt, in dem die Scherben, als solche beigesetzt, und Knochen
enthalten waren. Die Herstellung eines derartigen gewölbeartigen Baues ist nur
möglich, wenn der ganze Raum darunter mit Sand angemilt ist, da daa Gewölbe
sich nicht tragen kann und ohne Unterstützung einstürzen wttrde. Die Steinkiste
war in den Seitenwänden 0,40 m, in der Mitte 0,75 m im Lichten hoch. Ihr Boden
war mit flachen Steinen gepflastert, die nach Ausräumung der sonst nur mit Sand
and einigen kleinen Steinen gefüllten Kiste ebenfalls entfernt wurden; doch fand
sich unter ihnen bis zu 1,25 m Tiefe nichts Ton Alterthümern vor.
Bttgel II, tMg. 4, lag 8,5 m vom Rande des HUgels I ungefähr auf der Mitte
der Steinschtlttung, deren beide Enden die Hügel I nnd UI bilden. Diese Stein-
schfittung erhebt sich nur wenig, 0,30 bis 0,50 m Aber die umliegende Ackerfläche
und ist augenacheinlich nicht mehr nnbertlhrt, da bereits früher Feldsteine von
ihr abgefahren, andere, von dem umliegenden Felde aufgelesen, wieder hinzugethan
sind. Dennoch hielt ich die kaum als kleine Erhöhung bemerkbare Stelle, welche der
Hügel II einnahm, Tür nnberührt. Die Oeflnung des Grabes beslütigte die Richtig-
^-
HQgel III. Gnindriu. 8 : 400.
Figur G.
Engel in. Qnerechnitt 9 : 400.
ment (Fig. 9), anscheinend durch den Brand
bei der Bestattung geschmolzene Bronze, ge-
funden. Bei d traf ich Scherben eines sehr
dickwandigen GefSases, doch nichts Zusammen-
hängendeB.Tietmehr lagen die einzelnen Scherben,
sowohl in horizontaler, wie in vertikaler Rich-
tung, weit auseinander. Dnrch die ganze Brand-
schicht Terstrent wurden einzelne KnochenstUcke
und grössere Kohleobrocken gefimden; letztere
zeigten die Structnr des Eichenbolzes. Ein von
Nordwesten her eingetriebener Graben konnte
der TorgerUckten Tageszeit wegen nicht bis zum
Figuf '■ Figur 8.
der natürlichen OrOesc,
(267)
Figur 12. "/^
Figur 14,
Figur 18.
Vi« der natürlichen Grösse.
Langhoff den Hügel nur von oben her geöffnet hatte, und die Steinkiste noch
nicht ganz geleert war, so liess ich wiedemm einen Graben eintreiben und zwar
von der Ostseite her. Die Steinkiste (Fig. 11) stand etwas südlich von der Mitte,
war ans im Querschnitt mehr rundlichen Steinen aufgebaut, „oben über^, wie Herr
Langhoff berichtet, „ein flacher Stein wagerecht gelegt, und um diesen mehrere
andere". Einen grossen Theil dieser üeberwölbung fand ich noch in seiner ursprüng-
lichen Lage Tor. Ehe wir an die Steinkiste gelangten, wurden wiederum zwischen
den Steinen Scherben und Knochensplitter gefunden. Die Kiste war 1,10?» lang,
0,80 m breit und 0,50 m in den Wänden hoch; ihr Boden war 0,60 m über Terrain-
höhe in Lehm gebettet. Unter den durch Hrn. Langhoff entfernten flachen Deck-
steinen fand sich wiederum ein grosses Fragment eines Mahlsteines aus weiss ge-
bändertem Syenit oder Diorit. In dem in der Kiste befindlichen Sande wurden
noch Scherben der früher ausgegrabenen Gefässe, sowie die grösseren Fragmente
eines neu gefundenen Gefässes ausgegraben. Die in diesem Hügel gefundenen
Alterthümer sind folgende: Fig. 13 ein kleiner einhenkliger Topf von hellgrauer
Färbung; er ist 6 cm hoch, hat 9,5 an oberen, 3,5 cm Bodendurchmesser. Unter
der weitesten Stelle (10,8 cm) befinden sich 3, darüber 4 wagerechte flache
Furchen und über und unter diesen je eine Reihe kleiner flacher Grübchen. Der
kleine Topf stand in dem in Fig. 14 dargestellten aufrecht, beide mit Sand gefüllt.
Fig. 14 einhenkliger Napf, 17 — 19 cm hoch, bei 35 cm oberem, 11 et« Bodendurch-
Pigur 15.
Figur IG.
/
7i6 der nat&rlichen Grösse.
messer. Er ist dunkelgrau, an einigen Stellen fast schwarz, seine Oberfläche gut
geglättet. Fig. 15 Urne ohne Henkel, 16 — 19 cm hoch, 24 cm oberer, 28 cm grösster
Durchmesser und 9,6 cm Boden weite. Fig. 16 Urne von gleichem Typus, wie Fig. 15,
doch gerade; 19 cm hoch, 25 Cfn oberer, 30 cm grösster, 11,5 cm Bodendurchmesser.
Platze stand, nährend der obere Theil nach Westen hin rerschobea war. Der
Sand in der Steinkiste, sowie die Scherben waren ganz von Regenwasaer durch-
näast, so doss von der stark zerdrückten Urne nur einige Scherben gehoben werden
konnten, während alles Andere zu Krümchen zerbröckelte, wozu auch der starke
Regen während der Arbeit beitrug. In der SandfUlinng lag über der Urne in der
Höhe der Oberkanl« der Seitenwandsteine ein flacher, 0,30 m breiter Stein.
Hügel IX, 6ffl Basisdnrchmesser und t,10tn hoch, konnte der Kürze der
Zeit wegen nicht gcöfAiet werden, durfte aber ebenfalls ein Grab enthalten.
Pigni 20.
HSgel X. Qoetschnitt. 9 : 400.
Figur 21.
. o ^
\\
n ^^J 0
rj 0
o^
„'fi
Hügel X. Grundriss. 3 : 400.
Gruppe C, 920 m Nordosten gegen Norden Ton Gruppe B. bei dem Gehölz
„die Staarbucht" oder die „Staarbuchtschen Tannen". Die Gruppe besteht heute
noch aus den 4 erkennbaren Hügeln X, XI, XII und XIII.
Hügel X (Fig. 20, 21 und 24) hat 10,5 m Basisdurchmesser und 1,60 m Höhe.
Oben in der Mitte lag ein grösserer Stein, der über die umliegenden um 0,30 m
(270)
^. 0,5 m gegen Ostnordost von diesem Mittelstein (Fig. 21) lag i
• oberen Sieinschichl zwischen einigea flachen Steinen ein Häuriein Rnoc
fen Thonscherben umgeben. 0,5 m Ton der Mitte nach Bttdwesten fat
einer Tiefe von 0,20 m Scherben eines Thongefässes und 0,30 m n
undstclle eine Steinsetzung (Fig. 21) und darin die mit Knochen get
ig. 22) nebst Deckel (Vig. 23). Diese Urne ist 17,5 cm hoch, bei 21
Figur 29.
'/,, der n»türlicfaen Grili
31 cm weitestem and 11,5 cm Bodendnrchmesser. Die nntere Baachili
\\ ein Gitterwerk von wagerechteu und radialen Strichen verziert
hale (Fig. 23) weist eine ähnliche, wenn ancb nicht so regelmässige '
;tar; ihr Henkel, von dem die Ansätze noch zn sehen, wurde nicht getan
Je ist 8,5 cm hoch und hat 31,8 cm oberen, II cm Boden durchmesser. U
1 Hügel krönenden Stein lagen 2 Fenersteinspähne mit Spuren von
',. um den Hügel zog sich in einem Abstände von 1 m von der Peripl
z grösserer Steine, während der ziemlich grosse Hügel in dem bi
bten Theile auffallender Weise fast nur aus sehr kleinen Steinen von Fi
nd etwas darüber zusammengesetzt war.
[el XI und XÜ liegen auf einer Steinschüttung von 18,5 m Länge (Pig.
hier ebenfalls nur die ReschafTeobeit des Hügels XI festgestellt wer
wurde er der Kürze wegen, wie auch mit HUgel X geschehen, von (
fnet, da die vielen flachen Steine an der Oberfläche ihn als bereits frl
erscheinen Hessen. Der Hügel hat 4 in Basisdurchmesser bei 0,30 m H
räumen der zweiten Schicht wurden einige Scherben, zum Theil veix
I, so dass der Hügel ebenfalls als ein Grabhügel zu betrachten sein dfl
el XU and XIH masste ich unberührt lassen, da mein Urlaub ablief.
;el XII hat 8,5 m Durchmesser and ist 1,25 m hoch,
■el XUI ist der imposanteste aller von mir besichtigten Hügel. Er
m nordwestlich vom Hügel XU, an einer sehr aasgezeichnelea 8t
1 auf einer Art Torgebirge (Pig. 24), das nach Nordwesten, Norden
n hin abfällt; namentlich ist der Abfall nach Nordwesten bedeat
nach dieser Richtung hin schliesst sich ein Thal an, dessen Grand
md ein Wasser einnehmen. Dieser grdsste von allen Kehrberger Hll
1 Basisdurchmeaser und ist 2,3 m hoch. Da er nicht nur durch ■
sondern auch durch seine hervortretende Lage besonders aosgeceiclmel
I vermathen, dass er zum Denkmal für eine besonders hervorragende
nt oder Familie errichtet ist, and es dürfte deshalb seine üntersachaof
! der Wissenschaft sehr zu empfehlen sein.
hier beschriebenen Arbeiten an den verschiedenen Hügeln sind, da n
T Zeil ausgeführt werden muasten, keineswe.gs erschöpfend, und ddi
(272)
FiguT 26.
OL ■; ; .-
;z2:
■W^Ux.
Hügelgrnppe D. 8 : 4000.
Ezo dieser Gruppe. Diese Hflf;el^rä
vom Gute, etwa 700 m westlich von der
nitten des genannten Waldstückes. Dil
r bei 0,60 bis 1,10 m Höhe; sie sind i
ten nach Südosten gnippirt, derartig, das
an den Enden liegen. Ihre Oberfläct
! liegenden, da die Zwischenräume z^
and gefüllt sind, als dies bei den ttbrigt
aach die Oberfläche mit einer Gras- i
im Felde liegenden nur zum Theil der
;in runder HUgel yon 7,5 m Basisdurchn
en sich wiedemm in einer gewölbeartig
er ich noch einige Steine der Umfassun
Es waren ziemlich flache Steine, welch
nden. Die darüberl legenden, eine Art
m. E. Langhoff entfernt worden. Der
lohle etwas über Teirainhähe; die Zwis
;n mit Lehm aasgefUlIt, welcher in der
pe nicht ansteht, also absichtlich herbe
lg, der zum grossen Theil noch in urs]
le ausgehoben, doch bis zur Tiefe toi
n. Darauf wurde ein Graben von 8l
len, aber bis znr Uitte des Hügels nur
te. W^en Arbeitermangela und wegen
on eingehenderer Untersuchung abstehet
I von dieser Ilügelgruppe, etwas gegen N
' Umgebaog der Hügelgruppe D zwei 8t<
t schmalen „Riesenbetten" haben. Wei
kleiner siiid,
nnterlasseii, d
ihre Entatehm
lange Betten
iannen gegen
breit; die sc!
anft^cht stehe
eine 3,5 m la
zerstörten Gn
gleichfalls ein
Steine fehlt. ,
raun eine 17
und 15 m sfld
Nordwesten t
durcbmesaer.
liegt ein groi
Steinen, welcl
einer eingestti
und mit letzte
und 16 »1 när
gegen Südost«
östlich vom V
schuttung mil
Gründen nicht
aufkommen I:
der aus kleir
gröascrer, zun
regelmässig, o
unter den Stc
nächst der U
ihnen bemerk
langen Steinsc
Hüaenbettcn i
Grenzsteine r<
Breite sehr wi
thun hat, welc
wobei die gri)
neben dem Fi
Ausser d(
Kehrberg nah
kleinen AnbÖh
9 Hügeln (Fi^
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Dache Steinscl
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HögelgTDppe B. 3 : 4000.
ige) XIX (Fig. 27) Würde zuerst antersnchL Er war rund, hatte 5,5 n
rchmesser and 0,70 m Höhe. 24 an der Peripherie spitz gestellte Steine,
)ch nnr wenig Über die Oberfläche des HUgeU herrorragteü, bildeten einen
im den Hügel. Es wurde Ton Osten her ein 2 m breiter Graben in den HOgel
n. Nächst der Oberfläche stiess man zunächst auT eine 25 — 30 an starke
kleinerer Steine, zwischen denen etwas Östlich von der Mitte einige Knochen-
and etwas Kohle gefunden wnrden. Unter dieser Sleinschicht lagen grössere
In der Mitte des Hügels wurde nichts von AlterthUmem gcrunden, wohl
n westlich Ton der Mitte eine Steinsetznng und darin eine zerdrückte ITme
cinirten Knochen, welche mit auf den Gntahof genommen wurden. Nach
ocknen fand ich beim Sieben der Knochen mit einem feinen Siebe ein
en einer Bronzenadel, sowie zwei StUcke eines eisernen Messers (Fig. 2H).
die Urne stehenden und über dieselbe gedeckten Steine (Fig. 27) waren bis
n lang and bis 38 cm breit und dick. Die Umenscherben waren durch den
der Steine leider in solcher Beschaffenheit, dass trotz soigfältigsten Anf-
tller Stucke die Ume nicht zusammengesetzt werden konnte.
mir wegen der Ernte nur zwei Leute zu Verfügung standen, musste
\ der Untersuchung grüsscrer Hügel Abstand nehmen; ich wählte des-
i nächsten den Hügel XXV (Fig. 29 bis 32), welcher nnr etwa 70—75 em
■rrain hervorragte, während sein Basisnmfang auf der oben erwähnten
amen Steinachüttung nicht genau festzustellen war. unter einer etwa
itarken Schicht kleinerer Steine von etwa 10 em Durchmesser fand ich
s flachen Steinen zusammengesetzte Steinkiste (Pig- 30 and 31), welche
I durch die Lost der darüber ruhenden Steine, wie durch andere Ein-
zerdrückt nnd verschoben war, in der Weise, wie Fig. 30 Qnenchnitt,
'. 31 Gmndriss zeigen. Die Vandsleine waren nicht nur oben nach innen
t, sondern anch in ihrer horizontalen Lage verrückt; der Bodenstein war
nach Westen geneigt Auf letzterem stand eine zerdrückte Urne mit cal-
Knochen, zwischen denen beim Aussieben nach dem Trocknen ein Bnich-
m einer Bronzenadel gefunden wurde, sowie ein weisser Kiesclalein 6 cm
an breit, 2 cm dick. Die Scherben konnten leider ebenfalls nur zum Theii
engesetzt werden. In der nordwestlichen Ecke der Steinkiste fanden sich,
über als die Urne gelegen, Scherben eines kleinen zierlichen Gefässes ans
Thon mit Verzierungen, 8,3 «n hoch, 4,4 cm im Boden, 9 cm oben, 11 i«
weitesten Stelle breit, welches wieder zusammengesetzt werden konnte
). Die Steinkiste war nicht mit einem oder mehreren Steinen bedeckt, wie
(276)
Tigra 34. dringen wnrde ösUich von der 1887 ge-
rnndenen Steinkiste (Fig. 20, 32, 23) in
gleicher Höhe eine Steinidfite gleicher Con-
Btmction, doch sehr zerdrttckt, gefunden,
und in dieser eine Urne mit QuerßUte-
lung und Deckel, welche im Unseum zu-
sammengesetzt worden. Die Urne (Pig. 34)
ist 27,5 em hoch, 11 cm im Boden, Iti m
oben, 29 cm im Bauche breit und hat
zwei kleine Henkel. Der Deckel (Fig. 34a)
6 an hoch, 17,5 cm oben weit, ist als
Deckel für diese Urne besonders ange-
fertigt, wie seine Form zeigt, da er gensn
Aber den Hals greift und ausserdem keine
^ Standfläche hat, also nicht als Schale ge>
dient haben kann. In der Urne wurden
zwischen den Knochen drei schwarze sand-
steinartige Stücke gefunden, die anschei-
nend mit organischen Stoffen durchsetzt
7ig (Hügel X) waren. Eine in der Flamme erhitzte Probe
hielt als Stück zusammen, brannte nicht,
roch aber nach BirkeDthecröl (Jachten). Es dürften deshalb diese Stucke als ein mit
Birkentheer oder Birkenharz durchsetzter sandiger Lehm anzusehen sein. Nahe der
Mitte des Hügels wurden bis zu 1 m von der Oberfläche desselben an mehreren
Stellen einzelne Scherben, Feuersteine und Feuersteinsplittcr mit Schlagmarken, ge-
brannte Knochen und KohlenstUckchen, anscheinend von Kiefern und Eichen, gefun-
den. Von weiterer Anfgrabung des Hugels, die bei seiner Grösse sehr zeitraubend
gewesen wäre, musste ich abstehen und schritt desshalb zur Probeaufgrabnng des
HUgels Xll. Dieser HUgel hat 8,5 w Durchmesser und 1,25 v, Höhe. Ein von Süd-
osten her eingetriebener Graben stiess 1 m südöstlich von der Hitte, etwa 2b cm unter
der Oberfläche, auf ein Häufchen Scherben und Knochen,
Figur 35. yon ersteren einige, und zwar Fragmente einer Urne und
einer Schale, in gleicher Weise verziert, wie die Fig. £2
und 2'6 des ersten Berichtes. Sodann wurden in der Hitte
von 0,5 bis 1,25 m Tiefe, regellos zwischen den Steinen
verstreut, Knochen und Scherben gefimden, darunter stark-
profllirte B:andstücke, zwei Stücke ron Henkeln, Bauch-
'I m- I TTT^ theile verschiedener Gefässe, auch sehr dünnwandige Scher-
'• ^ bell eines kleinen, hübseh verzierten Gef^ses (Fig. 35),
Durch diese Funde ist auch Hügel XH als Grabhügel gekennzeichnet.
Ausser den bis jetzt fcslgestellten 5 Hügelgruppen sah ich auf kehrbergcr
Feldmarii noch mehrere Einzelhügel am Westabhange des Kiebitz-Beiges, 2 ha
nordnordöstlich vom Gute Kehrberg, sowie einen zwischen den Gruppen C und E,
doch konnte ich bisher noch keinen derselben untersuchen.
(13) Hr. Ed. Krause überreicht einen Bericht über ein
Gräberfeld nnd HUgelgrab zn Milow, Kreis WestpriegnitE.
In Seddin erhielt ich im Juli 1888 von dem Oensdarm Schlei ans Perieberg
lie Nachriebt, daas der Qastwirth 1
ein aeaeg Gräberfeld entdeckt an
nnd aufbewahre, weshalb ich mict
ron Milow liegt dicht beim Dorfe
länger« Zeit bekannte Gräberfeld,
und Altertbtlmer gefonden worden
Prediger Handtmann, Seedorf bi
uithropologischen Oegellschaft, 181
Berliner anthropologischen Gesell«
II.Angnst 1886 veranstaltete Ansai
sehr interessante Pandstttcke von Mi
Hohlkoopf, welche dem Röniglichf
Berrn Dberprediger Paschke in
S. 4M mid 430). — Die Pnnde die:
der darauf folgenden römischen 2
mich auf der Fahrt nach Hilow.
diesem Frlihjahr beim Kiesgraben (
^fässe, sowie eine Keibe von Beig
Pibel, Glasproben, Bronze-Ohrbomi
Art, sowie eine Anzahl eiserner G
mit broneenem Uohlknopf, der ini
Riemen verziemngen haben die in der i
stehenden Zeichnung wiedergegebene
Dieselben waren, wie zwei durch C
tion zusammengefrittete Exemplar
weisen, in nebenstehender Anor
Ein einander gereiht. Diese Altert
erhielt ich von Herrn HadauBS a!
schenk fUr das Museitm.
Die Besichtigung des Gräberfeli
Dach im Erdboden, so daas die mei
zerstört sind. Der Boden des Gräb<
und grösseren Steinen durchsetzt,
Sonde unmöglich ist, das AufSndi
mnaa. Wir gruben am Bande eine
funden wurde, dessen Oberflüche
mit einigen schmalen senkrecht t
sehen iat. In den Leichenbrandrei
Fragmente einer eisernen Nadel,
femt, war ganz zerbröckelt.
Hügelgrab bei Hilow. Hr.
an der anderen Seite der Fahrstras
100 Schritt Ton diesem entfernt, fri
vor ungefähr 30 Jahren der Steine '
in einer gewölbeartigen Steinkiste
Bronzesachen, damnter, seiner Er
Schwert, ein Hohicelt, ein Halssct
and eine Nadel, sowie mehrere ^
zerschlagen worden, die Bronzen a
(278)
'14) Hr. W. Schwartz zeigte einige phantastische Thenfigaren t
!Oem Höhe ror, die menschliche Körper in sitzender Stellung mit Thie
en nnd meist tiber der Brust verschränkten Armen darstellten und in grel!
e mit den verschiedensten Farben betnptl nnd bemalt waren. Hr. Schwär
te daranf anfmerksam, ilass, wenn man nicht die Heimath der betreffend
en wisse, nnd sie nicht „berücksichtige", man die mit Eberköpfen ti
len für Darstellung der bekannten Eber-Inkarnation des indischen Wisch
n könne, von dem es ebensolche Figuren gäbe. 80 seien sie aber aas Tc
nnd wenn man den Rücken ansähe, bemerke man, dass es etwas kolosw
in för Kinder seien. Es sei wieder ein Beispiel eigenthflmlicher Volksindustr
lie dort noch zu Weihnachten gepflegt werde. Er werde die F%nren an
hiesigen Trachtenrnnaenm überweisen. Dieselben worden bis auf die An
irmen gegossen. Jene anzusetzen, sei Sache der Lehrjungen, and so sprec
denn auch in den verschiedenen Stellnngen derselben bei den einzeln
«D ein indiridueller Humor aus.
|15) Hr. Bartels legt Photographien der mittelamerikanischen Micr
alen vor, welche unter der Bezeichnung
Azteken
;rholentlich in Enropa gezeigt worden nnd welche jetzt in Caatan's Panoptici
stellt sind. Sie sind von Carl Gtlnther photograpbisch anrgenommi
mo steht im Anfange der .'iOer, Bartola am Ende der 40er Jahre. E» si
Ihen, welche bereits im Jahre 18Ö5 in BerUn u. s. w. gezeigt und damals v
. Carus besprochen and abgebildet worden sind (Berichte Über die Vi
langen der Rgl. Sächsischen Gesellseh. d. Wissenschaften zu Leipzig, Mathe
Glasse I. Leipzig 1856).
tfan hat nnn also die Gelegenheit, sich von den körperlichen Veranden
zu flherzeugen, welche sich hei ihnen im Laufe der Jahre heransgestt
9r. B.. Hartmann: Die sogenannten Azteken lassen sich schon seit eit
e von Jahren an verschiedenen Plätzen der civilisirten Welt sehen, umwob
einem Dunst der eretaunltchsten nnd unglaab würdigsten Sagen. Letzt4
bereits za Beginn der IS.Wer Jahre in einem, Sr. Hobelt dem Prinz
■t gewidmeten Klei noctav bändchen niedergelegt, welches den Titel Hifa
itrirte Denkschrift einer wichtigen Expedition in Centralamerika, aas (
Entdeckung der Götzenstadt Iximaya in ciaer ganz unbekannten Gc^
iigeht" u. s. w. In dieser schlecht ilJuatrirten Broschüre wurde unter eini
gen Wust der allcrgröbsten und langweiligsten Lügen berichte ^angegcb
die als Azteken gezeigten „ lili putisch en" Wesen, Maximo der Mann, u
ila das Weib, als letzte Sprossen eines halberloschenon, — natürlich el
ans semitischer Gegend, aus Assyrien, nach Centralamerica (San Salradi
^wanderten — Stammes in dem fabolösen Izimaya vom Volke in Lit
Verehrung gehalten worden sein. Die kleine Statur der Lilipuler solle t
ich in Folge einer körperlichen Degeneration, bei stetiger Schliessung v
'andtschaftsehen, sich heraosgcbildct haben. Eine ans Mexicanem and Tankt
nmengesetzte Gesellscliaft Desperados soll nun Iximaya in aller seiner V
theit entdeckt, die Lilipater Maximo nnd Bartola unter vielen Gefahren 1
oken in sein Panopticom einladel
en Indiridnen im Jahre 1866 onter-
1 der ßiteiing der Qesellschafl Tom
lüde TOD Kamemn.
Auf einer Expedition, welche
Hr. Lieat. Morgen in das Ober-
land hinter Kamemn aosltlhrle
nnd bei welcher er den Ubam-
Flara entdeckte, kam er aach za
einem Häuptling Ngila. Der hier
anwesende Knabe, Tongo mit
Namen, iat angeblich ein Neffe
dieses Häuptlings. Er wnrde so
seiner Emebong nach Berlin ge-
bracht nnd befindet sich gegen-
wärtig hier unter der Obhnt des
Hm. W. Wesscl, der die GDte
gehabt hat, ihn mir Enznltthren
und auf meinen Wunsch durch
Herrn Carl Günther Photogra-
phien von ihm aufnehmen sn
lassen. Dieselben werden in
autotypischcr Verkleinerung hier
wiedergegeben.
Der auf 12 Jahre geschützt«
Rnabe bat im Allgemeinen die uns
bekannten Eigenschaften der
Dnalla, zeigt aber manche Eigen-
Ihtlmbchkeiten, von denen es da-
hingestellt sein mnss, ob sie nur
individueller Natur sind, oder ob
sie eine locale Variation des dor-
tigen Stammes ausdrücken.
Besonders auHallig sind die
entschieden gelben, genaner
orangefkrbenen Töne, welche in
seiner Hautfarbe herrortrcten. Er
zeigt an der Wange äh Rodde,
in der Mitto der Wangen sogar 51 ;
die sehr blassen Läppen haben 5c.
Der Hals ist sehr dunkel, mehr
grau, 33 g, ebenso die Hand 33 i, k
und der Ann 33 i, k, jedoch tritt
auch hier überall beim Anziehen
der Haut ein gelber Cntergnu»)
hervor.
veranschlagen dttrfen. Jedenßüls winl man die Doalta, im Gegensätze
. nördlicheren Nachbarn an der Westküste, nicht zu den Dolicbocepba
len dürfen. — Hypsicephalie scheint die Regel bei ihnen za sein.
Was den Qesichtsindex betrÜTt, so hat nur Tür 4 and der männliche Schä
1 leptoprosopcn Index eigebcn; im üebrigen ist Chamaeprosopie Regel- 1
ihteindex ron Tongo (74,0) stimmt ziemlich genaa mit dem seines Alte
ssen Änju (75,0).
Crrössere Differenzen treten bei dem Nasenindex hervor. Derselbe ist hyp
rrhin bei den beiden eben genannten Knaben: 107,3 bei Tongo, 111,4
. Ihnen steht der weibliche Schädel (Verb. 1887. 8. 333) am nSchsten. Jcd<
cht der Index anch bei dem 19Jährigen N'Gangc (Nr. 2) 97,6 nnd bei d
irigen Ssopi (Nr. 3) 93,7. Wie es scheint, ist die kindliche Nase mehr ni
liebem Typus gebaut.
Dnalla
Horiiontalnmfang
GrSsflte boriiontale Länge
, Breite
Ohrhöhe
üehörgang bis Naaenwurael
„ NasenaoBBlE
, , Vorspning der Oberlippe
Stirobreite
Gesicht, Höhe A
Breite a
OrbiUliÜGtsnz inoen ,
Nase, Hübe .
, Breite
. Klevaliur
Miinil, Länge
Ühr, Hshc .
KörperlSofe .
Klafterweite .
n. Berechoete ladices.
Llngenbreil«mDdei - .
Lfingen-OhrhShenindei .
Oerichtiindei . . . .
Naseniadei
74,0
107,3
(284)
chtsbildnng ist niiTerkennbar, indess ist dieselbe nicht so gross, da&s sie o1
«res zu der Annahme einer rerechicdenGn Abstammung führen mdsste.
Der kleine Bursche ist inzwischen von seiner Krankheit genesen, sieht a
angegriffen und hinfällig aus. Seine Hautfarbe ist viel heller, als man
en sollte, und sein etwas hageres Gesicht, gleichwie die Nase, hat eine m
liehe Form. Immerhin tritt bei seiner Betrachtung eine gewisse Analogie
Dualla-Knaben hervor nud man begrelR, dass viele Beobachter die \
idenheit der Helanesier und der Afrikaner geradezu in Abrede stellen.
Leider ist die Herkunll des Knaben bis jetzt nicht festzustellen geiFesen.
it hat nur zu erzählen gewusst, dass sein heimisches Dorf eines Tages du
de Eingeborne, die in einem Ganoc gekommen, ttberfallen und zerstört, sc
'n und Verwandten getädtct seien, und er selbst weithin Ufaer das Heer a
Britannien verschle[)[)t worden sei, wo er unter Anderem an einem Bchma
Menschen II ei seh habe tbeÜnebmen müssen. Wo seine heimathliche Insel li
wie sie hcisst, weiss er nicht anzugehen. Auch die Hissionärc, welche 8(
hinng für wahr halten, haben keinen Anhaltspunkt ffir die geographische
nong seiner Heimath gefunden.
Es ist ein Umstand vorhanden, der eine Art Ton Hinweis enthalten köni
T seinem dichten, spiralgelockten Haar fOMt man eine so ungewöhnliche .
ang und Steilheit des Hinterhauptes, dass man, meiner Meinung nach, auf t
stiiche Deformation zu schliessea berechtigt ist. Die natUrLche Wölbi
Hinterhauptsschnppe ist fast voUständig verschwunden. Nun ist klinstit
innation an sich keine häufige Sitte unter den Insulanern der melanesischen i
nesischen Welt. Ich habe bei einer Mheren Gelegenheit, in der Sitzung i
^ebruar 1884 (Verh. S. 153), darüber gesprochen und die beiden Hauptformen
irniation, welche dort vorkommen, eingehend geschildert. Die eine derselt
he der peruanischen Vertängerung des Kopfes mit Znrttckdrängung der S
iricht, ist eigentlich nur von HallicoUo auf den Neu-Uebriden bekannt; sie ist
reu Fall unbrauchbar. Die andere, bestehend in hinterer Abplattung, wird
ntlich von Bamard Davis (Thesanr. craniomm p. 311) von Tanna, Nen-Hebrii
einmal (p. 308) von Neu-Caledonicn erwähnt; er hält sie jedoch (Ur mehr
l, als Folge zu langen Drucks beim Liegen. Ich selbst konnte eine zweite
ititchc Deformation dieser Art von Niue (Savagc-Island) zeigen. Aber alle
>tcn Inseln sind so weit von Neu-Britannien entfernt, dass nicht daran
:cn ist, dass ein Canoe aus unserem Schutzgebiet eine Fahrt bis dahin h
mehmcn können. Wohin sollen wir also unsere Blicke wenden?
Unsere Sammlungen sind ungemein reich an neubri tan ni sehen Schädeln. A
::rinnere mich nicht, auch nur einen einzigen mit hinterer Abplattung dami
heu zu haben. Es scheint daher, dass wir auf irgend eine der noch weni
jmlen Nachbargmppen hingewiesen sind. Zur Noth kannte man an
mons-Inseln oder noch eher an Neu-Irland (Ncu-Meklenbniy) denken, jed
von der ersteren bvtz der grässcron Häufigkeit von dort stammender Schi
europäischen Sammlungen nichts Analoges bekannt und die Kraniologie
Irland ist erst zu machon. —
Hr. Joachim Graf Pfeil: Da uns Thatsachcn ttbcr die. Herkunll des
befindlichen Knaben nicht vorliegen, so sei es mir gestattet, einige '^
lungen auszusprechen, auf welche mich Hautfarbe, Haarwuchs und Geud
hinführen.
in der Beme
neigen, dass die SaJomor
ort des Knaben nicht ai
Der Knabe soll aul
eine lange Seefahrt iht
aber mit den Bingeborer
die Salomons-Inseln sine
grade), dass hierdorch c
Bewohnerii ansgeschloss
könnten nie eine bo gr<
wegten Ocean amfUhren
Die Einwohner der
sind, soweit wir sie k
färbe; ihr Haar ist nii
glänzend, locker, fast sei
eingedrückt, die Lippen
mns, die Backenknochei
entwickelt.
Abgesehen von alk
Entfernung der Salomon
geraubt worden sei.
Anders liegen die V
nicht BO weit ron Neu-
zwischen den Inseln sta
[rliindischen Ganoea, gern
Hanoes ans Neu-Pommei
^ doch thnn, nehmen
Ivanen bnrg".
Ana dem Theile Ne
licht stammen. Wir ken
leinen ganz rerschieden.
Aber auch die Einv
ind andersgeartet, als d
i*rolUe sind schärfer, ch
brmationen des Schädel
ler mnthmaaas liehen Lebe
lach diesem Ende Neu-Irl
in Lande bekannt gewori
Wollen wir, aof Gnu
eine lange Seereise ihn
lieh ebenfalls in das Bi
lerechtignng habe, als un
nbekannt sind. Ich will
an den Admiralitätsinsel
Mieden an den Typns d
Wenngleich ich diese
errorheben, was mir das
ilbst fahren die Einwohnt
e sich in ihren Ganoes an
wir EWRr nichts PositiveB über die Einwohner NeD-Pommerns,
denen, welche die Qazellenhalbinsel berölkern, allein die flficl
\, welche wir hie und da in anderen Theilen mit ihnen angeko
nna, daaa sich die Bewohner ans den Terschiedensten Eleme
len.
re, die mit ihren Booten lange Fahrten längs der Küate nntemahi
m sie in der Nähe der Henry Reed Bay anr Eingeborene sehr hi
atossen seien nnd mit diesen freondHchaftlichen Verkehr angekn
einem späteren Beaache sollen die Dörfer niedergebrannt und
ner dunkleren Berölkening in Besitz genommen gewesen sein,
inr noch dunkeirarbige Leute dort getroffen.
r glaube ich, dass, wenn wir davon absehen, dass die in der Erinnei
gehwebende lange Seereise ihn über den offenen Ocean habe fOl
Wahrscheinlichkeit sehr nahe liegt, dass er auf einem Kriegsi
iT der QaEellenhalbinsel gegen die Leute auf der weBtUcheo f
ibert, oder, was noch wahrscheinlicher ist, auf einem solchen gi
r in der Nähe der Henry Reed Bay erbeutet worden isi Auch
iineg Schädels spricht nicht gegen diese Annahme, da wir ja t
sine künstliche Verunstaltung desselben unter jenen VOlken i
I wird. Qesichtsschnitt, Hautfarbe, Haarwuchs, Alles deutet so
gekannte Bevölkerung Neu-Pommems, dass ich mich zu der Anna
1 Heimathsort sei auf dieser Insel zu suchen, was ihn dann su ei
DU uns stempeln wUrde. —
hauss hält dafür, dass der Knabe auch an Neu-Caledonien, nan
Forfolk- oder Pine-Insel, erinnern könnte. Gegen eine solche Herli
ch die weite Entfernung der Gruppen von einander. —
chow hebt noch einmal hervor, dass ein so stai^ defonniiter K
be ihn zeigt, noch nie auf Neu-Pommem gefunden worden sei
Olshausen macht eine
ttheünng Über den alten Berosteüihandel und die Goldftud
te, in nachstehender Arbeit angeftihrte Literatur; gespei
Gedrucktes ist Stichwort für Citate.
1, mikroskopische Beschaffenheit and Schwefelgehalt des Berast
I d. naturf. Ges. in Danzig, N. F. VI, 3, 209; sicilianischer
Bernstein, ebenda V, 1—2, 293, V, 3, 8 nnd Ualpighia, am
i, suir ambra di Sicilia, Sonderabzug p. 1 — 6; Rnm^t, Schrinen
> Znsammensetzung des Ostsee bemsteina, Schriften V, 3, 9; Apenni
3, 1 1 ; Bernstein aus Neeropolcn Oberitaliens und den Prorinzen
nnd Ascoli Ficeno, V, 3, 14; Bernstein aus mykenischen Gräbern
ei Schliemann, Tiryns, Leipzig 1886, 426—432; Succinit und
Harze, Schriften VII, 4; Methode der Bemsteinsäurebestimmung d
tillation, Schriften IV, 3, 214; V, 1—2, 294; V, 3, 13 und nan
38. — A. B. Meyer, Gurina, Dresden 1885, 8. 78 ff. — Stopp
1 Btoria c nella geologia, Milano 1886. — O. Schneider, Zur G
iresdcn 1887 (aus desselben Naturwiss. Beitrüge zur Geographie
;hte). — H. Oonwentz, Monographie der baltischen Benw
[ig ]»»0, Einleitung; Ueber die Verbreitung des Succinits,
(287)
sonders in Schweden und Dänemark (mit Karte), aus Danziger Schriften N. F. VII,
3 (1890). — Rlebs, Bemsteinschmnck der Steinzeit, Königsberg 1882. — Lissaner,
Prähisi Denkmäler Westprenssens, Leipzig 1887. — Schnlten der phys. ök. Oes.
Königsberg (Abhandlungen und Berichte). — de Rongemont, L'äge du bronze
ou les S^mites en ocddent, Paris 1866. — Müllenhoff, Deutsche Alterthumsk.,
Berlin, I 1870, II 1887. — 0. Schrader, Sprachvergleichung und Uigeschichte,
2. Aufl., Jena 1890. — de Bonstetten, Recueil d'antiquit^s Suisses, Beme 1855;
Suppl. I u. n, Lausanne 1860 u. 1867. — Gross, Protohelyetes, Berlin 1883.
— Heierli, Der Pfahlbau Wollishofen, Zürich 1886. — Much, Prähist Atlas,
Wien 1889. — Westdeutsche Zeitschrift f. Gesch. u. Kunst, Trier. — Gompte
rendu Gongr^s intemation. prähisi Gopenhague 1869; Bologna 1871; Stock-
holm 1874; Budapest 1876. — • W. Heibig, Osservazioni sopra il commercio
dbll'ambra, Memorie dei Lincei Ser. 3, vol. I, Roma 1876/77, p 415 — 435 (Sonder-
abzug p. 1 — 21); Die Italiker in der Po-Ebne, Leipzig 1879; Das homerische Epos
aus den Denkmälern erläutert, 2. Aufl., Leipzig 1887; Sopra la provenienza degii
Etruschi, in Annali deir Institute di corrisp. archeol., Roma 1884, p. 108 — 188.
— 0. Montelius, Spännen Iran bronsäldem, in Antiqvarisk Tidskrift för
Syerige 6 (1880—1882) Nr. 3, namentüch S. 105—113, 123—126, 146-180;
Tidsbestämning inom bronsäldem, Stockholm 1885 (als Bd. 30 der K. V. H.
och A. Akad. Handlingar), namentlich S. 144 IT. u. 196. — Brizio, Monu-
menti archeologici della provincia di Bologna, in L'Appennino Bolognese 1881,
Publication des Glub Alpine Italiano, p. 200 ff. — J. Undset, L'antichissima
necropoli tarquiniese, in Annali deir Inst. 1885, p. 5—104. — Munro, The
Lake-dwellings of Europe, London 1890. — Bullettino delT Instituto di corrisp.
archeol., Roma. — Bullettino di paletnologia italiana, Parma oder Reggio
delPEmilia. — Perrot et Ghipiez, Histoire de Fart dans Tantiquite, Vol. I Egypte
II Ghald^e et Assyrie; III Phenicie-Gypre; IV Judce, Sardaigne, Syrie, Gappadoce
V Perse, Phrygie, Lydie et Garie, Lycic; Paris 1882, 1884, 1885, 1887, 1890
Vol. I auch deutsch von Pietschmann, Leipzig 1884, mit werth vollen Anmerkungen.
In meiner ersten Arbeit über den Bemsteinhandel, in diesen Verhandlungen
1890, S. 270 ff., konnte ich, weil dieselbe ohnehin schon ziemlich umfangreich ge-
worden war, manche Verhältnisse nicht berühren, deren eingehende Erörterung,
namentlich im Hinblick auf die für dieses Jahr zu Königsberg in Aussicht
stehende Anthropologen- Versammlung, wünschens werth erscheint Ich komme da-
her hier nochmals auf den Gegenstand zurück.
1) Die Ghemie und die Bernsteinfrage.
Da allseitig anerkannt ist, dass der Name „Bemstcin^^ fossilem Harze zukommt,
welches im ostpreussischen Samlande gegraben oder an dessen Küste vom Meer
ausgeworfen wird, so müssen wir zunächst feststellen, welche Eligenschaflen dieses
Produkt charakterisiren. Hier stossen wir aber gleich auf Schwierigkeiten; denn
nach den Untersuchungen von Helm in Danzig und Anderen liefert das Samland
Yerschiedene solche Harze. Die Hauptmasse derselben, welche auch von
Altera her vorwiegend in der Kunstindustrie Verwendung fand, bezeichnete Helm
als Bernstein; ausserdem führte er noch an: Gedanit, Kranzit, Gopal, Glessit
und ein schwarzes, unbenanntes Mineral (Danziger Schriften 5, 1 — 2, 292; dem
Vorkommen schwarzen Harzes an der Ostsee wird allerdings Malpighia I, p. 2
widersprochen); femer beschrieb Gonwentz Stantienit und Beckerit (Mono-
graphie S. 2). Da nun mehrere dieser letztgenannten Harze dem Hauptprodukte
äusserlich ähnlich sind, so lässt es sich nicht vermeiden, dass der Name „Bern-
stein*^ auch auf sie übertragen wird; chemisch und z. Th. auch physikalisch be-
ll
i
en ihnen wesentliche Unterachiede nnd somit retlieit d.
lein" ihre wissenschaltliche Bedeutong- Bezüglich des Vo
nde kann man sagen: „Bernstein ist ein CollecÜTname fl
ad Gummiharze ans einer bestimmten geologischen Schichi
— Gonwentz und Helm bezeichnen deshalb seit 1886 d
samländischen fossilen Harzes als Snccinit, nachdem mt
itin im weiteren Sinuc so benannt nnd Brogniart denselbc
mmtes Harz der Kreidefonnation gebraucht hatte (Honogr. 3. '.
c. S. 1; Halpighin I. c. p. 5; Stoppani p. 338).
Qsgezeichnet dnrch einen erheblichen Gehalt an Bernsteil
li Helm's Ermittelungen beträgt derselbe 3 — 8, meist 5—6 pCi
en Anstand, auch solches Material, das etwas weniger Säni
, Snccinit identisch anzusehen, so solches ans Gräbem zu S
mit nnr 2,7 pCt und Rohmaterial von Löbschtttz, Sachsen, m
II n. 82). — Der Gehalt an anorganischer Substanz (Asch
Ikerde und Eisenoxyd) ist im frischen Material äusserst gerii
teigt aber dnrch Infiltration bei der Verwitterung bisweik
wefelgehalt, speciflsches Gewicht, Häi1c und Farbe komme
ht, doch sei hier auf Conwentz' Charakterisimng des Min«
b, verwiesen. — Die Bäume, welche den Snccinit ausschiedei
[ich dem unteren Tertiär, dem Eocen, an; gefonden aber wii
nordwestlichen Samlande auf secnndärer Lagerstätte, in d<
Erde, einer Lage glaukonitischen Sandes des Unteroligocei
flngeren Schicht der Tertiärformation. Die blaue Erde lie)
ir Spiegel der Ostsee, und wird daher vom Meere ansgewaachei
auch bergmännisch ab; in ihr finden sich auch die anderei
nsteine. Uebrigens ist der Snccinit in Nordeoropa sehr we
i wohl, weil das succinitf Uhrende Tertiär früher eine grOnei
uccinithaltiger Grünsand bei Eberswalde n. s. w.), z. Th. ab
ansport mittelst des Eises. Er verbreitet sich daher auch i
ten als Geschiebe so weit, wie die nordischen Geschiebe tlbei
□zufolge zu den charakteristischen Bestandtheilen des Geschieb«
seinem ganzen Gebiet. Westlich fand man ihn an der KUsI
ichen England imd nach Evans Bronze Implements, Londo
lab südlich der Themse, sowie bei Scheveningen in HoUam
m den Abhang der mitteldeutschen Gebirge (Schlesien, Könij
ich wahrscheinlich bis nach Raltschedansk unfern und ö«
rg am Ostsbhange des Ural, also sehr weit östlich (nicbt sOt
□ tz sagt), nördlich bis nach Finnland. Da aber die ältesl
:h ausgiebigste Lsgerstätto sich an der Ostsee findet, so nannl
TrUhcr „Ostseebem stein". Will man jetzt alle hierher gehörigej
ropa gefandenen Harze zosammenfassen, so möchte es ai
eher Bernstein" zu sagen; denn, wie Snccinit, trifft man auc
lem Gebiet ausserhalb des Samlandes, so Glessit an der Son
rnts („Verbreitung" S. 3 Note' 6) and ein noch nicht vollsländi
1 Eocen des Londoner Beckens (ebenda S. 4). Diese andere
iden Übrigens quantitativ alle gegen den Snccinit Sic untei
ihm wesentfich durch den Mangel an Bernsteinsäur«
'heil auch sonst völlig ab; am äbnltchsten dem Succinit sin
(289)
Es finden sich nun dem Snccinit änsserlich ähnliche, fossile Harze in Europa
auch noch an vielen Orten ansserhalb des nordischen Bereichs und in anderen
geologischen Schichten, ebenso auch ansserhalb Europas; man kann daher mit
Conwentz, Monogr. 8. 1, noch allgemeiner, als oben geschehen, deftniren: „Bern-
stein omfasst eine grosse Menge von fossilen Harzen und harzähnlichen Körpern,
welche nach ihrer Abstammung und Bildung, sowie nach ihrem chemischen und
physikalischen Verhalten verschieden sind.** —
Pur die Archäologie von besonderer Wichtigkeit sind die Vorkommen in
Italien, sowohl an den nordöstlichen Ausläufern des Apennin von Keggio und Bologna
bis an^s adriatische Meer bei Kimini, als auch auf Sicilien, wo es zahlreiche Fund-
orte giebt, theils auf fester Lagerstätte, theils im Qeröll der Flüsse (so des Simeto)
und sogar an der Meeresküste, namentlich bei Catania. Capellini sprach nun
die Ansicht aus, gestützt auf äusserliche Aehnlichkeit, dass in den ältesten Zeiten
in Italien nur einheimischer Bernstein verarbeitet worden sei (so auch zu Villa-
nova, ja sogar noch zu Marzabotto); erst später habe man, der Nachfrage zu ge-
nügen, auch nordisches Material bezogen (in diesen Verhandl. 16. Dez 1871 und
15. Juni 1872; Congres Stockholm p. 799—800, 807—809). Die Richtigkeit dieser
Vermuthung konnte nur durch genauen Veigleich des Materials der Gräber mit
den natürlichen Bernsteinen verschiedener Herkunft geprüft werden. Helm hat
sich dieser Aufgabe mit grosser Ausdauer gewidmet; die Tragweite seiner Unter-
suchungen zu ermessen, ist es nothwendig, etwas naher auf die chemische Seite
der Frage einzugehen.
Nach Helm: Notizen über die chemische und physikalische Beschaffenheit des
Bernsteins, Archiv der Pharmacie 1877 Bd. VIII (Bd. 211 der ganzen Reihe) ist
die Bernsieinsäure im Succinit fertig gebildet (denn sie kann ihm mit alkoholischem
Natron entzogen werden), aber nicht frei (da Succinit im Allgemeinen nicht sauer
reagirt)*), sondern gebunden und zwar an organische Substanz, weil ja mine-
ralische Basen nur in Spuren vorhanden sind (S. 238 und 242). Mit alkoholischem
Natron, also auf nassem Wege, erhält man aus dem Fossil 3,2 — 8,2 pCi Säure
(wasserfrei gedacht, C,H4 0,) = 3,7—9,4 (richtiger 9,6) Hydrat G.E^O, (S. 239);
die trockene Destillation des Harzes liefert 3 — 5 pCt. Hydrat oder, nach späteren
Angaben Helm's, 3 — 8 pOt. Hiemach scheint es nicht, als ob bei der Destillation
selbst noch ein Theil Säure gebildet werde. Döpping glaubte, durch Oxydation
des Succinits mittelst Salpetersäure die grösste Ausbeute an Bemsteinsäure zu er-
halten, Annalen Chem. Pharm. 49, 350; er erzielte 8,33 pCt. und, da, nach Helm
S. 240, nur verwittertes Fossil die von ihm angegebenen höchsten Ausbeuten
lieferte, frischeres aber geringere, so scheint es in der That, als ob beim Behandeln
mit Salpetersäure gewisse Bestandtheile des Harzes erst in Bernsteinsäure um-
gewandelt würden. Indess sind zur Sicherung dieser theoretisch wichtigen Beob-
achtung doch noch eingehendere Versuche nöthig. Wenn sie richtig wäre, würde
man die Zunahme des Gehalts an Bernsteinsäure bei der Verwitterung ebenfalls auf
eine Oxydation gewisser Harzbestand theile zurückführen können. Helm denkt aber
auch an die Möglichkeit einer Fortführung der säureärmeren Bestandtheile
bei der Verwitterung, so dass die Zunahme der Säure im Rückstande nur eine
1) Nor einzelne Sorten andorcbsichtigen Bernsteins (sog. Knochens) zeigen, gepulvert,
saare Keaction, von einer ganz geringen Menge freier Bemsteinsäure und etwas Schwefel-
sftore herrührend, welche letztere durch Oxydation des im Succinit vorhandenen Schwefels
entstanden ist. Nach Helm S. 238 enthält die mit Wasser wieder gefällte alkoholische
Lösnng des Harzes ^eine Spur freie Bemsteinsäure*".
Verhuidl. der B«>rl. Anthropol. QeMlUchaft 1891- 19
(290)
- Beachtenswertb ist ferner, dass bei sehr starker V
it bedeutender Infiltration von basischen Äachenbestai
n Sänre bei trockener Destillntian wieder abnimmt, wf
Ton Schwerelsäure (bis zu 5 pCk) die an diese Basen g
vorher frei macht (Qurina S. 84). Dies beobachtete He
aus mykenischen Qräbem untersucht«, mit einem Äachi
Die Beatimmang des Säuregehaltes fuhrt Helm fast st
tiuu aas, da die mit alkoholischem Natron sn nmstäi
■deuropäischen Bernsteinen nun Ueferten nur ein galiziscl
e ähnliche Menge Säure, wie der Sncdnit, nehmlich eratei
-, nach Helm's neuesten Bestimmungen, vier Terschiedei
,2 pGt. Dieser mmäniscbe ist von allen fossilen Harzen di
doch weicht er in seinen physikalischen Eigenschafl
na ihn bestimmt davon zu unterscheiden; Uelm bcnci
ilizien lässt Helm die Frage, ob dort echter Sncciuit vi
aänrehaltige Material findet sich bei Lemberg. In beid
^ens auch säurefreie Bernsteine, so in Rumänien schwärzt
iccinit stellte sich femer heraus Bernstein aus Bähmi
:h, Oberitalien (4 Proben von 3 ü^dorten der Elmili
lanien, desgleichen solcher vom Libanon (bei Saida, di
alles weitere Rohmaterial, das bisher zur Untersuchu
. enthielten entweder garkeine Säure, oder nur gcriii
che z. B., der durch seine Farbe nnd Fluorescenc aus^
leim nach dem FInsse Simeto „Simetit" benannt wur
e bei S verschiedenen Proben 5 mal keine Bemsteinsäu
1,15 pGt. und 1 mal 0,4 pCt., bei einem Aschengehalt v
much lässt sich bestimmt sagen: wenn unter prähistoi
it gefunden wird, so muBS derselbe, yon Qalizi
- Herkunft sein. Es bleibt dann nur noch zu e;
lile des nordischen Gebietes er angehört; das ist at
hem Wege nicht möglich, sondern höchstens auf archi
umgebehrt ein in den südlichen Ländern gefundec
m oder -armem Bernstein, so ist dieser vielleic
Solche Fälle sind jedoch äusserst selten; nur ein
m; aber hier bandelt es sich nm ein römischeB, al
ia, Prov. Parma; Gnrina') 8. 61 o. 83), das fllr Cape
weist. Und völlig ausgeschlossen ist selbst hier die n<
ovenienz nicht, da ja derartige Harze auch im Samlan
Nordsee vorkommen und sich neben dem stbirebaltig
und Rumänien finden. — In allen anderen Fällen liefert
chen and historischen Fundstellen Material, das mehr i
tzt auch nurdiBcher Sncciuit verwendet nnd verkanft wird, i
lüde durch Helm bogt&tigt Wenn Sehneider, S. 196 Note *
1 Kom berichtet, dus ein Import von Bernstein in Siciüen nie
dfm eine briefliche Hittheüung Helm's, wonach er aut d
n<:iger Kaufmanns das ü«gentheil nachweisen könnt«.
' iwar nnr prlhistorischen, nicht rSmiscbea Bernstein in Betrat
1), doch entstammt sowohl der von Bedonia, ah dar von Hon
lull, di |ial. 18IJ6, p. 44 Note 4 und p. 46).
(291)
>,4 pCt. Säure, d. h. mehr als den Maximalgel
lieaer Grenze allerdings noch ein StUck ans (
1er älteren Gräber sa Bologna mit 0,85 pCL
mmerhin als zweifelhaft betrachten; die Ul:
ind wenn Strobel, Bull, di pal. 1886, 46 am
ler bronzezeitlichen Terramare von Gustion
llonticelli, beide in der Prov. Panna (Gurtn
licht als nordisch ansehen will, weil sie untei
ileiben, so ist doch der Abstand von dem ita:
)beritalisGhen mit nur Spnren Säure, noch t
Uebrigen ergaben StHcke aus ober- und mitte
ind der späteren etniriachen Epoche (s. Cap. i
ange Tergeblich gesuchte Bernstein aus Orä
;A. B. Meyer in Bull, di pal. 1887, 23); eine
lu Mykenae, mit Schwefelsäure destiliirt, 6 pCt
lell nnd hart, wie dies nur bei Succinit vi
3räbem der Österreich lachen Länder lieferten
lach wUrde man also annehmen dürfen, da:
lahmen, der Etematein der alten Fondstätten
dessen Charakteriairung ein hoher Gehalt ai
ftber gerade bezOglich des Materials ans Qräl
Heyer. Wenn im Succinit die Menge de
wird, nach Döpping's Versuchen durch oi
and nach Helm unter Aulbahme von Sauerste
seitigem Verlust von Kohlenstoff, Wasserstol
V, 3, 9), so liegt es nahe, auch hei saureari:
bei der Verwitternng zu vermuthen. Der freii
über den fossilen Lagurslätten würde denaell
Meyer an LembergerRohbemstein, welchei
einen wesentlich höheren Säuregehalt annehm
mehr Inflabschliessendem Thon sich fand ((
bedürfen indeas noch der Bestätigung, Uel
genügend aufgeklärt, und ob man eine beim
allgemeinem nnd ohne Weiteres namentlich a
darf, iat ohnedies fraglich. Anch gelang es I
Bemsteinsäure im Laboratorium so zu oxydi
Säure entstand (Gnrina S. 82 n. 84; Bull, di
noch wichtiger halte, Apenninen-Rohbernste
ganz in's Innere hinein verwittert war
als anderer von ebenda in besserer Brhaltu
Nr. 2 u. 3). während umgekehrt nach Stoppa
Funden Italiens reich an Säure ist, selbst t
und durchsichtig ist — Mit der Verschiedenh
endlich bat es eine eigene Bewandniss. Me
Dr. Weitz in Aachen; für den Bernstein aus
Helm aber 5,01 pCt., während die Reaultati
ans Sandstein gut übereinstimmten (3,45 pGt.
hält nnn im ersteren Falle die Weitz'sche Ai
Es iat aber auffallend, daaa Weitz anch sonst
beuten erzielt«, als Helm; so fand er für pri
1,55 pGt. nnd Itir Kohbemstein von Berlin 3 pCt, Helm dagegen 4,8 und 4,9 pCt.,
ganz ZQ schweigen von einigen anderen Fällen, in denen Weitz einen niedrigen
Stiuregeholt feststellte [HradiBcht bei Stradonic 0,8 pCt.; Lommatscb 9,2 pCt),
während Beim, laut brieflicher Mittheilung mangels hinreichenden Uaterials nnr
nach dem Aeusseren nrtheilend, die Proben fUr „baltixch" erklärte. Auch ein
Mnfiter Leipziger Rohbemsteina, das Helm nicht vorlag, enthielt nach Weitz
nnr 1,2 pCt., and doch gehört es nach Oredner einer Formation an, welche
Pommern und Meklenboiy in sich schliesst (Ourina S. 82 Note 1), d. h. nach
Helm und Conwentz dem grossen, baltischen (oder nordischen) Qebiet, aus dem
andere, Bcmsteinsüure haltende Tossile Harze, neben dem Succinit, nicht nachge-
wiesen sind (Danziger Schririen VI, 2, 234—235; Monographie 8. 4). Auch scheint
das Leipziger Mineral physikalisch von Snccinit nicht verschieden zu sein. Die
vcrhältnissmässig geringen Ausbeuten aus Material von Castione und Monticelli
endlich (oben S. 291) sind ebenfalls das Ergebniss der Untersuchnng durch Weitz.
Das Material ron Carpineto rührte bei beiden Analysen von Hm. Helm her;
auf Anfrage theilte derselbe mir indess mit, dass die Proben nicht identisch
waren. Die Dilferenz des Resultates kann also hierauf beruhen; unerklärt bleiben
aber die Unterschiede bei Lembeig nnd Berlin, sowie der niedrige Geholt bei
Leipzig (Castione und Monticelli). Es fragt sich demnach, ob nicht in der
Methode der Analyse Elemente der Unsicherheit li^en, welche die Vergleichung
der Resultate verschiedener Chemiker erschweren. Eigene Erfahrungen stehen
mir auf diesem Gebiete nicht zur Seite; indess ist trockene Destillation im
Allgemeinen fUr analytische Operationen nicht besonders geeignet, und mun
wird gewisse Schwankungen dabei ohne weiteres zugestehen mllssen ; dieselben
können sich aber leicht steigern, wenn, wie hier, oft mit sehr kleinen Mengen
gearbeitet wird; vergl. auch Helm im Archiv d. Pharm. S. 239. Auch die wegen
anhaltenden Oeles nöthige Reinigung der rohen Säure mnss auf die Oonstanz der
Resultate nachtheilig einwirken. Endlich ist bei starker Verwitterung der Einfluss
des Aschengehaltes auf die Ausbeute zu beachten. Zwar war Hrn. Meyer, als
er Ourina schrieb, Helms Arbeit Über den Mykcnae-Bernatein, nnd also auch
dessen Methode, bei hohem Aschengehalt mit Schwefelsäure zu destilliren, schon
bekannt (S. 79), wir werden aber nicht darüber unterrichtet, ob Weitz letztere
zur Anwendung brachte; und doch heiast e» ron der Hradischt- Probe ausdrücklich
„sehr verwittert". UnzweifclhaR wird man aber Überhaupt nur bei grosser Material-
kenntniss im Stande aein, nach dem Aeusscm zu entscheiden, ob ein Schwefel-
sftureznsatz erforderlich ist oder nicht. Daher ist meines Erachtens zu verlangen,
dass Überall, wo nicht ganz frische Substanz vorliegt, also namenUich bei Material
aus Gräbern, anter Zusatz von Schwefelsäure destillirt werde. — Zu erwägen
bleibt femer, ob nicht in wichtigen Fällen die Analyse auf nassem Wege, mittels
alcohol- Natrons, trotz ihrer Umständlichkeit, vorzuziehen wäre. ^ Endlich möchte
ich empfehlen, mit einer gröaaeren, in sich gleichartigen Menge von Succinit, deren
Gehalt an Säure durch Destillation und durch alkoholisches Natron genau bestimmt
ist, Oxydattons versuche anzustellen, am die Beobachtung Döppings zu prüfen. —
Wie aber beute die Sache liegt, wo eine Bildung von Bernsteinsüure durch Ver-
witterung säurefreier oder -armer Harze eine J)losse Vermuthung ist, wird man
nicht umiünkönnen, alles Material aus alten Fundstellen mit einem (durch trockene
Destillation festgestellten) Säuregehalt, selbst hinab bis zu nur I pOt. als Succinit
oder vielleicht als rumänisches oder galizisches Harz anzuerkennen, da ja die
sämmtlichcn anderen Rohbemsteine im Maximum nnr 0,4 pCL ergaben, meist
aber erheblich weniger oder garkeinen. Auch beschränkt Helm sich ja nicht auf
(293)
die Bestimmung der Säure, sondern berücksichtigt nach Möglichkeit auch die
physikalischen Eigenschaften, so z. B. bei dem Mykenae-ßemstein. — Strobel
fordert auch eine Untersuchung der organischen Einschlüsse (Bull, di pall.
1886, p. 47 ff.; 1887, p. 24), doch möchte diese wohl nur in sehr wenigen Fällen
durchführbar sein. — Dass die Farbe des Materials keinen sicheren Anhalt
gewährt, sagte schon Virchow, Congres Stockholm, p. 797, und wurde durch
' Stoppani p. 182 — 184 ausführlich erläutert.
Wenn übrigens in vereinzelten Fällen in den Mittelmeerländem auch ein-
heimischer Bernstein verwendet wurde, so ist dies für den Gegenstand, den wir
hier im Auge haben, nehmlich Material und Wege des Welthandels, ganz ohne
Bedeutung. Nach Helbig's Ausführungen, Commercio p. 1 — 7, kann solche Ver-
wendung in Italien eine erhebliche Ausdehnung nicht gehabt haben, auch ganz
abgesehen von dem erst später durch Helm erbrachten Nachweis, dass der
italienische Rohbemstein kein Succinit ist. Derselben Meinung ist Stoppani
p. 163 — 167. — Rumänisches und galizisches Material sind aber für die hier
vorliegende Frage unwesentlich, weil überhaupt gegrabener Bernstein nicht in
Betracht kommt. Die Grabungen beruhen ja, wie Stolpe richtig ausführte,
(Congres Stockholm, p. 777 — 778), meist auf moderner Industrie, Bauten u. dergl.,
sowie auf wissenschafklichen Forschungen; das Alterthum spricht fast stets nur von
ausgeworfenem Meeresprodukt.
2) Verarbeiteter Bernstein in den südlichen Ländern.
A. Das früheste Erscheinen des Succinits im Süden.
a) Der Orient: Perrot und Chipiez sagen in ihrer Histoire de l'art,
1 840: Quant ä Fambre, on n^en a pas trouve de traces enEgypte; il n'a, disent les
cgyptologues, pas de nom dans la langue. Desgleichen heisst es II 768: On n^a
pas encore trouve d'ambre en Mesopotamie; cette substance, dont les riverains de
la Mediterranee faisaient dejä un grand usage des le Xe siede avant notre ere,
ne parait pas avoir eto port^e par le commerce dans Tinterieur de TAsie. Endlich
III 854: La rösine fossile connue sous le nom d^ambre ou de succin est demeuree
pour ainsi dire inconnue ä la vieille civilisation Orientale; nous ne Tavons trouvec
ni en Egypte ni en Assyrie. Les Pheniciens orientaux n^ont fait de Tambre qu^un
usage assez restreint; . . . on n'a rien retrouve de pareil en Syrie, ni ä Cypre. —
Hiermit stimmt im Allgemeinen überein, was ich sonst feststellen konnte;
Nachrichten über Funde von Bemsteinartefacten sind äusserst spärlich und meist
sehr unbestimmt. Aegypten anlangend, äusserte sich Lepsius in seiner Arbeit
„Die Metalle in den ägyptischen Inschriften", Abhandlungen der Berliner Akademie
1871 S. 141, wie folgt: Im alten Aegypten hat der Bernstein bisher noch nicht
nachgewiesen werden können, obwohl uns von Plinius (37,36) berichtet wird,
dass er von den Aegyptern sacal genannt werde 0? ^^ <ui den gleichfalls von
Plinius (37,40) überlieferten scythischen Namen sacrium erinnert und es wahr-
scheinlich macht, dass die Aegypter den fremden Namen beibehielten (vergl.
Rougemont p. 128—129; Müllenhoff I 480, Note). — Nun aber macht mich
Hr. Dr. G. Steindorff auf eine Stelle in Pietschmanns üebersetzung von
Perrot et Chipiez, S. 890 aufmerksam, wo in einer Note zu S. 772 auf 3 Stücke
der Berliner Sammlung hingewiesen wird, nehmlich auf 2 Scarabäen tmd einen
Cylinder. Letzterer, Nr. 6809, vielleicht eine tonnenförmige Perle, mit ziemlich
1) Genauer: in Aegypto nasci ac vocari sacal; welches einheimische Harz hier etwa
gemeint sein könnte, weiss ich nicht. 0.
C2M)
[lg, iat ganz frisch und wachsgelb, seine Herkunft onbekannt;
imang fehlt es an jedem Anhalt; dies Stück kommt also nicht
re die Scarabäen, Nr. 6807— 680S, welche auf der onteren,
2t allerding« sehr andentlich gewordene Inschriften in Hiero-
id nach Professor Erman wahrscheinlich ins nene Reich (14.
Chr.) zu setzen sind; sie stammen aus der Sammlung Passa-
m angeblich in Theben gefunden. J. Passalacqaa beiteichnei
^e raisonn^ et bistorique, Paris 1826, p. 2, Nr. 27 a. 28, die
bäen als Bitamen. Lepsins Spruch von bernsteinähnlichem
:ten Ptthrer der Abtheilung d. ägypL Alterthflmer im Kgl. llus.,
5, 8. 63 Nr. 358—359. In der fi. Aufl. unter dem Namen „Ver-
pt. Allerth. u Gipsabgüsse" 1886, S. 72 Nr. 358—359, endlich
Is Harz bezeichnet. Nach meiner Ansicht kann die sehr ge-
E, mit einer gelblichen Verwittenngsk raste überzogene Hasse
it sein. Leider lässt sich eine chemische Untersuchung nicht
Objekte eine Probenahme nicht gestatten. — Uebrigens erwfibnt
cologie Egyptienne, Paris 18*^7, p. 235, Bernstein unter den
mdeten Mineralien und zwar oRenbar nicht nach literamchen
nach dem Inhalt der Sammlangen. Näheres wird jedoch nicht
;ine chemische Untersuchung liegt gewiss anch nicht vor. Ea
1 besonderem Interesse, durch Hm. Professor H. Brugsch aus
l)gebildele Perle zu erhalten, welche sein Bruder Emil vor
1 Jahren mit mehreren anderen neben Humieoaberresten im
lande eines zerslärten Grabes fand, das „unbestreitbar in die
Spoche der 11. oder 12. Dynastie fällt (mithin etwa 41)00 Jahre
It ist) und auf dem südlichen Theile der Nekrapolis Ton
laqqarah (in der Nähe der Teta-Pyramide) gelc^n ist". Herr
Smil Brugsch-Bey hatte die Güte, mir dieses äusserst kost-
lare Stück su schenken; ich sandte es, nach Herstellung einer
jeichnung, an Hm. Helm, welcher mir über das Resultat seiner
Jntersuchung Folgendes schreibt: „Die Perle hat ein absolute«
■ g; ihr speciRsches Gewicht betrügt 1,238. Aensserlicb hat sie
)the FWbc, ebenso im Innern, wo sie nur ein wenig heller isi Ich
Ton der Perle Theilchen im Gewicht von 0,052 7 ab, wobei ich
dieselbe durch und dnrch verwittert und mit feinen Rissen
dass sich leicht kleine Stückchen ablösen Hessen '). Ich erhitzte
Abgeschabten auf einem Platinblech, um den Gcmch des Ver-
üeu. Derselbe war stark aromatisch, die Schleimhäute der Nase
8 ein wenig zum Husten reizend. Ausgeschlossen war durch
e, dass Copal oder ein Baumharz der Jetztzeit Torlicgt. 0er
m des verdampfenden Succinits, war jedoch weniger streng nnd
tnd. Den Hauptbeweis, ob Succinit vorliegt, die quantitative
vorhandener Bernstein saure, nahm ich mit 0,04 17 des Ab-
legen der geringen Menge fertigte ich mir eine eigene kleine
m, mit langauBgezogenem Halse, den ich in ein schmales Reagenz-
destillirte bis zur Verkohlung des Harzes. Es gingen hierbei
t keine Spur einer „Verwittenuigsknute', wie an den Scarattian, Tor-
ten Tielnifhr fBr den I.aien, von dei Nachdnnklung abgesehen, «in
hiung nttt noch ein Rest dei Fadens. 0.
: 4
(295)
(
u
V:
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ein branngefarbtes brenzliches Oel ron eigenthtimlichem aromatischem Geruch und
wasserhaltige Dämpfe über, die sich im ßetortenhalse und in der Vorlage ver-
dichteten. Ich behandelte die Destillationsprodukte mit heissem destillirtcm Wasser,
ftltrirtc, dunstete ein, reinigte den Rückstand und verfuhr so, wie früher mit-
getheilt. Ich erhielt schliesslich aus dem Destillate keinen krystallinischen Rück-
stand. Die Perle enthält somit keine Bernsteinsäure, und es ist aus-
geschlossen, dass sie aus Succinit gefertigt wurde. Dagegen liegt ein anderes
fossiles Harz vor, welches sich hauptsächlich durch sein hohes specifisches Gewicht
characterisirt. Succinit besitzt ein specifisches Gewicht von höchstens 1,100. Es
giebt jedoch fossile Harze von höherem speciftschem Gewicht. Als am nächsten dem
hier vorliegenden bezeichne ich ein im Libanon gefundenes braunrothes fossiles
Harz, welches nach Brönner ein specifisches Gewicht von 1,118 besitzt und in
welchem derselbe neben Ameisensäure auch ein wenig Bemsteinsäure nachwies. |J
Im Libanon kommen verschiedene fossile Harze vor, welche von Brönner, J
Lebert, John und mir untersucht wurden. Gewöhnlich werden sie in stark ;
verwittertem Zustande gefunden, selten gut erhalten und bearbeitungsfahig. Es th
ist nicht unwahrscheinlich, dass das hier vorliegende fossile Harz ebenfalls seinen 7
Ursprung von dort herleitet^ — Nach alle dem wird man höchstens eine unter- $
geordnete Verwendung des Succinits in Aegypten annehmen dürfen. Scarabäen aus
Bernstein sind freilich ausserhalb Aegyptens noch mehrfach gefunden, nehmlich zu
Cometo und Orvieto in Italien, aber ohne Inschriften (Heibig, Commercio p. 5,
Note 5).
Landberg behauptet das Vorkommen von Bernstein in „kanaanitischen^ Gräbern
auf den Inseln Bahrein (a. d. Westküste des persischen Meerbusens), ebenso wie
in Syrien (Congres Stockholm p. 816); aber handelt es sich hier um Succinit? —
Aus Cypern fehlt Bernstein auch jetzt noch, doch wird Hr. Ohnefalsch -Richter
etwaigem Vorkommen desselben fortan erhöhte Aufmerksamkeit zuwenden. — In
Troja fand Schliemann das Material nicht. — Wir müssen aber hier des zuerst V
von Virchow nachgewiesenen Bernsteins aus Gräbern des Raukasus, zu Roban ^ f^
und Samthawro, gedenken (diese Verhandl. 1881, 427; 1882, 472; Zeitschr. f. Ethn.
1882, 110. Das Gräberfeld von Roban, Berlin 1883, S. 100. — Fr. Bayern, diese
Verhandl. 1883, 205. — E. Chantre, Le Caucase II, Texte, Paris 1886, p. 82
und 106 Nr. 4). Bayern deutete zwar auf natürliches Vorkommen im Raukasus
hin (diese Verhandl. 1882, 353), aber Chantre zeigte a. a. 0 p. 83—84, dass der
Bernstein aus den Gräbern ziemlich reichlich Säure liefert, so dass Virchow s
ursprüngliche Vermuthung, das Material sei nordisches, gesichert scheint, wenn
dasselbe vielleicht auch auf westlichem Wege an Ort und Stelle gelangte; denn l>
nach dem Westen weisen wohl auch die Fibeln. Es handelt sich hier übrigens
um eine verhältnissmässig späte Zeit, da die betreffenden Gräber der Hallstatt-
periode Europas entsprechen. Ausserdem ist die Menge der Bemsteinobjekt« in
ihnen sehr gering und es steht demnach fest, dass der Bernstein in alter Zeit
im ganzen Orient keinenfalls eine wesentliche Rolle gespielt hat. Jules
Oppert glaubte bekanntlich in der Inschrift eines Obelisken von 950 einen Hinweis
auf nordischen Bernstein zu finden, welcher Auffassung namentlich Schrader
widersprach (der übrigens jene Inschrift dem Rönige Assumasirabal, 885 — 60,
zoscbrieb); veigl. Materiaux pour Thistoire de Thomme 15, 582; Virchow, ^
Roban S. 102; diese Verhandl. 1885, 65, 307 und 372; Jacob, in Zeitschr. d.
deutschen morgenländ. Ges. 43, Leipzig 1889, 353. Das Resultat unserer Unter-
suchung, besonders das Fehlen des Materials in Assyrien, ist Oppert' s Auslegung
ebenfalls nicht günstig.
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-länder: Die ältesten Gräber mit Snccinit
, welche Heibig, Epos S. 71, im letzte
etzt, Undaet Doch etwas höher hinaar-
i:thnologic 1S90, 11), Furtwängler and
hrh. beginnen iasaen (Mykeniscbe Vasen,
Funde mykeniacher Vasen za Gurob im
itütigt worden (Joamal of Uellenic Studies
leol. Ges., Januar 1891). Die Scbacht-
Uykenaezeit an; in ihnen tritt das Material
es damals gewiss nicht etwas ganz Neaes
ersten Grabe „eine grosse Masse" Perlen
Grabe „eine sehr grosse Menge" Perlen
n bei einem Skelett mehr als 400 Perlen
ähnliche Anzahl (Hykenae, Leipzig 187H,
lio sind jetzt in Berlin, Mos. (. Völkerk.
"nchatUcke. — Ans Gräbern der jüngeren
it: MenidiinÄttika, „Kuppel"-(Thölos-)
darin a. a. „etwas Bernstein"; Furt-
uplia im Peloponnes, Grabkammem mit
;i8T9) Tafel, Fig- 7; Furtwängler und
des, Grabkaouner, worin mehrere Stücke
■te, Fnrtwängler nnd Löschke, Taf. B.
istumpfuDgsflächen Taf. B 12; siehe S. 11,
nzlich zur neoUthischen Zeit, vertreten
loren und Teirumaren, theila in Höhlen nnd
ni p. 43, 45, 65ff., 72—73'); Munro p. 227,
05; Hclbig, Italiker S. 48-49, 117—18),
äkelelgräbern (Ball, di pal. 1884, p. 43—46).
1 mehreren Pfahlbaaten des Lago di Vareac,
ppani p. 69ff., 73 fr., 76;Manrop. 1H7(T.),
ttincio bei Peschiera am Gardaaee herror-
;eigcn sich die ersten Spuren von Bernstein,
li Varese and zwei Perlen von Peschiera.
.e Älter des enteren (p. 43 und 91) nnd
jre Boimischung (p. 90). Das Material ist
Menge, sicher nachweisbar in der reinen
maren und gleichaltrigen Stationen und
länger bekannter Pfahlbau bei Peschiera
amsdeln mit je einer aufgesteckten Perle,
S. «1 Fig. 15; Munro p. 222 Fig. 9
der jüngsten zn nennen, die der jüngeren,
Hykenaezeit entspricht, nehmlich die tod
s diesem Material gefanden sind (Bull, di
;ht kommen aber auch noch andere Stellen
Modena, älteren Charakters (Bull, di pol.
1 w&hrend iler Steinieit blieben Stoppsni
' — 17 ge)^nQber Mi auf die knne Znssmmen-
ewn Verbandl. 1890, 271 C »erwiesen. —
(297)
1877, 28—38; Manro p. 275; Stoppani p. 87). — Fe
delle Marmore bei Terni (Congrcs Stockholm p. 812; .
1876, 58; Stoppani p. 88). — In don gleichzeitigen B
nur eine kleine Perle zn Orespellano, beinahe eifön
bohrt, mit 3 horizontalen vertieften Linien rentiert „nr
bank gemacht" (Bull, di pal. 16, 31); aas dem ttberwi
Grabroldc zu Povegliano, Verona, erwähnt Stoppn
Bernstein, meint aber, sie gehörten den Jüngeren der (
In Suditalien Bndet sich Bernstein in den alt
deren Inhalt den Character der homerischen Kunst
Sachen zu Kyme (Comae) in Gampanien, der ersti
Italien, nach Hclbig, Gpos. S. 88—89 und 430— 33,
Urthei! Undaet'a, Necropoli p. 89, um 730 »or Chr. o
In den durch die Herren Siret untersuchten 8|
Bernstein nicht beobachtet zu sein (Les premiers ägi
B. Die Verwendung des Bernsteins bei Gri
Wir verdanken Heibig, Commercio p. 10—18,
bezüglich der Verwendung des Bernsteins im Kunstgf
In der vorklasaischen, homerischen Zeit, d. h. so lange
asiatischem Einfluss ■) stand, war das Material belie!
dagegen wurde es ans ästhetischen Gründen im Bore
nicht (oder nach BlUmner, Technologie und Tem
Römer Bd. 2, 381 ff-, nur ganz vereinzelt) benutzt,
dürfte auch das kriegerische Aurirctcn der Koloniei
Gegensatz zu den mehr Handel treibenden und friedli
spielen; der Verkehr nach dem Norden wurde dadi
klassischen Zeit fehlte daher der Bernstein in den Grä
seiner Oolonien, obgleich er nach den Zeugnissen d
vor Chr. allgemein bekannt war. Erst mit dem Verfal
wieder Verwendung und zwar von den letzten Zeiten
in steigendem Maasse, bis ca in der Kaiserzeit wied«
den italiBchen Völkern war die Verwendung des Mat
dem der griechische Einfluss zurücktrat oder überw
Betrachtung alles aus, was nördlich des Po gefunden
weise nicht den eigentlichen „Italikem" und den E
vieUeicht keltischen Völkern zugeschrieben werden 1
gcndes: üestlieb des Apennin lieferten die unmittell
folgenden Necropolen, im Anschluss an diese letzt
Bisraäntova, Pro. Rcggio (Spännen S. 132 Note 2).
enthalten in den oberitalischen Grabstätten der nächstj
novazeit, d. h. in den ältesten Necropolen von Bologna
in den Gräberfeldern Benacci and Arnoaldi zu Bo1o(
An diesen Orten spielt der Bernstein nach Elelbig, n
1} Nach dem, was wir S. 293—95 gesehen haben, ist i
fluBS, gerade besüglich des Bernsteins, direkt von Asien am
ja dort wenig benntit lu sein scheint. Wenn sich daher cu
Gebrsacb des Renuteiiia ein atArker orientalischer Einflos
gestellt, duBS sich beide gleirhieitig finden, ohne dass ei
ist Wie weit hinauf aber vielleicht die Einwirkung der
fahrenden PbSnicier reicht, lasse ich dahingestellL —
(298)
'U
kommens anlangt, anter den zur Decoration verwendeten Materialien mit dem
Glase die erste Rolle. Auch in der auf die Villanova- oder beginnende Elisenzeit
folgenden reinen Eisenzeit mit sicher etrurischen (Arabern aus dem 5., sowie
dem Anfang des 4. Jahrh. (d. h. in der nach einem Gräberfelde des etrurischeu
Bologna, des alten Felsina, benannten Certosazeit) ist Bernstein nicht selten,
obwohl die edlen Metalle ihm erhebliche Concurrenz machen. In diesen von
Marzabotto im Kenothal abgesehen, wahrscheinlich mit der Eroberung Felsinas
durch die bojischen Gallier, Anfang des 4. Jahrb., abschliessenden') Necropolen
machte sich griechischer Einfluss wohl geltend, wie aus importirten griechischen
Vasen hervorgeht, er war aber zu schwach, die Anwendung des Bernsteins zu
hindern (Italiker S. 119—122; Epos S. 42; vergl. Necropoü p. 90). - Mit den
Angaben Heibig* s bezüglich des reichlichen Auftretens des Materials in den
vorgenannten Necropolen stimmt übrigens nicht, was A. B. Meyer, Gurina S. 79
bis 80 sagt; es handelt sich aber wohl nur darum, was man „reichlich** nennt;
denn andere Beobachter sprechen sich doch auch im Sinne Hei big* s aus (Deutsch,
anthropol. Corresp. 1879, 44 und 51; Stoppani p. 149, 151—55; Gapellini,
Congres Budapest p. 449).
Westlich des Apennin, im eigentlichen Etrurien, Latium, Campanien, sind
die Verhältnisse wesentlich andere. Es fehlt dort der Bernstein in der Villanova-
Benacci-Zeit theils noch ganz (Poggio Renzo bei Chiusi, dem alten Clusium, in
Etrurien, Spännen S. 148, Necropoli p. 41; Rom-Esquilin, Spännen S. 164, Ne-
cropoli p. 50), theils ist er sehr selten (Albano = Alba longa (?), zerstört um 650;
Spännen S. 165—173, Necropoli p. 48 49). Erst später überschreitet er das
Gebirge und tritt dann eine Zeit lang bei Etruskern und Lateinern sehr reichlich
auf in Gräbern, die zugleich phönicische oder carthagische Sachen ent-
halten: zu Chiusi in den „tombe a ziro**. Spännen S. 149; zu Corneto (Tar-
quinii) und Cervetri (Caere) in den sogenannten „ägyptischen" Gräbern etwa
von 650—550 (Epos. 8. 67); namentlich sei erwähnt von Corneto die berühmte
«tomba del guerriero*^ des Berliner Museums mit Bernstein als Halsperlen, sowie
an einem Messergriff und an 3 Fibeln (Mon. inediti dell Inst. Roma.' Vol. X,
Tav. X— Xd und Ann. dell Instit. 1874, 249—66), und von Cervetri das überaus
reiche, durch die Herren Regulin! und Galassi aufgedeckte Grab des 7. — 6. Jahrh.
(Epos 8. 30, Spännen S. 161—63); zu Veji; zu Palestrina-St Rocco (6. Jahrh.
Epos S. 31, Spännen S. 163 — 64). Vergleiche zu diesen Gräbern noch Necropoli
p. 26 f.; es fehlen in ihnen Beweise griechischen Einflusses. — Dagegen wird
Bernstein wieder sehr selten oder fehlt ganz in jüngeren Gräbern mit griechischen
schwarzen „bucchero^-Gefässen, z. Th. in Relief, und schwarz- und rothfignrigen
Vasen, so in Grabkamroem des 5. und 4. Jahrh. zu Orvieto-Volsinii, Spännen
S. 151 — 55; femer in Capua, in Corneto (Spännen S. 161, Necropoli p. 8 und 19),
sowie in Gräbern des 3. und 2 Jahrb., ohne jene griechischen Thongefösse, aber
in Ijatium mit gravirtcn Bronzecisten (Palestrina = Praeneste) und im eigentlichen
Etrurien mit gravirten Bronzespiegeln und Vasen einheimischer Arbeit, die mit
Figuren bemalt sind, sowie mit den späteren Reliefnmen. Auch erwähnen die
gleichzeitigen lateinischen Schriftsteller (Plautus, Cato der ältere, Terenz) den
Bernstein nicht. —
Der Bernstein fehlt also in der Zeit griechischen Importes und des starken
Einflusses der griechischen Kolonien Siciliens und der Westküste Italiens, nam«it-
1) Zu beachten ist indess, was Brizio Monnmenü p. 235— 37 über das Yerhiltnin
der Gallier zu den Etruskern in der Gegend Bolognas sagt
(299)
lieh Ryme's, auf die einheimische Bevölkerung, vom Ende des 5. bis in das 2. Jahrh.
Später, mit dem Verfall der Kunst, kommt er wieder in Aufnahme und erfreut
sich grosser Beliebtheit zur Raiserzeit. — Bei den barbarischen Völkern Mittel-
europas dagegen und den halbbarbarischen Norditaliens hielt Geschmack am und
Handel mit Bernstein ununterbrochen an, wie es für Oberitalien der Befund in
den Necropolen, sowie die Berichte der Alten ergeben. Denn auch während der
klassischen Zeit wird über ausgiebige Verwendung des Fossils in Norditalien be-
richtet, so von Timaeus (bei Diodor) in den ersten Decennien des 3. Jahrh.
(Commercio p. 19 — 20.) Als daher, namentlich unter Nero, der Handel sich neu
belebte, thaten die Römer nichts, als an die früheren Beziehungen wieder an-
knüpfen, indem sie den alten Weg wieder benutzten, auf dem das Fossil zu den
Italikern auch am Beginn ihrer Entwickelung gelangt war (Commercio p. 19 ff.). —
Soweit Hei big. Indess wäre nach persönlich geäusserter Ansicht des Herrn
Professor Furtwängler für die angedeutete Erscheinung vielleicht noch eine
andere Erklärung zulässig: diejenigen Gräber, welche Bernstein enthalten, sind
überhaupt die reicher ausgestatteten (vergl. Necropoli p. 83, Note 1 ), und Gräber f
wurden am ausgiebigsten bedacht eben zur Zeit des phönicisch - carthagischen |
Einflusses, woraus aber noch nicht nothwendig folgt, dass letzterer sich grade l
auch auf Verwendung des Bernsteins erstreckte. Hr. Furtwängler glaubt die !
Benutzung dieses Materials von Seiten der Griechen der klassischen Zeit mehrfach
nachweisen zu können, so an mehreren Mohrenköpfen in Goldfassung, etwa aus ^
dem 4. Jahrb., im Lonvre zu Paris, und, wenn auch selten, in den südrussischen
Goldfunden des 4. — 3. Jahrh. — Dass die Phönicier des westlichen Mittel-
raeeres übrigens ebenfalls den Bernstein verwendeten, lehren die Funde auf
Sardinien, wo namentlich in der punischen Necropole von Tharros (an der
Westküste) Ringe, Perlen, Gehänge, z. Th. eicheiförmig und in Gold gefasst, vor-
kamen (Bullettino archeologico sardo, Cagliari 1859, p. 175—76; 1884 p. 150 Note
168), neben zahlreichen Scarabäen vom Ende des 6. und namentlich aus dem
5. Jahrh. — Auch in mehreren GiessereiAmden kam Bernstein vor, so zu Forraxi
Nioi (dabei auch Eisen) und zu Perda e Floris bei Lanusei im Osten der Insel,
an ersterer Stelle ein Rädchen mit kleinem Loch in der Mitte (Wirtel?) und eine
Eichel, an letzterer ein doppelter Conus und eine facettirte Pyramide mit seitlichen
Hervorragungen, beide durchbohrt (Bull, sardo 1884, p. 151) Note 168 und p. 180
Nr. 11, auch Notizie degli scavi, Roma 1883, 357). Zu Teti, District Lanusei,
fand sich ebenfalls eine Masse, die man für Bernstein hielt (Bull, sardo, 1884
p. 150 Note 168). —
3) Die Wege des Bernstein-Welthandels.
Müllen hoff sagt im Vorwort zu seiner Alterthumsk. I S. IV: „Ich glaube es
erreicht zu haben, dass hinfort nicht mehr davon die Rede sein kann, ob die Phoe-
nicier oder Griechen den Bernstein aus der Ostsee geholt haben, oder dass seinet-
halben ein stetiger, direkter Verkehr von Pontus oder Adria aus dahin vor dem
ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung bestand.^ — Der älteste Bemsteinhandel
hatte eben nach Müllenhof f 's, mit der unserigen übereinstimmenden Ansicht
das an der Westküste der cimbrischen (oder nach Alterthumsk. II S. 289 und
302 — 303 richtiger der teutonischen) Halbinsel gewonnene Fossil zur Grundlage.
Allein Müllen hoff s Erwartung erfüllte sich nicht Zunächst trat Hei big, Com-
mercio p. 8 — 10 und 18 fr., für alte, direkte Beziehungen Italiens zu Preussen
ein; dabei stützte er sich freilich auf die schon in meiner ersten Arbeit erwähnte
Sprachgleichung: ausum «= ausis = Qold^ die ich jedoch, wie unten ausgeftlhrt
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(300)
werden soll, jetzt nicht mehr für beweisend ansehe, and ferner auf Münzfnnde,
die aber ebenfalls, wie ich in diesen Verhandlungen 1H91, S. 223, zeigte, fort-
fallen. Richtig bleibt jedoch an Heibig' s Erörterungen, dass nach Plinius 37, 45
und nach anderen Zeugnissen der Bemsteinhandel durch Pannonien (richtiger viel-
leicht Noricum) an's adriatische Meer sehr alt war; nur führte er, wie sich später
ergeben wird, in frühester Zeit nicht nach Preussen. Des Weiteren hielt H. Kothe
in seinem Aufsatz „Die Bemsteininseln bei Timaios", Neue Jahrbücher für Philo-
logie und Pädagogik, Bd. 141, Leipzig 1890, S. 184—186, am Samlande als der
Quelle des Bernsteins auch in älterer Zeit fest. Im Wesentlichen handelt es sich
bei seinen Erörterungen um die Auslegung der betreffenden Stellen bei Plinius
und man überzeugt sich leicht, dass mit der rein philologischen Forschung die be-
züglichen Fragen niemals gelöst werden können. Auf einen Punkt der Kot be-
sehen Arbeit müssen wir hier jedoch näher eingehen, ßedslob schon hatte an-
genommen (Thule, Leipzig 1855, 8. 23 ff.), dass der Vertrieb des samländischen
Bernsteins nach dem Mittelmeere Ton Schleswig-Holstein aus stattgefunden
habe. Kothe vertritt dieselbe Auffassung, wennschon er daneben noch einen
zweiten direkten Ueberlandweg zur Adria voraussetzt Es giebt indess gewichtige
Gründe gegen die Annahme einer frühen regelmässigen Verbindung des Sam-
landes mit Schleswig-Holstein. Denn die von Tischler nachgewiesene Verschieden-
heit des ostbaltischen und des westbaltischen Bernsteingebietes zur neolithischcn
Zeit dauert ja, vrie ich an den Goldspiralen II G gezeigt habe, auch in der Bronze-
zeit fort. Freilich finden sich alte Bronzen (der mittleren Bronzezeit nach Tischler,
oder der Perioden 2 und 3 nach Montelius) in Ost- und Westpreussen, die ebenso
auch im Westbalticum auftreten*); es ist aber doch fraglich, ob die Ausbreitung
gleichartiger Bronzen die Folge von West nach Ost, vielleicht auch von Ost nach
West gerichteten Handelsverkehrs ist, oder nicht vielmehr einer schon früher
gleichzeitig im Osten und im Westen aufgetretenen Kulturströmung zugeschrieben
werden muss. Denn die alten Bronzen können in beiden Ländern selbst gefertigt
sein, da wir in jener Zeit auch Formen begegnen, die wahrscheinlich rein localc
sind, so z. B. im Ostbalticnm den Randcelten, Phys. ök. Ber. 1888, S. 7, Fig. l,
und den Nadeln mit gewaltigen platten Spiralköpfen, Phys. ök. Ber. 1887, 13, Ab-
handlungen 1890 S. 95; Bujack, Katalog I des Prussia Mus., 1884, Nr. 141. Der
vermuthete direkte Verkehr vom Samland nach Schleswig-Holstein lässt sich da-
her nicht beweisen.
Für den Handel mit dem Material der cimbrischen Halbinsel und der
angrenzenden Gebiete kommen 3 Wege in Frage, wenn wir von einigen mög-
lichen Nebenlinien des Verkehrs absehen, nehmlich der Ocean, die Rheinlinic
und der El b weg. Alle drei hatte schon Rouge mont in Betracht gezogen, p. 138
u. 147, p. 133 — 138, 140, p. 145 u. 147. Am ältesten ist nach seiner Meinung der
Ueberlandweg den Rhein hinauf.
--1
1) Dem Osten und Westen gemeinsame Formen sind: 1) Axtbämmer, wie Worsaae
Nord. Olds. 110; Phys. ök. Her. 1887, S. 12, Abbildung; vergl. Ber. 1888, 8, 1890, Zu-
wachs des Prov.-Mus. S. 3 n. Abhandl. 1890, 95—96. — 2) Mit Harz ausgelegte Doppel*
knöpfe, wie Montelius Antiq. Sued. 199, TidsbestÄmning Fig. 66, Ber. 1887, la —
3) Kef^elförmige Knöpfe mit einer Oehse an der Unterseite, Antiq. SuM. 112, Tids-
bestÄmning 38, 39, Ber. 1887, 13, 1890, Zuwachs S.S. — 4) Doppelknöpfe mit hoch
emporragender Stange, Antiq. Sued. 197, Tidsbest 65, 95; Ber. 1890, Zuwachs S. 4;
Bujack Katal. I Nr. 141. — 5) Messer, wie Ber. 1890, Zuw. 8. S, Fig. 2 (diese auch tm
Sfiden vorkommend). — 6) Absatzcelte, ähnlich Antiq. Su6d. 117: LIssaner 8. 110,
T. m 22; Phys. ök. Ber. 1890, Zuw. S. 4. Vgl noch Lis sauer 8.55—56,
a) Der We
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(302)
f der Rhonestrasse; aber ganz auBgeschloBsen bleibt auch nicht d
Lont selbst skizzirtc Weg von der Weser an die Mittelelbe. — Nai
>, 2 giebt es bei den Ligurera qViel Lingyrion, welches Einij
len". Diese Stelle und die weite Verbreitung des Namens Lingyrii
r Bezeichnungen, die als ron Ligurien al^leitet betrachtet werde
lammlung reichlicher Bernstein mengen in Ligurien durch den Hände
luthlich durch Vermittelung der Rheinstrasse, wahrscheinlich, da
Thoophrast in Ligurien selbst nur sparsam gefonden wird. Alle
ich Helbig's Erörterungen die Identität vou Lingyrion und El ekln
it, trotz der Angaben Strabo's und Anderer. Ueber das Ltogyrie
D Theophrast (§ :28) ebenfalls als Natnrproduct erwähnte und
icbt dem E^lcktron verglich, in anderer aber deutlich von ihm nntc
< viel gefaselt, dass es schwer hält, eine allseitig befriedigende _E
iden. Heibig, Gommercio p- 5 — 7, ist geneigt, darin den Namen :
, welchem ursprünglich nur der einheimische Bernstein Lignrie
e, der dann später auch auf den importirten, äusaerlich davon nie
denden Succinit Überging (Schneider, Zur Bemsteinfrage S. ii
letit). Man wird hiemach den Rhein-Rhone- Weg für den Bemstei
1 lassen müssen, doch handelt es sich bei allen den citirten Scbri
ine späte Zeit.
stellte Funde von Bronzen und Gold in den Alpen und nördlich d<
men und brachte sie mit dem Bernstein in unmittelbare Verbindnn
>n sie streng genommen nnr einen Handel im Allgemeinen. Dies
Qenthe namentlich vom 7. bis in'a 3. Jahrhundert belebt gewes
itte der Verkehr hier ganz aufgehört und sei erst nach Cäsar wied
, wobei auch eine kurze Neubelebung des Bemsteinhandels, wie i
heiTorgeht, eingetreten sei; doch zu Plinius' Zeit habe dersel
eslanden. Verfolgt man nun das Auftreten des Bernsteins selbst i
ic, so ergiebt sich, dass Stücke fehlen, für die ihrer Form na
in Import vom Norden her in verarbeitetem Zustande angenomm
e. Meist handelt es sich um kugelige, mehr oder weniger nbgcplatt«
itutzungsflächen an den Polen versehene Ferien, seltener anch i
(der fassIÖrmige. „Mittel stücke" dagegen oder röhrenförmige Perl
men hier meines Wissens nicht vor; wohl aber wird t>ei manch
'kehrt eine Znfuhr vom Süden her vorauszusetzen sein (Oenthe S. '
Pfahlbauten der Schweiz igt Bernstein zur Steinzeit äusse
^eich er nicht, wie Stoppani p. 43 meint, ganz zn fehlen scheii
r nachweisen 2 oder 3 „sehr gut gearbeitete Perlen", deren Foi
icn ist, von Satz im Bielersee, allerdings dem Ende der Periode i
albauber. 7, 27; ,9, 69; Protobelvctes p. lö); femer Tielleicht ei
gc von Obcrmeilen am Zürichsee (Steinzeit, wenige Bronzen; l
3ti; Her. ^, 49); dann eine abgeplattete knglige Perle von Maars
:er See, Baden (Her. 6, 242, Berliner Ausstellungs-Katolog IftSO, 61
41; Steinzeit, 4 Rapfcräxtc}. Da in den oberitalischcn stein»
liedelungen Bernstein fohlt (S. 29f)}, so wird man diese wenig
en Stücke als direkt von Norden her eingeführt ansehen könnt
einen östlichen Import spricht der Mangel an Bernstein in den bi
isterreich ischen steinzeitlichen Pfahlbauten (s. unten 8. 309). — At
Bronzezeit ist das Material in der Schweiz nicht häufig; kugel
m und T. 18; Pfahlbauber, b, T. 16, II von Hörigen nnd 18 *
(303)
Cortaillod; 7 T. 2, 16 von St Anbin und 23 von Mörigen; cylindrisch und fass-
förmig: Protohelv. T. 18, 23 u. 24, 25 u. 26; Ber. 6 T. 5, 25 von Montellier;
ähnlich, aber mit nahezu dreieckigem Querschnitt Wollishofen, T. 3, 18; ab-
weichender noch Ber. 8 T. 4, 20 von Bstayayer. — Auch in einem Skeletgrabe
bei Auvernier am Neuen burger See, das zu den daselbst aufgefundenen Pfahl-
bauten in Beziehung gesetzt wird, traf man eine ellipsoidische Bernsteinperle, Ber.
7 T. 22, 8, neben den Bronzen Fig. 9, 10, 13 zu p. 36 ff. — An sonstigen Gräbern
der Schweiz seien erwähnt aus der späten flallstatt- oder Frühlatenezeit:
5 zusammengesetzte kugelige Nadelköpfe (Bonstetten, Recueil p. 30 u. T. 6, 14)
bei einem Frauenskelet zu Murzelen, Ct. Bern, neben einem goldenen Ohrring
und einem kleinen Bronzeringe (Fig. 8 u. 9); vgl. Westdeutsche Zeitschrift V, 197.
Ebensolche Nadelköpfe bei Trüllikon, Ct. Zürich, Züricher antiq. Mittheilungen
III 2, S. 14 u. T. 1, r. Ünter-Lunkhofen, Ct. Aargau, 2 Bemsteinringe mit
weiten Bohrungen (Wirtel?) neben einer Frühlatenefibel u. s. w. aus einem Brand-
grabe; Archaeologia Vol. 47, London 1882, p. 131—134 u. Taf. 5, 22. Femer aus
der Tenezeit: Skeletgrab zu Spietz, Ct. Bern, mit 32 rohen, rundlichen Perlen
(Recueil p. 28 u. T. 5, 4) neben Broilzen (Fig. 3 u. 5—9); Bikingen, Ct. Bern,
eine kleine Perle (Rec. Suppl^m. I p. 11 u. T. 5, 3) mit Glasarmbändem (Fig. 1
u. 2) und einer Bronzekette, wie Recueil T. 27, 1; Schär loch, Ct. Bern, 6 Perlen
(Rec Suppl. I p. 11 u. T. 6,1) mit Glasarmband (T. 5, 4), einer Fibel (T. 6, 4)
und anderen Sachen bei Skeletten. — Rheinabwärts sollen ebenfalls nur einige
wichtigere Funde hier besprochen werden; im Uebrigen venveise ich auf die Zu-
sammenstellung bei V. Tröltsch, Fundstatistik, 1884, Nr. 118, S. 82-83. —
Baden: Hügelsheim bei Rastatt, eine Perle (Wagner, Hügelgräber, Karlsruhe
1885, S. 31 u. T. 4, 28) nüt einem goldenen Armring (T. 4, 29) und 2 Schlangen-
fibeln (T. 4, 27), also aus der Hallstattzeit (Corresp. d. Deutschen anthrop. Ges.
1881, 124; Westd. Zeitschr. 5, 191). — Sinsheim im Neckargebiet, nur eine
Perle in den dortigen Frtthlatenegräbem (Wilhelmi, Vierzehn Todtenhügel, 1830,
8. 47 u. 151, T, 2, 16). — Kreenheinstetten, westsüdwestlich Sigmaringen, eine
Perle (Lindenschmit, Hohenzollemsche Sammlungen, Mainz 1860, S. 135 u. 214,
T. 19, 15). — HohenzoUern: Inneringen, ein dreigetheilter Nadelkopf, wie die
von Murzelen, bei einer Schlangenfibel (Lindenschmit, Hohenzollemsche Samm-
lungen S. 135 u. 213, T. 18, 11). — Rothenlachen, südwestsüdlich von Sig-
maringen, eine Perle (Lindenschmit, Hohenz. S. 135 u. 206, T. 12, 3). — Würt-
temberg, Donaukreis, Hundersingen, Nadeln mit dreigetheilten Bemstein-
köpfen, Westd. Zeitschr. 5, 197. — In dem Hügel Beile-Remise bei Ludwigsburg,
in einem der berühmten Fürstengräber der jüngeren Hallstattzeit, Gehänge von
Bernstein (Corresp. d. d. anthr. (Jes. 1881, 51). — - Bayrische Rheinpfalz:
Dürkheim, flache Bemsteinringe in dem berühmten Funde mit dem Dreifuss,
(Lindenschmit, Heidn. Vorzeit, 11 2, Text zu T. 2. — Weisskirchen, ost-
südöstlich Saarburg, Bernstein an einem Ornament aus Goldblech (Heidn. Vorzeit
II, 2, T. 1, 6). — Dies möge genügen; weitere Funde bei Genthe S. 8, 9, 15.
Im Allgemeinen scheinen im Rheingebiet die Bemsteinfunde der Hallstatt- und
Tenezeit anzugehören.
In Westfarlen kann ich allerdings durch die Güte des Herrn Dr. A. Götze
Bernstein aus einem steinzeitlichen Grabe der Gegend von Beckum nachweisen,
zu Westerschulte, Bauerschaft Dalmer (Verhandl. d. naturhist Ver. d. preuss.
Rheinlande und Westfalens, 27 (Bonn 1870) Sitzungsber. S. 39; Deutsche anthr.
Corresp. 1871, 1); die Perlen sind leider verloren, ihre Form ist nicht bekannt.
Daran schliessen sich dünn im hannoverschen Binnenlande wohl andere Funde
i"
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(304)
VoTzeH, Hannover 188S, S. 31 Fig. 31, flache Perle ans ei
retesch, Landkr. Osnabrück): aber diese Pondstellen liegen i
noch zu nahe, aU dass sie wesentlich in Betracht kämen,
reg. Als zweiten, ebenfalls sehr alten Ueberlandweg bezc
den von der Elbe durch Böhmen und Pannonien ans adr
Interlauf der Elbe achloss er übrigens aus und liess den B
tfriesischen Inseln die "Weaer hinauf und nach Halle o. d. S
i^rst von dem mittleren Lauf der Elbe hinllber nach der Do
;h nicht die Elbe, sondern die Donaa als Eridanas, da er nie
tiabe sich die Donau hinab ans schwarze Meer gesogen. >
aber Tällt der ganze Lauf der Elbe von seiner Uündung bis
l diesem letzteren Flusse, in das Gebiet des Kordsee bernsl
in jeder Beziehung am besten zur ältesten, ernstlich in Betr
luting des Eridanus') bei Herodot im 5. Jahrb., wobei ■■
dass schon etwa 3 Jahrhunderte früher, um 776, Hesiod
f dem Eibwege vollzog sich der erste sicher nachweisbare
Bedeutung. Hierzu sei jedoch bemerkt, dass ich unter
and zwischen Weser-Aller einerseits und Oder andererseits
, Wesentlichen durch die Verbreitung der Goldspiralen 11 G
Vorkommen derselben Spiralen auf Bomholm, den anderen c
1 Schweden iüsst auf sehr frühes BinUbengreifen des Verkehrs
) .und meklenburgischen Küste über die Ostsee schliessen
aramen mit den schon in der Steinzeit hier durch die doppel
^n Berns teinperlen nachweisbaren Beziehungen, sei es d'
urch Gemeinsamkeit der Abstammung oder Cultur. Kach B
t'crden die Perlen durch den Handel gelangt sein, da au se
Bernstein äusserst selten ist. (Vedul, Bornholms Oldtidsnvir
S. 12; Conwentz, Verbreitung d. Suce, 8. (i und 9.) Dagi
ler Küste Schönens und in geringer Menge auch auf den mei
(Werlauff in Nenes staatsbürgerliches Magazin 10, Schlei
ergl. die Karte bei Conwentz). Dass aber auch ohne dies
on der cimbrischen Halbinsel her sich zunächst vorwiegend
in der ersten Arbeit S. 281 bemerkt, hat schon Werl &u ff andenti
.^n Kridsnus bezeichnet; von Hs&ck war ea vielleicht, der dies i
at (Zeitscbr. d. Ües. f. Erdkunile UerUu 3 (ISü«) 8. 17—27); aber
t sich wesentlich auf die Stelle PausBoiaa I 11, die, als dem 2. Ji
;, kaum in Betracht kommt und KU ijereu Erklttrung Haack »a
[lüthese braucht, dass Eugland von Frankreich erat etwa iiu b. Ji
Jaoal abgetrennt wurde! Vgl. Zeit^chr. t. allgemeini^ Erdknnde N.
id 1».
ugleich das Gebiet, welches bei Scbrader, S. 61tl-21, ab 8t«
skiixirt ist (wcsenilich nach Hüllenhofr), nur dwts hier da* .
Weichsel nut hinzugezogen wird.
. glaubte aoa einer Keihe von Broniefunden auf einen directen Beroj
ügun nach deui Brenner schliessen tu können (p. 143, 14T-
n, dass die Küste VurpouimemH frühzeitig einen, vi<-lleiebt auci
mniRnb&nt'euden Verkehr zwischen Nord und Süd vermittelte.
ort di'd Succinits vou den sächsischen Landen her durch Bajem
unwulirecheinlich (siehf unten S.310), aber schon Hejer sprach
i, K^S^u <1*^ ■"■ ^^'^ Operiren mit dem BegrilT .Bemst«lnstras8e*
(306)
fehlen leider), und zu Zehren bei Meiasen traf man Bernstein perlen mit eine
offenen, ovalen, masaiven ßronzeringe einer Art, wie sie auch zn Jessen vorkam
Für meine Anschaaungen besonders wichtige Thatsachen liegen aber vor ui
Böhmen; sie beweisen, dass hier gemde an der von mir bezeichneten Strasse b
Teils in früher Bronzezeit der Bernstein ansi;tebig als Schmuck benatzt wnrd
Die wichtigsten FWde dieser Art stammen ans dem Gräberfelde mit liegend«
Ifockem von Unetice (Uhnjetitz) bei Rostock an der Moldan (unterhalb Prag
dessen Noppenringe und Säbelnadeln ich in meiner Arbeit über Spiralringe au
führlich besprochen habe (Verh. 1886, 433 ff., namentlich 483—88). Nach der B
Schreibung dieses Gräberfeldes (Pamätky archaeologicke a mistopisne Bd 11, Pn
1341, zn Taf. Vi — 16) handelt es sich hier um folgende Bern stein Sachen: Serie
Grab 10, p. 295 n. 906, Baisschmuck Taf. 13, 1, bestehend aus 2 PerlschnDro
die durch ein grösseres flaches „Mittclstttck" und 2 kleinere „Doppelperlen " n
einander verbunden sind, zusammen enthaltend 92 einfache Perlen, meist rundlii
abgeplattet, z. Th. kur^e Cylindcr. Das Grab enthielt sonst weiter nichts, als noi
eine Anzahl längliche, runde. Dache und cylindrische Perlen ans einem „Harz od'
Bernstein". Die „Doppelperlen" : 2 durch einen kurzen Arm mit einander verbu
denc KUgelchen, wie „Hanteln"; ebensolche kenne ich sonst nicht, doch sind s
gewissermaassen veigleichhar den hammerförmigen Perlen der Steinzeit, die ab
fast stets nur eine Bohrung (in der Mitte) haben, während hier beide Endkuge
durchlocht sind. 2 V-Bohmngen hat allerdings, aber auch an der Mittelparti
eine solche hammerfürmige Perle Kopcnh. Mus. A 5858, Aarböger f N. 0. 1888, 29
die ich seiner Zeit bei Aufzählung der V-gebohrten Stücke (Verhandl. 1890, 28:
Übersah. Von besonderer Wichtigkeit ist dos Dache „MittelstUck", ganz cn
sprechend den nordischen, namentlich im Westbolticum vorkommenden. — Gral
Stätte I 17, p. 299 und 306, 2 Gräber enthaltend, in dem ersten: 2 ringförmig g
bogene einfache Drohte T. lü, 18 und eine Säbelnadcl wie T. 14, 22, alles ai
Bronze; in dem zweiten: Bruchstück eines Dachen Bernstein ringcs (?) mit ein«
Bohrung, T. 13, 2. - Es enthielten ferner die Gräber I I, 8, 12, 15 ühnlicl
Perlen, wie der Halsschmuck, und l 1 noch einen Bemateinring. ~ Serie II
p. 35f> und 366: Brustschmuck T. 15, 1 aus 4 grossen, flachen, je 1 mal gclocbU
rohen Stücken und 2 einfach durchbohrten Doppolperlen (ohne verbindenden Arm
dazu gehörig dünne Röhren aus gewundenem Bronzedraht; femer dabei Röhrch<
aus Blech (T. 16, 28), die Säbelnadel T. 16, 12 und mehr als 4 Noppenringe, w
T. 15, ß. — Grab n 6, p. 358 und 365: Schnur aus 94 BemsteJnperlen T. 15,
dabei aus Bronze 2 Spiralarmbänder aus einfachem Draht, 9—10 Windung«
(15, 3) und eine Nadel, ähnlich 16, 12. — Grab U 25: ein flacher Ring mit Ixk
(ähnlich T. 13, 2) T. 16, 10. — Auch die Gräber U 3, 5, 15 enthielten Bemsteii
perlen. — Die charakteristischen Säbelnadeln fanden sich in I 1, 4, 5, 13, 14, I
17, 27—29; U 3, 5, 6, 8, 28; an Gold traf man nnr den einfachen Pingerre
T. 13, 8, ans einem schmalen Bande. — Hm. Brctislav Jeh'oek in Prag ui
Hrn. Prof Brückner in Berlin bin ich fUr gütige Beihttlfe bei ller«tcllang diesi
Auszuges aus dem Pundbericht zu Dank verbunden.
Hr. Heinrich Rtchly in Neuhaus und Prag, Correspondent der K.K. Centra
commission zu Wien, schreibt mir: „Ausser zn Unetice ist dos Erscheinen d<
Bernsteins auch in Grabhdgelstättcn der guten Bronzezeit eine Seltenheit; so hat
ich denselben z. B. in der Necropole Hroby, welche dieser Periode angehört, h
Durchgrabung von 2i> Grabhügeln nie gefanden; dasselbe gilt auch von andere
Gnibstellen, welche der Bronzezeit angehören. In den Depotfunden Böhmen
welche der guten Bronzezeit angehören und deren mir 42 genau bekannt sind, i:
(307)
auch nicht ein einziges Mal Bernsteip mitgefonden worden^. Nichtsdestoweniger
sind unter den nachstehend verzeichneten Funden, welche ich durch die Herren
Richly und Dr. M. Much in "Wien kennen lernte, noch einige, die der Bronze-
zeit zugeschriehen werden können, während die meisten wohl der Hallstattzeit an-
gehören.
Es giebt hauptsächlich zwei Punkte, in deren entfernterer Umgegend sich diese
Funde concentriren, Schlau im nordwestlichen und Pilsen im südwestlichen
Böhmen. Aus der Gegend von Schlau ist zunächst anzuführen: Zlonitz, halb
sitzendes Skelet, dabei Bronzenadel (nicht abgebildet), ein Armband aus 12 kugligen
oder cylindnschen Bernstein- und 2 röhrenförmigen Ralksteinperlen, Reste noch
vieler anderer Bernsteinperlen, sowie 2 goldene Noppenringe (wohl IIP'); Mit-
theilungen d. K.K. Centralcomm. zur Erforschung der Runstdenkmale 1880, N. F.
Bd. 6, S. CXXI, Nr. 53 und Fig. 1 = Much, Atlas S. 165, Fig. 6; Kön. Böhm. Mus.
— Femer gehören der Zeit nach vielleicht hierher: Ledec = Ledce, 1 Stunde
südwestlich von Schlau, Steinkistengräber mit „liegenden Hockern", dabei Stein-
keil, Armringe, 3 Goldspiralen aus Doppeldraht, 3 Ringe aus dünnem Draht, künst-
lich zusammengerollt (also wohl Noppenringe), Nadeln u. s. w., und 40 Bernstein-
perlen verschiedener Grösse; Pamatky arch. 14 Sp. 315. — Risuty, 1 Stunde
südwestlich von Schlau^ 1 m unter Tage 1 Schädel mit 4 „Ohrringen" aus Gold-
draht, Bruchstück eines Bronzedrahts, Bronzenadeln, gerippte Fussringe, Bernstein-
perlen; Pamätky 14 Sp. 262. — Endlich sei erwähnt, mehr nach der Moldaumün-
dung zu, 2 Stunden nordöstlich von Welwam, Ml^echvost; Thongefäss mit einer
grossen Menge von Bemsteinringen verschiedener Grösse, von 1,5 — 5 cm Durch-
messer; von dem Funde ist nichts erhalten. Mit dem Bernsteinhandel mag er
zusammenhängen, seine Zeitstellung bleibt aber fraglich; Pamatky 14 Sp. 52. —
Die Schilderung der Funde bei Pilsen lehnt sich zweckmässig an einen Be-
richt Szombathy^s über Tumuli und Ansiedelungen im Gebiete des Uslavaflusses
(Gegend von Stiahlau und Biowitz, südöstlich von Pilsen), Annalen des R.K. natur-
hist. Hofmuseums EI, Wien 1888, Notizen S. 130-36. Hier giebt es Hügel der
Bronze- und der Hallstattzeit, erstere aus Stein und Erde und gross, letztere klein ;
manchmal beide Arten von Hügeln in derselben Gruppe; Hallstattgräber auch öfters
nachträglich in Bronzehügeln angelegt. In der Bronzezeit nur Skeletgräber,
kein Brand. Hier bei den Männern u. A. „goldene Platten, deren Verzierung
Aehnlichkeit mit solchen aus Mykenae hat''; sonst heisst es allerdings: „Gold ist
ist hier ein sehr seltenes Metall. Nur in einem Tumulus auf der Hurka bei Sedlec
fand Franc noch 16 Stück Golddrahtrollen'' (welcher Art?). In den Frauengräbern
„fehlten auch Bernsteinperlen nicht". — Eine der hier in Betracht kommenden
Necropolen ist die auf der Flur Chyliny bei Biowitz, früher falschlich Flur
Hladomfi genannt, Pamdtky 12 Sp. 7, von wo ich in diesen Verh. 1886, 457 einen
goldenen Spiralring II oo G erwähnte, der also noch zu obigen hinzukäme (aus
Hügel Nr. 3, Taf. 1, 9). In Hügel 6 fand sich der halbkogligc Bemsteinknopf
Taf. 1, 19, 33^ schwer, 6,5 ct» Durchmesser; dies Grab erscheint allerdings jünger,
während Nr. 4 (ohne Bernstein) alt ist. Ein Hügel bei Ryschitz, östlich von
PUsen, aus grossen Steinen errichtet, mit Leichen b ran d, Thtingefassscherben,
Bronzeknopf, Henkel eines Bronzegefässes und Bernsteinring gehört wohl der
Hallstattzcit an; Pamatky 12, 298. Ebenso wohl Hügelgräber auf der Anhöhe
„Babka" bei Birasy, 2 Stunden südlich von Rokycan, in deren einem ein Bronze-
ring, Zange, Bruchstücke eines Ressels, Goldgewinde, Urnen und Bernsteinperlen, .
während sich sonst auch Eisen in dieser Gruppe fand; Pamdtky 5 S. 373 links;
Wocel, Pravek zeme ßeske (^'^orzeit des böhmischen Landes) S. 60.
20*
(308)
[ehr vereiiizelt liegt, nördlich zwischen Pilsen und Saatz, '/, Stande ro
itz, Chotioschan (Ghotclor); der dort gemachte Fudd wird nach als Peter
r bezeichnet (Petersburg nordnord westlich von Jechnitz) ; Famitky 7, 323—
2 enthielt neben verschiedenen Bronzen, Annspiralen u. s. w. 36 Bemsteii
; Spuren von Knochen. Hr. K ichly setzt denselben nicht in die Bronzezeit. -
iehen wir an die rechte Holdanaeite hinüber, so haben wir weit im Siidei
ch von Budweis, Kosteletz, MiUh. d. anthrop. Oes. Wien 13, S. 161
Igel 1 scheint mir das Hauptgrab nicht gefunden und die Bemstcioperlc eini
üglich beigesetzten Oberflächenurne anzugehören; aber Hügel 3 mit Sleii
and innerem Stcinkegel enthielt „einige kleine Bemsteinperlen" neben zlemlic
lUmlichcn Bronzen, nehmjtch dem Dolch T. 1,10, dem Messer T. 1,11 an
rmringen 1,13 and 14; allerdings wird Über Leichenbrand berichtet. -
sehr weit nördlich von Kosteletz: Dezinky bei Bechin an der Laschnit
stlieh Tabor, Hügelgräber: in einem derselben neben Kohle, Bronzenade
litze, Armringen auch ßemsteinpcrlen ; Pam. 9, 133 (Hallslattzeit ?). -— Weiti
ch, nord nordöstlich von Prag, nahe der Elbe, bei Kojetitz, enthielt ein Hilg<
kleinen Bronzen 28 Bern stein perlen in der Grösse von Zuckererbsen; Pan
. (Hallstattzeit?). — Jenseit der Elbe endlich sei erwähnt Skalsko, 2 S
h von Belä, Jnnghunzlau, woselbst Skcletgräbcr, in Fels gehauen und übei
Thongerasse auf der Scheibe verfertigt, Golddrahtge winde und Bemsteii
; Pravök 525
n Böhmen sei hier gleich angeschlossen Mähren: Höhle im Stierreise
skäla), I Stunde südlich von Blansko, nordöstlich Brunn; Hallstattzei
:el, Bilder aus der mährischen Schweiz, Wien 1882, 8.393. Nach ge
Mitth d. Hm Wankcl nahezu 1000 Bernstein perlen verschiedener b'onnci
Uiltelstücke und ein Ring; Mittclstückc auch in Knochen, a. a. Ü. S. 392. -
ist noch Hm. Wankel's Kenntniss der einzige einigermaossen alte Fun
ernstein in Mähren; denn ein Ring von Ptin ^Pteny), westsUd westlich vo
z (Sammlung Wunkel in Wien) scheint spät zu sein. —
wischen Böhmen und den sächsischen Landen sind übrigens sehr fhihe lit
Igen auch noch anders, als durch den Bernstein nachweisbar, nehmlich durc
Säbelnadcln" und „Noppenringe " zu Leubingen, Kuhdamm, Thierschnec
1886, 468-70, 487-88; 1890, 282). Auch jene an die Henkelformen d<
«fasse italischer Terramaren erinnernden Bildungen, die sich in Böhme
ich nachweisen lassen (Verh 1886, 488 von Unetice oder Bostok; 1887, 47
i von Cöslau; nach Dr. Gölzo's gut. Mitth. auch zu Zaiynice bei Prag
cn in Thüringen nicht ganz zu Teblen (Vcrbandl. 188ti, 488); jedenfalls finde
refiisse in gleichartiger Form und mit GritTen in Gestalt von Üoppelzuprei
I Unetice (Pamätky 11, T. 14, 28), nach Zeichnungen des Hm. Götze auc
icrschneck bei Camburg und zu Süsscnbom bei Weimar,
er Weg, den der Bernstein von Böhmen aus nach dem Süden gcnommei
{ich noch nicht genau verfolgen. Das Material fehlt nehmlich fast ganz i
tcren ungarischen Funden, üampel's Trouvailles de l'iigc du bronze e
le, CongroB Budapest Vol. H 2 kann ich nur die folgenden spärlichen An
entnehmen: p. 28, No. 24 Collier aus Gold und Bernstein, „etrurischen Ui
s"; No. 26 Schnur aus Glas-, Thon- und Bcmstcinperlen ; beides von einei
Ide bei Piün, C. Nögräd (nord nordöstlich von Budapest); die Fondnncb
1 sind ungenügend. — p. 104, Schatzfund von Toicsva, Com. ZempUn, ii
ttcn des Landes, mit Bern stein perlen eines Collier (No. 41. — Hr. Profeafto
lel hatte die GUIe, Mitte Februar in den Archaedogiai Ertesitö 1891, p. 9
ei neu Auf ruf
lasBcn, der al
„Ich kenne i
Staates keinei
zeit Gin^roih
Uarch, das d
ebenso in de
Auch in unser
sec in Ungar
Dies Feh
ausser Böhmi
60 starke 8ei
die Frage aul
kehr seit wärt:
Enns aus, äh
meinen sogen
die Völker z
Hallstatt selb
Ringe und t
Wien 1868, 1
lugen etwa 4i
man ihn mit
hervor, dass i
und nicht ei
iiusgestattete
leicht gelingt
auch das ven
Aufmerksiimk
Bayern.
1<^enen Alpei
schein kommt
— Hier lierer
bcrgcr) Sees
eine Bernate:
achtungen de
fehlen und b(
etwa um 80i
nur eine kle
(Hügelgräber
S. 71, 134, »
häufiger werd
aber hat Hr.
der älteren
Perlen und i
Skelet der Uli
geführt anzni
HittelstUck z
aus der Hall
1) Aach n
(310)
sich im Gebiete der Cslava naden, bo könnea die bayrischen Stücke wohl a
Böhmen gekommen sein, mit oder ohne Vennittelong der Alpenländcr. Ich m
jedoch gerne zngeben, daas man auch an directe Verbindungen Oberbayems i
den sächsischen Landen denken kann (siehe oben S. 304 Note 3); eine solche wtti
übrigens der AulTassung der Elbe als Eridanns dnrchaos nicht entgegenstehen; i
Abzweigung des Verkehrs würde eben nur Tür Bayern vom Hittellaar dieses Flnas
für die östlicheren Länder vom Oberlauf desselben stattgefunden haben.
Vielleicht ist daher die Aeusserung des Plinins, dasa der Bemsteinbani
Über Pannonien ging, nur für die römische Zeit streng gültig, während er friil
dnrch das Gebii^, also durch Noricum, seinen Weg nahm. Diese Frage w
erst durch weitere Porscbmigen an Ort und Stelle ihre Lösnng finden können.
4. Preussen.
In meiner ersten Hittheilung habe ich die PundTerhältnisse in den Pi
vinzen Preusscn nur bezüglich des Goldes (S. 283— 284) tind die absolote Gbron
logie des samländisohen Bemsteinhandels gor nicht berücksichtigt. Ich will (
hier nachholen.
a) Die FundverbältnisBc. Tischler'a Arbeiten haben Über die Verbi
nisae zur Steinzeit Licht verbreitet (s. bei Klebs, Bernsteinschmuck; femer Ph
ök. Abhandl. 1882, 17-40; 1883, 89-120); über Westprenssen wäre noch zu v
gleichen Lissauer S. 22. Uns berührt indess mehr die Bronze- and Hallsta
zeit, für welche sich Folgendes ergiebt: In den ältesten Qräbcm dieser Pcric
in Ostpreassen (aus Tischlers mittlerer Bronzezeit oder Peccatcl er Periode, Mo
telius' Periode 2—4) mit Skeletten in 3 Hügeln zu Rantan im Samlande fa
sich eine Menge bearbeiteter Bemsteinstücke verschiedener Form, aber in eini
HUgel zu Alknicken, Kreis Fischhausen, nur ein One hcyl in drisch er Knopf n
zu Slaszen, Kr. Memel, wie es scheint, gar kein Bernstein (Phys. ök. Ber. 1$:
12; 1890, Zuwachs S. 4; Bnjack, Katalog d. Pmssia Mus. I (1884) Nr. Ul). V
den Bügehi der üallstattzeit hcisst es zwar Phys. ök. Abhandl. 188l>, 146: „m
findet oft rohen Bernstein, manchmal in ganz bedeutenden Quantitäten, bearbeJi
Stücke seltener" und ebenso S. 163: „roher Bernstein, wie häufig in diesen Hügeln .
doch finde ich bei der Einzelbcschreibung Bernstein nur wenig hervortretei
nehmlich aus dem Kreise Fisch hausen zu Birkcnhof (S. 127, 129, 130), Warsc
ken (S. 156, 157), Mollehnen (S. 164) Gmal Je 1 bearbeitetes, 1 mal eines u
1 mal b unbearbeitete Stücke. Dies si^heint für die grosse Zahl der Brandgräl
der betreffenden Hügelgruppen keineswegs erheblich, zumal andere Gruppen {
nichts lieferten (Phys. ök. Abhandl. I88H, 100—133; 1890, 1—36). Man köni
demnach wohl schliessen, dass im Ostbalticnm in der Bronze- und Hallstatti
bezüglich des Bernsteins in den Gräbern ähnliche Verhältaisse obwalteten, wie
Westbalticum ; und dies scheint dnrch das Fehlen des Bernsteins in den bron
zeitlichen Gräbern von Warszenko, Kr. Carthans, Westpr. (Phys. ök. Ber. 18'
Zuwachs 8.4; Lissauer S. 56, 110), sowie durch Lissauer's sonstige Anga^
bestätigt zu werden. Denn wenn bei ihm auch S. 61 Bernstein als Bcstandth
der Ohrringe an den Gesichtsurnen der Hallstattzcit aufgeführt wird, so hei
es doch S. 60 allgemein: „Der Export des Bernsteins ist jedenfalls in dieser Gpo<
viel grösser gewesen, als die heimiache Verwerthung zu Schmucksachen, umgeke
wie in der Steinzeit". Im Ganzen aber erscheint die Zahl der Funde ans c
reinen Bronzezeit in Prenssen zu gering und ist auch das mir zugängliche Malei
fUr die Hallstattzcit zu spärlich, als dass ich grosses Gewicht auf die milgeUieill
Zahlen legen möchte.
(311)
Es fehlt für den Bernsteinhandel Preussens an einem Leitobjekt, wie es im
Wcstbalticnm die Goldspiralen waren ; denn die Bronzen können nur einen Handel
im Allgemeinen beweisen und zum Theil müssen wir für sie auch in der Hallstatt-
zeit einheimische Herstellung annehmen (Phys. ök. Abhandl. 1886, 176; 1890, 96;
Bujack I Nr. 124); die allerdings sicher importirten Schnecken südlicher Meere
(die Kauri, Cypraea moneta und Oypraea annulus, Zeitschrift f. Ethn. 1872, 65),
welche sich namentlich bei Gesichtsurnen finden (Lissauer S. 67), sind doch zu
selten, als dass sich auf ihre Verbreitung weitere Schlüsse bauen liessen. Nur ist
beachtenswerth, dass sie nicht in Ostpreussen und wohl wesentlich links der
Weichsel erscheinen, wie nach Lissauer überhaupt die Reste der Hallstattcultur
in Westpreussen und, namentlich auch die Gesichtsumen, hauptsächlich auf dem
linken Weichselufer vorkommen (S. 68—69, 117). Die beiden bei Oliva gefun-
denen goldenen Eidringe (meine erste Mitth. S. 284, 295) würde man yielleicht zu
dem Bemsteinhandel in direkte Beziehung bringen dürfen — Auf dem rechten
Ufer des Flusses sind Ueberreste dieser Zeit yornehmlich an der Stelle der grossen
Biegung des Stromes nach Westen hin, zwischen Thorn, Graudenz und Strassburg,
aufgefunden, d. h. ungefähr in dem Gebiet, das Müllenhoff 11, S. 4 — 5, 19, 77,
den Gothen, den einzigen rechts der Weichsel ansässigen Germanen, nach Berichten
des Tacitns um lOl) nach Chr., des Ptolemäus in der 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts
und des Jordanes im 6. Jahrhundert, zuweist, während freilich SchraderS. 620 die
Sitze der Gothen und verwandter Stämme bis zu den Ostseeprovinzen ausdehnt.
b) Der preussische Handel und die Sprachforschung. In meiner
ersten Arbeit erwähnte ich S. 284 Note die für das ältere Lateinische, das Preussi-
sche und Littauische geltende Sprachgleichung: (Gold =) ausum = ausis = auksas.
Ausis findet sich in dem ältesten uns erhaltenen sprachlichen Denkmal der Preussen,
nehmlich in dem dentsch-preussischen Vocabular von Peter Ho Iczw escher, 1868
zu Königsberg herausgegeben von Nesselmann nach dem in Elbing aufbewahrten,
aus dem Anfange des 15. Jahrhundert stammenden Manuscripi Ausserdem kommt
ausis vor in einem der preussischen Katechismen, dem Enchiridion von 1561, wo
es heisst: ni sen ausin addcr sirablan = nicht mit Gold oder Silber (Nessel-
mann, Sprache der alten Preussen, Berlin 1845). Das littauische auksas ist noch
jetzt gebräuchlich. — Victor Hehn sprach zuerst die Vermuthung ans, dass ausis
und auksas aus dem Lateinischen übernommen seien (Kulturpflanzen und Haus-
thiere, Berlin 1870, S. 408); wäre dies richtig, so würden sich einige bemerkens-
werthe Schlussfolgerungen ergeben, nehmlich 1) dass diese Uebemahme vor der
Mitte des 3. Jahrhunderts vor Ohr. stattgefunden habe, da nach dieser Zeit nur
noch aurum im Lateinischen gebräuchlich war; 2) dass der Verkehr zwischen
Italien und Preussen schon vor jenem Termin ein ziemlich direkter, etwa durch
Karawanen vermittelter, gewesen sei, da die zwischen diesen beiden Ländern liegen-
den, vielleicht einen Tauschhandel von Stamm zu Stamm vermittelnden Völker-
schaften das Wort nicht aufnahmen; 3) (unter der Voraussetzung, der Bernstein
habe die Grundlage jenes Verkehrs abgegeben) dass die Preussen und Littauer
damals schon in unmittelbarer Nähe der Hauptbernsteinküste wohnten. Allein mit
den ersten beiden Folgerungen stimmen, wie ich schon a. a. 0 S. 284 — 285 her-
vorhob, die Fundverhältnisse schlecht überein; die Tragweite jener Sprachgleichung
bedarf daher noch einer genaueren Prüfung.
Schrader sagt S. 254 ff. (mit Weglassung des für uns Unwesentlichen): Der
Name des Goldes ist im Lateinischen aurum, im Sabinischen ausum, was auf
eine italische Stammform auso- schliessen lässt. Dieselbe bezeichnete ursprünglich
das „Leuchtende", „Gelbe", dann das „Gold". Die älteste Entlehnung des lateini-
(312)
hen aunun hat Tielleicht id die baltischen Wörter preussigch aasis, littaniacl
iksBS Btattge runden. Es wäre (aber) auch möglich, dass die baltischen Sprachen eii
im lateinischen auso- cntsprochendea, diesem orrerwandtes Wort in der Bodcatnnj
Buchtend", „gelb" besaasen and dieses zur Bezeichnung des Goldes, als es ihnci
ikannt wurde, selbständig verwertheten." — Eine solche Urverwandtschaft wQni<
ler ganz dem enlspnichen, was Hr. Minden in der Discussion zu meinem Vor
Ige S, 29!) geltend machte: denn obgleich der Stamm auso- sich in keine
idercn Sprache findet, auch nicht (wenigstens jetzt nicht mehr) in dem ebonfall
ir baltischen Sprachgruppe gehörigen Lettischen, so lässt sich doch diese
!hlen wohl durch ein Verschwinden der ursprünglich allgemein indogerniani
hen Wurzel in allen anderen Sprachen erklären (man vergl. Schrader 8. IflS ff.
crlust alten Sprachguis). Wir werden daher auf das scheinbare und ganz isolirb
^ugnisB jener Sprachgleichung Tür einen rrtlhzeitigcn direkten Verkehr zwischei
&lien und Preussen kein grosses Gewicht legen dürTen. — Was aber den Sit
>r alten Preussen und Littancr zn jener Zeit anlangt, so sei Folgendes bemerkt
chrader hebt S. 257 hervor, dass innerhalb des Kreises der indogermaniachei
>racheinheit nach der gewöhnlichen Ansicht die litu-slavisch-germanisehcn Volke
irch ein engeres Band der Verwandtschaft mit einander Terbunden sind, nn<
hrt dann fort: „Das Qold wird bei Slavcn und Germanen übereinstimmend be
mnt: gothiach gulp entspricht dem durch alle Sluvinen sich ziehenden altslavi
hen zlato. Da der littanisch-preusaische Name des Goldes hiervon abweichl
I scheint zu der rerhältnissmässig sehr frühen Zeit, in welcher sich auf den
irmanisch-sla vi sehen Sprachgebiet ein von der Wurzel ghel gebildetes Adjectivun
[clb" in der Bedeutung „Gold" festsetzte, der baltische Volkerzwcig schoi
jseits gewohnt zu haben. Die Letten mögen früher ein dem littanischei
dtflas entsprechendes Wort besessen und es später gegen das sla vis che zelts ein
{tauscht haben". Näher bezeichnet wird also hier der Wohnsitz der Preussci
id Littauer nicht; anders bei UüUonhoff, welcher U S. II unter den Acsticrn*
;s Tacitus (Germania Cap. 45) den „uns in drei Uauptabtbcilnngen bekannten
sich aber seinem Ursprünge nach einheitlichen Sprach- und Volksstamm de
ten Preussen, Littauer und Letten'' versteht, obgleich, wie S. 30—34 ausgefuhr
ird, Tacilus selbst die Aestier zu den Germanen rechnete. Nach S. )2 abe
aren die Aestier „keineswegs auf die samländische Bemstcinküste beschrankt"
ihmcn vielmehr „am rechten Dfer des sucbischen Meeres" eine grössere Strecki
n und sassen auch noch zar Zeit Theoilorichs des Grossen im 6. Jahr
indert unter dem Namen Acsti oder Haesti auf dereclbcn Stelle am Ocean, nehm
•M nach Gaaaiodor (bei Jordanes C. 5, IT, 33) auf einer langen Uferstreeke öatlicl
ir Weichselmllndungen (vcrgl. S. 14). Auch Einhart (f 840) kennt noch, nach
;m mittlerweile die Slaven sich zwischen Weichsel und Elbe festgesetzt hatten
seiner vita Caroli Magni C. 1'2 südlich von der Ostsee neben den Sciavi di<
isti und sogar Aclfred derGrosse von England spricht noch Ende des 9. Jahr
inderts von den dortigen Esten [im Bericht Vulfstans über dessen Reise voi
eathum oder Ilaithaby (Schleswig) nach Truso (am Drausensee), welchen Ael
ed in die einleitende Beschreibung Europas zn seiner angelsächsischen Ucbcr
tznng und Bearbeitung der Historien des Paulus Orosins (aus dem Anfang de
1) Der Name Aestji = Aistjus oder gothisch Aist^is soll mit dem gothischen aistan -
icbsch&tien, verehren, tuBunmcnhängeii und sich auf den epiter mcfarTach ansdrürklich be
ngten frit^df artigen CharoVter des Volkes beliehen (S. 13 und 30;. Diese ErkUrnnt
iift« indew den philologiaeben Laien wenig befriedigen.
(313)
5. Jahrhunderts nach Chr.) aufnahm; siehe: The anglo-saxon version from the
Historian Orosios. ßy Aelfred the Great. Together with an english translation
from the Anglo-Saxon. London 1773. Buch I, Cap. 1, p. 16—17 der englischen
Uebersetzung. — The discovery of Muscovy, London 1889 (aus CasselTs National
Library) p. 180 ff.]. — 997 kam dann Adalbert von Prag nach derselben Gegend,
die ,,Pruzzi" zu bekehren. „Hatte die Bevölkerung inzwischen nicht gewechselt,
müssen die Pruzzi die Esten des Vulfstan und mindestens ein Theil der Aestii
des Tacitus sein." Der Name Pruzzi ist ohne Zweifel slavischer Herkunft, um-
fasste anfänglich wohl die sämmtlichen Völker der baltischen Sprachgruppe, später
aber „wie der Eistenname in fast allen Zeugnissen seit Tacitus" vorzugsweise nur
den westlichsten Theil derselben. — Nach S. 15 — 16 endlich wäre es wahrscheinlich,
dass die Aestier einst bis zum finnischen Meerbusen gesessen hätten; daher die,
seit dem 9. oder 10. Jahrhundert nachweisbare Uebertragung des Namens Esten
auf den später dort angesiedelten finnischen Stamm, der die Aestier verdrängte;
die Uebertragung wäre von den Scandinaviem *) bewerkstelligt, welche das Land
fortdauernd nach den ursprünglich dort von ihnen vorgefundenen Bewohnern Eist-
land nannten.
Dass die Aestier nahe der Weichsel nach Osten sassen, scheint eine Stütze zu
finden in der Litthauischen Bezeichnung des frischen Haffs = aismares (nach
Nessel mann, Wörterbuch der litthauischen Sprache), auf die mich Herr Prof.
Joh. Schmidt hinweist. Indess lassen sich die vorstehend entwickelten Ansichten
Müllenhoff^s nur zum Theil vereinigen mit den Ergebnissen der Ausgrabungen
Tischler's, welcher nach Untersuchung des Gräberfeldes von Oberhof bei
Memel in den Phys. ök. Abhandl. 1890 S. 99 sich folgendermaassen aussprach:
„Ein ganz neues Gebiet, ja fast eine neue Welt beginnt an und hinter der Memel,
ein archäologischer Bezirk, den man nach den russischen Ostseeprovinzen, be-
sonders aber nach dem Gouvernement Kowno, weiter verfolgen kann. Der Ab-
schnitt an der Memel scheint fast eine grössere Bedeutung als Stammes-
grenze zu haben; so gross ist die Verschiedenheit gegen die südlichen
Regionen. Möglicherweise war hier die Scheide zwischen germani-
schen und nichtgermanischen Nationen. Auffallend ist jedenfalls auch die
Thatsache, dass hier schon im 3. Jahrhundert Formen auftreten, z. B. die Ketten-
gehänge mit durchbrochenen End- und Mittelstücken, die Spiralringe, wie wir sie
später vom 9. — 13. Jahrhundert bei den preussischen, — dann letto-litthauischen
und livischen Völkern wiederfinden, Doch ist dies vorläufig nur eine Hypothese,
die erst sicherer zu behandeln wäre, wenn man die archäologischen Verhält-
nisse Polens besser kennte."
Nach alle dem bleibt die Frage noch offen, ob unter den an der Bemstein-
küste gesessenen Aestiem mit Müllen ho ff die baltischen Völker Preussen, Littauer
und Letten, oder mit Tacitus Germanen zu verstehen sind.
c) Zur Chronologie des preussischen Bernsteinhandels. Dass unter
den, wenn auch nicht reichlich, in Ostpreussen gefundenen alten Bronzen (vergl.
S. 300) £Etich solche vorkommen, die nach dem Süden weisen, zeigt, dass schon
frühzeitig gewisse Verbindungen hier bestanden; dass dieselben aber keine leb-
haften waren, wurde schon in diesen Verh. 1890, S. 284 — 285 erläutert Für uns
bleibt hier immer das Wichtigste der Antheil des Bernsteins an dem Verkehr.
1) Von den Scandinaviem nahmen dann vielleicht auch die Finnen der Ostsee ihre
Bezeichnung des Goldes an (vergl. Schrader S. 257—258), da sie von den südlichen
Germanen doch wohl durch die baltischen Völker getrennt waren.
(S14)
Wie schon Ron^cmont p. 132 herrorhub, macht Hcrodot i
indentung anf Prenssen; die Art, wie er III, 115 Rcrnstcin uod
spricht, gestattet viel eher den Schluss, daas er beide a)a a
Iben Gegend herkommend ansah; und diese Gegeod darf man
chen, denn Herodot spricht an der betreffenden Steile ganz i
n Abend (also Westen) und Norden; beides war ihm hier
hralich die Küste Europas. — Dies war im 5. Johrhnndcrt; b
Jahrhunderts über reichen auch die Goldspiruten II O herab, d
wiesen, im Westboltieum rnnsscnhaft vorkommen, im Ostbaltici
lilen. Also würden wir den Beginn eines lebhafteren Handel
ch dem Mitteimcerc schon hiernach kcinenfalls höher als am'a i
naufrückcn dürren. Man hat nun für die Jahrhunderte von da
ihnlich die Münzen als Beweismittel herangezogen, so Heibig,
anthe, Lisanucr und Andere. Aber ich zeigte in diesen Verl
3, wie völlig bedeutungslos dieselben fdr die vorliegende Pr
ihl der gut beglaubigten Funde eine verschwindend kleine ist.
Dthe, im Gegensatz zu Rougemonl p. 132, richtig bemerkt,
indel auch nach Preusscn hin unzweifelhalt ein Tanschhand
nc Münzen bchalf, so fehlt es doch für diese Zeit auch an gen
indstäcken in Ogtpreugseu, welche als hinreichendes Aeijuivali
ch dem Süden ausgeführte Bemstcinmengen gelten könnten, zi
dere Artikel an dem Export betheiligt waren, so vielleicht I
tch unseren Ansnihrungcn S. 311—31^ können wir ferner aach di
jichnng anrum — ausis = aukaas beruhende Annahme von dircl
'Ischen Ostpreussen und Italien schon vor der Mitte des 3. J
ch Schrader a. a. 0. 8. 254—255 schon Ende des 4. Jahrhi
;ht mehr aufrecht erhalten und es sind daher in unserem frühe
ndlungen 1890, die Worte S. 287: „obgleich zu seiner (Plin
1 Handel vom Samland nach dem Süden stattfand" in dieser
anstanden, gerade sU, wie die Beweisfahrung Helbig's, Com
oppani's p. 173. — Die Glanzperiode der ostpreussischen Urz
h in's 1.-4. oder 5. Jahrhundert nach Chr. nnd erst für si
rnstein einen grösseren Antheil am Verkehr znsebrciben dil
dützt Tischler, Phys- ök. Berichte 1889, 11 und Abhandl. 18J
^mlieh gering, aber meines Erachtens ist doch diese Blüthe 0
Zusammenhang zu bringen mit der von Hclbig feslgestelltej
use gerade in der römischen Kaiserzeit noQ in Mode gekomme
s Bernsteins in den klassischen Ländern (siehe oben Cap. 2 [
3ngen in dieser Zeit nach dem Süden eingeführten Bernsteins t
he Gegenwerthe, namentlich wohl Melallbarren, nach dem No
m aber zu Tacitus' Zeit, etwa 100 nach Chr., für den Bei
ch Prenssen in Betracht; freilich, seine Worte Cap. 45: „{A
li omnium (Germanorum) succinam in ipso litore legunt" bcsiigi
iff II, 31 mit Recht hervorhebt, keineswegs, dass nor die Aesb
ihrer Küste besassen'), vielmehr, dass sie allein sieh mit de
1} MüllenhoTf nimmt hier &n, dass auch Tacitus, wie hon
ch von der alten Hcmsteinküste im Westen gewusst habe; besser >
diesen Verhandlungen 16W, 287, wühl gesagt; Tacitus „nennt nur'
msteinküsle, statt „kennt nnr'.
(315)
desselben befassten, aber es folgt docb hieraus immer, dass jeder andere Fundort
für den Handel nichts mehr bedeutete.
Nach Tacitus, Oermania 45 und nach Dio Chrysostoraos Coccejus
Or. 79 (um 100 nach Chr.) hatten die Aestier an der preussischen Bemsteinküste
erst ganz neuerdings den Werth des Bernsteins kennen gelernt, was allerdings
nach Hei big, Commercio p. 20 — 21, wohl nichts anderes heissen kann, als dass
durch die angebahnten lebhafteren Verbindungen mit dem Süden erst kürzlich
eine plötzliche Preissteigerung eingetreten war. Denn man wird zugeben können,
dass der samländische Handel allmählich eingeleitet wurde und den cimbrischcn
▼erdrängte, einen grossen Aufschwung aber offenbar erst nach Christus nahm, und
dies letztere könnte wohl mit dem unter Nero, etwa 60 nach Chr , wie es scheint,
einmal in's Werk gesetzten direkten Karawanenverkehr zasammenhängen. Ob
freilich die Reise des römischen Ritters unter Nero wirklich nach dem Samlande
ging, ist aus Plinius (37, 45), dem wir die Nachricht darüber verdanken, nicht
zu entnehmen; jedenfalls hatte letzterer davon gar keine klare Vorstellung (in
diesen Verhandl. 1890, 287; Müllenhoff A. I, 215). Wenn MüUenhoff trotz-
dem sich Hir das Samland entschied, so kann man ihm wohl beistimmen. Aber
wenn auch der Ritter schon bei seiner Abreise von der Theilung des Weges,
etwa im nördlichen Böhmen, wusste, so blieb doch jedenfalls Plinius der wahre
Sachverhalt noch verborgen, und man muss daher annehmen, dass nicht blos die
Entfernung der Bemsteinküste von Camuntum, wie er sagt, erst neuerdings
genauer bekannt geworden, sondern auch die Kenntniss ihrer Lage im Allgemeinen
noch nicht einmal Gemeingut war. — Tacitus dagegen, einige 20 Jahre später,
spricht nur von dieser neuen Bemsteinküste; überhaupt ist seine Kenntniss des
Nordens und Nordostens erheblich grösser, als die des Plinius, vielleicht gerade
in Folge des Bemsteinhandels (Müllenhoff, A. 11, S. 3 — 4), der freilich nicht
immer ein direkter gewesen zu sein braucht, sondem sich zum Austausch der
Producte der Vermittelung an der Donau sitzender deutscher Stämme bedient
haben kann')- —
5. Die Goldfunde.
a) Zur Chronologie der goldenen Schalen, Eid- und Spiralringe. In
meiner Arbeit über Spiralringe, in diesen Verhandl. 1886, 433 «f. u. 639; 1887, 605
habe ich gezeigt, dass die goldenen Noppenringe zum Theil den ältesten Gräbern
der Bronzezeit in Mitteleuropa angehören, die verwandten Spiralen II G aber, welche
uns hier hauptsächlich beschäftigen, in sehr früher Zeit beginnend, bis in den
Anfong der Tenezeit hinabreichen, d. h. nach der allgemeinen Annahme etwa bis
400 vor Chr. Diese lange Lebensdauer der Spiralen II G macht sie leider zu
genauerer Zeitbestimmung untauglich; wenn ich daher in diesen Verhandl. 1890,
S. 283 284 sagte, dass die Goldgefässe und Eidringe „im Allgemeinen etwas
jünger^ seien, so meinte das eben nur, dass wir für diese beiden Objectgattungen
ein hohes Alter nur äusserst selten, meist dagegen eine späte Zeitstellung nach-
weisen oder vermuthen können.
Montelius hat nun neuerdings gezeigt, dass die getriebenen Goldgefässe, die
er im Allgemeinen seiner Periode 4—5 zuweist, zum Theil ein wesentlich höheres
1) Die östlich von Oesterreich-Ungam und Deutschland, durch Russland, möglicher-
weise nach Preussen benutzten Wege des Handels sind in dieser Besprechung unberück-
sichtigt gelassen, da ich ausser Stande bin, die vorliegenden Angaben zu sammeln und
auf ihren Werth zu prüfen. Diese Wege dürften auch für die europäische Cultur-
entwickelung in alter Zeit einen nachweisbaren Einfluss nicht gehabt haben.
(316)
Älter haben (Stockholmer Hänadsblad 1989, 137 ff-, auBgegeben im Odober 1
die Schale *on Gönnebeck in Holatein und das Gcfäss von Scbiffcrstadt sei
an's Ende der Periode II; rur die das letztere begleitenden Bronzcmeiasel
bei dieser Gelegenheit die Form näher bezeichnet als Absatzcelte, die etwa gl
alterig mit Antiq. Sned. 117. Dag SchifTerstadter Stück aber nimmt durch
sonderbare Form, die ihm die Bezeichnung „Hut" eintrug, eine eigene 8te
ein, und in Bezug auf die Schale von Gönaebcck betonte ich S. 293, daas sie c
ihre Stohflächc und die Art der Ornamentik von den meinten anderen Schalei
weicht; dazu entstammt sie einem der, namentlich jenseits der Elbe, relat
seltenen Grabfunde; in Honleliua' Per. IT — III wird man sie allerdings s
mtlsseu. Will man daher f(ir dieses Stück eine südöstliche Herkuntl anneh
so wäre dajfegen nichts einzuwenden. Freilich bleibt hier noch manches du
deim die Ornamentik der Gönnebecker Schale stimmt gut mit der zweier Bi
von Boeslunde auf Seeland (Madsen Bronceald. II T- 28, 2 and Congres Copenh
T. 21, 2), und doch sind letztere unmittelbar zusammen gefunden mit den Sc
gefäsaen (ebenda Fig. 1), deren Ornamentik nichts Absonderliches zeigt.
Das vonToas in der DiscosBion zu meinem Vortrage bekannt gegebene G
von Werder a. d. Havel (K. Mus. f. Völkerkaade I f. 3530), welches der
liehen Lage seines Fundortes nach so isolirt dasteht, zeigt auch wieder in E
auf seine Ornamentik eine Abweichung von allen anderen bekannten Geli
durch die Vogelgestalten. Die zugehörigen Spinüannbänder, 3533 a ni
bestehen aus einfachem Draht in 8—9 Umläufen, dessen Enden zu äusserst kli
Vointcn umgebogen worden; die massiven Armringe 3&31 und 3bd2 sind
ähnlich Lindensehmit, Beidn. Vorzeit I 5, T. 4, 6 Ton Lettnin'), Kr. F
in Pommern (also nicht Kyritz in Brandenburg!), Stettiner Hus. Nr. 4'6G, i
einem Stein gefunden; nur die Ornamente, die auch bei beiden Stücken unter
nicht ganz gleich, sind etwas abweichend. Aehnliche goldene Armringe hat
in Ungarn, Hampel, Bronzezeit, Budapest 1887, T. 47, 2, 3, 4 ans dem S<
von Acsäd, diese aber innen mit stark vortretenden Rippen, während jene
schwach convex sind. Die verwandten nordischen Ringe mit gespaltenen E
(Worsaae Nord. Olds. 253, Hadscn, Bronceald. I T. 35, I, 2) finden sich
Sophus Hüller, Perioden der Bronzezeit, Jena 1878, S. 52 Note 3 vorwic
im östlichen Dänemark und gehören nach Montelius in Periode III. AH d
pusst got zu einer östlichen Provenienz des Fundes von Werder und man
wohl sagen müssen: die Goldgefasse kamen meist im Westen herauf nach
Norden und gehörten der Periode IV— V an; einige sind aber älter and v
scheinlich ans Südosten gekommen. —
DasB die Eidringe mit den Doppeldrahtspiraloa zum Theil glcichalt
sind, beweisen die Funde von Tegignard in Jütland und Hunestad in Schwt
welche Spiralen und Eüdrjnge gemeinsam enthielten. Funde von Eidringen am
zweifelhaft älterer Bronzezeit sind nicht bekannt.
BczUglich der Spiralen II G sei bemerkt, dass meine Angabe in den 1
1890, 279, wonach dieselben nach Periode 3 und in BrondgräbeTn verschwii
nur für Amrum gilt; denn in meiner früheren Zusammenstellung habe ich P
genug aus Brandgrübem und spaterer Zeit aufgeführt. — Han könnte geneigt
1) Halt Studien 8, 3, 2üT werden Ringi- mehrerer, unter sich sehr TetBcbi«ilener Po
als Analoga heraogciogrn, von dnnen jedoch nur Friderica-Francisceum T- 83, 1 mi
spaltenen, in SpiralschelbeD aufgerollten Enden mit dem LeUain«r in vergleichen '
Fehlen der goldenen Spiralringe
zirlen Gebiet links der Weser-Allci
{;e eben ihre Heimath im Südosten
en Verkehrsat rasse andere Tauachn
sae gernndcnen Spiralen II G (z
h. 1886, 451 und 457) wären dan
hten, um so mehr als die einziger
alcn (Verh. 1886, 459) deutlich vo
Id Sachen wenigstens, und namentli
verdient aber das Gold, rein als
den, eine grössere Reachtong, als
ebt, wenn man die Zeit seines &
Dr vergleicht. In dieser Ueziehnn;
b) das erste Auftreten des (
in Mitteleuropa, sowie auf nmiere
vicn Gold schon reichlich in der
ien zur Bronzezeit noch un
eich eingeführt worden zu sein (
), p. 820 Note 2; Heibig, Italiker
ize- und die iilteste Giscnzeit eii
apcst p. 319). Uebcr das Gold i]
folgende Angaben: Gozzadini bei
chu uns unberührt tJbcrhommcn st
;n Metallen, die Habsucht dei
igna 1877, p. 88). Zannoni mach
en grossen Gräborfcldern westlich
, Bologna 187«— 84). Hier fanden
ten Feldes (Benacci) i Fibeln i
liehen (jüngeren) Theil desselben
in (die Angabe, p. 152, ist nichl
iint einem Grabe am Arsenal (od
auf die jüngeren Benaccigrüber fo
Prachtfibel, alles phönicischeri
155; Brizio, Honumenti p. 216 i
dem Felde Amoaldi, der Schlass
t, traf man goldene Fibeln (Gozzi
irichten über Gold aus dieser Zei
i auf den Orient ^ Zu Golascct
in f iligranarbeit, der aber jeden
L, weit hinanf reichenden Grüberfel
in jElngerer Zeit wird das Gold in
der Certosa bei Bologna an Sco'
che Fig. 10; p. 345 ein mit einem
fibein T. 117, 4, 4 (Certosatypns) i
Gold plattirte Silber- und Brons«
Iringehen, Index p. 474.
c) Gold ia der Schweiz. A. Ir
i der Steinzeit, theils der reinec
nn der Nekropoleii Uberitaliens, a
t sich Qold selten, und die wenig)
(318)
mit den Qoldsachen des Nordena erken
auf einen sämmtlich aas der Westech
ciee, gerippte, zu Röhrenperlen gebogen'
1885, IT5 and PI. 13, I; Hanro, p. 1
[anro wesentlich Steinzeit), Drahte,
IC sehr kleine „Rosette", ebenda Fi
16, 5 nnd 5a. — Auvernier, Spiralen
:hem, aber z. Th, aas gedrehtem Drahi
lyer, Ohrring, Ber. VIII T. 4, a7, Mun
V, S. 175. — Die angeblichen Goldgeg
18, li) sind, wie ich vermnthete and
>ld, sondern aus Bronze and Zinn. —
(Montellier), Fingerring aas Blech,
FrotohelT. T. 20, 16; ferner „ein kleir
i1. Heierli erwähnt „Wollishofen" 8.
e Fingerringe.
Uiirigen), gerippte Lamellen, Protohe!
B gedrehtem Draht, Der. VII T. 8, 17, I
eh, Ber. VU T. 9, 18 (Heierli spricht
m); ein Ringlein des Bemer Hosenms
)Ui8horen (siehe anten), Ber. IX, S. 53
22—23 eine kleine Drabtspirale and
pten Blechs, vielleicht Ber. n, T. 2, 106
und Hörigen gleichend. — Von der ,
Ber. V T. 16, la. Manro erwähnt |
japins, aber nicht aas einem Ffahlbaa
sei römische Sachen auch sonst vorkami
ler kleinen Insel.
ta, ein Ringletn aas einfachem Draht
1, S. 22. — Hier sei angeschlossen:
jen: einige Stückchen gewandencn Dra
)22-23.
;tes p. T8, sogt, Gold sei relativ häuRg i
it, so darf man nicht vergessen, dass Gr
en überhaupt bisher noch selten sind,
zerische vorromischc Grabfunde namhaf
1 jung sind. Ich ordne den Cantonen u
kiter nach.
ironzene Pauken- oder Armbrustpaukenfibi
ÜB mit Gold plattirt; Bonstetten, Su
a ins 5. Jahrh. zu setzen (vergl. Beiträge
I).
angen a.Äare, ein Goldblatt mit lät
: eines grösseren Blechs, wohl, wenngl
rabc mit Schwertern, Sicheln, Ärmspai
■m; gef Hitth. des Hrn. v. Fellenbcrg.
L'n TCrsehietlener Grösse aus Gotdbledi
rringe aas Rühren von Goldblech, Boi
mit der gerippten Oiste T. 15 I u. 16 1,
lUB einem Grabe, also vom Knde d<>r
(319)
r Anfang der Tenezeit. Die angebliche Zngehitrigkeit des Feuerstahle T. 13, 10
mir verdächtig und Hr. Dr. von Pcllenberg tbeilt jetzt meine Ansicht wegen
verschiedenartigen Rostes dieses StUckes. — Allenlurten bei Gümmenen,
tlich von Bern, Goldbleche, Mitth. d. antiqnar, Ges. Zürich XVII T. 1, 1, 2 mit
telbeschläg, das an Hdlstättcr erinnert and durch aeine Ripptmg aa die Giaten,
r anch mit Früh lateneB bei n. — Murzelen, der schon S. 303 erwähnte Ohr-
g, Bonstetten, Recueil PI. 6, 8. Qrossholz ob Ins (Anet), zwischen Bieler-
Murtensee: Bleche, Perlen aas Blech, alles verziert; Bonstetten, Snppl. I
14, 3—8 aus einem Grabe; Drahtkette, Perle ans Blech, Ohrring aoa
chröhre ans anderen Gräbern, ebenda Fig. 9—12 (Latenczeit). — Kirch-
rnen bei Thnn, Fingerring Recueil Suppl. 1 Taf. G, 12 zu p. 13, zusammen
dem silbernen Ring T. 6, 11 und dem gläsernen Armreif T. 5, 21 gefunden
einem (Skelet-?) Grabe in einer Kiesgrube. — Der Goldring von Schalunen
Pruubrunnen, Archiv des hialor. Vereins d Kts. Bern VI (1867) S. 297-303
Tufel, ist ausgeplIUgter Einzelfand, hier also nicht mitzurechnen, Übrigens von
Form Lindenachmit, Heidn. Vorzeit II 5 T. 3, 6.
Ct. Baselland, Binningen, Goldblech-Beschlag der bronzenen Scheide
IS Bi-onzemessers; Bonstetten, Suppl. II T. 3, 2 und 1; im Bemer Antiqua-
n. „Erdfand, ohne Spur von Knochen", wird aber meist als Grabfund auf-
iBBt, 80 von ündsct, Weatd Zeitschrift V S. 9 und von Tischler ebenda
80; Hr. v. Fellenberg bemerkt mir, dass von den 3 Stücken, in die das
ser zerbrochen war, eines schön patinirt sei, während die anderen ohne Patina,
das Anaaehen der Pfahl bautenbronzen hätten, über sehr brüchig seien. Mittlere
iizezeit oder gemischter Fund nach Undset, locale Gruppe der mittleren oder
[cren Bronzezeit nach Tischler.
Ct. Aargau, Unter-Lunkhofen a. d. Reuss: verschiebbare goldene Schliess-
ichtangen an ailberncn Armringen neben FrQhlateneßbeln und Bernsteinringen
einem Brandgrabe; Archaeologia Vol. 47, London 1882, p. 131 — 34 mit Taf ü,
lind gef. Hitth. dea Hm. J. Heierli, Zürich.
Ct. Zürich, Burghölzti bei Zürich: biet feder weite Spirale Ilo^ G; ZUrcher
q. Mitth. I S. 4 und T. 2, 8; diese Vcrh. 1886, S. 457; Anzeiger 1889, 8. 145
190; lö90, S. 290. - Borgen: nach Zürcher Mitth. III Abth. 2, S. !l— 13 u.
I, sowie der Berichti^ng hierzu Anzeiger 1887, S. 393: 2 goldene Fingerringe
ith. Fig. E und F + Q), ein silberner (Fig. K), eine silberne Mittel late neu bei
'. J) and eine Goldmünze etwa von 300 vor Chr. (Nachbildung eines Phi-
u<). -
Von den angeführten Goldsachen erinnci-t der Binninger Üeschlag durch seine
amente an die Goldgelasse, während die Sachen von Grauholz, Allenlüften und
andere Muster zeigen. —
(19} Hr. Müschner spricht über die
Wenden der NiederlaoBitz.
(Hierzu Taf. II )
Lange schon sehnte ich mich danach, der Gesellschaft einen möglichst toII-
digen Ueberblick über die heutigen- Wenden der Niederlaasitz zu geben. Durch
freundliche Entgegenkommen des Hofphotograpben llrn A. Schwartz, der mit
Apparat in der Hand seit mehr als 30 Jahren Deutschlands landschaftliche,
hichtliche, volksthümliche und selbst industrielle Merkwürdigkeiten anfaucht,
irt und sammelt, dessen Album deutscher Sehenswürdigkeiten bereits die statt-
n mehr als 40 Bänden erreicht hat, und dessen nnermfid liebem Porsc
ist, die Rolande Dcntschlands, wie sie uns die Festschrift zur F
«n Bestehens des Vereins für die Geschichte Berlins TorfUhrt,
;kcn hervorzuholen, ist es mir gelun^n, eine reichhaltige Samml
3ilder hier vorznlegen. Ich glaohe nicht, dass es überhaupt i
lebt, welche diese übertreffen könnte. Äur anserer Wanderung di
iisilz haben wir unser Hauptaugenmerk besonders darauf gericl
las Charakteristische durch photographiache Aufnahmen der Terge»
lissen und zur Anschauung zu bringen. Ich brauche wohl nicht
Schwierigkeiten und Hindernisse zn gedenken, die ein Sammler vo
este, wie überall, so auch ganz besonders unter den Wenden zu ü'
ISS in der That staunen über die Mannichfaltigkeit der Trachten
Über das, was dem stillen Beobachter in Bezug auf Sprache, W<
1er Bewohner nicht entgehen kannn. Ich will versuchen, meine di
i^erkehr mit den Wenden gewonnenen Eindrücke und Wahmehmnr
igcben, und beginne mit dem Qnssdurch furchten
Spreewald.
Adern der Spree waldbe wohner fliesst, wie geschichtlich erwiesen
Blick auf die Familiennamen lehrt, auch deutsches Blut, jedcnl
I MaassG, als in den Adern der übrigen Wenden. Das Auge
ist ruhig und mild lächelnd. Der Teint der Mädchen ist zart
[lose und Lilie, sagt das Volkslied. An Festtagen zeigt die K
linlichste Sorgfalt und Sauberkeit, — Eigenschaften, die man bei
als vergeblich gesucht hut und die man unter den Wenden der Nie<
sonst nirgends so ausgeprägt findet. Man könnte mir daranf
rühre daher, dass die Spreewälder mit den reiselustigen Deutuc
; kommen. Ich bin nicht der Ansicht. Wohl machen Tonristen
and mit den Oasthöfeo nähere Bekanntschaft, aber nicht mit
Tagewerk nachgehenden Bewohnern. Wäre der Verkehr mit
lein im Stimde, die genannton Eigenschaften den Wenden einzuimp
m niüssten die Anwohnerinnen von Cottbus und Spremberg, die sc
iten die „Gnädigen" der Stadt, denen sie Butter, Milch, Eier und K
ezug auf Reinlichkeit und Sauberkeit nicht genug rühmen küni
nsicht den Spreewülderinnen mindestens gleich sein. Dem ist t
I vom Spreewald, etwa in dem Theile des Cottbuser Kreises,
neu Calau-Cottbus und Coltbus-Guben abschneiden, ist der Eindri
iden auf uns machen, schon ein anderer. Der Blick hat nicht m
ihc und Gelusseuheil, und auch der Teint lässt jene ausgeprägte Z
nheit- vermissen, er tritt schon etwas gemischt auf. Das Haar
nicht mehr gescheitelt, wie in Burg, und umrahmt nur ausnahmswi
tim, die von dem schweren Kopftuch (lappa) zusammengehalten w
len Wenden für nicht anstandig, wenn das weibliche Geschlecht
iz oder auch nur zum Theil ztfr Schau trägt. Der Teufel lacht,
linen, heisst es, wenn ein Mädchen griwala d. h. mit einer Mfihne
Icr wenn es gar pfeift. Daher sucht man das Haar sorgßltigsl ni
lülze zu verbergen. Auch in der Sprache besteht ein kleiner Dn
ndera hinsichtlich der Färbung der Vocale Die Tracht gleicht
^ot/r/ffJ«"/ n'r^>,/.MMw >.■'.-. l/t./.fWrf<^'7
hi sehen OriciDal-AufDahint
rossen and G
auberkeit und
Üor Haapti
ervor in dem
n Spreewald I
erden, einen '
jFTorragt; bei
), nmgiebt dei
icher Fülle ai
ickan^, der i
inderls noch d
Burg. Das j
ihrhunderts en
e dem Hapati
Da ich mic
ilatracht amgi
irze Wanderur
zntreten, odci
ibcner Bahn,
i wohne hier
; bieten. Das
irkiger hervor
reewäldiache
p, t; der rh;
stens eine Ti
knnntermaassc
r Spreewäldci
hmetteriingsflII
wohl in der
reifen eiD we
lig kurzen Ui
en fast unnatti
illenen StJümp
issehen. AuSü
;her Hinsicht a
i Gnben, jeusi
tschicbte and i
reo rerknQpft
jobry von Pol
;elegt haben s
dxe eine Urüc
ichehen sei.
irecht dem Bä
irt durch ein s
nesen sein. D
ck auf Nieinil
1 Cottbus aus
iserst sumpfigt
(322)
um Nicmitsch zu beobuchlon iinU za bedrohen. Niemitsch gegenüber, aro Ur
Neisseufer, liegt diis Dorf Gastcrosc, wendisch goateraz, d. h. das Mal, das Zci(
rur die Gäste. Kann hier nicht ehemals eine Fähre über die Neisse gewesen s
Der Fährmann mag Snsaretz (sa = filr, saretz = der hinter dem Flnss Wohnoi
bewohnt hüben. Niemitsch, jener in altgermani scher nn^ slavischer Zeit wict
Ort, hatte wohl mit Recht .Anspruch auf eine solche Verbindung mit dem Wei
Bemerken will ich noch, dass, da Mjefislaw, Bolesiaws Sohn und Nachfol
von den Slaven auch kurit Mesk genannt wurde, man wohl auch Niemitsch,
wendisch Nameachk hcisst, als Ort des Mcäk ansehen konnte. Das wäre
neue Deutung des Namens Niemitsch, wenigstens des Niemitsch bei Guben
des Niemitsch bei Senltenberg, das wendisch fast ebenso bezeichnet wird. E^
stände nun die Frage: Haben die Bewohner dieses Malxcgebietes ehemals di
unter der Herrschaft von Niemitsch gestanden, oder giebt es eine andere Grkläi
für ihre Abweichung in Sprache und Tracht von den Spreewäldern?
Der südliche Theil des Cottbuser Kreises
zeigt uns hinsichtlich der Tracht ein ebenso wenig einheitliches Bild, als in ßi
uuf Form und Gestalt der Bewohner. Hier wohnen die Langröcke, wenn ich so ss
darf, d. h. die Franenröcke reichen im Allgemeinen bis an die Knöchel, wie in d
sehen Gebieten, während sie in den drei vorhenannten Bezirken nur etwa die h
Wade bedecken. Wie ist das zu erklären? Der nördliche Abhang des Lausi
Grenzwalles bildete von jeher einen Theil der Völker- und auch Heercsstrassc
Jütland nach Pannonien, oder sagen wir bestimmter, von Magdeburg nach Brei
nnd in geschichtlicher Zeit wird noch des alten Salzwcgea Erwähnung gethan,
aus Galizien über Sorau und Spremberg führte. Alaun nennt der Wende gali
d. h. Salz aus Galizien. Was liegt daher näher, als der Gedanke, dass hier
wendische Originalität durch den gewaltigen EingrilT der Zeiten Wechsel, an de
Spuren es auch sonst durchaus nicht fehlt, — ich erinnere nur an Horlitz, Reut
Reinbusch, — durchbrochen und zerrissen worden sein mag, und dass das Auge
die Tracht der Landbevölkerung auf dieser Linie nur ein schwacher Widerse
der Wirren verflossener Jahrhunderte ist? Die Kleidung wird von den Wei
selbst hier und da als deutsch be/.eichnet, die Sprache aber ist wendisch,
im südlichen Theil des SprerobcrgiT Kreises begegnen wir dem im obenenväh
Maixegebiet bekannten, kurzen und groben Frauenrock wieder, nnd zwar ist in
Umgegend von Moskau
die runde Mütze mit der in Heinersbrück nahe verwandt (Fig. V). Die Bpil
krause umgiebt den Kopf nach Art des Heiligenscheines auf manchen Hado
bildern, bald wieder nähert sie sich den „SchmetterlingsflUgeln". Das Gei
scheint mehr einen reinen Teint zu haben, als in
Schleife und westlich davon.
Hier tritt aus dem Antlilz der uns grttssendcn Kinder der slavischc Typus si
wieder bestimmter hervor. Das niedliche rothe Häubchen, von einem zi
Spttzenkranz eingefasst. harmonirt mit dem vollen, stets etwas glänzenden, ro
Gesicht des Mädchens, das mit dem Schnürleibi-hcn und der eigenartig gedruc
blauen Schürze uns schiinbar eine ganz andere Tracht zeigt, indess der „taus
faltige Rock" der älten-n Frauen und die Strumpfe und Schuhe (Fig. IV) erin
uns wieder im Heinersbrück und an das durch seine Urnen bekannte Home
Guben. Hier finden wir in dem Volksleben unstn-itig noch Reste üeht wendii
(323)
Eigenart. Die Kirchgängerin trägt unterm linken Arm ein grosses weisses Tuch
(ruh, mbisco) zusammengerollt noch heute so, wie es auch früher um Cottbus
Sitte war, und die Männer haben noch ihren besonderen Kirchrock von bhiuem
Tuch mit grossen gelben Knöpfen. Die wendischen Tänze zeichnen sich hier
ebenso sehr durch ihre Originalität aus, wie die Instrumente, nach deren sonder-
baren Klängen getanzt wird. Da tritt uns der Dudelsack in zwei Arten entgegen.
Zur Herstellung der ersten Art, der mechawa, wird ein gegerbtes Kalbsfell luft-
dicht so zusammengenäht, dass nur 3 Oeffnungen übHg bleiben: eine da, wo der
Kopf war, und zwei da, wo die Vorderfüsse waren. Die mit dem Halse ver-
bundene Pfeife (pfeberawa) ist von Holz und hat 7 Löcher, ähnlich wie eine Flöte.
Die Melodien bewegen sich in f Dur. Der linke Vorderfuss geht in eine lange
Pfeife über, in die „Bruma" (baracawa), die nur einen Ton erzeugt, das Contra-f.
An den rechten Vorderfuss schliesst sich das Ende eines kleineren Sackes (blosberk,
d. h. Blasebalg) an. — Die zweite Art von Dudelsack heisst kozol. Der kozol
(Ziegenbock) wird ähnlich so, wie die mechawa aus dem Kalbsfell, aus dem Fell
eines Ziegenbockes heiigestellt, von dem aber die schöne, weiche Behaarung nicht
entfernt werden darf. Der Kopf aus Holz zeigt zwei niedliche Hörnchen, die glän-
zenden Hauer (Zähne) eines Ebers. — Das den Dudelsack begleitende Instrument
ist die dreisaitige Geige, ihre Metallsaiten heissen e, a, d. Es giebt zwei Arten
solcher Geigen, die eine spielt nur auf Hochzeiten und heisst daher werowanske
huslicki = die kleine Hochzeitsgeige, während die husle, die grössere Geige, sich
bei anderen Gelegenheiten hören lässt. Bemerkenswerth ist es, dass der Dudel-
sack und diese Geige von Bauern gespielt werden und in jener Gegend sich grosser
Beliebtheit erfreuen. Ein ebenfalls echt wendisches Instrument, das nur dem Namen
nach noch existirt, die Tarakawa, ist durch die Klarinette verdrängt worden. —
Ganz abweichend von den bisher betrachteten Trachten ist die von
Neustadt an der kleinen Spree hinter Spree witz.
Das weisse Tuch, in das die trauernden Frauen sich hüllen, wenn sie zur Kirche
gehen (Fig. VI), scheint an die wendische Göttin Smertnitza (smertnica) zu erinnern.
In meiner Kindheit wurde mir erzählt, die Smertnitza gehe im weissen Gewände
am Sylvesterabend durch das Land, und wer ihre Gestalt draussen am Fenster er-
blicke, der müsse im kommenden Jahre sterben. Ein Mädchen habe, in ein rubisco
(weisses Tuch) gehüllt, sich erkühnt, ihr nachzumachen, da habe es, von draussen
in die erleuchtete Stube blickend, daselbst auf der Ofenbank eine Mulde mit Ge-
därmen gesehen Am nächsten Moi^gen fand man sie todt an dem Zaune liegend,
der ihr Eingeweide hielt. Im Cottbuser Kreise ist bei den Frauen diese Art von
Trauer im Erlöschen.
Die Manuichfaltigkeit der Trachten und die Verschiedenheit der Bewohner in
der wendischen Niederlausitz giebt uns ein kaleidoscopartiges Bild auf einem
kleinen Fleck Landes, wie wir es in solcher Vielgestaltigkeit auf einem so kleinen
Räume wohl nirgends finden.
Was Hr. W. v. Schulen bürg und ich über das wendische Wohnhaus und
das Spreewaldhaus zusammengestellt haben, das hat Hr. Ad. Cerny im Casopis
Macicy Serbskeje 1890 ergänzt und erweitert, und kann man in dieser Hinsicht
die Forschung als zum Abschluss gelangt betrachten. In der Oberlausitz ist der
Giebelschmuck (kicina) an den Strohdächern eine grosse Seltenheit. Rieh. Andree
in seinen Wanderstudien bemerkt, dass die Holzbogen, welche sich über den
Fenstern hinziehen, das Kriterium eines acht wendischen Bauernhauses sind. —
21*
irtigkeit der Tracht in den eit
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ich der Sloveoen.
th Schlemm (veigl. Vcrh. 1
. V. Littrow. Berlin 1865.
ih abertragen von Pranz Frili
Sitzung vom 21. März 1891.
Vorsitzender Hr. Virchow.
(1) Am 1. MäKz hat unter grosser Thoilnahrae die von der Gesellschaft ange-
regte und von der archäologischen Gesellschaft und der Gesellschaft für Erdkunde,
sowie von den städtischen Behörden bereitwilligst aufgenommene Gedächtnissfeier
für Heinrich Schliemann stattgefunden. Der ausführliche Bericht ist im IL Heft
der Zeitschrift für Ethnologie S 41 fgg. veröffentlicht.
Von Hm Johannes Ranke ist etwas verspätet folgendes Telegramm ein-
gegangen: „Die Münchene^ anthropologische Gesellschaft und ich persönlich senden
den Ausdruck unserer innigen Theilnahme an der Gedächtnissfeier für unseren un-
sterblichen Schliemann."
(2) Aus der Zahl ihrer ordentlichen Mitglieder sind der Gesellschaft durch
den Tod entrissen worden der Schulvorsteher a. D. Budczies in Berlin, einer der
eifrigsten Förderer der Berliner Localgeschichte, und der Oberlehrer Dr. Bujack
in Königsberg, der Direktor des Prussia-Museums, der unermüdliche Erforscher
der prähistorischen und historischen Alterthüraer Ostpreussens.
(3) Als neue Mitglieder werden gemeldet:
Hr. Marine-Assistenzarzt I. Classe Dr. Reich, Wilhelmshafen.
„ Generalsecretär der Gesellschaft f. Erdkunde, Hauptmann a. D. KoUm,
Berlin.
„ Apothekenbesitzer Schnell, Berlin.
„ Ingenieur Rödiger, Solothurn, Schweiz.
„ Major a. D. Frötsch, Halle a. S.
(4) Am 20. Februar ist zu Nizza der um die anthropologische Literatur hoch-
verdiente Buchhändler C. F. Reinwald zu Paris in seinem Husten Lebensjahre
gestorben.
(5) Hr. Hauche CO rne hat am 3. März sein 25 jähriges Jubiläum als Direktor
der Bergakademie und der Geologischen Landesanstalt gefeiert.
(6) Hr. Fedor Jagor berichtet in einem Briefe an den Vorsitzenden vom
14. Februar über den bisher befriedigenden Verlauf seiner Reise, die ihn über
Cairo, Ceylon, Madras, Hyderabad, Puma nach Bombay geführt. Er beabsichtigte
demnächst nach Rajputana und von da nach Calcutta zu gehen.
(7) Die naturforschende Gesellschaft zu Danzig ladet zu einer dem
Königsberger Anthropologencongresse voraufgehenden Vorversammlung in Danzig
und zu einem Besuche der Marienburg ein. Diese Vorversammlung würde am
3. August ihren Anfang nehmen.
I
(326)
(8) Die Pcderation archeologique et historique de Belgique hält am
2. — 7. August 1891 zu Brüssel eine Versammlung ab. Das reichhaltige Programm
wird voiigelegt.
(9) Der Vorstand und Ausschuss der Gesellschaft haben unter dem 19. Februar
an den Herrn Unterrichtsminister folgendes Gesuch gerichtet, betreffend
Gründung eines deutschen National-Mnsenms zu Berlin.
Eure Exoellenz haben der heimischen Alterthums- und Volkskunde zu jeder
Zeit ein warmes Interesse bewiesen und dieselbe stets in thatkräfdgster Weise ge-
fördert. Die gehorsamst Unterzeichneten wagen deshalb zu hoffen, dass die von
ihnen vorzutragenden Darlegungen bei Eurer Excellenz ein geneigtes Gehör finden
werden.
Als vor nahezu zwei Jahrzehnten von der Berliner anthropologischen Gesell-
schaft die Abzweigung der ethnologischen und prähistorischen Sammlungen von
den im alten und neuen Museum vorhandenen Kunstsammlungen angeregt und in
Folge dessen nach erfolgloser Umschau unter den älteren disponiblen Staats-
gebäuden wegen passender Räumlichkeiten die Errichtung eines besonderen Gre-
bäudes beschlossen wurde, konnte man nicht voraussehen, dass beide Abtheilungen
sich, Dank der Untersützung, welche dieselben von Seiten der vorgesetzten Be-
hörde und im Laufe der Zeit auch in weiten Kreisen der Bevölkerung gefunden
haben, so bald zu einem so bedeutenden Umfang entwickeln würden. Aber schon
in dem Augenblick, als das neuerrichtete Gebäude bezogen wurde, stellte es sich
heraus, dass dasselbe nicht für alle Zwecke, denen es dienen sollte, ausreichen
würde. So musste eine Abtheilung, und zwar gerade diejenige, deren eifrige Pflege
stets besonders betont war, nehmlich die der heimischen volksthümlichen Trachten
und Geräthe, fortgelassen werden und konnte erst später durch private Thätigkeit
begründet werden.
Die ethnologische Abtheilung befindet sich mit der Aufstellung ihrer Samm-
lungen in einer sehr bedrängten Lage, da der Raum nicht ausreicht, die jetzt vor-
handenen Gegenstände in übersichtlich geordneter Weise aufzustellen.
Mit der Erwerbung der überseeischen Colonien für das Deutsche Reich ist
der ethnologischen Abtheilung eine neue Verpflichtung auferlegt und der letzte
Raum, welcher noch verfügbar war, auch besetzt worden.
Die prähistorische Abtheilung ist augenblicklich, aber auch nur scheinbar,
besser gestellt. Wegen Mangels an Schränken ist bereits in den Magazinen ein so
beträchtliches Material angehäuft, dass, sobald genügend Schränke vorhanden sind,
die Räume vollständig gefüllt werden und für den Zuwachs kein Raum mehr ver-
fügbar bleibt.
Zwar wird durch die in Aussicht genommene Verlegung der Schliemann-
Sammlung später einiger Raum gewonnen werden. Aber es wird noch sehr lange
Zeit, mindestens wohl ein Jahrzehnt, vergehen, bis diese Verlegung stattfinden kann.
Zunächst steht ausserdem noch durch eine neue Schenkung Dr. Seh lie mann *s
eine so bedeutende V^ermehning der Sammlung in Aussicht, dass die Verwaltung
in grösstc Verlegenheit gerathen wird, dieselbe unterzubringen. Auch die Samm-
lungen der anthropologischen Gesellschaft enthalten ein so reiches und werth-
volles wissenschaftliches, auf die Rassenanatomie bezügliches Material, neben der
mehr als tUXX) Bände zählenden Bibliothek, dass im Interesse der Weiterentwicke-
lung und Förderung dieser wichtigen Studien die Schaffung grösserer Räumlich-
keiten dringend zu wünschen ist.
(327)
In der übelsten Lage befindet sich das neu errichtete Museum für Volks-
trachten, welches seine bereits sehr bedeutenden Sammlungen zu einem grossen
Theile in sehr ungeeigneten Räumen magaziniren muss. Da dasselbe fast aus-
schliesslich durch die Freigebigkeit und opferwillige Thätigkeit einer Anzahl von
Privatpersonen zu Stande gebracht ist und auch in Zukunft, selbst wenn es eine
Staatsunterstützung erhalten sollte, wesentlich auf die werkthütige Beihülfe aller
Schichten der Bevölkerung angewiesen sein wird, so werden für dasselbe so bald
als möglich Räume herzustellen sein, in denen die schönen und lehrreichen Reste
der in schnellem Verschwinden begriffenen Eigenthümlichkeiten unserer Volks-
stämme eine würdige und ihrer hohen volksgeschichtlichen Bedeutung angemessene
Aufstellung erhalten können.
Die Anforderungen, denen ein Gebäude für die letztere Sammlung gerecht
zu werden hat, sind so besondere, dass sie, da in dem Museum für Völker-
kunde kein Raum für dieselbe gefunden werden kann, in keinem älteren Gebäude
genügend erfüllt werden dürften.. Es erscheint demnach als unabweislich, sobald
als möglich zur Errichtung eines besonderen Gebäudes zu schreiten, in welchem
ausser dem Museum für Volkstrachten auch die jetzige prähistorische Sammlung,
sowie, wenn möglich, die Sammlungen der anthropologischen Gesellschaft eine
würdige und räumlich ausreichende Stätte finden, wo sie ihren Zweck, zur Beleh-
rung des Publikums und zur Förderung der Wissenschaft zu dienen, in ausgiebiger
Weise zu erfüllen vermögen. Jede Verzögerung würde den Bestand der Samm-
lungen sowohl des Trachtenmusenms, als auch der prähistorischen Abtheilung, deren
Zuwachs mehr und mehr und demnächst wieder für unabsehbare Zeiten in Risten
magszinirt werden müsste, gefährden und die Fortentwickelung der beiden Insti-
tute auf das Empfindlichste schädigen, weil das Publikum, auf dessen rege Be-
theiligung beide angewiesen sind, sich kühl und unthätig verhalten wird, wenn
der neue Zuwachs in Folge von Raummangel nicht einmal aufgestellt werden
kann. Die Nothstände dieser Art sind noch zu frisch in der Erinnerung, das Auf-
blühen der Sammlung dagegen in den neuen schönen Räumen dagegen ist für
jeden täglich zu beobachten, und es erscheint deshalb dringend geboten, die Sache
nicht erst zum Aeussersten gedeihen zu lassen, sondern bei Zeiten diesen mit
Gewissheit vorauszusehenden Zuständen vorzubeugen.
Ausser diesen bereits vorhandenen und in Kurzem eintretenden Nothständen
aber veranlasst die Unterzeichneten noch ein besonderer Grund, welcher mehr die
ideale Richtung, der die Sammlungen der vaterländischen Alterthümer und der
heimischen Volkstrachten und Geräthe zu dienen haben, berührt: die Vereinigung
dieser Sammlungen in einem besonderen Gebäude Eurer Excellenz auf das Wärmste
zu empfehlen, — das ist die ergänzende Erweiterung desselben zu einem deut-
schen Nationalmuseum für Alterthümer und Volkskunde.
üeberall herrscht jetzt die lebhafteste Begeisterung für deutsches Volksthum
der Gegenwart und der Vergangenheit, überall wird auf beiden Gebieten höchst
thätig gearbeitet und gesammelt. Üeberall entstehen neue Museen und Sammlungen,
und bereits droht grosse Gefahr, dass das kostbar^ und schnell selten werdende
Material in hundert kleinen Sammlungen zersplittert und einer fruchtbringenden
vergleichenden Bearbeitung entzogen wird. Es ist deshalb durchaus noth wendig,
dass die jetzt herrschende Hochfluth des allgemeinen Interesses voll ausgenutzt
und richtig geleitet wird. In München geht man bereits mit dem Plan um, für
das dortige National museum ein neues Gebäude zu errichten, und sicher wird man
dann auch diesem Theile des deutschen Volksthums einen hervorragenden Raum
t'i
(328)
1
r^ '
gewähren. Es würde dann ganz Bayern dem Wirkungskreise unseres Museums
entzogen werden. In Braunsehweig ist vor Kurzem ein neues „Vaterländisches
Museum^ eröffnet worden, in Stuttgart sind für eine zu gründende Sammlung ethno-
logischer Gegenstände aus Württemberg Räumlichkeiten zur Verftigung gestellt
worden, in Baden hat die Regierung einen namhaften Geldbetrag bewilligt zur Samm-
lung Badischer Volkstrachten, in Schwerin und Hambui^g sammelt man schon seit
Jahren volksthümliche Trachten und Geräthe aus verschiedenen Landesgebieten.
Es könnte vielleicht gegen die Elrrichtung eines Nationalmuseums in Berlin
eingewendet werden, dass in Mainz und Nürnberg derartige, vom Deutschen Reich
unterstützte Anstalten vorhanden sind. Dazu ist jedoch zu bemerken, dass das
Römisch-germanische Central museum zu Mainz sich wesentlich auf die Herstellung
von Nachbildungen römischer und germanischer Alterthümer der vor- und früh-
geschichtlichen Zeit beschränkt, während das Germanische Museum zu Nürnberg
zwar auch die Urgeschichte in seinen Sammlungen berücksichtigt, hauptsächlich
aber die gewerblich und künstlerisch interessanten Gegenstände, sowie Waffen des
späteren Mittelalters und der neueren Zeit sammelt. Das Volksthümliche hat in
Deutschland bisher noch nirgend einen Mittelpunkt für seine Veranschaulichuog
durch betreffende Gegenstände gefunden, und es thut noth, für eine solche Central-
sammelstelle zu sorgen, ehe es zu spät ist. Noch ist es möglich, etwas Voll-
ständiges zu schaffen, und sicherlich wird, nach den im Publikum bereits viel»
fach gehörten Aeusserungen zu urtheileh, der Gedanke an die Errichtung eines
Instituts, das sich die Entwickolung der Cultur- und Volksgeschichte in Deutsch-
land zur Aufgabe stellt, in allen Theilen des Vaterlandes und in allen Schichten
der Bevölkerung den lebhaftesten Anklang finden. Dabei wird dann wohl Jeder^
mann der Ueberzeugung sein, dass eine solche, das ganze Deutsche Reich um-
fassende Anstalt nur in der Reichshauptstadt deren Sammlungen bereits einen
breit angelegten, nur des Ausbaues bedürftigen Grundstock bilden, eine Stätte
finden kann.
Auch in sofern scheint der Zeitpunkt für die Errichtung eines Nationalmuseums
besonders günstig, als jetzt mit der Eröffnung der Zimmerstrasse einige Grund-
stücke sich zur Erwerbung darbieten dürften, welche sich durch äusserst günstige
Lage in der Nähe verwandter und sich gegenseitig ergänzender Institute, des
Museums für Völkerkunde und dos Kunstgewerbemuseums, besonders eignen
würden. Auch hier würde äusserste Eile zu empfehlen sein, denn schon verlautet^
dass Privatleute, u. A. eine fremde Botschaft, beabsichtigen, dort Erwerbungen zu
machen.
Das neu zu errichtende National museum für deutsche Volks- und Alterthums-
kunde müsste in einer vergleichenden Abtheilung jedoch auch die angrenzenden
Länder Europas berücksichtigen xmd, wenn es in dem genannten Strassentheile
seinen Platz erhielte, so würde es in der kimstgewerblichen und der ethnologi-
schen Sammlung der beiden benachbarten Museen die weiteste Ergänzung erfahren.
Auf diese Weise würde dann fast gleichzeitig mit der Vollendung des neuen
Reichstagsgebäudes, welches den sichtbaren Ausdruck der politischen Einigung
Deutschlands darstellt, ein anderes Monument geschaffen werden, welches die Ent-
wickelung der Stämme Deutschlands von ihren ersten Anfangen bis zu ihrer Ver-
schmelzung in dem Deutschen Reiche in übersichtlich zusammenfassender Weise
vor Augen führen würde, zur Belehrung des Publikums, zur Förderung der Wissen-
schaft und zur Stärkung der Vaterlandsliebe.
Der Vorstand und Ausschuss der Berliner Gesellschaft Hir Anthropologie,
Ethnologie und Urgeschichte.
(829)
Auf dieses Gesuch ist unter dem 12. März, im Auftrage des abgehenden
Ministers Hm. y. Gossler, folgendes Antwortschreiben eigangen:
„Die von privater Seite mit so schönem Erfolg eingeleiteten Bestrebungen,
durch eine Sammlung deutscher Volkstrachten und Hausgeräthe die Mannichfaltig-
keit und Eigenart unseres Volksthums zur Anschauung zu bringen, haben von
Anfang an mein lebhaftes Interesse erregt und ich begrilsse es mit Freude, dass
die Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und üigeschichte, wie ich aus der
Eingabe des Vorstandes und Ausschusses derselben vom 19. y. M. yon Neuem er-
sehe, der heimischen Volkskunde ihr besonderes Interesse zuwendet.
„Ich theile daher auch den Wunsch, dass die schon vorhandenen Sammlungen
von deutschen Volkstrachten und Erzeugnissen des heimischen Hausgewerbes bald
vollständig zur Aufstellung gelangen und vielleicht allmählich zu einem die Ent-
Wickelung unserer Cultur- und Volksgeschichte veranschaulichenden Museum er-
weitert werden.
„Es würde mir zu besonderer Befriedigung gereichen, wenn es gelingt, auf
dem bisherigen Wege privater opferwilliger Thätigkeit der Erfüllung dieses Wun-
sches näher zu kommen, und ich werde diese Bestrebungen auch in Zukunft gern
unterstützen, soweit mir dazu eine Möglichkeit geboten ist.
„Die Erwägung jedoch, ob der Staat die Verfolgung der von dem Vorstand
und Ausschuss aufgestellten Ziele als seine unmittelbare Aufgabe zu übernehmen
berufen und im Stande ist, wird so lange vertagt werden müssen, bis es gelungen
ist, für die dringenden Bedürfnisse der bereits in staatlicher Verwaltung stehenden
Sammlungen die seit vielen Jahren erstrebte Befrildigung zu schaffen.^ —
In Vertretung: Barkhausen.
Der Vorsitzende spricht im Namen der Gesellschaft den ehrerbietigen Dank
aus für das so wohlwollende und anerkennende Antwortschreiben, welches allen
Mitgliedern von Neuem in die Erinnerung bringen wird, in welch' umfassendem
Sinne Hr. v. Gossler während seiner ganzen Amtsführung die Bestrebungen,
welche durch die Gesellschaft vertreten werden, gewürdigt und gefördert hat.
Möge der verehrte Herr versichert sein, dass die energische und sachgemässe
Unterstützung, welche er sowohl den ethnologischen und anthropologischen Studien,
als namentlich der vaterländischen Alterthumsforschung zugewendet hat, in unseren
Kreisen nicht vergessen werden wirdi und möge das durch ihn geweckte Interesse
auch nach seinem Abgange in dem Unterrichts-Ministerium erhalten bleiben!
(10) Durch Erlasse des Hm. ünterrichtsministers vom 4. und 11. März
werden zur Renntnissnahme der Gesellschaft gebracht:
1) der Bericht des Westpreussischen Provincial-Museums für das
Jahr 1890 über die Vermehrong der naturhistorischen, archäologischen
und ethnologischen Sammlungen in Danzig,
2) ein Bericht des Vorsitzenden der Alterthumsgesellschaft in Graudenz,
Gymnasialdirektor Anger über Gräberfelder im Kreise Kulm.
(11) Das correspondirende Mitglied, Hr. Edm. v. Fellenberg berichtet aus
Bern, 25. Febroar, über
neue Funde am Zihlkanal, namentlich einen Bronzering mit Knöpfen
und Thierfignren.
Beiliegend beehre ich mich, Ihnen 4 Photographien eines Pundgegenstandes
einzusenden, der meines Wissens in unserem Lande bisher einzig dasteht
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(331)
zeichnete durch einen in der Dulle sitzenden Keil Figur 1.
mit Ring nnd einen wulstftirmigcn Nachen kn-
satz, der einer stark verkalkten runden Scheibe
glich. Es scheint rairder riiiche zungenförmige Keil
mit ansitzendem ovalem Ring nicht zufällig in den
Hohlraum der halbolTcnen Bchlaufonlormigen Düllenaxt
geratben, sondern mit Flciss ad hoc verfertigt und
fest eingetrieben zn sein, um vielleicht aus der Axt
ein beiiuemes Ilnndinatrument, z. B. einen Mcissel,
zu machen, wobei man heim Gebrauch den Zeigefinger
der rechten Hand durch die Schlaufe (Ring) steckte und
so einen trefflichen Flachmcissel erhielt. Aufderoberen,
d. h. offenen Seiteder Axt, auf den beiden Kanten
der Lappen leicht aufsitzend, dick von verkalk-
tem Schlamm bedeckt und nur als eine flache
Kalk- und Schlammschoibe aichtbar, sass der
wundersame Bronzering, von dem eine Abbil-
dung, denselben von vier verschiedenen Seilen
darstellend, umstehend folgt (Fig. 2). Erst als mit
dem Messer die harte Kalkschlammkruste angeritzt
wurde, kum Bronze zum Vorschein, und zwar löste
sich glücklicherweise der Kalk gerade von einem der
Kuhhörner ab, das mit seinem Kno()f zum Vor-
schein kam und nun zu grosser Vorsicht im Ablösen
mahnte. Das Ablösen der ganzen Knlkschlaram- i-^ nat. Grüsse.
Scheibe, worindas wundersame Amulet stekte, ge- KKKalkbelag. xxxStelle,
schah sehr leicht, indem erstere bloss an fünf Punkten wo der Bronzpring anfHass.
auf den Lappen der Axt fest aufgerostet lag.
Einmal von der Axt abgetrennt, wurde sehr langsam und vorsichtig die dicke Kalk-
kruste durch sehr verdünnte Saure entfernt und es bot sich dem erstaunten
Auge der Gegenstand dar, welchen ich hiermit dem Urtheil der Archäo-
logen untcrbreitel Der Ring, denn es ist im Wesentlichen ein solcher, be-
steht aus schöner, etwas krystallinischcr Bronze, von der Farbe der schönsten
Pfahlbautcnbronzen. Der Ring hat einen inneren Durchmesser \on2.i mm;
er ist nicht ganz rund im Inneren, sondern einseitig etwas eingedrückt, er ist
also zu gross, um als Fingerring getragen worden zu sein, es sei denn an einem
Daumen, aber daran ist ja wegen der hervorragenden äusseren Ornamente
des Ringes nicht zu denken. Die mittlere Dicke des Ringes ist 4 mm,
er ist jedoch nicht überall gleich dick. Auf diesem gegossenen und nicht
nachciselirten oder nachgravirten Ring sitzen die wundersamen Thicr-
figurcn, welche den Ring unzweifelhaft zu einem „Amulet" stempeln nnd dem-
selben einen symbolischen Charakter verleiben. Wir haben es hier mit
einem alten Cullobject zu thun. Auf dem Ringe sitzen, wenn wir denselben
Bo in die Hand nehmen, dass die beiden Vogelfignren nach aufwärts
blicken, oben zwei Thierköpfe: der eine mit offenem, der andere mit ge-
schlossenem Manl, beide mit grossen kugligen, hervorstehenden Augen
und grossen vorwärts abstehenden Ohren, deren eines an dem Thierkopf
mit offenem Maule fehlt. Beide Thierköpfe tragen stark gekrümmte, einwäris
gebogene Hörner, deren Spitzen in Knopfe auslaufen. Wir werden in
diesen Thierköpfen offenbar Kuh- oder Ocbsenhörner erkennen müssen.
instehenden Rubköpfen liegen auf dem Ri
Schwan mit langem Halse und kurze
iedener Vo^el, der auch einen langi
pf, einen sattelförmigen Btlcken nt
wanz hat. Was für ein Vogel mag i
igur 2.
che Grösse.
b von der Kehrseite gesehen, nm 180* geilrf
gn vorn, d von der Kehrseite gesehen.
er die gleiche Stellung des Ringes vorai
Ringes nur ein Kuhkopf mit denselfa
nsolben vom abstehenden Ohren, dcnselb
■n Kpit^en. llitT bei diesem Kuhkopf
;hoauze und das Haul sind kaum ongcdent
(333)
Zwischen allen diesen Thierfig^uren stehen auf dem Ringe, gleichsam zur
Trennung und Isolirung der Symbole, drei runde Knöpfe, die pyramidal
sich um den Ring erheben. Ich glaube, diese Charakteristik gentigt. Das
Nähere entnehme man den beigefligten 4 Autotypien, welche genau in Naturgrösse
den Gegenstand wiedergeben (Fig. 2 a— d).
Wie schon ^ben erwähnt, ist dieses „Ringamulet" lediglich gegossen und
nicht nachgravirt oder polirt worden. Man entdeckt verschiedene Gussfehler,
die Knöpfe zwischen den Thierfiguren sind nicht -tiberall gut gerathen, einzelne
zeigen unebene Wülste, andere Gruben, jedoch muss man in hohem Grade über
ein so feines und complicirtes Gusswerk erstaunen. Und nun: in welche
Zeit gehört das Amulet? In keinem Falle zu den Bronzen der Pfahlbauten, da
so wohl stylisirte Thierfiguren darin nicht vorkommen. Wir müssen auf ein
Kulturvolk zurückgreifen mit hochentwickelter Mythologie, und da werden
wir lebhaft an den Herakult, an die Hera Boopis in Mykenae, erinnert, zudem die
gewaltigen Glotzaugen ausserordentlich prägnant aus den Kuhköpfen
hervorstehen! Und die Vögel? Könnten diese nicht an syrisch-phönikischen
Astartekult erinnern? Ich überlasse das Urtheil competenteren Archäologen und
schliesse die Mittheilung mit den Worten: Meine Herren, die Discussion über
das Vorgetragene ist eröffnet!
Es ist mir schon mehrmals von Bewunderern des „Porter Amulets" be-
merkt worden, ob die Knöpfe auf den Kuhhöniem nicht etwas zu bedeuten hätten?
Besieht man sich die Kuhhömer nehmlich im Profil, so ähneln dieselben auffallend
einem Phallus. Ist vielleicht diese Idee hier auch noch im Amulet enthalten,
oder sind die Knöpfe auf den Kuhhömem bloss zum Schutze, d^mit man sich und
die Kleider beim Tragen des ausgezackten Ringes nicht verletze? Quien le sabe?
Dieser Fund, der offenbar chronologisch mit dem eisernen La Tene-Beil, auf
welchem er glücklicherweise, in Kalklehm eingekapselt, aufsass, gar nichts zu thun
hat, sondern viel älter ist und wahrscheinlich ursprünglich unter dem eisernen
Beile lag, — denn die dicke Kalklehmkruste hat sich gewiss nicht erst seit
den Baggerungen in der Zihl gebildet, sondern die Gegenstände müssen
schon Jahrhunderte lang zusammengekittet sein, — ist ein neuer Beweis,
welche uralte A^ölkerstrasse vom Mittelmeer (Massilia) und dem Rhone-
thal am Südfusse des Juragebirges, den westschweizerischen Seen
entlang, nach Norden führte, auf welcher ein schon damals reger Handels-
verkehr die Völker des Nordens und Südens verband. —
Hr. Virchow begltickwtinscht den erfolgreichen Erforscher des Zihl-Grundes
wegen dieses wichtigen Fundes, der völlig unerwartet kommt, da man allerseits
das fragliche Gebiet für erschöpft hielt. Gewiss liege es nahe, an orientalische
Formen zu denken. Er verweist speciell wegen der Vogel- und Widder (?)-Köpfe
auf seinen Atlas des Gräberfeldes von Koban im Kaukasus, wo freilich ein genau
entsprechendes Muster seines Wissens nicht zu Tage gekommen ist. Die Frage,
ob der Ring in eine ganz andere Zeit gehört, als das eiserne Beil, dem er direkt
anlag, betrachtet er als eine offene. —
Hr. Voss bemerkt, dass der auf der Photographie dargestellte Ring ächten
La Tene-Charakter zeige, aber dadurch merkwürdig sei, dass er drei Verzierungs-
weisen, welche sonst meist vereinzelt, höchstens zu je zweien gruppirt, bei Ringen
dieser Art vorkommen, in sich vereinige. Die Verzierungen beständen nach seiner
Ansicht aus kugligen, perlenartigen Knöpfen, Vögeln und Widderköpfen. Solche
(384)
mit Knöpfen verzierte Ringe seien st'tir häufig. Selir selten dngegcn die anderen
beiden Arten. Soviel er sich erinnere, sei das in dem Maximilians-Muaeum 7.u
Au^bai^ beRndlichc, mit drei Vogelfiguren verzierte Exemplar von Epfach, welches
iiuT der prühialori sehen Ausstellung lä8U hier ausgestellt war und in d^m pholo-
gniphischen Album der Ausstellung abgebildet ist, das einzige dieser Art (Kat. d.
priih. Ausst. S. 31 Nr- 59; Alb. d. präh. Ausst. Section VIU, Taf. i Nr. 2-25). Bei
demselben sei der Stab an iler Aussenseite zwischen den einzelnen Vogcißgnren
mit Oacheren pcrlenühn liehen Erhebungen dicht besetzt, wodurch derselbe stark
au jene Form mit pcrlenartigen Knöpren erinnere-
Etn Exemplar mit drei Widdcrköpfen, welche merkwürdigerweise von dem
Vorbesitzer auch Hlr phallische Darstellungen angesehen wurden, bcßnde sich im
Königl. Museum für Völkerknnde (Kat. I i. 7fi6). Dasselbe wurde bei Köln luRh.
gefunden und sei auf den Zwischenräumen zwischen den drei, an der Aussenfläche
aufgesetzten, sehr deutlichen Widdorköpfen mit je einer Gruppe von drei kngligen
Knöpfen besetzt.
Nach der photographischen Abbildung zu nrtheilen, sei an eigentlich phallische
Darstellungen bei diesen), durch seine Verzierungs weise allerdings sehr merkwür-
digen Stück nicht zu denken.
(13) Hr. M. Hocrncs, Assistent am k. k. Naturhistorisehen Hofmuacum in
Wien, übersendet unter dem 17. Junuar folgende Abhandlung über
eine Bronzeflbel einfachster Form von Glnsinac in Bosnien.
In einem Nac}itragc 7.a seinem Aufsatz über die ältesten t^beltypen (Zeitechr.
f. Ethnol. 18a9 S, 205, Nachtrag J89D S. 144) eitirt Hr. Dr. i. Undset als Zuwuchs
seines ßcwcismalerials eine Bronzefibel einfachster Form aus einem Hügelgrabc
von Glasinac, welche ich in den Mittheilungen der Wiener an throp. Gesellsch. IK80
S. 139 f., 175 publicirt habe. Das Vorkommen dieser Form in Turaulis der ersten
Eisenzeit ist um so mehr bemerkenswcrth, als die übrigen Exemplare jener Urform
Dach Undset's trelTlicher Ausführung meist in Schichten der jüngeren Bronzezeit
(Terraraaren Oberitaliens, Pfahlbauten von Peschiera und Corcelettes, Depotfund
von Itodrog-Keresztur in Ungarn) gefunden sind. Bei anderen (italischen und
ungarischen) Stücken dieser Serie ist die Zeitstellung unsicher; doch fuhrt Undset
auch solche aus den eisenzeitlichen ßenacci-Grübem bei Bologna an. Die Form
hat also hie und da auch nach dem Abschlüsse der reinen Bronzezeit ein Fort-
leben gefunden. Als wahrscheinliches Ursprnngsgebiet derselben betrachtet Undset
den nördlichen Thcil der Balkanhalbinsel, wo wir die Voraussetzungen sowohl für
die ungarischen Culturformen, als auch für diejenigen der oben lauschen Terra-
maren und der Pfahlbauten der Alpenländer zu suchen haben.
Ich kann dem nur vollkommen beipflichten und ergreife mit Vergnügen die
Gelegenheit, etwas tieizutragen, was diese Vermuthung vielleicht weiter zu stfilzcn
vermag. Das erwähnte archaische Fundstück von Glasinac steht nehmlich inner-
halb der Grabbeigaben dieses ausgedehnten Nekropolengebietes, obwohl dasselbe
nach unserer heutigen Terminologie der ersten Eisenzeit angehört, keineswegs ver-
einzelt, als isolirlcr Ueberrest aus einer älteren Periode, da. Es sind nicht nur ein
Paar ähnliche Stücke aus den letzten Ausgrabungen für das bosnische Ijondesmuseum
in Sarajewo gewonnen worden, sondern wir sind heute auch in der IjOge, einen
engi'ren, slylislischt-n Zusammenhang zwischen dieser ul tert hü m liehen Fibelform
und vielen anderen Tumulusfunden von Glasinac nachzuweisen. Die eigenUiam-
liehe Culturatufe von Glasinac, welche ich in meinem citirten Aufsatz nicht recht
(335)
zu deßniren vermochte, erscheint mir heute, nach den wiederholten umfangreichen
Ausgrabungen, welche ich im Auftrage des Ministers für Bosnien, Hrn. B. v. Källay,
an jenem Fundorte geleitet habe, um vieles verständlicher. Ich erblicke in ihr so
viele Elemente eines älteren (in anderen Gebieten rein bronzezeitlichen) Pormen-
kreiscs, dass ich nicht anstehe, zu sagen: wir haben es hier mit einer bisher un-
bekannten Mischung von Typen des Bronzezeit- und des Hallstättor Styles zu thun.
Die erste Eisenzeit Europas unterscheidet sich ja von der Bronzezeit nicht
nur durch das Auftreten des zweiten grossen Cul türme tall es, sondern auch durch
einen neuen, offenbar südlichen Einflüssen entsprungenen Styl. Manche Typen
sind beiden Perioden gemeinsam; so der Paalstab und der Hohlcelt, so das Schwert
mit breiter Griffzunge und dasjenige mit einer Doppelspirale anstatt des Knaufes.
Diese Uebereinstimmungen beruhen auf verschiedenen Ursachen. Einfache Fort-
existenz des Typus aus der älteren in die jüngere Periode genügt nicht, sie alle
zu erklären. Denn wenn das breitzungige Bronzeschwert, wie jüngst wieder
Undset betont hat, als Grundform (ägypto-phönicischen Ursprungs) an dem Aus-
gangspunkt der bronzezeitlichen Schwerttypen Europas und dann wieder am Beginn
der Hallstattperiode erscheint, so ist es wahrscheinlicher, dass hier eine doppelte
Wirkung derselben Culturbasis vorliegt, des mittelländischen Culturkreises nehmlich,
der in der Bronzezeit nur wenige vereinzelte Elemente, in der Begleitung des
Eisens jedoch einen ganzen Schatz neuer Formen nach Central- und Nordeuropa
ausgestrahlt hat.
Ich will hier nicht darauf eingehen, wie sich die Länderräume dieser letzteren
Gebiete während der Bronzezeit in entwickelungsreiche und entwickelungsarme
Provinzen scheiden, wie die einen später, die anderen früher von der "Alleinherr-
schaft der Bronze abfallen, und wie diese Verschiedenheit ihres Verhaltens in der
Weltlage, der natürlichen Ausstattung und der Configuration der einzelnen Länder
begründet ist. Jeder weiss, wie und warum England-Irland und Skandinavien-
Norddeutsch land eine Bronzezeit von längerer Dauer und höherer Entwickelung
gehabt haben, als z. B. Frankreich und Südösterreich. Man ahnt auch, warum die
Schweiz und Ungarn in Mitteleuropa ein Länderpaar bilden, das sich in seiner
Entwickelung eher den nordischen Reichen, als den unmittelbaren Nachbargebiet^'n
anschliesst. Die ent wickelungsarmen Bronzezeitprovinzen sind keine anderen, als
jene Gebiete, welche von Süden her leichter zugänglich waren und vom Styl der
ersten Eisenzeit rascher erobert wurden. Hierher dürfen wir, von Griechenland,
Italien und Spanien abgesehen, namentlich die Länder zählen, welche um den
Nordrand der Adria und des Golf du lion gelagert sind, also die Ostalpen und
das Rhonebecken, bekanntlich zwei Hauptgebiete des sogenannten Hallstätter Cultur-
kreises.
In diesem grossen Zusammenhange erscheinen mir die Einzelheiten, welche ich
seit Jahren in Bosnien beobachtet, von erhöhter Bedeutung. Leider ist das Material,
auf welches ich mich hier beziehen rauss, so gut wie unpublicirt; die Originale
liegen in Sarajewo, und ich selbst besitze nichts, als die flüchtigen Skizzen, die
ich während der Ausgrabung machen konnte, nebst dem lebhaften Eindruck, den
mir die fremdartigen Details jener Grabausstattungen hervorgebracht haben.
Als ich vor 2 Jahren über die in das Wiener Hofmuseum gelangten Glasinac-
fonde schrieb, konnte ich nur constatiren, dass die Hallstattcultur im dinarischen
Berglande eine besondere, von den Gräberfunden der Ostalpen und ihrer Formen-
reihe vielfach abweichende Ausprägung erfahren habe. Die Verwandtschaft mit
den centraleuropäischen Funden sei mehr eine allgemeine, als eine durchgehende.
Ich sah zunächst gewisse Erwartungen getäuscht und sagte: „Die bosnischen Funde
können nicht als üchtes Mittelglied zwischen dem gebenden Süden
empfangenden und weiter aasbildenden Norden aurgefasst werden. Statt
zu gewinnen, die uns abwärts führt in den dnnklen Schooss eines präh
Werdeprocesses, sind wir auf eine Erscheinung gestosscn, die wir voren
locale sccondäre Sonderentwickelung, als etwas seiner Art nach Spatere
geleitetes anifasscn müssen. "
'/i der Dktürlichen Grösse,
, Glasinsc, A, Oberitalieti, Terramuf, A^ Toplibica, Kroatien H, Glasinac,
are, Oberitaliea. C, GlusiDac, U, und ü, Oberitalien, Terramare. E, a— i
E, a — d Oberitalien, Terramare.
Im abgelaufenen Jahre gelang es mir nun, unterstützt Ton dem C
bosnisch-hcrzegOTJnischen Landeamuseoms in SarajcTO, Hm. Dr. C, T
eine Anzahl von Grabhügeln aufzaflnden und einen Ringwall abzugraben, i
sich neben typischen Bronzen der Glasinacstufe ziemliche Mengen von Tl
fragmenten (Ei a—d) ergaben, die mit den keramischen Typen der TcTTumi
itlichcn Pfahlbauten der Schweiz er
I Halbkreisen als beliebte Vcrziennij
Meaacm); in der nngarischen Bronze
Schwertklingen and schalenförmige]
geln.
de von Glasinac mit ßronzezeitsachci
irsatz über die ersteren hingewiesen
räftig, weil die ungarische Bronzezei
iticaltur in den westlichen Nachbar
luch mit der Cultnrstare von Glnaina
d die TcrramäTon Oberitaliens bedea
nrachen Fibelform zurück, so schein
und Oberitalicn be-sitzen gleichartig
drei Länderränmen angleiche Schick
hzeitig dorch den Anbruch der cratei
linweggetilgt. 1d Ungarn entwickelt
stiichcn Landeslh eilen, ein „schöne
aber ersichtlich ans der alten Terra
Funde, wie jene kroatische Fibel (X,'_
er Terramare-Fibcl und den specifisc'
L ist wieder etwas Anderes cingetretec
ilgco: in dem Ursprungsgebiete de
— fand das Eisen frühzeitig Aufnahmt
inchea kostbare ImportstUck (wie jene
ische Fibel aus Glasinac, desgleichc
in von demselben Fundort) und mar
F'abrikationsk reise Aufnahme und üb
ben sind, wie nirgends im Bereich
>tive der Bronzezeit, die keramische
Sehmnckgerälhes, lebendig und wirii
n dem also war, so kann die Antwoi
.nissc wohl nur darin gefunden werdei
« doch wohl eine ganz andi're Widei
am Boden hallen wird, als in Land
rckommcn ist.
m Vorsitzenden anter dem .'>. Fehrut
lehrer des Lübeckischen Gebietes un
klaren im Auflrage des Vereins fü
umskundc gerichteten Girculars voi
ieten Umschau halten, so bieten Kürtei
IC Filifitjp^'n Undset wegen der BpU«
form insBuimeostrllen wollte) und Istric
pn findet sich z. B. liie tjpische Sthinnrl
I durrhlSchertem Kopfe norh auf Gribe
izo), und auf dem Casteliiere too Tilli
ißische Qesellscbafl eine Ansgrabung *o
nte, welche die gr5«ste Uebereiiutiinninc
int und der Högelgrftber Bosnieui ttigtt
(340)
niss, Thoa^schrrre zu vcrrortigen. Diese Einwnndernng ^schah zur Zeil di
jUngsl«n Alluviuras. Ob während dieser Zeit weitere Völkerbewegungen slat
fanden, ob die geringe Verschiedenheit der SIeinwalTen ein Zcugnias davon it
dass die in ihren Jagdgebieten ruhig lebenden Stumme eine Entwickelung dnrcl
geimicht haben, ob die WafTcn der ältesten Periode von einer grösseren und slü
keren Urbevölkerung herrühren oder ob sie bloss EigenthUmlichkeiten eines ve
einzeltcn Stammes sind, wird sich vielleicht erst erkennen lausen, wenn man c
zusammenhängendes Bild Über die Alterthumsrundc der ganzen Provinz gewonm
hat. Sicher ist indessen, dass die hiesigen Waldindianer zur Zeit der europäisch!
Einwanderung von den Campos Indianern verdrängt wurden, welche auf kurze Zeit d
JagdgrUnde jener in Besitz nahmen, um dann wiederum den Europäern zu weiche
Dass diese Verdrängung stattfand, ist unverkennbar für jeden, der mit Aufmerl
samkeit die hiesigen SteinwalTen und Thongcschirre studirt und nicht ein blossi
Sammler ist.
Bei der Abschätzung des Alters der Stein Instrumente hat man folgende Anhalt
punkte: 1. Fundort und Tiefenlage, 2. Lage der Fundorte zu einander, 3. ßeglei
funde, endlich als unsicherstes Kennzeichen 4. die Verwitterung und Inkrustirm
der SteinwafTen.
Es ist klar, dass man eine halbwegs sichere Altersabschätznng nicht in Hnse«
oder an fertigen Sammlungen vornehmen kann, sich auch nicht auf Berichte v(
Colonisten, welche die Stein Instrumente fanden, verlassen darf, sondern dnrchai
persönlich alle genannten Anhaltspunkte prüfen muss. Aus diesem Grunde hat
ich auch bei vorliegendem Berichte nur diejenigen SteinwafTen in Betrochtang g
zogen, betreffs derer ich absolut sicher bin.
Im Allgemeinen bietet die Tiefenlage der Funde an sich allein kein besonde
werthvollea Kennzeichen zur Bestimmung des Alters, denn, wie schon gesagt, i
handelt sich nur um die oberste Alluvialschicht. Diese hat im Laufe der Ictzb
50 Jahre nach dem Aufhauen des Waldes durch An- und Abscbwemmong b
deutende Veränderungen erlitt<'n. An einzelnen Stellen sind neuere Instrumcn
mit hohen Lagen von Kies, Lehm und Humns bedeckt, ältere SteinwalTen ab
blossgelegt worden. So habe ich an ein
Stelle etwa 2 Puss tief im Humus nei
I Sachen gefunden; darüber lag eine Lehn
schiebt von ungefähr 1 Puss Dicke m
oben darauf alte Topfscherben und Sleii
Z Splitter, sowie auch geringe Aschenrest
ji Dieser ältere Peuerplatz lag urapr1lngli<
o' etwas höher am Berge als der neuere, nt
so war es möglich, dass die älteren Sach«
K Utpre Fuude, L Lehm, J jfiDtcfrc Puiido, über die neueren gerolll wurden. Dies-
; H Humus. G Geschiebe, F Fels. Vorgang steht nicht vereinzelt da, nu
sieht aber, wie trüglich es ist, so ohi
Weiteres den Scbluss zu ziehen, dass tiefer liegende Instrumente älter sein müssi
als höher liegende. Man mng meinen, dass man doch immerhin benrtheilen kan
ob die Fondstucke noch unberührt oder ob sie durch Wasser auseinander gcworfi
wurden, — das ist aber nur in den seltensten Fällen möglich, und nur für dei
jenigen, der die Enlbewegung des betreffenden Fundortes längere Jahre hindnn
genau beobacblel hat. Erschwert wird femer die Sache dadurch, dass die Sleii
Waffen sehr vereinzelt liegen, und unter l(*0 Steinäxten nur kaum bei "20 ein Zi
sammenhang mit einem Scherbenhaufen nachzuweisen ist. Ferner habe ich beol
(341)
Aeltei
Fig. 1-4.
Mono
Fig. 1 Porphjrbeil, get.
dkble. Land von Thums. üe-
gleitfund; kaum erkennbare Thon-
Bcherben. — Fig. 2 Baaaltbetl,
gcf. im Morro diabte, Land von
H&tligeT. — Fig 3 Steinbeil, gef.
im Horro diable, Land von Blau.
— Fig. 4 BnichstQck einer Stein-
alt, gcf. zusammen mit Fig. 2.
Mittelpcriode. Pig.5-12
Fig. b nach Art der Pfeilspitzen
behauPne Ait. Feliz, Land von
Arndt. — Fig. 6—8, Fundort Land
von Fleck, Feliz. Begleitfunde:
gerippte Scherben und ein kleiner
Topf. — Fig. D, Fundort Land von
Ten Ta«g, Feli». — Fig. 10 l.inha
Franics, Land von Altbaus. —
Fig 11 Escadinha-Cahj, Land
von Panienbagpn. — Fig. 12
Forrom ecco, Wasserscbmied.
Nei
Fig. 18- IR
Fip. l3o modo Alt. h dieselbe
von oben. - Fig. 14 Steinalt mit
Rinne, Forromecco, Land von
Fonseca. Begleitfund: Eisen-
gerlth. — Fig. 15 Steinalt, gef.
in Feliz-Cahy, Land von Fleck:
Begleilfunde: bemalte Scberben,
Seemuscheln — Fig. 16 Steinaxt
mit Binne, Palmyra, Land von
Pola. Begleitfund; gerippte
Scberben — Fig. 17 Steinalt, be-
hauen, gef. im Morro diable, Land
von Winter. Begleitfund; neuere
Töpferarbeiten. — Fig. 18 Stein-
axt mit Rinne, gef. Fiaso de 8el-
bach-Cah;. BegleitTunde : be-
malte Scherben.
achtet, wie SteinwalTen im Winter in den erweichten Hamua eiusonken und zuletzt
auf der unter! ugcrndi'n Lchmschicht liegen blieben, so dass es den Anschein hatte,
a.\a ob der sie bedeckende liumus erat spüter durUber gekommen sei. Wollte man
nun etwu berechnen, um wie viel sich die Humusschicht von Jahrzehnt zu Jahr-
zehnt durch vegetabilische Abralle verdickt, und dann einen Schiusa ziehen auf das
(342)
Alter der StcmwafTen, so käme man zu den rerschicdcnsten und abentcaerlichste
Resultaten.
Sehr werthToU ist es, wenn man etwa 2 oder 3 in nicht zn grosser Enlfei
nung von einander liegende Feueratellen unterscheiden kann. An solchen Orte
haben sicherlich nicht mehrere Familien oder Stämme zu gleicher Zeit gchaus
sondern solche Lagerplätze gehören rerschicdencn Generationen an. In hicsigt
Gegend legitimirt sich gewohnlich eine dieser Lugeretellen durch mehr oder wenigt
zahlreiche bemalte Scherben als eine neue (100—300 Jahre). Ich erwähne hie
den Lagerplatz auf dem Lande des Colonisten Flock, Piccade Foliz-Cuhy, den ic
am Schlüsse meines ersten Berichtes beschrieb. Hier lagen neben und über gt
wohnlichen gerippten Scherben auch bemalte aus der Neuzeit, sowie Knochen, Se<:
und Flussmuschcln, Eiscngeräth Tand ich hier nicht, möglich, dass sich spät«
solches findet, denn der sehr grosse Fcuerplatz ist nur erst zum kleinsten Theil
von mir umgegraben worden. Die Vegetation, die den Ort überwuchert hat, bt
steht aus dornigen Hecken und Schlingpflanzen; einige Bäume, die darans hervoi
ragen, unterscheiden sich durch ihre Kleinheit von den sonstigen Urwaldsriesci
Es ist zweifellos, dass dieser Lagerplatz der Neuzeit angehört. Etwa 500 m weite
nördlich von dieser Stelle am Berge ist ein zweiler Lagerplatz. Hier sind di
Baume so hoch, wie alle anderen. Asche und Kohlenspnren waren nicht toi
banden, wohl aber eine Menge gut gebrannter und solid gearbeiteter Thonscherbei
Die grossen Töpfe waren alle zerbrochen, von einem fand sich noch der Hand nn
nur ein kleiner, recht sorgfältig gearbeiteter Topf war noch ziemlich unverleti
(Verh. 1890. S. S2. Pig- 4). Später fand der Besitzer des Landes auf derselbe
Stelle noch die Steinbeile Fig, (i— 8 und da sich dieselben auch durch ihre In
krustirung Ton dem auf dem neuen Lagerplätze gefundenen Steinbeile (Fig. IS
unterscheiden, so ist wohl gestattet, diese Instrumente der der Neuzeit voran
gegangenen Periode, welche ich Mittelperiode nennen möchte, zuzuweisen. Ic
mache darauf aufmerksam, dass die Beile der Mittelperiode an der Schneide theil
weise schmaler sind, als am stumpfen Ende, was bei den Beilen der Neuzeit nn
sehr ausnahmsweise der Fall ist: diese sind an der Schneide breiter, als at
stampfen Ende. Das ist ein werthrolles Unterscheidungszeichen, welches ich a
hunderten von Steinäxten beobachtet habe. Ganz scharf ist die Scheidung nichi
denn manche Stämme blieben anch in der Neuzeit in BetreiT des Formens uni
Brennens ihrer Thongefässe bei der von den Vätern überkommenen Art; in de
Art ihrer Waffen bearbeitung freilich waren sie weniger conservativ, wenngleich de
Fortschritt solcher einsamen und abgelegenen Stämme (Reste der Waldbugrcs) na
ein geringer ist.
Ein zweifelloser nnd bezeichnender Unterschied zwischen 2 Perioden Hess sie:
auch an den Steinfunden auf dem Morro diable fcsstcllcn. In einem hohlen Baumi
(also Neuzeit) wurden etwa 30 Steinäste gefunden, wovon ich 12 erhielt. Die*
Beile sind behauen und an der Schneide polirt (wahrscheinlich dnrch den Gebrauch]
Die Bogicitfunde bestanden aus Scherben gewöhnlicher gerippter dünnwandige
Töpfe, schön georbrileten Schüsseln, Pfeilspitzen von Achat, Ach atstein brocken um
sehr vieler Asche.') Knochen und Eisen war nicht vorhanden. Wenn man di
FundstUcke zusammen vor sich sieht und sie mit denen anderer Lagerplätze ver
gleicht, bekommt man sofort den Eindruck, dass der betreffende Stamm eine gnn:
besondere Intelligenz gehabt haben mnss. Einige der Steinäxte waren so gearbeitet
1) Ebenso fand man eine vereinzelt« Bola, and diese verrieth dentlich genug, das:
der Stamm vom Caiii]io hierher gewandfrt war.
(343)
dass man einen Stiel daran befestigen konnte, obschon die Befestigungsrinne fehlte.
Andere waren wieder nur für den Gebrauch in der blossen Hand bestimmt.
Hätte sieh nun in der Nähe vorbeschriebenen Ortes noch ein anderer Lager-
platz mit gewöhnlichen Scherben auffinden lassen, so wäre wohl auch hier eine
Mittelperiode erkennbar gewesen. Aber Töpfe, Urnen oder Scherben sucht man im
Umkreise von '/j Meile vergebens. Wohl aber fand man auf dem dicht nebenliegen-
den Lande (von Häfliger) ein walzenförmiges, sehr verwittertes ßasaltbeii (Fig. 2),
sowie das Bruchstück einer gewöhnlichen Axt (Fig. 4). Beide Instrumente gehören
zusammen, da sie nicht nur von demselben Material gearbeitet und zusammen ge-
funden sind, sondern weil auch die Verwitterung eine gleichmässige ist. Auf einer
anderen nebenliegenden Kolonie (Land von Thums) wurde beim Sturze eines sehr
alten Baumes in dem Felsgerölle, das dessen Wurzeln mitgerissen hatten, ein
Porphyr-Beil gefunden (Fig. 1). In dieser Erde fanden sich auch noch sehr geringe,
kaum erkennbare Scherbenspuren. Beide walzenförmigen Beile sind einander so
ähnlich in der Form, wie nach ihrer Verwitterung, dass sie zu gleicher Zeit von
dem gleichen Stamme gebraucht sein müssen. Das Basaltbeil lag auf einem Hügel-
rücken, das Porphyrbeil an einem Abhänge ziemlich tief im Boden und gleich tief;
beim Ausgraben eines Lehmloches fand ein anderer Kolonist (Blau) in der Nähe
das Beil (Fig. 3). Dieses Beil ist nicht verwittert, wie die anderen beiden; es
scheint, dass die gute Politur dies verhindert hat, sowie auch seine geschützte
Lage im festen Lehm, doch hat es ganz dieselbe Form, nur ist die Spitze ab-
gebrochen. Es lässt sich erkennen, dass es zuerst aus dem Steinknollen roh zu-
gehauen, dann etwas feiner gepickt und zuletzt polirt worden ist. An einer Stelle
ist das Behauen nicht recht gelungen, es sprang zu viel ab, aber trotzdem hat der
Bugre, der es gebrauchte, über die schadhafte Stelle hinwegpolirt. Diese 3 Beile
(Fig, 1, 2, 3) sind fast doppelt so gross, wie alle übrigen, die ich gesehen habe.
Aus der starken Verwitterung der Beile selbst, ihrer auffälligen Form und
Grösse, aus der Abwesenheit eines (verschütteten oder verschwemmten) Feuer-
platzes, sowie wegen der ganz morschen, kaum erkennbaren Begleitfunde von
Scherben, femer aus dem Umstände, dass am Fusse des Morro diable, etwa
1 Stunde vom Fundorte dieser Beile entfernt, eine Mittelperiode zu constatiren ist,
deren Steinbeile die Form wie Fig. 8, 11 und 12 haben, schlicsse ich, dass die
Waffen (Fig. 1, 2, 3, 4) der ältesten Periode angehören. Vielleicht ist das
letztgefundene Beil (Fig. 3) etwas jünger, aber jedenfalls nicht viel. Ueberdies
erhielt ich aus derselben Gegend noch eine abgebrochene, sehr stark verwitterte
Axtschneide, die ebenfalls von einem Beile wie Fig. 1 und 2 stammt
Findet man in einem kleinen Umkreise viele Feuerplätze und Scherbenhaufen,
wie das im Thale des Gaby und Ferro mecco hau 6g vorkommt, so ist man nicht
in der Lage, festzustellen, zu welchem Feuerplatze die gefundenen Steinäxte eigent-
lich gehören, und man muss sich die Anhaltspunkte zu einer Altersbestimmung
an den vereinzelter liegenden Fundorten suchen. Die plump und roh gearbeiteten
Waffen für alt, die gut und geschickt gefertigten für neu zu erklären, wäre
recht voreilig. Die Neigung, dies zu thun, besteht aber. Auch möchte ich die
starke Verwittei'ung nur sehr bedingungsweise als Alterskennzeichen ansehen, jeden-
falls aber bei nur einzeln gefundenen Instrumenten lieber gar nicht in Betracht
ziehen. Es ist klar, dass ein behauenes, wenig geglättetes Beil leichter verwittert,
als ein glattpolirter Flusskiesel unter gleichen Bedingungen. Zudem kann ein altes
Instrument in geschützter Lage ziemlich unversehrt bleiben. Ferner leistet ein
Beil, welches aus einem oberflächlich vom Felsen abgesprengten Stücke gearbeitet
(344)
ist, den Angriffen der Zeit ond des Wetters veniger Widerstand, als ein solches,
dos aus dem Rcmc desselben Felsatückcs hergestellt ist.
Ich besitze z. B. ein aehr roh behauenes Beil mit Stielrinne, starii vervittcrl
(Fig. 14). Dass es aber trotz der starken Verwitterung der Neuzeit entstammt,
verräth der eiserne Griff eines alten spanischen Stossdegens. wie solche etwa ror
300 Jahren in Gebrauch waren. Dieser Degengriff wurde mit dem Beile an dem-
selben vereinzelten Lagerplatze gefunden. Hier lag auch noch ein anderes ganz
plumpes Beil aus Flusskiesel, nar wenig inkrustirt. Beide Instrumente scheinen
der frühen Neuzeit (Uebergangsperiode?) anzugehören. Die Scherben des Feuer-
platzes waren gerippt.
Betreffs der mnden Äeste (Fig. 13) herrscht die Meinung, dass sie nur in der
Waldregion hiesiger Provinz gefunden werden und darum eine Waffe der Wald-
bugr«s seien. Wenn das der Fall wäre, so könnten nur die Waldbngrcs der Neu-
zeit diese Waffe besessen haben. An Fandorten, die mit Sicherheit der Mittel-
periode entstammen, habe ich runde Äxte ebenso wenig, wie Botas, entdeckt. Runde
Aexte werden in hiesiger Gegend nnr da gefunden, wo auch bemalte Scherben,
neuer« Töpferarbeiten und Bolaa vorhanden sind, und da ich nicht annehmen kann,
dass die Waldbugres der Neuzeit so anpraktisch waren, sich im Walde mit Bola-
werfen abzuquälen, vielmehr die Bolas als Waffen der in den Wald retirirten
Campos- Indianer kenne, so hege ich die Ansicht, dass diese fliehenden Camp-
Indianer anf ihrem Rückzüge, der mit ihrer Neuzeit zusammen fSllt, in Betreff ihrer
Waffen einen PoriBchritt machten und die runden Äeste erfanden. Anf dem Canipo
fanden sie dazu nur wenig geeignetes Material; als sie aber in den gebirgigen
Urwald drangen, bot sich ihnen hartes Steinmaterial die Fülle. Die runden Aexte
sind anf dem Campo selten (ich besitze 2 Stück, die anf dem alten Campo von
Sab Leopolde gcfonden wurden), im Urwalde aber sind sie viel häufiger. Wenn
einmal später der Campo so gut umgehackt und umgepHügt sein wird, wie die
Wald-Kolonie hiesigen Staates, dann werden auch noch mehr runde Aexte zum
Vorschein kommen.
Ausserdem findet man hier und da kleine Steinäxte, die am stumpfen Ende platt
geschliffen sind (Fig. 19). Diese eignen sich wegen ihrer Kleinheit meist nicht znm
Handgebrauch, vielmehr wurden sie augenscheinlich in einen Stiel befestigt, auf die
Art, dass man in den Stiel eine Höhlung machte (Fig. 20). Diese kleinen Aexte habe
ich ebenfalls nnr in Gemeinschaft mit Bolas und bemalten Scherben oder wenig-
stens mit besseren Töpferarbeiten gefunden. Ans der Zeit vor der europäischen
Einwanderung sind mir solche noch nicht bekannt geworden.
Ausser den Steinäxten sind noch folgende Steinin strumente zu erwähnen:
1) Bchauene Pfeilspitzen von Achat. Nur einige solche Pfeilspitzen habe
ich an Begleitfunden als der Neuzeit angehörig erkennen können; im Ganzen
konnte ich ihr Alter nur aus der leichten Verwitterungsach i cht muthmaassen, und
du crgiebt sich, dass die nnachcinend alten Pfeilspitzen genau ebenso sorgfältig
gearbeitet sind, wie die neuen, und dass keine Abweichung in der Form stattfindet.
2) Sandreibsteine (Fig. 21). Diese sind handgroas und grösser, theilweisc
glutt und abgenutzt, theilweisc anch mit tiefen Rinnen, die sich öfter kreuzen, ver-
sehen. Es ist unklar, welche Inatrumente auf solchen Steinen geschliffen wurden.
Das Schleifen von Acxten, Bolas oder Eisengeräth erzeugt so tiefe Rinnen nicht,
hüchalcns können Schmuckperlen oder Pfeilhölzer darin glatt geschliffen sein. Die
Reibstcinc der Mittelperiodc und der Neuzeit sind sich gleich.
3) Topfsteine (Pig. 22, a—e). Ueber solchen Steinen formte man den Boden
der Töpfe, darum findet man sie in der Nähe von Brennlöchem. Die Scherben dieser
(346)
1) Thonscherben raU Rand Verzierung (Fig. 1). Seltenheit hier. Unverziei
Stücke giebt es die Menge.
2) Stück Bciii. Zum Gebrauch ausgebrochen und durch Gebrauch geglätt
Zweck unbekannt.
'6) Stück Hirschhorn. Zum Gebrauche geschnitten, benutzt. Zweck unbekani
4) Geschliffenes Bei! aus Hörn.
5) Fischorangol von benicrkonswerthcr Gerülllgkelt der Form aus Hom {Fig. '.
Figur 2
7, der natürlichen Grösse.
Q) Glatte Lamelle, gebraucht, aus einem llippenstück hergestellt. Zweck u
bekannt.
7) Geschliffener Mcissel aus Knochen vom Hirsch.
8) GeschlilTencs durchbohrtes Gcräth, ans einer Rippe hergestellt. Zwe
unbekannt.
!l) Abgebrochener, geschliffener Beinmeissel.
10) Zugeschiiffenes löffelartiges Geräth aus Bein {Fig. 3).
Ausserdem Tanden sich aas dem Steinreiche: Feuersteine, bearbeitet und nie
bearbeitet, meist grau, schwarz oder roth; 2 grössere Handstücke, wie kleinei
zeigten keine Benutzung zum Fcuorscb lagen. 1 tellerförmiger, in der Mitte durc
bohrter Stein von hier nicht gewühnlicbem Sandstein. 2 StUcke roth färben
Erzes werden weiter untersucht. Steinmclssel, schwarz, polirt. Stcinmcissel, hal
geschliffen, abgeschaftet. Steinmeisscl, roh zubehaucn zu weiterer Bearbeitung, n
gebraucht. Steinmeissel, gebraucht, roh mit wenig Bearbeitung. 1 Stück Lul
;ius halbgebranntem Thon geformt. Sog. Kornreiber, Glasstücke, versteinertes Hoi
slück, bemaltes Steinstück.
Aus dem Thiorreiche: wie früher, Bos Taurus, Hirsch, Sus, Capreola, Cap,
Eijuus, neu. Igel und Hund, von letzterem gut erhaltener Schädel mit 10 Ziihn
des Oberkiefers, Unterkiefer fehlt, Stirn -t cm breil, Hinterkopf bis zur Naht 5 t
Länge des Kopfes von oben bis zum Ende des Nasenbeins 10 n».
Aus dem Pflunzenreicb. Als neu erralllclt sind aufzuführen: Samen v
Seifenkraut und Froschlöftel.
(Ui) Das correspondiremle Mitglied, Hr. Bernhard Ornstein zu Athen Ub<
sendet unter dem 1Ü. März folgende Mittheilung über
silberfarbiges Haar.
In Nr. 334 des Jahrgangs tiSä4 brachte die hiesige „Ephcmeris" in ihn
Blatte vom 23. Uccember a. St. die Neuigkeit, dass eine mit ihrer Mutter in Pa
sich aufhaltende junge Polin, Namens Sacba, durch ihr silberfarbiges Haar v
(347)
seltener Schönheit die Bewunderung der mit ihr verkehrenden oder ihr begegnenden
Personen auf sich ziehe. Dieser von der Ephemeris quasi als Unicum be-
zeichnete Fall gab Anlass zu der folgenden, in Nr. 339 derselben Zeitung ent-
haltenen, einschlägigen Mittheilung des auf Ithaka ansässigen, bekannten Rechts-
anwalts, Hrn. Hippokratcs Karavias. Fräulein Sacha, schreibt derselbe, hat eine
ebenbürtige Nebenbuhlerin in Griechenland, und zwar auf meiner Heimathinscl
Ithaka, in der achtjährigen Tochter des Fassbinders Labova. Das Mädchen, be-
richtete er weiter, ist weisshaarig geboren, ohne- dass es Merkmale von Albinismus
an sich trüge. Die lebhaften Augen, sowie die blühende Gesichtsfarbe sprechen
für normale Gesundheitsverhältnisse. Bemerkenswerth ist, dass die Hautfarbe der
Eltern in's Bräunliche fällt oder wenigstens den Eindruck eines vergleichsweise
dunklen Colorits macht. Somit, schliesst der Epigone des Ulysses schwunghaft,
kann Griechenland sich rühmen, nicht nur die goldhaarige Sphakiotin') zu besitzen,
sondern auch ein lebendiges und vollkommneres Exemplar dieser Art: „das silber-
haarige Mädchen von Ithaka".
Nach einigen Wochen, am 28. December 1884 a. St., veröffentlichte dasselbe
Blatt nachstehende, hierhergehörige Beobachtung des in Galaxidi wohnhaften Arztes
Dr. Raralivanos: „Vor 17 Monaten begab ich mich zum Besuch eines Kranken
nach Amphissa Ich sah unter anderen daselbst ein junges Mädchen, welches
nach einiger Zeit, wie ich erfahren habe, gestorben ist. Dasselbe war 12 Jahre
alt, hübsch von Gesicht, von weisser Hautfarbe und sanguinisch-lymphatischem
Temperament. Auch der Wuchs war dem Alter entsprechend, dagegen waren
Augenbrauen, Wimpern und Kopfhaar silberfarbig. Auf meine Erkundigung erfuhr
ich, dass die Eltern, welche ich überdies persönlich kenne, von Gesicht und Haaren
bräunlich, kräftig und gesund sind, dass sie drei dergleichen weisshaarige Kinder,
ein männliches und zwei weiblichen Geschlechts, erzeugt hatten. Der Knabe starb
im Alter von zwei, das eine Mädchen von acht Jahren und das dritte, von dem
die Rede ist, bald nachdem ich dasselbe zu sehen Gelegenheit hatte. Auf diese
drei Kinder folgten noch drei andere, welche keine Spur dieser Abnormität an sich
trugen".
Ferner schreibt die „Neue Zeitung" in ihrer Nr. 346 desselben Jahres: „Es
wird viel über ein Mädchen in Ithaka gesprochen, welches mit weissem Haar
geboren ist, wie wenn es sich um etwas sehr Seltenes handelte. Auf Paxos
— XlaifiQ — lebt nach dem „Volk" (einer seitdem eingegangenen Zeitung) ein von
Geburt weisshaariges Brüderpaar, Söhne des Nicola Arvanitaki. Das Merk-
würdigste dabei ist, dass der Vater derselben von bräunlicher Gesichtsfarbe und
dunkelhaarig ist."
Obgleich ich seit 56 Jahren in Griechenland lebe und dasselbe Ende der
achtziger Jahre als Sanitäts-Inspektor in allen Richtungen zu durchkreuzen hatte,
habe ich doch nie Gelegenheit gehabt, einen derartigen Fall zu beobachten. Ab-
gesehen von der unverbürgten, das polnische Fräulein betreffenden S^eitungsnach-
richt würde ich mich auch dem ersten und dritten Fall gegenüber skeptisch ver-
halten, wenn nicht die Mittheilung des Kollegen Karalivanos volle Glaubwürdig-
keit beanspruchen dürfte. Der mir seit 1847 bekannte, bedächtige Mann, der
in Göttingen studirt und daselbst im Jahre 1846 doclorirt hat, beschreibt die
Wimpern, die Brauen und die Kopfhaare als silberfarbig „apyjpo.Dam^". Diese
Bezeichnung schliesst in meinen Augen die Vermuthung aus, dass die lebhafte
1) 17 ;(f^i/0o^r(Ailoi/oa ttuv 2.(paxi6iv ist eine Anspielung auf ein so betiteltes Gedicht
des pensionirten Gymnasialprofessors Antoniades.
(348)
griechische Phantasie das hierorts allerdin^ seltene hellblonde Haar zu eine
silbertarbi^^a gemacht haben könne.
Aus den vorstehenden drei BeobachtQDgen lässt sich meines Dafürhaltens keii
weitere sichere Schlussrolgerung ziehen, als daaa die Fignentkömchen in d
Marksubstanz des silberfarbigen Haares entweder nicht so entwickelt, oder nicbt
dunkel sind, als gewöhnlich, oder dass sie vollständig fehlen. Dieser abnorme Zustai
der nur sporadisch beobachtet und nicht vererbt wird, weckt freilich auf den erst
Blick die Erinnerung an Albinismus, doch liegt auch in obigeu Füllen der Gedan
nicht fem, dass derselbe lediglich als ein vereinzeltes Kennzeichen der Leukäthio[
in die Erscheinung tritt. Der Zufall hat mir allerdings keinen Albino der occai
sehen Rassen oder der Galla's u. s. w. in den Weg geführt; indess hatte ich ei
mal Gelegenheit, einen Kakerlaken aus dem Uan; auf der Braunschweiger Hes
zu sehen- Ich habe heute noch dos Bild des jnngen Menschen mit der milc
weissen Haut, dem schlichten weissen Kopfhaar, der blassen Iris, der rothen Pupil
und der fortwährend zitternden Bewegung des Augapfels Tor Augen. Wir steh
hier vor einem Symptomencompicxe, zu dem sich nach mir zugängigen Autor
ausser einem in der Regel schwächlichen Körperbau und einer solchen Mnsculal
noch Lichtscheu und Kurzsichtigkeit gesellen und somit dem Individuum ein nah
zu pathologisches Gepräge aufdrücken, während die weisse Haarfarbe an und (
sich als ein Naturspiel ohne jedwede functioncllc Störung sich kandgiebt.
Warum sollte nicht auch beim Menschen eine Abnormität zur Beobachtu
kommen, welche bei Thieren, wie z. B. in seltenen Füllen beim weissen E
phunten in Siam, in Europa häufiger bei isa bellen farbigen Pferden, ohne Functioi
beeinträchtigung vorkomrati* So habe ich die persönliche Erfahrung gemacht, du
das in der Umgebung der Stadt Mitylcne auf Lesbos und besonders in der Nä
der 2 Stunden entfernten heissen Schwefelquelle weidende Rindvieh fast durc
gängig isabellen färb ig ist, und zwar von einem vergleichsweise etwas heller
Colorit, als die Pferde dieser Art zu zeigen pflegen.
Schade, dass obige silberfarbigen Haare bezüglich ihrer Struetur- und Tcxti
Verhältnisse nirgends mikroskopisch untersucht wurden.
(17) Hr. Paul Ehrenreich übergiebt eine Anzahl von ihm im Sommer IS
auf Hissarlik aufgenoramener Photographien zum Geschenk.
(Ift) Hr. Ä. Baesslor hat eine Aass teil ung zahlreicher Photographien vi
Sulu, den Philippinen und den Molucken im Saale veranstaltet.
(ly) Hr. Bartels zeigt neuerdings veröffentlichte Abbildungen von den
Ruinen von Zimbabye
im Matabelen-Lande, Süd-Afrika, welche theils in den Proccedings of the Ro;
Geographica! Society London \8'3\, zum grösseren Theilc in der Zeitung: 1
Cape Argus (IT. Uct. IHW) erschienen sind. Ausserdem legt er die nach d
Originalen aufgenommenen Fhotogmphien des omamcntirten Steins und i
steinernen Vogelfigur vor, welche Hr. Willy Posselt (Midüelburg, Transvaal) v
den Ruinen von Zimbabye mitgebracht und deren Zeichnungen Redner schon
der Deceiaber- Sitzung !>»:) gezeigt hat. Diese Photographien sind ihm v
Um. Posselt, der Cape Argus von Hni, Mi^isioniir Schloemunn (Mpomc, Tmi
vaal) übersendet worden.
(349)
(20) Hr. R. Buch holz zeigt einen
Schädel ans dem slavischen Gräberfelde von Blossin.
Auf der wendischen Skeletgräberstelle bei Blossin, Kreis Beeskow-Storckow,
über welche ich im vorigen Jahre zweimal berichtete (vergl. Verhandl. 1890 S. 376
und 551), ist es nach Ausgrabung von 4*2 Skeletten, deren Gebeine fast ganz
zerfallen waren, endlich gelungen, einen, zwar nicht intakten, aber doch noch zu
Messungen geeigneten Schädel zu finden. Da aus den weiteren Funden, nament-
lich dem Topfgeräth und den Eisenstücken, der wendische Charakter der Gräber-
steile erwiesen ist, so ist die mehr dolichocephale Form dieses Schädels von be-
sonderem anthropologischem Interesse und ich lege ihn deshalb zur fachkundigen
Beurtheilung vor.
Von den sonst noch auf der Stelle gefundenen Knochenstücken zeigte ein
Unterkiefer an der äusseren Seite der Vorderzähne einen grünlichen Bezug von
Metalloxyd, so dass zu vermuthen war, man habe dem Todten eine Münze oder
sonst ein Metallstück in den Mund gelegt. Der Finder wurde zwar daraufhin
zur sofortigen Durchsuchung der betreffenden Erde mittelst des Siebes veranlasst,
hat aber nichts mehr gefunden. —
Hr. Virchow: Der mir zur genaueren Bestimmung übergebene Schädel ist in
sehr gebrechlichem Zustande zu Tage gefijrdert. Die ganze rechte Seite bis zum
Unterkieferwinkel ist zertrümmert gewesen und obwohl sich daraus noch wieder
ein erträgliches Granzes hat herstellen lassen, so sind doch Capacität und Breiten-
durchmesser des Gesichts nicht zu bestimmen. Nach dem Zustande der Knochen
müsste man eigentlich auf ein sehr hohes Alter des Grabes schliessen, indess sind
solche Schätzungen bekanntlich sehr unsicher.
Nach meiner Annahme handelt es sich um den Schädel eines jungen Mannes.
Die Umfangsmaasse (horizontal 523, sagittal 400 mm) sind beträchtlich. Der starke
Stirnnasenwulst bildet über der Nasenwurzel einen steilen Absatz. Die Stirn ist
etwas zurückgelegt und geht langsam in die sehr lange und hohe Scheitelcurve
über. Das Hinterhaupt tritt mit voller Wölbung vor. Die Zähne im Ober- und
Unterkiefer sind wenig abgenutzt, die Weisheitszähne haben ganz unversehrte
Kronen, aber auch die übrigen Zähne zeigen ihre Spitzen und Schneiden noch
ziemlich unversehrt.
Mein Interesse an dem Schädel wurde hauptsächlich angeregt durch seine
Formen, welche stark an die der Reihengräberschädel des Westens erinnern: die
Schädelkapsel erscheint lang, schmal und hoch, das Gesicht hoch, die Kiefer fast
orthognath, mit einer schwachen Vorschiebung der mittleren Zähne. Die Gaumen-
platte sehr tief und etwas breit. Das Kinn stark progenaeisch.
Die Messzahlen sind in einer Tabelle zusammengestellt. Aus den berechneten
Indices ergiebt sich für den Schädel ein hypsidolichocephaler Typus
(Längenbreitenindex 70,9, Längenhöhenindex 77,2). Der Hinterhauptsindex hat die
hohe Zahl von 31,7. Die gerade basilare Länge vor dem Foramen magnum be-
trägt 101 mm. An der Scheitelcurve betheiligen sich das Stirnbein mit 34,2, die
Parietalia mit 34,5, die Hinterhauptsschuppe mit 31,2 pGt. Dieser sehr regel-
mässigen Bildung entspricht der ganz normale Zustand der Nähte. Selbst die Stirn
hat einen minimalen Durchmesser von 08 mm.
Der Gesichtsindex ist leider nicht zu bestimmen. Die Orbitae haben einen
ziemlich flachen oberen Rand, sind in ihrem medialen Abschnitt eng und niedrig,
im lateralen in der Diagonale nach unten und aussen weit und daher schief; Index
(350)
74,3, hyperchnmaekonch. Die Naae schmal, ihr Ansatii tief, der RU
eingebogen und massig vortretend. Indes 46,a, leptorrhin. Der Unter
seine Aeste schmal und schriig gestellt. Hier erscheint daher nur dei
Bau der Augenhöhlen außallig; er zeigt eine Eigenschall, die ich von al
schüdeln hüußg erwähnt hitbe.
Im Uebrigen gehört der Schädel nach seinen Bigcnschaflcn in j
mehr anwachsende Zahl von Roihcngräbersch adeln des nordöstlichen De
die wir früher für germanische hielten, die aber nach der Geachaffenhc
gaben als slavischo anerkannt werden müssen. —
Das noch ausserdem vorhandene, zerbrochene Unterkie ferst Uck ist
Buchholz mit Recht betont hat, in seiner Mitte stark gcrärbl, Nam
Schneidezahne zeigen, nnd zwar, was besonders bemerkenswcrth ist, ar
abgesrhlilTcncn Schneiden, eine intensiv grüne Färbung, welche wohl i
Lage einer kupfernen Münze') zwischen den Zähnen bezogen werden h
I. Mcsszahlcn des Schädels.
Grösste horizontale Ijänge 189 w
, „ Breite 134t
Gerade Höhe I4G ,
Ohrhöhe 124
Gerade Hinterhaupts länge (iO
Entfernung des Ohrloches von der Nasenwurzel . . - l(M
„ „ Foramen magnum von der Nasenwurzel IUI
„ „ Ohrlochos vom Nasenstachel .... 104
„ „ Foramen magnura vom Nascnstuchel 91
„ „ ührloches vom Kinn 127
„ „ Foramen magnum vom Kinn .... 110
Horizontal um fang ^i'6
Sagittainmfang des Stirnbeins 137
n der Parietalia 13S
„ „ Sq. oecip 125
Ganzer Sagittalbogcn 40()
Minimale Stirnbreite 'J8
Gesichtshöhe 112
Linke Orbita, Höhe 2il
„ „ Breite 39
Nase, Höhe 47
„ Breite -22
II. Berechnete Indices.
Längenbreilenindox . . 70,9 Hinterhuuptsindex. . . 31
Längen höhen index . . 77,2 Orbitalindex . ... 74
Ohrhöhen in de X . . , , (J.'i,G Nasenindex 4lj
(21) Hr. Kuttner stellt einen siebenjährigen, anfManila geborenen
Knaben vor, der von reiner BeschalTenheit sein soll und schon binni
etwas Deutsch gelernt hat.
r Das von mir (rah-r untcrjuchli' lirandp-äh^rfi-ld Wi Blu^sio lieferte i<
(Verhandl. 1B75 S. 248). V.
(351)
(22) Hr. Staudinger spricht, unter Vorlegung von zwei Specimina, über
Reizsteine des Penis auf Sumatra.
Bei meiner letzten Anwesenheit in Ost-Sumatra, bei welcher ich auch einige
Zeit in den von Battakern bewohnten Gebieten weilte, erlangte ich, wie schon
frühere Reisende, Renntniss von der bei den Eingeborenen vorkommenden Sitte
der Eiulegung sogenannter Reizsteine.
Es sind dies jene beinahe flach-konischen Fremdkörper, welche sich einige
Völkerschaften im malayischen Archipel in die Haut des Penis einheilen lassen,
um damit beim Co'itus einen grösseren Wollustreiz auf ihre Weiber auszuüben.
Verschiedene Reisende haben die Sitte erwähnt; noch nie sind aber, soviel
ich weiss, die Reizkörper selbst nach Berlin gekommen; ja, nur in selteneren
Fällen sind sie überhaupt gesehen worden. Doch soll das Batavia-Museum auf
Java mehrere Exemplare besitzen.
Auch mir gelang es damalst nicht, derartige Stücke zu erhalten. Ich bat in-
dessen einen meiner Freunde auf Sumatra, sein Augenmerk auf den Gegenstand
zu richten, und ich erhielt unlängst durch die Güte des Hrn. Rudolf Seh a dt,
welcher früher im Grenzgebiet der noch unabhängigen Battaker lebte und gute
Beziehungen zu ihnen hatte, 2 Stück davon.
Hr. Schadt schreibt: „Nach Aussage glaubwürdiger Battaker werden bei der
betreffenden Operation Einschnitte in die Oberhaut des Penis gemacht und die
Steine unter die Haut geschoben. Einzelne Individuen haben eine Anzahl Steine
in spiralförmiger Anordnung in ihrem Gliede. Die Operation wird der besseren
Heilung wegen in fliessendem Wasser vorgenommen. Das am meisten begehrte
Material zu diesen Steinen soll eine Muschel im oder am Tobasee sein. (Der Toba-
see liegt auf der Hochebene im Gebiete der unabhängigen Battaker; seine Ufer
werden zum Theil noch von anthropophagen Stämmen, z B. den Pack-Pack, be-
wohnt.) Reiche Leute nehmen auch Gold- und Silberklümpchen".
Aehnlich berichtete auch Dr. Hagen, ein ausgezeichneter Kenner der Battaker.
Er gab sogar einen Preis für die Muschelsteine an. So einfach mag übrigens die
ganze Procedur nicht sein und sehr häufig mögen wohl die Steine auseitern.
Die der Gesellschaft vorgelegten Exemplare scheinen nicht aus Muschelkalk
zu bestehen, sondern gleichen bei einer oberflächlichen Untersuchung mehr einer
Bein- oder Pflanzensubstanz. Hr. Dr Hilgendorf hatte die Liebenswürdigkeit,
einige Querschnitte genauer zu untersuchen, und konnte feststellen, dass das
Material Elfenbein ist.
Es wäre nun interessant, zu erfahren, wie weit die Sitte der Reizsteine ver-
breitet ist. Auf Java soll sie sporadisch auftreten, ebenso auf Gelebes.
Einige Dayakstämme auf Borneo haben eine ähnliche, noch nifflnirtere Sitte
(Durchbohrung der Eichel und beim Gebrauch eingeführte Silberdrähte, deren
Enden mit Borsten, Haaren u. s. w. versehen sind), worüber schon früher von
Herrn v. Miclucho-Maclay unter Beifügung von Abbildungen in den V^er-
handlungen der Gesellschaft (1876 S. 22 fgg.) berichtet ist.
(23) Hr. Nehring berichtet über
neue Knochenfonde in den Höhlen bei Rübeland im Harz.
Seit langer Zeit schon sind die Baumannshöhle und die Bielshöhle, von
welchen die erstere am linken, die letztere am rechten Ufer der Bode (jedoch in
bedeutender Höhe über dem heutigen Wasserspiegel) liegt, bei den Besuchern des
(352)
Harzgebii^cs bcksnnt. Aach wusate man, dass in der Baamannshöhle zahlrei
Rcsto des Höhlenbären vorkommen. Im Luure der letzten Jahre sind aber
Rübelund sehr bemerkenswert he Entdeckungen gemacht worden, indem ei nors
neue Höhlenrüumc von überraschender Schönheit aargerundcn, andererseits s
zahlreiche und wissenschaftlich werthvollc Reste diluvialer Thiere an das Ta<
licht gebracht worden sind.
Die betreffenden Forschungen wurden im Aultrage der obersten Forslbehö
des Herzogthums Brannschweig und unter wesentlicher Förderung von Seiten
Herzoglich Brau nschweigi sehen Stuatsministeriums durch die Professoren Dr. J,
Kinos und Dr. Wilh. Blasius von der technischen Hochschule zu Braonschw
ausgeführt; einen nicht unwichtigen Antheil an denselben hatte auch mein Bru<
der Oberförster Robert Nehring.
Nachdem Kloos bereits 1^89 in einem besonderen Werke Über die bei
Durchforschung der sogenannten Herrn an nshöhle erlangten geologischen Ergebni
berichtet hatte, wobei die thierischen Reste nur ^ebensüchlich behandelt wurd
lieferte Blasius kürzlich einen vorlünflgen Bericht Über die neuen Knocbenfui
aus den Höhlen bei RUbeland'), von welchem ich der Berliner Anthro
logischen Gesellschaft im Auftrage des genannten Forschers, meines verehi
Freundes, einige Abdrücke Überreiche. Indem ich auf diesen Bericht, dem spi
eine genauere Bearbeitung der gesammten Knochenfunde folgen soll, verwc:
erlaube ich mir, hier nur ganz kurz die wichtigsten faunistischen Ergebnisse fa
vorzuhebon. ich rauss iillerdings betonen, dass die Sonderung der gefundei
Thierreste nach Niveaus in Folge mancher Umstände bisher im Allgemeii
nicht streng durchgeführt werden konnte; holTenllich wird dieses bei den ferne
Ausgrabungsarbeiten möglich sein.
A. Die sogenannte Hermannshöhle, welche schon vor etwa 20 Jahren du
Geheimrath Hermann Grotrian einer vorläufigen Durchforschung unterworfen i
neuerdings, wie eben erwähnt, durch Kloos untersucht wurde, lieferte an Thi
rcsten:
1) Hyodes torquatus, Hnlsband-Lemming;
2) Myodes obensis, Ob-Lcmming;'}
3) Arricola amphibiua, Wasserratte:
4) Gricetas frumentarius, Hamster;
5) LepuB sp., wahrscheinlich der Schneehase;
(i) Lagomya sp., eine Pfeifhasen- Art;
7) Foetorius erminea, Hermelin;
8) Vuipes ap., wahrscheinlich der Eisfuchs;
9) Equus cuballus, Pferd;
10) Antilope sp., wahrscheinlich die Gemse:
11) Ij^opus albus, Moorschneehühn (sehr zahircichl).
Ausserdem fand man im einer Stelle der grossen .^Höhlenlehmterrasse" za
reiche Reste von Uraus spetaeus, einige Reste von Cervus elaphus und ein l'nt
kicfersliick von Felis spelaea
B. Die Bielshöhle hat bisher nur wenige subfossile Knochen gcticfi
welche uns hier kaum inlereasiren können.
1) VprliPüScrter nnd mm Tli.i! crwpitertpr Rnnder-Ab'lnirk aus Nr. 289—291 i
,Bnnn<-rhwi'i;.'irii'|].'u AniPif-n- vdri lO.-l* Derember ISl».
2} Von Klo.)» und Blu-;ius als norwegischor Lemmini,' heieiehnet: ich htlU di<
Art l&r Myode.>i obensid.
C. Die Baamannshöhle. Hi
ier Höhle, welche an Terschiedeii
reste gelierert haben. Besonden wi
ind 20 : l& m Durch messer, welche
nanuBhöUe mit der altea in Verbii
lach nnten 5 Schichten erkennen,
Stufen von Bedeutung za sein seh ei
I. Die oberste Schicht lieferte;
1) Lepns sp. (wahrscheinlich '
BaBen.
2) Poetorins enninea, Hermelin
Etwas weiter stidöstlich am l
näosen und Wtihlmäasen.
II. Schicht- In diese Schicht
Blin^raben in der Mitte des sHdöstli
Üch Ton folgenden Arten, bezw. Oal
1) Cemu tarandns, sehr wohlei
ibenais, 4) Airicola ratticeps und
[alpinns?), 7) Batrachier.
III. Schicht. Bin fast rollstänij
maus- Resten.
IV. Schicht. Ein fast ToUständ
;harakteriatigchen grossen Pferdei
inderer Nagethiere, wie Has sp., .
Belix hispida.
V. Schicht Peiner Idssartiger
[Jrspmngs.
Nach Blasiue scheint durch die
einander! Bgerong nnd zeitliche &
Ireier verschiedener Faunen
ichliesslichen Ablagerungen von H
Sporen einer offenbar jüngeren Glat
Elrgebniss der bisherigen Untersncho:
noch eine Steppenfanna einzuBchieb
nnd der Knochen des grossen Pferd
(Auch meine eigenen Beobacbtu:
ceit Hittelenropas mit der sogenann
Uancher, der mit dem Begriff
knüpfen pflegt, könnte vielleicht da
land im Harz auffallend finden nnd
^lactaga jacnlus als eines charakt
j^enttber muss ich betonen, dass
in die Ebene gebunden sind'), das
Qebirge hinauf nnd namentlich üb
1) Wegen des Znsammenvorkomme
lein, ob dieee Beete nieht statt auf A
^exogen werden kdnnten.
2) Han vergleiche die beiöglichi
imd Steppen', Berlin 1690, 8. 48, 61, (
VtcbutfL d*r B«L ABthnpiit. QtHlUehin 1
(354)
gcnD^ Steppe ngcbirgc und Stcppcnplateans, die sich mit demjenigen Theile ()
Harzes, welchem ßübclnnd angehört, vergleichen lassen, wenn wir ans dicBi
letzteren als unbewHldet vorstellen. So wie heutzutage der grosse Prcrdespring
in den steppen artigen Distrikten hei Slatonst im südlichen Ural oder an di
steppe nnrtigen Abdachungen des Altai ziemlich hoch hinaor vorkommt, so kai
08 nicht auffallend erscheinen, dass er einst anr dem Plateau um Rübcland heru
gelebt hat.
Was endlich die etwaigen Spuren menschlicher Existenz anbelril
so sind dieselben bisher etwas zweifelhafter Natur; doch liegen immerhin eini]
Fnndobjectc vor, welche dafUr sprechen, dass auch der Mennch schon wührei
der jüngeren Diluvialzeit zuweilen die Gegend des heuligen RUbetand besucht hi
HofTentlich liefern die noch bevorstehenden, ferneren Ausgrabungen und Unlc
suchungen sicheren Aafschluss in dieser Hinsicht.
(24) Hr. A. V. Heyden legt im Anschluss an seine Üemerkungen in d
vorigen Sitzung (S. 3'14) eine grössere Anzahl von
Zeichnnngen weiblicher Eopftrachten des IG. tud 17. Jahrhunderts
vor, die in aufTallender Weise den Ursprung gleichzeitig erläuterter Volkstrachti
dnrthun, welche letzleren bekanntlich Reste der Modetrachten der höheren Stand
nur häußg in nicht ganz leicht erkennbarer Form, sind. Es fehlt aber noch vi
zu sehr an einer genauen Kenntniss örtlicher Verbreitung der Moden in di
historischen Trachten früherer Zeit, um (IberuH die llcziehnung der Volkslnic
zu der vorbildlichen historischen Tracht feststellen zu können. Durch fleissigi
Anfsnchon solcher Analogien, die Redner zu vermehren verspricht, wird man d
. Erkenntniss der Entstehung der Volkstracht aus der Modeform niiher komme
Ucbcrall zu erledigen wird diese Frage schwer sein.
(25) Hr. Rud. Virchow berichtet über
Analysea kaukasischer uud assyrischer Bronzen.
Das Interesse, welches sich an die Kenntniss der orientalischen fironzen knüp
ist seil alten Zeiten durch die Tradition der griechischen Welt, der Ursprung di
Gronzekunst sei überhaupt in Asien zu suchen, rege erhallen worden. Man du
jedoch sogen, dass in dem Maasse, als die Zahl der Untersuchungen grosser g
worden ist, die Fnigc nach der Heimath der Bronze-Industrie immer weiter zurücl
geschoben worden ist. Ich habe es daher als eine besondere Aufgabe betrachtt
durch neue Untersuchungen das Gebiet der wohl beglaubigten ThaUachen au
zuweiten. Bei einer anderen Gelegenheit werde ich noch weitere Erfahrungi
mitlhcilcn; für heute möchte ich nur einige neueste Analysen mittheilen, welcl
die beiden Gebiete bctrolTen, welche vor allem die Aufmerksamkeit auf sich ziehe
Ich verdanke diese Analysen dem so oft bewährten Wohlwollen des Hcn
Lnndoit, in dessen [^boratoHum und unter dessen Leitung dieselben durch seii
Assistenten, die Herren H. Plath und Dr. E. Rimbach, ausgeführt worden sin
I. Nordkaukasische Bronzen.
Das Material für diese Untersuchungen habe ich denjenigen Funden entnomme
über welche ich in der Sitzung vom l!t. Juli 1890 (Verh. S. -IIT) ausführlich b
richtet habe. Folgende Stücke haben der Analyse unterlegen:
I) Ein grösseres Bruchstück einer jener Plattennadeln von Kumbulte i
(355)
Digorien (a. a. 0. S. 418. Fig. 1), welche zu den grössten und schwersten Stücken
dieser Art überhaupt gehören.
2) Ein zerbrochenes Armband aus dem ünterlager von Techmy in
Ossetien, Nr. 23b, von der zweiten, auf S. 424. Fig. 11 erörterten Form.
3) Ein zerbrochener Ring, Nr. 36, von Tscheghem, Oberland der
Kabarda, vielleicht das Bruchstück eines Ohrringes (a. a. 0. S. 442. Fig. 45). Es
ist ein drehrundes, gebogenes Bronzestäbchen von 2 mm Durchmesser.
4) Das Bruchstück eines Armreifes von Ataschukin im Flachlande der
Kabarda, Nr. 30, ähnlich dem unter Nr. 2 aufgeführten Stück von Tscheghem.
Es ist 16 mm breit, ziemlich schwer und mit 3 erhabenen Längsreifen versehen
(vgl. a. a. 0. S. 455).
5) Das Bruchstück einer dicken Bronzescheibe, vielleicht eines Spie-
gels, von eben daher (vgl. S. 456). Die Scheibe ist vollkommen rund gewesen,
etwa 55 mm im Querdurchmesser: die eine Fläche ist ganz glatt, die andere mit flach
erhabenen Ornamenten und in der Mitte mit einer kleinen Ochse verschen. Das
Ornament besteht aus 3 concentrischen Zonen, welche durch erhabene Grenzlinien
geschieden und von schrägen erhabenen Linien durchsetzt sind.
Die Analyse hat folgende Resultate geliefert:
Nr. 1.
Ni
•. 2.
Kupfer . . , 9G,(>1
Kupfer . . . 93,10
Arsen ... 3,41
Zinn .... 6,77
Blei
ausserdem geringe Mengen von Blei und
Antimon _
Zink 1 SP"'"''"
Eisen
Eisen (Rimbach).
Nr. 4.
Kupfer . . . 99,78
Nicht vorhanden: Phosphor, Schwefel,
Schwefel . . 0,22
Zinn, Wismuth, Kadmium (Rimbach).
Antimon
Nr. 3.
Arsen
► Spuren
Kupfer . . . 77,23
Eisen
Zink. . . . 12,02
Nicht vorhanden: Zinn, Zink, Blei,
Blei .... 7,09
Phosphor (Plath).
Zinn .... 2,91
Nr. 5.
Eisen . . . 0,64
Kupfer . . . 75,03
Nickel . . Spuren
Zinn . .
. . 21,89
Nicht vorhanden : Phosphor, Schwefel,
Arsen, Antimon (Plath).
Blei .... 2,84
Ei^en . . Spuren
Nicht vorhanden: Phosphor, Schwefel,
Zink, Arsen, Antimon (Plath).
Dass hier eine gewisse Mannich faltigkeit der Metallmischung vorhanden sein
werde, liess sich vermuthen, da das Alter der einzelnen Gräberfelder ein sehr ver-
schiedenes ist. Indess auf so grosse Verschiedenheiten, wie sie sich thatsächlich
herausgestellt haben, konnte nicht füglich gerechnet werden. Finden wir doch alle
Zwischenglieder von dem einfachen Kupfer bis zu der vollendeten Zinklegirung
vor, so dass der Gesammtname „Bronze" eigentlich nicht zutrifft. Wenn ich ihn
trotzdem anwende, so geschieht es nur wegen des äusseren Ansehens, welches
einen Unterschied in der Patina nicht erkennen liess.
Nur ein einziges Stück, Nr. 2, das Armband von Tschmy, hat sich als reine
Zinnbronze ergeben, freilich mit einem viel geringeren Zinngehalt, als der klassi-
schen Bronze entsprechen würde. Die früheren Untersuchungen der Herreu Lan-
dolt und Rammelsberg über Bronzen von Koban, die ich in meiner Mono-
23*
(356)
graphio Über das Gräberfeld ron Kobaa S. 23 mitgetheilt habe, zeigten in 8 ve
BChiedenen Proben BQSschliesalich die kloBBische Bronze-Mischnng, wobei der Zin
gehalt zwischen 10 und 12 pCt. betrug; daneben wurde einmal eine bestimmba
Menge von Blei {1,93 pCt,) gefunden. Der Unterschied ist also ein denkb
gröaster, und zwar um so antTiilliger, als anscheinend daa Gräberfeld Ton Kobi
an Alter von keinem der hier in Rede stehenden Ubertroffen wird. Indeas mn
ich bemerken, dass ich schon früher (Verb. 1883. 8. 331) ein offenbar sehr alt
Stflck, eine schwere Bogenflbnla aus dem Flachlande der kleinen Tschetsclma b
schrieben habe, bei deren Analyse Hr. Salkowski ausser Kupfer nur etwa 4 p(
Zinn, dagegen weder Zink, noch Blei, noch Wismoth oder Silber fand.
Dasjenige Stück, welches seiner Zusammensetzung nach den Eindruck d
grössten Alters machen könnte, ist Nr. 4, der Armreif von Ataschnkin, der ai
reinem Kupfer besteht Die geringe Beimengung ron Schwefel darf als natu
liehe Beimischung betrachtet werden. In meiner früheren Besprechung (a. a. i
S. 454) habe ich verschiedene Gegenstände aus dem Oräberfelde Ton Ataschuk
aufgeführt, welche den Eindruck Ton Kupfer machten. Aber alle diese Gege
stände zeigen eine Vollendung der Technik, welche den Gedanken direkt au
schliesst, dass es sich hier um Produkte einer primitiven Uetallzeit handeln könn
Man wird vielmehr annehmen müssen, dass auch in späterer Zeit gelegentlii
Gegenstände aus Kupfer gefertigt wurden, selbst solche, welche, wie der Armre
mit ganz analogen Bronzeformen der Nachbargräberfelder (vgl. Nr. 2, Tscbe^hei
in Form und Ausführung übereinstimmen.
Die grCsste Ueberraschung brachte die Analyse von Nr. 1, der Plattcnnadel ri
Kumbulte, indem hier die überaus seltene Arsenik-Bronze gefunden wurde. Ii
habe in dieser Beziehung an den ersten derartigen Fund, den ich vor Jahn
machte, zugleich den ersten solchen Fund überhaupt, zu erinnern. Es war t
Ausgrabungen auf dem denkwürdigen Gi^berfelde von Zaborowo, dass ich i
Jahre 1874 (Verh. S. 324) grosse Eiaenringe fand, welche zur Befestigung d
Umendeckels auf den Rand desselben gelegt waren. Gleich nachher traf He
Thnnig einen, durch seine Schwere und Grösse besonders ausgezeichneten Bin
den wir für einen Bronzering hielten, und im nächsten Jahre gelang es m
noch weitere Stücke auszugraben. Ich erwähnte bei Vorlage eines solchen Btüc
in der Gcsellschafl (Verb. 1875. S. 110), dass ich an der „scheinbar ganz regulär
Bronze, die so grün, wie die andere aussah, als ich mit einem Uesser die Fatii
abkratzte, kuine gelbe Stelle erhielt, und als ich später die Feite anwendete,
mir schien, ich hätte Eisen vor mir, so bläulichgrau war der Glanz der Ob<
näche". Da sich bei der Analyse beransstclltc, dass es doch Bronze war,
unterschied ich diese vollkommen eisen- oder stahlfarbige Bronze vi
der gewöhnlichen gelben Bronze. Die Analyse wurde von Hm. O. Liebreich an
geführt, der darüber selbst in den Verii. 1875. 8. 246 berichtet hat. Er land
Kupfer 56,00
Nickel 14.00
Arsen 12,1«
Kobalt 4,00
Zinn 1,50
Antimon 1,50
Schwefel 0,75
Eisen 0,41)
Die Analyse gab wc^n der Verluste, die bei der üntersuchoiig stattbad«
(358)
seines Tatera zum Oescheoko gemacht. Dana flndet sich (1863. S. 139. 186,'>. S. 15;
eine römische Fibel von Mainz mit 24,45 pGt. Zink, ein Sehn all enatUck aus den
GoldbBCh-Grabc im Emmentbal mit 17,6 pCt. (I. Nr. 38), eine Spinilbenel voi
Cammin in Meklenburg mit 16,31 pCt (1865. S. 54), eine Mctallplatte von Dasei
Äuget mit 10,61 pCt. (I, Nr, 34), eine Heftel von Hagenow in Meklenbui^ mi
9,1) pCt. (1865. S. 53). Besonders interessant erscheint ein Ohrring ans einem Grabt
von Kastaniatissa auf Euboeii mit 10,87 pCt,, der Parallele wegen, die er zn den
Ringe von Tscheghem bietet. —
ich versage es mir, weitere Betrachtungen über diese Ergebnisse anzustellen
Vielleicht geben die letzteren aber >.'inen neuen Anstoss für andere Forscher, di<
Analyse priihistorisehor Bronzen in grösserer Zahl und mit grösserem Eifer in An-
griff zu nehmen, als es noch immer geschieht.
U. Assyrische Bronze.
Hr. C. F. Lehmann hat die grosse Gorälligkeit gehabt, auf meinen Wunsch
bei Gelegenheit eines Aufenthaltes in London daselbst Umschau nach älteren assyri-
schen Bronzen zu halten. Unter dem 18. December v. J. benachrichtigte er mich
dass der Principal Librarian des British Museum ihm für mich ein Kästeben mii
Theilen des Bronzethors von Balawat (unter SalmanaasarH. 859— 824 v.Chr.;
übergeben habe. Dieses, seiner genauen Bestimmung wegen doppelt werthvolk
Geschenk ist seitdem in meine Hände gelangt. Es sind Stacke von sehr schwerer
und starken Platten, die ganz leicht auf der Fläche gebogen and mit dicken, nacl:
aussen hervortretenden, innen vertieften Querwülsten versehen sind. Eines davoi
seheint ein Randslück zu sein; es hat eine falzartige Einbiegung längs des ziem
lieh glatten Randes. Ein anderes Stück trägt einen starken Nagel von 4 em Längt
mit einem platten Kopf von 12 »tni Durchmesser; derselbe steckt noch in der Platte
die an dieser Stelle leicht trichtcrTörmig vertieft und nach innen vorgebogen ist
Wenn man den Nagelkopf scharf andrückt, so sieht man ihn von einem Hinge Qacb
rundlicher Buckel umgeben, die aus der Platte in Form einer Bosette hervortreten.
Alles ist mit einer rauhen, graugrünen Patina bedeckt und auch die frischen Bruch-
Oäeben zeigen meist durchweg eine hellgrüne Farbe. Nur an einzelnen Stellen
z B. an dem Nagel, legt die Feile noch unverändertes Metall von röthlicfagelbei
Farbe bloss.
Eine Abbildung der BronzethLir von Balawat steht in Kaulen (Assyrien nnil
Babylonien. Freibuig i. Br. 1891. S. m. Fig. 21).
Hr. Landolt war so freundlich, auch diese Bronze in seinem Laboratorinni
durch Hm. H. Plath analysiren zu lassen. Das Resultat ist folgendes:
Kupfer 92,14
Zinn 7,92
Eisen 1
Antimon ) "
Als nicht vorhanden werden ausdrücklich angegeben Blei, Zink, Nickel, Arseo
Phosphor und Schwefel,
Von den vorher mitgctheiltcn kaobosischen Bronzen kommt Nr. 2, das Arm-
band von Tschmy, in der Mischung um nächsten. Die Analysen assyrische!
Bronzen, welche Dr. Percy an Stücken des Hm. Layard (Nineveh und Babyloa
Übersetzt von Zenker. Leipzig. S. AlO) angestellt hat, ergaben, wie die Bronze
von Koban, eine der klassischen Bronze entsprechende Mischung, in der Zinn zu
9,78—11,33 pCl. vertreten war; nur eine Glocke hatte 14,1 pCt., wie Ur- Layard
(S. 144) annimmt, wiil linc andere Wirkung erzielt werden sollte, —
C359)
Hr. Vater erinnert an das von ihm vor Jnhren ^zeigte, aus einem Spanilaner
Funde stammende Stück Bronze. Dasselbe hatte 15 pCt Arsen. —
l!r, Vtrchow erkennt die Richtig'keit des Citats von Hrn \ater an Allein
ahgesehen davon, dass das Spandauer Stück ausserdem 8,2 p<_t 8ilbir und sogar
Spuren von Gold enthielt (Verhandl. 1884. S. GOl), ist weder Über die Zoitalellung
desselben, noch über seine Bestimmung irgend etwas bokaimt, Ch I isst sich daher
nicht zu einer Aurklärung Über andere Funde vcrwerlhen.
(2ö) Hr. Rud. Virchow zeigt
Schädel und Skelettlieile aus HUgelgr&bern der Uallstattr und Tine-Zeit
In der Oberpfalz.
Hr. Dr. Julius Naoc in München halte die Güte, tnir in zwei Sendungen daa
osteologische Ergebniss seiner Ausgrabungen von Hügolgrübem der bayrischen
Oberpfalz ku Uberschickcn.
Die erste, schon im Jahre 1889 eingegangene Sendung enthielt leider keinen
einzigen, gut erhaltenen Schädel und sie ist daher lUngcr liegen geblieben, als es
mir selbst lieb ist. Hr. Nauc berichtete darüber Folgendes unter dem 20. März d. J.:
„Die Sendung enthielt zwei, leider durch meine Arbeiter zerbrochene Schädel aus
einem Grabhügel der jüngeren Hallstattzeit bei Parsberg. Mann und
Frau waren in dem Grabe zu gleicher Zeit bestattet worden; denn dafiir sprach,
dass der linke Oberarm des männlichen Skelets unter den Halswirbeln des zur
linken Seite des Mannes bestatteten Weibes lug; die Unterarmknoehen jenes fanden
sich zar linken oberen Seite des weiblichen Skelets. Ich legte auch einen der
mannlichen Oberarmknochen (den linken) bei, weil er an einer Stelle eine Wunde,
bezw. Vcrticrnng bat, die sehr dunkel geTurbt ist. Woher diese Verletzung rührt,
konnte ich mir nicht erklären. Ich würe Ihnen sehr dankbar, wollten Sie die Güte
haben, mir darüber etwas Näheres mitzulhcilen. Ein bekannter Summler (Hr. Gabriel
Max) meiale seiner Zeit, die Verletzung könne möglicherweise durch einen Blitz
hervorgerufen sein (?). — Dann lagen dieser Sendung noch Bruchstücke (Frag-
mente der Stirn) eines weiblichen Schädels aus einem älteren Bronzezeilgrabe,
ebenfalls von Parsberg, bei. Sie werden diese Stücke leicht herausRnden, da
sie durch ihre abnorme Stärke wesentlich von den anderen abweichen. Ich legte
sie eben wegen der Stärke bei."
In einem früheren Briefe vom 5. October 1889 erwähnte Hr. Naue noch in
Betreff des erstgenannten Grabes, dass zur rechten Seite des Mannes eines jener
krummen Hiebmesser lag, wie wir sie aus der jüngeren Hallstutt-Zett kennen; die
Frau hatte nur 'ä Bronzeringe- Von der Verletzung am Oberurmknochen sagte er
mit Recht, sie sähe ans, „wie von einigen kurzen Hieben herrührend". Die
beiden Schädel seien nicht bloss zerbrochen, sondern die einzelnen Theile der-
selben auch durch Unachtsamkeit eines Arbeiters durch einander gekommen.
Meiii sehr erfahrener Präparator hat unter meiner Aufsicht mit grösster Sorg-
falt die Knochen sortirt und sie, soweit es sich thun Hess, zusammengesetzt, aber
es hat sich nichts Vollständiges herstellen lassen. Immerhin hat sich ci^cben,
dass, ausser den von Hrn. Naue erwähnten dicken Knochen, sieh Bestandtheile
von 3 Schädeln unterscheiden lassen, von denen einer (Nr. 3) ausgemacht weib-
liche Form hat: ein zweiter (Nr. 1) lässt nichts davon erkennen; auch ein dritter
(Nr. 3), obwohl ziemlich dünnwandig, scheint auf einen Mann zu deuten, hat
Jedenfalls einem jüngeren Individuum angehört. Wahrscheinlich sind einige
«rkierera auch eu Nr. 3 zu rechnet
m Abnntzung der Zähne einem älterei
e Nr. 1, zuzuschreiben sind. Da in
nmende Züge darbieten, so könnte e
I am besten ausdrucken. Nimmt mai
t>genntztea Zähnen dem Schädel Nr.
iser erhalten ist, so erscheint die An
lasB dieser Schädel dem Manne, Nr.
emeinsamen Qrabe angehörten,
«uenschädels aus einem Orabbtlgel de
i& Schädeldach mit Nasenansatz, »ha
in die Länge gestreckt, 203 mm lang
wovon 128 = 34,1 pGt. auf das Stirn
13s = 36,8 pCt auf das HiuterhauF
dnng ist dadurch verstärkt, daas übe
n m sitzt Der Stimnasenwulst kräflij
ausrichtet, der Blicken eingebogei
ferknochen ist der Oberkiefer deutlic
lässig abgenutzt, der Molaris UI friscl
len sehr tief. Der hohe, in der Mitt
milche Form, die Zähne sind tief ab
igenaeisch.
, dem der ganze Vorderkopf fehlt (be
a"), leicht und dflnnwandig, erscheint
I, hoch und breit Nur die Breite ii
ittalcurve der Parietalia misst 125, di
luppe sehr gross, mit einem Os apid
Terknochen zeigen die OberkiererstUck
i*raemolaren ; die ZahnciuTe weit, de
n der Mitte zerbrochene Cnterkiefei
ch, ist zarter; der rechte Molaris Jl
n Unken eine obliterirte Alveole eul
.bgerieben.
ranenschädels aas einem GrabhQge
n. Basis und Hinterhaupt fehlen. Stin
schnelle Umbiegung der übrigeas star
Hinterkopf. Grösste Länge 173, Breit
Rucken vortretend und eingebogen,
sen sich nicht zusammenbringen. 6i
an Diploc, besonders die Stücke de
i der Hinterhauptsschuppe. Scheinbi
grosses Felsenbein.
It es sich um eine dolicbocephalE
iische Rasse. Das «eibliche Schade
in; aus den freilich sehr zweifelhafte
1,8.
en betrifft, der wohl mit dem Schädi
rletzt, indem das ganze obere Dritithe
i voll; in der Mitte des SchaHes ist t
(36-2)
VeräDdening zeigio. Auch ich halte diese Hypothese für anzuläasig, da i
nagea durch Thierc quere Furchen erzeugt haben würde; die mehr sen
Kichtang der Furchen würde eine höchst gezwungene, ja fast anmögliche Ai
der Zähne voraussetzen. Man wird also wohl die Einwirkung menschUcher <
mittel zugestehen müssen. Jedoch ist dabei festzuhalten, dass die Annahm
einzigen Aktion fUr die Erklärung nicht ansreichcn würde; die vorhanden
Sätze lassen sich weder mit einem Schwertstreich, noch mit einem Beilhl
klären. Sie sind übrigens mehr gehackt, als gehauen, and auch nach La
Richtung sprechen sie mehr Tür eine Erzengung nach dem Tode. Wc
wissen, ob diese nicht mit einer abergläubischen Handlang in Beziehung sb
Ueber die andere Sendung, die von 1890, schrieb mir Hr. Naue unt
20. März, dass dieselbe 5 Schädel enthielte:
2 von HohenbUchcl, Grabhügel Nr. 4
I » > >. » 1
1 » Muttcnboren, > » 1
1 » Stanfersbach, Gruppe II, Grabhügel Nr. 1
„Aus einem Grabhügel sind die beiden, zuerst aargerührten Schad
Hohenfaüchel Da sich bei dem Skclet des Grabhügels Nr. 1, IlohenbUchi
bei jenem von Muttenhofen, Grabhügel Nr. 1, Oberurmringe, kleine Eisen
spitzen and Eiaenraesser vorfanden, weibliche Schmuckstücke — Ohrrinj
Fibeln — aber fehlten, wäre es mir sehr erwünscht zu erfahren, ob die b«
den 2 Schädel wirklich männliche sind, worauf die Beigaben hinzudeuten sc
„Den Schädel aus dem OrahhUgel Nr. ], Gruppe II, Staufersbach, tH
deshalb der Sendung bei, weil er von einem der 12 Skelette herrührt, we
diesem Grabe, abgesondert von der Hauptbestattung, unter und dicht neb
ander lagen. Nur eines dieser Skelette hatte 2 dünne Bronzedrahtarmringe.
Schädel — und dazu gebort der Übersandte — lagen ganz dicht neben cii
ja, es sah aus, als wenn sie neben einander gestellt wären.
„Da ich spater noch einige Male derartige merkwürdige Bcstattungc
eigentliche Beigaben voi^efunden habe, glaube ich annehmen zu dürfen, d
hier Menschenopfer vor uns haben. Die Hauptbestattungen mit rcicheu E
Bnden sich dann stets getrennt von jenen. So traf ich in Staufersbach, HI, (
in demBclben Grabe in einer Reihe neben einander 4 Schädel: Nr. 1 und ü
auf ihre Basis gestellt, nur Nr. 'i lag auf dem Hinterhaupte, der Oberkdrpei
entfernter davon; Unterkörper fehlte, vielleicht ist er verbrannt worden, i
fanden sich verbrannte menschliche Knochen seitwärts des äussersten Skeli
aber auch nur einen Übcrschenkel hatte. Schädel Nr. 4 lag auf dem rQi
gebogenen Obenirmknochen eines kopflosen Skelets. Die Beigaben bei
lediglich aus 2 ganz kleinen Bronzeknöpfchen. Die Hauptbestatlung befai
1 m tief, jene der 4 Skelette 40 cm tief."
Die Schädel Nr. I und 1 u von HohcnbUehel, Grabhügel 4, sind so toII
erhalten, dass alle möglichen Maassc an ihnen genommen werden konnte
Schädel aus dem Grabhügel Nr. 1 dagegen ist höchst defekt und gestattet n
wenige Messungen. Ziemlich vollständig in Bezug auf die Sehüdelkapsel
Schädel von Staufersbach; ihm fohlt, wie dem von Muttenhofen. das (
diesem dagegen auch die ganze Umgebung des Foramen magnnm.
Die von HohenbUchcl halte ich sümmtlich für männliche, den von Mutti
für wahrscheinlich weiblich. Der von Staufersbach ist schwer zu bestimm
er deutliche Zeichen künstlicher Verunstaltung trügt; indess deutet
auf weibliche Züge hin. Nachstehend
merk male :
1) Ho
Nr. 1. Grab 4. Ein gewaltiger,
Schädel mit Unterkiefer; Zähne tief
(Kephalonie), sein HorizontalQmfang
rem stellt dna Stirnbein 34,G, der Mi
Form ist hypsimesocephal. Er h
leichter Vorwölbung an dem hinteren
in minimo). Kräftige StirnnasenwUlste
Hnchtiges Mittel- und Hinterhaupt.
voi^wölbt, breite Prot, occip. Schma
lieh wegen des kolossalen Unterkie
Orbitae sehr gross, tier, etwas ecki|
stark ausgeweitet; Index 90,0, hypsil
Rucken eingebogen, wenig vortreten
Starke Spina nasalis. AlTeolorfortsutz
Zähne tief abgerieben. Unterkiefer vo
nindc in der Mitte 35, bis zam Za
dreieckig. Aeste gross, steil, 31 mi
Distanz.
Nr. 1a, Grab 4. Ein gleiehfalls
weniger gater Erhaltung; Zähne sts
I720ccmund orthobrachycephale :
trägt. Der Horizontal um fang misst 5
der Vertheilung der einzelnen Absei
nmfang ergeben sich fast dieselben Zah
Die Stirn ist hier etwas zurUckgelet
flache mediane Crista abgehend, tiefe
Wölbung des Scheitels und des üint<
sehr vorgewölbt, keine Prutuberanz-
tretend. — Gesicht hoch, fast leptopn
aussen nnd unten ausgezogen, Index
aber Nase schmal, seicht angesetzt; I
Gesichtswinkel 73°. Oberkiefer gross,
schräg gestellter, schwach prognatl
in der Mitte 35 mm (alveolar), 43 (d
Aeste kolossal, 36 mm breit, T3 (Proc.
Nr. 4, Grab 1 (nach der Aufschri
und Basis und mit verletztem Vorder
Form ist mesocephal. Auch er ist !
hauptsindex betraf nur 23,2. Indesi
Stirn breit (100 mm), mit starkem S
Tubera. Lange, etwas flache Scheitell
Protuberanz; links von der Mitte den
dringendes Emisaariam. Im Ganzen
Schläfen.
Vielleicht gehört hierher ein e
Dimensionen; derselbe hat tief abgi
Aeste. Winkeldistanz 106 mm.
(364)
n grosse Uebereingtimmung uoter einander. Sie sind a
aa, Nr. 1 and 2 geradezn kephaloniHch. Ihre Indices
I oberen Qradea der Meso- und den niederen der Brac
^sprechen oder annähernd orthognath und faypsikon
iren Qrade der Chamaeprosopie, sind aber ansgenu
2) Mnttenhofen (Grab 1).
chter and dünnwandiger, wahracbeinlich weiblicher Scha
tre Basis. Seine Form ist orthomeso- (fast dolicb
k zackig. Stirn schmaler (90 mm), ziemlich gerade, a
Dwulst, massige Glabella, stärkere Tuberalltnie, sehne
aber kurze Scheitellinie. Volles, breites Hinterhaupt
il ein halber rechter, sehr leichter Oberkiefer, der i
enthält. Sie sind sämmtlich mit ganz frischen Rroi
3) Slaufersbach (IL Nr. 1).
r, grober und eckiger Schädel, dessen Geschlechtscharal
nach seiner geringen Capacität (1205 ccm) und seiner Sti
ch anzusehen ist. Er ist plagiocephal, offenbar du
[ des Hinterkopfes, der auf der linken Seite stark <
der rechten Hallte der Squama occipitalis rorgewölbt
:e Gegend des Lambdawiokels abgeplattet. Im Uebrij
emlich vollständig; das Gesicht fehlt bis auf den Nas
angenbein Die Form ist hypsibrachycephal und z<
ndex 85,1, Höhenindex 78,0). Die Redaktion des Hin
er Verkürzung des Einterhanptsindex bis anf 27,2. V
r Sut. frontal. Sehr starker Stimnasenwulst, durch
etheilt; Tertieftc Glabella. Stirn breit (102 tni»), in
berallinie stark TorgewölbL Flache Scheitelcurre, hii
Tubera pariei kräftig. Horizontal umfang 515, Sagil
pCt. Stirnbein, 37,0 Parietalia und 28,1 Occiput. Schi«
rz. Foramen magnnm gerundet, 34 anf 32 mm. Qele
vom gestellt, unregelmässig. — Wangenbein vortrete
cbeinbar hoch, Contour gerundet. Nase sehr tief angesi
cken eingebogen.
:h ein Stuck eines ganz senilen Oberkiefers, dessen Zä
«nutzt und g^lättet sind.
ein grösserer, älterer Unterkiefer mitgekommen, den
SS. —
:bnisBe dieser Untersuchnng zusammen, so zeigt sich, (
t-Qriiber von denen der Tcne-Gräber recht venchie
Schädel, welche in vielen Beziehungen mit denen
ihen Bevölkerung fibereinstimmen; erstere dage
lit denen der merovingischen Reihengräber in
Was die ältere Bronzeseit angeht, so ist das Ifaterial
Is zeigt das Vorhandene viele Unterschiede von andc
(366)
(27) Hr. Virchow spricht unter Vorlegung eines entsprechenden Skelets fli
Xiphodyiuie.
Vor Kurzem haben wir zam zweiten Male das zweibeinige Brttderpaar (od
wie man sagt, den zweiköpfigen Knaben) Tocci in einer unserer Sitzungen geset
(S. 245). Ich habe bei dieser Gelegenheit die höchst sonderbare Thatsache hervi
gehoben, dass diese Doppel missbil düng, obwohl sie vom Nabel abwärts eiata
erscheint, doch in Wirklichkeit auch in dieser Region doppelt ist, indem die Empl
Figur I.
dang und Bewegung der rechten Seite dem rechten, die der linken Seite dem lint
Knaben ausschliesslich angehört, — ein Verhältniss, welches sich nur begreift, wc
man annimmt, dass, gleichwie der obere Abschnitt jedes der beiden Körper eir
besonderen Kopf und eine besondere Wirbelsäule, also anders ausgedruckt, <
besonderes Gehirn und ein besonderes Rückenmark besitzt, so auch der iint<
Abschnitt eine doppelte Wirbelsäule und ein doppeltes Rückenmark haben mlls
Wegen der Renitenz der Knaben hat sich dies durch die äussere Belastung nii
sicher feststellen lassen.
(367)
Es dUrne daher für die MJtg'üeder der Gesellschaft von Interesse sein, an
einem geeigneten Präparat dioae eigen thit in liehen Verhältnisse erläutert zn sehen.
In der Sammlung des Pathologischen Inatitus befindet aich ein solches Präparat
(Nr. 258 Tom Jahre 1871): das Skelet eines neugeborenen Xiphodymen, der, ab-
gesehen von Einzelheiten am Brustkorbe, in jeder Beziehung mit dem GebrUder-
paar Tocci übereinstimmt, [nsbesondero sind nur 3 Unterextremitäten vorhanden.
Diese sind in ordnungsmüssiger Weise an ein Becken angesetzt, welches in seinen
vorderen and seitlichen Theilen in keiner Weise von einem gewöhnlichen, cin-
Figiir 2.
Tuchen Rindcrbcckcn abweicht. Aber in seinem hinteren Theüe zeigt es statt
eines Kreuit- und Stcissbeines deren zwei, welche bis zum Ende, der Spitze des
Sieissbcines, vollkommen ausgebildet sind. Nur an den oberen Sacralwirbeln findet
sich eine knöcherne Verbindang der beiden Uüirten durch eine Zwischen platte.
Um das Verhältniss genau za verstehen, mnaa zunächst bemerkt werden, dass
die Wirbelsäulen beider Kinder von der Gegend der unteren Dorsalwirbel an immer
mehr einander zugekehrt werden, wodurch die vorderen Flächen der Wirbolkörpor
in eine halb mediale Stellung gebracht sind (Fig. 1). An den Lumbal wirbeln ist
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(368)
die Drehung am grössten; dabei tritt Übrigens eine stärkere Drehung des rechten
Zwillings hervor. Am 4. Lumbalwirbel besteht eine brttckenfbrmige Yerbindimg
der beiderseitigen Querfortsätze; dann folgt die erwähnte Platte, welche dfinn,
aber recht fest ist und sich jederseits unter einem fast rechten Winkel an
die Wirbelsäule anschliesst. Unmittelbar an dieselbe stösst nach unten ein
grösseres Rnochenstück, das nach vom, gegen das Becken, mit einer schräg-
gestellten Fläche, nach hinten in Form eines stark kirschkemgrossen Knöpfet
(Fig. 2) hervortritt Es entspricht einer verkümmerten Ala sacralis, und zwar an-
scheinend der linken Hälfte des rechten Kindes. Die untersten Abschnitte des
Kreuzbeins und die Steissbeine entfernen sich weit von einander, so dass die
Spitzen der Steissbeine durch einen grösseren Zwischenraum getrennt sind.
Es ergiebt sich also, dass das scheinbar einfache Becken aus der rechten
Hälfte des Beckens des rechten und der linken Hälfte des Beckens des linken
Kindes so zusammengesetzt ist, dass jede Hälfte die ihr zugehörige ünterextremität
in regelrechter Weise trägt und ebenso an die betreffende Seite je einer Wirbel-
säule angefügt ist. Die Yertheilung der Rückenmarksnerven an die Unterextremi-
täten konnte also in gleicher Weise vor sich gehen, so dass das rechte Bein so-
wohl sensible, als motorische Nerven von dem Rückenmark des rechten, und das
linke Bein ebenso von dem Rückenmark des linken Knaben erhielt Von dem
linken Bein des rechten und (^m rechten Bein des linken ist keine Spur vor-
handen, ebensowenig von den entsprechenden Theilen des Beckens, abgesehen von
dem kleinen Knopf, den ich der Ala sacralis des rechten Kindes zuschreibe.
Etwas complicirter gestalten sich die Verhältnisse an der Brust. Hier er-
scheinen, von vom her gesehen (Fig. 1), beide Brustkörbe zu einem einzigen, sehr
weiten Brustkorbe von 5 cm Querdurchmesser vereinigt, an welchem die Rippen mit
ihren Knorpeln vollständig ausgebildet sind, so jedoch, dass die der rechten Seite
dem rechten, die der linken dem linken Kinde angehören. Die Knorpel inseriren
sich, wie gewöhnlich, an ein Brustbein ; dieses aber ist sehr nnregelmässig gebildet.
Es stellt nehmlich eine sehr breite knorpelige Platte dar, in welcher 4 — 5 unregel-
mässig zerstreute, zum Theil recht grosse Knochenplatten (Ossifikationskerne) ent-
halten sind. Ein Paar derselben scheinen paarweise geordnet zu sein, also den
ursprünglichen Hälften anzugehören. Der grösste liegt unten rechts.
Eigentlich sollte man ein ähnliches Yerhältniss auch an der Rückseite er-
warten. Allein hier (Fig. 2) finden sich, und zwar nicht einmal vollständig, nur
die Rippen, dagegen fehlt daselbst jede Spur von Brustbein. Soweit ein solches
vorhanden ist, werden wir es gleichfalls an der Vorderseite, und zwar in voller
Vereinigung mit dem schon beschriebenen Brustbein antreffen. Betrachten wir
vorerst die Rippen. Hier zeigt sich, dass die oberen Rippen, und zwar an dem
linken Kinde 7, an dem rechten 6, vorhanden sind. Sie stossen sehr bald auf
einander, krümmen sich dann schnell nach innen und sehr stark nach oben, wo
sie fast dachziegelförmig über einander geschoben sind und viel weiter hinauf-
reichen, als die Rippen der freien Seiten. Ihre Enden sind nach vom gegen die
hintere Fläche, zum Theil gegen den oberen Abschnitt der Steroalplatte gewendet
So entsteht mitten hinter der Stemalplatte eine Art von doppelter Scheidewand, wo-
durch innerlich eine, wenn auch unvollständige Zerlegung des von vom her schein-
bar einfachen Thorax in 4 Abtheilungen (Höhlen) bewirkt wird. Die Rippen des
linken Kindes sind länger und mehr gestreckt, die des rechten kürzer und stärker
eingebogen; jene springen daher über die letzteren nach innen und unten henror.
Die weiteren (unteren) Rippen zeigen grosse Abweichungen. An dem linken
Kinde ist die noch recht lange 7. Rippe vom Angulus an beträchtlich verdickt
wie man jedoch nnr bei der Betrachtong t
8. Rippe ist stark rerkürzt, so dass sie überh
sie ist schon am AngiUna in einen breiten nn
gebognen Haken umgewandelt, der den Raai
der ganz knrzcn 9. Rippe einnimmt. Von
Rindes ist äusserlich nichts sichtbar, weil die
Reste der Rippen nach aussen durch die hyp
anderen Kindes gänzlich verdeckt werden.
7. linke Rippe sehr kurz; sie taucht sehr ba
dem sie einen rundlicheckigen Knopf gebildet
An der Stelle der 8.— 10. Rippe finden sich g
des Angulus zn dicken Knöpfen anschwellen
stark hervor (Fig. 2). Die 11. Rippe ist kun
Höchst sonderbar ist der Schultergürtel
4 Schulterblätter und 4 Schlüsselbeine vorha
Schulterblatt des linken und das rechte dt
gen beiden Armen, die regelmässig anageb
Von jedem derselben geht eine sehr lange
tief an die Stemalplatte anzusetzen. Dagegei
bläUer mit den dazugehörigen Armen ttber di
und oben geschoben (Fig. I) und zugleich
nach oben und innen gewendet ist; beide Vi
einen ligamentösen Strang verbunden. Die '
Verschiebung am Akromialansatze nach von
platte oberhalb, vor und nach innen von den 1
Entfernung von einander. Daraus folgt, da:
Abschnitte eigentlich der Rückseite der Doj
Abschnitt dadurch entstanden ist, dass die hi
hanpt in ihrem sehr defekten Zustande vorhi
her nach vorn herObergeschlagen hat und hie
schmolzen ist. Jedes der Kinder entsendet all
Stern alplatte: eine obere, vordere and eine t
Sehr interessant sind die dicken knopHBr
welche eine vollständige Analogie zu der kno
Kopf und Hals sind vollständig doppelt.
Wir sehen hier das Vcrhältnias der ausgf
bildimg der einander zugewendeten Thorax-Hi
pagie mit noch weiter gehender Defektbild
vor uns, — ein Verhältniss, welches der l
parallel ist. Denn es bandelt sich dabei nie
körbe und der Becken zweierj einfach neben
vielmehr milsste man, wenn man aus den Bru
und ans den beiden Becken ein einziges i
Brustkörbe und die Becken in sagittaler 1
Manubrium stemi, bezw. bis zur Ala sacralis
auseinander klappen, die hinteren Seitentheile
dann die Durchschnitte mit ihren OelTnungcn
trachtnng lehrt, dass derartige Doppelmissbildui
achon fertiger Körper entstehen können, da
einer Zeit des Embryonallebens angelej
(.170)
}iDd. Dies aber l'äa%t sich m
nissbildung aua einer cinrachcn Eizelle hervoi
Störung, welche schon bei dem ersten Begin
, die secunduren Zcllgnippcn, aus welchen di
cn, auscin an dei^ed rängt worden sind. Die voll
isbildung beweist, dass die Zcligrappen zur Zei
prüuglichen, engverbundenen Lagerung sich bc
I xiphodymG Doppel misabildungen am häuflgate
iders bei Vögeln, rorkoramen. Unsere Saromlnn,
iCn von Hühnern. Desgleichen finden sich dari:
ischcn, so namentlich ein schöner Fall (Nr. 6063]
itüten zu einer einzigen verschmolzen sind, nn
laltcn haben. Der Fall ist in einer Dissertatioi
iten AztekeD tmd die Chna.
[itglieder hat heute vor 14 Tagen, einer freaiid
stan Tolgend, dem ich dafür den besten Dan)
m die sogenannten Azteken gesehen. Wir habei
1 die in der vorigen Sitzung von Hrn. R. Hart
^gerufene Mähr von der „Entdeckong der azteki
lerTorschten Region und der Besitzergreifung voi
> sie schon vor Jahren in einem kleinen Pam
Impresario mit gleicher Ueberzeugungstreue und
em Erfolg vortragen hären. Indess unser Urthei
jser Geschichte nicht hindern und das Publikum
fernerhin der wundersamen Erzählung lanscher
rzengt, dass diese „Azteken" Uicrocephalei
lung hat diese Ueberzeugung nur bestärkt Abe
88 die beiden Leute sehr ansgezeichnetc Micro
iter nichts wären, so würde dies schon genQgen
ig erscheinen zu lassen. Dazu kommt, dasa dii
vorgeführt werden, Kinder sind und früh sterben
chaene, sondern auch verhältnissmässig alte Per
Alter ist fredich nichts Genaueres bekannt. Nacl
Expedition nach Iximaya Itl48 statt; damals warei
3 der Abhandlung von C. G. Carus ersehe leb
I Regierungsblatt von S. Salvador vom 8. Octobc
laher nichts entgegen, ihnen ein Alter von nahen
Lngabe der Führer nach wäre der Mann gegen
Da sie jetzt in einem aalannthigen, europäischci
gelt, vorgeführt werden, so ist der Eindruck eii
ichcr, zumal da ihre geistige Entwickelang keinei
ng etwas Besonderes an sich, was zu einem wei
ite reizt, und diesem Reize hat in der That keii
Ihre Kopf- und Gesichtsbildnng erinoer
(371)
in hohem Maasse an al^mexikanische Bilder. Gleichyiel ob roan dabei mit
dem Altmeister Garas die Skulpturen von Palenque als Muster nimmt, oder ob man
irgend einen der unzähligen Thonköpfe wählt, die uns aus Mexico zugeführt werden,
— die Leute gleichen in der That diesen Figuren, und der Gedanke, dass in ihnen
ein altmexikanischer Typus fortlebe, bietet sich gewissermaassei; von selbst dar.
Insofern ist die Deutung, welche der Impresario giebt, in etwas entschuldbar.
Indess kein Anthropologe wird zugestehen, dass die verdrückten Köpfe der
alten Skulptur und Keramik typische Köpfe eines der alten Stämme daretellen
oder auch nur darstellen sollten. Da wir aber nicht wohl annehmen können,
dass es zu irgend einer Zeit eine Liebhaberei der nationalen Künstler gewesen
sei, Microcephalen darzustellen, so liegt es viel näher, jene Köpfe als defor-
mirte zu betrachten. Dafür spricht der Umstand, dass Deformation im alten
Mexico in grosser Ausdehnung geherrscht hat, wie die Gräberschädel beweisen.
Auch in Kleinasien, wo die schon von Hippokrates aus Kolchis geschilderte
Deformation der Köpfe bis in die neue Zeit hinein nicht ganz erloschen ist,
findet man verdrückte Thonköpfe von ähnlicher Art, wie die mexikanischen.
Wäre es nun nicht möglich, dass sich die, ursprünglich durch äussere Gewalt her-
voi^ebrachte Verunstaltung des Schädels im Laufe von Generationen erblich fort-
gepflanzt hätte? Darauf müssen wir ganz bestimmt verneinend antworten. Noch
ist kein einziger Stamm bekannt, wo sich eine solche erbliche Fortpflanzung hätte
nachweisen lassen. In dem Augenblick, wo die Sitte der künstlichen Verunstal-
tung aufhört, schwindet auch der verdrückte Kopf bei der nachgebomen Generation.
Höchstens könnte man annehmen, dass die Köpfe der beiden Leute selbst
einer solchen künstlichen Deformation unterworfen worden seien. Aber auch das
lässt sich abweisen. Die Deformation bringt gelegentlich eine leichte Verkleine-
rung des Schädels hervor, aber sie erzeugt keine Microcephalie im engeren Sinne.
Bin horizontaler Kopfumfang von 370 oder von 385 mm, wie wir ihn bei diesen
Leuten finden, ist niemals als Folge einer gewaltsamen Einschnürung bei Er-
wachsenen beobachtet worden. Am wenigsten würde eine solche Einschnürung
die besondere Form erzwingen, welche wir hier antreffen.
Auch ist die Kleinheit dieser Köpfe nicht jener Zwerghaftigkeit des Schädels
gleichzusetzen, die ich als Nannocephalie bezeichne und die ich bei einer
grösseren Zahl von wilden Stämmen Americas in einer bemerkenswerthen Häufig-
keit nachgewiesen habe. Der nannocephale Schädel ist ein Cranium justo
minus, der microcephale eine Monstrosität. Und daher gehören unsere
„Azteken"" nicht zu den Nannocephalen, sondern zu den Microcephalen, und die
Uebereinstimmung ihrer Köpfe mit altmexikanischen ist mehr schein-
bar, als wirklich.
Die jetzige „Inhaberin" (Proprietress of the „Aztecs"), Mrs. Nellie Marsh,
gestattete mir in gefälligster Weise, nach der Vorstellung ihrer Schützlinge Messun-
gen an denselben vorzunehmen. Diese mussten allerdings unter den verhältniss-
mässig ungünstigen Gelegenheiten des Ortes und der Zeit auf ein kleines Maass
beschränkt werden, und ich bin nicht einmal ganz sicher, dass sie völlig exakt
sind. Ich habe schon vor 14 Jahren (Verhandl. 1877. S. 289) eine Reihe älterer
Messungen der Gesellschaft vorgelegt, die nach meiner Erinnerung aus dem Jahre
1866 herstammten, und es war mir daher doppelt interessant, zu sehen, was in
dieser Zeit aus den Leuten geworden war. Leider kann ich meine Originalnotizcn
von damals nicht auffinden, und die Vergleichung der jetzigen Maasse mit den da-
maligen ergiebt so grosse Differenzen, und zwar keineswegs glcichmässige für die
einzelnen Personen, dass ich befürchten muss, es seien bei der Aufzeichnung oder
24*
(372)
der AbBchrift Veraechselangcn Torgckommen. Ich verzichte daher anf eine Vei
^tcichnng: der TrUheren und der jetzigen ZahlGoreihcn und gebe nur die letzterer
Maximo S ßartola $
Horizontaler Kopfurafang .... 385 mm 370 mm '
Gröaste horizontale Lunge .... 133 < 139 <
„ Breite 104 . 103 «
Ohrhöhe 66 « 76 •
Stimbreite 64 « 78 «
Entfernung des Ohrlochcs von der
Nasenwurzel 102 « 93 •
Gesichtshöhe A (Haarrand) ... 137 « 132 .
„ B (Nasenwurzel) . . 53 « 68 •
Gcsichlsbreito a (jugai) . .... 104 •: 106 °
„ b (malar) .... 67 . 72 .
„ c (mandibular ... 83 « 74 «
Augendistanz 29 < 26 <
Distanz der äusseren Augenwinkel . 78 « 77 €
Nase, Höhe 56 . 52 ■
„ Lange 55 » 54 «
„ Breite 36 . 35 «
„ Elevation (der Spitze) ... 27 . 21 .
Mund, Ijänge 51 « 55 *
Ohrmuschel, Höhe 54 < 52 <
Körperhöhe 1335 • 1355 «
Da der Haarwuchs auf dem Kopfe reichlicher, wenigstens die einzelnen Haai
länger und durch Kämmen zu einer gewaltigen Baarkrone ausgestreckt sind, so ii
es begreiflich, doss die Kopfdurchmesser nicht unbeträchtlich grösser ausgefalle
sind, als früher, was schwerlich allein auf eine Vergrössening des Schädels zu bt
ziehen ist. Dazu kommt, doss einzelne Maasae, z. B. die Länge des Schädels, jeb
in der Horizontale bestimmt werden. Am anflälligsten ist die Verminderung dt
Körperhöhe (Lange), welche bei Maxime 65, bei Bartola 10 mm beträgt. Sowe
ich mich erinnere, habe ich die Leote früher im Liegen gemessen, während c
jetzt im Stehen geschah. Aber ich möchte allerdings glauben, dass Maximo i
der That kleiner geworden ist. Seine Beine haben durch die Art seines Sitzen
mit nach aussen gespreizten Unterextremitäten an Krümmung zugenommen, gleicl
wie seine Haltung stark vornüber geneigt ist. Einzelne Theilc scheinen jedoc
positiv gewachsen zu sein, so namentlich Gesichtsknochen: die Gesichtshöhe bi
bei Maximo eine Zunahme von 8, bei Bartola von G mm ergeben, die Höhe d(
Nase ist um 3, bezw. 2 mm grösser verzeichnet.
Aus den mitgetheilten Zahlen ergeben sich folgende Indices:
Längenbreitenindex .... Haximo 78,1 Bartola 79,8
Ohrhöhenindex „ 49,6 , 58,9
Geaichtsindex „ 50,9 „ 64,1
Nasenindex „ 64,2 „ 67,3
Hier zeigen sich die grossen Contraale in der Bildung der einzelnen Regionei
Wahrend der Breitenindex bei beiden mesoeephal ist, erweist sich der Oh
hohenindex als hyperchamaecephal, und während das Gesicht ultrachama«
prosop ist, berechnet sich ein leptorrhiner Nasenindex.
Die schon früh verbreitete Nachricht, dass die „Azteken" Mischlinge seie
Heren Mutter eine Mulattin, der Vater ein Indianer gewesen, findet in der Nuei
(373)
■ -v-'^
bildnng, soweit die Mutter in Betracht gezogen wird, und in dem Oesichtsindex,
soweit der Vater herangezogen werden sollte, keine Unterstützung. So schmale
und so weit vorspringende Adlernasen, deren Elevation 27, bezw. 21 mm und deren
Länge (am Rücken) 55, bezw. 54 mm misst, lassen sich nicht füglich auf eine Neger-
abstammung zurückführen, und ein so niedriges Gesicht von 53, bezw. 68 mm gerader
Höhe (Nasenwurzel bis Kinnrand) ist unmöglich für einen typischen Indianer. Ganz
besonders bezeichnend ist aber die Niedrigkeit des Ohrhöhenindex, welche gänzlich
aus der Kategorie der bekannten Rassenindices heraustritt. Hier sehen wir jene
eigenthümliche Combination von Microcephalie und Microprosopie, welche nur den
pathologischen Formen zukommt. Letztere zeigt sich in nichts so evident, als in
der Kleinheit des Unterkiefers, dessen Kinn weit hinter den Lippen und Kiefer-
rändern zurückbleibt, — eine fast affenartige Bildung, — und dessen Winkeldistanz
nur 83, bezw. 74 mm beträgt.
Die Sammlung des Pathologischen Instituts besitzt glücklicherweise ein aus-
gezeichnetes Specimen von Microcephalie bei einem Negerknaben, welches
sich für eine Yergleichung um so mehr eignet, da der Knabe gleichfalls aus
America stammt. Nach dem Katalog wurde es im Mai 1856, noch durch Johannes
Müller, erworben. Es waren damals zwei Kinder gleicher Art nach Berlin ge-
bracht, wie man annahm, Bruder und Schwester. Das nach Angabe des Führers
um mehrere Jahre ältere Mädchen war dem Bruder ganz ähnlich in der Gestalt
des Gesichtes und Kopfes; es war, wie er, ohne articulirte Sprache, jedoch lenksam
und gutmüthig; auch verstand es manche spanische Worte des Führers. Der
Knabe, der etwas weniger lenksam war, erkrankte in Berlin und starb. Sein Kopf
ist in Spiritus aufbewahrt (Nr. 18350), sein übriges Skelet macerirt (Nr. 18403).
Letzteres hat vom Atlas bis zur Sohle eine Höhe von 890 mm^ zeigt sehr feine und
zierliche Knochen, ohne jede Spur von Verkrümmung oder von Anschwellung der
Gelenkenden, die Epiphysen sind noch abgesetzt, aber scheinbar im Verschmelzen
begriffen, der Thorax in seinem unteren Theile ungewöhnlich weit und vorgeschoben.
Die oberen Schneidezähne sind im Wechsel begriffen, die beiden mittleren brechen
eben vor, doch darf man wohl annehmen, dass sie länger zurückgehalten sind,
und man wird nach ihnen schwerlich das Alter des Kindes bestimmen können.
Der Kopf ist bedeckt mit einer ganz dichten Perrüke von schwarzem, hier
und da leicht bräunlich schimmerndem Haar, dessen enge Spiralrollen 6 — 8 mm
hoch stehen. Es ist das reinste Negerhaar. Die Behaarung setzt sich über die
ganze Stirn bis zu den sehr starken und glatten Brauen fort, jedoch ist dieses
Stirnhaar kurz und ganz glatt. Auch erstreckt sich bis zum Kieferwinkel ein deut-
licher Anflug von Backenbart, dagegen fehlt jede stärkere Behaarung an Lippen
und Kinn. Die Augenlider lang und glänzend schwarz. Die Haut ist braun-
schwarz. Die Nase kurz, breit, dick, am Rücken eingebogen, 34 7nm hoch, 30 breit,
Index 88,2, also platyrrhin. Die Lippen, besonders die obere, dick und vor-
tretend, das Kinn weit zurückstehend. Die Schneidezähne des Unterkiefers sehr
schön entwickelt, breit und mit je 3 Zacken (den Kunden der Thierärzte) an der
Schneide.
Was den Schädel betrifft, so ist derselbe nicht geöffnet, dagegen durch Zurück-
legen der Weichtheile entblösst. Man sieht daran eine vollständige Synostose
der Pfeilnaht, während Kranz- und Lambdanaht, letztere sehr flach, erhalten
sind. Der Schädel ist 124 mm lang, 93 breit, also dolichocephal (Index 75,0,
an der oberen Grenze der Dolichocephalie). Er erscheint auch sehr schmal, zumal
da gar keine Tubera parietalia entwickelt sind. Die Stirn ist schräg, mit einer
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(374)
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medianen flachen Crista ausgestattet. Das Hinterhaupt niedrig, von pithekoidem
Aussehen.
Das ist also ein microcephales Negerkind mit allen wesentlichen Eigen-
schaften seiner Rasse. Es mag dabei in Betracht kommen, dass es wahrschein-
lich von schwarzen Eltern ohne Vermischung mit einem Gliede einer anderen
Rasse abstammt, aber man muss doch zugestehen, dass es von unseren Azteken
toto caelo verschieden ist. Nichts an ihm, natürlich abgesehen von dem patholo-
gischen Schädelbau, erinnert an unsere beiden Leute.
Wenn man immer wieder betont hat, dass das Haar dieser letzteren kein
amerikanisches Haar sein könne, da es nicht schlicht und straff, sondern „kraus**
sei, so ist dagegen zunächst zu bemerken, dass in neuerer Zeit, namentlich in Süd-
america, doch auch Eingeborne getroffen sind, welche „krauses" Haar besitzen.
Aber noch mehr ist zu betonen, dass dieses „krause*^ Haar kein Negerhaar
ist: ihm fehlt, ebenso wie dem Haar der Australier, vollständig die Eigenschaft,
Spiral röllchen („Pfefferkörner") zu biWen, wie sie der Kopf des microcephalen
Negerkindes in so ausgezeichneter Weise zeigt. Das Haar unserer Azteken war
niemals spiralgerollt, es war und ist eben nur wellig, und was darüber hinausgebt,
das ist künstliche Frisur. Mrs. Marsh war so gütig, mir zu gestatten, Haurproben
von den Azteken zu nehmen. So besitze ich eine 15 cni, lange Haarlocke von
Bartola und eine ähnliche von Maxime. Beide zeigen starke, schwarze, hier und
da mit grauen untermischte Haare ohne jede Neigung zur Spiralwmdung. Bei der
mikroskopischen Untersuchung sieht man das Pigment in dichter Anhäufung in
der Rindenschicht, dicht unter der ganz farblosen Guticula; es besteht aus feinen«
schwarzbraunen Körnern, die häufig in Spindelform angeordnet sind. Darunter
folgt eine ganz farblose Zone, in der hier und da ein Pigmentkömehen liegt An
vielen Haaren fehlt jede Andeutung eines Markstreifens, an einzelnen ist ein
solcher vorhanden, jedoch meist dünn und häufig unterbrochen, und dann ent-
hält er gleichfalls schwärzliches, kömiges Pigment. Auf dem Querschnitt er-
scheinen die Haare überwiegend randlich oder oval, niemals bandförmig oder an
einer Seite abgeplattet, höchstens etwas eckig.
Meiner Meinung nach liefem die Haare der Azteken keinen Hinweis auf eine
Abstammung von Negern. Man vergleiche z. B. meine Beschreibungen der Haare
der Bella Coola (Verh. 1886. S. 212) und der Goajiro (ebendas. S. 701), und man
wird kaum eine Verschiedenheit von den Haaren der Azteken finden, höchstens dass
die der Bella Coola durchschnittlich dicker waren. Aber auch bei ihnen, wie bei
den Goajiro, findet sich gelegentlich welliges Haar. Ebenso wenig, wie das Haar,
liefert die Hautfarbe der Azteken ein entscheidendes Merkmal. Allerdings sind sie
sehr dunkel gefärbt, allein wenn man die Schilderangen der Hautfarbe der heutigen
Indianer Mexicos von A. von Humboldt bis auf die neueste Zeit zu Rathc zieht,
so steht überall die ungewöhnlich dunkle Hautfarbe im Vordergrande *). Was aber
jeden Zweifel beseitigt, das ist die gänzlich unnigritische Bildung des Gesichts,
insbesondere der Nase und der Interorbitalgegend. Letztere ist ganz schmal (bei
Maxime 29, bei Bartola 26 mm), entsprechend der Schmalheit der Nasenwurzel und
der Leptorrhinie überhaupt. Eine so weit vortretende, aqniline, geradezu vogel-
schnabelähnliche Bildung der Nase ist bei Negern unerhört und, wie wir sahen,
nicht einmal dem microcephalen Negerkinde eigenthümlich.
Diese Art der Nasenbildung ist es vor Allem, welche zur Vergleicbung mit
f
t i
1) Man vergl übrigens die Angaben des Hrn. Me lg ar (Verh. 1874. S. 79« überdies
»Schwarzen** in Chiapas.
r
(377)
Nachweise wünschenswerth. Vielleicht wäre es möglich, über die Familie Suckey
Hilling in London Genaueres zu erfahren. —
Hr. R. Hart mann: Als in der letzten Sitzung von den sogenannten Azteken
die Rede war, versprach ich einige bildliche Elrläuterungen und Belege zu dem
von mir damals Gesagten zu liefern. Ich zeige hier zunächst den Versuch einer
vielleicht dem Leben entsprechenden Restauration des Kopfes eines Königs und
eines geringen Mannes aus den Reliefs von Palenque in Chiapas vor. Beide Köpfe
lassen die ktlnstliche Verbildung des Gehirntheiles und die sehr ausgeprägte
Römernasenbildung des Antlitztheiles wohl erkennen. Der König zeigt die äusserst
complicirte Beschaffenheit der Kopfbedeckung mit ihren, vielfach den altaztekischen
ähnelnden, metallenen, edelsteinbesetzten Spangen und Netzen, den wehenden
Büschen der prachtvollen Quetzalfedern u. s. w. Der geringere Mann hat das Haar
bis auf eine Art mittleren Skalpschopfes kahl geschoren. — Das Bild des Osagen-
häuptlings Talli, nach einer Oelskizze George Catlin's, lässt eine ähnliche Be-
handlung des Kopfhaares und den hochroth gefärbten Schopf vom Schweifhaar
des Virginia-Hirsches erkennen. — Eine altaztekische Steinmaske, ferner das Porträt
eines Guatemalteken indianischer Nationalität aus Santiago, die Köpfe eines Mönni-
tarri- und eines Krähen-Indianers, letztere beiden nach den prächtigen (colorirten)
Darstellungen eines Karl Bodmer (Reise des Prinzen Max von Neu-Wied in
Nord-America), sowie die Bilder zweier nackter, aztekischer Weiber aus dem
Werke von Lord Kingsborough bieten die typische, ramsnasige Bildung der
Indianergesichter getreulich dar. Dasselbe ist der Fall an zwei Aquarellzeichnungen
einer (modernen) India Azteca del Mirador und eines (ebenfalls modernen) jungen
Totonaco von Cempoalla. Diese beiden sehr charaktervollen Köpfe sind Copien
von Oelskizzen des ausgezeichneten Tropenmalers Moritz Rügen das. Sie sind
von mir der hiesigen Königlichen Nationalgalerie entnommen. Der erwähnte
Künstler bereiste zu Ende der 1820 er Jahre Mexico. Leider ist derselbe ge-
zwungen gewesen, bei seinen rastlosen Streifereien einen Theil der von ihm stark
beanspruchten Oelfarben seines Malkastens aus schlechtem Material zu ergänzen.
Die mit solchen Farben gemalten Bilder fallen einer Verderbniss anheim, für
welche kein Gegenmittel existirt. — Es folgen noch der Kopf einer Longhead-Frau
von Koskimo nach einer von Capitän Adr. Jacobson mitgebrachten Photographie
und einer Longhead-Frau nach Oelskizze von G. Catlin. Letztere bringt die
methodische Kopf-Compression des auf einer Art von Wiege getragenen Säuglings
auf unzweideutige Weise zur Anschauung. —
(29) Hr. R. Hartmann zeigt, zur Erläuterung der stattgehabten Diskussion
über Zimbaoe (Verh. 1889. S. 741), Holzschnitt- Darstellungen: 1) der damals
von ihm erwähnten Vertheidigungsthürme in Khorassan (gegen turkomanische
Räuber) aus der Pariser Illustration (Autor Oberst Co lombari) und aus den IIIu-
strated London News (Autor Will. Simpson 1885 und 1889), sowie 2) der ähn-
lichen Nuraghen auf Sicilien aus der Illustrazione Italiana (Autor Capitän Alete
Cionini 1890).
(30) Hr. Missionssuperintendent Merensky hält einen Vortrag über
Spuren vom Einfluss ludiens auf die afrikanische Völkerwelt.
Die Beeinflussung der afrikanischen Völkerwelt durch Indien müsste man
voraussetzen, wenn sie sich nicht nachweisen Hesse. Die afrikanische Ostküste
I
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1.
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(378)
liegt der indischen Westküste gegenüber nnd man hat sie deshalb im Altertham
zu Indien im weiteren Sinne gerechnet. Die ältesten arabischen Gelehrten glaubten,
dass beide Länder im Süden zusammenhingen, und Vergil (Georg. 4. 292) nennt
die Aethiopier Indi und Ovid die Araber ebenso. Jedenfalls hat zwischen beiden
Ländern seit frühester Zeit Verkehr imd Handel stattgefunden. Der arabische
Schriftsteller Edrisi berichtete, die Inder hätten in Sofala Eisen und Waffen ge-
handelt. Ebenso erzählt Dos Santos (Histoire de FEthiopie) von den afrikanischen
Eingebomen derselben Gegend, dass sie Zuckerrohr und Wein bauten, und mit
Orangen und Limonen nach Indien handelten, welcher Bericht dadurch bekräftigt
wird, dass in den Ländern zwischen Sambesi und Limpopo sich thatsächlich noch
heute verwilderte Wein- und Orangenplantagen finden. Der Geographus Nubiensis
(Gildemeister Script arab. de rebus indicis p. 147) nennt eine Stadt (^ayuna im
Lande Sofala, welche von Indern, Zing und vielen anderen Fremden bewohnt war.
Als Vasco de Gama im Jahre 1498 die Ostküste erreichte, fand er, dass hier
ein lebhafter Handel mit Indien, besonders mit Kambaya (in der Nähe des heutigen
Bombay), stattfand, und er erhielt ohne jegliche Mühe in dem Hafen Malindi Piloten,
die ihn nach Ralikut an der Malabarküste brachten.
Im vorigen Jahrhundert wird mehrfach berichtet, dass indische Kaufleute von
der Ostküste bis tief ins Innere, ja nach der Westküste (Wydah, Dahomey) ge-
kommen seien. Spuren dieses Verkehrs finden wir in verschiedener Gestalt
Capitän Owen, welcher in den 20er Jahren im Auftrage der englischen Regierung
die (Jstküste aufnahm, berichtet, dass die Fahrzeuge an der südlichen Ostküste
denen der Koromandel- und Malabarküste sehr ähnlich seien. Bekannt ist, dass
unter sehr vielen afrikanischen Völkern sich alte Schmuckkorallen finden, deren
Ursprung ihnen unbekannt ist Schreiber dieses hat über solche uralte Perlen,
wie sie sich bei den Bassuto im Transvaal fanden, in der S^itschrift für Ethno-
logie (Jahrg. 1882. S. 543) berichtet. Lange hat auch er vergeblich nach der Her-
kunft dieser Perlen geforscht. Endlich konnte festgestellt werden, dass sie indi-
schen Ursprungs sind, und dass mau sie noch heute in Baumnaghar auf der
Halbinsel Gutscherat verfertigt
Waitz (Anthropologie S. 378) weist auf die grosse Aehnlichkeit des Blase-
balgs, wie er am unteren Niger gebraucht wird, mit dem indischen hin. Unter
den Eingebornen der Ostküste bis nach Transvaal hinein finden sich Körbe, die
entschieden nach indischen Mustern gebildet sind, und die zwischen Sambesi und
Vaalfluss am häufigsten gesehene Form der Streitaxt ist augenscheinlich der indi-
schen Tigeraxt nachgebildet. Wenn die Marimba (das bekannte Ralebassen-Piano
der Neger) sich in genau derselben Gestalt in Africa und Indien (Birma, Siam)
findet, so wird der Schluss berechtigt sein, dass sie von dem älteren Culturlande
her nach Afrika eingeführt worden ist Von indischer Herkunft ist das Betelkauen,
das sich bei einigen Stämmen, z. B. den Wanika, findet Waitz (Anthropologie
S. 377) glaubt, dass die ^itte, Blut-Brüderschaft und -Bund zu schliessen^ die sich
bei so vielen Stämmen, besonders bei den Mpongue, findet, auf indische Einflüsse
zurückzuführen sei. Bei den Herero, die allerdings jetzt an der Westküste wohnen,
die aber der Sprachverwandtschaft nach zu den Völkern der Ostküste gehören,
findet sich sogar ein Anklang an das indische Kastensystem. Die alten Leute des
Volkes reden von einem Sonnengeschlecht, Ovakuenyuwa, zu welchem der frühere
Adel des Volkes gehört habe. Von den Weissen rechnen sie dazu nur etwa den
Gouverneur von Kapstadt Dann folgt das Regeugeschlecht der OvakuenombarA-
Man zählt noch 4 oder 5 weitere Kasten; die niedrigsten Leute werden Ekuadyifi
genannt. Merkwürdigerweise findet sich bei diesen Herero der Cultus eines heiligen
(379)
Feuers, von dem sieh auch bei einigen anderen afrikanischen Stämmen Spuren
finden, welcher wohl mit Sicherheit auf parsische Einflüsse zurückzuführen ist
Der alte Dapper berichtet, dass solch^ Cultus bei den Leuten von Monomotapa
zu finden sei. Unter den Bawenda in Nord-Transvual ßndet sich die Sage, dass
der göttlich verehrte alte König Tocho-Ndou dem Volke das Feuer gebracht
habe, und in den Hauptstädten werden bei ihnen heilige Feuer unterhalten,
die nicht verlöschen dürfen. Unter jenen Herero hat jeder Stamm eine solche
Stätte, Okuruo genannt. Sie ist mit einer Hecke umgeben. Die Eingebornen
betreten sie mit heiliger Scheu, nachdem sie sich vorher ihrer Sandalen entledigt
haben, und küssen die Asche. Das Feuer, welches nie verlöschen darf, wird von
einer Tochter des Häuptlings gepflegt, welche Ondangere genannt wird. Sie führt
das Amt, welches ihr eine bevorzugte Stellung giebt, nur bis zur Verheirathung.
Dieses heilige Feuer darf nie verlöschen; während das Vieh gemolken wird, muss
es hell brennen.
Jede abziehende Familie nimmt von diesem Feuer mit sich. Sollte es ver-
löschen, so bleibt der Wanderzug liegen, bis von einem anderen Orte heiliges
Feuer herbeigebracht ist. Am neuen Wohnplatz angekommen, wird die neue Feuer-
stätte errichtet, Opfer werden geschlachtet und jeder Anwesende speit von einem
Gemisch, das aus Wasser, Fett und Milch besteht, ins Feuer. Bei den schon oben
erwähnten Mpongue, welche am Gabun wohnen, aber den Sulu und Suaheli ver-
wandt zu sein, also von der Ostküste zu stammen scheinen, findet sich nach
Hübbe-Schleiden die Sitte, dass auf den Häuptlingsdörfcrn ein heiliges Feuer
Tag und Nacht brennend unterhalten wird, wodurch man die Einflüsse der bösen
Geister abzuwehren glaubt.
Auch in Bezug auf das Bestatten der Todten ist die ursprüngliche afrikanische
Sitte des Begrabens durch fremde Einflüsse hie und da verdrängt worden. Einige
Stämme, besonders in der Congogegend, stellen die Leichen, jedenfalls die der
Häuptlinge, an versteckten Plätzen aus, damit sie von der Luft verzehrt werden.
Das erinnert an die entsprechende Sitte der Parsi bei Bombay. Besonders inter-
essant ist die vom Archideacon Callaway erkundete Thatsache, dass die Sulu
früher ihre Leichen verbrannt haben. Wenn Häuptlinge starben, umgaben die
Krieger den gewaltigen Holzstoss, auf dem die Leiche lag, und nachdem das Feuer
in Brand gesteckt war, mussten Räthe, Diener und andere hochgestellte Personen
„mit dem König ziehen^, d. h. sie wurden in das Feuer hineingestossen. Solche
Leichenverbrennung ist im holzarmen Afrika etwas so Fremdartiges, dass man sie
wohl mit Sicherheit auf indische Einflüsse zurückführen darf.
Auch dürften auf solche Einflüsse die Spuren des Glaubens an Seelenwande-
rung deuten, die sich hie und da zeigen. Bekanntlich findet sich bei den Sulu
und den ihnen verwandten Dinka der Glaube, dass die Seelen der Menschen in
Schlangen fortleben. Ans Katanga berichtet Missionar Arnold, dass man dort
glaube, wilde Thiere seien von den Geistern verstorbener Feinde besessen, wie
auch die Evhe-Neger (Mittheilungen der geogr. Gesellsch. zu Jena. Bd. IX. S. 17)
in Westafrika, nach Mittheilnngen des Missionars Spieth, sich vor den Geistern
erlegter wilder Thiere fürchten, und Hübbe-Schleiden (Aethiopien S. 132) er-
zählt von den schon oben erwähnten Mpongue, dass sie an eine Präexistenz der
Seele vor der Geburt glaubten. Aus dem Charakter eines Menschen glauben sie
bestimmen zu können, was für ein Geist der Mensch vor seiner Geburt gewesen
ist und was er nach seinem Tode sein wird.
Wir glauben die gesuchten Spuren nachgewiesen zu haben. Freilich wird erst
weiteren Forschungen, ganz besonders auf dem Gebiete der vergleichenden Sprach-
Wissenschaft ea vorbehalten sein, tHr die Beeinflussung der afrikanischen Vülk
weit dnrch Indien voil^ltige Beweise beizubringen. —
Der Vorsitzende dankt Hrn. Herensky für den anregenden Vortrag t
spricht die Hoffnung aus, dass derselbe von seinem schwierigen Mi ssions werke
N'yassu-See, za dem er demnächst abzareiscn gedenkt, gesund und mit r«icl
Erfahrungen zurückkehren möge. —
(31) Das correspondirende Mitglied, Hr. J. Heierli zu Zürich übersendet un
dem 25. Februar ein Exemplar des Prachtwerkes. ' „Zürich und das schwi
zerische Landesmuseum", welches im Auftrage der Stadt Zürich, und zi
nur in kleiner Auflage, erschienen und im Buchhandel nicht zu haben i»t D
selbe ist bei Gelegenheit der Concnrrenz der schweizer Städte um das eidgenö;
sehe Landesmnseum zur Vertheidigung der Ansprüche der Stadt Zürich verfe
worden.
Der Vorsitzende spricht den herzlichen Dank der Gesellschatl für das schi
Geschenk aus. —
(32) Ur. J. Heierli hat unter dem 2. December 1890 an Hm. Virohow :
nachstehendem Begleitschreiben eine Sendung übermittelt, bestehend aus
SkeletteD and Schädeln ans schweizer Gr&bern.
„Ich habe heute eine Anzahl menschlicher Knochen aus Gräbern an Sie .
gehen lassen und bitte, dieselben nach Belieben zu benutzen. Es sind zonäc
Funde aus einem erst theilweise unterdnchten Gräberfelde bei Hedingen, Can
Zürich, an der Eisenbahnlinie Zürich-Zug- Gleich ausserhalb des genannten Doi
befindet sich an der Strasse nach Bonstetton der sogen. Kreuzrain, eine kleine
hebuDg, die einem Moränenzuge gleicht. Da, wo die Strasse die höchste Sti
erreicht, dehnen sich zu ihren beiden Seiten Aecker und Wiesen aus, wo zu i
schiedenen Zeiten Knochen und Artefakte zum Vorschein gekommen waren,
sonders beim Sandgraben sollen, einige Schritte östlich der Strasse, häuflg Skeli
gefunden worden sein.
Im März des Jahres 1890 erhielt ich von Hm. Seknndarlehrer Attinget
Hedingen die Mittheilung, dass beim Sandgraben auf dem Kreuzrain wieder ein
menschliche Knochen zum Vorschein gekommen seien. Ich begab mich an i
Fundort und fand wirklich ein Grab, das aber schon früher durchwühlt won
sein musste, wahrscheinlich vdn Sandgräbem (Grab I). Hr. Attinger hatte al
was noch von älteren Funden erhältlich war, sorgfältig gesammelt und konnte
eine Keihe von Schndelfragmenten (Calvarie, Ober- und Unterkiefer), die ich I
gelegt habe, Übergeben. Zudem war er in den Besitz einiger Artefakte gelaj
die aus einem Grabe stammen, das links, also westlich der Strasse und ein
Dutzend Meter von derselben entfernt, sich gefunden halte. Diese Artefakte
Figur 1.
standen in einem blauen Glasai
ring (Fig. I) und Bronzeringen i
-knöpfchen , die in Eisenroat i
gebacken sind. Der Glasarmi
beweist, dass dieses Grab der t
Mittel-La Tcne-Zeit angehörte. ^
nebenstehende Abbildung zeigt,
derselbe an der Aussenseite 2 Wü
'/, il<;r natürlirhea Grösse. chen, die durch schräge Kerben
Hr. Virchow:
1) Die Gebeine von HcdiDgen.
Grab I. Die bunt durch pinander gewürfelten Knochen haben offenbar
3 Leichen gehört: einer kleineren weiblichen und einer grösseren männlich
Von den Schädeln ist wenig vorhanden; nur die Unterkiefer lassen sich siel
beurtheilcn. Der eine hat einer alteren Frau nngchört; er ist niedrig und ctt
progenaeisch, hat etwas gestreckte Aeste und stark abgeschliffene Zähne. — I
andere Unterkiefer ist viel kräftiger, seine Praemolaren sind noch fast ganz intf
Ihm fehlt der rechte Ast.
Grab II. Nur zertrümmerte oder vereinzelte Knochen, meist von der Periphei
besonders vom Fuas. Dazu ein grosses, sehr dickwandiges und schweres Stimb
mit geringem Stirnnasenwulst, ein grosser Galcancas und ein gewaltiger Metalan
knochen. Auch dürfte hierher ein stark orthognathcr Oberkiefer mit abgenntz
Zähnen, unter denen jedoch der Molaris III eine ganz frische Krone besitzt, i
mit tiefem Gaumen gehören.
Grab III. Keine Spur von Schädelstücken. Die Knochen, zumeist lai
Röhrenknochen, sind anscheinend mannliche. An der einen Fibula ein frii
gebohrtes, rundes Loch.
Grab IV. Männliche Ueberreste. Kein Schädel. Grosse Röhrenknoch
namentlich lange Oberschenkel- Tibien nicht platyknemisch. —
2) Grab von Winterthur: Schädelkapsel ohne Gesicht von einem )un{
Manne; nur das rechte Wungenbein mit dem halben Oberkiefer ist erhalten n
liegt lose bei. Der Schädel hat eine ungewöhnlich dankte üeckige Farbe. Zal
jugendlich, mit ganz intakten Kronen. Schädel raittelgross (1300 cetn), kv
breit und hoch, Index bypsibrachycephal (Längen breiten index 95,4, Lang
höhenindex 82,4). Stirn breit [97 rniii minimal), an der Coronaria ein 32 mm lan|
Rest der Sut. frontalis, an dem Nasenfortsatz ein kürzerer ähnlicher. Hint
haupt sehr breit und steil, Obcrschuppe wenig gewölbt, Protubeninz niedrig,
der Lambdanaht zahlreiche grössere Schal tknochen. Ala temp. gross.
3) Grab auf dem Franciskaner-Platz in Sololhurn, April 1890. Si
regelmässiges, grosses, volles männliches Schädeldach ohne Basis und Gesir
Grosse Stirnhöhlen. Zähne stark abgenutzt. Index mcsocephal (78,7). 8i
breite niedrigu Stirn (101 mm). Kolossaler Unterkiefer mit ganz breit genindet<
voll vortretendem Kinn; das MittelstUck äusserst kraftig, stark eingebogen, 38 i
hoch, bis zum Zahnrande 50 mm. Aeste breit (33 mm), aber von massiger Ht
(Proc. coron. 70 mm hoch). Kicferwinkel etwas nach aussen vorgebogen.
4) Alemannisches Grab bei Abtragung des Geissberges, FVilhji
I8H4 (Anzeiger f. Schweiz. Alterth. 1884. Nr. 1. S. 31}: fast vollständig erhalten
gut aussehender, wohl jugendlicher Schädel von fast weiblichem Aussehen, i
zerbrochener Basis. Die langen Knochen des Skelets vollständig, keine Platyknen
keine Durchbohrung des Humerus Alle diese Knochen sehr gross und kräf
so dass sie männliche zu sein scheinen. Schädelindcx orthodolichocepl
(Längenbrcilenindex 73,7, Längenhöhen index 73,2). Stirn von geringer Br«
(91 mm), niedrig, fliehend, ohne Tobera und Orbital wUlste, fast ohne Nusenwn
Hinterhaupt lang, Index 34,H. Os Incac trCpartitnm. Alac nach oben e
Schmales, hohes Gesicht Leichter dentaler Prognathismns. Orbitae gross, i
rundet, hypsikonch (89,4). Nase ultralcptorrhin (38,8). Zähne abgenutzt,
'■f
VS,
(384)
Die Repräsentation der Götter übernehmen in jedem Stamme einige intelligente
und, wie sie behaupten, inspirirte Männer; sie bilden die Geheimbfinde, da-
mit ihre geheimen Künste und Lehren, ihre Vermummungen und Maskenspiele
nicht an uneingeweihte und an das grosse Volk verrathen werden. Diese Auf-
führungen sollen dazu dienen, besonders die Jugend und die Frauen in dem
Glauben an die alten Traditionen über den Verkehr der Götter mit den Menschen
und über ihre eigenen intimen Beziehungen zu den Göttern zu befestigen, um
die etwaigen Zweifler zu überzeugen, haben die Mitglieder der Geheimbünde ihre
Zuflucht zu allerhand mysteriösen Mitteln genommen, die einem civilisirten Men-
schen als die höchste Rohheit erscheinen müssen, so dass sie sich z. B. den Körper
verstümmeln, Leichen zerreissen und verzehren, lebenden Menschen Stücke aus
dem Körper reissen u. dergl. mehr. Auch die bei den Nordwest-Indianern beinahe
zur Krankheit gewordene übergrosse persönliche Eitelkeit und die Sucht, sich
berühmt und angesehen zu machen und als etwas Besonderes zu gelten, mögen
<^ als Motiv gedient haben für den Eintritt in die Geheimbünde, da jedes Mitglied
eines solchen grosses Ansehen geniesst.
Es waren und sind noch hunderte von Masken in Gebrauch, deren jede ein-
zelne einen in der Sage vorkommenden Geist vorstellt. Bei den Vorführungen
treten sie einzeln oder in Gruppen auf, wie es eben die darzustellende Sage er-
fordert, und die Masken tragenden Personen werden dann von der staunenden
Menge nicht nur als Darsteller der Götter und als Schauspieler, sondern geradezu als
die vom Himmel auf die Erde gekommenen Götter selbst angesehen. Daher muss
auch jeder Darsteller genau alles das, was die Sage von dem Geist berichtet, aus-
führen. Trägt der Darsteller keine Maske, wie es bei den üametzen (Fressern
oder Beissem) oder bei den Pakwalla (Medicinmännem) oft geschieht, so ist der
Geist, den er repräsentirt, in seinen Körper gefahren und der vom Geiste Besessene
ist dem entsprechend nicht verantwortlich für das, was er in diesem Zustande ver-
übt. Da der Gebrauch von Masken aber die Aufführung mit einem gewissen
geheimnissvollen Nimbus umgiebt und gleichzeitig den Darsteller unerkannt bleiben
lässt, so werden die besonders heiligen Feste viel häufiger mit Masken, als ohne
solche, vorgenommen. Es herrschen in jedem Geheimbund bestimmte Gesetze, wie
oft und wie lange eine Maske gebraucht werden kann. Bei den Quakjult dürfen
die Masken während vier Wintern, der hauptsächlichsten Zeit für derartige Feste,
bei der schwersten Strafe nicht veräussert werden. Nach dieser Zeit dürfen sie
zerstört oder, damit sie kein Uneingeweihter findet, im Walde versteckt, oder auch
schliesslich verkauft werden. Die Herstellung der Masken wird nur im Geheimen,
gewöhnlich in tiefer Waldeinsamkeit, vorgenommen^ damit kein Uneingeweihter den
Verfertiger entdeckt. Wie streng dieses Geheimniss bewahrt wird, zeigt folgendes
Beispiel: Im Dorfe Nouette auf Nordwest-Vancouver war einst ein Indianer mit
dem Schnitzen einer Maske im Walde beschäftigt, als sein halberwachsener Sohn,
der bemerkt hatte, dass sein Vater so oft in den Wald ging, ihn eines Tages in
seinem Versteck aufsuchte. Darüber gerieth der Vater in solchen Zorn, dass er
seinen eigenen Sohn sofort tödtete, nur, damit er nicht zum Verräther an der
heiligen Sache werden konnte.
Den Tanz begleitet Gesang, der mit prahlerischen Worten die Macht der Gott-
heit und die in der Aufführung zur Anschauung gebrachten Grossthaten feiert
Bei der Hauptaufführung singen alle Anwesenden mit, da der Gesang meist
allgemein bekannt ist und in recitativcr Weise immer und immer wiederholt wird.
Es scheinen jetzt noch immer neue Gesänge und neue Aufführungen in einem oder
dem anderen Dorfe zu entstehen, indem irgend welche mündlichen, von den Vor-
r
kit.
a>. ^
(385)
Tätern erzählten Sagen Ton ii^end einem intelligenten Jüngling, der noch keine
eigenen Gesänge besitzt, poetisch behandelt werden. Denn jeder Mann, der sich
an den Aufführungen und Festen betheiligt, muss auch mit einem eigenen, selbst-
verfassten Oesange debütiren. Auf diese Weise entstehen immer neue Lieder und
Tänze, deren Stoff natürlich immer von den Stamiiigottheiten des betreffenden
Sängers und Dichters heigenommen ist.
Neben den Masken werden andere Abzeichen der Geheimbünde getragen,
welche ich spater besprechen werde.
Von den Tänzen, die mir nicht als zu den yier Geheimbünden gehörend
bekannt sind, ist der Naualock oder Nawalok, d. h. grosser Geistertanz, zu
nennen. Dieser Tanz geht gewöhnlich im Spätherbst vor sich, indem mehrere,
mit Masken bekleidete Indianer sich hinter einem Vorbang aufstellen. Der
dabei gebrauchte Maskentjrpus stellt meist den Mis-missallami (Gott der Sonne) vor,
— eine Maske in Sonnengestalt mit halb geschlossenen Augen und sich drehendem
Rad, welches die Bewegung der Sonne bedeuten soll. Die meisten anderen Masken
zeigen den Sonnengott in Gestalt eines Adlers, wie er mit Vorliebe die Erde be-
sucht. Während die übrigen Tänze nur im Winter vorgenommen werden, kann
dieser Tanz auch ausnahmsweise im Juli aufgeführt werden. So kam ich im
Jahre 1885 im Juli in das Quakjult-Dorf Nakortok. Als die Indianer vernahmen,
dass ich besonders die zu dem Nawalok-Tanz gehörende Maske haben wolle,
fingen sie den bereits erwähnten Tanz an, da mehrere Masken in dieser Saison
ausgedient hatten und somit verkauft werden konnten. Das Fest begann damit,
dass eine Anzahl Männer bald in Häusern, bald im Walde auf Uolzflöten von
Morgens bis spät in die Nacht bliesen, zum grössten Schrecken der Jugend. Es
wurde mir bedeutet, jetzt verlasse der Sonnengott, in Gestalt eines grossen Adlers,
die Sonne und nähere sich dem Dorf.. Daran schloss sich dann der Tanz, und
nach Beendigung desselben erwarb ich auch die Masken, die der Vorschrift gemäss
vier Winter hindurch gebraucht worden waren.
Der Zeitpunkt, wann der junge Indianer in den Bund aufgenommen werden kann,
ist gewöhnlich das Eintreten der Pubertät. Auf West-Vancouver bei den Ahts wird
der Jüngling in diesem Alter in den Wald geführt, wo die Hälfte der Dorfbewohner,
in Wolfsfelle und Wolfsmasken gehüllt und mit den oben genannten Pfeifen versehen,
stets darauf bläst und den sogenannten Wolfstanz aufführt Dann heisst es bei den
Rindern, dass der Jf iigling vom Wolf entführt sei, um ihm ein „skokom Tamtam, d.h.
ein starkes Herz oder Glauben zu geben". Dieser Akt ist in veränderter Form der
Naualok der Bella-Goolas. Die dortigen katholischen Missionäre nennen ihn „die
Indianertaufe des Knaben", während ihn die Indianer selbst ihr „Rlokwalla" nennen.
Eine nähere und eingehende Kenntniss der verschiedenen Gebräuche in den
Geheimbünden ist naturgemäss für den Fremden sehr schwer, denn selbst wenige
von den betheiligten Indianern haben selber Verständniss für das, was in ihrer
Mitte voigeht. Nur diejenigen, die Mitglieder eines Geheimbundes sind, können
von den Hergängen innerhalb desselben berichten, verrathen aber nicht gern etwas,
weil ja sonst ihre Geheimnisse aufhören würden, Geheinmisse zu sein, und dann
auch, weil der Verrath mit schweren Strafen, ja selbst mit dem Tode geahndet
werden kann. Dazu kommt femer, dass der Indianer sich nicht sehr mit Nach-
denken plagt; um aus der peinlichen Situation zu kommen, in die ihn das An-
fragen versetzt, sagt er leicht Dinge, die der Wahrheit sehr fem liegen, oder da er
selbst nicht viel weiss, berichtet er oft seine sehr verkehrten persönlichen Ansichten,
um sich keine Blosse zu geben. Daher ist und bleibt der sicherste Weg, um
wenigstens Einiges zu erfahren, immer der, dass man sich selbst an den Festen
Verbandl. der BttU Anthrop. Geaellachaft 1891. 25
i
I
^
n durch gelegentliche geschickte Fragen hinter die 'Wahrtieit zn
der Schilderung werde ich in einzelnen Punkten in Widerspruch
L des Hm. Dr. Boas im Archiv für Ethnographie Aber diese
imen. Ich glaube aber die volle Verantwortung für das von mir
ICD ZD können, da ich Vieles dnrch eigene Anschaanng kenne
■h meinen Bruder Philipp erfahren habe, der seit 5 Jahren unter
t, ihre Sprache spricht und sich besonders mit Sitten und Ge-
ie vertraat gemacht hat.
Die Hametzen.
rwähnten Gebeimbünden sind die Hametzen die angesehensten
einerseits weil sie von hoher Abkunft sein mttssen, zweitens
Illingen, die sie in den Angen des Volkes gewissermaaasen zn
gefUrchteten Personen machen. So habe ich z. B. bei den Be-
Dcouvers grosse Furcht vor den Qnakjnit äussern hören, und
motzen wegen. Auf meinen zwei Samraelreisen an der Nordwest-
itle ich fast täglich Gelegenheit, mit Uitgliedera verschiedener
vermehren, und ich habe nur von der Existenz von vier solchen
hßrt
her, besonders Dr. Boas, wollen bei den Qnakjalt noch mehr
deckt haben. Nach Aussage des letzteren sollen die Hametzen
nit einer dritten Gesellschaft, den sogen. Bärenspielem, zusammen
Bunde gehören (Archiv f. Ethnographie Bd. HI. Heft 1. 8. II),
}its eine ganze Reihe anderer Geheimbtinde existiren sollen, die
, der alten Häuptlinge, der verheiratheten Frauen, der jnngen
u der Kinder, die alle nach Ansicht des Verfassers geschlossene
len. Dieses scheint mir für dortige Verhältnisse fast nnnatdrlicb.
bilden einen Bund gänzlich IHr sich, sowohl in Bezug auf ihre
hre Handlungen, worauf ich noch zurückkonunw werde. Nor
bemerken, däss, wie oben erwähnt, die Gebeimbfinde entschieden
I, in den Kindern und allen ausserhalb stehenden Leuten den
Geister und Götter und an die Inspiration der Eingeweihten
mit scheint mir ein Geheimbnnd unter Kindern und Franen
Ich habe wohl bei den West-Vanconvero nnd bei den Qnakjalt
'obei Frauen nnd Kinder ftlr sich TSnze abhielten, doch trugen
B mystische Gepräge der VorfUhmogen eines Oeheimbondea,
liglich Vergnügungen, was mir um so natürlicher erscheint, als
erstämme äusserst gesellig und für fröhhche Feste nnd Lustbar-
1 sind.
:en verstehen die Qnakjnlt and die Nachbarstämme einige in
dlicbe Männer (hin und wieder auch Fraaen), die eine Art von
m. Dos Recht, Hametze zu werden, scheint nur durch hohe Gebort
len in solche Familien, die das Privil^um besitzen, erworben
1. Ausserdem muss der Hametze von dem Geist, den er b^m
irt, insptrirt sein. Diese Inspiration geschieht nur im Winter,
-d der Hametz von seinen Genossen Im Dorfe mehrere Tage von
[ständig nackt hcnungefllhrt, was ich selbst im Jahre 1881 in Fort
abe. Die Vorbereitung ftlr wenigstens einen Theil der Haraetzen
Angaben eine vierjährige sein, in welcher Zeit der Betreffende
(387)
einen besonders daza hergcBtellten Tigta 1.
Gederbastring (roth gefärbt) unter
den linken Ann und über die rechte
Schulter gelegt trägt. Die letzten
vier Monate mnss er allein im
Walde leben, so dass dajin das
Volk glaubt, dass er bei den grosiien
Waldnngehenem, wie beispielsweise
bei Päh-Päh-Kwalanusina (bei den
River Inlet-Indiaaem Bek-bek Kwa-
lanit genannt), zum Besuch weile. —
Diesen Glauben suchen die Hamelzen
natürlich auf alle Weise zu bestär-
ken, indem sie einige Zeit, bevor
der Einzuweiheude den Wald ver-
läsBt, durch Pfeifen auf Bolzflöten
allabendUch ausserhalb des Dorfes
die Stimmen der Gottheiten nach-
ahmen. Die Pfeifen (Fig. 2a) sind
sehr kunstvoll gearbeitet, bisweilen
mit vier Stimmen versehen, die zu-
gleich ertönen können. Andere
Pfeifen wieder sind wie ein Blase-
balg eingerichtet; diese tragen die
Hametzen unter dem Arm und er- Erstes Außreten des neuen Hunetzen in Beglei-
zeogen durch Auspressen der Luft tung von filteren,
verschiedene Töne, welche die
a Flöten, b DoppelmMke aus Höh mit tweifin Holz geschnititenl Schädeln. Die eine Seite
zeigt die wirkliche Oestslt des den Hsmetien inipirirenden Gottes Bek-bek Rwalanit, die
j'andere die^von ihm zuweilen gewKhlte QeatAlt eines Kranichs.
lestimmter Thiere nachahmen. Nur sehr nngem verkaofen die Hunetzen
1 an FVemde, da kein anderer ausser dem Stamme eme Ahnung daron
die angebliche Stimme der Gottheit durch solche Instrumente erzeugt
Brader schreibt mir Folgendes bei üebersendnng eines Hametzen-Oesange«
oola-Sprache imd der Cebersetznng daron:
BcUa-Coola-IndJaner nennen den Uametzen Alta-kotla nach dem Geist,
lie behaupten, am meisten inspirirt zu sein.
D der Novize von dem Geist AUa-Kotla (der ein Bote des Geistes Beck-
lanit zu sein scheint) inspirirt wird, so glaubt er ein starkes, sturm-
Brausen zu hären: die Erde zittert durch die gewaltige Stimme des Alla-
- Kandidat wird von dem Geist erTasst und von ihm in die Luft oder in
der Erde geführt, wo er aus Luftmange) fast erstickt und wo sich tiefe
beßnden. Niemand weiss, wo der Alla-kotla auf solchen Vandemagen,
Kiemand darf ihm nachspüren.
der Rückkehr zur Oberfläche der Erde befiehlt der Geist dem Novizen,
izhaos Gegenwärtigen zd beissen, andernfalls wird der Norize vom Geist
en.
inderer Geist, Sek-seik KaUai, der bei solchen Pesten zugegen ist, in-
Menschen zum Tanz. Nng-Alpsta ist der dritte Geist der bei solchen
iten zugegen ist; derselbe scheint auch ein Abgesandter des Bek-bek-
Eu sein, doch will er den Menschen nur Böses, indem er renncht, die
zu Fall zu bringen; der Novize erkennt ihn leicht an dem Grunzea,
em eines Bären gleich korami Alles dieses wird dem Kandidaten
; vor den TanzanffUhrungen von dem älteren Hametzen, der sein Lehrer
t. Die Ermahnungen über die Terhaltungsmaassregeln geschehen mit
n Eifer und Ernst, wie wohl kaum jemals in unserem Beligions-
Alla-kotla- oder Hametzen-Sang.
1] Bakotla-jats doksno lilsdaska Kilits ma kotsen
Askelnsem ma Uta dai.
2) AI ihnelak simako di uois-nolta nao as AUo kwalla tom
yon ta jako sim skita.
3) Allivam lutsun dal
Sek-Seik-kallai skobam
lakhamal to mam soll koa
hoihets Bahots to mam dels
Alti nn tonikt sit dai.
Üebersetzt:
reo eine schwerwiegende Neuigkeit. Ich sehe, wo er ist, — ja dieses
was ich haben will, — so bekomme ich doch diesen Geisi Der Geist
itia) will es haben, dass ich mit ihm in die Wolken fahre, er droht
Is ich nicht mit ihm gehe, will er mich verschlingen,
e (oder es sieht) einen Uann auf dem Wege, wo die Cederbastringe in
zu finden sind. Der neue Alla kotla bekommt den Geist, wo die Cedtf-
■e in Menge zn finden sind. Alla kotla sieht den Platz, wo alle Geister
finden.
It Kallai wtlnscht nicht, das« der Alla-koUa in ünglOck kommt, sondera
Kht, Alta-kotla soll in das grosse Haus gehen, wo du viele Volk sitot
Figur 8.
Ced erb astringe für Hals nnd Kopf.
Qehe hinüber za der gatea Seite des Haases, Figur 4.
wo der Weg gut ist und wo du nicht Tällst;
Nus-Alpsta ist auf der aaderen Seite des Uauaea,
gehe nicht dort.
,Sek-8eik KaDoi ist der Gott für alle Tänze,
der Inspirator zum Tanz. Nus-Alpsta ist ein ver-
führender Geist, der wünscht, dass der Tanzende
fiillt (er ist auch einer der Harn etzenge ister), "
Das erste Auftreten des Novizen geschieht
meist ohne Maske. Der Hametz trggt um den
Hals mehrere Ringe aus Ccdembaat nnd nm den
Kopf meist einen dünnen Ring, an dessen Vorder-
seile lange Streifen von Oederbast hängon, die das
schwarz bemalte Gesicht halb verdecken (Pig 3).
Der Kopf ist dicht mit Adlerdaunen beatreut. Die
Handgelenke und FUsse sind ebenfalls mit je vier
Bingen ans Cederbaat verziert. Einige berühmte
Hametzen, denen zu Ehren früher Sklaven getödtet
wurden oder die in der Neuzeit, wo keine Men-
schen mehr getödtet werden dürfen, anstatt dessen
wenigstens viele Menschen gebissen haben, tragen
entweder einen Ualsring mit darauf befestigten,
aus Holz geschnittenen TodtenkÖpfen (Fig. 1, der
tanzende Hametz), oder solche an einer Decke,
die beim Tanzen über der Schulter liegt (Pig. ö).
Der Hametze tanzt in einer halbsitzenden Stellung
(Fig. 1), wobei er beide Arme, Ton sich gewendet, Scalplocke.
(390)
Figur 6.
Tanzdecke mit aogenUiten ESpfen ans Leder.
Tininiueln, theils tod dea Noviieo. Ihcile von den
Sltcien Hametxen gebraucht.
mit der Handfläche nach oben,
bald nach rechts, bald nach
links streckt, und die Hände
und Fingerspitzen in unnnter-
bro ebener zitternder Bewe-
gung hält. Dag Tanzen be-
steht meist aas Sprüngen nach
rechts und links. Uit den
Angen starrt der IVäger nach
oben, 80 dass man meist nur
das Weisse im Aage sieht,
und mit dem halbgeöffbcten
Munde und den anlgeworfencn
Lippen stösst er ab und zn
abgerissene Laute ans, wie
ein langgezogenes nfth". Der
Tanz besteht in vier Abthei-
lungen mit dazu gehörenden
vier verschiedenen Gesängen.
Während des letzten Ge-
sanges werden ihm von den
ihn stets begleitenden und mil-
tanzenden vier Haraetzen zwei
Tanzrasseln zugestellt TFig. I),
die eine besondere Form und
andere OrüTc haben, alt die
- Übrigen, zum Tanz gebrauchten
^'^
•
(392)
M<
1^
r
nahm, wie der Hametze zuerst mit den Zähnen sich in den Arm festbiss, dann
schnell mit einem, so lange unter der Decke verborgen gehaltenen krummen Messer,
wie es die Indianer gewöhnlich benutzen, das mit den Zähnen gepackte Stück vom
Körper lostrennte. Die Aufregung imd der Schreck lässt den Bedrängten diesen
RniiT nicht fühlen und die übrigen Zuschauer können durch die herumstehenden
Hametzen das auf dem Boden liegende Opfer nicht sehen.
Wie man sich leicht denken kann, bieten die Indianer natürlich alles auf, um
den Hametzen vom Beissen abzuhalten. Die älteren Hametzen hingegen suchen
den zaghaften Neuling durch besonders grosse (bisweilen 2 m lange) Rasseln zu
reizen. Im hiesigen Museum befinden sich 2 solche Rasseln, von denen die eine
eine Eule darstellt (Fig. 6e), die andere einen Kranich (Fig. 6 a).
Der neue Hametze hält sich in der dunkelsten Ecke des Hauses auf, darf
keine Arbeit verrichten und muss sich möglichst des Essens enthalten, denn
die Sitte will, dass er blass und mager aussieht. Mein Bruder beobachtete in
Bella Coola einen vom Walde zurückkehrenden Hametzen, an dessen Kopf an ver-
schiedenen Stellen die Haare fehlten, so dass es hiess, das wäre die Folge des
langen Fastens; doch glaubte mein Bruder, dass das Haar vermittelst eines Rasir-
messers entfernt wäre. Der Hametze geniesst ein so grosses Ansehen, dass vier
Häuptlinge ihn während der Festsaison im Winter viermal einladen müssen, ehe
er zu einem Feste erscheint. Er schreitet dann langsam und mit Würde von seiner
Behausung dem Festplatze zu. Niemand darf eine Speise anrühren, ehe der Hametze
seinen Theil bekommen hat, da er sich sonst beleidigt fühlen, in Wuth gerathen
und dann über die Anwesenden herfallen und ihnen Stücke aus Brust oder Armen
beissen würde. Dr. Boas behauptet in seinem Aufsatz (Archiv für Ethnographie
S. 11), dass, wenn ein Hametze einmal jemand gebissen hat, ihm ein ferneres
Theilnehmen an Festen verboten sei. Dieses kann nur ein Missverständniss sein
oder sich nur auf eine kurze Zeit beschränken, denn nur, damit er in der Gesell-
schaft als Erster gilt, trachtet der vornehme Jüngling darnach, Hametze zu werden,
und bei all den Festen, wo ich selbst zugegen war, waren die Hametzen die
Hauptpersonen. Würde man sie aus der Gesellschaft ausschliessen, so könnten
keine Häuptlinge oder hervorragende Personen am Fest theilnehmen, denn die
meisten solcher hochstehenden Leute gehören zu dem Geheimbund. Femer
sagt Dr. Boas wörtlich: ^Mitunter giebt ein Häuptling ein Fest, zu welchem er
sämmüiche Geheimbünde einladet Bei diesem Fest ist Niemand zu essen er-
laubt, bevor der Hametze seinen Theil bekommen hat, und sollte er das ihm vor-
gesetzte Mahl nicht zu essen belieben, so kann die Festlichkeit nicht stattfinden.*^
Da man Jemanden, der noch Niemand gebissen hat, nicht Hametze nennen kann,
so sind mir die eben erwähnten Worte unverständlich.
Man unterscheidet dreierlei Arten von Hametzen: erstlich solche, die die
nur ihnen zu Ehren getödteten Sklaven verzehren, was bis in die sechsziger
Jahre hinein noch geschah; dann diejenigen, welche Leichen mit den 2^ähnen
zerreissen und sie dann angeblich verzehren; drittens solche, die nur Hunde,
durch Zerbeissen der Kehle, tödten. Diese drei Akte beissen bei den India-
nern „den Hametzen belustigen^. Von Frauen als Hametzen wird erzählt, dass
sie früher mit besonderer Vorliebe Kinder getödtet hätten. Nur der Energie der
englischen Regierung ist es zu verdanken, dass allmählich die Menschenopfer
aufgehört haben, und wenn sich die Hametzen jetzt mit blossen Bissen in Brust
und Arme begnügen, so müssen sie die Verwundeten durch einen hohen Preis,
der meist in wollenen Decken besteht, entschädigen. Die zweite Art der Hametzen,
welche Leichen zerreissen, nehmen die auf Bäumen bestatteten und getrockneten
C393)
Leichen herunter und legen sie einen oder mehrere Tage in Wasser, um sie dann
beim Tanzen mit den Zähnen zu zerbeissen. Die Sitte, alte getrocknete Leichen
statt frischer zu nehmen, scheint daher gekommen zu sein, weil bei solchen Festen
oft gefahrliche Blutvergiftungen rorgekommen sind.
Bei der Aufführung springt plötzlich ein Hametze, die Leiche in dem Arm
haltend, hervor und tanzt mit seinen Genossen um das Feuer herum unter dem
lauten Ruf: hap, hap, hap, hap, hap, hap (oder auch ham-hara). Der Kopf
der Leiche, welche der Hametze nicht loslässt, liegt stets auf dem rechten Arm.
Mit gebeugten Knien, in halb sitzender Stellung, nach Raben -Art springend,
wird der Tanz ausgeführt. Sind nun die Hametzen mehrmals um das Feuer herum-
gehüpft, so stürzen sich die ältesten von ihnen über den Leichnam her, und
unter heftigem Ringen unter einander beginnen sie denselben zu zerstückeln.
Dabei scheinen sie aber noch ein besonderes Gewicht darauf zu legen, sich
durch das Zerbeissen der Knochen mit den Knochensplittern das Gedicht so sehr
wie möglich zu entstellen, besonders aber den Mund und die Lippen derart zu
zerstechen, dass Blut hervorquillt.
Die Hunde tödtenden Hametzen sind besonders bei den Bella-Coola und
Tschimpsian häufig. Mein Bruder sah im Jahre 1887 bei den Bella-Coola, wie
ein Indianer 16 Hunden die Kehle herausbiss. Während er Jagd auf Hunde
machte, trug er die grosse Holzmaske eines, einem Wolfe ähnlichen Ungeheuers
mit beweglichen Augen und ebensolchem Unterkiefer (Fig. 7a). Nachdem er
sämmtliche Hunde im Dorfe verletzt hatte, stellte er sich krank und würgte an-
scheinend grosse Stücken Fleisch, welche er unter seiner Kleidung verborgen
gehalten hatte, durch den Rachen der Maske heraus, während ein zweiter Hametze
die zu grossen Stücke, welche nicht durch die Oeffnung der Maske gingen, mit
den Zähnen packte und herauszerrte. Bei der nach dieser Procedur folgenden
Aufführung vergrösserte sich die Gestalt des Unthieres inmier mehr, indem mehrere
der Indianer mit unter die Decken krochen, und als es entfliehen wollte, suchten
es die anwesenden Indianer unter grossem Lärm zurückzuhalten. Soweit der Be-
richt meines Bruders. Eine ganz ähnliche Scene sah ich bei einem Feste im Jahre
1882 an der Westküste Vancouvers.
Einer der ersten Ansiedler der Küste, der bei den Tschimpsian ansässig war,
beschrieb mir ein Hametzenfest bei denselben in folgender Weise: Nachdem
einige der Theilnehmer eine SiCit lang auf Hunde Jagd gemacht hatten, erschienen
plötzlich einige Männer mit einer Leiche im Arm und führten einen Tanz mit der-
selben in der oben erwähnten Weise um das Haus herum auf. Darauf begab
sich der Hametze, der die Leiche trug, von seinen Genossen gefolgt, in ein Canoe
und stiess vom Ufer ab. Hier in dem Boot fingen sie an, die Leiche zu verzehren.
Mein Berichterstatter glaubte aber, dass sie den Leichnam vorher mit gekochtem
Hirschfleisch gefüllt hätten und, indem sie nur dieses verzehrten, die am Ufer ver-
sammelten Indianer vollständig täuschten. In früherer Zeit glaubten die Europäer,
welche solche, nach unserem Geschmack Ekel erregenden und widerlichen Scenen
mit ansahen, dass die Theilnehmer nur Medicinmänner seien und durch derartige
Vorführungen ihre Novizen einweihen wollten; man gab sich eben keine Mühe,
in das innere Geistesleben dieser wilden Völker einzudringen, und hatte keine
Ahnung von der Existenz der besprochenen Geheimbünde.
Wie Anfangs gesagt, repräsentiren die Tanzenden die durch die Masken be-
zeichneten Gottheiten, und es scheint, dass die Hametzen durch Beissen ihrer Mit-
menschen, Zerreissen von Leichen und Tödten von Kindern und Hunden das Treiben
verschiedener Geister nachahmen wollten, denen eine bei den Küstenindianem all-
Humetieiimukc, den Kopf eioea Raben vorstelleni!. Ai[i Behang ivci ana Holi
geschnitite Schädel.
berichtete, springt der Hamsewie (wie im Osten Beck-Beck genannt wird) zuerst auf
den Tanzplatz, begleitet von vier, in gewöhnlichen Tanzcoatümen init versteckten
Holzflölen versehenen Indianern, welche das Volk vor dem Ungeheuer schützen.
Der den Tanz begleitende Gesang des Sängercorps berichtet von den Thaten des
üngeheaers, wie es von einer Reise aber die ganze Welt zurückkehrt, nachdem
es viele Häuptlinge und berühmte Männer verschlungen hat. Darauf springt die
zweite, die Babenmaske, hervor, ebenfalls begleitet von vier anderen Tänzern, die,
wie die vorigen, HolzflÖten unter den Kleidern verborgen halten. Auch von diesem
zweiten ungeheuer wird im Gesänge erzählt, wie er in fernen Ländern Menschen
gepeinigt nnd ihnen die Augen ausgehackt hat. Es scheint, als ob je nach den
Dörfern and den individaellen Auffassungen des Anfertigers die Masken eines und
desselben Dämonen ganz verschiedenartig gebildet sind, ebenso wie wir ja auch
die Sagen selbst in den verschiedenen Gegenden manchen Variationen unter-
worfen finden. Der Kern bleibt jedoch immer derselbe, so dass man immer den
einheitlichen Ursprung oder die Verwandtschaft der verschiedenen Sagen leicht er-
kennen kann. — Dasselbe ist auch mit den Sagen, den Gebräuchen und Tänzen
der Medidnmänner der Fall. —
(34) Hr. Philipp Jacobseu übermittelt durch seinen Bruder, Hm. J. Adrian
Jacobscn, folgende Notiz Über
d«8 Kochen der Indianer an der NordwestkUst« Americas and die
Abnutzung ihrer Zähne.
Die Küsten- Indianer von der Juan de t^ica-Strasse bis zum KupferOuss in Alaska
pflegen alle ihre Speisen in wasserdichten Körbon und Holzkisten vermittelst glühend
gemachter Steine zu kochen. Die durch ein grosses Feuer heiss gemachten Steine
(396)
Ige erfasst and nach und nach in das Qeföss geworfen, bo
8 im Kochen bleibt Die Steine bröckeln allmählich ab, der
mit dem Essen und schleill die Zähne nach tmd nach ab.
33 die dortige Bevölkerong, besonders die älteren Leate, bia
ischlifTene Zähne haben. Diese Erscheioang blieb bis in die
n ein Räthsel, doch glaube ich dieses nur dem emühnten
zu können, und nicht, wie man allgemein annahm, dem Essen
eben nnd Beeren; denn die nördlicher wohnenden Eskimos
peisen, kochen aber ohne heisse Steine nnd haben nicht die
Schon Blnmenbach hat, zuerst bei ägyptischen Mumien,
fe Abnutzung der SchneidezUhne aufmerksam gemacht, aber
Zähnen der Eskimo angeführt (Decas craniorum 111 p. 9). Er
ae maximam partem detritae procnl dubio ex victus cmdi et
e et Eskimotarum nomen onginem traxiaae perhibetur. Der
in hervoigehobene Gegensatz der Eskimo in Nordwest-Amerika
illgemein gültig sein, als er annimmt. Nichtsdestoweniger ist
grossem Interesse, da sie ungleich besser den hohen Grad
ärl, als der doch nur hypothetische Hinweis anf die Nahning
'on Wichtigkeit sein,- die angeführte Ursache auch bei anderen
in's Auge zu fassen. —
jschenke der Frau San.-Rath Schlemm (veigl. Verh. 1891.
Kural des TiruTallnver. Ein gnomischea Gedicht Ober die
es Menschen. Uebersetznng und Erklärung. Leipzig 1856.
I., Darstellung ans der Sittengeschichte Roms in der Zeit von
im Ausgang der Antonine. III. Aufl. Leipzig 1869/71. 3 Bände,
'h., Die Sage vom Ewigen Jnden,- historisch entwickelt, mit
Mythen verglichen und kritisch beleuchtet. Dresden 1844.
nn. Satyren im Tersmaosse des Originals nnd mit erklärenden
1 Ton 0. ?. Haugwitz. Leipzig 1818.
, Die Byzantiner des Mittelalters in ihrem Staats-, Hof- and
Halle 1869.
, Die Anfange der Cultur. Geschieht!, und archäolog. Studien.
2 Theile in 1 Band.
)iele. Deutsch in den Versmaassen der Urschrift. Leipzig
Bände.
.arl, Aesthetik des Bässlichen. Königsberg 1863.
r die Beziehungen zwischen Licht und Elektricität, Ul. Aufl.
anber-Bibliothck oder von Zauberei, Thenrgie und Mantik,
iexen und Hexenprocesaen, Dämonen, Gespenstern und Geister-
n. Mainz 1821/26. 6 Theile in 3 Bänden,
las. Vortrüge über Heimath, Geschichte, Literatur und Knut
1. Herausgegeben von E. F. Wüatcmann. Berlin 1853.
las Alter der Menschheit. Nach den neueren geol<^ischeD
und Darwin's Hypothese. (Wien 1870, 8ep.-Abdr.)
IC, Der Staat U. Aufl. v. Ph. L. Adam. Ulm 1848.
Sitzung vom 18. April 1891.
Vorsitzender Hr. Virchow.
(1) Der Vorsitzende begrüsst den so eben ans Syrien zurückgekehrten Herrn
Ton Luschan und spricht ihm Namens der Gesellschaft herzliche Glückwünsche
aus zu den so erfolgreichen Ausgrabungen von Sendschirli, welche eine ganz
neue Culturperiode enthüllen.
(2) Gestorben sind die ordentlichen Mitglieder Dr. Liouis Müller und Geh.
Sanitätsrath Dr. Ed. Goltdammer, dirigirender Arzt der inneren Abtb eilung von
Bethanien, letzterer nach langer und sehr schwerer Krankheit erst am gestrigen
Tage.
(3) Als neue Mitglieder werden angemeldet:
Hr. Dr. W. Dörpfeld, Sekretär des deutschen archäologischen Instituts
in Athen.
„ Gymnasialdirektor Prof. Dr. Lemcke, Stettin.
yj Rreisphysikus Dr. Schröder, Oldenburg, Holstein.
„ Ludwig Ruttner, Kaufmann, Berlin.
(4) Hr. Antonio Pen afiel, Director general de Estadistica, dankt in einem
Schreiben aus Mexico Tom 9. März für seine Ernennung zum correspondirenden
Mitgliede.
(5) Am 4. April ist zu Priedberg in der Wetterau der durch seine prähistori-
schen Forschungen bekannte Gustar Dieffenbach plötzlich in einem Schlag-
anfalle gestorben. Derselbe hinterlässt leider den grössten Theil seiner Gräber-
funde, ohne dass er selbst eine Ihiblikation derselben bewirkt oder eine solche
veranlasst hat, in einem Zustande blosser Magazinirung. Unter denselben befindet
sich das einzige, auf deutschem Boden gefundene, mit dem Personen-Namen
(Thrudhild) bezeichnete Skelet aus altfränkischer Zeit (6. Jahrhundert). Die von
Hm. Virchow gelieferte Beschreibung desselben steht in Rud. Henning, Die
deutschen Runendenkmäler S. 118.
(6) Es ist nunmehr festgestellt, dass der Generalversammlung der deut-
schen anthropologischen Gesellschaft in Königsberg eine Vorrersamm-
lung in Danzig, die am 3. August beginnen vrird, voraufgehen soll.
(7) Im August 1892 findet in Moskau ein internationaler prähistori-
scher Congress, als Fortsetzung der früheren, und zugleich ein zoologischer
Congress statt. Die Reglements für beide werden vorgelegt.
(8) Der internationale Amerikanistencongress wird in der Zeit vom
1. — 6. October 1892 in dem Kloster la Rabida bei Huelva zusammentreten.
(398)
Der Präsident des Organisations-Gomites, Hr. Ant. Maria Pabie, der jetzige
Golonial-Minister, ladet zur Theilnahme ein. Da der Gongress die Jubelfeier der
Entdeckung America's begehen wird, so ist der Ort gewählt worden, wo Columbas
vor Antritt seiner grossen Reise längere Zeit ein Asyl gefunden hatte.
(9) Der Vorsitzende dankt der freien photographischen Vereinigung
hicrselbst für ihre Einladung zu der höchst interessanten Vorführung trefflicher,
durch einen Projektions-Apparat rergrösserter Bilder aus dem Himalayu durch
Dr. K. Boeck am 10. April.
(10) Hr. Olshausen übersendet unter dem 4. April die nachstehende Notiz über
den Goldbrakteaten yon Rosenthal bei Berlin.
In Heft 6 der Zeitschr. f. Ethnol. 1890 finden sich, Verh. S. 518—23, Mit-
theilungen der Herren Friedel und Bartels über den Groldbrakteaten von Rosen-
thal aus der Sitzung rom 25. October. Hr. Bartels glaubte in der Darstellung
auf dem Brakteaten den Sigurd Fafnersbane, d. h. Siegfried den Drachentödter,
zu erkennen und berief sich auf Worsaae^s Deutung der Vorstellungen auf
anderen Brakteaten, Memoires dos antiquaires du Nord 1866 — 71, p. 319 fr.,
nach Aarböger f. nord. Oldkynd. 1870, S. 382 ff.). — Da ich in jener Sitzung nicht
anwesend war, so kann ich erst jetzt, nach Veröffentlichung der Bartels^ sehen
Ausführungen, darauf hinweisen, dass Worsaae jene Deutung schon 5 Jahre
vor seinem Tode zurückgenommen hat.
Im Ropenhagener Dagbladet vom 24. November 1880 findet sich ein Bericht
über einen Vortrag Worsaae' s in der Rongl. nord. Oldskriftselskab, betreffend
„eine Deutung der Darstellungen auf den (Schleswigschen) Goldhömem und auf
den Goldbrakteaten^. Hr. Virchow gab einen Auszug aus diesem Bericht in den
Verhandl. 1880, S. 414—15. Dem ausführlicheren dänischen Texte entnehme ich
folgende hierhergehörige Stellen (mit Weglassung des unseren Gegenstand nicht
direct Berührenden): „Meine fortgesetzten Untersuchungen in Bezug auf das Reli-
giöse (in den Gebräuchen und Darstellungen der Nordländer) führten zu meinem
Versuch, die Goldbrakteaten zu erklären (1870). Schon Thorlacins, Abraham-
son und Thomson hatten die Götter Thor und Freyr auf den Brakteaten ge-
funden; hierin schloss ich mich meinen Vorgängern an, versuchte aber die Frage
weiterzuführen, indem ich mehr Göttertypen aussonderte. Ausserdem sah ich
auch auf den Brakteaten Sigurd Fafnersbane, die Wölsungen und andere Heroen
und Halbgötter. Indess ;wurde meine Theorie über die Götter und Helden von
anderen nicht aufgenommen; fast alle verhielten sich passiv. Selbst über manche
Einzelheiten im Zweifel, wartete ich die Zeit ab.^ Verfasser kam später auf diese
Studien zurück und berichtet darüber, wie folgt: „Mein Hauptresultat der Untere
suchung der Brakteaten ist, dass sie alte Götter vorstellen, heilige Zeichen oder
religiöse M3^hen; keiner giebt Helden oder Heldensagen wieder.' Zum
Schluss, nachdem er auseinandergesetzt, dass die Grundlage der nordischen Mytho-
logie recht alt und gemein-germanisch sei, sagt Worsaae: „Meine Freunde in
Norwegen, Schweden und hier, nicht zu sprechen vom Auslande, müBsen ihre Mei-
nungen (in Bezug auf diesen Punkt) ändern; aber ich selbst muss ihr Schicksal
theilen, sofern ich einen Theil meiner Erklärungen der Brakteaten
heute in ein frjühes Grab gesenkt habc*^. — Vergleiche noch Worsaae , The
industrial arts of Denmark, London 1882, p. 167—174.
(399)
(11) Hr. R. Buchholz legt
bearbeitete Knochen nnd Grewelhstücke aus Grimme, Kr. Prenzlan
Tor, welche an sich wenig Auffälliges bieten, dagegen durch ihre Lagerungsverhält-
nisse an der Fundstelle ein weiteres Interesse erregen. Es sind zerschlagene
Knochen- und Geweihstttcke vom Hirsch oder Elch, darunter ein Röhrenknochen
mit einem regelrechten Bohrloch, das wohl zum Einstecken eines Stiels ange-
bracht sein kann, und ein Geweihstück mit Schädelkapselresten, woran zwei ge-
schwärzte Stellen die Einwirkung von Feuer erkennen lassen. Sänmitliche Stücke
erscheinen stark corrodirt, gelblich weiss und haben ein relativ geringes specifi-
sches Gewicht; die Höhlungen sind von eingespülter sandiger Kreidemasse aus-
gefüllt. Hr. Gand. phil. ^chmeisser, welcher u. a. auch geologische Studien be-
treibt, überbrachte diese Gegenstände dem Märkischen Museum und berichtete,
dass sie in der, dem Kaufmann Rein seh gehörigen Kreidegrube bei Grimme, beim
Abräumen einer ungefähr 2 m tiefen Schicht von Geschiebelehm, unmittelbar auf
der Oberfläche des Kreidelagers gefunden sind. Die Fundstelle sei eine durch
Gletscherauswaschung entstandene und mit Geschiebelehm ausgefüllte Vertiefung
im Kreidelager, wie sich solche dort in der sonst fast zu Tage liegenden Kreide-
schicht häufig finden, und da keine Spur einer Eingrabung in der Geschiebelehm-
Masse zu bemerken gewesen sei, auch in den oberen Schichten und an der Ober-
fläche irgend welche Culturreste nicht vorkamen, so glaubte Hr. Schmeisser,
dass die Fundstücke zur Zeit der Entstehung und AusfiiUung der Vertiefung im
Kreidelager mit hineingespült sein müssten. Da, diese Ansicht als zutreffend vor-
ausgesetzt, es sich um menschliche Artefakte aus der Diluvial- oder gar
noch älteren Zeit handeln würde, so unterbreite ich den Fall der Prtlfung dieser
Gesellschaft, ohne dass ich selbst mit einem ürtheil vorgreife. —
Hr. Nehring erklärt, es sei ihm unwahrscheinlich, dass diese Stücke auf
primärer Lagerstätte geftmden sein sollten. Er glaubt, dass sie später in diese
Schicht gekommen sein müssen. Es seien Knochen und Geweihe vom Elch. —
Hr. Virchow bestätigt, dass die Knochen nicht den Eindruck sehr hohen
Alters machten. Die Rauhigkeit der Oberfläche sei durch tiefe Erosionen [von
Pflanzenwurzeln bewirkt.
(12) Hr. M. Bartels legt Proben vor von den
kostbaren Perlen der Basntho in Transvaal.
Hr. Missionssuperintendent A. Merensky hat im Jahre 1882 in einem, in der
Berliner anthropologischen Gesellschaft gehaltenen Vortrage die Aufmerksamkeit
auf Perlen gelenkt, welche bei den Basutho in Nord-Transvaal (Süd-Afrika)
in hohem Ansehen stehen. Sie sind sehr selten und die Eingebomen behaupten,
dass sie dieselben in der EIrde finden. Europäische Nachbildungen, welche die
englische Industrie einzuführen versucht hat, wurden von den Basutho sofort als
Nachahmungen erkannt
Diese Perlen wurden „fast nur von regierenden Häuptlingen und ihren Frauen
getragen; besonders eine gelbe und eine schwarze standen in hohem Ansehen und
dienten oft als Sühnegeld oder Tribut, durch den die Unterhäuptlinge die Gunst
^^^^^
■•*™
(400)
oder den Schatz des Oberhaupts gewannen. Kaufen konnte man diese Perlen
nie und nirgends, ja es wurde uns nütgetheilt, dass ein Mann niederen Banges,
wenn er im Besitz solcher Perlen sei, seinen Schatz sorgfältig yor den Augen Un-
berufener hüte, weil er sonst fürchten müsste, dass er die Habsucht des Häupt-
lings reizen würde und so seines Lebens nicht mehr sicher wäre^ (Verh. 1882.
S. 543).
Es kommen 17 verschiedene Arten vor: 4 Arten sind gelblich, 3 schwarz, sonst
giebt es rothe, grüne, blaue, weisse und bunte.
•■ Ich verdanke der Güte des Herrn
0n rn\ 1^ fn) P^ nn Merensky einige Proben dieser Perien.
W ^ m i^mm P^ Dieselben faUen durch ihre zumTheü
sehr bedeutende Kleinheit auf, wodurch
®3 @>D ©B (§Q <o);J (o)0 sie sich von den bekannten Aggri-
^ Perlen nicht unwesentlich unterschei-
r^n r^ f^ « /^ n ^^^- ^^^ vergleiche die in natürlicher
ßQ jf) 9 ^Q @ Q J2;U Grösse gegebenen Abbüdungen (Fig. 1
bis 15). Sie sind fast sämmtlich ans
opakem Glase, nur die Arten 11, lY und X sind durchsichtig. Auch sind sie stets
einfarbig, bis auf die Art IX, welche weisse, schmale Längsstreifen in schwarzem
Glase zeigt. Sie sind ohne Zweifel aus längeren Glasröhren durch Abschneiden her-
gestellt. Diese Röhren waren meistens cylindrisch, jedoch erscheinen sie auch bis-
weilen breitgedrückt, selbst bis zu einer Rautenform mit abgerundeten Kanten. Aber
die Art 11 ist sechsseitig. Dass die Perlen durch Abschneiden von einer Röhre her-
gestellt sein müssen, erkennt man daran, dass ihre obere und untere-, die Durch-
bohrung tragende Fläche häufig nicht parallel sind und dass in einzelnen Fällen
diese Fläche keine Ebene bildet, sondern gebogen erscheint und in eine Zacke
ausläuft (z. B. Fig. 9). Es hat also dieses Abschneiden nicht immer rechtwinklig
zur Längsaxe der Röhre stattgefunden und die Yerfertiger haben wenigstens in
den zuletzt erwähnten Fällen nicht durch die ganze Continuität der Röhre ge-
schnitten, sondern sie haben, nachdem sie den grössten Theil durchtrennt hatten,
die vollständige Ablösung durch Abbrechen erzielt und dabei sind Splitterungen
vorgekommen. Hierdurch kommt es auch, dass in derselben Gruppe die einzelnen
Perlen nicht selten von ungleicher Grösse sind. In den Abbildungen sind die
Extreme gewählt worden.
Hr. Merensky hat mir auch die einheimischen Namen mitgetheilt, weicheich
hier folgen lasse. Es mögen die werthvoilsten Perlen zuerst genannt werden:
„I. Talama, gross, unregelmässig cylindrisch, gelb, mit leichtem Stich ins
Grüne oder auch grüngelb, opak. Die Bedeutung des Namens ist den Basutho
unbekannt. In einem am Niassa-See gesprochenen Dialekte aber bedeutet Talama
Gold (Fig. 1, 2).
II. Ebenfalls mit dem Namen Talama bezeichnet, gross, kantig, dunkel
schwarzblau, durchsichtig (Fig. 3).
III. Tsupsane, klein, hellblau. Bedeutung des Namens mir nicht bekannt
IV. Letsika, sehr klein, unregelmässig cylindrisch, bisweilen breiter als hoch,
dunkelgraublau, opak. Die Bedeutung des Wortes ist unbekannt. Diese Perlen
sind selten und theuer (Fig. 4, 5).
V. Tächa, klein, unregelmässig cylindrisch, bisweilen breiter als hoch, hell
schwefelgelb, opak. Der Name bedeutet „Schönheit**. Diese Perlenart ist die
werthvollste von allen (Fig 6, 7).
glänzend seh
den Priedei
VII. Le
bedeutet „Er
Färbung einei
VIII. Li
gelb, opak.
„Mennige" I
Dt. KCl
massigen, sc
innernd. Dci
X. Hoc
gisBtneinnicht:
XI. Seh
Diese Perlen
(Fig. 14, 15).
Die Kam
Aas wel<
worden sind,
modernes eu
die Anrertigui
Hr. Mereasb
ältere Einfahi
duBS er von i
jetzt in Bhaui
Industrie bei
sehen Perlen,
Ansehen hin
mil einzelne!
(Tal am a) und
Aber doi
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oder an antib
wie gesagt, n
skopische ün
berg mit übe
Wir werden i
kommen, da
schickt habe.
(13) llr.
Rügen Hcinic
Pliotogra]
wurden von t
und daran i'
(icsngte bezi(
(402) ,
geändert hat. Ich möchte aber bemerken, gerade der Umstand, dass sich an dem
Befunde eines solchen Artisten etwas ändert, ist interessant und bietet uns Gelegen-
heit, das Problem von einer neuen Seite, in neuer Beleuchtung kennen zu lernen.
Damals waren es 5 Jahre, dass der Zwanzigjährige die ersten Versuche in seiner
Kunst gemacht hatte, jetzt sind annähernd weitere 5 Jahre verflossen, und in diesen
5 Jahren sind Aenderungen eingetreten.
Geändert hat sich einmal der Habitus: damals (im Jahre 1886) war der
Artist mager, heut hat er Körperfülle erlangt, die Muskulatur ist kräftig und vor
allem ist das Fettpolster reichlich entwickelt; man darf annehmen, auch die Fett-
ansammlungen innerhalb der Bauchhöhle, im Netze und an den Mesenterien.
Geändert hat sich femer, dass der Säbel, welcher früher bis zum Griff ein-
geführt werden konnte, nicht mehr so weit eingebracht wird, sondern dass 15 nw
desselben ausserhalb des Mundes bleiben, oberhalb des Randes der oberen
Schneidezähne. Von diesem Säbel führte ich früher an, dass er 73 cm lang sei;
ich will jedoch hinzufügen, um ganz genau zu sein, dass an dem Griff zwei kleine
seitliche Platten befestigt sind, die 2 cm der Klinge bedecken, so dass für die Ein-
führung nur 71 cm in Betracht kommen. Ausserdem sei bemerkt, dass der Säbel
leicht gekrümmt ist, und zwar so, dass, wenn man Spitze und Anfang der Klinge
durch eine gerade Linie verbindet, die Klinge in der Mitte etwa 2 an von dieser
Sehne entfernt ist Jetzt führt der Artist, was er früher nicht that, einen stark
gekrümmten Säbel ein, was ihm nach seiner Behauptung „kein anderer Degen-
Schlucker nachmacht^. Um ein Maass für diesen krummen Säbel zu haben, sei
angeführt, dass, wenn man von der Verbindung der Klinge mit dem Griff eine
gerade Linie zur Spitze, also so zu sagen die Sehne zu dem Bogen zieht, diese
gerade Linie 62 cm misst.
lieber die Einbringung dieser beiden Säbel sei Folgendes bemerkt: 1) der
„gerade SäbeP gleitet, so weit er überhaupt einzuführen ist, leicht hinab; dann
aber steht er fest. Der Artist bezeichnet die Stelle, wo er die Spitze fUhlt, mit
dem Finger, und zwar ist dies eine Stelle, die 6 cm oberhalb des Nabels in Mittel-
linie liegt. 2) der „krumme SäbeP wird in der Weise eingeführt, dass das An-
fangsstück senkrecht eingeschoben wird; dann wird er so weit auf die Seite geneigt,
dass immer das weiter eingeführte Stück senkrecht steht.- Dabei macht zugleich
der Artist mittelst seiner Hals- und Rumpfwirbelsäule seitliche Bewegungen, so
dass er sich so zu sagen auf den Säbel hinaufwindet Er giebt an, dass die Elr-
lernung dieser Einführung viel Zeit und V^ersuche gekostet habe. Wenn der Säbel
bis zum Griff eingebracht iet, so fühlt der Artist auch von ihm die Spitze, und
zwar an einer Stelle, die zwischen der Mamillarlinie und der vorderen AxillarUnie
der linken Seite liegt, 3 cm über der Querebene des Nabels.
Man darf annehmen, dass die Stellen, an denen in beiden Fällen die Spitse
des Säbels liegt, richtig gefühlt sind, denn, wenn man die Säbel aussen an den
Körper hält, so treffen die Spitzen thatsächlich auf die gleichen Punkte. Da nun
der Magen selbst kein localisirendes Gefühl besitzt, so muss man annehmen, dass
die Magenwandung durch den Säbel an die vordere Bauchwand angedrückt wird,
und dass in dieser das Gefühl entsteht. Der Beobachter vermag die Spitze nicht
zu fühlen, da die Bauchdecken dick und gespannt sind.
Die Einzelprobleme, in welche das Problem des Degenschluckers zerfällt, habe
ich schon in meinem früheren Vortrage bezeichnet Sehen wir ab von der Frage
nach dem Verhalten der Schleimhaut, so haben wir: 1) das Problem der Topo-
graphie von Magen und Speiseröhre, 2) das Problem einer hochcomplicirten Synei^
von Muskelleistungen.
(403)
Letzteres ist physiologisch das interessantere. Es besteht darin, und zwar
nicht nur bei unserem Degenschlucker, sondern bei jedem Menschen, der auf die
Einbringung eines Schlundrohres eingeübt ist, dass die Berührungsgefühle im
Pharynx und Oesophagus und ihren Umgebungen so verwerthet werden, bezw.
schon verarbeitet sind, dass ein feststehender Bewegungsplan ausgebildet ist, der
es gestattet, den Fremdkörper glatt und schnell und ohne an den Hindernissen auf
dem Wege Halt zu machen, bis durch das Foramen oesophageum hindurch vor-
zuführen. Schon die Stellung, die der Einführende seinem Körper giebt, ist durch
diesen feststehenden Plan bestimmt, und in unserem Falle gestaltet sich das Be-
wegungs-Problem, wie gesagt, durch die Aufgabe der Einführung eines krummen
Säbels besonders schwierig. Der Bewegungs-Plan setzt sich zusammen aus Be-
wegungen des einführenden Armes und aus Bewegungen der Wirbelsäule, in syner-
gischer Verbindung. In dieser Hinsicht hat sich der Artist vervollkommnet, seine
Leistungen sind verfeinert worden.
Das Problem der Topographie des Oesophagus kann ich nicht genauer be-
leuchten, dazu müsste die Eröffnung der Leiche gemacht werden, während einer
der Säbel, vor allem der krumme, darin liegt.
Das Problem der Topographie des Magens hat aufgehört. Früher, als der
lange Säbel bis zum Oriff eingeschoben wurde, bestand die Frage, welche Gestalt
der Magen annimmt, wenn er bis fast zur Symphyse ausgedehnt wird; jetzt da-
gegen, da die Spitze des geraden Säbels 8 cm über dem Nabel stehen bleibt, und
da der krumme Säbel eine so massige Länge hat, besteht ein solches Problem
nicht mehr. In dieser Richtung also, in der Richtung der rein mechanischen
Verhältnisse ist eine Einschränkung, eine Verminderung der Leistung ein-
getreten.
Wie ist sie entstanden? Der ijHtist selbst macht die Angabe, dass er eine
Zeit lang nur den krummen Säbel angebracht habe, und dass, als er es dann
wieder mit dem geraden versuchte, dies nicht gegangen sei. Er habe es zwar
einmal erzwungen, jedoch unter Schmerzen und mit dem Gkfühle, als sei er durch
eine enge Stelle hindnrchgekommen. Aus Besorgniss, sich zu beschädigen, habe
er den Versuch nicht wiederholt
Diese Angabe giebt keinen Aufschluss über die Ursachen der Behinderung;
oder soll man glauben, dass die Magenwand durchbohrt war?
Ich habe daher, um durch die anatomische Untersuchung Licht zu erhalten,
die Einführung des geraden Säbels an einer Leiche vorgenommen, wobei mir Hr.
Hein freundlichen Beistand leistete. Die Leiche eines gesunden, kräftigen, wohl-
gebauten Mannes, dessen Magen, wie sich nachher zeigte, leer war, mit einer
Körpergrösse von 1,71 m, also der des Artisten entsprechend, — ich bestimmte
diese früher zu 1,715, diesmal zu 1,725 — wurde in eine Lage gebracht, welche
der Stellung des Säbel-Einführenden (s. die Figur auf S. 405 meines früheren Vor-
trages) entsprach; d. h. die Leiche war in Rückenlage, die Schultern durch einen
untergelegten Klotz erhöht, der Kopf hintenübergeneigt, wobei allerdings die Fein-
heiten, die der lebende Körper unter der Herrschaft der Muskeln annimmt, nicht
nachgeahmt sind und nicht nachgeahmt werden können. Der eingeführte Säbel
traf nun zunächst die Halswirbelsäule. Abgesehen von diesem Hinderniss blieb
er, ehe er den Magen erreichte, an drei Stellen stehen, nehralich zuerst, als die
Spitze 15 cm von den Schneiden der Oberzähne entfernt war, dann in 23,5 cm
Abstand von denselben, dann in 41 cm Abstand. Ueber das erste Hinderniss
(Kehlkopf) kam man hinweg, indem man mit der Fläche des Säbels die vor
26*
(404)
letzterer gelegenen Theile nach vorn (oben bei der liegenden Leiche) drängte;
über das zweite (Bifurcation der Trachea), indem man die Lage des Säbels in
sagittaler Richtung so änderte, dass die Spitze sich mehr der Wirbelsäule zukehrte ;
über das dritte (Foramen oesophageum), indem man die Spitze ebenfalls der
Wirbelsäule mehr zuwendete. Lageveränderungen in querer Richtung waren un-
nöthig. Endlich blieb der Säbel wieder stehen, als noch 15 cm seiner Klinge vor
den Schneiden der Oberzähne hervorstanden, und zwar war seine Spitze nun ober-
halb des Nabels, links von der Mittellinie zu fühlen, wie letzteres ja auch zu er-
warten war, da der (leicht gekrümmte) Säbel mit links gewendeter Spitze eingeführt
wurde, so wie es der Artist zu thun pflegte. Der Widerstand, der die Spitze auf-
hielt, war vollkommen. Nach einigem Zurückziehen und Tasten Hess sich der
Säbel weiterschieben bis zur Querebene des Nabels, wo er wieder fest stand ; nach
erneutem Zurückziehen und Tasten ging er weiter vor und glitt nun anstandslos
abwärts, bis der Griff an die Zähne anstiess; ja man hatte das Gefühl, dass sich
bequem noch ein weiteres Stück würde einführen lassen. Die Spitze war nunmehr
5 cm über der Symphyse zu fühlen. Ich glaubte vollkommen sicher das gemacht
zu haben, was früher der Artist selbst zu machen pflegte, wenn er die Magen wand
mit dem Säbel bis gegen die Symphyse vordrängte. Doch das Ergebniss war ganz
anders: es war ein Loch gebohrt, und der Säbel stand mit einem Stück von 11 cm
aus der Magenwunde hervor. Das Loch befand sich an der hinteren Wand, gleich
weit entfernt von der grossen und kleinen Curvatur. Auch das Mesocolon war
durchbohrt Wenn man diesen Befund, der nach Eröffnung der Bauchhöhle er-
hoben wurde, mit dem vorher Geschilderten in Verbindung setzt, so ist es wahr-
scheinlich, dass die erste Hemmung innerhalb der Bauchhöhle (3 ein über Nabel-
höhe) durch die Magenwand, die zweite (in Nabelhöhe) durch das Mesocolon
hervorgerufen war, und dass der Magen überhaupt nicht oder nur sehr wenig vor
der andrängenden (übrigens stark abgestumpften) Spitze auswich. Eine Ursache
besonderer Verletzlichkeit war nicht vorhanden, der Magen war gesund, ohne
Falten und Buchten, und die durchgestossene Stelle zeigte nichts Besonderes. Die
Leiche war mit conservirender (Wickers heimer 'scher) Flüssigkeit ausgespritzt,
und weder Auge noch Nase konnten Zeichen von Zersetzung spüren. Immerhin
war es der Magen einer Leiche, nicht so fest wie der eines Lebenden, und vor
allem ohne die Fähigkeit der Muskelcontractionen.
Obwohl nun die Untersuchung mit einer Durchbohrung endigte, so ist ihr Er-
gebniss doch nicht ausschliesslich negativ. Von positiven Ei^ebnissen enthielt sie
zunächst dieses, dass das Stück des Säbels, welches nicht ohne Verletzung des
Magens eingeführt werden konnte, 15 cf/i betrug, also genau so viel, als gegen-
wärtig bei dem Artisten uneingeführt bleibt Man kann daher wohl auf letzteren
das Ergebniss übertragen und bemerken, dass gegenwärtig, wenn er den geraden
Säbel einführt, die Magenwand nicht wesentlich verdrängt wird, und dass es diese
selbst und nicht die Bauchwand ist, welche das weitere Vordringen des Säbels
hindert.
Ein zweites Positives lehrte die Untersuchung an der Leiche. Nach der Oeff-
nung der Bauchhöhle und Feststellung des geschilderten Befundes wurde nehmlich
der Säbel so weit wieder zurückgezogen, dass seine Spitze in den Magen zurück-
kehrte; und nun wurde diese, überwacht vom Auge, innerhalb des Magens weiter
vorgeführt, wobei die Magenwand mittelst der Hände über dem vordringenden
Säbel arrangirt wurde. So kam nun dieser leicht so weit, dass der Griff an die
Zähne anstiess, ohne Durchbohrung, obschon allerdings zuletzt die Magen wand
(405)
durch die andrängende Spitze so gespannt war, dass vielleicht 1 oder 2 cm mehr
eine Durchbohiiing herrorgemfen hätten. Am weitesten hinabgedrückt war jetzt
eine Stelle der grossen Curvatür, die vom Pyloras weit entfernt war, noch weiter
von der Cardia, und die grosse Oarvatnr hatte anstatt der Gestalt einer gebogenen
Linie die einer gebrochenen Linie mit zwei ziemlich gerade verlaufenden, spitz-
winklig zusammentreffenden Schenkeln angenommen. Dieser Theil der Unter-
suchung ist insofern positiv, als er zeigt, dass eine Säbel-EIinführung, wie sie unser
Artist vor 5 Jahren zu machen pflegte, möglich ist, ohne dass daftlr etwas Weiteres
als der Magen in Anspruch genommen wird, und ohne dass dieser Magen ver-
ändert, insbesondere ohne dass er dilatirt ist. Eine Dilatation glaubte ich schon
bei der früheren Untersuchung ausschliessen zu dürfen; gegenwärtig fehlt erst
recht jeder Grund, an eine solche zu denken, da nicht nur gar keine anamnesti-
schen Anhaltspunkte dafür vorliegen, sondern da bei dem gegenwärtigen Grade
der Einführung keine bemerkenswerthe Verschiebung der Magenwand stattfindet.
Wäre der Magen dilatirt worden, so müsste sich die Fähigkeit, einen langen Fremd-
körper einzuführen, gesteigert und nicht vermindert haben.
Um nun die Untersuchung zum Abschlüsse zu bringen, müsste in Erfahrung
gebracht werden, warum bei dem Artisten die Einführung der langen Klinge früher
gelang, jetzt aber nicht mehr, und warum an der Leiche so bald eine Durch-
bohrung eintrat, während sich doch nachher zeigte, dass der Magen an sich die
erforderliche Dehnung sehr wohl vertrug. Hierauf geben weder unsere Unter-
suchungen an dem Artisten, noch die an der Leiche eine sichere Auskunft. Voraus-
sichtlich würde man durch weitere Untersuchungen an Leichen eine gewisse oder
annähernd gewisse Lösung der Frage finden; da ich aber solche nicht angestellt
habe, so kann ich nur anführen, was mir nach dem Voranstehenden als das Wahr-
scheinliche entgegentritt. Es ist zu vermuthen, dass die reichlich angesammelten
Fettmassen in der Bauchwand, vor allem aber im Netz und in den Gekrösen
raumbeschränkend und bewegungshindemd wirken, so dass die Darmabschnitte
nicht mehr, wie früher, frei verschiebbar sind, sondern sich gegenseitig einengen
und sich in ihrer Lage festhalten. '
Wäre es nun unseres Amtes, den Artisten zu berathen, so Hesse sich über
die Einführung der langen Klinge wohl Folgendes sagen : Die Einführung ist vor-
aussichtlich auch jetzt noch möglich, doch dürfte die Weiterführung bis zum Nabel
und über denselben hinaus nur mit äusserster Vorsicht geschehen und nie er-
zwungen werden. Nach dem Durchgange der Spitze durch das Foramen oesa-
phageum, also, nachdem etwas über 41 cm eingeführt sind, müsste sich die Spitze
der vorderen Bauchwand nähern, damit die Magenwand nicht gegen das Mesocolon
angedrängt, sondern zwischen Bauchwand und Colon transversum abwärts ge-
schoben werde; Aenderung der Körperhaltung ist dafür vielleicht von Nutzen. Vor
allem aber ist eine völlig consequente Entfettungscur einzuhalten. Höchst bedenk-
lich bleibt jedoch der Versuch auf alle Fälle.
(14) Herr Olshausen legt folgende Mittheilung des Herrn Schumann in
Löcknitz vor über einen
Bronzeschmuck yon Alt-Storckow, Kr. Stargardt, Pommern.
Unter den Funden, welche in jüngster Zeit an das Stettiner Museum kamen,
verdient ein Fund von Alt-Storckow bei Nörenberg besondere Berücksichti-
gung. Auf der dortigen Gntsfeldmark wurden unter einem aus Steinen bestehen-
den Hügel eine Anzahl von Urnen und dabei einige Schmuckstücke gefunden,
(406)
die durch ihren gaten Erhaltongszastand und ihre schöne Patina sich auszeichnen.
Der Fund besteht aus:
1) Einer rautenförmigen Haken platte (Fig. 1). Dieselbe ist aus Bronze-
blech hergestellt, 62 mm lang und 42 mm breit. Als Ornament zeigt sie ein am
Rande herumlaufendes Band, das durch Punzirung gestrichelt ist. Ein doppeltes
derartiges Band verläuft durch die Mitte der Platte. Ober- und unterhalb dieses
Bandes befinden sich je 3 erhabene Buckelchen. Die beiden Enden der Platte
gehen in nach unten umgebogene, 25 mm lange Haken aus.
1
3.
2) Zwei Brillenspiralcn (Fig. 2). Dieselben sind ans 2 mm starkem
Bronzedraht hergestellt und haben 47 mm Durchmesser. Es macht den Eindruck,
als ob sie an einem Kleidungsstück befestigt gewesen seien, während die erwähnte
rautenförmige Platte mit ihren Haken in die Ochsen der Brillenspiralen eingegriffen
und so das Kleidungsstück zusammengehalten hätte.
3) Dem interessantesten Stück, dem Schmuck Fig. 3. Derselbe besteht aas
einzelnen Gliedern und zwar aus Spiralröllchen und flügeiförmigen Schalt-
stücken. Die Spiralröllchen, aus 1 mm starkem Draht und etwa 60 mm lang, sind
nicht gleichmässig dick, sondern verjüngt, in der Art, dass das dünnere Ende
zwischen die Flügel der Schaltstücke eingefügt werden kann, während das dickere
Ende auf die Erhöhung derselben an der Rückseite passt Die flügeiförmigen
Schaltstücke bestehen aus zwei dachförmigen Blättern, an deren Basis sich eine
(407)
Durchbohrung findet, welche der Höhlung der Spiralröllchen entspricht. Es kann
keinem Zweifel unterliegen, dass der Schmuck ähnlich, wie Fig. 8 es zeigt, auf-
gezogen getragen wurde. Wenn man die Spiralröllchen als Stiel und die Schalt-
stücke als Blätter auffasst, erinnert er an einen Mistelzweig.
Ein Stück dieser Art besass unser Museum bislang noch nicht, doch sind
mehrere aus Pommern und Posen bekannt:
a) Der Pund von Neu-Lobitz, Kr. Dramburg (Kühne, Balt. Stud. 33. S. 314)
enthielt 3 Brillenspiralen, 4 glatte Knöpfe (wie einer im Koppenower Kasten, Balt.
Stud. 33. Taf. II), zwei eiförmig zugespitzte Zierplatten, die eine mit zwei kurzen
Haken (Balt. Stud. 33. Taf. I. Fig. 3), die andere mit umgebogener längerer Nadel,
beide verziert, jede mit 6 von innen ausgetriebenen kleinen Buckeln, femer 23 Spiral-
korallen, 25 gegossene Zierstücke (Balt. Stud. 33. Taf. I. Fig. 6, unsere Schaltstücke),
zwei defekte Nadeln, ein hohles Auf satzstück, einen Gusszupfen, einen Bronze-
kuchen, einen Kupferkuchen, fast alles neu. Im Acker gefunden, Privatbesitz.
b) Ein dem unseren gleiches flügeiförmiges Schaltstück befand sich in einem
Grabfunde von Zuchen bei Bärwalde (Virchow, Verh. 1875. S. 28 u. Taf. HI.
Fig. 5). Dort kam es mit einer Spiralplattenfibel, einem Bronzemesser mit abwärts
gebogener Schneide, einer Pincette und Ringen zusammen vor. Der Gebrauch des
Geräthes blieb damals zweifelhaft.
c) Ein dem unseren ebenfalls gleiches Schaltstück lag in einer Urne zu
Murowana-Goslin, Kr. Obomik (Schwartz, Verh. 1876. S. 237 und 271 und
Taf. XXV. Fig. 7) neben einer Bronzepfeilspitze und wurde als Schafkende eines
Haarpfeils aufgefasst. Ein derartiges Schaftende dürfte indessen wohl im Verhält-
nisse zur Kleinheit der Spitze zu schwer sein, und man wird wohl besser an-
nehmen, dass es, ebenso wie das von Zuchen, einem ähnlichen Schmuck zugehört
hat, wie die von Alt-Storckow und Neu-Lobitz.
Was die Zeitstellung dieses Schmuckes betrifft, so kamen die flügel förmigen
Schaltstücke in Zuchen mit einer Spi^lplattenfibel und einem Messer mit abwärts
gebogener Schneide vor, in Neu-Lobitz mit Knöpfen, welche dem einen Knopfe
von Koppenow gleichen, wo sich ebenfalls eine Spiralplatten fibel fand; man wird
denselben also etwa in eine Zeit setzen dürfen, die der Periode III bei Montelius
(Gm Tidsbestämning inom Bronsäldem, Stockholm 1885) entspricht. Periode I
ist in Pommern sehr wenig vertreten. Periode II und ÜI kommt meist vereinigt
vor imd bildet unsere ältere Bronzeperiode.
Bemerkenswerth ist, dass die pommerschen Fundstellen, Alt-Storckow, Neu-
Lobitz und Zuchen, nicht weit von einander liegen. —
(15) Hr. A. V. Heyden zeigt im Namen des Hm. von Chlingensperg in
Reichenhall nebst den Erläuterangen desselben folgende
Ueberlebsel ans früheren Zeiten.
Ich bitte dem Museum für deutsche Trachten u. s. w. in meinem Namen eine
Kleinigkeit als Geschenk zu übergeben.
Es sind zwei Endsprossen von einem Hirsche mit acht germanischem
Muster (Fig. 1), welche ehemals an einem Pferdekummet angebracht waren,
wie jetzt selbe bei den Fuhrwerksbesitzem unserer Brauer u. s. w. von Messing
angebracht sind und woran gewöhnlich ein Dachsfell und Messingkamm hängen.
Wenn die Stücke auch nicht zu den Reichenhaller Gräbern gehörern, so darf man
sie immerhin nicht weit davon hinlegen.
Für Hrn. Virchow als Vorstand des Trachten-Museums habe ich Einiges über
Volksmedicin und Zauberei, und zwar:
(«»)
Natürliche Griiue.
Vt der natürlichen Grösse.
1) Ginc Z&uberrormel filr Schatz^räbcrci von oincm Bauern von War-
zoll, von dem ich selbe zur Gntziderung erhielt; vicikicht gelingt ca in Berlin
damit die bösen Geister zu bannenl
2) Das Heilbnch des berühmten Theoph. Puracclsns nnd ein Lehr-
buch über Augenheilkunde von 1686., Die Bücher stammen aus der Biblio-
thek eines Bauern von Karlstcin, welcher als Kurpfuscher einen ziemlichen Ruf
hatte. Aus den Tielen Excerpten sieht man, dass der Mann llcisaig stndirtc.
3) Das in Uessing gefasstc AmuleL enthält den sogenannten Adlerstein
(Fig. 2), Über dessen Eigcnschallcn wir durch beiliegenden Papicrretzen näher
unterrichtet werden. Er war im Besitz einer Bauemhcbarame in St. iÜ^no, welche
dgn Gebärenden bei starken Blutungen Einiges von der Schote abschabte und mit
Wasser vermischt zu trinken gab. Vielleicht gelingt es mir noch andere inter-
essante Heilmittel ausser den Adlerstein von dort zu erlangen. —
Der von Hm. v. Chlingenspcrg erwähnte „Papiorfetzen", ein sehr unvoll-
ständiges Fragment, enthält Folgendes:
Besehreibung der Tugend nnd Kraft des Adler-Steins, welcher von Albertus Magnus,
auch Ludwig Süss aus ihren Büchern, und sonst vielen Gelehrten und Errahnten,
als Hypocrales, Galenus und Plinins probieret, und an vielen Menschen bewähret
worden. Er wird gefunden an des Meeres Gestalt, wie auch in Pcrsien.
Der Stein Aechites, oder Aquilea genannt, ist Kastanicnrnrb oder gelb, und wird
genannt Adlerstein, darum, dass ihn die Adler wider die vergiften Thiere und andere
Gefährlichkeiten ihrer Jungen (weilen sie die Natur dieses Steins wohl wissen) in
ihre Nester tragen und gebrauchen: Inwendig ist er hohl, und hat einen kleinen
Stein oder Kern in sich, welcher, so man ihn schüttelt, einen Klang von sich giebl ').
I) Der SUJD emeiat sich als Ha Thoufiscnttfin, Sphfterosiderit V.
(409)
Es seynd diese Steine iFon mancherley Gestalt, etwelche rund, etliche langlicht,
einige gross, andere klein, nachdem sie die Natur her
6. Dieses Pulver, zwey Quentlein in wannen Wasser eingenommen, und darauf
geschwitzet, ist gut für das Seiten-Stechen, Pluritis genannt, des Abends, so man
schlafen gehet, also gebraucht, treibet gewaltig das Gries in den Tjcnden.
7. Den Adler-Stein und ein wenig Magnet-Stein zwischen den Schultern ge-
tragen, ziehet die Fltlss aus den Augen und Haupt, machen auch denen Frauen,
die ihre Rinder abgenommen, die Milch sterben.
8. Diesen Stein, gebunden an den Gipfel eines Baumes, behaltet er die Frucht
desselben; hingegen so er unten an den Stammen geknüpft wird, machet er die
Früchten abfallen.
9. Das Erdreich oder Kern darinnen in Wein gesotten, und warm getrunken,
hilft denen Frauen gewaltig für die Mutter, denen Mannspersonen für das Grimmen,
vertreibt die rothe Ruhr und Gelbsucht, auch alle Banchflüss.
10. Ist er auch gut für den Schlag, so er dem Kranken auf das Herz gebunden
wird, kommt er wieder zu seiner natürlichen Red. Er ist auch gut und hat schon
vielen geholfen für das Fieber.
(16) Hr. Rud. Virchow erwähnt bei dieser Gelegenheit mit grossem Danke,
dass Magistrat und Stadtverordnete dem Trachtenmuseum einen einmaligen Zuschuss
von 2000 Mark bewilligt haben, — eine sehr willkommene Gabe, da die Mittel
des Museums höchst beschränkte sind.
(17) Der Alterthumsverein zu Mannheim übersendet eine Abbildung von
dem Mahl, welches nach der Schlacht bei Seckenheim stattgefunden haben soll, in
neuerem Nachdruck. Dieselbe ist ausgegeben bei der Wiederaufrichtung des
Gedenksteins an den Sieg, den Kurfürst Friedrich I. der Siegreiche von der Pfalz
am 30. Juni 1462 davongetragen hat.
(18) In der März-Sitzung der Rgl. Nordischen Alterthumsforscher-Gescllschaft
zu Kopenhagen sprach Hr. Mejborg über die
AehDlichkeit der schleswigschen Bauernhöfe mit den Gebäuden der mitt-
leren and älteren Zeit.
Der Redner wies auf einzelne schleswigsche Bauernhöfe und auf die an den-
selben angebrachten Zierrathen hin. Auf die Giebelverzierungen habe man be-
sonderes Gewicht gelegt und erwähnte Redner noch besonders die sogenannten
Brande. Das Wort Hausbrand komme noch auf Bomholm vor tmd sei in Jüt-
land noch in dem Pleonasmus Brandstange vorhanden. In Bayern habe Redner
das Wort gehört und in der Topstange der Schiffe finde man es ebenfalls noch
wieder. Viele Decorationen hätten die alten Gebäude wohl kaum gehabt, denn
sonst würden wir wohl noch Spuren davon gefunden haben; dagegen stehe aber
der Grundplan der Häuser uns desto klarer vor Augen. Der Redner zeigte als-
dann die 2jeichnung eines alten südschleswigschen (Gebäudes vor, das an die römi-
sche Basilika erinnerte; das Haus befindet sich in Klein-Dannevirke. Alsdann
zeigte er eine Nachbildung eines anderen basilikaartigen Gebäudes aus Dithmarschen
und 2ieichnungen von merkwürdigen südschleswigschen Höfen vor. Das inter-
essanteste sei jedoch das alte dänische Haus, wie man es aus der Voigtei Loe in
Schleswig kenne, mit Vorderdiele, Pissel und Klöwe. Der Redner zeigte ferner
interessante üeberreste von dänischen Thüren vor, an denen man früher Zapfen
(410)
statt Hängsei anbrachte. Schliesslich auch noch eine Zeichnung eines Rundhauses
von Alsen, einer der ältesten bekannten Hausformen, die noch jetzt in einem grossen
Theile von Asien angewandt wird. Das erwähnte Haus sei sehr leicht ausgeführt.
Es fehle aber nicht an runden Häusern, die wie die Tempel für längere Dauer
bestimmt seien. In den christlichen runden Kirchen \ind in den Kuppeln hätten
wir noch Ueberreste von dem alten ursprünglichen Hause.
(19) Der Lehrer Laurencak in Meggenhofen bittet um Beiträge zur Grün-
dung einer Volksbibliothek in Wels (Oesterreich).
(20) Hr. Rud. Virchow macht Mittheilung eines an ihn eingegangenen Schrei-
bens des correspondirenden Mitgliedes, Hrn. Paolo Orsi, Direktors des R. Museo
Archcologico Nazionale in Syracus vom 17. März, betreffend
archaische Gräher von Syracus and ein eigenthümliches Geräth von
trojanischem Muster.
„Da parecchio tempo era mia intenzione di scriverle, e precisamente daccbe
avenne la disgraziata perdita del nostro compianto Schliemann; eccole fuor' altro
le ragioni di codesta mia lettera.
„Lc sara gradito sapere che nell' estate del 1890 io ho fatto degli importanti
scavi e scoperte nelle necropoli preclleniche, e precisamente sicule di Melilli,
Castelluccio e Plemmirio, tutte nel territorio della provincia di Siracusa. Tali
scoperte saranno quanto prima da me illustrate nel Bullettino di Paletnologia
Italiana. Posso perö fin d'ora assicurarla, ed Ella se ne convincera presto, che esse
sono della piü alta importanza, perocche illustrano una pagina affatto nuova dcUa
antica etnografia italica e Siciliana. Sulla Sicilia noi si possedeva fin qui la mono-
grafta del von Andrian (Praehist. Studien aus Sicilien), buona sotto taiuni rispetti,
non sotto altri, perocche in essa fossero mescolati materiali di due diverse etu, e
tutti attribuiti a quella della pietra. I miei scavi furono eseguiti dentro necropoli
il cui tipo di tomba, scavato nella roccia, da noi si chiama a forno, da loro
Tedeschi „Fenstergrab". Tali sepolcri esistono a migliaga nei monti siracusani,
ma sono tutti devastati. Io potei trovarne, depo molte ricerche, alcuni di sanL
Curioso e il loro contenuto: Sempre numerosi scheletri, &no a 28 dentro una
sola cella che ha appena 2 m di diametro ; accompagnati da numerosi e magnifici
coltelli di selce (Fig. 1 — 3), non pero da altre armi e stromenti di tale materia.
In tutte le necropoli trovai pero traccie di bronzo (Fig. 4), in un sepolcro pezzino di
ferro. In altre necropoli, quella del Plemmirio, una spada e daghe del tipo di
Micene; e poi ambre, disgraziatamente in piccola quantita, accette di basalte, altre
minuscole di pietre dure (giadeite, nefrite), e, strano a dirsi, vasi dipinti in uno
Stile geometrico primitive.
„Tra gli altri oggetti poi delle curiosissime ossa lavorate decorate nella loro
snperficie di globoli simili a Scarabei (Fig. 5 — 7); essi parvero a me e ad altri delle
assolute unita, e Tunico riscontro che potrei trovare si e in un pezzo rinvennto dal
compianto Schliemann a Ilios, e da lui figurato nella sna edizione francese (Ilios,
trad. Egger). Con gli strati di Bios e di Micene credo di aver trovato parecchi altri
punti di contatto, specialmente nelle ceramiche e nei piccoli omamenti; Torrei
ora essere meglio informato sulla natura di codesto curioso oggetto e precisamente
se esso sia di osso o d^avorio, se sia o no decorato, ed in caso positivo come.
„Essende morto il Sig. Schliemann, e consigliato anche dal prof. von Dnhn
di Heidelbeii^, mi rivolgo a Lei per tali informazioni, snpponendo che tale oggetto
(411)
si trovi attaatmente al Unseo Etnografico di Berlino. Di ua suo cenno Le saio
molto obbligato.
„Nel mese rentaro iDvierö a codesta Societä, cni ho l'onore di appartmere, dno
cranii greci, prorenienti dalla necropoU grecti di Megara Bybiaea (VII e VI secolo
a. C.) nella qaale da piü mesi sto lavorando; spero saranno graditi.
NB. „Siccome il do del disegao dcII' Ilios di Scbliemann mi e andato smarrito,
ne, qui in Siracosa tengo quell' opera, Lc invio nna folografia dalla qaale potrk farai
UD concetto piü chiaro dei cnriosi oggetti. Sono della stessa prorenienza di qacsti
il coltello in bronzo e quelli di aplce, che vedoiui nella stessa fotografia." —
Hr. B. Virchow: Die Hittheilung des Hm. Orsi ist von hervorragender Wichtig-
keit Zum ersten Male erscheinen hier, an! einem so alten, aber anch so ent-
(412)
fernten Gulturboden, wie der Siciiien's, Fandsiücke, weiche nicht bloss an Mykenae,
sondern direkt an Troja anknüpfen. Meine Aufmerksamkeit auf diese uralten Fand-
statten, namentlich auch auf die Felsgräber bei Syracns, wurde schon bei Gelegen-
heit einer Reise im Frühjahr 1883 erregt; ich habe in der Sitzung unserer Gesell-
schaft vom 19. Mai 1883 (Verb. S. 280) ausführlich darüber berichtet, auch darauf
aufmerksam gemacht, dass diese Periode mit den ersten phönikischen Nieder-
lassungen auf der Insel zusammentreffen dürfte. Die Beobachtungen des Herrn
Urs i -gestatten, diese Betrachtung in verstärktem Maasse wieder aufzunehmen.
Von ganz besonderer Bedeutung sind die mit flachen Knöpfen besetzten
Knochengeräthe (Fig. 5 — 7), welche in unverkennbarer Weise mit trojanischen
Funden übereinstimmen. Schliemann hat sowohl in der deutschen, als in der
englischen Ausgabe seines Ilios nur ein solches Stück beschrieben und abgebildet
Es ist in beiden Ausgaben als Nr. 983 bezeichnet (S. 573 der deutschen, p. 514
der englischen Ausgabe). Er sagt darüber, es sei „ein sehr merkwürdiger Gegen-
stand aus einer vollkommen weissen Masse mit Spuren blauer Farbe an der Anssen-
seite. Er hat 9 halbkugelförmige Vorsprünge, ein Linearornament und an einem Ende
ein Loch, am anderen zwei Löcher, mittelst deren man ihn an einen anderen G^egen-
stand heftete. Ich glaube", sagt er, ^daher, dass dieser Gegenstand als Zierrath an
einer hölzernen Büchse diente. Im Bruch sieht er ganz wie Gyps aus, auch ist er
viel weicher und leichter als ägyptisches Porzellan. Da ich nie etwas gefunden habe,
was dieser Masse ähnlich war, und auch wegen ihrer blauen Farbe, die sonst in
Hissarlik nirgends vorkommt, glaube ich, dass dieser Gegenstand aus dem Aus-
lande eingeführt war". Leider ist dieses merkwürdige Stück, das in einer Tiefe
von 26 — 33 Fuss aufgefunden wurde, in der Schliemann-Sammlung unseres Museums
nicht vorhanden; es dürfiie sich noch in Athen befinden. Wäre es richtig, dass
die Knöpfe der sicilianischen Stücke Skarabäen gleichen, wie &. Orsi annimmt,
so wäre die Frage eines ägyptischen Ursprungs, die Schliemann offenbar in Be-
tracht gezogen hatte, gewiss sehr berechtigt. Wenn man indess die ganz glatte
und runde Beschaffenheit der platten Knöpfe in der Abbildung in Ilios in Betracht
zieht, so erscheint der Vergleich mit Skarabäen kaum zulässig; nur in den Abbil-
dungen des Hm. Orsi (Fig. 5 und 7) erscheinen auf der Fläche der Knöpfe ge-
wisse Zeichnungen, die wohl an Käfer erinnern könnten. Leider sind die Zeich-
nungen nicht scharf genug, um darüber urtheilen zu können. Zu bemerken ist
dabei, dass die Basis des einen sicilianischen Geräths (Fig. 7) ein Rauten-
ornament trägt, das an Schuppen erinnert, während die trojanischen ganz glatt sind,
nur dass die Basis der Knöpfe von concentrischen eingeschnittenen Linien um-
geben ist.
Das Berliner Museum besitzt jedoch ein zweites, ähnliches Stück. Dieses ist
nur in der französischen Ausgabe erwähnt und dort in einer Seitenansicht abgebildet
(Ilios, Ville et pays des iVoyens, traduit de TAnglais par Mme. Egger. Paris 1885.
p. 532. Fig. 564). Schliemann sagt darüber, es sei aus Elfenbein; es habe
5 halbkuglige Vorsprünge, wie Kuchen (pains), jeder auf 2 kreisförmige Ringe ge-
stellt; die Grundfläche gleiche einem Boot. Hier knüpft er unmittelbar an die
Phönicier an.
Bei der grossen Wichtigkeit dieses Stückes gebe ich nachstehend eine ge-
nauere Beschreibung. Hr. Conservator Ed. Krause hat die grosse Gefälligkeit
gehabt, einige Zeichnungen anzufertigen, welche hier in Autotypie (Fig. 8 — 9) an-
gefügt werden. Das Stück ist 7,5 an lang, 1,5 cm breit, und besteht aus einer
glänzend braunen, durch Längsrisse zerklüfteten Substanz, die ich nicht für
Elfenbein, sondern für Knochen halten möchte. Auf der flach gewölbten Ober-
(413)
aeite sitzen in einer Beihe 5 plattrundliche, etwa Figur 8. Kgnr 9
Kirsch engroBse, an der Basis etwns eingcschnllrte
Knöpfe, deren Oberllüche ganz glatt und einfach
ist Um ihre Basis rerlauTen auch hier ein Paar
ringfürniige, durch tiefe Einschnitte getrennte
Wulste. Die Oberseite ist sonst ganz glatt, ohne
jede Verzierung. Die Unterseite ist glatt und
leicht concav (Fig. 10, Dnrehschnitt) ; gegen die
abgerundeten ßndcn erhebt sie sich etwas; da-
durch entsteht die von Schlieraann erwähnte
Aehnlicbbeit mit einem Boot. Das eine Ende
ist etwas verletzt, das andere zeigt eine rund-
liche Grobe, gleich als ob man auch hier ver-
sucht habe, ein Loch zu bohren.
Ueber die Verwendung dieser sonderbaren
Gerüthc lassen sich maiichoriei Vormuthungen
aufstellen. Dass sie uls Beschliige für Büchsen
oder Kisten gedient haben, wie Schlieroiinn
meint, ist möglich; da aber diese Annahme vor-
zugsweise durch die Löcher des ersten Stückes
horrorgerufen war, and diese sowohl nn dem
/.weiten Stttck, als an den sicilianischen fehlen,
«0 vermindert sich diese Möglichkeit nicht
wenig. Die Gestalt and Grösse würde sonst um
ehesten zu der Annahme führen, dass die StUcke
uls Beläge von Griffen an Messern oder Dolchen
gedient haben- Bemerkens werth ist die Ge-
nauigkeit der Arbeit, die keineswegs den Ein-
druck macht, als seien die Stücke ganz aus
freier Hand gefertigt worden. Das Muster ist
so eigenthUmlich und das Ganze so abweichend Nftlfirliclic Grössp.
von den gewöhnlichen Vorkommnissen , dass
eine gemeinsame Quelle und ein ganz bestimmter Gebrauch vorausgesetzt werden
müssen. Da auch das zweite Stück in einer Tiefe von ^,50 m gefunden ist, so
gehört es jedenfalls den älteren Schichten von HissarÜk nn. —
Die von Herrn Orsi angekündigte Sendung von Schädeln von Megarn
Ilyblaca ist gleichfalls eingetroffen, aber leider in einem so xei-trümmerten Zu-
stande, dass eine branchbare Restauration unmöglich war. Die sehr brüchigen
Knochen sind auf dem Transport in eine grosse Menge von kleinen Bruchstücken
auseinandergegangen; nur Theile des Stirnbeins mit dem Ansätze der Nasenwurzel
sind erhalten. Von Unterkiefern ist keine Spur vorhanden.
Von dem Schädel Nr. I hat sich derjenige Theil des Daches, welcher den
Vorder- und Mittelkopf amfasst, noch einige rmaassen zusammensetzen lassen; das
Hinterhaupt fehlt fast ganz, ebenso die Basis und das Gesicht Nicht einmal der
Breitend nrchme SS er lüsst sich mit Sicherheit bestimmen. Die ßrUchigkeit der
Knochen und selbst der Zähne ist so gross gewesen, dass weder Geschlecht, noch
Alter genau erkennbar sind. Nichtsdestoweniger möchte ich sagen, dass der Ge-
sammteindruck auf eine weibliche Person von mittlerem Lebensalter hindeutet.
Die Knochen des Schüdeldacbcs sind leicht und dünn, die äussere und innere
Tafel schwach. Die Stirn ist schmal (Minimaldurchmesser nur 8ti mm), niedrig.
(414)
etwas schräg gestellt, die Orbitalwülste schwach, der Nasenfortsatz trotz grosser
Stirnhöhlen flach, die Glabella leicht vertieft. Die Parietalia sind kurz, stark ge-
bogen, und der Mittelkopf anscheinend breit. Da sich hinten ein ziemlich steiler
Abfall bemerkbar macht, so lässt sich auf einen mesocephalen, wenn nicht brachy-
cephalen Index schliessen. Die Nase erscheint am Ansatz kräftig, jedoch nicht
breit, die Wurzel ist wenig vertieft; das kurze Stück, welches vom Bücken er-
halten ist, zeigt eine leichte Einbiegung und eine schnell ansteigende Wandung.
Der Oberkiefer ist zart, ausgemacht orthognath; der Alveolarfortsatz sehr kurz,
16 mm.
In einem zweiten Packet waren Stücke von verschiedenartiger Beschaffenheit
vereinigt, die zu zwei verschiedenen Schädeln gehi)rt haben müssen.
Nr. 2 war wohl auch weiblich; das Aussehen ist noch glatter und zarter, als
bei Nr. 1. Von dem Dach hält nur ein Theil der Stirn zusammen: sie ist niedrig
und gerade, die Stirnhöhlen gross, aber nicht vorgewölbt. Der Ansatz der Nase
schmal, der Rücken eingebogen. Die Orbitae haben einen schön geschweiften
Obcrrand, scheinen aber klein gewesen zu sein. Der Oberkiefer deutlich ortho-
gnath, der Alveolarfortsatz kurz, gleichfalls 16 mm. Die 2iähne stark abgenutzt
Der Gaumen kurz und breit.
Nr. 3 ist gänzlich zertrümmert und verwittert. Die vorhandenen Bruchstücke
sind dick, an der Oberfläche rauh und uneben. Irgend eine genauere Angabe ist
unmöglich. —
Es ist ungemein zu bedauern, dass gerade diese altgriechischen Schädel, welche
einer so frühen Zeit der sicilianischen Oolonisation angehören, den Unfällen der
langen Reise erlegen sind. Manches spricht dafür, dass sie eine nicht geringe Aehn-
lichkeit mit dem Schädel aus einem griechischen Sarkophag von Akragas (Giigenti)
besessen haben, den Hr. Künne im vorigen Jahre mitgebracht hat und den ich
in der Sitzung vom 19. Juli 1890 (Verhandl. S. 415) beschrieben habe. Hoffentlich
wird die Nekropole von Megara noch andere Schädel liefern, und wir werden Hm.
Orsi sehr verpflichtet sein, wenn er uns einen Ersatz für den schmerzlichen Ver-
lust bieten könnte. —
(21) Hr. C. F. Lehmann hält einen Vortrag über
die Principien der metrologischen Forschiing and das ptolemäische Systen.
Derselbe — eine ausführliche Erwiderung auf Herrn Dörpfeld's Aufsatz:
„Ueber die Ableitung der griechisch-römischen Maasse von der babylonischen
Elle" (Zeitschr. f. Ethnol. XXII. 1890. S. 99—102) - wird später erscheinen,
(22) Hr. Grempler, der im vorigen Jahre in Moskau die Gesellschaft als
Delegirter vertreten hat, erstattet, unter theilweiser Benutzung des Referats von
Herrn Franz Heger (Mitth. der anthrop. Gesellsch. in Wien. Bd. XX. Neue Folge
Bd. X), Bericht über die
Verhandlongen des Vlil. rassischen Archäologen-Congresses in Moskau 1890.
Am 7. Februar 1864 htftte der verstorbene Graf üwarow sich mit einer
grösseren Zahl Gleichgesinnter zasammengethan imd die kaiserliche archäologische
Gesellschart in Moskau gegründet. Im Laufe der Jahre ist dieselbe aus beschei-
denen Anfangen zu einer der bedeutendsten wissenschaftlichen Gesellschaften
Russlands aufgewachsen. Ihre Schriften stehen in hohem Ansehen und enthalten
>ein reiches Material zur Kenntniss der Archäologie des rassischen Reiches.
(415)
Die Gesellschaft hatte ein weites Programm für ihre Bestrebungen aufgestellt,
entsprechend dem Material des weiten Reiches. Die ui*ge8chichtlichen, die classi-
sehen und byzantinischen Alterthümer reizten zum Sammeln; die Baudenkmäler
der russischen Architektur, der religiösen, der profanen wie der militärischen,
wurden ebenfalls in das Bereich des Stadiums der Gesellschaft gezogen.
Um die Funde zu bergen und für die Gesellschaft ein Versammlungslocal zu
gründen, wurde der Bau des historischen Museums unternommen, welches jetzt
als Prachtbau in der Nähe des Kreml steht und in seinen Räumen auch den
Oongress aufnahm. Wenn wir die reichhaltige Sammlung der dort aufgestellten
Funde, besonders aus dem Raukasus, betrachten, welche in der kurzen, Zeit
von 25 Jahren zu Stande gekommen ist, so ist dies auch dem Interesse zu ver-
danken, welches der Zar den Bestrebungen der Gesellschaft entgegenbringt, der
für die Forschungen im Raukasus allein 25 000 Rubel gespendet hat. Auch wett-
eifern die Geburts- und die Geldaristokratie Russlands darin, die Forschungen auf
dem Gebiete der Archäologie reichlich zu unterstützen.
Im Januar vergangenen Jahres feierte die Gesellschaft ihr 25 jähriges Jubiläum
und hatte an alle verwandten Gesellschafien Europas Einladungen ergehen lassen
zur Betheiligung an dieser Festfeier, an welche sich ein Oongress russischer
Archäologen und eine grosse Ausstellung schloss.
Die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte hatte
mich, wie der Verein für das Museum schlesischer Alterthümer zu Breslau, mit
dem Mandat eines Delegirten beehrt.
Am 8./20. Abends fand im historischen Museum das Stiftungsfest der kaiserlichen
archäologischen Gesellschaft statt. Grossfürst Sergei Alexandrowitsch, welcher das
Protoctorat übernommen hatte, wie seine hohe Gemahlin Elisabetha Feodorowna
verliehen sammt der ganzen ofßciellen Welt Moskaus, der Versammlung einen be-
sonderen Glanz. Die zahlreich erschienenen Delegirten der Universitäten, der
wissenschaftlichen Academien, Gesellschaften und Vereine Russlands, die Delegirten
Frankreichs, der deutsche und der österreichische Delegirte hielten ihre Begrüssungs-,
bezw. Glückwunschreden unter Ueberreichung von Adressen.
Frankreich hatte drei Delegirte entsandt: um. Emil Cartailhac vom franzö-
sischen Unterrichtsministerium, Baron de Baye von der Societe des Antiquaires
de la France und Graf Louis de Fleury von der archäologisch-historischen Ge-
sellschaft der Charente. Aus Deutschland war ich der einzige, aus Oesterreich-
Ungarn war Gustos Franz Heger als Delegirter der Wiener anhropologischen
Gesellschaft anwesend.
Am nächsten Tage fand die feierliche Eröffnung des VIIl. russischen archäo-
logischen Congresses durch den Grossfürsten Sergei statt. Nach dem 1885 er-
folgten Tode ihres Gemahls, des Grafen Uwarow, war seiner Gemahlin Praskownja
Sergejewna Gräfin Uwarow die Präsidentschaft der Moskauer archäologischen
Gesellschaft übertragen worden. Unter ihrem Vorsitz tagte der Oongress. An
ihren Bericht über die Vorarbeiten und die Arbeiten der Geseilschaft schloss sich
eine historische Skizze der bisherigen Archäologenversammlungen. Zum Schluss
entledigte sich Geheimrath Bogdanow des Auftrages seitens der anthropologischen
Gesellschaft in Paris, als Ort für den nächsten internationalen Archäologencongress
Moskau in Vorschlag zu bringen; derselbe wurde angenommen.
Am 10./22. Januar begannen die Sitzungen der einzelnen Scctionen, deren sich
folgende 9 constituirt hatten:
1) Vorgeschichtliche Alterthümer.
2) Historisch-geographische und ethnographische Alterthümer.
(416)
3) Denkmäler der schönen Künste.
4) Sitten and Gebräuehe in Rassland.
5) Religiöse Denkmäler.
6) Rassisch-slavische Sprach- and Schriftdenkmäler.
7) Classische, slavisch-byzantinische and westliche Alterthümer.
8) Orientalische und heidnische Alterthümer.
9) Archäographische Denkmäler.
Das Präsidium hatt 73 Fragen aufstellen lassen und für jede war ein Referent
bestellt worden. Ausserdem waren noch weitere 50 Fragen bezeichnet, über welche
es wünschenswerth sei zu discutiren.
Die Verhandlungssprache war die russische. Aus Courtoisie wurde mit Rück-
sicht auf uns Ausländer eine Sitzung in französischer und eine in deutscher Vor-
tragssprache veranstaltet.
Am 24. Januar (5. Februar) fand die Schlusssitznng des Congresses statt, in
welcher der Vorsitzende des wissenschaftlichen Comite's, Prof. D. M. Anutschin,
die Thätigkeit des Congresses resumirte. In den 16 Tagen hatten 3 allgemeine
Versammlungen und 31 Sectionssitzungen stattgefunden und waren 136 Vorträge
gehalten worden.
Dass die grosse Fülle von Aufgaben, welche das Programm gestellt hatte, in
so kurzer Zeit bewältigt werden konnte, verdankt die Versammlung nicht zum
geringsten Theile der sachkundigen Geschäftsleitung ihrer hochverdienten Präsi-
dentin, Gräfin Uwarow, welche sich ihrer Aufgabe in einer Weise entledigte, die
allen Anwesenden sichtlich imponirte. Ausser dem Dank für das Zustandekommen
und die treffliche Leitung des Congresses wurde der hohen Dame, welche die
Berliner anthropologische Gesellschaft zu ihren Ehrenmitgliedern zählt, eine silberne
Gedenktafel überreicht, auf welcher die Namen der Congressmitglieder eingravirt
waren.
Im Zusammenhang mit dem Congress fand eine grossartig angelegte archäo-
logische Ausstellung statt, die in 1 1 Räumen des historischen Museums etablirt war.
Abtheilung I enthielt eine Sammlung werthvollcr, alter russischer Spitzen aus
dem Besitz der Frau von Schabelski.
Abtheilung II: Vorgeschichtliche Alterthümer aus dem Museum von Twer,
russische Alterthtimcr von Choinavskij u. a.
Abtheilung III — VI: Kirchliche Alterthümer, namentlich von N. M. Postnikow.
Abtheilung VII: Seltenere Alterthümer aus verschiedenen Zeiten.
Abtheilung VIII: Alterthümer aus den Privatsammlungen von E. N. Skar-
if^inskij (aus dem Gouvernement Poltawa herrührend), der Gräfin Uwarow, femer
aus dem Museum von Rjasan (werthvolle Funde aus der Zeit der Völkerwande-
rung), aus Sibirien u. s. w.
Abtheilung IX: Eine Collection von Aiterthümem des historischen Museums,
des Museums von Minsk, und Funde aus den verschiedensten Theilen des Reiches.
Abtheilung X: Kaukasische Alterthümer aus der Sammlung der Gräfin
Uwarow (493 Nummern), zahlreiche permische Alterthümer von Tepluchow,
Semenow, die prachtvolle Sammlung der archäologischen Gesellschaft von Moskau,
Funde von Sizows Ausgrabungen im Kaukasus, Alterthümer aus dem Gouverne-
ment Wjatka.
Abtheilung XI: Privatsammlungen von Antonowitsch aus Kiew und Sa-
mokwassow aus Warschau.
Ich gebe in Folgendem kurz den Inhalt derjenigen Vorträge an, welche in
(417)
irgend einer Beziehung stehen zur Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte des
Westens. —
Prof. D. J. Bagalf j referirte über die Alterthümer im Gouvernement
Charkow. Auch in diesem Gouvernement sind die überall bekannten Perioden ver-
treten. Im Szjumer Bezirke stiess man auf Hämmer und Pfeilspitzen aus Stein. Von
Ausgrabungen sind jene von J. A. Zarjetzki im District Bogoduchow die bemerkens-
werthesten. Ein Gorodischtsche am Flusse Merl hat Alterthümer aus den verschieden-
sten Perioden geliefert: Steinäxte, einen Bronzecelt, etliche Eisen waffen und Münzen
von Septimius Severus. Von den Gorodischtschen, welche ebenso zahlreich hier vor-
kommen, wie die Kurganen, tragen die einen rein slavische Namen, während bei
den anderen türkisches Gepräge sich verräth. Auch die zahlreichen Steinbabas
sind nach Ansicht des Vortragenden den türkischen Stämmen, welche zu jener
Zeit in diesen Gegenden die Herrschaft ausübten, zuzuschreiben. In zweien der
durch Zarjetzki eröffneten Kurgane fanden sich Terracotten und Goldschmuck
mit Greifen und Löwen, wie wir sie an den Gestaden des schwarzen Meeres in
Olbia, Pantikapaeon, Phanagoria finden, und welche Zarjetzki der sogenannlen
scythischen Periode zuzuschreiben geneigt ist. Besonders hervorheben möchte ich
einen Lederköcher, welcher mit einem silbernen Kreuz verziert ist, neben wel-
chem sich eingravirte Greifen befinden. Zahlreiche Münzfunde kennzeichnen die
römische, die byzantinische und arabische Periode. Die römischen Münzen
stammen aus den ersten drei Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung, die
byzantinischen imd arabischen Münzen aus dem 6. bis 9. Jahrhundert. In den
Kurganen fanden sich zwei Bestattungsarten: Brandgräber und Skeletgräber.
Im ersten Falle waren die Brandreste in einer Urne beigesetzt, im anderen
ward der Todte sammt seinem Pferd, Köcher und Pfeil bestattet. In Betreff der
Lage des Skelets kamen hier zwei Varianten vor: einmal fanden sich die Skelette
in gestreckter Lage, ein andermal in hockender. —
Prof D. J. Samokwasssow aus Warschau über die Chronologie der
Grabhügelfunde in Mittel- und Südrussland.
Nach ihm lassen sich bei den mittel- und südrussischen Grabhügelfunden fünf
Altersperioden unterscheiden. Die erste, älteste, ist nach ihm die kimmerische,
welche bis zum 7. Jahrhundert vor Chr., bis zur wahrscheinlichen Ankunft der
Scythen an den Gestaden des schwarzen Meeres reicht. Die Grabhügel dieser
Periode liefern Gegenstände aus Knochen, Stein, Thon und Bronze; Eisen fehlt.
Zu diesen Grabhügeln rechnet er auch jene im Kubangebiet bei Kislowodsk und
Pjätigorsk (Ciskaukasien). — Die zweite Periode, die scythische, rechnet er vom
7. Jahrhundert vor Chr. bis zum 2. Jahrhundert nach Chr., eine Periode, welche bis
zur Gründung des getisch-sarmatischen Reiches zwischen Donau und Dnjepr
dauerte, und in welcher schon Münzen und eiserne Geräthe vorkommen. Am
bemerkenswerthesten sind die Gegenstände griechischer Herkunft, welche von
den Colonien am Pontus in das Innere des Reichs gelangten. Aus dieser Periode
stammen die Kurgane von Taman, der Krim und Südrussland bis zum Gouverne-
ment Kiew. — Als dritte Periode bezeichnet er die getisch-sarmatische vom 2. bis
6. Jahrhundert, als hier die Geten herrschten. Die Kurgane dieser Periode sind
voll von Münzen und Geräthen römischer Herkunft aus der Kaiserzeit. Hierher ge-
hört der Kurgan vom Dorf Jablonowka, ein anderer bei Kaiisch. — Als vierte Periode
sieht er die slavische vom G. Jahrhundet bis 1000 an. Die Gräber dieser Periode
enthalten byzantinische Münzen und Gegenstände. So die Grabhügel von Tschemi-
gow, Starodub u. s. w. — Als fünfte Periode stellt er die tatarisch-mongolische hin,
Verhandl. der Berl. Antbropol. üeselltchaft 1891. 27
(418)
welche durch tatarische Münzen, besonders aus den Gräbern im Gouvernement
Jekaterinoslaw, erkannt wird. —
Derselbe spricht weiter über den Bau der Kurgan^ von Aksitienec im
Kreise Romny, Gouvernement Poltawa. Er grub einen grosssen Kurgan aus, der
von ungefähr 400 kleineren umgeben war. Es fanden sich zwei Bronzemesser,
Bruchstücke eines Gefässes und Thierknochen, welche letztere nach Ansicht des
Redners von einem Leichensch mause herrührten. Die darunter liegende Schicht
wies Holzspuren auf und deutete damit wohl die eigentliche Grabstätte an. Hier
traf man auf ein Gefäss, einen Schweineschädel, Reste von Pferdegeschirr, vier
bronzene Zügelschmucke, schellenartige Bronzegehänge, Reste von Stoffen, vier
seltene Lanzenspitzen in einem Köcher, der ausserdem 93 Pfeilspitzen aus Bronze
und eine desgleichen aus Eisen enthielt; weiter ein Panzer, zwei Beile und eine
Lanzenspitze, — diese Gegenstände alle aus Eisen. Nach Samokwassow bildeten
sie die Rüstung des Verstorbenen. Das Skclet war nur theilweise erhalten, da
der Rurgan früher ausgeraubt worden ist. — Ein zweiter, noch unberührter
Grabhügel barg ähnliche Funde, ausserdem ein Gefäss, wie der Vortragende
vermuthet, von griechischer Herkunft, einen goldenen Henkel und den Hals
eines Kruges. Bei dem Skelet, in dessen Schädel ein Nagel steckte, lagen
Perlen aus Gold, Ohrringe und Schmuckplättchen, Armringe um die Armknochen;
an den Füssen bemerkte man rothe Farbe, Spiegel und Schwefelstücke. Dies
Skelet ist wahrscheinlich das einer Frau. Ein anderes Skelet hatte an der Seite
einen goldenen Schwertgriff und einen Köcher mit Lanzenspitzen, so dass es wohl
als das eines Mannes anzusprechen sein dürfte. —
Prof. W. B. Antonowicz aus Kiew spricht über die Bestattung in den
Kurganen des Gouvernement Kiew. Er unterscheidet dreierlei Bestattungs-
weisen, welche verschiedenen Perioden entsprechen sollen. Dieselben zerfallen
in mehrere ünterabtheilungen.
A. Steinzeit. Die Gräber dieser Periode zeigen wieder 3 Nuancen:
1) Grabhügel von massiger Grösse und arm an Inhalt, nur Steingeräthe ent-
haltend. Die Skelette befinden sich in gestreckter Lage auf einer Sandschicht und
sind mitunter in Birkenrinde eingewickelt.
2) Plachgräber, aus Steinplatten zusammengesetzt. Auf dem Boden der
Steinkisten stehen Thonge fasse, in welchen sich die verbrannten Knochenreste
finden. Die sehr sorgfältig zugeschliffenen Steinbeilchen sind besonders charakte-
ristisch für diese Gräber.
3) Grosse Grabhügel, in welchen sich mehrere Grabkammern be-
finden. In jeder dieser Kammern liegen ein bis mehrere Skelette in hockender
Lage. Zu diesen Grabhügeln gehören jene, welche Graf A. Bobrinskij ') in Smjäla,
Gouvernement Kiew ausgegraben hat. Typische Geräthc aus dies(jn Grabhügeln
sind gebohrte Steinhämmer und lange Ketten aus Bein. Das auffallendste in diesen
Gräbern ist, dass die Knochen mit einer Schicht Ocker überzogen sind.
B. Scythische Epoche. Die Gräber dieser Zeit sind meist gewölbeartig in
Stein eingehauen, das Inventar besteht zumeist aus Eisen, seltener Bronze. Charak-
teristisch sind die Pferdetrensen aus Eisen, Lanzenspitzen aus Bronze und Eisen,
Beile aus Eisen, namentlich aber eiserne Panzer. Daneben Spiegel aus Bronze,
Perlen aus Cameol, Achat, Jaspis, Ghis und Bernstein, und zahlreiche Thongefässee.
1) Knrgani i slucainija archoologicpckija nachodki bliz injästocka Smjäli. St. Peters-
burg 1887. Gr. 4« X, 172 pp. Mit 24 Tafoln und 2 Karten. In russischer Sprache.
(419)
Auffallend sind die grossen Töpfe mit Thierknoebenresten, welche darauf hinzu-
deuten scheinen, ' dass die Gefässe Speisen enthielten. Häufig fanden sich auch
Schwefelstücke und Farben, letztere aus Auripignient, Ocker und Zinnober. Mit-
unter fanden sich auch Schalen von Schneckenarten, die heute nur im mittel-
ländischen Meere leben.
c) Die slavische Epoche. In den Gräbern dieser Epoche findet sich selten
Gold, desto häufiger aber Silber. Antonowitsch nimmt verschiedene Modifi-
kationen dieser Bestattungsweise an, welche mehr geographischen, als chronologi-
schen Gesichtspunkten entsprechen. Im Norden des Gouvernements Kiew sind die
Gräber in anderer Weise ausgestattet. Rings um die Skelette finden sich eiserne
Nägel, welche von Holzsärgen, in denen die Leichen bestattet waren, herstammen
dürften. Thongefässe kommen hier nicht vor, hingegen Messer aus Bisen und
allerlei Schmuck aus Silber: Ohrgehänge, Ringe, Schnallen. Charakteristisch
sind die silbernen Zopfringe, die man in der Siebenzahl sammt dem Haarrest in
der Rückengegend findet. Dieselben stammen aus Prauengräbcm. Die Männer-
gräber werden charakterisirt durch die gleichzeitig vorkommenden Pferdeskelette.
Man fand menschliche Skelette in voller Ausrüstung aus Eisen, zu der auch ein
Helm gehört. —
Ferner spricht Professor W. B. Antono wicz über eine Wohn- und Werk-
stätte bei den Parogen (Stromschnellen) des Dnjepr. An der Mündung
der Sura in den Dnjepr zwischen den Parogen Sursky und Lochansky ist diese
Werkstätte gelegen. Auf den Feldern des Dorfes Wolosskoje fanden sich viele
Steingeräthe, namentlich Steinbeile, und da die Sage ging, dass hier im Boden
Schätze verborgen seien, wurde alles von der Bevölkerung durchwühlt. Thönerne
Scheiben mit Verzierung, Muschelschalen, Messer aus Quarz, steinerne Pfeilspitzen,
Wetzsteine und Knochengeräthe bildeten das Inventar. —
G. L. Skadowsky: Typen der Bestattungen in den Rurganen von
Bjelooserka im Gouvernement Cherson. Der Vortragende hat 7 Typen
der Bestattung festgestellt:
1) Aelterer Steinzeittypus. In den nicht tiefen Gräbern liegen die Skelette
auf dem Rücken mit ausgestreckten Armen, aber eingebogenen Knien. Auch hier
zeigen die Knochen rothe Färbung. Die Schädel sind dolichocephal. Als Bei-
gaben finden sich geschlagene und geschliffene Steine vor.
2) Steinzeit. Hier kommen die Skelette in seichten Vertiefungen in hocken-
der Lage vor. Die dolichocephalen Schädel liegen fast immer gegen Südost.
Häufiger als Steingeräthe finden sich Beigaben aus Bein. Starke Thongefässe
fehlen fast nie.
3) Das Skelet findet sich in einem Holzboot, welches mit einem zweiten
zugedeckt ist, in gestreckter Rückenlage. In einem Falle wurde eine Schnalle aus
Kupfer (Bronze?)*), ein Fingerring aus Eisen und oberhalb des Grabes die Knochen
eines Pferdes gefunden.
4) In den oberen Schichten der Grabhügel liegen die Skelette in gestreckter
Rückenlage. Bei diesen fällt besonders auf, dass sich unter don Beigaben Ge-
fässe griechischer Herkunft mit Inschriften, Medaillons mit figuralen Dar-
stellungen, Perlen aus Bergcrystall und Karneol, Ohrgehänge, Fingerringe, Arm-
1) Da die Fnndstücke nicht analysirt sind, welche als Kupfer angefahrt werden, so
erscheint mir diese Annahme mit Rücksicht auf die anderen Beigaben zweifelhaft; sie
dürften wohl von Bronze sein.
27*
(420)
ringe aus Kupfer (Bronze?) finden. Nach Ansicht des Vortrai^enden handelt es
sich hier um die Reste griechischer Kolonisten.
5) Skeletgräber in halbovalen Vertiefungen, weiche zu beiden Seiten Fortsätze
haben. Die Skelette liegen gestreckt, die Beigaben sind gleichmässig vertheilt,
auf der einen Seite fanden sich immer Schaf knochen(?), dabei stets eiserne Messer
mit Beingriff. Daneben schöne griechische Thongefässe, kupferne (^?) oder goldene
Ohrringe, Pingerringe aus Kupfer, ferner Senkblei 0*), Kupfer (?). Pfeilspitzen
und Schleudersteine wurden nur in einem Grabe gefunden. Auf den gleichzeitig
gefundenen Dachziegeln fand sich das Wappen der Kolonie Olbia mit einer
griechischen Inschrift, welche besagt, dass dieselben von einem Töpfer Namens
Poseidonius zur Zeit Apollodor's verfertigt wurden.
6) Katakombenartige Gräber, d. h. Grabkammern, wie sie in den Kur-
ganen noch erhalten sind: Pferdeskelette und Waffen zeichnen diese Grabkammem
aus. Gefässe griechischer Herkunft finden sich seltener vor. Redner glaubt, dass
diese und die unter Nr. 5 beschriebenen Gräber den Scythen zugehören; in den
ersteren will er die ansässigen Scythen und zwar die Kalliniden fierodots, in
letzteren die nomadische Bevölkerung Scythiens begraben wissen.
7) Skeletgräber in einer Vertiefung von Bootform in gestreckter
Rückenlage. Auf der einen Seite Bogen und Pfeilspitzen aus Eisen, auf der
anderen Pferdeknochen mit Resten von Sattel und Trense; daneben Schmuck Tür
das Gewand und das Pferdegeschirr mit verschiedenartigem Muster, mitunter mit
Rubinen (?) und Glasschmelz ausgelegt. —
Auch Hr. J. Chainowsky bringt Material zu der Frage über rothgefärbte
Skelette*)- Er berichtet über Funde aus dem Kurgan Säur, Gouvernement
Jekaterinosslaw, Bezirk Wierchniednieprowsk. Er zeigt einen dolichocephalcn
Schädel und rothgefärbte Knochen, welche er in diesem Kurgan gefunden hatte.
Der Schädel gehört nach seiner Ansicht zur Rasse von Cannstatt und charakterisirt
sich durch die Niedrigkeit der Stirn und die stark hervortretenden Augenbrauen-
bogen, auch ähnele er sehr dem bei Düsseldorf gefundenen. Für den Tiefstand
der Kultur der hier begrabenen Leute spricht ihm der gänzliche Mangel an Ge-
rät|ien. Es fanden sich keine Metalle, nur steinerne oder irdene Gefässe ohne
jede Ornamentik. Es handelt sich nach ihm um die ältesten Bewohner des
Dnjeprthales. Die rothe Färbung der Knochen erklärt Chainowskij damit, dass
dieses Volk die Haare roth färbte und sich auch mit ebenso gefärbten Thierfellen
bekleidete. Da die Verstorbenen in ihren gewöhnlichen Kleidern bestattet wurden,
so gingen auch die gefärbten Thierfelle mit in's Grab und lagerten nach seiner An-
sicht bei ihrer Vermoderung ihren Farbstoff als Niederschlag auf die Knochen ab. —
W. N. Poliwanow über einen alten Begräbnissplatz, sowie eine Be-
festigung bei dem Dorfe Muranki im Kreise Sjengilej, Gouvernement
Simbirsk.
Der Begräbnissplatz enthält Flachgräber mit Leichenbestattung aus der Mon-
golenzeit. Im Jahre 1880 wurden beim Bau eines Dammes die meisten Funde
von den Bauern verschleppt, die Gold- und Silbergeräthe eingeschmolzen. In den
Männergräbem finden sich die Reste von Pferdegeschirr und Waffen, letztere:
Aexte und Messer aus Eisen; zu Füssen immer ein Thongefäss. Die Gräber der
tVauen enthalten die eigenthümlich zugerichteten Haarflechten der Verstorbenen.
Eine solche Haarflechte auf eine Weidenruthe gewunden, ist an letztere durch
1) Vgl. Nadaillac, Moours «t monuments des peuples pr^'storiques. Paris 1888.
p. 280. Emile Cartailhac, La France prehistorique. Paris 1890. chap. VI.
(421)
kleine Lederrieraen festgemacht, dann ist die ganze Flechte in dünnes Leder ein-
gewickelt und in Baumrinde eingebettet. Der so entstandene Zopf, mit feinem
Silberdraht umwickelt, findet sich gemeinsam mit Glasperlen, Ohrgehängen,
Ringen u. s. w. vor. Die Skelette sind von vermodertem Holz umgeben und
scheinen die einzelnen Gräber früher durch Steine bezeichnet gewesen zu sein,
wie aus einem von Poliwanow gefundenen, regelmässig behauenen, oben ab-
gerundeten Steine mit einer Inschrift hervorzugehen scheint. Aus dem gleich-
zeitigen Funde von tatarischen Münzen aus dem Jahre 1330, der Regierungszeit
Usbeks, und einer aus dem Jahre 1346 geht hervor, dass es sich hier um tatarische
Gräber gehandelt hat.
Während sich auf diesen Gräbern niemals Erdhügel erheben, kommen in der
Nähe Hügelgräber vor, welche Poliwanow für bulgarisch und vorislamitisch an-
sieht. In dieser Gegend wohnten, wie geschichtlich nachgewiesen, einst die ehe-
mals heidnischen Bulgaren. —
N.M. Jadrincew spricht über: Die Verbreitung der Steingräber in der
Mongolei und in Sibirien (die sogenannten Kereksuren).
Er hebt die Verwandtschaft der von ihm in der Mongolei untersuchten Stein-
gräber mit denjenigen in Sibirien hervor. Am Baikalsce finden sich zwei Arten
derselben: viereckige, von Steinplatten umgeben, nnd runde, mit niederen Auf-
schüttungen und zum Theil von Steinplatten umlagert. Ihres ähnlichen Baues
wegen wären beide Arten einem Volke zuzuschreiben. Die Gräber an der Selenga
und deren NcbenOüssen wurden gleichfalls von Jadrincew untersucht; sie fanden
sich besonders häufig bei üst Kjachta. Am Orchon und an der Tola und Charula
fand er eine dritte Art von Gräbern, welche eine Uebergangsform zwischen den
beiden früheren darstellen, nehralich Steingrabhügel, welche von Steinplatten um-
geben sind. Die Form dieser Kereksuren ist verschieden, am grössten sind sie
am Orchon; auch ihre Zahl ist eine ungemein grosse. Nach Mittheilung eines
Mongolen sollen einzelne derselben Gegenstände von Gold und Silber enthalten
haben. Sie dürften von einem yolke herrühren, das mit der Steinbearbeitung ver-
traut war, und das ursprünglich in der Mongolei an der Selenga und am Orchon
wohnte, späterhin sich nach Westen zum Baikalsee und Jenissei ausbreitete. — •
Jadrincew berichtet auch über: Die Steinbabas in Sibirien und in der
'Mongolei*).
Mit den Kereksuren finden sich im Kreise Minussinsk und im Altai stets
Steinbabas vergesellschaftet; desgleichen in der Mongolei. Nach Jadrincew
wären sie hier wie da demselben Volke zuzuschreiben. Ihre Form, die gefalteten
Hände, ferner die Beigaben von Schwert und Becher bleiben sich immer gleich. Im
Kreise Minussinsk sind die Babas am vollendetsten und zeigen eine Art von Runen.
Am Zaisansee liegen 4 merkwürdige Grabhügel, wahrscheinlich Grabstätten her-
vorragender Personen. Vor diesen Gräbern steht ein grosser Stein mit eingehauenen
Schriftzeichen (?), daneben ein Obelisk mit runenartigen Zeichen und anderen
Schriften, von denen eine der chinesischen ähneln soll. In der Nähe liegen die
Figuren von Löwen und marmorne Statuen. Die letzteren sind ohne Kopf, tragen
lange Kleider und den Chodakis (Seidentücher, welche bei den Buddhisten in
Gebrauch sind). In der Hand halten sie Figuren, welche Menschen oder Götter,
denen der Kopf fehlt, vorstellen und den Steinbabas mit den gefalteten Händen
1) Zur Frage über die Herkunft der Steinbabas siehe Rud. Virchow, Gräberfeld von
Koban, sowie Kohn und Mehlis, Materialien zur Vorgeschichte des Menschen im öst-
lichen Europa. II, 8. 186.
(422)
ähnlich sind. Aus diesem Grunde dürfte ein Zusammenhang zwischen beiden
Arten bestehen. Jadrincew schlägt das Alter der besprocheneu Grabhügel auf
etwa 1000 Jahre an; ihre Herkunft ist nach ihm schwer festzustellen. Wenigstens
sollen sie nicht von den Mongolen, die jetzt dort wohnen, herrühren. Diese haben
nehmlich eine andere Bestattungsweise und schreiben selber die Grabhügel einem
fremden Volke zu. Ausserdem bieten ihre üeberlieferungen keinen Anhalt für die
Annahme, dass sie von ihren Vorfahren errichtet seien; auch entbehren die Mon-
golen, als ein Steppenvolk, die Kunst, Steine zu behauen. Da die Inschriften
fremdartigen Charakter haben, möchte Jadrincew die Bildwerke und Grabhügel,
indem er sich auf verschiedene Sagen stützt, den Kidonen und üiguren zuweisen.
Endlich spricht Jadrincew über Spuren asiatischer Kulturen in den
südrussischen und scythischen Alterthümern.
Indem er die scythische Kultur mit der sibirischen vergleicht, findet er eine
Aehnlichkeit der scythischen Kessel mit den westsibirischen, der scythischen Streit-
äxte mit denen der Kirgisen und Altaivölker. Auch von den Schwertern habe
Anutschin aus Moskau nachgewiesen, dass ihr Heft den BronzegrifiTen am Altai
ähnlich sei. Die scythischen Spiegel werden zahlreich in den Gräbern des Altai
gefmiden. Auch die Steinlagerungen um die Grabhügel bei den Scythen, der
Brauch derselben, Leute und Thiere auf den Gräbern zu schlachten, sowie die
Tödtungsart der Thiere haben ihr Analogen im fernen Osten. Ueberhaupt sei das
Studium der orientalischen Kultur geeignet, in der Scythcnfrage Licht zu verbreiten. —
Hr. A. A. Iwanowskij berichtet über das gleichzeitige Vorkommen des
Verbrennens und Begrabens bei den westmongolischen Torguten.
Die westraongolischen Torguten haben neben der Sitte der Leichenbestattung
auch die Leichenverbrennung beibehalten. Angesehene beliebte Personen werden
verbrannt, so die Geistlichen, die Bezirkshäuptlinge u. s. w. Die Weiber werden
nur selten, ausnahmsweise verbrannt. Vor 18 Jahren wurde die Leiche einer Frau
verbrannt, der es als Verdienst angerechnet war, 28 Kinder geboren zu haben.
Sonst werden die Leichen den Hunden vorgeworfen. Die Asche einer verbrannten
Leiche wird mit Lehm zusammengeknetet und daraus die Gestalt des Todten her-
gestellt und am Orte der Verbrennung aufgestellt. Einst machte man diese
Baoas auch aus Stein. Nach einem Erdbeben jedoch und folgend den Mahn-
worten des torgutischen Helden Merkyt wurde das Material geändert In der
rechten Hand hält jede Baba ein Gefäss, in welches ein Theil der Asche unter-
gebracht wird, denn der Engel der Auferweckung der Todten hat dieselbe einst
nöthig. Zur Zeit der Steinbabas legte man einen Theil der Asche untpr das Stand-
bild, den anderen in das Gefäss. Wer bei Lebzeiten einen Dolch trug, der ist
auch mit einem Dolch abgebildet, daher fehlt derselbe bei den Priestern. Steckt
der Dolch hinter dem Gürtel, dann heisst es, dass er die Steinbaba eines Fürsten
vorstelle, der im Greisenalter abgedankt hat. Am Gürtel hängen gewöhnlich kleine
Krüge, die den Säcken ähnlich sind, welche die Torguten jetzt tragen und in
denen sie Fett zum Beschmieren der Bogensehnen aufbewahren. Iwanowskij
hat an GO Gräber beobachtet (davon 40 am Tarbagatai). Potanin hat solche
Gräber in Nordwestmongolien, Kiemen z im Bezirk Minussbsk, Jadrincew im
Altai und im Thale des Kok-su und am Flusse Orchon gesehen. An diese Gräber
schloss sich eine lange Reihe von Steinen. Die chinesischen Chroniken sagen,
dass diese von den Dulgassen, welche am südlichen Abhänge des Altai wohnten,
abstammen. Sie behaupten, dass die Dulgassen bei jedem Grabe eine Figur des
Verstorbenen mit der Beschreibung der Schlachten, an denen er theilgcnommen
hatte, aufstellten und dass die Zahl der Steine um das Grab die Anzahl der von
(423)
ihm getödtcn Feinde bezeichne. Nach Iwanowskij ist diese Ansicht falsch. E!r
meint vielmehr, dass diese Steine sich auf eine Sitte der chinesischen Kirgisen
beziehen. Stirbt einer von diesen, so bringt jeder Verwandte einen Stein mit und
stellt ihn auf das Grab; ehemals wurden die Steine reihenweis gestellt, jetzt werden
dieselben regellos auf die Gräber gesetzt, um dieselben vor den Wölfen zu sichern
und dann auch, um nicht so viel vom Boden verloren gehen zu lassen, denn nach
dem Volksglauben ist die Erde mit den Steinen Eigenthum des Todten, wo man
weder Ribitken aufstellen, noch Vieh weiden lassen kann. Was die vorherrschende
Östliche Richtung dieser Steine anbelangt, so glaubt Iwanowskij, dass diese in
Zusammenhang stehe mit den religiösen Anschauungen, nach welchen die Seele
in das Paradies in östlicher Richtung gehe. —
Zur Frage der Steinbabas sprach auch Herr M. E. Brandenburg. Er
öffnete einen mit einem Steinbaba versehenen Grabhügel im letzten Sommer im
Mariupoler Bezirke (am asowschen Meer, Gouvernement Jekatennoslaw), am
Flusse Karatysch. Die Baba stellt einen Mann dar, mit dem Gesicht nach Osten
gewendet. Darunter befand sich eine Steinschicht, in welcher eine zweite kopflose,
gegen Osten gerichtete Baba entdeckt wurde. In der Steinaufschüttung fanden sich
Scherben von Thonge fassen und 4 Gräber. In zweien derselben lagen die Skelette
gegen Osten, in zwei anderen gegen Norden gerichtet. Zwischen den Füssen eines
der Skelette lag ein Pferdeschädel. Rings umher standen steinere, schön oma-
mentirte Töpfe, sowie bronzene Geräthe von scythischem Typus. —
Graf Louis de Fleury: De quelques horodysczes du bassin de la
Vistule. Die Gorodischtsches am linken Weichselufer verzeichnete zuerst
Ossowski auf seiner archäologischen Karte von Polen (1881) und sah sie für
üeberreste aus der Steinzeit an. Lissauer (1887) dagegen setzte sie in die von
ihm als nordarabisch bezeichnet« Periode, d. h. in's 7. bis 10. Jahrhundert unserer
Zeitrechnung de BMeury meint, manche dieser Burgen könnten wohl aus so
später Zeit sein, viele aber seien weit älter. In den Akropolen Vorderasiens,
Griechenlands und Italiens sieht er ähnliche Aufschüttungen, nur bestanden diese
aus einem anderen Materiale. Bei den Röniern und in den griechischen Kolonien,
mit denen sie in Berührung kamen, mögen die Bewohner der Weichselufer den
Bau solcher Burgen kennen gelernt haben, de Fleury sucht seine Ansicht durch
den Hinweis auf die Funde im Gorodischtsche Wisna (Gouvernement Lomza in
Polen) zu stützen, welcher in der Geschichte um das Jahr 1170, dann 1294 er-
wähnt wird und auf welchem noch im 17. Jahrhundert eine hölzerne Burg ge-
standen hat. Dort haben sich in den untersten Schichten Münzen aus der Zeit
der Antonine gefunden und gerade dieser Fund bestimmte de Fleury, die Er-
richtung dieser Burgwälle mindestens in die Zeit der Antonine hinaufzurücken. —
Interessant in Betreflf der Altersbestimmung der Gorodischtsches war der Vor-
trag des Herrn W. J. Sizow, in welchem er über den Gorodischtsche von
Djakowo bei Moskau und dessen Verhältniss zu den Grabhügeln von
Moskau und Smolensk berichtete.
Der Gorodischtsche, zuerst von Samokwassow ohne besonderen Erfolg, dann
von Sizow genau durchforscht, hatte annähernd die Form eines Dreiecks und
lieferte eine interessante Ausbeute. In der untersten Schicht lagen knöcherne
Pfeilspitzen, ein geschliffenes Steinplättchen und andere Gegenstände. Die darüber
lagernden Schichten enthielten wenig Alterthümer, darunter das Bruchstück eines
Thongefässes mit Wellenomament, das als specifisch slavisch betrachtet werden
kann. Die B^unde erinnern an die aus dem Gorodischtsches in den Gouvernements
(424)
Wjatka, Kasan und Perm. Die von Samokwassow aus den oberen Lagen ge-
sammelten Gegenstände gehören einer älteren Zeit an, nicht dem 10. bis 11. Jahr-
hundert, und sind ganz verschieden von den sonst im Gouvernement Moskau ge-
fundenen Artefakten. Diese sind jünger und dürften in die Zeit nach dem 11. Jahr-
hundert gehören. Zu dieser Zeitbestimmung gelangte Sizow durch die Funde in
den gleichalterigen Kurganen der Gouvernements Smolensk, Wladimir und Twer,
in welchen auch Münzen angetroffen wurden. Nach Sizow gehörte das Volk,
welches den Gorodischtsche von Djakowo erbaute, zu den ürbewohuem des Gou-
vernements Moskau und sind die Funde dem Stile nach gleich jenen der ältesten
Anwohner der Wolga und Kama, welche Finnen waren. Die Erbauer der Rurgane
dürften nach seinen Ausführungen den Slaven nahe stehen. —
Hr. F. Heger spricht über die kaukasischen Gräberfelder und deren
Beziehungen zum Westen.
Die archäologische Durchforschung des Kaukasus, die namentlich seit dem
fünften russischen Archäologen-Kongress von Tiflis, vornehmlich in Ossetien, vor-
genommen wurde, hat sehr wichtiges Material ergeben und dadurch unseren Ge-
sichtskreis bedeutend erweitert. Die Funde von Kasbek und Koban wurden für
die Urgeschichte des Kaukasus von Wichtigkeit, doch erst der Kongress von Tiflis
verhalf ihnen zu grösserer Bekanntschaft, die durch die Werke von Virchow und
Chantre gefördert wurde. In Kussland war es der jetzt verstorbene Präsident
des Kongresses, Graf Uwarow, welcher die Wichtigkeit dieser Funde sofort er-
kannte und eine ausgezeichnete Sammlung davon zusammenbrachte. Neuerdings
haben sich die Fundstätten aus jener Zeit sehr vermehrt; besonders haben die |
Funde von Faskau und Kumbulte unsere Kenntniss erweitert, während andere
Fundstätten in Digorien (Kamunta, Donifars, Galiatha, Machtschesk u. a) reiches
Material aus jüngeren Zeiten ergaben. Aus einer Vergleichung der älteren Funde
aus dem Kaukasus mit denen von Hallstatt, Watsch, St. Margarethen u. s. w. zieht
Hr. Heger den Schluss, dass eine direkte Beziehung zwischen dem östlichen
und westlichen Kulturgebiet nicht anzunehmen sei, beide vielmehr von einem
dritten, das etwa im Süden zu suchen wäre, beeinflusst sein könnten. Er vermuthet,
dass die älteren kaukasischen Gräberfelder wahrscheinlich einer jüngeren Zeit an-
gehören, jedenfalls nicht der Hallstattperiode entstammen. —
E. Cartailhac aus Toulouse: Des lumieres que Tarchöologie pre- (
historique russe peut projeter sur TEurope occidentale.
Die russische Alterthumskunde scheint bestimmt zu sein, für Westeuropa von
Bedeutung zii werden, da sie zur Aufhellung noch dunkeler Punkte vieles bei-
tragen kann. Wenn Quatrefages Sibirien als die Urheimath der Menschenrasse
annimmt, so scheinen für seine Hypothese auch Thatsachen zu sprechen. Die
Spuren des Menschen, der vor der Eiszeit auf der Erde erschien und sich anfangs
roh bearbeiteter Steine bediente, sind in Russland noch selten und werden durch
plumpe Steingeräthe und zugerichtete Mammuthknochen bezeichnet Je weiter
man nach Westen geht, um so grösser aber wird die Zahl, und um so vervoll-
kommneter das Aussehen der Geräthschaften. Dies lässt wohl schliessen, dass der
Mensch von Nordosten her nach Südwesten sich ausgebreitet habe. Von der
russischen Archäologie erwartet Cartailhac auch Aufklärung über die Verbreitung
der Nephritgeräthe und Dolmen. Sie hat nach seiner Ansicht schon die Theorie
von der Ableitung der Eisenbearbeitung aus AfWka durch die Eisen- und Kupfer-
funde aus dem Kaukasus und Sibirien mächtig erschüttert. In dieser Hiniiicht
würden die kaukasischen Gräberfunde von grosser Bedeutung für die Forschung
werden.
I
(425)
Baron J. de Baye: LMnfluence Orientale dans le bestiaire deeoratif
des peuples gerroaniqaes. Nach ihm rührt der Ursprung vieler Thiergestalten
in der älteren abendländischen Kunst, namentlich der Greifen und Drachen, aus
dem Osten her. —
Prof. J. N. Srairnow: Spuren des Kannibalismus in der wotjaki-
schen Volkspoesie. Eine Fundgrube des Kannibalismus bieten die wotjaki-
sehen Märchen. In einem derselben findet sich auch das Verzehren des Herzens
des besiegten Feindes wieder. Auf Kannibalismus beruhten ferner die Menschen-
opfer, galt ihnen doch Gott auch als Kannibale und glauben die Wotjaken noch
jetzt an Leute, welche Theile des menschlichen Körpers verspeisen, um Eigen-
schaften des Todten zu erben. Ebenso ist der Glaube an Vampyre verbreitet.
Smirnow bezieht Herodots Erwähnung der Menschenfresser, die nördlich von den
Scythen wohnen sollten, auf die damals noch dem Anthropophagismus ergebenen
Wotjaken. —
Hr. Aspelin (Helsingfors) weist die Spuren des Einflusses der Gothen
in Nordrussland aus Gräberfunden nach und zwar in den ersten fünf Jahr-
hunderten nach Christi Geburt, nicht bloss auf die Finnen, sondern wahrscheinlich
auch auf die Slaven. Dieser Nachweis, sowie die Anzahl von Fundobjekten, so
der Fibel aus dem 3. — 5. Jahrhundert, welche in Kussland von den Küsten des
schwarzen Meeres bis zu den Gestaden der Ostsee in den Flussgebieten des
Dnjepr, Dnjstr, Bug, der Düna und Weichsel vorkommen, lässt alte Verkehrswege
östlich der Karpathen erkennen, welche bisher wenig betont wurden. —
Im Anschluss an diese Frage gab ich ein Referat über den Grabfund von
Sackrau, welcher in den Funden, von denen Saraokwassow sprach, von Jablo-
nowka und Kaiisch, seine Analogien findet. (Funde von Sackrau, Berlin 1888.
Hugo Spamer.) Es ist mir nicht gestattet, im Detail auf die berührten Fragen
einzugehen, deren ausführliche Besprechung über den Rahmen meines Referats
hinausgehen würde. —
Aus dem diesmal in Moskau gebotenen, reichen Stoffe für Anthropologie,
Ethnologie und Urgeschichte kömien Sie ermessen, was Ihnen der nächstjährige
internationale Kongress ebendaselbst verspricht. Möchten die deutschen Anthropo-
logen diese Gelegenheit, sich über die russischen archäologischen Forschungen zu
unterrichten, nicht verabsäumen.
(23) Hr. Grempler legt den Abguss eines
Elchhominstrnments mit gezähnter Schneide
vor, welches auf den Rieselfeldern von Osswitz, 1 Stunde nördlich von Breslau
an der Oder, mit einem Paar Schlittschuhen aus Knochen und einem, an der
Wurzel quer abgeschnittenen Bärenzahn gesammelt worden ist. In der Nähe der
Stelle ist die sogenannte Schwedenschanze, von wo das Breslauer Museum
alte Topfwaaren und Bronze besitzt. Hr. Grempler hat daselbst noch im vorigen
Jahre Gräber ausgegraben und Aschenumen mit Bronzeschmuck gefunden. Das
Instrument aus Eichhorn möchte er mit der Weberei in Verbindung bringen, etwa
zum Aufkratzen von Wolle oder Flachs*). —
1) Das Correspondenzblatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft, 1890, Nr. 7,
bringt eine Originalnotiz des Hni -Grempler nebst einer Abbildung des Instruments
t^vgl. ebendaselbst Nr. 2).
(426)
Hr. E. Krause bemerkt, dass ähnliche Geräthe, aus Holz geschnitzt und eben-
falls mit Zähnen, wenn auch etwas grösseren, versehen, zur Herstellung von Ver-
zierungen auf dem Lehmbewurf der Wände auf dem Lande in mehreren Gegenden
Deutschlands benutzt werden. In dem alten Hause, das bis gegen 1880 mitten in
Picheisdorf, bei Spandau, stand, waren die Innenwände mit Lehmputz beworfen
und mittelst des erwähnten Geräthes mit Verzierungen, ähnlich denen auf wendi-
schen Burgwallscherben und Gefässen, verziert und zwar kurz vor 1877. Das
vorgelegte Geräth sieht Hr. Krause als einen Schaber für die Herstellung von
Töpfen an, das in derselben Weise gebraucht wurde, wie die gleichfalls gezähnten
Grundkratzer und Kratzer für Gyps und die gezähnten „Schlingen" für Thon noch
heute von unseren Bildhauern gebraucht werden, nehmlich zur Entfernung der
Masse an Stellen, wo sie bei der Bearbeitung der Töpfe mit der Hand zu dick
aufgetragen ist und über das Profil des Topfes herausragt. Die Abnutzung der
Zähne an ihren Spitzen spricht für diese Ansicht. —
Hr. Olshausen: Zu dem Geräth mit gezahnter Schneide kann ich ein Ana-
logon nachweisen: eine „Axt" aus Eichhorn von Willenberg bei Marienbui^,
Westpreussen, Katalog der prähistorischen Ausstellung zu Berlin 1888, S. 427,
Fig. 21. Tischler hielt das Stück für die Nachbildung eines eisernen Geltes und
der gekerbten Schneide wegen für ein Paradestück, nicht für einen Gebrauchs-
gegenstand. Genauere Anhaltspunkte für sein Alter fehlen sonst. Einige eingravirte
Verzierungen gleichen Krückenkreuzen, bei denen die Kreuze selbst doppellinig
ausgeführt sind, die Krücken aus halbmondförmigen einfachen Linien bestehen.
Welches die richtige Deutung dieser Geräthe sein mag und ob eine gezahnte
hölzerne Kelle, die zum Ornamentiren des Lehmbewurfs der Wendenhäuser in
der Lausitz diente (Verhandl. 1877, S. 449 und T. 20, 2), und auf die mich Herr
Voss nachträglich hinweist, mit denselben in Zusammenhang zu bringen ist, lasse
ich dahingestellt. —
(24) Hr. Grcmpler bespricht einen
Goldfand, der Angabe nach aus Schlesien.
Der aus Golddraht hergestellte Goldschrauck
ist mit anderen Gegenständen aus Gold, welche
sämmtlich zusammen in Schlesien gefunden sein
sollen, von einem Händler erworben.
Der Golddraht ist zu einem Ringe zu-
sammengebogen, welcher im Lichten 0,6 misst;
nach unten schlagen sich beide Golddräbte ein-
mal umeinander, sind rollenartig aufgewickelt
und bilden einen zweiten kleineren Ring, wel-
cher im Lichten 0,24 misst und gleichsam ein
Anhängsel zu dem grösseren Reif bildet Wäh-
rend der Draht des Reifes torquirt ist, ist der
rollenartig aufgewickelte glatt. Der verwendete
Golddraht ist 0,01 stark.
Mit dem Ringe habe ich gleichzeitig eine
dattelförmige Perle von Goldblech er-
worben. Aaf das Goldblech sind zwischen zwei
eingepresste Längsstäbe Querstäbchen eingo-
(427)
presst. Die Perle endet oben in eine Oehse, unten in einen Knopf und scheint
der Anfang eines Ohrringes gewesen zu sein.
Endlich gehörten zu dem Funde Röhren von Goldblech, mit eingepressten
Ricven und 6 kleine Goldknöpfchen. Bei meinem letzten Besuch des Museums
in Budapest im Monat Juni fand ich einen ganz gleichen Goldreif mit rollen-
förmigem Anhängsel. Derselbe stammt aus Siebenbürgen, doch ist Weiteres dar-
über nicht bekannt, namentlich nicht, was die Zeit anlangt, aus welcher er stammt.
Hr. Hampel meinte, es sei ein Ohrring, welcher über die Ohrmuschel gehängt
wurde. —
(25) Hr. Grempler bespricht die von dem Kreisbauinspector Brinkmann
veranstaltete Untersuchung des Burgwalls von Haidevorwerk im Kreise
Wohlau (Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde 1890, S. 29) und zeigt, dass
einige der daselbst gefundenen Gegenstände, die sich im Breslauer Museum be-
finden, modern seien.
(26) Hr. Grempler legt eine Anzahl von Schädeln aus schlesischen
Gräberfeldern vor.
Hr. R. Virchow: Die vorgelegten Schädel, von denen jeder von einem anderen
Fundplatzc stammt, sind unter einander sehr verschieden. Nur einer derselben ist
so weit erhalten, dass die Hauptmaasse genommen werden können.
1) Der Schädel vonSillmenau im Kreise Breslau ist offenbar weiblich. Das
Gesicht fehlt, dagegen ist die Schädelkapsel erträglich erhalten. Die Knochen
haben eine stark gelbbraune Farbe, kleben an der Zunge, dürften aber doch ver-
hältnissmässig recent sein. Die Nähte sind offen und in voller Ordnung, nur ist
die Lambdanaht stärker gezackt und an der hinteren Zacke der Ala tcmporalis
links findet sich ein abgetrenntes Stück. Rechts zwei grössere flache Exostosen.
Der Rauminhalt beträgt 1365 ccm^ der Horizontalumfang 507 mm. Die Form ist
hypsibrachycephal. Das Hinterhaupt gross, gewölbt, Index 27,6, keine Protub.
externa. An der Stirn weder Orbital- noch Nasenwülste.
2) Von dem Schädel von Langen au, Kr. Leobschütz, ist nur das Dach vor-
handen, Seitentheile, Basis und Gesicht fehlen. Hinterhaupt und Stirn sind ziem-
lich vollständig erhalten. Die Knochen sind dünn, licht brauugelb, kleben an der
Zunge. Index dolichocephal. Stirn niedrig, gerade, breit (101 mm), der Nasen-
fortsatz breit und flach. Parietalia sehr lang, Hinterhaupt hoch, gewölbt, Index
ungefähr 28,2. Der horizontale und sagittale Umfang gross (516 und 374 mm).
Trotzdem dürfte auch dieser Schädel weiblich sein. Soviel ich verstehe, stammt
er aus einem neolithischen Grabe.
3) An dem Schädel von Wilkowitz, Kr. Breslau, fehlt die rechte Seiten-
gegend, ein Theil der Basis und das Gesicht, Er sieht sehr braun aus; die Ober-
fläche der Knochen ist überall von Pflanzenwurzeln benagt. Die Brüche, durch
welche die Ränder der fast einer Trinkschale ähnlichen Calvaria begrenzt werden,
sind alt und überall abgerundet. An den Seitentheilen der Coronaria Synostosen.
Allem Anschein nach ist das Stück posthum verdrückt worden; es ist ungemein
lang und schmal. Die Knochen im Granzen zart. Stirn niedrig, leicht schräg ge-
stellt, keine Glabella, Nasenfortsatz breit und etwas vortretend, aber schwache
Wülste, Tubera deutlich. Parietalia lang, gestreckte, fast horizontale Scheitelcurve.
Hinterhaupt gross, ohne Protuberanz. Warzen fortsatz kräftig, von männlichem
Aussehen. Foramen magnum schief. Nase schmal, Rücken etwas eingebogen,
(428)
stark vorspringend, leicht gerundet. Wahrscheinlich war auch dieser Schädel
dolichocephal : seine grosse Horizontal länge von 198 mm und sein Sagittalumfang
von 383 mm vertragen sich kaum mit einem anderen fndex.
Die Tabelle der Maasse ergiebt Folgendes:
Schlesische GräberschUdel
Sillmenau
I. Messungen.
Capacität
Grösste horizontale Länge . .
„ Breite
Gerade Höhe
Ohrhöhe
Hinterhauptslänge
Basilare Länge
Stimbreite
Horizontalumfang
Sagittalumfang der Stirn . . .
„ der Parietalia .
„ des Hinterhaupts
Ganzer Sagittalbogen ....
II. Indices.
Längenbreitenindex
Längenhöhenindex
Ohrhöhenindex . .
Hinterhauptsindex
1365
170
147
132
111
47
100
98
507
130
113
112
355
86,5
77,6
65,3
27,6
Langenau
184
138
52?
101
516
131
130
113
374
75,0
VVilkowitz
$?
198
119
38?
129
180
124
883
28,2?
60,1
19,1?
(27) Hr. Rud. Virchow bespricht den in der Gesellschaft anwesenden
heteradelphen Inder Laloo.
Hr. R. Neu mann, der Direktor des Passage-Panopticums, der auch heute
sich der Mühe unterzogen hat, den interessanten Heteradelphen zu uns zu führen,
hatte schon in der vorigen Woche eine Anzahl von Mitgliedern unserer Gesell-
schaft zur Besichtigung desselben eingeladen. Ich war daher schon am 9. März
in der Lage, die Persönlichkeit etwas genauer zu prüfen.
Die Existenz derselben ist der Gesellschaft seit mehreren Jahren bekannt.
Hr. Carl Hagenbeck hatte mir im Jahre 188G eine Photographie des jungen
Menschen eingesendet und ich habe sie in der Sitzung vom 20. Juni desselben
Jahres (Verh. 1886. S. 373 mit Abbildung) vorgelegt und kurz besprochen. Jetxt
aber haben wir zum ersten Mal Gelegenheit, die merkwürdige Missbildung vor
uns zu sehen, — eine Gelegenheit, die für diese Art der Monstrosität überhaupt
zu den recht seltenen gehört. Zugleich lernen wir in seinem Führer einen indi-
schen Parsi kennen.
Laloo ist von dunkelgelber Hautfarbe, dunklen Augen und tiefschwarzem Haar,
der Angabe nach aus dem Stamme der Rajputen und zu Oovon im Königrtneh
Oudh geboren. Sein Alter wird auf 18—19 Jahre geschätzt. In seiner Familie ist
(429)
kein ähnlicher Fall vorgekommen. Er ist das zweite Kind seiner Eltern; die etwas
ältere Schwester und zwei jüngere Söhne, die inzwischen gestorben sind, waren
ganz normal gebildet. Er wurde in Kopflage geboren, während die Arme des
implantirten Kindes seinen Nacken umfassten*).
Gegenwärtig ist Laloo ziemlich erwachsen. Er ist ein intelligenter, frischer
und munterer Bursche. Sein im Ganzen magerer Körper hat eine Höhe von 5 Fuss
2 Zoll engl, und ist überall proportionirt. In der Oberbauchgegend sitzt ein sehr
sonderbares Gebilde, das in den Ankündigungen als ein weiblicher Körper be-
zeichnet wird. Dies ist nun freilich ein Irrthum: wie wir alsbald sehen werden,
kann kein Zweifel darüber sein, dass der angehängte Körper gleichfalls ein männ-
licher ist. Aber es ist nur ein Fragment eines solchen, ohne Kopf, Hals und
Rumpf, also das gerade Gegenstück eines Torso. Wenigstens ist äusserlich nichts
von dem angehängten Körper zu sehen, als die oberen und unteren Extremitäten
mit den nächst angrenzenden Theilen der Brust- und Beckengegend. Es handelt
sich also um die äussere Implantation ei^ies in seinen Haupttheilen
defekten parasitären Zwillings.
In der gewöhnlichen Stellung hängen die Oberextremitäten schlaff herab neben
der grösseren und strafferen Masse der Unterextremitäten, welche in den Hüften
und Knien stark gebogen und steif sind. Dabei ist die 'Befestigung der Ober-
extremitäten eine so lose, dass sie ohne Schwierigkeit nach rechts oder nach links
von der Masse der ünterextremitäten gelegt oder auch nach oben erhoben Werden
können. Wenn letzteres geschieht, so sieht man deutlich, dass die Vorderseite
des implantirten Körpers der Vorderseite von Laloo zugewendet ist, oder, anders
ausgedrückt, dass beide Körper mit ihrer Vorderseite an einander befestigt sind.
Dem entsprechend bemerkt man an der Haut, die zwnscheji beiden Schultern
des implantirten Körpers ausgespannt ist, zwei kleine Brustwarzen und über
den ünterextremitäten eine grössere, kuglige Hervorragung, welche der Gesäss- und
Kreuzgegend des Parasiten angehört. Die Nates sind voll und zeigen links starke
Narben, welche durch eine Verbrennung mittelst einer Parafftn-Lampe entstanden
sein sollen. Unter den Nates sieht man an der Stelle des geschlossenen Anus
eine röthliche, glatte Stelle, nach Art einer Narbe, und von da zieht sich nach
vom eine nahtähnliche Linie hin. Am vorderen und unteren Umfange der Becken-
kngel sitzt ein kleiner perforirter Penis inmitten einer, mit langem schwarzem
Haar bedeckten Stelle, die sich ziemlich weit nach rückwärts fortzieht. Hinter dem
Penis eine leichte Vorwölbung, dem Scrotum entsprechend, jedoch ohne unter-
scheidbaren Inhalt, wie denn überhaupt bei tieferem Andrücken der Hintergrund
sich weich anfühlt. Keine Spur einer sonstigen Oeffnung.
Die verhältnissmässig langen Oberextremitäten sind bis zu den Pingerspitzen
ausgebildet, aber sehr mager und mit allerlei Abnormitäten versehen. Rechts fehlt
der Daumen und das Handgelenk ist gebogen ; links ist die Hand verkrümmt und
der Daumen gegen die Hohlhand gewendet. Die Unterextremitäten haben, wie schon
erwähnt, noch viel stärkere Abweichungen erlitten. Der rechte Fuss hat die
Stellung eines Talipes varus und besitzt nur 3 Zehen. Der linke ist weniger ver-
krümmt und vollkommen entwickelt. Sowohl die Ober- als die Unterschenkel
sind dünn und atrophisch, die letzteren auch verkürzt und ihre Muskulatur fast
ganz defekt. Die Knien stark gebogen und anchylotisch; die Haut der Kniekehle
1) Der Führer hat eine ganz gut geschriebene Erklärung bei sich: An interesting
treatise on the marvellous Indian boj Laloo, brought to this country bj M. D. Pracis.
Leicester. Vgl. auch British Med. Joum. 1888. No. 1417.
(430)
gespannt und in einer Palte, fast wie eine Scheide, vortretend. Die Patella sehr
klein. Auch die Htiftgegend ist flektirt und steif.
In der Oberbauchgegend geht die Haut von Laloo ohne Grenze in die Haut
des Parasiten über. Der Nabel des erstercn liegt unter der Vereinigung; er ist
flach, ganz straff und von einem gewöhnlichen Nabel recht verschieden. Von
ihm bis zum Schwertfoi*tsatz des Brustbeins von Laloo reicht die Vereinigung.
Die Verhältnisse am oberen Umfange derselben sind schwer zu bestimmen: man
fühlt im dem Brustbein von Laloo ein breit herabsteigendes Knochenstück, schein-
bar einen vergrösserten Schw^ertfortsatz, aber bei tieferem Eindrücken kommt man
dahinter auf einen zweiten flachen Knochen, der nach oben hin unter dem ersteren
verschwindet. Darnach könnte es fast scheinen, als ob der grössere äussere
Knochen dem Parasiten angehört.
Alle äusseren Theile des letzteren sind bewegungslos; der Wille von Laloo
hat keinen anderen Einfluss auf sie, als dass sie, wie fremde Körper, hin und her
geschoben werden können. Dagegen hat die Haut überall Gefühl. Bei Ent-
blössung röthen sich diese Theile sehr schnell, sie werden bläulich und erkalten
alsbald, weshalb sie in der Regel bedeckt getragen werden. Zu diesem Zwecke
ist eine besondere Kleidung (Schuhe und Strümpfe, Hosen und Aermeljacke) für
den Parasiten angeschafft, in welcher derselbe wie ♦eine grosse Puppe aussieht.
Die einzige selbständige Thätigkeit des Parasiten äussert sich im Harn lassen,
welches ohne deutliche Empfindung von Seite Laloo's erfolgt, meist jedoch mehr
tropfenweise, in Form eines Stillicidium. Daraus scheint hervorzugehen, dass der
Parasit eigene Nieren und vielleicht eigene Blase hat.
Von sonstigen inneren Theiten lässt sich nur mit Wahrscheinlichkeit die
Existenz eines Darmstückes vermuthen. Man fühlt in der Gegend oberhalb der
Genitalien einen Inhalt, und zwar in einer Gegend, die gelegentlich etwas an-
schwillt, so dass Laloo um dieselbe eine Art von Bruchband anlegt, um das Ein-
treten von Därmen aus der gemeinsamen Bauchhöhle zu verhindern. Denn man
muss sich die Einrichtung der letzteren wohl so vorstellen, wie sie in einem Prä-
parat der Sammlung des Pathologischen Instituts (Nr. 6065), das ich vorzeige, be-
steht.
Dieses Präparat, von einem Neugebornen stammend, ist seiner Zeit unter der
I^eitung von Rudolphi durch Joannes Wirtensohn (Duonim monstrorum dupli-
cium humanorum descriptio anatomica. Specimen inaugurale. Berol. 1825) sehr
sorgfältig beschrieben worden, und da es äusserlich (Tab. 1) unserem Laloo in
höchstem Maasse ähnlich ist*), so wird man wohl annehmen dürfen, dass auch die
inneren Verhältnisse im Grossen übereinstimmen. Freilich hat in diesem Falle
der Parasit ein Rectum mit einem offenen Anus, aber die Bauchhöhle war gemein-
sam and die beiderseitigen Dünndärme, an welche sich weiterhin je ein Coecum
mit Proc. vermiformis anschloss, vereinigten sich zu einem Divertikel, welches dem
Nabel ansass (Tab. II. Fig. 3). So ungefähr, jedoch weniger ausgebildet, dürften
auch die Verhältnisse bei Laloo's Parasiten sein.
Ich erwähne kurz, dass in dem Falle Ton Wirtensohn 2 Lebern, 3 Nieren
(2 einfache und eine verschmolzene) und ebenso 3 Nebennieren, sowie 3 Lungen
vorhanden waren. Von besonderem Interesse ist aber die Einrichtung des Gefass-
systems: das Herz war nicht bloss einfach, sondern auch einkammerig, selbst
das Septum atriorum fehlte (Tab. U. Fig. 2); dagegen hatte das linke Atrium 3 Herz-
1) Ein anderer ähnlicher Fall ist in einer Dissertation von Bergholti (Taf. I) ab-
gehandelt
(431)
ohren. Von dem Arcus aortae entsprang eine ungewöhnlich grosse Subclavia
sinistra, aus dieser eine Mammaria intema, welche bis zu dem Schulterblatte des
Parasiten fortging und die Aorta desselben darstellt. Letztere gab zunächst 2 Arterien
für die Arme, sodann Aeste für die Nebenniere und den Dünndarm, dann eine
A. mesaraica und 4 Aa. renales, dann eine A. epigastrica und die beiden Aa. iliacae,
welche wiederum je eine A hypogastrica und eine A. cruralis lieferten. Hunc igitur
in modum ex arteriae majoris corporis subclaviae sinistrae ramo, mammariae in-
ternae respondente, totum exoritur corporis accessorii systema arteriarum (Wirten-
sohn p. 15). Der Parasit gehört also zu der sonderbaren Gruppe der sogenannten
Acardiaci, der Herzlosen, und zwar zu der Unterabtheilung der Acephali, der
Kopflosen, nur dass er nicht, wie diese, seine Gefässe aus dem Nabclstrang, son-
dern direkt aus einem an sich regelmässigen Ast des Körperarteriensystems be-
zieht. Unter der grossen Zahl der Doppelmissbildungen nimmt er eine noch viel
mehr hervorragende Stellung ein, als die neulich besprochenen Xiphodymen.
Der Name Heteradelphus ist 182G von Geoffroy-St. Hilaire dem Vater auf-
gestellt worden (Isidore G. St. Hilaire, Hist. des anomalies de Torganisation chez
Thomme et les animaux. Paris 1836. T. HI p. 215). Ich ziehe denselben der
neueren Bezeichnung Dipygus parasiticus (Fr. Ahlfeld, Die Missbildungen des
Menschen. 1. Abschn. Leipzig 1880. S. 95) nicht bloss aus historischen Grtnden
vor, sondern auch deshalb, weil die neue Bezeichnung höchst unvollkommen den
Zustand ausdrückt, der uns in solchen Fällen, wie der von Laloo, entgegentritt.
(28) Eingegangene Schriften.
1. Turner, W., On the Placentation of the Lemurs. London 1876. (Extr. Phil.
Trans. Royal Soc.)
2. Derselbe, On the Placentation of the Apes. London 1878. (Extr. Phil. Trans.
Royal Soc.)
3. Derselbe, The comparative osteology of races of men comprising parts XXIX
and XLVII of the zoological series of reports of the scientific results of
the voyage of H. M. S. Challenger. Edinburgh 1884—1886.
4. Derselbe, Address to the anthropological section of the British Association.
London 1889.
5. Derselbe, The convolutions of the brain. London 1890. (Extr. Jour. of anat.
and phys.)
6. Derselbe, The cell theory, past and present. Edinburgh 1890. (Extr. Jour.
anat. and phys.)
7. Derselbe, On variability in human structure. (Extr. Jour. of anat and phys.
vol. XXI.)
8. Derselbe, Comparison of the convolutions of the seals and walrus with those
of the Carnivora. (Extr. Jour. of anat. and phys. vol. XXII.)
9. Derselbe, Two masks and a skull from islands near New Guinea. (Extr. Jour.
of anat. and phys. vol. XIV.)
Nr. 1 9 Gesch. d. Verf.
10. de Baye, J., Note sur des epees trouvees en Suede et en Norwege. Caen
1890. (Extr. Bull. Mon.) Gesch. d. Verf.
11. Szombathy, J., Die Tumuli von Gemeinlebam. Ausgegraben von A. Dungel.
Wien 1890. (Sep.-Abdr. Mitth. prähist. Comm.) Gesch. d. Verf.
12. Schellhas, P., Vergleichende Studien auf dem Felde der Maya-Alterthümer.
Leiden 1890. (Sep.-Abdr. Internat. Archiv) Gesch. d. Verf.
(432)
13. Milchhoefer, A., Die Anfange der Kunst in Griechenland. Leipzig 188*^.
Gesch. d. Verf.
14. Hamy, E. T., Anthropologie du Mexique. I. 2. Paris 1890. Fol. (Miss.
scient. au Mexiqne.) Gesch. d. Verf.
15. Heger, F., Reisen im Kaukasus, in Transcaspien und Russisch-Turkestan.
(Juni bis October 1890.) Theilnahrae am VlII. rassischen Archäologen-
Congress in Moskau. Besuch von St. Petersburg. Wien 1890. (Sep.-
Abdr. Ann. k. k. Naturhist. Hofmus.)
16. Derselbe, Der achte russische Archäologen-Congress in Moskau 1890. Der
achte Congress russischer Naturforscher und Aerzte in St. Petersburg 1890.
Wien 1892. (Sep.-Abdr. Mitth. Anthrop. Ges.)
Nr. 15 und 16 Gesch. d. Verf.
17. Petriceicu-Hasdeu, B., Etymologicum magnum Komanae. Dietionarul
limbei istorice si poporane a Romanilor, Tom 1. fasc. 1 — 4. Bucuresci
1885—1887. gr. 8^
18. Derselbe, Etymologicum magnum Romaniae. Dietionarul limbei istorice si
poporane a Romänilot, Tom II, fasc. 1 — 3. Bucuresci 1890. gr. 8^
Nr. 17 und 18 Gesch. v. d. rumän. Acad.
19. Ernst, A., Venezuelanische Thongefässe und Thonfiguren. Ixjiden 1890.
(Sep.-Abdr. Archiv f. Ethn.) Gesch. d. Verf.
20. Culin, St., The Thing or „Patriotic Rising". (Sep.-Abdr. Rep. Proc. Numism.
Antiq. Soc. of Philad. 1887—1889.) Chinese secret societies in the ü. S.
(Sep.-Abdr. Journal Americ. Folk-lore, Peb.-March 1890.) Custoros of
Chinese in America. (Sep.-Abdr. Journal Americ. Folk-lore, Juli-Sept
1890.) Philad. 1887—1890. Gesch. d. Verf.
21. Boas, F., Physical characteristics of the Indians of the North PaciAc coast.
(Sep.-Abdr. Americ. Anthrop., Jan. 1891.) Gesch. d. Verf.
22. Treichel, A., Handwerks-Ansprachen. Königsberg i. Pr. 1890. (Sep.-Abdr.
Altpr. Monatsschr.)
23. Derselbe. Recension über „Was auf märkischer Haide spriesst**, von E.
Handtmann.
Nr. 22 und 23 Gesch. d. Verf.
24. Holm, G., Bidrag til Kjendskabet om Eskimoernes Herkomst. Kjöbenhavn
1891. (Sep.-Abdr. Geogr. Tidskr.) Gesch. d. Verf.
25. Powell, J. W., Report, Annual, of the U. S. geological survey to the secre-
tary of the interior 1887/88. Washington 1890. Gesch. der Smiths. Inst.
26. Tit Bits, Chinese. Shanghai. Gesch. v. Hrn. Mies.
27. Stokvis, B. J., üeber vergleichende Rassenpathologie. Berlin 1890. (Sep.
Abdr. Vcrhandl. d. X. internat. med. Congr.) Gesch. v. Hrn. R. Virchow.
28. Orsi, P., Urne funebri cretesi dipinte nello stile di Micenc. Roma 1890.
(Estr. Mon. ant.) Gesch. d. Verf.
20. V. Radimsky und Szombathy, J., Urgeschichtliche Forschungen der Um-
gegend von Wies in Mittel-Steiermark. Wien 1891. (11. u. HI. Bericht
Grabungen Jahre 1881 — 1883. IV. Schlussbemerkungen.) Gesch. d. Verf.
30. Ploss, H., Das Weib in der Natur- und Völkerkunde. Dritte Aufl. Heraus-
gegeben von M. Bartels. Leipzig 1891. Gesch. d. Herausg.
31. Staudinger, P., Im Herzen der Haussaländer. Berlin 1889. Gesch. d. Verf.
32. Terry, J., Sculptured anthropoid ape heads. New York 1891. Gesch. d. Verf.
33. Borsari, F., Etnologia Italica. Napoli 1891. Gesch. v. Verf.
Sitzung vom 30. Mai 1891.
Vorsitzender Hr. Virchow.
(1) Wiederum ist die Gesellschaft durch mehrere sehr bedauemswerthe Todes-
fälle betroffen worden. Es starben das correspondirende Mitglied Richard Seh o m-
burgk zu Adelaide, 80 Jahre alt, seit 1865 Leiter des botanischen Gartens der
Regierung, am 24. März, ferner das ordentliche Mitglied Amtsgerichtsrath Niendorf
in Berlin und das lebenslängliche Mitglied L. Sokolowski zu Wreschen.
(2) Am 20. April starb in seinem 64. Lebensjahre Prof. Dr. Handelmann in
Kiel, seit 1866 Konservator der schleswig-holsteinschen Alterthümer, einer unserer
treuen Mitarbeiter. 18 Jahre hat er die Direktion des archäologischen Museums
in Kiel geführt. Zahlreiche Arbeiten geben Zeugniss von seiner ausgedehnten
Kenntniss der historischen und prähistorischen Thatsachen seiner Provinz.
(3) Hr. Dr. Tischler in Königsberg ist leider von Neuem so schwer erkrankt,
dass er die Geschäfte der diesjährigen Generalversammlung zu Königsberg nicht
zu leiten im Stande ist. Da auch Dr. Bujack, der Direktor des Prussia-Museums,
vor Kurzem, verstorben ist, so hat der Vorstand der deutschen anthropologischen
Gesellschaft dem Wunsche des Hrn. Tischler, für diesmal von der Abhaltung
der Generalversammlung in Königsberg Abstand zu nehmen, nachgegeben und sich
entschlossen, die freundliche Einladung der naturforschenden Gesellschaft in Danzig
anzunehmen und die Generalversammlung nach Danzig einzuberufen.
Der Entwurf des Programms wird vorgelegt.
(4) Der stellvertretende Vorsitzende Hr. Beyrich hat am 18. Mai in grosser
Verborgenheit sein 50 jähriges Dienstjubiläum begangen. Da er sich alle Ovationen
verbeten hatte, so widmet ihm der Voraitzende nunmehr theilnehmende Worte
ehrender Anerkennung und herzlichsten Dankes für seine treuen und langen Dienste.
(5) Hr. Bastian ist glücklich von seiner langen und beschwerlichen For-
schungsreise zurückgekehrt, wünscht sich aber vorläufig noch der Theilnahme an
den Geschäften der Gesellschaft zu enthalten.
(6) Hr. F. Ja gor berichtet in einem Briefe an den Vorsitzenden aus Rangun
vom 16. April über den ferneren Verlauf seiner Reise und über zahlreiche wissen-
schaftliche Anknüpfungen mit Gelehrten in Indien.
(7) Als neues Mitglied wird Hr. Schriftsteller Paul Hirschfeld zu Berlin an-
gemeldet.
(8) Als Gäste sind in der Sitzung anwesend die Herren Dr. Bardaz aus
Wien und Dr. Chantre von Paris.
Verhandl. der Berl. AothropoL Gesellschaft 1891. 28
(434)
(9) Seine Majestät der Kaiser hat mittelst Allerhöchsten Erlasses yora
13. April die Mitglieder der Sachverständigen-Commissionen für die König!.
Museen für die Periode bis zum 31. März 1894 zu ernennen geruht. Damach
besteht:
1) die Commission für die ethnologische Abtheilung des Museums für Völker-
kunde aus den Herren Bastian, R. Virchow, F. Jagor, W. Reiss und
Freiherr von Richthofen als Mitgliedern, Wetzstein, R. Hartmann,
M. Bartels, W. Joest und R. Künne als Stellvertretern;
2) die Commission für die yorgeschichtliche Abtheilung desselben Museums
aus den Herren Voss, R. Virchow und W. Schwartz als Mitgliedern,
M. Bartels, v. Kaufmann und A. v. Heyden als Stellvertretern.
(10) Es stehen folgende Congresse und Jahresversammlungen in Aus-
sicht:
1) der Societe helvctique des sciences naturelles zwischen 19. bis
21. August zu Freiburg.
2) der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Halle
mit einer anthropologisch-ethnologischen Section am 21. — 25. September.
3) des II. internationalen Congresses für Folk-Lore am 1. — 7. October
in London.
(11) Die Kaiserliche Gesellschaft der Freunde der Naturwissen-
schaften, der Anthropologie und Ethnographie zu Moskau hat am
22. September 1890 eine neue Section für Geographie unter Vorsitz des Prof.
Dr. Anutschin gebildet und bittet um gegenseitigen Austausch der Gesellschafls-
schriften.
(12) Die spanische Regierung beabsichtigt, zu der 400jähngen Jubel-
feier von Columbus eine Ausstellung in Madrid von allen Gegenständen zu
veranstalten, welche geeignet sind, die verschiedenen Entwickelungsphasen des
amerikanischen Volkes seit Entdeckung des neuen Continents zur Anschauung zu
bringen. Seitens des spanischen Botschafters Conde de Banuelos ist zur Förde-
rung dieser Angelegenheit in Berlin ein Comite niedergesetzt worden, dessen Prä-
sident der Botschafter selbst, dessen Vicepräsident Hr. Virchow ist.
(13) Das Kaiserl. hydrographische Amt hat mit Schreiben vom 1.
ein Exemplar des Werkes über die Forschungsreise S. M. S. Gazelle al«
Geschenk der Gesellschaft übersendet, dessen anthropologischen Theil Hr. R Hart-
mann bearbeitet hat.
Der Vorsitzende spricht dafür den Dank der Gesellschaft aus.
(14) Seitens des Hrn. Unterrichtsministers sind mehrere Berichte über
neuere Aiterthumsfunde für die Nachrichten eingegangen. Der neue Hr. Cnter-
richtsminister bringt der anthropologischen Wissenschaft grosses Interesse entgegen.
(15) Fräulein F. Lemke berichtet aus Rombitten, 1. Mai über
die ostprenssischen Lippowaner.
Nachstehendes entnehme ich der Mohrunger Kreis-Zeitung (zugleich Amtliches
Rii'isblatt) Xr. 48, vom 23. April d. J. „In einer Waldblösse der JohannisbuiKer
(435)
Porst, einer der bedeutendsten Waldungen des preussischen Staates, liegen zwei
ansehnliche Dörfer, welche sich von den sehr ärmlichen Dörfern Masurens vor-
theilhaft unterscheiden. Auch die Bewohner dieser Dörfer unterscheiden sich
wesentlich von den meist kleinen, unansehnlichen und dem Trünke ergebenen
Masuren. Es sind dies die sogenannten Pilipponen oder Lippowaner. Woher ihr
Name kommt, ist mit Sicherheit nicht anzugeben. Ihrer Abstammung nach sind
sie Russen, ihrer Religion nach Raskolniken (raskolniki = Abtrünnige, Ketzer, von
raskol = Kirchenspaltung) der griechisch-orthodoxen Kirche Russlands. Wahrschein-
lich ist, dass die Lippowaner Ende des 18. Jahrhunderts aus Russland vertrieben
worden sind und dass ein Theil derselben hier eine Colonie gegründet hat. Die
Pilipponen scheeren weder Haupt- noch Barthaar; sie geniessen nlr gewisse Speisen,
auch ist ihnen der Genuss von Branntwein und Wein untersagt. Sie bewahren,
was sich schon durch Beibehaltung der altherkömmlichen Tracht verräth, eine
strenge Zurtlckgezogenheit. Sie zeichnen sich vor den Masuren durch Pleiss und
Ordnungsliebe aus, sind aber z. Th. sehr fanatisch und abergläubisch und hegen
auf Grund missverstandener Bibelsiellen eine grosse Verachtung gegen das irdische
Leben, was viele Selbstmorde zur Polge hat. Schlank, stattlich, dunkelbärtig, mit
regelmässigen, oft sogar schönen Gesichtszügen, gehen die Lippowaner langsam,
würdevoll einher. Sie tragen fast gleichmässig einen langen blauen Rock und
eine spitze graue Mütze, welche ihre hohen Gestalten noch grösser erscheinen
lässt. Sic zeigen ausserordentliche Energie, Andersgläubige zum übertritt zu
ihrem Glauben zu bewegen. Der Uebertretende wird aber vorher vielen und z. Th.
schweren Prüfungen unterworfen. Im Uebrigen ist das innere Wesen dieser höchst
merkwürdigen Sekte zum grossen Theilc unbekannt, da sie Andersgläubigen den
Zutritt zu ihren Andachten nicht gestatten. Ihre Religionsvorschriften sind meist
geschrieben."
(16) Präulein E. Lemke berichtet aus Rombitten, 1. Mai, über
Bandweben in Ostprenssen.
Die mehrfach in diesen Verhandlungen erwähnten Geräthschaften zum Band-
weben traf ich auch im Kreise Neidenburg, Ostpreussen, an. Das Webebrett, in
welchem die Aufzug-Päden abwechselnd durch lange schmale Einschnitte und
durch kleine runde Löcher geführt sind, heisst daselbst „Leiterchen" oder „drapka".
Der Einschlag-Paden befindet sich auf dem „Schiffchen" oder „kliszka". Die
Aufzug-Päden sind auf den „Stock" oder „ky" gewickelt, der beim Weben am
Penster befestigt wird. Ein abwechselndes Heben und Senken des Webebrettes
ermöglicht verschiedene Lage der Aufzug-Päden, deren Zahl bei dem „Band" oder
„schnurrek" gewöhnlich 16 beträgt. Zuweilen sind die Geräthschaften zierlich ge-
schmückt, z. B. das Webebrett durch eingeschnittene Piguren, etwa Herz und Stern.
(17) Hr. Ernst H. L. Krause in Kiel berichtigt unter dem 23. April eine frühere
Mittheilung über die
Weihnachtsbäume.
Mein Vater macht mich darauf aufmerksam, dass in meiner Mittheilung, betr.
den Weihnachtsbaum (Verhandl. 1890. S. 606) ein Irrthum steckt. Der Martini-
baum gehört nicht nach Göttingen, sondern nach Bfeld (1837 — 1841) also nach
Thüringen.
28*
(436)
(18) Hr. P. Blumentritt übersendet aus Leitmeritz (Böhmen), 14. Mai, fol-
gende Notizen über
Eingebome der Philippinen.
1) Die Atas von Süd-Luzon.
Den Namen Ata führen meist Negritos; in den Provinzen Camarines Norte,
Camarines Sur und Albay hat er aber die Bedeutung von „Wilde" angenommen,
denn er wird auf alle Bergstämme ohne Rücksicht auf deren Rassenzugehörigkeit
angewendet Insbesondere nennt man so: 1) die aus einer Kreuzung der Bicols
mit Negritos entstandenen und mehr zu den letzteren, als zu den ersteren, gehörigen
Heiden der Provinz Camarines Sur; 2) jene Negritos, welche in der Nähe der
warmen Quellen« von Tivi in der Provinz Albay hausen. Auch diese Negritos
sind kein Vollblut, sondern mit Bicols gekreuzt, wie sich dies schon aus ihrem
kräftigeren Körperbau und dem minder wolligen oder gekräuselten Haare ergiebt.
Während alle übrigen Negritos entweder ausschliesslich oder vorwiegend von der
Jagd leben, bildet bei den Atas von Tivi die Jagd nur einen Nebenerwerb, da sie
hauptsächlich von dem Ertrage ihrer Felder leben; bemerkenswerth ist, dass sie
auch Cacao bauen, also eine Frucht, welche einer besonderen Pflege bedarf.
2) Ilocanischer Hochzeitsbrauch.
Die Eltern der Brautleute oder vielmehr deren respective Väter stellen den
Ehevertrag zusammen; es kommt nicht selten vor, dass erst kurz vor der Trauung
die Brautleute sich kennen lernen. Die Verlobung — Patiam in ihrer Sprache —
wird öfiTentlich bekannt gemacht und der Tag der kirchlichen Trauung (denn die
Ilocanen sind, wie alle Küstenbewohner der Insel Luzön, Katholiken) angesetzt
Reich und Arm eilt nun herbei, um den Brautleuten Glück zu wünschen, wobei
jedes ein Geldgeschenk mitbringt Diese .Gabe soll nicht nur als Entschädi-
gung für die Bewirthung des Gratulanten, sondern auch als Ersatz für die
Kosten des splendiden Hochzeitsfestes dienen, welche der Vater des Bräutigams
aus seiner Tasche zu begleichen hat Jede Gabe wird in eine Liste eingetragen
und diese bei der Hochzeitstafel öffentlich verlesen. Von der Kirche bewegt sich
unter dem feierlichen Geläute der Glocken und den Klängen einer Musikkapelle
der Brautzug in das Haus, welches die Neuvermählten bewohnen sollen. Hier
nehmen die Elternpaare Braut und Bräutigam bei der Hand und führen sie zu
einem Hausaltar, vor welchem unter Musikbegleitung das Te Deum laudamns
gesungen wird, worauf die jungen Elheleute ihren Eltern, den greisen und vor^
nehrasten Gästen die Hand küsssen. Das Ehepaar setzt sich vor dem Altare nieder
und während die älteren Gäste die Mutter der jungen Frau, besonders durch Dar-
reichen von Reiswein (Basi), zu trösten suchen, tanzt die Jugend den philippini-
schen Nationaltanz Cundiman, wobei ein Paar das andere ablöst Meist pflegt
ein alter Mann eine (spanische) Guitarre zu nehmen und singt dann Volkslieder,
wobei das Brautpaar imd die Gäste mitsingen. Mit einer grossen Schmauserei
nimmt das Fest ein Ende. —
(19) Hr. Otto Hertz hat dem Vorsitzenden aus St Petersburg anter dem
30. April folgenden Brief übersendet, betrefifend
Schädelmessongen an Tangnsen.
„Leider konnte ich nur wenige Messungen vornehmen, da sich die Tongosea
stets sträubten, solche Manipulationen mit sich machen zu lassen, daher nur diese
geringe Anzahl.
(437)
Etwa 1500 Werst nordwestlich von Jakntsk, unmittelbar am Ufer des Vilui,
traf ich die ersten Tungusen-Jurten und zieht sich das Gebiet dieser Vilui-Tungusen
noch 1200 Werst westlich und 16U0 Werst nördlich dahin. Südlich vom Vilui
sind seltener Nomaden anzutreffen. Die Plusslänge des Vilui schätze ich auf
2800 Werst. Die Anzahl der im Kreise Viluisk, Gouvernement Jakutsk, befindlichen
Tungusen kann auf 10— 12 0(H) geschätzt werden und halten sie sich von den auf
68 000 geschätzten Jakuten ganz separirt. Weiterhin am ochotskischen Meer traf
ich auf andere Tungusenstämme, welche mir von den Vilui-Tungusen verschieden
schienen. Während ich die letzteren für tatarisch-mongolischen Ursprunges halte,
sind die Tungusen am ochotskischen Meere sicher reine Mongolen.
Die nachstehenden Messungen beziehen sichauf die oben bezeichneten nomadi-
sirenden Tungusen auf dem linken Ufer des Vilui:
Geschlecht
Mann
Mann
Frau
Frau
Knabe
Mädchen
Mann
Mann
Jüngling
Mann
Mann
Mflfiii
Mann
Mann .
Frau
Jüngling
Mftdchen
Knabe
Knabe
Mann
Mädchen
Knabe «
Mädchen
Knabe
Frau
Frau
Frau
Mann
Mann
Mann . ....
Alter
in
^Fahren
29
28
26
76
15
19
69
39
18
25
80
60
22
26
80
16
11
8
87
16
9
13
15
32
25
50
65
42
40
Schädel-
umfaDg
590
580
675
570
585
655
546
565
650
566
670
570
660
670
565
540
580
680
600
575
540
530
526
580
560
550
646
590
680
586
Schädel-
wölbung
380
300
810
295
810
296
296
310
286
270
296
280
290
290
266
266
285
265
280
295
800
275
270
260
280
296
265
800
290
800
Gesichts-
länge
166
160
160
165
140
145
160
180
160
150
160
160
155
186
160
160
165
180
110
165
140
150
130
150
155
160
160
170
175
180
(438)
(20) Freih. R. von Stoltzenberg schickt unter dem 11. Mai aus Luttmersen
bei Neustadt, Hannover, folgende Mittheilung:
Die WiederanfflDduDg des Römercastelles (Munitium) im Lande der Chauken.
Schliemann ist todt, er hat als archäologisch -historischer Forscher den
deutschen Namen zu hohen Ehren gebracht. Die Geheinmisse und Schätze, die er
der Erde entrissen, haben die Welt staunen gemacht über die scharfsinnige Com-
bination dieses Forschers. Im Auslande sind wir Deutschen gross, im eigenen
Vaterlande sind wir als Forscher klein Was unser Boden birgt, das wissen wir
nicht, da Bücher lesende und Bücher schreibende Schriftsteller und Gelehrte mit
ihren Hypothesen und Combinationen unseren historischen Horizont so veifinstert
haben, dass wir die einfachsten und klarsten Dinge in ihrer wirklichen Gestalt
nicht mehr zu erkennen vermögen. Die römisch-germanische Geschichte in Nord-
westdeutschland, soweit wir dieselbe aus den Spuren erkennen können, welche die
römischen Heere und die römische Herrschaft dort zurückgelassen, liegt in einer
Weise im Argen, die der deutschen Forschung auf vaterländischem Boden keine
Ruhmessäulen setzen lässt. Zu Ende der sechziger Jahre hat ein klar denkender,
genialer Forscher mit Ausdauer und Fleiss, mit Grabscheit, mit Zeichenstift und
Maassstab begonnen, auf diesem Gebiete ein Werk zu schaffen, das er leider nicht
vollenden sollte. Das Schlachtfeld von Wörth, auf dem die wiedererstandene ger-
manische Kraft dem gallischen Romanismus die erste tiefe Wunde schlug, sollte
ihn unter seine Todten zählen. Dem dort gefallenen Hauptmann Hölzermann
verdanken wir die erste systematische Klarlegung der ungeschriebenen Blätter aus
dem römisch-germanischen Kriege Nordwestdeutschlands; seine Arbeit und sein
Schaffen ist bahnbrechend gewesen für die Kenntniss der Heerzüge des Drusus
und Germanicus im Lande der alten Brukterer, dem Thale der Lippe entlang.
Die Absicht Holze rmann^s, die Forschungen im Gebiete der Ems und Haase
im Lande der alten Chauken fortzusetzen, wurde durch den Krieg von 1870
unterbrochen. Seine Arbeiten, die der historische Verein für Münster und
Westfalen mit Staatsbeihülfe herausgegeben hat, hat man versucht anzugreifen
und in ihrer thatsächlichen Bedeutung herunterzusetzen. Dass einzelne neben-
sächliche Auffassungen Hölzermann^s sich durch spätere Forschungen als
nicht berechtigt erwiesen haben, ist bei dem grossen Werthe seiner Arbeiten
ganz ohne Bedeutung; die weitere Forschung und die eigene Herausgabe seiner
Arbeiten würden ihn selbst zu dieser Einsicht geführt haben. Er steht als For-
scher auf dem Gebiete der römisch-germanischen Feldzüge unerreicht da, weil er
nicht mit den römischen und griechischen Geschichtsquellen in der Hand die nord-
westdeutschen Gauen durchzog, um neue historische Probleme aufzustellen, sondern
sich als Forscher damit begnügte, das, was Spaten, Hammer und Kelle zu kriege-
rischen Zwecken einst geschaffen, in seinen jetzt noch vorhandenen Resten fest-
zulegen und von diesen Grundlagen aus Verständniss für die geschriebenen Quellen
zu gewinnen.
Von diesem Boden der Forschung den Haasa- und Emsgau, das Land an der
Hunte bis zur Weser, das einst von dem Volke der Chauken besiedelt war, in
gleicher Weise zu untersuchen, wie es Hölzermann mit dem Limdstrich an der
Lippe gelungen war, das war eine hochinteressante Aufgabe, um so mehr, da
die bedeutenden Forschungen des Kammerherm von Alten auf oldenburgischem
Gebiete gezeigt hatten, wie im Chaukenlande auf Schritt und Tritt kennbare
Spuren der Römer vorhanden sind. 50 Jahre war das Land der Chauken und
Friesen römische Provinz gewesen. Die Periode der deutschen Erhebung unter
(439)
Armin hatte das Chaukenvolk und seine von römischen Bollwerken beschützten
Grenzen unberührt gelassen, und als die Römer in der Mitte des ersten Jahrhun-
derts ihre Legionen aus Nieder-Germanien, den Gebieten am rechten Rheinufer,
zurück beriefen, um der damals gefürchteten Erhebung der Völker zuvorzukommen,
da blieben diese Lande noch Jahrhunderte hindurch in einer Art von Bundes-
genossenverhältniss und im engen Wechsel verkehr mit Rom, wovon die massen-
haften Münzfunde aus der späteren Kaiserzeit, die fortwährend in diesen Gegenden
gemacht werden, Zeugniss ablegen. Hier ist also ein Gebiet, auf dem die ge-
schichtliche Forschung noch reiche Ernten sammeln konnte.
Von dieser Ueberzeugung getrieben, kam der Schreiber dieses dazu, vor einem
Decennium beim Landesdirektorium in Hannover vorstellig zu werden, die Arbeiten
in der Weise, wie sie Hölzermann begonnen, in den westlichen Landestheilen
der Provinz Hannover durch geeignete Kräfte aus Provincialmitteln fortführen zu
lassen. Der genialen Einsicht des jetzigen Oberpräsidenten, damaligen Landes-
direktors, Hrn. von Bennigsen ist es zu danken, dass diesem Antrage Folge ge-
geben wurde. Dem Vorstande des historischen Vereins für Niedersachsen ist es
übertragen, diese Aufgabe zur Durchführung zu bringen. Derselbe hat dem General
von Oppermann die Special-Aufmessungen übei^geben.
Die von Hölzermann angestrebte und von dem Antragsteller weiter vertretene
Idee, zunächst alle Reste von Befestigungen und Heerwegen, die dem römischen
Zeitalter angehören, festzulegen, hätte ein langsames Vorgehen von der Westgrenze
der Provinz nach Osten zur Folge haben müssen. Man musste diese Reste, inso-
fern sie dem Zusammenhange nach auf römischen Ursprung schliessen Hessen, in
diesen Gebieten festlegen, um sie von den altgermanischen, fränkischen und mittel-
alterlichen Erd- und Befestigungs werken zu trennen.
Die Erforschung des einschneidenden Oldenburger Gebietes, soweit dies nicht
bereits von Oldenburgern geschehen, war eine zweite l<Vage. Leider hat.der histori-
sche Verein für Niedersachsen für ein derartiges systematisches Vorgehen keine
Neigung gezeigt. Die von General von Oppermann durchgeführten Aufnahmen
alter Befestigungen reichen von der Oker bis zur Ems, dem Wiehengebirge und
Süntel entlang. Die Forschungen auf diesem Gebiete haben uns nun abermals mit
einem nordwestdeutschen Wehrsystem bereichert. Der Kritik über die Berechti-
gung dieser Ansicht wollen wir hier keinen Raum geben. Der Herr General vertritt
in seiner Forschung den Standpunkt des Hrn. Prof. Knoke, über dessen vermeint-
liche Entdeckungen auf dem Gebiete der römisch-germanischen Kriege bereits zur
Tagesordnung übergegangen ist. Mochten über die Richtigkeit dieses Urtheils noch
Zweifel obwalten, so ist die neueste Entdeckung, dass die W^ittekindsburg bei
RuUe, wenige Kilometer von Osnabrück, nicht der Stammsitz des Herzogs Wittekind,
sondern das grösste und stolzeste römische Oastrum war, das zwischen Rhein und
Elbe erbaut ist, dazu geeignet, diesem Zweifel ein Ehide zu machen. Nur wenige
solcher Festen haben die Römer auf germanischem Boden erbaut. Es fehlte
ihnen an Zeit, an Kraft und an Müsse, in Germanien Bauwerke aufzuführen, zu
deren Vollendung eine Reihe von Jahren nothwendig war. Alle übrigen Befesti-
gungswerke, denen wir in Nord Westdeutschland begegnen, sind Erd werke, deren
Wälle durch Benutzung von Faschinen fast senkrecht steil erbaut, sturmfrei ge-
macht werden konnten. Auch das Fort Aliso an der Lippe, das zum erstenmal
von Drusus, zum zweitenmal von Germanicus erbaut wurde, konnte der nachweis-
lich kurzen Bauzeit wegen nur ein solches Erdwerk sein. Aber die vielen Erd-
wälle, die einst der römische Spaten gegraben, wer kennt ihren Ursprung?
Nach 2000 Jahren hat der atmosphärische Staub die Gräben geftillt und die Wälle
(440)
sind verwaschen durch die Wassermassen, welche die Wolken in den Jahrtausenden
über den Erdboden ausgeschüttet. Bei der Bui^ zu Rulle endet dieser Streit, wir
haben die Formen, wir haben das Mauerwerk vor uns, wie sie die Castelle am
Rhein in ihren Ausgrabungen uns zeigen und vorführen. Und weshalb hat es so
lange gedaueil;, dass dieses römische Castell, das gleichsam unter den Mauern
von Osnabrück liegt, nicht als solches erkannt ist, zumal, da eine Reihe von
Erdbefestigungen im Lande der Chauken vorhanden ist, die unter denselben Be-
dingungen erbaut, gleiche Formen, gleiche Verhältnisse zeigen? Der wahre Grund
für die Verkennung der Dinge und für die Verkennung des römischen Ursprunges
als solchen ist wohl darin zu suchen, dass wir Römercastelle und deutsche Volks-
burgen in der innigsten Vereinigung finden. Die Befestigungen der Römer im
Lande der Chauken, die im Süden von den die Römer hassenden Brukterem und
im Osten von dem mächtigen Angrivaren-Stamm begrenzt waren, hatten den mehr-
seitigen Zweck zu erfüllen, nicht allein als Stützpunkte gegen äussere und innere
Feinde zu dienen, sondern auch den chaukischen Bundesgenossen beim Eindringen
übermächtiger Feinde zeitweilig Schutz zu gewähren. Dazu kommt der Umstand,
dass die römischen Legionen die unter den Waffen stehenden jungen Mannschaften
der verbündeten Chauken zwar als Bundesgenossen ansahen, aber sie doch in ab-
gesonderten Befestigungen campiren Hessen.
Durch diese Verhältnisse sind die Anlagen der Hauptcastelle, der Vorburgen
und der äusseren Ringwälle erklärlich, die bei der Wittekindsburg zu Rulle nur
der localei4 Verhältnisse wegen ganz ähnlich angelegt sind, wie bei der 5 Meilen
nördlich im Haasethale liegenden Wittekindsburg zu Rüssel, die der Schreiber
im Auftrage des Landesdirektoriums vor 5 Jahren untersucht und deren römischen
Charakter er schon damals festgestellt hat, der aber trotzdem, dass man in der
Nähe der Feste an verschiedenen Stellen in unserer Zeit 8 römische Münzen auf-
gesammelt hat, immer noch von gegnerischer Seite geleugnet wird. Die Anhänger
der Wittekinds-Mythen, zu denen auch der Herr General von Oppermann sich
bekannt, haben die Entdeckung der Burg als Römercastell indirekt veranlasst,
indem der Herr General durch die gelungene Aufnahme der Burg, die dem
Schreiber bisher unbekannt geblieben war, in diesem bei dem Anblick sofort die
üeberzeugung feststellte, dass hier ebenso, wie in der Burg zu Rüssel, die Reste
eines Römercastelles vorhanden sein müssten. Die zufallige Anwesenheit des
Schreibers in Osnabrück, die freundliche Unterstützung des Herrn General von
Rheinbaben, Commandeur der 38. Brigade, und seines Adjutanten des Hauptmann
von Bärenfels, sowie die Erlaubniss der königlichen Rlosterkammer zu Hannover
machten es möglich, im Juni 1889 die ersten Spatenstiche in die Wälle der Wittc-
kindsburg zu Rulle zu machen.
Das bisher als Wittekindsburg bezeichnete römische Castell liegt auf einem
Bergvorsprunge, der sich nach Nordosten an das tiefeingeschnittene sumpfige Wiesen-
thal eines kleinen Baches lehnt, der sich in den, fast südliche Richtung haltenden,
von breitem Wiesenthaie eingefassten, grösseren Nettebach ei^esst. Wir finden
also das Castell wieder in einer Flussgabelung angelegt. Nach Osten hin lehnt
sich die Befestigung an ein Höhcnplateau. Die Gräben des Kemwerkes und der
östlichen Vorburg sind tief in den Felsen gesprengt; die auf der westlichen Berg-
spitze liegende Vorburg ist, als weniger bedroht, nur von geringeren Wällen um-
geben, ähnlich den Wallungen, welche sich weit nach Südosten ausdehnend, den
grossen Raum der Volksburg umgeben. Das Kemwerk enthält nach General von
Oppermann 7500 ^m, die westliche und östliche Vorburg etwa einen Flächen-
raum von 9000 qm und die Volksburg mit Einschluss der Bergabhünge einige
(441)
30 000 qm. Nimmt man nun an, dass da, wo der Nebenbach sich in die
Nette ergiesst, ein Querdaram dieses Hachthal staute, und weiter, dass da, wo
der Wall der Volksburg sich an das Nettethal lehnt, abermals eine Stauung
des Nettebaches den Wicsengrund inundirte, so wird die Lage des Castells eine
ausserordentlich feste. Dass aber eine Abstauung der beiden Bachthäler statt-
gefunden hat, davon sind heute die Spuren noch nicht verwischt. Kunst und
Natur haben daher den Waffenplatz zu einer Feste gemacht, wie die Römer im
Binnenlande der Germanen keine zweite besessen haben. Nach stundenlangem
Graben von 10 Arbeitern war es gelungen, ein sehr gut erhaltenes Stück der Wall-
mauer klar zu legen. Die Anlage der Mauer, die auf das Genaueste nach Loth
und Richtschnur erbaut und deren Steine mit Kalkmörtel verbunden waren, stellte
die erstaunliche Thatsache fest, dass dies mächtige römische Gasteli nicht, wie die
übrigen Anlagen im nordwestlichen Deutschland, eine in kürzerer Zeit aufgeworfene
Erdbefestigung sei, sondern dass wir hier eine in solidem Mauerwerk angelegte
Römerfeste vor uns haben, deren Erbauung eine längere Periode in Anspruch ge-
nommen hat, und deren Entstehung dem entsprechend nicht in eine kriegerische
Periode, sondern in eine längere Friedenszeit gefallen sein muss. — Die Er-
bauung dieser Feste dürfte in die letzten Jahre der vorchristlichen Zeitrechnung
fallen. Im Jahre 5 vor Christi Geburt, als Tiberius in seinem Vormarsche gegen
die Elbe das Ijand der Friesen und Chaukcn durchzog, gelang es ihm, diese beiden
Völkerschaften zu Bundesgenossen und Freunden Roms zu machen. Das Chauken-
volk, von dem die Römer uns sagen, dass es der intelligenteste Stamm unter den
germanischen Völkern gewesen sei, mit dem sie in Berührung gekommen, hat
Rom die Treue nie gebrochen, denn bei der deutschen Erhebung unter Armin
waren die Chauken nicht betheiligt. Die Ansicht, dass die Römer nach der vari-
schen Niederlage über den Rhein zurückgeworfen wären, ist eine grundfalsche.
Das Port im Lande der Chauken war im Jahre 14 nach Chr. noch von einer halben
Legion besetzt. Der allgemein gewordene Aufstand der niederrheinischen Legionen
war auch bei den dort die Besatzung bildenden VexilUriem zum Ausbruch ge-
kommen. Durch die Energie und Klugheit des dort kommandirenden Legaten
wurde der Aufstand nach Niederhauung der Rebellen unterdrückt. Diese Episode
wirft ein helles Schlaglicht auf die Bundesgenossentreue der Chauken zu Rom in der
Periode der germanischen Erhebung. Armin, der zu grosser Macht gelangte deutsche
Preiheitsheld, konnte Marbod, dem mächtigen Markomannen-König in offener Feld-
schlacht die Spitze bieten. Die römischen Bollwerke, die das nahe gelegene Land
und Volk der Chauken schützten, wagte er nicht anzugreifen. Das gemauerte
Castell an der Nette war unter ihnen das wichtigste.
Ptolemaeus, der Geograph aus dem Ende des ersten Jahrhunderts, bringt
uns ein Verzeichniss von Ortsnamen in Nordgermanien, dem Lande zwischen Rhein
und Elbe. Diese Ortsnamen betreffen zum grössten Theil Punkte, wo die Römer
dauernd oder vorübergehend Castelle oder Befestigungen angelegt hatten; er hat
die Lage der Orte nach der von ihm entworfenen, in Grade eingetheilten Karte
angegeben. Dass diese Angaben nicht in allen Stücken zutreffend sein können,
geht schon aus dem Umstände hervor, dass sein ganzes Wissen in Bezug auf die
Lage der Orte aus Itinarien von römischen Legions-Ofßcieren, die Germanien durch-
zogen hatten, entstand. Seine Karte von Norddeutschland geht nicht von Nord
nach Süd, sondern sie richtet sich schräg von Südost nach Nordwest, unter den
Orten, bezw. Castcllen, die mehrere Grade von der Küste rückwärts liegen, er-
scheint „Munitium", das gemauerte Castell. Wenn man nun von der Weser-, bezw.
EmsmUndung den Unterschied der Breitengrade, die Ptolemaeus bei der Lage
(442)
von Manitium angiebt, berücksichtigt, so würde dieser Breitengrad die Gegend von
Osnabrück durchschneiden. Nach der Angabe der Längengrade würde das Castell
fast nach der Weser hingerückt, aber denselben Fehler begeht er auch mit den
Quellen der Eras, die nach seinen Längengraden und unseren Rartenverhältnissen
jenseits der Weser am Solling entspringen müssten. Rechnen wir Ptolemaeas
diese irrthümliche Auffassung zu gute, so können wir „Munitium" in die Mitte
des heutigen Osnabrücker Berglandes verlegen. Damit erlangen wir die Be-
rechtigung, das gemauerte Castrum bei Rulle als die römische Feste anzusehen,
welche Ptolemaeus „Munitium^ nennt. Dass aber dies Munitium gleichbedeutend
ist mit dem Fort im Chaukenlande, das ein halbes Jahrhundert hindurch die römi-
sche Besatzung beherbergte, welche das Chaukenland beherrschte und beschützte,
geht aus dem Umstände hervor; dass wir es hier mit gemauerten Wällen und daher
auch mit gemauerten festen Unterkunftsräumen, von denen die Spuren auf der
Wittekindsburg sich zeigen, zu thun haben, wohingegen bei den sonstigen unter-
suchten römischen Erdbefestigungen nur Merkmale von Unterkunflsräumen, die
blockhausartig an die Binnenseite der Wälle anlehnten, gefunden worden sind.
Der bei der Ausgrabung im Juli 1889 anwesende Hr. Bei^gmeister Pagen -
Stecher machte als Geognost darauf aufmerksam, dass die Gesteine, aus denen
die Gebäude im Castell erbaut gewesen sind, theilweise nicht an Ort und Stelle
aus den Gräben gebrochen seien, wie das bei den Umfassungsmauern nach-
zuweisen war, sondern aus einer Sandsteinart bestehen, die aus einem benach-
barten Berge nach dem Binnenraum des Castells geschafft worden war. Die Frage,
wo das massenhafte Stein material, aus dem die Umfassungsmauern und die Baulich-
keiten im Castell hergestellt waren, geblieben sein könne, da wir es jetzt doch nur
noch mit den von Erde überschütteten Grundresten der Mauern zu thun haben,
beantwortet sich einfach dahin, dass im Mittelalter, als man begonnen hatte, Gebäude
aus Stein und Kalkmörtel zu errichten, die Steine des als Ruine dastehenden
Castells nach der Umgegend als Baumaterial abgefahren sind; namentlich soll das
Kloster Rulle aus diesem Material erbaut worden sein. Die Steine waren hier
natürlich viel leichter zu erlangen, als wenn man dieselben erst aus Brüchen hätte
gewinnen wollen.
Diese von so grosser historischer Bedeutung dastehenden Thatsachen ver-
anlassten den Schreiber, sich im Jahre 1800 mit der Bitte an die Rlosterkammer
zu wenden, die erfolgreich angefangenen Untersuchungen auf einer breiteren
Basis fortzusetzen. Der jetzige Herr Klosterkammerpräsident Herr w ig, der sofort,
mit grossem Verständniss für die hier vorliegende Forschung, nicht allein die Er-
laubniss zu weiteren Nachgrabungen gab, sondern auch die materielle Unterstützung
der Klosterkammer in Aussicht stellte, hat es möglich gemacht, dass die Aus-
grabungen im Juli 1890 wieder beginnen konnten. Durch eine Influenza verhin-
dert, die Ausgrabungen selbst überwachen zu können, war es mir gelungen, den
Herrn Direktor Schuchhardt vom K estner-Museum als leitende Persönlichkeit zu
gewinnen, auch den Vorstand des historischen Vereins, Hrn. Regierungspräsidenten
Stüvo und den Bruder desselben. Hm. Dr. Stüve, dafür zu interessiren. In
den Tagen der Ausgrabung tugte der provincialständische Ausschuss unter dem
Vorsitz des Landesdirektors von Hamm erste in in Osnabrück. Mehrere Mitglieder
des Ausschusses haben die Ausgrabungen besichtigt und, in Rücksicht auf die Be-
deut:iamkeit der Sache, aus provincialständischen Mitteln Gelder für die Weiter-
führung der Ausgrabung bewilligt. Leider war damals der Hr. Direktor Schuch-
hardt und viele der Osnabrücker Forscher noch immer der Ansicht, dass die Be-
festigungen nicht römischen Ursprunges seien. Der Glaube, dass die rcrmeint-
(443)
liehe Stammburg des Herzogs Wittekind ein römisches Castell sei, konnte bei den
Osnabrücker Forschern nur schwer Boden fassen. Jetzt, nachdem die Ausgrabung
des Hm. Prof. Seh uch hur dt*) festgestellt hat, dass die ganzen ümfassungswälle
mit hohen mächtigen Wallraauern eingekleidet, dass die Westecke des Kern-
werkes dmeh einen runden Wachtthurm, die Ostecke noch durch einen grösse-
ren quadratischen Burgfried gedeckt war, dass in der Nord- und Südseite des
Walles sich noch Reste der gemauerten Thore vorfinden, da hat sich die
üeberzeugung Bahn gebrochen, dass die Wittekindsburg, die in ihrem Kernwerke
den ausgegrabenen Resten der römischen Castelle im Taunus so ähnlieh sieht, wie
ein Ei dem andern, doch ein wahrhaftiges römisches Castrum sei. Zu einem sol-
chen mächtigen Castell, wie wir es in der Ruiler Burg entdeckt haben, bauten die
Römer auch einen Heerweg. Reste dieses Weges haben sich bereits gefunden,
nur führen dieselben nicht in die Hunte-Brüche und -Moore hinein, sondern sie
liegen in dem sich nach Nordwesten ziehenden Haasethale, wo eine ganze Reihe
von Castellen und Befestigungen, die zum grösseren Theile noch vorhanden, den
Ueerwcg bis zur Ems deckten.
Mit der Entdeckung dieses grossen gemauerten Hauptforts im Lande der
Chauken fällt selbstredend die Hypothese von der Varusschlacht zwischen Barenau
und Vcnne als ein absolut haltloser Gedanke in sich zusammen. Im Lande der
Chauken, der treuesten Bundesgenossen der Römer, auf Heerwegen, die von
Castellen geschützt waren, ist Varus mit seinen Legionen weder verrathen noch
vernichtet worden. Hätte der sonst tiefdenkende Mo mm sen von dem Vorhanden-
sein dieser römischen Zwingburg an der Nette Kunde gehabt, so würde er die
Teutoburgersch lacht nicht an die bis zum Venner Moore hinabführenden Abhänge
der Egge verlegt haben. Mit den kühnen Vermuthungen des Hrn. Prof. Knoke
ist es schon etwas anders. Er lässt den alten braven Caecina ungeachtet aller vor
ihm liegenden römischen Castelle und Heerstrassen sich mit Todesverachtung in
die unwegsamsten Sümpfe in der Umgebung des Dümmersees stürzen, um dort bei
Brägel neben einem vorhandenen römischen Bohlwege auch noch einen Knüppel-
damm zu passiren, der, wie Se. Excellenz der Herr Kammerherr von Alten schla-
gend nachgewiesen, nicht einmal römischen, sondern mittelalterlichen Ursprunges ist.
Diesen wichtigen historischen Thatsachen tritt ein anderer bedeutsamer Fund
zur Seite, der mit der Auffindung des Castells zu Rulle gewissermaassen seinen
Abschluss fand. In der Richtung von Syke auf Twistringen und von dort auf
Felstehausen, nördlich des Dümmersces, und wiederum weiter südlich des Dtimmer-
sees bei Hunteburg finden sich Spuren von Befestigungen, welche offenbar dazu
bestimmt waren, als A'ertheidigungsplätze die Ostgrenze zu decken, welche durch die
ehemals grossen Sümpfe, BrU'che und Waldungen führte, die sich östlich der
Hunte bis zur Weser hinzogen. Die Befestigungen bei Twistringen, die von
mir untersucht worden sind, haben ihren römisch-germanischen Ursprung docu-
mentirt. Es befand sich dort eine mächtige Volksburg und ein kleineres römisches
Erdwerk, das die bisherige Forschung als einen germanischen Ringwall angesehen
hat. Diese Befestigungen, von denen der Ort Twistringen noch heute den Namen
führt, bei denen es sich um 2 grosse Ringbefestigungen handelt (Twieringen =
Twistringen), hatten eine dreifache Aufgabe: sie bildeten die letzte Etappe des
römischen Heerweges nach der Mittel weser auf chaukischem Gebiete, sie schützten
die chaukische Grenze und bildeten bei Einfällen der östlichen Völker in das
Gebiet der Chauken einen Vertheidigungsplatz für Volk und Ueerden. Ueber-
1) Vergl. diese Verhandl. 21. Februar 1891. S. 249.
(444)
reste des römischen Heerweges in der Richtung nach Osten sind von mir gleich-
falls constatirt worden. Durch die Entdeckung dieser Thatsache sind sowohl für
die Geschichte der römisch-germanischen Kriege, wie auch für die Geschichte des
Chaukenvolkes bedeutsame Lichtpunkte zu Tage gefördert. Wir dürfen die zahl-
reichen römischen Bohlwege, welche die Römer während ihrer Bundesgenossen-
schaft im Lande der Chauken erbaut haben, doch wohl nicht als die Dämme des
Domitius ansehen; der alte Domitius hätte sein Lebtage genug daran zu bauen ge-
habt. Noch im letzten Jahre hat man in der Richtung zwischen Damme und
Hunteburg einen zweiten römischen Bohlweg entdeckt und ist dadurch die statt-
liche Zahl der Bohlwege wieder um einen vermehrt.
Die Momente, welche uns aus der Geschichte des Chaukenvolkes aufbewahrt
sind, zeigen uns nun diesen germanischen Stamm in einem Lichte, das die
Höhe seiner Civilisation und seine wahrhaftige deutsche Treue so hell glänzen
lässt, dass die Chauken den übrigen germanischen Stämmen in beiden Richtungen
weit voran stehen. Die Berührung mit den Römern hatte das Volk nicht ver-
welscht, es war deutsch geblieben, aber es hat durch den dauernden Umgang mit
den Romanen seine Culturstufe den Völkern genähert, die unter römischer Herr-
schaft standen. Wie urdeutsch die Chauken geblieben waren, zeigt der Vorgang,
durch welchen Kaiser Claudius bestimmt wurde, die Besatzung im Lande der
Chauken und Friesen zurtickzurufen. Ein fahnenflüchtiger Legionär, Namens
Gannascus, aus dem Volke der Caninefaten, war zu den grossen Chauken geflohen,
die damals zwischen Elbe- und Wesermündung wohnten, wohin offenbar in jener
Zeit die römische Macht nicht reichte. Dieser Gannascus hatte eine Flotte aus-
gerüstet und verheerende Raubzüge an der Nordktiste Galliens gemacht Der
in Niedergermanien kommandirende Feldherr Corbulus Hess ihn durch Meuchel-
mörder umbringen. Diese Gewaltthat erregte bei dem gesummten Volke der
Chauken eine solche sittliche Entrüstung, dass eine Empörung gegen die römi-
sche Schutzherrschaft auszubrechen drohte, und da man auch den Priesen nicht
traute in ihrer Bundestrene, so bekam Corbulus Befehl, mit den Legionen über den
Rhein zurückzukehren.
Man erkennt aus diesen geschichtlichen Vorgängen, dass die römische Herr-
schaft über diese beiden nordgermanischen Stämme nur eine sehr schwache,
der Gerechtigkeits- und Freiheitssinn derselben ungebrochen war, und dass die
ein halbes Jahrhundert andauernde Bundesgenossenschaft sich durch freiwilligen
Rückzug der Römer wieder löste. Die Grösse des Volkes, seine Macht, seine
Friedfertigkeit, seine Wehrhaftigkeit im Kampfe, die Schönheit der jungen chauki-
schen Krieger, dies alles wird vonTacitus und Dio Cassius rühmend anerkannt
Die Wiederauffindung der Ostgrenze des Chaukenlandes von der Weser bis
zur Haase hat nun in den letzten 3 General musterungen den Schreiber als Mit-
glied der Oberersatzcommission dazu veranlasst, in den Kreisen Syke, Diepholz,
Sulingen, Hoya, Stolzenau, Rinteln, Osnabrück und Iburg Untersuchungen über die
Körperformen und Grössen, über die Schädelbildung und die Haar- und Augen-
farbe anzustellen. Dieses Studium hat das aufTallende Resultat ergeben, dass das
chaukische Gebiet einen ausserordentlich hohen Procentsatz von kräftigen wohl-
gebildeten Leuten besitzt, bei denen Langschädel, graue und blaue Augen, gerade
und nach oben gekrümmte Nasen vorwiegend sind. Der Procentsatz der für
die Garde ausgehol)enen Rekruten ist in den Kreisen, die auf altchaukischem
Gebiete liegen, in den letzten 3 Jahren ein mehr wie dreifach höherer gewesen,
als in den östlich gelegenen Kreisen Diepholz, Sulingen, Stolzenau und Riuteln,
die nachweislich noch im 8. Jahrhundert von Angrivaren bewohnt wurden. Be-
■1
(445)
rücksichtigt man die ausgezeichnete Mannschaft, die das 9]. Regiment im Gross-
herzogthum Oldenbarg aushebt, das ja chaukisches Gebiet ist, und kommt man
endlich dazu, die seit alten Zeiten berühmt gewordenen Mannschaften der Ems-
lande, des westlichsten Theiles des chaukischen Gebietes, welche den hervorragend-
sten Zuwachs für die hannoversche Garde lieferten, dazu zu rechnen, so darf man
den chaukischen Stamm als ein wahres Ghirdevolk bezeichnen. Wir finden das Ger-
mancnthum nicht allein dem Volke als solchem eingeprägt, wir finden auf keinem
Flecke deutscher Erde die altgermanischen Einrichtungen in Feld und Flur, in
Haus und Gemeinde in so auCTallender Weise erhalten, wie in dem einst zu Rom
gehörenden Nieder-Germanien. Das Land und Volk der Ghauken besitzt in dem,
was es birgt, einen Schatz für unsere altdeutsche Geschichte.
(21) Hr. W. Schwartz überschickt unter dem 28. April eine Arbeit:
Volksthtimliches ans Rügen.
Während meine culturhistorischen Wanderungen in früheren Jahren, abgesehen
von der Mark Brandenburg, sonst immer meist nach Westen gingen, war es mir
im Jahre 1889 in den Sommerferien möglich, Rügen von Sassnitz aus zum Feld
meiner Beobachtungen zu machen und, trotzdem schon viel auf der Insel in dieser
Hinsicht gesammelt ist, doch noch in Einzelnem nicht bloss eine nicht uninter-
essante Nachlese zu halten, sondern auch verschiedene neue Gesichtspunkte den
Verhältnissen abzugewinnen. Denn Rügen ist, wie schon Riehl in seinem treff-
lichen Werke „Land und Leute" sagt, ein ethnologischer Beobachtungs-
punkt, der wohl ohne Gleichen in Deutschland ist, indem es in seiner
mannich fachen Gliederung eine eigcnthümliche und zäh festgehaltene Zersplitterung
des Volkslebens erzeugt, während daneben stets ein gemeinsamer Untergrund
hindurchschimmert, da die überall hervortretende Beziehung auf das Meer dem
Ganzen den Charakter einer gewissen Homogenität erhalten hat.
„Nur für den Kern (Bergen, Garz u. s. w.)", sagt Daniel im Anschluss an
Riehl, „gebraucht der Insulaner den Namen Rügen. Von den Halbinseln (Wittow,
Jasmund, Reddewitz oder Mönchgut und Zudar) spricht man, als ob das lauter
selbständige Länder seien. Zwischen den einzelnen Halbinseln ist der Verkehr
auch erstaunlich gering, und auf den beiden grossen Landengen, der Schabe
und der Schmalen Heide, hört fast alle Cultur auf. Man kann hier den ganzen
Tag auf sogenannten Strassen bis über die Knöchel im Dünensand und Geröll
waten, ohne einer sterblichen Seele zu begegnen*). Wie in den Hochalpen ein
Felsrücken, so halten hier Landengen die selbständigen Gestaltungen des Volks-
lebens aus einander. Jede Halbinsel hat ihre besondere Schattirung des Dialekts,
jede ihr Herkommen und ihre eigenen Bräuche. Aber was dieser bunte, unruhige
Wechsel von Berg und Thal, Feld und Wald, Heideland, Dünenland, Sumpfland,
Feldland in der Natur der Eingebornen zersplittern mochte, das hielt das ringsum
fluthende Meer wieder mit starkem Arm zusammen."
Rechnet man zu den oben erwähnten 5 Gruppen nun noch die naheliegenden
Inseln hinzu, die auch gewöhnlich mit zu Rügen gezogen werden und unter denen
Jummanz und Hiddensöe eine besonders hervorragende Stellung einehmen, so kommt
eine ganz hübsche Mannich faltigkeit des geographisch in allerhand Eigenthümlich-
keiten sich sondernden, volksthümlichen Lebens heraus, die sich auch bis in die
neuesten Zeiten noch äusserlich u. A. in allerhand Spott bekundet hat, welchen,
trotz des Gefühls einer gewissen Gemeinsamkeit, die Bewohner des einen Land-
I) Erst jetzt fängt auch dies an sich allmählich zu ändern.
(446)
Strichs denen eines anderen angehängt haben. Dass die Reddewitzer oder Mönch-
guter seit alter Zeit z. H. „Pook" genannt werden, hingegen den KOgianer und haupt-
sächlich den Putbusser einen „Rollen'' heissen, erzählt schon der alte Grümbke
in seiner Geschichte Rügens vom Jahre 1819'). Ebenso haben die Jasmunder
ihren eigenen Namen, sie heissen, wie man mir sagte, die „Rnuppenbiter" d. h.
die Knospen beisser, weil sie so zierlich roden. Vor allen aber gelten die Stral-
sunder — denn Stralsund gehört, wie es von Rügen aus gegründet wurde, noch
immer in der Vorstellung der Leute dazu, — als „die Pinen'', denn der richtige
Stralsunder spricht nicht, wie andere Leute, sondern hübsch fein: „di mis sinn
bin Klibidel gewest" (die Mäuse sind beim Kleebeutel gewesen). Die Hidden-
söer aber, heisst es, erkennt man schon gleich an ihrem Grang; „sie gehen mit dem
Oberkörper vornüber und gleiten oder schlagen dann mit den Füssen hinten weg".
Das macht, weil Hiddensöe lauter Sand hat, da hat ihre Gangart diese Form an-
genommen.
Die Sonderheiten in der Tracht traten und treten noch gelegentlich am meisten
beim weiblichen Geschlecht hervor, während die Männer mehr ein, ihrem Leben
als Fischer entsprechendes, homogenes Kostüm tragen. Am längsten haben die von
Jummanz und Mönchgut ihre Eigenthümlichkeiten bewahrt und die alten Familien-
traditionen bis in die neuesten Zeiten erhalten. Seitdem aber, erzählte man mir,
die ersteren in den sechziger Jahren ihren Process mit dem sogenannten Kloster in
Stralsund, d. h. mit dem Magistrat als Rechtserben desselben, verloren haben, und aus
Erbbauern Pächter geworden sind, hat die Bevölkerung auch dort angefangen sich
zu ändern, und die alte Sitte ist im Schwinden begriffen. Aehnlich ist es in Mönch-
gut, wo sie auch nicht mehr, wie früher, ihr Zeug sich selbst fertigen, sondern
ruhig „KoUentüch" tragen, wie sie früher mit Abscheu das fremde, eingeführte
Zeug nannten. Nur der blanke Brustlatz in der Tracht der Braut gilt noch als ein
charakteristisches Merkmal der Reddewitz-Mönchguterin.
Wird in dieser Beziehung Alles um so uniformer, je mehr Rügen jetzt in den
grossen Verkehr hineingezogen ist und namentlich alljährlich Dampfschiffe und
Eisenbahnen im Sommer zahlreiche Schaaren von Fremden seinen Bädern zuführen,
so haben sich doch noch bis in die neuesten Zeiten die verschiedenen, schon oben
erwähnten, gruppenw(usen Nüancirungen der Dialekte meist erhalten, wie sie ihrer
Zeit schon neben Grümbke auch E.M.Arndt in der Vorrede zum IL Theil
seiner „Märchen und Jugenderinnerungen" eingehend besprochen hat.
Es ist im Allgemeinen dieselbe plattdeutsche Sprache wie an der Küste der
Ostsee links von den Odermündungen überhaupt, namentlich wie in Vorpommern,
aber sie variirt in Rügen je nach den Gewohnheiten der einzelnen Landesstriche.
In den verschiedensten Formen treten diese Variationen auf. Bald schwanken die
Töne zwischen e und i, a und o, so wechselt z. B. Perd und Pird, gestern und
gistem, wie auch Arndt angiebt, oft in nicht fem von einander liegenden Kirch-
spielen. Bald lässt man bei einem Diphthong beide Laute hören, bald zieht man
sie zusammen. So nannte man mir z. B. die Amsel in Sassnitz gellegaus, in Bergen
gelgos (die gelbe Gans)-). Vor Allem aber macht sich, wie Arndt es ausdrückt,
überhaupt die Neigung in der verschiedensten Weise geltend, „die Fülle und Macht
der Töne gern zu zerquetschen und zu verschleifen*. So sagt man nach ihm „wiid",
„wüd", „wad^ für „wurd^, würd^, „ward"; „Hän", „Hun" für „Händ"(e), „Hund"(e);
1) Die Uiddensöer speciell gaben den Mönchgutem nach Dähnert's Plattdeutschem
Wörterbuch von Pommern und Rügen den Namen .,die Dcepschen**.
2) Nach Dähnert heisst auch ein Grünfink geelgöschen.
f447)
„bal" für „bald" und dergl. mehr." Oft werden auch Consonanten zwischen zwei
Vocalen durch andere, in ihrer Unbestimmtheit ähnlich lautende, ersetzt. Der Name
des Regenwurmes wird z. B. in Sassnitz Merrik gesprochen, während anderweitig
die ursprüngliche Bedeutung des Wortes klarer in den Formen Mäddik, Mäding
(kleine Made) mir entgegentrat.
Besonders Eigenthümliches hat namentlich der Dialekt der Halbinsel Redde-
witz (Mönchgut) entwickelt; sei es unter Einfluss einer prononcirten, stetigen Ab-
geschlossenheit oder unter der Mischung mit hinzukommenden westfälischen Colo-
nisten, — wovon hernach beim Volksglauben noch die Rede sein wird, — da das
Ländchen, welches ursprünglich zu Putbus gehörte, im Jahre 1295 durch Kauf in
die Hände der Mönche von Eldena überging ). Neben verschiedenen Idiotismen
hebt Grümbke besonders zwei Momente hervor, nehmlich „einmal die Neigung,
durch Einschiebung eines dem hebräischen Schwa entsprechenden Lautes einsylbige
Wörter zu zweisylbigen gleichsam zu recken, dann wieder umgekehrt andere zwei-
und mehrsylbige abzukürzen. So sagen die Mönchguter z. B. einerseits für „Hemd",
„Melk'^ (Milch), „Hemmed", „Mellek", andererseits für „Gäste" „Gäss", für „Gerste"
„Gass", „sund" für „gesund" u. dergl. mehr."
Derartige Erscheinungen finden sich z. Th. fast in allen Dialekten, da dieselben
nicht durch die Schrift, sondern nur mit Hülfe des Gehörs sich fortpflanzen und
an sich schon so einen mehr flüssigen Charakter haben, dann aber auch, indem je
nach der Stimmung schon einfach der Ton sich ändert und leicht dann dies oder
jenes typisch wird. Während nehmlich für gewöhnlich die Bequemlichkeit das
Maassgebende beim Sprechen ist, welche zum Abschleifen der Sylben neigt, wandelt
sich bei lebendigeren Gefühlen und heftigeren Gemüthsbewegungen umgekehrt fast
immer sofort der Ton, indem man unwillkührlich zu den schweren und tiefen
Tönen statt der leichten und hohen übergeht.
Da nun aber auf Rügen fast jede Gegend, in ihrer verhältnissmässigen Sonder-
stellung, je nach dem Charakter der Leute im Durchschnitt das Eine oder das
Andere mehr typisch entwickelt und namentlich fast einen eigenen Tonfall heraus-
gebildet hat, der Hiddensöer z. B. im Ganzen schleppend-nachlässiger spricht, ebenso
wie auch sein Gang ist, vom Jasmunder und Stralsunder dagegen schon oben er-
wähnt ist, dass er feiner und zierlicher redet, der Mönchguter hingegen wieder ge-
dehnter u. 8. w., so entwickelt sich auf Rügen eine höchst interessante Gruppirung
der Dialekte, welche von der in ihnen steckenden, stets sich erneuenden Lebens-
kraft ein lebendiges Zeugniss ablegt.
Aehnlich steht es nun mit dem Volksglauben. Zunächst ist er in allen
Strichen im Ganzen homogen, gemahnt fast nirgends an Slavisches, sondern
spiegelt die Gestalten der niederen deutschen Mythologie und den daran sich
schliessenden Aberglauben in ebenso charakteristischer Weise wieder, wie der
in Meklenburg, Pommern und der Mark. Man weiss fast überall, trotzdem schon
seiner Zeit die schwedische Regierung neben der Geistlichkeit eifrig gegen aller-
hand Zauberei und Spuk eingeschritten ist), noch Mancherlei davon zu erzählen
1) Der bekannte Freiherr v. H axthausen behauptete bei einem Besuche, der Dialekt
erinnere ihn an seine paderbornsche Heimath; 8. meine Schrift „Bilder aus der Brandenb.-
Preuss. Geschichte. Vorträge u. s. w. aus den Jahren 1863—71. Berlin 1875;** S. b*J.
2) Ich fand z. B. in der Antiquitäten-Sammlung vonFreese zu Sassnitz ein Exemplar
eines ^Renowirten Patents wegen der Policej-Ordnung. Pablicirt am 1. Febr. 1723 zu Stral-
sund**, welches u. A. einen ganzen Codex von allerband Zauberei u. dergl. als groben Unfug,
wie man sich heute ausdrückt, verbot ^ 5 lautet : Die Hexen und Zauberer sollen verbrannt,
(448)
und wenn man auch meist nicht mehr recht daran glaubt, so erinnert man sich
doch noch, dass die Alten oft vom Brennen vergrabener Schätze, dem sogen. Geld-
brennen, sowie von der Glücksruthe allerhand Geschichten hatten*); de Mär (Alp
des Nachts den Menschen „ritt" und der wilde Jäger, die weisse Frau, die kleinen
„Unterirdischen", der Drak und der Pük (eine Art Hausgeist und Kobold) den
Leuten in den Köpfen steckte; von wohlhabenden Leuten man sagte „de drak trüge
es ihnen zu" oder es stecke Hexerei dahinter u. dergl. mehr. Zur See passire
auch immer noch mancherlei Wunderbares. Es gäbe Beispiele, dass Manche
dem Wind zu pfeifen verständen, damit er „aufkühle" und mit dem Klabauter-
mann, der unsichtbar auf dem Schiff sein Wesen treibe, sei es doch eine eigene
Sache, und schlimm sei es, wenn man auf See sei, und plötzlich am Horizont „das
Nebelschiff" vor einem auftauche und langsam dahinziehe u. dergl. mehr*).
Wenn in der Arbeit des Sommers die alten Geschichten halb vergessen wer-
den, so wachen sie in den langen Winterabenden bei der Isolirtheit der Ver-
hältnisse gleichsam zu neuem Leben wieder auf und erfüllen und beschäftigen den
schon einfach unterhaltungsbedürftigen Sinn der Menschen. Je mehr nach Norden,
desto mehr macht sich überhaupt dies Moment geltend, und auf Rügen sind die ein-
zelnen Landestheile in jener Jahreszeit beim Aufhören der Schiffahrt noch ins-
besondere von einander geschieden, fast wie die Thäler eines Hochgebirges, zwischen
denen in die Wolken ragende Schnee- und Eisberge jeglichen Verkehr unterbrechen,
so dass jedes Thal seine eigenen Wege geht und auf seine eigenen Lebensgewohn-
heiten sich immer wieder gleichsam basirt.
Neben jenem mehr einheitlichen Hintergrunde des Volksglaubens liefern nun die
in den einzelnen Landestheilen besonders ausgebildeten oder local verknüpften
Traditionen den Sagen ein bunt schillerndes Colorit, je nachdem die Natur in
einer Gegend oder historische Ereignisse zur Anknüpfung dieses oder jenes mythi-
schen Elementes Veranlassung gegeben haben.
Die Sagen vom Mär, dem Drak, dem Treiben der Hexen schweben gleichsam
in der Luft, sie knüpfen sich weniger an bestimmte Localitäten, sondern mehr
direkt an den Menschen als solchen, den z. B. der Mär heimgesucht, oder an ein
Gehöft, wo der Drak angeblich sein Wesen treibt; sie kehren also unter Umständen
überall wieder. Aber wenngleich man von den „Unterirdischen" noch allgemein
erzählt, dass sie früher neugeborne Kinder geraubt und ihre „Wechselbälge" unter-
geschoben hätten, und man deshalb in der Stube der Wöchnerin 6 Wochen lang
auch stets, um dies zu verhüten, ein Licht hätte brennen lassen, so sind doch
weitere Erzählungen von dem geheiranissvollen Treiben dieser kleinen Leute nur da
haften geblieben, wo ein Hügel vorhanden war, an den sich die Sage knüpfen und
erhalten konnte, dass dort ihre unterirdische Wohnung sei, z. B. in Dubberworth bei
Sagard, gerade wie der wilde Jäger meist Wald als sein Revier voraussetzt, die
Sage von der weissen Frau einen See, einen Burgwall oder mindestens ein altes
Gemäuer, an das sich ihre Erscheinung knüpfen konnte. Ebenso schloss sich der
die aber ausser Gespräch und Gemeinschaft mit dem Teufel des Kristallsehens^ WahrsAgens^
Planetenlesens, Missbrauchs des Evangelii St. Johannis, Schlüssel-Buchs und Sieblaufens
oder Drehen», Bötens, Stillens oder anderer abergläubischer, unchristlicher, gottesläster-
licher und verbotener Mittel, unter vras Schein es auch wäre, sich gebrauchen, sollen mit
Ausstreichung an dem Pranger oder mit einer ernstlichen Geldbusse bestrafet werden o. s. w.
1) Die Glücksruthe soll auch den Interessen des Fischfangs sogar gedient, den Leuten
nehmlich u. A. geieigt haben, wo die Heringe laichen.
2) Plötzliche Nebelbildungen eigenthümlicher Art sind auch an der Küste häufig. Mjui
nennt sie See-Daak, d. h. Seenebel, denn „Daak" heisst der Nebel, «daaken*' es nebelt.
Btf ^ ■
(449)
alte indogermanische Mythos von der im Gewitter in den himmlischen Wassern
versinkenden, gelegentlich aber immer wieder heraufkommenden und „wafeln-
den" (leuchtenden) Wolken-Donnerburg hier an das historische Pactum vom Unter-
gang Arkona^s in gleicher Weise, wie auch das alte Schloss in Spicker ein Centrum
für allerhand Spuk wurde*).
Wie aber bei Durchsichtigkeit und Einfachheit aller Verhältnisse auf Rügen
sich so in Betreff der localen Anknüpfungen der sagenhaften Traditionen die inter-
essantesten Beobachtungen machen lassen, so auch in BetrefiT der Veranlassung
des Nichtauftretens oder Schwindens dieses oder jenes mythischen Zuges, sowie
des einen oder anderen Gebrauches. Dass auf Gr. Zicker der wilde Jäger fast
ganz unbekannt geworden, findet nach der oben schon erwähnten Beziehung des-
selben zum Walde seine volle Erklärung, da, soweit die Erinnerung zurückreicht,
wie mir der dortige Prediger schrieb, es nie einen Wald gehabt Ebenso entbehrt
Sassnitz wieder der gewöhnlichen Spukgeschichten, wie sie das Grauen der Leute
vor einem Kirchhof gelegentlich stets von Neuem weckt, da sie ihre Todten in
dem mehr als eine Meile entfernten Sagard begraben, jede reale Beziehung zu
jenem Aberglauben also fortfällt, gerade wie mit dem Schwinden der Viehzucht,
seitdem die umwohnenden Dörfer die Hütegerechtigkeit in der Stubnitz verloren
haben, auch der ganze Hexenglaube, der sich namentlich am Melken und Buttern
noch immer erhielt, einen bedeutenden Stoss erlitten hat.
Eine besonders interessante Beobachtung ergab sich in dieser Hinsicht in Be-
treff der altheidnischen heiligen Zieit der Wintersonnenwende, der sogen. Zwölften
(die man von W^eihnachten bis Neujahr rechnet). Eine Erinnerung an dieselben
lebt fast 'überall noch mehr oder minder auch auf Rügen fort, sowie mancher
Gebrauch, dass man z. B. in der Zeit nicht waschen dürfe, denn „wer den tun be-
kledt^ (d. h. Wäsche aufhängte muss bald, heisst es auch hier, wie in der Mark,
den Kirchhof bekleiden d. h. sterben. Aber man kann deutlich verfolgen, dass,
wie der Haupthalt der Zwölften das Spinnen, bezw. das Verbot des Spinnens
zu dieser Zeit gewesen ist, z. B. in Meklenburg und in der Mark sich noch in
der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts allgemein in der sich daran knüpfenden
Drohung: „sonst käme der Wode, die Frick oder Frau Harke" der Namen der alten
heidnischen Götter, denen die Zeit heilig war, erhalten hatte, auf Rügen, bei dem
hier fast allgemein gewordenen Schwinden des Spinnens, nicht bloss kein derartiges
Sprüchwort sich erhalten hat, sondern überhaupt dadurch die ganzen Zwölften
einen Hauptstoss in dem Leben des Volkes empfangen haben. Das Heidenthum
knüpfte sich nehmlich in Sage, Brauch und Aberglauben überall auf das Engste an
alle Lebensverhältnisse des Menschen an und steht und fällt mit jeder Wandlung
derselben.
Bei den Sagen Rügens ist übrigens streng zu unterscheiden zwischen den volks-
thümlichen und den Formen, welche ihnen das literarische Interesse, das sich dort
mit denselben seit dem 18. Jahrhundert beschäftigt hat, vielfach gegeben. Die
eigentlich volksthümliche Form ist, wie fast überall, knapp und prägnant; wenn
man zufällig eine weiter ausgesponnene Darstellung hört, ist es nur eine in den
mehr gebildeteren Kreisen aus heimathlichem Interesse freier ausgemalte Form
1) üeber den angedeuteten Ursprung der Sage von den untergegangenen Städten,
bexw. Dörfern 9. Schwartz, Ursprung der Mjth. Berlin 1860. 8. 263—266. Eine Schilde- i
rang der Donnerborg vom griechischen oder römischen Standpunkt aus als die himmli- |
sehen tecta und die regalis domus magni tonantis, — die Palatia magni coeli, giebt u. A. !
Ovid, Metam. L 170 fL *
V«rb«ndU der Berl. Anthrop. Gesellfchaft 1891. 29
1
1
(450)
oder eine Reminiscenz aus einer der viel verbreiteten literarischen, namentlich
poetisch behandelten Versionen. Tn dieses Gebiet gehören nicht bloss die sogen.
Herthasagen, sowie die Schilderung vom Fall Arkona's und des wendischen Heiden-
thums, sondern selbst ein grosser Theil der in E. Moritz Arndt's Jugenderinne-
rungen sich vorfindenden Geschichten, bei denen meist nur, wenn sie auf Rügen
spielen, ein gewisser volksthümlicher Kern zu Grunde liegt. Aechte Volkssagen
im obigen Sinne finden sich meist nur in den Sagensammlungen von Temrae,
Bai er und Jahn. Aber auch in dieser Hinsicht gelang es mir, von Sassnitz aus
manch^ interessantes Stück nachzusammeln, zumal es mir glückte, in einzelnen
Familien auch Repräsentanten der anderen Landestheile zu finden.
Ich werde das Hauptsächlichste in einem Anhange zusammenstellen, nachdem
ich zuvor eine besondere Besprechung zwei Momenten des Volksglaubens gewidmet
habe, die namentlich für Rügen charakteristisch sind und, wie wir sehen werden,
eine mythologisch -ethnologische Bedeutung erhalten, nehmlich die Traditionen
vom Nachtjäger und vom Pük.
Für den sogen, wilden Jäger ist nehmlich auf Rügen meist die charakteristisch
typische Form der „Nachtjäger "". Weder Jahn noch ich haben irgendwo den
Wod gefunden, den man nach Arndt's Märchen und Jugenderinnerungen 1. 8. 401
verschiedentlich vermuthet hat. Arndt hat, wie es scheint, den Namen aus Vor-
pommern herübergenommen, wie er auch die ganze Gestalt verallgemeinert hat,
indem er den wilden Jäger zu einem grossen Fürsten „im Sachsenlande^ macht,
„der viele Burgen und Schlösser und Dörfer und Forsten hatte". Besonders tritt
der Nachtjäger, wie schon oben erwähnt, in waldreicher Gegend hervor und
charakteristisch vorzüglich in Jasmund und Wittow, gerade in der Nähe von Arkona,
z. B. in Putgarten. Er jagt nur des Nachts. Wenn man ihn „flöten" hört, muss
man ihm aus dem Wege gehen, denn er nimmt alles mit, was ihm in den Weg
kommt. Namentlich darf man nach Sonnenuntergang selber nicht „pfeifen"*, sonst
dauert es nicht lange, dann ist er da (Kloster). Der bekannte Ruf: „halt den
Mittelweg" wird ihm auch hier beigelegt. Aus Zudar berichtete ihn mir Hr. Pastor
Dankwardt in der Form: HoU den Middelweg, Ho II den Middelweg, süss biten
di mine Hunn. Desgleichen erwähnt derselbe, dass in Grabe w einige Bauern-
häuser standen, von denen man sagte, dass. der Nachtjäger öfter hindurchgezogen
sei. Auch in Sassnitz bezeichnet man noch jetzt ein Haus am Strande, durch
welches er oft, wenn die gegenüberliegenden Thüren offen standen, mit allen
seinen Hunden hindurchgezogen. Deshalb war auch, heisst es, kein Glück bei den
Leuten; es wechselten oft seine Besitzer.
Ist es nun auch hier noch, wenngleich in verblasster Gestalt, der alte GeuitttT-
gott, der im Winde „pfeift" und mit seiner „heulenden Sturmesmeute" einher gejagt
kommt und dem Wanderer den noch jetzt bei einem Gewitter üblichen Ruf zu-
ruft, sich mitten auf dem Wege zu halten, damit ihm kein Schaden widerfahre,
so wird der Name „Nachtjäger", den er hier abweichend von den gleichen Ge-
stalten bei Meklenburgern und Pommern, wie Dänen und Schweden zeigt, wo noch
der Name des Wodan (Odhin) hindurchklingt, besonders bedeutsam, indem er
direkt auf die Gewittemacht — denn so ist es ursprünglich zu fassen — als die
eigentliche Erscheinung der wilden Jagd dort oben am Himmel hinweist
Man könnte nun an den Swantewit auf Arkona denken, von dem berichtet
wird, dass er angeblich auch des Nachts gegen die Feinde des Landes ausgezogen
sei und man dann des Morgens sein heiliges Pferd (übrigens von schneeweisser
Farbe) mit Staub und Seh weiss bedeckt gefunden habe. Das ist aber höchstens
eine Art internationaler Berührung, denn gerade der wilde Jäger ist, zumal in der
(451)
gezeichneten Form, wie allgemein bekannt, nirgends slavisch, sondern eine speci-
flsch germanische Gestalt, und passt so nicht bloss zu dem sonst hier hervortreten-
den deutschen Aberglauben, sondern bildet, wie überall, auch hier gerade natür-
lich ein Hauptmoment, ja das Oentrum desselben. Dazu kommt nun noch, dass der
Name „Nachtjäger" noch besonders charakteristisch wird, indem er hier, rings von
der Zone des entsprechenden Odhin und Wodan umgeben, wieder im Süden am Iser-
kämm, in den Gebirgen Schlesiens, sowie in der angrenzenden Lausitz, in letzterer,
wie so manches deutsche Glaubenselement in slavischer üebersetzung, als nocny
jagar, auftritt ')> wozu sich dann in Deutschböhmen neben ihm das sogen, nachtgoid,
in Bayern: nachtgejaid oder das nachtgelait (processio nocturna) nach J. Grimm
stellt, so dass wir in jenen mythischen Oasen, in denen der Nachtjäger auftritt,
üeberreste alter „ethnologischer" Bezüge zu erblicken veranlasst sind 2).
Jedenfalls hebt sich aber hiernach gerade mit dem Nachtjäger der deutsche
Volksglaube auf Rügen in charakteristischer Besonderheit ab, welche der
Inselbevölkerung eine besondere Selbständigkeit aus der Heidenzeit her
verleiht, vor allem den Gredanken an eine in dieser Hinsicht einwirkende Coioni-
sation abschneidet.
Noch bedeutsamer wird aber in dieser Beziehung, dass ich zu meiner grössten
üeberraschung noch üeberreste eines eigenthümlichen Gebrauchs oder Oultes, der
sich im Anschluss an den schon oben erwähnten Pük (eine Art Hausgeist) über
ganz Rügen erstreckt, entdeckte Der Gebrauch reiht sich an die Zeit der Winter-
sonnenwende, die Zwölften, welche ich auch schon oben als auf Rügen noch fort-
lebend erwähnte.
Wie die alten heidnischen Gebräuche zu Anfang und Ende des Festes der
Wintersonnenwende, mit dem sich der Jahreswechsel vollzog, sich im Laufe der
Zeiten auf Weihnachten, Sylvester oder Neujahr übertragen haben, so hat sich der
betreffende Gebrauch, der wohl einst die Zwölften schloss, an den Sylvester an-
geschlossen und mechanisch auch in christlicher Zeit erhalten.
„Sylvesterabend muss gebacken werden", hiess es zunächst in der Familie
meines Wirthes zu Sassnitz, „sonst essen die Unterirdischen das nächste Jahr
mit." Dieser Aberglaube interessirte mich in hohem Grade. Da nach altgermani-
schem Glauben dann die Geister ihren Umzug halten und man ihnen vielfach noch
Speisen hinsetzt, Lichter anzilndet. Alles gleichsam zu ihrem Empfang bereit hält,
so glaubte ich hier den Rest eines solchen Opfers sehen zu dürfen, dessen Ver-
nachlässigung die Rache der Unterirdischen nach sich zieht. Wie ich nun weiter
forschte, trat mir aus allen Theilen Rügens jener Gebrauch in ausgesprochenster
Weise entgegen, selbst aus Mönchgut (Middelhagen, sowie Gr. Zicker), nur dass statt
der Unterirdischen „der Pük" genannt wurde, den ich schon früher gelegentlich auf
dem gegenüberliegenden Festlande in einzelnen Sagen als eine Art Hausgeist kennen
gelernt hatte. Hier aber auf Rügen hat sich, und das ist das Bedeutsame, der er-
wähnte, daran sich schliessende Gebrauch noch überall erhalten. Die übrigen
Sassnitzer, sowie die aus Krampas, Sagard und Bergen, Hagen bei Stubbenkamer
u. s. w. sagten, man backe stets noch einen Geestkuchen (Pfanucnkuchen), sonst
1) V. Schulenburg, Wendische Volkssagen. 1880. S. 132.
2) UeberaU klingt es analog an. Ln Riesengebirge (Braunau), sagt Grohmann,
heisst der wilde Jäger der „Nachtjäger''. Man soll sich bei Ankunft der wilden Jagd zu
Boden werfen und darf nicht aufblicken; denn einer, der dies gethan hat, ist davon wahn>
sinnig (wohl blödsinnig; geworden, ein anderer blind^, d. h. Donner und Bütz haben ihn
gerührt.
29» I
(452)
ässe der Pük das nächste Jahr mit. Früher hätte man den Kuchen auch den folgen-
den Tag mit in die Kirche genommen und einsegnen lassen, dann hätten alle von
der Familie davon essen müssen, aber auch dem Vieh habe man etwas ins Futter
gethan, den Bienen vor die Löcher des Bienenstockes gestrichen und dergl. mehr.
Aehnliche Berichte erhielt ich aus Putgarten bei Arkona, lummanz, Kloster und
Gingst. Ueberall vervollständigte sich das Bild und die Zähigkeit, mit der man,
wenn auch oft nur noch äusserlich, an dem Gebrauch festhält. Der Terminus
technicus war meist: „man müsse den Heerd abhacken" oder wenigstens am Syl-
vester Teig rühren, sonst wäre im nächsten Jahre alles behext und ginge schief
(Sassnitz und Krampas); „wenn man nicht backt, überhaupt sich nicht mit Mehl
an dem Tage zu thun macht, wird alles Mehl im nächsten Jahr zu Asche (Sass-
nitz)." Einmal, erzählte eine Frau aus Putgarten, hatten die Leute es vergessen,
da hätte es in der Küche gerufen: „bak, bak und wenn du wider nix hast as
Asche, denn back mit Asche". Aus Gr. Zicker erhielt ich den Bericht, dass man
auch allerhand Gemüse in den Geestkuchen gethan. Hr. Pastor Dankwar th aus
Zudar bestätigte mir die schon eben nach Berichten aus Sassnitz gegebene allge-
meine Schilderung in folgender weiteren Ausführung: „Den Heerd abhacken" ist
in früherer Zeit, jedenfalls noch zu Anfang dieses Jahrhunderts in dieser Gegend
allgemeine Sitte gewesen, jetzt, wie ich glaube, nirgends mehr (?). Es ist ein Geest-
kuchen, mit Aepfeln oder Zwetschen gefüllt, gebacken worden. Der Hausvater hat
davon am Neujahrstage in die Kirche genommen, damit der Segen darüber ge-
sprochen wurde, und dann haben sämmtliche Glieder des Hauses davon gegessen,
auch das Vieh hat etwas davon bekommen, selbst den Bienen ist etwas auf die
Fluglöcher gestrichen worden. Dass es geheissen habe: „damit der Pük oder die
Unterirdischen nicht mitessen" oder dort irgend ein anderer Spruch dabei üblich
gewesen, darüber sind, wie es scheint, die Erinnerungen jetzt geschwunden*). Meine
Quelle ist ein alter, 1802 hierorts gebomer Mann, der in Bezug auf alte Zeiten ein
sehr gutes Gedächtniss bewahrt. Dass im Volksglauben die Unterirdischen (auch
der Pük) eine Rolle gespielt haben, dessen erinnerte er sich gut So erzählte er
mir z. B. u. A. noch in Betreflf der Unterirdischen, dass es allgemeine Sitte gewesen
sei, dass nach der Geburt eines Kindes 6 Wochen lang Licht gebrannt worden,
damit die Unterirdischen das Kind nicht nähmen und mit einem anderen ver-
tauschten."
Weinhold hat mit Recht jüngst hervorgehoben, dass für Mythen forschung
besonders Sitte und Gebrauch von der höchsten Bedeutung sei, und dies gilt
nach der ethnologischen Seite hin entschieden. Recapituliren wir von diesem Stand-
punkt aus das Beigebrachte, so erscheint besonders bedeutsam für das Pesthalten
deutscher Gebräuche auf Rügen in dieser Weise neben solchen Einzelheiten, wie
der Gebrauch, ein Licht bei den Wöchnerinnen brennen zu lassen als Schutz gegen
die Wechselbälge oder das Mittel, welches gegen das Mahrriden angewandt wurde,
wovon noch die Rede sein wird, die allgemeine Hcilighaltung der Zwölften und
vor Allem das daran sich schliessende „Abhacken" des Heerd es und das „mitten
im Wege sich halten", wenn der Nachtjäger vorüberzieht, wie es auch in anderen
Gegenden geübt oder durch den noch bezeichneteren Gebrauch ersetzt wird, sich
platt auf die Erde zu werfen. Der Name des Nachtjägers, wie der des Pük
beim Abhacken des Heerdes, geben .dabei Rügen noch, wie schon erwähnt, eine
1) In der verschiedensten Weise bröckeln solche alte Gebräuche mit der Zeit ab. Der
ganze Bericht bestätigt aber im Anschlnss an die übrigen die geschilderte Sitte auch f^
Zudar.
(453)
gewisse Sonderstellung gegenüber den geographisch-mythologischen Gruppirungen
der angrenzenden Länder and werfen ein bedeatsames Schlaglicht auf den Stamm-
charakter der Urbevölkerung, indem sie demselben in der Hauptmasse einen
eigenartigen urdeutschen Charakter verleihen, wie ich dies in anderer Weise für
Meklenburg, Pommern und den westlichen Theil der Mark schon nachgewiesen
habe »)•
In Betreff Mönchgut's will ich in dieser Hinsicht noch eine Bemerkung machen.
Ich habe schon oben bei Besprechung einer gewissen Sonderstellung des dortigen
Dialekts darauf hingewiesen, dass man, namentlich nach dem Urtheil des Freiherm
von H axthausen, geneigt sei, dies mit einer Colonisirung des Ländchens durch
westfälische Ansiedler aus dem Paderbomschen in Beziehung zu bringen. Die
Sache bedarf noch weiterer Untersuchung. Erwähnen will ich jedoch, dass vom
Standpunkt des Volksglaubens auch hier ein homogener Untergrund, wie in den
anderen Theilen Rügens mit dem Heerdabbacken u. s. w., hervortritt, so dass dies
gegen eine radicale Umgestaltung in der Bevölkerung spricht, daneben aber doch
ein Moment für eine Mischung im obigen Sinne redet, auf das ich behufs weiterer
Forschung aufmerksam machen will.
Baier sagt in "Wolfs Zeitschrift f. deutsche Mythologie II. Bd. 1885. S. 145
„De Witten wiver" (die weissen Weiber) vertreten auf der Halbinsel
Mönchgut die Stelle der „Unterirdischen" (der Zwerge) und es wird
von ihnen zum Theil dasselbe erzählt, was im übrigen Rügen von den
Unterirdischen."
Das ist bei der Isolirtheit dieser Erscheinung hier höchst höchst merkwürdig,
denn dies gemahnt auch an Westfalen und speciell an das dem Paderborpschen
benachbarte Arensbergische. Denn von den Ortschaften Orange und Riemke da-
selbst sagt Kuhn in den „Westfälischen Sagen" II. S. 18:
„Von den witten wivern erzählt man meist Aehnliches, wie von den
Zwergen, sie vertauschen Kinder u. s. w.
Hier scheint also eine ethnologische Beziehung zu Grunde zu liegen, wie ich
eine analoge schon in dem in Pommern statt des Wode (Gwode) vereinzelt auf-
tretenden Hakelberg vermuthet habe, der sonst nur in der Altmark, im Braun-
schweigischen, sowie am SoUing und überhaupt im Minden-Ravensbergischen auf-
tritt »).
Zum Schluss noch einige Einzelheiten in Sage und Gebräuchen.
Das mährriden.
Der Mär kommt durchs Schlüsselloch, wie ein Thier, wie eine Katze oder ein
1) Schwartz, die Stammbevölkerungsfrage in Brandenburg, Meklenburg und Pommern.
^Märkische Forschungen'' XX. 1887. S. 104 flf. — Vergl. Protokolle der General -Versamm-
lung des Gesammtvereins der deutschen Geschichts- und Alterthumsvereine zu Schwerin
1890. Berlin S. 133 ff.
2) Isolirt treten auch die witten wiver noch in Meklenburg zu Sukow bei Criwitz auf,
gerade wie die Zwerge, kinderstehlend, backend u. s. w., daneben von Frau Wauer d. h.
dem Pro Wode verfolgt, wie sonst in Mitteldeutschland die Moosweiblein. Nied erhoff er,
Mecklenburgs Volkssagen. Leipzig 1869. ni! S. 190. — Die Beziehung zwischen beiden
Wesen ist übrigens nicht auffallend, denn wenn die Zwerge mit ihren Nebelkappen ur-
sprünglich W'olkendämonen waren (s. weiter unten die Anm. zu der Sage „die Zwerge bei
Arkona*), so waren die witten wiver die Wolkenfrauen, — eine altindogermanische Vor-
stellung, — welche u A. der Sturmesgott verfolgt. — Ueber die geographischen Grenzen
des Hackelberg s. Kuhn und Schwartz, Nordd. Sagen. Nr. 182 und 26ö. Weddingen
und Hartmann, Der Sagenschatz Westphalens. Minden 1884. S. 15f.
(454)
Marder schleicht er sich an den Schlafenden. Je naher er kommt, desto schwerer
wird die Athenmoth des Menschen, und wenn er aufwiegt, ist dieser wie gelähmt
und kann sich nicht rühren. Man nennt dies allgemein das mährriden, wobei in
den einzelnen Gegenden der erste Vocal zwischen a und o schwankt, aber überall nur
mahr, nicht Alp ; auf Mönchgut geht das o in u über, „Muhrtriden" heisst es da *).
Als Gegenmittel gilt, wenn man mit einem nassen Tuch nach der Erscheinung
schlägt, dann verschwindet sie. Oder man legt einen abgefegten, stumpfen Reisig-
besen tmter das Bett, damit, wie einer sagte, die „Hexe" keine Macht mehr daran
hat, d. h. ihn wohl nicht mehr zu dem gespenstischen Ritt, an den dabei woh)
gleichzeitig gedacht wird, gebrauchen kann.
Der Dräk
ist noch ziemlich allgemein bekannt, auch auf Mönchgut. Er trägt es den Leuten
zu. Man sieht ihn oft oft des Abends wie eine feurige Kugel mit langem Schweif
ziehen und dann in den Schornstein einfahren. Wenn man ihn ziehen sieht, muss
man ein Wagenrad verkehrt aufstecken, dann muss er fallen lassen, was er mit
sich führt. Nur muss man selbst unter Dach und Fach sein, sonst überschüttet
es einen oft hässlich, namentlich mit ram (Sahne)*).
Die weisse Frau.
Wie der Glaube an das gelegentliche Erscheinen des Nachtjägers noch in den
Köpfen spukt, so auch das der weissen Frau'). Man glaubt noch immer, sie hier
und da zu sehen; gerade wie in katholischen Gegenden noch ab und zu das (Ge-
rücht auftaucht, die Jungfrau Maria habe sich an irgend einer Stelle sehen lassen
(s. meine Prähistorisch-anthropologischen Studien. Berlin 1884. S. 372, 374).
Auf dem Wege von Sassnitz nach der Stubbenkaraer, hinter der Försterei
Werder, soll die weisse Frau namentlich umgehen. Wer das rechte Wort findet,
erlöst sie und erhält ihre Schätze. Auch am Schlossberg am Hertha-See zeigt sie
sich. Ein Junge sah sie noch jüngst dort im Walde Holz lesen. Da fasste ihn
die Angst und er lief quer waldein. Wie er an den Hertha-See kommt, da fährt sie
in einem Kahn auf demselben mit einer weissen Kappe. In Angst und in Schweiss
gebadet kam er nach Hause (Hagen). Das ist aber nicht der einzige gewesen,
dem derartiges begegnete.
1) Ueber den ürspnmg des altindogermanischeD Glaubens vom Mährriden, welches in
Mittel- und Süddeutschland Alpdruck heisst s. Poet. Naturansch. I. S. 72flf.
2) Der Dräk findet sich in ähnlicher Weise in ganz Norddeutscbland. s Kahn und
Schwartz, Norddeutsche Sagen 1848. gebr. 200 — 223. Sonst wird er einem (feurigen)
Wisböm (der auf dem Heuwagen liegt) verglichen. Es geht auf das Wetterleuchten und ist
daneben eine verkümmerte Vorstellung des Windes, der als himmlischer Hausgeist in der
schweren Gewiltenvolke etwas hinschleppt, im sogen. Flachblitz leuchtet, im krachenden
Donner etwas fallen lässt, das dann als ünrath, Schwefel u. dergl. gedeutet wird: siehe
Präh. Studien S. 72. Poet. Naturansch. IL 8S. Das Bild, wie ich es oft habe beschreiben
hören, giebt noch mit dem Krachen und Schwefelgenich, nur in anderer Deutung als ein
himmUsches Wahrzeichen wieder Vergil Aen. II (i04. Mit dem herabstürzenden Donner-
gekrach heisst: per umbras Stella facem ducens multa cum luce cucurrit. UlanL,
summa super labentem culmina tecti, Cemimus Idaea claram se condere silva^
Signantemque viam; tum longo limite sulcus Dat lucem, et late circum loc* sulfure
fumant.
3) Ein bekannter Spuk, in dem noch neben dem Gewittergott die altmyth sehe Gestalt
der Sonne, als einer himmlischen Wolken- und Wasserfrau, fortlebt, s über dieselbe Un»p.
d. Mjth. Heutiger Volksgl. u. s. w. (IL Aufl.), Prähist. Studien u. s. w.
(456)
Feuer ^). Da packte sie die Angst, sie sahen sich um, — das darf man bei solcher
Gelegenheit nicht, — und Alles war verschwunden.
Besser ging es Anderen, die sahen einmal an solcher Stelle dort in der Nacht
einen alten Mann, der immer in einem Feuer rührte, dass die Spähne nur so
herumflogen. Er fragt sie, ob sie welche haben wollten. Sie lachen und wollen
zuerst nicht, zuletzt nehmen sie doch welche in der Schürze mit. Bald wird es
den Frauen aber immer schwerer und schwerer, so dass sie Alles fortwarfen. Wie
sie nach Hause kamen, waren einige im Schürzenband sitzen geblieben und eitel
Gold'O.
Die Hexen zu Walpurgis.
Zu Wollbrekken (Wolpern) fahren die Hexen nach dem Blocksbeig. Wenn
man eine geerbte Egge schräg aufstellt und sich unter dieselbe setzt, kann man
sie sehen.^ Sie fahren in viereckigen Mulden, wie die sind, in die man nach dem
Fischfange die Steine aus den Netzen, mit denen man selbige beschwert hatte, ab-
streift und sammelt. Schippenartige Bretter, wie man sie beim Flachsreinigen
(Brechen) gebraucht, sind ihre Ruder*).
Die Steine bei Goor.
Bei Goor auf der Halbinsel Wittow liegen grosse Steine, die hat eine Wendin
da fallen lassen, als sie dieselben in der Schürze getragen und das Schürzenband
ihr gerissen*). Putgarten.
Der Kavenin bei Sassnitz.
Jeder Ort an der Küste hat so sein Wahrzeichen. So liegt zum Beispiel bei
Sassnitz zwischen Fahren- und Schlossberg der Ravenin. Das ist den Sassnitzem
ein Signalberg zwei Meilen hinein in die See, fast bis zur Stubbenkamer hin.
Wenn man den sehen kann und die Küste, wo ja alle Spitzen auch ihren Namen
haben, sagte mir ein Fischer, dann kann man danach steuern, so genau, dass man
auf ein paar Meter weiss, wo man landet. Ist aber Nebel, dann ist es schlimm.
Der Spuk in Spyker.
In Spyker, der alten Besitzung der Wrangeis, ist es nicht richtig. Im Thurm
da spukt es. Als sie ihn bauten, heisst es, fiel er immer über Nacht ein, bis sie
einen Menschen einmauerten*). Der geht nun um. Nach Anderen ist daselbst ein
unheimliches Gemach, da ist einer zu Tode gekommen, und der ist es, der nun
umgeht*).
1) Derselbe Zug kehrt bei der Erlösung der verfluchten Prinzessin auf dem Muggels-
berge bei Berlin wieder, s. Heutiger Volksgl. H. Aufl. S. 111.
2) üeber die Wandlung der Speisen in Gold s. Heutiger Volksgl. 11. Aufl. S. 35, 43.
3) Interessant ist, wie die Nftbe der See die Scenerie wandelt. Die Hexenfahrt wird
zu einer Art Wasserfahrt So fährt auch nach ßaier a. a. 0. eine Mahr in einer Mulde
mit Schwingblättem. s. Jahn, Volkssagen von Pommern und Rügen 1887. S. 560f.
4) Die Nähe von Arkona mit seinem Swantewittempel lässt hier „eine Wendin" aaf-
treten.
5) Ein junger Fischer, der auch darauf zu reden kam, und der in Wilhelmshaven
bei der Marine gewesen, meinte, ähnlich hätten sie es auch in Oldenburg seiner Zeit ge-
macht, nehmlich mit dem Kinde einer armen Frau. Da ist es deshalb auch nicht richtig,
und wenn ein Prinz geboren werden soll, ziehen sie immer fort nach einem anderen Palais.
Sonst brächte es dem Kinde Unglück.
C^) In den dreissiger Jahren tauchte im Anschluss hieran, auch in Zeitungen, das Ge-
rücht auf, der schwedische Feldmarschal Wrangel, der bei Fehrbellin geschlagen wurde, sei
seiner Zeit auf Befehl des Königs von Schweden hier heimlich hingerichtet worden.
(457)
Aberglauben.
1) Sieht man am Sylvesterabend den Schatten eines Menschen ohne Kopf, so
ist das ein Zeichen, dass derselbe im neuen Jahre stirbt. Sassnitz.
2) Wenn einer stirbt, muss Alles gleich gewaschen werden, was er an hat,
sonst hat der Todte keine Rahe. Patgarten.
3) Weihnachtsabend stellen die Kinder einen Teller auf das Fensterbrett, da
finden sie dann am Morgen gebackene Puppen, Aepfcl a. dergl. Das hat ihnen
der heilige Christ gebracht.
4) Wenn die jungen Gänse zu viel gefressen haben, muss man sie räuchern.
Dazu braucht man Spähne von einer neuen Schwelle, Dill (das ist überhaupt gegen
die Hexen gut) und endlich ein Pulver aus der Apotheke in Putgarten.
(22) Hr. W. Schwartz berichtet über
prähistorische Fundstücke aus Ketzin, Kr. Osthavelland.
Ich bin Herrn Rentier Mannheimer hierselbst dankbar, dass er mich in
die Lage versetzt hat, einige ä Th. höchst interessante Stücke vorzulegen, welche
auf einer ihm gehörigen, im Osten des Städtchens Ketzin liegenden Ziegelei ge-
funden sind. Die Gegend hat uns schon einmal beschäftigt, indem Hr. Virchow
und Hr. Krause über einen im Westen von Ketzin an der Havel gelegenen Burg-
wall und die prähistorischen Resultate, welche bei einer in den Jahren 1882 — 83
vollgenommenen Abtragung desselben sich ergaben, des Ausführlicheren berichtet
haben (Bd. XVI. 1884. Verhandl. S. 47).
Was die Bodenverhältnisse anbetrifft, so kommt zuerst eine starke Torfschicht,
in der sich nur gelegentlich einzelne Stücke, wie Beschläge eines Hirschfängers und
dergleichen aus den letzten Jahrhunderten finden; dann folgt eine z. Th. mit Sand
durchzogene Thonschicht, welche die prähistorischen Funde birgt, und endlich
reiner Sand, in dem sich öfter kleinere und grössere Stücke von Bernstein finden.
Die Funde, welche ich vorlege, sind im Laufe der letzten Jahre an verschiedenen
Stellen, meist im Thon, gemacht worden.
1) Besonderes Interesse nimmt zunächst ein Schädel in Anspruch, der von
einem Skelet herrührt, welches sich 14 Fuss tief in einer 2 Fuss hohen Schicht
Sand unter dem Torf fand. Hr. Virchow hat denselben einer näheren Unter-
suchung, besonders in Vergleich zu den seiner Zeit am Burgwall gefundenen
Schädeln, unterzogen.
2) Eine Rarität ist dann geradezu eine grosse schlanke Doppelaxt aus
Bronze (Fig. 1), mit hellgrüner, mehlartiger Patina Von dem in der Mitte be-
findlichen, kleinen, ovalen Stiel loch verbreitert sie sich gleichmässig in etwas ge-
schwungener Linie nach den beiden etwas convexen Schneiden (Länge 30 c/w.
Breite der Schneiden 6, 3 und 6 cw, Breite in der Mitte 3,2 an; Dicke in der Mitte
3 cm), Sie wurde gefunden auf einer Anhöhe, etwa 12 Fuss tief im Lehm. Wie
mir Hr. Buch holz mitgotheilt hat, besitzt das Märkische Museum eine ähnliche Axt
aus der Gegend von Halle; in der Mark ist noch keine derartige gefunden worden.
3) Ein kleiner Hohlcelt „mit üehr" aus Bronze, mit brauner Patina; an
beiden Seiten je 3, etwas erhabene Rippen, der hintere Rand wulstartig; nach
vom und hinten von der Mitte aus sich etwas verbreiternd; die Gussnähte noch
sichtbar. Länge 8,8 cm^ Breite der Schneide 3,5 cm^ Durchmesser der ovalen
Schaflöffnung 3 : 2,6 cm, Tiefe der Schufiöffnung 6,8 rm. Gleichfalls 12 Fuss tief
im Thon gefunden.
C458)
0,
V,
Figur 3
4) Ein 13 cm liingos Gorüth von Hörn, oben vierL'L'ki(f, al>i>r soDst rand and
nnch vom sich vcrjüngond und in eine Spitze nusgchend, von hellbrauner Farbe:
wohl eine Art Harpune. Daa obere viereckig? Ende ist sauber ausgearbeitet
5) Die rechte Uüirie eines Untcrkiüfers von einGin ponynrtigen Prcrde
(459)
(Equus caballus); vom fragmentirt, zwei Backenzähne fehlen. 24 Puss tief im
Thon gefunden.
Nachträglich hat Hr. Mannheimer aus der Gegend noch erworben:
6) Einen Hammer mit weitem Stielloch aus dem Kronentheil eines sehr
starken Hirschgeweihes; etwas gekrümmt, sehr rohe Arbeit; die eine Seiten-
fläche wird durch die natürliche rauhe Schale gebildet, auf der anderen ist die-
selbe nach vorn zu z. Th. entfernt, um eine Art Schneide herzustellen. Grösste
Länge 16 cm^ Durchmesser der Krone 9 cm,
7) Einen kleinen Flachcelt aus Bronze mit brauner Patina und sehr rauher
Oberfläche, mit je zwei ziemlich erhabenen, geraden Leisten auf beiden Seiten;
vom Bahnende nach der Schneide sich etwas verbreiternd; das Bahnende halb-
mondförmig eingeschnitten. Länge 11,1 cm, Breite der Schneide 4,1 cm; Breite des
Bahnendes 2,5 cm, Durchmesser 2,2 cm.
8) Einen schwarzen Steinhammer.
9) Nadel oder Pfriemen aus Knochen, am oberen Ende durchbohrt.
Länge 8,5 cm, grösste Breite 0,9 cm.
10) Einen massiven Pfriemen aus Knochen, an dem am oberen Ende ein
Thierkopf (Pig. 2) mit flacher breiter Schnauze (Pferdekopf?) geschnitzt ist;
z. Th. glatt polirt. Länge 3,9 cm, Länge des Thierkopfes 2 cm.
Auch Urnen, besonders schwarze, sind gelegentlich daselbst gefunden worden.
Eüne von hellerer Farbe, scharf gebrannt, mit tief eingeritzten Verzierungen, giebt
die vorstehende Abbildung (Pig. 3) wieder. Gefunden wurde sie 16 — 20 Puss tief. —
Hr. Virchow: Nach den von Hrn. Schwartz mitgetheilten Angaben des Hm.
Mannheimer handelt es sich hier um einen anderen Platz in der Nähe von
Ketzin, als denjenigen, welchen ich im Jahre 1883 mit Hm. Ed. Krause untersucht
habe. Leider sind die Angaben so wenig eingehend, dass es nicht einmal möglich
ist, zu ersehen, ob es sich um einen Wohnplatz oder um Gräber gehandelt hat.
Möglicherweise ist die Stelle zusammengesetzt aus Anlagen verschiedener Cultur-
epochcn. Denn während ein grosser Theil der t\inde in eine ziemlich weit zurück-
gelegene Zeit weist, erscheint die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass nament-
lich die Knochengeräthe einer viel jüngeren Periode angehören. Die Gegend von
Ketzin birgt manche Alterthümer, deren Stellung dringend eine weitere Local-
erforschung erfordert. Ich erinnere daran, dass ich in der Sitzung vom 21. Juni
1890 (Verh. S. 367) einen Pund von Knochenharpunen erwähnte, welche jedoch,
im Gegensatz zu dem von Hm. Schwartz unter Nr. 4 aufgeführten Geräth, tiefe
seitliche Einschnitte zeigen.
Unter den jetzt vorgelegten Stücken ist besonders bemerkenswerth der Knochen-
pfriemen Nr. 10 (Pig. 2), der an dem hinteren Ende einen geschnitzten Thier-
kopf trägt. Solche Stücke gehören bei uns zu den grössten Seltenheiten. Eine
gewisse Beziehung dazu scheint ein früherer Pund in dem Burgwall von Ketzin
zu haben, den Hr. Ed. Krause beschrieben hat (Verh. 1884. S. 50 — 51. Pig. 6):
ein Knochenpfriemen, auf dessen Rundung sonderbare Schlangenzeichen mit queren
und gekreuzten Einritzungen und mit einem Hakenkreuz zu sehen sind.
Nicht minder hervorragend ist die Doppel axt Nr. 2 (Pig. 1). unsere Auf-
merksamkeit auf dieses sonderbare Geräth wurde im Jahre 1879 (Verh. S. 336.
Taf. XVII. Pig. 2 und 3) durch den berühmten Perd. Keller gelenkt, der uns über
einen neuen Pund von Dr. V. Gross berichtete: in dem Pfahlbau von Lüscherz
(Locras) hatte derselbe eine solche Doppelaxt aus Kupfer gefischt. Ich erwähnte
damals, dass ich in Athen ganz ähnliche Doppeläxte gesehen hätte und dass auch
(460)
aufHissarlik dergleichen gesammelt seien; es sei eine altassyrischc oder babyloni-
sche Form, welche auch in Zeichnungen jener Zeit vorkomme. Bald nachher
(Verh. 1880. S. 92) übersendete uns Hr. V. Gross einen Gypsabguss des Stückes.
In demselben Jahre fand die grosse Ausstellung deutscher prähistorischer
Gegenstände in Berlin statt. Sie brachte uns nicht weniger als 6 solcher Doppel-
äxte zur Anschauung, nehmlich
1) 3, als Doppel meissel bezeichnete Stücke aus dem römisch -germanischen
Museum in Mainz (Katalog der Ausstellung 1880. S. 227): eines von Friedols-
heim (Peuerberg) in der Pfalz, eines von Flonheim in Rheinhessen und eines
aus der Umgegend von Mainz, das erste und das letzte abgebildet in den Alterth.
unserer heidn. Vorzeit von L. Lindenschmit I. 1. Taf. ILI. Nr. 7 und 8.
2) ein als Hellebarde bezeichnetes Stück (Katal. S. 5. Nr. 4) von Altenburg
an der Saale in Anhalt (ebendas. S. 3). Es ist aus Kupfer, 279 mm lang, an den
Schneiden 95, in der Mitte 17 mm breit und an letzterer 15 mm dick. In der ganz
schmalen Mitte ein sehr kleines, viereckiges Loch, etwas unregclmässig gebohrt,
8 mm lang und breit. Eine Abbildung davon steht in dem Photogr. Album der
Ausstellung von Günther und Voss Sect. IV. Taf. 17. Nr. 4. Aus der Sammlung
des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde des Kreises Bernbui^.
3) ein als Doppelmeisscl bezeichnetes Stück aus der Sammlung des Haupt-
manns V. Grab a in Magdeburg (Katal. S. 51G. 10. Nr. 4). Es ist dabei bemerkt:
„(Bronze) mit viereckigem Loch. Länge 31 cm, Fundort Weste rege In." Ich
habe es damals gleichfalls als ein Kupf erger äth notirt Seine Länge roaass ich
zu 298 mm^ die Breite an den Schneiden zu 68, in der Mitte 17 mm, die Dicke in
der Mitte zu IS mm. In der Mitte der Seitenflächen ein Wulst, entsprechend dem
viereckigen, 8 mm langen und 5 mm breiten, doppeltrichterförmigen Loch. Abgebildet
in dem Photogr. Album Sect. VI. Taf. 1 (150).
4) „Zweischneidige durchlöcherte Bronzeaxt, " gefunden in einer Kiesgrube
bei Cölleda, aus der Sammlung des Oberstabsarztes Dr. Schwabe zu Weimar
(Katal. S. 543. 5. Nr. 15). Nach meiner Notiz ist sie gleichfalls aus Kupfer. Sie
misst in der Länge 278 mm, in der Breite an den Schneiden 48 mm, in der Mitte
26. Das in letzterer gelegene runde Loch hat einen Durchmesser von 14 tum
und ist an der einen Seite etwas weiter von dem Rande entfernt.
Alle diese Stücke haben das Gemeinsame, dass die beiden Schneiden in
gleicher Ebene liegen und sehr breit sind, während der mittlere Theil und daa
darin gelegene Loch so eng sind, dass man sich fragen muss, wozu eigentlich
dieses Loch benutzt wurde. Ein viereckiges Loch von 8 auf 5 mm Durchmesser
(Westeregeln Nr. 3) oder von 8 mm Länge und Breite (Altenburg Nr. 2) konnte
nicht füglich ein Stielloch sein; nicht einmal ein rundes Loch von 14 mm Durch-
messer (Cölleda Nr. 4) reicht dazu aus. Durch ein solches konnte höchstens ein
Lederriemen oder ein Baststreifen gezogen werden, um die Axt an dem Stiel zu
befestigen. Für eine solche Erörterung ist es an sich gleichgültig, ob man das
Ding eine Axt oder einen Mei.^sel nennt, denn auch letzterer musste befestigt
werden. Indess ist die Deutung als Meissel schwerlich annehmbar, wenn man die
vollständige üebereinstimraung jeder der beiden Hälften mit einer Bronzeaxt in
Betracht zieht. Ob eine solche Einrichtung sehr zweckmässig ist, muss fraglich
erscheinen; sie war aber wohl nur eine traditionelle, aus einer Zeit herübergebracht,
wo man die Aexte nicht schuftete, sondern band; in dieser Beziehung dürfen sie
als Zeugen einer archaischen Zeit angesehen werden.
Sonderbarerweise hat dasjenige Land, welches in Europa der Hauptrephiscn-
tant der Kupfercultur ist und in welchem Doppeläxte aus Kupfer in der Thal sehr
(461)
zahlreich sind, nehmlich Ungarn, einen ganz anderen Typus der letzteren. Pulszky
(Die Kupferzeit in Ungarn. Budapest 1884. S. 64) bezeichnet als gewöhnliche ungari-
sche Form den „Kupferstreithamracr mit zwei, im Kreuz stehenden Schneiden".
Unter der Zahl solcher Streithämmer, die er abbildet (Taf. XXIX und XXX),
ist nicht ein einziger mit gleichgestellten Schneiden; immer steht die eine Schneide
in einem rechten Winkel gegen die andere. Was er von „Doppelbeilen" sagt
(S. 63), scheint sich freilich auf solche Stücke, wie die unsrigen, zu beziehen^ aber,
wenn ich ihn recht verstehe, so wären nur 2 solcher Stücke in Ungarn gefunden
worden und diese aus Bronze. Auch Lindenschmit (Alterth. heidn. Vorzeit II. 3.
Taf. II. Nr. 1 — 2) bildet eine ungarische Doppelaxt von „Erz" aus dem Museum
in Zürich ab, welche gleichgerichtete Schneiden, im Uebrigen aber wenig Aehnlich-
keit mit den unsrigen hat; in sehr bezeichnender Weise folgt unmittelbar darauf
bei ihm (Nr. 3—4) ein zweites ungarisches Exemplar von Kupfer aus denvselben
Museum und dieses hat gekreuzte Schneiden. Für die- weitere Frage nach der
Herkunft dieser Formen möchte ich hervorheben, dass die Doppelaxt mit
gleichgerichteten Schneiden vorzugsweise in Griechenland und Vorder-
asien vorkommt, dagegen die Doppelaxt mit gekreuzten Schneiden im
nördlichen Kaukasus. In letzterer Beziehung verweise ich auf die eisernen
Doppelbüilchen von Tschmy, Tscheghem und Besinghy (Verh. 1890. S. 432, 437
und 447. Fig. 34 und 52); in ersterer erwähne ich, dass ich vor 3 Jahren unter
den neuen Funden auf dem Parthenon zu Athen „Bronzeäxte mit centralem Loch
und doppelten, gleichsinnig gerichteten Schneiden" notirt habe.
Die Aehnlichkcit mancher deutschen Doppelbeile unter einander ist so gross,
dass man an eine gemeinschaftliche Bezugsquelle zu denken veranlasst wird. Das
Merkwürdigste in dieser Beziehung sind die zwei Stücke von Friedolsheim und
von Mainz, welche auf den flachen Seiten omamentirt sind, und zwar mit genau
demselben Muster, das doch sicherlich nicht zweimal neu erfunden sein wird.
Andererseits haben die Doppeläxte mit gekreuzt stehenden Schneiden so grosse
und zum Theil noch durch vorspringende Ränder gestützte Löcher, dass sie, wie
schon llandelmann (Verhandl. 1881. S. 47) mit Recht hervorgehoben hat, sich
wesentlich unterscheiden.
Die Lage der bisherigen Fundorte von Doppeläxten mit gleichgerichteten
Schneiden könnte auf einen südlichen Import hinweisen. Da die Doppelaxt von
Ketzin in den Funden von Westeregeln, Altenburg und CöUeda westliche Nachbarn
besitzt und die rheinischen Funde von einem schweizerischen Pfahlbaufunde fort-
gesetzt werden, scheint eine mögliche Reihe hergestellt. Indess wird eine noch
öfter erneute Prüfung erforderlich sein, bevor man einen solchen Schluss definitiv
annimmt. Dabei werden die beiden aufgeführten Kategorien streng von einander
zu scheiden sein. —
Endlich der Schädel, welchen Hr. Seh war tz mir übeiigeben hat, zeigt deut-
lich die Einwirkung des Torfwassers, welches die Sandschicht, in der er lag, durch-
tränkte. Er ist sehr fest, von dunkelgrauem, glänzendem Aussehen, aber leider
sehr defekt. Von dem Hinterhauptsbein ist nichts vorhanden: von der Spitze der
Lambdanaht an bis zu der Gegend der sphenooccipitalen Fuge reicht ein grosses
Loch, an dem auch das linke Schläfenbein theilnimmt. Die wenigen, überhaupt
zu bestimmenden Maasse sind folgende:
Schädelkapsel.
Grösste Breite .... 141 mm Stimbreite 100 wim
Ohrhöhe H^ » Temporaldurchmesser . 115 „
(462)
Entfernung des Foramen magnum Yon der Nasenwurzel 111 mm
„ „ „ „ vom Nasenstachel 117 „
„ „ „ „ „ Alveolarrand 122 „
Sagittalnmfang des Stirnbeins 1^2 „
„ der Parietalia 135 „
Gesicht.
' Gesichtshöhe B 67 „
Malarbreite 100 „
Orbita, Höhe 29 „
„ Breite 37 „
Nase, Höhe 52 „
„ Breite 24 „
Gaumen, Länge ^^ »
„ Breite ^ »
Berechnete Indices.
Orbitalindex 78,3
Nasenindex 46,1
Gaumenindex 72,7
Der Schädel hat einem älteren, sehr kräftigen Manne angehört. Er ist gross,
breit, aber auch stark gestreckt. Die sagittalen Umfangsmaasse des Vorder- und
Mittelkopfes gehen beträchtlich über die Mittelwerthe hinaus. Die Nähte sind offen.
Die Stirn breit (100 mm), gewölbt. Glabella massig vertieft, Tubera deutlich, die
Orbitalränder glatt, der Nasenfortsatz vorgewölbt, mit einem Rest der Stimnaht;
der hintere Abschnitt des Stirnbeins lang und ansteigend. Lange Scheitelcurve.
Schläfengegend normal. — Gesicht sehr kräftig. Grosse Wangenbeine mit starker
temporaler Tuberosität. Oberkiefer niedrig, aber stark, insbesondere gegen das
Wangenbein hin kräftig entwickelt. Orbitae niedrig und breit, der obere Band
mehr schräg, der untere fast gerade gestellt, Index 78,3, ultrachamaekonch.
Die Nase mit breitem, leicht vertieftem Ansatz, eingebogenem, gerundetem Rücken ;
die Nasenbeine durch Bruch entstellt; Lidex 46,1, leptorrhin. Alveolarfortsatz
kurz (15 mm)^ vortretend, prognath. Es sind nur 3 Zähne vorhanden: der linke
Molaris 111 mit unversehrter Krone und die Molares I und U rechts, die stark ab-
geschliffen sind. Die leeren Alveolen, sowohl der Incisiven, als der Praemolaren
gross, die Zahncurve weit, nach hinten zusammengebogen. Gaumen flach, mit
weiter Ausbuchtung, die Platte nach vorn etwas zugeschrägt, hinten breit; Index
72,7, leptostaphylin (? zweifelhaft wegen der defekten Molaren). Unterkiefer
fehlt. —
Man darf wohl vermuthen, dass der Schädel hypsimesocephal gewesen ist
Bei der früheren Ausgrabung des Burgwalles waren auffälligerweise neben
einander 3 Schädel ohne alle weiteren Skeletknochen gefunden worden. Sie
zeigten sämmtlich um das Hinterhauptsloch grosse Defekte, welche, wie ich aus-
führlich nachgewiesen habe (Verhandl. 1884. S. 55), nicht anders entstanden sein
können, als durch Köpfen. Ich hielt daher diese Schädel für Kriegstrophäen. In
dem jetzigen Falle ist nach der Angabe ein ganzes Gerippe gefunden, aber un-
glücklicherweise ist nichts davon mitgekommen. Spuren gewaltsamer Verletzung
sind um das Foramen magnum nicht wahrzunehmen. Hier fehlen also olle
Parallelen.
Im Uebrigen lässt sich nicht verkennen, dass manche Uebereinstimmung vor-
handen ist. Ganz besonders ist dies der Fall in Betreff der Orbitae, welche bei
(463)
allen 3 früheren Schädeln chamaekonch waren, — eine Eigenschaft, die mich
stets an slavische Formen erinnert. Die Nase variirte mehr, indem sie bei 2 Schä-
deln schwach mesorrhin, bei einem hyperleptorrhin war, was nicht hindert, sie im
Granzen, wie bei dem jetzigen Schädel, schmal zu nennen. Auch die Gaumenform
erwies sich als unbeständig. —
(23) Hr. Gymnasialoberlehrer Dr. Krause in Gleiwitz schreibt unter dem
28. über
ein Zensbild ans niam.
Es erscheint auffallend, dass unter den zahlreichen Gegenständen, welche auf
der Stätte des alten Troja gefunden worden sind, sich nirgends eine Abbildung
des Zeus darbietet, während es bekannt ist, dass der Donnergott in Troja hoch
verehrt wurde. Am Altare des Zeus nehmlich war König Priamos erschlagen
worden. Diese Erzählung beweist uns, dass dem Zeus ein Altar in Troja geweiht
war, und dass der Donnergott von den Trojanern durch Opfer geehrt wurde. Es
ist also auch zu vermuthen, dass die Trojaner diesen Gott bildlich dai^estellt
haben, in gleicher "Weise, wie dies mit Pallas Athene geschah. Obwohl unter den
Schlie mann' sehen Funden nirgends eine Darstellung des Zeus erwähnt wird, so
ist dennoch eine solche vorhanden. In dem Werke Schliemann's, Ilios, findet
sich S. 688 die Abbildung einer archaischen Figur aus Terracotta, welche wir hier
wiedergeben (Fig. 1).
Figur 1.
Diese Figur, welche in
einer Tiefe von 3 Fuss auf-
gefunden wurde und aus der
siebenten Stadt stammt, deutet
Schliemann als die Dar-
stellung eines alten Mannes.
Indess liegt hier zweifellos ein
Bild des trojanischen Zeus vor,
wie die Blitzbündel oder Don-
nerkeile beweisen, welche zu
beiden Seiten des Bildwerks
angebracht sind, und welche
auch von Schliemann her-
vorgehoben werden. Der
Künstler wollte den trojani-
schen Zeus in seiner Dar-
stellung als Donnergott zum
Ausdruck bringen, und dazu
waren die Donnerkeile, welche
dem Bilde des Gottes beigegeben sind, das geeignetste Mittel. Der Gott selbst
erscheint in dieser Darstellung mit langem Barte und mit phrygischer Mütze oder
Spitzhut. Ist auch diese archaische Figur roh und weit von derjenigen idealen
Auffassung entfernt, wie sie in dem Zeus von Otricoli vor unsere Augen tritt, so
ist sie dennoch das Bild des Zeus, des Donnergottes.
Auch mehrere andere Gegenstände sind in llium gefunden worden, welche
sich auf den Zeuscultus beziehen, nehmlich eine Anzahl kleiner Thontäfelchen
(Fig. 2 — 4), welche den Blitz und den Regen darstellen. Der Blitz erscheint auf
diesen Täfelchen entweder in der Form von vielverschlungenen Gewinden oder als
Donnerkeil mit Flügeln. Die Deutung dieser Täfelchen als Darstellung des Blitzes
*/, der natürlichen Grösse.
CM4)
V, der natürliche» 6r5sae.
und des Donnerkeiles findet sich schon in dem Schliemann'achcn Werke ans-
gesprochen- Dagegen hat eine Darstellung des Gewitters, welche auf zwei anderen
Irojuniachen Tärelchen gegeben ist, bis jetzt noch keine Erklärung gefunden. Hier
ist die Abbildung derselben, wie sie sich in Schlicmann's Ilios S. filK) vorfindet
(Fig. 5, 6).
Diese beiden Thontafelchen stellen offenbar das Gewitter dur. Auf dem ersten
Tärelchen ist der Himmel mit seinem Regengewölk durch einen Kreis dargestellt,
welcher zahlreiche Regentropfen enthüll. Die zweite Kreisscheibe mit den Wosser-
tropfen stellt die Erdscheibc dar, auf welche der Regen hemiederrallt. Himmel
und Erde sind durch den Blitz verbunden, welcher in zwei senkrechten Straiilcn
niederHihrt. Auch auf dem zweiten Täfelchen wird es jetzt leicht sein, den Himmel
und die Erde, sowie auch den Blitz wieder zu erkennen, welcher in Gestalt eines
zweitheiligen FlatnmenbUndels auf die noch trockene Erde herabßihrt Diese
kleinen Thontafelchen, welche in der halben Grösse abgebildet sind, haben sicher-
lich auf die Verehrung des Zeus Bezug und vertraten das Uild des Donnergottes.
Es sind Gegenstände des frommen Cultus, welche die Stelle unserer religiösen
Bilder vertreten haben mögen. Wer die heilige Stadt Ilios betrat und die Coltu»-
statte des Zeus besuchte, wird dergleichen religiöse Gegenstände als Andenken er-
worben und nach der üeimath mitgenommen haben, wie man in unserer Zeit von
den Wallfahrtstätten religiöse Bilder als Andenken nach der Heimath mitzunehmen
pflegt. -
(24) Hr C. Met
schreibt unter dem I
, Vorstand des AI terth ums verein
m Hrn. Virchow über
DUrkhei
das früheste Vorkommen arabischer ZRhlenzeich«D in Dentschland.
„Ich bedaure sehr, dass ich zu Ostern, wie Sie hier waren, verreist war. Ich
hätte Sie dann von einer vierten, in arabischen Zeichen geschriebenen Jahreszahl
in KenntnisB setzen können. Es gicbt deren hier folgende:
1) Limburg 1153.
2) Schlosseck 1202.
3) Brunheldisstuhl 1204.
4) Drachcnfels (noch nicht pablicirt).
• ^^ Dieselbe steht auf anstehendem Fels am
Boden in der frllher unzugänglichen (seit 1863
zugänglichen) Drachenböhle, ist von mir drei-
mal genau copirt und hnt nebenstehende Zeichen.
•i^'£^
(465)
Nach Prof. Wattenbach *8 Specialwerk über lateinische Palaeographie zu lesen
= 1249.
Das „4" ist sehr charakteristisch und kommt nur im 12. — 13. Jahrhundert so
vor (vgl. Wattenbach a. a. 0. 4. Aufl. Beispiele S. 101—102).
Vor dieser Zahl (Differenz 30 cm) steht
= Irrsaal. X ist Interpunctionszeichen; da aber nach L am Felsen kein Platz
mehr war, machte der Schreiber es vorher. Nach dem Schriftcharakter (bezeich-
nend sind die beiden A) können beide Inschriften derselben Zeit entstammen.
Diese zwei Inschriften bilden dann eine Reihe:
. Irrsaal . . 1249
Dicht daneben (1 m nach Westen) steht am Felsen eine im Detail noch nicht
ganz festgestellte Runeninschrift.
Den Drachenfels umzieht eine römische Verschanzung aus dem 4. Jahrh.
Funde spätrömischen Charakters von dort im Alterthumsvereine: a) Lanzeneisen,
b) Hacken, c) Meissel; d) verschiedene Gefässreste. —
Hr. Rud. Virchow erinnert an seine Controverse mit den Schweizer Gelehrten
über die 2ieitbestimmung einer Jahreszahl an einem schweizer Bauernhause. —
(25) Hr. Dr. Fr. Theile in Lockwitz bei Dresden berichtet in einem Briefe
vom 19. April an Hm. Virchow über die Auffindung
neuer Siaven-Gräber bei Sobrigao.
Als Ergänzung zu dem von Ihnen im October-Heft 1889 der Verhandlungen
der Berliner Gesellschaft für Anthropologie mitgetheilten Gräberfunde bei
Sobrigau erlaube ich mir, Ihnen den Separat- Abdruck einer Besprechung jener
uralten Christengräber zuzustellen*).
Ich bedaure mit Ihnen, dass die erste Ausgrabung, die in mehrfacher Hinsicht
Interessantes bot, nicht in Gegenwart Sachverständiger gemacht worden ist. Eis ist
deshalb manches dabei verloren gegangen, was für die Wissenschaft erhalten
werden konnte, wie die vollständige Urne und deren Inhalt, die beiden Schädel
u. s. w. Die späteren Ausgrabungen erfolgten unter sachkundiger Leitimg.
Zu den von Ihnen nach der kleinen illustrirten Zeitschrift „Bergblumen" co-
pirten Grabsteinen sind noch zwei hinzugekommen. Den von mir mit Nr. 5 be-
zeichneten hat sich der Königl. Sächsische Alterthumsverein erbeten, um denselben
in seinem Museum im Kgl. „grossen Garten" bei Dresden aufzustellen. Auf Grab-
stein Nr. 4 reflectirt eine Section unseres Gebirgsvereins. Nr. 2 liegt noch am Feld-
rande. Jedenfalls liegen auf der Gräberstätte noch mehr derartige Steine unter der
Erddecke verborgen.
In Bezug auf die Zeit, aus welcher diqse herrühren, dürfte wohl ein 600jäh-
riges Alter derselben, wie solches in den Verhandlungen angegeben ist, nicht ganz
1) Fr. Theile, Uralte ChristengrÄber bei Sobrigau unweit Lockwitz bei Dresden.
Dresden 1891. Aus der Zeitschrift „üeher Berg und Thal**, Organ des Gebirgsvereins fftr
die sächsische Schweiz. Jahrg. 1891. Nr. 3.
Veriuadl. der Berl. AnthropoL GeMlUchaft 1891. 80
(466)
genügen. Da in Sachsen nach Niederwerfung der Sorbowenden durch die Grün-
dung des Bisthums Meissen (965) das Christenthum Eingang fand, so muss man
jene 600 Jahre wohl noch um ein paar Jahrhunderte vermehren.
Unsere Gegend ist nicht arm an unterirdischen Schätzen. Vielleicht fördert
die Zukunft noch mehrere derselben zu Tage. In Lockwitz wurde vor 9 Jahren
beim Grundgraben zu einem Hause eine germanische Gräberstätte blossgelegt
Den kurzen Bericht, den ich damals in der von mir redigirten Zeitschrift „üeber
Berg und Thal" (Jahrg. 1882. Nr. 9) gab, erlaube ich mir beizulegen. Unter den
damaligen Fundgegenständen war mir insbesondere das dort abgebildete Stück
Wandbewurf interessant, da es so recht handgreiflich auf das Material hinweist,
aus welchen der alte Germane seine Hütten erbaute. Es ist von einigen bezweifelt
worden, ob der Platz, auf welchem jene ümenscherben u. s. w. gefunden wurden,
auch wirklich eine Grabstätte gewesen sei und nicht vielmehr eine Ablagerungs-
stätte von Küchenabraura. Sollte letzteres wirklich der Fall sein, so müsste es
räthselhaft erscheinen, warum man so viele derartige Ablagerungsplätze auf so
kleinem Kaum beisammen eingerichtet hat. Auf einer Fläche von 14,5 auf
lim fanden sich in massigen Abständen kesseiförmige, mit schwarzer Erde ge-
fällte Vertiefungen, welche nicht in Reihen geordnet, sondern unregelmässig ver-
theilt waren. Endlich, was sollten die Steine in solchen Abraumlöchern be-
zwecken? Von Rnochenüberresten ist allerdings, so viel ich weiss, nichts vor-
gefunden worden, aber ich konnte freilich auch immer nur kurze 2ieit dem ge-
dachten Grundgraben zu einem Gebäude beiwohnen, da ich zu jener Zeit vielfach
in Dresden in Anspruch genommen war. Aber im Ganzen hatte ich doch die
Ueberzeugung gewonnen, dass hier eine alte Grabstätte erschlossen worden war.
Der auffällig humose Boden in den einzelnen kesseiförmigen Vertiefungen ist mir
aber nicht klar. Ich hielt ihn für die Ueberreste der Scheiterhaufen, die zur
Leichenverbrennung gedient haben, da ich keine andere Erklärung dafür aufßnden
konnte. —
Hr. Rud. Virchow: Die von Hm. Theile 1882 beschriebene Stelle würde wohl
allgemein als ein alter "Wohnplatz gedeutet werden. Die in der Zahl von 24 — 26
aufgefundenen Brandgruben haben in der That nichts ergeben, was auf Leichen-
brand bezogen werden könnte. Wären darin menschliche Leichen verbrannt worden,
so würden sicherlich auch Rnochenreste aufgefunden sein, denn gerade gebrannte
Knochen widerstehen den Einflüssen der Erde ungleich länger und besser, als
ungebrannte. Die wenigen Manufakte, welche zu Tage gefördert wurden, waren
ausschliesslich thönerne: Gefässreste, ein sog. Gewicht und ein Stück Lehmbewurf.
Sie unterscheiden sich in nichts von den Funden auf alten Wohnplätzen. Ich er-
innere beispielsweise an den Burgwall von Niemitsch in der Niederlausitz.
Die neuen Gräber sind unter Leitung des Hm. Deichmüller geöffnet worden.
Die erste Untersuchung war mit Ausnahme des Decksteines, einer flachen, läng-
lichen, mit einem eingeritzten Kreuz versehenen Platte aus Pläner Sandstein, ohne
Ergebniss. Die andere lieferte einen ähnlichen Deckst«in mit einem, sauber aufl
dem Stein bis zur Höhe von etwa 1 cm herausgearbeiteten Kreuz, das jedoch schief
gestellt ist, und ein weibliches Skelet, bedeckt mit faustgrossen Steinen. Neben
letzterem fand sich ein 1,40 m langer, wenige Centimeter breiter und etwa 3 cm
dicker, schwarzer Streifen, anscheinend ein Holzrest. Etwas oberhalb des Skelets
lag ein kleiner, offener und nicht ganz zusammenschUessender Bronzering und in
dessen Nähe und in gleicher Höhe ein schwach grünlich gefärbtes Felsenbein.
Obwohl dieser Ring nicht die gewöhnliche Form der sog. Schläfenringe darbieteti
(467)
80 scheint er doch nach der Zeichnung für einen blossen Ohrring zu stark zu sein,
und es wäre daher wohl möglich, dass er nach Art der Schläfenringe an einem
Lederstreif in der Gegend des Ohres getragen worden ist.
Hr. Theile bemerkt bei dieser Gelegenheit, dass in der Nähe von Sobrigau
zwei Burgwälle vorhanden sind: der eine, noch jetzt Burgberg genannt, nahe bei
Lockwitz am westlichen Bergabhange, der andere oberhalb der Hummelmühle im
Lockwitz-Grunde. —
(26) Hr. Schumann zu Löcknitz berichtet unter dem 1. Mai über
fk*eilie^ende neolithische Skeletgräber von Glasow bei Löcknitz (Pommern).
An einer früheren Stelle (Verh. 1890. S. 478) habe ich über eine bisher hier
noch wenig beachtete Form von neolithischen Gräbern berichtet, über die frei-
liegenden Skeletgräber, — Gräber, in denen die Skelette mit einzelnen Steingeräthen
und ab und zu mit Gefassen ohne Steinkisten im Boden ausgestreckt liegen. Gräber
dieser Art sind aus Pommern noch wenige beschrieben, da dieselben, unscheinbar
und von aussen durch nichts markirt, bei weitem weniger in die Augen fielen, als
die grossen Hünengräber mit ihren zum Theil gewaltigen Steinkisten. Ich erinnere
hierbei nur an die von Stolzenburg bei Pasewalk (Verh. 1886. S. 607) und von
Lebehn (Verh. 1889. S. 217).
Von dem, zu den freiliegenden gehörigen Grabe von Moor bei Brüssow konnte
ich nur über ein Gefäss berichten ; ich bin nun auch in der Lage, über einen hierher
gehörigen Schädel Mittheilung machen zu können. Auf dem Grund und Boden des
Bauerhofsbesitzers Wendt, der zwischen Retzin und Glasow, dicht am Randow-
thal ausgebaut, wohnt, wird zur Zeit Moorcultur angelegt. Der zur Bedeckung
des ßruchlandes im Randowthal nöthige Sand wird dem Ufer des Thaies selbst
entnonmien. Bei Gelegenheit des Sandabfahrens fanden sich 3 Skelette.
Dieselben lagen etwa 2 Fuss tief unter der Oberfläche, mit dem Kopfe nach
Osten, den Beinen nach Westen gerichtet, gerade ausgestreckt. Dieselben waren
weder mit Steinen bedeckt, noch mit solchen umgeben. Gefässe wurden bei den-
selben nicht bemerkt, wohl aber prismatische Feuersteinmesserchen. Von
Metallbeigaben keine Spur. Leider wurde wegen der Unachtsamkeit der Arbeiter
nur der eine Schädel gerettet. Derselbe war gut erhalten, doch fehlten die
Oesichtsknochen; letztere wurden von mir noch an Ort und Stelle gefunden,
so dass sich das Gesicht restauriren
liess. Vom Unterkiefer war nur
noch ein grösseres Bruchstück auf-
zufinden.
Der massig grosse Schädel (Gap.
1380) ist von gelblich grauer Farbe,
an der Zunge leicht klebend, von
roher Form. Die Sagittalnaht ist
vollständig verwachsen, die Kronen-
naht fast vollständig, die liambda-
naht in ihren oberen Theilen, voll-
ständig die Spheno-parietalnahi Der
Knochen ist stark, die Muskelvor-
sprünge stark entwickelt, Form
männlich.
30'
(468)
In der Norma verticalis bildet der Schädel ein fast regelmässiges 0?al.
In der Norma temporalis zeigt er ganz eminent entwickelte Sapraorbital-
Wülste. Die Stirn ist massig hoch nnd wendet sich ganz allmählich nach oben
und hinten. Dicht vor den Tub. parietal, erreicht der Schädel seine grösste
Höhe. Zwischen der Rronennaht und der höchsten Erhebung findet sich eine
leichte querverlaufende Einsattelung. Das starke Hinterhaupt verläuft allmählich
nach hinten und unten und wird nur durch eine sehr starke Crista superior und eine
Protuberantia der Occipitalschuppe unterbrochen. Diese beiden so ausserordentlich
stark entwickelten Knochenvorsprünge sind auch der Grund der hochgradigen
Dolichocephalie des Schädels (Längenbreitenindex 68,7). Die Ansatzlinie des
Schläfenmuskels hoch und sehr deutlich markirt.
Norma frontalis: Die Stirn ist breit (99 mm) und nur massig hoch, die
Orbitae an der Innenseite niedriger wie aussen, eher länglich viereckig, mit den
äusseren Winkeln nach unten gezogen.
Norma occipitalis: Hohes Fünfeck mit etwas eingezogenen, nach oben con-
vergirenden Seiten, mit besonders starker Intermastoidealdistanz (aussen 137 mm)
und sehr starker Crista superior.
Norma basilaris: Foramen magnum lang und schmal (40 : 32 mm). Gelenk-
fortsätze etwas nach vom gewendet. Processus styloides kurz, aber breit. Gaumen
eher schmal; die horizontalen Platten der Graumenbeino in der Mitte verwachsen
und in ihrer vorderen Partie, dicht hinter der Transversalnaht, eine rombenförmige
Hervorragung bildend. Der Gaumenfortsatz des Oberkiefers unterseits rauh, von
kleinen Löchelchen durchsetzt, aber ohne Toms palat.
I. Maasse.
Capacität 1380 ccm
Gerade Länge 192 mm
Grösste Länge 192 „
„ Breite 132 „
Höhe (vorderer Rand des Foramen magnum) .... 141 „
V (hinterer „ „ „ „).... 148 „
Ohrhöhe 123 „
Minimale Stimbreite 99 «
Horizontalumfang 524 „
Ganzer Sagittalbogen 385 „
Länge der Stim 133 „
Breite der Occipitalschuppe 109
Querumfang 316
Entfemung des Foramen magnum von der Nasenwurzel 118
„ „ Ohrloches „ „ „ 120 „
Mastoidealdurchmesser, Spitze H^n
„ Basis (aussen) 137 „
Foramen magnum, Länge ... 40 „
Breite 32
n V *^.w»^ «'*'?>
Gesichtsbreite (malar) 102?
Obergesichtshöhe 69? „
Nase, Höhe 47?
Breite 27?
j>
n
n
Orbita, Höhe 33
n Breite 44
1»
i>
»
(469)
Ganmen, länge 47 mm
„ Breite 38 „
II. Berechnete Indices.
Längen breiten index . . 68,7 Nasenindex 57,5?
Längenhöhenindex . . 73,5 Orbitalindex .... 75,0
Ohrhöheoindex. . . . 64,0 QuameniDdex .... 80,9
(27) Hr. V. ChÜDgensperg-Berg in Beicbenhall ttberschickt mr das Trachten-
Museum einen
Blntstein.
Derselbe hat nach ihm eine ähnliche Bestimmung gehabt, wie der in der vorigen
Sitzung (S. 408. Fig. 2) Torgclegte Adlerstein. Indess ist derselbe offenbar bestimmt
gewesen, nach Art eines Amulets an einem Bande getragen zu werden. Er besteht
aus einer horzartig gestalteten Platte, wie es scheint, ans Serpentin, welche in einer
silbernen Passung steckt (Fig. 1). Letztere deckt die hintere Fläche vollständig
Fi^ur 1. Figni 2.
und ist hier mit einer feinen Gisellmng besetzt (Fig. 2); nach vom fasst sie mit
kurzen BlUttchcn über den Rand der Platte. Letztere ist ganz glatt polirt und hat
am oberen Ende ein rundes Loch. Excentrisch davon ist eine kleine runde Fläche
sehr sauber ausgearbeitet und wahrscheinlich Tnlher noch mit einem Zeichen im
Innern versehen gewesen. Am oberen Kande bat die Silberplatte einen ringförmigen
Vorsprung, in welchem ein grosserer länglicher Ring hängt. —
(28) Hr. W. Reiss kündigt die Enthüllung von Nachtigal's Büste zu
Stendal für den 25.'Juni an.
(29) Hr. Paul Ehrenreich üborgiebt photographische Aufnahmen von
Hissarlik, die er im vorigen Jahre gefertigt bat.
(30) Hr. Rud. Virchow zeigt
ein ftiihreifeg Hftdchen ana Berlin.
Das Kind, welches uns heute von den Angehörigen unaufgefordert zugesendet
wird, erschien schon vor einigen Monaten mit seinem Vater, einem hiesigen
Tischler, im Pathologischen Institut und ist damals von mir untersucht worden.
Es ist am 14. Juni 1886 geboren, gegenwärtig also nahezu 5 Jahre alt. Der Vater
hat nichts Besonderes an sich, die Mutter, die ich nicht gesehen habe, wie die
(470)
anderen Kinder, 3 an der Zahl, sollen normal gebaut sein. Johanna hatte zor Zeit
meiner Untersuchung eine Höhe von 1,21 m und eine Schulterbreite von 30 cw.
Ihr Haar ist ungewöhnlich stark entwickelt. Das dunkelblonde Kopfhaar ist dicht,
lang und wellig. Gesicht und Stirn haben, wie der Körper im Ganzen, eine weisse
Farbe, zeigen aber, wie bei dem Vater, zahlreiche cyanotische Flecke. Augen helK
blau. Auf der Oberlippe ein spriessender Schnurrbart, ebenso eine blonde, aber
kurze Behaarung der Backen- und Kinngegend. Vom Kopfe her erstreckt sich
über den Nacken und die obere Rückengegend ein medianer Zug hellblonder, bis
3 cm langer, nach abwärts gerichteter, ziemlich steifer Haare. Der mittlere Theil
des Rückens ist ziemlich frei; erst gegen die Kreuzgegend werden die Haare
wieder stärker und convergiren von beiden Seiten gegen die Crena. Die äusseren
Genitalien und der Mons Veneris sind mit einem mächtigen Besatz langer brauner
Haare versehen. Sonst ist der Vordertheil des Rumpfes, der zahlreiche Flecke
von Pityriasis versicolor zeigt, wenig behaart, insbesondere ist der Bauch ziemlich
frei, besonders die Nabelgegend. An den Brüsten starke Warzen mit breiter,
fleckig brauner Aureola, unter der man jedoch keine Drüsensubstanz fühlt. Die
Oberarme massig, die stark blaurothen Vorderarme wenig behaart. Die Schenkel
sehr stark behaart; an den Oberschenkeln stehen die Haare fast horizontal und
sind nach hinten gerichtet
Nach der Angabe des Vaters hat das starke Wachsthum der Haare erst mit
dem October 1889, also im Alter von 37* Jahren, begonnen. Gleichzeitig haben
die Körperformen an Fülle und Rundung zugenommen. Dagegen scheint die
geistige Entwickelung eher zurückgeblieben zu sein: das Kind macht einen etwas
blödsinnigen Eindruck. Was jedoch am meisten überrascht, ist seine tiefe und
rauhe Stimme, welche derjenigen eines schlecht erzogenen Burschen von 15 Jahren
ähnlich klingt.
Es wird nicht ohne Interesse sein, die Geschichte des Mädchens weiter zu
verfolgen.
(31) Hr. Ingenieur Carl Giebler hat bei der Anlage der neuen städtischen
Wasserwerke am Müggelsee ein grösseres
Urnenfeld bei Hünchehofe
aufgefunden und legt die Fundstücke vor. Darunter befindet sich ein grösseres
wannenartiges Thongefäss.
(32) Hr. R. Hart mann hält einen Vortrag
über Fettsteissbildung beim Menschen und bei gewissen Säogethieren,
sowie über die Fettbnckel der Zebu und Kameele.
Der verdiente Direktor unseres zoologischen Gartens, Hr. Dr. Heck, hat mir
einige, unserem langjährigen Freunde und Förderer K. Hagenbeck gehörende
Photographien von Hottentotten -Weibern mit dem Ersuchen zugestellt, diese Blätter
Ihnen vorzulegen. Dieselben stellen Korana-Weiber dar, welche durch Hagen-
heck, in Begleitung einiger Männer, vor Jahr und Tag im Jardin d'acclimatation
zu Paris ausgestellt worden waren.
Sie bemerken zunächst ein wohlgebautes jüngeres Bastard -Hottentotten -Weib.
Die hier kaum angedeutete Steatopygie entwickelt sich bei den anderen, jüngeren
und älteren Korana -Weibern in z. Th. höchst auffallender Weise, namentlich bei
einem älteren Weibo, dessen Physiognomie in Manchem an eine Buschfrau er»
(471)
innern könnte. Bei dieser Frau und bei einigen anderen Individuen gehen kolossale
Bildungen von Fettwulstungen an Kücken, Lenden und Unterschenkeln mit einander
Hand in Hand, wogegen Schultern, Brust und Arme davon ziemlich frei bleiben.
Zur Vergleichung lege ich eine Reihe von Zeichnungen vor:
1) die farbigen Darstellungen der vor etlichen Jahren in Berlin zur Aus-
stellung gelangten Buschfrauen Pagedio, genannt Pitzi und Paewetie, genannt Annic-
Ich habe käufliche Photographien dieser Weiber, unter Vergrösserung mit dem
Pantographen, meinen Zeichnungen zu Grunde gelegt, denen ich das natürliche
Colorit nach dem Leben zu verleihen suchte. Es ist dies ein von mir häufiger
nicht ohne Erfolg beobachtetes Verfahren zur Anfertigung naturgetreuer anthropo-
logischer Abbildungen. Sie bemerken auch bei Pitzi und Annie eine aulfallende
Entwickelung von Steatopygie.
2) eine stark steatopyge Hottentottin, nach einer Photographie stark ver-
grössert. Bleistiftzeichnung.
Steatopygie ist bekanntlich keineswegs allein auf Hottentottinnen und Busch-
männinnen beschränkt. Herr Schweinfurth bemerkte diese gutartige fettige
Hypertrophie bei Bongo -Weibern in reichlichem Maasse (Im Herzen von Afrika,
neue Ausgabe, 1878, S. 115, Abbildung). Revoil sah sie bei Somal-Prauen
(E. Hamy, Quelques observations sur Tanthropologie des Qomalis in Revoil
Paune et Plore des pays Qomaüs, Paris 1882, p. 6). Ich zeige hier vergrösserte
Copien der Revoil' sehen Abbildungen, deren Repräsentanten, so viel ich mich
erinnere, z. Th. auch von Hm. Prof. W. Joest gesehen worden sind.
Nun erscheint unter den Skulpturen des Tempels zu Deir-el-Bachri in der
Thebaide die Darstellung eines ungeheuer fetten, ausserordentlich steatopygen, vor-
nehmen Weibes von Punt (Somali-Land) mit charakteristischer Physiognomie und
mit Fettknoten am Bauch, an oberen und unteren Extremitäten, deren Copie nach
Mariette-Bey ich gleichfalls umherreiche (Deir-el-Bachari, Leipzig, Hinrichs,
PI. 13). Beim Anblick dieses Bildes haben einzelne daran gedacht, es möge sich
hier wohl um eine Aussätzige handeln. Allein eine solche würde sich den ägypti-
schen Abgesandten und Flottenmannschaften der Königin Hatasu oder Hatschepsn
(XVUI. Dynastie) als vornehme Dame nicht zu präsentiren gewagt haben, wie denn
auch ähnliche knotige Fettwulstungen bei sehr korpulenten afrikanischen Weibern
nicht ungewöhnlich sind. Ich sah dergleichen 1860 bei der ungemein fetten,
übrigens sehr würdigen Selime aus vornehmem Fungi-Geschlecht zu Hedebät im
Sennar, deren Ehrentitel Merem (hohe Frau, Fürstin) von den ruchlosen Schlingeln
unserer schwarzen Infanteriebedeckung in Marrah (Stute) umgetauft wurde. Einer
dieser Schalksknechte hatte mir vorgeschwatzt, die Selime litte an Aussatz. Ich
fragte deshalb theilnehmend bei ihr an. Sie aber spie darüber Feuer und Flamme
und mit gellender Stimme rief sie mir zu: „Alles Fett, o Hakim-Baschi, nichts
von Aussatz" (Barracj). Sprach's und schob ihre wuchtigen, von ranzigem Ricinusöl
triefenden Beine auf meine Knie, damit ich selbst durch Nachfühlen meine Ansicht
mir bilden könne.
Die Steatopygie wird bei den afrikanischen Weibern durch die (bei ihnen
schon im jugendlichen Alter auftretende, in gewissem Grade auch den dortigen
Männern eigenthümliche) starke Vorwärtsbeugung der Lumbosacral-Gegend er-
leichtert. Hervorragende Rnochenpartien scheinen ja überhaupt der Entwickelung,
der Auflagerung von Lipomen, Atheromen und ähnlichen nicht bösartigen Ge-
schwülsten einen günstigen Boden zu bereiten. Es ist ein Verdienst des Collegen
G. Fritsch, die natürliche Art von „Lordose** in dem Bau der afrikanischen
Körper zuerst genauer gewürdigt zu haben. Eine wulstige Hervorragung des Ge-
(472)
sässes glaubte ich nnter dem schmutzigen Gewände der Mcrem Selime wahr-
zunehmen. Unzweifelhaft trat sie henror bei Dahabo, einer sonst wohlgebauten
jungen Frau in Hm. Jos. M enges vor einem Jahre hier ausgestellter Caravane
von Somal-Habr-awel. Dasselbe zeigt das genaue, hier vorliegende Parbenbild
eines etwa 13jährigen Baqara-Mädchens der Kabyle des Schekh Mohamed-Abd-el-
Woched in Där-Roseres. Dies ist ein sehr roher, kriegerischer Bedja-Stamm, der
einzige, unter dem ich in das Pubertätsalter eintretende Knaben und Mädchen
splitternackt habe umherlaufen und sich ohne Zeichen von Scham vor mir hin-
stellen sehen, sobald ich sie, unter Darreichung der üblichen Geschenke, zu
zeichnen versuchte. Ferner zeige ich Ihnen die nach Dr. J. Falkenstein's Photo-
graphien aus Loango vergrössert copirten Figuren junger Fiodh-Negerinnen mit
hochgradiger Lumbosacral-Beuge. Das Bild einer Madi-Frau nach Photographie
von R. Buchta lässt dagegen jenes Vorkommen vermissen.
Zur Vergleichung folgen hier noch Aquarellbilder von nackten europäischen
(meist Berliner) Mädchen, unter Zuhtilfenahme einiger von mir selbst veranstalteter
Akt-Photographien entworfen. Dann ein Aktbild der Rina-Keahi, Bastard von Chi-
nese und Sandwich-Insulanerin, nach Photographie des Dr. Arning. Dieses Bild
und das der Europäerinnen, sowie eines einer jungen, von mir nach dem Lieben
gezeichneten Koptin, bieten keine Spur abnormer Lumbosacral-Beuge dar. Wohl
aber die Copie eines durch Hm. P. v. B. aufgenommenen Gouache-Bildes eines
aus Man^ürieh stammenden Koptenmädchens.
Eine recht eigen thümliche, den Werth eines Rassencharakters erhaltende
Fetthypertrophie findet sich im Bereiche der Schwanz- und Lendengegend der
sogenannten Fettsteissschafe (Ovis Aries steatopygos) An diesen Thieren ent-
wickeln sich am hinteren Umfange der Oberschenkel jederseits zwei übereinander
befindliche Fettwülste Der kurze, mit verkümmerten und an Zahl reducirten Wir-
beln versehene Schwanz liegt in einem breiten und an der Unterseite verdickt vor-
springenden Fettpolster, dessen unterer Hautbelag glatt und haarlos erscheint (var.
laticauda). Gewöhnlich wird dies fettige Schwanzpolster von einem dünnen,
klunker- oder bürzelähnlichen Schwanzende überragt. Letzteres kann gerade herab-
hängen oder spiralig gedreht oder emporgekrümmt und dann von einem häutigen
Frenulum gehalten sein (0. Aries steatopygos var. recurvicauda). Ich zeige von
mir nach dem Leben gezeichnete Aquarellbilder aller solcher Varietäten des Fett-
steissschafes, nehmlich vom Widder aus Kleinasien, von Hammeln der Schoara-
Beduincn im westlichen Unterägypten, aus Dar-Borgu, aus Kordufan und aus
Somali-Land. Einen gewissen Grad solcher Bildung, wie bei der Var. laticauda,
zeigen auch die Merinos und Southdowns, ferner das chinesische Ongti. Sie sehen
zum Vergleich Bilder von Negrettis und von Southdowns der Proskaner Heerde
(1886) und des Ongti aus dem Pariser Jardin d'acclimatation (1867).
Das Fettschwanzschaf (Ovis Aries laticauda sie) hat dagegen einen langen,
zu beiden Seiten der voll wirbeligen Rübe mit Fettpolstern besetzten Schwanz Die
Spitze des letzteren pUegt die Fettpolster zu überragen (Abbildungen eines Schafes
aus Adzerbeidjan und eines anderen aus der Provinz Qeliübieh, Aegypten). Bei
manchen Varietäten ist die freie Spitze des Schwanzes sogar emporgebogen, so
z. ß. bei Ovis Aries laticauda var. capensis seu hottentota. Zur Fettschwanzrasso
mit magerer, zuweilen gänzlich fettpolsterloser Schwanzrübe muss meines Erach-
tens der monumentale W^idder Aegyptens und Nubiens gerechnet werden, von denen
ich zwei moderne Exemplare abgebildet habe. Eines derselben war von mir für
die L Auflage von H, Settegast's rühmlich bekanntem Lehrbuch der Thierzüch-
tung gezeichnet wor4en. Ein ebenfalls abgebildetes, langschwänziges Schaf aus
(473)
Dongolah mit Hängeohren, wohl centralalrikanischen Importes, gehört dagegen zur
Hochbeinrasse (Ov. Ar. var. longipes). Man erkennt ferner emen rechten Vertreter
letzterer Rasse in einem, den Illastrated London News von 1866 entnommenen
Holzschnitt. Dies Exemplar stammte aus Nupe oder Nyfe im West-Sudan her.
Vor Jahren habe ich zuweilen, selbst von gewiegten Leuten, die Meinung aus-
sprechen hören, auch wohl irgendwo darüber gelesen, dass das Auftreten der Stea-
iopygie bei Buschmännern und Hottentotten, sowie diejenige der Fettsteissschafe
merkwürdigerweise einem gemeinschaftlichen Urboden, nehmlich dem afrikanischen,
angehöre und auf irgend eine noch dunkle Correlation rathen lasse. Allein derartige
Spekulationen sind irrig, weil das Fettsteissschaf ein verhältnissmässig neuer Import
aus Westasien ist und sich erst nur wenig über die Länder der Galla, Somäl, Afer
und Aegypter verbreitet hat. Heimisch sind in Afpca dagegen die Fettschwanz-
und Hochbeinschafe.
Gestatten Sie mir nunmehr einen kurzen Blick auf die buckelbildende
Fett-Hypertrophie des Kappenmuskels (Musculus cucollaris oder trapezius) der
Rameele. Bekanntlich unterscheidet man einhöckerige, über Africa und West-
asien verbreitete Rameele (Camelus dromedarius) und zweihöckerige (C. bactria-
nus), letztere in verschiedenen Gegenden Asiens. Ich will hier die von mir im
ersten Jahrgange der Zeitschrift für Ethnologie u. s. w. ausführlich erörterte Frage,
ob wir es mit zwei, von einander getrennten Species oder nur mit zwei Varie-
täten einer Art zu thun haben, nicht weiter erörtern. Nicht unerwähnt soll aber
bleiben, dass man an .einhöckerigen Rameelen gar nicht so selten eine Tendenz
zur Bildung zweier, dann allerdings dicht neben einander befindlicher Höcker
wahrnimmt. Man sieht dies u. A. an der von mir abgebildeten Naga oder Stute,
eines von mir zwischen Wadi-Halfah und Neu-Dongolah gerittenen Thieres aus
Abäbde- Zucht Ferner, wieder zum Vergleich, lege ich die von mir gleichfalls nach
dem Leben gezeichneten Aquarelle von Reitkameelen (ägyptisch Hedjin, syrisch
Dzelül, moghrebinisch Mehari) der Beni-Amr, eines Hengstes aus Qeliübieh, end-
lich von Hengsten und Wallachen aus San Rossore^bei Pisa vor.
Bereits Gurlt sen. hat nachgewiesen, dass die Bildung des Fettbuckels der
Zebu auf einer Fett-Hypertrophie ebenfalls des Rappenmuskels beruhe. Ich zeige
die Bilder von Zebu, Ochs und Ruh aus Nubien, die eines mächtigen senegambi-
schen Stieres mit gewaltigem Buckel, mit tief herabhängendem Triel und gleich-
gebildeter Vorbaut aus dem Jardin d'acclimatation zu Paris, femer Holzschnitte
eines Maoggu-Zebu und der Denka-2jebu aus Schwein furth's Werk, endlich
Copien nach H. Saltos Originalstichen der abyssinischen, grosshörnigen Sanka- oder
Sanga-Rasse.
Bei einem von mir zergliederten Zebu-Foetos war der Buckel schon aus-
geprägt und es zeigten sich bereits die wohl sichtbaren Bündel des Rappen-
rouskels von pulpigen Fettablagerungen durchsetzt. Ein ganz ähnliches Bild bot
der Höcker eines von mir zergliederten Dromedar-Füllens dar.
Der Grad der Entwicklung des Höckers bei ein- und zweibuckligen Rameelen,
sowie bei Zebu, bei welchen Thieren sehr hohe Domfortsätze der betreffenden
Rückenwirbel die Unterlagen abgeben (wie auch am Buckel, engl, haunch, der
Auerochsen und Bisonten), hängt von dem Gesundheits- und Emährungszustande
der Thiere ab. Rränkliche und magere Rameele und Zebu verlieren die Buckel
manchmal bis zur Unkenntlichkeit. Die im Jahre 1859 nach Siut in Oberägypten
gelangte Dar-For-Caravane brachte abgetriebene und abgemagerte, fast buckel-
lose Last-, wie Reitkameele mit. Wenige Wochen einer guten Weide auf den
Haifa -Wiesen bei Siut begünstigten die Ausbildung stattlicher Höcker. Als Rarl
f
(474)
Hagenbeck im Jahre 1878 zugleich mit seinen Nnbiern (Halenga, Hadendoa;
Beni-Amr u. s. w.) einige aus Goschscham stammende Sanka nach Berlin -brachte,
fehlten diesen gleichfalls abgetriebenen Thieren anfänglich die Höcker. Bodinus
und ich, wir wurden damals beide von allen Seiten angeschrieen, als wir jene
Rinder als Vertreter der Zeburasse in Anspruch nahmen. Nach kurzer Zeit des
Ausruhens und einer guten Mästung wuchsen unseren Thieren die Buckel und
man musste uns Recht geben.
Aehnliches Hesse sich übrigens über die Entwickelung des Fettsteisses und
des Fettschwanzes der oben erwähnten Schafe berichten.
(33) Hr. W. Reis 8 bespricht
neue Fenersteingeräthe ans Aegypten nnd Hrn. FUnders PeMe's neueste
Forschnngen.
(Hierzu Taf. VII— X.)
Die ägyptische Abtheilung der Königl. Museen hat neuerdings, durch Ver-
mittelung des Hm. Todros in Luqsor, zwei prachtvolle Steinmesser erworben,
welche in den Gräbern ron Theben gefunden worden sind und aller Wahrschein-
lichkeit nach in die Umhüllung von Mumien eingelegt waren, wie dies mit den
seiner Zeit von Hrn. Brugsch (Verh. 1888. S. 209) und Dr. Stübel (Verh. 1891.
S. 376) gesammelten Exemplaren der Fall war. Vorder- und Rückseite beider
Messer sind auf Taf. VII und VIII in etwa Vio der natürlichen Grösse nach pho-
tographischer Aufnahme zur Darstellung gebracht. Die Abbildungen lassen die
hohe Vollendung erkennen, zu welcher es die Aegypter in der Kunst des Stein-
schlagens gebracht hatten. Das eine der Messer (Fig. 1 auf beiden Tafeln) ist
ans einem windschiefen und in Folge dessen zur Bearbeitung nicht sehr günstigen
Stück Feuerstein geschlagen, dessen natürliche, nicht bearbeitete Oberfläche auf
grösseren Strecken erhalten ist. Von der ziemlich stark gekrümmten feinen Schneide
schwillt die Dicke des Steines bis zu dem in der Mitte 1,4 cm breiten Rücken gleich-
massig an. Nach dem oberen Ende läuft das Messer in eine flache gekrümmte Spitze
aus, während das untere Ende dick und mit abgerundeten Kanten versehen ist, somit
eine feste Handhabe gewährt (Taf. VIH. Fig. 1). Das Messer hat eine Länge von
23 cm und misst 4,8 cm an der breitesten Stelle. Etwas länger, 23,5 cm, und etwas
breiter, 5,8 cm, ist das zweite, leider nur in zwei Bruchstücken erhaltene Exemplar
(Fig. 2 auf Taf. VH und VHI). Die Arbeit ist hier noch schöner als in Fig. 1 ; die
breite, nur 0,4 cm dicke Platte ist zweischneidig und zeigt, was als besonders
merkwürdig hervorgehoben werden muss, nur auf der einen Seite Schlagflächen
(Taf. VII. Fig. 2), während die andere Seile in rauher Weise eben geschlifTen ist
(Taf. VIII. Fig. 2). Die grösste Dicke der Klinge liegt, wie dies die Bruchfläcbea
(Taf. VIII. Fig. 2) deutlich zeigen, in dem Kamme, in welchem die langgestreckten,
regelmässigen Schlagflächen der Vorderseite zusammentreffen. Dieser Kamm ver>
läuft nicht in der Mitte des Messers; er liegt näher der gekrümmten Reite, an
welcher der Stein zu einer scharfen dünnen Schneide bearbeitet ist, während die
Schneide des fast gerade verlaufenden, gegenüberstehenden Randes stumpfer an
dem hier dickeren Stein ansetzt (Taf. VIII. Fig. 2). Die Schlagflächen sind mit
bewunderungswürdiger Gleichmässigkeit ausgeführt, so dass ihre Muschelung wie
ein Ornament erscheint. Die parallelen Berührungskanten der langen breiten
Schlügflächen werden an ihren, den Schneiden zugewendeten Enden durch kürzere
Abspl issungen gegabelt und die so entstandenen neuen Kanten sind von Neuem ab-
gesprengt, so dass eine feine scharfe Sohneide entsteht, die ihrer ganzen Länge
♦i
Zfibdir.f SOmiLtyah J AJT^n.p (kvslvh I Bä.lM.IB»!
ZfiMmetlkmLnM..it.AMivvp&e,Sxit.J MJSB.ml.
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Zt^Oir^f B»mLmHi.<LAnAmp SmäB.mK) M. WU nst.
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S/h n Grörse
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(475)
nach mit den feinsten, regelmässig gestellten Zähnchen besetzt ist. Im Lichtdruck
sind leider diese, beiden Exemplaren gemeinsamen Sägeformen nicht ersichtlich.
Der obere Theil des Messers hat eine scharf schneidende, abgenmdete Spitze,
während der untere Theil stärker im Stein gehalten ist, um als Handhabe zu
dienen. — Die geschliffene Seite zeigt deutlich parallele Ritzen, die wohl auf Be-
nutzung eines Schleifsteines hindeuten dürften.
Die beiden Exemplare, deren Abbildung von den Leitern der ägyptischen Ab-
theilung der Rönigl. Museen gütigst gestattet wurde, sind aus dem schönsten Feuer-
stein hergestellt; sie besitzen eine matte lichtbraune Farbe, die am besten mit der
Farbe eines hellen Milchkaffee's zu vergleichen wäre.
Bruchstücke eines grossen Steinmessers von eben so schöner Arbeit, wie Fig. 3
auf Taf. VII und VIII, hat Hr. Dr. von Landau in Cairo erworben und der prä-
historischen Abtheilung der Rönigl. Museen für Völkerkunde überwiesen.
Es gehören die vorliegenden Steinmesser aus Theben zu der Reihe jener
Prachtgeräthe, wie sie wohl während des langen Bestehens der ägyptischen Reli-
gion zu CultuszweckeSi namentlich bei Einbalsamirung der Mumien, in Gebrauch
waren. Sie zeigen uns zwar, zu welcher hohen Kunst die alten Aegypter es in
der Bearbeitung des Feuersteins gebracht haben, aber sie geben uns keine Aus-
kunft darüber, ob im Nilthale selbst einst eine Steinzeit geherrscht hat. Sie sind
ebensowenig datirbar, wie alle bisher in Aegypten aufgefundenen Feuersteinarte-
fakte. Erst die gewissenhaften Ausgrabungen des unermüdlji^en englischen For-
schers, Hm. Flinders Petrie, haben hier, wie in so vielen anderen Fällen, neues
Licht verbreitet.
Da ich in der glücklichen Lage bin, Originalstücke der von Hrn.' Flinders
Petrie bei seinen mehrjährigen Ausgrabungen gefundenen Steingeräthe hier vor-
zulegen (Taf. IX und X), so sei es mir gestattet, kurz anknüpfend an die aus den
Verhandlungen der Gesellschaft (1888. S. 344—393; 1889. S. -102— 712; 1890.
S. 516 und 517) hinlänglich bekannten Erörterungen, über diese für die Frage,
ob für Aegypten eine Steinzeit anzunehmen ist, so Mächtigen Resultate zu be-
richten. 4
Als im Jahre 1889 jene grossen Anhäufungen von Feuerstein, oder besser von
den bei Bearbeitung des Feuersteins zurückgebliebenen Abfällen, aufgefunden und
als prähistorische Ateliers oder Werkstätten gedeutet wurden, erhoben die Aegypto-
logen sofort Einsprache, da ihnen Steingeräthe aus den Gräberfunden der ver-
schiedensten Zeitperioden der ägyptischen Geschichte längst bekannt waren. Vor
Allem war es Lepsius, der (Zeitschrift f. ägyptische Sprache 1870) in energischer
* Weise gegen die Annahme einer Steinzeit in Aegypten sich aussprach. Man
kannte bearbeitete Feuersteine aus den Gräbern des alten Reiches, prachtvolle
Steinmesser aus dem mittleren und neuen Reiche, und die neuesten Funde haben
ergeben, dass Steingeräthe selbst in den griechischen und römischen Städten noch
vorkommen (Verh. 1889. 8. 710). Aber das waren alles nur vereinzelte Funde, die
sich, im Gegensatz zu den grossen Werkstätten, als Ueberreste einer längst über-
wundenen Steinzeit betrachten Hessen. Berechtigt war eine solche Auffassung, so
lange sich nicht nachweisen Hess, dass die alten Aegypter in historischen Zeiten
sich der Steingeräthe in grösserem Maassstabe bedienten. Diesen Nachweis zu
liefern war Hm. Flinders Petrie 'vorbehalten. Seit Jahren mit Ausgrabungen
in Aegypten beschäftigt, hat er seine Arbeiten nach streng naturwissenschaftlicher
Methode betrieben; jede neu aufgedeckte Mauer, jede auszuräumende Ramn^r
wurde genau vermessen und der wegzuräumende Schutt genau auf seinen Inhalt
untersucht. Für jedes Stück, und sei es noch so unscheinbar, kann die Stelle, an
(476)
welcher es gefunden, und die Lage, welche es vor der Anfräumang einnahm, genau
angegeben werden. Allerdings yerlieren die Schilderungen der verschiedenen
Campagnen durch eine solche gewissenhafte Bearbeitung ihren romantischen Beiz;
aber jeder aufmerksame Leser der Werke des Hm. Petrie wird von dem Gefühle
durchdrungen, dass hier zuverlässige, völlig unparteiische Angaben vorliegen, die
gerade durch die auf die Kleinfunde genommene Rücksicht der Wissenschaft den
grössten Nutzen bringen.
Einer solchen gründlichen Ausgrabung wurde auch die nahe der Pyramide
Illahun gelegene Stadt Rahun unterworfen. Die dabei gefundenen Inschriften er-
gaben (W. M. Flinders Petrie, Rahun, Gurob and Hawara with 28 plates. 4.
London 1890), dass üsertesen IL, in der zweiten Hälfte der XII. Dynastie, sich
eine Grabpyramide und einen Tempel zu bauen beschloss am Wüstensaume von
Fayum und dass er zu diesem Behuf, für die von verschiedenen Seiten herbei-
gezogenen Arbeiter, eine besondere Stadt, Rahun, erbauen liess. Die Stadt, zu
diesem bestimmten Zweck erbaut, war nur etwa 100 Jahre lang bewohnt, wurde
dann verlassen und allmählich unter dem Schutt der verfallenden Häuser und dem
Wüstensande begraben (1. c. p. 32). In den Zimmern der Häuser wurde nun
theils einzeln, theils in Haufen beisammenliegend, eine Menge bearbeiteter Feuer-
steine gefunden, von welchen eine Anzahl auf unseren Taf. IX und X in '/* ^^^
natürlichen Grösse abgebildet ist.
Taf. IX. Fig. 1 — 6 Bruchstücke messerartiger Instrumente, aus den verschie-
denen Feuersteinvarietäten geschlagen, welche in so grosser Menge im Nilthale
sich finden; Fig. 7 dürfte wohl von einer Lanzenspitze stammen; Fig. 8 — 12 sind
schön geschlagene, meist sägeförmig gezahnte Splisse eines feinen, leberbraunen
Feuersteines. Fig. 10 — 12 weisen an dem rechten Rande eine glänzende Politur
auf, wie solche auch hier und da an den Dreikantem in kleinen Flecken beob-
achtet wird. Solche Stellen haben ganz das Ansehen, als seien sie mit einem
feinen Fimiss überstrichen. Schaberartig bearbeitete Stücke zeigen Fig. 1 — 3 auf
Taf. X; die Fig. 5 — 12. Taf. X stellen jene einfachen messerartigen Absplissungen
dar, wie sie stets in grossen Mengen unter den Feuersteingeräthen gefunden werden.
Sämmtliche hier abgebildeten Stücke darf ich im Namen des Hm. Flinders
Petrie der prähistorischen Abtheilung des Rgl. Museums für Völkerkunde über-
weisen.
In einem, Medum den 18. März 1891 datirten, Briefe spricht sich Hr. Flinders
Petrie über die hier vorliegenden Steingeräthe so aus: „Das Alter der Stein-
geräthe ist folgendermaassen bestimmt. In den Zimmern der Häuser der Stadt
Rahun, gebaut und bewohnt nur in der XH. und XIU. Dynastie, fand ich viele
Feuersteinsplitter und Messer, sowie eine Holzsichel mit Feuersteinzähnen. Ganz
ähnliche Steingeräthe wurden in der Wüste dicht bei der Stadt gefunden; da sie
nur in der nächsten Nähe der Stadt vorkommen und da die Stadt nur im mittleren
Reich bewohnt war, so schreibe ich ihnen dasselbe Alter zu, wie den in der Stadt
selbst gefundenen Stücken.^
Es dürfte nach diesen genau datirten Funden kein Zweifel mehr darüber be-
stehen, dass in der XII. Dynastie geschlagene Feuersteine zu den gewöhnlich, ge-
brauchten Werkzeugen gehörten. Aber auch für eine spätere Zeit hat Hr. Flin-
ders Petrie einen solchen Beweis erbracht. Am entgegengesetzten Ende des
Fayuras wurde die alte Stadt Gurob ausgegraben, deren Gründung und Verfall
ebenfalls festgestellt werden konnte. Die Stadt gehört in das Ende der XVni.
und den Anfang der XIX. Dynastie (1. c. p. 32), in die Zeit von Tutmes UL bis
(477)
Ramses ü. Hier wurden ebenfalls Steingeräthe, wenn auch in geringerer Zahl
und roherer Ausführong aufgefunden.
Auch bei den Grabungen an dem grossen Tempel von Arsinoe (Medinet Payum)
wurde eine Anzahl grosser und schöner Feuersteinmesser erhalten, welche Herr
Plinders Petrie ebenfalls der Zeit der XVIII. und XIX. Dynastie zuschreibt
(Plinders Petrie, Hawara, Biahum and Arsinoe. 30 plates. 4^ London 1889.
p. 58. PI. XXVIII. Fig. 2—12).
Andererseits hat Hr. Plinders Petrie, wie vor und nach ihm andere Ge-
lehrte, Peuersteinsplitter in den Gräbern des alten Reiches (Anfang der IV. Dynastie),
sowie auf den Ruinenstätten aus griechisch-römischer Zeit gefunden.
Als Bndresultat seiner Untersuchungen gelangt Hr. Plinders Petrie zu den
folgenden Sätzen:
„In der XII. Dynastie war das Schlagen des Feuersteins zu hoher Kunst ent-
wickelt; aus feinem, durchscheinendem Material wurden schöne Werkstücke gear-
beitet, die, wenn auch in den Formen durch die Bronzegeräthe beeinflusst, doch
häufiger sind, als Metallwerkzeuge. In der XVIII. Dynastie verhält es sich um-
gekehrt: geschlagene Feuersteine treten selten auf; es sind aus schlechtem Material
roh gearbeitete Stücke. Die Kunst war im Erlöschen begriffen" (Blahun, Kahun etc.
p. 34).
„Ich komme zu dem Schlüsse, dass Steingeräthe in Aegypten von den ältesten
Zeiten an bis zum Einbruch der Hyksos gleichzeitig mit Kupferwerkzeugen in Ge-
brauch waren. Dann tritt die Bronze in der XVIII. Dynastie auf; die Bearbeitung
des Feuersteins nimmt stark ab und die Steingeräthe werden sehr roh. Peuerstein-
splitter wurden bis in die römische Zeit hinein benutzt. Ich habe sie zwischen
römischen Glas- und Thonscherben an einem römischen Fort gefunden. Aber
ausser diesem allgemeinen Gebrauch der Feuersteine kommt ihnen noch eine
rituale Bedeutung zu. Durch die Bronze im gewöhnlichen Leben verdrängt, wurden
die Steinmesser zu ritualen Zwecken in der XVIII. Dynastie und später (?) weiter
benutzt und diese bei besonderen Ceremonien gebrauchten Geräthe sind prachtvoll
gearbeitete Kunstwerke, deren Herstellung wahrscheinlich Privileg einer besonderen
Priesterfamilie war*)."
Waren im mittleren Reich, also etwa 1900 v. Chr., die Feuersteinwerkzeuge
und Geräthe noch im täglichen Gebrauch und wurden sie auch späterhin, wenn
auch in geringer Anzahl, bis in die XVIII. und XIX. Dynastie und vereinzelt bis
zum Beginn unserer Zeitrechnung angefertigt, so ist es klar, dass bei einer grossen
Bevölkerung, wie die des Nilthaies, im Laufe der seit Erbauung der ältesten Pyra-
mide verflossenen Jahrtausende Peuersteinsplitter in ungezählten Mengen sich an-
häufen mussten. Die bis jetzt aufgefundenen „Werkstätten" dürften nur einen
kleinen Bruchtheil der Abfälle der in diesem langen Zeitraum bearbeiteten und
zurechtgeschlagenen Feuersteinknollen enthalten. Da nun die Entstehung aller
bekannten und noch vieler anderer, bis jetzt noch nicht aufgefundener Werkstätten
sich erklären lässt durch den langen Gebrauch geschlagener Steine in historischer
2^it, in einer Zeit, in welcher Kupfer, Bronze und sicher auch Eisen bekannt
waren und zu Werkzeugen verarbeitet wurden, so sind wir, nach dem heutigen
Stande unserer Kenntnisse, nicht mehr berechtigt, von einer Steinzeit in Aegypten,
von einer prähistorischen Zeit im Nilthale zu sprechen.
Da es kaum möglich sein dürfte, Merkmale zu finden, an welchen sich prä-
historische Steingeräthe von den vor Jahrtausenden, aber in historischer Zeit ge-
1) Herr Plinders Petrie in einem Briefe an W. Reiss.
(478)
schlagenen Stücken unterscheiden lassen, so wird es sich jetzt vor Allem dämm
handeln, diejenigen Fundstellen kritisch zu untersuchen, deren geologische Ver-
hältnisse auf vorgeschichtliche Zeit hinweisen (Abu Mangar, Qurnah, Schech Landur
bei Siut). Können keine neuen Thatsachen aufgefunden werden, welche für eine
Steinzeit in Aegypten sprechen, so werden wir uns vorläufig mit der Annahme be-
gnügen müssen, dass die Aegypter als ein schon bis zu einem gewissen Grade
civilisirtes Volk in das Nilthal einwanderten. —
Hr. Rud. Virchow bestätigt den wesentlichen Fortschritt, der darin besteht,
dass gemuschelte Steinwerkzeuge, welche bisher als wichtigste Zeugnisse einer vor-
geschichtlichen Zeit angesehen wurden, nunmehr in grösserer Zahl und in höchst
ausgezeichneten Exemplaren aus Fundplätzen historischer Art bekannt werden. In
Bezug auf die Zeit, in welcher sie angefertigt wurden, ist durch diese Funde
wohl noch nicht eine endgültige Entscheidung herbeigeführt worden. Polirte Stein-
hämmer sind in unseren Gegenden bis nach Preussen und den russischen Ostsee-
provinzen hin in Urnen der Hallstattzeit und wahrscheinlich auch noch in späteren
gefunden worden, und doch folgt daraus nicht, dass sie in dieser Zeit noch gear-
beitet worden sind. Wie häufig findet man in Bauerhäusern der heutigen Tage
derartige Steinhämmer, denen man mystische Kraft zuschreibt, in der einen oder
anderen Weise aufbewahrt oder benutzt! Freilich gilt dies weniger von ge-
muschelten Feuersteingeräthen, aber warum sollten sie nicht auch noch lange,
nachdem sie nicht mehr gearbeitet wurden, in Aegypten geschätzt und viel-
leicht auch gebraucht worden sein? Indess, je mehr sich solche Funde mehren,
um so geringere Bedeutung darf man ihnen natürlich für die Frage von der ägypti-
schen Steinzeit beilegen. Diese Frage wird dann in noch höherem Maasse, als
bisher, den einfach geschlagenen Feuersteinen zugewendet werden. Die Entschei-
dung wird namentlich, wie ich schon früher hervorhob, von einer genauen Unter-
suchung der geologischen Stratification Aegyptens abhängen, die leider noch an
keiner einzigen Stelle zu einem Abschlüsse gebracht ist Hoffen wir, dass eine
solche Untersuchung bald einmal von sachverständiger Seite in die Hand ge-
nommen werden wird.
(34) Vorstellung der zur Zeit in Hm. Gastan's Panopticum ausgestellten
Lappen.
Hr. Rud. Virchow: In dem Panopticum des Hm. Gastan befindet sich im
Augenblick eine zahlreiche Tmppe von Lappen mit ihrem Hausrath und Arbeits-
geräth, welche ein recht gutes Bild von dem Leben dieses Volkes gewähren. Ich
habe sie vor einigen Tagen, soweit es sich bei dem sehr störrischen und wider-
spänstigen Wesen und der Habsucht der Leute ausführen üess, untersucht und zum
grösseren Theil gemessen. Es sind einige, sehr kinderreiche Familien aus dem
nördlichen Schweden. Ihre Complexion ist dem entsprechend ungleich heller, als
die der früher hier gesehenen Lappen. Namentlich der eine Mann, Ante, hat eine
ziemlich helle Hautfarbe, blaugraue Augen und kastanienbraunes Haar. Der
12jährige Thomas, bei dem übrigens die 11. Zehe mehr vortritt, als die L, besitzt
strähniges blondes Haar; die 9 '/» jährige Elsa hat helle Haut, hellbraune Augen und
blondes Haar. Die Mehrzahl jedoch ist brünett, keiner aber schwarzhaarig. Alle
sind verhältnissmässig klein und untersetzt, von hässlichen Gesichtszügen; die Ohr-
läppchen bei vielen angewachsen, jedoch bei einigen auch frei.
Ueber die einzelnen Verhältnisse wird die folgende Tabelle Aufschluss geben.
(479)
Ich bemerke nur, dass sämmtliche von mir gemessene Personen, besonders die
Kinder, braehycephal (Index 83 -86) waren. Dabei zeigte sich, dass die Brachy-
cephalie mit zunehmendem Alter abnimmt. Der Ohrhöhenindex konnte nicht
überall bestimmt werden; er ist bei 2 Individuen chamae-, bei 2 orthocephal; das
Mittel (61,7) ist orthocephal, jedoch nur wegen der relativ grossen Höhe des
12 jährigen Thomas. Der Gesichtsindex ist, entsprechend der Niedrigkeit des
ganzen Gesichts und der Breite des Joch bogen -Durchmessers, ultrachamae-
prosop; er erreicht bei keinem der Gemessenen die Zahl von 80. Der Nasenindex
bewegt sich in den Grenzen der niedrigen Mesorrhinie (72—76); nur bei dem
12jährigen Thomas ist er noch leptorrhin (68,8). Die Interorbitaldistanz ist fast
ausnahmslos sehr gross (31 — 36 mm) ; nur Frau Neva hat bloss 29 mm.
In Bezug auf den Schädel ist noch zu bemerken, dass der Horizontalumfang
schon bei den kleinen Kindern sehr gross ist (535 — 555 mm); nur die kleine
Elsa, die auch sonst sehr zart ist, hat 504 mm. Eine erhebliche Zunahme bei
den Erwachsenen konnte ich nicht feststellen. Auch der minimale Stirndurchmesser
ist schon früh sehr beträchtlich (107 — 109 ww), was der Prontalansicht ihr sehr
charakteristisches Aussehen giebt. Daraus scheint zu folgen, dass das Wachsthum
der Schädelkapsel schon sehr früh sein Ende erreicht
Wir haben schon wiederholt Gelegenheit gehabt, Trupps von Lappen hier
zu sehen, und ich habe damals einige Bemerkungen über ihre physischen Ver-
hältnisse vorgetragen (Verhandl. 1875. S. 31 und 225; 1879. S. 143). Die zuerst
vorgestellten Leute stammten gleichfalls aus dem schwedischen, die späteren aus
dem norwegischen Lappland. Indess stimmten sie in den Hauptsachen unter ein-
ander überein, wie dies auch für die diesmalige Gesellschaft zutrifft.
Die jetzige Aufnahme bestätigt insbesondere, was ich schon früher erschlossen
hatte, dass die Brachycephalie der Lappen, im Gegensatze zu der der Pinnen, sich
häufiger mit einer geringeren Höhe des Kopfes vergesellschaftet, dagegen in sehr
auffölliger Weise auch den Stirndurchmesser umfassi Femer, dass die Form der
Schädelkapsel an sich viel weniger zu dem besonderen Gesammteindruck des
Kopfes beiträgt, als die Bildung des Gesichts, an dem wiederum die geringe Höhe
der Kieferknochen und der Nase bei der grossen Breite der Querdurchmesser
hauptsächlich bestimmend ist. Daraus resultirt der Eindruck, den ich wieder-
holt hervorgehoben habe, dass diese Rasse, welche schon durch die geringe Höhe
des Körpers unter den europäischen Bevölkerungen als ein Ausnahmefall erscheint,
einen pathologischen Zug an sich habe.
Ohne ganz genaue Kenntniss der Familien -Verhältnisse ist es unmöglich, ein
Urtheil über die Reinheit der einzelnen Individuen auszusprechen. Ich möchte
jedoch in dieser Beziehung hervorheben, dass die beiden blondhaarigen Kinder
(Elsa und Thomas) sich zugleich durch geringere Breitendurchmesser des Gesichts,
namentlich auch durch geringere Kieferwinkel-Distanz und Mundlänge, auszeichnen,
also in höherem Grade den Verdacht einer Mischung erregen.
Lappen
Anna | Neva Jonas i Elsa
7 Jahr 41 Jahr 1 12 Jahr 9»/, Jahr
Thomas i Ante
12 Jahr 36 Jahr
Horizontalumfang . . . .
GrOsste horizontale Länge
^ Breite
Ohrhöhe
• •
L Hes
544
isnngen.
556
555
504
535
179
183
185
167
176
155
158
156
140
145
—
109
111
116
554
184
152
113
(480)
Lappen
Anna
7 Jahr
Stimbreite . .
Gesicht, Höhe A
» B
„ Breite a
n » b
Augen-Distanz a
b
Nase, flöhe . .
„ Länge
y, Breite. .
„ Eleyation
Mund, Länge .
Ohr, Höhe . .
Körperhöhe . .
Lftngenbreitenindex .
Ohrhöhenindex . . .
Gesichtsindez . . .
Nasenindez ....
108
151
98
188
80
95
88
98
87
86
28
15
58
58
1874
Neva
41 Jahr
109
168
108
141
88
106
29
85
44
47
82
28
55
61
1516
Jonas
12 Jahr
Elsa
9V, Jahr
109
157
108
186
76
100
86
98
44
42
82
15
50
51
1850
100
146
89
122
78
85
81
80
86
87
26
12
45
49
1177
Thomas Ante
12 Jahr \ 86 Jahr
107
158
99
129
82
95
86
91
45
44
81
14
44
51
1854
118
1G4
104
142
76
118
82
^
47
48
85
16
51
61
1467
n. Berechnete Indices.
86,0
86,8
84,8
88,8
82,4
—
59,5
60,0
—
65,9
69,9
76,5
79,4
72,9
76,7
75,6
72,7
72,7
72,2
68,8
82,6
61,7
78,2
74,4
(85) Eingegangene Schriften.
1. Mies, J., üeber das Gehirngewicht einiger Thiere. Bremen 1890. (Sep.-Abdr.
ans d. Verh. Deutsch. Naturf.) Gesch. d. Verf.
2. Virchow, R., Neue Untersuchungen ostafrikanischer Schädel. (Sep.-Abdr.
aus den Sitzungsber. Akad.) Berlin 1891. Gesch. d. Verf.
3. Handtmann, E., Was auf märkischer Haide spriesst. Berlin. Gesch. d. Verf.
4. Zürich und das schweizerische Landes-Museum. Zürich 1890. Gesch. d. Um.
J. Heierli.
5. Eiccardi, P., Di alcune correlazioni di sviluppo fra la statura umana e
Faltezza del corpo seduto. Modena 1891. (Estr. Mem. d. R. Accad. di Sc.)
Gesch. d. Verf.
6. Kofier, P, üeber neue römische Funde in der Provinz Starkcnbui^. Gesch.
d. Verf.
7. Schwab, G., Die deutschen Volksbücher für Alt und Jung wiedererzählt
V. Auü. Gütersloh 1862.
8. Niendorf, M. A., Das Gudrun-Lied. III. Aufl. Berlin 1867.
9. Zittel, R. A., Aus der Urzeit. Bilder aus der Schöpfungsgeschichte. II. Aufl.
München 1875.
10. y. Mayr, H., Malerische Ansichten aus dem Orient, gesammelt auf der Reise
des Herzogs Max in Bayern im Jahre 1838.
11. Pouquö, ündine. VII. Aufl. Berlin 1851. — Simrock, K., Das deutsche
Räthselbuch. Frankfurt a. M. — Clemens, A., Schiller im Verhältnis«
zu Göthe und zur Gegenwart. Frankfurt a. M. 1857. — t. Platen, A-,
(481)
Der Sieg der Gläubigen. Ein geistliches Nachspiel. Herausgegeben von
C. Vogt. Genf 1857.
Nr. 7—11 Gesch. d. Frau San.-Rath Schlemm.
12. Marchesetti, C, Relazione sugli scavi preistorici eseguiti nel 1890. Trieste
1891. Gesch. d. Verf.
13. Blasius, Wilh., Neue Knochenfunde in den Höhlen bei Rübeland. Braun-
schweig 1890. Gesch. d. Verf.
14. Baessler, A., Ethnographische Beiträge zur Kenntniss des Ostindischen Archi-
pels. Leiden 1891. (Sep.-Abdr. aus dem Intern. Arch. f. Ethnogr.) Gesch.
d. Verf.
15. Helmert, Bericht über die Versammlung der permanenten Commission der
internationalen Erdmessung zu Salzburg. 1888. Gesch. d. Hrn. Virchow.
16. Kofi er, Fr., Archäologische Karte des Grossherzogthums Hessen. Darmstadt
1890. (Sep.-Abdr. aus dem Archiv f. hess. Gesch. u. Alterthumsk. Neue
Folge. I. Bd.). Gesch. d. Verf.
17. Brinton, D. G., The american race. New York 1891. Gesch. d. Verf.
18. Schliemann, H., Bericht über die Ausgrabungen in Troja im Jahre 1890.
Leipzig 1891. Gesch. d. Frau Schliemann.
29. Stolpe, H., ütvecklingsfbreteelser i naturfolkens Ornamentik. Stockholm 1890.
(Sep.-Abdr. aus dem Ymer.)
20. Derselbe, lieber altmexikanische und südamerikanische Wurfbretter. Stock-
holm 1890. (Sep.-Abdr. aus dem Intern. Arch. f. Ethnogr.).
Nr. 19 und 20 Gesch. d. Verf.
21. Buschan, G., Mehrere Besprechungen von Büchern und Vorträgen.
22. Derselbe, Zur Culturgeschichte der Hülsenfrüchte. Stuttgart 1891.
23. Derselbe, Die Heimath und das Alter der europäischen Cultur pflanzen.
24. Derselbe, Germanen und Slaven. Münster 1890.
5. Zur Geschichte des Weinbaus in Deutschland. Stuttgart 1890.
Nr. 21—25 Gesch. d. Verf.
26. de Baye, J., De Finfluence de Tart des Goths en Occident. Paris 1891. Gesch.
d. Verf.
27. Annual Report of the Curator of the Museum of American Archaeology. Vol. I.
No. 1. Philadelphia 1890. Gesch. d. Museums.
28. Reviews from the New York Nation, Boston Transcript and New York Studio
of the work of James L. Bowes, entitled „Japanese Pottery". New York
1891.
29. Abbott, C. C, Sketch of Daniel G. Brinton. (The populär science monthly
Vol. XXXVm. No. 6.) New York 1891. Gesch. d. Hrn. Brinton.
30. Ploss H., Das Weib in der Natur- und Völkerkunde. Leipzig 1891. (IL bis
IV. Lieferung.) Gesch. d. Hm. Bartels.
31. Mitjans, A., Estudio sobre el movimiento cientiöco y literario de Cuba.
Habana 1890.
32. Los S^anigos, su historia, sus practicas, su lenguage, con el facsimile de los
seilos que usa cada uno de los juegos o agrupaciones. Habana 1882.
Nr. 31 und 32 Gesch. d. Hm. Guiteras.
33. Brinton, D. G., Vocabularies from the Musquito Coast. 1891.
34. Derselbe, American aboriginal poetry. Report of the Proceedings of the Numis-
matic and Antiquarian Society of Philadelphia. Philadelphia 1891.
Nr. 33 und 34 Gesch. d. Verf.
Verhandl. der Berl. AnthropoL GeselUchaft 1891. 3X
(482)
35. Becker, H., Vorchristliche Alterthümer. (Die Speckseite bei AscherslÄen.)
Gesch. d. Verf.
36. Compte renda du Congres international des Americanistes. Troisieme session
Bruxelles 1879. Tome 1—2 avec Atlas. Angekauft.
37. Wittelshöfer, L., Wiener medicinische Wochenschrift. Wien 1859 und
1863—1881. (21 Bände gr. Pol.) Gesch. d. Hm. Götze.
38. Verneau, R., Les races humaines. Paris. S^r. 1 — 21. Gesch. d. Herrn
R. Virchow.
39. Weil, G., Tausend und eine Nacht. Arabische Erzählungen. Aus dem arabi-
schen Urtext übersetzt. Herausgegeben von A. Lewald. Stuttgart 1838 — 41.
(4 Bände.) Gesch. d. Frau Schlemm.
40. Cape of Good Hope. Report of the Meteorological Commission for the year
1889. Cape Town 1890. Gesch. d. Hrn. Bartels.
41. lloernes, M., Die Urgeschichte des Menschen nach dem heutigen Stande der
Wissenschaft. Wien. (Lief. 1 — 3.)
42. Pin seh, 0., Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
Wien 1891. Zweite Abtheilung: Neu-Guinea. (Schluss.) Gesch. d. Verf.
43. Boas, F., Mixed Races. (Sep.-Abdr.)
44. Derselbe, Dissemination of tales.
Nr. 43 und 44 Gesch. d. Verf.
45. Die Forschungsreise S. M. S. „Gazelle" in den Jahren 1874 bis 1876 unter
Commando des Capitän zur See Freiherm yonSchleinitz, herausgegeben
von dem hydrographischen Amt des Reichs-Marine- Amts. Berlin 1888—90.
(I. Theil: Der Reisebericht. H. Theil: Physik und Chemie. III. Theil:
Zoologie und Geologie. IV. Theil: Botanik. V Theil: Meteorologie.)
Gesch. d. Reichs-Marine-Amts, Hydrographisches Amt
46. Mallery, G., Greeting by gesture. New York 1891. Gesch. d. Herrn Rad.
Virchow.
47. Proceedings of the Society of Antiquaries ofScotland. Edinbui^h 1851—1890.
(Vol. 1—24.) Austausch.
48. Transactions of the Society of the Antiquaries of Scotland. Edinburgh 1828
bis 1890. (Vol. 3—5.) Austausch.
49. Müllenhoff, K., Deutsche Alterthumskunde. Berlin 1891. (Bd. V. Heft H.)
Angekauft.
50. Paivaepona, A.P., Les champs d'or. Losbonne 1891. Gesch. d. Geogr.
Ges. in Lissabon.
51. Fleming, S., Time-reckoning for the twentieth Century. Washington 1^89.
(Extr. Smithson. Rep. 1886.) Gesch. d. Verf.
52. Fletcher, Rob., The new school of criminal anthropology. Washinton 1891.
(Bbctr. Am. anthropologist 1891.) Gesch. d. Verf.
53. Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Alterthumskunde.
Lübeck 1886—1891. (Bd. 5 und 6.) Austausch.
54. Mittheilungen des Vereins für LUbeckische Geschichte und Alterthumskunde
1884—1890. Lübeck 1884—1891. (4 Hefte.) Austausch.
55. Bericht des Vereins für Lübeckische Geschichte und Alterthumskunde. Lübeck
1888 und 89. (2 Hefte.) Austausch.
56. Annales de la Societe darch6ologie de Bruxelles. Bruxelles 1887—1891.
(Bd. I— IV. Bd. V. Heft 1.) Austausch.
Sitzung vom 20. Juni 1891.
Vorsitzender Hr. Virchow. ^
(1) Die Gesellschaft und die Wissenschaft haben einen ungewöhnlich schmerz-
lichen Verlust erlitten. Vor zwei Tagen, am 18. d. M., ist ganz schnell in
Königsberg unser Freund Otto Tischler, erst 47 Jahre alt, gestorben. Die
lange und schwere Krankheit, eine chronische Nierenaffektion mit Herzhypertrophie,
welche ihn schon im Winter letzten Jahres an den Rand des Grabes gebracht
hatte, war unerwartet soweit zurückgegangen, dass er im vorigen Sommer scheinbar
ganz frisch zu unserem Congress in Münster erschien und mit grösster Freude der
Wahl seiner Heimathstadt zum Congressorte für dieses Jahr zustimmte und das Amt
des Localgeschäftsführers übernahm. Mit Eifer begann er die Vorbereitungen, ins-
besondere die Neuordnung des von ihm zu wunderbarer Fülle entwickelten prähisto-
rischen Museums der physikalisch-ökonomischen Gesellschaft und die Herstellung
eines illustrirten Führers, welcher eine Gesammt-Uebersicht seiner Forschungs-
ergebnisse bringen sollte. Aber gerade die Beschäftigung in den kalten Räumen
des Museums scheint das schlummernde Leiden neu erweckt zu haben. Wie schon
früher der Gesellschaft mitgetheilt worden ist, kam er im Mai zu der üeber-
zeugung, dass sein Gesundheitszustand die Abhaltung des Congresses in Königs-
berg, wo inzwischen auch der Direktor des Prussia-Museums, Dr. Bujack, ge-
storben war, unmöglich mache, und er stimmte dem Vorschlage, die freund-
liche Einladung der Danziger Naturforschenden Gesellschaft anzunehmen, bereit-
willig zu. Aber er war trotzdem voll guter Hoffnung. Noch am 29. Mai diktirte
er einen Brief an Hrn. Virchow, worin er sagte: „Ich bin augenblicklich psy-
chisch auf dem tiefsten Niveau angekommen und glaube, dass jetzt die auf-
steigende Welle beginnen wird, besonders wenn diese Angelegenheit, die mich
seit Ostern unaufhörlich auf das Tiefste beunruhigt hat, aus der Welt geschafft
sein wird." Freilich setzte er hinzu: „Ich fürchte, dass die zweite Reise nach
dem fernen Osten kaum mehr von vielen Mitgliedern unserer Gesellschaft unter-
nommen werden wird, und dass der Königsberger Congress wohl für immer ins
Wasser fallen dürfte." Trotzdem gab er die Zusicherung, dass das Museum
für diejenigen Mitglieder des Congresses, die von Danzig nach Königsberg kommen
wollten, zu jeder Zeit offen stehen und sein genau unterrichteter Diener angewiesen
sein werde, alle Erläuterungen zu geben und „jedes Stück herauszugeben". Er
verlangte nur Seitens des Vorstandes die öffentliche Erklärung, dass wegen seines
Gesundheitszustandes der Congress in Königsberg für dieses Jahr aufgehoben worden
sei, „ich möchte sagen, auf ein Paar Jahre vertagt ist". Und dann schloss er: „So,
nun sind wir am Ende, und ich fühle mich am Schlüsse dieses etwas langen
Diktates viel frischer, als am Anfange. Es ist mir fast, als hätte ich mir einen
Stein vom Herzen geschrieben. Ebenso erfreuen mich immer Ihre Briefe, wo Sie
noch in so liebenswtlrdiger Weise diese gewiss recht unangenehme Affaire beur-
theilen und mir in jeder Beziehung zu Hülfe kommen. Ich werde mich schon
31»
(484)
wieder aufrappeln, besonders da diese leidige Sache geordnet ist. Also viel Ver-
gnügen in Danzig und späterhin auf ein frohes Wiedersehen I^
Drei Wochen später war er eine Leiche. Seine Hoffnung und alle die vielen
Hoffnungen auf Belehrung aus seinem Munde und auf weitere Förderung der prä-
historischen Wissenschaft durch seinen scharfen Gefst, durch seinen unermüdlichen
Pleiss, durch seine unübertroffene Zuverlässigkeit, — sie sind mit einem Schlage
vernichtet. Tischler war unter allen deutschen Archäologen derjenige, welcher
das grösste Maass von Detailkenntniss des vorhandenen Materials gesammelt und
zugleich geordnet hatte. In Mitteleuropa gab es wohl keine öffentliche und keine
Privat-Sammlung, die er nicht kannte. Seine literarischen Studien umfassten das
ganze, so schwierig zu erreichende Gebiet der bezüglichen Publikationen. Seine
Notizen waren so vollständig, dass er auf jede Frage Antwort zu ertheilen vermochte,
und seine Bereitwilligkeit, sie anderen Forschem zugänglich zu machen, so gross,
dass er jedem Ersuchen sofort in ausgiebigster Weise entsprach. Er wird uns immer
und überall fehlen. Sein Name wird in der Geschichte dieser denkwürdigen Periode
stets als einer der glänzendsten genannt werden I^
(2) Die Verhandlungen wegen der Berufung des anthropologischen Con-
gresses nach Danzig sind inzwischen soweit zum Abschlüsse gediehen, dass
nxmmehr das Programm für die Versammlung als abgeschlossen betrachtet wer-
den darf. Am Sonntag den 2. August Abends findet dort die gegenseitige Be-
grüssung der Theilnehmer statt. Am 3. — 5. sind Verhandlungen anberaumt. Ein
grösserer Ausflug ist für den 6. nach Heia, ein anderer für den 7. nach Marien-
bui^ geplant.
(3) Das ordentliche Mitglied, Dr. med. Friedr. Raschkow, ist in der Nacht
zum 30. Mai langem, schwerem Herzleiden erlegen.
(4) Der alte bewährte Forscher Hans Caspar Es eher- Zübl in ist am 15. Juni
in seinem 84. Lebensjahr zu Zürich gestorben. Seit 1866 war er, noch durch
Ferd. Keller, als Conser^ator für die Sammlungen der antiquarischen Gesellschaft
gewonnen. Jeder, der seit dieser Zeit das herrliche Museum in Zürich besucht
hat, wird ihm eine dankbare Erinnerung bewahren.
(5) Vorstand und Ausschuss haben zu correspondirenden Mitgliedern gewählt
die Herren:
Prof. Dr. Eaffaele Zampa, Eom.
„ „ Giuseppe Sergi, Rom.
„ „ E. Brizio, Director des Museo civico in Bologna.
(6) Der Magistrat und das Denkmalscomitc zu Stendal haben unter
dem 8. eine besondere Einladung zu der am Sonntag den 28. daselbst stattfindenden
Enthüllung des Nacjitigal-Denkmals an die Mitglieder der Gesellschaft er-
lassen.
Der Vorsitzende theilt das Programm mit und fordert, in Erinnerung an die
1) Nachträglich darf auf die treffliche Rede, welche Eü*. F. Linde mann an seinom
Sarge gehalten hat (Scp.-Abdr. aus den Schriften der Phjs.-ökon. Gesellschaft zu Kdnigsberg.
1891. Bd. XXXn), und auf einen warmen Nachruf des Hm. Ed. Krause (Das Aasluid.
1891. Nr. 31) verwiesen werden.
(485)
innige und treue Freundschaft, welche Gustav Nachtigal der Gesellschaft gewidmet
hat, zu zahlreicher Betheiligung auf.
(7) Hr. Eduard Krause hat nach üebereinkommen mit dem Vorstande das
Programm für eine anthropologische Excursion nach Salzwedel und den
megalithischen Denkmälern der Altmark am 4. und 5. Juli entworfen.
Dasselbe wird mitgetheilt. Hr. Krause legt die betreffenden Karten und Photo-
graphien vor.
(8) Laut Mittheilung des Hm. Siehe in Calau ladet die Niederlausitzer
Gesellschaft zur Betheiligung an ihrer Jahresversammlung für den 6. und 7. Juli
nach Lieberose ein. Auch sendet Hr. Oberprediger Krüger in Lieberose eine
dringende Einladung. Das nähere Programm dieser Versammlung wird verlesen.
(9) Das Programme pr^liminaire du Congres international des sciences
geographiques de Berne für den 10. — 14. August wird vorgelegt.
(10) -Es ist die Einladung zum Besuche einer ethnologischen afrikani-
schen Ausstellung mit Verloosung zu Gunsten eines Hospitals in Deutsch-
Ostafrika eingetroffen. Die Ausstellung findet in dem Waarenhause für deutsche
Beamte in der Dorotheenstrasse statt.
(11) Der als Arzt für die Marshai 1-Inseln bestimmte Dr. Steinbach hat sich
bereit erklärt, in anthropologischem Sinne thätig sein zu wollen.
(12) Frau Zelia Nuttall, Special Assistant in Mexican Archaeology am
Peabody Museum an der Harvard University, Cambridge, Mass., übersendet aus
Dresden, 19. Juni, folgende Mittheilung über
einen altmexikanischen Federschild in Ambras.
Mit Vergnügen mache ich der verehrten Gesellschaft die Mittheilung, dass eine
sehr bedeutende, bisher für verschwunden gehaltene, altmexikanische Reliquie noch
in bester Erhaltung existirt.
Es ist dies ein Prachtstück von Federarbeit, das ich unumwunden als den
Schild identiftcire, welcher Ferdinand von Tyrol gehört hat und welcher im ältesten
Inventar der Ambraser Sammlung, also i. J. 1596, wie folgt, beschrieben ist:
„Ain Kunden von roten Federn, darynnen ist gestückt von grober Arbait ain
Plawer drackh mit guldin Plech versetzt."
Den Lesern von Ferdinand von Hochstetter's Publikation über die alt-
mexikanischen B.eliquien der Ambraser Sammlung wird diese meine Mittheilung
überraschend vorkommen, da der genannte Gelehrte behauptete, dass das in Wien
sich befindende Federprachtstück „das einzige noch erhaltene Stück von den in
den Inventaren der Ambraser Sammlung erwähnten Federschmucksachen sei".
Alle anderen, fügte er hinzu, „wären leider spurlos verschwunden".
Thatsache aber ist es, dass das beschriebene „Rundell" noch existirt, und
zwar an einem Orte, der für die Richtigkeit meiner Identification bürgt, nehmlich
im Schloss Ambras selbst.
Bekanntlich befindet sich im Schlosse der Rest der erzherzoglichen Sammlung,
deren Hauptbestandtheil im Jahre 1806 nach Wien gebracht wurde. Zu meiner
freudigen Ueberraschung sah ich, als ich vor einigen Wochen Schloss Ambras be-
(486)
sachte, den nnyerkennbar altmexikanischen Schild unter ,,orientali8chen und trans-
atlantischen Gegenständen" im 10. Saal ausgestellt.
Bei weiterer Nachforschung ersah ich, dass in der von Dr. A. Ilg und Wendelin
Boeheim im Jahre 1882 herausgegebenen „Beschreibung des Gebäudes und der
Sammlungen vom K. K. Schloss Ambras" sich eine Notiz über den Schild befindet
und er sogar als altmexikanisch bezeichnet wird.
Es ist mir unerklärlich, wieso Ferdinand v. Hochstetter, welcher erst im
Jahre 1884 publicirte, keine Renntniss hiervon gewann, und die Existenz des Schildes
überhaupt bisher unbeachtet bleiben konnte.
Die erwähnte Notiz lautet: „Kreis-runder Schild, aus geflochtenen Rohrstäbchen,
auf der Vorderseite mit Fcdermosark bedeckt, ein Ungeheuer vorstellend, dessen
Contouren mit Streifen von Goldblech eingefasst sind. Alt-Mexikanisch."
Zu dieser Beschreibung füge ich für jetzt nur noch hinzu, dass sich an dem
unteren Rande eine ziemlich gut erhaltene Pranze von rothen Tlauhquechol-Fedem
befindet. Dass der Schild ferner durch eine Franze von herabhängenden Quetzal-
Schwanzfedern geschmückt war, bezeugen Büschelchen ihrer ziemlich zerfressenen
Federkiele. Der Grund des ganz gut erhaltenen Federmosaiks besteht aus rothen
Tlauhquechol-Fedem, das darauf auch in Federmosaik mit etwas groben Umrissen
ausgeführte „Ungeheuer" aus hellblauen Xiuhtototl-Fedem. Der Vordertheü seines
Körpers ist aber mit eigenthümlichen, dunkellila Federn schattirt. Sämmtliche
Umrisse, sowie die Grenze zwischen den blauen und lila Federn sind mit ungefähr
5 mm breitem, dünnem Goldblech belegt.
Vor dem „Ungeheuer" befindet sich eine conventioneile Darstellung von
Wasser = atl, in bekannter Zeichnung, gleichfalls mit hellblauen Federn ausgeführt.
Der Contour ist mit Goldblech eingefasst und goldene Scheibchen bilden die herab-
hängenden Wassertropfen.
Da es meine Absicht ist, bald eine colorirte Abbildung und Weiteres über
diese Reliquie zu veröfiTentlichen, so behalte ich mir eine genauere Beschreibung
und geschichthche Erörterungen vor und begnüge mich für jetzt damit, meine
Meinung dahin auszusprechen, dass Schloss Ambras den kostbarsten und historisch
interessantesten altmexikanischen Federschild, welcher jetzt noch existirt, enthält —
Schliesslich sei noch erwähnt, dass ausser dem Schilde drei andere altmexika-
nische Reliquien in Ambras sich befinden, nehmlich:
1) Ein kreisrunder Holzschild, welcher einst mit Türkisen-Mosaikarbeit be-
deckt war, wovon aber nur wenige Ueberreste noch vorhanden sind.
2) Ein Federfächer, den ich leider wegen mangelhafter Beleuchtung nicht
genau habe sehen können, und
3) ein aus hispano-mexikanischer Zeit stammendes Bild in Federmosaikarbeit,
Sanct Hieronymus mit dem Löwen darstellend.
Ich erlaube mir die HofTnung auszusprechen, dass diese ehrwürdigen Reliquien
einst ihren Platz neben dem vielbesprochenen Federkopfschmuk im Wiener Museum
finden werden. —
(13) Hr. Virchow zeigt einen
Silberring zum Bogenspannen.
In der Sitzung vom 17. Januar (Verh. S. 81) legte ich einen Nephritring von
eigenthümlicher Bildung aus Erbil in Mesopotamien vor, der nach der überwiegenden
Meinung als „Bogen Spanner" gedeutet wurde. Diese Veröffentlichung hat das Gute
gehabt, dass mir durch Hrn. Ed. Rittinger in Werschetz (Ungarn) unter dem
(487)
12. d. M. ein ganz ähnlicher, nur kleinerer Ring ans Silber zur Ansicht übersendet
worden ist. N^ach der Angabe ist derselbe mit anderen Gegenständen vor einigen
Jahren von eiitem jüdischen Händler auf dem Jahrmarkte in Negotin (Serbien) ge-
kauft worden, jedoch ohne sonstige Daten. Hr. Rittinger bemerkt, dass diese
Händler in allen möglichen Geschäften den ganzen Orient durchreisen und ge-
wöhnlich auch alte Münzen kaufen.
Figur 1. Figur 2.
Natürliche Grösse.
Der Ring (Fig. 1) entspricht in seiner Form genau dem Ringe von Erbil. Seine
lichte Weite beträgt an der engeren Seite 20 auf 17, an der weiteren 27 auf 18 mm;
die Höhe misst hinten 5, an dem vorderen, abgedachten Umfange 9 mm. Er ist
stark, insbesondere an der abgedachten Stelle, welche übrigens aussen eine leichte
Einbiegung zeigt. Ganz abweichend von dem früheren Ringe findet sich hier am
hinteren Umfange eine plattrundliche Scheibe von 7 — 8 mm Durchmesser (in Fig. 2
am linken Ende), welche allem Anschein nach zur Verstärkung der Löthstelle an-
gebracht ist. Die äussere Oberfläche des Ringes ist überall ornamentirt; leider
sind die Ornamente in Folge der starken Abnutzung schwer erkennbar. Man sieht
nur an ein Paar Stellen, jederseits neben der Abdachung, Reste von Niellirung,
wie sie an kaukasischen Geräthen so häufig vorkommt. Vielleicht darf man daraus
auch auf einen kaukasischen Ursprung schliessen. Die Zeichnung besteht aus
Arabesken, welche pflanzliche Motive, Zweige mit kurzen Aesten und Blättern, dar-
stellen; nur die hintere Scheibe und die abgedachte Fläche weichen ab. Elrstere
lässt einen vielstrahligen, unregelmässigen Stern erkennen; letztere zeigt eine herz-
förmige Figur, in der ein Kranz von Buchstaben zu liegen scheint.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir in dem Stück das Zeugniss eines
modernen Gebrauchs vor uns haben. Wo dasselbe im Gebrauche gewesen ist, mag
dahin gestellt bleiben. Am nächsten liegt auch in dieser Beziehung wohl der
Kaukasus, wo Bogen und Pfeile von den Eingebornen noch in den Freiheitskämpfen
gegen die Russen verwendet wurden (vergl. meine Monographie über das Gräber-
feld von Koban S. 97). Indess ist mir nicht bekannt geworden, in welcher Weise
etwa derartige Ringe gebraucht wurden, und es würde recht dankenswerth sein,
wenn durch weitere Nachrichten darüber Verlässliches bekannt würde.
(14) Elr. Schumann übersendet d. d. Löcknitz, 6. Mai, folgende Mittheilung
über
pommersche Skeletgräber, wahrscheinlich ans der Steinzeit.
1) Skeletgrab von Casekow, Kr. Randow.
Im Jahre 1878 war aus Casekow an das Museum zu Stettin ein Schädel ge-
kommen, welcher mit einer Pfeilspitze und einer Speerspitze von Feuer-
stein zusammen gefunden worden war. Eine spätere Untersuchung hatte ergeben,
dass es sich um flache Kegelgräber mit Steinkisten handelte, auch hatte man in
einem Grabe noch die Reste von un verbrannten Leichen gefunden (Balt. Stud. 28.
S. 568). Der Umstand, dass Feuersteingeräthe mit gefunden wurden, weist un-
bedenklich auf die Steinzeit hin. Dass in der Nähe auch Kistengräber mit Leichen-
(488)
brand, die wahrscheinlich der Bronzezeit angehören, gefunden worden, hat nichts
Anffallendes, derartige Gräber liegen oft zusammen und auch die Steinkisten der
Steinzeit sind oft auffallend klein. Man wird daher den noch in Stettin vorhande-
nen Schädel mit viel Wahrscheinlichkeit als der Steinzeit angehörig bezeichnen
dürfen. Der mittelgrosse Schädel ist von gelblichgrauer Farbe, sehr defekt, es
fehlt das Gesicht und ein Theil der Basis. Die Nähte sind stark gezackt, nicht
verwachsen, Muskelvorsprünge gut entwickelt. Schädel wahrscheinlich männlich.
Norma temporalis: Die Stirn ist massig hoch, allmählich nach oben und
hinten verlaufend. Dicht hinter der Rronennaht leichte quere Einsattelung. Supra-
Orbitalwülste wenig entwickelt. Hinterkopf allmählich abfallend, etwas flach, Occi-
pitalschuppe leicht kapseiförmig vorspringend. Muskelvorsprtlnge der Occipital-
schuppe stark entwickelt, besonders die Crista superior und Protuberanz. Ansatz-
linie des Schläfenmuskels sehr deutlich und hoch gewölbt.
Norma verticalis: regelmässiges Oval, hinten etwas verschmälert.
Norma occipitalis: hohes Fünfeck, mit nach oben divcrgirenden Seiten-
kanten, oben etwas spitz zulaufend.
2) Skeletgräber von Oberfier, Kr. Bublitz.
Im Jahre 1828 hatte Oberförster Engel in Oberfier an die Stettiner Samm-
lung einen Schädel und andere Knochenreste geschickt, die er in einem dortigen
Hünengrabe gefunden hatte, lieber die Fundverhältnisse berichtet er im folgenden
Jahre : „Nur in den Districten Oberfier und Zubberow findet man heidnische Grab-
mäler, in allen übrigen Districten des Forstreviers Oberfier nicht. — Die Zahl der
Gräber beläuft sich auf 74, die theils einzeln, theils zu einigen, theils gruppen-
weise und reihenweise, von verschiedener Form und Grösse, zusammen liegen. Sie
sind bald rund, bald gleichseitig viereckig, bald länglich viereckig, grösser und
kleiner, mit Steinen von mittlerer Grösse, je nachdem die Gegend sie darbot, ein-
gefasst, dann die Erde entweder von 4 oder von 2 Seiten tief aus- und aufgeworfen,
so dass die Höhe der Gräber im Allgemeinen 2 — 3 Fuss beträgt. Der Durchmesser
ist bei den kleineren 1—2, bei den grösseren 2—3 Ruthen. Steinplatten findet
man auf denselben nicht, jedoch bemerkt man an verschiedenen grossen Vier-
ecken gewöhnlich von der Südseite eine Auffahrt. Die Lage derselben ist von
Westen nach Osten ')." Aus einem derartigen Grabe, in welchem sich immer Ske-
lette fanden, stammt der vorliegende Schädel.
Man wird diese Skeletgräber, in denen sich niemals Metallbeigaben fanden,
mit viel Wahrscheinlichkeit der Steinzeit zuschreiben können, denn auch im west-
lichen Pommern zeigen die neolithischen Hügelgräber, besonders solche, welche
Kisten enthalten, den nämlichen Bau.
Der Schädel ist klein, grau, mit dünner Wandung. Es fehlen die Jochbogen
und der Unterkiefer. Auf der linken Seite des Stirn- und Schläfenbeins Defekte.
Ebenso ist der Oberkiefer an den Rändern abgebröckelt. Pfeil- und Kronennaht
nahezu vollständig verwachsen. Der Schädel ist wohl weiblich und gehört einem
noch nicht voll entwickelten Individuum an.
Norma temporalis: Die Stirn steigt ziemlich steil an, um sich dann plötz-
lich nach hinten zu wenden. Supraorbital wülste kaum entwickelt, Scheitelcurve
ziemlich flach. Oberer Theil des Hinterhauptes flach abfallend, Hinterhaupts-
schuppe kapseiförmig vorspringend. Muskelvorsprünge wenig entwickelt, am meisten
noch an der Hinterhauptsschuppe.
1) IIL Jahresbericht d. Qes. f. pomm. Ges. S. 50 und IV. Jahresbericht 8. 28.
(489)
Norma verticalis: Der Schädel hat seine grösste Breite an den Tub. parietal.,
nach hinten ist derselbe kurz zugespitzt, nach vorn allmählicher, aber stärker zu-
gespitzt.
Norma occipitalis: regelmässiges Fünfeck mit senkrechten Seiten wänden.
Norma frontalis: Stirn schmal, Orbitae hoch und wenig breit, Nase an der
Apei-tura pyriform. ausgebröckelt, aber doch eher schmal und lang. Gesicht schmal
(links fehlt Wangenbein und Jochbogen). Wangenbein rechts anliegend. Ober-
kiefer stark abgebröckelt, dabei klein, der Alveolarfortsatz schmal.
Norma basilaris: Foramen magnum schmal und lang, Gaumen kurz und
breit. Längs der Mittelnaht rechts und links auf der Unterseite der Gaumenplatte
hervorragende Knochenpartie (fast Toms palat.).
Steinzeit-Schädel
Schädel von | Schädel von
Gasekow Oberfier
I. Messungen.
Grösste Länge
„ Breite
Grösste Höhe (vorderer Rand des For. magn.) .
„ „ (hinterer y, „ „ » ) .
Aoriculare Höhe
Minimale Stimbreite
Horizontalnmfang
Yerticalmnfang
Ganzer Sagittalbogen
Sagittaler Stimnmfang
Länge der Pfeilnaht
Breite der Occipitalschnppe
Entfernung des Ohrloches von der Nasenwurzel
„ For. magn. ^ „ „
Foramen magnum, Länge
„ „ Breite
Orbita, Höhe .
„ Breite
Nase, Höhe
„ Breite
Gamnen, Länge
Breite
n. Berechnete Indices.
Längenbreitenindex
Längenhöhenindex (vorderer Rand)
„ (hinterer ^ )
Anricularhöhenindex
Orbitalindex
Nasenindex
Ganmenindex
180
179
130
121
—
122
140
181
114
112
94
—
600
483
315
285
862
356
130
124
135
—
99
—
93
—
37
—
27
—
33
—
38
—
46?
—
24?
^__
35?
-^
32
72,2
67,6
68,1
77,8
73,2
63,3
62,0
1
86,9
52,2?
—
91,5?
(490)
(15) Hr. Eagen Bracht berichtet in einem Briefe an den Vorsitzenden aus
Baalbek vom 1 . Juni über seine
Reise nach dem Negeb
und stellt einige Schädel von da zur Verfügung. Das Nähere wird bei Eingang
der Schädel mitgetheilt werden. —
(16) In einer Versammlung, welche auf Einladung der Vorstände des Orient-
Comites (v. Kaufmann, Sachau, Schrader), der archäologischen Gesellschaft
(Curtius), der Gesellschaft für Erdkunde (W. Reiss) und der anthropologischen
Gesellschaft (R. Virchow) am 10. d. M. im Hörsaale des Museums für Völker-
kunde stattgefunden hat, berichteten die Herren v. Luschan und Koldewey unter
Vorlage von Plänen und Karten über die Ergebnisse der IL u. III. Campagne der
Ausgrabungen von Sendschirli.
Die für die hiesigen Museen erworbenen Fundgegenstände der I. und U. Cam-
pagne sind in Berlin angelangt und zum grösseren Theil aufgestellt.
Der Vorsitzende beglückwtlnscht die Leiter der neuen Expeditionen noch einmal
zu den unerwarteten Erfolgen ihrer Thätigkeit, die unter höchst erschwerenden
Umständen stattgefunden hat, und drückt den dringenden Wunsch aus, dass die
Mittel zur Fortführung dieser denkwürdigen Untersuchung aufgebracht werden
möchten. —
(17) Die Probenummer einer neuen Zeitschrift, „Süd-Amerika", zur Vertre-
tung deutsch-südamerikanischer Handels- und Colonisations-Interessen, wird vor-
gelegt.
Dieselbe enthält neben zahlreichen Geschäftsnachweisungen belehrende Auf-
sätze über die mannichfaltigsten Verhältnisse von Süd- und zum Theil auch von
Central-Amcrika. —
(18) Hr. Virchow bespricht weitere Beispiele von
geknöpften and mit Thierflgnren besetzten Ringen.
In der Sitzung vom '21. März (S. 329) wurde eine Mittheilung des correspon-
direnden Mitgliedes, Hrn. E. v. Fellenberg in Bern, vorgelegt, betrefTend einen
mit Knöpfen und Thierfiguren (Vögeln und Stierköpfen) besetzten Bronzering
aus dem Zihlkanal bei Port. Eine analoge Mittheilung enthält der Anzeiger für
schweizerische Alterthumskunde, 1891 April, Nr. 2. S. 480.
Bei der Vorlage iu unserer Sitzung erinnerte ich an kaukasische Bronzen.
Hr. Voss citirte ein analoges Exemplar von Epfach aus dem Augsburger Museum,
welches mit Knöpfen imd Vögeln, und eines von Cöln a. Rh. aus dem Berliner
Museum, welches mit Knöpfen und Widderköpfen besetzt ist Er war der Meinung,
dass diese Stücke der Tene-Periode angehören.
Als ich bald nachher das Museum in Wiesbaden besuchte, fiel mir ein neues
Stück dieser Art in die Augen. Es ist ein ziemlich enger und dicker Ring (Fig. 1),
am äusseren Rande besetzt mit 4 Doppel knöpfen, zwischen welchen 4 Thierköpfe
sitzen, welche unverkennbar Widdergestalt zeigen. Derselbe ist seiner Zeit im
Rhein in der Gegend von Walluf gefunden worden; leider fehlen jedoch genauere
Fundangaben.
Hr. Dr. Florschütz machte mich darauf aufmerksam, dass sich auch im
C481)
Mainzer Mtisenm ein ähnliches Stflck beflnde, und erst dadurch wurde meine Er-
inneran^ auf eine von Hm. L. Lindenschmit, dem Sohn unseres verehrten Ehren-
mitgliedes, in Hell 1 der „Nachrichten über dentsehc Alterthumsfunde" vom Januar
d. J. veriiiTBntlichte Notiz gerichtet, wonach bei ncucrlichGii Baggerungsarbeiten im
Rhein unterhalb von Mainz, zwischen der Ingolbeimer und der Peters-Äue, neben
(492)
einer grossen Anzahl von Bronzebarren auch „ein geperlter Bronzering" gefanden
ist, um welchen „sich in regelmässigen Abständen 4 Stierhäupter gruppiren, deren
lange Homer gleich Stacheln von dem Ringe abstehen''. Ich begab mich sofort
nach Mainz und konnte zu meinem grossen Vergnügen constatiren, dass auch dieser
Ring sich der in Frage stehenden Gruppe eng anschliesst. Der Holzschnitt in
Fig. 5, der nach einer mir gütigst zur Verfügung gestellten Zeichnung gearbeitet
ist, zeigt sowohl die Flächen- (a), als die Seitenansicht (/>). Man erkennt daraus
eine weitere Variation, indem neben den grösseren marginalen Knöpfen um die
Seitenfläche des Ringes noch ein dichter Ring kleinerer, „geperlter" Knöpfchen
angebracht ist.
Rechnet man noch den Cölner Ring des Berliner Museums hinzu, so erhalten
wir also 3 derartige Stücke vom Rhein, von denen wenigstens 2, wie der aus der
Ziehl, im Flusse selbst gefunden sind. Der gleichzeitige Fund der Bronzebarren
unterhalb von Mainz, welche ein Gesammtge wicht von beinahe 10,5 kg hatten,
während die einzelnen 220—265 g schwer waren, lässt wohl keinen Zweifel dar-
über, dass es sich um ein Handelsobjekt handelt, gleichviel ob man mit Herrn
Lindenschmit annehmen will, dass das Schiff gescheitert ist, oder es vorzieht,
sich vorzustellen, dass ursprünglich am Ufer ein Depot angelegt wurde, das später
vom Strome überfluthet ist. Vielleicht darf auch der Fund an der Ziehl ähnlich
gedeutet werden.
Das Wiesbadener Museum enthält eine grössere Reihe von Bronze-Objekten,
welche wahrscheinlich demselben Formenkreise angehören. Hr. Dr. Florschütz
hat die grosse Gefälligkeit gehabt, eine Anzahl derselben für mich durch Herrn
Born trag er photographiren zu lassen, von denen ich einige Abbildungen beifüge.
Da ist zunächst ein sonderbares Stück (Fig. 2), bestehend aus zwei rohen Widder-
ftguren, welche mit den Leibern zu einer Querstange vereinigt sind. Auf letzterer
steht auf einem hohen und dicken Stiel eine rohe Figur, die vielleicht als ein
Vogel zu deuten ist. An den Füssen der Widder sind lange Stille angebracht,
durch welche das Stück auf einer Unterlage befestigt gewesen zu sein scheint
Dieses Stück schliesst sich durch seine Doppelßgur wiederum an jene doppel-
köpfigen Hängeschmucksachen an, die in vielen Museen zu sehen sind. Ein Exem-
plar in Wiesbaden (Fig. 3) zeigt zwei Stierköpfe mit langen geschweiften Hörnern,
wie sie für die italische Rasse so charakteristisch sind.
Damit kommen wir auch zu einem vaterländischen Objekt, das mit diesen
Fundstücken verglichen werden kann, ich meine zu unseren lausitzer Bronzewagen
und ihrem Besatz mit gestielten Vögeln und langhömigen Stierköpfen. Ich habe
vor langer Zeit, in der Sitzung vom i>. Deceraber 1873 (Verh. S. 198), ausführlich
darüber gehandelt und zahlreiche Parallelen dafür beigebracht (vgl. auch Verh. 1875.
S. 108), auf welche ich hier verweisen darf.
Zum Schlüsse will ich nur noch erwähnen, dass im Wiesbadener Museum
auch ein einfach geknöpfter Ring (Fig. 4) vorhanden ist, dem die Thierfiguren
gänzlich fehlen. Es ist dies eine weit verbreitete Form, für welche ich noch ein
transkaukasisches Objekt (Fig. 6) vorführe. Dasselbe stammt von dem Gräberfelde
von Gogdaja und stellt einen starken, innen platten, nach aussen gewölbten Bronze-
ring von 6,5 cm lichter Weite dar, an dessen äusserem Umfange 4 rundliche Knöpfe
aufsitzen. Das Metall ist so stark verwittert, dass trotz seiner schönen Patina und
vollständigen Glätte der Ring mir unter den Fingern zerbrochen ist.
Es wird nun darauf ankommen, zu entscheiden, in welche 2ieit diese Stücke
gehören. Ich hatte in jener früheren Erörterung die Beziehung der Thierfiguren
zu Funden der Hallstatt- und der etruskischen Zeit betont. Hr. Voss hat sich in
(493)
der Sitzung vom März für die Tene-Zeit erklärt. Die Grenze wird schwer zu
ziehen sein. Typen der Hallstatt-Zeit ziehen sich bekanntlich bis tief in die Tene-
Zeit hinein, und eine Entscheidung dürfte vor der Hand weniger nach den Objekten
an sich, als nach den sonstigen Fandamständen zu treffen sein. Aber auch diese
müssen sehr vorsichtig interpretirt werden. So wurden bei dem Mainzer Funde
aus dem Rhein „in der Nähe der Fundstelle" nach und nach Bronzefibeln mit ge-
schlossenem Fusse (sog. später La Tene-Typus) und mehrere, dieser Form nahe-
stehende römische CharnierAbeln aus Bronze erhoben, aber mit Recht bemerkt
Hr. Lindenschmit, dass „diese kleinen, verschiedenen Zeiten angehörigen Gegen-
stände wohl zusammengeschwemmt sein können". Im Ganzen möchte ich immer
noch den Gedanken festhalten, dass es sich um südliche Importe handelt, welche
vorzugsweise der Hallstatt-Zeit angehören, aber ich erkenne an, dass manche der-
artige Gegenstände in Funden vorgekommen sind, welche auf eine spätere Zeit
hinweisen *).
(19) Hr. M. üble hält einen Vortrag über
das dänische Hans in Deutschland.
Nach den Darlegungen, welche ich im Januar vergangenen Jahres glaubte über .
das fbhringer Haus bieten zu dürfen (Verb. 1890. S. 62 fg.), würde ich mir kaum
erlaubt haben, in diesem Jahre zu demselben Thema das Wort zu ergreifen, ob-
wohl ich im vergangenen Sommer bestrebt gewesen bin, neue Erfahrungen über
Verbreitung und Herkunft des von mir als Typus bezeichneten föhringer Hauses
zu gewinnen.
Die Resultate meiner 1890 angestellten Beobachtungen waren nicht derartig,
dass sie, wie ich als Ziel allerdings erhofft hatte, auch nur einigerraaassen das
Problem der ganzen nördlichen Verbreitung der föhringer und der ihr verwandten
Hausformen und das Problem der fundamentalen Ableitung des ganzen Typus ge-
löst hätten. Unter solchen Umständen hätte ich die zu erneutem Hervortreten mir
selbst nicht genügenden Resultate zu späterer Verwendung zurückgestellt, wenn ich
nicht doch in der veränderten Auffassung des von mir behandelten Problems durch
Hrn. Jahn (vorgelegt im Herbst 1890, Verb. 1890, S. 530—535) die Nöthigung hätte
finden müssen zu antworten.
Ich verkenne nicht, dass ich mit meiner an die Feststellung und Verbreitung
des Typus geknüpften Vermuthung (Verh. 1890, S. 74), derselbe möchte ein ur-
sprünglich dem friesischen Stamme eigen gewesener sein, zu weit gegangen bin,
und damit wohl Hm. Jahn selbst den Anlass gegeben habe, mit einer Kritik meiner
Bemerkungen hervorzutreten. Die Nothwendigkeit, nicht auf der ursprünglichen
Zugehörigkeit der ganzen eigenthümlichen Bauart zu den Friesen zu bestehen,
hatte sich mir selbst inzwischen schon aufgedrängt durch meine neueren Beobach-
1) In Nr. 3 des Schweizer Anzeigers theilt Hr. v. Fellen berg Gutachten der Herren
Alex. Bertrand, Tischler und Heierli mit. Ersterer spricht die Vögel (Enten) der
etruakischen Dekoration und dem Hallstatt-Cjclus, die doppelten Hömor den Galliern zu.
Hr. Tischler hält es nicht für zweifelhaft, dass der Ring von Port der La Tene- Periode
angehört und wohl auch von Helvetiem gemacht ist. Zu demselben Resultat gelangt Hr.
Heierli. Es ist dabei zu erw&hnen, dass im Laufe der weiteren Nachforschungen aus
der Ziehl eine Reihe römischer Stücke, darunter eine Kasserolle mit lateinischer Inschrift,
gefischt worden ist. Auch mag noch besonders angeführt werden, dass Hr Tischler vor-
zugsweise diagnostischen Werth legt auf die Kugeln, welche an den Enden der Hörner
des Porter Ringes sitzen; derartige Kugeln seien nur von Tene-Funden bekannt.
(494)
tangen im Norden, welche auch auf die Annahme einer nördlichen Abknnft des
Typus nunmehr hinzuweisen schienen. Dadurch würde die merkwürdige Verbrei-
tung der abweichenden, dem sächsischen Hause gegenüber ziemlich originellen Bau-
form in der Ausdehnung der mit Friesen besetzten westdeutschen Rüsten aus
einer specielleren Stammesfrage wieder vorwiegend eine Frage eigenthtlmlicher
geographischer Einwirkung aus einem anderen culturellen Gebiete werden.
Ein kurzer Aufenthalt im Innern Holsteins (Neumünster) gestattete mir im
vorigen Sommer, mich persönlich von der noch allenthalben verbreiteten Anwesen-
heit von Rauchhäusem in Holstein zu überzeugen. Schleswig dagegen (ausser
vielleicht in den von Sachsen bewohnten Theilen mit sächsischer Hausform) hat
sein Hans vollständig in den Zustand der mit Schornsteinen ausgerüsteten Häuser
übergeführt. Noch nie und nirgends in Schleswig bot sich mir bis jetzt die Beob-
achtung eines Kauchhauses. Nur zu begründet ist die Vermuthung, dass vielleicht
kein oder kaum ein einziges Rauchhaus, soweit dieses nicht sächsisch, in Schleswig
noch existirt. 1847 haben schon Lütgens '), sowie Graf E. Reventlow-Farve und
H. V. Wamste dt-), der erstere bestimmt, die letzteren ähnlich, auf das Fehlen
von Rauchhäusern nicht sächsischer Bauart in Schleswig hingewiesen. Vielleicht
existirte schon zu jener Zeit kein einziges Exemplar mehr. In Jütland, wenigstens
im Südwesten desselben, scheinen die Verhältnisse ähnlich zu liegen. 1802 gab es
auf der Insel Mors im Limijord noch alte Rauchhäuser. Von ihnen wurden zwei
Pläne vom Propst Schade aufgenommen. Ueber die heutigen Verhältnisse dieser
Gegenden und über die entsprechenden Verhältnisse der dänischen Inseln fehlen
noch Nachrichten.
Auf schleswigschem Boden lassen sich demnach die Beobachtungen am nicht-
sächsischen Hause dieses Gebietes nur an Häuser mit Schornsteinen anknüpfen.
Die Resultate bewegen sich dadurch mehr auf der Oberfläche der Entwickelung
der Hausformen und entbehren jener historischen Tiefe, in welche die auf dem
Boden Holsteins angestellten Untersuchungen schon geführt haben'). Immerhin
lassen sich Ergebnisse über die Verbreitung der von der sächsischen abweichenden
Bauformen erzielen und Feststellungen darüber gewinnen, dass, wenn auch der ganze
Grundriss des in der regelrechten Entwickelung vorangegangenen Rauchhauses un-
bekannt bleibt, doch derselbe sicher nicht dem holsteiner Rauch hause, sondern
einem davon verschiedenen entsprach.
Mehrere Pläne von Häusern des angeler Landes sind bis jetzt publicirt worden.
Sie finden sich in den Werken von Lütgens, sowie Graf E. Reventlow-Farvc
und H. V. Warnstedt, z. Th. darnach reproducirt bei Hrn. Henning, Das deutsche
Haus 1882. Keiner dieser Pläne belehrte bis jetzt über eine einfache, in Angeln
vorhandene oder die früher vorhanden gewesene Grundform. Ein Theil der Pläne
knüpft an zu entwickelte Formen der Bauerwirthschaft an, der andere Theil an
Mischgebilde zwischen dem sächsischen und einem abweichenden Typus. Darch
den Wunsch, womöglich eine reine und einfache Form auch noch auf diesem Ge-
biete kennen zu lernen, wurde ich auf den Boden des angeler Landes geftthrt.
Durch Entwickelung dos Wohlstandes sind auch die Bauformen sehr vor-
geschritten. Dieselben sind mannichfaltig, theils mehr sächsisch, theils mehr
dänisch, mitunter auch eigenthümlich gekreuzt, wie z. B., wie es scheint, in dem
Plane aus Sörup, Fig. 1 :
1) Kurzgef. Charakteristik der Bauern wirth. der Berzogth. Schlesw. u Holst. 1847, S. 6.
2) Beitr. z. land- und forstwirthscb. Statistik der Herzogfh. Schleswig u. Holstein 1847,
8.88.
3) Virchow, Verh. 1887 und 1890.
4-
(495)
Figur 1.
H h
.. b
i B h
t
■H
d
e
\
*— 4' • • 4^ • • • I
A Wohnung (darüber Böm\ B Dreschtenne (darüber Jöll, Heuboden), C Stall (darüber
Böm), a Vordiele, b Heckseiraum, c Hühner, d Stände für Vieh, e e Gänge hinter dem
Vieh, f Futtergang, g Futterlade, h Thür zum Heudurchtragen, i Thürlose Wand.
Den Zug zum Wechsel und zur Veränderung zeigt mannichfacher Wechsel der
Bauformen in der Familie, bei welchem der ältere Bauer seine, schon nach etwas
entwickelten Principien zu Anfang des Jahrhunderts errichtete Wirthschaft als Alten-
theil behalten kann und der neue Bauer sich daneben eine Wirthschaft nach ganz
anderen Principien errichtet.
Die äussere Form der meist nicht sehr alten Häuser kommt der sächsischen
durch das hohe spitzwinklige Dach am nächsten.
Hr. Ca Ilsen in Sterup, in der ganzen Gegend wohlbekannt, war jedoch so
gefällig, mich nach einem älteren Hause, dem von Hrn. Rasch in Bremholm bei
Sterup, zu führen. Im Aeusseren und Innern wich es von den vorerwähnten Ge-
bäuden ab. Lang, niedrig, schmal, mit weniger hohem und steilem Dach, glich es
äusserlich den gewöhnlichen Bauen Nordfrieslands und der westlichen Inseln. Im
Inneren zeigte es eine sehr entsprechende Einrichtung.
Eine Jahreszahl des Hauses war leider nicht festzustellen. Wegen Alters sollte
das Haus abgetragen werden. Ein gleich oder ähnlich alterthümliches Haus war
in der ganzen Gegend njcht vorhanden, erst in einem Dorfe bei dem 15 km ent-
fernten Süderbrarup, welches ich
Figur 2.
leider nicht mehr besuchen konnte.
Der Vater des 70jährigen Besitzers
hatte das Haus als fertiges über-
kommen und nicht gewusst, wel-
cher seiner Vorgänger dasselbe ge-
baut hatte. Dem Wohnhaus parallel
gegenüber stand eine kleinere
Scheune. Ihre ümfassungswände
zeigten zwischen Balkenstellungen
Ziegel in der Weise gesetzt, dass
jedes Feld dieses Muster ergab*)
(Fig. 2).
An dem von Hrn. Virchow Verh. 1890, S. .')63, Fig. 7 abgebildeten vierländer
Hause des H. Herden in Rurslack gewahrt man ein ähnliches Muster, ebenso an dem
1) Der „Donnerbesen" (Virchow, Verh. 1890. S. 77) kommt, in Ziegeln gesetzt, als
Muster der Aussenwand unter dem Namen ^Franzbl" auch in Angeln vor. — In Holstein
soll der von Hm. Virchow a. a. 0. S. 78 erwähnte und in Fig. 4 daselbst mit abgebildete
„Bauemtanz*^ erhaltener Angabe nach auch über dem Schwibbogen zu finden sein.
(496)
Figur 3.
Die Zahlen geben die Fachabtheilaogen an.
a Vordiele, h Küche mit Heerd, c Kellerkammer, d Norderstub, e Backlanw (dän. kläfX
f Pisel, gepflastert, früher best« Stube, jetzt Wohnstube, g Süderstub mit Tisch und Bank.
h h h Betten, i Futter- und Drcschdiele: Lohe, k früher Verschlag, jetzt Krippe, / Kuh-
stall (6—8 Kühe nach k zu gerichtet), dalünter ein schmaler Gang.
Haus von Peter Heldt in Ostenfeld ans dem 17. Jahrhundert, welches unten be-
sprochen wird (Mittheilung von Hm. Voss in Husum).
Das Haupthaus (Fig. 3) enthält in den Fenstern Butzenscheiben, Gebälk durch-
aus von Eiche, einen riesigen, in ähnlicher Grösse mir noch nirgends begegneten
Schornstein, dessen untere trichterartige Erweiterung grosse Theile der Rüche und
nebengelegenen Wohnstube zugleich überspannte und dem durchfallenden Regen
Kaum gab, femer eine ziemlich zierlich gepflasterte Vordiele: meteigrosse Quadrate
aus Reihen von Ziegeln, ausgefüllt mit andersfarbigen kleinen Rollsteinen.
Diese objektiven Rennzeichen höheren Alters veranlassten mich zu der Ein-
räumung, dass das Gebäude, wenn es auch nicht, wie die wohlmeinenden Orts-
bewohner sagten, aus dem 1 6. Jahrhundert stammen mag, doch immerhin vielleicht
zwei Jahrhunderte getragen hat. Als ein glücklicher Beleg vergangener vorhundert-
jähriger Bauart, dabei mit der gewünschten verhältnissmässig einfacheren Grund-
anlage, durfte das Haus jedenfalls, auch ohne die leider nicht besonders festgestellte
Jahreszahl seiner Errichtung, gelten.
Wichtig an dem Hause ist der Mangel jeder Einfahrt und das Fehlen über-
haupt jedes Zuganges zur Tenne am Giebel. Dabei soll freilich nicht verschwiegen
werden, dass im Innem eine nebensächliche Berühmng mit sächsischen Verhält-
nissen nicht ganz zu verkennen war. Das Vieh stand mit den Köpfen nicht nach
der Wand, sondern nach der Tenne zu. üeber den Viehständen befand sich die
Einrichtung „de hill" (= „de hilgen*': Hr. Virchow, Verhandl. 1890, S. 81). Die
Tenne war früher (als das Futter noch über den Verschlag weg zwischen Vieh-
ständen und Tenne dem Vieh vorgeworfen wurde) gewissermaassen Dreschdielc
und Futterdiele zugleich. Aber die darin zu erkennenden Einwirkungen des säch-
sischen Hauses waren immerhin keine fundamentalen. „De hill^, die sächsische
Einrichtung, kai^ man auch in Nordschleswig als neuere Einfühmng in mchr-
hundertjährigen Gütern (wie z. B. im „Durrhaus" bei Tondern) ftnden. Derartige
Einrichtungen finden also nicht selten gesonderte Verbreitung über die Grenzen
des ganzen Typus, welchem sie ursprünglich zugehörten, hinaus. Ausserdem schien
an den Umfassungsmauern dieser östlichen Hälfte des Hauses nichts geändert. Arn
Giebel war nie ein grösserer Eingang, nie eine Einfahrt, gewesen. Es vollendete
(497)
sich mir dadurch die Gewissheii, dass ein schon dem Ursprünge nach ii von dem
sächsischen abweichendes Hans vorliegen müsse.
Das EEans bot aber noch eine Eigenheit, welche zwar auch sonst in Angeln
verbreitet ist, vor dem Besuch Angelns aber mir noch nicht vorgekommen war.
Wie ttber den Zimmern (der Zimmerdecke) und der Vordiele der Kornboden
„de böm**, über den Viehständen „de hilP, so war über der Tenne in deren Aus-
dehnung die zur Bewahrung des Heus dienende Bodeneinrichtung „de jölP. Die-
selbe liegt etwa 0,5 oder 1 m höher als der Boden „de böm^, wodurch der eben-
erdige, darunter liegende B|aum um so
viel überhöht wird, und besteht aus Figur 4.
mehreren, über Querbalken mit klaffen-
den Zwischenräumen längs gelegten
Brettern: „de sleten^. An, der Wand
zwischen Vordiele und Tenne stellte sich
in dem Rasch'schen Hause der architekto-
nische Querschnitt demnach in neben-
stehender Weise dar (Fig. 4).
Von der im Umfange nur einstündi-
gen Insel Barsö bei Apenrade in Nord-
schleswig erlaube ich mir den Plan des
„1766 von Berdel Müller in Loit" errich-
teten Hauses herzusetzen (Fig. 5). Das
Haus ist allerdings nicht besonders alter-
thümlich. Es zeigt aber gut die quer
durch das Haus gerichtete Vordiele (A;),
für deren Vorkommen am föhrer Haus
Hr. Jahn (Verh. 1890, S. 532) allein die
Erklärung ans dem sächsischen Flet hatte.
Im Plan sind femer Tisch und Bänke in
der Küche erkennbar. Ueber der Tenne
und Durchfahrt ist der Boden „de jöll^
(hier „de joll**); das Bretterlager des
Bodens heisst, wie in Angeln, „de slsten".
V
Lohe. Stall.
Hausdurchschnitt an der Wand zwischen
Vordiele und Tenne.
a Thür, b Wand der Vordiele, c Zimmer-
decke, d Kornboden ,de bdm*' (über der
Wohnung und Vordiele, bis an den First
reichend), e »de sleten*, / Heuboden „de
jöU" (nur über der Tenne).
Figur 6.
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Die Zahlen geben die Fachabtheilnngen an.
a Fraognlv, b Küche mit Heerd, Tisch nnd Bank, c Keller, d Kammer, e Stabe, / Pisel,
gepflastert, g Kammer, h Saal, t t t Betten, Ä; Vordiele, / Backhaus mit Backofen,
m Knechtkamroer, n Knhstall, o Gang, p Getreideramn (bis ins Dach offen), q Schafstall
(darüber „böm"), r Heckselraum (darüber „bOm*'), $ Tenne (darüber JoU'*), t Durchfahrt
(darüber JoU«).
Vvrbaadl. d«r B«rl. Anthrop. OeMUaebaft 1891. 82
(498)
Das Gebäude bildet die eine Seite eines hufeisenförmigen Hofes, welcher aus
hm, einem Stück Wall und einem winkelförmigen, Ställe und Scheune enthaltenden
Gebäude zusammengesetzt ist.
Tenne und Stall kommen auch in Nordschleswig (Barsö) parallel neben ein-
ander, wie auf Pöhr, vor. Es wird dies u. A. durch nachstehende kleine Skizze
(Fig. 6) bewiesen.
Figur 6.
M ^
a Durchweg zur Tenne, b Tenne, darüber JoU*, c Schweinestall, d d St&nde für Kühe,
e e Thüren zur Wohnung.
Der die Wohnung enthaltende Theil des Hauses war auf Barsö immer aus
Ziegeln errichtet. Die grössten Höfe waren aber im üebrigen fast immer rein aus
Holz aufgeführt, auch der Theil des Haupthauses, welcher die Wohnung nicht
enthielt. Man vergleiche dazu die Erwähnung alterthümlicher bäuerlicher Holz-
bauten in der Nähe des (etwa 5 km entfernten) Loit auf dem Festlande (Kornerup,
Correspondenzblatt d. deutsch. Gesch.- u. Alterth. -Vereine 1870, XVHI, 66), welche
um 1870 im Aussterben waren.
Das jütländische Haus lernte ich auf der, einen Breitengrad nördlich Pöhr ge-
legenen Insel Panö kennen. Fanö ist ein interessanter Punkt, wie schon Marryat
(A residence in Jutland 1860, p. 218), welcher es besuchte, bemerkt hat. Es ist
zwar nicht 1000 Jahr stationär geblieben, wie Marryat erklärte (denn Rauch-
häuser giebt es ja auch nicht mehr da), immerhin in Folge seiner Inselnatur fest-
ländischen culturellen Einwirkungen entrückt gewesen, so dass es viele Alter-
thümlichkeiten bewahrt hat.
Das Haus von Panö gleicht fast absolut dem föhrer. Eines der ältesten
Häuser oder das älteste Haus im Dorf Sönderho auf Fanö ergiebt den Plan
Fig. 7.
Figur 7.
Die Zahlen geben die Fachabtheilongen des Hauses an.
a Vörstuö, b Stüö, c Koken, d Heerd (mit Kesselhaken), e Backofen, f Speisekammer,
g 8tu6, h Bett, t Pisel, k Kammer, / früher Dreschdiele, m früher Stall, ß T Bodenleiter.
(499)
Figur 8.
k
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- c
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■X^
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7
-X-
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•H-
a Yordiele, b Kochraum (sehr eng), c Heerd, d BackofeD, e Stube, / Betten, y Stube,
h Pisel, t Kammer, k Schlafstube, / Tenne, m Eomraum, n Heuraum, o Schafstall.
Das älteste Haus im mittleren Dorf der Insel Rindby (das Hans Hansen's)
entspricht dem Plan Fig. 8. (Der schraffirte Theil blieb, bei Aufnahme des Hauses
durch die Fenster von aussen, unaufgeklärt.)
In neuen Häusern, zumal in Nordby (wo der Verkehr der Insel mit dem Fest-
lande ansetzt), läuft meist die Vordiele quer durch das Haus (wie auf Föhr), und
eine tennen- oder schuppenartige Kammer in der Längsrichtung parallel neben dem
Stall hin (wie auf Föhr).
Fanö hat noch Frauentracht, das umgebende Festland nirgends mehr. Schon
Marryat hat sich darüber geäussert (p. 219). Er nennt Fanö nach der Üblichen
Häufung der Röcke über einander (in seltenen Fällen bis zu 13): „the land of the
petticoats". Noch heute erkennt man leicht die ununterbrochene üeblichkeit dieses
Gebrauches. Auf Föhr herrschte eine entsprechende Sitte etwa noch zu Anfang
dieses Jahrhunderts.
Ein dunkles, um den Kopf gebundenes Tuch bildet die Kopfbedeckung. Es
wird so umgelegt, dass es in schräger Richtung etwas nach hinten ansteigt, und
etwa oberhalb des Wirbels sichtbar durch einen Knoten geschlossen ist. Man wird
dadurch an das Kopftuch der Föhrerinnen erinnert, welche dasselbe freilich zier-
licher, mehr turbanartig, anlegen.
Ein krapprother wollener Rock mit grünem Randstreif bildet den Oberrock
der Tracht Als Überrock wird er noch in dem südlichsten Dorfe Sönderho, wel-
ches von dem Verkehr zum Festlande am entlegensten ist, getragen; in Nordby
dagegen ist er durch einen, in der Farbe gleichgültigeren, dunkleren Rock überdeckt.
Ein sehr dunkles Blau drückt die Trauer aus, so als Farbe des Kopftuches und
als Farbe des Randstreifes am Rock. Wittwen, ausgenommen, sie heirathen wieder,
erscheinen dadurch gekennzeichnet. Auch die üeblichkeit des Randstreifes am
Rock hat auf Föhr ihre Parallele. Ein dunkel- und hellblau carrirtes Tuch, wird
bei Trauer auch in Boldixum auf Föhr getragen (Mittheilung von Frau Kertel-
heim in Nieblum). Frauen auf dem Felde schützen auf Fanö ihren schönen Teint
vor den Sonnenstrahlen durch ein über das Gesicht gebundenes Tuch, wie auf
Föhr. Die Mähgeräthe (Sense mit zum Raffen bestimmter, seitlich angelegter
Gabel) sind auf B^anö dieselben, wie auf Föhr. Aus Allem ergiebt sich eine grosse
allgemeine Gleichheit der Cultur und der Sitten von Fanö und Föhr, welche nur
dadurch etwas überrascht, dass mit ihr Gleichheit der Sprache, anscheinend auch
der physischen Abkunft, nicht verbunden gehen. Für den Hausbau beansprucht
diese Aehnlichkeit der Cultur und der Sitten einiges Interesse.
Die Bewohner von Föhr, Amrum, Sylt, Helgoland und Wangeroog werden
nach neuester sprachlicher Forschung nicht als Nordfriesen, sondern als eine kleine
82*
(500)
selbständige, niederdeutsche Grappe, welche nnr neben den Nordfriesen stehend,
mit diesen nnd den Ostfriesen sich zu der nächsten höheren Einheit zYisammen-
schliesst, gerechnet (Bremer in Jahrb. d. Vereins f. niederd. Sprachforschung 1887,
Xin.:S. 5fg.).
Damach steht der föhringer Typus auf Föhr nicht mehr in eigentlich friesi-
schem Gebiete, wiewohl so auf den Halligen, deren Bewohner ächte NordfHesen sind.
Sonst blieb auf Föhr und in
dessen Nachbarschaft nach den Beob-
achtungen von 1889 immer noch
Manches auch hinsichtlich des Hans-
baus zu beobachten übrig, woTon
Einiges im Nachstehenden nach-
geholt werden möge.
Zunächst stellte sich unter den
verschiedenen früher bezeichneten
ModaUtäten (Verh. 1890, S. 62 fg.)
als älteste, auf Föhr vorkommende
Form des Hauses nunmehr besser
die nebenstehende dar (Fig. 9).
/ ±
■I-4-
Figur 9.
c
-H-
9
-H-
:: ä
h
-H-
a
■H-
k \k
::i
Die einheimischen Bezeichnungen der Haustheile sind folgende:
Föhr, Amrum:
Halligen:
Gebrauch:
a
j&ddör
säddör („Südthür")
Haupteingang
b
mattälem, auch stiennem
(von stien, Stein *) ; Sylt :
taal«)
mattdlem, tele
Vordiele
c
guaddör
—
Gartenthür
d
dömsk
dömsk
Stube
e
pisel, pesel
pisel
„Pisel"
f
kögem
kägen, kegen
Rüche
g
iäldägh (spr. eldägh)'),
so besonders auf Am-
rum; ausserdem herstä
haste, härstä
Heerd
h
komer
—
Rammer
•
1
gong
«
Gang durch den Stall
k
biissem*)
bösem
Stall
1
bördör
bösomdör
StaUthür
m
lohe oder täl
Ausserdem:
tele
Tenne
bön
bän
Boden
bäghon
Oven
Backofen
1) weil gepflastert
2) Johansen, Die nordfriesische Sprache 1862, S. 76.
3) Man vergleiche angelsächs. äled, altsächs. eld, altnord. eldr, dftn. ild, norw. eil, eil,
schwed. eldr: Feuer, lldhus heisst schwedisch: die primitive Stube mit freilodemdem
Heerd (Mandelgren, Atlas tili Sveriges oldlingshistoria 1877, 1— 11. 8. 10), islind. eldhüs =
Küche (K. Maurer, Island 1874, S. 434}, holländisch-friesisch eazen ~ Heerd (Roosje en
Kroese en Eekhoff, Merkwaardigh. van Hindeloopen 1856, S. 9). — Die Sjlbe -igfa
oder -d&gh in iäld&gh ist noch unerklärt
4) Johansen a. a. 0. S. 132 schreibt busham.
(501)
Föhr, Amrum: EEalligen: Oebrauch:
sntick 0 — Kesselhaken
sköstien — Schornstein
käUer käller Keller
Die ältere Form auf Föhr enthält rechts von dem Qnergang keine Zimmer.
Man findet diesen Zustand mehrfach in überhondertjährigen Häusern, und es er-
scheint auch an sich schon als das Natürliche, dass die Ausbreitung der Wohn-
räume über den Gang weg nach dem Stalle das Jüngere ist.
Schon früher (Verh. 1890. S. 66) ist bemerkt, dass die Einfahrt (a. a. 0. S. 65,
Fig. 7, P) bald fehlt, bald vorhanden ist. Sie ist dabei nicht gerade gewöhnlich,
sondern verhältnissmässig wenig vertreten. Ausserdem wird sie aber auch in alten
Häusern (wie in dem später noch zu erwähnenden von Sophie Olufs in ütersum)
als neuere Zuthat betrachtet. An alten Häusern fehlt sie häufig. Sie darf sicher
als neue Zuthat betrachtet werden. Dazu kann man weiter die fanöer Bauten ohne
Einfahrten vergleichen. Der Freundlichkeit von Hm. Voss in Husum verdanke ich
femer den Plan eines Hauses von Drellsdorf bei Bohmstedt in Nordfriesland, wel-
cher vollständig Fig. 9 gleicht. Auch er entbehrt also der Einfahrt. Der Plan
selbst ist von Interesse auch als Bestätigung des Vorkommens der relativ ein-
fachen fohrer Form auf dem nordfriesischen Festland.
Mit der Angabe, dass der Pisel eigentlich unheizbar war, ist Hr. Jahn voll-
ständig im Becht. In den Plan Verh. 1890, S. 65 gelangte die Angabe des Ofens
im Pisel nur durch gewisse Oefen in neuer eingerichteten Piseln auf Föhr, welche
Berücksichtigung nicht so verdient hätten. Dagegen ist Hr. Jahn mit der Angabe,
dass der Pisel „nur Vorrathsraum", und „im Uebrigen nur" bei grossen Festlich-
keiten als Versammlungsort benutzt sei (S. 532), nicht gleichermaassen im Becht.
Denn der Pisel ist eigentlich Staats- und Prunkraum des Hauses, seine Be-
nutzung zur Bewahrong von Vorräthen, Truhen u. s. w. (gewissermaassen dem
Schatz des Hauses) war in älteren Zeiten nur die daneben hergehende. Wäre der
Pisel nicht voller Staats- und Prunkraum des Hauses gewesen, so würde sich auch
nicht genügend erklären, wie so er, z. B. in Dithmarschen, sogar zu Bestattungen
hervorragender Personen benutzt werden konnte.
Auch die 80jährige Frau Hansen in Keitum auf Sylt, Wittwe des verdienten
G. P. Hansen, theilte mir mit, dass der Pisel früher „nur der Prunkraum war,
nur für festliche Versammlungen diente". „Dienstboten durften den Pisel nicht
betreten." „Es wäre Entweihung gewesen." Die Hausfrau reinigte selbst den Pisel.
Im Hause der Sophie Olufs in Utersum fand ich im Pisel, etwa in der Mitte,
an einem Bembalken, an dessen Unterseite, gross, etwa 10 — 15 cm lang, 1 — 2 cm
tief, die Hausmarke eingeschnitten. Die Bewohner des Hauses und die Dorfnach-
bam, obwohl sie mich selbst auf das Haus als das älteste aufmerksam gemacht
hatten, wussten von der Existenz und der merkwürdigen Bedeutsamkeit des Zeichens
nichts. Dass dieses bedeutsame Zeichen aber gerade im Pisel sich findet, reimt
sich zu der früheren, gewissermaassen feierlichen Bedeutung des Pisels im Haus-
halte.
Unverständlich würde schliesslich das hübsche, an den Pisel sich knüpfende
Sprüchwort') erscheinen, wenn man dem Pisel die Omndgeltung als Staats- und
Prunkraum des Hauses versagen wollte: Apträpi uun piisal an deelfäl nun busham,
„aufsteigen im Pisel und herunterfallen im StaU", d. L hoCTährtig anfangen und jänmier-
1) Man vergleiche dänisch nok, Haken.
2) Johansen a. a. 0. S. IB.
(502)
lieh enden. Man beobachte die glückliche Benutzung des räumlichen Gegensatzes
des dem Prunke gewidmeten Pisels und des vom Vieh eingenommenen Stalles im
Hause für den Sinn des Sprüchwortes.
An der Ableitung des Wortes Pisel von pisale, heizbares Gemach, nimmt Hr.
Jahn (a. a. 0.) Anstoss und bezeichnet sie, wegen der Unheizbarkeit des schles-
wigschen Pisels, als lucus a non lucendo. Gleichwohl hilft wohl eine weitere Be-
trachtung der etymologischen Herkunft des Wortes über die von Hm. Jahn an
sich ja richtig beobachtete Schwierigkeit hinweg. Pisale wird aligemein, und an-
scheinend mit Recht (man vergleiche die Form phinsel), von lat. pensale, Arbeits-
raum, abgeleitet ^j. Als Arbeitsraum der Frauen würde dieser Raum beizbar und
so nach und nach vielleicht speciell ein geheizter Raum geworden sein. Jeden-
falls fehlt es bei der grossen lautlichen Aehnlichkeit an dem hinreichenden Grunde,
den schleswigschen Pisel von dem bekannten mittelhochdeutschen pbiesel (Qesel, ^
phinsel, pisale, phiesai, pfiesel), welcher anscheinend allgemein ein heizbares')
Gemach darstellte, zu trennen. Dann würde aber vielleicht auch (durch den Be-
gnfr der Heizbarkeit in phiesel vermittelt) pfiesel, pfieselkammer, pfieselstatt') (in
Salzsudwerken eine Rammer, in welcher durch einen starkgeheizten Ofen das Salz
auf Gerüsten gedörrt und gehärtet, gepfleselt, wird), jedenfalls aber noch franzö-
sisch poele, ^owie norwegisch peis, Ofen^), zuzubeziehen sein. Die Möglichkeit,
dass pisale, piesel, daneben auch Räume unheizbarer Art bezeichnen konnte, würde
darnach dadurch gegeben gewesen sein, dass die Urbedeutung des lateinischen
Grundwortes überhaupt noch keine Spur des Begriffs Heizbarkeit enthielt, und
dieser Begriff erst nach und nach in einem Theile der Ableitungen aufgenommen
und dann allerdings zum Theil sogar zu vollendeter Schärfe heransgebildet wurde.
Dem von mir entwickelten föhringer Typus stellte Elr. Jahn zwei Hausformen
zur Seite, welche er in dem Kirchspiel Ostenfeld vertreten gefunden hatte. Er
leitete aus diesen Hausformen eines „unverfälscht friesischen Gaues^ ab, dass das
nordfriesische Haus eigentlich eine Modification des niedersächsischen Hauses und
auch der von mir entwickelte föhringer Typus eine solche sei (S. 531— 535).
Für diese Schlüsse waren ihm behülflich die Angaben, dass Ostenfeld ein
durch seine friesischen Alterthümlichkeiten bekanntes Gebiet sei, ferner die Ana-
logien, welche das gewöhnliche nordfriesische Haus mit den Ostenfelder Hausformen
in manchen Stücken bot, ferner nahe Uebereinstimmung zwischen der jüngsten
Ent Wickelung des Bauernhauses in Osten feld (Fig. 2) mit dem von mir entwickelten
föhringer Typus. Hr. Jahn fühlte sich so sicher in seinen Beweisfolgemngen, dass
er ein, nach dem Muster des älteren Ostenfelder in der deutschen Ausstellung in
London aufgestelltes Haus kurzweg als ein nordfriesisches bezeichnen liess und
in einem Tageblatt als „das nord friesische Haus^ selbst näher erörterte^). Dieser
Artikel ist dann in der Kieler Zeitung, entsprechend dem für die Gegend be-
greiflichen Interesse an dem Gegenstande, wieder abgedruckt worden, hat aber,
so viel mir bekannt ist, bei den Einwohnern Nordfrieslands wesentlich bloss Er-
staunen darüber erweckt, welches nichtnordfriesische Haus auf diese Weise als
nordfriesisches commentarlos erörtert worden ist.
1) Lexer, Mittelhochd. Handwörterbuch 1876, IL 243; Littr^, Dictionn. de U lang,
fr. 8. V. poele.
2) Gudrun 9%, 4: Du muost heizen minen phiesel und muost selbe scbüni die brend«.
3) J. A. Schmeller, Bayer. Dialect -Wörterbuch 1824—37, I 442.
4) Hr. Henning a. a. 0. S. 63. Westlich von Oldenburg hört der Ausdruck ^Piesel* mf.
5) In einer Beschreibung des Hauses im Berliner Tageblatt
(503)
Nun bin ich bereit, Hm. Jahn die Möglichkeit einzuräumen, dass die Nord-
friesen in vorvergangener Zeit früher oder später einmal sächsisch bauten. Als
missglückt stellt sich aber der Versuch dar, das föhringer Haus als Modification
des niedersächsischen Hauses zu bezeichnen, das nordfriesische Haus, wie es in fast
allen, besonders allen maassgebenden Theilen des Landes existirt, als Modifikation
des niedersächsischen Hauses zu erklären und damit gewissermaassen den Beweis
zu liefern, dass offenkundig sowohl auf Pöhr, wie im übrigen Nordfriesland, die
Bauart ein direkter und einfacher Abkömmling des gewöhnlichen niedersächsischen
Hauses sei.
Für Schleswig, zur Peststellung der dort üblichen Bauarten, ist die Frage
selbst nicht von zu grossem Belang. Was im Allgemeinen dort gebaut wird, ist bald
vollständig bekannt. Stellten sich diese Bauarten als Abkömmlinge der sächsischen
Bauart dar, so wäre das interessant. Stellten sie sich als eine andere, etwa däni-
sche Bauart dar, so könnte dieses Resultat, gemäss den fremdartigen Cultur-
einflüssen, welchen Schleswig, z. Th. wider seinen Willen, so lange ausgesetzt
war, nicht so sehr überraschen. Die Frage ist nur von grösserem Belang dafür,
ob in Nordfriesland selbst so offenkundige Belege dafür, dass die ganze friesische
Bauart die sächsische war, vorliegen, femer von grossem Belang ftlr die Beziehun-
gen eines vom sächsischen abweichenden, in Schleswig gefundenen Typus zu
üblichen Bauarten der westdeutschen Küsten der Nordsee, weil mit der ange-
nommenen Selbständigkeit dieser Bauform in Schleswig die Selbständigkeit der an
den westdeutschen Rüsten vorkommenden Form und damit deren besondere Be-
deutung von selbst fiele. Ausserdem hat die Frage vielleicht ein principielles Inter-
esse insofern, als es vielleicht doch nicht ohne Werth ist festzustellen, ob man auf
methodischem Wege gewonnene Ergebnisse auf Grund oberflächlicher Anschauungen
in Untersuchungen, wie solchen über den Hausbau, noch beseitigen darf.
Zunächst habe ich Hrn. Jahn einzuwenden, dass die von ihm als älteste be-
zeichnete Ostenfelder Bauart nicht die älteste des Kirchspiels ist. Von seiner
„ältesten" Bauform sagt Hr. Jahn im üebrigen nur (S. 531), sie sei vor 50 Jahren
in Ostenfeld noch gewöhnlich gewesen. Man könnte nachweisen, dass Häuser
dieses Zuschnittes zu bauen erst Ende vorigen Jahrhunderts begonnen wurde und
dass das Haus, welchem der Plan 1, S. 531 entnommen wurde, anscheinend das
der Geschwister Lorenzen, nur erst Ende des vorigen Jahrhunderts errichtet ist.
Ich verdanke der Güte von Hrn. Magnus Vo s s in Husum zwei ältere Pläne
(Fig. 10 und 11) von Häusern in Ostenfeld, welche etwa 1643 und 1685 erbaut
woxden sind. Zu ihnen war Hr. Voss so freundlich mir zu schreiben:
zu Fig. 10, Haus von Peter Heldt: „Der Heerd ist jetzt an die Wand ge-
rückt, hat aber früher frei gestanden, und mag, wie die Leute sagen, aus einem
Stein bestanden haben. Links vom Heerd sind die Gesindebetten erbalten. Rechts
ist aus den Gesindebetten die Wohnstube gemacht und ein kleiner Anbau (im
Plan punktirt) zugefügt. Dieser Anbau ist an sich auch alterthümlich, stammt
aber, wie man der Inschrift über der Wohnstubentbür entnehmen kann, aus dem
Jahre 1789. üeber dem Ausgang in der rechten Hörn*) steht in einem Ständer
die Jahreszahl 1673. üeber der grossen Thür soll 1643 stehen."
1) Gang nach der Seite. Uebrigens giebt Hr. Jahn S. 573 „Siedeln** als Ausdruck für
StalL Dies ist nach Mittheilung von Hm. Voss kein Wort. „Side" heisst Seite. Man
sagt also „sidenstall' in der Bedeutung Seitenstall, aber nicht bloss ^Siden*" für Stalb
oder „Siedeln".
(504)
Figur 10.
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Figur
11.
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a Strasse, h Diele, c Sidenst&lle, d Heerd,
t i Gesindebetten, f Pisel, g Gang nach
dem Baomgarten, h Norderstabe.
a Diele, b Torf und K&lber, c Pferde,
d Heerd, e Wohnstube, f Enechtkammer,
g Aufwaschküche, h Pisel, t Schlafstube,
k Mftdchenstube.
zu Fig. 11, Haus Ton Beimer: „Ueber der Hausthür steht die Jahreszahl
1685. Auch hier ist der Heerd freistehend gewesen. Die Gresindebetten sind
rechts erst zu Lebzeiten des jetzigen Besitzers durch eine Auf Waschküche ersetzt
Die Wohnstube links scheint an die Stelle früherer Gesindebetten gebracht und die
Rnechtkammer ebenfalls neuere Einrichtung zu sein. Die Heerdbank heiaat Blink,
der Baum mit den Betten Siddelsch."
Beide interessant übereinstimmende Pläne erweisen, dass Hm. Jahn' s Fig. 1
8. 531 nicht die älteste Bauart Ostenfelds darstellt. Denn sie weichen von
dieser Fig. 1 ab; es giebt sogar 7 — 8 solcher Häuser in Ostenfeld ausserdem.
Ihr Grundriss entfernt sich, ausser in Nebendingen, nur unwesentlich von dem
des sächsischen Hauses. Der Pisel, fremdem Einfluss verdankt, in beiden vor*
banden, stellt wohl die einzige wichtigere Abweichung vom sächsischen Typus dar.
Es ist mir auffallend, dass diese beiden alten Häuser in Ostenfeld Hm. Jahn fremd
geblieben sind, da die in ihnen früher vorhandenen Paneele in dem Londoner
„nordfriesischen Hause^ Aufbahme gefunden haben. Wäre es darauf angekommen,
recht gründlich zu erweisen, dass das nordfriesische Haus ursprün^ich das reine
sächsische Haus gewesen ist, so hätten diese beiden Pläne benutzt werden können«
Die Benutzung der veränderten Grandrisse der Häuser des 18. — 19. Jahrhunderts,
dieser „Modification des niedersächsischen Hauses'', gewissermaassen vielleicht
dieser „friesischen Modification des sächsischen Hauses'' im „unverfälscht fHesischen
Gau" Ostenfeld erlaubte freilich leichter die Brücke zu schlagen zu den abweichen-
deren Plänen der zur Zeit in Nordfriesland üblichen Bauerhäuser.
(505)
Nun erweist sich aber Folgendes: Die zwei Häuser des 17. Jahrhunderts zeigen
ganz geringen fremdartigen Einfluss in der Existenz des Pisels (fast genau wie
das sächsische Haus in Dithmarschen)^. Darin stimmen die Pläne auch schon mit
der Bauart Nordschleswigs. Hier ist ein geringer Anfang zu fremdartiger Ein-
wirkung gemacht.
Hrn. Jahn's, dazu jüngerer (18. Jahrhundert), Plan 8.531 Fig. 1 zeigt nun die
Abweichung, dass die in den älteren Plänen (Fig. 10 und 11) noch fast rein säch-
sische Wohnung durch die Oesammteinrichtung der Wohnung des fremdartigen
Hauses ersetzt isi (Man veigleiche den nordschleswiger Plan S. 534 Fig. 3, femer
nebenbei die föhringer Bauart: 4 — 5 Wohnräume in zwei Längsreihen; dem Pisel
in einer Ecke ein Raum mit grosser Feuerung diagonal gegenüber).
Die Entwicklung ist noch weiter gegangen in den jüngsten Erscheinungen
des Ostenfelder Hauses (Jahn Fig. 2 8. 532). Hier ist eine grössere Aehnlich-
keit zum nordschleswigschen Hause erzielt durch Verlegung des Heerdes in die
Wohnung (an die 8telle des Backofens) und durch Absperrung des Flet als Gkmg.
Hr. Jahn zeichnet selbst den neuen Gang schmäler als das frühere Flet und ähn-
licher dadurch der Yordiele des fÖhrer Hauses und entsprechenden in Nord-
schleswig und Fanö vorkommenden Erscheinungen (s. oben Plan 5 und die Be-
merkungen über Fanö). Die Veränderung des Flet zum Gang reimt sich als An-
ähnelung an den fremden Typus zu dem ganzen erwiesenen Zuge der im osten-
felder Hause seit dem 17. Jahrhundert herrschenden Entwickelung. Es lässt sich
ausserdem geltend machen, dass anderwärts bei Freiwerden des sächsischen Flet
vom Heerde nicht nothwendig der Flet, überhaupt als Baum nur, erhalten bleibt.
Analoge Entwickelung, Anähnlichung des früher rein sächsischen Hauses an
einen fremden (dänischen) Typus lässt sich am Hause Norddithmarschens nach-
weisen: 1. erweisliche 8tufe; Plan des dithmarscher Hauses bei Gk^f E. Reventlow-
Farve und H. v. Warnstedt; — 2. 8tnfe: Ltttgens a. a. 0., Taf. 15; — 3. 8tufe:
Lütgens Taf. 16.
Nun ist aber auch das föhringer Haus keineswegs eine Entwickelungsform des
sächsischen, so sehr es auch von Hm. Jahn als übereinstimmend im Grundriss
mit seiner Fig. 2 (8. 532). von Ostenfeld betrachtet worden ist.
Ausserhalb des Grundrisses macht sich die wichtige, von Hm. Jahn ganz bei
Seite gelassene Differenz geltend, dass das veränderte ostenfelder Haus immer noch
den Giebel in sächsischer Weise der Strasse weist, das föhringer die Langseite.
Im letzteren ist also auch schon nach seinem äusseren Verhältniss zum Dorfe, zu
den Dorf wegen, jenes Merkmal des sächsischen Hauses nicht vertreten.
Die im Grundriss von Hm. Jahn angenommene Aehnlichkeit ist keine so
grosse. Wohnung und Querdiele stimmen, die Wirthschaftsräume aber in den
meisten Beziehungen nicht Es ist wahr: die Tenne liegt auch im föhrer Hause
längs, aber an ihr befand sich in deren ursprünglicherem Zustande keine Einfahrt');
sächsisch in der Lage, war sie doch nicht sächsisch in der Zugänglichkeit, und als
eine Nachahmung der sächsischen Diele ist sie darnach fraglich. Das föhrer Haus
zeigt die Längszweitheilung der Wirthschaft (wie Hm. Madsen's Fig. 3, 8. 534).
Deren Entstehung aus der sächsischen Dreitheilung nimmt Hr. Jahn an (8. 532)
und er sucht sie zu erklären, ohne jedoch für die Thatsächlichkeit des ange-
nommenen, tief einschneidenden Vorganges den dafür zu wünschenden bestimm-
teren Beweis beizubringen. Die dreitheiUgen Stalleinrichtungen (2 Reihen Vieh-
1) Graf Reventlow-Farve und H. v. Warnstedt a. a. 0^ Tafel.
2) nur eine schmale seitiiche Pforte an der Stallseite, man vergL Fig. 9.
(506)
stände zu den Seiten), welche auch Pöhr (als neuere Fortbildungen) kennt, ent-
behren der Einrichtung der Diele in der Mittellage zwischen den Viehständen
nach sächsischer Weise, und geben dadurch sogar eine bestimmtere Andeutung
über das Fehlen der Verbindung zwischen der Wirthschaftseinrichtung des föhrer
Hauses und der des sächsischen Hauses').
Dagegen entspricht das föhrer Haus (oben Fig. 9) nach allen wesentlichen Be-
ziehungen dem altnordschleswigschen, von welchem Hr. Madsen einen trefflichen
Plan (Jahn S. 534, Fig. 3; der Oeffentlichkeit zu überlassen die Freundlichkeit
besass. Zwischen beiden Hän-
Figur 12.
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a Vordiele, h Kaum für Ackergeräthe, c Abtheilung
für Geräthe, d Kuhstände, e Stallausgaug, / Schweine,
y Lämmer, k Tenne, t Torfraum, k Wohnung / Hinter-
diele, m Gang durch den Stall.
sem, welche nur in der Ver-
wendung zweier Bäume (der
föhrer Vordiele und Tenne)
tieferen Unterschied zeigen,
im ganzen Grundriss sich
sonst identificiren, und welche
auch in der Längsrichtung an
den Wegen sich gleichen, be-
steht im üebrigen kein Unter-
schied. Hm. J a h n ' s Aeusse-
rung, dass das föhrer und das
nordschleswigsche Haus nichts
mit einander zu thnn hajsen
(S. 533, 535), wäre schon dar-
nach eine gewagte.
Nun ergiebt sich aber auch, dass die Tenne des nordschleswigschen Hauses
eine im föhrer Hause nur verlegte ist.
Der Name der Vordiele auf Föhr, mattalcm, wird von den Bewohnern erklärt
als „mitten in der Tenne" -). Tal, wie die Tenne'), heisst ja auch auf Sylt die
Vordiele*). Also kann darüber kein Zweifel walten, dass auch im föhrer Haus
früher an Stelle der Vordiele Tenne war.
Der Heu- und Feuerungsraum des altnordschleswigschen Hauses des Herrn
Madsen trägt den Namen „jöfach" (S. 534). Ich bin nun genöthigt, jöfach,
ferner „jöll" (Angeln) und „joll" (Barsö), s. oben, sprachlich einander gleichzusetzen.
Leider ist nicht bekannt, ob im nordschleswigschen Hause des Elm. Madsen der
„jö" ein Boden oder der Raum zu elener Erde ist. Jedenfalls stehen sich räum-
lich und sprachlich das nordschleswigsche „jöfach" des Hm. Madsen als Heu- und
Feuerungsraum, und die sonstige Tenne, soweit sie in gleicher Lage vorkommt,
mit darüber liegendem „jöil" oder Joll", Boden, ganz gleich. Daraus ist der
Schluss zu ziehen, dass unter solchen Verhältnissen die Räume auch innere Ver-
wandtschaft haben, und daraus wieder der Schluss, da das dänische jöfach nur
Heu- und Feuerungsraum ist, der sonst entsprechende Raum = Tenne mit darüber
liegendem Heuraum zugleich, dass aus der schon nachgewiesenen ursprünglicheren
1) Auch der durch den Stall nach dem Hausende fuhrende Pfad im fohrer Haus kann
nicht als Entwickelung aus der Diele des sächsischen Hauses angesehen werden. Nicht
selten windet er sich quer durch das Haus (der sächsischen Diele in deren gerader Rich-
tung ganz unähnlich), vergl. Fig. 12.
2) Johansen a. a. 0. S. 76 vermuthet für MadthMham, die Vordiele, irrig den Ur-
sprung aus mad nun älham, mitten im Ganzen.
3) Auch im Saterland heisst die Tenne T&i : „Ss.** in der Weseneitnng, 18. Jan. 1885.
4) Johansen a. a. 0.
(507)
Querrichtang die Tenne in den ursprünglicheren blossen Feuerungsraum verlegt,
yielleicht zu gleicher Zeit das üeu aus dem ebenerdigen Raum auf den Boden
verlegt oder beschränkt wurde.
Molbech (Dansk Dialect Lexicon 1841, 184) kennt „gulv" aus Fünen und Jüt-
land in der Bedeutung: zweites Fach einer Scheune voll von Korn. Im ostMesischen
Hause ist „gulf" oder „golf" der Vierkant, also ein Haustheil, ein Theil am ge-
wöhnlichen Hause. Also wird auch der Speicher („gulv" in der jütischen Halb-
insel) ein Theil des gewöhnlichen Hauses gewesen sein. Das könnte er aber nur
an der Stelle des „jöfach". Ich muss die dringende Vermuthung hegen, dass „jö", jöll
und JoU" dialectische Veränderungen des Wortes „gulv" (ursprünglich „golf")
sind. Eine Art Mittellaut bildet schon „gul" in „frangul", welches Hr. Jahn nach
Hrn. Madsen als plattdänische Bezeichnung der Vordiele angiebt (S. 533). Der
hochdänische Ausdruck in Nordschleswig (wie auf Barsö) und in Jütland ist „fram-
gulv". Ein anderer Mittellaut ist die dialectische westfriesische Veränderung von
„golf" als „goUe". Dem Joll", „jöll" steht man damit schon beträchtlich nahe.
Man könnte auch die vorkommende Veränderung von „golf" als „go" anführen.
Nur der üebergang von g in j ist schwer belegbar. Dach heisst der Fischerkahn
„golle" der Oberelbe in den nordischen Gewässern „joUe", — gewiss beides dasselbe
Wort; bei den Friesen wenigstens wird aus „geld" „jield", und was in Dialecten
alles als Wandel auftreten kann, ist gesetzlich deswegen unzureichend zu be-
grenzen, weil, wie Hr. Förstemann sagt: die Sprachforscher von den Sprachen
nur die Schriftsteller kennen. Daraus begründet sich meine dringende Vermuthung,
dass „joll", „jöll" eigentlich dialectische Verwandlung von „golf" ist. Das müsste
aber eigentlich ein ebenerdiger Raum gewesen sein, andererseits müsste er auch
ursprünglich das Rorn mit enthalten haben. So käme man bei Verfolgung der
Merkmale darauf, zu schliessen, dass das „jöfach" eigentlich Heu- und Rornraum
zugleich ist, und joll eigentlich als solcher Raum zu ebener Erde war. So kommt
man noch eine Stufe über den Zustand des altnordschleswigschen Hauses des
Hm. Madsen nach aufwärts. Und ein solcher Zustand als früher bestanden wird
auch Erfordemiss daraus, dass, früher, wie aus dem Norden besonders nachzuweisen
ist, ein Zustand existirt haben muss, wo die Wohnräume der Zimmerdecke ent-
behrten (so trifft man es ja auch noch im Hause auf Marken)^;, und darum das
Korn zu ebener Erde untergebracht war. Es wird sich zeigen, dass dieser Zu-
stand auch noch in einem alten Abkömmling dänischer Bauweise nachweisbar war
und thatsächlich bestanden hat, wo also Heu- und Kornspeicher an Stelle des
Madsen' sehen Heu- und Feuerungsraumes und der föhrer Tenne eingerichtet
waren.
Aus Allem ziehe ich aber den Schluss, dass das föhrer Haus eine Umwand-
lang des Hauses des Hm Madsen ist. Die Tenne lag also auch hier ursprünglich
an der Stelle der jetzt bestehenden Vordiele, sie wurde daraus verlegt in den
früheren Heu- und Feuerungs-, den alten Kornraum. Theils findet sich im föhrer
Hause das Kom auf dem Boden, Heu und Feuerang noch in oder bei der Tenne,
oder Heu und Korn sind beide auf den Boden verlegt, welcher speciell auf den
Inseln gleichmässig in der Höhe der Zimmerdecke als „böm" die ganze Fläche
des Hauses überzieht.
Die mit der nordschleswigschen stimmende Bauart bildet auf Föhr und den
Inseln der Umgebung keine junge Neuerung. Denn Dörfer am Rande der Marsch
1) Havard, Eine malerische Reise nach den todten Städten der Zujder See. Aas
dem Französischen 1882, 15.
(508)
Figur 18.
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a Marsch, 6 Weg an der Marsch unterhalb des Dorfes, c Abtheilongen des Dorfes mit
H&usem, d Querwege durch das Dorf, e Strasse auf der Gkest, f Felder der Geest
auf Föhr (Dunsum, Oldsum, Rlintum, Toftum u. s. w.) zeigen eine Ghnndanlage,
welche direkt für Häuser dieser Art, nicht etwa für solche sächsischer Art be-
messen erscheint, in der Weise der Fig. 13.
Jedenfalls existirten diese Dörfer um das Jahr 1400. Zu dieser Zeit muss
also die jetzt allgemeine Bauart schon die herrschende gewesen sein. Wenn sie
von aussen eingewandert ist, so wird dadurch ein beträchtlich früherer Anfangs-
termin der Einwanderung gegeben. Nichts schliesst bis jetzt aus, dass diese Bauart
schon beträchtliche Jahrhunderte früher auf Föhr existirte.
Um die geographische und nationale Herkunft dieser ganzen Bauart zu be-
stimmen, giebt es hier folgende Mittel der Erkenntniss:
1) Die geographische Ausbreitung über Nordschleswig, die schleswigschen
Inseln, Süd-Jütland, soweit man es bis jetzt erkennen kann, und über das halb von
Jütland eingefasste Fanö. Mit der Herrschaft des diftrischen Einflusses in Schleswig
ist auch die Verbreitung dieses Hauses in Schleswig 3ine begünstigte gewesen.
Schon Hr. Henning nahm für Nordschleswig, Jütland, Fünen und Seeland
gleichartige Bauart an. Die quadratische und hufeisenförmige Bauart der Höfe
Seelands stimmt mit der in Nordschleswig zu findenden.
2) Die Benennungen der Haustheile. Dieselben sind im Nordschleswigschen
annähernd rein dänisch, auf den schleswigschen Inseln, wie in Nordfnesland,
immerhin zum Theil dänisch. Schon Hr. Henning') wies auf den dänischen Ur-
sprung des Namens lohe (in Nordfriesland, Eiderstedt u. s. w.) für Tenne (veiigL
dänisch lohe, schwedisch loghe, finnisch liuwa) und auf die dänischen Beziehungen
des in Nordfriesland und Eiderstedt 0 für Stall üblichen Wortes boos (vgl. dänisch
baas*), altnord. bass) hin. Dem nordfriesischen, eiderstedter und dänischen „lohe^
entspricht nun auch auf Föhr-Amrum lohe, Tenne, dem dänischen baas, Stall, auf
1) Die deutschen Hanstypen 1886, 8. 9.
2) Boos fftr Stall findet sich auch in Dithmarschen.
d) Isl&ndisch Qös StaU (Maurer, Island S.486).
N.
J.M.»
(509)
Föhr-Ammm btissem, auf den Halligen bösem, nordfiies. festländisch bausem *)•
Snück, Resselbaken, auf Föhr entspricht dänisch nok, Haken*); slai Scheune auf
Föhr dänisch lade u. s. w.
3) Die Vergleichung der im Jahre 1802 von Propst Schade auf der Insel
Mors im Limijord aufgenommenen Bauchhäuser (s. Henning, Das deutsche Haus
Fig. 34 — 35). An ihnen erkennt man eine geringere Entwickelung der Wohnräume
(Zwei- statt Viertheilung) und die Heerdfeuerung vor der Wohnung im Flur. Der
Widerspruch gegen die Möglichkeit der Verlegung des flurständigen Heerdes in
diesem Hause in das Centrum der Wohnung (Verh. 1890, S. 71) wird von mir nicht
aufrecht erhalten. Nachgewiesen ist freilich diese Verlegung an diesem Hause
auch noch nichi Die von Hm. Henning aus dem angeler und pellwormer Hause
geschöpften Beweise (a. a. 0. S. 128) sind, der eine wegen seines über die Verhält-
nisse täuschenden Mischungscharakters, der andere wegen der Hm. Henning selbst
jetzt bekannten Omndverderbtheit des ganzen Planes*) nicht stichhaltig. Auch ist
noch nicht erwiesen, dass nicht doch von jeher, wie in diesem Schornsteinhaus,
so in dessen direktem unmittelbarem Vorgänger der freiloderade Heerd im Gentram
der Wohnung lag. Denn als skandinavische Entwickelung ist z. Th. nachweisbar
die, dass der am Giebel betretbaren einfachen Feuerhütte ein, nunmehr das Haus
nach der Fa^ade zu bloss öfifnender Flur vorgelegt wurde, welcher den ürraum
und ürheerdplatz in den hinter dem Flur gelegenen Raum verschob^). Aber auch
wenn der Einklang zwischen dem nordschleswigschen und den morser Bauchhäusern
hinsichtlich des Heerdplatzes noch nicht hergestellt ist, und auch die künftige
Einigung noch nicht in voller Gewissheit erscheint, so bestehen doch zwischen
diesem und jenen Häusem so viele Aehnlichkeiten, dass, sei selbst der Urgrund
im ungünstigsten Falle ein verschiedener gewesen, doch die Entwickelung dieser
und jener Häuser sich in vieler Hinsicht als eine identische erweist Sie harmo-
niren durchaus gegenüber dem sächsischen. Giebeleingänge fehlen in den morser
Häusem. Das Gleiche ist von Fanö und Barsö belegt (vgl. Fig. 6 — 8 oben). Die
Zuwege zum Hause sind an der Langseite. Auf eine frühere Grand-Zweitheilung
der Wohnräume im föhrer Haus führten mich auch schon meine vorjährigen Er-
örterungen. Dafür liesse sich manches Neue zur Bestätigung anführen. Wie im
föhrer Hause die Abtheilung des Pisels (Prankraums) der Abtheilung der Küche
und Wohstube folgt, so folgt im morser Rauchhause, bei Hrn. Henning Fig. 34,
dem Wohnraum der Staats- und Gastraum: vesterstue („Weststube"; auch auf Föhr
u. 8. w. liegt der Pisel meist im Westen). In der „vesterstue" zweigt (nördlich)
ein Vorrathsraum ab, gleichwie auf Sylt der Nebenraum des Hauptpisels „norder-
pisel", und gleichwie Vorräthe auch im föhrer Haus im Pisel verwahrt sind. Die
schmale, quer durch das Haus erstreckte Tenne, welche das nordschleswigsche
Haus zeigt, hat im Princip auch das morser Rauchhaus a. a. 0. Fig. 35 bei o.
In den übereinstimmenden Punkten der morser Rauchhäuser und des nord-
schleswigschen Hauses erkennt man Eigenthümlichkeiten, welche z. Th. nordischen
Hausbau überhaupt charakterisiren. Dahin gehört: das Vorwalten an der Lang-
1) Bende Bendsen a. a. 0. 8. 408.
2) nordfries. killsDaack (Bendsen a.a. 0.).
3) Henning, Die deutschen Haustjpen S. 6. Das correcte Original des „pellwormer*'
Planes findet sich bei Graf E. Reventlow-Farve und H. v. Warnstedt.
4) Troels Lund, Das t&gliche Leben in Skandinavien 1882, 12; man vergl. auch
Mandelgren a. a. 0., Tafeln der Hefte I~U.
(510)
Seite des Hauses befindlicher Eingänge, das herrschende Princip der Qaerabthei-
langen im Hause. Es lässt sich aus Mandelgren^s Atlas und anderen Quellen
leicht constatiren, dass auch im südlichen Schweden und Norwegen Bauformen
üblich sind, welche mit dem (obrer und nordschleswigschen Hause grosse Aehnlich-
keit in den Hauptpunkten haben. Unter solchen Umständen kann darüber kein
Zweifel walten, dass in den charakteristischen Eigenthümlichkeiten des nord-
schleswigschen und südjütländischen Hauses Merkmale des Hausbaus zu erblicken
sind, welche über grosse Gebiete der südlichen skandinavischen Region herrschen
müssen, selbst nordisch sind, und durch nordischen, dänisch-skandinavischen Ein-
fluss im südlichen Jütland und Schleswig zur Greltung gelangten.
Nun kennt Nordfriesland (um von den, südlich von Husum gelegenen extremen
Theilen hier abzusehen) nur Einrichtungen, welche entweder dem föhrer Typus
gleichen (man vergleiche oben die Notiz über Drellsdorf), oder — neben einer der
föhrer gleichenden Wohnung — in Querfächem nach dänischer Weise unter-
gebrachte Wirthschaftsräume zeigen. Das in Nordfriesland herrschende Haus hat
also nicht die geringste wesentliche Aehnlichkeit mit den immer noch sächsische
Merkmale zeigenden Plänen Hrn. Jahn' s aus Osten feld. Das ostenfelder Haus als
„das nordfriesische*' hinzustellen ist also ein Widerspruch zu den Thatsachen.
Auch „ältestes^ nordfriesisches Haus ist das Haus des 18. Jahrhunderts nicht.
Denn es ist eben nur Uebergangs-, Mischform, zeitlich vorübergehende Form,
und in Ostenfeld sind in älterer sächsischer Form Häuser vorhanden.
Das Haus Nordfrieslands, wie es jetzt ist, ist als ein dänisches mit Recht be-
zeichnet worden. Aus dem Erörterten lässt sich die Richtigkeit dieser Benennung
ableiten. Hr. Jahn hat allerdings geäussert, die Niebüller bauten nach derselben
Art wie die Ostenfelder (S. 552), — ein Beweis ist nicht vorgelegt; von Niebüll
aus aber wird in bestimmter Weise zur Zeit bestritten, dass dort eine andere, als
die sonst in Nordfriesland allgemeine, dänische, nicht sächsische Bauart vor-
komme.
Nach allem Vorausgehenden erkennt man Folgendes:
Der Beweis der Herkunft der föhrer Bauart aus der sächsischen ist nicht er-
bracht, im Gogentheil erweist sie sich als eng verwandt mit der nordschleswig-
schen, deren Selbständigkeit der sächsischen Bauart gegenüber Hr. Jahn gewähren
Hess (S. 533).
Das nordfriesische Haus ist zur Zeit nicht das ostenfelder oder sonst ein säch-
sisches, sondern ein mit der föhrer oder anderen direkten Ableitungen aus der
dänischen Bauform stimmendes.
Gewisse Uebereinstimmungen zwischen dem föhrer Typus und der jüngsten
ostenfelder Bauart sind ja nicht zu verkennen. Sie liegen aber auf Seiten der
nicht sächsischen Elemente dieser, einem fremden Typus angeähnelten Bauforra,
nicht auf Seiten der, dem gemeinen sächsischen Hause eigen thümlichen Elemente.
Es ergiebt sich, dass die ganze Aehnlichkeit nur dadurch entstand, dass das säch-
sische Haus einem Typus augeähnelt wurde, als dessen Vertreter in dieser Hin-
sicht das föhrer Haus sich geltend macht. —
Nun hat sich also erwiesen, dass das älteste ostenfelder Haus keine „Modifi-
cation" des niedersächsischen Hauses in dem Grade war, wie das Haus nach
Hrn. Jahn \s Fig. 1 (S. 531). Wäre Ostenfeld maassgebend für das, was in Nord-
friesland ehedem als Bauerhans erstand, so müsste das älteste nordfriesische
Haus sogar noch reiner sächsisch gewesen sein, als es aus Hrn. Jahn^s Aus-
führung als Nothwendigkeit hervorgehen würde. Es fragt sich nur, ob man denn
(511)
auf die in Ostenfeld zur Zeit vorhandenen Verhältnisse in dieser Weise so ausser-
ordentlich viel geben soll. Und das scheint sich nicht zu empfehlen, obwohl Hr.
Jahn in Osten feld* gern einen „unverfälscht friesischen Gau" sieht. Denn obwohl
die von 8—9 Frauen nur noch in Ostenfeld getragene bunte Tracht altfriesisch ist,
so mischen sich doch sächsische und friesische Verhältnisse im ostenfelder Kirch-
spiel derartig, dass man aus der alten Ueblichkeit einer sächsischen Hausform im
Ostenfelder Kirchspiel jedenfalls nicht unmittelbar die frühere Ueblichkeit derselben
sächsischen Hausform auch durch das ganze übrige Nordfriesland wird ableiten
dürfen.
Die friesische Sprache ist in Ostenfeld seit lange verloren; es ist mir unbekannt,
seit wann, auch unbekannt, ob es sich aus irgend welchen Quellen noch erweisen
lässt, dass und wann sie in Ostenfeld herrschte. Man spricht in Ostenfeld das
sächsische Platt Die Sprache ist, wie mir Hr. Voss mittheilt, in Ostenfeld „ganz
mittelholsteinisch niedersächsisch^. Die Ortsnamen Ostenfeld und Wittbeck sind
sächsischer Abkunft; wie es sich mit den beiden anderen Ortsnamen des Kirch-
spiels, Windert und Rott, verhält, ist mir unbekannt, doch scheinen sie nicht nord-
friesisch. Die Flurnamen sind theils sächsisch, theils dänisch u. s. w. (nach inter-
essanter ausführlicher Mittheilung von Hrn. Voss). Die männlichen Personen-
namen sind vielleicht insgesammt sächsisch; der häufigste in Ostenfeld ist: Harm;
unter den weiblichen Personennamen scheinen Maika und Metta friesisch, andere
Belege weiblicher Personennamen friesischer Abkunft sind unbekannt (Mittheilungen
von Hrn. Voss).
Sehr erklärlich ist es, dass das Ostenfelder Kirchspiel keine rein friesischen
Verhältnisse darbietet. An der südöstlichen Grenze Nordfrieslands gelegen, nur
durch die Treene von sächsischen Nachbarn geschieden, welche, gegen Norden
durch das alte Danewerk geschützt, nach Süden ununterbrochen in die nahegesesse-
nen holsteiner Sachsen übergingen, musste es gewiss in allen Jahrhunderten starke
sächsische nachbarliche Einwirkungen erfahren. —
Allein wenn auch Ostenfelds Verhältnisse im Zweifel über ursprünglich säch-
sisch oder anders geartete Verhältnisse der Nordfriesen nicht mehr den Ausschlag
geben, und demnach auch aus sächsischer Bauweise der Ostenfelder nicht un-
mittelbar hervorgeht, dass die Nordfriesen ehedem ihre Häuser nach sächsi-
scher Form errichteten, so sei doch Hrn. Jahn gern die Möglichkeit des Vor-
bestandes der sächsischen Bauform vor der jetzt herrschenden fremden, allem An-
schein nach allmählich früher importirten zugegeben. Nur fehlt es auf dem Boden
Nordfrieslands zur Zeit noch an ausgiebigen Beweisen dafür. In der moringer
und hattstedter Mundart bezeichnet hetstin („Heerdstein") den Heerd '). Man könnte
darin eine Hindeutung auf die im sächsischen Hause bisweilen durch einen einzelnen
Stein gebildete Heerdeinrichtung sehen. In der bredstedter Gegend stehen in man-
chen Dörfern einzelne Häuser etwas auffällig mit den Giebeln nach den Wegen zu
gerichtet. Darin könnte gleichfalls ein Anzeichen für die frühere Gepflogenheit
des sächsischen Hausbaus in der Gegend, da das sächsische Haus diese Stellung
einzunehmen pflegt, gesehen werden-. Freilich bestreiten die Einwohner der Orie,
und im Lande auch sonst Erfahrene, bis jetzt die Berechtigung der Beziehung auf
den sächsischen Hausbau. Nach ihrer Erklärung hätten diese Häuser ihre von der
gewöhnlichen abweichende Richtung durch die Rücksichtnahme auf die in diesen
1) Bende Bendsen, Die nordfries. Sprache nach der moringer Mundart ISCO, 408:
Th. Siebs, Zur Gesch. der engl.-fries. Sprache 1889, I. 122.
(512)
Rüstengegenden dem Hause gefährlichen Winde 0- Demnach wird es weiteren
Untersuchungen zu überlassen sein, festzustellen, welche der beiden möglichen
Auffassungen bei diesem Punkte im Becht ist^). —
Im vorigen Jahre suchte ich den Nachweis zu führen (S. 71 fg.), dass die-
jenigen Elemente von Friesen bewohnter Häuser der westdeutschen Nordseekttsten,
welche man früher, obwohl bestritten, als von der sächsischen abweichend, einer
existirenden eigenthümlichen friesischen Bauart zugeschrieben hatte, wirklich einer
besonderen Bauart einzuordnen seien, auf dieser beruhen, und nicht durch blosse
Variation der sächsischen Bauart entstanden sein können. G^enwärtig, wo man
über das fohringer Haus, dessen Entwickelungsstufen und seine dänische Herkunft
£rehr viel klarer sehen kann, lassen sich auch die Auffassungen über Wesen, Um-
fang und geographische Ausbreitung dieser abweichenden Bauart immerhin schon
sehr viel klarer gestalten.
Das älteste thatsächliche, den ungefähren Jahren nach bekannte und in dieser
Hinsicht zugleich besonders alterthümliche Haus ist das altostlriesische Hans,
welches Cadovius Müller um 1730, also wahrscheinlich als ein Haus des 16.
oder 17. Jahrhunderts aufnahm (reproducirt bei Henning, Das deutsche Haus
S. 42, Fig. 24). Dasselbe ist dadurch beachtenswerth, dass es in der Einrichtung
der Wirthschaft, — von der, in dem Plane der Lage nach nicht bekannten Tenne
abgesehen, — selbst alterthümlicher dänisch ist, als das alte nordschleswigsche
Haus des Hm. Madsen. Es zeigt dem Stall gegenüber Heu- und Kornspeicher.
Hier liegt also im Speicher auch noch das Korn, welches im nordschleswigschen
Hause des Hm. Madsen schon auf den Boden übertragen ist, in seiner früheren
Unterbringung zu ebener Erde aber noch rückerschliessbar erschien.
Jetzt wissen wir, dass auch die Querlage der Tenne in dem, dem fbhrer voraus-
gehenden Hause das Uebliche war. Das Vorkommen dieser unsächsischen Tennen-
lage im friesischen Hause der Wesermarschen gewinnt dadurch an Enteresse. Wir
haben sie sowohl durch Hm. Allmers (Marschenbuch 1859, S. 339) aus demBut-
jahdinger und Stedinger Lande, wie durch Las ins (Das friesische Bauerhaus 1885,
S. 9, Fig. 3) aus dem Jeverlande bezeugt.
Als dänischen Ausdmck für Speicher habe ich Oulv und Oolf erschlossen.
Oulv heisst auch norwegisch und schwedisch*) Speicher. In den Wesermarschen,
dem Butjahdinger und Stedinger Land, femer in Ostfriesland heisst der, der Anlage
des sächsischen Hauses als mittlerer Wirthschaftseinbau widerstrebende Speicher
der Vierkant, „Qulf" oder „Golf". Nun war althochdeutsch, wie altnordisch, Golf
ein Wort in der Bedeutung Raum, Zinmier*); das heutige deutsche „wölben* ist
1) Mit Rücksicht auf Wind und Wetter ist die bevorsugte Stellung der Uluser die
von West nach Ost, so dass am Westende die Wohnung, am Ostende die Wirthschaft, der
Haupteingang im Süden ist. Freilich sind Ausnahmen sahireich.
2) Die Möglichkeit ursprünglich sächsischer Bauart aller Friesen ist luxugeben, obtwar
bindende Beweise dafür meines Erachtens noch anderswoher, als bei den enclavisch
zwischen Sachsen in Holstein und an der Elbe .wohnenden friesischen Abtheilnngen ge-
sacht worden sollten. Die Bauart Ostfrieslands ist noch ungenügend untersucht. Beob-
achter, wie Ss. (in der Weserzeitong vom 18. Januar 1885), stellen sie bestimmt der ge-
wöhnlichen sächsischen (auch im Saterland vertretenen) gegenüber. Nicht untersucht ist die
Bauart der 300000 Friesen des holländischen Königreichs, des Näheren so gut wie an-
bekannt die Einrichtung des noch auf der Insel Marken in der Zujder See in tahlreichen
Exemplaren vertretenen Rauchhauses.
8) Oehrlander und Leffler, Tetraglott-Lexicon 1852, 181.
4) Schade, Althochd. Glossar. 1872—82, LBand.
(513)
damit yerwandi Dieses Wort Oolf ist nach dem Althochdeutschen im speciell
deutschen Sprachgebiet vollständig erloschen. Im ganzen Norden hat es sich er-
halten, isländisch heisst es sogar noch Raum, bisweilen Zimmer. „Framgulv"
stammt davon ab. Sonst bedeutet „Gulv^ oft: Pflaster oder Fussboden, dänisch,
schwedisch und norwegisch aber auch Speicher. Diese Bedeutung ist aus der Be-
deutung Zimmer oder Fussboden entwickelt. Sie ist specifisch nordisch, sie ist
deutsch schon deswegen nicht möglich, weil hier das Wort längst erloschen ist.
Eine von friesischen Lexikonschreibem versuchte Ableitung des friesischen „golf^
aus griechischem xo\noq^ Busen, mittelalterlich golfe, Meerbusen, ist verkehrt 0* Es
bleibt nur die Ableitung durch üebertragung des Wortes und Begriffes aus den skan-
dinavischen Sprachen. Schon das Wort ist also ein sprechender Beweis dänischen
Einflusses, um so mehr der damit der Begel nach ausgedrückte Vierkant. Der
Vierkant kommt auch bei Papenburg (Gegend vom Burtanger Moor) im deutschen
Binnenlande vor*). Golf findet sich auch in Westfriesland als Golle (Stüremberg
a. a. 0.), im Saterlande als Golf (an letztem Orte vielleicht jünger)*). Der dänische
Einfluss ist sonach theils im Wort Golf, theils im Vierkant an sich, von der Zuyder
See etwa bis Eiderstedt, und selbst, wie von Papenburg, aus dem Binnenlande im
Hausbau nachweisbar. Den ganzen Umfang des dänischen Hausbaus sowohl ex-
tensiv als intensiv in diesem Verbreitungsgebiet zu bestimmen, wird eine nicht un-
interessante Aufgabe künftig bilden.
Der dänische Einfluss kann auch nicht jung sein. Die grosse Ausbreitung von
„Golf" als Wort und Vierkant an den von Friesen bewohnten Rüsten und z. Th.
im Inlande scheinen dafür zu sprechen. Die länger als die Eiderstedter, in
Schleswig ansässigen Friesen haben die ostfriesische Form des Vierkants nicht, wenn
auch das Wort Vierkant, jedoch die Eiderstedter. Eiderstedt wurde anscheinend
von Durstede in Holland aus im 9. Jahrhundert besiedelt. Der Schluss wäre nicht
ganz gerechtfertigt, dass der Vierkant damals schon mit übertragen wurde. Er kann
später, wie manche Hauseinrichtung sonst, von Jütland nach der Weser nach-
gewandert sein. Immerhin muss man sicher annehmen, dass schon in der Zeit der
Banchhäuser das dänische Haus nach den westdeutschen Rüsten ausgebreitet
worden ist. Das würde nur eine Verbreitung des dänischen Hauses nach diesen
Rüsten vor etwa 3 — 400 Jahren bedingen. Auf diesen Znstand des Hauses bei der
Oebersiedelung lassen die durchgehenden Querabtheilungen von Wohnräumen, wie
sie von Spiekeroog und von dem älteren friesischen Hause aus den Rechtsquellen
durch Hm. Henning (a. a. 0. 1882, S. 134) bestätigt sind, schliessen. Denn die
Querabtheilungen wurden in je zwei Räume zerlegt, als an Stelle von Bänken und
Betten seitliche Durchbrechungen von Fenstern erfolgten, und dadurch die Räume
ungewollt breit wurden. Die Einführung der Fenster aber fiel ungefähr mit dem
Ersatz der Licht gebenden Rauchlöcher — und der freilodemden Heerde im Hause
durch schornsteinartige Einrichtungen — zusammen. Die quer durchgehenden
Wohnräume repräsentiren also in der grossen allgemeinen Entwickelung etwa den
Zustand der Wohneinrichtung aus der Zeit der Rauchhäuser. Jedoch ist dieser
Schluss immer noch nicht so gut, als der aus der grossen Verbreitung dänischer
Hauseinrichtungen in dem südlichen Nordseeküstengebiet, um zu beweisen, dass
1) Ten Doornkaat Koolman, Wörterb. d. ostfiries. Sprache 1879, I. 706; Dirk
Heinrich Stüremberg, Ostfries. Wörterbuch 1857, 78.
2) ö. V. Bezold, Allg. Bauzeitung v. Köstlin 1881, XLVL 78, Taf. H.
8) Weserzeitong, 18. Januar 1885. \
Vtrlundl. d«r B«rl. Aothropol. 0«t«Uaehafl 1891. 33
(514)
das dänische Haus in früherer Ranchhauszeit schon im südlichen Nordseeküsten-
gebiete Wurzel gefasst haben muss.
In der englischen Grafschaft Norfolk, welche in England am meisten gegen
Dänemark vorragt und Rüstengebiet ist, ist gulph, ebenso goafstead, go-stead
als mit Getreide gefülltes Scheunenfach nachweisbar'). „Stead^ erinnert genau an
„stede", wie es z. B. in dänisch amestede, Heerd, vorliegt. Da der nämliche
Ausdruck gulph anscheinend aus anderen englischen Dialecten nicht nachweisbar
ist, so haben die Angelsachsen den Speicher „GolP sicher nicht mit nach England
genommen. Wenn man darnach auch darüber im unklaren bleibt, welche Haus-
form die einwandernden Angelsachsen selbst mit nach England gebracht haben
(die ursprünglichen bäuerlichen Bauweisen Englands sind noch nicht näher er-
forscht), so erfährt man doch daraus, dass der Golf in späterer Zeit nach England
gelangt ist, wie manche dänische Neuerung am dänischen Hause der Wesermarschen
auch in jüngerer Zeit noch vom dänischen Volksgebiete aus eingeführt wurde. Die
Zeit des dänischen, beziehungsweise des normannischen Einflusses (vermittelt be-
sonders durch üeberfälle) in England wird von kundigen Forschem eingeschränkt
zwischen die Jahre 787 und 1150^). In dieser Zeit muss darnach der dänische
golf Eingang gefunden haben. Welche Form dieser dänische Kornspeicher damals
hatte, ob die des ostfriesischen Vierkants oder eine andere, bleibt darnach freilich
auch noch unaufgeklärt. Auf Einwirkungen des dänischen Hauses in Nordengland
scheint auch nordenglisch boose, Stall, zu deuten').
Befremdlich musste Mitteldeutschen die lange, ganz schmale Tenne des däni-
schen Hauses erscheinen. Vielleicht giebt eine, auch in Norfolk im vorigen Jahr-
hundert geübte, von Marsh aiP) bestätigte Weise, das Getreide zu reinigen, dafür
eine Erklärung. Man schaufelte das Getreide von einem Ehide der Tenne zun
anderen, und suchte deshalb diese möglichst lang zu gestalten.
Wir gelangen also zu Einflüssen dänischen Hausbaues über Schleswig, ein-
schliesslich Eiderstedt nebst Inseln und Halligen, über die Rtistengebiete von der
Weser etwa bis zur Zuyder See, und selbst über einen Theil der englischen Küste.
Man nimmt an, dass die friesischen Wanderungen von Westen nach Osten,
von Süden nach Norden fortschritten. Das bei den Friesen weit verbreitete Hans
zog in entgegengesetzter Richtung. Es folgte auch nicht den Küsten, sondern zog
über das Meer, denn es fehlte bis in die neuere Zeit von der Eider bis zur Weser.
Es folgte auch nicht bloss geographischen Bezirken, sondern Wohnsitzen von
Stämmen; die Sachsen Holsteins und des Gebietes zwischen Elbe und Weser mied
es, verbreitete sich dagegen vielleicht hinein bis Holland. Es ist auch nicht mit
einem Mal übergesetzt, um dann die Verbindung zu unterbrechen. Denn durch
längere Perioden hat es die Verbindung forterhalten. Man findet die alte Zwei-
theilung der Wohnung (auf Spiekeroog und nach altfriesischen Bechtsquellen), da-
neben die schleswig-jütische neuere Viertheilung mit Lage der Küche diagonal
gegenüber dem Pisel; man findet die alte Querlage der Tenne vertreten, und da-
neben auch die neuere Längslage. Aus den fortschreitenden Parallelentwickelungen
des dänischen Hauses an den westdeutschen Küsten und des Hauses in Schleswig ist
um so weniger der Schluss zu ziehen, dass das dänische Haus der westdeutschen
Küsten erst in jüngerer historischer Zeit aus dem Norden übertragen sein möge.
1) Francis Qrose, Provincirf Gloss&ry 1790.
2) R. Porby, Vocabulary of East Anglia 1880, I. 32.
8) Francis Grose, 1. c.
4) Homphrj MarshalTs Beschreibung der Landwirthschaft in der Grafsch. Norfolk.
Aus dem Englischen durch Graf v. Podewils. 1797, L 185, 296.
(515)
Vielleicht darf man aus der Beobachtung dieser fortgesetzten Parallelentwicke-
langen die Yermathong eines geographischen Gesetzes ableiten, wonach yielleicht
von jeher Gnltarznstände der jütischen Halbinsel nnd der westlichen deutschen
Küsten sich auszugleichen bestrebt gewesen sind. —
(20) Hr. C. P. Lehmann erstattet einen vorläufigen Bericht über
metrologische Studien im British Museum.
Gegen Ende meines Vortrages „über altbabylonisches Maass und Gewicht und
deren "Wanderung" (Verh. 1889. S. 326) habe ich als eine wichtige Aufgabe der
Metrologie die Sammlung des gesammten vorhandenen Materials an antiken Ge-
wichten und ihre Vereinigung in einem Corpus ponderum antiquorum bezeichnet.
Die Aufgabe erschien mir ausführbar, weil sich das, allerdings in den verschie-
denen Museen verstreute Material als nicht allzu umfassend darstellte, — eine etwas
sanguinische Auffassung, wie die weiteren Untersuchungen und die Fortsetzung der
Ausgrabungen im Orient gezeigt haben. Sie erschien mir wichtig, weil sie nicht
aUein die Uebersicht und die Erkenntniss der Theilgrössen des babylonischen
Systems erleichtem, sondern auch, da die Alten ihre Gewichte vielfach mit Bildern
und Inschriften zu versehen liebten, die dann naturgemäss mit den auf den Münzen
gleicher Provenienz erscheinenden vielfach identisch sind, einen Beitrag zur antiken
Kunstgeschichte und Epigraphik liefern und eine nicht zu unterschätzende Ergän-
zung zu jedem Corpus nummorum bilden muss.
Ohne dass ich es wusste, war diese Aufgabe von berufener anderer Seite nicht
bloss in Aussicht, sondern in AngrifT genommen, — der beste Beweis für ein in
dieser Richtung vorhandenes Bedürfiiiss.
Die Sammlung der erhaltenen antiken Gewichte, zunächst auf dem Gebiete
des classischen Alterthums, ist in rüstigem Fortgang begriffen, und wenn von
einer Bewältigung der gesammten Aufgabe auch im besten FaUe erst nach Jahren
die Bede wtirde sein können, so wurde doch gemeinsames Hinarbeiten nach dem-
selben Ziel verabredet, um eine Vereinigung der aus dem orientalischen und aus
dem classischen Alterthum erhaltenen Gewichte vorzubereiten. Als ich daher im
October 1890 mit Unterstützung der Averhoff-Stiftung in Hambui^ eine Reise
nach London zwecks inschriftlicher Studien im British Museum antrat, hegte ich den
Wunsch, den Aufenthalt etwas länger auszudehnen, um neben den mich angehenden
Inschriften*) auch den Gewichten des Department of Egyptian and Assyrian Anti-
quities im British Museum einige Aufmerksamkeit zuwenden zu können. Die Mittel
dazu wurden mir mit liebenswürdiger Bereitwilligkeit aus derKudolf Virchow-
Stiftung gewährt und ich freue mich der Gelegenheit, deren Vertreter, unserem ver-
ehrten Hm. Vorsitzenden, an dieser Stelle öffentlich meinen aufrichtigen Dank aus-
sprechen zu können. Das vorhandene reichliche Material zu erschöpfen, ist mir in
der beschränkten Zeit nicht gelungen. Und da ich somit doch von vornherein auf
Vollständigkeit verzichten muss, so gebe ich einen provisorischen Bericht, indem
ich nur das Wichtige von dem hervorhebe, was ich zu beobachten und zu unter-
suchen Gelegenheit hatte.
Andererseits möchte ich eine Erweiterung des Berichtes eintreten lassen:
1) 8. mein demnächst erscheinendes Buch: „SamaSSumnkin König von Babylonien*
Tat XLU— XLVn und Theü H. 72 IL
88*
(516)
Während ich in den Jahren 1887 und 1888 mit der Inventarisining und Katalogi-
sining der vorderasiatischen Alterthümer der ä^^tischen Abtheilung der könig-
lichen Museen beschäftigt war, habe ich mehrfach Gelegenheit zu metrologischen
Untersuchungen gehabt, deren Ergebnisse grossentheils noch unveröffentlicht sind.
Da das Material naturgemäss vielfach mit dem in London gewonnenen Ver-
wandtschaft und nahe Berührung z^igt, so möchte ich die Gelegenheit benutzen,
einiges Wichtigere auch aus den Berliner Sammlungen beizubringen. Der Verwal-
tung der ägytischen Abtheilung und der Qeneralverwaltung der königlichen
Museen spreche ich hiermit meinen verbindlichen Dank aus für die auf meinen
Wunsch angeordnete Anfertigung und gütige Ueberweisung einer Anzahl von Ab-
güssen und Abdrücken zum Zwecke der Reproduction an dieser Stelle.
A. Gewichte mit Legenden und Nominalbezeichnnng.
L Den Kern des Bestandes an assyrischen Gewichten hilden die Bronze-
gewichte in Gestalt von liegenden Löwen, welche Layard') in Nimrud auf der
Stätte des alten Niniveh fand. Dieselben sind im Ganzen wohlerhalten und, was
die Gewichtsbestimmung anlangt, mehrfach untersucht, worüber alles Nähere bei
Brandis und Hultsch') zu finden ist. Die genaueste Wägung ist jedenfalls die,
welche im ,,Ninth Annual Report of the Warden of the Standards^ in den Parlia-
mentary Papers von Ghisholm gegeben ist, den ich wohl schwerlich anders als
im British Museum zu Gesicht bekommen hätte. Sie bewegen sich zwischen
15 Minen und 3 Schekel (?), sind sämmtlich königliche Gewichte und scheinen
demjenigen System anzugehören, das ich sehr provisorisch als reducirte Form der
erhöhten (königlichen) Norm bezeichnet habe (Verh. 1889. S. 278 ff., 284). Sie
tragen assyrische Inschriften und daneben zumeist Inschriften in aramäischer
Schrift und Sprache; ausserdem wird das Nominal vielfach noch durch eine An-
zahl Striche bezeichnet. Die aramänischen Inschriften, die noch jetzt wohl er-
halten sind, haben mehrfach eine eingehende Behandlung erfahren'). Die Hoff-
nung, dass erneutes Studium der keilinschriftlichen Legenden bei dem jetzigen vor-
gerückten Stande der Keilschriftforschung bessere, als die bisher erreichten Ergeb-
nisse, erzielen werde, dürfte sich schwerlich verwirklichen, auch bei eingehenderer
Prüfung, als ich sie diesen Monumenten angedeihen lassen konnte. Die Keil-
inschriften standen zumeist auf den Rücken der Löwen, dem am meisten exponirten
Theile, und sind meist abgebröckelt oder durch Rost und andere Einflüsse unleser-
lich geworden und zerstört. —
Die Löwenform hat sich für Gewichte und Münzen weit über die Grenzen
Assyriens verbreitet: wir erinnern an das bekannte Löwengewicht von Abydos*),
an die ältesten lydischen Münzen, die das Vordertheil eines Löwen als Prägebild
aufweisen. Auch das feststehende Gewicht an der aus Ghiusi stammenden Schnell-
waage ^) des Berliner Museums ist wahrscheinlich als Vordertheil eines Löwen
anzusprechen.
II. Die babylonischen Gewichte zeigen zumeist die Gestalt von Schwimm-
1) Layard, Discoveries in the mins of Niniveh and Babylon 1858. p. 601.
2) Brandis, Das Münz-, Maass- und Gewichtswesen in Vorderasien bis auf Alexander
den Grossen 8. 44 ff. Hultsch, Griechische und römische Metrologie § 42, 10 8. 396 ff.
3) Brandis S. 44 und die dort Citirten. — CIS, Pars II Tomas I Tabula L
4) Siehe vor der Hand Brandis S. 66 und Anm. 2.
ö) Verh. d. Archftol. Ges. 1889, Juli, November, 1891, Juni. Diese YerhandlangeB 1880,
Näheres denm&chst im Hermes.
(517)
Tögeln mit zurückgewandtem Halse, den Kopf auf den Bücken gelegt. Sie, wie
es regelmässig geschieht, durchgehends als Enten zu bezeichnen, ist, wie es sich
unten (S. 521) zeigen wird, irrig. Zu dem bei Brandis (S. 46 ff.) zusammen-
gestellten Material sind mehrere neue Stücke hinzugekommen. Ich hebe hervor:
1) Ein grosses Gewicht aus Alabaster mit zweizeiliger aramäischer Inschrift,
die im Corpus Inscriptionum Semiticarum (CIS) U. No. 53 veröffentlicht ist.
Es ist auf dem Birs-Nimrud, der Stätte des alten Borsippa, nahe bei Babylon ge-
funden worden und am 12. November 1880 ins British Museum verbracht worden,
daher die Bezeichnung 80. 11 — 12. Die folgenden Angaben über die aramäische
Inschrift und deren Interpretation beruhen auf Mittheil ungen, die Hr. Th. Nöldeke
mir auf meine Anfrage liebenswürdiger Weise hat zukommen lassen.
Die Abbildung im CIS ist „leidlich gut", so dass eine erneute Publication
nicht nöthig ist. Hr. Nöldeke liest:
noStr
Das erste ^ ist absolut sicher, aber das folgende Zeichen ist nach Herrn
Nöldeke's und Hm. Euting's übereinstimmender Ansicht kein Buchstabe. Hr.
Nöldeke vermuthet darin das Zahlzeichen für 10, das in aramäischen Inschriften
in ähnlicher Form vorkommt. „Für TlhpD'Cy wie auch Andere gelesen haben, will
das CIS nSpn „Feld" lesen, aber das giebt keinen Sinn für ein Gewicht. Das Ö zu
Anfang dieses Wortes ist nicht so gut gerathen, wie das erste und nahe an das f) ge-
rückt, aber ich halte die Lesung doch für sicher." — Nun folgt auf das Zeichen,
welches als Zahlzeichen für 10 angesprochen ist, eine abgeriebene Stelle, in welcher
Spuren eines zweiten Zeichens mit einiger Wahrscheinlichkeit erkennbar sind.
„Dass zwei Zahlzeichen für 10 hinter einander ständen, ist unwahrscheinlich, da
20 eine eigene Ziffer hat. Ob das erste Zahlzeichen wirklich 10 und ob in der
folgenden beschädigten Stelle noch eine zweite Ziffer steckte, wird wohl die Sache
selbst ergeben." „Wenn es 12 wäre, wäre es wohl am Natürlichsten." — Man
sieht, die Entscheidung über die inschriftlichen Schwierigkeiten hängen von dem
metrologischen Befunde ab.
Bevor wir über diesen berichten, ein Wort über die Deutung der beiden epi-
graphisch klaren Worte der Legende: Hr. Nöldeke liest HpStf^ H^^fjriO ""Ö and
übersetzt „ein vollständiges mathqäl". Damach wäre mathqal „Gewicht" der
Name einer Gewichtsgrösse, deren Bestimmung von der auf is folgenden Zahl ab-
hinge. Ich möchte lieber die Inschrift übersetzen:
X M(inen) vollständiges Gewicht
und in den Worten mathqaläh salmäh das Aequivalent des auf babylonischen
Gewichten sehr häufig für die richtige Justirung gebrauchten Ausdmckes (sumerisch)
gina (Ideogramm für babylonisch -assyrisch kinu, „richtig, gesetzmässig") er-
kennen. —
Es fragt sich nun, wieviel Minen wiegt das Gewicht? Leider ist dasselbe ver-
stümmelt, da der Kopf der Ente (?) weggebrochen ist. Die Wägung selbst aus-
zuführen, war mir seiner Zeit nicht möglich, da das Monument für die mir zu
Gebote stehenden Waagen zu schwer war. Nach gütiger Mittheilung des Herrn
E. A. Wallis Budge, der die Wägung nachträglich für mich hat vornehmen lassen,
ist dasselbe „14 pounds 4 ounces** (Troy) schwer = 5349,89 g.
Man sieht nun sogleich, dass das Gewicht mehr als 10 Minen betragen haben
muss, denn die schwerste Form der leichten Gewichtsmine, — und nur um solche
(518)
kann es sich nach den sämmtlichen bisher in Babylonien and Assyrien ge^indenen
grösseren Gewichtsstücken handeln, — also der (leichten) Gewichtsmine königlicher
Norm beträgt 517,6 g (Verh. 1889. S. 283). Aus dem vorliegenden Stück würde sich
bei Annahme der 10 trotz seiner Verstümmelnng eine leichte Gewichtsmine von
534 g berechnen. Zwanzig Minen sind ebenfalls ausgeschlossen, da dabei für die
Mine ein viel zu geringer Werth herauskommen würde. Bleibt also die Yon
Nöldeke yorgeschlagene 12, die um so begreiflicher wäre, als wir es dann mit
einem Fünftel Gewichtstalent zu thun hätten.
Berechnet man den Gewichtsverlust, für den leider eine Schätzung fehlt, auf
7,0 des vorhandenen Volumens, was mir schon ziemlich hoch gegrifiTen erscheint,
so wäre das ursprüngliche Gewicht auf 5883 g zu setzen, und auf die Mine käme
bei Annahme der 12: *"*/i8 =490,25^; das wäre die Gewichtsmine gemeiner
Norm (491,2 g). Der Verlust kann ja aber geringer gewesen sein, so dass das Ge-
wicht hinter der Norm zurückblieb; es kann grösser gewesen sein, so dass auf eine
Form der erhöhten Norm zu schliessen wäre.
Es ist bedauerlich, dass die Frage bei den jetzt vorhandenen Daten unent-
schieden bleiben muss. Denn da das Gewicht keinen Rönigsnamen trägt, so hätte
man von demselben einen sicheren Beleg für das Bestehen der gemeinen Norm in
verhältnissmässig später Zeit (s. die aramäische Inschrift I) erwarten können, und
damit wäre die Verwendung der gemeinen Norm nach Einführung und neben der
königlichen Norm in Babylonien erwiesen worden, während dieses Nebeneinander-
bestehen bis jetzt nur mit grösserer oder geringerer Wahrscheinlichkeit angenommen
werden kann (vgl. Verhandl. 1889. S. 274 und S. 643). Die gemeine Norm ist ja
bisher nur an den uralten steinernen Normalgewichten und den der Zeit nach
schwer bestimmbaren kleinen „Enten aus Eisen" mit Sicherheit nachgewiesen. Wohl-
gemerkt ist hier nur vom eigentlichen Zweistromland die Rede.
2) Ein Gewicht in Enten (?) -Form aus Basalt, Signatur 76.11—17, 144, trägt
eine Reilinschrift, deren erste Zeile lautet
10 siklu*) gi-na = „Zehn Schekel richtig".
Das Gewicht beträgt 101,48 g. Bekanntlich war die Gewichtsmine in 60 Schekel
eingetheilt, während die Gold- und Silbermine aus 50 dieser Einheiten bestand *),
Zehn Gtewichtsschekel müsstcn daher ein Sechstel Gewichtsmine bilden. Nach
dem Gewicht des vorliegenden Stückes würde das für die Mine auf 6 X 101,48 g
608,88 g führen, einen Betrag, der keiner der im Zweistromland gültigen, als Mine
bezeichneten Einheiten nur entfernt nahekommt. Als Fünftelmine betrachtet, ftlhrt
dagegen das Stück auf eine Mine von 507,38 g. Die leichte Gewichtsmine er-
höhter Norm la beträgt 510, die erhöht-reducirte Norm (2) 505 g. Zwischen
beiden steht dieses Stück. Dasselbe liefert somit den handgreiflichen Beweis,
dass in Babylonien auch eine Eintheilung der Gewichtsmine in 50 Schekel in Ge-
brauch war.
Die Inschrift zeigt eine Mischung des cursiven und des archaischen Babylo-
nisch. Die Zeile, die den Rönigsnamen enthielt, war leider für mich unleserlich,
so dass auf eine nähere Zeitbestimmung verzichtet werden muss.
1) Dass das Zeichen TU = $ikla kq lesen sei, hat man bisher nur vermuthet (assyrisch
Sak&la w&gen, hebr. 7pt2^ wägen, griech. aCyloi), Die Lesung ist neuerdings, wie mir
Hr. Strassmaier in London mittheilte, durch die ausdrückliche Angabe eines Syllabars
gesichert
2) Doch gewinnt es nach babylonischen Contracten den Anschein, als sei mehrfach
anch Gold und Silber nach Gewichtsminen (tu 60 Schekel) abgewogen und verreduiet
worden. Die Sache bedarf genauerer Untersuchung.
r5i9)
B. Gewichtsyerdächtige Gegenstände ohne Bezeichnnng.
Hauptsächlich habe ich jedoch in London mein Augenmerk auf die Gewichte
ohne Nominalbezeichnnng gerichtet and glaube einige neue Beiträge zu deren
Bestimmung und Erkenntniss liefern zu können. Ausser dem Hauptzweck, eine
vollständige Sammlung aller antiken Gewichte anzustreben, kommt namentlich bei
den Gewichten kleineren Nominals, die naturgemäss zu den unbezeichneten Ge-
wichten das grösste Contingent liefern, noch in Betracht, dass sie indirekte Zeug-
nisse für den ältesten Rleinverkehr in edlen Metallen aus der Zeit vor der Erfin-
dung des gemünzten Geldes darstellen oder doch darstellen können.
Die glücklichen Zufälle, die uns vollständige Goldstangen und Silberzungen, wie
in Ilios, oder grosse Mengen von Hacksilber, wie ganz neuerdings in Sendjirli,
geliefert haben, gehören natürlich zu den Seltenheiten. Die Prägung erregt anti-
quarisches Interesse und bildet so einen Schutz des gemünzten Geldes; für die
Erhaltung ungemünzter Stücke in ihrer Integrität nach Material und Gewicht ist
kein derartiger fördernder Schutz vorhanden. Aber die Gewichte, aus haltbarem,
sehr hartem Stein gefertigt und oft sorgfältig verziert, haben sich in grösserer Zahl
erhalten, als man anzunehmen geneigt ist, und können uns, wenn andere günstige
Umstände hinzukommen, Runde über die ältesten Handels- und Tausch Verhältnisse
und über die Vorgänger der ältesten kleinasiatischen und griechischen Prägungen
geben.
Als Gesichtspunkte, die bei Untersuchungen dieser Art maassgebend sind,
kommen ausser dem Gewicht vornehmlich in Betracht: die Form, die Dar-
stellung imd das Material. Das Auftreten von Serien von Objekten mit der
gleichen Darstellung oder aus demelben Material in verschiedenen Abstufungen
bildet ein weiteres Indicium in der Richtung der Gewichtsverdächtigkeit. —
Dass ich mich bei diesen Untersuchungen nicht einem verkehrten Sanguinis-
mus hingebe, zeigt, wie ich hoffe, schon der so eben eingeführte Begriff der Ge-
wichtsverdächtigkeit. Ich werde zwar mehrmals meines Erachtens in der
glücklichen Lage sein, den Beweis führen zu können, dass ein Gegenstand oder
eine bestimmte Klasse von Gegenständen sicher als Gewichte zu betrachten sind.
In der Mehrzahl der Fälle werde ich mir aber, was ich ausdrücklich hervor- ^
hebe und zu beachten bitte, vor der Hand daran genügen lassen, eine Anzahl
von Gesichtspunkten aufzuzeigen, die es möglich oder wahrscheinlich erscheinen
lassen, dass Monumente, auf welche dieselben zutreffen, Gewichte gewesen sind.
Einmal reicht unsere Remitniss des altorientalischen Lebens nicht aus, um
aUe Erzeugnisse der Kleinkunst nach ihrem Zwecke und ihrer Verwendung zu
bestimmen. Dann aber wird sich zeigen, dass im eigensten Gebiet der Metro-
logie eine Mehrdeutigkeit insofern besteht, als Gbwichte und Stempel einander
in ihrer Form nicht bloss nahe kommen, sondern mehrfach sich geradezu decken.
Daher ist doppelte Vorsicht am Platze. Erweist sich dann später im Verlaufe von
genaueren Stadien, zu denen die folgenden Bemerkungen den Anstoss geben oder
den Anfang machen möchten, dass der Gewichtsverdacht falsch war, nun wohl : so
wird immer noch die Sammlung einer Anzahl gleichartiger Monumente und die
Hervorhebung gewisser Typen der vorderasiatischen Kleinkunst archäologisch nicht
ganz werthlos bleiben.
1) Die ältesten Gewichte, welche wir überhaupt kennen, die babylonischen
Gewichte mit priesterlicher Inschrift als Aichungsstempel, an denen ich die gemeine
Norm des babylonischen Gewichtes nachgewiesen habe (Verh. 1889. S. 255 f.), sind
äusserst sorgfältig aus hartem Stein zu langgestreckten Ovalen verarbeitet. Bei
einem derselben sind die Enden abgeschnitten, so dass die Fässchenform entsteht,
(520)
wie sie die babylonischen und assyrischen Cylinder mit Inschriften aufweisen.
Diese Form des langgestreckten Oral hat in ganz Vorderasien eine weite Verbrei-
tung erhalten und ist eine der am leichtesten und sichersten erkennbaren (Gewichts-
typen. Die Mehrzahl der in Hissarlik gefundenen, zumeist aus Hämatit gearbeiteten
Gewichte trägt diese Gestalt. Sie sind als solche bereits im hiesigen Museum fUr
Völkerkunde erkannt worden. Schliemann (Ilios S. 486), der diese Gegenstände
zunächst als Schleudersteine bezeichnete, dabei aber gleichzeitig seine Verwunde-
rung darüber aussprach, dass so langwierige und mühevolle Arbeit auf einen Gegen-
stand sollte verwendet sein, der nur einmaligem vorübergehendem Gebrauche dienen
sollte, wies gleichzeitig darauf hin, dass ähnliche Gegenstände in Assyrien gefunden
seien. In der That habe ich in London mehrere dieser Gewichte gesehen, von
denen ich als das wichtigste, weil das grösste und am sichersten bestimmbare, nenne
ein Hämatitgewicht, Form des Ovals, aber abgeplattet und mit abgeschnittenen
Enden. Erwerbung des British Museum aus dem Jahre 1883 (83. 1 — 18.). Keine
Inschrift. Abstossungen, die auf 1 — 2 g zu schätzen. Wiegt 186,62 (4) ^, kommt
also dem Normalgewicht eines Drittels der leichten Silbermine königlich reducirter
Norm »•Vs = ^88,66 g (Verh. 1889. S. 284) äusserst nahe.
Unter den im hiesigen Museum für Völkerkxmde bewahrten Gewichten aus
nios, von denen ich ein genaues Verzeichniss mit Angabe des Gewichts und
des Materials der Güte des Hm. Ed. Krause verdanke und die ich demnächst im
Zusammenhang vor Ihnen zu besprechen hoffe, wiegt eines 188,0, ein anderes
187,7 g. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass wir es in diesen Stücken mit
derselben Gewichtsgrösse zu thun haben. Wenn wir nun in den Sammlungen des
Antiquariums des königlichen Museums ein Gewicht aus Blei finden, das die Auf-
schrift nEPrAMHNßX trägt und 184,9 g wiegt, also ebenfalls ohne Zweifel die-
selbe Gewichtsgrösse darstellt, so erscheint hier die Kette von der prähistorischen
bis zur hellenistischen Z^eit metrologisch geschlossen und ist wiederum ein schla-
gender Beweis erbracht für die grosse Beständigkeit und Unabänderlichkeit gerade
der Gewichts normen. — Auch auf hethitischem Gebiet sind durch die Aus-
grabungen des Orientcomite's Gewichte ganz derselben Gestalt und desselben
Materials zu Tage gefördert worden.
2) Das hiesige Antiquarium bewahrt eine Anzahl griechischer Gewichte aus
Eisen in Gestalt regelmässiger Polyeder. Die vorderasiatische Sammlung des Ber-
liner Museums besitzt zwei kleine Objekte aus grünem Gestein, dem der babyloni-
schen Normalgewichte ähnlich. Im Inventar der Sammlung findet sich bei den-
selben die Bemerkung eingetragen: „kommen von Mosul bis Nedjd vor^; d. h. der
Fundbereich für diese (Gegenstände erstreckt sich von Ninive bis zum äussersten
Süden Babyloniens; sie waren also durch das ganze Zweistromland im Gebrauch.
Der eine dieser Steine, bezeichnet V. A.') 868, wiegt 8,6 ^, d. h. er hat das Gewicht
eines Gewichts- oder Goldschekels erhöhter Norm (B^orm IIa: 8,5 g^ Form IIb: 8,6 ^,
reducirte Form: 8,4^); der andere wiegt 2,8^, stellt also die Hälfte eines Silber-
schekels erhöhter Norm (am Wahrscheinlichsten der sog. reducirten Norm: 5,6^)
dar. Zwischen den einzelnen Formen dieser Norm bestimmt zu unter-
scheiden, ist natürlich bei so geringen Werthen nur selten möglich,
und ein Versuch der Feststellung dieser Unterschiede liegt ausserhalb der Grenzen
die mir durch den Zweck der vorliegenden Untersuchungen gezogen sind. Dass
wir es hier aber mit kleinen Gewichten zu thun haben, daftir, denke ich, wird man
den Beweis für erbracht anerkennen und wird fürderhin unter die Merkmale der
Gewichts verdächtigkeit die polyedrische Gestalt rechnen können.
l) y. A. = Inventar der Vorderasiatischen Sammlung.
j
(521)
3} Die wichtigste Kategorie unter den anbezeichneten Gewichten bilden die-
jenigen, welche Thierdarstellungen zeigen, und zwar können sie entweder selbst
die Form von Thieren haben, oder nur die Abbildung von Thieren oder Scenen
aus dem Thierleben aufweisen. Auch eine Combination ist natürlich möglich, und
die Objekte in Thiergestalt, die wir als gewichtsverdächtig ansznprechen gedenken,
sind zumeist auch noch mit Bildern aus dem Thierleben versehen:
I. Thiergestalt (oft mit Thierdarstellung).
1) Wir haben oben gesehen, dass eine Anzahl babylonischer Gewichte, als solche
durch Inschriften deutlich gekennzeichnet, die Gestalt eines Schwimmvogels mit
rückwärts gewandtem Kopfe haben. Es ist als natürlich zu erwarten, dass die
nothwendigerweise vorhandenen Gewichte kleinen Nominals derselben Serie auch
dieselbe Gestalt zeigen und in der That giebt es gerade eine sehr grosse Anzahl
kleiner vorderasiatischer Steinobjekte, die diese Gestalt tragen. So hat denn auch
Layard bei seinen Ausgrabungen, zusammen mit den grösseren bezeichneten Ge-
wichten in „Bnten^ (?) -Form, eine Anzahl dieser kleinen xmbezeichneten Enten
gefunden, die im British Museum verwahrt und von jeher als Gewichte betrachtet
worden sind. Ebenso bewahrt das Louvre 5 kleine Eisenobjekte in „Entenform^,
die Vielfache xmd Theile des leichten babylonischen Sechzigstels, und zwar der
gemeinen Norm, darstellen und in einem (hrabe bei Hillah auf der Stätte des alten
Babylon gefunden sind').
Die ganz neuerdings in Sendjirli (Sam'al) gefundenen hethitischen und un-
bezeichneten Gewichte theilweise recht bedeutenden Volumens zeigen ebenfalls die
„Enten^-Form. Die Londoner Gewichte dieser Art sind mehrfach gewogen, zu-
letzt sehr genau von Chisholm. Ich habe die Mehrzahl auch meinerseits, mehr
der Feststellung der Identität willen, gewogen. Beifolgend gebe ich eine Abbildung
des am zierlichsten ausgeführten Objekts dieser Art: British Museum 59. 10 — 11. 175.
I. G. T. (Sammlung Taylor), das 4,38(6) g wiegt, also einen etwas stark gerathenen
halben leichten Gewichts- oder Goldschekel darstellt — Eine Ente, wie es im
British Museum bezeichnet ist, ist es aber sicher nicht, worauf mich die Herren
Olshausen xmd Hartmann aufmerksam machen, sondern weit eher ein Schwan.
Das Stück ist undurchbohrt und zeigt keine Darstellung auf der Unterseite (Fig. 1).
Figur 1. Figur 2.
Natürliche Grösse.
Als Beispiel einer Darstellung und zwar einer Thierdarstellung auf einem Docu-
mente dieser Art diene Fig. 2, die Unterseite eines Berliner Stückes (V. A. 2046).
Auf diese „Enten^ werden wir, da sie nicht bloss als Gewichte, sondern auch
als Stempel gedient haben, unten (S. 526) noch einmal zurückzukommen haben.
2) An die assyrischen Löwengewichte anknüpfend, möchte ich das in Fig. 3 a
und b dargestellte Löwenvordertheil als gewichtsverdächtig bezeichnen. Es ist im
Assyrian Boom des British Museum in case C unter Nr. 527 ausgestellt. Die
1) Brandis S. 596f.
(522)
NatÜFÜclie Grflsse.
Unterseite zeigt 4 ruhende Thiere (ebenralls Löwen?) eingegraben (Fig. 3b). Es wiegt
23,34 g. POr das Gewicht »erweise ich auf das, was unten (8. 529 sab 2 b) zu dem
Stück im Betrag ron ll,92fl gesagt ist, deren doppeltem Betrage der rorliegende
Wertb nahe kommt, ohne jedoch diese Bestimmung als sictier bezeichnen zu wollen.
Die QewichtSTerdächtigkeit wird jedoch erhöht durch das Material, einen hellgrau-
grünen schielVigen Btein mit hellerer weisslicber Bändenmg (nSchisf*); denn im B^-
liner und British Museum ßndet sich eine Aiutahl ron tbiergestaltigen Objekten aus
demselben Material, die auch, was das Gewicht anlangt, eine befriedigende und ein-
fache Erklärung zulassen nnd auf welche uns jetzt der Gung unserer DarslelluDg fDhrL
3) Die ältesten Tausch- und Zahlungsmittel bestanden bekanntlich in Natu-
ralien. Der Besitzstand wurde nach Häuptern Vieh geschätzt: mit Rindern, Schafen
nnd Schweinen wurden die grösseren Zahlungen geleistet. Es war daher natürlich,
dass die ältesten MetallstUcke, die als Zahlungsmittel an deren Stelle traten, mit
Darstellungen gerade dieser Thiere versehen waren, wie wir es z. B. Ton den itali-
schen Knpferbarren wissen. Ebenso natürlich nnd erklärlich wäre und ist die ent-
sprechende Erscheinung bei den Gewichten. Bekannt sind die im hiesigen ägypti-
schen Museum nachgebildeten ägyptischen Wandmalereien, welche die Abwägung
von Gold in Ringform darstellen nnd bei der zwei Gewichte die Gestalt von Binder-
kOpfen tragen. Daneben erscheinen zwei Gewichte in Kegelform (»gl. S. 527 sub 2
und eines in Gestalt eines ruhenden Löwen (?).
Figur 4a.
Figur 4b.
Katürliche QrBsse.
a) Fig. 4 a zeigt einen schön gearbeiteten übenden Widder aus demselben
Material, wie das eben besprochene Löwenrorderthoil mit Durchbohrung (vom
Rücken zum Unterleib), — letztere ebenfalls ein Merkmal der Gewichtsverdächtig-
keit, — auf der Unterseite (Fig. 4 b) 3 Schafe (?) liegend eingegraben. Signatur:
C3. 11 — 1. 5. (Assyrian Koom G. 528). Dasselbe ist wohl erhalten und wiegt
48,78 y, d.h. sehr nahe '/u der leichten babylonischen Gewichtsrnine ge-
meiner Norm Ton 491,2 g.
(523)
b) Zu derselben Serie gehört ein anderer wohlerhaltener liegender Widder des
British Mnseum, dessen Unterseite Fig. 5 zeigt, Sign. 56. 5—2. 73. (Assyrian Koom
C. 529). Ueber das Gewicht, 11,9 g, s. u. S. 526 sub 2a, vgl. S. 522 sub 2.
c) Ein Schwein ans Serpentin (?) (Assyr. Room C. 370), durchbohrt, auf der
Unterseite Punkte und Striche aufweisend, die wahrscheinlich die rohe Darstellung
zweier laufender Thiere bilden, wiegt 36,00 (4) ^, ist also sehr wohl justirt als
7io der leichten phönikischen Mine gemeiner Norm (363 g)y Yerh. 1889. S. 257.
Figur 6a.
Figur 6b.
Figur 5.
Natürliche Grösse.
d) Aus demselben Material gefertigt ist ein liegendes Kind des Berliner
Museums (V. A. 1651) Fig. 6a, Unterseite Fig. 6b. Gewicht: 22,15 g, d.h. 4 leichte
Silberschekel der königlichen Silbermine (wahrscheinlich Form B) von 560 g (22,15
statt 22,40 g),
e) Ein ganz besonderes Interesse bietet metrologisch und archäologisch ein
liegendes Rind, aus Bergkrystall sehr schön gearbeitet (British Museum, Ass. Room
C. 1135). Dasselbe trägt am Rücken auf beiden Seiten eine Anzahl von senkrechten,
durch waagerechte Linien eingeschlossenen Strichen, und zwar links 5, rechts 7
(oder wenn man die äusseren senkrechten mit den waagerechten als Umrahmung
auftasst, links 3, rechts 5 Striche). Diese Striche dürften (vergl. S. 516) eine Art
Ton Nominalbezeichnung enthalten, und man wird das vorliegende Stück mit um
so grösserer Wahrscheinlichkeit als Gewicht auffassen können, als das Gewicht
von 16,00(5)^ dem eines schweren Gewichts- (oder Gold-) Schekels gemeiner
Norm (16,39 g) recht nahe kommt.
4) Die Schildkröte ist bekanntlich das Wappen von Aegina. Dafür, dass die
äginäische und, für die ältere Zeit, die gemeingriechische Gewichtsnorm aus Asien
übernommen ist (vgl. o. S. 519), werden wir unten weitere Beweise beibringen. Die
in Fig. 7 dargestellte Schildkröte (Berl Mus. V. A. 1664, Gewicht 2,47(5)^), deren
durch die Thierform gegebene Gewichtsverdächtigkeit noch durch die möglicherweise
als Nominalbezeichnung zu betrachtenden 4 Punkte auf der Unterseite (Fig. 7 a)
erhöht wird, macht es wahrscheinlich, dass auch für das Prägebild der äginäischen
Münzen und Gewichte ein vorderasiatisches Prototyp vorhanden war. Die in Athen
gefundenen Gewichte, die die schwere Gewichtsmine gemeiner babylonischer
Norm von 982,4 g (S. 257) darstellen (Maximalbetrag 979 ^), zeigen ebenfalls das
Büd der SchUdkröte (vgl. Hultsch S. 140 f.).
n. stücke nur mit Thierdarstellung.
Wir kommen jetzt zu den Stücken, die, ohne Thiergestalt zu haben, Abbil-
dungen in Thierform aufweisen.
1) An die Spitze stelle ich das in Fig. 7 b seinen Hauptzügen nach abgebildete
Berliner Stück (V. A. 612) aus weissem Marmor, welches nach meiner Ueber-
zeugung ohne Zweifel als Gewicht anzusehen ist. Der „Führer durch die vorder-
asiatische Sammlung der königlichen Museen" (S. 68) setzt zu dieser, von mir
herrührenden Bezeichnung mit Unrecht ein Fragezeichen. Die Anschauung, dass
(524)
es ein Siegelcylinder sei, ist entschieden zu verwerfen. Erstens ist die grosse Mehr-
zahl der Siegelcylinder der Länge nach durchbohrt, während hier die Durch-
bohrung unter den Fingern des in Form einer Hand gebildeten Griffes durchläuft
Herr von Luschan macht mich zwar gütigst darauf aufmerksam, dass die land-
läufige Vorstellung, wonach die Längsdurchbohrung der Siegelcylinder zur Aufhahme
einer Art von Axe als Theil der Fassung gedient hätte, die es ermöglichte, den
Siegelcylinder etwa gleich unseren heutigen Löschrollen über den Thon zu führen,
irrig sei; dass yielmehr, wo er Siegelcylinder mit Resten antiker Fassung gesehen
habe, der Griff an einem Ende des Cylinders angebracht war pnd dass dem-
gemäss auch mehrfach undurchbohrte Siegelcylinder vorkämen.
Figur 7 a.
Figur 8 a.
Figur 7 b.
Figur 8b.
Natürliche Grösse.
Vi der natürlichen Grösse.
Ein Siegelcylinder mit einem derartigen Griff als integrirendem Bestandtheil
des aus einem Stücke gefertigten Monuments und mit einer Querdurchbohrung an
diesem Griff wäre, soviel ich sehen kann, etwas völlig Neues. Vielmehr bildet
schon der Griff in Handform ein weiteres Merkmal der Gewichtsverdächtigkeit
Femer gleicht das kleine Steinobjekt in seiner Gestalt so nahe wie möglich den
Gewichten unserer Kaufläden. Die Darstellung femer, Rinder, theils vor einer
Hürde, theils aus derselben herausschreitend, hat, soweit mir bekannt, ebenfalls
unter den verschiedenen Typen der Siegelcylinder-Darstellungen kein Analogon.
Fig. 8 b giebt dieselbe in Projection wieder.
Und schliesslich stimmt auch das Gewicht zu unserer Auffassung auf^s
Beste. Der Stein wiegt 84,6 ^, wozu noch ein erlittener Verlust durch eine ge-
ringe Abstossung in Anrechnung zu bringen ist, stellt also ein Sechstel leichte
(7i, schwere) Gewichtsmine, 10 leichte (5 schwere) Schekel erhöhter Norm dar
(normal. Form B 84,0, Form A, b 85,9—86,3, Verb. 1889. S. 288). Bei einem Stück
von diesem Volumen kann man, da die Möglichkeit eines Zufalls mehr ausge-
schlossen erscheint, schon auf das Zusammentreffen des Gewichtsbetrages mit einer
bekannten Grösse des Systems einen herzhaften Nachdruck legen und wird in dem
vorliegenden Falle das incriminirte Objekt nicht mehr bloss als gewichtsverdächtig,
sondern geradezu als der Gewichtsqualität überführt anerkennen müssen.
2) Eines der interessantesten Erzeugnisse altorientalischer Kleinarbeit bewahrt
das Berliner Museum (V. A. 1632) in einer Elfenbeinplatte '). Die eine Seite derselben
zeigt schreitende Ziegenböcke mit verschränkten Hörnern, die andere Seite ein Rind
und einen Ziegenbock am Ufer eines mit Fischen belebten Flusses, darüber unter an-
derem das ägyptische Zeichen des Pfluges. Die eigenthümliche Darstellungsweise,
namentlich die gedrungenen Gestalten der Thiere, haben, so scheint mir, mit dem
sog. hethitischen Styl verhältnissmässig die nächste VerwandtscbafL Dieses Stück,
das bisher seinem Wesen nach unbestimmt war, als Gewicht anzusprechen, dun
1) Die Publication ist an anderer Stelle in Vorbereitung (Verh. 1889. S. 2ö6 Anm. S),
(525)
yeranlasste mich zunächst die (Gestalt, die einer der ältesten bezeugten Formen der
Metallbarren nahe kommt ^). Dazu tritt als weiteres Indicium die Thierdarstellung.
Und die Wägung hat eine, ich darf wohl sagen, schlagende Bestätigung ergeben.
Das Stück, das bis auf eine geringe Abstossung wohl erhalten ist, wiegt 60,38 <7,
d. h. es ist Vio desjenigen Gewichts, welches wir vor Selon in Athen im all-
gemeinen Gebrauch und auch in nachsolonischer Zeit als Marktgewicht in Ver-
wendung finden, dessen Grenzen nach den yerschiedenen antiken Zeugnissen für
die Mine zwischen 598 und 606,4 g liegen würden, während es nach seiner Stellung
im System des babylonischen Gewichts gemeiner Norm auf 600,4 — 602,5 g (Verh.
1889. S. 268) zu bestimmen sein würde.
"Wir werden weiter unten noch einen handgreiflichen Beweis für das Vor-
kommen gerade dieser Einheit geben und hoffen damit die Annahme, dass das
älteste griechische Gewicht aus Asien übernommen war, über das Stadium der
blossen Vermuthung hinausgerückt zu haben.
Ich möchte damit hier nur andeutangsweise die Richtung bezeichnen, in
welcher sich die Forschung über die Herkunft der ältesten griechischen metrologi-
schen Systeme meiner Ueberzeugung nach zu bewegen hat^).
3) Mehrfach finden sich Steine, meist mit gewölbter Ficur 9
Oberfläche, deren geglättete, kreisförmige, o^ale oder auch
eigenthümlich geschweifte Unterseite mehr oder minder roh
eingegrabene Thierdarstellungen zeigt. Einige dieser Steine
(Verh. 1889. S. 249) stimmen ihrem Gewicht nach auffällig
zu asiatischen Gewichtseinheiten. So trifft Berl. V. A. 1633
mit seinem Gewicht von 16,80 g gerade den Normalbestand
eines schweren Schekels erhöht-reducirter Norm (Form II).
Fig. 9 giebt die Unterseite eines derartigen Steines (Berl. V. A. 2076, Gewicht 6,72 g
= 1 sog. altäginäischen Drachme (Verh. 1889. S. 280 u. 284) wieder.
1) Hultsch, Metrologie § 29, 1. S. 165.
2) Dies namentlich auch gegenüber Hnltsch's neuester, an die Auslegung von Cap. 10
der neu gefundenen *A9riva(my nolntCa des Aristoteles (?) geknüpften Aeussemng über
diese Fragen (in Fleckeisen^s Jahrbüchern for classische Philologie, 1891. S. 262ffl),
der ich nicht beistimmen zu können bedaure. Ich hoffe dies in einiger Zeit ausfohrlich
zu begründen und bemerke hier nur, dass Hnltsch^s auf die PoHteia basirte Annahme,
als habe vor Selon in Athen das königlich (babylonisch-) persische System gegolten,
Allem widerspricht, was nicht bloss historisch überliefert, sondern was an heute noch
Torliegendem und controlirbarem metrologischem Material zu beobachten ist (vgl. Verh.
1889. S. 265 n. S. 818f. Anm. 1 und besonders auch Dörpfeld, Mitth. d. kais. deutsch,
arch&ol. Instituts zu Athen 1890. S. 167 ffl). Femer wiederholt Hr. Hultsch seine alte An-
sicht, dass das solonische Hohlmaass aus dem königlich persischen durch Erhöhung um
Vit entwickelt sei Dem gegenüber möchte ich meine, von Hultsch nicht einmal er-
wähnten Ausführungen in Erinnerung bringen, welche zeigen, dass das solonische Gewicht,
ans welchem (Verh. 1889. S. 2% ff.) Hohlmaass und L&ngenmaass abgeleitet ist, direkt zum
System der gemeinen Norm des babylonischen Gewichts gehört (Verh. 1889. S. 266), und
möchte femer hinweisen auf die aUgemeinen Gegengründe, welche ich gegen die Annahme
der Entwlckelung neuer Normen ans den bestehenden durch willkürliche Erhöhung oder
Erniedrigung vorgebracht habe (Verh. 1889. S. 255). —
Correctnrzusatz: Inzwischen hat das Erscheinen des Facsimile des Papyrus und
die von Leeuwen und Herwerden veranstaltete Ausgabe der Politeia gezeigt, dass gerade
die Lesung der Worte av^tia^g und fittCeo, die die überraschende Angabe zu enthalten
schienen, dass die solonischenMaasse grösser gewesen seien, als die pheidonischen,
paläographisch durchaus nicht feststeht
(620)
4) Hienm kaUpfen wir weiter die Beschreibnng tod Tier StUcken, die, rer-
schiedener Provenienz ond verschiedeneD Beatandtbeilen der Sammlnog des Ber-
liner Museums entstammend, ofTenbar als zu einer Serie gehörig zu betrachten sind.
Sie zeigen sämmtlich die Form von Kogelcalotten; aof deren platter DnterBeite die
Gestalt von einer oder mehreren Astilopen eingegraben sind- Daa Uaterial ist bei
allen dasselbe: weisser, roth gesprenkelter Qnarz.
a) y. A. 2105, Pig. 10a, Unterseite Fig. 10b. Gefnnden in Snrghal (Sfldbaby-
lonien). Wiegt 88,05 >7; als Gewicht anfgefasst, wäre es eine etwas fibermissige
Sechstelmine erhöhter Norm (Form la etwa S5 g, Ib etwa S6 g, II Hg).
b) V. A. 2091 (Fig. 11), desgleichen Unterseite zwei ruhende Antilopen. Wiegt
sehr wenig über 39 g, hat aber dmrch Abstossnngen verloren, kannte daher als
'/u gemeiner Qoldmine (409 g) angesprochen werden.
c) V. A. 874 (Unterseite Pig. 12). Eine stehende Anülope- Da« Gewicht ron
4,2 g wtlrde einem halben Schekel entsprechen (gemeine Norm 4,09 g, erhöhte
Norm la etwa 4,26 9, Ib etwa 4,3?, II 4,i g).
d) V. A. 1034. Unterseite Fig. 13: iwei ruhende Vierfasaler. Wiegt 2,54 j.
Ein Viertel Silberschekel gemeiner Norm? (2,7 g).
Figur 10a.
Kgur 10b.
Nfttöriiche GrArae.
Wie man siebt, habe ich bei dieser Serie, was die OewichtsqDtüität anlangt, mich
mit keinertei BestimmUieit anagedrückt. Die Frage, ob Gewicht oder Stempel, die
wie Eingangs (S. 519) bemerkt, bei den meisten der behandelten Monnmente regel-
mässig am Platze ist, liegt hier, wenigstens rUr die kleineren Sttlcke, vielleicht näher,
als bei den vorstehend behandelten Gmppen. Diese Serie bildet daher die pasaeodc
Deberleitong zu dem nonmehrzn liefernden Beweise, dass eine und dieselbe
Gattung Ton Monumenten als Gewicht und als Stempel verwendet wurde.
Gewicht oder Stempel?
1) Wir haben oben von den kleinen babylonischen (jewichten in Form tob
Schwimmvögeln gesprochen. Eine der Kuyundschik-Sammtnng angehOrige Hiod-
(527)
tafel des British Museum zei^ als Siegel dreimal wiederholt einen Stempel, der
seiner Qestalt nach unverkennbar mit einer solchen sogen. „Ente" gefertigt ist.
Aber mehr noch: die Darstellung des Stempels, ein laufender VierTllaaler, flndet
sich so genau auf einer als Gewicht betrachteten „Ente" des British Hnsenm
wieder, dasB man glanben könnte, - was natürlich nicht anzunehmen, — wir
hätten in ihm dasselbe individuelle Stack, mit welchem die Tbontafel gesiegelt
worden ist. Fig. 14 a glebt das anf der Thontafel dreimal abgedruckte Siegel wieder,
so gut es nach einem sehr nnrollkommenen Staniolabdrock möglich war. Fig. 14b
stellt die Dnteräeite der „Ente" dar. Es wäre nicht völlig undenkbar, dass im
alten Orient thHtsächlich ein und dasselbe Stück als Gewicht und als Siegel ver-
wendet wäre; es konnte damit eine Terringerung der Utensilien, namentlich des
herumziehenden Händlers, und eine ErspamisB in verBchicdenen Richtungen erzielt
werden.
2) Der Zweifel, ob Gewicht oder Stempel, war mir jedoch, wie ich bekennen
muBS, zunächst durch eine andere Serie von Erzeugnissen asiatischer Glyptik er-
weckt worden.
Es sind diea die aoaserordeotlich häufigen kleinen Kegel aus Cbalcedon, Achat
n. s. w., zameist mit bänderlörmiger Schleifang, in der typischen Gestalt, wie sie
Fig. 15 nach dem Berliner StUck V. A. 750 ^ebt. Den Gewichts verdacht erweckt
zunächst neben der Kegelfonn, die z. B. auch an attischen Gewichten des Anti-
quariums nachweisbar ist, die ausserordentliche, auf alle Theile des StUckos sich
erstreckende Sorgfalt der Arbeit. Die am häufigsten wiederkehrende, auf der Basis
des K^ela eingegrabene Darstellung wird gewöhnlich gedeutet als die eines Hannes
in betender Stellung vor einem Altar. Ob diese AulfasBung die richtige ist, kann
zweifelhaft erscheinen. Zwar einige der auf dem „Altar" regelmässig auftretenden
Gegenstände scheinen mit den Abzeichen der babylonischen Thierkreisbilder einige
Aehnlichkeit zu haben, so dass man sie mit dem Gestimdienst in Verbindung bringen
Figur 14 &. Figur 16.
Figur 16. Figur 17.
NatSrlicbe GrSsse.
kSnnte. Aber namentlich den in Fig. 16 (Unterseite des so eben abgebildeten Stdckes)
und Fig. 17 (Berl. V. A. 2569) besonders deutlich erscheinenden Stab mit einer Anzahl
über einander gereihte^ Kugeln wird man ebensowohl als eine Hindeutung anf Zählen
(528)
und Rechnen fassen können, als anf den eigentlichen Coltns and Gottesdienst
Beides stand ja Qbrigens in Babylonien im engsten Znaamnienhang. Eine andere
Form giebt Fig. 18 nach Berl. Mns. V. A. 753. Eine nahe verwandte, als Ülnstra-
tion nnd Verdeutlichang interessante Daretellnng zeigt eine kleine, man könnte
sagen, beilßinnige Platte im British Hiisenm. Fig. 19a nnd b' geben die beiden
Seiten derselben wieder.
Was nnn das Gewicht der Kegel anlangt, go fehlt es mir einstweilen an ge-
nügendem Material, nm ein ürtheil abgeben zu können, da ich die Wägnngen der
Beniner Stacke noch nicht vollendet, die der Londoner nicht habe in Angriff
nehmen können. Auch liegt es nicht in meiner Absicht, die Frage, ob Gewicht
oder Stempel, die zudem nach dem oben S. 52& sab 1 AnsgefUhrten, keine an-
bedingte Bnlscheidnng fordert, hier zn erledigen. Bei so geringen Nominalen
fallen, wie ich wiederholt betone, ja die Grenzen zwischen den verschiedenen
Grössen so nahe zusammen, daas man eine Annäherung an eine der bekannten
Theilgrössen der Systeme schlieBslich in jedem Gewicht finden kann. Ich begnOge
mich daher vor der Hand mit der Bemerkung, dass einige fWe genauer Co'inci-
denz mit dem Gewichts- oder dem Silberschekel und dessen Tbeilea zn bemerken
sind, möchte dagegen die Aufmerksamkeit auf einige andere anf diesen Docn-
menten erscheinende Darstellungen lenken, die zu der Erwägung auffordern, ob ne
nicht als symbolische Darstellungen der Waage und des Gleichgewichts
aufzufassen sind.
Fig. 20 (Berl. V. A. 2567) zeigt zwei thierfOsaige Hänncr mit erhobenen, am
Ellenbogen rechtwinklig gebeugten Armen vor einer menschlichen Gestalt stehend.
Fig. 21 (V. A. 751) zwei ähnlich geartete Gestalten in gleicher Stellnng. Ueber
ihnen die geflügelte Sonnenscheibe. Zwischen beiden ein Stab mit kugelförmigen
Absätzen (vergl. 8. 537). Dass sie die geflügelte Sonnenscbeibe „biigen", wie es
der Führer durch die vorderasiatische Sammlung (8. 75) angiebt, scheint mir eine
irrige Annahme. Die erhobenen Hände sowohl, wie der Kngelstub, sind von der
geflügelten Sonnenscheibe durch deutlich erkennbare Zwischenräume getrennt.
Figur 23.
Fig. S3 (V. A. 2566) zeigt einen persischen König, der mit auagestreckteB
Armen zwei Löwen (vgl. o- 8. 516) hei den Schwänzen im Gleichgewicht bili
Darstellungen ähnlich denen, welche auf den 8teinen in Kegelform erscheinen,
finden aich auf ovalen Steinen, aog. Skarabaeoiden, die deshalb bei diesbezilg-
lieben weiteren Untersuchungen ebenfalls in Betracht gezogen werden müssen. Ein
solcher Stein (V. A. 2533) zeigt eine weibliche geflügelte Gestalt (wohl die Göttü
Istar) mit waagerecht zor Seite gestreckten Armen (Fig. 23). —
(529)
Es möchte als ein weiteres Indicium für die Gewichtsyerdächtigkeit dieser
Gattung von Monnmeaten gelten können, dass sich eine sehr ähnliche Darstellung
(Pig. 24), eine weibliche Gestalt mit vier Flügeln) auf der Unterseite eines der
Schwimmvögel- („Enten-^) Serie angehöngen Documentes (Brit. Mus.) findet.
Im Uebrigeir wäre, selbst wenn man uns in der Auffassung beipflichtet, dass
wir es hier mit Symbolisirungen der Waage zu thun haben, die Frage, ob
Gewicht oder Stempel, noch immer nicht entschieden. Denn die Stempelung konnte
ja, wie n. A. bei den edlen Metallen, bestimmt sein, das richtige Gewicht, bezw.
die Aechtheit des gestempelten Gegenstandes zu garantiren. —
Unter den etwa 50 Wägungen, die ich in London Torgenommen habe, ist es
mir zweimal begegnet, dass zwei Gegenstände von gänzlich verschiedener Form
und grundverschiedenem Material, deren jedes ich als Gewicht angesprochen hatte,
nicht nur ihrem Gewichte nach sehr genau übereinstimmten, sondern ausserdem
mit diesem ihrem gemeinsamen Gewicht einer bekannten antiken Gewichtsgrösse
gleichkamen, — die willkommenste Bestätigung für meine Auffassung.
1) a) Ein Stück aus grauem Sandstein, Brii
Mus. 57. 9—14. 1., in Gestalt einer Kugel- Figur 25.
calotte, aber an Stelle der oberen Wölbung eine
Vertiefung zeigend, wiegt 147,29 (0) g, — Es
trägt eine Inschrift in altaramäischer Schrift, von
der mir ein Abdruck zur Verfügung gestellt
wurde, nach welchem Hr. Euting freundlichst
die nebenstehend wiedergegebene Zeichnung an-
gefertigt hat (Fig. 25). Vi
Hr. Nöldeke schreibt mir auf meine An-
frage gütigst, dass er selbst und Hr. Euting sie veigebens im Corpus Inscriptionum
gesucht haben und dass es ihnen auch nicht gelungen sei, irgend etwas von Sinn
hineinzubringen: „Man liest ziemlich deutlich: "innKD^- Der dritte Buchstabe er-
scheint als der wenigst sichere. —
b) Fast genau dasselbe (Gewicht, nehmlich 148,77 (8) ^, zeigt ein Gewichts-
stück (?) aus Alabaster in Giebelform, mit Querdurchbohrung.
Beide Stücke stellen Vto der leichten Gewichtsmine gemeiner Norm dar, die
sichnach a) auf 490,9 (7) ^, nach b) auf 495,92 g stellen würde, während der
Normalbetrag (Verh. 1889. S. 297) auf 491,2—492,9 g anzusetzen ist. —
2) a) Der oben (S. 523 sub b vgl. Fig. 5) bereits besprochene liegende Widder
wiegt 11,98 (1) ^.
b) Ein liegendes Schwein, Marmor (Brit. Mus. Assyrian Broom Gase G. 388),
wohl erhalten, quer durchbohrt, auf der Unterseite ein stehender Mann, wiegt
11,92 (3) g (wobei allerdings eventuell ein ganz geringer Gewichtszuwachs durch
anhaftenden Leim mit in Betracht zu ziehen ist).
Die Uebereinstimmung ist nicht so gross, wie bei dem ersterwähnten Paar;
doch treffen beide mit dem äginäischen Didrachmon gemeiner Norm (veigl. Verh.
1889. S. 265 sub 2) auffällig zusammen. Das sub b genannte Stück nähert sich
mehr der vollen Form (Mine etwa 600 ^, Didrachmon etwa 12 i^); das sub a) mehr
der wohl in Folge eines Abzugs von 1 pCt. für den Prägeschatz (Verh. 1889. S 269)
verminderten Form«) (vgl. o. S. 522 sub 2 und S. 524 sub 2, unten S. 531).
Schliesslich gebe ich in Fig. 26 vier verschiedene Seiteitenansichten und die
1) S. Hultsch, Metrologie § 24, 2 S. 190 Anm. 2.
V«riian<ll. der Bwl. AnthropoL GMcllMhAft 1891. 84
(530)
Unterseite einea knnstroU gearbeiteten Stuckes aus Eisen, der Berliner Sammlung
(V. A. 133) gehörig, wieder, das nach Aoswets des Inventars von einem orientali-
schen Händler erworben wurde, der es
Figur 86. noch in anseren Tagen als Gewicht ge-
brauchte. Ks wiegt 10,66 g, wahrend ein
Schekel Silbers gemeiner Norm normal
10,92— 10,95 9 betragt, so dass das Stflck
nur sehr wenig hinter dieser Norm zorllck-
bleibt. —
Fassen wir nun die hauptsächUchen
Merkmale der Gewichtsverdächtigkeit ed-
sammen, die sich ona im Laufe dieser
® Unters achnng ergeben haben:
1) Es gehären dahin die Formen
des Ovals (uid des Fässchens), des Polye-
Natörliche Grösse. dera, des Kegelt, der Kngelcalotte, des ge-
schweiften Steines. Femer die Thier-
gestalt, der Griff in Handform und die Dnrchbohmng.
2) Was die Darstellang anlangt, so sind hervorzuheben: die Thierc, nament-
lich Rinder, Schweine Antilopen. — Punkte und Striche als Nominalbezeichnung,
SymboliBimngen der Waage, bezw. des Gleichgewichts (?), —
Das Zusammentreffen mehrerer dieser Merkmale wird oftmals den Gewichts-
verdacht begründen können. Als erwiesen wird die Gewi<^taqnalität nur dann
gelten dürften, wenn die rein metrologischen, auf daa Gewicht basirten Erwägungen
die Annahme stutzen und bestätigen. Und dieser Nachweis, wir wiederholen es
nochmals, ist namentlich bei Gegenständen geringen Nominala leider nicht allzu oft
mit voller Sicherheit zu erbringen. —
Endlich möchte ich noch einige Mittheilungen machen über
Wägnngen altorientalischer Fnndstücke aus Gold.
Wie ich (Yerhandl. 1889. 8. 248 f.) anaführte, können neben den Gewichten
und Münzen noch zur Bestimmung des Gewichtsfussea bei vorsichtiger Verwen-
dung herangezogen werden andere Verarbeitungen edler Metalle, Schmuck und
Gebranchsgegen stände aua Gold und Silber a. s. w. Denn fQr den Goldarl>eiter
gilt, heut wie vor Alters, in ähnlicher Weise, wie filr den, der Gold- und Silber-
geld in Umlauf setzt, dass das werthvollc Material mit grosser Vorsicht verwogen
und bei der Bearbeitung vor Gewichtsverlust behfltet wurde und wird. Wenn non
bereits andere Anhaltspunkte für die Bestimmung des am Fundorte solch' einea
Gebrauchs- oder Schmuckstückes gebräuchlichen Gewichtes vorhanden sind, so
können namentlich bei schwereren Stücken an den Vielfachen Rückschlüsse auf
die Gewichtseinheit gemacht werden und daa so gewonnene Ergebniss lässt sich
zur Prüfung und Controlc der anderweitig gewonnenen Ansätze verwerthen. —
1) Daa British Muaeum, Cabinet of Medala, bewahrt zwei Gesichtsmasken aw
Gold (vgl. die von Schliemann in Mykenae gefundenen). Benndorf*), der die-
1) Benndorf, Antike Sepulcralraaskea und 0«sichlshclme. Deskidir. d. Wiener Akad.
der Wissensch. PhU -bist. CUsse. XXVllI. Bd. 1879. Taf. XIV. Nr. 1 n. 2 und S. 6fi f.
(531)
selben nach Mnrray 's Zeichnungen veröffentlicht hat, bemerkt zu denselben: ^Das
eine Exemplar wurde, wenn ich mit Recht Identität vermuthe, von Rassam in
Kuyi^ndschyk entdeckt, und zwar in einem Grabe, das aus spätrömischer Zeit her-
zurühren schien (Layard, Discoveries p. 592 ff.). Wann und wie das zweite zum
Vorschein gekommen ist, habe ich nicht in Erfahrung bringen können." Ich
möchte hierzu nur bemerken, dass, wenn auch die Masken in einem Grabe aus
spätrömischer Zeit gefunden sind, sie nicht in dieser Zeit gearbeitet zu sein
brauchen. Sie können ja Fundsttlcke aus älteren Gräbern sein, die wieder neu
verwendet worden sind. Die Fundstätte auf den Trümmern des alten Niniveh
dürfte diese Annahme nahe legen.
a) Die eine der Masken, die 0,16 m hoch ist und an den Rändern geringe
Abstossungen zeigt (Brit. Mus. 56. 9—9. 66. Benndorf Nr. 2), wiegt 40,35 (7) g\
sie dürfte Vio leichte Mine Goldes gemeiner Norm darstellen: normal 409,3 (bis
410,8); mit Abzug von 1 pCt (vgl. Verh. 1889. S. 269) 405,21 (bis 406,7). —
b) Die andere (Brit. Mus. 56. 9—9. 67) wiegt 21,37 (7) g und würde sich
recht wohl als Vio leichte Goldmine erhöhter Norm betrachten lassen: die Mine
käme auf 427,5 g\ die verschiedenen Formen der erhöhten Norm würden stehen:
la etwa 426,5—427 g\ Ib etwa 430^; H 420 ^r.
Scheint somit das eine Stück sich mit seinem Gewicht in die gemeine, das
andere in die erhöhte Norm einzureihen, so sei wiederholt betont, dass auf die
Zuweisung in dieser Richtung bei Gebrauchsgewichten und Gebrauchsgegenständen,
noch dazu nicht völlig sicheren Erhaltungszustandes, kein besonderer Nachdruck
gelegt werden soll. — Andererseits darf darauf hingewiesen werden, dass von den
Platten in Edelmetall mit Inschriften, die im Palaste Sorgens zu Khorsabad ge-
funden sind, die goldene 167 ^, d. h. 20 leichte Goldschekel zu 8,35 g wiegt, also
der erhöhten Norm angehört'); die silberne dagegen 438,62^, d.h. 40 leichte
Silberschekel zu 10,965 g wiegt, also sich zur gemeinen Norm stellt, da die nie-
drigste Form der erhöhten Norm 11,20^ für den Schekel erfordern würde.
Höchst wichtig und interessant sind zwei Stücke der Seh liemann* sehen
Sammlung*). Die goldene bauchige Flasche wiegt 403 y, d. h. eine leichte Gold-
mine gemeiner Norm in dem etwas verringerten Betrage, wie er sich ebenso
aus der Goldmaske a ergiebt. Das ^tta; 9.fx^tK\ijttk'koy dagegen wiegt 602^, stellt
also die volle äginäische Mine gemeiner Norm in ihrem normalen Betrage dar, und
bietet, worauf wir schon oben (S. 524 sub 2) hingewiesen haben, einen wichtigen
Beleg für die Präexistenz dieser Gewichtsnorm an der asiatischen Rüste. —
Dass schliesslich auch Gegenstände sehr geringen Volumens in ihrem Gewicht
die Zugehörigkeit zum System bewahren können, dafür möge als Beispiel dienen:
a) Ein grosser goldener Ohrring, Brit. Mus. 72. 6 — 4. 484. (Nr. 1381), aus
Warka (dem alten Uruk, Erech der Bibel, Orchoe der Glassiker) stammend;
war zerbrochen und hat dabei wohl etwas an Gewicht verloren, — ein Verlust,
der durch den der Bruchstelle anhaftenden Leim wohl nicht völlig wieder ein-
gebracht ist Er wiegt 3,97 (1) g\ 7s leichter Goldschekel gemeiner Norm wöge
nonnal 4,09 (bis 4,10) g.
b) Von zwei wohlerhaltenen goldenen Ohrringen, die zusammen mit einem
Frauenschädel von der babylonischen Expedition in einem Grabe zuelHibbain
Südbabylonien geftmden sind und im Berliner Museum (V. A. 2092) bewahrt werden,
wiegt der eine 3,28 ^, der andere 3,27 g. Als Fünftel eines schweren Gold-
1) Brandis 8. 190.
2) Scbliemann, Ilios 8.520 u.618.
34'
(532)
Figur 27 a. Figur 27 b. schekels gefasst, ergeben sie für denselben 16,40, bezw.
16,35^; der normale Ooldschekel gemeiner Norm aber
wiegt 16,39 gl
Mehr als Beispiel für zierliche Thierdarstellungen,
als wegen ihrer etwaigen Gewichtsyerdächtigkeit (3,40 g^
also wenig mehr als die Qoldringe) sei schliesslich
eine kleine, etwas gehöhlte Elfenbeinplatte (ßerl. Mus.
V. A. 2099) erwähnt, deren Vorder- und Rückseite in
Fig. 27 a und 27 b wiedergegeben sind.
Zum Schluss freut es mich, den Herren vom Department of Oriental Anti-
quities imd vom Department of coins and medals, namentlich den Herren P. le
Page Renouf, Stuart Poole, Head und Cecil Smith für die Ldebenswürdig-
keit und Zuvorkommenheit, mit welcher sie meine Arbeiten gefördert haben, meinen
verbindlichsten Dank an dieser Stelle aussprechen zu können. —
V,
(21) Hr. Dr. Franz Boas übersendet aus Worcester in Massachusetts ein
grösseres Manuscnpt über
Sagen ans Britisch-Colnmbien.
In den folgenden Sagen, welche ich auf wiederholten Besuchen in Britisch
Columbien gesammelt habe, benutze ich, der Gleichförmigkeit halber, bei Schrei-
bung der indianischen Namen und Worte dasselbe Alphabet, das ich nach lieber-
einkommen mit Herrn Prof. Horatio Haie in meinen Berichten an die British Asso-
ciation for the Advancement of Science gebraucht habe: Die Vocale sind wie im
Deutschen gebraucht; e steht für Lepsin s § (wie in haben). Folgende Conso-
nanten müssen erklärt werden:
g' gutturales g;
k' gutturales k;
q wie ch in Bach;
H wie ch in ich;
Q zwischen q und h, der Mund in n- Position;
c das deutsche seh;
9 das englische th in thin;
tl explosives, dorso-apicales 1.
I. Sagen der Shushwap. Gesammelt in Kamloops.
1. Tlö'esa.
Es war einmal eine Frau, die hatte vier Söhne. Der älteste hiess Tle'esa. Die
jungen Männer wollten die Welt durchwandern. Da warf ihre Mutter ein Zauber-
mittel auf sie, um sie stark zu machen. Sie traf die drei jüngsten, den ältesten
aber verfehlte sie und er ward sogleich in einen Hund verwandelt. Sie sagte
ihnen dann alles voraus, was ihnen begegnen würde.
Die jungen Männer machten sich nun auf und wanderten vom Shushwap See
aus den South Thompson River hinab. Bald kamen sie zum Hause des „Wood-
chuck^ (Arctomys monax). Dasselbe stand gerade zwischen zwei Felsen. Wenn
jemand kam, so zog das Woodchuck sich in sein Haus zurück, und wenn man ihm
folgte, um es zu fangen, so schlugen die Felsen zusammen und tödteten den Ein-
dringling. Tle'esa sprach, als er viele Woodchucks auf den Felsen umherspielen
sah: „Ich will hingehen und sie fangen." Seine Brüder warnten ihn und er-
innerten ihn daran, dass seine Mutter ihnen erzählt habe, das Woodchuck tödte
jeden, der es angreife; er liess sich aber nicht halten und lief fort, sie sn fangen.
(533)
Die Woodchacks zog^n sich in ihr Haus zwischen den Felsen zurück. Da nahm
Tle'esa seine Lanze mit Steinspitze und stemmte dieselbe quer zwischen die Felsen,
die nun nicht mehr zusammenschlagen konnten. Dann fing er die Woodchucks
und erschlug sie mit dem Hammer, der von seinem Handgelenke herabhing. Er
warf sie dann aus der Felsspalte heraus und seine Brüder nahmen sie auf. Tle'esa
sprach: ,^Rünftighin sollt Ihr keine Menschen mehr tödten. Ihr sollt Woodchucks
sein und den Menschen zur Nahrung dienen." Während er noch in der Felsspalte
mit den Woodchucks kämpfte, machten seine Brüder ein grosses Feuer, brieten die
Thiere und hatten die besten aufgegessen, als Tle'esa endlich wieder aus der Fels-
spalte zum Vorschein kam. TlS'esa sagte nichts, sondern nahm, was übrig ge-
blieben war.
Dann gingen sie weiter den Fluss hinab. Als sie nach Ducks kamen, sahen
sie dort eine Frau auf einem Felsen sitzen und singen. Tle'esa sagte: „Ich will
sie fangen." Wieder warnten ihn seine Brüder, er Hess sich aber nicht zurück-
halten. Er ging den Berg hinauf und sammelte viele Tannenzapfen. Die Frau
lachte ihn an und ging eben so rasch rückwärts, wie er den Beig erklomm. Seine
Brüder folgten ihm. Endlich hielt die Frau stille. Als Tle'esa ihr nun nahe kam,
krochen plötzlich eine ungeheure Menge Klapperschlangen aus ihren Löchern und
gingen auf ihn los. Er aber tödtete alle mit seinen Tannenzapfen. Während er
noch mit den Schlangen kämpfte, liefen seine Brüder weiter und fingen die Frau
für sich. Tle'esa sagte nichts zu seinen Brüdern. Er sprach nur zu der Frau:
„Du wirst von jetzt ab niemand mehr tödten Wenn ein Mann Dich haben will,
wird er Dich nehmen und Du sollst ihm nichts anhaben können."
Die Brüder gingen weiter den Fluss hinab. Als sie nach einem Orte, etwas
oberhalb Ramloops kamen, sahen sie ein unterirdisches Haus'), neben dem eine
grosse Stange stand. Hier wohnte der graue Bär und der Coyote. Die Bären
sahen sie kommen und die drei Brüder traten ein. Sie banden Tle'esa vor der
Thtire fest, und bedeckten ihn über und über mit Steinmessem, sogar seinen
Schwanz und seine Zähne. Nach einiger Zeit lud der Bär sie zu einem Wett-
kampfe ein. Sie sollten an der Stange, die vor dem Hause stand, hinaufklettern.
Zuerst kletterte der zweite Bruder mit dem Bären zusammen hinauf. Als sie fast
oben waren, fasste ihn der Bär und tödtete ihn. Der Leichnam fiel von der Stange
herunter. Als Tle'esa das sah, ward er sehr zornig. Er heulte und fletschte seine
Zähne. Da rief Coyote: „Ich fürchte, der Hund wird uns auffressen. Er wird
ganz wild." Tlö'esa berührte Coyote nur mit seinem Körper, da blutete jener so-
gleich. Die Steinmesser hatten ihn geschnitten. Nun kletterte der dritte Bruder
mit dem Bären die Stange hinauf. Es erging ihm nicht besser, als dem ersten
Bruder, und den vierten ereilte dasselbe Schicksal. Nun war nur der Himd Tle'esa
übrig geblieben. Er schnitt das Seil durch, mit dem er festgebunden war und
kletterte mit dem Bären hinauf. Als sie fast oben waren, schnitt er den Bären
mitten durch, so dass ein Theil rechts, der andere links niederfiel. Vier Bären
kletterten mit ihm um die Wette, aber er tödtete alle. Dann legte er die Glied-
maassen seiner Brüder zusammen, sprang über sie fort und sie wurden wieder
lebendig.
Die Brüder wanderten weiter und gelangten nach Cherry Creek. Dort sahen
sie ein unterirdisches Haus, in dem wohnte das Kaninchen. Tle'esa sagte: „Ich
werde hineingehen. Ich will das Kaninchen zu Abend essen." Wieder warnten
ihn seine Brüder, er liess sich aber nicht zurückhalten. Er nahm einen flachen
1) Die Indianer leben im Winter in solchen Häusern.
(534)
Stein, bedeckte seinen Bauch und seine Brost damit and ging hinein. Die Brüder
blieben dranssen stehen nnd lugten in das Hans. Das Kaninchen lag auf dem
Bücken mit übereinandergeschlagenen Beinen. Es hatte etwas Fleisch hinter sich
liegen. Als es Tle'esa eintreten sah, rief es: „Holiah Fremder I Woher kommst
Dn? Wohin gehst Du?" Jener versetzte: „0, ich reise nur zu meinem Yeignüg^i
umher." „Gewiss bist Du hungrig. Hier hinter mir liegt Fleisch; nimm Dir daron!"
Als Tle'esa nun herankam und Ton dem Fleische nehmen wollte, trat ihn das
Kaninchen vor die Brust. So pflegte es alle Fremden zu tödten, die sein Ebius
besuchten. Sein Bein schlug immer gerade durch die Brust hindurch. Dieses Mal
aber zerschlug es sein Bein an dem Steine, der Tl€'esas Brust bedeckte. Es fing
an zu schreien. Tle'esa eingriff es an dem anderen Beine, schlug es gegen die
Wand und rief: „Bis jetzt hast Da Menschen getödtet. Nun tödte ich Dich und
werde Dich essen." Er warf es zum Hause hinaus. Da nahmen seine Brüder es
auf, und kochten und assen es, ehe Tle'esa herauskam.
Die Brüder gingen weiter und kamen nach Sayaners(?) Ferry. Dort stand
ein grosses Elch mit gespreizten Beinen über dem Flusse und tödtete alle, die
über den Fluss zu gehen versuchten. Es zog die Boote ans Land und verschlang
sie. Als die Brüder dort ankamen, wussten sie nicht, wie sie vorankommen sollten.
Tls'esa sprach: „Ich werde ein Floss bauen und hinunter fahren." Seine Brüder
wollten es nicht erlauben. Er aber kümmerte sich nicht um sie, sondern machte
ein Floss. Als er fertig war, süeg er darauf und liess es den Fluss hinab treiben.
Als er dicht an das Elch herankam, schlürfte dasselbe das Floss und Tlö'esa
herunter. Da weinten die Brüder, denn sie glaubten, er sei todt Die Stangen
des Flosses giujgen aber gerades wegs durch das Elch hindurch. Tlö'esa machte
drinnen ein Feuer an und kochte sich ein gutes Mahl. Dann ergriff er das Herz
des Elch und drückte daran. Da fing es an von einer Seite des Flusses zur
anderen zu schwanken. Als die Brüder das sahen, sprachen sie zu einander:
„Was mag mit dem Elch geschehen sein?" Als es nun wieder zu der Seite hin-
über schwankte, wo die Brüder standen, schnitt Tle'esa das Herz ab und es
fiel todt nieder. Die Brüder zogen es ab und schnitten es auf. Als sie nun
den Magen öfitnen wollten, rief Tle'esa: „Fasst auf und schneidet mich nichtl" Da
öffneten sie den Magen vorsichtig und fanden nun, dass Tle'esa sich drinnen ein
Mahl bereitet hatte. Die Brüder assen ihm alles auf.
Sie gingen nun über den Fluss. Bald erblickten sie einen „Tabaksbaum 0^-
Ein Ast desselben schwang im Kreise umher, sobald jemand versuchte, Tabak zu
holen, und erschlug ihn. Tle'esa nahm einen kleinen Stock und ging zu dem Baum
hinauf. Als der Ast zu schwingen begann, schlug er ihn mit dem Stocke durch
und warf ihn in den Fluss. Dann warf er den Baum mit seinem Stocke um, indem
er ihn ausgrab. Da kamen die Brüder herauf und nahmen allen Tabak ab.
Tle'esa bekam nichts.
Die Brüder gingen dann den Bonaparte Oreek hinauf. Dort ist ein steiler
Felsen, auf dem lebte die Bergziege, die alle tödtete, die sie zu fangen versuchten.
Am Fusse des Felsens war ein Hund, der die Vorübeigehenden biss. Tle'esa
sprach: „Ich will die Bergztege tödten und das Fett mit meinem Tabak mischen."
Die Brüder glaubten, er werde den Fels nicht ersteigen können. Er liees sich
aber nicht abhalten und ging, das Abenteuer zu bestehen. Als der Hund ihn
beissen wollte, spiesste er ihn auf seinen Stock auf und warf ihn zu Boden, indem
1) Yor Ankunft der Weissen gebrauchten die Indianer angebUcb die Blitter dietes
Baumes als Tabak. Die Gattung and Art war nicht in bestimmen.
(535)
er rief: ,Dii wirst niemand mehr tödtenl Rünllig sollen die Menschen Dich be-
nutzen.^ Er kletterte den Fels hinauf. Als die Ziege seiner ansichtig wurde,
wollte sie ihn hinunterwerfen. Er aber spiesste sie auf seinen Stock auf und zer-
trümmerte mit seinem Hammer ihren Kopf. Dann warf er sie den Berg hinunter
und sprach: „Du sollst niemand mehr tödten. Künftig sollen die Menschen Dich
tödten und verzehren.^ Sie kam ganz zerrissen unten an. Die Brüder hoben sie
auf und nahmen alles Fett, das sie mit ihrem Tabak mischten. So blieb für
Tle'esa nichts übrig.
Die Brüder wanderten weiter und kamen zn „Johnny Wilsons Place". Sie
gingen oben am Berghang entlang und sahen einen Mann unten am Flussufer
gehen. Da sprachen die Brüder zu einander: „Lasst uns ihn zum Besten haben!"
und sie warfen grosse Felsen nach ihm. Als der Staub sich verzog, sahen sie ihn
weiter gehen, als ob nichts geschehen sei. Einer nach dem andern versuchte ihn
zu treffen. Sie konnten ihm aber nichts anhaben, obwohl sie zuletzt einen grossen
Bergsturz zu Thal gehen liessen. Da ging Tle'esa hinab, um den Fremden zu
sehen. Er sah, dass jener einen kleinen Korb auf dem Rücken trug, nicht grösser
als eine Faust. Er sprach: „Wer bist Du? Wir haben versucht. Dich zum Besten
zu haben, konnten es aber nicht." Jener sagte, er heisse Tkumenaälst, und lud
Tle'esa und die Brüder zum Essen ein. Er that Wurzeln und Beeren in seinen
Korb und legte Steine ins Feuer. Als das Essen fertig war, sprach einer der
Brüder: „Wenn ich einen Bissen nehme, wird nichts mehr da sein." Als er aber
einen Löffel voll aus dem Korbe genommen hatte, ward derselbe sofort wieder
voll. Nachdem alle sich satt gegessen hatten, wanderten sie zusammen weiter.
Bald gelangten sie nach Hat Greek. Daselbst ist eine steile Felswand. Tle'esa
sagte: „Lasst uns hier etwas spielen I" Tkumenaälst frug, was- sie spielen sollten,
und Tle esa antwortete, sie wollten versuchen, den Kopf in den Felsen zu rennen.
Zuerst versuchten es die drei Brüder. Sie machten einen schwachen Eindruck in
den Felsen. Dann versuchte es Tle'esa und sein Kopf drang bis über die Ohren
in das Gestein ein. Tkumenaälst aber drang noch weiter, bis an seine Schul-
tern ein.
Dann gingen sie weiter und kamen nach Fountain Trail. Dort hatte ein Adler
sein Nest auf einem steilen Felsen. Tle'esa sprach: „Ich will seine Federn holen
und meinen Mantel damit besetzen." Seine Brüder warnten ihn. Er aber Hess sich
nicht abhalten. Er nahm seinen Stab, etwas rothe und weisse Farbe und setzte
sich unter den Felsen. Da sahen die Brüder, wie der Adler sich auf ihn herab-
stürzte. Er trug ihn in die Höhe und kreiste mit ihm. Er wollte ihn dann an
dem Felsen zerschmettern. Als er nun aber an den Felsen heranflog imd Tle'esa
dagegen schlagen wollte, stemmte dieser seinen Stab gegen den Felsen und entkam
so unverletzt Er spie etwas rothe Farbe, die er in den Mund genommen hatte,
gegen den Felsen und da glaubten der Adler und die Brüder, es sei sein Blut.
Der Adler flog nochmals in weitem Kreise mit ihm herum, um ihn gegen den
Felsen zu schlagen. Wieder stemmte Tle'esa seinen Stab dagegen und spie dieses
Mal weisse Farbe gegen den Felsen. Da glaubten der Adler und die Brüder, es
sei sein Gehirn. Er trug ihn dann in sein Nest und flog wieder von dannen. Die
jungen Adler wollten ihn fressen. Da zeigte er aber seinen Hammer und sprach:
„Nun rührt mich nicht an, sonst schlage ich Euch todt. Wenn Eure Mutter kommt,
bittet sie, sie solle sich auf den Rand des Nestes setzen, und wenn sie fragt,
warum Ihr mich nicht gefressen habt, sagt nicht, dass ich noch lebe!" Die jungen
Adler fürchteten sich und versprachen zu gehorchen. Bald kam die Alte heim und
brachte ihnen Bären und Hirsche. Als sie Tle'esa noch im Neste liegen sah, fragte
(536)
sie ihre Jungen, waram sie ihn nicht gefressen hätten. Dann flog sie wieder fori
Tle'esa ass mit den Jungen von den Bären und Hirschen. Als nun die Alte wieder
kam, baten die Jungen sie, sich an den Rand des Nestes zu setzen. Da schlug
Tle'esa sie mit seinem Hammer todt und sie fiel vom Felsen herab. Tl^'esas
Brüder nahmen den Adler auf, rupften ihm die Federn aus und liessen nichts für
Tle'esa übrig. Dieser sass nun im Neste und wusste nicht, wie er wieder herunter
kommen sollte. Endlich sagte er zu den jungen Adlern: „Tragt mich herunter,
aber haltet mich gut fest und thut mir nicht weh, sonst schlage ich Euch todt^
Die Adler ftlrchteten sich und gehorchten. Er band sich an die Adler fest und
sie flogen mit ihm aus dem Neste und liessen sich langsam zur Erde hinab. Ehe
er sich daran itiachen kommen konnte, ihnen die Federn auszurupfen, waren seine
Brüder herbeigekommen und hatten sie fortgenommen.
Die Brüder wanderten weiter und gelangten zum Fräser River. Da sahen sie
ein junges Mädchen an der anderen Seite des Flusses tanzen. Sie setzten sich in
einer Reihe am Ufer nieder und sahen ihr zu. Sie blieben dort sitzen, bis sie in
Steine verwandelt wurden.
2. Coyote.
1) Einst schien die Sonne zu heiss und verbrannte die ganze Erde. Da be-
schlossen die Thiere eine andere Sonne zu machen. Alle Vögel versuchten es, keiner
aber ward gut befunden. Endlich rief Coyote: „Lasst es mich jetzt versuchen!"
Er ging gen Sonnenaufgang und stieg den Himmel hinan. Sein Schwanz war aber
so lang, dass derselbe noch nicht ganz über dem Horizont erschienen war, als sein
Körper schon hoch oben am Himmel stand. Als er hoch genug war, um die Erde
übersehen zu können, fing er an zu schwätzen und erzählte alles, was er sah. Da
sagten die Thiere f „Nein, Du bist zu gesprächig. Du darfst nicht die Sonne sein."
Endlich ward der Tsqtskna'sp (ein Klettervogel mit rothen Flügeln und Schwanz,
rothen Wangen) die Sonne.
2) Vor langer Zeit war es sehr kalt auf Erden. Am oberen Theile des Flusses
war ein grosser Gletscher, von dem eisige Kälte ausging. Alle Thiere zogen ans,
um den Mann, welcher die Kalte machte, umzubringen, aber alle erfroren. Endlich
waren nur noch Coyote imd sein Vetter, der Fuchs, übrig geblieben. Coyote
wollte sich aufinachen, die Kälte umzubringen, aber der Fuchs warnte ihn davor. Er
htülte sich in warme Kleider und machte sich auf den Weg. Er kam bei allen
erfrorenen Thieren vorbei und je näher er dem Gletscher kam, um so kälter wurde
es. Endlich sah er das Haus, aus dem die Kälte hervorkam, vor sich. Obwohl
er sich noch fester in seine Decken hüllte, fror ihn sehr. Er hatte nun alle die
erfrorenen Thier hinter sich und gelangte endlich an das Haus. Er konnte kaum
die Kälte ertragen, ging aber doch hinein. Da erfror er und flel todt nieder. Vier
Tage lang wartete Vetter Fuchs auf ihn. Da aber jener nicht zurückkam, dachte
er, er sei erfk'oren. Er hüUte sich in warme EUeider und machte sich auf den
Weg. Er kam bei all den erfrorenen Thieren vorüber, fand aber nicht seinen
Vetter Coyote. Er lief weiter und bei jedem Schritte, den er machte, sprühte
Feuer unter seinen Füssen hervor. An seiner Schwanzspitze hingen Dentalien und
klapperten, wenn er sich bewegte. Er nahte sich dem Hause und hörte drinnen
jemand sprechen, konnte aber nichts sehen. Er ging ins Haus und trat einmal
mit seinem Fusse auf. Feuer sprühte aus dem Boden und das Eis des Gletschers
fing an zu schmelzen. Ein Strom Wasser lief herab und löschte das Feuer wieder
aus. Da trat er nochmals auf. Wieder sprühte Feuer aus dem Boden und schmoll
das Eis. Als er vier Mal aufgestampft hatte, war alles Elis geschmolz^i und es
wurde wieder warm. Coyote vmrde nun wieder lebendig, stand auf und sprsdi:
(537)
„Ich habe lange geschlafen." „Ja," versetzte der Puchs, „Du warst erfroren."
Der Fachs nahm ihm unter seinen Arm und befahl ihm, ganz stille za liegen. Als
nun das Fener ausgebrannt und das Wasser abgelaufen war, gingen sie zurück
und erweckten alle Menschen zu neuem Leben.
3) Coyote blickte nun immer den Fuchs an, als wolle er etwas sagen. Dieser
wusste ganz gut, was er wollte, sagte aber nichts. Endlich sprach Coyote: „Vetter,
bitte, leihe mir Deinen Schwanz." Fuchs erwiederte: „Nein das thue ich nicht.
Du möchtest Dir ein Leides anthun." Coyote aber versprach, gut Acht zu geben,
und endlich gab der Fuchs ihm seinen Schwanz und nahm den des Coyote. Er
warnte ihn aber, sich ja nicht nach dem Schwänze umzusehen, so lange er ihn trage.
Coyote versprach es. Als er den Schwanz bekommen hatte, lief er damit umher
und freute sich sehr an dem Gerassel der Dentalien. Endlich konnte er aber doch
der Versuchung nicht widerstehen und sah den Schwanz an, um zu sehen, ob
er ihn gut kleide. Er fand, dass er sehr hübsch aussah und freute sich sehr. Als
er aber nun weiter lief, fühlte er, dass er plötzlich sehr schwach wurde und sah
nun, dass seine Eingeweide ihm zum After hinaus hingen. Da rief er seinen
Vetter. Als dieser sah, was geschehen war, sprach er: „Ahal Du hast Deinen
Schwanz angesehen I" Er legte die Eingeweide in Coyotes Bauch zurück und
nahm ihm den Schwanz wieder fort
4) Coyote war sehr arm. Einst besuchte er seinen Vetter Fuchs, der einen
schönen, mit Adlerfedem besetzten Mantel hatte. Diesen wünschte Coyote zu haben.
Der Fuchs wusste sogleich, was Coyote wollte, stellte, sich aber, als merke er
nichts. Coyote sprach: „Ich sehnte mich nach Dir, Vetterl Deshalb komme ich.
Dich zu besuchen." Der Fuchs antwortete nicht Viermal wiedertiolte Coyote
seinen Spruch, erhielt aber keine Antwort. Fuchs kümmerte sich gar nicht um
ihn. Da ward Coyote böse und beschloss, Fuchs einen Streich zu spielen. Fuchs
war aufgestanden und fortgegangen. Da rannte Coyote ihm nach, riss ihm seinen
Mantel ab und hing ihn sich selbst um. Fuchs kümmerte sich gar nicht darum,
sondern ging ruhig seines Weges. Coyote sah sich an und dachte: „Jetzt bin ich
hübsch." Er ging nach Hause zurück, zuerst langsam. Dann fing er an zu traben,
und als er lief erhob sich ein Wind, der wurde um so stärker, je schneller er lief.
Die Federn seines Mantels stoben umher, und der Wind blies ihn endlich gerade
in die Höhe. Als er wieder herunterfiel, kam der Fuchs gelaufen und nahm ihm
seinen Mantel wieder ab. Coyote war halb todt. Fuchs sprach: „Da siehst Du,
wie es Dir ergeht. Immer versuchst Du mir Streiche zu spielen und weisst doch,
dass Du mir nichts anhaben kannst."
5) Der Büffel hatte zwei Frauen. Er war so alt, dass seine Homer fast ganz
abgenutzt waren. Einsfc stahlen die Wölfe seine Frauen. Er wollte sie verfolgen,
wusste aber nicht, wohin sie gegangen waren. Da traf ihn Coyote und verspottete
ihn ob seines Unfalls. Darüber ward der Büffel böse und rannte auf den Coyote
los, ihn aufzuspiessen. Dieser entfloh und der Büffel verfolgte ihn. Als nun der
Coyote müde wurde, lief er in ein Loch, verrichtete seine Nothdurfl und sprach zu
seinen Exkrementen: werdet ein Baum. Es geschah also und er kletterte hinauf.
Als der Büffel ihn nun oben im Baume sitzen sah, stiess er gegen den Baum, bis
er umfieL Unterdes hatte Coyote sich ausgeruht und lief weiter. Als er wieder müde
wurde, machte er einen zweiten Baum und rettete sich darauf. Vier Mal entkam er
auf solche Weise. Als der vierte Baum umfie) sprach er zum Büffel: „Nun ist
es genug, Freund 1 Ich will Dir helfen, dass Du Deine Frauen wiederbekonmist
Ich will Dich schön und jung machen." Der Büffel war es zufrieden. Da nahm
der Coyote eines seiner Homer und zog es aus. Als es schön und lang war, zpg
(538)
er das andere auch lang. So bekam der Büffel wieder schöne, scharfe Homer. Dann
machte Coyote das Haar auf seinem Kopfe schön. Er zog an seinen Beinen und an
seinem Schwänze und der Büffel sah nun wieder aus, wie ein schöner junger Büffel.
Da sprach der Büffel zum Coyote: „Nun will ich Dich schön machen!" Er zog
seine Schnauze lang und seither hat der Coyote eine lange Schnauze und kleine,
schmale Augen. Und er zog seine Beine und seinen Schwanz lang. Dann sprach
er: „Ich bin fertig, mein Genosse. Nun lass uns zum Wasser gehen und sehen,
wie wir ausschauen." Als Büffel sich sah, war er sehr froh, Coyote aber mochte
seine lange Nase gar nicht leiden. Der Büffel sprach nun: „Lass uns meine Frauen
suchen. Wenn Du weisst, wo sie sind, sollst Du eine haben." Coyote sprach:
„Siehst Du das Thal? Dort wohnen vier Wölfe. Die haben sie geraubt Es ist
sehr schwer, sie wiederzubekommen, aber lass mich nur machen. Folge mir!" Sie
gingen das Thal hinauf. Bald sahen sie die beiden Frauen Wurzeln graben. Da
machte Coyote einen dichten Nebel, so dass niemand sie sehen konnte. Sie gingen
auf die Frauen zu und als sie bei ihnen waren, sprach der Büffel zu ihnen: „Ich
kam Euch zu holen," und sie nahmen die Frauen mit. Sic kletterten einen der
Beiige hinauf, die das Thal begrenzten, und der Nebel folgte ihnen. Als sie oben
ankamen, verschwand der Nebel. Die Wölfe vermissten bald die Frauen und
folgten der Spur. Bald kamen sie den Flüchtigen näher und sahen nun den Büffel,
Coyote und die Frauen. Sie holten sie ein und griffen den Büffel an. Da warf
dieser sie in die Luft und schlitzte ihren Bauch auf, so dass die Eingeweide
herauskamen, und der Coyote sprang vor Freude darüber hin und her. Sie gingen
weiter. Bald sprach der Büffel: „Mein Genosse, hier wollen wir uns trennen! Ich
versprach Dir eine meiner Frauen. Nimm diese, sie ist die beste." Er fuhr fort:
„Ich will Dich lehren, wie Du sie behandeln musst. Wenn Du hungrig bist,
kannst Du sie tödten, ein Stück Fleisch abschneiden und es rösten. Aber wenn
Du sie getödtet hast, musst Du Dich auf sie setzen, ein Feuer neben Dir machen
und das Fleisch kochen. Du darfst nicht aufstehen, bis Du fertig gegessen hast
Dann wird sie zugleich mit Dir wieder aufstehen." Coyote befolgte anfänglich die
Anweisung des Büffels. Eines Tages, nachdem er seine Frau getödtet hatte, und
sein Feuer nur klein brannte, dachte er aber: „Weshalb sollte ich nicht etwas Holz
holen?" Er ^stand auf und ging fort Als er zurückkam, erblickte er eine alte
Frau, die das Fleisch bis auf die Knochen aufgegessen hatte und nun als Fuchs
von dannen lief. Da dachte er: „Ist schon meine Frau fort, so habe ich doch
wenigstens ihre Knochen." Er sammelte sie und trug sie fort. Als er hungrig
wurde, machte er sich ein Feuer und fing an die Knochen mit Steinen zu zer-
schlagen und das Mark zu essen. Während er noch so beschäftigt war, kam eine
alte Frau des Weges und sprach : „Solche Arbeit ziemt sich nicht für einen grossen
Häuptling, wie Du bist, lass mich es thun." Coyote sagte: „Das ist wahr,"
und gab ihr Knochen und Steine. Er legte sich ans Feuer. Als er sich um-
wandte, hatte die Alte fast alles Mark in ihren Korb geworfen. Coyote dachte, sie
wird mir sagen, wenn sie fertig ist, und drehte sich wieder zum Feuer. Da er
aber längere Zeit gar nichts hörte, wandte er sich wieder um und sah die Alte
fortlaufen und dabei fressen. Er rannte hinter ihr her. Als er sie aber einholte,
schlug sie ihn auf die Brust, so dass er hinfiel. Er stand wieder auf und dachte:
„Das ist schlimm. Nun will ich wenigstens meine Knochen kochen und das Fett
heraus sieden." Er nahm die Knochen, zerklopfte sie und wollte sie ins Wasser
werfen, um sie zu kochen. Da kam wieder der ]<\ichs in Gestalt einer alten Frau
einher und sprach: „Solche Arbeit ziemt sich nicht für einen grossen Häuptling,
wie Du bist, lass mich es thun." Coyote sagte: „Das ist wahr," und lieu aie
(539)
kochen, während er sich ans Feuer setzte und daranf wartete, dass sie ihn rufen
sollte. Als er sich aber umdrehte, sah er wieder einen Fuchs fortlaufen und dabei
das Fett trinken. Er verfolgte ihn. Der Fuchs aber schlug ihn auf die Brust, so
dass er niederflel. Da wurde Coyote betrübt und ging von daunen. Die Frau
aber stand nun wieder auf und ging zu dem Büffel zurück.
6) Coyote kam einst zu einem Hause, in dem wohnten die „Foolhen^ und
ihre Kinder, das „Woodpartiidge", das Prainehnhn und das Rebhuhn. Die Mutter
war gerade ausgegangen, als er ankam. Er frug die Rinder: „Habt ihr etwas zu
essen?** Sie antworteten: „Nein wir haben nichts." „Wo ist denn Eure Mutter?"
„Sie ist im Walde und sucht Beeren." „Und Ihr habt wirklich nichts zu essen?"
„Nein, wir haben nichts." „Ich habe mich in den Fuss geschnitten. Könnt Ihr
mir nicht etwas Harz geben, damit ich die Wunde damit verschmiere?" Die Kindei^
gaben es ihm. Da nahm er es, verklebte ihre Augen und verliess sie. Da ver-
loren die armen Kinder sich im Walde. Als ihre Mutter nach Hause kam, fand
sie sie im Walde umherlaufen und brachte sie nach Hause zurück. Sie erzählten
ihr dann, dass Coyote sie so zum Besten gehabt habe. Die Alte und die Kinder
folgten seiner Spur und fanden, dass er einem Pfade nachging, der an einem steilen
Abhänge entlang führte. Die Mutter hiess zuerst das Rebhuhn sich im Grase ver-
bergen, ein wenig weiter versteckte sie das Prairiehuhn, noch weiter das „Wood-
partridge", und endlich verbarg sie sich selbst im Grase. Sie hatte ihren Kindern
gesagt, was sie thun sollten. Es dauerte nicht lange, da kam Coyote des Weges
und sofort flog das Rebhuhn dicht vor ihm auf. Er erschrak so, dass er fast die
Klippe hinabgestürzt wäre. Ebenso thaten die andern. Als das „Woodpartridge"
aufflog, hielt er sich nur mit Mühe auf den Füssen. Als er weiter ging, sprach
er: „Fast wäre ich aber gefallen." Da flog die Alte auf und er stürzte in den
Abgrund. Die Hühner glaubten, er sei todt. Sie flogen hinunter und erstaunten
sehr, als sie ihn noch am Leben fanden. Die Alte frug: „Was thust Du hier?"
„O," antwortete er, Jemand hat mich erschreckt, und da bin ich die Klippe
heruntergefallen." Die Alte sprach: ^Ich habe es gethan, weil Du meinen Kindern
die Augen verklebt hast. Nun siehe, wie Du hier fortkommst. Wir werden Dir
nicht helfen." Damit flogen sie von dannen. Als sie fort waren, stand Coyote
wieder auf und lief fort.
7) Er sagte: „Ich muss etwas Spass haben. Ich will mit meinen Augen
spielen." Damit riss er sich die Augen aus. Er warf sie dann in die Höhe und
fing sie wieder. Einmal warf er sie sehr hoch. Da fing die Dohle seine Augen
und flog damit fort. Da stand er nun ohne Augen und wusste nicht, was er thun
sollte. Er fühlte umher und fand einen Hagebuttenstrauch. Da pflückte er einige
Hagebutten und setzte sie sich als Augen ein. Er konnte nun wieder sehen und
wanderte fürbas. Bald kam er an ein Loch, aus dem Rauch aufstieg. Eine alte Frau
sass dort und fragte ihn, woher er komme. Er antwortete, er reise ohne bestimmten
Zweck umher, und fragte, ob sie allein dort wohne. „Nein," antwortete sie, „ich habe
vier Töchter, aber sie sind hingegangen, die Spiele anzusehen." „Was für Spiele?"
fragte der Coyote. „0, viele Leute tanzen dort," sprach sie, indem sie nach der
betreffenden Stelle wies. „Warum tanzen sie denn?" „Sie spielen um Coyotes
Augen. Die Dohle hat sie gestohlen." „Das möchte ich sehen," versetzte Coyote,
„zeige mir doch den Weg." Die Alte erfüllte seine Bitte, und er ging zu dem
Platze, wo alle Tänzer versammelt waren. Die Leute sassen alle im Kreise umher.
Nachdem einer mit den Augen getanzt hatte, gab er sie seinem Nachbar, der dann
einen Tanz begann. Coyote setzte sich an die Thüre und wartete, bis an ihn die
Reihe kam. Dann sang er zu seinem Tanze: „Wie hübsch die Augen sind. Früher
(540)
habe ich nie dergleichen gesehen.^ Vier Mal tanzten sie hemm. Als nun das
vierte Mal an ihn die Reihe kam, nahm er die Augen nnd rannte zur Thür hinaus.
Dann warf er sie in die Höhe und sie fielen Ton selbst in die Augenhöhlen zurück,
wo sie sogleich festwuchsen. Die Thier verfolgten ihn, konnten ihn aber nicht
einholen. Als er in Sicherheit war, setzte er sich hin und lachte, weil er seine
Augen wieder hatte. Er sang: „Ich wusste, ich würde Euch besiegen. liier habe
ich meine Augen wieder. Hier habe ich mein Eigenthum wieder."
8) Coyote kam an ein Haus, in dem er sprechen hörte. Er ging hinein, sah
aber niemand. Als er der Stimme nach ging, fand er in einer Ecke des Hauses
ein Haar, das sprach. Er nahm es und warf es auf den Boden. Dann hörte er
wieder sprechen, sah aber niemand. Er rief der Stimme zu: „Lass Dich sehen
und gieb mir zu essen" ; aber niemand liess sich blicken. Als er der Stimme nach
ging, fand er einen Ramm an der Wand stecken, der sprach. Er nahm ihn und
warf ihn zu Boden. Endlich fand er vier mit Oel gefüllte Lachsfelle. Er sagte:
„Euch suchte ich," nahm sie und trank sie aus. Dann ging er weiter den Fluss
entlang. Nach kurzer Zeit wurde er durstig. Da ging er zum Flusse hinab, trank
und ging wieder hinauf. Nach kurzer Zeit wurde er wieder durstig. Da dachte
er: „Es ist zu umständlich, immer zum Flusse hinab zu gehen, ich will am Ufer
entlang gehen, dann kann ich bequemer trinken." Nach einiger Zeit ward ihm
aber auch dies zu umständlich. Er dachte: „Ich will lieber im Wasser gehen,
dann brauche ich mich nur zu bücken." Er that also, war aber noch immer
durstig. Da ging er bis an die Brust ins Wasser. Nach kurzer Zeit war ihm auch
das zu viel Mühe und er ging so tief in den Fluss, dass das Wasser ihm einfach
in den Mund lief. Er trank so viel, dass er endlich platzte.
9) Coyote hatte einen kleinen Kessel im Felsen gerade dort stehen, wo der
Weg den South Thompson River hinauf führte. Einst kam jemand des Weges
und warf ihm den Kessel ins Wasser. Derselbe kam aber von selbst wieder.
Dann stahlen ihn einige Leute. Er kam aber immer von selbst wieder zurück.
Endlich aber trug jemand ihn fort und er kam nicht wieder.
10) Einst kam die Eule den South Thompson River herab. Coyote hörte sie
kommen und singen: „Hl hl, ich bin es, der alle Menschen tödtet und frisat"
Coyote hielt an und sagte zu sich: „Der ist gefährlich. Er wird mich fressen.
Ich will denselben Sang singen, wie er; vielleicht fürchtet er sich dann." Als
die beiden sich nun trafen, sprach Coyote: „Es scheint, Du bist also gerade so
stark wie ich. Ich fresse auch alle Menschen. Bleib ein wenig hier und lass
uns etwas spielen. Wir wollen uns übergeben und sehen, was wir im Magen
haben." Eule war es zufrieden, und schlug vor, dass Coyote anfangen sollte.
„Gut", sagte er, „aber wir müssen die Augen schliessen, bis wir fertig sind. OeflTne
Deine Augen nicht, bis ich rufe." Eule schloss die Augen und nun übei^b sich
Coyote. Er hatte nichts als Gras im Magen. Dann übergab sich die Eule und
spie lauter Menschenfleisch aus. Rasch tauschte Coyote das Erbrochene aus und
rief nun. Als die Eule es sah, rief sie: „Ich habe Gras gespieen", und sie fürchtete
sich vor Coyote, vor dem das ausgespiene Menschenfleisch lag. Beide wurden in
Felsen verwandelt, die noch heute zu sehen sind. Ihre Mäuler sind weit offen.
3. Der Luchs und das Mädchen.
Es war einmal ein Mädchen, die wollte gar keinen Mann nehmen, obwohl
viele Männer sich um sie bewarben. Sie wohnte in einem unterirdischen Hanse
und ihr Lager war gerade am Fusse eines Pfostens. In demselben Dorfe lebte
auch der Luchs, der in einer kleinen Hütte wohnte. Dieser hätte gar zu gerne
(541)
das Mädchen gehabt, wussie aber nicht, wie er sie bekommen sollte, da ihre Eltern
sie stets bewachten. Eines Nachts schlich er sich aaf das Haas und schlug sein
Wasser dort ab, so dass es an dem Pfosten herunterlief, an dem das Mädchen lag.
Es lief gerade in deren Mund. Da ward sie schwanger, und Niemand wusste, wie
es zugegangen war. Sie gebar einen Knaben. Als der Knabe vier Jahre alt war,
beschlossen die Eltern des Mädchens, einen Versuch zu machen, ausfindig zu
machen, wer der Vater des Kindes sei. Sie setzten einen Vogel auf die Spitze
der Leiter, die in ihr Haus hinabführte, und sagten allen Männern, sie sollten ver-
suchen, den Vogel mit ihren Pfeilen zu treffen. Sie versprachen dem, der den Vogel
traf, ihre Tochter zur Frau. Alle schössen danach, aber keiner konnte ihn treffen.
Endlich hatten alle geschossen, nur der Luchs noch nicht, der ein alter Mann war
ttnd still an seinem Feuer lag. Die Eltern des Mädchens sandten nach ihm, er
aber antwortete: „Warum soll ich kommen? Die jungen Leute haben den Vogel
nicht treffen können, wie sollte ich es denn vermögen? Meine Augen sind ja halb
erblindet^ Er musste aber doch endlich kommen, und man gab ihm Bogen und
Pfeil. Er schoss ab, ohne einmal hinzusehen und traf den Vogel. Da schrieen
Alle: „Der Luchs bekommt das Mädchen zur Frau^. Ihre Eltern machten einen
Sitz für ihn neben dem Feuer bereit. Als er dort nun sass, sprachen sie zu allen
Leuten: „Wir wollen unsere Tochter, ihren Mann und ihr Kind verlassen." Sie
packten ihre Habseligkeiten auf. Dann traten sie den Luchs mit Fassen, so dass
seine Knochen brachen und sein Körper ganz zerschunden wurde. Sie löschten
alle Feuer aus und zogen fort Die Grossmutter des Mädchens, die Elster, hatte
aber Mitleid mit ihr. Sie legte eine glühende Kohle in eine Muschelschale, that
etwas Nahrung dazu und versteckte sie. Die Leute hatten alle ihre Vorräthe, die
unter Steinen versteckt waren, mitgenommen und glaubten, die drei müssten ver-
hungern. Als die Frau nun allein da sass, fing sie an zu weinen. Sie suchte
unter den Kohlen nach Feuer, fand aber nichts. Es wurde dunkel und ihr Kind
weinte. Da hörte sie in der Ecke des Hauses etwas rufen. Sie ging der Stimme
nach und fand die Muschel, welche sie gerufen hatte. Da nahm sie die Kohle
und die Nahrungsmittel und machte sich ein Feuer. Als sie die Nahrungsmittel
kochte, wurden dieselben soviel, dass sie und ihr Kind vollauf zu essen hatten.
Als sie satt waren, schritt sie viermal über den Luchs fort, und sofort war der-
selbe wieder gesund. Nur sein Gesicht war noch ganz zerschunden. Sie strich
mit der Hand über seinen Kopf(?), und derselbe ward auch wieder ganz heil.
Dann ging er auf Jagd und erlegte viel Wild. Dann machte er, dass tiefer Schnee
fiel und die Leute, welche sie verlassen hatten, nichts fangen konnten, so dass sie
bald grosse Noth litten. Er selbst aber hatte Fleisch in Hülle und Fülle. Seine
Frau trocknete es und legte viele Verstecke an In eines, das für die Elster be-
stimmt war, that sie die besten Stücke; für die anderen bewahrte sie nur Haut
und Knochen, für den Coyote Füsse, Magen und Eingeweide. Nach einiger Zeit
kam die Elster zu dem verlassenen Dorfe, um sich nach ihrer Enkelin umzusehen.
Sie fürchtete schon, jene sei todt, und war sehr erstaunt, als sie den Knaben ent-
deckte, der mit einem schneeweissen Balle spielte. Bald sah sie, dass der Ball aus
Hirschfett gemacht war. Sie versteckte sich, und als der Ball an ihr vorüberrollte,
sprang sie darauf los und frass ihn. So hungrig war sie. Da weinte der Kleine:
„Die Elster hat meinen Ball gestohlen." Als der Luchs das hörte, kam er aus
dem Hause und sagte zu ihr; „Warum nahmst Du den Ball meines Sohnes? Wenn
Du hungrig bist, komme in's Haus, ich will Dir zu essen geben." Sie gingen
hinein und gaben ihr Fleisch und Fett. Als die Elster sich satt gegessen hatte,
trog sie, was übrig blieb, nach Hause, um es ihren Kindern zu geben. Sie pflückte
(542)
Flechten von Tannen ab nnd röstete sie. Diese gab sie dann ihren Rindern mit
Hirschfett zn essen. Als sie das Essen vertheilte, riefen die Kinder: „Du hast
meinem Bruder mehr gegeben, als mir^, nnd zankten sich. Der Rabe, der mit
im Hause wohnte, und dieses hörte, fragte: „Wovon redet Ihr da?^ Die Elster
sagte: „0, es ist nichts, die Rinder zanken sich nur.^ Da setzte der Rabe sich
wieder an's Feuer und schlummerte. Er blinzelte aber hinüber und sah nun, dass
die Rinder Hirschfett assen. Da sprang er auf und rief: „Woher habt Ihr das
Fett bekommen?" Die Alte erzählte nun, dass der Luchs Nahrungsmittel in Hülle
imd Fülle habe. Dann gingen alle zu den Verlassenen zurück; der Luchs gab
Jedem die Yorräthe, die er für ihn aufgespeichert hatte, und jagte dann für sie.
4. Das Raninchen.
Das Raninchen und seine Grossmutter lebten in einem unterirdischen Hause.
Neben ihnen lebte der graue Bär, der zwei Rinder hatte. Einst hatte das Ranin-
chen nichts zu essen und sprach zu setner Grossmutter: „Ich werde zum Ver-
stecke des Bären gehen und mir stehlen, was ich nöthig habe.*' Die Orossmutter
warnte es, es hörte^^ aber nicht. Es plünderte das Versteck und liess nichts drinnen,
als einen Rorb voll Wespen und einen toU Ameisen. Als es nach Ebiuse kam,
hiess es seine Grossmutter kochen und braten und gab ein grosses Fest Am
nächsten Morgen ging der Bär an sein Versteck und fand, dass es ganz ausge-
plündert war. Er fragte alle seine Nachbarn, ob sie wüssten, wer es gestohlen habe,
erhielt aber keine Auskunft. Endlich ging er zum Raninchen: „Jemand hat mein
Versteck geplündert", sprach er. Raninchen rersetzte: „Jemand hat mein Versteck
geplündert". Bär fuhr fort: „Ich frage Dich, Raninchenl Weisst Du nicht, wer
es gethan hat?" Dieses erwiederte: „Ich fhige Dich, Raninchen! Weisst Du
nicht, wer es gethan hat?" Nun ward der Bär zornig und sprach: „Ich glaube,
Du hast es gethan." „Ja", rief da das Raninchen, „ich habe es gethan. Ich stahl
es und habe alles aufgegessen." Da wurde der Bär zornig und wollte mit dem
Raninchen kämpfen. Dieses steckte seine Grossmutter unter einen Korb, legte
seinen Mantel an und riss sich ein Bein aus, das es als Hanmier gebrauchte.
Dann warf es Tannenholz in's Feuer, dass sein Haus ganz voll Rauch wurde, und
fing an zu kämpfen. Es sprang um den Bären herum. Einmal eingriff dieser es
und quetschte es. Es sprang aber wieder fort und hielt den Bären so in Athem,
dass er endlich müde wurde. Da schlug es ihn mit seinem Hammer todt nnd
tödtete dann auch die jungen Bären.
5. Die Moschusratte.
TsaÜ hatte einen Enkel, die Moschusratte. In demselben Dorfe, in dem sie
wohnten, lebte auch ein Häuptling, der hatte eine sehr schöne Tochter. Jeder
wollte sie heirathen und auch die Moschusratte wünschte sie zu haben. Sie war
aber sehr hässlich und alle Mädchen verspotteten sie. Das Mädchen war gerade
mannbar geworden und wohnte noch in ihrem Häuschen. Eines Tages, als die
Moschusratte um das Häuschen herumstrich, hörte sie das Mädchen singen: „Die
Moschusratte hat kleine Aeuglein. Ihr Schwanz ist platt und ihre Beine krumm.
Ihr Bauch ist dick!" Rurz, sie verspottete die hässliche Gestalt der Ratte. Da
beschloss diese, sich zu rächen. Sie ging nach Hause und machte sich Schnee-
schuhe, wie alle möglichen Stämme dieselben gebrauchen Dann machte sie sich
Pfeile von allen möglichen Stämmen. Als es Nacht wurde, legte sie nach ein-
ander die Schneeschuhe an und lief um die Hütte herum, in der daa Mäddiea
war. Dann nahm sie Bogen und Pfeile und erschoss sie mit all den Pfeilen« Dit
(543)
Matter des Mädchens sandte am nächsten Morgen ihre jüngste Tochter Tsk'a'Hoya
(= ein wenig thöricht) zu ihrer Schwester, ihr Feuer zu bringen. Die Kleine ging
zur Hütte, rief ihre Schwester, erhielt aber keine Antwort. Da öffnete sie die
Thür und sah nun ihre Schwester von vielen Pfeilen durchbohrt daliegen. Sie
lief zu ihrer Mutter und erzählte ihr, was sie gesehen. Da liefen alle Leute zu-
sammen. Sie sahen nun die Spuren der Schneeschuhe der feindlichen Stämme
und erkannten deren Pfeile. Daher glaubten sie, diese hätten einen Ueberfall ge-
macht und das Mädchen getödtet. Sie brachten den Leichnam in's Haus und
riefen die Rrankenbeschwörer, um zu versuchen, sie zu heilen; doch all' ihre Ver-
suche waren vergeblich. Endlich riefen sie die Moschusratte, die bei ihrem Feuer
lag und schlief. Sie hatte schon darauf gewartet und sich vorher viele Löcher
am Ufer eines Sees gegraben. Sie ging in's Haus und fing gleich an zu tanzen
und zu singen. Sie sang: he öine' öine' he, und kletterte die Leiter des Hauses
hinauf. Dann kam sij wieder herunter und sprach: „Beinahe hätten die Geister
etwas zu mir gesagt.^ Da riefen alle: „Tanze noch einmal^. Sie sang wieder:
he öine' oine' he, und kletterte die Leiter hinauf. Als sie wieder herunter kam,
sprach sie wieder: „Beinahe hätten die Geister etwas zu mir gesagt^ Sie tanzte
zum dritten und vierten Male. Beim vierten Male kletterte sie die Leiter ganz
hinauf und sang, als sie oben sass: „he öinö' öine' h§. Ich habe das Mädchen ge-
tödtet"/und rannte fort. Da verfolgten alle Thiere sie: der Fuchs, der Hase, der
Coyote, der Wolf und der Adler. Als sie die Ratte fast eingeholt hatten, sprang
sie in den See. Coyote sprang ihr nach und glaubte sie gefasst zu haben. Es
war aber nur ein Bündel Wasserpflanzen. Sie tauchte bald hier, bald da auf und
schWamm bald zu diesem, bald zu jenem Loche und sang weiter: „Ich habe das
Mädchen getödtet" Die Thiere konnten sie nicht fangen.
6. Die Bergziegen.
Es war einmal ein alter Mann in Ramloops, der ging auf Bergziegenjagd.
Er kletterte auf den Bergen umher und ward endlich müde. Da legte er sich
schlafen und hörte im Traume zwei schöne Frauen sich nahen imd singen. Er
wachte auf und erblickte wirklich zwei Frauen. Sie traten zu ihm und sprachen:
„Wir haben Dich gesucht. Konune mit uns!" Der Alte antwortete nicht Da
forderten sie ihn nochmals auf mitzugehen und als sie ihn viermal aufgefordert
hatten, stand er auf und begleitete sie. Die Frauen waren in Wirklichkeit Berg-
ziegen. Er hing seinen Bogen und seinen Röcher mit den Pfeilen an eine kleine
Fichte. Bald gelangten sie an eine steile Klippe. Die Frauen sagten, das sei ihre
Heimath und fingen an hinaufzuklettern. Der Mann konnte ihnen nicht folgen.
Da drehten sie um, gaben ihm ein Paar Schuhe, und er konnte nun leicht hinauf-
klettern. Als sie oben ankamen, zeigten ihm die Frauen ihr Haus auf einer nahen
Klippe und er ging mit ihnen hinein. Da sah er viele Böcke und Ziegen umher
liegen und er wurde selbst in einen Bock verwandelt Nachts wollte er bei den zwei
Ziegen schlafen, sie aber sagten ihm, er müsse warten, bis die Brunstzeit komme.
Als die Brunstzeit kam, kämpfte er mit den Böcken und schlug alle aus dem Felde.
Er hatte alle Ziegen für sich. Nach einiger Zeit sagten diese zu ihm : „Die Brunst-
zeit ist wieder um, und Du darfst nicht mehr zu uns kommen." Nun kamen auch
alle die anderen Böcke zurück. Nach einiger Zeit bekam der Mann Heimweb.
Die Ziegen merkten es bald und fragten ihn, was ihn so betrübt mache. Er aber
lag da und antwortete gar nicht. Da sprachen sie: „Du sehnst Dich nach Hanse
zurück. Wir wollen Dich hinbringen. Merke auf! Künftighin darfst Du nie
wieder junge Bergziegen schiessen, Sie werden Dich kennen und mit Dir spielen.
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uns Alte aber darfst Du schiessen. Wenn Du einen steilen Fels erklimmen
willst, so speie nur in Deine Hände und auf Deine Füsse.^ Sie brachten ihn in
die Nähe des Dorfes. Die Leute hatten ihn längst verloren gegeben und vergeb-
lich auf den Bergen nach seiner Leiche gesucht. Anfänglich konnte er nicht zum
Dorfe zurückkehren, da er unwillkürlich immer wieder floh, sobald er Menschen
witterte. Endlich aber wurde er entdeckt. Die Leute sahen ihn Tor dem Dorfe
sitzen und sprachen zu einander: ,,Sieht der nicht gerade aus, wie der Mann,
der in den Bergen verloren ging?" Sie holten ihn zurück und nach einiger Zeit
erzählte er seine Erlebnisse. Wenn er nun jagen ging, liefen ihm die jungen
Bergziegen immer entgegen.
7. Der Lachsfischer.
Es war einmal ein alter Mann, der fing immer Lachse mit einem Speer, der
mit rothen Spechtfedem besetzt war. Der Specht Tsk*usk*oa'sp sagte zu den
anderen Vögeln: „Lasst uns seinen Speer stehlen.^ Zuerst sandten sie den Vogel
TsutsuspEla'n aus. Derselbe verwandelte sich in einen Lachs und schwamm auf
den Alten zu, der sich aber gar nicht um ihn kümmerte. Dann sandten sie den
Vogel Tsk'oälc'En aus. Auch er verwandelte sich in einen Lachs und schwamm
auf den Alten zu, der sich aber nicht um ihn kümmerte. Ebensowenig hatte
Tsk'usk'oa'sp selbst Erfolg. Endlich sandten sie den schwarzen Specht mit rothem
Kopfe, Tsuqk'i'n, aus. Auch er verwandelte sich in einen Lachs und schwamm
auf den Alten zu. Da warf dieser ihn mit seinem Speer und zog ihn an's Land.
Tsuqk'i'n aber brach die Speerspitze ab und schwamm damit von dannen. Da
wurde der Alte sehr betrübt. Er ging den Fluss hinab und fragte Jedermann, ob
er nicht einen Lachs gesehen habe, der seinen Speer abgebrochen und fori-
genommen habe, und versprach grossen Lohn, wenn er den Speer wiederbekäme.
Endlich kam er auch zu Tsuqki'n, der wieder seine nattlrliche Gestalt angenomm^i
hatte. Er fragte ihn: „Hast Du nicht einen Lachs gesehen, der mit meinem Speer
fortgeschwommen ist?" Tsuqk'i'n antwortete: „Was willst Du mir geben, wenn ich
ihn Dir wieder verschaffe?" „Was Du willst. Ich habe vier Mäntel, davon kannst
Du Dir einen aussuchen." Er zeigte sie ihm der Reihe nach, und Tsuqki'n
wählte den letzten, der ganz mit rothen Federn besetzt war. Er nahm ihn und
gab ihm den Speer zurück. Er war sehr eitel auf den Mantel und ging nun mit
den anderen Vögeln wieder den Fluss hinab. Unterwegs sahen sie eine Forelle
halb todt am Ufer liegen. Tsuqki'n sandte Tsk'usk'oa'sp hinab, sie zu fangen.
Die Forelle lockte ihn weiter und weiter in den Fluss, eigriff ihn dann und trog
ihn den Fluss hinauf, wo er mit ihm in einem Felsen verschwand. Es war in
Wirklichkeit der Wassergeist OkElmuqöluq, der nur die Gestalt einer Forelle an-
genommen hatte. Da gingen die Vögel ihnen nach, um ihren Genossen zu befreien.
Als sie zu dem Felsen kamen, in dem die Forelle mit Tskmsk'oa'sp verschwunden
war, hiess Tsuqki'n TsutsupEla'n mit dem Schnabel gegen den Felsen schlagen und
dabei rufen: „am Tsuqki'n". Der Vogel rief aber seinen eigenen Namen und
schlug daher seinen Schnabel an dem Felsen platt. Ebenso erging es Tsk o&'k*cn,
der auch, statt zu rufen, wie ihm aufgetragen war, am Tsk*oä'k*En rief. Da schlug
Tsuqk'i'n selbst gegen den Fels und rief dazu: „am Tsuqk'i'n". Sofort öffnete sich
ein Spalt und er sah nun Tskuskoa'sp halb todt drinnen in einer Höhle liegen.
Er schlug noch einmal gegen den Fels, da öffnete sich der Spalt weit genug, um
ihn einzulassen. Er ging hinein, kämpfte mit OkElmuqöluq, tödtete ihn und nahm
Tsk'ursk'oa'sp mit nach Hause zurück.
(545)
8. Der Spieler.
Es war einmal ein Mann, der hatte drei Söhne nnd zwei Töchter. Der jüngste
Sohn war ein Spieler nnd yerlor alles, was er seihst und seine Schwestern nnd
Brüder hesassen, endlich sogar seiner Schwestern Schuhe. Da er nun nichts mehr
zn yerlieren hatte, hörte er auf zu spielen. Er war so arm, dass er nichts zu
essen hatte und aus Hunger die Steine ableckte und verschluckte, mit denen die
anderen Leute gekocht hatten. Da beschloss er fortzuwandem und machte sich
eines Nachts auf, ohne dass Jemand es merkte. Er wanderte fürbass, ohne zu wissen,
wohin er ging. Endlich kam er an ein Haus. Da wohnte eine alte Frau. Sie
sprach: „Du bist ein Fremder.** „Ja, ich bin ein Fremder", antwortete er. „Wo-
hin gehst Du?" „Ich weiss es nicht." Sie gab ihm zu essen und er schlief in
ihrem Hause. Am nächsten Morgen sagte die Alte: „Wenn Du weiter wanderst,
wirst Du zwei Frauen singen hören. Achte ja nicht auf sie, sondern gehe ruhig
Deines Weges, bis Du einen alten Mann triffst". Und sie sagte ihm, was er dort
thun solle. Er ging weiter und bald hörte er die Frauen singen. Er aber dachte
daran, was die Alte gesagt hatte, und ging ruhig seines Weges. Bald traf er einen
alten Mann, der allein in einem Hause wohnte. Da dachte er: „Das ist Tsüis-
k'alemuQ (Menschenft*esser), von dem mir die Frau erzählt hat" Er sah, dass der-
selbe vor seinem Hause Menschenfleisch trocknete. Der Alte rief ihm zu : „Holiah,
Du bist ein Fremder". Er versetzte: „Ja, ich bin ein Fremder, Grossvater." „Wo-
hin wanderst Du?" „Ich weiss es nicht". Da fing der Alte an zu brummen.
Der junge Mann aber bat: „Thue mir nichts zu Leide, Grossvater, ich bin ein
armer Mann." Viermal brummte der Alte, that ihm aber nichts zu Leide. Er
hatte vier Risten im Hause. Die alte Frau hatte ihm gesagt, der Alte werde ihm
etwas aus den Risten anbieten. Er solle nur aus der letzten nehmen. Der Alte
deutete nun auf die erste Riste und fragte: „Rommst Du, um dies hier zu holen?"
Der Fremde verneinte. Da öffnete der Alte die Riste und der Fremde sah, dass
Menschenköpfe darin waren. Ebenso lehnte er ab, etwas aus der zweiten und
dritten Riste zu nehmen, in denen auch Menschenköpfe waren. Als ihm der Alte
nun die vierte Riste anbot, nahm er sie an. Da zog jener einen wimderschönen
Ropf heraus, der ganz mit rothen Federn bedeckt war. Er schnitt den jungen
Mann auf und nahm die Steine aus seinem Magen, die er verschlungen hatte.
Er wusch ihn und setzte ihm den schönen Ropf auf. Er gab ihm 4 Fellmäntel
und nannte ihn Sk'oö'ts. Früher war der junge Mann sehr hässlich gewesen. Er
war den Mädchen so zuwider gewesen, dass, wenn er zufällig ihren Mantel be-
rührte, sie das Stück herausschnitten, das er angefasst hatte. Zehnmal war ihm
das passirt, und er hatte alle die Stücke seiner Mutter zum Aufbewahren gegeben.
Ehe der Alte ihn zurücksandte, sagte er: „Als Du herkamst, sähest Du zwei Mäd-
chen, die immer sangen. Jeder will sie heirathen, aber keiner kann sie bekommen.
Jetzt gehe Du hin. Du sollst sie haben." Der junge Mann ft^ute sich sehr. Er
ging zurück und hörte sie wieder singen. Da ging er auf sie zu. Die Mädchen
lachten ihn an, als sie ihn sahen, so schön war er. Sie wurden seine Frauen,
und er nahm sie mit nach Hause. Sie sangen immer weiter und sagten zu dem jungen
Manne: „Ihr dürft unserer nicht müde werden, denn wir müssen immer singen."
Er gelangte Nachts zu Hause an, stieg mit seinen Frauen hinunter und stiess
seinen Vater an. Als dieser ihn sah, weckte er seine Frau. Alle standen auf und
machten ein Feuer. Sie freuten sich, zu sehen, wie schön ihr Sohn geworden war
und wie schön seine Frauen waren. Als die Leute ihn am anderen Morgen sahen,
sagten sie: „Wir haben so lange nicht gespielt. Lasst uns einmal wieder spielen."
Der junge Mann war einverstanden. Coyote dachte schon: „Ich werde seine Frauen
VerbMdl. dtr Bttl Aiithropol. Q«««ll«ebaft 1891. 86
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gewinnen.^ Sie fingen an und Sk'oö'ts verlor all seine Sachen und auch die seiner
Frauen. Er hatte nur noch einen Stab. Da zeigte ihm seine Frau, wie er spielen
sollte, und er gewann nun alles zurück und gewann dann auch die Sachen der an-
deren Leute. Seine Frauen sagten ihm: „Alle die Mädchen, die früher nichts von
Dir wissen wollten, werden Dich jetzt haben wollen. Achte aber nicht auf sie,
sondern stosse sie zurück, wenn sie Dich anfassen.^ Die Mädchen gingen zu seiner
Mutter und sagten, sie möchten ihn zum Manne haben. Als sie es ihm nun sagte,
antwortete er nur: „Ich glaube, sie wollen nur die Stücke Fell haben, die sie aus
ihren Mänteln geschnitten." Er liess es ihnen geben, verspottete sie und jagte sie fort.
9. Der Mond.
Der Mond war einstens ein Mann. Er hatte zwei Frauen, Wä'ela und Tsitä'eka.
Die erstere gebar ihm zwei Rinder, die andere blieb kinderlos. Daher liebte er
sie mehr, als Wä'ela, und endlich kümmerte er sich gar nicht mehr um die letztere.
Eines Abends, als er bei Tsitä'eka war, fragte ihn Wä'ela: „Wohin soll ich denn
mit Deinen Kindern gehen?" Dreimal fragte sie ihn, der Mann antwortete ihr aber
gar nicht. Als sie ihn nun zum vierten Male fragte, ward er zornig und rief: „Setze
Dich auf meine Augen I" Da sprang sie auf seine Augen und dort sehen wir sie
noch heute im Monde sitzen. Dort sieht man auch deutlich den Mann, seine Beine
und ein Bündel, das er auf dem Rücken trägt.
10. Die Lumme.
Die Lumme war einst ein grosser Spieler. Sie verlor alles bis auf eine Hals-
schnur aus Dentalien. Endlich verlor sie auch diese an den Kranich. Sie wollte
sie aber nicht hergeben, sprang in^s Wasser und seither hat sie einen weissen
Ring um den Hals.
IL Sagen der Ntlakyapamuq. Gesammelt in Lytton.
1. Die Sonne.
Ein Mann hatte zwei Töchter. Eine derselben heirathete, die andere aber
wies alle ihre Bewerber ab. Eines Tages sprach ihre Schwester: „Warum bist
Du so stolz? Du willst wohl die Sonne heirathen." „Ja", versetzte die andere,
„ich will die Sonne heirathen." Sie machte sich viele Mäntel und Schuhe und
machte sich dann in Begleitung einer Sklavin auf, die Sonne zu suchen. Viele
Tage und viele Monde gingen sie dem Sonnenaufgang entgegen. Wenn sie zu
einem See kamen, schwanunen sie darin und wuschen sich mit Cederzweigen.
Endlich kamen sie zu einem Meere. Als sie zum Ufer hinabgestiegen waren,
wussten sie nicht, wohin sie sich wenden sollten. Nach einiger Zeit sahen
sie die Sonne aus dem Wasser hervorkommen. Da nahm sie ein grosses Fell,
warf es aufs Wasser und ging darüber fort der Sonne entgegen. Ihre Sklavin
blieb am Ufer. Die Herrin sah bald, dass die Sonne aus ihrem unterirdischen
Hause hervorkam. Als sie fort war, ging das Mädchen hinein und schlief dort
den ganzen Tag. Dann versteckte sie sich. Abends, bei Sonnenuntergang, trat
plötzlich ein Mann in's Haus. Er liess die Sonne draussen und steckte den Stock,
an dem sie befestigt war, in die Erde. Er entdeckte die Fremde nicht Nachdem
der Mann am folgenden Morgen wieder ausgegangen war, ging das Mädchen an's
Ufer zurück und holte die Sklavin. Sie reinigten das Haus, und als der Mann
Abends zurückkehrte, fand er die beiden Mädchen. Er hatte nie zuvor eine Frma
gesehen und ward anfänglich zornig. Dann aber gab er sich zufrieden und
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heirathete das Mädchen. Sie hatten einen Sohn und nach einiger Zeit kehrte sie
zu ihrer Heimath zurück.
2. Qoö'qtlk-otl.
Tfimtli'psEm (ein Vogel) hatte zwei Frauen, die graue und die schwarze Bärin.
Von jeder derselben hatte er vier Kinder. Eines Tages tödtete die graue Bärin
ihren Mann und die schwarze Bärin. Als die Rinder der letzteren das sahen,
flohen sie nach Bittanny. Damals lebte ein Mann, Namens Sk'oin^'ek'a, bei Lytton.
Er tödtete die alte graue Bärin. Nach einiger Zeit verliessen die vier jungen
Männer Bittanny und wanderten den Fluss hinauf. Qo^'qtlk'otl war jetzt erwachsen.
Er verwandelte alle schlechten Menschen, die er traf, in Felsen. Als die Brüder
nach Nk'ä'ya (am linken Ufer des Fräser River gerade unterhalb des Thompson
River) kamen, trafen sie einen Mann, Namens G'ök'oSla, der von Lillooet herab-
gekommen war. Er verwandelte ebenfalls alle schlechten Menschen in Steine. Als
O'ök'oSla und Qo^'qtlk'otl einander trafen, wollten sie versuchen, wer der stärkste
von ihnen sei. Sie versuchten sich gegenseitig zu verwandeln, fanden aber, dass
sie gleich stark waren. Sie wurden Freunde und trennten sich dann. Der eine
ging den Fluss hinauf, der andere den Fluss hinab. Qoe'qtlk'otl gelangte nach
MEtslait am Thompson River. Dort traf er den Riesen Qaaqa', welcher Lachse
fing. Qo^'qtlk'otl verwandelte sich in einen Lachs und schwamm zu der Stelle,
wo Qaaqa' fischte. Als letzterer ihn sah, warf er seinen Fischspeer nach ihm.
Das war gerade, was Qoe'qtlkotl gewünscht hatte. Er brach die Spitze des Speeres
ab und schwamm damit zu seinen Brüdern zurück. Dann nahm er seine friihere
Gestalt an und erstieg mit seinen Brüdern den Berg, an dessen Fusse Qaaqa'
stand. Sie warfen ihn mit Erde. Er liess sich aber nicht stören. Am folgenden
Morgen sahen sie ihn noch ebenso dastehen, wie am vorhergehenden Tage. Den
Platz, an dem dies geschah, kann man noch heute erkennen. Es ist der grosse
Bergrutsch von Nekä'mcn. Qaaqa' ging endlich in sein unterirdisches Haus. Ihn
kränkte der Verlust seines Speers. Nach einiger Zeit gingen die Brüder hinab und
traten in sein Haus. Sie fanden ihn trotzig im Bett5 liegend. Der jüngste der
Brüder sprach: „Lasst uns hier unseren Lachs kochen.^ Da dachte Qaaqa': „Gewiss
ist das der Lachs, den ich verloren babe.^ Er stand auf und ging auf Qoe'qtlkotl
zu, welcher ihm die Speerspitze zeigte und sagte: „Siehe, was ich gefunden habe.^
Er gab die Spitze an Qaaqa' zurück, welcher sich sehr freute.
Die Brüder wanderten weiter und Abends schlugen sie ein Lager auf. Qoe'qtlk'otl
lag dicht am Fener. Er trug immer eine Mütze aus Biberfell. Der älteste Bruder
naJim sie ihm fort und warf sie ins Feuer. Da fing der Fluss an zu steigen. Die
drei älteren Brüder fürchteten sich sehr und erstiegen einen Berg. Qoe'qtlkotl
aber blieb ruhig beim Feuer liegen. Die älteren Brüder sahen ihn vom Gipfel
des Berges aus dort liegen, obwohl die Flut das Land rings umher bedeckte. Nach
einer Weile liess Qoe'qtlkotl den Fluss wieder fallen.
Als die Brüder sich eines Tages einem Dorfe näherten, verwandelte Qoe qtlk'otl
sich in einen Hund. Sie gingen ins Dorf and die drei älteren Brüder heiratheten
drei Mädchen. Eines Tages sah man einen schwarzen Bären nahe dem Dorfe.
Der älteste Bruder nahm seinen Rnochenpfeil und seinen Bogen und wollte ihn er-
legen. Der Bär tödtete ihn aber. An den folgenden Tagen zeigte der Bär sich
wieder und der zweite und der dritte Bruder hatten das gleiche Schicksal. Als
der Bär sich am vierten Tage wieder sehen liess, ging der Hund aus, ihn zu tödten.
Er holte ihn bald ein und sprang gerade über ihn fort. Da brach der Bär in zwei
Stücke. Der Hund lief ins Dorf zurück und sprang über alle Leute, die gleich-
8ö»
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falls zerbrachen. Dann sprang er über die Leichen seiner Brüder fort und rief sie
so ins Leben zurück. Die drei Brüder wurden dann in Steine verwandelt.
Einst traf Qoe'qtlkotl einen Mann, der ganz allein lebte. Da verwandelte er
einen Baumwollenbaum und eine Birke in Frauen und gab sie ihm.
Fast jeder Fels im Canon des Fräser River ist der Träger einer Sage, die auf
Qoe'qtlk'otl Bezug hat Alle sind verwandelte Menschen, Thiere oder Boote.
3. Der Krieg mit dem Himmel
Ich erhielt nur ein unbedeutendes Bruchstück dieser wichtigen Sage: Die
Vögel wollten den Himmel mit Krieg überziehen und schössen ihre Pfeile gegen
das Himmelsgewölbe ab, um eine Kette zu machen, an der sie hinaufklettern
wollten. Keiner war aber im Stande, den Himmel zu erreichen. Endlich nahm der
Vogel Tcitu'c seinen Bogen xmd seine Pfeile, und er traf das Himmelsgewölbe,
Dann machte er eine Kette von Pfeilen, die bis zur Erde herabreichte, und alle
Thiere kletterten daran in die Höhe. Später brach die Kette, als nur die Hälfte
aller Thiere glücklich wieder unten angekommen war.
4. Der Knabe und die Sonne.
Vor langer Zeit lebten viele Menschen in Lytton. Unter ihnen war auch ein
Knabe, der sich immer mit all seinen Altersgenossen zankte und viel Unruhe und
Unheil stiftete. Endlich wurden seine Eltern seiner überdrüssig und beschlossen,
ihn zu verlassen. Der Häuptling befahl seinen Altergenossen mit ihm in den Wald
zu gehen, und beim Spiel dessen Augen mit Harz zu verkleben. Die Knaben ge-
horchten und führten jenen ins Dorf zurück, nachdem seine Augen verklebt waren.
Dann hiess der Häuptling die Leute alle Sachen aufpacken und sie zogen nach
Bittanny. Ausser dem Knaben Hessen sie eine alte blinde und lahme Frau zurück.
Nach einiger Zeit schmolz das Harz und der Knabe konnte wieder sehen. Er
blickte sich um, fand aber niemand. Da fing er an zu weinen, denn er merkte,
dass seine Verwandten ihn verlassen hatten. Er ging in jedes Haus und fand
endlich die alte Frau. Sie sagte ihm, dass man ihn verlassen habe, weil er so viel
Unruhe gestiftet habe. Der Knabe machte sich nun Schlingen und fing Elstern,
Mäuse und Ratten, von denen er und die alte Frau kümmerlich lebten. Er machte
dreierlei Mäntel aus den Fellen, einen aus Elsterbälgen, einen aus den Mäusefellen
und einen aus Rattenfellen. Er legte die Mäntel auf das Dach ihres Hauses. Als
der Sonnenmann dieselben erblickte, stieg er vom Himmel herab und sprach zu
dem Knaben: „Ich will Dir meinen Bogen geben, gieb Du mir dafür die Mäntel.*^
Der Knabe war zufrieden und erlegte von nun an alles, was er haben wollte, so
dass er sehr reich wurde. In Bittanny, unter seinen Landsleuten, herrschte aber
grosse Noth. Einst sandte der Häuptling einen Sklaven nach Lytton, um zu sehen,
ob der Knabe todt sei. Dieser war sehr erstaunt, ihn noch am Leben zu finden
und zu sehen, wie reich er geworden war. Als er dem Häuptling berichtete, was
er gesehen, kehrte der ganze Stamm nach Lytton zurück und der Knabe vertheilte
viele Nahrungsmittel unter die Leute.
5. Der Coyote.
Nkia'p, der Coyote, hatte einen "Sohn. Dieser hatte zwei Frauen. Coyote
wünschte sehr, eine derselben für sich zu haben. Daher suchte er seinen Sohn
aus dem Wege zu räumen. Eines Tages schickte er ihn aus, einen Vogel zu
fangen, der auf einem Baume sass. Als der junge Mann nun auf den Baum
kletterte, machte Coyote, dass derselbe wuchs, bis er den Himmel berührte. Da
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sprang der junge Mann Ton dem Baumwipfel in das Himmelsland, und der Baum
schrumpfte sofort wieder zu seiner früheren Grösse zusammen. Er fand sich auf
einem Pfade, dem er folgte. Rechts und links sah er viele glänzende Pimkte.
Ehrst glaubte er, es seien essbare Wurzeln, und wollte sie graben. Dann aber sah
er, dass es Löcher waren, und dass der Wind hindurch pfiff. Es waren die Sterne.
Lange Zeit wanderte er voran, ohne irgend ein lebendes Wesen zu treffen. Endlich
kam er zu einer Stelle, an der Bäume gefällt waren. Dort traf er zwei alte, blinde
Frauen, die Rebhühner. Eine sprach zur anderen: „Ich rieche etwas Schlechtes.
Ich glaube es ist TriksE'mtEm (= der Kletterer)." Als Tl'iksE'mtEm das hörte,
ward er zornig. Er warf die Frauen in die Luft und verwandelte sie in Vögel.
Er wanderte noch weiter und traf einen alten Mann und eine alte Frau, die Spinne.
Sie begrüssten ihn freundlich und sprachen : „Dein Vater ist sehr schlecht, dass er
an Dir so gehandelt hat." TFiksE'mtEm war erstaunt, dass sie wussten, wie er in
den Himmel gelangt war. Er blieb bei ihnen und jagte Hirsche für sie. Mittler-
weile machte ihm die Spinne ein Seil. Nach einiger Zeit bekam er Heimweh; er
legte sich ins Bett und die Alten konnten ihn nicht dazu bewegen, Nahrung zu
sich zu nehmen. Da sprachen sie: „Wir wollen Dich zur Erde zurücksenden,"
thaten den jungen Mann nebst einem reichlichen Vorrath von getrocknetem Fleisch
in einen kleinen Korb, den sie an das Seil banden. Ehe sie ihn hinabliessen,
sagten sie: „Oeffne Deine Augen nicht, so lange Du im Himmel bist und wenn
Du an den Wolken, den Bergen und Bäumen vorbeifährst, sondern warte, bis Du
am Boden anlangst. Dann öffne den Korb, knüpfe ihn los und ziehe am Seil,
damit wir es einziehen können." Der junge Mann gehorchte, und als er unten
angekommen war, zogen die Spinnen das Seil ein. Er war in Lytton zur Eh*de ge-
kommen, traf daselbst aber niemand, da alle Leute nach Bittanny gezogen waren.
Die Frau, welche Coyote gestohlen hatte, hatte einen Sohn. Sie beweinte be-
ständig den Tod ihres Mannes. Als dieser nun von Lytton nach Bittanny wanderte,
sah das Kind ihn kommen. Es rannte zu seiner Mutter und sagte: „Vater kommt!"
Die Mutter glaubte ihm nicht. Als er aber endlich kam, freute sie sich sehr.
Coyote stellte sich, als freue er sich sehr über die Rückkunft seines Sohnes.
Dieser dachte aber nach, wie er sich rächen könne. Einst waren die Jäger sehr
unglücklich gewesen und es herrschte Mangel im Dorfe. Da ging TFiksE'mtEm
aus und tödtete viele Hirsche. Er brachte nicht alles Wild nach Hause, sondern
bat seinen Vater, ihm zu helfen, es zurückzubringen. Er gab ihm ein altes fauliges
Strick mit, das Wild zusammenzubinden. Als Coyote nun über den Fluss ging,
liess TFiksE'mtEm denselben steigen und Coyote ertrank. Sein Leichnam trieb in
ein Lachswehr, das vier Frauen gehörte. Dort verwandelte er sich in ein kleines
Brett. Als die Frauen das Brettchen sahen, sprach eine von ihnen: „Das ist gut,
wir wollen eine Schüssel daraus machen." Sie nahmen es nach Hause und legten
etwas Lachs darauf. Kaum hatten sie ihn aber hingelegt, da war derselbe ver-
schwunden Das Brett hatte ihn gefressen. Da warf die jüngste der Frauen es
ins Feuer. Coyote nahm nun die Gestalt eines kleinen Kindes an und schrie. Die
Frauen nahmen es auf und behielten es als Sklaven. Als er grösser geworden
war, Hessen die Frauen ihn immer als Wächter zu Hause, während sie gingen
Beeren zu pflücken. Sie hatten zwei Körbe, in denen sie den Nebel und die
Wespen bewahrten. Eines Tages, als die Frauen ihn allein gelassen hatten, öffnete
er die Körbe und liess den Nebel und die Wespen heraus.
in. Sagen vom unteren Fräser River.
Die meisten der folgenden Sagen wurden in Agassiz, nahe der Mündung des
Uanison River, am Harrison Lake und in New Westminster gesammelt Eine An-
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zah] derselben, welche oberhalb Fort Douglas localisirt sind, dürften richtiger
den Sagen der Lillooet zugerechnet werden. Da ich sie indessen aus dem Munde
eines Stee'lis hörte, habe ich sie hier mit eingeordnet. Die meisten der folgenden
Sagen wurden mir von George Stsee'lis und dessen Frau erzählt
1. Qäls.
1) Oberhalb Sk*tsäs, mitten im Gebirge, lebte der rothköpfige Specht Seine
Frauen waren die schwarze und die graue Bärin. Er hatte drei Söhne und eine
Tochter von der schwarzen Bärin. Die graue Bärin hatte keine Kinder. D^-
Name des mittleren Sohnes war Qoä'k'otik'otl. Der jüngste Sohn weinte immer,
und da er sich gar nicht beruhigen liess, fragte ihn seine Mutter, warum er weine.
Da antwortete er: „Ich möchte, dass wir zum See hinab ziehen.^ Die Gottheit
hatte ihm diesen Wunsch eingeflösst Die Bärin theilte ihrem Manne den Wunsch
des Kleinen mit und sie zogen nach Sk*tsäs hinab. Als sie dort ankamen, baute
der Specht ein Haus. Dann begann die graue Bärin mit ihrem Manne zu streiten
und tödtete ihn endlich. Qoä'k'otlkotl machte sich dann eine Kappe aus Biberfell
und die vier Kinder verliessen ihre Mutter und wanderten zusammen den Fräser
River hinauf gen Sonnenaufgang. Als sie am Sonnenaufgang ankamen, gingen sie
in den Himmel und wanderten nach Sonnenuntergang. Von dort kehrten sie
zurück und wanderten wieder nach Osten. Sie hatten den Namen Qäls erhalten
und verwandelten alle, die ihnen begegneten, in Steine oder andere Gegenstände.
K'ä'iq, der Nerz, begleitete sie auf ihren Reisen.
2) Zuerst kam Qäls nach Mälg, wo heute das Dorf der QmE'(;koyim steht
Dort trafen sie den Häuptling Pä'pk'EltEl, der sich Muscheln briet. Qäls setzte sich
nicht weit von ihm nieder. Da sprühte Qoä'k'otlkotl etwas glühendes Holz ins
Gesicht und verbrannte ihn ein wenig. Qoäl£'otlk'otl fragte: „Wo ist Dein Bach?
Ich möchte etwas Wasser haben.^ Pä'pk'EltEl zeigte ihm seinen Bach, der so schmal
war, dass die Bäume sich darüber berührten. In demselben wohnten aber die
Unterthanen Pä'pk'EltEls, die Tintenfische. Als ^oä'k'otlkotl nun hinkam und Wasser
trinken wollte, zogen dieselben ihn hinab. Da er nicht wieder kehrte, ging nach
einiger Zeit der älteste der Brüder hin, ihn zu suchen. Er theilte das gleiche
Schicksal und dem jüngsten erging es nicht besser. Da sprach das Mädchen zu
Pä'pk'EltEl: „0, mache mich glücklich und gieb mir meine Brüder wieder." Jener
willfahrte ihrer Bitte, und holte die drei Brüder wieder aus dem Bache heraus.
Da verwandelten sie Pä'pk'EltEl in eine Schwertlilie. Seither giebt es viele Schwert-
lilien bei Mä'le.
3) In K'^oälEts (unterhalb Yale) lebte ein Knabe, der quälte seine Mutter be-
ständig, sie solle ihm zu essen geben, und obwohl sie ihn vollauf versorgte, war
er doch nie zufrieden. Er ging zu allen Leuten und sagte, seine Mutter habe ihm
aufgetragen, um Nahrung zu bitten. Diese gaben ihm dann zu essen. Statt aber
die Nahrungsmittel nach Hause zu tragen, versteckte er sie im Walde und ass
alles selbst auf. Da dieses sich tagtäglich wiederholte, fragte endlich ein Mann
seinen Vater: „Schickt Ihr eigentlich Euren Sohn jeden Tag zu uns, uns um
Nahrungsmittel zu bitton?" Der Vater war überrascht und schämte sich sehr. Er
ging zu allen Leuten und fragte, ob sein Sohn bei ihnen gebettelt habe. Als er
nun erfuhr, dass jener alltäglich in allen Häusern bettele, beschloss er ihn su ver-
lassen und bat alle Leute, mit ihm fortzuziehen und alle Nahrungsmittel, sowie die
Bretterwände der Häuser mitzunehmen. Dann nahm er seinen Sohn in den Wald
unter dem Verwände, dass er ihn den Gebrauch von Zaubermitteln lehren wolle.
Er nahm noch einen zweiten Knaben zur Begleitung mit und, während der Knabo
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sich reinigte, liefen der Vater und der andere Knabe von dannen. Die Leute hatten
unterdessen ihre Boote beladen und die Feaer ausgelöscht. Sobald der Mann und
der Knabe aus dem Walde zurückkamen, fuhren sie ron dannen. Nur die alte,
blinde Grossmutter des yerstossenen Knaben hatte Mitleid mit ihm. Sie nahm
etwas zerkaute Famwurzeln, hüllte eine glühende Kohle hinein, und legte sie in
eine Muschel, die sie unter einem Brette verbarg. Dann sprach sie zu ihrem
Hunde: „Bleibe Du hier. Wenn mein Enkel zurückkommt, kratze an diesem
Brette, damit er das Feuer findet.'^ Dann ging auch sie ins Boot und alle fuhren ab.
Nach einiger Zeit kam der Knabe aus dem Walde zurück. Da sah er, dass
er Verstössen war. Er setzte sich hin und fing an zu weinen. Er hatte keine
Kleider und keine Nahrungsmittel. Bald bemerkte er, wie der Hund an dem
Brette kratzte, und als er nachsuchte, fand er das Feuer, das seine Grossmutter
für ihn zurückgelassen hatte. Er machte sich nun ein Feuer xmd Bogen und Pfeile.
Die Bogensehne machte er aus Weidenrinde. Er schoss sich Vögel, balgte sie
ab und briet ihr Fleisch. Aus den Bälgen machte er sich einen Mantel, der
sehr schön gezeichnet war. Eines Tages, als er sich niedergelegt hatte und schlief,
sah ihn die Sonne, stieg vom Himmel herab und trat in Gestalt eines Mannes auf
den Knaben zu. Diese sprach: „Dein Mantel gefällt mir. Lass uns tauschen. Ich
gebe Dir meinen Mantel aus Bergziegenwolle für den Deinen. Wenn Du einen
Zipfel meines Mantels in den Fluss tauchst, wird er sogleich voller Häringe sein.
Ich bin die Sonne, der Mond ist mein Bruder und der grosse Stern, den Du oft
nahe beim Monde siehst, ist dessen Frau.^ Sie gingen den Tausch ein, und der
Knabe versuchte gleich die Kraft des neuen Mantels. Er tauchte ihn in den Fluss,
der sich sofort mit Häringsschwärmen füllte. Er fing viele, trocknete sie und baute
sich dann ein Haus, das er ganz mit Nahrungsmitteln füllen konnte. Da gedachte
er seiner Grossmutter. Er rief die Krähe herbei und Hess sie einige Häringe ver-
schlucken. Dann trag er ihr auf, zu seines Vaters Dorfe zu fliegen, und wenn sie
eine alte Frau dort weinen sähe, solle sie ihr die Häringe geben. Die Krähe flog
von dannen und fand die Grossmutter des Knaben. Da rief sie „mä'o, mä'o" und
spie einen Häring aus. Die Grossmutter erstaunte, und die Krähe erzählte ihr
nun, dass ihr Enkel noch am Leben sei und ihr die Häringe sende.
Um diese Zeit fuhr ein junger Mann nach dem alten Dorfe zurück, um zu
sehen, was aus dem Knaben geworden war. Wie erstaunte er, als er dessen
grosses Haus und die vielen Vorräthe sah. Der Knabe lud ihn ein, ans Land zu
kommen, und sprach: „Sage den Leuten, dass ich jetzt reich bin. Sie alle mögen
zurückkommen, nur mein Vater und meine Mutter sollen nicht hierherkommen."
Der junge Mann fuhr zurück und richtete den Auftrag aus. Als die Leute nun
hörten, wie wohl es dem verlassenen Knaben gehe, machten sie sich auf, nach
K'^oälEts zurückzukehren. Der Rabe hatte zwei Töchter. Er befahl ihnen, ihr
Haar schön zu kämmen und ihr Gesicht zu bemalen, denn er wünschte, dass der
verlassene Knabe sie heirathen sollte. Ein jeder wünschte ihn zum Schwieger-
sohne zu haben. Endlich erlaubte der Knabe auch seinen Eltern zurückzukommen.
Während er aber alle Leute reich beschenkte, gab er ihnen nichts und sie wurden
sehr arm. Er selbst aber ward Häuptling.
Einst ging er auf Elchjagd. Er führte seinen Hund an einem Strick und ging
den Fluss hinauf. Als er ein Elch erblickte, Hess er seinen Hund los, der es
am Wasser entlang verfolgte. Da kam Qäls des Weges und verwandelte den
jungen Mann und den Hund in Steine. Er nahm das Elch und warf es an
den Himmel. Da wurde es in die vier grössten Sterne des grossen Bären ver-
wandelt.
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4) Qäls gmg weiter und traf eine Schaar Rinder, die weinten, weil ihre Eltern
ortgegangen waren. Er versetzte sie an den Himmel und sie wurden die Plejaden.
5) Qäls kam nach Sk'tsäs (oberhalb des Nordendes vom Harrison See). Don
wohnte SHä'i, ein sehr mächtiger Mann. Wenn derselbe einen Weg entlang sah,
wurde derselbe sehr lang. Als Qäls sich ihm näherte, legte Seal seine Kleidung,
die ganz aus Bärenfell gemacht war, und seine Schneeschuhe an. Qäls schlug sein
Lager nicht weit von Seä'is Hause auf. Die Schwester blieb dort, während die
drei Brüder zu Suäl gingen, um mit ihm zu kämpfen. Zuerst sprach Qoä'k'otlk'otl:
„Lass uns sehen, wer am weitesten pissen kann.^ Er yersuchte den Gipfel des
Berges zu erreichen, vermochte es aber nicht. Seäi dagegen pisste über den Berg
hinüber xmd machte so den Fluss, der von Silver Lake nach Spuzzum hinabläufl.
Dann yersuchte Qäls, ihn auf andere Weise zu besiegen. Er ging zu ihm und
sprach: „Alter I Wir möchten nach Stseelis hinunter fahren, haben aber kein Boot.
Willst Du uns das Deine leihen? Wir werden es Dir bald wieder bringen.^ Snäl
versprach ihnen das Boot, und am nächsten Morgen kamen die drei Brüder wieder,
um es zu holen. Sie überredeten Seä'i, mit ihnen den Fluss hinabzufahren. Als
sie noch nicht lange fort waren und den See erreicht hatten, rief Qäls den Ost-
wind. Es entstand ein heftiger Sturm, das Boot füllte sich mit Eis und schlug
endlich um. Qäls hoffte, Seä'i werde nun ertrinken, und die Brüder begaben sich
ans Ufer und gingen zu ihrer Schwester zurück, die im Lager geblieben war.
SHä'i hatte sich aber mittelst seiner Schneeschuhe, die er sich an die Schultern
gebunden hatte, ans Land gerettet Er nahm etwas Diatomeenerde, mit der seine
Kleider eingerieben waren, zwischen die Hände, zerrieb sie und blies sie in die
Luft. Da fing es an zu schneien. Dann blickte er längs des Weges, den Qäls
gehen musste, und derselbe wurde sogleich sehr lang. Der Schnee ward tiefer
und tiefer und Qäls war fast erfroren, als er endlich am Feuer seiner Schwester
ankam. Seal aber war rasch und leicht auf seinen Schneeschuhen nach Hause
gegangen. Als die Brüder zum Lager kamen, fielen sie um vor Müdigkeit Ihre
Schwester wärmte sie und gab ihnen heisses „Sockeye^- (Oncorrhynchus nerke)
Fett zu trinken. So erholten sie sich wieder. Snäl hatte sie abermals besiegt
Qäls wollte nun Seä'i tödten. Er fragte seine Schwester: „Kannst Du mir etwas
von Deinem Menstrualblut geben ?^ Sie bejahte und gab es ihm. Da that er es
unten in seine Pfeife und häufte Tabak darauf. Der jüngste der Brüder warnte
Qoä'k'otlk'otl und bat ihn, SHä'i in Ruhe zu lassen, da er sehr stark seL Qoälc'otl-
k'otl hörte aber nicht auf ihn. Er ging zu Snäl und sprach: „Wir sind gestern, als
das Boot umschlug und es nachher schneite, sehr kalt geworden. Der Tabak hat
uns aber wieder schön warm gemacht Willst Du nicht auch etwas rauchen?^
Dabei bot er ihm die Pfeife an. Snäl schlug sie aber aus, indem er sagte, er
könne nicht rauchen. Qoä'k'otlk'otl ermunterte ihn aber, es zu yersuchen, und end-
lich liess er sich überreden. Er that einen Zug und Qoä'kotlk'otl sprach: „Du
musst tiefe Züge thun und den Rauch herunter schlucken.^ Er that drei Züge.
Da fiel er todt nieder. Qäls riss ihm dann die Zunge aus und warf sie fort Sie
wurde ein Stein. Ebenso rissen sie seinen Magen aus und seine Arme, Beine und
seinen Kopf ab, warfen sie weg und verwandelten sie in Steine.
6) Weiter oben am Flusse wohnte ein Mann, der Schwan, mit seiner Frau,
dem Kranich. Eines Tages sassen sie vor der Thür ihres Hauses, da kam ein
Boot vorbei, in dem ein Mann, die Schwalbe, sass. Der Schwan fragte ihn: „Wohin
gehst Du?^ Jener versetzte: „Meine Frau ist gestorben. Ich gehe jetzt in den
Wald und werde den ganzen Sommer da bleiben.*' In Wirklichkeit war aber
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Folgendes geschehen: Seine Frau war ausgegangen, Gederbast zu holen, und hatte
die Gelegenheit zu einem Stelldichein mit ihrem Liebhaber benutzt. Die Schwalbe
hatte das erfahren und sich dann gerächt Sie ging mit ihrer Frau in den Wald
unter dem Verwände, ihr beim Bindesammeln behülflicb sein zu wollen. Als sie
nun auf eine Ceder geklettert war, band er sie auf der Spitze des Baumes fest
Dann schälte er die Kinde ab, so dass der Stamm ganz glatt wurde und verliess
sie. Der Schwan lud ihn ein, in seinem Hause zu rasten. Nach einiger Zeit hörte
der Schwan eine Stimme im Walde. Es war die Frau der Schwalbe. Sie sang:
AtsElsQuä'guakug'wul (d. h. der Stock dringt in meinen After) und ihr Blut floss
an dem Stamme herunter. Der Schwan ging mit seinen Leuten in den Wald, um
die Stimme zu suchen, und fand endlich die Frau. Erst nach langen Mühen gelang
es einem seiner Leute, auf den Baum zu steigen und die Frau herunter zu holen.
Sie sagte: „Wenn ich todt bin, so sollt ihr mein Blut trinken. Und wenn es regnet,
so sprecht yon mir.^ Sie starb dann und wurde in Brombeeren yerwandelt Der
Schwan war sehr böse auf die Schwalbe und als diese im Herbst wieder kam,
sagte er: „Wenn Du mit dem Ostwinde zurückkommst, will ich flussabwärts ziehen
und Dich vermeiden.^ In diesem Augenblicke kam Qäls des Weges und sprach:
„Out! Ihr sollt Vögel werden. Du, Schwalbe, sollst im Sommer im Walde umher-
fliegen und Deine Frau suchen. Bemale Dein Oesicht jetzt, wie wenn Du Deine
übernatürliche Macht anlegst.^ Er bemalte sich dann schwarz und weiss und
steckte sich lange Federn an den Bücken. Da wurde er ein Vogel und fliegt
seither Sommers im Walde umher und sucht seine Frau mit dem Bufe eI, eI eH')
7) Qäls wanderte weiter den Fluss hinauf und kam zu einem Hause, in
dem ein alter Mann mit sehr kleinem Munde und sehr dickem Bauche wohnte.
Sein Name war SpSpältsEp. Als er ihn erblickte, fragte er ihn: „Wie kommt es,
dass Dein Mund so klein ist?^ Jener wusste nichts darauf zu antworten. Er fuhr
fort: „Das ist nicht gut. Du kannst ja nicht ordentlich essen. Willst Du nicht
lieber in den Wald gehen und jagen?" Jener versetzte: „Nein, ich will lieber
hier bleiben. Ich mag mich nicht viel bewegen und ich wünsche, dass die Leute
mich hier immer finden können." „Out," sagte Qäls, „Du sollst immer hier bleiben"
und yerwandelte ihn in den Fisch SpältsEp.
8) Qäls ging weiter und kam zu einem Hause, in dem wohnte ein alter
Mann mit rothem Oesichte und rothen Haaren an Händen und Füssen. Er hiess
PstHEl. Als Qäls kam, versteckte er sich, und als er weiter reiste, verwandelte er
sich in eine kleine Schlange (roth am Bauch, schwarz auf dem Bücken) und folgte
ihm. Als Qäls Abends das Lager aufschlug und der älteste Bruder sich setzte,
kroch er in dessen After. „Hai" rief Qäls, „machst Du solche Streiche? So bleibe
eine Schlange und thue immer desgleichen." Seither ist PetHEl eine kleine Schlange,
die immer den Menschen folgt, sogar ins Wasser, und ihnen in den After kriecht.
9) Und Qäls kam an ein Haus, da wohnte ein alter Mann, die Klapperschlange.
Dieser sass vor seinem Hause und hielt etwas hinter seinem Bücken versteckt
Qäls setzte sich ihm gegenüber und fragte: „Alter, was versteckst Du da?" Dieser
antwortete nicht auf die Frage, sondern sagte nur: „Damit habe ich schon den
Marder besiegt" Qäls fragte ihn noch einmal, er aber antwortete gar nicht Da
hiess er ihn aufstehen und sah nun, dass jener eine Bassel hinter seinem Bücken
verbarg. Er steckte ihm dieselbe an den Bücken und sagte: „Fortan trage immer
1) Diese Sage wird erzählt, wenn es lange regnet, und die Indianer glauben, dass es
dann aufhören wird zu regnen.
j
(554)
die Rassel,^ und verwandelte ihn in eine Klapperschlange. Da jener ein Schamane
gewesen war, kann er auch noch heute Menschen yergiften.
10) Er wanderte weiter und traf einen alten Mann mit kleinem Kopfe, Namens
K'ö'wuq. Er fragte ihn: „Bleibst Du immer hier bei Deinem Hause?" „Ja," er-
wiederte Jener, „mir liegt nichts daran herumzureisen." Da yerwandelte Qäls ihn
in einen Flusslachs, der immer im Süsswasser bleibt.
11) Qäls wanderte weiter und traf den Salamander, einen alten Mann mit
weissem Haare und langen Nägeln. „Alter, was isst Du? wovon lebst Du?" fragte
ihn Qäls. Jener erwiederte: „0 mein Enkel, ich habe gar nichts zu essen" „Und
warum thust Du immer den Menschen Deine Exkremente in den Mund und tödtest
sie so? das ist nicht gut Später sollen die Menschen Deine Exkremente als Gift
gebrauchen," und damit verwandelte er ihn in einen Salamander.
12) Er wanderte weiter und traf eine Frau, die hatte ihre Genitalien auf der
Brust sitzen. Da sprach Qäls: „Das ist nicht gut, die Genitalien sollen nicht nahe
dem Munde sein. Zudem kannst Du so nicht gebären, denn die Brust besteht ans
auter Knochen und ist unnachgiebig." Er schloss ihr die Brust Dann nahm der
älteste Bruder Birkenrinde und wollte daraus neue Genitalien machen. Dieselbe
war aber nicht elastisch genug. Da nahm Qoä'kotlk'otl die Nackensehnen vom
Hirsche und machte die Geschlechtstheile der Frau daraus. Daher sind dieselben
sehr elastisch und weiten sich beim Gebären.
13) Sie wanderten weiter und fanden einen Mann und eine Frau, deren Ge-
schlechtstheile sassen auf der Stirn. Da schob er sie herunter an den gehörigen
Platz. Wenn er das nicht gethan hätte, würden die Menschen heute noch ihre
Genitalien auf Brust oder Stirn tragen.
14) Er ging weiter und traf den Prairiewolf. Dieser hatte keine Frau. Er
hatte ein Astloch gefunden, das er sich ausgeschnitten hatte und an Stelle einer
Frau gebrauchte. Als Qäls zu ihm kam, fragte QoäTc-otlk-otl: „Grossvater, wo ist
Deine PVau?" „Hier," rief Jener, der im Bette lag. Da hob Qäls die Decke auf
und sah das Astloch. „ Gross vater, ist das Deine Frau? soll ich Dich glücklich
machen? Gieb mir etwas Cederrinde und ich will Dir eine Frau daraus machen."
Der Prairiewolf sprach: „Hier mein Enkel, nimm diese Cederrinde, und mache
mich glücklich." Qäls verwandelte sie in eine Frau, die der Prairiewolf dann
eirathete.
15) Qoä'kotlk-otls Brüder wollten sehen, ob er stark sei. Eines Tages, als
sie den Fluss hinauf reisten, verabredeten sie sich, ihn zu prüfen. Abends schlugen
sie ein Lager auf und neckten dann ihren Bruder und zogen ihn an den Haaren.
Dieser kümmerte sich gar nicht darum, sondern legte sich nieder und zog sich
seine Biberfellkappe auf. Da fing der Fluss an zu steigen und seine Brüder und
seine Schwester mussten vor dem Wasser auf die Berge fliehen, während er ruhig
am Feuer liegen blieb. Obwohl ringsumher alles von Wasser bedeckt war, blieb
es doch bei seinem Feuer trocken.
16) In Stseelis traf Qäls einen Mann, Namens Palanil (Einbein). Derselbe
fischte Lachse am Flusse. Qäls wünschte seine Harpunspitze zu haben und ver-
wandelte sich in einen Lachs. In dieser Gestalt schwanmi er zu der Stelle, wo
Pä'lauU stand. Derselbe warf ihn und dann schwamm er mit der Harpunspitze
von dannen. Er schwamm zu seinen Brüdern zurück und nahm wieder seine eigene
Gestalt an. Dann gingen sie alle zu Pälanil, der sich ins Bett gelegt hatte, da er
sehr betrübt über den Verlust seiner Harpunspitze war. Da gab QoälfoÜkotl ihm
dieselbe zurück und sprach: „Ich will Dich glücklich machen. Hier ist Deine
Harpunspitze. Es sollen immer viele Lachse sein, wo Du bist." Damit verwaa-
(555)
delte er ihn in Stein, und er gab ihm die Herrschaft über den Wind, daher kann
der Stein heute noch Wind hervorbringen*)-
Qäls sah Einbein Lachse fangen nnd bat ihn um die Erlanbniss, an seinem
Hause landen zu dürfen. Er aber verweigerte seine Bitte. Da gingen die Ge-
schwister zurück und machten ein Lager in einiger Entfemimg von Einbeins Hause.
Dann verwandelte sich Qoä^k'otlkotl in einen Lachs und stahl Einbeins Harpun-
spitze. Darauf sagte des letzteren Frau: „Gehe doch mit Oonlc-otUcotl zum See
hinab I*' Sie gingen und als sie am See angekommen waren, sprang Einbein mit
zwei Sprüngen nach Hause zurück, während seine Frau die Erde bis zu Qoäl£*otl-
k'otl streckte, so dass jener nicht zurückkommen konnte, und da es sehr kalt war,
fast erfror. Seine Schwester bat nun Einbeins Frau, doch die Erde wieder kurz
zu machen, damit ihr ßruder wieder zurückkommen könne, und jene willfahrte
ihrer Bitte. Dann versuchten beide, wer am besten Lachse im Flusse fangen
könne. Qoä'k'otlk'otl nahm seine Pfeife in den Mund und zog sein Netz einmal
durch das Wasser, da war es voll. Einbein musste sein Netz dreimal durch das
Wasser ziehen, ehe es voll war. Dann gab ihm Qoä'kotlk'otl seine Pfeife und
sagte: „Wenn Du die rauchst, wirst Du auch besser fangen können." Als jener
einen Zug that, wurde er in Stein verwandelt.
17) Als Qäls den Harrison River hinauffuhr, kam er zu dem Platze, wo eine
alte Frau, Namens LEqyiles, wohnte. Ihre Scheide war mit Zähnen besetzt, mit
denen sie allen Männern, die bei ihr schlafen wollten, den Penis abbiss. Qäls
schlug nicht weit von ihrem Hause sein Lager auf. Als es dunkel war, schlich
sich Rä'iq (der Nerz) zum Hause der Alten hinunter. Er fand dieselbe im Bette.
Da fühlte er mit seiner rechten Hand unter ihrer Decke herum, um ihre Genitalien
zu fühlen. Er steckte seine Hand in ihre Scheide und sie biss ihm dieselbe ab.
Da lief er zurück zu Qäls. Man kann heute noch seine Fussspuren sehen, wo er
zum Hause hinaussprang. Er schämte sich und machte ein Feuer für sich abseits
vom Lager der drei Brüder. Er hielt seinen rechten Arm beständig hinter seinem
Rücken versteckt. Am folgenden Morgen fuhr Qäls weiter den Fluss hinauf.
R'ä'iq steuerte, wie immer. Da aber seine rechte Hand abgebissen war, gebrauchte
er die linke und in Folge dessen steuerte er schlecht, so dass das Boot bald zur
Rechten, bald zur Linken ging. Erst als sie Abends wieder lagerten, sah Qals, was
mit R'ä'iqs Hand geschehen war. Er verwandelte dann LEqyiles in einen Felsen.
Derselbe steht noch heute am Harrison River. Wenn es schönes Wetter ist und
man Wasser auf denselben spritzt, fängt es sogleich an zu regnen.
18) Qäls wanderte weiter. Etwas weiter oberhalb am Harrison River sahen
sie einen alten Mann stehen, der mit der Harpune Seehunde fing. Als sie an-
kamen, war gerade ein Seehund aufgetaucht. Der Alte hielt seine Harpune in
Bereitschaft, um ihn zu werfen. Qäls kam von hinten her an ihn heran, und der
Alte, das Boot, in dem er sass, und der Seehund wurden sogleich in Stein ver-
wandelt.
Stammessagen vom unteren Fräser River.
1) Die QmE<;koyim. Pä'pk'Eltel, der Ahnherr der gmE^koyim, lebte in Male
am Nordarm des Fräser River, wo noch heute das Dorf des Stammes steht Die
Sage ist auf S. 550 im Zusammenhange mit der Qälssage erzählt.
2) Die R'oä'antEl. R'alE'tsEmEs, der erste Häuptling der R'oä'antEl hatte eine
Tochter. Diese wollte keinen Mann nehmen. Eines Nachts aber schlich sich ein
1) Die vorige Version scheint unvollständig lu sein. Ich gebe daher hier eine zweite,
die aber auch nicht ganz klar ist.
(556)
Mann zu ihrem Bette und sie duldete ihn bei sich. Es war der Hammer ihres
Vaters, welcher menschliche Oestalt angenommen hatte. Morgens, ehe es hell
wurde, verliess er sie wieder und wurde wieder ein Hammer. Am nächsten Abend
schlich sich wieder ein Mann zu ihrem Bette und schlief mit ihr. Es war ihres
Vaters Hund, der ebenfalls menschliche Oestalt angenommen hatte. Nach einiger
Zeit gebar sie eine Anzahl Hunde. Der Hund war stärker gewesen, als der Hammer,
sonst wären die Rinder kleine Hammer geworden. Als ihr Vater das sah, schämte
er sich und verliess sie mit seinem ganzen Stamme. Da baute die Frau sich eine
kleine Hütte und ging jeden Tag an den Strand hinab, Muscheln zu suchen, von
denen sie und ihre Kinder lebten. Als sie drunten am Strande war, hörte sie
singen und das Schlagen von Stäben zur Oesangbegleitung. Sie versuchte einige
Male unbemerkt zu Hause zu kommen, um zu s6hen, wer da sang, doch gelang
es ihr nicht. Eines Tages nun hing sie ihren Mantel und ihren Rorb, in dem sie
Muscheln sammelte, an ihren Grabstock, so dass es aussah, als sammle sie
Muscheln. Dann schlich sie sich von hinten zum Hause. Da hörte sie folgenden
Sang: „Ol Mutter glaubt, wir seien Hunde und verlässt uns täglich. Sie weiss
nicht, dass wir Menschen sind.^ Und sie sah sechs Knaben umherspielen. Einer
sass als Wächter an der Hausthür und sah nach dem Strande, um gleich seine
Brüder zu benachrichtigen, wenn die Mutter heimkomme. Im Hause sah sie die
Hundefelle, in denen die Kinder sonst immer steckten, hängen. Da sprang sie
hinein, ergriff die Felle und warf sie ins Feuer. So mussten die Kinder Menschen
bleiben. Sie wurden die Ahnen der K'oä'antEl. Später kam Qäls des Weges und
verwandelte K'ale'tsEmEs in einen Dachs.
3) Die K'ä'etsß. Der Ahne der K'e'etse wurde von der Oottheit vom Himmel
herabgesandt. Als er hernieder kam, hörte man einen lauten Lärm droben. Sein
Name war Tsatä'sElten.
4) Die Mä'9QuL Der Ahne der Mä'ijQui, Sk'Ele'yitl (von sk'Elä'o, Biber), hatte
einen Sohn, den er ebenso, wie sich selbst, ganz in Biberfelle kleidete. Als Qäls
kam, kämpfte er mit ihm, indem beide einander gegenüberstanden und sich gegen-
seitig zu verwandeln suchten. Endlich besiegte ihn Qals. Sk'Ele'yitl sprang ins
Wasser und schlug dort wild um sich Er wurde nebst seinem Sohne in Biber
verwandelt.
5) Die LEk'ä'mel (NEk-'ämen). lä'lEpk-elEm, der Ahnherr der Lfik-'ä'mEl, lebte
mit seiner Mutter zusammen. Die Menschen hatten damals noch kein Feuer und
lebten wie im Traume. Als die Sonne das sah, hatte sie Mitleid mit ihnen und
stieg vom Himmel herab in Oestalt eines Mannes. Dieser gab IälEpk*'€lEm das
Feuer. Da erwachte derselbe aus seinem traumhaften Leben zu wirklichem Leben.
Die Sonne unterwies ihn und sein Volk in allen Künsten. Später kam Qäls des
Weges und kämpfte mit IälEpk*elEm. Sie standen einander gegenüber und ver-
suchten, einander zu verwandeln. lälEpk'e'lEm nahm etwas weisse Holzasche auf,
streute sie auf sich und rühmte sich durch die Hülfe der Sonne mächtig und weise
geworden zu sein. Er sprang dabei hoch in die Höhe. Da rief Qäls: „Thue
künftig ebenso im Wasser!^ und verwandelte ihn in einen Stör.
6) Die Tc'ileQue'uk-. In Ts'uwä'le, am Unterlauf des Chilluwak River, wohnte
ein Häuptling, der hatte eine sehr schöne Tochter. K'ä'iq, der Nerz, wünschte sie
für sich zu haben. Daher nahm er die Oestalt eines hübschen jungen Mannes an
und ging den Fluss hinauf an der dem Dorfe gegenüberliegenden Seite. Er trog
eine Harpune in der Hand und Fische auf dem Kücken, so dass es aussah, als
habe er sie eben gefangen. Oerade um diese Zeit hatte ein alter Mann alle jungen
Mädchen, unter ihnen die Tochter des Häuptlings, zum Baden aosgesandt Die
(557)
Mädchen sahen den jungen Mann, der immer ps! ps! rief, und die Fische, welche
er trag, and "baten ihn, ihnen einen hinüberzuwerfen. Er erfüllte ihre Bitte,
der Fisch fiel ins Wasser, schwamm in die Häuptlingstochter hinein und machte
sie krank. Dir Vater suchte einen Schamanen, um sie zu heilen. Da nahm der
Nerz die Gestalt eines Schamanen an. Er ging Abends zum Dorfe und als eine
alte Frau ihn dort erblickte, sprach sie: „Gewiss kann er das Mädchen heilen.^
Sie riefen ihn ins Haus und er yersprach sie wieder herzustellen. Zunächst schickte
er alle Lieute aus dem Hause und liess nur eine alte Frau vor der Thüre sitzen,
um mit den rythmischen Schlägen des Tanzstabes seinen Gesang zu begleiten.
Zunächst sang er, dann aber schlief er mit dem Mädchen. Dieselbe gebar sofort
darauf ein Rind. Da sprang er sogleich aus dem Hause. Die Alte hörte das Rind
schreien und rief die Leute. Diese wurden sehr zornig. Sie nahmen das Rind
und warfen es aus dem Hause hinaus. Der Nerz stand aber draussen und hielt
seinen Mantel aus Bergziegenfell ausgebreitet, in dem er es auffing und mit ihm
davonging. Der Vater des Mädchens ward nach einiger Zeit betrübt, dass er seinen
Enkel verloren hatte. Daher sandte er zu R'älq und liess ihn bitten, denselben
zurückzuschicken. Er willfahrte der Bitte und sandte den Rnaben zurück. Dieser
erhielt dann den Namen T'Squlä'tca (vom Unterlauf des Flusses). Er ward der
Ahne der Tc'ileQuö'uk* *)•
Später traf Qäls T'equlä'tca. Sie kämpften miteinander und versuchten ein-
ander zu verwandeln. Qäls verwandelte ihn zuerst in eine Rübe. Doch gelang
diese Verwandlung nicht völlig. Dann versuchte er ihn in einen Lachs und darauf
in einen Nerz zu verwandeln, doch gelang ihm dies nicht besser. Der Nerz trug
Adlerfedern auf dem Ropfe. Da verwandelte er ihn schliesslich in einen Stein.
7) Die Steelis. Der Ahne der Steelis heisst Ts'ä'tsEmiltg. Dieser war von .^
der Gottheit vom Hinmiel herab gesandt worden. Einer seiner Nachkommen baute
ein Wehr an dem rechten Zuflüsse des Harrison River. Dasselbe erstreckte sich
quer über den Fluss, so dass keine Fische daran vorbei den Fluss hinauf gelangen
konnten. Oben am Flusse in Roä'lEqt lebte aber ein Stamm, von dessen Vor-
handensein Ts'ä'tsEmiltQ nichts wusste. Der Häuptling desselben war R'ulk'E'mEHÜ.
Ihre Ahnen waren ursprünglich Bergziegen und Marder gewesen und dann in
Menschen verwandelt. Als nun Ts'ä'tsEmiltQ das Wehr gebaut hatte, litten die-
selben grosse Noth. Ts'ä'tsEmiltg hatte vier Söhne, die allnächtlich am Wehre auf-
sassen, um Lachse zu fangen. Sie hielten eine Schnur um den Finger gebunden,
die an eine unterhalb des Wehres eingerammte, dünne Stange angebunden war.
Wenn dann die Lachse an das Wehr kamen, und daran entlang schwammen, um
einen Ausgang zu suchen, so streiften sie an der Stange her, die sich bewegte
and so die Fischer weckte. Diese bliesen dann sogleich in Bereitschaft gehaltene
Fackeln an, bei derem Scheine sie die Lachse speerten. Als die Noth in dem
oberen Dorfe immer grösser wurde, zog Rulk'E'mEBüs Sohn aus, um nachzusehen,
warum die Lachse ganz ausblieben. Er gelangte unbemerkt an das Wehr, und
versuchte, während die Männer auf die Fische warteten, einige der Stangen heraus-
zuziehen, damit die Fische hindurchschwimmen könnten. Die Söhne Ts'ä'tsEmiltgs
merkten aber, dass Jemand an dem Wehre sich zu thun machte. Sie bliesen ihre
1) Die Tc'ilequS'uk' sprachen bis vor vier (Generationen die Nooksak-Sprache, welche
mit der der Lommi fast identisch ist. Sie müssen daher als ein den übrigen Fräser River-
Stftmmen erst neuerdings assimilirter Stamm angesehen werden. Hierauf weist wohl auch
die oben en&hlte Sage hin, nach der ihr H&uptliDg allein vom Unterlaufe des Flusses
staomitf während der Btaomi am Oberlaufe wohnte.
(558)
Fackeln an und erblickten eben noch einen jungen Mann, der zu entfliehen sucdite.
Sie aber waren sehr gute Läufer und holten ihn ein. Da sprach er: „0, Brtider!
Wir sind sehr arm in unserem Dorfe, da gar keine Lachse kommen. Daher sandte
mich mein Vater herab, um zu sehen, warum die Lachse plötzlich ausblieben.'
Ts'ä'tsEmiltQs Söhne erwiderten: „Kommt doch herunter und seht Euch das Land
unseres Vaters an.^ Der junge Mann ging zurück und sein ganzer Stamm folgte
der Einladung. Sie zogen hinab, eine grosse Schaar. Ts'ä'tsEmiltQs Söhne hei-
ratheten K'ulk'E'mEHÜs Töchter und der erstere wies ihnen ein Stück Land an, auf
dem sie sich Häuser bauten. Seit jener Zeit leben beide Stämme gemeinschaftlich
in Steelis.
8) Die Sk'au'^litsk'. Der Stammvater der Sk'au'elitsk* hiess K'ultS'mEltQ. Seine
Tochter fand den Sqoä'eqoe. Er selbst wurde von Qäls in Stein verwandelt.
9) Die PElä'tlQ. Eine Frau, Namens Clöm (Pelican), lebte in Tcä'tcöail, wo
es viele Binsen giebt. Eine der letzteren nahm die Gestalt eines Mannes und
den Namen Qälatca (wird sichtbar) an. Derselbe trug Hammer und Axt. Er
war ein guter Bootbauer. Er heirathete die Frau und sie wurden die Ahnen der
PElä'tlg. Als Qäls kam, verwandelte er Qälatca in einen Stein. Man sieht noch
heute seinen Hammer und seine Axt bei ihm liegen.
10) Die Pä'pk'um. Der Stammvater der Pä'pk'um hiess Aiuwä'luQ. Als Qäls
ihn traf, verwandelte er ihn in eine Bergziege. Daher giebt es viele Beigziegen
auf dem Berge Tle'tlEk'e, südwestlich von Pä'pk'um.
11) Die SiyiTa. Ein Bär lebte in Sguhä'mEn. Er wurde in einen Menschen
verwandelt, der den Namen Autlt€'n annahm. Er heirathete und hatte eine Tochter.
Eines Nachts hörte er einen Mann seiner Tochter Bett verlassen. Er sprang auf,
um zu sehen, wer es war; jener war aber verschwunden. Dann fragte er seine
Tochter, wer jener sei. Sie kannte ihn auch nicht. Da hiess er sie, ihre Hände
mit Fett und rother Farbe beschmieren und damit den Mann, wenn er wieder zu
ihr kommen sollte, umfangen. Sie folgte dem Rathe ihres Vaters und da sahen
sie am folgenden Morgen, dass der schwarze Hund Autlte'ns ganz voller Farbe
war. Die Mutter des Mädchens entdeckte es zuerst und rief: „Siehe, Vaters Hund
hat bei Dir geschlafen!" Da schämte sich das Mädchen. Im selben Hause mit
Autlt^'o lebte aber auch der Stör. Dieser sprach: „NeinI wenn er bei dem Mäd-
chen war, kann er nur zuletzt heute Morgen da gewesen sein, denn ich habe immer
bei ihr geschlafen. Wenn sie schwanger ist, so glaubt mir, dass sie das Rind von
mir trägt." Autlte'n sprach gar nichts, das Mädchen aber schämte sich sehr. Als
sie nun einen Knaben gebar, nahm der Stör denselben und trug ihn zum Wasser.
Er warf ihn in den Fluss und er ward sogleich in einen kleinen Stör verwandelt
Der alte Stör fing ihn, tödtete ihn und zerschnitt ihn. Dann setzte er ihn den
Leuten vor und sprach: „Werft keine der Grähten fort, sondern gebt mir alle.*
Sie thaten also. Da nahm er die Grähten in eine Schüssel und trug sie ins Wasser.
Sogleich wurden sie wieder lebendig und der Knabe stieg unverietzt aus dem
Wasser hervor. Derselbe wuchs heran und ward der Stammvater der Siyi't'a.
AutltS'n und seine Familie wussten, dass Qäls kommen würde und dass er
alles verwandelte. Sie sprachen zu einander: „Uns soll er nicht verwandeln. Er
ist keine Gottheit, er ist nur einer Bärin Sohn." Als Qäls nun kam^ machte er
wieder ein Lager nicht weit von Sguhä'mRn. Qoä'k'otlk'otl allein ging zu Autlt^n,
nachdem er die Gestalt eines alten Mannes angenommen hatte. Er fragte AuÜt^'n:
„Was thust Du?** Jener^ versetzte: „Ich fange Lachse im Netze zwischen zwei
Booten." Qäls fragte dann: „Und wie fängst Du Hirsche?" AutltS'n erwiderte:
„Auch diese fange ich in Netzen." Da fragte Qäls: ,,Und wie fängst Du Vögd?*
(559)
Jener sagte: „In feinen Netzen." Dann fragte Qals: „Und wie liegst Du,
wenn Du schläfst, auf der rechten oder auf der linken Seite?" „Nein," sagte
Autlte'n, „ich schlafe so, auf dem Rücken " „Und wie hältst Du Deine Beine?"
fragte Qäls. „Die ziehe ich so in die Höhe." „Und wie hältst Du Deine Hände?"
„Die ziehe ich ans Rinn hinauf." Autlte'n hatte sich, indem er so sprach, auf den
Rücken gelegt, die Beine in die Höhe und die Hände ans Rinn hinaufgezogen.
Da verwandelte ihn Qäls in einen Stein, der noch heute in Sguhä'mEn (Agassiz)
zu sehen ist.
12) Die QEtlä'tl. QelqElEmas, der erste QEtlä'tl, war sehr mächtig. Sein
Volk waren lauter Flussungeheuer. Einst kam Qäls zu ihm. Die drei Brüder
setzten über den Fluss, um ihn zu besuchen, während ihre Schwester auf der
gegenüberliegenden Seite blieb. Sie kamen glücklich über den Fluss, der dort sehr
gefährlich ist. Als sie aber zu QslqElEmas kamen, rief dieser sein Volk, und als
Qäls die schrecklichen Gestalten sah, fiel er in Ohnmacht. Qe'lqElEmas nahm ein
Zaubermittel aus seinem Rorbe, besprengte ihn damit und stellte ihn so wieder her.
13) Qe'lqElEmas' Bruder, Sk'Elä'o (Biber), war der erste Häupling der Spe'yim
(Spuzzum, das südlichste Dorf der Ntlakyapamuq). Als dieser sah, dass Qäls zu
seinem Bruder kam, machte er sich einen unterirdischen Gang zu dessen Hause,
um ihm im Falle der Noth zu helfen.
2. Mond und Sonne.
An der Mündung des Ausflusses von Silyer Lake lebte eine alte Frau, Namens
Räiä'm, ganz allein. Eines Tages ging sie zum Flusse hinab, fing einen Lachs
und nahm seinen Rogen aus. Sie nahm zuerst die längere Seite desselben, drückte
sie aus und sprach dabei zur Sonne gewandt: „0 Sonne, ich bin ganz allein. Er-
barme Dich meiner und gieb mir Genossen, mit denen ich leben kann." Dann
nahm sie die kürzere Seite des Rogens und drückte sie aus. Indem sie also that,
betete sie wieder ebenso zur Sonne. Da wurden die beiden Hälften des Rogens
in zwei Mädchen rerwandeli Diese wuchsen heran und wurden sehr hübsch. Die
drei Frauen lebten ganz allein und die jungen Mädchen hatten nie einen Mann
gesehen. Als sie erwachsen waren, wünschten sie sehr einen Mann zu bekommen.
Um diese Zeit starb Räiä'm. Die Mädchen legten den Leichnam in ein Boot und
fuhren ihn, den Befehlen der Alten gemäss, eine kurze Strecke den Fluss hinauf
und setzten ihn bei. Sie legten den Steinhammer und den Reil der Alten zu ihr
ins Grab. Dann kehrten sie nach Hause zurück und legten sich jede an ihrer
Seite des Hauses nieder zu schlafen. Die Alte aber war gar nicht todt, sondern,
als die Mädchen wieder fortgegangen wuren, erhob sie sich und nahm die Gestalt
eines jungen Mannes an. Sie wollte die Mädchen zum Besten haben. Zu diesem
Zwecke band sie sich ihre Haut zusammen, die ganz y erschrumpft war, und die
sie auf solche Weise wieder glatt machte. Dann brach sie ihren Hammer in zwei
Theile, die sie sich als Hoden ansteckte; den Reil fügte sie sich als Penis an.
Am nächsten Morgen bestieg sie dann das Boot, in dem sie beigesetzt gewesen
war, und fahr zu ihrem Hause hinunter. Sie hatte ihr Haar zurückgebunden, ihr
Gesicht mit Glimmer geschmückt und Marderfelle um Ropf und Leib gebunden.
Als sie den Fluss hinab ruderte, s%ng sie: „AuEnä'qoa, auEnä'qoa, ayölcsa Rayilä'pa.
He, he, yuk* Rayilä'pa." Sie hatte sich den Namen Rayilä'pa gegeben. Die Mäd-
chen gingen hinaus, als sie den Gesang hörten und dachten: „Da kommt ein Mann,"
jede wünschte ihn für sich zu haben. Die Jüngste war die schönste, und als
beide ihn riefen, folgte Rayilä'pa ihr. Er setzte sich zu ihr aufs Bett, sie kochte
gutes Essen i^nd setzte es ihm yor. Sie gab ihm einen schönen LöfTel. Während
(560)
er ass, hielt er seinen Mantel über seinen Mond. Die Mädchen wunderten sich
sehr darüber und konnten sich nicht denken, wanun er das that. Er wollte sie
nicht sehen lassen, dass er keine Zähne hatte. Als sie glaubten, dass er fertig ge-
gessen hatte, nahmen sie Schüssel und Löffel fort. Als nun Kayilä'pa aufstand,
sahen sie, dass all das Essen, das sie ihm gegeben hatten, vor seinem Platze auf
dem Boden lag. Er hatte es nicht beissen können. Darüber wunderten sich die
Mädchen noch mehr. Sie gingen hinaus und unterhielten sich mit einander dai^
über. Beide wollten ihn gern zum Manne haben und kamen schliesslich dahin
überein, dass er zwischen beiden schlafen solle. Als sie nun im Bette lagen, legte
die eine ihren Arm über seinen Bauch, fühlte nach seinen Genitalien, um sich zu
yergewissem, dass er auch ein Mann sei, und ward überzeugt, als sie den Keil
und die Hälften des Steinhamroers fühlte. Dann kitzelte sie ihn und er lachte nun
gerade, wie Käiä'm immer zu lachen pflegte. Sie fühlte dann, dass seine Haut nur
zusammengebunden war und erkannte nun die Alte, die sie so zum Besten gehabt
hatte. Die Mädchen schämten sich so sehr, dass sie fortliefen.
Sie gingen den Bach hinauf und trafen nach langer Wanderung eine alte
Frau. Sie sahen, dass dieselbe ein Rind wiegte, und bemerkten bald, dass sie
blind war. Die beiden Mädchen traten auf sie zu, und fragten: ,, Wessen Rind
wiegst Du da.^ Sie versetzte: „Das ist meiner Tochter Rind.^ „Wo ist denn
Deine Tochter?^ fragten die Mädchen. Die Alte erwiderte, dass sie fortgegangen
sei, sich zu schaukeln. Dann fragten die Mädchen, wo der Vater des Rindes sei,
und hörten, dass derselbe oben am Bache Lachse fange. Während sie dort waren,
schrie das Rind beständig and die Alte hielt den Ast, an den die Wiege ange-
bunden war, in unaufhörlicher Bewegung, um es zu beruhigen. Die Mädchen
sagten: „Das Rind ist schmutzig, darum weint es beständig. Wir wollen es für
Dich waschen.^ Sie nahmen es aus der Wiege, gingen mit ihm zum Bache und
kamen nach kurzer Zeit wieder. Sie sagten zu der Alten: „Jetzt ist das Rind
rein. Nun wird es wohl ruhig sein.^ Sie thaten, als legten sie es in die Wiege,
legten aber in Wirklichkeit ein Stück verfaultes Holz hinein und stahlen das Rind.
Die Alte schaukelte ruhig die Wiege weiter. Da aber das Rind sich lange Zeit
nicht rührte, ward sie unruhig, fühlte nach und fand nun das Stück Holz. Da
rief sie ihren Schwiegersohn: „Sk'oä'sk'oästell zwei Frauen haben Deinen Sohn ge-
stohlen.^ Der Mann hörte, dass sie ihn rief, war aber nicht im Stande, zu ver-
stehen, was sie sagte, da der Bach, in dem er fischte, zu viel Lärm machte. Er rief
huä, huä, nahm etwas Wasser in den Mund und sprühte es in den Bach, der darauf
sogleich stille wurde, so dass er verstehen konnte, was seine Frau sagte. Als er
hörte, dass ihr Enkel gestohlen war, ward er böse, lief nach Hause zurück, nahm
die Alte an den Haaren, warf sie auf die Erde und rief: „Wenn Menschen Dich
künftig finden, sollen sie Dich essen.^ Sie ward eine Bube (ts'ulcoa), ihre Haare
wurden die Blätter der Pflanze.
Die Mädchen kamen schliesslich ganz oben am Bache an und blieben dort
wohnen. Der Rnabe, den sie gestohlen hatten, wuchs heran, und sie machten ihm
Bogen und Pfeile. Zuerst schoss er Vögel, als er aber stärker wurde, bat er die
Mädchen, ihm einen starken Bogen zu machen. Sie erfüllten seine Bitte, und er
schoss nun Hirsche, Bären und Bergziegen. Als er erwachsen war, nahm er die
beiden Mädchen zu Frauen.
Die Mutter des gestohlenen Rnaben kam nach Hause, als sie sich genug ge-
schaukelt hatte. Als sie fand, dass ihr Sohn gestohlen war, ward sie sehr betrübt
Sie Hess sich etwas von dem beschmutzten Cederbast aus der Wiege des Rindes
geben, nahm ihn zum Bache, weinte, betete zur Sonne und drückte ihn dann aus,
(561)
SO dass der ünrath ins Wasser tropfte. Da wiirde derselbe sogleich in einen
Knaben rerwandelt, den sie Sk'u'mtcetl nannte. Sie war der Sonne dankbar, dass
sie ihr ein anderes Rind gegeben hatte. Als der Knabe heranwuchs, machte sie
ihm Bogen und Pfeile und er jagte auf den Bergen. Seine Mutter erzählte ihm,
wie sein Bruder verloren gegangen sei, und befahl ihm, wenn er je einen Fremden
im Walde träfe, freundlich gegen ihn zu sein, da es sein Bruder sein möge.
Eines Tages ging Sk'u'mtcetl weit fort, um Bergziegen zu jagen. Er blieb
über Nacht aus und traf einen Fremden, der ebenfalls auf Bergziegenjagd begriffen
war. Sie spielten Lehal mit einander. Am nächsten Tage, als er wieder auf Berg-
ziegenjagd ging, traf er abermals den Fremden, und als er nun Abends nach Hause
kam, erzählte er seiner Mutter ron der Begegnung. Sie sprach: „Wenn Du ihn
wieder triffst, sieh ihn Dir genau an. Dein Bruder hat eine Narbe auf der Stirn,
die er erhielt, als er einstens aus der Wiege fiel.** Am folgenden Tage traf
Sk*u'mtcetl den Fremden wieder. Jener nahm ihn mit nach Hause und sie setzten
sich zum Spielen. Sk'u'mtcetl sah nun, dass jener eine grosse Narbe an der Stirn
hatte. Da sprach er: „Du bist mein Bruder. Jene beiden Frauen stahlen Dich
einst Ich erkenne Dich an der Narbe, die Du auf der Stirne hasi^ Als jener so
erfuhr, dass die Frauen ihn einst als kleines Kind gestohlen hatten, schämte er
sich so, dass er sein Haus ansteckte und sich selbst mit seinen Frauen und den
Kindern, die er von jenen hatte, verbrannte. Er wurde der Mond.
Er sandte Sk'u'mtcetl nach Hause zurilck. Als dieser seiner Mutter erzählte,
was geschehen war, ward sie betrübt. Sie sprach: „Ich werde wieder zu dem
Lande gehen, in dem die Sonne untergeht, und wo man sich schaukelt Hinfort,
wenn die Sonne Krankheit und Tod unter die Menschen senden will, werde ich
am Lande ziehen und es rütteln, zum Zeichen dessen, was Euch bevorsteht^
Sk'u'mtcetl ging dann ins Gebirge und wurde die Sonne.
Als Qäls später Käiä'm traf, verwandelte er sie in Stein.
3. Der Specht und der Adler.
TEmE'tlepsKm, der rothköpfige Specht, hatte eine Frau, Namens LEqples, zum
Weibe, deren Scheide mit Zähnen besetzt war. Sie pflegte allen Männern, die mit
ihr schliefen, den Penis abzubeissen, und sie so zu tödten. Ts'fi'skEl, der Adler,
war der Bruder des Spechtes. Der Specht und der Adler hatten jeder einen Sohn.
Ersterer lehrte sein Kind, an Bäumen hinaufklettern, letzterer das seine, in weiten
Kreisen aufwärts zu fliegen. LEky'iä'p, der Prairiewolf, lebte mit ihnen in einem
Dorfe. Er war ein schlechter Mensch und war eifersüchtig auf die Geschicklich-
keit der Söhne des Spechtes und des Adlers. Er dachte darüber nacK, wie er
jenen Schaden zufügen könne. Er befahl seiner Frau, ihre Nothdurfk zu verrichten,
und dann verwandelte er ihre Exkremente in einen schönen Wasservogel. Diesen
liess er vor den beiden jungen Männern umherschwimmen, um sie zu verführen^
ihn zu verfolgen. Dann fing der Vogel an, weiter und weiter den Fluss hinauf zu
schwimmen. Die Jünglinge waren nicht im Stande, ihm näher zu kommen. Sie
kamen mitunter zum Schusse, konnten den Vogel aber nicht tödten. So lockte er
sie weiter und weiter den Fluss hinauf, bis sie endlich zum Himmel kamen. Dort
trafen sie einen der Himmelsbewohner, der sie mit zu seinem Hause nahm.
Als der Specht und der Adler ihre Söhne vermissten, wurden sie sehr betrübt
Sie sandten zu allen Leuten und allen Landen, um nach ihnen zu suchen; sie
waren aber nicht zu finden. Endlich erfuhren sie von einem Manne, dass ihre
Söhne im Himmel seien. Da wollten sie hinauf in den Himmel gehen, um ihre
Söhne wiederzuholen. Sie wussten aber nicht, wie sie hinkommen sollten. Sie
VerhandL der B«rl. AnthropoL Geaellachaft 1891. 36
(56-2)
beriefen eine allgemeine RathsTersammltmg, in welcher sie die Thiere fragen, wie
man in den Himmel kommen könne. Zuerst trogen sie dem Pelikan anf^ zu ver-
suchen, in den Himmel zu fliegen. Er flog in die Höhe, mnsste aber onyerrichteter
Sache umkehren. Dann trugen sie dem Maulwurf (?pElä'wKlj auf, zu versuchen,
unter dem Wasser und unter der Erde in die Höhe zu kriechen. Er konnte es
aber nicht. Dann liessen sie die Schwalbe (eIeI) in die Höhe fliegen; sie ge-
langte aber auch nicht bis zum HimmeL Nun flog der Adler selbst in die Höhe,
musste aber auch unvcrrichteter Sache umkehren. Dann machte einer der am
Meere wohnenden Zwerge Kstai'muQ, die ausserordentlich stark sind, den Versuch.
Er gelang ihm aber nicht. Da sie nun gar nicht wussten, wie sie hinauf gelangen
sollten, stand T'ä'mia, der Enkel von LEqyi'les auf, und sprach: „Ich träumte letzte
Nacht, wie wir hinauf gelangen können." Er strich seine Haare zurück, bemalte
sie mit rother Farbe, machte eine rothe Linie von seiner Stirn über die Nase zum
Rinn herunter und begann zu singen, während seine Grossmutter Takt schlug:
„Wus T'ä'mia tsEnä'I auatsEnse'se kulskuli'Ht te suä'yil/
Tä'mia ichl nicht ich ftirchte mich zu schiessen den HimmeL
Dann richtete er seinen Bogen nach dem Eingang zum Himmel droben und
schoss einen Pfeil ab. Derselbe flog und flog und traf endlich den Himmel gerade
unter dem Eingange. Er schoss einen zweiten Pfeil ab, der die Kerbe des ersten
traf und so fuhr er fort, bis die Pfeile eine lange Kette bildeten Seine Ghross-
mutter half ihm dabei, indem sie sang und Takt schlug. Als die Kette fertig war,
wischte er sich die rothe Farbe vom Gesichte und bemalte seinen ganzen Körper
mit gebrannten Knochen weiss. Dann verwandelte er die Pfeile in einen breiten
Weg, der zum Himmel hinauf führte. Nun gingen alle Leute zum Himmel hinauf,
kämpften mit den Himmelsbewohnem, besiegten sie und befreiten die Söhne des
Spechtes und Adlers. Dann kehrten sie nach Hause zurück. Als alle glücklich
wieder unten angekommen waren, zerbrachen sie den Weg, auf dem sie hinauf-
gegangen waren. Sie hatten nicht bemerkt, dass die Schnecke noch nicht ange-
kommen war. Sie langte am Himmelsthore an, als die Pfeilkette schon zerstört
war, und musste sich hinunterfaUen lassen. Da zerbrach sie sich alle Knochen
und seither ist sie sehr langsam.
Der Adler und Specht wussten nun, dass der Prairiewolf ihre Söhne in den
Himmel gelockt hatte, und sie beschlossen sich zu rächen. Der Prairiewolf wohnte
in einem unterirdischen Hause. Der Specht ging dorthin und hackte unbemerkt
die Pfosten, welche das Dach trugen, sowie den Fuss der Leiter, die als Eingang
dient, durch. Als nun der Prairiewolf nach Hause kam, fiel das Haus ein und er-
schlug ihn sammt seiner Frau.
Der graue Bär war ein Freund des Prairiewolfes. Er dachte: „Warum haben
der Adler und Specht meinen Freund getödtet? Ich werde ihn rächen.*' um sein
Ziel zu erreichen, verwandelte er sich in einen Hund und ging in die Hütte des
Vogels Ts'Elkälc', der ein hübsches Mädchen war. Er wünschte dann, dass die
Söhne des Adlers und des Spechtes jene zur Frau begehren sollten. Es geschah,
wie er gewünscht, und zuerst zog der älteste Sohn des Adlers aus, Ts'Elkä'k* zu
heirathen. Der Sitte gemäss setzte er sich neben der Hausthür nieder, ohne ein
Wort zu sprechen (siehe American Anthropologist 1889. p. 332). Da kam der
graue Bär aus dem Hause herausgelaufen und frass ihn Da der Sohn des Adlers
gar nicht zurück kam, dachte der Sohn des Spechtes: „Das muss ein gutes Land
sein, in dem mein Freund jetzt wohnt Ich will auch hingehen/* Als er nun ans
Haus kam und in die Thtire trat, stürzte der graue Bär auf ihn los und frass ihiL
Die jüngeren Brüder beider theilten das gleiche Schicksal. Da nun die Söhne des
(563)
Adlers und Spechtes gar nicht zurückkehrten, wnssten die Alten, dass sie ums
Leben gekommen waren. Sie hatten noch jeder einen ganz jungen Sohn. Diese
sandten sie in den Wald, dort zu baden und sich mit Oederzweigen zu waschen,
um stark zu werden. Sie gehorchten und wurden sehr stark. Sie dachten immer
an ihre Brüder, und als sie gross geworden waren, zogen sie aus, dieselben zu
suchen.
Einst trafen sie einen alten Mann, den Waschbären (uieIe's). Dieser lud sie
ein, in sein Haus zu kommen, und bewirthete sie. Elr wusste, dass sie ihre Brüder
suchen wollten, und sagte: „Nehmt Euch in Acht; wenn Ihr auf diesem Wege
weiter wandert, werdet ihr an einige Häuser gelangen. Auf der linken Seite des
Weges wohnen böse Menschen. Diejenigen, welche auf der rechten Seite wohnen,
sind nicht so böse.^ Die jungen Männer wanderten nun weiter und sahen bald
zwei Häuser, eines zur Rechten, eines zur Linken des Weges. Hechts wohnte
die Quarzfrau, links eine graue Bärin. Beide waren Frauen des Sqäuwäl (Marder?).
Sie hörten, wie die Bärin rief: „Genossin! komme herüber und lause mich.^
Die Quarzfrau kam, nahm den Kopf der Bärin zwischen die Knie und lauste
sie. Als sie fertig war, fing die Bärin an, sie zu lausen. Dabei kratzte sie sie
aber mit ihren langen Nägeln. Darüber ward die Quarzfrau zornig imd die beiden
fingen an, sich an den Haaren zu raufen und zu schlagen. Da die Quarzfrau fast
unterlegen wäre, rief sie ihren Bruder zu Hülfe, der nicht weit von dort wohnte.
Er kam und schlag seine Schwester hinten vor. Da sprühte Feuer aus ihr heraus.
So half er ihr in ihrem Kampfe mit der Bärin. Die letztere hatte die Aufgabe,
auf den Weg zu achten und niemand vorbei zu lassen. Der Waschbär hatte ge-
macht, dass sie mit der zweiten Frau stritt, um den jungen Männern so Gelegen-
heit zu geben, unbemerkt vorbei zu kommen. Sie gingen an den Häusern vorüber,
■während die beiden Frauen noch mit einander stritten. Als die Bärin sie endlich
entdeckte, hatten sie einen guten Vorsprung. Sie machte sich aber aber doch zur
Verfolgung auf. Bald kamen die jungen Leute zu zwei anderen Häusern. Rechts
vom Wege stand das von Sts'ek*, dem Luchse, links das von Ts'Elk'ä'k*, in dem die
Gebeine ihrer Brüder lagen. Der Luchs wollte sie sogleich fressen. Da sie so
von der Bärin und dem Luchse verfolgt wurden und nach keiner Seite entfliehen
konnten, kletterten sie eine alte Kiefer hinauf. Die Bärin sah sie oben sitzen und
that freundlich. Sie rief: „Kommt doch herunter, meine Enkel I** Sie riefen hinab:
„Legt Euch auf den Rücken und spreizt Eure Beine auseinander, dann wollen wir
herunter kommen.** Die Bärin und der Luchs thaten, was die jungen Männer ver-
langten, da sie hofften, sie dann fangen zu können. Kaum aber lagen sie da, als
die beiden vermodertes Holz herunter warfen. Der Staub fiel der Bärin und dem
Luchse in Augen, Mund, Nase und Genitalien, so dass sie vor Schmerz schrien.
Die jungen Männer kletterten dann rasch herunter und liefen weiter. Als die Bärin
wieder sehen konnte, setzte sie die Verfolgung fort, während der Luchs umkehrte.
Die Flüchtlinge kamen endlich an einen Fluss, den sie nicht überschreiten konnten.
Sie sahen einen alten Mann, Namens Koale'k'oa, die Möwe, an der anderen Seite,
and baten ihn, sie in seinem Boote hinüber zu holen. Er kam sogleich und er-
füllte ihre Bitte. Nach einiger Zeit kam auch die Bärin an, die den Spuren der
jungen Männer gefolgt war. Als sie an den Fluss kam, war Koale'k'oa wieder an
der anderen Seite. Sie rief ihn und bat ihn, sie überzusetzen. Der Alte hämmerte
aber an seinem Boote herum und liess sich gar nicht stören. Er wollten den
jungen Männern helfen und die Bärin ertränken. Zu diesem Zwecke trieb er einen
Ast, der nahe dem Schnabel im Boden seines Bootes war, heraus. Als er damit
fertig war, that er, als höre er erst das Rufen der Bärin und ging hinüber. Er
36*
(564)
sass hinten in seinem Boote, so dass das Yordertheil ans dem Wasser stand und
also kein Wasser dorch das Loch, das er gemacht hatte, hineinlaufen konnte. Er
sagte nun zu der Bärin: „Siehe! mein Boot ist schlecht; es ist ein Loch vorne
dann. Du musst Dich gerade darauf setzen, sonst kann ich Dich nicht hinüber
bringen, denn mein Boot würde voll Wasser laufen." Die Bärin setzte sich also
gerade auf das Loch und musste da sitzen bleiben, wenn das Boot nicht unter-
gehen sollte« Als sie so da sass, floss das Wasser in ihre Genitalien hinein. Dor
Mann fuhr ganz schief über den Fluss, so dass sie recht lange unterwegs waren,
imd das kalte Wasser tödtete die Bärin, ehe sie drüben ankamen.
Die beiden jungen Leute wanderten weiter und trafen bald zwei blinde Frauen,
Te(^uamä'is, das Rebhuhn, und LäTiElak'am, einen anderen Vogel. Sie waren die
Frauen Kä'iqs des Nerzes. Letzterer war gerade auf Fischfang, als die beiden an-
kamen. Bald aber kam er nach Hause und sprach: „Bleibt bei mir als meine
Rinder. Ich will Euch helfen, Eure Brüder wieder zu erlangen." Am selben
Abend stellte er sich, als sei er sehr krank. Er sagte: „Bringt mich in meinem
Boote zum Strande hinab. Gebt mir meine Harpune mit und setzt mich dort bei,
wenn ich todt bin." Die jungen Männer gehorchten und brachten R'älq zum
Strande. Als sie dort ankamen, starb er, und sie setzten ihn bei. Dann gingen
sie zu den blinden Frauen zurück und erzählten ihnen, dass ihr Mann todt sei.
Von mm an mussten sie für die Frauen jagen und Muscheln suchen. Als sie nun
eines Tages von der Jagd nach Hause zurückkehrten, kamen sie an R'älqs Grabe
vorbei. Sie hörten ihn rufen: „Habt Ihr viele Muscheln gefunden?" und wunderten
sich sehr, dass der Todte sprach. Nach einigen Tagen kamen sie wiederum an
dem Grabe vorbei und nun fragte R'ä'iq sie: „Haben meine Frauen wieder gehei-
rathet?" Sie antworteten: „Teguamä'is hat einen anderen Mann genommen, aber
Lä'k'Elakam trauert noch um Dich." Da stand R'ä'ik wieder auf und lief nach HauBC
zurück. Er nahm Lälc'Elak'am wieder zur Frau. Dann wanderten die Jünglinge
weiter imd die Frauen gaben ihnen Zauberkräuter mit.
Eines Tages, als sie wieder auf Jagd waren, sahen sie in der Feme Rauch
aufsteigen, und fanden, als sie naher kamen, ein Haus, in dem der Büffel wohnte.
Dieser sprach: „Ich weiss, dass Ihr Eure Brüder sucht. Geht weiter in dieser
Richtung, dann werdet Ihr an eine Höhle kommen. Drunten wohnen die Todten
und unter ihnen Eure Brüder. Wir sind die Wächter des Einganges, aber wir
wollen Euch hineinlassen." Sie gaben ihnen ein Zaubermittel und zeigten ihnen,
wie sie hineingelangen konnten. Die Jünglinge gelangten glücklich zu der Höhle
und stiegen hinein. Da sahen sie unter vielen anderen Leuten auch ihre vier
Brüder. Alle Leute spielten dort zusammen. Sie sprachen nun zu den Brüdern:
„Wir haben Euch lange gesucht. Eure Rnochen liegen droben in dem Hause von
Ts^Elk'ä'k', aber Ihr weilt hier unten. Geht nun mit uns nach Hause zurück." Die
Brüder antworteten: „Wir können nicht mit Euch gehen. Denn wiewohl wir hier
unten stark und kräftig sind, sind wir ein Nichts auf der Oberwelt." Die Jüng-
linge erwiderten: „Jeder von uns wird seine beiden Brüder zurücktragen. Dann
gehen wir zu dem Platze, wo Eure Rnochen liegen, und wir werden sie wieder
lebendig machen." Die Brüder Hessen sich dann zurücktragen und sie wurden
wieder lebendig. Sie kehrten dann zum Hause ihrer Eltern, des Spechtes und des
Adlers, zurück.
Diese hatten ihre Rinder längst verloren gegeben und waren blind geworden
von vielem Weinen. Die jungen Leute machten sie dann wieder jung und gesund.
Die beiden Jünglinge waren vortreffliche Jäger. Wenn sie auf Bergziegenjagd au»-
(565)
gingen, schössen sie mit einem Schasse eine ganze Heerde. Sie wurden mächtige
Häuptlinge.
Als der Sohn des Adlers älter wurde, beschloss er zu heirathen und warb um
Qut, einen kleinen Vogel. Diese nahm seine Werbung an, wollte aber nicht mit
in sein Land ziehen. Sie sagte: „Bleibe hier bei uns und werde ein grosser
Häuptling. Sende herum und lade alle Leute zu einem Feste ein.** Da blieb der
junge Adler dort, baute ein grosses Haus und lud alle Leute zu einem grossen
Schenkfeste ein. Eines Tages, als er aus war, um Hirsche zu jagen, deren Fleisch
für das Fest gebraucht werden sollte, kam sein Onkel, der Specht. Derselbe sah
Qut und wünschte sogleich, sie für sich selbst zur Frau zu haben. Sie wurde dem
Sohne des Adlers untreu und nahm die Werbung des Spechtes an. Als nun der
Adler zurückkam und seinen Onkel im Besitze der Frau fand, ward er betrübt
und ging zu seinem Vater zurück. Qut hiess nun den Specht alle Leute zu einem
Feste einladen. Er sandte den Hasen, den „Hooknose^-Lachs und den Hecht als
Boten aus. Um die Zeit der Wintersonnenwende kamen alle Leute an und be-
gannen das Fest mit dem Meltla-Tanze im Hause Quts. Diese war eine Siö'wa^.
Sie tanzte und Hess ihre Oäste dazu singen und Takt schlagen. Ihr Mann stellte
einen grossen Korb vor sie. Als sie nun tanzte, spie sie in den Korb, der dann
gleich voller Beeren war. Dann stellte ihr Mann einen anderen Korb vor sie, den
sie gleichfalls mit Beeren füllte, indem sie hinein spie. So machte sie die
Nahrungsmittel, mit denen sie das Fest gaben. Dann verschenkte sie viele Mäntel.
unter den Gästen war auch der „Sockeye"-Lachs und sein Sklave, der Donner-
YOgel. Der letztere wünschte sehr, Qut für sich zu haben. Als das Fest nun vor-
über war, ging der Lachs in sein Boot, legte sich im Vordertheile nieder und
schloss die Augen. Der Donnervogel stand im Hintertheile des Bootes. Da sie
nun zur Abfahrt fertig waren, kam Qut zum Boote hinab, um ihren Gästen noch
Reiseproviant mitzugeben, wie die Sitte erheischt. Das Boot lag so weit vom Ufer,
dass sie bis an die Knie ins Wasser gehen musste. Da ergriff sie der Donner-
vogel, hob sie ins Boot und fuhr mit seiner Beute von dannen.
Da der Specht auf solche Weise seine Frau verloren hatte, ward er sehr be-
trübt, und dachte darauf, sie wieder zu erlangen. Er rief K'ä'iq, den Nerz, der
früher der Sklave des Sockeye-Lachses gewesen war, zu Hülfe. Dieser sprach:
„Ich kenne das Haus des Lachses gut. Nahe dem Landungsplatz der Boote hat
er ein Lachswehr, das vom Donnervogel bewacht wird. Er selbst schläft an einer
Seite des Feuers, der Donnervogel auf der anderen. Lass uns die Gestalt von
Lachsen annehmen und in das Wehr schwimmen. Dann werden sie uns in das
Haus tragen." Der Specht nahm dann die Gestalt eines Cohoe- Lachses, der Nerz
die eines Frühlingslachses (0. chouicha) an. Sie schwammen zu dem Wehre des
Donnervogels und Hessen sich fangen. Der Donnervogel warf sie mit den anderen
Lachsen, die sich im Wehre gefangen hatten, in sein Boot. Da dachte R'ä'iq : „Ich
wollte, er ginge nun nach Hause und behielte uns beide für sich selbst.^ Raum
hatte er das gedacht, da wandte sich der Donnervogel nach Hause und gab die
beiden Lachse seiner Frau Qut. Dann dachte K'ä'iq: „Nun wollte ich, Qut trocknete
mich über dem Feuer und briete den Specht.** Sogleich trug der Donnervogel ihr
auf, dies zu thun. Sie schnitt beide auf und legte K'ä'iq auf das Trockengestell,
während sie den Specht brieten imd assen. Nach kurzer Zeit fiel K'ä'iq von dem
Trockengestell herunter. Qut legte ihn wieder hinauf, nach ganz kurzer Zeit fiel
1) Siehe Siith Report on the Indiana of British Columbia in den Proceedings of the
Association for the Advancement of Science 1890. p. 28.
(566)
er aber wieder herunter. Dann dachte R'älq: ^Ich wollte, der Donnenrogel liesse
seine Frau jetzt die Grähten ins Wasser werfen." Dann fiel er wieder von dem
Trockengestell herunter und dachte: „Ich wollte, jetzt dächten sie, ich sei zu
schmutzig und würfen mich auch mit ins Wasser." So geschah es. Der Donner-
YOgel trug seiner Frau auf, die Orähten und den Lachs, der so oft heruntergefallen
war, ins Wasser zu werfen. Sie gehorchte und ging bis an die Knie ins Wasser,
um die Orähten ordentlich ins Meer zu werfen. Da wurden die beiden Lachse
plötzlich wieder lebendig, nahmen Qut bei der Hand und schwammen mit ihr yon
dannen.
Als sie nun wieder in ihrer Heimath angekommen waren, sprach Qut: „Lasst
xms zum (Harrison) See hinaufgehen. Ich will rothe Farbe holen." Sie holte
einen Korb voll Erde, reinigte sie, formte dieselbe in kleine Bälle und trocknete
sie. Dann Uess sie ihren Mann Holz und Rinde holen, ein Feuer machen und
Steine auf demselben glühend machen. Dann brannten sie die Ballen trockener
Erde über den Steinen, nachdem sie erst etwas Erde darüber gedeckt hatten. So
lehrte sie ihren Stamm den Gebrauch und die Zubereitung der rothen Farbe.
Darauf kehrten sie nach Stseelis zurück. Unterwegs begegneten sie R'ä'iq,
dessen Boot schwer mit Hirschen beladen war. Der Specht fragte ihn: „Wo hast
Du die vielen Hirsche geschossen?" Jener erwiederte: „Ich schiesse nie Hirsche.
Wenn ich welche haben will, singe ich nur: ame't'aq lEqle'silatsI meTaq iF.ql^'silatsI
(d.h. kommt herab, kommt herab I ihr Fettbäuchigenl), dann kommen sie herab zu
mir und fallen todt nieder."
Als sie in Stseelis angekommen waren, Hess Qut sie viele Wurzeln suchen.
Sie brachten ihr viele Körbe voll. Dann liess sie ein Loch graben und glühende
Steine hinein werfen, die mit Gras bedeckt wurden. Darauf legte sie die Wurzeln
hinein, sprengte Wasser darauf und deckte sie mit Erde zu. Am folgenden Tage
nahm sie sie heraus und gab sie den Leuten zu essen. So lehrte sie sie Wurzeln
zuzubereiten. Später unterwies sie die Leute mittelst glühender Steine in Körben
zu kochen.
K'älq ging nun nach seiner Heimath zu seiner Grossmutter Sk'ö'i Sein jüngerer
Bruder Qoi'eqoa versorgte dieselbe immer mit Hirschen. Eines Abends sprach
K'ä'iq: „Es sind viele Fische im Flusse. Komm, Qoi'^oa, lass uns Fackeln nehmen
und hinausfahren und fischen." Sie fuhren zusammen fort, und als sie mitten auf
dem Wasser waren, sagte Kä'iq: „Siehe nur, was ist das unten im Wasser?"
Qoi'^qoa beugte sich über den Rand des Bootes, um besser sehen zu können.
K-ä'iq rief: „Siehst Du den Fisch? Spring über Bord und fange ihn!" Qoi'eqoa
sprang sogleich kopfüber ins Wasser. Da dachte Kä'iq: „Ich wollte, er würde in
eine Lachsforelle verwandelt," und so geschah es. Dann schlug er ihn todt und
nahm ihn nach Hause. Als er dort ankam, ging er zum Hause hinauf und sagte
zu seiner Grossmutter: „Gehe zum Boote hinab und hole die Lachse, die ich ge-
fangen habe." Sie gehorchte und kam bald mit der Lachsforelle zurück. Sie
sprach: „Ich habe nur einen Fisch in Deinem Boote gefunden." K'ä'iq hiess sie
ihn aufschneiden. Als sie ihr Messer nahm, sehne der Fisch: „Grossmutter,
schneide mich nicht!" Qoi'eqoa war nicht ganz wie ein Fisch geworden. K'ä'iq
sagte allerdings: „Er spricht Unsinn. Mein jüngerer Bruder ist ganz wohL" Aber
Sk'e'i glaubte ihm nicht und ward sehr zornig, weil er ihren Enkel getödtet hatte.
Sie wanderten dann zusammen den Fluss hinauf, um ein Land aufzusuchen, in
dem es Nahrung in Hülle und Fülle gab. Bald kamen sie an ein Haus, in dem
ein schönes Mädchen, Namens Pepahä'm, der Frosch, wohnte. Der Biber sass an
der Thürc des Hauses. Er wollte Pt'pahä'm zur Frau haben. Diese war damit
(567)
beschäftigt, einen schönen Mantel zu weben. Als sie endlich damit fertig war,
sagte sie zum Biber: „Was sitzest Du so lange da? Gehe fort! Ich will Dich nicht
zam Manne haben. Deine B^üsse und Deine Hände sind zu kurz und Dein Bauch
ist zu dick/ Der Biber antwortete nicht, sondern blieb ruhig sitzen. Das Mädchen
arbeitete weiter. Als sie sich nach einiger Zeit umdrehte und den Biber noch
immer da sitzen sah, sagte sie abermals, sie wolle ihn nicht, da seine Hände und
FUsse zu kurz, sein Bauch zu dick seien. Da dachte der Biber: „Ich will nach
Hause gehen. Sie schilt mich doch nur." Er ging fort und sang: „MElmElc'ts
qoqölö'etlpl** (d. h. Steige Wasser bis über die Bäume!). Da fing es an zu regnen.
Als R'ä'iq das sah, band er zwei Boote zusammen, legte Planken darüber und fuhr
von dannen. Das Wasser stieg höher imd höher und das Mädchen kletterte auf
seinen Webstuhl, um nicht zu ertrinken. Sie rief nun: „Ralä'uyal (Biber) komme
und hole michl^ Jener aber war böse und wollte sie jetzt nicht mehr haben. Er
sagte: „Warzen sollen künftig Deinen ganzen Körper bedecken." Sie ward dann
in einen Frosch verwandelt.
R'ä'iq und Sk'6'i fuhren weiter. Als sie sich einem Dorfe näherten, rerwandelte
R'ü'iq seine Grossmutter in ein hübsches junges Mädchen und legte etwas auf seine
Boote, das wie riele Mäntel aussah. Er wollte wie ein reicher Häuptling er-
scheinen. Er hatte sich ein schönes Fell um den Ropf gebunden und sein Gesicht
mit Glimmer bestrichen. Seine Grossmutter, die er für seine Tochter ausgab, sass
neben ihm und spann Fäden auf ihrem Rnie. Als die Leute ihn sahen, riefen sie:
„Ein Häuptling kommtl^ R*ä'iq und Sk*e'i gingen ans Land und die jungen Männer
wünschten alle, das hübsche Mädchen zur Frau zu haben. Nachts schlich sich
der Sohn eines Häuptlings zu ihr. Er stiess sie an und sagte: „Rück ein wenig,
ich möchte bei Dir liegen." Sie Hess ihn kommen, und als er sie in die Arme
schliessen wollte, sprach sie: „Gieb mir Deine Rupferarmringe. Dann darfst Du
mich umarmen." Er gab sie ihr, sie Hess aber doch nicht zu, dass er sie um-
armte Am folgenden Morgen ging der junge Mann fort. Dann kam R-ä'iq zu
seiner Grossmutter und fragte: „Hast Du die Armringe bekommen?" Sie zeigte sie
ihm, und er legte sie sich an. Das alles war nur eine List Rälqs gewesen, sich
in Besitz dieser Armringe zu setzen. Er ging hinaus, hüllte sich in einen Mantel
und legte sich nieder, so dass jeder seine Armringe sehen konnte.* Viele Frauen
erblickten ihn dort. Am Abende schlich sich der HäuptUngssohn wieder zu dem
fremden Mädchen. Er stiess sie an, sie rückte und liess ihn in ihr Bett. Da
wollte er sie umdrehen und fühlte über ihren Leib. ^ merkte nun, dass sie ganz
runzelig war. Da rief er: „Gewiss bist Du Sk'e'il" und er schämte sich sehr.
Und R'ä'iq fuhr mit seiner Grossmutter weiter. Er kam zu einem Dorfe, in
dem viele hübsche Mädchen wohnten. Da versteckte er sich im Walde. Er
dachte: „Ich wollte, sie kämen alle hierher in den Wald, Beeren zu suchen." Es
geschah, wie er dachte. Als nun die Mädchen den Fluss hinauf fuhren, ver-
wandello er sich in einen Hirsch und schwamm vor ihrem Boote her. Er liess
sich fangen und von den Mädchen an den Beinen ans Land ziehen. Dann dachte
er: „Ich wollte, die hübscheste zöge mir das Fell ab." So geschah es. Als sie
nun anfing ihm den Bauch aufzuschneiden, blinzelte er ein wenig, sprang dann auf
und nahm sie in die Arme. Die anderen liefen voller Angst von dannen. Sein
Bruder Qoi'eqoa, der wieder lebendig war, sah von der anderen Seite des Flusses,
wie er mit der Frau schlief. Er sah dann, wie dieselbe seinen Penis festhielt und
die anderen Mädchen zu Hülfe rief. Diese kamen und rissen ihm den Penis aus.
Er ward in einen Stein verwandelt, der noch heute oberhalb Pä'pk'um" am Fräser
River zu sehen ist
(568)
4. Brader und Schwester.
Es war einmal ein schönes junges Mädchen. Jede Nacht schlich sich ein
Mann zu ihr und schlief mit ihr, ohne dass sie wusste, wer es war. um ihn
wiederzuerkennen, bestrich sie ihre Hände mit Russ und bestrich damit den Rücken
des Mannes, ohne dass derselbe es merkte. Am nächsten Morgen, als alle jungen
Männer aus dem Dorfe zum Schwimmen gingen, stellte sie sich ans Ufer, um den-
jenigen zu entdecken, den sie schwarz gemacht hatte. Sie sah aber niemand.
Endlich kam ihr Bruder, und als dieser seine Kleider abwarf, sah sie, dass sein
Rücken ganz schwarz war. Da schämte sie sich sehr. Abends, als der Mann
wieder zu ihr kam, sprach sie: „Ich kenne Dich, Du bist mein Bruder. Ich bin
schwanger. Lass uns fortgehen von hier, denn wir müssen uns vor den Leuten
schämen.'^ Ihr Bruder war einverstanden. Am folgenden Tage machte die Frau
ein grosses Bündel von Decken aus Bergziegenwolle. Sie gingen dann fort und
sie bezeichnete den Weg durch Stücke der Decken, die sie an Zweige band.
Sie wanderten zehn Tage lang landeinwärts, Dann endeten sie ihre Wande-
rung und machten ein Haus. Nach einiger Zeit gebar sie einen Knaben. Als der-
selbe heranwuchs, wunderte er sich sehr, dass seine Eltern einander so ähnlich
sahen, scheute sich aber, darüber zu sprechen. Er war nun so gross geworden,
dass er schon auf die Bärenjagd ging. Eines Abends, als er von der Jagd zurück-
kam, auf der er einen grossen Bären getödtet hatte, fasste er sich ein Herz und
fragte seine Mutter: „Mutter, ist Vater verwandt mit Dir? Er sieht Dir so ähnlich.*^
Das erzählte sie ihrem Manne und dieser sprach: „Es ist nicht gut, dass er weiss,
dass wir verwandt sind.^ Sie versetzte: „Ich schäme mich so, dass ich sterben
will." „Ja," sagte der Bruder, „wir wollen uns verbrennen." Am nächsten Tage,
ehe ihr Sohn auf die Jagd ging, erzählten sie ihm, dass sie Greschwister seien und
wie sie entflohen seien. Sie sagten ihm auch, dass sie den Weg zu ihrer ^eimath
durch Decken bezeichnet hätten. Als der junge Mann fort war, machten sie Bündel
von Bergziegenfeildecken, Bärenfelldecken, Fett und trockenem Fleisch. Dann
stellten sie Kisten voll Bergziegenfett um sich und legten Gederplanken darüber,
auf welche sie Decken häuften. Dann legten sie Feuer an diesen Scheiteriiaufen
und verbrannten sich.
Als der junge Mann Abends nach Hause kam und seine Eltern verbrannt fand,
dachte er: „Was habe ich gethani Hätte ich Mutter doch nicht wegen ihrer Aehn-
lichkeit mit Vater befragt!" Er beschloss seine Grosseltem aufzusuchen. Er nahm
die vier Bündel, welche seine Eltern gemacht hatten, auf die Schulter und folgte
den Stücken Decke, welche den Weg zum Dorfe seiner Grosseltern bezeichneten.
Als er zum Dorfe kam, versteckte er sich im Walde und dachte: „Ich wollte,
mein Vetter käme hierher." Kaum hatte er also gedacht, als sein Vetter, ein
Knabe, seinen Bogen und seine Pfeile nahm und in den Wald ging. Er schoss
die Pfeile vor sich her und lief ihnen dann nach, um sie wieder aufzuheben. Einer
der Pfeile fiel nun gerade neben dem jungen Manne nieder. Da sprang dieser
auf, nahm den Pfeil und lief seinem Vetter entgegen. Dieser war sehr erschrocken,
da er den jungen Mann nicht kannte, welcher aussergewöhnlich schön war. Der-
selbe sprach: „Gehe zu Deiner Grossmutter und erzähle ihr, dass ihr Sohn und
Tochter, die einst davongegangen sind, sich verbrannt haben. Ich bin ihr Sohn.""
Der Knabe lief zu seiner Grossmutter, die blind geworden war. So viel hatte sie
um ihre verlorenen Kinder geweint. Er rief. „Grossmutter I Ich habe meinen
Vetter im Walde gefunden. Er ist der Sohn Deiner verlorenen Kinder I" Da schlug
ihn die Alte, denn sie glaubte ihm nicht. Der Knabe lief in den Wald zu seinem
Vetter zurück und beklagte sich, dass man ihm nicht glaube. Da gab jener ihm
(569)
ein Stück Fett und hiess ihn es seiner Orossmutter zeigen. Als diese das Fett sah,
ward sie stutzig und folgte ihrem Enkel. Sie sah den jungen Mann, der sie hiess,
den Weg von dem Platze, an dem er stand, bis ans Haus mit Decken zu be-
legen. Sie gehorchte und er ging in das Haus. Er trug die vier Bündel, die
er mitgebracht hatte, hinein. Dann wusch er die Augen seiner Grossmutter, und
dieselbe wurde sogleich wieder sehend und jung. Er blieb immer im Hause,
nur um Mittemacht ging er aus, da er nicht wollte, dass irgend jemand ihn sehen
sollte. Er hiess seine Grosseltem, alle Leute zu einem Feste einladen. Er öffnete
die Kisten und füllte das ganze Haus aus ihrem Inhalte mit Bergziegenfett, ge-
trocknetem Fleisch, Bärenfellen und Bergziegendecken, indem er die Risten
schüttelte. Als die Leute eingeladen waren, sprachen sie zu einander: „Wovon
wollen sie uns ein Fest geben? Sie haben ja gar keine Vorräthe." Als sie aber
in das Haus gingen, sahen sie, dass dasselbe ganz roll war. Der junge Mann Hess
sich aber nicht sehen, sondern blieb in seinem Zimmer.
Ein junges Mädchen war sehr neugierig und begierig ihn zu sehen. Daher
ging sie ans Wasser, verrichtete ihre Nothdurft und verwandelte ihre Exkre-
mente in einen schönen Wasservogel. Als die Leute denselben sahen, ver-
sachten sie ihn zu fangen, doch gelang es ihnen nicht Auch der Onkel des jungen
Mannes versuchte ihn zu erlegen, doch vexgeblich! Da erhob sich der junge Mann,
nahm seinen Bogen und Pfeil und schoss nach dem Vogel. Obwohl er sonst
immer alles traf, was er haben wollte, verfehlte er ihn doch. Erst als er zum
zehnten Male schoss, traf er den Vogel. Derselbe verwandelte sich sogleich
wieder in Exkremente. Da schämte der junge Mann sich sehr und beschloss fort-
zugehen.
Er sagte zu seinem Vetter: „Komm, lass uns gehen und Vögel fangen." Sie
gingen zusammen aus, und als sie zu einer sandigen Stelle am Flussufer kamen,
hiess er seinen Vetter sich niederlegen. Dann zerschnitt er die Brust desselben
mit Pfeilspitzen, und bedeckte ihn bis zur Brust mit Sand. Er sagte zu ihm : „Ich
verberge mich jetzt. Bald werden Adler zu Dir herabkonmien. Wenn sie von
der Seite her auf Dich zufliegen, dann blase und Du wirst sie damit verjagen
können. Wenn aber einer von gerade oben sich auf Dich hinabstürzt, dann
schliesse Deine Augen. Er wird sich niederlassen wollen und ich fange ihn dann."
Sein Vetter that, wie jener ihn geheissen. Als ein Adler von der Seite her auf
ihn zuflog, blies er und jener flog von dannen. Endlich erschien einer gerade über
seinem Haupte. Da hielt er seinen Athem an und schloss seine Augen. Der Adler
stürzte sich herab und griff seine Brust mit den Fängen. In dem Augenblicke
stürzte sich der junge Mann aus seinem Versteck hervor, ergriff den Adler und
schüttelte ihn so stark, dass alle seine Knochen und sein Fleisch zur Erde fielen.
Dann sprach er zu seinem Vetter: „Gehe Du nach Hause zurück. Ich schäme
mich so, dass ich von dannen gehen will. Sei nicht betrübt, denn ich werde
einstens zurückkehren. Du wirst es daran wissen, dass eine rothe Wolke am
Himmel erscheinen wird." Dann zog er den Balg des Adlers an und flog gen
Himmel.
Droben fand er ein ebenes Land und einen Pfad, dem er folgte. Bald sah er
Rauch aufsteigen. Er ging auf denselben zu und fand zwei blinde Schwestern,
die sich Wurzeln brieten. Die eine derselben war im Begriff, sie aus der Asche
zu nehmen und ihrer Schwester eine Schüssel voll zu geben. Da trat der junge
Mann hinzu imd nahm es ihr aus der Hand. Da die eine Schwester nichts be-
kommen hatte, Aragte sie die andere: „Warum hast Du mir nichts gegeben?" Jene
versetzte: „Ich gab Dir eine Schüssel voll." „0," erwiedertc die andere, „gewiss
(570)
ist der Sohn des Paares hier, das sieh verbrannt hat, und hat die Schüssel fori-
genommen.^ „Ja," sagte jener nun, „ich bin hier." Die Frauen sprachen: „Wir
wissen, Du nvillst zur Sonne gehen und deren Tochter heirathen; aber wisse, sie
ist sehr böse. Viele sind schon hingegangen, aber noch nie ist einer zurOck-
gekommen. Wir wollen Dir helfen." Sie nahmen Staub von einem Wetzstein und
beschmierten sein Gesäss damit, um es hart zu machen, denn die Sitze im Hanse
der Sonne waren mit spitzigen Nadeln besetzt, die jedem ins Fleisch drangen, der
sich zu setzen versuchte. Femer gaben sie ihm zwei Stücke Fleisch, die um lange
Knochen gewickelt waren. Sie sagten ihm, er solle sie den zwei Wölfen vorwerfen,
die die Thür des Hauses bewachten. Ehe er sie verliess, sagten sie ihm noch,
er solle zu ihnen zurückkommen und sich weiteren Kath holen, wenn der Mond,
der mit der Sonne im Hause wohnte, ihm Aufträge geben sollte. Er dankte den
Frauen und ging weiter.
Bald kam er zum Hause der Sonne. Am Eingange sassen zwei grosse Wölfe.
Er warf ihnen die Knochen vor, die ihnen im Halse stecken blieben, so dass sie
ihn nicht beissen konnten. Er sprang, so rasch er konnte, an ihnen vorbei ins
Haus. Drinnen sah er sechs Mädchen: drei waren Töchter der Sonne, drei Töchter
des Mondes. Die Töchter des Mondes waren buckelig, während die der Sonne
sehr schön waren. Der Mond lud ihn ein, zu ihm herüber zu kommen: er ging aber
gerade auf die Sonne zu und setzte sich fest neben ihr nieder. Dabei zerdrückte
er alle die spitzigen Gegenstände am Boden, die alle früheren Besucher getödtet
hatten. „Ol" sprach die Sonne, „Du bist mehr als ein Mann," und gab ihm seine
Tochter zur Frau.
Der Mond war aber böse, da er wünschte, dass jener eine seiner Töchter ge-
heirathet hätte. Er lud den jungen Mann ein, am folgenden Tage mit ihm aus-
zugehen und eine Ceder zu spalten. Da ging der junge Mann erst zu seinen
Grossmüttern und erzählte ihnen, was der Mond wolle. Sie gaben ihm zwei
Knochen und etwas weisse Farbe, indem sie ihm sagten, was er damit thun solle.
Er war dankbar und bestrich ihre Augen mit dem Saft von Blättern, der sie sehend
machte. Dann ging er zurück und begleitete am folgenden Tage den Mond,
die Ceder zu fällen. Der Mond schlug seine Keile in den Stamm und Hess
dabei seinen Hammer in den klaffenden Spalt fallen. Er hiess dann den jungen
Mann ihn wieder holen. Als dieser nun in den Spalt gekrochen war, schlug er
die Keile heraus, so dass der Baum zusammen schlug. Der junge Mann stützte
sogleich die zwei Knochen dagegen, so dass der Baum ihn nicht beschädigen
konnte. Er warf aber die weisse Farbe hinaus, die der Mond für sein Gehirn hielt
Er glaubte, jener sei todt und wollte den Baum wieder auseinanderspreizen, um
den Leichnam herauszuziehen. Als er aber seinen Keil hineingetrieben hatte, fond
er den jungen Mann unverletzt darin sitzen.
Am folgenden Tage hiess er ihn ausgehen und Forellen fangen. Er ging erst
wieder zu seinen Grossmüttern, um sich Raths zu erholen. Sie gaben ihm einen
Stock, in den sie viele Grähten steckten, und hiessen ihn denselben dem Monde
bringen. Der Stock wurde in einen Fisch verwandelt. Der junge Mann fing noch
ausserdem eine Forelle und brachte beide nach Hanse zurück. Der Mond ass sie,
und als er den verwandelten Stock zu essen begann, verschluckte er sich an einer
der Grähten, die ihm im Halse sitzen blieb. Die Tochter der Sonne hiess ihren
Mann, den Mond rasch auf den Rücken schlagen; so bewirkte er, dass die Grähte
wieder herausflog.
Am nächsten Tage sandte der Mond den jungen Mann aus, um den reihen
Bären zu fangen, mit dem er spielen wollte. Wieder ging dieser zu seinen Gross-
(571)
müttern, die zwei Bären aus ein paar Stücken Holz and ihren Kämmen machten.
Die letzteren wnrden die Tatzen. Sie sagten ihm: „Wenn Da heimkommst, so
wirf die Bären auf den Mond. Sie werden ihm böse mitspielen." Er that also,
und die Baren zerrissen den Mond über und über. Von da an gab jener es aaf,
den jangen Mann zu belästigen.
Bald gebar ihm die Tochter der Sonne zwei Rinder. Als diese heranwachsen,
wünschten sie sehr ihre Orossmatter zu sehen. Ihr Vater sagte ihnen aber, dass
dieselbe sich yerbrannt habe. Da fragten sie nach ihrer Urgrossmatter, and als
sie hörten, dass dieselbe auf der Erde lebe, wünschten sie hinabzngehen. Als der
Sonnenmann davon hörte, gestattete er seiner Tochter and deren Familie zar Erde
zu gehen. Er machte zehn Hänfen Warzeln zarecht and flocht einen grossen Korb.
Dann Hess er zwei alte Franen, die Spinnen, die anterhalb der Sonne wohnten,
ein Seil machen. An diese band er den Korb and liess seine Tochter nebst ihrer
Familie sich in den Korb setzen, in den sie anch die Warzeln that. Dann liess
er sie hinab and indem er das that, wurde das Seil immer länger and länger.
Der Korb stiess endlich an den Wipfel einer Tanne nahe bei Stcuwä'cjEl (unter-
halb Ganoe Pass, an dem Südarm des Fräser River) an. Da schüttelten sie ein wenig
an dem Seil, als ein Zeichen, dass sie noch nicht ganz unten angekommen waren,
und die Sonne liess sie noch weiter hinab. Endlich kamen sie wohlbehalten auf
der Erde an und schüttelten lange an dem Seile, das die Sonne daraufhin wieder
in die Höhe zog. Während sie herunter kamen, ward der Himmel ganz roth. Da
sprach der Vetter des jungen Mannes: „Mein Vetter wird jetzt zurückkehren. Er
sagte mir, ehe er verschwand, dass der Himmel roth werden würde, wenn er zurück-
kehre.*' Niemand aber glaubte ihm und man schlug ihn, weil er von einem Todten
sprach.
Als der Korb unten angekommen war, dachte der junge Mann: „Ich wollte,
der Sohn meines Vetters käme und spielte mit seinen Pfeilen.'' Sogleich kam
jener in den Wald und schoss seine Pfeile vor sich hin. Der junge Mann nahm
einen auf und trat auf den Knaben zu. Er fragte ihn: „Weisst Du, dass einst ein
junger Mann von hier verschwand und in den Himmel ging?" „Ja," versetzte
jener, „das war meines Vaters Vetter." „Ich bin es," sprach nun der junge Mann,
„und dies hier ist meine Frau." Dabei zeigte er auf sie. Der Knabe konnte sie
aber nicht sehen, da sie so hell leuchtete. Der Mann nahm nun Blätter und wusch
ihr Oesicht, damit es werde, wie das anderer Menschen, und sie gingen zum Dorfe.
Unterwegs wurde die Frau viermal ohnmächtig, da sie den Geruch von Menschen
nicht vertragen konnte, obwohl die Häuser, dem V^erlangen des jungen Mannes
gemäss, erst sorgfältig gereinigt waren. Als sie endlich im Hause ankamen, kochten
sie die zehn Haufen Wurzeln, die ihnen die Sonne gegeben hatte, und machten so
viel daraus, dass sie den ganzen Stamm damit bewirthen konnten.
Die Frau hielt sich immer im Hause und liess sich nie sehen. Daher glaubten
die LfCute gar nicht, dass sie die Tochter der Sonne sei. Ein Mann sah aus Neu-
gierde durch einen Spalt in ihr Zimmer. Sie leuchtete da so hell auf, dass sie
sein Gesicht ganz verbrannte. Ihr Mann aber machte jenen wieder gesund. Von
nun an glaubten die Leute, dass sie die Tochter der Sonne sei.
5. Die PötE'mtEn.
In PötF/mtEn, oberhalb Fort Douglas, lebte eine Frau, die hatte zwei Töchter
und mehrere Söhne. Eines Nachts schlichen sich zwei Männer zu den Mädchen,
und schon am nächsten Tage gebaren dieselben jede ein Kind. Niemand wusste,
wer die Väter der Kinder waren, und auch die Mädchen wussten nicht, wer sich
(572)
ZU ihnen geschlichen hatte. Daher beschmierten sie ihre Hände mit Fett und
rother Farbe, und als die Männer sich in der folgenden Nacht wieder zn ihnen
schlichen, nmfingen sie dieselben and machten ihren Körper roth, ohne dass jene
es merkten. Am nächsten Morgen, als alle jungen Männer des Dorfes zum Baden
gingen, passten die jungen Frauen auf, um zu sehen, wessen Körper roth gezeichnet
war. Die jungen Männer warfen Steine ins Wasser und sprangen dann hinein,
um sie wieder zu holen. Keiner unter ihnen zeigte eine Spur rother Farbe an
seinem Körper. Als die Frauen nun zurückgingen, kamen sie an einer Stelle vor-
über, wo ein Mann ein Boot baute. Da sahen sie, dass der Hammer und einer
der Spähne voll rother Farbe waren, und nun wussten sie, dass diese die Gestalt
Yon Männern angenommen und bei ihnen geschlafen hatten. Da schämten sie sich.
In der folgenden Nacht kamen die Männer wieder. Da sprachen die Frauen:
„Warum geht Ihr Morgens immer fort? Wir kennen Euch.^ Als die Männer das
hörten, blieben sie bei den Frauen und behielten ihre menschliche Gestalt
Der Eigenthümer des Hammers und des Spahnes schalt eines Tages auf diese
Männer und sagte, dass sie ihm gehörten. Darüber wurden die Frauen betrübt
Sie machten einen grossen Korb, setzten sich mit ihren Männern und Kindern
hinein, banden ihn zu und Hessen sich ins Wasser werfen. Der Wind und die
Wellen führten den Korb weiter und derselbe landete endlich in Puk'pälc'ötl. Da
machten sie den Korb auf und stiegen heraus. Die Männer machten Planken und
bauten ein Haus. Sie wurden die Ahnen der PötE'oltEn.
6. Die todte Frau.
In K'^eluk, unterhalb Puk'päTc-'otl, lebte ein Mann, der seine Frau sehr liebte.
Dieselbe starb und ward begraben. Der Mann war sehr betrübt Er weinte und
fastete. Nachts, als alle Leute schliefen, ging er zu dem Grabe seiner Frau, öffnete
dasselbe und legte sich an ihrer Seite nieder. Die Luchse, die auf dem Berge
wohnten, witterten die Leiche und liefen herbei, um sie fortzutragen. Sie öffneten
das Grab, einer warf die Leiche der Frau, ein anderer den Mann über den Rücken
und sie liefen zurück zu ihrem Häuptling. Dieser wohnte in einem unterirdischen
Hause und sie warfen den Mann und die Frau durch den Eingang hinunter. Der
Häuptling wollte den Mann zuerst fressen, als er aber nahe zu ihm heran kam,
rief er: „Der stinkt noch! er ist nicht todtl^ Da sprang der Mann auf, zog sein
Messer, das er unter seinem Mantel verborgen hatte, und tödtete alle Luchse.
Dann kehrte er zu seiner Heimath zurück. Er war noch immer sehr betrübt, weil
er seine Frau verloren hatte. Er bat seinen Vater um fünf Bärenfelle und schnitt
sich hundert Paar Schuhe aus denselben. Diese nahm er und ging von dannen,
um seine Frau wiederzuholen. Er ging ins Gebirge und fastete. Dann wanderte
er weiter landeinwärts. Als er eine Zeit lang gewandert war, sah er in der Feme
Rauch aufsteigen und als er näher kam, sah er ein Haus auf einer Prairie stehen.
Dort wohnte der Pelikan. Dieser fragte ihn: „Wohin willst Du gehen?** Jener
versetzte: „Ich suche meine todte Frau." „Das ist eine schwere Aufgabe, mein
Enkel," sprach der Pelikan, „nur Todte können diesen Weg mit Leichtigkeit finden.
Lebende können nur mit grosser Gefahr zum Lande der Todtcn gelangen.** Elr gab
ihm ein Zaubermittel, um ihm in seinem Unterfangen zu helfen, und unterwies
ihn im Gebrauche desselben. Der junge Mann wanderte weiter und kam zu dem
Riesen Sä'sk'ats, der jeden frass, der an ihm vorbeigehen wollte. Der Mann kam
aber mit Hülfe des Zaubermittels glücklich vorbei. Dann traf er die doppel-
köpfige Schlange Atlk'e, kam aber auch an ihr glücklich vorüber. Als er weiter
ging, traf er den Vogel TUtsc&'wul, der ihn fragte, wohin er gehe. Als er ihm von
(573)
seinem Vorhaben erzählte, sagte derselbe, kein Lebender könne in das Land der
Todten gehen. Er rieth ihm zurückzukehren. Der Mann aber ging weiter. In
der folgenden Nacht träumte er, dass, wenn er ein gewisses Kraut kaue, er nie
hungrig werden würde. Br that also und fand, dass es seinen Hunger stille.
Endlich kam er zu einem grossen See, jenseits dessen die Todten wohnten. Er
wusste nicht, wie er hinüber kommen sollte, und weinte. Da hörte er eine Stimme
sagen: „Rein Mensch kann seinen Körper mit in den Himmel bringen. Erst wenn
Du todt bist, kannst Du hier hinüber gelangen. Aber wisse! Gott wird Dich
glücklich machen und Dir viel Kleidung und andere Reichtbümer schenken. Deine
Frau kannst Du nicht wieder bekommen. Setze Dich nieder und schliesse Deine
Augen I falte Deine Arme über der Brust und hocke nieder und bete!" Er that also.
Da kam viele Kleidung, Pferde und andere Reichtbümer zu ihm. Er nahm die-
selben und kehrte nach Hause zurück. Er war ein weiser und mächtiger Mann
geworden.
7. Die todte Frau.
Die Frau eines Mannes war gestorben. Da er sie sehr liebte, machte er sich
auf, in den Himmel zu gehen und sie zu suchen. Er machte sich viele Schuhe
aus Bärenfell und ging ins Gebirge. Er fastete, und jeden Abend schwamm er
in Teichen und übergab sich, so dass er ganz rein wurde. Dann ging er weiter.
Bald, als fast alle seine Schuhe ausgetragen waren, begegnete er einem Manne,
der fragte ihn, wohin er gehe. Er versetzte: „Meine Frau ist todt und ich gehe sie
zu suchen." Da sprach jener: „Der Weg dorthin führt hierher. Er. ist sehr ge-
fährlich. Kaue diese Wurzel. Sie wird Dich beschützen." Er dankte dem Alten
und ging weiter. Endlich kam er wohlbehalten im Lande der Todten an. E2r sah
dieselben tanzen und erblickte unter ihnen seine Frau. Da nahm er sie mit sich
zurück. Die Todten warnten ihn, ja nicht mit der Frau zu schlafen, ehe er nach
Hause gekommen sei. Er gehorchte und sie schliefen allabendlich an entgegen-
gesetzten Seiten des Feuers. Am vierten Tage fanden sie sich nahe ihrer Heimath.
Da träumte er, die Gottheit sage ihm, er solle beten. Er schloss seine Augen und
betete. Als er die Augen wieder öffnete, sah er Kleidung für sich und für seine
Frau dort liegen; er erblickte ein Pferd, ein Gewehr und Pulver. Am nächsten
Morgen ritten sie nach Hause. Viele Jahre war er fort gewesen. Er fand, dass
seine Eltern blind geworden waren vom vielen Weinen. Er aber machte sie
wieder sehend.
8. Der Ursprung der Lachse und des Feuers.
Im Anfange gab es keine Lachse und kein Feuer. Da hielten die Thiere einen
grossen Rath, um zu besprechen, wie das Feuer zu erhalten sei. Schliesslich
wurde beschlossen, den Biber und den Specht (?Ts'E'tEm) auszusenden, um beides
zu erlangen. Das Feuer war im Besitze des Häuptlings der „Sockeye"-Lachse,
der im äussersten Westen wohnte. Biber und Specht reisten dorthin, der erste
schwimmend, der zweite fliegend. Als sie in di^ Nähe der Häuser kamen, die an
einem Flusse standen, Hess der Biber den Specht voran fliegen, um zu spioniren.
Der letztere kam bald zurück und berichtete, dass zwei Häuser da seien, die an
entgegengesetzten Seiten eines Teiches standen, aus dem die Leute Wasser zu
schöpfen pflegten. Da entwarfen die beiden einen Plan und schritten sogleich zur
Ausführung. Der Biber grub sich einen Gang von dem Teiche zu dem Hause des
Häuptlings und legte sich dann an der Stelle, wo die Leute Wasser zu holen
pflegten, nieder, indem er sich stellte, als sei er todt. Bald kam die Tochter des
Lachshäuptlings aus dem Hause und lief, als sie den todten Biber sah, sogleich
zurück, um die Männer zu rufen. Dieselben kamen, und beriethen sich unter ein-
(574)
ander. Der „Dogsalmon^ (0. keta) sagte, indem er ihn umdrehte: ,Der Biber ist be-
kanntlich sehr klag. Ich glaube nicht, dass er todt ist. Gewiss will er etwas hier
bei uns.^ Der „Oohoesalmon^ sagte: „Seine Hände nnd Füsse sind sehr klag. Mit
ihnen verschliesst er ans alle Räche und Flüsse, so dass wir nicht vorbei können.
Wenn ich versuche, hinüber zu springen, falle ich in seine Fallen. Gewiss will
er etwas von uns.^ Da sagte der Frühlingslachs: „Seht Ihr nicht, dass er iodt
ist?^ Der Cohoe glaubte es aber nicht und sprach: „Lasst uns ihn kitzeln, dann
werden wir ausfindig machen, ob er lebt oder todt ist" Sie stiessen ihn dann in
die Seite, so dass er beinahe gelacht hätte. Sie trugen ihn dann, da er sich nicht
rührte, ins Haus und schickten sich an, ihn abzuziehen. Gerade in diesem Augen-
blicke erschien der Specht draussen und setzte sich an dem Teiche nieder. Sobald
die Leute ihn sahen, wollten sie ihn fangen. Da öffnete der Biber seine Augen
ein klein wenig, und als er sich allein sab, sprang er auf, exgriff das Feuer und
die jüngste Häuptlingstochter, die in der Wiege lag, und entfloh durch den Gang,
den er sich zuvor gegraben hatte. Zugleich flog auch der Vogel von danncn. Als
sie nach SF.miä'mö kamen, nahmen sie etwas Cederbast aus der Wiege und warfen
ihn in den Fluss. Daher sind dort sehr viele Lachse. Ebenso warfen sie in Pitt
River etwas Cederbast in den Fluss und schufen so viele Lachse. Als sie nach
Yale kamen, warfen sie die Wiege sammt dem Rinde in den Fluss. Daher
sammeln sich dort unterhalb der Schnellen grosse Mengen von Lachsen.
Der Biber gab den Gespenstern das Feuer. Die Menschen wussten nicht, wie
sie es erhalten sollten, und schickten endlich K'ä'iq, den Nerz, aus, dasselbe zu
holen Dieser lieh sich das Messer seiner Grossmutter, versteckte es unter seinem
Mantel und machte sich auf den Weg zu den Gespenstern. Er ging zu ihnen ins
Haus und sah sie tanzen. Als der Tanz zu Ende war, wollten sie sich baden und
waschen. Da sprach der Nerz: „Bleibt hier, ich will Euch Wasser holen." Er
nahm einen Eimer und ging zum Ufer hinab. Als er mit dem gefüllten Eimer ins
Haus kam und an dem einem der beiden im Hause brennenden Feuer vorüber
ging, that er, als stolpere er und goss das Wasser ins Feuer, so dass es ausging.
„0!" rief er, „ich bin gestolpert," und ging zum Wasser zurück, um seinen Eimer
wieder zu füllen. Als er wieder ins Haus kam und an dem anderen Feuer vorbei
^>°g) ^88 61* wieder sein Wasser aus, und es war nun ganz dunkel im Hanse.
Da nahm der Nerz sein Messer und schnitt dem Häuptling der Gespenster den
Kopf ab. Er streute Staub auf den abgeschnittenen Hals, damit er nicht blute,
und lief, mit dem Kopfe von dannen. Noch ehe die Leute ihr Feuer wieder an-
gesteckt hatten, wurde der Staub von Blut durchtränkt; die Mutter des Häuptlings
merkte es und als sie nun wieder Feuer gemacht hatten, sahen sie, dass der Kopf
ihres Häuptlings abgeschnitten war. Da sprach die Mutter des todten Häuptlings:
„Geht morgen dem Nerz nach und kauft ihm den Kopf ab." Sie thaten also und
kamen zu seinem Hause. Der Nerz hatte sich zehn Häuser gebaut und sich zehn
verschiedene Kleider von seiner Grossmutter herstellen lassen. Als nun die Ge-
spenster kamen, erschien er bald auf dem Dache eines Hauses, bald auf ißm eines
anderen, jedesmal in anderer Kleidung, so dass die Gespenster glaubten, es seien
viele Leute dort. Als sie ankamen, sprachen sie zu der Grossmutter des Nerzes:
„Wir wollen den Kopf unseres Häuptlings fUr Mäntel eintauschen." Sie aber ver-
setzte: „Mein Enkel will keine Mäntel haben." Dann boten sie ihm Bogen und
Pfeile an, aber die Grossmutter wies auch dieses Anerbieten zurück. Da weinten
die Bäume mit den Gespenstern; so betrübt waren sie. Und die Thränen der
Bäume waren Regen. Endlich boten die Gespenster ihm den Feuerfoohrer an.
(575)
Den nahm die Grossmntter an nnd gab ihnen den Kopf zurüek. Seither haben die
Menschen das Fener.
9. Der Nerz.
Der Nerz wollte den Schachtelhalm heirathen. Dieser sprach: „Nein, Da
kannst mich nicht heirathen. Was willst Da than, wenn Treibholz den Floss
herab kommt? Ich benge mich dann nieder, lasse den Stamm über mich fort-
treiben und richte mich wieder auf." Nerz sprach: „Das kann ich auch." Aber
was willst Du thun, wenn ein Stamm mit vielen Zweigen den Fluss hinunter treibt?
Er wird Dich aufspiessen und mitnehmen." „Nein," sprach Nerz, „dann beuge
ich mich mit Dir und komme wieder in die Höhe." Da nahm der Schachtelhalm
ihn zum Manne. Bald kam ein Baumstamm den Fluss hinab getrieben. Nerz um-
schlang den Schachtelhalm. Beide beugten sich und Hessen den Stamm über sich
forttreiben. Dann aber kam ein Stamm mit vielen Zweigen. Wieder umfasste
Nerz seine Frau. Der Stamm aber spiesste ihn auf, ertränkte ihn und trug ihn
den Strom hinab.
Er ging zu der verfaulten Kiefer und wollte sie heirathen. (Diese besteht aus
nichts als harziger Rinde.) Sie sprach: „Nein, Du kannst mich nicht heirathen.
Wenn ich warm werde, schwitze ich und dann wirst Du böse werden." „Nein,"
erwiderte Nerz, „das thut nichts." Da nahm sie ihn zum Manne. Am Morgen,
als es warm wurde, fing seine Frau an zu schwitzen (d. h. das Harz fing an zu
schmelzen) und seine Brust klebte an ihrer Brust fest. Er rief: „Lass mich los.
Du sollst mich nicht so fest halten I" Sie antwortete: „Ich halte Dich nicht, ich
schwitze nur." Da ward Nerz böse und schlug sie. Seine Hand aber klebte auch
fest. Dann schlug er sie mit der anderen Hand, und es erging ihm nicht besser.
Dann trat er sie mit Füssen und seine Füsse klebten beide an ihr fest. Er stiess
sie endlich mit dem Kopfe nnd auch dieser klebte fest. Als das Harz Mittags
ganz weich wurde, fiel er herunter. Da verliess er seine Frau.
Er ging zum Adler und wollte ihn heirathen. Der hatte fünf Junge und wohnte
auf dem Wipfel einer Ceder. Er kletterte hinauf und als der Adler mit seinen
Jungen vom Lachsfang nach Hause kam, fand er ihn im Neste. Er fragte: „Was
willst Du hier?" Nerz erwiderte: „Ich will Dich heirathen." „Nein," sprach er,
„Du kannst mich nicht heirathen. Ich springe von hier oben herunter und fliege
wieder hinauf. Das kannst Du nicht." „0!" sprach Nerz, „das kann ich auch.
Ich springe herunter und fliege wieder hinauf." Da nahm ihn der Adler zum
Manne. Nach kurzer Zeit wollten sie Lachse fangen Sic setzten sich auf einen
hohen Baum. Der Adler fragte Nerz: „Siehst Du den Lachs?" „Ja," sagte dieser,
„dort hinten, weit fort." Er sah aber in Wirklichkeit gar nichts. „Nein," sprach
der Adler, „hier, ganz nahe bei, gerade unter uns ist er." „0 ja!" sagte da Nerz,
„Ich will ihn jetzt fangen; komme Du gleich nach," sagte der Adler und stürzte
sich hinab. Oleich darauf sah Nerz ihn mit einem Fisch zurückkommen. Da
sprang auch er herunter. Er zerschlug sich an den Aesten des Baumes die Ein-
geweide und lag todt da.
10. Das Stinkthier.
Das Stinkthier hatte zwei Frauen, die Schnecke und die Schlange. Es lebte
in einem unterirdischen Hause. Der Frairiewolf ging immer an seinem Hause vor-
über auf Jagd. Das mochte das Stinkthier nicht gerne und fragte ihn eines Tages:
„Warum gehst Du immer an meinem Hause vorüber? Ich will es nicht." Am
nächsten Tage fand er etwas rothe Farbe vor seiner Thüre. Die hatte der Frairie-
wolf dorthin gelegt. Es war sein Zaubermittel. Da rief das Stinkthier: „Was soll
die Farbe hier? Die ist doch nichts werth," und als der Frairiewolf wieder vorbei
(576)
kam, lauerte er ihm auf und pisste ihm ins Gesicht Da lief der Prairiewolf ins
Gebirge zu seinem FVeunde, dem Ostwinde, der ihm sagte, er solle sein Gesicht
auf bestimmte Weise bemalen. Der Prairiewolf that es, als er aber am folgenden
Tage an dem Hause vorüber kam, pisste das Stinkthier ihn wieder an und machte
ihn fast blind. Das Zaubermittel des Ostwindes war nicht stark genug. Wieder
rief der Prairiewolf seinen Schutzgeist, den Ostwind, zu Hülfe; derselbe vermochte
aber nichts gegen das Stinkthier auszurichten. Da gab sich der Prairiewolf für
überwmiden und versprach hinfort nicht mehr an dem Hause des Stinkthieres vor-
überzugehen. Er dachte aber darüber nach, wie er sich an jenem rächen könne.
Als eines Tages das Stinkthier auf Jagd aus war, rief er seinen Freund, den Ost-
wind. Da brachte dieser einen schweren Schneefall, und das Stinkthier konnte
nicht wieder nach Hause zurück, da der Schnee so tief war. Ein alter Mann, das
Stachelschwein, wusste aber, dass das Stinkthier nahe daran war umzukommen,
und erbarmte sich seiner. Er legte seine Zaubererkleidung an und schüttelte seinen
Mantel vor dem Hause aus. Da fing es an zu regnen und aller Schnee sank zu-
sammen, so dass das Stinkthier leicht darüber fort nach Hause gehen konnte.
11. Die Maus.
Der Pelikan gab einst ein grosses Schenkfest. Er Hess ein junges Mädchen
mit langen Haaren, die Maus, für sich auf zusammengebundenen Booten tanzen.
Er band Felldecken an Stangen und warf dieselben, als seine Gäste kamen, ins
Wasser. Da sprangen dieselben ins Wasser, um sie aufzufangen. Als sie ins
Haus kamen, vertheilte die Maus das Essen und tanzte für den Pelikan. Die Leute
schlugen Takt und sangen, während sie tanzte. Dann vertheilten sie wieder viele
Decken. Am folgenden Tage reisten die Leute vrieder in ihre Heimath zurück.
Die Maus hatte allen so gefallen, dass viele sie haben wollten. Der Nerz, welcher
ein armer Mann war, legte sich Häuptlingskleider an und band sein Haar mit
Bergziegenwolle zurück, damit sie ihn für einen Häuptling aus einem fernen Lande
halten sollte, und wollte sie heirathen. Sie erkannte ihn aber und wies ihn zurück.
Dann kam der Donnervogel und warb um sie. Sie folgte ihm und er nahm sie
in seine Heimath zurück. Die erste Frau des Donnervogels war aber eifersüchtig
auf die Maus und wünschte sich ihrer zu entledigen. Eines Tages, als der Donner-
vogel mit seiner ersten Frau ausgegangen war, öfTnete die Maus die Kisten, in
denen der Donnervogel seine Vorräthe an ßergziegenfett aufbewahrte, und ass
davon. Als er das ausfindig machte, ward er zornig und warf die Maus auf die
Erde hinunter. Daher stiehlt sie noch heute immer Lebensmittel. —
(22) Eingegangene Schriften.
1. Arnold, Fr, Tabulae anatomicae. Fase. L Icones cerebri et medullae
spinalis. Turici 1838. — Fase. IL Icones organorum sensuum. Turid
1839. — Fase. IV pars I. Icones ossium Turici 1840. — Fase IV pars II.
Icones articulorum et ligamentorum. Stuttgardiae 1843.
2. Bälde, Jac, Krieg der Frösche und Mäuse. Ein Vorspiel des dreissigjährigen
Krieges. Aus dem Lateinischen von M. J. ßerchem. Münster 1859.
3. Behaghel, O., Die deutsche Sprache. Leipzig 1886.
4. di Castelli, Nie, Dizzionario italiano-tedesco e tedesco-italiano. Leipzig
1700. 4°.
5. Cicero. M. T., Werke. Stuttgart 1826—38. 8 Bände.
Nr. 1—5 Gesch. d. Frau San.-Rath Schlemm.
Sitzung vom 18. Juli 1891.
Vorsitzender Hr. Beyrich.
Derselbe theilt mit, dass Vorstand und Ausschuss zu beantragen beschlossen
haben, dass die Gesellschaft Herrn Rudolf Vir chow zur Feier seines 70. Geburts-
tages zum
Ehren-Präsidenten
ernennen möchte.
Auf Antrag des Hrn. Maass wird dieser Vorschlag durch Acclamation ange-
nommen.
Der Vorsitzende zeigt an, dass diese Ernennung Hm. Virchow erst an
seinem Geburtstage bekannt gegeben werden soll.
Hr. Virchow betritt demnächst den Saal.
Vorsitzender Hr. Virchow.
(1) Als Gäste sind anwesend und werden von dem Vorsitzenden freundlich
begrüsst die Herren Dr. Bai er aus Stralsund und Szombathy aus Wien.
(2) Vorstand und Ausschuss haben Fräulein Joh. Mestorf in Kiel zum
Ehrenmitgliede der Gesellschaft erwählt.
(3) Die neugewählten correspondirenden Mitglieder, die HHm. Brizio, Sergi
und Zampa, sprechen ihren Dank aus ftlr ihre Ernennung.
(4) Als lebenslängliches Mitglied ist Hr. Corning in Genf eingetreten.
Als neues Mitglied wird angemeldet Hr. Dr. Bornemann in Eisenach.
(5) Die Enthüllung des Nachtigal-Denkmals in Stendal hat unter
grossen Feierlichkeiten stattgefunden. Die Gesellschaft war durch Mitglieder des
Vorstandes und freiwillige Theilnehmer vertreten.
\
(6) Das Programm fllr die anthropologische Generalversammlung in
Danzig wird vorgelegt Zugleich wird mitgetheilt, dass die Absicht besteht, nach
Schlnss derselben über Marienburg nach Elbing und Königsberg und von da an
die samländische Ostseeküste und das Kurischc Hafit zu gehen.
(7) Der Chef der Colonialabtheilung des Auswärtigen Amtes, Hr. Kayser,
hat dem Vorsitzenden einen Band Photographien zur Verfügung gestellt, welche
Dr. Zintgraff im Bali -Lande (Hinterland von Kamerun) aufgenommen hat. Der
Vorsitzende übergiebt denselben der Gesellschaft unter dem Ausdrucke des Dankes
für das überaus werthvoUe Geschenk, welches die von Hm. Zintgraff der Ge-
sellschaft selbst übermittelten Aufnahmen von Eingebomen in erwünschter Weise
Verbandl. der Berl. Aattirop. Qesellscbaft 1891. 87
(578)
ergänzt. Hr. Kayser erklärt sich ausserdem bereit, wissenschaftliche Weisungen
an die Leiter der Expeditionen und die Beamten der Schutzgebiet« zu vermitteln,
soweit nicht unmittelbare öffentliche Interessen darunter leiden sollten.
(8) Der Vorsitzende begrüsst den von seiner Reise nach Palästina zurück-
gekehrten Hrn. Eugen Bracht, und theilt aus dessen Briefe, d. d. Baalbek, 1. Juni,
folgende Stellen mit:
„Die beabsichtigte Tour nach dem Negeb, dem Lande südlich von Palästina,
habe ich glücklich ausgeführt, indessen künstlerisch nur massige Ausbeute gehabt;
das Beste waren die grossen Ruinen von S^baita, einer Stadt aus den ersten Jahr-
hunderten unserer Zeitrechnung, mit grossen Kirchen und den Resten einer kurz-
lebigen Cultur.
Das übrige Land war hügelige Steppe, ganz bäum- und wasserlos; alle Thäler
und Mulden zu Acker und Gai-tenland terrassirt, — jetzt beinahe unbewohnte Wüste.
Die wenigen Beduinen fristen ihr Dasein lediglich mittelst einzelner herrlicher
Brunnen aus jener alten Culturzeit. An manchen Orten ist ausser dem Bronnen
überhaupt fast nichts mehr vorhanden. Von 2 solchen Plätzen habe ich Gelegen-
heit gehabt, je einen Schädel mitzunehmen, falls dieselben für Sie Interesse haben
sollten. In beiden Fällen waren die alten Begräbnissplätze auf dem Hochufer der
Wadys durch den allmählich verschobenen Wasserlauf angefressen und die Be-
stattungen freigelegt worden. Hoffentlich bringe ich dieselben heil nach Berlin.
Die Fundorte heissen „Rakhameh^ und „Wady Asludj**; die Leiche war beim
letzteren Ort mit einer Art Korbgeflecht überdeckt, der Kopf insbesondere in ein
solches eingebettet und das Ganze mit dicker Lehmschicht umhüllt.^
Die angekündigten Schädel sind inzwischen eingetroffen und Hr. Bracht hat
darüber folgende Mittheilung übergeben:
Nr. 1. Schädel vom Leichengräberfeld von Rakhameh oder Rachame, dem
alten Ziklag.
Die periodischen Wasserläufe des Wady Rakhameh haben unter ständiger
Verschiebung des Strombettes nach Westen das rechte Ufer angefressen, welches
jetzt eine beiläufig 5 — 7 m hohe senkrechte Mergelböschung darstellt Ein Theil
des alten Leichengräberfeldes ist auf diese Weise bereits abgeschwemmt und gegen-
wärtig treten 7 Skelette zu Tage. Dieselben liegen in gleicher Höhe, etwa 1,5 w
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tief unter der Oberfläche und gleichmässig nach Osten orientirt; die Leichen
scheinen in freier Erde gebettet, sind indessen theil weise mit grösseren Stdn*
platten zugedeckt. Eine etwaige äussere Andeutung der Gräber ist nicht wahmehmbtr.
Der vollgefundene Schädel ist von Pflanzenwurzeln stark angegriffen, indem
gerade durch seine Lagerstelle eine enge Wasserrinne ausgewaschen tat, welche,
(579)
mit kleinen Büschen bewachsen, den Schädel seit einiger Zeit zur Hälfte bioss-
gelegt hatte.
An Beigaben war weder bei diesem, noch bei den übrigen unterwaschenen Ge-
rippen etwas zu bemerken.
Von der alten Stadt sind thalaufwärts Mauerreste von Häusern und Thürmen,
Garten- und Peldterrassen, z. Th. wohl Weinberganlagen, erhalten; schräg gegen-
über Yom Gräberfeld befindet sich auf dem linken Ufer ein cistei*nenartiger ge-
mauerter Brunnen, zur trocknen Jahreszeit das einzige Wasser weit und breit.
Die Bergung des Schädels von oben her, welche des überhängenden Erdreichs
wegen nicht gerade leicht war, wurde in dankenswerther Weise von meinem Reise-
gefährten, Preiherrn von Eckart stein ausgeführt.
Nr. 2. Schädel von Wady Asludj, auch Asluj.
Das Wady Asludj liegt, durch eine felsige Gebirgskette vom Wady Rakhameh
getrennt, eine Tagereise westlich von diesem und bildet orographisch den unteren
Verlauf desselben, indem die Wasser des Wady Rakhameh durch eine enge Felsen-
schlucht nach Asludj Abfluss finden.
Unter Asludj wird nicht allein das Thal oder Flussbett vom Gebirge an bis
zur Einmündung oder Vereinigung mit dem Wady Seba verstanden, sondern auch
besonders eine Ruinenstätte mit einem vortrefiT liehen Brunnen. Etwa 2 Stunden
thalabwärts von Asludj liegen die ausgedehnten Ruinen von Khalasa oder Chalasa,
dem alten Elusa; dieser alte Namen scheint in beiden Bezeichnungen Khalasa und
Asluj nachzuklingen.
Die Ruinenstätte im Wady Asludj breitet sich am rechten Ufer des Strom-
bettes aus. Die Reste sind ausgedehnt, aber unbedeutend: geringe Häuserruinen,
Mauerzüge, Scherben, Glas- und Bronzefragmente, Feuersteine zum Feuerschlagen,
wie auch messerförmige, abgenutzte Spähne. Auf dem linken Ufer, etwas ober-
halb, befindet sich in ebener Fläche eine Gruppe von 5 — 6 Brunnen, bis auf einen
sämmtlich verschüttet; der noch benutzte Brunnen ist prächtig aus Marmorqnadem
erbaut und hatte einst eine Bedachung, von der noch die Bogenansätze vorhanden
sind ; ein Dutzend Steintröge, zum Theil antik, umgeben ihn im Kreise zur Tränkung
der Heerden.
Aus der Lehmwand der Ufeiböschung in der Nähe der Mauerzüge ragen auch
zwei starke Manerpfeiler gegen das Strombett vor, entweder üfemiauern oder Reste
eines Brückenkopfes.
Dicht neben diesen Resten hat das Regenwasser eine Rinne bis zur Thal-
sohle ausgewaschen und in der Seitenwand derselben war die Ausschachtungsstelle
eines Grabes erkennbar, so dass die nähere Besichtigung sogleich Theile des Ske-
lets erkennen liess.
Die Sohle des Grabes war 1,5 m unter der Oberfläche. Orientirung annähernd
östlich.
Die Leiche war mit einem Reisiggeflecht zugedeckt, welches den Kopf korb-
artig umgab, und das Ganze sodann mit starker Lehmlage überstrichen, welchem
Schutze wohl die gute Erhaltung der Knochen zuzuschreiben ist. Bei der Hebung
des Schädels waren sämmtliche Zähne erhalten und intakt, indessen bröckelten die
Schneidezähne noch vor dem Verpacken theilweise ab und ein Backzahn, welcher
ausfiel, konnte nicht wieder aufgefunden werden. Die Bestattung war möglicher-
weise schon vorhanden, als die Maueranlagen, welche der römischen Epoche an-
zugehören scheinen, hergestellt vrurden.
Eine halbe Stunde thalaufwärts von hier, noch oberhalb der Brunnengruppe,
dehnt sich auf dem linken Ufer ein grosses Begräbnissfeld des Azazimeh-Beduinen-
37*
(580)
Stammes aus; hier dient eine ornamentirte, pilasterartige Marmorplatte als Grab-
stein, Yon der alten Stadt herrührend. Zwei ganz gleiche Sttlcke sah ich in Silo, in
einem antiken Gebäade, bereits von älteren Resten entnommen, als Einfassungen
einer Wandnische-, und zwar verkehrt eingebaut. —
Hr. Virchow:
1) Der Schädel von Rakhameh ist sehr gebrechlich und mehrfach durch
Verwitterung defekt. Die überall offenen Nähte sind lose geworden und zeigen
besonders am Hinterhaupt Lücken, wie denn auch die Squama occip. zum Theil
zerstört ist; an der Basis ist ein grösserer Defekt, der die Apophysis basilaris und
die linke Seite der Umgebungen des For. magnum betrifft. Trotzdem hat sich,
nicht ohne grosse Schwierigkeiten, eine approximative Ausmessung des Inhalts und
eine Ermittelung der Durchmesser herstellen lassen.
Es ist zweifellos der Schädel eines Weibes, klein und zart, annähernd von
einer Capacität von 1040 ccm^ also nannacephal. Er erscheint kurz, schmal und
niedrig, indess bei der Kleinheit der meisten Maasse ergiebt sich doch ein meso-
dolichocephalcs Verhältniss (Längenbreitenindex 72,7, Längenhöhenindex un-
gefähr 74,4). Nach dem Ohrhöhenindex (56,9) würde man ihn als chamaecephal
klassiftciren können. Der Hinterhauptsindex beträgt 30,8, entsprechend der rela-
tiven Grösse der Hinterhauptsschuppe. Der horizontale Umfang beträgt nur 478,
der sagittale 341 mm; von letzterem entfallen auf das Stirnbein 33,7, auf die Pfeil-
naht 35,1, auf die Hinterhauptsschuppe 31,0 pCt. Die Entwickeluug ist denmach
eine ziemlich gleichmässige, jedoch mit Prävalenz des Mittelkopfes.
Die Stirn ist niedrig, schmal, etwas geneigt, von sehr sanftem Aussehen, ohne
Wülste, mit schwachen Tubera und kaum vertiefter Glabella. In der Goronaria
rechts an der Rreuzungsstelle der Linea temporalis ein kleiner Schaltknochen.
Beiderseits kleine Epipterica über den niedrigen und stark eingebogenen Alae
sphenoideales. Die Parietalia etwas gestreckt. Das Hinterhaupt schmal und
länglich. Warzenfbrtsätze schwach. Foramen magnum länglich.
Das Gesicht ist klein und schmal, leptoprosop (93,9). Insbesondere sind
die Jochbogen fast gerade und angelegt, die Wangenbeine klein und wenig vor-
tretend, die Kieferwinkel-Distanz (82 nun) gering. Die Orbitae hyperhypsikoncb
(91,4), die Nase hyperleptorrhin (44,8). Schwache Fossae caninae. Alveolar-
fortsatz kurz (16 mm) und stark prognath. Die 2^hne meist abgenutzt, jedoch
einzelne mit noch frischen Kronen. Gaumen leptostaphylin (76,0). Der Unter-
kiefer klein, in der Mitte 28 mm hoch und stark eingebogen, die Aeste 32 mm breit,
aber niedrig: Proc. coronoides 55 nun hoch.
2) Der Schädel vom Wadi Asludj (Asludsch), am 29. April erworben, ist
sehr vollständig erhalten. Es ist ein grosser, schwerer, männlicher Schädel von
hellgelber Farbe, am Hinterhaupt etwas abblätternd und darunter von kreidig-
weissem Aussehen. Die linke Schläfenschuppe steht etwas ab. Die Zähne brüchig
und etwas verletzt, sonst aber bis auf die mittleren Schneidezähne und den linken
Molaris in vollständig. Alle Theile sind stark entwickelt, die Supraorbitalwülste
und der Nasenfortsatz sehr kräftig, die Lineae temporales stark, aber nicht hoch,
das Hinterhaupt nicht stark gezeichnet, dagegen die Warzenfortsätze und der Unter-
kiefer gross. Die Nähte wenig gezackt und offen, nur die Sagittalis hinter den
Emissaria, die schief stehen und einander sehr genähert sind, etwas verwachsen.
Die Capacität beträgt 1425 ccm^ der horizontale Umfang 516, der sagütale
387 mm; von letzterem gehören 34,6 pCt. dem Stirnbein, 35,6 den Parietalia, 29,7
der Hinterhanptsschuppe, — also nahezu ähnliche Verhältnisse, wie bei dem weih-
(581)
liehen Sehädel von Rakhameh. Die Form ist gleichfalls mesodolichocephal
(Längenbreitenindex 72,6, Längenböhenindex 71,5), jedoch hat auch hier der Ohr-
höhenindex nur 59,1. Das Ohrloch steht also yerhäitnissmässig hoch. Der ELinter-
hauptsindex (32,7) ist angewöhnlich gross.
Die Stirn etwas schräg, Glabella stärker entwickelt, Tubera schwach, der
hintere Theil des Stirnbeins lang. Die Parietalia lang, mit kräftigen Tubera,
stark gewölbt, von der Tuberallinie an abfallend. Am Hinterhaupt die Oberschuppe
vortretend und gewölbt, die Untersehuppe mit zahlreichen Muskeleindrücken. Alae
gross. Foramen magnum etwas tief liegend. Die Apophysis basil. flach und etwas
eingebogen, Proc styloides und pterygoides gross. Die Seitentheile des Schädels
abgeplattet, daher die Hinteransicht fast ogival.
Das Gesicht erscheint auch hier wegen der gestreckten StcHlung der Jochbogen
schmal und hoch, hat aber einen chamaeprosopen Index (87,0). Wangenbeine
nach oben eingebogen, nach unten wenig vortretend. Orbitae fast viereckig, nach
aussen und unten ausgebuchtet, daher etwas schief, Index hypsikonch (85,7).
Nase kolossal vortretend, Ansatz tief, Rücken leicht gerundet, gegen das untere
Ende stark emporgehoben, Apertur gross, Stachel stark, Index mesorrhin (51,0).
Alveolarfortsatz sehr kurz (12 mm\ aber stark prognath. Zähne gross. Gaumen
ultraleptostaphylin (61,2). Der Unterkiefer dünn, in der Mitte 33 wim hoch,
eingebogen, Kinn vortretend, eckig-rundlich. Aeste breit (35 mm), der Proc. coro-
noides 68 tnm hoch. Rieferwinke Idistanz gering, annähernd 93 mm. —
Es ist leicht ersichtlich, dass die beiden Schädel, obwohl von verschiedenen
Gräberfeldern herstammend, abgesehen von ihrer Grösse, in allen Hauptstücken
übereinstimmen und derselben Rasse angehört haben mtlssen. Abweichend sind
am meisten die Gesichts- und Nasenindices, welche bei dem männlichen Schädel,
trotz seiner sonstigen Grösse, niedriger geblieben sind. Höchst auffallend ist bei
beiden die fast gerade gestreckte Stellung der Jochbogen und der ausgemachte
Prognathismus bei verhältnissmässig kurzen Alveolarfortsätzen
Wir besitzen seit längerer Zeit eine Reihe von Schädeln aus dem Ostjordun-
lande, welche mein leider so früh verstorbener Freund und Schüler Paul Langer-
hans jun. von einer Reise mitbrachte, welche er in der ersten Hälfte des Jahres
1870 in Begleitung des Hrn. H. Kiepert ausgeführt hatte. Er hat ausführlich
über dieselben berichtet im Archiv für Anthropologie 1873. Bd. VI. 8.39 und 201,
nachdem er schon in der Zeitschr. f. Ethnol. 1873. Bd. V. S. 27. Taf. III— VI die
Ergebnisse seiner Untersuchungen an Lebenden mitgetheilt hatte. Da jedoch diese
letzteren theils Kurden, theils Armenier, theils Neger waren, so können sie hier
ausser Betracht bleiben. Für die Vergleichung bleiben vorzugsweise diejenigen
Schädel, welche Langerhans als Beduinen-Schädel bezeichnete; sie stammen
vom linken Ufer des Jordan, namentlich von Hirbe Sar, Es-Salt und Amman
(Philadelphia), also von ziemlich weit nördlich liegenden Plätzen, wenn wir das
Negeb in Parallele stellen. Nichtsdestoweniger wird man wohl eine nahe Stammes-
verwandtschaft voraussetzen dürfen. Langerhans hat gute Abbildungen von den
Beduinen-Schädeln gegeben (Archiv S. 50—52); sie zeigen, dass in der Mehrzahl
in der That eine grosse Aehnlichkeit mit den Schädeln aus dem Negeb besteht.
Immerhin ist das Material nicht gross genug und zugleich nicht hinreichend sicher,
um abschliessende Resultate zu liefern; es wird sich die Gelegenheit wohl finden,
darauf zurückzukommen. Jedenfalls müssen wir Hrn. Bracht sehr dankbar sein,
dass er die Gelegenheit wahrgenommen hat, unsere Sammlung mit guten Beispielen
von Schädeln einer schwer zugänglichen Region zu bereichern.
(582)
Schädel aus dem Negeb
I. Messungen.
Capacität
Grösste horizontale Länge
^ Breite
Gerade Höhe
Ohrhöhe
Hinterhauptslänge
Stimbreite
Entfernung des For magn. von der Nasenwurzel
„ ^ ^ vom Nasenstachel .
^ « „ Alveolari'and .
^ ^ . „ Zahnrand. .
^ ^ „ n r Kinn ....
^ ^ Gehörganges von d. Nasenwurzel
„ ^ vom Nasenstachel .
., Alveolarrand .
^ Zahnrand . .
^ y, ^ y, Kinn. . . .
Horizontalumfang
Sagittalumfang des Stirnbeins
der Parietalia
^ der Squama occipitalis ....
Ganzer Sagittalbogen
Gesichtshöhe
Gesichtsbreite a
b
c
Orbita, Höhe
Breite
Nase, Höhe
^ Breite
Gaumen, Länge
^ Breite
Gesichtswinkel
n. Indices.
Längenbreitenindex
Längenhöhenindex
Ohrhöhenindex
Hinterhauptsindex
Gesichtsindex
Orbitalindex
Nasenindex
Gaumenindex
Wadi
Asludj
ö
Rekhameh
1425
1040
186
172
135p
125t
133
128?
110
98
61
53
91
87
99
102
99
89
105
92
(108)
—
109
88
107
102
113
103
118
107
(122)
—
131
116
516
478
134
115
138
120
115
106
387
341
108
109
124
116
89
90
93?
82
30
32
35
36
49
49
25
22
62
50?
38
38
71°
71°
72,6
72,7
71,5
74,41
59,1
56,9
32,7
80.8
87,0
98,9
85,7
91,4
51,0
443
61,2
76,0
(583)
(9) Hr. H. Jentsch in Guben berichtet anler dem II. über
vorslaTigche Fnnde ana der Niederlansitz.
Während der letzten Monate sind im Gubener Kreise und in dessen Nachbar-
schaft an verschiedenen Stellen Änsgrabnngen vorgenommen worden, von denen
einige charakteristische Funde ergeben haben.
I. Nieroaschkleba.
In dem seit einer Reihe von Jahren gelegentlich ansgebentelen Cmenfelde
beim Vorwerk Niemaschkleba, welches sUdlich von dem Dorfe gleichen Namens,
im östlichen Tbeile des Gnbener Kreises, unweit der Oder liegt, ist, 100 Schritte
nordwestlich vom Gutshanse an der Wegtheilong, nur I— l'/i Fnss tief, ein Grab
geöffnet worden. Der Steinsatz war an einer Seite bereits bei der vor 49 Jahren
erfolgten Fflanznng einer jetzt wieder beseitigten Pappel we^enommen. Die Fnnde
vergegenwärtigen die gleichzeitig hier in Gebniuch gewesenen Gerassrormcn nnd
Nadeltypen. Alle dieser Graft entnommenen Tbongefässe sind sehr kräftig, fest
and massig gearbeitet. In der Mitte stand eine grosse, durch die Wurzeln zer-
sprengte Urne, deren unterer Theil sich schOsselartig erweitert, während der obere
über der Einwölbung mit fast cylindrisch aufsteigendem Halse in weiter OeRnnng
abscbliesst Bei den Knochen lagen etliche Backenzähne, doch kein Metall. Um
diesen Leichenbeh älter herum standen mehrere Buckel- und zwei glatte, aus-
gebauchte Gefässc.
Unter jenen ersteren ist ein Napf von 16 rm Höhe mit ein wenig nach aussen
gerichtetem, ö em hohem Halse nnd fast 2 cm weit waagerecht ausgelegtem Rande.
Bei einem zweiten schüesst der gleichfalls konisch erweiterte Hals ohne aas-
geklappten Saam ab', unmittelbar unter dem oberen Rande setzt hier ein 4,& cm
breiter Henkel an, der anfangs waagerecht verläuft, dann, kantig gebrochen, 5 ent
weit herabgefUhrt ist nnd zwei Finger fasst. An beiden Näpfen sind um die spitz
aus den Dellen heraustretenden Buckel zwei breite, tiefe Furchen und zwischen
je zwei der Verzieningen 3—4 senkrechte Linien gezogen. Bin drittes Gefäss mit
cylindrisch aufgerichtetem Halse bat 2 kräftige Oehsen, und zwar weniger weit
heraustreten de, aber für den Gesammteindruck durch
je 5 concentrische Rreisforchen stark markirte Backe). Figur 2,
Allen Böden ist ein ringförmiger Standfuss untergelegt.
Hierzu treten 2 Gefässc von der Art, wie sie in der
Regel neben Backe lumen erscheinen. Es sind
schlichte, in mittlerer Höhe ausgebauchte, unter dem
Rande ziemlich tief ein gewölbte Töpfe von 14, bezw. "^'S"' '■
18 cm Höhe und 17, bezw. 16 cm grösster Weite. Bei
dem niedrigeren (Fig. 1) ist der Saum Qach ausgelegt.
In dem höheren lagen unter dem Sande auf dem
Boden 2 Nadeln. Die eine, nur 6 cm lang, durchweg
etwas abgeplattet, ist am oberen Ende schleifenartig
umgebogen, und schliesst hier mit einer allen Bruch-
stelle ab (Fig. 3): sie erinnert an ein Exemplar von i'^
Lieberosc, welches im oberen Theile vierkantig und
in etwas stärkerer Rnndung zusammengebogen ist
(Besitzer Oberprediger Krtlger in Lieberoae); voll-
ständiger erhalten ist eine Schleifennadel von Star-
zeddel, abgebildet Verb. 1886, 8. 415. Fig. 5. Von ein-
(584)
Figur 8. facherer Art ist das zweite Stück von 15,5 cm Länge,
^^g^^s^ssB^fi das 6 cm weit vom Knopf so stark zusammengebogen
ist, dass sich das untere Ende diesem bis auf 1 cm
nähert. Die Zusamroenbiegung scheint nachträglich
erfolgt zu sein, wofür eine grössere Zahl von längs
verlaufenden Rissen der Aussenseite spricht. Der
/« Knopf ist platt, doppelkonisch (Fig. 3). Ein in ähn-
licher Weise zusammengebogenes Exemplar fand sich
gleichfalls in Verbindung mit Buckelurnen bei Sellessen, Kr. Spremberg; auch er-
innert an diese Gestalt das Bruchstück von Goschen, Kr. Guben (abgebildet im
Gubener Gymn.-Progr. 1886. Taf. 3. Fig. 38), das angeblich (a. a. 0. S. 18) anders
verlief. Gleichfalls unvollständig ist eine bei Gleinau in Schlesien gefundene zu-
sammengebogene Nadel im Besitz von Dr. Busch an (abgebildet Verhandl. 1888.
8. 153. Fig. 8).
11. Scheibennadel von Christianstadt, Kr. Sorau.
Südwestlich von Christianstadt ist auf einem sandigen Felde, anscheinend in
einem verwüsteten Urnen friedhof, eine Bronzenadel mit senkrecht voi^legter
Scheibe gefunden worden. Der Schaft ist, obwohl vollständig erhalten und spitz
auslaufend, nur 9 cm lang; unter rechtem Winkel biegt er sich um und trägt in
einem Abstand von 1 cm eine kreisförmige Platte von 2,6 cm Durchmesser; aus ihr
ragt die Nadel, geglättet, ein wenig hervor. Diese flache Kuppe wird von 6 con-
centrischen Kreisen umzogen; es folgt ein glatter Streifen von 3 mm Breite, welchen
3 concentrische Furchen umgrenzen; ein schmaler glatter Rand bildet den Ab-
schluss. Das Stück ähnelt dem von Virchow, Gräberfeld von Koban S. 35 f. an-
geführten Funde von Stralsund und dem schwedischen von Längbro in Söderman-
land (Montelius, Bronsäldem 1872. S. 263. Fig. 21), sowie dem von Neumünster
(Tr. Arnkiel, Cimbr. Heydenbegräbnisse, Hamb. 1702. Bd. III. S. 164). Ein Seiten-
stück aus Eisen von Gawlowice, Kr. Graudenz, erwähnt Und s et. Das Elisen in
Nordeuropa S. 134, Abbild. Taf. 14. Fig. 7. Die Nadel von Tolkewitz bei Dresden
(Preusker, Blicke in die vaterländ. Vorzeit III. S. 87. Anm. 1; Taf. 6. Fig. 46,
auch bei Klemm, German. Alterthumskunde 1836. S. 61. Taf. 2. Fig. 6) scheint
durch eine leichte Biegung im Schaft den Uebergang zu den S-förmig gewundenen
Nadeln zu bilden, zumal da die Scheibe von Preusker als hohlspiegelartig be-
zeichnet wird, wie die Platte dieser Nadeln ja nicht selten ist.
lU. Gezeichneter Stöpseldeckel von Friedland, Kr. Lübben.
In dem mehrfach besprochenen nördlichen Grenzstreifen der Niederlaositz
(Verh. 1890. S. 485 ff.) hat sich bei Friedland i. L. ein Deckel von 7 cm Durch-
messer mit unten angelegtem Falzrande gefunden, dessen Oberseite mit einem
Kreuz aus Doppellinien verziert ist (Besitzer Postgehülfe Voigtmann, z. Z. in
Christianstadt a. Bober). Das Stück bildet ein Mittelglied in der Reihe ähnlicher
Funde. Oertlich steht ihm am nächsten ein Fund von Grunow-Mixdorf, Kr. Lübben.
Bei diesem tritt ein seichter Knopf heraus, welcher von 2 Furchen umzogen ist, und
von dem 5 Strahlen ausgehen, aus je 3 Strichen zusammengesetzt (Abbildung in den
Niederlausitzer Mittheil II. Taf. 2. Fig. 4.). Diese beiden Verzierungsmuster sind
gleichsam eine Vorstufe des noch etwas mehr zusammengesetzten auf dem Deckel
einer Dose von Coschen im nordwestlichen Theile des Gubener Kreises: den
Aussenrand bildet eine von 2 concentrischen Kreisen begrenzte Zone, welche mit
Punkteinstichen ausgefüllt ist; in derselben Weise sind die Zwischenräume zwischen
(585)
den von der Mitte auagehenden 8 Strahlen verziert (Verh. 1886. S. 654; Abbild.
Zeitschr. f. Bthool. IX. 1877. Taf. XVII. Fig. 5). Strahlenrörmlg ist auch die Ver-
zierung eines ziemlich hochgewötbten zweiten Deckels von Friedland, dessen Knopf
abgebrochen nnd deasen Hund gekerbt ist (Weineck in den Niederlaos. Mittheil. I.
S. 315 f. Taf. 4. Fig. 20). Während hier die Strahlen die ganze Oberfläche be-
decken, ähnelt ein erheblich weiter westlich bei Prosmarke, Kr. Schweiuitz, nahe
der Westgrenze der Niederlanaitz, gefundener Deckel durch die Kreuzstellung der
Liniengmppen (Verh. 1887. S. 463) an das hier besprochene Stück.
IV. Funde von Ossig, Kr. Guben. Niederlausitzer Eisennachbildungen
von Bronzetypen.
Zur Vervollständigung der Debersicht über den Inhalt der Gräber mit Thon-
gefässen des Niederlausitzer Typus bietet der Rudenberg bei Ossig in der sud-
östlichen Ecke des Gubener Kreises einige Funde. Die Gelasse standen dort in
Steinsatz und sind annähernd tcrrinen förmig, doch mit ziemlich weiter OeSnung.
Bei einem Leicbcnbehälter von 27 cm Höhe, 24 cm grösster Weite, 1 1 cm breitem
Hoden, der nach dem Eande hin durchbohrt ist, und 20 cm weiter Oeffnung, ist
der obere The il glattgestrichen; der durch den herabgedrUckten Thon entstandene
kleine Wulst zeigt Fingerei ndrUcke. Die Beigaben bestehen in ähnlichen kleinen
Gcfässen, gleichfalls mit einem Ringe knöpfchen artiger Erhebungen im Uebergange
zum Balse; bisweilen ist der Gefässkörper nicht ausgerundet, sondern fast konisch
geformt. Dazu kommen mittelgrosse Terrinen, deren Hals deutlich abgesetzt und
nach innen geneigt ist, theils mit Henkel, theils mit Oehsen versehen, ferner
Tassen mit hochgezogenem, zuweilen senkrecht gefurchtem Henkel, Teller mit ein-
geklapptem Rande, gehenkelte und henkullose Schiilchcn mit centraler Boden-
erhebung, einzelne längliche, gct heilte Gefässe, ein grosses Rauch ergeHlss mit
elliptischen Oellnungen. Verziemngen sind im Ganzen selten und beschränken
sich, abgesehen von den Wülsten mit Fingerei nd rücken , zumeist auf seichte,
waagerechte Forchen; doch kommen auch concenirische Halbkreise über Kehl-
streifen bisweilen vor. Höchst zierlich ist eine kleine Terrine von nur 4 cm Höhe
mit einem Oehsenpaare und 2 waagerechten Linien unter dem ein wenig aas-
gebogenen Rande: auf der weitesten Auswölbnng ist ein Band von senkrecht gegen
einander gestellten triangulären Strichgrappen angebracht, höchst sorgfältig bis iiTs
einzelne ausgeführt. Von seltneren Stücken ist hervorznhehen ein nur 9 cm
hohes Räucbergefäss, dessen Glocke statt der OeOnungen 3 Gruppen seicht
eingestrichener concentrischer Halbkreise zeigt: es erinnert an das erheblich
grössere Räuche^^fäss mit hufeisenförmigen Einschnitten im Fasse (Verh. 1883.
8. 344. Anm. 2) aus der dem Südosten des Gnbener Kreises benachbarten Herr-
schaft Forst-Pförien (in der gräflich Brtthl'schen Sammlung zu Pforten). Femer
ist ein kleines, annähernd terrinenrörmiges Gefäss zu er-
wähnen, bei welchem an Stelle der einen abgebrochenen Figur 4.
Oehse eine Kreisöffnung eingebohrt ist (B'ig. 4), — ein Be-
weis einerseits, dass dies Gefass wirklich getragen, anderer-
seits, dass als Mitgabe ein gebrauchtes Stück verwendet
worden ist.
Ein fast elliptisches, durchbohrtes Steinplättchen lag
mit einer grösseren Reihe kleiner scheibenförmiger Thon-
pcrlen zusammen nnd war wohl mit ihnen zusammen auf-
gereiht ij
Die Mctallheigahen bestehen in einer kleineren, 8 »im
(586)
lan^n Bronzespirale von 3 mm Weite; femer in Bronzenadeln, bei deren einer
den Abschlnss eine 1,5 cm lange, stark geriefelte leichte Verdickung des Schaftes
bildet (Fig. 5, vgl. Und s et. Das Eisen in Nordeuropa Taf. 19. Pig. 4), während
eine andere einen schlicht konischen Kopf trägt: auf diese letztere waren 2 Thon-
ringe von 1,6 cm Durchmesser, im Lichten 1 cm weit (vgl. Droskau, Verh. 1888.
S. 255) aufgezogen.
Figur 5. Figur 6.
Vs
V,
Von Eisen ist ein Messerchen von 8 cm Länge
Figur 7. (Pig g) erhalten, das zwischen den Knochen lag, femer
eine Spirale von 3 Windungen mit 2 cm Weite, endlich
eine 21 cm lange, gebogene Nadel mit ebener Platte
von 2 cm Durchmesser, unterhalb deren ein rundlicher
Knauf und weiter herab eine Gmppe feiner Reifen
heraustritt (Fig. 7).
Diese beiden Stücke vergrössem die Zahl der
in unserer Landschaft bekannt gewordenen Nach-
bildungen bronzener Muster, welche dieser Aus-
gangszeit des Niederlausitzer Typus eigen sind (vgl.
Niederlausitz. MittheU. I. S. 123; II. S. 21). Es
sind deren bis jetzt bekannt: 1) Hohlcelte von
Zilmsdorf, Berge, Qüritz, Kr. Sorau (Verhandl. 1881.
S. 432, 1883. S. 423), anscheinend auch von BUlen-
dorf gleichen Kreises (im Märkischen Museum zu
Berlin), endlich aus der Gegend von Geissen (Klemm,
Die Werkzeuge und Waffen 1858. S. 108. Fig. 195).
üeber bronzene Vorbilder s. Verh. 1886. S. 721; 1887.
»/j S. 290. — 2) Sogen. Rasirmesser, fast viereckig, mit
kleinem, gebogenem Griff an einer Ecke: von Reichers-
dorf, vielleicht auch von Haaso, Kr. Guben (Gub. Gjrmn.-Progr. 1886. 8. 16); aus
Bronze von Stradow (im Museum zu Gottbus), aus Schlesien bei Undset a. a. O.,
Taf. 10. Fig. 4; annähemd halbmondförmig, einem Wiegemesser ähnlich, von
Guben Chöne (Verh. 1885. S. 388. Fig. 17), in Bronze von Friedland i. L. (im
Mark. Mus. zu Berlin), vgl. Zaborowo (Verh. 1874. S. 224), Kluczewo (ebenda 1882.
S. 394; Undset a. a. 0. Taf. 10. Fig. 3). — 3) Der Spiral ring von Ossig (s. ob.), in
Bronze von Reichersdorf und vielfach anderwärts in der Niederlausitz. — 4) Schlichte
Ringe von 2—6 cm Durchmesser, wenig charakteristisch; u. a. von Guben Chöne
(Verh. 1885. S. 387. Fig. 15), von Billendorf (Mark. Mus.). — 5) Nadeln mit ebener
oder flach konischer Knopfplatte: Guben Chöne (Verh. 1885. S. 387. Fig. 13),
Zilmsdorf (ebenda 1883. S. 422. Fig. 5); bronzene Vorbilder vielfach. — 6) Nadeln
mit absatzweise verjüngtem Knopf: Guben Chöne (a.a.O. 1885. 8.387.
Fig. 14; gegenwärtiger Besitzer unbekannt), Repten, Kr. Kalau (Niederlauaitzer
Museum zu Cottbus); bronzene Vorbilder: Grttne Eiche bei Schenkendorf^ Kreis
Guben, u. a, — 7) Nadeln mit einer aus der meist concentrich gerieften Knopfocheibe
heraustretenden Spitze: Reichersdorf, Starzeddel (NiederlausitE. MittheiL I.
S. 123); in Bronze von Berge, Billendorf, Christianstadt, Güritz, Pförten, Kr. Sorau
(687)
Haaso, Oegeln, Reicheradorf, Kr. Guben; Rlein-Rössen, Prov. Sachsen,
(Voss, Verh. 1881. S. 430, Niederlaos. Mittheil. I. S. 123. Anm.). — 8) Platten-
nadel mit ^ebo^nem Halse: Gaben Chönc (Verh, 1886. 8. 386. Fig. 1); in Bronze
von Ijessendorf in Schlesien (Königi. Museum zn Berlin). — 9) Kleine Rollnadel:
Gnben 8W., Kaltenboraer Str. 27 (Verh. 1884. S. 16); in Bronze ebenda (a. a. 0.
1882. S. 412. Pig. II) and Guben Chöne (Guben. Gymn.-Progr. 1886. S. 7. Taf. 30.
Pig. 50, nnd S. 9); vgl. Virchow, Das Gräberfeld von Koban S. 33. Anm. 10 Ober
schlesische und österreichische SeitenstUcke. — Eine Eisennadel ohne Knopf von
Särchen, Kr. Sorau, befindet sich im Märkischen Museum zu Berlin. — 10) Sicheln
von Gnben Chöne (Verh, 1885. S. 388. Pig. 16; Guben. Gymn.-Progr. 1886. 8. 7.
Taf. 3. Pig. 26, S. 9), Haaso (Verh. 1890. S. 358. Pig. 11; Besitzer C. Krüger in
PfSrten), Oegeln (in der gräflich Brühl'schen Sammlung zu FfSrten; b. Qabener
Progr. 1889. S. 21), Reichersdorf (Verh. 1890. S. 35«. Pig. 9); im Sorauer Kreise
von Billendorf (im Märkischen Museam zu Berlin), Zilmadorf (Verh. 1883. S. 425.
Pig. 3). Der Stollen um breiten Ende des Blattes erinnert an den Knopf der
bronzenen Seitenstücke (vgl. Guben. Gymn.-Progr. 8. 9). — Es acheint nicht aus-
geschlossen, daas diese verschiedenen Eisengeräthe einheimische Erzeugnisse der
Niederlansitz gewesen sind, um so mehr, als einzelne Formen in Eisen gebildet
anderwärts noch nicht nachgewiesen sind.
V. Reichersdorfer Punde.
1) In dem bereits seit 50 Jahren bekannten Gräberfelde bei Reichersdorf S.
ist am 10. d. M. auf dem Krügerseben Gehöft in einem Grabe mit Steinsatz un-
mittelbar an dem unteren Theile einer grossen, terrinon förmigen Urne mit Rehl-
streifen, zu welcher ein Beigefäsa von 11 cn Höhe mit stumpfwinklig gebrochener
Seitenwand und zwei Oehsen, ein Deckteller mit stark ebgeklapptem, spiralig ver-
ziertem Rande nnd eine roth Uberfangene, grosse Schüssel mit facettirter Innen-
seite des Randes gehörten, ein Steinhammer gefunden worden, der fast völlig
unbenutzt zu sein acheint (Pig. 8). Es ist dies das fünfte erhaltene Stück dieser
Art aas dem bisher aulgegrabenen Theile des Feldes (Niederlaositz. Mittheil. II.
S. II), das zweite, das in unangegrilTenem Znstande, mit ein wenig schartiger
Schneide, allseitig scharfen Kanten und rölltg glatter Bahn vorliegt. Das Material
ist graubrauner, feinkörniger Sandstein, nicht widerstandsfähig gegen härtere Qegen-
Fignr 9.
Figur 8.
v.
Stande. Es drängt sich der Gedanke auf, dasa beide Hämmer etwa nur zum Zer-
schlagen der Knochen benutzt und dann ins Grab mitgegeben worden sind. Die
Form ist die in der Niederlansitz Überwiegende, im Längsschnitt fünf-, im Quer-
schnitt viereckig; die Länge beträgt 18 an, die Breite der Schneide 4,5, die der
quadratischen Bahn 2,3 cm. Die Durchbohrung ist cylindrisch. Die beiden Kanten
(588)
zn ihrer Seite sind durch herausgearbeitete Leiaten verstärkt. Die Breite beträgt
einschliesslich derselben 5,5 cm. Oewicht 650,7.
Zwischen den Knochen lag in der Urne eine bronzene PTeilspitze von
3,5 cm Länge and 2,6 cm grösster Breite. Die SchafltUlle ist 1,5 cm weit hohl; die
Widerhaken setzen in vei-schi edener Höhe an; am unteren Ende ist nach einer
Seite biu das Metall der Sc barthülse ein wenig ausgezogen. Eine Oeffnong zur Be-
festigung ist nicht vorhanden (Pig. tf).
Die übrigen, bisher bekannt gemachten Funde aus der Niederlausitz haben
theils einen platten, massiven Schalt und zwei Widerhaken
Figur 10. Figur 11. (Qarrenchen und Crossen, Kr. Luckau, Burg, Kr. Cottbus),
theils eine Schalltfllle und unten abgerundete BlattanstUze
(Pig. 10, gleichfalls aus einer Reiehers dorfer Urne), ferner
aus Niemitzseh, heiliges Land, Ratzdorf, Kr. Guben, letztere
im Märkischen Museum, andere von Güritz, Kr. Sorau,
Sellessen, Kr. Spremberg)- Auf das heilige Land bei Nie-
mitzseh sind bis jetzt die dreikantigen Pfeilspitzen (Fig. 11)
mit SchafttUlle beschränkt.
2) In der wesentlich jüngeren Fundstelle bei Beichers-
dorf W. haben die diesjährigen Untersuchungen einerseits
1' die Ausdehnung des Gräberfeldes, andererseits die typische
Beschaffenheit der Grüfte festgestellt. Der Friedhof bildet
einen etwa 40 Schritt breiten, von West nach Ost sieb erstreckenden, den Weg
nach Niemitzseh, welcher der Forst-Gubener Strasse zufuhrt, schräg durchschnei-
denden Streifen. Am weitesten westlich, von diesem Wege 110 Schritte in sUd-
Hoher Richtung entfernt, lag das Grab mit dem römischen Stempetschwert (Verb.
1889. S. 343 ff.) und der tauschirten Eisenscheibe (ebenda S. (i.>9 f.^; am weitesten
östlich, 200 Schritte nach Norden vom Meraitzscher Woge, fanden sich in der
Richtung nacli dem Gutshof auf dem dem WerderflUsschen sich allmählich zu-
neigenden Gesenke die slavischcn Reste (ebenda S. 3513 f.). — Die Einrichtung der
Grüfte war folgende: Ausser den ausgesiebten Knocbentheüen wurde in derselben
Grube der gesammte Rückstand des Leichenbrandes (Asche, Kohlen, zersprungene
Gefässe) beigesetzt. Spinnwirtel und Thongelasse sind, wie blasig aufgetriebene
und angeschmolzene Stücke beweisen, mit im Brande gewesen, ebenso einzelne
Seh muck gegenstände aus Bronze und Perlen ans Glas und Thon. Den beigesetzten
Gebeinresten wurden Metallgegenstände des täglichen Gebrauches, Waffen und
Schmuckstucke beigelegt, welche bisweilen tiefer in jene hin eingesunken sind.
Nach der regelmässigen Lagerung der Knochenstücke in einem stumpfen Kegel,
welcher sich als compakte Masse darstellte, sobald die umgebende Erde und Asche
entfernt war, ist es wahrscheinlich, dass sich die Leichenreste in einem inzwischen
verschwundenen Behälter (einem Sack, Korb, Fass oder dergl.) befanden haben.
Die Grube war grösser, als der Bestand an Knochen und Brandrücketänden, da
der Boden der nächsten Umgebung mit Knochen flimmerchen durchsetzt Ist, also
nachträglich in die Grabe wieder hereingebracht wurde. Der Aschen- und Kohlen-
schutt, welcher etwa 30 cm unter der gegenwärtigen Oberfläche begann und in der
Regel einen Durchmesser von 0,5 m hatte, macht« darauf aufmerksam , dass sich
in nächster Nähe eine Gruft befinde. Diese schwarze Masse hatte öfters ein Vo-
lumen von etwa 2 ScheDeln. Bisweilen fand sich ein Kranz von kop^russeo
Steinen auf der Sohle des Grabes, in anderen Fällen eine niedrige re^Uoae
Packung; In einer Gruft lag ein einzelner Stein von der Grösse eines KOrbis;
mehrfach lagen, planlos hingeworfen, kleinere Feldsteine über den Leichenresl«]!.
C589)
Die Äasgrabnngen im März dieses Jahres er^ben an Metallgerüth, 150 Schritte
nördlich Tom Wege: eine Schnalle mit viereckigem Rahmen, den unteren Tbeil
eines Messers, das mit rechtwinkligem Absatz in die OrilTzange ttbei^ht, zwei
EUsenstäbe ron 5, bezw, 4 cm Länge, überdies einen mit der OeSnung nach unten
eingelegten, hell röthlichen, kolbenförmigen Topf mit Standrnss, dessen Seitenwand
schräg gerippt ist (Pig. 12); neben ihm lag, in die Seitenwand eines grossen Ge-
Tässes mit Wulst unter dem senkrecht aufsteigenden Rande eingebettet, ein Theil
eines Henkelkruges. — 30 Sehritte sUdlich Tom Wege fanden sich in Verbindung
mit einer kleinen Quantität ron Knochen ein schlichtes eisernes Armband ohne
Figur 12.
Figur IH.
O
Verzierung mit verbreiterten Enden (Pig. 13), 2 Schlüssel mit unverziertem Schall,
ein beiderseits ebener Spinnwirtel von 3,5 cu Durchmesser und I cm Höhe,
18 mclonen förmige Perlen aus gefrittetem Thon von 1,3 — 3,5 mt Durchmesser
(Pig. 14), glasirt. bläulich and röthlich glänzend, zum Theil schwammig auf-
getrieben oder im Feuer verzogen; der grössten ist ein Bronzetropfen, einer der
kleineren eine hellgrüne Glasperle angeschmolzen, ausserdem ist eine grünlich-
blaue, durchscheinende, etwas zerOossene Perle erhalten. In derselben Gruft lag
ein kleines henkelloses Thongefiiss von T cm Höhe, in der Mitte ziemlich stark aus-
gebaucht, mit eingezogenem üaise und ein wenig ilbei^ehogenem Rande; es zer-
brach beim Ausheben.
In einem benachbarten Grabe stand neben wenigen Knochensplittern ein zer-
drücktes braunes Gefiiss mit gekerbtem Rande', in dem Aschenhaufen daneben
fand sich ein zerflossenes formloses Bronzestück.
Von älteren Funden zeigte mir Hr. Rittergutsbesitzer Reimnitz ein 5 ein
langes und 2,5 rm breites rechteckiges Schlossblech aus Eisen mit einem Nage) in
jeder Ecke und einer kreis förmigen Oeffnung nahe der Mitte einer Schmulselte,
femer einen doppelkonischen Spinnwirtel mit stumpfer Kante, auf welchem beider-
seits S radiale Systeme von Punkten und Strichen angebracht waren: zwischen je
'2 Linien sind zwei parallele Reihen von etwas breitgezogenen Einstichen ange-
bracht. Dieses Muster erinnert an die Zeichnung der sogen. Krötenstcioe.
Einzelne Streifen des inzwischen besäten Feldes sind für spätere Ausgrabungen
durch die Preundiichkelt des Hrn. Besitzers aufgespart worden. —
(10) Hr. Schumann in Löcknitz berichtet unter dem '27. Juni über ein
slRTisches Gräberfeld mit Skeletten nod Leichenbrand auf dem SUberberg
bei Wollin (Pommern).
Auf den Silberberg bei Wollin ist man schon in früheren Jahren durch sla-
vlsche Feinde aufmerksam geworden. Anfangs der dreisslger Jahre wurden durch
(590)
Hm. Rüster dort Ausgrabungen vorgenommen und Skeleigräber gefunden, die
durch Hm. Virchow genauer untersucht und beschrieben wurden (Verhandl. 1874.
S. 210 und 1876. S. 234). Bei Gelegenheit einer Exkursion der Gesellschaft für
pommersche Geschichte wurde die Localität wieder einer Untersuchung unter-
worfen. Es zeigte sich, dass das ganze Feld vor der Mühle des Hrn. Hartwig
ein Reihengräberfeld bildet, in welchem die Skelette etwa 1 m tief im Sande
liegen.
Der Sand dicht um die Skelette ist etwas dunkler gefärbt und finden sich
neben und zwischen den Skeletten zahlreiche Scherben, die mit Wellenlinien
und anderen Ornamenten versehen sind, wie wir dieselben aus den slavischen
Burg wällen zur Genüge kennen. Dass die Skelette der slavischen Bevölkerung
des ehemals grossen und berühmten Julin angehören, kann unter diesen Umständen
kaum zweifelhaft sein.
Es sind nun aus diesem Gräberfeld wieder H ziemlich erhaltene Schädel ge-
wonnen worden, die zum Theil sich noch gut messen lassen. Schädel I wurde
von Direktor Lemcke, Schädel ü und III vom Besitzer des Feldes, Hm. Hartwig,
ausgegraben.
Schädel I. Der kleine Schädel ist von gelber Farbe, ziemlich gut erhalten.
Es fehlen zum Theil die Proc. nasales der Oberkiefer, die Jochbogen, sowie ein
Theil des Unterkiefers. Die Zähne sind gut, die Weisheitszähne durchgebrochen,
nicht cariös, wenig abgeschliffen.
Die Schädelnähte sind wenig gezackt, noch gut erkennbar, nur die Pfeil-
naht nahezu verwachsen. Die Schädelknochen ziemlich kräftig.
Norma temporalis: Die Stirn ist massig hoch, Supraorbitalwülste kaum an-
gedeutet. Die Stirn verläuft allmählich nach oben und hinten. Scheitel gut ge-
wölbt. Der obere Theil des Hinterhauptes flach, die Occipitalschuppe leicht capsel-
förmig vorspringend. Muskelansätze am Hinterhaupt deutlich entwickelt, ebenso
die Linie für den Ansatz des Schläfenmuskels. Ausgesprochene alveolare Pro-
gnathie.
Norma frontalis: Die Stirn ist ziemlich breit, Wangenbeine wenig abstehend.
Die Orbitae sind nur massig hoch, eher länglich viereckig, die äusseren Winkel
nach unten verzogen. Mittlere Schneidezähne breiter.
Norma verticalis: Der Schädel bildet ein nach hinten etwas kurz, nach
vorn allmählich zugespitztes Oval.
Norma occipitalis: Regelmässiges Fünfeck mit fast senkrechten Seitenkanten,
Foramina parietalia stricknadelstark.
Norma basilaris: Foramen magnum rundlich. Gaumen eher länglich, schmal.
Hinterer Rand der Gaumenplatte ausgebrochen, sonst eben, ohne Toms palatinns.
Unterkiefer kräftig, senkrecht, stark ausgebildetes Kjnn.
Bei der flachen und allmählich ansteigenden Stirn und der guten Ausbildung
der Muskelansätze könnte man den Schädel für männlich halten. Die Prognathie,
der geringe Inhalt und die breiteren mittleren Schneidezähne scheinen aber eher
fUr weibliche Form zu sprechen.
Schädel U. Der kleine Schädel (1285 ccm) ist von gelblichgrauer Farbe und
gut erhalten. Es fehlt nur der vordere Theil des einen Jochbogens onrf der
Unterkiefer. Die Schädel nähte sind stark gezackt, nicht verwachsen. Die Molares III
durchgebrochen, die Muskel vorsprünge massig entwickelt. Schädelknochen mittel-
stark.
Norma temporalis: Supraorbitalwülste nur wenig entwickelt; die Stirn
niedrig, sich allmählich nach hinten wendend. Scheitelcurve flach. Seine grösste
(591)
Höhe hat der Schädel hinter den Tub. parietal. Hinterhaupt flach abfallend, Occi-
pitalschappe leicht capsel förmig vorspringend. Neben dem hinteren Theile des
linken grossen Keilbeinflögeis ein etwas nnregelmässig länglichviereckiger Schalt-
knochen, der nach Torn vom Stirnbein, nach oben vom Seitenwandbein, nach
nnten vom Keilbeinflügel nnd nach hinten von der Schläfenbeinschnppe begrenzt
wird. Wäre letztere Verbindung verknöchert, so würde ein Proc. frontalis der
Schläfenschuppe zu Stande gekommen sein.
Ein Theil der Schläfenschuppe, des Seitenwandbeins und des Jochfortsatzes
links etwas grünlich schwarz gefärbt, vielleicht durch das ehemalige Vorhanden-
sein von Schläfenringen. Dieselbe Färbung am rechten Jochbogen und der rechten
Stirngegend. Ansatzlinie des Schläfenmuskels nicht deutlich.
Norma frontalis: Die Stirn ist niedrig und ziemlich breit. Die Orbitae
hoch und mehr rundlich. Die Wangenbeine anliegend. Die Nasenbeine an der
Wurzel leicht eingesattelt, dann mehr gewölbt. Die Nase lang und schmal.
Norma verticalis: Fast regelmässiges, hinten etwas verschmälertes Oval.
Grösste Breite an den Tub. parietal.
Norma basilaris: Foramen magnum gross, länglich. Gaumen mehr länglich,
schmal, mittlere Schneidezähne breiter.
Norma occipitalis: Fast regelmässiges Fünfeck mit nahezu senkrechten
Seitenwänden, in der Gegend der Warzenfortsätze etwas breiter, oben gut gewölbt.
Schädel wohl gleichfalls weiblich.
Schädel III. Der Schädel ist von graugelber Farbe, sehr defekt. Es fehlt
das Gesicht, ein Theil der Basis und der Unterkiefer. Der vordere Theil der
Sagittalnaht ist wenig gezackt, stärker das hintere Drittel. Der mittlere Theil der
Naht ist in der Verwachsung begriffen, aber noch gut erkennbar. Die Kronen-
naht in der Mitte gleichfalls wenig gezackt, stärker in den seitlichen Theilen, in
ihren untersten Partien, über dem grossen Keilbeinflügel verwachsen. Die Stirn ist
ziemlich hoch. Supraorbitalwülste kaum angedeutet. Die Scheitelcurve massig
gewölbt. Plana temporalia hoch.
Das Hinterhaupt fallt flach ab, Hinterhauptsschuppe capselförmig vorspringend.
Die Muskelvorsprünge am Knochen leidlich entwickelt.
In der Norma verticalis weicht der Schädel erheblich vom Oval ab, da die
Gegend der Tub. parietal, ziemlich breit ist.
In der Norma occipitalis ziemlich fünfeckige Form mit etwas convexen,
nach oben etwas divergirenden Seitenwänden, oben gut gewölbt. Der Schädel ist
im Ganzen bedeutend grösser, als Schädel I und H, wahrscheinlich männlich.
Schädel vom Silberberg bei WoUin
I. Haasse.
Capacitüt
Qrösste Länge
„ Breite
Grösste Höhe (vorderer Rand des For. magn.) .
„ (hinterer „ , . « ) .
Aoricolare Höhe
Horixontalumfang
Yerticalomfang
I
II
ni
1140
1258
184
182
179
138
126
137
ISO
135
—
139
140
143
112
116
118
606
498
510
300
290
821
(592)
Schädel vom Silberberg bei Wollin
Minimale Stirnbreite
Ganzer Sagittalbogen
Sagittaler Stimamfang
Lange der Pfeilnaht
Lange der Occipitalschuppe
Breite der Occipitalschuppe ........
Gesichtshöhe
Obergesichtshöhe
Jugalbreite
Malarbreite
Höhe des Alveolarrandes am Oberkiefer . . .
r, m „ „ Unterkiefer . . .
Entfernung des For. magn. von der Nasenwurzel
„ „ „ ^ vom Alveolarrand .
<, t, r » n Zahnrand . . .
" j* jT • .^ JVIDD «...
., Ohrlochcs von der Nasenwurzel
vom Alveolarrand. .
m ^ m „ Zahnrand . . .
« n ~ n ivmn ....
Orbita, Höhe
^ Breite
Nase, Höhe
„ Breite
Gaumen, L&nge
., Breite
Mastoidealdurchmesser, Spitze
Basis (aussen) ....
Foramen magnum, Lfinge
Breite
n. Indices.
Langenbreitenindex
Längenhöhenindex (vorderer Rand)
Ohrhöhenindex
Gesichtsindex
Obergesichtdndex
Orbitalindex
Nasenindex
Gaumenindex
I
$
96
8G8
127
121
120
133
115
64
95
20
28
100
99
102
109
102
109
113
125
30
40
45
25
49?
38
100
122
35
30
72,3
70,7
60,9
121,1
67,4
75,0
55,6
77,6?
n
$
96
360
110
125
125
135
69
128
92
21
110
91
113
109
34
38
46
21
45
33
103
128
87
29
69,2
70,6
63,2
76,0
89,6
46,7
73,3
m
i
96
382
180
180
121
128
100
121
76,5
60,3
Was dem Gräberfelde auf dem Silberberg
leiht, ist der Umstand, dass sieb dort ausser
brand fand.
ein ganz besonderes Interesse Ver-
den Skeletgräbem auch Leicbon-
(593)
An einzelnen Punkten liessen sich zwischen den Skeletten ganz eigenth um liehe
Stellen von schwärzlicher Farbe wahrnehmen, die den Eindrack Ton Branderde
machten. Sicher constatirt ist über der Leichenbrand dadurch, dass der Besitzer,
Hr. Hartwig, ein unzweirelhurt slavisches GeTass fimd, welches rollsliindig mit
den Resten des Leichcnbr&ndee angefültt war, zwischen dem sich auch
noch Zähne fanden.
Das Gefäss ist von schwärzlich graner Farbe,
hart und ^ut gebrannt. Es hat eine Hübe von
200 mm. Der Umfang betragt 750 mm bei 200 m».
Mündungsdarchmcsser nod 95 mm Bodenweitc, Der
etwas kurz ausgelegte Rand ist glatt abgestrichen.
Dicht unter dem Halse finden sich schräg gestellte
Reihen von Ponkteindrüeken , unterhalb derselben
eine leichte Horizontalrcifulung und hierauf am
Bauche eine fünffache Wellunlinie. In der Mitte des
Bodens ein rundlicher Eindruck. EJin Henkel ist nicht
vorhanden.
Dass das Gefäss slavisch ist und mit der Bnrg-
wallkeramik vollkommen übereinstimmt, kann keinen
Augenblick zweifelhaft sein. In Form, Masse und Ornamentik stimmt es genau
mit den übrigen Gefässrcsten übereia, welche sich zwischen den Skeletten sonst
befanden, und man wird kaum anders können, als die Skcictgriiber mit
dem Brandgrabe fUr gleichaltrig zd halten; beide mögen dem Ende des ersten
Jahrtausends unserer Zeitrechnung etwa angehören. Es wird also angenommen
werden müssen, dass bei den Slavcn in Wollin die Leichen bestattung die übliche
Beerdigongs weise gewesen, daneben aber zur selben Zeit der freilich weit seltnere
Leichentffand geübt worden sot. Bei der grossen Seltenheit derartiger Fälle von
Leichenbrand bei den Slaven, auf welche schon von den HHm. Virchow und
Friedel (Verh. 1882. S. 398 3.) aufmerksam gemacht ist, wird dieser sicher con-
statirt« Fall von Wolltn nicht ohne Wichtigkeit sein. Jedenfalls wird man aber in
Zukunft bei Untersuchong von slavischen Reihengräberfeldern darauf gofasst sein
müssen, gelegentlich einmal auch in Gräberfeldern dieser Art auf Leichenbntnd
zu stossen.
(11) Hr. Schumann übersendet durch Hrn. Olshausen folgende Mittheilung
über
zwei neue BroDzesporen aas Pommern.
Auf dem Gute Obliwitz bei Neuendorf, Kr. Laucnbui^, wurden beim Pflügen
im Acker an äusserllch nicht markirler Stelle eine Urne und Bronzen gefunden.
Der Sporn Fig. 5 lag allein in einer Urne, welcho auf Steinfundament gestanden
hatte und zerbrochen war. Auf demselben, etwa 12 Quailratfass grossen PQaster,
das aus miltelgrossen Steinen zusammengesetzt war, stand neben sonstigen Urnen-
resten die Urne Fig. 1. In derselben fanden sich die beiden SprosaenRbeln Fig. 3
und 4 nebst den Resten einer dritten, sowie, ausser einigen Fragmenten, ein
schnalleniirtiges Beschläge: Fig. 2. Elwa 5 Fuss von genannter Fundstelle und
14 Zoll unter Niveau befand sich wieder auf einigen grösseren Steinen eine Brand-
stelle mit Branderde, Asche und Kjiocbenresten.
Die oben am Rande etwas zerbrochene Urne Fig. 1, die ehemals mit Henkel
versehen war, zeigt am Halse senkrechte Bänder, ans zwei eingeritzten Linien be-
stehend, deren Zwischenraum durch Nagel ein drücke ausgeftillt ist. Hierauf Quer-
(594)
band mit Seh rägeind rücken, sodann Groppen Toa je 3 senkrecht and schräg rer-
laurenden Einritzan^n und hierauf wieder ein Qnerband, aas 4 Linien bestehend,
deren Innenraum durch SchiägeindrUcke iiusgefünt ist.
Die beiden Sprossen fi bei n Fig. 3 u. 4 haben eine obere Sehne und die eine trägt
unten einen Knopf. Sic gleichen ganz den Fibeln iro Phot. Album Sect. I. Taf. 8.
Fig. 382 und 'düb, die Tischler seiner Abtheilung C. der Gräberfelder zutbeilt.
Das Bchnallenarlige ßronzebeschläge Fig. 3 besteht in einem kreisförmigen
Rahmen aus vcrhiiltnissmiissig dtlnnem Blech mit 3 runden Fortsätzen, auf denen
Bronzesti riehen sitzen. An der einen Seite ist noch ein halbroondrörmiger Aus-
schnitt vorhanden. UlTenbar war das Stück auf Leder aufgenietet.
Der Sporn Fig. 5 hat einen halbringlBrmigen Bügel, an dessen Enden die
beiden Knöpfe sitzen. Der zum Theil hohl gegossene Stachel ist nicht rund, son-
dern mehr pyramidenförmig und sitzt nicht direkt auf dem BOgel auf, sondern ist
mit demselben durch ein oben und unten ausgekehltes BasalstUck in Vcrbiodung.
Das gut erhaltene Stück ist in eins gegossen. —
Ein zweiter Sporn (Fig. (i) stammt aus LUbgust bei Nenstettin und wurde
ebenfalls mit einer Fibel und Urnen zusammen gefunden. Er wäre zur Äbtheiluug
der Nietsporen zu rechnen und besteht aus zwei viereckigen Platten, welche den
Stachel zwischen sich fassen und mit demselben zusammen gegossen sind. An der
Hinterseite dieser länglichen Platten befindet sich ein T-fÖrmiger Stift zur Kefesti-
(595)
gung des Sporns. Dieser Stifl; ist indessen nicht mitgegossen, sondern eingenietet.
Der Sporn ist von ziemlich roher Arbeit.
Zusammen mit dem Sporn wurde eine Bronzefibel (Pig. 7) gc fanden, die eine
gebogene Querplatte zeigt, an welche sich der platte Bügel mit oberer knieförmiger
Knickung anschliesst. Sehne und Nadel fehlen.
Mit diesen beiden steigt die Zahl der aus Pommern bekannt gewordenen
Sporen auf 11, die 6 verschiedene Typen repräsentiren. Ausser den eben ge-
nannten sind noch vorhanden: ein Sporn von Koppenow (Verh. 1890. S. 205);
zwei Sporen von Schwedt (ebenda S. 195); zwei von Kesehl (ebenda S. 197);
vier von Dranzig (Balt. Stud. 32. S. 112 und Taf. III. Pig. 5; Monatsblätter der
Ges. f. pomm. Gesch. 1889. S. 134 — 36); alle diese aus Bronze, die Schwedter mit
eisernem Stachel. —
Hr. Olshausen: Die von Hm. Schumann mitgetheilten Sporen sind sowohl
ihrer Form, als der begleitenden Pibeln wegen sehr interessant. Der Sporn von
Obliwitz (Pig. 5) ist ein „älterer Knopfspom", welcher durch seinen facettirten
Stachel dem von Kreuz, Reg.-Bez. Bromberg (Verh. 1888, 154, Pig. 14; 1890, 196,
Pig. 13), und dem von Brunsberg, Norwegen (Rygh, Norske Olds., Christiania 1885,
Pig. 225) gleicht, aber durch die eigenthümliche Basis für den Stachel auf der
Bügelmitte an Stuhlsporen erinnert. Die Stellung des Obli witzer Sporns wird ganz
klar, wenn man ihn vergleicht mit dem Stuhlspom von Bodum in Schleswig einer-
seits (Mestorf, Vorgesch. Alterth. aus Schleswig-Holst, Hamburg 1885, Nr. 490 =
Worsaae, Nord. Olds. 356) und dem Knopfspom von Vimose (Engelhardt,
Nydam Mosefund, S. 33) andererseits; nur ist zu beachten, dass der Bodumer Sporn
einen Stachel „mit Hals^ hat, während, um die Analogie noch grösser zu machen,
man an einen Stuhlspom ohne Hals denken muss, wie der von Camin in Meklen-
bürg (Verhandl. 1890, 195, Pig. 11). Aber der Bodumer Spom zeigt ganz ähnliche
Auskehlungen an dem Basaltheil, wie der Obliwitzer. —
Auf eine ähnliche Combination des „älteren Knopfsporns^ mit dem Stuhlspom
machte ich schon in diesen Verh. 1890, 196 aufmerksam (Pig. 14 nach Engel-
hardt, Vimose Pundet, 1869, S. 25) und erwähnte, dass diese Gattung von Vimose
in 2 Exemplaren, sonst aber aus keinem anderen (dänischen) Punde bekannt sei
(S. 199 und 198). Die Platte des Stuhlspoms ist bei ihr nur noch ornamental an-
gedeutet, während der Sporn von Obliwitz eher eine wirkliche Verbindung beider
Typen vorstellt.
Das Stück von Lübgust nun (Pig. 6) steht wieder in einem eigenthümlichen
Verhältniss zu der Vimoser Mischform. Denkt man sich bei letzterer die Bügel-
arme mit den Knöpfen hinweggenommen, so gleicht der liest dem Lübguster Sporn,
wie besonders deutlich wird, wenn man Vimose S. 25 die Zeichnung rechts, die
ich seiner Zeit nicht wiedergab, noch mit betrachtet. Da aber die Bügelarme mit
ihren Endknöpfen fehlen, mussten natürlich die gewöhnlichen Nieten der Stuhl-
sporen ihre Stelle vertreten, wie auch Pig. 6 zeigt. — Der üebergang vom richtigen
Stuhlspom durch den Lübguster und die Vimoser Mischform zu dem Vimoser
Knopfspom tritt schlagend hervor, wenn man die Abbildungen in der angegebenen
Reihenfolge neben einander stellt. Konnte man früher, so lange die Vimoser
Mi seh form allein stand, noch zweifelhaft sein, ob meine Auffassung derselben
richtig sei, so, glaube ich, lässt sich jetzt nicht mehr bestreiten, dass hier Com-
binationen der beiden an sich so ganz verschiedenen Typen von Knopf- und Stuhl-
sporen vorliegen. —
Die Zeitstellung anlangend, so gehören die Stuhlsporen wesentlich in die
38*
(596)
Vimosezeit oder in Ostpreussen in die Periode B nach Tischler, die etwa von der
Mitte, vielleicht auch vom Anfang des 1. bis in die zweite Hälfte, vielleicht ans Ende
des 2. Jahrh. reicht (Verh. 1890, 198 — 99). Hr. Beltz glaubt diese Spornart sogar
noch etwas früher ansetzen zu können, und zwar nach einem Funde von Körchow in
Mcklenburg (Mekl. Jahrb. 56, Quartalber. 3), wo gewöhnliche Stnhisporen mit Hals
(laut gef. briefl. Mitth. = Mekl. Jahresber. 6 Fig. S. 145 und Taf. Fig. 4) neben Walten,
Fibeln und anderen Geräthen zum Vorschein kamen, die Hr. Beltz in den Ueber-
gang von La Tene zur frilhrömischen Zeit setzt, d. h. in Tischler's Per. A — B,
etwa um Chr. Geburt. — Die „älteren Knopfsporen" kennt man in Ostpreussen
wesentlich aus Per. B; sie reichen aber, wenigstens weiter westlich, noch bis in
Per. C, die etwa vom Ende des 2. bis weit in das 3. Jahrb., vielleicht an dessen
Ende, sich erstreckt (Verh. 1890, 199). — Unsere Mischformen aber kennen wir
einerseits von Vimose selbst, andererseits, den Sprossenfibeln nach, aus Per. C
(vergl. Phys.-öcon. Abh. Königsbei^, 19, 181; Bert. Katal. S. 401). Die Fibel mit
knieförmigem Bügel (Fig. 7) dürfte in die zweite Hälfte des 2. Jahrb., d. h. ans
Ende der Per. B oder den Anfang der Per. C zu setzen sein (vergl. Hostmann,
Darzau, Braunschweig 1874, Taf. 7; Phys.-öcon. Abb. 19,219; Berl. Katalog S. 401;
Berliner photograph. Album 1880, Sect. 1 T. 8, 377— 78; namentlich aber Voss -
Stimming, Vorgesch. Alterth. aus Brandenburg, 1887, V 8, 21 e, eine Kniefibel
von Fohrde, die nach priv. Mitth. Tischler's dem jüngsten Abschnitte von Per. B
zuzurechnen ist [Verhandl. 1890, 199]). Die Mischformen gehören demnach in
Per. B— C. -
Ich benutze diese Gelegenheit, um noch eine Bemerkung über
spornähnliche Gegenstände
zu machen. In dem jüngst erschienenen Werke: Der Sporn, von Zschille und
Forrer, Berlin 1891, ist Taf. HI 8 zu Seite 8 II ein bronzener Bügel ohne Stachel
abgebildet (nach Worsaae, Nord. Olds. 357), und zwar als Sporn der Völker-
wanderungszeit, während Worsaae das Stück in die römische Kaiserzeit gesetzt
hatte. Allein dies ist überhaupt kein Sporn. Eis wurden zwar 2 solcher
Stücke zusammen gefunden, aber nach Annaler f. nord. Oldkynd. 1849, S. 395 haben
sie niemals Stächein gehabt und schon Engel hardt erklärte in „Nydam Mosefund"",
1865, S. 56 die fraglichen Bügel für Rcitzeugbeschläge, wie „Thorsbjerg Mose-
fund" 1863, PI. 14, 23. Unter diesen Umständen bleibt die Datirung Worsaac's
zu Recht bestehen, da der Fund von Nörre Broby auf Fünen, dem die Bügel
entstammen, in die römische Kaiserzeit zu setzen ist.
Ueber Reitzeugbeschläge ähnlicher Art siehe noch Gross, La Tene, Paris 18^6,
PI. 12, unterer Theil von Fig. 13 zu p. 32 (garniture de hamais ou de poitrail) und
über Verwechselung solcher Decorationsstücke mit Sporen auch Wilde, Catalogue
Mus. R. I. Acad. I, Dublin 1863, p. 608 flf. —
(12) Hr. Otto Schoetensack in Heidelberg berichtet unter dem 6. an Um.
Virchow über ein
Nephritbeil ans der Gegend von Ohlan (Schlesien).
Beim Besuche des röm.-german. Central museu ms in Mainz wurde mir durch
Hrn. Lindenschmit jun. ein Steinbeil übergeben, welches von dem Eigenthümer
desselben, Hrn. Pastor F. Senf in Liingwitz bei Brieg, zur Prüfung auf Nephrit ein-
gesandt war.
(597)
Der erste Anblick des Beiles zeigte mir, dass hier in der That ein typischer
Nephrit vorlag. Ich beschloss daher, eine gründliche Untersuchung des Materials
vorzunehmen, und hatte mich hierbei der liebenswürdigen Unterstützung des Hm.
Dr. H. Traube in Berlin zu erfreuen, wofür ich demselben meinen verbindlichsten
Dank abstatte. Ebenso bin ich dem Besitzer des Beiles dafür verbunden, dass er
in so bereitwilliger Weise mir dasselbe zur Untersuchung überliess.
Ehe ich zur Bekanntgabe des Ergebnisses übergehe, will ich hinsichtlich des
Fundortes des Beils bemerken, dass sich nur noch feststellen lässt, dass dasselbe
aus der Gegend von Ohlau stammt. Hr. Senf schreibt mir darüber Folgendes:
„Ich erhielt es aus der Hand des Hrn. Gutsbesitzers Flöter in Kosenhain bei
Ohlau, zusammen mit je einem Feuerstein- und Serpentin-Beile. Diese Gegen-
stände stammen alle aus dem Nachlasse des Bruders des Hm. Flöter, welcher
Stadtrath in Ohlau war und von den Landleuten des Kreises, mit welchen er gern
verkehrte, allerlei merkwürdige Funde zugetragen erhielt. Auswärtige Verbindungen
hatte dieser Herr nicht, ebensowenig hatte er archäologisches oder mineralogisches
Interesse. Wahrscheinlich ist das Steinbeil beim Pflügen gefunden worden.''
Die Maasse des Beils, wegen dessen Gestalt
auf die nebenstehenden Abbildungen verwiesen
wird, sind folgende: Grösste Länge 101, grösste
Breite 45, grösste Dicke 22 mm.
Das Material ist ein hellgrasgrüner (Kadde
15 r), z. Th. in Serpentin umgewandelter schle-
sischer Nephrit, wie er Neues Jahrb. f. Min.
1884, Beilage-Band UI. S. 424 von Herrn H.
Traube beschrieben worden ist. Die Serpen-
tinisirung ergiebt sich durch ein geflecktes Aus-
sehen des Nephrits zu erkennen, das bei dem
Beile auf der frischen Schnittfläche sehr deut-
lich hervortritt. In dem Minerale treten zahl-
reiche grössere und kleinere, unregelmässig und
undeutlich begrenzte Flecke von dunkelgrünem
bis fast schwärzlichgrünem Serpentin auf. Nephrit
von ganz ähnlicher Beschaffenheit, wie der des
Beiles, triftt man nach Hrn. H. Traube im Be-
reiche des Serpentins von Jordansmühl mehrfach an; seine Farbe ist zuweilen
etwas mehr gelblich, seine Struktur oft ebenso körnig dicht.
Das specifische Gewicht wurde an Splittern des Minerals, welche völlig frei
von Verwitterungskruste waren, in Thoulet'scher Lösung (Raliumquecksilberjodid)
im Mittel als 3,017 ermittelt. Hr. Prof. Osann in Heidelberg war so freundlich,
ebenfalls einige Bestimmungen des spec. Gewichts vorzunehmen, wofür ich hiermit
meinen Dank ausspreche. Das mit der hydrostatischen Waage am Artefakt selbst
festgestellte Volumgewicht ergab sich als 2,984. Die Differenz ist der fast 1 mm
dicken, stark aufgelockerten Verwittemngskruste des Steinbeils zuzuschreiben.
Dieses erscheint äusserlich in der Farbe theils bräunlich (Radde 4 d — i), theils
weisslich, ähnlich wie dies an Pfahl bau fun den von Maurach (vgl. Neues Jahrb. f.
Min. 1883. IL S. 80 — 82) und an einem von mir untersuchten, im British Museum
beftndlichen neuseeländischen Nephritbeile (Zeitschr. f. Ethn. 1887. S. 138) beob-
achtet ist. Die Härte des Minerals ist 6 — 7, der Brach splitterig und der ganze
Habitus der eines ächten Nephrits.
Um eine möglichst zuverlässige mikroskopische Untersuchung dos Mate-
(598)
rials zu ermöglichen, wurden 3 Dünnschliffe daraus hergestellt, wovon Nr. 2 mög-
lichst senkrecht zu Nr. 1 geschnitten wurde. Der Befund ist folgender:
Schliff Nr. 1. Im gewöhnlichen Lichte unter dem Mikroskop erscheint der
Nephrit schwach graulich bis fast farblos und von zahlreichen unregclmässigen
Rissen durchsetzt. Die unmittelbare Umgebung der Risse ist durch Eisenoxyd-
hydrat zuweilen gelblich gefärbt, eine Erscheinung, die sehr häufig bei Nephriten
zu beobachten ist. Einzelne Stellen lassen bereits im gewöhnlichen Lichte eine
faserige Struktur erkennen, die Hauptmasse erscheint indess strukturlos. Hin und
wieder finden sich sehr lange, deutlich begrenzte Leisten eines farblosen Minerals
(Hornblende). Bemerkenswerth sind sehr spärliche kaffeebraune, durchscheinende,
isotrope Körner von Chromspinell, von opakem Magneteisen umrandet, wie sie im
Serpentin des Zobtengebirges so ungemein verbreitet sind. An einigen Stellen
kann man ausserdem grössere Anhäufungen von meist zu Limonit zersetzten
Magnetitkömern beobachten. Derartige Anhäufungen pflegen sich besonders dort,
wo die Serpentinbildung beginnt, einzufinden (Neues Jahrb. f. Min. 1884. 111. S. 424);
sie sind die Ursache der bereits makroskopisch sichtbaren dunklen Flecke.
Bei gekreuzten Nicols erscheint der Nephrit zusammengesetzt aus verhältniss-
mässig kleinen, rundlichen, verworrenen Hornblendebüscheln, welche dicht an ein-
ander treten, aber keinerlei regelmässige Anordnung erkennen lassen (a. a. O. S. 421),
doch treten neben diesen nicht allzu selten, aber immer vereinzelt, auch grössere
faserige Bündel, sowie auch sehr spärlich homogene, dünne Säulchen von Horn-
blende auf. Seipentin-Bildung kann man häufig bemerken, immer aber omschliesst
der Serpentin noch kleine Homblendebüschel.
Schliff Nr. 2, welcher möglichst senkrecht zu Nr. 1 geschnitten ist, unter-
scheidet sich von letzterem besonders durch das Fehlen der Risse, durch das häu-
figere Auftreten von scharfbegrenzten Hornblendeleistchen und Anhäufungen von
Magnetit. Die Struktur erscheint bereits im gewöhnlichen Lichte stellenweise auf-
fallend grobfaserig. Die Serpentinbildung ist, wie die Beobachtung bei gekreuzten
Nicols deutlich erkennen lässt, hier viel weiter fortgeschritten. Die Struktur des
Nephrits ist langfaserig flachwellig, wobei die Fasern zu oft nur wenig divergirenden
Büscheln gruppirt sind. Das Bild, welches dieses Präparat zeigt, entspricht auf-
fallend der von Hrn. Arzruni (a. a. 0. S. 420) gegebenen Beschreibung eines
schieferig-faserigen bis körnig-dichten, gelblichweissen Nephrits von Jordansmühl.
Die Aehnlichkeit dieses Nephrits mit dem Vorkommen von Neuseeland, auf die
Hr. Arzruni bereits hingewiesen hat und die durch die scharfe Biegung einzelner
Büschel hervorgerufen^ ist, tritt hier gleichfalls unverkennbar zu Tage. Gelegent-
lich konnte auch ein flaumiger Anflug an den Hornblendebüscheln bemerkt werden,
der schon an anderen Jordansmühler Nephriten wahrgenommen worden ist (a. a. O.
S. 416). Alle diese Unterschiede in der Struktur und im ganzen Habitus gegen
Nr. 1 sind offenbar durch die abweichende Richtung, nach welcher der Schliff ge-
führt wurde, bedingt. Besondere Erwähnung verdient noch das Auftreten zahl-
reicher feiner, länglicher, opaker Stäbchen im Chromspinell, in Sagenit ähnlicher
Anordnung, ohne dass hierbei an Rutil gedacht werden könnte, da das Auftreten
dieser Stäbchen anscheinend mit der Magnetitausscheidung am Rande der Spinelle
im Zusammenhang zu stehen scheint.
S c h 1 i f f Nr. 3 gleicht im Grossen und Ganzen völlig Nr. 2.
Die quantitative Analyse, welche unter zuverlässigster Controle an einem
vom Beile abgenommenen, sorgfältig von der Verwitterungsrinde befreiten Stücke
ausgeführt wurde, ergab:
•
(599)
Wasser bei 120° C. weggehend . 0,71 pCt.
ferner in bei 120° C. getrocknetem Zustande:
Kieselsäure 56,30 pCt.
Chromoxyd 0,24 „
Thonerde 0,54 „
Eisenoxydul 3,85 „
Manganoxydul 0,10 „
Kalk 14,02 „
Maf^esia 21,70 ^
Kali 0,07 ^
Natron 0,^3 „
Wasser 3,07 „
100,12 pCt.
Dieses Resultat stimmt gut überein mit dem von Hm. H. Traube (a. a. 0.
S. 422) in Betreff des Jordansmühler Nephrits veröffentlichten. Der geringere Gehalt
an Kieselsäure und der höhere Gehalt an Wasser bei dem Ohlauer Steinbeile er-
klären sich hinreichend durch den bei diesem Mineral vorgeschrittenen Serpentini-
sirungsproccss, auf den, abgesehen von dem mikroskopischen Befunde, auch das
niedrigere spec. Gewicht (3,017) des Ohlauer Nephrits gegenüber dem Volum-
gewichte des Jordansmühler Nephrits (3,043) hinweist. Chromoxyd und die Alkalien
wurden bei dem letzteren, wie Hr. Traube mir zu bestätigen die Güte hatte, nicht
besonders bestimmt.
Der Fund des Ohlauer Nephritbeils hat ein ganz besonderes Interesse, weil
man von dem bei Jordansmühl und Reichenstein anstehend gefundenen Nephrit
bislang noch keine Artefakte gefunden hatte (eine Nephrit-Einsprengung war be-
reits von Hm. Arzruni an einem Serpentinbeile von Gnichwitz beobachtet worden),
trotzdem in dieser Gegend ausgedehnte Lagerplätze des vorgeschichtlichen Men-
schen festgestellt sind (Zeitschr. f. Ethn. 1870. S. 358 und 1887. S. 682).
Man durfte am ehesten das Auffinden von Artefakten aus dem im Serpentin
selbst auftretenden hellfarbigen Nephrit erwarten, da dieser in einzelnen Knollen
und kleineren Partien bei dem unmittelbar zu Tage tretenden Serpentin zu ver-
muthen war. Von dem in Jordansmühl bei Weitem häufigeren dunkelgrünen
Nephrit, welcher an der Grenze zwischen Serpentin und Weissstein vorkommt,
waren Funde von Steinbeilen von vom herein unwahrscheinlich, weil dieser erst
durch die in neuester Zeit bis in bedeutende Tiefe geführten Steinbmcharbeiten
zur Tage getreten ist (a. a. 0. S. 425).
Das Ohlauer Beil ist das einzige in Europa gefundene Nephrit- Artefakt,
von dem wir die Herkunft des Materials bestimmt nachweisen können. Ausser
diesem Beil ist, soweit mir erinnerlich, nur noch ein Fund eines Nephrit-Artefaktes,
desjenigen von Suckow in der Uckermark, jetzt im Kgl. Museum für Völkerkunde
in Berlin befindlich, in Nord-Europa bekannt geworden.
In Mittel-Europa treffen wir, der Fischer'schen Karte über die Verbrei-
tung der Werkzeuge aus Nephrit, Jadeit und Chloromelanit (Arch. f. Anthrop. 1886)
folgend, solche Artefakte nur noch in den Pfahlbauten der Schweiz und den
denselben benachbarten Gebieten, sowie Einzelfunde bei Nördlingen (zwischen
Donau und Wörnitz) und am Starnberger See in Bayem an. Diese scheinen alle,
wie auch die von Hrn. A. B. Meyer in Steiermark bekannt gegebenen Funde, auf
einen alpinen Ursprung des Materials hinzuweisen.
Von den in Süd-Europa gefundenen Nephritbeilen lassen die vom Pelo-
ponnes bekannt gewordenen einen asiatischen Ursprung vermuthen, da sich die
(600)
Kette dieser Funde, wie ich an den im Britischen Museum befindlichen Artefakten
nachgewiesen habe (Zeitschr. f. Ethn. 1887. S. 122 ff.), über die Inseln des ägäischen
Meeres hinweg durch Rlein-Asien und Syrien hindurch bis nach Mesopotamien
weiter verfolgen Hisst. Woher die im äussersten Süden von Italien gefun-
denen Nephrit-Beile stammen, das wird sich dagegen wohl schwieriger feststellen
lassen.
Während die Verbreitung der Nephrit-Beile in Europa, wie gezeigt, eine relativ
beschränkte ist, verhält sich dies hinsichtlich der Jadeit- und Chloromelanit-
Beile wesentlich anders.
Von den Pyrenäen an bis zum Meridian von Erfurt finden wir Jadeit- und
Chloromelanit-Beile über das Festland von Europa verstreut. Dass diese Funde
gegen Osten hin fast gänzlich aufhören und ebenso im eigentlichen Norden, dass sie
im heutigen Dänemark, auf der skandinavischen Halbinsel'), sowie auch auf den
britischen Inseln*) fehlen, zeigt uns, dass ihr Ursprung im Südwesten Europas zu
suchen ist. Mit der Annahme Damour's*), die sich wohl speciell auf die Ver-
breitung der Jadeit-Beile in Prankreich bezieht, dass in den Alpen oder in einem
demselben benachbarten Gebiete sich Lagerstätten des Materials vorfinden müssen,
stimmen gut überein die Funde von Jadeit-Beilen in den Dolmen Frankreichs,
welche letztere sich von dem Rhone-Flusse quer durch Frankreich nach der Bre-
tagne erstrecken. Vom Norden Frankreichs aus gelangten die Jadeit-Beile dann
wahrscheinlich nach dem westlichen Deutschland und von hier bis zur Elbe. Dies
muss zu einer Zeit geschehen sein, als die megalithischen Denkmäler der
norddeutschen Tiefebene bereits errichtet waren, denn sonst hätte man,
gleich wie in den Dolmen Frankreichs, auch in einer der zahlreich untersuchten
Steinkammern Norddeutschlands, welche fast durchweg sorgfältig polirte Beile ans
Feuerstein und aus anderem dort vorkommenden Material enthalten, gelegentlich
ein Jadeit-Beil finden müssen. Ein solches ist aber meines Wissens noch nie in
einem Steinkammergrabe Norddeutschlands aufgefunden worden, trotzdem der west-
liche Theil dieses Gebietes bis zur Elbe reichlich Jadeit- und Chloromelanit-Beile
aufzuweisen hat. In der Altmark sind, wie ich aus den in Gemeinschaft mit Hm.
Eduard Krause daselbst vorgenommenen Localforschungen *) berichten kann, in
den seit den vierziger Jahren zerstörten, mehr als 100 Stein kämm ergräbem zahl-
reiche Steinbeile gefunden, aber nicht ein Jadeit-Beil darunter. Ferner befindet sich
nach mir gewordener gefälliger Mittheilung seitens des Provinzial-Museums in
Hannover auch in dieser reichhaltigen Sammlung von Gegenständen aus megalithi-
schen Gräbern kein Jadeitbeil.
Dass für die Gegend des Mittel- und Niederrheins und die östlich davon ge-
legenen Gebiete der Ausgangspunkt der Jadeit- Beile nicht etwa die Gegend der
schweizer Pfahlbauten gewesen ist, wo man bekanntlich neben Nephrit-Artefakten
zahlreiche Jadeit-Beile gefunden hat, erhellt, abgesehen davon, dass die in der
1) Ich kann mich in dieser Beziehung auf die mir neuerdings gewordenen gef*ül;{:en
Mittheilungen des Hm. Dr. K. Bahnson in Copenhagen und von Frl J. Mestorf in Kiel
beziehen
2) Bezuglich des von H. Fischer im Archiv f Anthrop. 1886. S. 563 erwähnten Stein-
beils von Brierlow (Derbyshire) konnte ich feststellen (Zeitschr. f. Etbnol. 1887. S. 1:?0),
dass das Material keinNephritoid ist, und über die femereu a. a. O. angeführten Beile
scheint keine genauere mineralogische Untersuchung vorzuliegen.
3) A. Üamour. Compt. rend. des scances de TAcademie des Sciences. T. XCIL 1881.
4) Die Ergebnisse derselben beabsichtigen wir demnächst der Oeffentlichkeit lu öber-
gebon.
(601)
Schweiz gefundenen Jadeit-Beile meist aus Gerollen hergestellt, klein und rund-
lich sind, während die am Mittel- und Niederrhein gefundenen Jadeit-Beile nur aus-
nahmsweise Geröllcharakter zeigen und gross und flach') sind, auch daraus, dass
Nephrit- Artefakte in dem zuletzt genannten Gebiete fehlen. Diese der Farbe
nach stark ins Auge fallenden Nephrit-Beile hätten aber sicher mit den Jadeit-Beilen
zusammen von der Schweiz aus ihren Weg nach dem Norden gefunden, wenn
letztere auf dieser Strasse dahin gelangt wären.
Mit den im äussersten Süden von Europa, in Süd-Italien und in Griechen-
land gefundenen Jadeit- und Chloromelanit-Beilen verhält es sich genau so, wie mit
den daselbst aufgefundenen Nephrit-Artefakten. Auch die Funde von Jadeit- und
Chloromelanit-Beilen lassen sich nehmlich von Griechenland über die Inseln des
ägäischen Meeres hinweg bis nach Mesopotamien weiter verfolgen.
Das massenhafte Vorkommen von Jadeit-Beilen in ganz Frankreich und von da
über den Rhein hinaus bis zur Elbe kann jedenfalls nicht anders gedeutet werden,
als hinterlassene Spuren von regem Verkehr zwischen den Bewohnern dieser
Länder in vorgeschichtlicher Zeit oder von ausgedehnten Wanderungen derselben
von einem Lande zum andern.
Wenn Heinrich Fischer glaubte, alle in Europa gemachten Funde von
Nephritoid-Artefakten auf asiatischen Ursprung zurückführen zu müssen, so ist er,
wie jetzt von der Mehrzahl der Forscher angenommen wird und wie ja auch durch
die Auffindung des Jordansmühler Nephrits und des daraus gefertigten Ohlauer
Beiles bewiesen ist, darin zu weit gegangen. Die Nephritoide haben aber that-
sächlich in einer gewissen Culturepoche bei zahlreichen Völkern aller Erdtheile
(hinsichtlich Afrikas ist dies auf die daraus gefertigten Scarabäen zu beschränken),
eine gewichtige Rolle gespielt. Es bleibt das unbestreitbare Verdienst Heinrich
Fisch er' s, unter Beibringung eines erstaunlich reichhaltigen und für die Völker-
kunde werthvollen Materials, hierauf zuerst hingewiesen zu haben. —
Hr. Virchow beglückwünscht Hrn. Schoetensack für die wichtige Beob-
achtung, welche eine entscheidende Bedeutung für die noch immer so schwierige
Nephrit-Frage gewinnen dürfte.
In Betreff des Jadeits weist er auf eine neuere, ihm durch die Güte des Hm.
R. Andree zugegangene Mittheilung des Professor J. H. Kloos in Braunschweig
(Globus, 1891. Nr. 24. S. 374) hin, wonach im Mai 1888 ein Waldarbeiter auf dem
Ebersberg, einer Erhebung des Festberges auf dem nordöstlichen Höhenzuge der Asse
im Herzogthum Braunschweig, im Gebiete des Wellenkalks, unter der Wurzel einer
grossen Buche das Bruchstück eines zugeschliffenen Beilchens, 5 cm lang und breit,
1 7 mm in der grössten Dicke, auffand. Das Material erwies sich als Jadeit oder genauer
als die Varietät des Cbloromelanits. Der Verf. erinnert daran, dass bereits Heinr.
Fischer (Correspondenzblatt der deutschen anthrop. Gesellsch. 1880. S. 19) ein
Jadeit-Beilchen erwähnt hat, welches 1869 dicht vor der Stadt Braunschweig in der
als Hagenbruch bekannten, sumpfigen Niederung hinter dem früheren Kurgarten ge-
funden war. Dasselbe ist jetzt im städtischen Museum zu Braunschweig (Braun-
schweiger Anzeigen Nr. 72) und wurde früher für Grünstein gehalten. Es ist 10 cm
lang und etwas über 5 cm breit.
1) Dies Merkmal, besonders gut ausgeprägt, zeigen einige in der Sammlung dos Mainzer
Alterthums -Vereins befindliche Flachbeile aus .Jadeit, welche bei L. Liudenschmit,
Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit, 1858. Bd. 1. Heft 2. Taf. 1 abgebildet und bei
H. Fischer, Nephrit und Jadeit, 1875. S. 370 näher beschrieben sind.
Nächst den IbilrinfrischGn Funden, die wir schon von der Berliner Anssteltnog
i. J. 1880 her kennen, sind dies wohl die am meisten östlichen ia Norddeutsch tand.
Nur aus Schlesien ist schon frtiber ein Chloromelanit-Beil bekannt geworden.
Im Uebrigen bezieht sich Hr. Virchow auf seine Abhandlung über da» Vor-
kommen der flachen Jadeit-Beile in den Verhandl. 1881. S. 283. —
(13) Hr. Oberlehrer Dr. Krause in Glciwitz übersendet unter dem 11. fol-
gende Erörtening über
ein TenipelbUd ans den Königegrübern von Hykenae.
Unter den zahlreichen Gegenständen, welche Schliemann aus den Königs-
gräbern in Mykenac zu Tage gefördert hat, nimmt ein Tempelchen ans Goldblech,
welches in fünf ganz, gleichen Exemplaren gefunden worden ist, ein hervorragendes '
Interesse in Anspruch. Ist es doch die einzige Darstellung eines griechischen
Tempelbaues aus jener fernen Zeit, in welcher das Geschlecht der Atriden in
Mykenuc herrschte. Dieses goldene Tempelchen, dessen Abbildung wir nach
Schuchhardt's Werk „Schliemann'a Ausgrabungen" S. 22^ wiedergeben, weist
mehrere Einzelheiten auf, welche sich bisher noch der Krklärang entzogen haben.
Dass wir einen Tempel der Aphrodite oder Astarte vor uns haben, darauf
deuten zunächst die Tauben auf den Ecken, wie dies Sehuchhardt 8. ^'29 hervor-
hebt. Aber die charakteristischen Merkmale des Tempels sind bisher in dieser
Darstellung noch nicht erkannt woi'dcn. Wir wollen daher den Versuch macben,
diesen TenipeJbau in all' seinen Theilen in klares Licht zu stellen und die Rathsel
zu lösen, welche bisher noch keine Erklürong gefunden haben.
Der niykcnische Künstler stellt ans die ll'i-ont eines Tempels dar, in welcher
drei Säulen sichlbar werden. Diese drei Säulen liegen scheinbar in einer und
derselben Linie, aber nur zwei dieser Säulen gehören der Vorderseile des Tempels
an, gemäss dem Baustyl aller Tempel- und Palastbauten der altgriechischen Z»^iL
Dagegen die mittelste Säule, welche dnrch die Thür des Tempels sichtbar wird,
ist tief im Innern des Tempels zu denken und stellt das Götterbild nach ältester
Weise in Purm der Säule dar, wie wir dies m Cypern finden (Tacitns bist. '2, '6).
Selbst die Säule des Lüwenthorcs in Mykenae lässt keine andere Deatong zn, als
die eiiiea Götterbildes. Durch diese Erklärung der Säule als Götterbild ist die
Schwierigkeit beseitigt, dass die Stellung einer Säule in der Mitte des Tempel-
Einganges, wie sie unser Tempelchen zeigt, sonat räthselbad erscheinen mnsate,
denn eine solche Säulenstcllnng würde aller Analogie der Baukunst widcrspre dien
(603)
Die kelchfbrroige Linie, in welcher jede der drei Säulen zu stehen scheint, stellt
eine Guirlande dar, welche sowohl die beiden Säulen des Einganges, als auch das
Götterbild schmückt.
Es erübrigt jetzt noch, diejenigen Theile des mykenischen Terapelchens zu er-
klären, welche die Krönung des Gebäudes bilden und bisher noch keine genügende
Deutung gefunden haben. Es ist dies ein Altar und ein darüber befindlicher Ruhesitz.
Betrachten wir zunächst den Altar, so finden wir, dass er derjenigen Form ent-
spricht, in welcher sonst die mykenische Kunst den Altar öfter darstellt, so z. B.
Nr. 1 ata Löwenthore und Nr. 2 auf der Kalktafel, welche nach Schuchhardt,
S. 326 eine Opferhandlung darstellt. Durch den Altar wird das Gebäude als ein
heiliges Gebäude, als Tempel charakterisirt. Schuchhardt glaubt (S. 229) in dem
Viereck jenes Oberbaues ein Fenster erkennen zu dürfen, in dem die Halbkreise
nur zur Füllung des Raumes oder zur Verzierung der Läden angebracht sind.
Aber der antike Tempel bedarf an seiner Front keines Fensters, während diese
Halbkreise dem mykenischen Altare gerade eigenthümlich sind.
Zum Schluss wollen wir nun die oberste Krönung des Tempels besprechen,
welche von einigen als Altar, von Schuchhardt, S. 229 als Akroterion gedeutet
wird. Dieser Theil scheint einen Ruhesitz darzustellen, eine Kline, wie sie in
einigen Tempebi des Alterthums erwähnt wird. So befand sich in dem Heraion
bei Mykenae, wie Tansanias 2, 17 berichtet, ein solcher Ruhesitz der Hera, des-
gleichen wird auch in dem Heiligthum des Belus zu Babylon ein Ruhesitz er-
wähnt, welcher auf dem Gipfel des thurmähnlichen Gebäudes in einem Tempel
aufgestellt war (Herodot 1, 181). Auch das mykenische Bildwerk lässt uns auf
seinem Gipfel diese Kline, den Ruhesitz der Gottheit, wiedererkennen. Es scheint
ein Doppclsitz zu sein, für Aphrodite und Adonis bestimmt.
i2wei Exemplare dieses goldenen Tempelchens sind in dem dritten Grabe
der Königsburg aufgefunden worden, drei andere ganz gleiche in dem fünften
Grabe. Und zwar stimmen die drei mit jenen zwei Exemplaren, wie Schuch-
hardt, S. 251 mittheilt, derartig in allen Einzelheiten, in jeder Linie, überein, dass
sie aus demselben Stempel geschlagen, bezüglich über derselben Form gearbeitet
sein müssen. —
(14) Hr. Krause bespricht in einer weiteren Zusendung rom 14. Juli
das Palladinin in der mykenischen nnd tirynthischen Darstellung.
Wie die trojanische Kunst vielfach die Göttin Pallas in Thon und Stein
in sehr eigenthümlicher und primitiver Weise bildlich dargestellt hat, so ist das
Palladium auch in Mykenae und Tiryns häufig dargestellt worden, wie die
reichen Funde erkennen lassen, welche Dr. Schliemann dort zu Tage ge-
fördert hat. In Gold, wie in Thon und Kalkstein, sind uns Darstellungen des
Palladiums aus der mykenischen Zeit erhalten worden, welche aber bei der
Schwierigkeit der Sache bis jetzt gar nicht erkannt worden sind. Die Form, in
welcher die mykenische und tirynthische Kunst das Palladium zur Darstellung
gebracht hat ist eine so alterthümliche, dass es in der That sehr schwierig ist,
die Göttin Pallas in diesem Bilde wiederzuerkennen.
Wir nehmen die Darstellung auf einem mykenischen Goldringe (Fig. 1) zum Aus-
gangspunkte, wie sie in Schuchhardt's Werk „ Schliemann's Ausgrabungen''
S. 315 uns vor Augen geführt wird. Das Palladium ist auf diesem Ringe viermal
dai^estellt, aber in einer so verhüllten Form, dass man nur Thierköpfe zu erblicken
glaubt. Als vier Thierköpfe finden wir auch bei Schuchhardt, S. 314, die vier
(604)
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Fifirur 1. Darstellanf^en des Palladiums auf dem
goldenen Ringe gedeutet.
Unter den sieben Hauptfiguren dieses
Ringes erkennen wir leicht die drei Stier-
köpfe mit ihren langen Hörnern. Sie
stellen die Rinder dar, welche der Göttin
Pallas geopfert werden. Die übrigen vier
Hauptßguren stellen das Palladium selbst
dar. In der obersten Reihe zunächst
sehen wir drei Figuren, nehmlich zwei
Palladien, zwischen welchen ein Stierkopf
steht. Am sorgfältigsten hat der myke-
nische Künstler das erste Palladium behandelt, woraus wir ersehen können, dass
das Palladium eine rohe Nachahmung des menschlichen Körpers darstellt, an wel-
cher sich der Kopf, die Brust mit dem Bmstschmuck und die Beine unterscheiden
lassen. Der Kopf zeigt nach Weise des trojanischen Palladiums eine schnabel-
artige Bildung, welche an den Kopf der Eule erinnert. Neben diesem Schnabel,
welcher die Nase und die Kante der Augenbrauen darstellt, erkennen wir die
beiden Augen. Unterhalb des Kopfes, welcher ohne Hals auf dem Rumpfe sitzt, ist
in grosser Breite die Brust der Göttin dargestellt. Ein breiter Gürtel, welcher
quer über die Brust von der einen Schulter bis zur anderen läuft, stellt den Brost-
schmuck der Göttin, nehmlich die Aegis dar, welche wir später nach einer anderen
Darstellung aus Tiryns beschreiben werden. Unterhalb der Aegis sind die beiden
Brüste der Göttin deutlich dargestellt. Der unterste Theil der Figur stellt die
Beine dar, jedoch ohne Gliederung und Fussbildung, so dass die Gestalt durch
ein langes Gewand, wie es scheint, ihren unteren Abschluss erhält Auch die
Brust ist im Sinne der mykenischen Kunst zweifellos bekleidet zu denken.
Das zweite Palladium, die dritte Hauptfigur in der obersten Reihe unserer
Darstellung, lässt alle Einzelheiten des ersten Palladiums deutlich wiedererkennen,
insbesondere auch die scheinbar ealenähnliche Gesichtsbildung und die Aegis.
Weniger sorgfältig hat der Künstler die beiden Palladien in der unteren Reihe be-
handelt Die erste und dritte Figur dieser Reihe, durch einen Stierkopf von ein-
ander getrennt, sind ohne Zweifel Wiederholungen desselben Pallasbildes, welches
in der obersten Reihe zweimal erscheint. Die Brust mit der Aegis und die untere
Körperbälfte sind ziemlich deutlich zum Ausdruck gebraclit und durch Vergleichung
mit dem ersten Pallasbilde unschwer wiederzuerkennen, dagegen der Kopf der
Figur ist nur sehr unvollkommen ausgedrückt, so dass er nur durch Vergleichung
der beiden oberen Palladien erkannt werden kann. Die elf kugelförmigen Gebilde,
welche in der Mitte Unserer Darstellung in waagerechter Linie geordnet sind,
stellen Früchte dar von zweierlei Art: wir unterscheiden fünf grössere und sechs
kleinere. Sie stellen im Verein mit den drei Getreideähren und den Blüthen-
kelchen der Blumen die üpfergaben dar, welche der Göttin dargebracht werden.
Auch die drei Stierköpfe beziehen sich auf den Opfercultus der grossen Göttin.
Somit haben alle Theile dieser uralten Darstellung, welche den Typus des
Palladiums darstellt, ihre Erklärung^ gefunden.
Eine zweite anderweitige Darstellung des Palladiums findet sich auf einem
goldenen Ringe, welcher von Schliemann in Mykcnae aufgefunden und von
Schuchhardt S. 313 abgebildet worden ist Dieses Palladium, an welchem die
menschliche Gestalt in Kopf, Fuss und Hand deutlich hervortritt erscheint mit
Schild und Lanze ausgerüstet und zwar ist der Schild mitten, sowohl rechts ab
(60b)
links, tief eingekerbt und beide Theile sind Tast breisrörmi^ abgerundet. Diese
selbige Auffiisaung wiederholt sich auch in dem Palladium, welches nuT einer
klfincn Kalktafol dargestellt ist, welche Schliemann in einer Gebändcgiuppe an
der Südmaocr der Burg von Mykcnae gefunden hat. Zwei vornehme FtHuen, mit
dem Diadem geschmückt, bringen an einem Altare dem Palladium ihre Anbetung
dar. DuB PulliLdium ist hier durch den grossen zweitheiligen eingekerbten Schild
charakterisirt (Schnchhardt S. 326).
Sehr altcrthilmlich sind auch die Darstellungen des Palladiums, welche in
Tiryns durch Schliemann aufgerunden worden sind und bisher noch nicht als
Pulludieti wiedererkannt worden sind.
Die beiden Thonflguren aus Tiryns (!■% "2 n. i), welche Schnchhardt S. 155
wiedei^iebl, erweisen sich als Palladien, wenn wir sie Tntt jenem Urtypns vergleichen,
welchen wir auf dem goldenen Ringe von Mykenae kennen gelernt haben. Die erste
dieser beiden Figuren stellt ein Palladium dar mit deutlicher menschlicher Gosiehts-
bildnng, mit einem langen Gewände bekleidet, welches den Oberkörper nnd den
Unterkörper der Göttin bedeckt, so dass die Püsse onsichtbar werden. Die Arme
sind ebenso wenig zur Darstellung gebracht, wie an jenem Drtypns des Palladiums
aus Mykenae. Die zweite dieser ThonQgurcn stellt uns ein Palladium dar, an
welchem sowohl die Brust, als auch das lang horabwalleude Gewand der Göttin
deutlich bezeichnet ist. Diese Darstellung der Göttin unterscheidet sich von der
vorigen durch die Bildung des Kopfes, an welchem nur die zwei Äugen, aber
nicht Nase and Mund ausgeprägt sind, und durch die Arme, welche an den vorher
betrachteten Palladien nicht frei hervortreten.
Die Aegis, welche an dem trojanischen Palladium als ein breiter Schmuck-
gürtel mit Troddeln erscheint, der schräg über die Brust gelegt ist, flnden wir
auch an den Palladien Ton Mykenae und Tiryns, wenn auch in veränderter Form
wieder. Während das Palladium in der vierfachen Darstellung des Goldringes von
Mykenae die Aegis als einen Brustschmuck zeigt, welcher waagerecht über die Bmst
gelegt ist, so stellt uns die Thonflgar aus Tiryns (Fig. 4), welche wir nach Schach-
(606)
hardt S. 156 abbilden, und an welcher wir zum ersten Mal die Bildung der
Püsse bemerken, ein Palladium vor Augen, dessen Aegis aus einer breiten und
vielen schmalen Platten zusammengesetzt ist, die, mit Buckeln verziert, durch eine
feste Unterlage (Leder) zur Form eines sehr breiten Gürtels vereinigt sind, wel-
cher schräg über die Brust gelegt ist, so dass er auf der linken Schulter ruht.
Die Aegis der Palladien von Tiryns und Mykenae ist offenbar als ein goldener
Prachtgürtel und Brustpanzer der Göttin gedacht und dargestellt.
Als der älteste ürsitz des' Palladiums, welches, wie die Sagen melden, vom
Himmel herabgefallen war, galt Troja, mit dessen Geschichte es unzertrennlich
verbunden ist. —
(15) Hr. H. Sökeland in Berlin überschickt durch Hm. M. Bartels folgende
Abhandlung über
die Roggenkomgemmen des ftühchristlichen Kirchengeräthes.
Angeregt durch die Arbeiten und Vorträge des Hrn. Dr. Max Bartels über
die sogenannten Alsengemmen, welche mich auf das Höchste interessirten, unter-
nahm ich in den Sonunern 1889 und 1890 einen Besuch mehrerer Kirchen in
Westfalen, Hannover, der Rheinprovinz und Holland, um die dort vorhandenen
Rirchenschätze in Bezug auf ihren Besitz an klassischen und mittelalterlichen
Gemmen zu untersuchen und um zu sehen, ob unter denselben noch Gemmen von
dem sogenannten Alsentypus zu finden wären.
Bei diesen, theilweise mit allerhand Schwierigkeiten verknüpften Untersuchungen
wurde ich in der liebenswürdigsten Weise von den Herren Geistlichen Dr. B er-
läge, Dr. Busch, Dr. Lennartz, van Henkulum, Dr. Biermann, Kreisler,
Lehmkul, Köster, Stein, Stiff, Koch und Zum Hasch in Köln, Aachen,
Utrecht, Münster, Fritzlar, Beckum, Bochum, Siegburg, Oberwinter, Trier und
Borghorst, sowie den Herren Apotheken besitzer Bohlmann in Hildesheim, Lehrer
Zaal in Haarlem und Architekt von Fisenne zu Meerssen bei Mastricht unter-
stützt. Es sei mir gestattet, allen diesen Herren für ihre thatkräftige Hülfe, welche
allein es mir möglich machte, in so kurzer Zeit das hier beschriebene Material
zusammenzubringen, herzlich zu danken. Gleichen Dank schulde ich dem Herrn
Prof. Julius Lessing in Berlin und dem Hm. Regierungsrath Bucher in Wien.
Im Dome zu Minden wurde zum ersten Male meine Aufmerksamkeit auf ein
eigenthümliches Intaglio zweier Gemmen gelenkt und zwar bei der Besichtigung
des sogenannten Reliquienarms der heiligen Anna. Dieser Reliquienbehälter ist
mit vielen Edelsteinen verziert; unter ihnen befinden sich zwei ovale, convex ge-
schliffene Rubine oder rubinähnliche Steine, welche ein eigenthümliches, allerdings
äusserst einfaches Zeichen eingeschliffen haben: ein Zeichen, welches durch einen
kurzen dicken, nach den Enden zu sich bis zur Bildung einer stumpfen Spitze
verjüngenden Strich gebildet wird.
Die Figur ist also im höchsten Grade einfach und macht einen so unbedeu-
tenden Eindruck, dass man, besonders wenn man nur einen derartigen Stein sieht
recht gut denken könnte, dieselbe sei zufällig entstanden, — ein Gedanke, der aber
sofort hinfallig werden muss, wenn man erfährt, dass es in relativ kurzer Zeit ge-
lungen ist, in den verschiedensten Kirchenschätzen ganz ähnliche Stücke, im Ganzen
bis jetzt 82 an der Zahl, aufzufinden.
Die Abdrücke einiger dieser Gemmen veranlassten Hm. M. Bartels, die Pho-
tographien alter Kirchenschätze im Berliner Kimstgewerbemnseum in Bexug auf
derartige Gremmen zu durchmustern, und zu unserer grossen Freude Cand er bald
(607)
eine ganze Reihe hierhergehöriger Stücke, so dass wir jetzt mit Sicherheit be-
haupten können, einen neuen Typus von Gemmenbildem gefunden zu haben.
Es ist in hohem Grade wahrscheinlich, dass diese Gemmen als Werke früh-
mittelalterlicher Kunst betrachtet werden müssen. Das Intaglio derselben zeigt
sich, wie schon erwähnt, fast als ein kurzer dicker Strich mit leicht abgerundeten
Enden. Es ist sehr schwierig, eine übereinstimmende Figur zu nennen, welche
seiner Form vollständig entspräche. Am meisten Aehnlichkeit ist noch mit einem
Roggenkorn vorhanden. Aus diesem Grunde habe ich sie auch, einem Vor-
schlage des Hrn. M. Bartels folgend, „roggenkornähnlich" genannt; wobei
allerdings zu beachten ist, dass ein Roggenkorn immer an einem Ehide dicker, als
an dem anderen ist, was bei diesen Gemmenbildem gewöhnlich nicht zutrifiFt.
Diese eigenthümlichen roggenkomähnlichen Zeichen finden sich auf den
Gemmenfeldern in sehr schwankender Anzahl. Bald ist es eines, bald 2, bald 3 oder
noch mehr, bis zu 21 auf derselben Gemme. Ihre Gruppirung ist eine ganz
eigenthümliche, äusserst unregelmässige; nur selten finden sie sich in der Mitte des
Genunenfeldes, meist sind sie am Rande oben oder unten und immer ganz un-
regelmässig angebracht, so unregelmässig, dass imter den bis jetzt bekannten
82 Stücken dieser Art auch nicht zwei vollständig gleiche zu finden sind, obgleich
wir mehrere Gemmen mit der gleichen Anzahl von Roggenkorneinschnitten
gefunden haben. Bei den Gemmen mit mehreren Roggenkörnern zeigen diese
mancherlei Verschiedenheiten in ihrer Grösse. Aber auch ihre Form variirt in
etwas, indem sie bald schlanker und bald plumper, bald auch als vollständiges
Roggenkorn, bald an dem einen Ende wie abgeschnitten erscheinen. Dabei
sind sie so scheinbar planlos in das Gemmenfeld komponirt, dass es den Anschein
hat, dass durch die Zusammenstellung der einzelnen roggenkornähnlichen Ver-
tiefungen die Künstler nicht beabsichtigt haben, eine bestimmte Figur zu com-
biniren, sondern dass das entstandene Bild mit wenigen Ausnahmen als ein mehr
zufälliges betrachtet werden muss. Denn wenn die Zusammenstellung als solche
eine ganz bestiipmte Bedeutung hätte, dann könnte man erwarten, unter 82 Gemmen
einige Zeichnungen doppelt zu finden, was, wie bereits gesagt wurde, nicht der
Fall ist Es kam daher wahrscheinlich in erster Linie nur auf das roggenkom-
ähnliche Zeichen an sich an, sowie vielleicht auf die Anzahl, in welcher es auf
derselben Gemme wiederholt wurde.
Es finden sich allerdings auch einige Male besondere Figuren, wie Kreuze
und Rosetten, welche aus den roggenkornähnlichen Vertiefungen zusammen-
gesetzt sind, jedoch sind derartige Darstellungen bis jetzt nur als Ausnahmen zu
betrachten.
Die Vertiefungen dieser Gemmen sind trotz aller Verschiedenheit und obgleich
einzelne nur sehr seicht eingeschnitten sind, dennoch sehr scharf und deutlich, so
dass entweder die üebung der Verfertiger grösser oder das Werkzeug besser ge-
wesen sein muss, als bei denjenigen Künstlern, welche die sogen. Alsengemmen
geschnitten haben. Der grosse unterschied in der Ausführung springt um so mehr
in die Augen, als die sogen. Alsengemmen bekanntlich nur aus Glaspasten be-
stehen, während unsere Verfertiger unter anderen auch die nächst dem Diamanten
härtesten Edelsteine bearbeitet haben.
Die Ränder der roggenkomähnlichen Vertiefungen sind scharf und deutlich,
gar nicht zu vergleichen den mühsam eingekratzten oder eingestochenen Rändern
bei den I<^guren der Alsengemmen, an denen man gar nicht selten deutlich zu
erkennen vermag, wie die gravirende Hand ausgeglitten ist.
Die Steine unserer Gemmen sind in der Mehrzahl der Fälle dunkelroth und
(608)
transparent, wahrscheinlich also Rubine und Almandine; aber auch Saphire und
andere verwandte Edelsteine sind zur Verwendung gekommen.
Die Bildfläche ist bei allen mir bis jetzt bekannten Stücken mehr oder weniger
convex und bei einzelnen ist die Convexität sogar eine sehr bedeutende. Hingegen
ist mir keine einzige dem uns hier beschäftigenden Typus zugehörige Gemme be-
kannt geworden, deren Bildüäche eine vollkommen ebene oder eine concave wäre.
Wie ich bereits weiter oben erwähnt habe, sind bisher alle Roggenkorn-
gemmen ausschliesslich an mittelalterlichen Kirchengerathen gefunden. Aus keiner
öffentlichen oder privaten Sammlung und aus keinem der vielen in den ver-
schiedensten Orten von Deutschland gemachten Erdfunde ist mir nur ein analoges
Stück*) bekannt geworden.
Die betreffenden Geräthe des christlichen Cultus sind Reliquiarien in der Form
von Kirchen, Armen oder Büsten, ferner Vortragekreuze, Evangeliarien-Deckel u. s. w.
Wie aus der weiter unten folgenden Zusammenstellung hervorgeht, gehören sie fast
sämmtlich dem 10., 11. und 12. Jahrhundert an.
Bevor ich versuche, durch eine analytische Zusammenstellung der einzelnen
Geräthe und der Zeiten, in denen sie gefertigt wurden, der Technik und der Be-
deutung dieser Gemmen etwas näher zu kommen, möchte ich die Zeichnungen
einiger derselben mit genauer Beschreibung dem Leser vorführen.
Zur Veröffentlichung ausgewählt haben wir zunächst 21 Gemmen. Des be-
schränkten Raumes wegen nahmen wir nicht mehr; vielleicht findet sich früher
oder später noch eine Gelegenheit zur Publication der fehlenden. Die Abbildungen
geben das Bild der betreffenden Gemmen linear in doppelter Grösse wieder; die
Bezeichnungen rechts und links gelten immer rom Beschauer aus.
Fig. 1. Unrcgelmässig ovale Gemme von nur geringer CJonvexität. I-Ängs-
durchmesscr 14 mm, Querdurchmesser 10 zu 8 mm. Rubin. Auf der unteren Hälfte
links von der langen Medianlinie, parallel mit dieser, ein roggenkomähnlicher Elin-
schnitt, wenig tief eingeschnitten. Berlin, Kunstgewerbe-Museum, Baseler Kreuz,
XI. Jahrhundert.
Fig. 2. Unrcgelmässig runde Gemme von geringer Convexität Durchmesser
18 zu 14 mm. Aquamarin oder Saphir. Oben rechts einen schräg gestellten Eün-
schnitt mit flach auslaufenden Rändern, in der linken unteren Spitze einen zweiten
2) Das Berliner Museum hat in dem babylonischen Saal seiner ägyptischen Abthei-
lung, unter vielen anderen, zwei Si^golstoine ausgestellt, deren Zeichen eine gewisse Aehii*
lichkeit mit denen unserer Roggenkorngemmen haben. Eine genauere Betrachtung x'^igt
aber sofort, dass diese Zeichen mit denen unserer Roggeukomgemmen nicht verwechselt
werden können.
(609)
kleineren mit scharf ab^setzten RäDdem enthaltend. Berlin, Rumtgewerbe-
Uusenm, Baseler Kreuz, Filigranscite.
Fig. 3. ünregelmäsaig rierseitige Qemme mit fast ebener Bildfläche. Länga-
darchmesser 10 mm, Qaerdnrchm esaer 4 zn 6 mm. Edelstein. In der oberen
rechten Ecke befindet sich eine länglich mnde Vertiefäng, welche an ein Hanf-
korn erinnert, dem die Spitze fehlt. UUnster i. W., Mauritzkirche , Erphokrenz,
X. — XI. Jahrhundert.
Fig. 4. Un regelmässig ovale Gemme von ziemlich bedeutender Convcxität.
Längsdnrchmesser ]3 mm, Qnerdnrchmesser 10,5 mm. Saphir oder Ultramarin.
Etwas nach links ein ann-echtsteh ender, roggenkoraähnlichcr Einschnitt, welcher
sich oben zu einer stnmpf abgerandeten Spitze verjüngt; ansaerdem rechts dar-
unter eine kleine eigenthUmliche Fignr, fast einem liegenden umgekehrten Komma
ähnlich. Berlin, Kunstgewerbe-Mnsenm , kleines Kreuz, XI. Jahrhundert.
Fig. 5. Orale Gemme mit conveser BildQäche- Längsdnrchmesaer 23 mm,
Querdnrchmesaer 15 mm. Almandin. In der oberen Hälfte, rechts von der langen
Medianlinie, eine längagestellle, abgerundet spindelförmige Vertiefung, welche an
ein Roggenkorn erinnert. Darüber, vom rechten Bande ausgehend, eine zweite,
fast rechtwinklig znr Langsame stehend, etwas plumper als die vorige; die laterale
Spitze fehlt, weil sie Über den Rand der BildOache hinausragen würde. Osna-
brOck, Dom, Kapitelkrcuz, XI. Jahrhundert
Fig. 6. Ovale Gemme von ziemlich bedeutender Convexitat. Längsdurch-
messer 15 mm, Querdnrchmesaer 10 mm. Almandin. Zwei längsgcstcllte, parallel
der Längsaxe stehende, ro^enkomähnliche Vertiefungen, rechts und links von der
Hedianlinie, untereinander parallel; die eine (kleinere) dem Bande der BildQäche
nahe. Osnabrück, Dom, Kapitelkreuz, XI. Jahrhundert.
Fig. 7. Ovale Gemme mit convexer Bildfläche. Längsdurchmesser IT mm,
Querdurchmesser \l mm. Rubin. Ziemlich genau im Mittelpunkt eine schrjig
nach rechts stehende, seichte Vertiefung von der ungeftihren Form eines Roggen-
kornes. Eine zweite roggenkomäbn liehe Vertiefung, aber wesentlich grösser,
geht von hier aus nach linka oben bis zum Rande der Bildfläche, mit der Längs-
axe einen Winkel von 45° bildend. Utrecht, Erzbischöfliche Bibliothek, Evan-
geliar dca heiligen Bemulph, XI. Jahrhundert.
Fig. 8. Unregelmässig ovale Gemme von nur geringer Convexitat. Längs-
durchmeaaer 17'/, mm, Querdurch mesaer 12 mm. Saphir. Das Intaglio zeigt zwei
Vertiefungen deutlich und eine dritte, nur punktirt gezeichnete, undeutlich. In
der oberen Hälfte, etwas rechts, eine schräg nach oben liegende, roggenkom-
ühnliche Vertiefung, flach eingcschliffcn; darunter, fast im Winkel von 45", zu
VvliuilL d« Btri. AnlttniisL OtHllHlitft U>L S9
(610)
dieser eine zweite, aber in nnge wohnlicher. Tust bimenähnhcher Form. Am
starken Ende der grösseren Vigat beHndet sich ein den Rand berührender Aua-
wncha- Die ganze Bearbeitnng dieser Gemme ist roh. Wien, Rnnst(fewerbe-
Mnseam, Herme des heiligen Blasins, XII. Jahrhundert.
Fig. 9. Unregelraässig ovale Gemme von nur geringer Convexitüt Längs-
durchmesBCr 15ni»), Querdnrchmesser 9'/, mm. Ultramarin (Saphir?). Drei roggen-
komähnliche Verttef^ingen sind vorhanden. Ton zweien, welche sich rechts «nten
befinden, sieht man aber nnr die Spitzen, weil sie zu dicht am Rande liegen.
Die dritte, deutlich cingeschliffene Figur liegt oben, qner, fast rechtwinklig zur
Längsaxe; die beiden Seiten dieser Figur sind auf dem Grunde, wie aus der
Zeichnung ersichtlich, scharT abgegrenzt. Berlin, Kunstgewerbe-Museum, Baseler
Kreuz, Filigninseite.
Fig. 10. Fast viereckige Gemme mit abgeatnmpRen Ecken von nur geringer
Convexität. Längsdurchmesser 10 mm, Querdurch meseer S'/t *"">- Ultramarin
(Saphir?). Rechts im Gemmenfelde eine aufrecht stehende, angewöhnlich plumpe
Vertiefung, fast einem riesigen Hanfkom gleichend; an diesem, unten, schräg nach
rechts nnd links aussen zeigend, zwei Auswüchse, nugleich in der Grösse, ebenfalta
hanf kornähnlich, ausserdem oben, etwas links und nach links zeigend, ein dritter,
kleinerer derselben Form Die Hauptfigur ist sehr deutlich eingeschliOen, die Neben-
figuren weniger. Berlin, Konstgewerbe-Musenm, Baseler Kreuz, Filigranseite.
Fig. 11. Etwas unregelmässig vierseitige Gemme mit abgerundeten Ecken,
von geringer Convexität. Längsdurchmesser IT'/, nifn, Querdurchmesser linm.
Amethyst. Wir sehen drei deutlich eingeschliffene Vertiefungen. Die grössle,
links, hart am Rande, aufrecht stehend, ist länger and schlanker als die zweite,
welche ebenfalls aufrecht steht, aber fast in der Hitte des Gemmcnfeldes liegt;
beide haben ein stumpfes nnd ein spitzeres Ende. Am oberen Ende der langen Ver-
tiefung befindet sich eine sehr deutlich eingeschliffene, lange, dUnne Spitze; eine
ganz ähnliche ist an der rechten Seite der Mittelfigur. Rechts unten, etwas schräg
liegend, ragt die plumpe Spitze der dritten Vertiefung bis fast an die rechte Seite
der Mittelflgur. Berlin, Kunstgew erbe-Huseum, Baseler Kreuz, b^igranseite.
Fig. 12. Ovale Gemme mit convexer Bildfiäche. Längsdurchmesser 1 2 rani, Quer-
durchmesser 10'/, mm. Bergkrystall oder Glas. Fast in der Mitte des Gemmcn-
feldes, aufrecht stehend, eine etwas nach links gebogene, mit einer seitlichen
Spitze versehene, roggcnko mahn liehe Vertiefung. Auf diese stossend, aber schräg
nach rechts unten zeigend, eine zweite, kürzere, von gewöhnlicher Form. links
von der Hauptfigur, parallel dem Rande, eine dritte Vertiefung, schlanker als die
vorigen; schliesslich fast an der rechten Spitze dieser zwei kleine, runde KnSpfchen.
Wien, Kunstgew ürbe-Müscum, Herme de» heiligen Blusius. XII. Jahrhundert
(611)
Fig. 13. Ovale Gemme von nur ^ringer Gonrexitäi LängsdnrchmeHser
19 mm, Qaerdurchmesscr 15 tum. UltramariD (Saphir?). Schräg liegend, etwas
oberhalb vom Mittelpunkte, sehen wir hier eine Tast einer Eichel gleichende Figur;
schfüg in dieser eine tiefer eingesehliffenc Rinne. In der Verlüngerong dieser
eich ef form igen Vertiefong ragt die mit einem seitlichen Ansatz versehene, plumpe
Spitze einer unserer gewöhnlichen roggenkomähn liehen Vertiefungen in das
Gemmenfeld. Hechts unten sind zwei Tast runde Vertiefungen, die eine seicht,
die andere »ehr deutlieh eingeschliffen. Berlin, Kunstgewerbe- Museum, Kuss-
tafel von 1460.
Fig. 14. Ovale Gemme mit convexer Bildfläehe. Längsdnrchmesser 14 mm,
Querdurchmeaser 10 mm. Almandin. Vier roggenkorn ähnliche Vertiefungen, ver-
schieden tief eingeschlilTen und ungleich gross, Zwei, fast gleich grosse, recht-
winklig zu einander in der oberen Hälfte; die dritte, grösste und am tiefsten
eingeschlifTene links unten, mit einer Spitze fast den Rand berührend; unter dieser
rechts, parallel zu ihr, die vierte und kleinste roggenkomühnliche Vertiefung.
Berlin, Kunstgewerbe-Museum, Baseler Kreuz, FUigranseite.
Fig. 15. Fast runde Gemme von bcdeatender ConvexitÜt. Längadureh-
messer 13 mm, Querdorchmesser 1 1 mm. Almandin. Vier roggenkomähnliche Ver-
tiefungen, etwas breiter und plumper, als bei Fig. 5 und 6; davon zwei in der
rechten Hälfte, in gleichem Abstände von der kurzen Medianlinie und unter-
-^i*
ys
einander parallel. Zwei in der linken Hälfte, ungefähr parallel den vorigen: die
obere hart am linken Rande der Bildiläehe liegend, so dass ein Theit ihres
lateralen Längsrandes den Bildflächenrand bilden hilft; die untere, linke mit der
Spitze bis zum linken BildÜächenrande reichend, mit der rechten Spitze gegen das
Cenlrum der Gemme gerichtet. Osnabrück, Dom-Reliquianum, bekannt unter
dem Namen „Adorf.
Fig. 16. Ovale Gemme von geringer Conrexität Längsdnrchmesser 19 mm,
Querdurch raesser 14 mm. Almandin. Sieben, unregelmässig vertheilte, roggenkom-
ähnliche Vertiefungen. Vier in der unteren Hälße des Gemmenfeldes, davon drei
in gleicher Höhe, etwas gegen die Langsame geneigt, und zwar die beiden late-
ralen mit der oberen, die mediale mit der unteren Spitze. Zwischen der linken
VerticAing und der medialen eine kurze, der linken parallele. In der linken
oberen Hälfte drei Vertiefungen, die oberste fast horizontal, darunter eine mit der
unteren Spitze der Langaaxe zugekehrt, und dicht am linken Rande der Bild-
fläche, ungefähr in halber Höhe eine kürzere, mehr horizontal liegende. Minden,
Dom, Reliqnienann der heiligen Anna, XVL Jahrhundert.
Pig 17. Ungleiehmässig vierseitige Gemme, Convexität gering. Längsaxe
14'/, mm, obere Queraxe S'/i """. untere Queraxe 7 mm. Ultramarin (Saphir?).
(612)
Acht roggenkomähnliche Vertiefungen, schlanker als die rorhergehenden, von
denen aber nur zwei vollständig vorhanden sind; diese stehen auf der unteren
Hälfte des Gemmen feld es rechtwinklig gegen einander und berühren sich fast
mit den Spitzen. Die untere Spitze einer dieser beiden Vertiefungen berührt
beinahe die von aussen hereinragende Spitze einer dritten. Rechts von dieser
sieht man, als ganz kleines Bruchstück, die Spitze der vierten Vertiefung Auf
halber Höhe der linken Seite eine etwas grössere Spitze, welche die schräg in der
Mitte liegende Vertiefung fast berührt. Die sechste Vertiefung kommt als grösseres
Bruchstück einer roggenkornähnlichen Vertieftmg vom oberen Rande, etwas nach
links zeigend. Dicht daneben die Spitzen der siebenten und achten, fast horizontal
liegend und sehr verschieden in der Grösse. Berlin, Rimstgewerbe -Museum,
kleines Kreuz, XI. Jahrhundert.
Fig. 18. Vierseitige Gemme von geringer Convexität. Längsdurchmesser
22 mm^ Querdurchmesser 13 mm. Ultramarin? Saphir? Wir sehen sechs roggen-
komähnliche Vertiefungen, zu drei und drei gruppirt. Die erste, links unten, fast
in der Mitte, senkrecht stehend; über dieser die zweite in etwas anderer Form
(man vergleiche Fig. 12), schräg nach links liegend; die dritte unmittelbar an
dieser, aber senkrecht über der ersten und, wie diese, aufrecht stehend. Nun
jyr
kommt rechts unten, parallel der ersten Vertiefung, die vierte, etwas längere;
direkt über dieser die ebenfalls senkrecht stehende fünfte, noch längere, welche an
der rechten unteren Seite die nach rechts unten und aussen zeigende sechste Ver-
tiefung in Form einer Dreiviertel-Figur hat. Berlin, Kunstgewerbe -Museum,
Baseler Kreuz, Filigranseite.
Fig. 19. Ovale Gemme von geringer Convexität. Längsdurchmesser 18 mm,
Querdurchmesser 12 mm. Almandin. Sieben roggenkomähnliche, schlanke Ver-
tiefungen, jede einzelne wesentlich kleiner, als die der letztbesprochenen Gemmen.
In der unteren Hälfte zwei sich unter spitzem Winkel kreuzend; der lateralen
Spitze fügt sich eine dritte an. Eine vierte kreuzt, nahe dem Mittelpunkte,
rechtwinklig die Längsaxe. Eine fünfte verläuft in der Richtung der Queraxe
und berührt fast den linken Rand. Links darüber, die untere hart am Rande
liegend, in gleicher Richtung zwei, welche so benachbart sind, dass sie sich nodt
ihren Längsrändera berühren. Minden, Dom, Reliquien-Hand der heiligen Anna,
XVI. Jahrhundert.
Fig. 20. Ovale Gemme mit convexer Bildfläche. Längsdurcbmesser 17 mm^
Querdurchmesscr 13 mm, Almandin. Neun roggenkomähnliche Vertiefungen ver-
schiedener Grösse. Vier von ungleicher Grösse stossen etwas oberhalb des Mittel«
(613)
panktes der BJEdfläcbo so mit ihren Spitzen zusammen, dass sie ein liegendes
Krenz bilden. Dem oberen linken Schenkel desselben fügt sich eine fünfte an,
diesen in leichtem Knick fortsetzend. Eine sechste Terläoft in der Richtung des
linken unteren Schenkeis bis zum Rande, diesen berührend nnd durch ihn etwas
von der Spitze einbüsaend. Eine siebente Vertiefung fügt sich genau in den
Winkel der beiden oberen Schenkel nnd berührt mit ihrer oberen Spitze eine
achte, welche horizontal liegt nnd sich dem oberen Runde der Bildfläche anfügt.
Die nennte tänft vom unteren rechten Rande der Bildflächc auf den unteren
rechten Kreuzes Schenkel, ohne ihn zn erreichen; der Bildllächenrsnd verkürzt diese
Vertiefung fast um ein Drittel. Utrecht, ErzbischÖflichea Uuseum. Evangeliarium
des heiligen Bernnlpb, XI. Jahrhundert.
Pig 21. Herzförmige Gemme mit convexer Bildfläche. Stein? In der nach
oben gekehrten Spitze sehen wir eine längsgestellte, roggenkornähnliche, ziemlich
starke Vortiefnng; den oberen Thcil ihrer Form hat sie eiugebüsst, weil derselbe
den Rand der BildMche überragen würde. Rechts unter dieser befindet sieb eine
ganz kleine. Unterhalb beider, etwas nach links, sind zwei, welche eich recht-
winklig kreuzen. Der von links unten nach rechts oben gehende Krenzesarm
hat unten rechts und oben links, beide Male nach aussen zeigend, wieder zwei
Vertiefungen, welche aber ungleich gross sind; dicht an der kleineren von diesen
beiden bemerken wir noch eine ganz kleine in dem, von den beiden unteren
Krenzesschenkeln gebildeten Dreieck. Links von diesem Kreuze ist erstens eine
kurze, starke Vertiefung, der sich noch weiter links, dicht am Rande, eine längere,
schlanke, anschliesst. Rechts haben wir eine lange, schrägliegende und links
darunter eine kürzere, plumpe Vertiefung. In der unteren Hälfle des Steines ist
eine Gruppe von kurzen, breiten, unter sich ungleich grossen, roggenkornähnlichen
Einschnitten, welche sich sämmllich (es sind acht) berühren. Zwei von ihnen
liegen in der Läng)>a]ie der Gemme; ihren sich berührenden Spitzen fügen sich
links und rechts je drei seitliche an, so dass eine rosetten artige Figur ent-
steht Rechts in der Zeichnung bemerken wir nun noch vier punktirt wieder-
gegebene Vertiefungen, welche wahrscheinlich in dieser Form vorhanden sind.
Die Photographie ist an dieser Stelle verwischt, so dass wir eine rollkomraene
Sicherheit für die genaue Wiedergabe nicht haben. Die letzte Vertiefung steht
aufrecht unter der Rosette, den unteren Bildflächenrand berührend nnd mit
der oberen Spitze die entsprechende Figur der Rosette theilweise bedeckend.
München, Königl. Bibliothek, Buchdeckel aus Niedermünster zu Regensburg,
rheinische Arbeit, XI.— XII. Jahrhundert. — Berlin, Kunstgewerbe- Uuseum,
Photogrophien-4Iappe. 1456.
(614)
Bei der Betrachtung der vorstehenden Zeichnungen kann man leicht za dem
Glauben kommen, die in den Pig. 8, 10, 12 und 13 gezeichneten Gemmen
passten nicht recht zu den übrigen, denn obgleich diese Gemmen höchst wahr-
scheinlich zu demselben Typus gehören, so scheint es doch, als ob die ein-
geschnittenen Vertiefungen etwas anderer Art wären. Ich glaube aber, es scheint
nur so, denn wenn man die geringen technischen Hülfsmittel, welche den Künstlern
des Mittelalters zur Bearbeitung dieser harten Steine zur Verfügung standen, in
Betracht zieht, wird man leicht eine Erklärung für die etwas veränderte Form der
Hauptfigur finden. Zu beachten bleibt auch, dass jede dieser scheinbaren Aus-
nahmen, neben der Hauptfigur, eine oder mehrere Vertiefungen besitzt, welche
genau mit den, auf anderen Gemmenbildem befindlichen Roggenkörnern überein-
stimmen.
Schon weiter oben wurde bemerkt, dass wir im Granzen bis heute 82 Genunen
kennen, welche dem besprochenen Typus angehören.
Unter diesen 82 haben:
24 Gemmen je 1 Roggenkornvertiefung.
29 „ 7> 2 Roggenkorn Vertiefungen.
3
4
6
7
8
_21
Sa. 82 Gemmen.
Man sieht, dass einzelne Exemplare eine recht stattliche Anzahl von Ver-
tiefungen aufzuweisen haben, und doch sind von geometrischen Formen nur wenige
vorhanden. Wenn wir von den einfachsten, welche dui'ch die mehr oder weniger
zufällige Zusammenstellung von zwei oder drei Vertiefungen entstanden sein
mögen, absehen, haben wir es nur mit den vier zuletzt gezeichneten Gemmen zu
thun, welche die Nrn. 18, 19, 20 und 21 tragen, denn bei allen übrigen sind die
kleinen, roggenkomähnlichen Vertiefungen ganz plan- und formlos über das
Gemmenfeld vertheilt.
Pig. 18 zeigt uns 6 Vertiefungen in zwei Gruppen von je dreien. Diese in
einen Ultramarin geschnittene Gemme macht einen eleganten Eindruck. Wir
sehen hier zum ersten Male die vorhandenen Einschnitte zu einer Gesammtfignr
vereinigt; jedoch auch hier ist das Intaglio unregelmässig in dem Gemmenfelde
untergebracht.
Pig. 19, welche sieben kleine Vertiefungen von ungleicher Grösse besitzt,
zeigt uns unter diesen ein, durch zwei über einander gelegte Roggenkörner ge-
bildetes, schrägliegendes Kreuz; unmittelbar am rechten unteren Kreuzesschenkel
schliesst sich eine dritte roggenkomähnliche Vertiefung an.
Ein ähnliches, ich möchte fast sagen schleifenartiges Kreuz — die Aehnlich-
keit springt besonders in die Augen, wenn man die Zeichnung von der rechten
Seite betrachtet — sehen wir in der folgenden Nummer dai^estellt. Auch hier
liegt die Kreuzesfigur nicht ganz frei, sondern der linke obere Kreuzesschenkel
hat zwei unserer Vertiefungen, welche ihn unmittelbar berühren; eine von diesen
beiden wird wieder von einer weiteren Vertiefung berührt, von der jedoch nur
ein Theil vorhanden ist, weil der Rest die Bildiläche überragen würde. Die
ausser den genannten Vertiefungen noch vorhandenen sieht man links, etwa auf
11
V
77
7
n
77
3
77
77
2
7>
77
3
V
77
2
77
77
1
77
77
(615)
der Mitte und rechts nnteo, beide in ßracbstücken und schräg liegend, so dass sie
fast nach dem Mittelpunkte des Kreuzes zeigen, wobei die eine den zunächst
liegenden Rreuzesschenkel beinahe berührt.
Wir kommen nun zu unserer letzten Gemme (Fig. 21). Diese, von Hm.
Dr. Bartels nachgewiesen, ist ein wahres Prachtstück unseres Typus; leider be-
sitzen wir keinen Abdruck derselben, sondern sind einzig und allein auf die Photo-
graphie des betreffenden Buchdeckels angewiesen, nach welcher sich natürlich alle
die auf diesem Steine vorhandenen Vertiefungen nicht so sicher wiedergeben
lassen, als wenn wir einen Abdruck besässen. Immerhin kann man aber eine
ganz beträchtliche Anzahl und zwar 16—18 mit grosser Deutlichkeit, selbst bei
Abendbeleuchtung, durch die Lupe sehen; bei hellem Tageslichte kommen auch
noch die auf unserer Zeichnung nur punktirt angegebenen Vertiefungen zum Vor-
schein, welche sonst im verwischten Schatten verborgen bleiben.
Der herzförmige Stein mit stark convexer Bildfläche zeigt zunächst, unten
links, acht unserer Roggenkomvertiefungen von verschiedener Grösse zu einer
etwas unregelmässigen Rosette zusammengestellt. Dicht darüber befindet sich
ein regelmässiges, liegendes Kreuz, aus drei in der Grösse sehr verschiedenen
Vertiefungen gebildet; ausserdem sind rechts und links und über und unter den
beiden zusammengesetzten Figuren noch 15 Vertiefungen in bunter, unregelmässiger
Gruppirung vorhanden, alle unserem Typus angehörend, aber" sehr verschieden in
der Grösse.
Das auf dieser Gemme befindliche Kreuz ist scheinbar regelmässiger, als die
Kreuze der beiden letztbesprochenen Fig. 19 und 20, aber auch hier sehen wir
eigenthümlicher Weise wieder, wie drei unserer Roggenkornvertiefungen den
linken unteren, den linken oberen und den rechten oberen Kreuzesschenkel direkt
berühren.
Die darunter liegende Rosette liegt dagegen, wenn man von einer unten
senkrecht auf dem Rande der Bildfläche stehenden Vertiefung absieht, welche
einen Theil der nächststehenden Rosettenvertiefung bedeckt, ziemlich frei; sie ist
aber aus so ungleich grossen Einschnitten und so unregelmässig zusammengesetzt,
dass man sie doch wohl kaum als Rosette ansprechen kann und am Ende an-
nehmen muss, sie sei mehr oder weniger unbeabsichtigt entstanden, vielleicht
nur, weil man diese grosse Anzahl von Einschnitten unterbringen wollte; vielleicht
aber wollte auch der Verfertiger versuchen, ob er eine solche blumenartige Figur
herstellen könne. Auf jeden Fall haben wir es hier mit einer ganz besonders
interessanten Gemme zu thun.
Es erübrigt nun noch, die Gemmen 4, 11 und 13 wegen der darauf befind-
lichen schlanken, strichähnlichen Vertiefungen kurz zu betrachten. In Fig. 4
haben wir unten rechts eine kleine Figur ganz deutlich, welche man mit einem
umgekehrten Komma vergleichen könnte. Bei Fig. 11 und 13 finden wir an ver-
schiedenen Stellen, bei Fig. 11 sogar zweimal, einen scharf und deutlich ein-
geschliffenen Strich: hier einen ersten links oben, halb in der grossen Vertiefung, halb
ausserhalb derselben, und gewissermaassen eine scharfe Spitze bildend; einen zweiten
an der anderen Vertiefung derselben Gemme oben, fast wie ein Stachel nach
rechts aussen zeigen|i* In Fig. 13 sehen wir denselben Strich, aber etwas weniger
deutlich, fast horizontal; in dem starken Theile der schräg liegenden Haupt-
vertiefung.
Wir haben nun die Art der auf unseren Gemmen zur Anschauung gebrachten
Zeichnungen besprochen und auch die Steinarten betrachtet, wir wissen aber noch
nichts Näheres über die verschiedenen Gegenstände, welche mit unseren Roggen-
(616)
korn-Gemmen geschmückt sind. Es wurde schon weiter oben bemerkt, dass alle
Gemmen (Gegenstände oder Geräthe schmücken, welche znm christlichen Gultus
in Beziehung stehen; es wird also nöthig sein, diese Gegenstände einer näheren
Betrachtung zu unterwerfen, um vielleicht auf diese Weise eine Basis für die
weitere Untersuchung zu gewinnen.
Wie bereits gesagt wurde, kennen wir keine einzige Gemme, welche nicht
einen zum christlichen Cultus in irgend einer Beziehung stehenden Gegenstand
schmückte, und zwar haben wir es vorzugsweise mit Reliquiarien, Kreuzen und
Evangeliarien-Deckeln zu thun.
Die Zahl der Gemmen aber, welche den einzelnen Gegenstand schmücken,
ist sehr verschieden; sie variirt zwischen 1 — 10 Gemmen an demselben Greräthe.
Ein ähnlicher Unterschied besteht imter den gleichartigen Gegenständen, welche
mit unseren Gemmen geschmückt sind; die hierher gehörigen Zahlen steigen eben-
falls von 1 — 11. Die folgende Tabelle giebt hierüber eine genaue Uebersicht
Verziert sind:
12 Reliquiarien mit zusammen 32 Gemmen.
9 Buchdeckel „ „ 18 „
8 Kreuze „ „ 28 „
1 Statuette „ „ 3 „
31 Gegenstände mit zusammen 82 (xemmen.
Wenn wir zusehen, in welcher Zeit die uns beschäftigenden Kunstwerke ge-
fertigt worden sind, so bekommen wir die folgende Uebersicht.
Es stammen aus
dem IX. Jahrhundert 1 Kreuz, — Reliquiar, — Evangeliar = 1 Stück,
„ X. „ 2 Kreuze, 1 „ 1 „ = 4 „
» Xn. „ 2 , 6 „ 2 „ =10 ,
n XIII. „ „ 1„ ^=al^
Y r V =
„ XV. „ 1 Statuette, 1 „ — „ = 2 „
„ XVI. ^ —Kreuz, 1 „ — „ = 1 t»
Entstehungszeit nicht zu ermitteln = 3 ^
31 Stück.
Diese Uebersicht wird uns gestatten, einige Schlüsse auf das Alter unserer
Roggenkorn-Gemmen zu ziehen. Ich möchte jedoch hierbei gleich bemerken,
dass ich nicht der Meinung bin, man könne ohne Weiteres und mit voller Sicher-
heit von dem Alter des mit Steinen und Gemmen geschmückten Gegenstandes
auf das Alter der Gemmen selbst schliessen. Dies ist sicher nicht der Fall. Man
kann sich sehr gut denken, dass Steine, da sie schon seit uralten Zeiten ein her-
vorragender Schmuckgegenstand waren und von Natur sehr beständig sind, von
einem Geräthe, welches mit der Zeit schlecht oder unansehnlich geworden sein
konnte, auf ein anderes übertragen wurden; deshalb können also die an einem
kirchlichen Geräthe befindlichen Gemmen älter sein, als dieses Geräth selbst
Bei unseren Stücken ist es aber für kein einziges bewiesen und nur für drei
ganz späte Stücke wahrscheinlich, dass eine derartige Umarbeitung stattgefunden
hätte. Wir werden daher entweder annehmen müssen, dass die Roggenkorn-
Gemmen, gleich den, an den Kirchengeräthen zur Verwendung gekommenen antik-
geschnittenen Steinen, sich vor der Herstellung der betreffenden Geräthe, welche
1
(617)
sie jetzt schmücken, bereits lose in dem Rirchenschatze befanden haben, — nnd
das ist, wie wir später noch sehen werden, aus mancherlei Gründen höchst un-
wahrscheinlich, — oder wir sind zu der Annahme gezwungen, dass diese Gemmen
für die mit ilmen verzierten Rirchengeräthe eigens hergesellt worden sind. Dann
ist aber auch ihre Entstehungszeit mit derjenigen dieser Rirchengeräthe überein-
stimmend. Somit ist also das Alter der mit den Gemmen geschmückten Gegen-
stände ein wichtiger Faktor für die Bestimmung des Alters der Gemmen selbst,
besonders wenn, wie in unserem Falle, sämmtliche, die betreffende Gemmenart
aufweisenden Geräthe einer ganz bestimmten, wohl umschriebenen Zeitepoche an-
gehören und alle auf uns gekommenen analogen Geräthe aus früherer Zeit niemals
mit derartigen Gemmen rerziert sind. In dieser glücklichen Lage sind wir nun
mit unseren Roggenkorn - Gemmen ; wir ersehen aus der letzten Uebersicht,
dass die meisten der kirchlichen Geräthe dem zehnten, elften und zwölften Jahr-
hundert angehören; das neunte Jahrhundert ist mit einem Gegenstande vertreten,
das dreizehnte mit einem und das vierzehnte gar nicht; das fünfzehnte und sechs-
zehnte Jahrhundert sind wieder durch zwei, bezw. ein Exemplar repräsentirt, während
drei Gegenstände ausscheiden müssen, weil wir über ihre Entstehungszeit nichts
Bestimmtes wissen. Nur soviel vermögen wir anzuführen, dass sie unter allen
Umständen jünger, als das zehnte Jahrhundert, sind.
Von 28 somit in Betracht kommenden Buchdeckeln, Kreuzen, Reliquiarien u. s. w.
stammen
1 aus dem 9. Jahrhundert,
4 ^ « 10.
10 „ , 12. „
2 j, j, 15. „
Für die drei letzten möchte ich das weiter vom Gesagte in Anspruch nehmen;
ich möchte also annehmen, dass hier die geschnittenen Steine älter sind, als das
Reliquiarium der heiligen Anna in Minden, die Russtafel in Berlin und die Statuette
in ßorghorst Ich denke mir, man wählte zur Verzierung dieser Geräthe schon vor-
handene Steine, und scheide deshalb diese drei aus unserer Besprechung aus.
Von den nun übrig bleibenden 25 Stücken stammen eines aus dem dreizehnten,
zehn aus dem zwölften, neun aus dem elften, vier aus dem zehnten und eines aus
dem neunten Jahrhundert. Am ältesten ist das dem neunten Jahrhundert ent-
stammende Kreuz Berengar's I. im Rirchenschatze zu Monza, dann folgt ein
Reliquiarium desselben Schatzes aus dem zehnten Jahrhundert, dem sich das
Lotharkreuz, ein Rreuz und ein Evangeliar in der Münsterkirche zu Essen, das
Erphokreuz in Münster und der „Codex aureus^ in München, als aus dem
zehnten bis eilten Jahrhundert stammend, anschliessen. Genauere Entstehungs-
angaben besitzen wir über die vorstehenden Gegenstände nicht, wohingegen wir
bei den jetzt folgenden ziemlich sicher das Alter angeben können. Es folgt
jetzt der byzantinische Buchdeckel der Markus-Bibliothek, dessen Anfertigung
V.Falke in das Jahr 1000 setzt, dann das, Evangeliar des heiligen Bernward zu
Hildesheim, etwa um 1010 angefertigt, femer der Buchdeckel mit Elfenbein
und Edelsteinen aus Bamberg von 1014, und schliesslich werden wir das
Evangeliar vom heiligen Aribert, welcher 1045 am 16. Januar starb, hierher
rechnen müssen, da er es doch bei seinen Lebzeiten gebraucht hat.
Um es kurz zu wiederholen, so sehen wir, dass wir das Alter der mit
(618)
Roggenkorn - Gemmen geschmückten kirchlichen Geräthe sicher bis auf das
Jahr 1000 verfolgen können. Wahrscheinlich sind auch im zehnten Jahrhundert
schon einige angefertigt, vielleicht auch im neunten, wohingegen alle früheren
Jahrhunderte fehlen. Wir sehen ferner, dass bis zum Schlüsse des zwölften Jahr-
hunderts die Mehrzahl der bis jetzt bekannten Geräthe entstand; das dreizehnte
Jahrhundert weist nur noch einen Gegenstand auf. Hier scheint mir femer ein anderer
Umstand nicht ganz ohne Bedeutung zu sein: die weiter vorn stehende Tabelle
weist uns nach, dass das elfte Jahrhundert mit 6 Buchdeckeln und 3 Kreuzen ver-
treten ist, also mit Gegenständen, welche von den Lebenden zur Ausübung des
christlichen Cultus gebraucht wurden; das zwölfte Jahrhundert hingegen hat von
derartigen Geräthen nur 2 Kreuze und 2 Evangeliare aufzuweisen, dafür aber
ausserdem 6 Reliquiarien. Sollte dies nicht zu der Annahme berechtigen,
dass mit dem Ende des zwölften Jahrhunderts der Gebrauch unserer Gemmen er-
loschen war?
Wir werden wohl zu dem folgenden Schlüsse berechtigt sein: Im Anfange
oder zu Ende des zehnten Jahrhunderts begann der Gebrauch unserer Roggen-
korn-Gemmen. Man schmückte die Evangeliare und Kreuze, welche von den
hohen kirchlichen Würdenträgern gebraucht wurden, damit; darum weist uns das
elfte Jahrhundert eine verhältnissmässig so grosse Zahl auf. Es wird dieser Ge-
brauch das zwölfte Jahrhundert aber nicht lange überdauert haben, denn sonst
müssten aus dieser Zeit mehr kirchliche Geräthe mit unseren Gemmen erhalten
sein. Wir müssen also, wie man sieht, die Entstehungszeit unserer Roggenkorn-
Gemmen etwa in die zwischen 950 und 1150 — 1250 fallende Zeit setzen. Der
Gebrauch begann wahrscheinlich im zehnten Jahrhundert, erreichte seinen Höhe-
punkt im elften und erlosch mit dem Ende des zwölften oder Anfang des drei-
zehnten Jahrhunderts.
Wenden wir uns nun der Technik unserer Gemmen zu, um den Versuch zu
machen, die Art ihrer Herstellung zu ergründen, so erfahren wir bald, dass wir
hier ifiit mehr Schwierigkeiten zu kämpfen haben, als bei der Feststellung des
Alters derselben. Wir hatten zu beweisen versucht, dass die Roggenkorn-Gemmen
in der Zeit von der Mitte des zehnten bis zum Ende des zwölften Jahrhunderts
gefertigt sein müssen. Nun geben aber alle Werke, welche von der Glyptik
handeln, übereinstimmend an, dass gerade in dieser Zeit die Gemmen-Schneide-
kunst in Deutschland vollständig vergessen war. Sollen wir nun also annehmen,
dass unsere Gemmen Erzeugnisse einer ausländischen Kunstfertigkeit waren, dasa
sie von anderswo her, vielleicht aus dem Orient, in den Besitz der betreCTenden
Gotteshäuser gelangten?
Ich möchte glauben, dass wir trotz der erwähnten Anschauungen dennoch
dabei verharren müssen, in den Roggenkorn-Gemmen einheimische Arbeiten der
genannten Zeitperiode zu erblicken, und wir werden daher zu beweisen haben,
dass eine zwingende Noth wendigkeit nicht vorhanden ist, sie einer anderen Zeit
und einem anderen Lande zuzuschreiben.
Dazu ist es aber in erster Linie noth wendig, uns darüber klar zu werden,
in welcher Weise und mit welchen technischen Hülfsmitteln die uns hier be-
schäftigenden Gemmen hergestellt sein können.
Da zeigt es sich nun auf den ersten Blick, dass sie sich von den allerdiogt
um mehrere Jahrhunderte älteren sogenannten Alsengemmen nicht unerheblich
unterscheiden.
Die Alsengemmen mit ihren so häufig ausgesprungenen Rändern der Figuren
zeigen uns deutlich, dass diese eingestochen und eingeritzt wurden, während die
(619)
glatten Grundflächen und scharf abgesetzten Ränder unserer Koggenkorn-Ver-
tiefungen uns sicher zeigen, dass sie eingeschliffen wurden.
Womit haben die damaligen Künstler dieses aber ausgeführt? Kannten sie
bereits eine Drehbank, wenn auch vielleicht primitivster Form, und benutzte man
eine kleine Metallscheibe dazu, um die Ornamente einzuschleifen?
Durch Schleifversuche, welche ich mit einem in einer Drehbank eingespannten
ZweipfennigstUck und Schmirgel machte, gelang es mir, in kurzer Zeit und ohne
jede Vorübung Vertiefungen, ähnlich denen unserer Roggenkorn -Gemmen, in
einen Amethyst zu schleifen. Leider aber überzeugte ich mich bald im Theo-
philus'), Capitel LX, dass eine Drehbank, wie sie hierzu nöthig ist, im elften
Jahrhundert nicht bekannt war. Der gelehrte Mönch beschreibt in diesem Capitel
das Drehen eines Kernes für einen Guss, wie folgt:
^ Nach diesem stecke ein Eisen durch sie (die Kerne sind gemeint), welches
das Dreheisen genannt wird, lang und ziemlich dünn ist, aber an einem Ende dicker,
auf drei Seiten flachgeh&mmert, immer dünner und dünner znr Spitze verlaufend, an
seinem dickeren Theile werde ein anderes gekrümmtes Eisen oder Holz befestigt, mit
Hülfe dessen man es drehen kann.
„Habe dann zwei hölzerne S&ulchen auf einem Gestell befestigt, von einander der
Länge des Eisens entsprechend abstehend, deren jegliches an der Vorderseite Nägel,
gleichfalls von Holz habe, eine Spanne lang, und mit einem Einschnitt wie eine Stufe
(wie ein Winkel) versehen. Auf diese kommt das runde Holz zu liegen, dass man es
geschickter und länger bewegen könne, auf welchem die Hand des Drehenden ruht
„Ist dies so vorbereitet, so lege das Dreheisen zwischen die beiden Säulen, welches
die Kerne trägt, und während der Dir zur Linken sitzende Gehülfe es dreht, bearbeitest
Du mit scharfen und etwas breiten Eisen sie von allen Seiten, dass sie abgegleicht seien,
und so bereite Deine Kerne, dass sie in der Mitte, wo sie zusammentreffen, in Breite
und Dicke übereinstimmen*" u. s. w.
Man sieht, er beschreibt eine äusserst primitive Drehvorrichtung, deren er sich
nicht bedient hätte, wenn er eine auch noch so einfache Drehbank gekannt haben
würde.
Unsere Roggenkorn -Vertiefungen können also nicht mit Hülfe einer Scheibe
auf der Drehbank eingeschliffen sein. Derselbe Theophilus giebt uns aber im
Capitel XCIV, S. 350 eine ausführliche Erklärung über den Stand der Technik des
Eklelsteinschloifens zu damaliger Zeit. Der Autor beschreibt hier zuerst etwas
breit das Schleifen des Krystalls, wobei er auch das dem PI in ins entnommene
Mährchen erwähnt, dass man ihn jedesmal vor dem etwa beabsichtigten Schneiden
in dem Herzblute eines jungen, mit Epheu gefütterten Bockes erwärmen müsse,
damit er weich sei. Dann fährt er fort:
„Wenn Du aber Knöpfe aus dem Crjstall machen wolltest, wie sie an den Bischof-
stäben oder den Leuchtern aufgesetzt werden können, so durchlöchere sie auf diese
Weise: Mache Dir zwei Hämmer von der Dicke des kleinen Pingers und fast eine
Spanne lang, an beiden Enden sehr dünn und gut gestählt Sobald Du den Knopf ge-
formt hast, schneide ein Loch in einem Holze, so dass derselbe zur Hälfte darin liegen
könne, und befestige ihn mit Wachs an diesem Holze, damit er halte. Indem Du einen
der Hämmer nimmst, schlage leicht in der Mitte des Knopfes an einer Stelle, bis Du
ein kleines Loch gemacht hast, und so, indem Du in der Mitte schlägst und ringsum
sorgsam brichst, erweitere die Höhlung. Wenn Du, so fortfahrend, bis zum Mittelpunkte
des Knopfes gelangt bist, drehe ihn um und verfahre ebenso von der anderen Seite.
Hast Du ihn durchbohrt, so hämmere ein ein Fuss langes und rundes Stück Kupfer,
so dass es das Loch durchdringen könne, nimm rauhen, mit Wasser gemengten Sand,
1) Theophilus Presbyter, Schedula diversarum artinm. Quellenschriften. A. Illg.
Bd. L Wien 1874. W. Braumüller.
(620)
gieb ihn in das Loch und feile es mit dem Kupfer ans. H&ttest Dn das Loch ein wenig
dadurch ausgedehnt, so hämmere ein anderes dickeres Kupfer, womit Du in ähnlicher
Weise feilest. Und wenn es nöthig wäre, so bediene Dich noch eines dritten dickeren
Kupfers. Wenn Du die Oeffnung, wie Du wünschest, weit gemacht hast, so brich einen
sandigen Stein behutsam, und nachdem Du ihn hineinbegeben hast, feile abermals mit
einem neuen Kupfer, bis es glatt ist. Dann nimm ein gleichrundes Blei, füge, was von
der Ziegelerde abgerieben ist, sammt Speichel hinzu, polire die Oeffnung inwendig und
den Knopf selber aussen, wie oben gesagt wurde*' u. s. w.
Am Schiasse dieses Capitels, S. 854 geht der Verfasser zur Besprechung der
Bearbeitung der härteren Edelsteine über; er schreibt hier:
„Auf dieselbe Weise werden auch geschnitten, abgerieben und polirt: der Onyx,
Beryll, Smaragd, Jaspis, Chalzedon und die übrigen kostbaren Steine. Man
macht aus den Bröckchen des Crystalles ein sehr feines Pulver, welches, mit Wasser
vermischt, auf ein flaches Brett von Lindenholz gelegt wird, und auf ihm reibt und
polirt man jene Steine.
„Der Hyacint, welcher harter ist, wird auf diese Weise polirt: Es giebt einen
Stein, Schmiergel genannt, welcher verkleinert, bis er dem Sande gleicht, auf eine ebene
Kupferplatte gegeben und mit Wasser vermischt wird, auf diesem erhält der Hyacint
durch Beiben seine Gestalt. Die Flüssigkeit aber, welche wegfliesst, fängt man emsig
in einem reinen Becken auf; wenn sie die Nacht über stand, wird den folgenden Tag
das Wasser ganz abgegossen und das Pulver getrocknet, dann wieder auf der flachen
Tafel von Lindenholz mit Speichel befeuchtet, und darin der Hyacint polirt*"
Friedrich') bemerkt in seinem Buche „Die altdeutschen Gläser", durch
welches ich zuerst auf den Theophilus aufmerksam wurde, in Bezug auf das
obige Capitel:
„Muss man sich nicht billig über die Menge technischer HtQfsmittel wundern,
welche den Schleifern des zwölften Jahrhunderts zu Gebote standen? Wer mag
diesen klaren fachmännischen Worten gegenüber noch behaupten, dass die ge-
schliffenen Steine schon vollendet aus dem Orient bezogen wurden?"
Der sogenannte Heraclius*) behandelt ebenfalls das Zersägen des Rrystalles
und das Schleifen der Edelsteine.
Aus den vorstehenden Gitaten des Theophilus ersehen wir, dass der Ver-
fasser dieses Manuskriptes, ein in vielen technischen Künsten bewanderter Mönch,
Namens Rogkerus, welcher in dem elften Jahrhundert in Deutschland lebte,
uns ein Verfahren angiebt, mit welchem man wohl alle unsere Roggenkorn-
Gemmen ohne die Hülfe einer Drehbank herstellen kann.
Nun finden sich aber unter den Roggenkorn -Gemmen einige, welche in
Saphir und Rubin, also den nächst dem Diamant bärtesten Steinen eingescbliffen
sind, und man wird mir entgegen halten, mit Schmirgel ist dieses auf die an-
gegebene Weise nicht möglich. Ob es auf die vom Verfasser des Theophilus
angegebene Weise möglich ist, Rubin und Saphir mit Schmirgel zu schleifen,
kann ich nicht beurtheilen; dass aber beide Steinarten mit Schmirgel geschliffen
werden können, gebt aus Rarmarsch-Heeren^s'; Technischem Wörterbuch hervor.
Wir lesen hier, dass man Saphire, Smaragde und Rubine mit Diamantstaub oder
Schmiergel schleift, alle übrigen Edelsteine mit Schmirgel.
Aus diesem Gitat geht also deutlich hervor, dass die genannten härtesten
Edelsteine sich mit Schmirgel schleifen lassen, aber mit Diamantstaub jedenfalls
viel leichter; wir werden also zusehen milssen, ob die Alten schon mit Diamant-
1) Nürnberg 1884.
2) Quellenschriften. Bd. IV. S. 1, 18 u. f.
8) 8. Aufl. Bd. 7. S. 678.
(621)
staub zu arbeiten verstanden. Herr Dr. M. Bartels war so freundlich, mir eine
Stelle aus dem Buche des Bischofs Marbodus') nachzuweisen, aus der sich er-
giebt, dass dieser, ebenfalls im elften und im Anfange des zwölften Jahrhunderts
lebende Autor das Diamantpulver kannte.
Hiergegen behaupten nun aber Lessing^) und Krause'), Marbodus habe
seine Angaben grösstentheils dem Plinius entnommen und die Annahme, dass
der letztgenannte den Diamantstanb bereits gekannt, beruhe auf einer falschen Auf-
fassung des Wortes feliciter*) in dem betreffenden Satze des Plinius. Beide
Autoren wollen dort nur Angaben über den Gebrauch der Diamantsplitter,
aber nicht über den des Diamantstaubes finden, wobei sich Krause meist
auf Lessing stützt. Er selbst jedoch erwähnt^) in seinem unten citirten Buche,
dass ausser anderen auch Aloys Hifth«) und Mariette^ für den Gebrauch des
Diamantpulvers ^) bei den Alten eintreten.
Es kann hier natürlich nicht unsere Sache sein, in diesem Streite für oder
wider Partei zu nehmen, man wird uns aber zugeben können, ein sicherer
Beweis dafür, dass die Verwendung des Diamantpulvers bei den Alten aus-
geschlossen sei, ist nicht erbracht. Eine Unmöglichkeit, Rubine, Saphire und
Smaragde nach dem Stande der Technik bei uns im elften und zwölften Jahr-
hundert zu schleifen, liegt also nicht vor; sie können sowohl mit Schmirgel, als
mit Diamantstaub geschliffen sein.
Wir wollen nun unsere Gemmen einer näheren Untersuchung unterziehen;
vielleicht erfahren wir dann, wie die einzelnen Vertiefungen eingeschliffen sein
können. Zu diesem Zwecke empfiehlt es sich, die Nrn. 14, 15, 16, 19 und 20 aus-
zuscheiden, welche sämmtlich eine bedeutende Gonvexität besitzen. Nimmt man
von den Wachs-Abdrücken derselben einen Gyps-Abguss und schneidet diesen auf
der, Längsaxe einer Roggenkorn -Vertiefung durch, dann sieht man, dass die
Grundfläche dieser letzteren ganz eben ist. Diese 5 Gemmen können also, be-
günstigt durch die grosse Gonvexität, mit einer dünnen Kupferstange, einem
Kupferdrahte etwa, in der Weise geschliffen worden sein, welche Theophilus an-
giebt, um die Löcher der EMelsteinknöpfe auszufeilen. Von den weiteren Nummern
hätten wir nun 5, 6, 7, 9, 12, 17 und 21 auszuscheiden. Diese, ebenfalls stark
convexen Gemmen können auch auf ähnliche Weise eingeschliffen worden sein,
aber da die Grundfläche hier mehr oder weniger gebogen, auch die Stellung der
1} Marbodi, Liber lapidam seu de gemmis etc. Qöttingae 1799. § 1. De adamante.
§ 2. Incadis damno, percnssoromque labore
ünjus fragmentis gemmae scnlptuntur acutis
2) Briefe antiquarischen Inhalts. 32. Brief.
8) Pyrgoteles. Halle 1856. 8. 110.
4) Der betreffende Satz lautet: „Adamas, cum fe Heiter rumpi contigit, in tam parvas
frangitur cmstas, ut cemi vix possint. Expetontur a scalptoribns, ferroqne inclndontur,
Dullam non doritiam ex facili cavantes.'
5) a. a. 0. S. 228.
6) Amalthea von Böttiger. Bd. II. S. 10 u. 11.
7) Trait6 de pierres grav6es. I. p 156. Paris 1750.
8) Der betreffende Satz von Goguet, auf den sich Klotz stützt, lautet: „II est
constant que les Anciens ont parfaitement connn la propriet^ qa'a la poudre de Dia-
mant ponr mordre aar les pierres fines; ils en faisoient un grand usage, tant pour les
graver, que pour les tailler. Pline le dit expressement, et quand il ne Fauroit pas dit,
les chef-d'oeuvres que les Anciens ont produits en ce genre, et que nous avons encore
sons les yeux, le feroient assez connoitre.** Lessing, Anmerk. z. 82. Briefe.
(622)
Vertiefangen eine andere ist, so muss der Draht gebogen gewesen sein, — eine An-
nahme, der natürlich nichts im Wege steht. Nr. 18 wäre yielleicht hier auch noch
mit hinzuzurechnen.
Wir kommen nun zu den restirenden 8 Gemmen. Durchgeschnittene Oyps-
Abgüsse der genommenen Wachs -Abdrücke zeigen an der Unregelmässigkeit der
Bodenflächen der Vertiefungen ziemlich deutlich, dass sie nicht mit einer Scheibe
eingeschliffen sein können; die geringere Convexität und die Form und Stellung
der einzelnen Vertiefungen verbietet es ferner, anzunehmen, dass auch sie, wie
die anderen, mit einem geraden oder etwas gebogenen Draht eingeschliffen wurden.
Ueber die Herstellung dieser Gemmen habe ich mir eine feste Meinung noch
nicht bilden können. Hr. Ober-Ingenieur Oesten, welcher die durchgeschnittenen
Gyps-Abgüsse mit mir betrachtete, glaubt, dass sie mit einem, an der Spitze recht-
winklig umgebogenen Kupferdraht und sonst, wie oben angegeben, mit Schmirgel-
oder Diamantstaub eingeschliffen seien. Diese Annahme scheint mir etwas für sich
zu haben, und die Nrn. 1, 3, 4, 10 und 11 werden wohl auch so hergestellt sein.
Aber nun sind noch die mit den Nrn. 2, 8 und 13 bezeichneten Gemmen übrig.
Von diesen scheint es mir nicht wahrscheinlich zu sein, dass sie auf diese Weise
eingeschliffen wurden, ohne dass ich eine bessere Ansicht über die Art und Weise,
wie sie gefertigt wurden, aufstellen könnte.
Wir werden es also immerhin wohl anerkennen müssen, dass eine technische
Unmöglichkeit nicht Yorliegt, warum die Roggenkorn -Gemmen nicht mit Hülfe
eines der geschilderten einfachen Mittel in der Zeit des 10. bis 12. Jahrhunderts in
Deutschland gefertigt sein könnten. Weitere Funde werden darüber ja noch mehr
Aufklärung geben, und von diesen scheint einer schon gemacht zu sein.
Hr. Direktor Voss, Ton der prähistorischen Abtheilung des hiesigen Völker-
Museums, war so freundlich, mich auf das im Osnabrücker Domschatze be-
findliche sogenannte Schachspiel Carl's des Grossen aufmerksam zu machen.
Bei diesem, augenblicklich noch aus 15 Bergkrystall-Figuren bestehenden Schach-
spiel, dessen Entstehung Hr. Voss mit dem Hm. Dompropst B erläge in Cöln
in das elfte bis zwölfte Jahrhundert setzt, tragen die meisten der Figuren ganz
rohe Verzierungen eingeschliffen oder eingeschnitten, welchen man eine gewisse
Aehnlichkeit mit denen unserer Roggenkorn -Gemmen zugestehen kann. Leider
konnte ich Gyps-Abgüsse dieses Schachspiels bis jetzt noch nicht bekommen;
eine genaue Untersuchung dieser müsste ergeben, ob die Vertiefungen, wie die-
jenigen unserer Roggenkorn-Gemmen, eingeschliffen, oder mit dem Rädcheu her-
gestellt sind.
Wir haben die Roggenkorn -Gemmen nun nach allen Seiten beleuchtet, wir
sahen, wo und wie sie gefunden werden, wir haben ihr muthmaassliches Alter und
ihre Technik besprochen, aber wir wissen noch nichts Yon der Bedeutung der-
selben, ebenso wenig wie wir untersuchten, ob sie als Erzeugnisse heidnischer
oder christlicher Kunst anzusehen sind.
Wir finden die Roggenkorn -Gemmen, wie bereits erwähnt, immer zur Aus-
schmückung Ton Kirchengcrüthen verwendet, und zwar stets zusammen mit anderen
Edelsteinen, unter denen sich auch häufig klassische und andere mittelalterliche
Gemmen und Kameen befinden. Diese Kirchengeräthe sind vorzugsweise von
deutscher Arbeit und gehören dem zehnten, elften und zwölften Jahrhundert an.
Es sind uns, wie ebenfalls schon erwähnt wurde, keine Roggenkorn -Gemmen
bekannt geworden, welche aus einem der zahlreichen Grabfunde, die ja in so
grosser Menge zu den verschiedensten Zeiten und an den mannich faltigsten Stellen
Europas gemacht wurden, herstammen. Somit fehlt also die bei anderen Gegen-
(623)
ständen sich bisweilen bietende Gelegpenheit, aus gemeinsamen Fundsttlcken einen
Bückschluss auf die Entstehungszeit machen zu können.
Ebenso wenig kennen wir Roggenkorn -Gemmen, welche sich als einzelne
Stücke in irgend einer Sammlung befänden. Allerdings würde uns das, auch wenn
es der Fall wäre, in unserer Renntniss nicht sehr gefordert haben, denn sie hätten
ja auf die mannichfachsie Weise erworben sein können, welche ebenfalls die Zeit
ihrer Entstehung nicht mit Sicherheit aufzuklären vermöchte. Von alledem ist
bei unseren Roggenkorn- Gemmen keine Rede, wir kennen eben nur derartige
Stücke, welche sich an frühmittelalterlichen Rirchengeräthen befinden, was wir
vor allen Dingen festhalten müssen, wenn wir zunächst versuchen wollen, dem Ur-
sprung der Roggenkorn- Gemmen nachzuspüren.
Im Mittelalter, dem zehnten bis zwölften Jahrhundert, war im Grossen
und Ganzen schon in dem grössten Theile von Deutschland, abgesehen von den
durch die Wenden bewohnten Gegenden unserer engeren Heiniath, von einem
Heidenthum keine Rede mehr. Unter Carl's des Grossen und seiner Nach-
folger Hülfe hatten die christlichen Priester fast allerorten, mit Ausnahme der
slavischen Gegenden Nord-Deutschlands, das Rreuz aufgepflanzt; und selbst die
Wenden, deren grosse und bis jetzt noch in mancher Hinsicht räthselhafte, dem
„Radegast^ und „Swantewit" geweihte Heiligthümer Rethra und Arkona in dieser
Zeit^) zerstört wurden, mussten sich mehr und mehr bequemen, zu dem Christen-
thume überzutreten.
Halten wir alle diese Thatsachen fest imd vergegenwärtigen wir uns noch
einmal, dass unsere Roggenkorn -Gemmen bis heute nur an Gegenständen ge-
funden wurden, welche zu der Ausübung des christlichen Gultus in irgend einer
direkten Beziehung stehen, dann werden wir auch wohl mit einiger Wahrschein-
lichkeit annehmen dürfen, dass wir es mit Arbeiten christlicher Rünstler zu thun
haben xmd dass die Roggenkorn -Gemmen für diese kirchlichen Geräthe, welche
sie heute noch schmücken, auch eigens angefertigt worden sind.
Wir haben uns nun noch mit der letzten und schwierigsten Frage zu be-
fassen, nehmlich mit derjenigen: Was bedeuten die Roggenkorn -Gemmen?
Eine sichere xmd nach allen Richtungen hin zufriedenstellende Antwort vermag
ich, wie ich gleich vorausschicken möchte, trotz aller angewendeten Mühe, auf
diese Frage nicht zu geben. Alle Versuche einer Deutung und Erklärung, welche
man machen kann, haben ihre recht erheblichen Lücken. Ich will es aber nicht
unterlassen, hier anzuführen, woran bei den Roggenkorn -Gemmen etwa gedacht
werden könnte.
Man könnte annehmen, wir hätten es mit irgend welchen mystischen Zeichen
zu thun, und hier könnte man in erster Linie an die Gemmen der alten Gnostiker
denken; aber die Blüthezeit dieser liegt um mehrere Jahrhunderte früher, als
diejenige, welche wir geneigt sind, für die Entstehung der Roggenkom-Genmien
anzunehmen. Auch finden wir in den dargestellten Figuren der Roggen-
korn-Gemmen keinen Anklang an die verwickelte Symbolik gnostischer Dar-
stellungen.
Wir haben es bekanntlich bei diesen mit einer sehr ausgebildeten Symbolik
von thierischen und menschlichen Figuren, verbunden mit kabbalistischen Zeichen
aller Art, zu thun; aber die ganze Darstellung ist vo# derjenigen unserer Roggen-
korn-Gemmen so sehr verschieden, die Technik im Gegensatze zu der der
1) Rethra sogar zweimal, 955 und 1150, Arkona 1168.
(624)
Roggenkorn -Gemmen so ausgebildet, dass wir den Gedanken an eine Ver-
wandtschaft zwischen ihnen Tollständig ablehnen müssen.
Nun könnte man fernerhin annehmen, die Roggenkorn -Gemmen wären eine
Art von Rangabzeichen in einer geistlichen Brüder-Gemeinschaft gewesen; aber
auch hierfür fehlt es an genügenden Anhaltspunkten, und es ist mancherlei, was
dagegen spricht Hätten die Roggenkorn -Gemmen wirklich die Bedeutung von
Rangabzeichen gehabt, dann waren sie doch auch jedenfalls dazu bestimmt,
während der Lebzeiten des Besitzers deutlich sichtbar getragen zu werden, um erst
nach dem Tode desselben an ihren heutigen Platz zu kommen. In diesem Falle
könnten wir erwarten, wenigstens einige derselben in einer Fassung vorzufinden,
die ein Tragen der Gemraeti am menschlichen Körper möglich und wahrscheinlich
machte.
Nun kennen wir allerdings eine Roggenkorn -Gemme, deren Fassung allen-
falls diesem Zwecke entsprechen könnte, wir meinen die vorletzte Gemme der
Fund-Tabelle, welche, als einzige von allen, einem grossen Fingerringe als Schmuck-
stein dient. Jedoch bei dieser einen sind wir geneigt, anzunehmen, dass sie sich
nicht in ihrer ursprünglichen Fassung befindet. Die Gründe für diese Annahme
sind weiter oben schon entwickelt. Also auch diese Hypothese vermag uns nicht
zu befriedigen.
Es Hesse sich femer die Frage aufwerfen: Könnten nicht die Roggenkorn-
Gemmen als eine Art von Ursprungszeichen, als Künstlermarke, oder vielleicht
auch als die Marke eines Stifters betrachtet werden? Träfen wir hiermit die
richtige Bedeutung, dann hätten wir gleich eine Erklärung für die zuweilen ver-
steckte und oft unregelmässige Anbringung der genannten Steine. Denn ebenso
gut, wie heut zu Tage ein Steinmetz sein Zeichen oder ein Künstler seinen
Namen versteckt anbringt, ebenso gut hatten die Verfertiger der Roggenkorn-
Gemmen dann ihre Gründe, dieselben gerade so und nicht anders anzubringen.
Gegen diese Annahme würde nun scheinbar die theilweise so grosse Anzahl
von Gemmen sprechen, welche wir in einigen wenigen Fällen an einem Gegen-
stande vereinigt finden. Man würde also, wenn diese Gemmen die Bedeutung von
Kflnstlermarken hätten, annehmen müssen, dass mehrere Ktinstler an den be-
treffenden Geräthen gearbeitet hätten. Da haben wir also gleich wieder eine neue
Schwierigkeit, denn eine solche Annahme ist in hohem Grade unwahrscheinlich
und widerspricht auch dem, was wir sonst über das mittelalterliche Kunsthandwerk
wissen. Hier würden wir einigermaassen aus der Verlegenheit kommen, wenn wir
annähmen, dass die Gemmenzeichen nicht Künstlermarken, sondern die Marken
von Stiftern gewesen sind. Das zuweilen mehrfache Vorkommen wäre dieser An-
nahme nicht im Wege, wenn man bei den mehrfach mit Roggenkorn -Gemmen
geschmückten Kirchengeräthen annehmen dürfte, dass sich mehrere Personen zur
Stiftung eines solchen doch immerhin recht kostbaren Stückes vereinigt hätten.
Hierüber wird sich vielleicht noch mehr ermitteln lassen, wenn man so weit
als möglich der Entstehungsgeschichte jedes einzelnen mit Roggenkorn-Gemmen
geschmückten Geräthes nachspürt, eine Arbeit, welche ich in der nächsten Zeit
nicht aus den Augen lassen werde. Möglicherweise findet sich hierbei für eine
dieser Annahmen ein Fingerzeig.
Nun müsste endlich nodl eine Möglichkeit in Kürze besprochen werden. Ver-
suchen wir einmal, uns vorzustellen, in welcher Weise der alte Künstler sein
Reliquiar anfertigte. Nachdem der innere Holzkasten fertig war, ging er daran,
ihn mit Gold- oder Silberblech zu beziehen. Bei dieser Arbeit schon theilte er
sich jedenfalls die Plät/e für die ihm zur Verfügung stehenden Edelsteine ein*
(625)
Zur AusschmückuDg hatte er nngeschnittene Edelsteine und mancherlei Gemmen
und Cameen zu verwenden. Hier ist nun zu beachten, dass man eine gewisse
Symmetrie in der Platzbestimmung für die ausschmückenden Edelsteine bei fast
allen mir bekannten derartigen Geräthen beobachten kann, eine Symmetrie, die
meist auch selbst noch die Farbe der yerschiedenen Steine sehr genau berück-
sichtigt. Nur in Ausnahmefällen findet man an symmetrischen Stellen Steine ver-
schiedener Form oder Farbe; es gilt diese Regel nicht unbedingt, aber die Zahl
der Ausnahmen ist eine nur geringe.
Kommen wir nun darauf zurück, dass einem solchen Künstler, wie oben schon
erwähnt, als Edelstein-Material Gemmen, Cameen und ungeschnittene Edelsteine
verschiedener Farbe für seine Arbeit zur Verfügung standen, dann ist wohl anzu-
nehmen, dass unser Künstler dieses Material erst einmal nach Form und Farbe
sortirte, wobei er wahrscheinlich die vorhandenen Gemmen und Cameen besonders
beachtete. Nun brachte er die verschiedenen Steine an den ihnen bestimmten
Stellen in der Weise an, dass sie im Ganzen ein möglichst symmetrisches Ge-
sammtbild zeigten. Sehr oft werden aber einzelne geschnittene Steine gefehlt
haben, um das beabsichtigte Gesammtbild zu erreichen. Könnte nun nicht unseren
Künstlern der Gedanke gekommen sein, selbst einmal zu versuchen, Gemmen zu
schleifen oder zu schneiden?
Wenn wir mit dieser Annahme das Richtige getroffen haben, dann wurde
wahrscheinlich in der Weise weiter gearbeitet, dass man nun versuchte, eines oder
das andere der zur symmetrischen Vollständigkeit etwa fehlenden Intaglios selbst
anzufertigen. Dazu hatte man nun nöthig, entweder selbst Zeichnungen zu com-
poniren, oder vorhandene Gemmen nachzubilden. Bei der geringen Uebung der
damaligen Steinschneide-Künstler dürfen wir vielleicht annehmen, dass dieselben
vorzogen, eine vorhandene Gemme, so gut als möglich, zu copiren. Eine Ge-
wissheit existirt jedoch in dieser Hinsicht nicht. Bis jetzt hat es mir wenigstens
nicht gelingen wollen, eine andere klassische oder mittelalterliche Gemme auf-
zufinden, deren Copie man mit Sicherheit in einer der Roggenkorn -Gemmen
nachweisen könnte.
Allerdings dürfen wir uns nicht nur an bekannte Gemmen halten, um die be-
sprochenen Vorlagen zu finden. Möglicherweise hat der alte Künstler doch frei
nach seiner Phantasie gearbeitet, um irgend welche Gegenstände oder Symbole
nachzubilden. Aber auch in dieser Hinsicht gelang es mir nicht, etwas zu er-
mitteln, so dass man mit Sicherheit sagen könnte, diese Roggenkorn-Gemme stellt
das und das vor.
Ich bin also nicht im Stande, hinsichtlich der in den verschiedenen Roggen-
korn-Gemmen etwa beabsichtigt gewesenen Bilder eine mehr oder minder wahr-
scheinliche Behauptung aufstellen zu können. Aufmerksam machen möchte ich
jedoch noch auf die drei letztgezeichneten Gemmenbilder, auf die Nrn. 19, 20
und 21. Wir sehen hier jedesmal unter Anderem ein mehr oder weniger schräg
liegendes Kreuz. Diese drei Kreuze, von denen jedes wieder einen bis drei
Anhängsel hat, scheinen, nach der eigen thümlichen Art der Darstellung zu ur-
theilen, unter sich verwandt zu sein. Ferner lässt sich die auf Nr. 21 ab-
gebildete Rosette in zwei über einander liegende Kreuze zerlegen. Das sind lauter
Umstände, welche man wohl zur Grundlage weiterer Forschungen machen muss,
obgleich eine zufällige Uebereinstimmung der genannten Formen nicht ganz aus-
geschlossen ist.
Wenn es uns nun auch nicht gelang, bestimmte Beweise dafür beizubringen,
dass die Roggenkorn-Gemmen gewissermaassen als die Resultate der ersten Stein-
VtrbaoilL der BerU AotbropoL 0«8ellaehftlt 1891. 40
(626)
schneide-Versuche unserer Künstler zu betrachten sind, so glauben wir doch in
Folgendem einen Beweis für die Beachtung der Boggenkom-Gemmen von Seiten
der Yerfertiger diesbezüglicher Kirchengeräthe gefunden zu haben.
In dem Hildesheimer Domschatz befindet sich ein etwa um das Jahr 1010
angefertigtes Eyangeliarium, dessen mit vielen Edelsteinen geschmückter Deckel
auch eine Roggenkorn-Gemme trägt, unter einer, die Mitte dieses Deckels ein-
nehmenden Elfenbein-Schnitzerei, Jesus, Maria und Johannes in erhabener Arbeit
darstellend, sehen wir das griechische Doppelkreuz mit dem Bilde des Er-
lösers. Oben rechts und links sind zwei schräg liegende Edelsteine. Auf den
correspondirenden Ecken unten sehen wir rechts eine eigenthümliche Gemme mit
zwei Vögeln und links eine zweifigunge Roggenkorn-Gemme.
Der rechts und links und oben wie unten noch sehr reich mit Edelsteinen
geschmückte Buchdeckel hat weiter keine Gemmen, jedoch noch einen auf dem
Kopfe stehenden Cameo. Man sieht, der Künstler hat hier die Roggenkorn-
Gemme in ganz bestimmte Beziehung zu der einzigen anderen Gemme gebracht.
Trotzdem kann es natürlich nicht unsere Absicht sein, schon jetzt diese, vielleicht
auch zufällige Platzeintheilung zu festen Schlüssen zu benutzen. Wir müssen sie
aber beachten, um so mehr, da man auch bei anderen Kirchengeräthen nicht will-
kürlich vorgegangen zu sein scheint. Damit wären wir an dem Schlüsse dieser
kleinen Arbeit angelangt, allerdings ohne die Frage der Roggenkorn-Gemmen be-
friedigend gelöst zu haben.
Soll ich meine Ansicht noch einmal recapituliren , so glaube ich, dass wir
in den Roggenkorn -Gemmen eine in sich abgeschlossene und unter sich zu-
sammengehörige Gruppe von Werken der Gemmen-Schneidekunst vor uns haben.
Dieselben sind die Arbeit christlicher Künstler und sind in dem Zeiträume von
dem neunten oder zehnten Jahrhundert bis zu dem zwölften Jahrhundert eigens
für die Ausschmückung von Geräthen des christlichen Cultus in Deutschland ge-
fertigt worden. Was für eine Bedeutung sie aber ursprünglich besessen haben,
das bin ich leider ausser Stande zu bestimmen.
Tabelle
sftmmtlicher Roggenkom-Gemmeiiy welche bis Jetzt bekaniit geworden sind.
Gegenstand
Kreux Berengars I.
Reliquiar
Lotharkreoz ....
Kreuz
Evangeliar
Codex aureus . . .
Entstehungs-
zeit
Heutiger
Standort
Gestein')
IX. Jahrb. BasilicadiMonza
IX.-X.
X.
X.
X.
X.-XI.
do. '
Dom zu Aachen
Münsterkirche '
zu Essen
do.
Kgl. BibUothek,
Manchen
?
?
Saphire und
Aquamarine
Amethyst
Almandine
?
Anzahl der
Einschnitte
1|2
3 4 5
uud
mehr
! l
111
21-1 2
ll2 1 —
h- 1 — 1 1 1
e _
il
c "
8
1
6
1
8
3
1) Eine Garantie für die richtige Bezeichnung der Steine kann ich nicht übernehmen.
(627)
Gegenstand
Entstehungs-
zeit
Heutiger
Standort
Gestein
Anzahl der
Einschnitte
1
a
1 2,3
4
5
nnd
mehr
Gemme
summe
Bjz. Buchdeckel
Erphokreuz,
Buchdeckel ....
Evang. d. h.Aribert
Baseler Kreuz . . .
Kleines Bas. Kreuz
£y. d. h. Bemnlph
„ d. h. Bemward
Buchdeckel . . . .
Buchdeckel ....
(Niedermünster)
Kapitelskreuz . . .
Prachtkreuz ....
Reliquiar
Herme d. h. Blasius
Godehardsarg . . .
Annoschrein ....
Schrein d. heiligen
drei Könige
Crispinusschrein .
Kreuzreliquientafel
Kusstafel
Maria-Statuette . .
Reliq. d. h. Anna .
King
Reliquiar
Beliq. in Armform
31 Gegenstände
X.-XI. Jahrh.
XI. „
XI. ,
XI.
XL
XL
XI.
XI.-XIL
XL-xn.
xn.
xn.
XII.
xn.
xn.
xn.
XIL
XII.
xnL
XV.
XV.
XVI.
?
?
?
n
n
Markus-Bibl.,
Venedig
Mauritzkirche,
Münster
Emmeran b.
Bamberg
Mailand
Königl. G.-M.,
Berlin
do.
Utrecht, Erzb.
Museum
Dom, Hildesheim
?
Kgl. BibUothek,
München
Dom, Osnabrück
Dom, Fritzlar
Köniffl. G.-M,
Berlin
K.k. G.-M., Wien
Dom, Hildesheim
, Dom, Siegburg
I
I
Dom zu Cöln
Dom, Osnabrück
Matthiaskirche
I zu Trier
' Königl. G.-M.,
I Berlin
Dom, Borghorst
j Dom, Minden
! K. G.-M., Berlin
I do.
I Gereon, Cöln
?
?
?
1
1
Bubin, Saphir,
Almandine,
Amethyste
Saphir und
Ultramarin
Almandine
?
?
?
Almandine
Almandine und
Aquamarin
Saphir
do.
?
Almandine und
Aquamarin
Almandine und
Saphire
Saphir
Bergkrystall
Almandine
Saphire oder
Aquamarine
Almandine
?
Almandin
Bergkrystall
3j2
I
i;i
1 1
1
1
1
2
1
1
1
2
1:2
3 1
I
- l
1
1
1
2
1
1
3
9
8
3
1
1
1
2
3
2
3
4
10»)
1
4»)
2
3
2
1
1
1
82
1) Der Schrein der heiligen drei Könige in Cöln und die Kreuz-Beliquientafel in Trier
sind noch mit bedeutend mehr Roggenkorn-Gemmen geschmückt; es fehlte an Zeit, Ab-
drücke Ton allen zu nehmen.
40*
(628)
Der Vorsitzende macht darauf aufmerksam, dass sich kleine gradige Intaglios,
ähnlich angeordnet, wie die „Roggenkörner", an den Ton Hrn. Lehmann ror-
gezeigten babylonischen Gewichten dai^gestellt finden (S. 522 — 26).
(16) Hr. Dr. Franz Boas übersendet aus Worcester in Massachusetts ein
grösseres Manuscript über
Sa^n ans Britisch-Colambieii.
(Forteetzong von S. 576.)
IV. Sagen der Cowitchin (K*auetcin).
1. Qals.
Vor langer, langer Zeit stieg ein Mann, Namens Qals, Tom Himmel herab. Als
er zur Erde gekommen war, wanderte er durch alle Länder und besuchte alle
Völker, die Guten belohnend, die Schlechten bestrafend.
1) Einst kam er nahe der Mündung des K'au'etcin-Flusses ans Meer. Dort
wohnte auf dem Hügel bei Cowitchin Wharf ein Mann, Namens Hä'makos. Am
Fusse des Hügels wohnte ein Freund Hä'makos". Als der erstere Qals heran-
kommen sah, rief er seinen Freund: „Komme rasch zu mir, ehe Qals kommt und
Dich yerwandeli^ Der Freund beeilte sich, den Hügel hinaufzulaufen; che er
aber hinauf gelangte, hatte Qäls ihn erreicht und rerwandelte ihn in einen Stein.
2) Qäls ging weiter am Strande entlang. Da sah er eine Frau im Wasser
schwimmen. Ein Mann hatte sich hinter einem Steine yersteckt, hinter jdem er
hervorlugte und ihr zusah. Er verwandelte beide in Steine.
3) Und er traf einen Mann, welcher Muscheln schärfte, um sie als Spitzen
für seine Pfeile zu gebrauchen. Er fragte: „Was machst Du da?^ Jener antwortete:
„Wenn Qäls konunt, will ich ihn mit diesen Pfeilen erschiessen.*^ Er erkannte ihn
nehmlich nicht. Qäls liess sich die Muscheln geben, schlu^ sie jenem in den
Kopf und verwandelte ihn in einen Hirsch, indem er sagte: „Nun springe davon!
Künftig sollen die Menschen Dich essen!''
4) Qäls ging weiter und kam nach K'umie'k'en. Dort traf er einen Mann,
Namens Späl. Dieser war im Begriffe, einen Hirsch abzuziehen, und Qäls sagte
zu ihm: „Sei vorsichtig beim Abziehen des Hirsches. Ich habe ihn getödtet, mein
Pfeil steckt noch drinnen. Zerbrich ihn mir ja nicht^ Spal fuhr heftig in die
Höhe und rief: „Was fällt Dir ein. Ich selbst habe den Hirsch getödtet Mir
gehört er, ich werde damit thun, was ich will, und Du hast Dich nicht darum zo
kümmern!^ Qäls sagte nochmals: „Hüte Dich und zerbrich meinen Pfeil nicht!"
aber Späl kümmerte sich nicht um seine Worte, lud den Hirsch auf den Rücken
und ging nach Hause. Qäls nahm nun vermodertes Holz und warf ein Stück auf
den Rücken und eines auf das Geweih des Hirsches; dann nahm er einen Stein
und zauberte ihn in den Magen des Hirsches. Als Späl nach Hause kam, warf
er seine Last nieder, nahm den Hirschmagen und ging ins Haus. Dort sagte er
zu seiner Frau: „Sieh Dir doch draussen den grossen Hirsch an, den ich eriegt
habe.^ Seinem Kinde warf er den Magen zu, der gerade dessen Leib traf und es
tödtete, denn er war plötzlich Stein geworden. Die Frau aber fand draussen nichts,
als einen Haufen vermodertes Holz. Das hatte Qäls gethan.
Dieser aber traf im Walde einen anderen Mann, der ebenfalls im Begrüfe war,
einen Hirsch abzuziehen. Qäls trat zu ihm und sprach: „Sei vorsichtig beim Ab-
ziehen des Hirsches. Ich habe ihn getödtet, mein Pfeil steckt noch drinnen. Zer-
brich ihn mir ja nicht.^ Jener versprach darauf zu achten. Da sagte Qftls: «Lade
den Hirsch auf Deine Schultern und gehe nach Hause. Du wirst mich später noch
(629)
wiedersehen. ** Jener that, wie ihm geheissen. Und der Hirsch wurde schwerer
und schwerer, so dass er ihn schliesslich kaum noch tragen konnte. Als er zu
Hause ankam, rief er seine Frau und bat sie, ihm zu helfen, den Hirsch abzuladen.
Da fanden sie, dass er während des Heimweges ungemein fett geworden war, und
sie konnten viele Risten mit dem Hirschfette fällen.
Als Späl dies hörte, sandte er seinen Sohn zu seinem glücklichen Nachbar,
ihm einen Fisch zu bringen, denn er hoffte, dass er etwas Fett als Gegengeschenk
erhalten werde. Jener aber nahm den Fisch nicht an. Da ging Späl selbst hin-
über, ihm den Fisch anzubieten, aber er konnte den Nachbar nicht bewegen, den-
selben anzunehmen. Darüber schämte er sich so, dass er den Fisch fortwarf. Er
ging wieder auf Jagd aus. Als er einen Hirsch erlegt hatte, trat wieder Qäls auf
ihn zu und behauptete, sein Pfeil stecke in dem Hirsche. Wieder folgte Späl nicht
seinem Verlangen, auf den Pfeil zu achten, und daher verwandelte Qäls auch diesen
Hirsch in vermodertes Holz. Der andere Mann dagegen folgte ihm, und er be-
schenkte ihn wieder, indem er das Fett des Hirsches sich vermehren Hess. Dann
verwandelte er Späl in einen Raben, den anderen aber in eine Möwe.
5) Und Qäls wanderte weiter. Einst traf er einen Mann, welcher einen blauen
Mantel trug und weit und breit als unverbesserlicher Dieb bekannt war. Diesen
verwandelte er in den Blauhäher. Einem anderen schlug er zwei Hölzer in den
Kopf und verwandelte ihn in ein Elk; und er schuf den Bären, die Enten und
viele andere Thiere.
6) Er ging weiter den Cowitchin-Fluss hinauf und kam nach R'ua'mitcan.
Dort lebte ein mächtiger Häuptling, Namens R-'e'sek'. Als Qäls kam, stand jener
vor seinem Hanse. Sie blieben einander gegenüber stehen und versuchten sich
durch ihre Blicke gegenseitig zu besiegen. Endlich zeigte sich Qäls als der Stärkere
und R''S'sek' stieg in den See Qä'tsa hinab, wo er noch heute lebt. Er erschuf
die Forellen in Q^'tsa und von dort schwammen sie die Flüsse hinab.
7) Ueberall im Cowitchin-Flusse kann man Qäls Werke sehen: Menschen
und Hunde, die er in Stein verwandelt hat, sein Boot — jetzt ein mächtiger Fels-
block im Flusse — und den Pflock, an den er sein Boot zu binden pflegte. Auch
dieser wurde in Stein verwandelt.
8) Und er wanderte weiter. Endlich kam er zu den Ts'ä'mes in LEk'ü'men
(bei Victoria). Diese waren beschäftigt, Flundern zu fangen. Sie brachten die
Fische ans Land und spiessten sie auf Stöcke, die sie in die Erde steckten. Da
fragte Qäls: „Was macht Ihr denn da mit Euren Fischen?^ n^ii* wollen sie von
der Sonne braten lassen,'^ antworteten jene. ^Versteht Ihr denn nicht, Feuer zu
machen?^ fragte Qäls. Als sie seine Frage verneinten, lehrte er sie das Reibe-
feuerzeug machen und überzeugte sich, ob sie es verstanden hatten.
2. Siälatsa.
Im Anfange war die Erde unbewohnt Da aber kam Siä'latsa vom Himmel
herab nach Qä'tsa (Quamitchan-See) und baute ein Haus daselbst. Am folgenden
Tage stieg Swutlä'k* vom Himmel herab, dann eine Frau, Namens R'ola'tsiwat.
Am nächsten Tage kam Suksä'kulak', dann Sk'ug'lsm, Swik*'em'ä'm, Siai'imken
Rto'qcin, He'uk'£n, gtlä'set, QaiötsE'mk'En und QuitE'qtEn, jeder an einem Tage
vom Himmel herab. Sie gingen nach Tsu'k'ola und bauten Häuser. Siälatsa
aber trug einen bemalten Stab, vermittelst dessen er Ungeheuer zu tödten ver-
mochte und Rranke heilte. Sein Gesicht war bunt bemalt mit rother und
schwarzer Farbe. Zuerst traf er einen S'etlkg (doppelköpfige Schlange). Er Hess
seine Leute eine Fichte fällen und zerschlagen. Dann gruben sie ein tiefes Loch,
(630)
in das sie das Holz warfen. Siälatsa ging nan ans, lockte den S^S'tlke in die Grabe
und dort wnrde er verbrannt.
Nun sandte er Swutlä'k' den Fluss hinab. Dieser traf bei T'aetsela (der Platz,
wo Mr. L Omar ^s Haus steht) den Sts'e'enkoa, nahm einen Stab aus hartem Holze
und spiesste die Zunge des Ungeheuers daran auf. Trotzdem verfolgte ihn der
Sts'e'enkoa, jedesmal aber, wenn er Swutlä^k- beinahe eingeholt hatte, stach dieser
ihn in die Zunge. So erreichte er sein Haus, vor welchem sich das tiefe Loch
befand. Sts'e'enkoa fiel hinein und wurde ebenfalls verbrannt Dann ging Swntlä'k'
zu dem steilen Felsen in Maple Bay und tödtete einen anderen S'e'tlke, welcher
daselbst lebte.
Einst ging Swutlä'k' nach Rau'ämen bei Sä'menos und sah daselbst viele
Lachse. Er theilte Siälatsa mit, was er gesehen hatte. Da gingen sie zusammen
nach Rau'ümen und bauten ein Haus. Siä'latsa Hess die Leute einen Baum fällen
und das untere Ende desselben brennen und zuspitzen SwuthVk* stellte dann den
Baum aufrecht an eine Seite des Flusses und stellte einen zweiten ebenso an der
anderen Seite des B^lusses auf. Einen dritten Stamm legte er quer über die beiden
ersten und band ihn fest. Hieran befestigte er viele senkrechte Stäbe. So machte
er das erste Lachswehr, und die Menschen hatten reichlich Nahrung.
Siä'latsa sah nun viele Hirsche und dachte nach, wie er dieselben fangen
könne. Er liess seine Leute in den Wald gehen und Cederzweige holen. Dann
befahl er ihnen, dieselben zu erwärmen und Seile daraus zu machen, aus denen
er ein Netz herstellte. Niemand aber wusste, was er damit thxm wollte. Als das
Netz fertig war, ging er mit den Leuten in den Wald und liess es zwischen
den Bäumen ausspannen und oben an einem Querbalken befestigen. Dann liess
er die Hirsche gegen das Netz treiben und tödtete sie, wenn sie sich darin ge-
fangen hatten. Als die Leute aber auch Elche hineintrieben, brachen dieselben
durch die Netze, denn sie waren sehr stark. (Nach anderer Version brachen
die Cederseile, als sie trocken wurden.)
Da sann Siä'latsa nach, wie er nun Hirsche fangen könne. Er wusste aber,
dass auf dem Berge Swuq'ä's das Ungeheuer Stlälakam') wohnte, welches ein
nadelscharfes Hörn im Genick trug. Er ging nun mit allen seinen Leuten auf den
Berg. Als diese das Ungeheuer erblickten, liefen sie voll Schrecken von dannen.
Siälatsa aber sprach: „Was fürchtet Ihr Euch?^ und ging auf das Ungeheuer zu,
indem er sich auf seinen Stab stützte. Da schlief dasselbe ein. Er berührte es
mit dem Stabe und nannte es Wok'ä's. Dann kraute er es auf dem Kopfe und
Wok'^ä's bewegte vor Behagen seine Ohren. Dann liess er zehn Leute ein Seil
aus Cederzweigen machen und legte dasselbe Wok''ä's über den Nacken. Zehn
Leute hielten das Seil und filhrten ihn herab nach Tsu'kola. Dort fanden
sie viele Hirsche und Elche. Als Wok'ä's dieselben witterte, wollte er sich auf
sie losstürzen. Die zehn Leute aber hielten ihn fest, bis Siälatsa ihnen befahl,
das Seil loszulassen. Sogleich stürzte sich Wok'ä's auf das Wild und tödtete es,
indem er ihnen das Hora in den Bauch stiess.
Siä'latsa liess nun die Hirsche abziehen und befahl den Leuten, die Rücken-
sehnen zu spalten und mit Steinen weich zu klopfen. Dann liess er Seile daraus
machen und ein neues Netz flechten. Als die Leute dasselbe aber aufstellen
wollten, zeigte es sich, dass dasselbe zu klein war. (Nach einer anderen Veraion
brieten und assen die Leute in einer Uungersnoth das Netz.) Darüber ward
Siä'latsa sehr zornig und legte sich ins Bett Ein kleiner Knabe, welcher im Dorfe
1) Stlalakani hedeat«t irgend ehras üebematürlichf'S.
(631)
spielte, kam in das Haus und sah ihn zornig im Bette liegen. Da fürchtete er
sich, lief hinaus und erzählte den Leuten, dass Siä'latsa zornig sei und im Bette
liege. Die Leute versammelten sich alle in einem Hause und sprachen zu ein-
ander: „Sia'latsa zürnt uns und wird Wok''ä's auf uns hetzen, lasst uns lieber aus-
wandern." QaiütsE'mk-En, Qtlä'set, He'uk'En, Kto'qcin, Qoa'qotcin und Susk''eme'n
wanderten nach SQue'lcn am Nanaimo-Flusse aus und wurden die Stammväter der
SnanaimuQ. (Diese Namen stimmen nicht mit denen der SnanaimuQ-Geschlechter
Uberein, wie ich dieselben in Nanaimo selbst erkundete.) Zehn andere gingen
nach Sküts und wurden die Stammväter der Rolk'uisala. Wieder zehn gingen
nach S'ö'lak oatl und wurden die Ahnen der Tsime'nes.
Am nächsten Morgen, als Siälatsa sich erhob, fand er, dass Niemand mehr
dort war, und er wusste nicht, wohin die Leute gegangen waren. Auch Wok'^ä's,
den er Tags zuvor am Hause festgebunden hatte, war verschwunden. Da ging
Siü'latsa nach R'auä'men bei S'ä'meiios und baute sich ein neues Haus.
Zu jener Zeit lebte auch in Sä'ok ein Häuptling, welcher vom Himmel herab-
gestiegen war. Derselbe hatte eine Tochter. Eines Tages sprach er zu dieser:
„Iss nicht zu viel, denn ich glaube,. Siälatsa wird kommen und dich zur Frau be-
gehren. Ich weiss, in seinem Lande giebt es keine Frauen.*^ Das Mädchen ge-
horchte; da aber Siä'latsa nicht erschien, ward sie ungeduldig. Sie fOllte einen
Korb mit Beeren und Seehundfleisch und ging mit einer Sklavin aus, ihn zu suchen.
Nach langer Wanderung kam sie auf dem Gipfel der Berge an der Südseite des
Gowitohin-Thales an. Von hier aus sah. sie in S^ä'menos und R'umie'ken Rauch
aufsteigen und sie dachte, dass dort Sia'latsa wohnen müsse. Sie stieg zum Flusse
hinab, und als sie daselbst ein Lachswehr sah, dachte sie, Siä'latsa müsse dasselbe
gemacht haben. Nachts legte sie sich im Walde nieder und schlief. Am nächsten
Morgen sah sie einen Mann vorüberkommen, der trug einen Fellmantel und Bogen
und Pfeile. Da dachte sie, jener müsse Siälatsa sein. Sie schlich ihm un-
bemerkt nach, um zu sehen, wo er lebe und was er thue. Er ging in sein Haus
and die Mädchen lugten durch eine Ritze hinein. Da sahen sie, dass er sich
eine Frau aus Holz geschnitzt hatte, und dass er ihr zu essen gab. Als Siälatsa
nun wieder auf Jagd gegangen war, gingen sie ins Haus, um die Holzfigur zu be-
sehen. Da fanden sie, dass sie eine Spindel in der Hand hielt und dass Siälatsa
ihr Hirschfett vorgesetzt hatte. Sie assen das Fett und versteckten sich. Als
Siälatsa nun zurückkam und fand, dass die Nahrung, welche er der Holzfigur vor-
gesetzt hatte, verschwunden war, freute er sich, denn er glaubte, sie werde nun
lebendig werden.
Am folgenden Morgen ging er wieder zur Jagd aus, nachdem er seiner Frau
Essen vorgesetzt hatte. Da kamen die Mädchen aus ihrem Verstecke hervor. Die
Häuptbngstochter zerbrach die Figur, warf sie ins Feuer und hing sich ihre Kleider
um. Die Sklavin aber versteckte sich im Walde. Als Siälatsa nun zurückkam,
war er sehr erfreut, seine Holzfrau lebendig zu finden und legte sich mit ihr zu
Bette. Bald aber erblickte er eine Holzhand im Feuer und wusste nun, dass jene
eine Fremde war, die sein Schnitzwerk verbrannt hatte. Er ward so zornig, dass
er roth im Gesicht wurde, und sagte nur: „Ts, ts, ts, ts^ (inspirirt). Nach einiger
2ieit aber dachte er, es sei doch besser, eine wirkliche Frau zu haben, als eine
Holzfrau, und ward wieder guter Dinge. Am folgenden Morgen rief die Frau die
Sklavin aus dem Walde hervor und sagte: „Fürchte Dich nicht, komme hierher an
unser Feuerl" Als Siälatsa nun die Sklavin sah, wollte er sie auch zur Frau
nehmen, aber die Häuptlingstochter sprach: „Sie ist eine Sklavin und nicht gut
genug für Dich. Gieb sie einem Deiner Leute.^ Siälatsa war es zufrieden. Er
(632)
rief seine Leute zusammen und fragte: „Wer y^n Euch will dieses Mädchen zur
Frau haben?" Sogleich stürzten drei Männer hervor, um sie zu nehmen. Einer
fasste sie am rechten Arm, einer am linken und der dritte um den Leib. '„Halt,^
rief da Siä'latsa, ^nur einer von Euch kann sie haben" und er gab sie demjenige»,
welcher sie um den Leib gefasst hatte.
Siä'iatsas Frau gebar ihm bald einen Sohn, dann drei Töchter und dann wieder
einen Sohn. Einst peinigten die drei jüngsten Rinder die älteste Tochter, welche
Tlk'ä'isis hiess, mit spitzen Stöcken, bis sie blutete, und leckten dann das Blut ab.
Das Mädchen ward nun sehr krank. Da ging Siä'latsa nach R'umielcen hinunter,
um R'uIe'miltQ und Ckuä'wules zu rufen, damit sie das Gesicht des Mädchens be-
malton und sie so heilten. Sie erwiderten auf sein Qesuch: „Wir wollen unseres
Bruders Bitte erfüllen und seiner Tochter Herz stark machen.** Sie gingen hinauf
nach Siä'latsas Hause und bemalten das Gesicht seiner Tochter. Dann kehrten sie
nach R'umie'keu zurück.
Sie hatten aber das Mädchen zu yiel bemalt und ihr Herz wurde zu stark.
So verlor sie den Verstand.
Eines Tages weinte ihr jüngster Bruder und wollte keine Milch trinken. Da
dachte Tlk'älsis, ich werde machen, dass er isst. Sie nahm einen Todtenkopf,
öffnete ihn, neihm das Gehirn heraus und gab es dem Rnaben, der es gierig ver-
schlang. Und sie machte sich einen Rorb mit Tragbändern, legte Schlangen,
Rröten und Eidechsen hinein und hing ihn über den Rücken. Unter ihrem Mantel
verbarg sie abscheuliches Ungeziefer („wie ein Lachs auf Baumrinde lebend"??)
und ging dann in die Häuser, in welchen Rinder weinten. Sie fragte dann jedes
weinende Rind: „Warum weinst Du? Du bist wohl hungrig? Ich will Dir zu essen
geben;" nahm es und steckte es in den Rorb. Da umwanden es die Schlangen.
Siälatsa war der erste, der Mäntel und Felle verschenkte. Er liess zwei Männer
auf ein Gerüst treten und die Geschenke unter die eingeladenen Gäste vertheilen.
Diesen Gebrauch machte er zum strengen Gesetz und deshalb wird er noch heute
befolgt. Ferner lehrte er seiner Tochter den Wintertanz und befahl ihr, denselben
jedesmal im Monat SaiE'mtk*£ls zu tanzen.
Siä'latsas Sohn ging einst auf den Berg Qsalä'atsem, um den Donnervogel Suooä'as
zu besuchen. Als er zu dessen Hause kam, begann es auf Erden zu regnen. Neun
Tage blieb er dort, am zehnten aber kehrte er zurück und erzählte, was er ge-
sehen hatte. Dann schnitzte er den Donnervogel auf den Pfeiler seines Hauses.
Das Auge des Donnervogels glänzt wie Feuer, und wenn er dasselbe öffnet,
so blitzt es. Einst erblickte SuQoä'as einen Finwal im Meere und wollte denselben
fangen. Zu gleicher Zeit verfolgte ein Boot den Wal. Die Jäger aber sahen, wie
der Donnervogel sich herabstürzte und den Wal von dannen trug. Der Donner-
vogel verfolgte einst den Sts'e'enkoa (einen fabelhaften Vogel siehe S. 630). Der-
selbe stürzte sich auf einen Baum und spaltete denselben von oben bis unten,
um hineinzukriechen. Der Donnervogel aber ergriff ihn und trug ihn fort
(Nach anderer Version kam nach Siälatsa StE'ts'Eu, dann R'ul^'miltg und
endlich Ckua'wules vom Himmel herab und wurden die Stammväter der R'uämitcan.
Dieselbe Sage über die hölzerne Frau und die Häuptlingstochter der Sä'ok wird
über StF/ts'En erzählt. Der letztere indessen wurde mit Sicherheit als einer der
Stammväter der Qala'ltq angegeben. In R'umielien und S'ä'menos wurden mir
die Stammväter folgender Stämme mitgetheilt: Die Qala'ltq, welche gegenwärtig
im Tsime'ncs-Thale wohnen, besitzen ein Stück Land zwischen R*ua'mitcan und
S'a'menos. Ihre Stammväter sollen Sitqoä'metsten und StE'ts'En sein. Die
R^umie'ken stammen von Rulö'miltQ und Rutqä'tse. Die Mäleqatl von Soostilten.)
(683)
3. Die Pluth.
Einst regnete es lange Tage und lange Nächte. Das Meer stieg höher und
faöher und bedeckte endlich alle Lande. Als das Wasser sich endlich wieder ver-
lief, blieben die Seen und FlUsse and in ihnen die Fische.
4. Der Donnervogel.
Es war einmal ein Mann in Tsime'nes, der fing einst sehr viele Enten, indem
er ein Netz ausspannte, in welches sie hineinflogen. Er trug dieselben nach Hause
und rupfte sie, um die Leute zu bewirthen. Ein junger Mann, Namens Sqälek'en,
war aber so ungeduldig, dass er nicht warten konnte, bis er sein Theil bekommen
würde, sondern die Eingeweide nahm, dieselben reinigte und zu essen begann.
Als dieses sein älterer Bruder sah, ward er zornig und schlug Sqä'leken so lange
mit Cederrnthen ins Gesicht, bis das Fleisch sich von den Knochen löste, und der
junge Mann halb todt war. Dann bestreute er die Wunden mit Holzspähnen.
Als Sqä'leken wieder erwachte, stand er auf und ging zuerst zur Cowitchin-Bay
und fing daselbst Enten in einem Netze. Dann ging er auf den Berg Tsö'wan,
um Bergziegen zu fangen. Sein Bruder aber war ihm gefolgt. Er zerschlug
Sqä'lekens Boot und peitschte ihn nun mit Heidelbeersträuchem. Dann zündete
er an einem ebenen Platze zehn grosse Feuer an und peitschte seinen jüngeren
Bruder mit Zweigen, bis sein Gesicht ganz zerfleischt war und er ihn für todt
liegen liess. Dann kehrte er nach Hause zurück.
Sqä'lek'en lag zehn Tage lang wie todt da. Als er wieder erwachte, fand er,
dass der Donnervogel inzwischen bei ihm gewesen war und ihm seine Augen ge-
geben hatte. Wenn er um sich blickte, so sprühte es Feuer. Als sein ältester
Bruder nun an demsdlben Tage zurückkam, um sich nach Sqäleken umzusehen,
blickte er ihn an und das aus seinen Augen hervorflammende Feuer tödtete jenen.
Seither muss jeder sterben, den Sqä'leken mit seinen feuersprühenden Augen an-
blickt.
5, Die Knaben und der Wal.
Es waren einmal zwei Knaben, die hiessen TEtk'^Slc'En und TKtk'aiä'9en.
Eines Tages fuhren dieselben in ihrem Boote ans. Als sie nicht weit gefahren
waren, erblickten sie einen Walfisch, welcher auf und nieder tauchte. Da fingen
sie an, denselben mit Schmähreden zu überhäufen. Der Walfisch kam daraufhin
ganz nahe zu ihnen herangeschwommen, aber sie Hessen sich nicht stören. Dreimal
tauchte er auf, jedesmal näher beim Boote. Da die Knaben aber gar nicht auf-
hörten zu schmähen, verschlang er beim vierten Male Boot und Knaben und schwamm
von dannen. Er sprach dann zu ihnen: „Ihr könnt von meinem Fleisch essen, aber
hütet Euch, meinen Magen zu verletzen, denn sonst muss ich sterben.^ Die Knaben
aber fürchteten, der Wal möchte sie so weit ins Meer hinaustragen, dass sie nie
zurückkehren könnten. Deshalb schärften sie ihr Steinmesser und der ältere
Bruder sprach zum jüngeren: „Nun hebe mich, damit ich den Magen des Wales
zerschneiden kann.** Der jüngere Bruder gehorchte, und jener tödtete den Wal.
Dieser trieb nun auf den Wellen umher. Da dachten die Brüder: „0 strandete doch
der Wal!" und siehe, er trieb an die Mündung des Cowitchin-Flusses. Da fingen
die Knaben an, drinnen zu schreien, damit die Leute auf sie aufmerksam werden
sollten. Zuerst bemerkte sie Niemand. Bald aber hörten sie in der Nähe Axt-
schläge und es lautete, als wenn Jemand daselbst ein Boot baue. Sie schrieen
nun wieder, so laut sie konnten. Da hörte der Mann sie und ging ins Dorf. Er
(634)
erzählte, er habe zwei Stimmen gehört, wisse aber nicht, woher sie kämen. Da
gingen alle Leute mit ihm zum Strande and sie hörten nun zwei Stimmen singen:
„0, wir sitzen im Walfische. Kommt und befreit uns. Es ist hier so heiss, dass
wir fast verbrannt sind." Die Leute gingen weiter und entdeckten bald den Wal-
fisch. Der Vater der Knaben war mit unter den Leuten. Er erkannte die Stimmen
seiner Söhne und rief: „0 seid Ihr dort, meine Söhne? ^Ja," riefen jene, „befreie
uns, wir müssen hier drinnen verbrennen." Da nahmen die Leute ihre Steinmesser,
öffneten den Wal und die Knaben kamen heraus. Es war aber so heiss im Wal-
fischmagen gewesen, dass sie alle Haare verloren hatten.
6. Der verlassene Knabe.
Es war einmal ein Knabe, der sprach zu seinem Vater: „Ich will auf den
Berg gehen und in dem Teiche dort baden." Darüber freute sich sein Vater.
Neun Tage lang blieb der Knabe droben. Die Leute aber sahen, dass Rauch auf
dem Berge aufstieg, und sprachen zu dem Vater: „Siehst Du den Rauch dort auf-
steigen, wo Dein Sohn badet? '^ Am zehnten Tage kam der Sohn zurück. Er trat
' ins Haus und setzte sich ans Feuer. Da hörten die Leute, dass es in seinem
Leibe kollerte und lärmte. Nach kurzer Zeit ging der Knabe abermals auf den
Berg, um zu baden. Da die Leute wieder den Rauch gewahrten, schlich sein
Vater ihm nach und sah nun, dass jener, statt zu baden, ein grosses Feuer ge-
macht hatte, Farnwurzeln briet und dieselben ass. Dabei krochen aas seinem
After Schlangen. Der Vater kehrte zurück und sprach zu den Leuten: „Ich habe
gesehen, was mein Sohn auf dem Berge treibt. Er badet nicht, sondern isst Fam-
wurzeln, und Schlangen kriechen aus seinem After. Lasst uns fortziehen von hier
und ihn allein lassen." Alle waren einverstanden, nur nicht der jüngste Onkel des
Knaben. Als dieser am zehnten Tage zurückkam, hörten die Leute wieder den
Lärm in seinem Bauch und sprachen zu einander: „HörtI Das sind die Schlangen."^
Als er nun wieder auf den Berg ging, schlich sein Onkel ihm nach, und als auch
er sah, dass jener Farnwurzeln ass und Schlangen aus seinem After krochen,
kehrte er zurück und sprach: „Lasst uns den Knaben verlassen. Ich sehe jetzt,
dass er böse Dinge treibt." Die Boote wurden beladen und als alles bereit war
abzufahren, wurden die Feuer ausgelöscht. Nur die Grossmutter des Knaben fühlte
Mitleid mit ihm. Sie verbarg ein wenig Nahrung und glühende Kohlen in einer
Muschelschale, legte dieselbe in eine Ecke des Hauses und sprach zu einem
Hunde: „Bleibe Du hier, und sage meinem Enkel, wenn er zurückkehrt, dass ich
die Muschel dort in der Ecke verborgen habe." Dann stieg auch sie in das Boot
und fuhr mit den übrigen Leuten fort.
Am zehnten Tage aber kam der junge Mann zurück. Da er das Dorf ver-
lassen fand, setzte er sich nieder und weinte. Der Hund kam zu ihm gekrochen,
stiess ihn an und lief dann in eine EIcke des Hauses. Er kam dann zurück and
ruhte nicht, bis der junge Mann auf sein Qebahren aufmerksam wurde. Er folgte
ihm und fand nun die Muschel, in der die glühenden Kohlen und die Nahrung
verborgen waren. Er machte sich nun ein Feuer und dachte darüber nach, wer
wohl Mitleid mit ihm gehabt habe. Endlich schlief er ein. Da träumte er, er
sähe einen Mann, der ihm zurief: „Stehe auf und reinige Dich!*" Er erwachte
und gehorchte. Während er nun sich wusch, kam ein Mann und strich mit der
Hand über des Hundes Rücken. Da wurde derselbe in eine Frau verwandelt mit
schönem, schwarzem Haar. Als der junge Mann gebadet hatte, war er selbst sehr
schön geworden und hatte langes, rothes Haar. Er nahm nun den rerwandehen
Hund zur Frau.
(635)
Als er nun schlief, erschien wieder jener Mann im Traume und sprach: ,,Deine
Landsleate haben Dich verlassen, deshalb habe ich Dich schön gemacht und Dir
eine Frau gegeben. Willst Da, dass ich Dir Nahrung gebe und Dich ganz glück-
lich mache?'' Jener erwiederte: ^Mein Vater hat mich verlassen, nun mache Du
mich glücklich.^ Der Mann versetzte: „Sei vergnügt I wenn Du auch jetzt nichts
hast Ich werde Dir Alles geben, was Du bedarfst, Nahrung und gutes Wetter.
Gehe ans Wasser, dort wo Du gebadet hast; nimm den Gederbast, mit welchem
Du Dich immer wäschst, und schlage damit ins Wasser. Dann werden viele
Häringe herbeikommen. Und fürchte Dich nicht, sondern wirf sie alle ans Land
und nimm sie für Dich. Ich gebe sie Dir.'^ Es geschah also und der junge Mann
litt nun keine Noth mehr.
Als er wieder schlief, erschien ihm wieder der Fremdling im Traume und
sprach: „Wisse, Deine Grossmutter hatte Mitleid mit Dir; sie hat Dir Feuer und
Speise gegeben.^ Als der Jüngling erwachte, rief er den Raben herbei und befahl
ihm, Häringe zu fressen. Der Rabe gehorchte. Als er sich ganz voll gefressen
hatte, befahl der junge Mann ihm sich zu schütteln, so dass er noch etwas mehr
fressen konnte. Dann sprach er: „Nun fliege zu meinen Verwandten. Wenn Du
dort eine alte Frau findest, die beständig weint, so wisse, es ist meine Gross-
mutter. Ihr sollst Du die Fische zuwerfen. Wenn Dir die Last zu schwer wird,
so fliege recht hoch, da wirst Du sie tragen können.^ Der Rabe that, wie ihm
geheissen war. Als er müde ward, stieg er sehr hoch in die Luft und da konnte
er ohne Beschwerde die Last tragen. Er kam zu dem Dorfe und fand bald die
alte Frau. Er rief: „MElä'ö, mElä'ö wa sökukule', mElä'ü!'' und liess die Fische
fallen. Da hörte die Alte auf zu weinen. Sie nahm die Fische und verbarg sie
bis zur Dunkelheit, denn sie wollte vermeiden, dass ihr Sohn sie sähe. Dann
ging sie ins Haus, steckte die Fische auf Stöcke und wollte sie braten. Sie
steckte sie aber nicht nahe ans Feuer, da sie fürchtete, ihr Sohn möchte sie sehen.
Der Rabe flog zurück und wurde von dem jungen Manne • nochmals mit Fischen
beladen zu der Alten gesandt. Dieses Mal aber bemerkte ihr Sohn die Fische und
fragte: „Woher hast Du die Fische?^ Sie musste nun erzählen, dass der Rabe
sie gebracht habe. Sie fügte hinzu: „Ich glaube, sie kommen von Deinem Sohn,
den wir einst verlassen haben.'' Der Vater ward zornig und sprach: „Weisst Du
nicht, wie schlecht mein Sohn war? Er ist gewiss längst todtl'' ' Als der Rabe
aber zum dritten Male kam, erzählte er der Alten, dass ihr Enkel ihn gesandt
habe. Die Alte sprach zu ihrem Sohne: „Siehst Du, ich hatte Recht. Dein Sohn
sandte mir die Fische.'' Da rief jener alle Leute zusammen, schenkte ihnen die
Häringe und sprach: „Mein Sohn ist jetzt reich, er hat uns die Häringe gesandt
Lasst uns zurückkehren zu unserer alten Heimath. "*
Die Leute beluden ihre Boote und am folgenden Morgen fuhren aUe von
dannen. Als sie sich ihrer Heimath näherten, sahen sie einen schönen Mann und
eine Frau am Ufer stehen. Der Häuptling sprach: „Das ist nicht mein Sohn.
Dieser Mann hat ja rothe Haare.* Sein jüngster Bruder aber erwiderte: „0, sage
das nicht Wer weiss, wer ihn schön gemacht und ihm die Frau gegeben hat?^
Sie landeten und trugen ihre Sachen in die Häuser. An jedem Morgen ging nun
der junge Mann ans Wasser und schlug mit dem Bündel Gederbast hinein. Dann
kamen viele Häringe geschwommen. Er sprach zu den Leuten: „Fürchtet Euch
nicht, sondern helft mir die Fische ans Land holen. Dann nehmt davon so viel
Ihr bedürfet*
Eines Nachts erschien ihm wieder der Fremdling im Traume. Derselbe fragte :
„Freuest Du Dich, dass Deine Landsleute zurückgekehrt sind, die Dich einst ver-
(636)
lassen haben, oder willst Du Dich rächen?^ Jener erwiderte: ^Ich zürne ihnen,
aber ich bin nur einer und meiner Feinde sind yiele.'* Da erwiderte der Fremde;
^Rufe morgen einen Wal herbei, dann wird derselbe kommen und alle Häringe
fressen. Du sollst dann Gelegenheit haben, Dich zu rächen '^ Und er schärfte dem
jungen Manne ein, was er thun solle. Als dieser den Wal gerufen und derselbe
die Häringe gefressen hatte, wollten die Leute ausfahren, den Walfisch zu fangen.
Der junge Mann aber sprach: „Lasst das nur. Ich werde ihn rufen, und er wird
von selbst ans Land kommen.^ Es geschah also. Dann rief er alle Leute herbei,
den Walfisch zu zerlegen, und Hess diejenigen, welche gut gegen ihn gewesen
waren, auf eine Seite treten, die übrigen aber auf die andere. Als sie nun an-
fangen wollten, den Wal zu zerlegen, rief er ihm zu: ^Nun räche mich!*^ Da
schlag jener mit dem Schwänze um sich und tödtete alle, die böse gegen den
Knaben gewesen waren.
7. Sqoe'te. (Oaliano Isl.)
Sqoe'te war vor langer, langer Zeit ein aufrecht stehender Baum, dessen Gipfel
bis zum Himmel hinan reichte. An ihm stiegen die Menschen vom Himmel herab
und Hirsche mit weissem Rücken und schwarzen Beinen, deren Geweihe vorwärts
gekrümmt waren und die Seiten des Gesidhtes bedeckten. Als die Menschen zur
Erde gelangt waren, dachten sie nach, wie sie den Baum umwerfen könnten. Da
riefen zwei Männer die Ratten (?) herbei und befahlen diesen, den Baum zu durch-
nagen. Als diese 20 Tage lang genagt hatten, waren sie fast bis in die Mitte des
Baumes gelangt. Da hiessen die beiden Männer sie an der entgegengesetzten
Seite beginnen, und auch hier nagten die Ratten ein tiefes Loch. Während
sie nagten, sangen die Leute, um sie bei gutem Muthe zu erhalten. Nun freuten
sich die Leute, dass der Baum bald fallen werde, und sangen: „0 möchte er um-
fallen und nicht zerbrechen. Viele Hirsche werden dann auf dem Stamme wohnen,
und wir werden unsere Häuser darauf bauen." Als die Ratten ihr Werk vollendet
hatten, liefen sie aus dem Baume heraus und derselbe fiel um. Die Spitze aber
brach ab und bildete die Insel A'wik'sen. Auf den Inseln lebten dann viele Hirsche.
(Der Erzähler, ein alter Mann in S'a'menos, behauptet, einst einen solchen Hirsch
gesehen zu haben. Er habe aber nicht gewagt, denselben zu schiessen.)
V. Sagen der SnanaimuQ.
1. Die Entstehung des Feuers.
Vor langer Zeit hatten die Menschen kein Feuer. K-ak'e'iq, der Mink, wollte
dasselbe holen und fuhr deshalb mit seiner Grossmutter zu dem Häuptlinge, der
das Feuer bewahrte. Sie landeten unbemerkt, und Nachts schlich Mink sich
zum Hause, als der Häuptling und seine Frau schliefen. Der Vogel TE'gja aber
wiegte das Rind. Mink öffnete die Thür ein wenig. Als Tn'gya das Geräusch
hörte, rief er: ^Pql pq!^ um den Häuptling zu wecken. Mink aber flüsterte:
,,Schlafe, schlafe I"^ Da schhef der Vogel ein. Mink trat nun ins Haus und stahl
das Kind des Häuptlings aus der Wiege. Dann ging er rasch in sein Boot, in
dem die Grossmutter wartete und sie fuhren nach Hause. Jedesmal, wenn sie an
einem Dorfe vorüber kamen, musste die Grossmutter das Kind kneifen, so dass
es schrie. Endlich gelangten sie nach Tlältq (Gabriela Island, gegenüber Nanaimo),
wo Mink ein grosses Haus hatte, in dem er und seine Grossmutter allein wohnten.
Morgens verraisstc der Häuptling sein Kind und ward sehr traurig. Er fuhr
in seinem Boote aus, es zu suchen, und als er an ein Dorf kam, fragte er: „Habt
(637)
Ihr nicht mein Rind gesehen? Jemand hat es mir geranbt.^ Die Leute ant-
worteten: „Heute Nacht fuhr Mink hier vorüber, und ein Kind schrie in seinem
Boote.'* In jedem Dorfe fragte der Häuptling, und überall erhielt er dieselbe Aus-
kunft. So kam er endlich nach Tlältq. Mink hatte ihn erwartet und setzte
sich, als er ihn von weiten kommen sah, einen seiner vielen Hüte auf, trat vor
das Haus und tanzte, während seine Grossmutter Takt schlug und sang. Dann
lief er ins Haus zurück, setzte sich einen zweiten Hut auf und trat aus einer
anderen Thtlr in veränderter Gestali Endlich trat er als Mink aus der mittelsten
Thür und trug das Kind des Häuptlings auf dem Arme. Dieser wagte nicht
Mink anzugreifen, weil er glaubte, viele Leute wohnten in dem Hause, und sprach :
„Gieb mir mein Kind zurück, ich will Dir auch viele Kupferplatten geben." Die
Grossmutter rief Mink zu: ^Nimm es nicht. '^ Als endlich der Häuptling ihm den
Peuerbohrer anbot, nahm Mink ihn auf den Rath seiner Grossmutter. Der Häupt-
ling nahm sein Kind und fuhr zurück. Mink aber machte ein grosses Feuer. So
erhielten die Menschen das Feuer.
la) Im Anfange besassen die Geister (Verstorbener) das Feuer. K'ä'iq, der
Mink, zog aus, die Geister zu bekriegen und ihnen das Feuer zu rauben. Als er
an die Häuser der Geister kam, hörte er ein Kind im Hause des Häuptlings
schreien. Es hing in seiner Wiege an einem Aste. Er stahl es und trug es nach
dem Hause seiner Grossmutter. Als die Geister merkten, dass das Kind ihres
Häuptlings gestohlen war, verfolgten sie die Flüchtigen. Sie erreichten das Haus
K'ä'iqs und sahen ihn vor der Thüre tanzen. Er hatte sein Haupt mit Federn
bestreut. Da fürchteten sich die Geister und wagten nicht ihn anzugreifen. Sie
sprachen: „Lass uns einen Tausch machen! Was willst Du als Entgelt für das
Kind haben?" Kä'iq's Grossmutter antwortete: ^Nichts will mein Enkel haben."
Die Geister fuhren fort: ^Wir haben keine Kleidung. Man hüllte uns nur in
gewebte Decken, als wir starben. Willst Du die haben? Willst Du keine Felle
haben? Man gab sie uns, als wir starben." „Nein," versetzte K'ä'iq. «Nur
Elch feile gab man uns und gegerbte Hirschfelle, nur den Feuerbohrer gab man
uns." ^Gut," rief nun Kä'iq, „den will ich." Sie gaben ihm den Feuerbohrer
und er gab ihnen das Kind zurück.
2. Die Entstehung des Tageslichtes.
Vor langer Zeit gab es kein Tageslicht, denn die Möwe bewahrte es in einer
kleinen Kiste, die sie eifersüchtig bewachte. Ihr Vetter, der Rabe, wünschte in-
dess das Tageslicht zu bekommen. Eines Tages, als er mit der Möwe spazieren
ging, dachte er: „0, wenn doch die Möwe einen Dom in ihren Fuss treten wollte!"
Sobald er dies gedacht hatte, schrie die Möwe vor Schmerz, da sie auf einen
scharfen Dorn getreten hatte. Der Rabe sprach: „Lass mich Deinen Fuss sehen!
Ich will den Dorn herausziehen." Da es dunkel war, konnte er aber den Dorn
nicht finden, und er bat deshalb die Möwe, den Kistendeckel aufzumachen und
das Licht herauszulassen. Die Möwe öffnete die Kiste ein klein wenig, so dass
ein schwacher Strahl herauskam. Der Rabe stellte sich, als könne er den Dorn
noch nicht finden, und statt ihn herauszuziehen, stiess er ihn tiefer und tiefer in
den Fuss, indem er sagte: „Ich muss mehr Licht haben." Die Möwe schrie:
„Mein Fuss, mein Fuss!" und öffnete endlich die Kiste. So wurde das Tageslicht
befreit und seitdem giebt es Tag und Nacht.
3. Der Mann und der Wal.
Ein Harpunier ging jeden Tag auf den Seehundsfang. Er fing viele Seehunde
und kehrte nach Hause zurück. Dann lud er alle seine Freunde zu einem Mahle
(638)
ein. Als sie ihr Mahl verzehrt hatten, ging seine Pran znm Ufer hinunter, um
die Schüsseln zu waschen und die Reste fortzuwerfen. Sie band ihren Hantel
um und ging dann einige Schritte ins Wasser, um ein Seehundsfell zu waschen.
Da erschien plötzlich ein Finwal, nahm sie auf seinem Rücken und schwamm
fort. Ihr Mann hörte sie um Hülfe rufen; als er aber an den Strand kam und
endlich sein Boot ins Wasser geschoben hatte, war der Wal fast ausser Sicht
Er rief seine Freunde zusammen und sie verfolgten ihn. Bald aber sahen sie
den Wal tauchen und die Frau auf den Meeresboden hinabnehmen. Als sie zu
dem Platze gelangten, wo jener getaucht war, band der Mann sich ein Seil aus
Hirschfell um den Leib und sprach zu seinen Freunden: „Bleibt Ihr hier und
haltet das Seil. Ich werde auf den Meeresboden hinabgehen und meine Frau
wiederholen. Zieht das Seil nicht ein, bis ich wiederkomme." Dann sprang er
ins Wasser. Als er auf dem Boden des Meeres ankam, fand er einen Pfad, dem
er folgte. Nach einiger Zeit traf er eine Anzahl alter Frauen. Eine derselben
vertheilte Nahrung, die sie in einem Kessel gekocht hatten. Der Mann sah, dass
sie blind waren, und nahm der Frau die vollen Schüsseln aus der Hand. Sie
glaubte nun, dass alle ihre Genossinnen ihre Schüsseln erhalten hätten, und fragte:
„Habt Ihr alle Euer Essen bekommen?" Sie erwiderten: „Nein, wir haben gar
nichts bekommen." Dann witterten sie den Fremden und riefen: „0, lass Dich
sehen, Fremder!" Er fragte: „Sagt mir, Grossmutter, hat nicht jemand hier eine
Frau vorbeigetragen?" „Ja," antworteten sie, „sie sind zum Hause des Finwals
gegangen." Als Dank öffnete er ihre Augen. Da sprachen sie: „Nimm Dich vor
dem Kranich in Acht." „0, ich fürchte ihn nicht," versetzte er; „ich habe meinen
Fischspeer."
Er ging weiter und traf den Kranich, der dicht am Feuer sass und seinen
Rücken wärmte. Der Häuptling stiess ihn mit dem Fusse und der Kranich fiel
ins Feuer und verbrannte seinen Rücken. Er schrie vor Schmerz. Der Mann
sprach: „Sage mir, Kranich, trug nicht jemand meine tVau hier vorbei?" „Ja, sie
sind in das Haus des Finwales gegangen," antwortete der Kranich. Da heilte
der Fremde seinen Rücken und gab ihm seinen Fischspeer. Der Kranich warnte
ihn vor dem Sklaven.
Der Mann ging weiter und gelangte zu der Stelle, wo der Sklave des Pinwals
Holz für seinen Herrn spaltete. Er kroch unter den Stamm und brach die Spitze
des Keils ab. Als der Sklave das sah, fing er an zu weinen und rief: „0, es
wird dunkel und ich bin mit meiner Arbeit nicht fertig. Gewiss wird mein Herr
mich schlagen " Da kam der Mann hervor und der Sklave fhigte: „Wie heisst
Du, Häuptling? Woher kommst Du?" „Ich suche meine Frau," „Ich schlage
hier Holz für meinen Herrn, der sie kochen und essen will. 0, erbarme Dich
meiner und mache meinen Keil wieder ganz, sonst wird mein Herr mich todt
schlagen." Der Mann erfüllte seine Bitte und der Sklave sagte: „Ich will Dir
helfen. Deine Frau wiederzubekommen. Warte, bis er mich aussendet, Wasser
zu holen. Wenn ich zurückkomme, werde ich thun, als stolpere ich und das
Wasser ins Feuer giessen. Dann springe auf die Frau los und entfliehe!" Der
Mann folgte dem Rathe des Sklaven. Der letztere goss Wasser ins Feuer, und
dann entfloh der Mann mit seiner Frau. Als der Wal gewahr wurde, dass sie
entflohen waren, befahl er dem Kranich, sie zu tödten. Derselbe stiess aber ab-
sichtlich an ihnen vorbei. Der Mann kam glücklich mit seiner Frau an dem Seile
an. Er schüttelte daran und seine Freunde zogen ihn in die Höhe. Dann kehrten
sie so rasch wie möglich nach Hause zurück. Der Wal verfolgte sie vergeblich.
Sie hatten einen langen Vorsprung und erreichten glücklich ihre Heimalh.
(639)
VI. Sagen der Sk'qöraic.
1. Qä'is.
Qä'is, die Sonne, erschuf die Erde, das Meer, Menschen und Fische. Er
heisst auch Qä'aqa oder Slaü'lEkam *). Im Laufe der Zeit wurden die Menschen
schlecht und folgten nicht mehr den Geboten Qä'is'. Da stieg dieser zur Erde
herab und verwandelte alle, die schlecht oder thöricht waren, in Steine und Thiere.
Ein Mann hatte gehört, dass er kommen würde, und beschloss ihn zu tödten.
Er schärfte seine Muschelmesser auf einem Schleifsteine. Als Qä'is herankam und
ihn sah, fragte er, was er thue. Jener antwortete: „Ich will Qä'is tödten, wenn er
kommt. '^ «Das ist gut," versetzte jener. „Lass mich doch Deine Messer sehen."
Er gab sie ihm und dann schlug Qä'is sie ihm in die Stirn und verwandelte ihn
in einen Hirsch. Der Vogel 8k-k*äk* war ein Krankenbeschwörer. Als Qä'is ihn
sah, klatschte er nur in die Hände und verwandelte ihn so in einen Vogel.
Nach einiger Zeit wurden die Menschen abermals schlecht. Da machte Qä'is
ein furchtbares Feuer, das die ganze Erde verbrannte. Nur zwei Männer und
zwei Frauen entkamen dem Feuer, und von ihnen stammt ein neues Geschlecht ab.
Die Menschen wurden zum dritten Male schlecht. Da machte Qä'is eine
grosse Fluth. E^ fing an zu regnen und es regnete ohne Aufhören. Nur ein
Mann wusste, dass das Wasser alle Lande bedecken würde. Er band sein Boot
mit einem Seile an den Berg Ntck'ä'i (am Squamish River) und fand so nach der
Fluth seine Heimath wieder. Er sprach zu seinen Kindern: „Nun seid ja immer
gut, sonst wird Qä'is gewiss ims Alle zerstören."
Später sandte Qä'is den Menschen die Blattern und einen Winter mit tiefem
Schnee zur Strafe ihrer Schlechtigkeit. (Erzählt vom Häuptling Joseph.)
2. Der Rabe.
Der Rabe hatte einen Bruder, den Seehund. Er hatte zwei Kinder, der See-
hund hatte eine Tochter. Einst ging der Rabe zum Seehunde und traf ihn gerade
am Feuer sitzend. Er hielt die Hände in die Höhe und Fett tropfte daraus in
eine Schüssel herab. Als die Schüssel voll war, setzte er sie dem Raben vor
und gab ihm getrockneten Lachs. Als nun der Rabe satt war, sprach er zum
Seehunde: „Lass Deine Tochter mit nach meinem Hause gehen, meine Kinder
möchten mit ihr spielen." Der Seehund willigte ein, und sie gingen. Unterwegs
kamen sie an einem „Crabapple"- Baume vorüber. Da sagte der Rabe zu dem
Seehundsmädchen: „Klettere doch eben deu'^^aum hinauf und pflücke mir ein
paar Aepfell Sie sind sehr gut." Der Seehund sagte, er könne nicht klettern.
Der Rabe versetzte aber: „Versuche es nur. Ich halte den Stamm fest, damit er
nicht schwankt." Da versuchte der Seehund hinaufzuklettern. Obwohl er sich sehr
ungeschickt benahm, kam er glücklich hinauf und pflückte einige Aepfel. Als er
wieder herunterkommen wollte, rief der Rabe: „Da ganz oben im Wipfel des
Baumes sind so schöne Aepfel. Pflücke sie doch!" Der Seehund kroch wirklich
hinauf, und da schüttelte der Rabe den Baum, bis das arme Mädchen herunter-
fiel. Es verletzte sich so, dass es todt liegen blieb. Da trug der Rabe den Leich-
nam nach Hause und frass ihn. Nach einigen Tagen kam sein Bruder, der alte
Seehund, um sich nach seiner Tochter zu erkundigen. Der Rabe sagte: „Sie ist
mit meinen Kindern im Walde und spielt." Nach einigen Tagen kam der See-
1) Siehe Anm. S. 630.
(640)
hund wieder, um sich zu erkundigen. Der Rabe sprach: ^Sei doch nicht ängst-
lich! Deine Tochter spielt so gerne mit meinen Kindern l'' Endlich aber erfuhr
der Seehund doch, dass der Rabe das Mädchen getödtet und verzehrt hatte. Da
ward er sehr betrübt und weinte. (Erzählt Ton einem jungen Manne, Namens Jack.)
3. K-a'lkalo-itl.
K*a'lkalo-itl war eine grosse, böse Frau, die im Walde wohnte und einen
Korb auf dem Rücken trug. Einstmals schwammen viele Knaben im Meere.
Dann trockneten sie sich am Ufer in der Sonne und schliefen dabei ein. Da kam
K'a1k'alo-itl einher und steckte sie alle in ihren Korb. Unter den Knaben war
einer, der hiess T'etke'istEn (= der immer Schneidende). T'etk-e'istEn hatte ein
Messer in der Hand. K'a'lk*alo-itl hatte ihn zu allererst gefangen und daher lag
er zu Unterst. Er schnitt den Boden aus dem Korbe und warf einen Knaben
nach dem anderen hinaus, bis nur wenige mehr drinnen blieben. K*alk*alo-itl
hörte sie fallen, glaubte aber, Aeste knackten unter ihren Füssan. Sie gelangte
endlich nach Hause und sah nun, dass fast alle die Knaben entflohen waren. Da
ward sie sehr zornig. Sie nahm etwas Harz und yerschmierte die Augen der
Knaben. Auf T'etk'g'istEns Rath kniffen sie die Augen fest zu, während jene das
Harz hineinschmierte. Sie machte nun ein grosses Feuer und legte Steine hinein,
mit denen sie die Knaben kochen wollte. Als das Harz in den Augen nun warm
wurde, schmolz es, und sie konnten wieder sehen. K a'lkalo-itl aber merkte es
nicht. T'etk'S'istEn bat sie dann, ihnen etwas vorzutanzen. Sie willfahrte seinem
Wunsche. Die Knaben schlugen Takt, und als sie nun mitten im Tanzen war,
stiess T'etk e'istEn sie in die Flammen und hielt sie mit einem Stocke fest, bis sie
verbrannt war. Dann gingen die Knaben nach Hause zurück.
4. Die Frau imd die Fische.
Eine Frau mit schöner, weisser Haut badete Morgens immer im Flusse und
wärmte sich nachher am Feuer. Eines Tages, als sie wieder badete, kamen viele
Fische geschwommen, saugten sich an ihr fest und Hessen sie kaum aus dem
Wasser. Und jedesmal geschah es also. So fing sie zahllose Fische ohne Mühe
und trug sie heim, um sie zu kochen. Darüber waren alle Leute froh, denn sie
beschenkte sie reichlich. Wenn sie im Boote war, kamen die Fische herbei-
geschwommen und sie brauchte nur mit dem Speere zuzustechen, ^o flng sie
zehn Fische auf einmal. Endlich aber drängten sich solche Schwärme von Fischen
unter ihr Boot, dass sie fürchtete, dasselbe werde umschlagen. Deshalb kehrte
sie nach Hause zurück. Als sie nun wieder baden ging, rieb sie sich vorher mit
einem Zaubermittel ein, um zu vermeiden, dass die Fische sich an ihr festsaugten:
aber es war vergeblich. Auch ihr Boot bestrich sie mit einem Zaubermittel.
Trotzdem saugten so viele Fische sich daran fest, dass sie es fast heruntergezogen
hätten. Als sie nun nach Hause kam, sprach sie: „Ich fürchte, die Fische werden
mich noch ertränken. Wenn sie sich wieder an mich festsaugen, werde ich auf
sie uriniren, dann werden sie mich gewiss lassen.^ Als sie nun wieder badete,
kamen die Fische und wollten sie hinabziehen. Da liess sie ihr Wasser und nun
Hessen die Fische sie los. Sie kam wieder zur Oberfläche und ging nach Hause,
sich zu wärmen. Am folgenden Morgen bestrich sie ihren Körper mit kralligen
Zaubermitteln, um die Fische fern zu halten. Als sie aber aus dem Hanse
trat, um ihr Bad zu nehmen, stieg ein Feuer von der Sonne zur Erde herab und
tödtete sie.
(641)
5. Se'nötlke nnd Nuk*'ö'mak*En.
Ein alter Mann und seine Pran sassen am Feaer in ihrem Hause, während
ihr Sohn Nuk*'ö'mak*En mit seiner Frau im Bette lag und schlief. Plötzlich hörte
man draussen einen furchtbaren Lärm und eine Stimme schrie: „Uh!" Da fürch-
teten sich die Alten, aber Nuk'ö'mak^En wachte nicht auf. Der Lärm kam näher
und näher, man hörte die Bäume stürzen, und nun wussten die Alten, dass die
doppelköpfige Schlange *) Se'nötlk'e sich nahte. Die Aeltem versuchten ihren Sohn
zu wecken. Er aber rührte sich nicht. Die Mutter schlug ihn mit einem Scheite,
er rührte sich nicht. Endlich goss sie ein Nachtgeschirr über ihn aus. Da
erwachte er und hörte den Se'nötlke. Er sprach zu seiner Frau: „Ich will gehen
und das Ungeheuer tödten. Vier Jahre lang werde ich ausbleiben. Weine nicht,
sondern warte auf mich, ich werde zurückkehren."
Mit Tagesgrauen brach er auf. Er nahm sein Feuerzeug und ein grosses
Steinmesser mit. Bald fand er die Spur der Schlange und folgte ihr. Als er eine
geraume Weile gegangen war, erblickte er das Ungeheuer. Aber er fürchtete,
er werde nicht stark genug sein, es zu bestehen. Deshalb badete er in einem
Teiche und ward nun so rein, dass die Schlange ihn nicht wittern konnte. Er
folgte ihr wieder und erblickte, wie ein gewaltiger Baum, über den sie hinweg-
kroch, unter ihrer Last brach, wie umgefallene Bäume unter ihr zersplitterten,
und wie sie mit ihrem Leibe die Erde tief aufwühlte. Und er fand ihre ab-
gestreiften Schuppen an vielen Stellen der Spur. Unterwegs sah er viele Hirsche,
welche der Se'nötlk'g getödtet hatte, aber er ass nicht davon.
Abends zündete er sich ein Feuer an und badete wiederum. Am folgenden
Tage folgte er der Spur weiter. Da sah er viele Bergziegen, welche die Schlange
getödtet hatte. Aber er ass nicht von ihren Fleische. 2iehn Tage lang folgte er
der Spur, ohne Nahrung zu sich zu nehmen. In jedem Teiche, an dem er vorüber
kam, badete er. Dann machte er sich zwei Mäntel ans weichgeklopftem Ceder-
bast. Er legte dieselben an und folgte wieder der Schlange. Endlich kam er an
einen See. Er sah die Schlange darin schwimmen. Ihre beiden Köpfe waren
vorwärts gerichtet, und wenn sie sich bewegte, kreuzten dieselben einander. Da
fürchtete er sich und beschloss, sie noch nicht anzugreifen, sondern zu warten,
bis er stärker geworden sei. Er kletterte auf einen Baum, um die Schlange zu
beobachten. Als sie weiter kroch, folgte er ihrer Spur. Er fand nun ein Zauber-
kraut, mit dem rieb er seinen Körper ein, um stark zu werden. Als er die
Schlange wieder einholte, schwanun dieselbe in einem See, und er fürchtete sich
noch vor ihr. Nachdem sie ans Land gekrochen war, folgte er abermals ihrer
Spur. Er fand ein zweites Zauberkraut nnd badete dann in einem See, in dem
er zehn Tage blieb, ohne ans Land zu kommen. Er ward nun sehr stark. Nach-
dem er ein Feuer gemacht und sich daran gewärmt hatte, folgte er wieder der
Spur des Se'nötlk-e. Jetzt fand er ihn in einem See schwimmend und schlafend.
Er wagte aber noch nicht, ihn anzugreifen, sondern rieb sich mit einem dritten
2janberkraute ein und badete abermals zehn Tage. Als er ihm nun folgte, fand er
zehn Bergziegen, welche das Ungeheuer getödtet hatte. Er schor ihnen die Haare
ab, machte sich einen Webstuhl und webte zwei grosse Decken, die er sich um-
hing. Als diese vollendet waren, setzte er seine Verfolgung fort. Abermals fand
er die Schlange in einem Teiche, wo sie schlief. Da machte er mit seinem Stein-
messer zwei grosse Speere aus Fichtenholz und ein schnelles Boot. Er fuhr auf
1) Dieselbe hat einen Kopf am Schwanzende, einen am Kopfende.
Verband!, der Berl. Antbropol. GetelltchAft 1091. 41
(642)
die Schlange zu und durchbohrte jeden Kopf mit einem der Speere. Kaum hatte
er das gethan, da fing das Wasser an zu steigen und der junge Mann Oel todt
nieder. Zehn Tage lang blieb er todt, dann erwachte er wieder. Die Lachsläuse (?)
hatten aber untcrduss sein Gesicht angefressen. Als er nun erwachte, sah er sich
nach der Schlange um. Er fand sie aber nicht und sah, dass der See trocken
geworden war und von der Schlange nur eine Reihe Knochen und die Zungen
übrig geblieben waren. Er nahm die Unterkiefer und Zungen, hing sie sich um
und ward fortan ein grosser Zauberer. Er ging nun zurück und nahm alle Felle
der Bergziegen mit, welche die Schlange getödtet hatte. 4 Jahre lang war er der
Schlange gefolgt.
Er wanderte fürbas und endlich sah er ein Dorf. Ein Knabe sah ihn vom
Berge herabkomm on und rief den Leuten zu: „0 seht, dort kommt ein Fremder,
lasst uns doch sehen, wer er ist!^ Da kamen alle Männer aus den Häusern.
Kaum aber wurden sie seiner ansichtig, da fielen sie todt nieder. So stark war
der Zauber, welchen der Unterkiefer und die Zunge des Se'nötlk'e ausübte.
Nuk'^ö'mak'En aber ward traurig. Er dachte: „Was habe ich gethan, dass die
Leute bei meinem Anblicke sterben?^ Und er nahm ein Zauberkraut, bestrich
sie damit und erweckte sie so wieder. Da gaben drei der Männer ihm ihre
Töchter zu Frauen und schenkten ihm viele Pelzmänt^, denn sie wussten nun,
dass er mächtig war.
Nuk'^ö'mak'En wanderte nun weiter, doch jeder, der ihn erblickte, musstc
sterben. Er winkte nun den Leuten schon von weitem zu, dass sie aus dem Wege
gehen sollten; aber vergeblich! Wem er zuwinkte, der starb.
Da beschloss er, den Unterkiefer und die Zunge des Se'nötlk'e zu vei^graben.
Er ging in den Wald und legte sie unter die Wurzeln eines Baumes. Da fiel
dieser unL Er legte sie unter einen Fels, doch dieser zersprang. Da wickelte
er sie in drei Decken aus Bergziegenfell ein und lud dieselben auf seinen Rücken.
Es hoffte, dass nun der Zauber nicht mehr wirken werde; aber als er wieder
Menschen begegnete, fielen dieselben todt nieder. Da setzte er sich nieder und
weinte. Alle, die er getödtet hatte, erweckte er aber wieder durch Zauberkräuter,
und in jedem Dorfe gaben ihm drei Männer ihre Töchter zu Frauen. Er bestrich
endlich seine Hände mit kräftigen Zaubermitteln, und fortan blieben alle, die ihm
begegneten, gesund.
Er hatte nun viele Frauen und viele gewebte Mäntel. Er belud ein Boot mit
denselben und fuhr nach Hause zurück. Als er in seiner Heimaih ankam, fragte
er die Leute, welche zum Ufer gekonuuen waren, als sie das Boot nahen sahen:
„Leben meine Aeltern noch?^ nJA)"^ antworteten jene, „sie leben noch und sind
gesund.^ Er fragte weiter: „Und lebt meine Frau noch?*' Sie versetzten: „Ja, sie
lebt und hat auf Dich gewartet.^ Da freute sich Nuk'ö'mak'F.n. Er ging ans
Land und liess alle seine Sachen ins Haus tragen.
Nach einiger Zeit kamen die (vlu'mi, um mit den äk-qö'mic zu kämpfen. Sie
hatten dieselben überfallen, viele getödtet und andere als Sklaven forti^eschleppt
In zehn Booten fuhren sie zurück und sangen Siegeslieder. Da eilte Nuk'ö'mak er
ihnen nach. Er hielt den Unterkiefer und die Zunge des Se'nötlke in die Höhe;
da starben die glu'mi. Die Skqö'mic sammelten die Leichen ihrer Landileote,
und Nuk''ö'mak'En erweckte sie zu neuem Leben.
5a. Der Sö'nötlke.
Ein alter Mann lebte mit seinem Sohne in einem Hause. Der letztere hitte
gerade geheirathet und lag mit seiner Frau im Bqtte. Der alte Mann stand frflb-
(643)
morgens auf, während der junge Mann und seine Frau weiter schliefen. Da hörte
er den Sö'nötlke, welcher den Berg herabkroch, den Fluss kreuzte und an der
anderen Seite wieder hinauf kroch. Er weckte nun seinen Sohn, indem er ihm
einen Eimer kalten Wassers tibergoss und rief: „Liege nicht so faul da, tödte lieber
den Se'nötlk'ö." Da schämte sich der junge Mann. Er sprach zu seiner Frau:
„Tch will nun den Se'nötlk*e verfolgen und werde 4 Tage lang fortbleiben. Weine
nicht! Warte auf mich, auch wenn ich lange fortbleiben sollte." Er ging fort
und folgte der Spur des Se'nötlk-e. In jedem Teiche, an dem er vorüber kam,
badete er, um sich stark zu machen. Es ward Winter und es ward wieder
Sommer, und er hatte ihn noch nicht eingeholt. Endlich, im vierten Winter, sah
er den See, in dem der Se'nötik'e wohnte, im Traume, und er wusste nun, wo er
ihn zu suchen hatte. Als er zu dem See kam, sah er Se'nötlk'e auf einem Felsen
in der Mitte des Sees liegen und sich sonnen. Da schnitt er sich 4 Speere aus
Tannenholz und machte Seile aus Cederbast, die er als schützende Amulette um
Arrogelenke und Knie band. Dann warf er die Speere und tödtete so den
Se'nötlke. Als derselbe starb, fiel er selbst wie todt nieder. Der See stieg und
schwemmte seinen Körper fort, der nun hin und wieder trieb. Nach 4 Tagen fing
der See wieder an zu fallen. Da kam der Vogel Ä'qoe des Weges geflogen, liess
etwas Excremente auf den Mund des Todten fallen und rief: „Stehe auf!" So-
gleich erwachte der junge Mann. Er sah, dass der See ganz abgelaufen war.
Se'nötike's Körper lag dicht bei ihm. Er blieb nun ein ganzes Jahr dort, bis
alles Fleisch verwest war und nur die Knochen übrig blieben. Diese verbarg er
unter seinem Mantel. Dann kehrte er in seine Heimath zurück, und alle, die
ihn sahen, fielen todt nieder. Er aber machte sie wieder gesund. Seine Frau hatte
einen anderen Mann genommen, kehrte jetzt aber zu ihm zuilick.
VII. Sagen der Lku'ngEn.
1. MEnmä'ntauk*.
Es war einmal ein Stamm von Menschen, die alle Steinköpfe hatten. Deshalb
hiessen sie Mcnmä'ntauk' (= Steinköpfe). Sie überzogen immer ihre Nachbarn
mit Krieg, tödteten die Männer und machten die Frauen zu Sklaven. Einst hatten
sie auch eine Schwangere zur Sklavin gemacht, und in der Gefangenschaft gebar
sie ein Kind. Als der Häuptling der MEnmä'ntauk* das hörte, sagte er: „Tödtet
das Kind, wenn es ein Knabe ist; wenn es ein Mädchen ist, lasst es am Leben."
Die Frau hörte, was der Häuptling sagte. Ihr Kind war ein Knabe, und daher
band sie einen Knoten um seinen Penis und zog denselben hinten in die Höhe,
damit man ihn für ein Mädchen halten sollte. Sie wusch ihn nur Nachts, wenn
niemand sie sah. Ihre List glückte ihr. Das Kind wuchs sehr rasch heran. Als
es einen Monat alt war, gelang es ihr in den Wald zu entfliehen. Niemand wusste,
wohin sie gegangen war. Sie dachte, es ist besser, dass ich sammt meinem Kinde
im Walde sterbe, als dass wir immer als Sklaven leben, oder dass der Häuptling
uns tödtet. [m Walde baute sie sich eine Hütte aus Baumrinde und lebte dort
lange Jahre. Der Knabe fing früh an zu gehen. Seine Mutter machte ihm Bogen
und Pfeile, und er erlegte Vögel, die er dann nach Hause brachte. Die Mutter
wunderte sich darüber, wie rasch er heranwuchs. Bald fing er an, grössere Thiere
zu erlegen,, und schoss endlich sogar Hirsche. Sie hatten nun Nahrung in Hülle
und Fülle. Sie nannte ihn nun K'ö'sEk* (= der Gebundene). Als er erwachsen
war, tödtete er viele Vögel, trocknete die Bälge und machte einen Mantel daraus.
Er wünschte einen Adler zu fangen. Zu diesem Zwecke nahm er einen Ehufen
41 •
(644)
Gras und ging auf eine Lichtung. Dort band er Cederbast um seinen Körper und
legte sich mit ausgestreckten Armen nieder. Dann bedeckte er sich ganz mit Gras.
Es dauerte nicht lange, so stürzte der Adler sich auf ihn herab. Er ßng ihn und
tödtete ihn. Eines Tages fragte er seine Mutter: „Wie kommt es, Mutter, das«
wir hier ganz allein leben?" Sie antwortete: „Frage nicht, mein Sohn," und
begann zu weinen. Da drang er in sie und fragte abermals: „Wie kommt es,
Mutter, dass wir hier ganz allein leben?" Sie antwortete ihm aber nicht. Elines
Tages kam er von der Jagd nach Hause und sagte, er habe Leute nahe am Wasser
gesehen, und fragte: „Sie machten so viel Lärm, warum gehen wir nicht hin und
leben mit ihnen?" „Mein Sohn," versetzte die Mutter, „halte Dich fem von diesen
Leuten, sie haben steinerne Köpfe." Er fahr aber fort: „Wie kommt es, Mutter,
dass wir hier allein im Walde wohnen? Die Leute unten- am Meere spielen immer
und haben viel Vergnügen.* Da sprach sie: „Höre, mein Sohn, was ich Dir sagen
werde. Weisst Du, weshalb wir hier allein leben? Alle Deine Verwandten sind
todt; wir sind allein. Jene Leute haben sie getödtet." Er antwortete nicht and
sagte eines Tages: „Mutter, ich werde zum Meere gehen und jene Leute ansehen."*
Er nahm seinen Mantel aus Vogelbälgen; derselbe war sehr schön und glänzend-
Er ging zum Meere hinab. Als die MBnmä'ntauk* ihn nun sahen, fürchteten sie
sich, da jener aussah, als habe er übernatürliche Kräfte. Er kehrte zu seiner
Mutter zurück und sprach: „Ich habe die Leute gesehen." Die Mutter warnte ihn
abermals, zum Meere zu gehen. Er hörte aber nicht auf sie. Er ging in den
Wald und machte sich eine Keule aus Eichenholz. Er versuchte sie und sie zer-
splitterte. Er versuchte Keulen aus allen möglichen Holzarten, aber alle zer-
splitterten. Endlich nahm er Eibenholz (? tlink'ätltc). Es zersplitterte nicht Als
er sie nun eines Tages wieder spielen hörte, legte er seinen glänzenden Mantel
an, nahm seine Keule und erschlug alle Männer. Sein Mantel machte ihn unsicht-
bar. Dann führte er die Frauen davon, ging zu seiner Mutter und sprach: „Dies
Land gehört nun uns. Ich habe alle MEnraä'ntauk* erschlagen."
2. Die Frauen der Sterne.
Es war einmal ein Häuptling, der hatte zwei Töchter. Im Sommer waren die
Leute in ein Lager gezogen, von dem aus sie Lachse fingen. Eines Tages gingen
die Mädchen in den Wald. Abends legten sie sich unter die Bäume und sahen
die Sterne an. Die älteste sagte: „Ich wollte, der grosse Stern dort droben
(Jupiter) wäre mein Mann." Und die jüngere sagte: „Ich wollte, der rothe Stern
dort (Mars) wäre mein Mann.*" Dann schliefen sie ein. Als sie wieder erwachten,
fanden sie sich in einem fremden Lande. Die Sterne hatten sie in den Himmel
genommen. Sie sahen nun, dass jene Männer waren. Der glänzende Stern hatte
kranke Augen. Und wie sie gewünscht hatten, so geschah es. Die Sterne wurden
ihre Männer. Am folgenden Tage hiessen ihre Männer sie ausgehen, Zwiebeln
zu sammeln. Sie verboten ihnen aber die Wurzeln auszugraben, wie man auf
Erden thut, sondern sie durften nur die Stengel abschneiden. Anfänglich gehorchten
die Frauen. Eines Tages aber sprach die ältere Schwester: „Ich muss einmal
wieder eine Zwiebel essen." Sie grub eine aus, und nun sahen sie zu ihrem
Erstaunen durch das F^ch auf die Erde hinab. Sie sagten nichts davon, ah sie
zu Hause ankamen. Nach wie vor gingen sie in den Wald, Zwiebelstengcl lu
sammeln. Jetzt machten sie aber dort, ohne dass jemand darum wusste, ein lange«
Seil. Als sie glaubten, dasselbe sei lang genug, machten sie ein grosses Loch in
die Erde, und die älteste Tochter kroch hinunter. Sie sprach zu ihrer Schwester:
„Warte Du hier. Wenn ich unten wohlbehalten ankomme, will ich das SeJ
(645)
schütteln; dann klettere mir nach. Sonst nimm an, dass ich ins Meer gefallen bin.^
Die jüngere Schwester Hess nun das Seil hinab. Endlich landete die Frau auf
dem Berge Ngä'k'un (einige Meilen oberhalb des obersten Theiles von Victoria
Harbor). Da ging sie eine lange Strecke auf und ab und zog das Seil hin und
her. So gelang es ihr endlich, dasselbe ein wenig zu schütteln, und ihre Schwester
im Himmel droben fühlte ganz schwache Bewegungen. Sie band es droben an einen
Baum, umklammerte das Seil mit Händen und Beinen und kletterte herunter. Die
iUtere Schwester sass unten und blickte in die Höhe. Endlich sah sie einen kleinen
Punkt sich bewegen. Derselbe wurde grösser und grösser, und nun erkannte sie
ihre Schwester. Ihre Beine waren vom langen Klettern ganz krumm geworden.
Kaum war sie unten angekommen, da fiel das Seil herunter. Die Leute im Himmel
hatten die Frauen vermisst. Als sie das Seil entdeckten, schnitten sie es durch.
Dann gingen die Frauen in ihre Heimath. Ihre Mutter hatte sie ganz vergessen,
so lange waren sie fort gewesen. Ihr Haar war ganz grau geworden und ihre
Augen trübe vom vielen Weinen. Sie verbargen sich an einem Teiche. Bald
kam ihre jüngste Schwester heran, Wasser zu holen. Ihr Haar war kurz geschnitten,
denn sie trauerte noch um ihre verlorenen Schwestern. Da strichen diese über
ihr Haar, und es wurde sogleich wieder lang. Das Mädchen lief zurück und
sprach: ^Meine Schwestern sitzen draussen am Teiche." Die alten Leute sagten:
„Nun sei nicht so thöricht*', und verboten ihr diese Rede. Sie ging nochmals
hinaus, und nachdem sie ihre Schwestern abermals gesehen hatte, lief sie zurück
und wiederholte, ihre Schwestern seien am Teiche. Als sie es zum dritten Male
sagte, schlug sie ihre Mutter. Da ging sie wieder hinaus. Jedesmal, wenn sie
zum Teiche kam, strichen die Schwestern über ihr Haar, und es wurde immer
länger. Da lief sie zum vierten Male zurück, deutete auf ihr langes Haar und
sagte, ihre Schwestern hätten es so lang gemacht. Da dachten die alten Leute,
sie könne doch wohl die Wahrheit reden. Sie gingen zum Teiche und fanden die
Frauen. Sie strichen über das Haar ihrer Mutter, und es wurde sogleich wieder
lang und schwarz.
Ein Jüngling, der alle Vorschriften genau beobachtet, oft badet und noch nie
ein Weib berührt hat, kann das Seil auf dem Berge NgäTcun sehen. Für andere
Menschen ist es unsichtbar. —
(17) Hr. Dr. Franz Schmitt legt combinirte Portrait-Photographien
nach Bowdich's System vor. —
(18) Hr. Magitot übersendet die Acten des zweiten internationalen Con-
gresses der criminellen Anthropologie vom Jahre 1890. —
(19) Es folgt die Diskussion über den Vortrag des Hm. M. ühle (S. 493) über
das dänische Hans in Deutschland.
Hr. ülr. Jahn:
Hr. Uhle suchte in seinem Vortrage in der Sitzung vom 11. Januar 1890 den
Nachweis zu liefern, dass auf Föhr ein Haustypus bestehe, den er als Grundform
für die Häuser der nordfriesischen Inseln und der westdeutschen Küsten und für die
eigenlhümlichen des festländischen Schleswig hinstellte. Der von Hrn. ühle
(Fig. 7) gegebene Grundriss dieses „Föhringer Hauses" hatte grosse Aehnlichkeit
mit dem sächsischen Hause. Hr. Uhle sagte selbst (S. 70): „Natürlich besteht
eine gewisse Aehnlichkeit zwischen dem einfachen Föhringer Hause und dem
(646)
sächsischen in der dreitheiligen Längsgliederung des Stalles, bei welcher auch
in beiden ein Gang in der Mitte liegt." — In der Sitzung ^om 25. Oktober 1890
wandte ich mich gegen diese Ausführungen und zeigte, dass das sogenannte „Föh-
ringer Haus^ Uhle's zusammenzustellen sei mit einem unTerfälscht friesischen
Typus, der sich am besten in dem Ostenfelder Kirchspiel bei Husum erhalten
habe. Des Weiteren führte ich aus, dass allerdings ein besonderer Haustypus in
Schleswig existire, der aber, trotz scheinbarer Aehnlichkeit mit Hm. Uhle's Föh-
ringer Typus, von diesem grundverschieden sei; denn bei dem ühle' sehen Hause
dominire die Längsachse, dort dagegen die Querachse.
Weiter liess ich mich damals auf die Sache nicht ein; es war mir genug, da-
gegen Einspruch zu erheben, dass die irrige Ansicht verbreitet würde, die Friesen
hätten einen besonderen Baustyl gehabt, bei dem die Querachse vorherrschend ge-
wesen sei. Nun kommt Hr. Uhle mit seinem Vortrage: ^Das dänische Haus in
Deutschland^ und giebt darin für das Föhringer Haus einen ganz neuen Grund-
risse), in welchem er für den Längsachsenplan mit der Dreitheilung des
Stallgebäudes (s. oben) einen Querachsenplan mit der Zweitheilung setzt
(„das Föhren-Haus zeigt die Längszweitheilung der Wirthschaft, wie Hm.
Madsen's", S 534, Fig. 3). Dieser Plan, der von dem ersten in dem wichtigsten
Stücke abweicht, ist jetzt für ihn der Grundriss des Föhringer Hauses, und er
stellt in der Folge die Sachlage so dar, als hätte ich diesen Plan vor Augen ge-
habt, als ich sagte, der Uhl ersehe Föhringer Typus sei nur eine Modificirang
des Ostenfelder Hauses.
Noch wunderbarer erscheint mir die Polemik gegen meine Constraction des
Ostenfelder Hauses. Ich glaube kaum, dass mir auch nur ein Haus in den
vier Dörfern des Ostenfelder Kirchspiels (Ostenfeld, Wittbeck, Winnert und Rott)
unbekannt geblieben ist; im Granzen reichen schwerlich 30 Mal, dass ich diese Ort-
schaften durchzogen habe. Ausserdem standen mir bei der Aufnahme iler Häuser
geschulte Architekten und Zimmermeister aus Altona, Berlin und Husum zur Seite.
Und nun erklärt Hr. Uhle, ohne jemals seinen Fuss in eines dieser vier Dörfer ge-
setzt zu haben, auf das Zeugniss des Hm. Magnus Voss in Husum hin, meine An-
gaben für irrig. Das Beste an der Sache ist dabei, dass der Gewährsmann des Hm.
Uhle gegen mich nur zwei Häuser anführt, und gerade die Häuser, welche vor
vielen anderen in erster Linie meinen Plänen zu Grunde gelegt sind. Freilich,
ganz konnte keines von den beiden Häusern in seiner jetzigen Gestalt verwandt
werden, da in jedem im Laufe der Zeit erhebliche Verändemngen vorgenommen
sind, die allerdings Jemanden, der mit Bausachen einigermaassen vertraut ist, nicht
über die ursprüngliche Anlage wegtäuschen können.
So hatte das von Hm. Uhle in Fig. 10 wiedergegebene Peter Heldische
Haus vor seinem Umbau dieselbe Einrichtung, welche ich als typisch für das
Osten felder Haus im Jahrgang 1890 angegeben habe. Da fiel es dem Besitzer ein,
den Pesel zu verlängern. Die Stube wurde darum vorgerückt; und da tie den
Heerdraum zu sehr eingeschränkt hätte, wurde sie nach links zu, von der Einfahrt
aas gerechnet, stark verkleinert. Der Bauer half sich auf der anderen Seite
damit, dass er einen Ausbau nach dem Garten zu vornahm, und so kam ein Plan
zu Stande, der ungefähr so aussieht, wie der in falschen Maassen gehaltene
Voss 'sehe Grundriss. Ganz erhielt auch dadurch die Stube ihre frObero Breite
1) S. in diesen Verb. S. 500: „Zmiäcbst stallte sich unter den"* (soUte wohl besser heiMeii
„statt der") ^verschiedenen früher bezeichneten Modalit&ten (Verh. 1890, S. 62 fg.) aIh äh««t«,
auf Fohr vorkommende Form des Hauses nunmehr besser die nebenst^^hende dar* {Fig. 9)
(647)
nicht. Deshalb warf der Besitzer die schöne Pcselthür aus der geschnitzten
Stuben wand heraus (weshalb ich auch auf den Ankauf der Wand verzichtete) und
rückte die beiden Bettlöcher dicht neben einander. Wer sehen kann, dem wird
die Verkürzung des hübschen Schnitzwerkes nicht entgehen.
Noch grössere Aenderungen sind im Innern des Hauses meines guten Freundes
Jürgen Reimer vorgenommen, welches Hr. Uhle nach den Voss' sehen Angaben
in Pig. 11 wiedergiebt. Es würde zu weit führen, auch die Geschichte des
Umbaues dieses Hauses hier lang und breit zu erörtern; nur soviel sei gesagt,
dass die auf dem Plan zwischen h und i angedeutete geschnitzte Wand sich in
meinem Besitze befindet. Ich habe sie herausbrechen lassen, und da zeigte sich
deutlich (was übrigens auch die Ostenfelder bestätigten) , dass sie ursprünglich
eine richtige Bettlöcherwand, wie die oben erwähnte Heldische, gewesen war und
erst vor verhältnissmässig kurzer Zeit ihre neue Stelle bekommen hatte. So war
denn auch die Rückwand des alten Schnitz Werkes mit modernen Tapeten be-
klebt u. s. w. Beides, die Reim er' sehe Stuben wand und die Held 'sehe Pesel-
Einrichtung, kann übrigens Hr. Uhle in einigen Monaten in Berlin selbst prüfen.
Sie sind Theile meiner, zur Zeit in London in der German Exhibition aufgestellten,
grossen schleswig-holsteinischen Sammlung und gehen von da aus in unser
Museum für deutsche Volkstrachton und Erzeugnisse des Hausgewerbes über.
Noch einen Punkt führt Hr. Uhle gegen mein Ostenfelder Haus vor. Er
sagt (S. 505): „Ausserhalb des Grundrisses macht sich die wichtige, von Hrn.
Jahn ganz bei Seite gelassene Differenz geltend, dass das veränderte Ostenfelder
Haus immer noch den Giebel in sächsischer Weise der Strasse weist, das Pöh-
ringer die Langseite. In letzterem ist also auch schon nach seinem äusseren Ver-
hältniss zum Dorfe, den Dorfwegen, jenes Merkmal des sächsischen Hauses nicht
vertreten." Hr. Uhle irrt; denn die Häuser Ostenfelds, welche in dem ver-
änderten Ostenfelder Typus erbaut sind, kehren, wie auf Pöhr, die Langseite der
Dorfstrasse zu. Es zeigt sich hier derselbe Process, den man allenthalben in
Nord-Deutschland beobachten kann, wo das sächsische Längsachsen-Haus von dem
fränkischen Querachsen -Bau verdrängt wird: nicht nur das Haus selbst, sondern
auch die ganze Lage des Hauses wird verändert.
Fühle ich mich gezwungen, Hrn. Uhle's Polemik gegen meinen Ostenfelder
Haustypus energisch zurückzuweisen, so muss ich das in erhöhtem Maasse hin-
sichtlich des Folgenden thun: Ich sagte (Verh. 1890, S. 533) wörtlich: „Bei dien
nord-schleswigschen Häusern .... dominirt .... die Querachse .... Durch die
Freundlichkeit eines in Nord- Schleswig geborenen und aufgewachsenen Bau-
verständigen, unseres Mitgliedes, des Hrn. Peter Madsen hicrselbst, bin ich in
den Stand gesetzt, meine Erinnerungen zu ergänzen und den Typus des
alten nord-schleswigschen Hauses wiederzugeben.^ Hr. Uhle stellt das
Haus nun lediglich auf meines Freundes Rechnung und nennt es kurzweg das
Madsen 'sehe Haus, so dass es für den Leser den Anschein gewinnen muss, als
sei dieser Typus mir vorher gar nicht bekannt gewesen. Nun führt Hr. Uhle
weiter aus, „das Madsen' sehe Haus" (er meint also den von mir aufgestellten
nord-schleswigschen Typus) und sein „Föhringer Haus" (er meint aber nicht seinen
ersten Grundriss, sondern den auf den Bau in der Querachse umgemodelten) seien
unverkennbar gleich, und dennoch werde von mir das Gegen theil behauptet.
So liegt die Sache nicht. Ich habe behauptet, Hrn. Uhle's Föhringer Haus,
wie er es in seinem ersten Vortrage geschildert hat, habe mit dem nord-schles-
wigschen Hause, trotz mancher äusserlicher Aehnlichkeiten, nichts gemeinsam; ich
habe aber nie behauptet und werde auch nie behaupten, dass von Hm. Uhle's
(648)
zweitem Föhringer Hause dasselbe zu sagen sei. Schon allein deshalb konnte ich
es nicht sagen, weil der zweite Föhringer Typus von Hm. ühle in seinem ersten
Vortrage gar nicht aufgeführt ist; auch konnte ich unmöglich wissen, dass ein
Haustypus so schnell von einem Bau in der Längsachse zu einem Bau in der
Querachse werden kann. Selbstverständlich behaupte ich denn auch, dass, ebenso
wenig als der nord-schleswigsche Typus mit dem ersten Föhringer Typus ühlo's
etwas gemein hat, Uhle's erster Föhringer Typus mit seinem zweiten zusammen
zu bringen ist.
Zum Schlüsse ein paar Worte über das „Jöfach". Man bezeichnet damit den
ganzen Platz, in welchem Heu und Feuerung aufgeschichtet wird, von der Erde
bis zu dem Boden. Das „Jöfach" entspricht also unserem hochdeutschen „Banse'',
dialektisch Banse. Der Boden über dem „Jöfach" hcisst in Nord-Schleswig „Hill".
Eine einzige Anfrage des Hrn. ühle, mündlich oder schriftlich, bei mir oder
meinem Freunde Madsen, hätte ihm volle Klarheit verschafft. Wozu sich mit
Muthmaassungen plagen, wenn die Wahrheit so leicht in Erfahrung gebracht
werden kann! Auch hinsichtlich der „Siedeln** hätte Hr. ühle seinen Husumer
Gewährsmann nicht zu bemühen brauchen. Wenn ich ihm versichere, dass mir
die beiden Seitentheile rechts und links der Diele von den Ostenfeldem, welche
ich darum befragt habe, als die „Siedeln** bezeichnet sind und ebenso die Thüren
dahinter als die „Siedelthüren**, so sollte er mir glauben und nicht einem Laien
Gehör schenken. Das „1*^ darf ihn nicht stören; auch im Ostfriesischen heisst die
Stallthür „Siedeldör'*. — Im Uebrigen brauche ich wohl nicht besonders hervor-
zuheben, dass ich auch sonst alles aufrecht erhalte, was ich in meiner ersten Ent-
gegnung auf den ühle sehen Vortrag über das Föhringer Haus ausgeführt habe. —
Hr. Uhle verzichtet vorläufig auf eine Beantwortung der Ausführungen des
Hrn. Jahn, findet aber in dessen heutiger Auseinandersetzung nichts Neues. Er
hält seinerseits an dem fest, was er früher schon über das von ihm supponirte
stammfriesische Haus vorgetragen hat. —
Hr. Virchow hält die Entscheidung über primäre und secondäre Ent Wickelung
der abweichenden Haustypen in Schleswig-Holstein für sehr schwierig. Ob über-
haupt auf der cimbrischen Halbinsel noch Reste des primären Hauses der Ur-
bewohner existiren, lässt sich bei der grossen Verschiebung der Völkersitze schwerlich
ausmachen. Ein übersichtliches Bild dieser Verschiebungen hat kürzlich Hr.
Ludw. Weiland (Die Angeln. Tübingen 1889) geliefert Damach kann es nicht
zweifelhaft sein, dass mit der Wanderung der Angeln und Warnen nach Bri-
tannien, der letzteren auch weiter südlich nach Deutschland, das bis dahin von
ihnen besiedelte Land fast ganz leer war und den Einwanderungen sowohl nörd-
lieber, als südlicher Stämme offen stand. Damals kamen auch die Nordfriesen in
das Land, aber, was jetzt diesen Namen trägt, sind theils wirkliche Friesen, theils
Nichtfriesen. Nach Möller wären die Bewohner von Helgoland, Sylt, Amrum
und Föhr keine Friesen, sondern Chauken, d. h. Sachsen (Weiland, 8. 38). Völker
mit dem Sachsen-Namen sassen freilich von Alters her im südlichen Holstein, wohin
später von Neuem eine starke sächsische Einwanderung gerichtet war. Was jetxl
aber von sächsischen Häusern im Lande vorhanden ist, dürfte viel wahrscheinlicher
diesen Einwanderern zugesprochen werden können. Dass das friesische Haus in
seiner älteren Form jemals die jetzt zur Diskussion stehende Quertheilung gehabt
hat, ist durch nichts bewiesen; indess mag es richtig sein, dass die Quertheilung
eine alte Eigenthümlichkeit, namentlich der suevischen Stämme gewesen ist, worauf
(649)
der Redner, nachdem diese Hansform im Schwarzwalde und in der Schweiz von
ihm nachgewiesen war, schon wiederholt hingewiesen hat. Wollte man diese
Form in Schleswig-Holstein einer Urbevölkerung zuschreiben, so wäre am wenigsten
der Friesenstamm dazu berufen. An alten suevischen Stämmen für die Aus-
füllung dieser Lücke fehlt es nicht. Vielleicht wird ein weiteres Studium der
älteren Häuser in Nord-Schleswig etwas zur Klärung dieser Frage beitragen. —
(20) Hr. G. Schweinfurth spricht über
Ae^yptens auswärtige Beziehungen hinsichtlich der Coltnrgewächse.
Unter den Hülfsmitteln der Alterthumsforschung gebührt der Pflanzenkunde
ein hervorragender Kang, denn bei allen denjenigen Völkern der Vergangenheit,
deren Leben sich auf die Pflege von Pflanzen stützte, haben diese einen be-
sonderen Antheil an der Hinterlassenschafk. Die Völker verschwanden oder ver-
schollen, aber die Pflanzen leben fort, Menschenrassen wurden umgestaltet und
oft blieb keinerlei Bild von ihnen erhalten, auch die Hausthiere, ihre getreuen
Genossen, überdauerten sie nur selten in unveränderter Gestalt, aber die durch
grössere Ortsbeständigkeit und in Folge davon durch ein weit gleichartiger ein-
wirkendes Medium der äusseren Daseinsbedingungen ausgezeichneten Pflanzen
unterlagen geringerem, häufig in menschlicher Zeit gar keinem Wechsel. Es hat
Völker gegeben, die keinerlei Denkmäler hinterliessen, keinen beschriebenen Stein;
aber wo Steine schwiegen, da haben Pflanzen geredet. Wie ein ewig sich er-
neuernder, ewig lebensfrischer Theil der Volksseele gewesener Geschlechter, ja
gleichsam wie fortsprossende Glieder ihrer längst erloschenen Körperlichkeit, treten
sie vor unsere Augen, in greifbarer Gestalt, lassen sich untersuchen, vergleichen
und an der Hand der verschiedenen Disciplinen des menschlichen Wissens in
mannichfaltiger Weise deuten und beurtheilen. So führen, abwechselnd auf inductiver
und speculativer Fährte, diese Pflanzen uns tiefer und tiefer hinab in die Ab-
gründe der Zeit, und was mancher Disciplin allein nicht geglückt, das vermochte
sie mit Hülfe der Pflanzenkunde.
Mehr als andere Gebilde der organisirten Natur erscheinen die Pflanzen
höherer Ordnung abhängig von den äusseren Daseinsbedingungen, sie sind so zu
sagen der förmliche Ausdruck der dem Boden eigenthümlichen und der in den
Atmosphärilien wirksamen Kräfte. Sehr kenntlich ist oft der Stempel ihres Ur-
sprungs. Daher bieten Pflanzen, wo sie als vom Menschen selbst erwählte Ge-
nossen auftreten, so häufige Fingerzeige zur Beurtheilung der Wanderungen des
Menschengeschlechts und des völkervermittelndcn Verkehrs. Die Errungenschaften
der Pflanzengeographie sind zwar noch weit davon entfernt, in jedem Falle Aus-
kunft zu geben, etwa, wie Merlin der Wilde, Räthsel zu lösen aus einem Laube.
Die unausgesetzt neu zuströmenden Thatsachen ermangeln noch des geregelten
Bettes. Hoffentlich aber gelingt es einmal aus dem ungeheuren Vorrathe auf-
gehäufter Thatsachen, aus den thurmhohen Stapellagem der Einzelheiten ein
brauchbares Bauwerk aufzuführen. Die Völkerkunde nimmt in dieser Hinsicht
wohl keine mehr bevorzugte Stellung ein imd wenn es die vergleichende Sprach-
forschung allein zu verstehen scheint, immer tiefer in die unteren Lagen der
Menschengeschichte vorzudringen und wenn auch die anderen Disciplinen ihr nur
selten dahin zu folgen vermögen, so darf uns das nicht entmuthigen. Wenn erst
Pflanzengeographie und Anthropologie ein gleich ehrwürdiges Alter erreicht haben
werden, wie die Sprachforschung, dann wird man auch wohl einmal über bessere
Ariadnefaden verfügen, als blosse Isothermen und Schädelindices gewähren.
(650)
Immerhin können wir auch heute schon auf einige Ennngenschaften der
Pilanzengeschichte mit hoffnungsvoller Befriedigung blicken. Wenn uns auch das
Capitulare Carls des Grossen (C. Magni capitulare de villis suis) unbekannt ge-
blieben wäre, so würden wir doch im Stande sein, aus dem Charakter der heutigen
Dor%arten- Flora Mitteleuropas auf don gemeinschaftlichen Ursprung der Arten
zu schliessen, die sich im frühoston Mittelalter daselbst aus Italien einbürgerten.
An dem Flachs bewies Heer die seitdem durch viele andere Funde bestätigte süd-
ländische Herkunft der Pfahlbau-Cultur. ünger's geistvolle Beleuchtungen der
altägyptischen Culturgewächso, des Grafen Solms-Laubach Nachweise über die
Wanderungsmomente der Cultur des Feigenbaums, Körnicke's grundlegende
Untersuchungen der Getreidearten und Hülsenfrüchte, Wittmack^s altperuaniscbe
Fflanzennachweise, allen voran Alphonse de Candolle mit seinem kritischen
Sammelwerk über den Ursprung der Culturgewächse , sie förderten Thatsachen
ans Licht, mit denen jeder Historiker und Alterthumsforscher zu rechnen hat und
die vielleicht mehr bedeuten, als manche Inschrift, in Stein gehauen. Um noch
ein nahe liegendes heimathliches Beispiel anzuführen, sei es gestattet, auf
F. Ascherson's Studie über Scopolia*) hinzuweisen, wo überraschende Auf-
schlüsse über die Wanderungen einer unscheinbaren Giftpflanze gegeben werden,
die sich, abseits der Wege deutscher Cultur, nach Preussen verbreitet hat und
deren Geschichte daher schwer zu eruiren war. Nur der Botaniker vermochte
sich in diesem Labyrinthe von Irrwegen zurechtzufinden.
Zu Forschungen dieser Art scheint nun kein Land mehr einzuladen, als
Aegypten; denn abgesehen von dem grossen Dauerwerth alles Bestehenden da-
selbst, den unzähligen Documenten und den aus dem Alterthum in Substanz er-
haltenen Naturerzeugnissen, haben auch die Schriftsteller anderer Cultorvölker
beständig ihr Augenmerk auf Aegypten gerichtet, so dass es geographisch und*
culturhistorisch, in jedem Sinne, stets eine völkervermittelnde Stellung behaupten
konnte. Daher habe ich auch meinen langen Aufenthalt in diesem alten Lande
und bei dem ewigen Volke dazu benutzt, um alle aus dem Alterthume stammenden
Funde vegetabilischer Natur, soweit sie erhältlich waren, zu mustern und im
Verein mit den heutigen Bodenerzeugnissen zu studiren. Die materiellen Belege
für meine Angaben sind in den botanischen und ägyptischen Museen von Cairo,
Berlin und London (Kew) niedergelegt.
In der von P. Asche rson und mir gegebenen Zusammenstellung der Ge-
sammtflora von Aegypten*) sind von Cultui^ewächsen der heutigen 2jeit, d. h. Feld-
gewächsen, und von Gartenpflanzen die Gemüsearten und häuflgsten Fmchtbäome,
150 Species, aufgezählt. Von diesen Culturpflanzen habe ich gegen 40 durch selbst
untersuchte Funde aus dem vorchristlichen Aegypten für die alte Feld- und Oarten-
flora nachgewiesen, 10 andere Culturarten könnte man der Zahl nach hinzufügen,
wenn man die aus den alten Denkmälern, aus Inschriften und anderen beglaubigten
Ueberlieferungen sich ergebenden Pflanzen, immer nur die wirklichen Cultor- und
angebauten Nutzpflanzen berücksichtigend, zusammensuchte. Man würde also über
ein Drittel von der Ai^ahl der im heutigen Aegypten angebauten Nutzpflanzen ver-
fügen, sofern für die alten Anbau Verhältnisse wirkliche Belege vorhanden sind.
Dies sind die wenigen Bausteine, die für die Stützpfeiler der Geschichte der alt-
ägyptischen Bodencultur zur Verfügung stehen. Natürlich reichen sie nicht aus
für ein Fundament, höchstens lassen sich mit ihnen die Umrisse des beab-
1) Sitzungsberichte der Ges. Naturf. Freunde. Berlin 1890. 8. 69 ff.
2) Illustration de la Flore d'Egypte in Mera. Inst Egypt. T. IL 1889. p. *iöff.
(651)
sichtigten ßaucs andeutungsweise niederlegen, die Grenzen markiren, wo der
Baugrund beginnt und wo er aufhört
unter allen Fragen der Alterthumsforschung überhaupt beunruhigt keine in
so hohem Grade, wie diejenige nach dem Ursprung der Aegypter. Es hat Aegypto-
logen gegeben, die ihr Leben lang bemüht waren, mit ihren Studien in möglichst
tiefe Schächte der ägyptischen Vorzeit hinabzusteigen. Nirgends fanden sie etwas
den werdenden AnHlngen, sei es der Schrift, sei es der Religion, sei es der
Cultur überhaupt Vergleichbares. Im Gegentheil, je älter, um so edler gestaltete
sich die Schrift, um so vollkommener die bildliche Darstellung von Meisterhand.
Wie eine Pallas Athene prangte das alte Aegypten in seiner blendenden Gold-
rüstung, hervorgezaubert aus dem Haupte des Zeus4
Eine andere Frage von nicht geringerer Bedeutung betrifft den in ein ebenso
unauflösliches Dunkel gehüllten Vorgang der Heranbildung des alten Nilanwohners
zum Ackerbau, insonderheit zum Anbau von Weizen und Gerste, lieber den
Ursprung dieser Cerealien kann nach unserer heutigen Renntniss kein Zweifel ob-
walten, er ist in Mesopotamien oder in Babylonien, vielleicht im engeren Chaldaea
zu suchen, jedenfalls in den Euphratländem; aber über das wie und das wann
ihrer flerüberbringung nach Aegypten scheint jeder Hypothese freier Spielraum
gewährt. Zunächst drängen sich der Betrachtung zweierlei Möglichkeiten auf.
Entweder brachten die Aegypter, die wohl noch kein Forscher als Autochthonen
betrachtet hat, den Weizen mit aus ihrem Stammlande, oder sie (die Be-
wohner des unterägyptischen Reiches) bezogen ihn, als bei zunehmender Volks-
vermehrung die Viehzucht nicht mehr ausreichte, von denjenigen Landein, mit
denen sie damals gerade am meisten in Beziehung standen. Was die erste Ver-
muthung betrifft, so stehen ihr diejenigen Gründe entgegen, welche im alten
Aegypten dafür sprechen, dass die Religionsbildung dem Getreidebau voraus-
gegangen sein muss.
Alle nördlichen Zugänge nach Aegypten führen durch Wüsten, die den
Durchzug solchen Völkern erschweren, die nicht Nomaden und Viehzüchter sind *).
1) Das hauptsächlichste J^astthier der Aegypter des alten und mittleren Reiches war
der Esel, der aus dem südlichen Nubien stammte. Mit Hälfe dieses Thieres unternahmen
die Alten, wo es geboten war, ihie Wüsteoexpeditionen. Seltener mögen ihnen dabei die
stets feindlichen Wüstenbewobuer mit ihren Kameelen ausgeholfen haben. Das Kameel
fehlt bekanntlich unter den Thicrbildem der im Uebrigen so ausführlich und vollständig
den damaligen Vieh- und Jagd bestand der Nilthalbewohner wiedergebenden Inschriften
der Pyramiden zeit, wie überhaupt allen Terapelbildern. Den ältesten Nachweis über das
Kameel hat W. Golenischeff in seinen „epigraphischen Ergebnissen eines Ausflugs ins
Wadi Hammamat^ (Sapissok der Orient. Abth. der Kaiserl russ. archäolog. Ges., 1887,
Th. ir, 8. 66) geliefert: ich fähre die Stelle hier in der Uebersetzung an, da der
russische Text bisher wohl nicht genügende Beachtung gefunden hat. Golenischeff
fand unter den aus der XI. Dynastie stammenden Felsinschrilten im Wadi-Hammamat,
unter sieben Abbildungen von Straussen, Antilopen und Stieren, die in ebenderselben Weise,
d. h. in Flachrelief ausgemeisselt und mit hieroglyphischen ünterscliriften versehen waren,
auch eine solche Abbildung vom Kameel (Taf. V, Fig. 6). Nachdem der ausgezeichnete
Aegyptologe den Nachweis geliefert, dass die betreffende Zeichnung mit den neueren
Kunstleistungen müssiger Beduioenkinder nicht das Geringste gemein hat, fugt er
(S. 12, 13) hinzu: „Aus vielen Stellen der Bibel ist ersichtlich, dass bei den an den nord-
östlichen Grenzen Aegyptens lebenden Nomaden Heerden von Kameelen vorhanden waren
und es ist in Folge dessen schwer zulässig, dass das Thier den alten Aegyptern gänzlich
unbekannt geblieben sein kann. Daher sind wir, wenn auf der einen Seite die Abwesen-
heit aller bildlichen Darstellungen des Kameeis auf den Denkmälern des Nilthals, auf der
(652)
Wer zuerst Weizen und Gerste in Cultur brachte, Hamiten oder Semiten,
und ob dieser Vorgang der Trennung der gemeinschafUichen ürrasse in zwei aus-
einander gehende Aeste etwa vorausging, lässt sich nach dem heutigen Stande der
Renntniss wohl nicht entscheiden. Nehmen wir aber an, dass die ägyptischen
Hamiten als Viehzüchter und Nomaden ihren Einzug ins Nilthal hielten, so wird
die Frage keineswegs vereinfacht, denn in diesem Falle wären dieselben auf den
einzigen festländischen Zugang von Osten, auf die Völkerbrücke von Sues an-
gewiesen gewesen, während die altägyptische Ueberlieferung für eine Aus-
breitung des Stammes, der offenbar in beiden Königreichen derselben Rasse an-
gehörte, von Ober-Aegypten *) her, spricht.
Wie den Chaldäem, so erschien auch den Aegyptem das Zeitalter der Welt
in dreitheiliger Gliederung, dargestellt aus Geschichte, Vorgeschichte und Götter-
mythus. Wandersagen vorgeschichtlichen Oharakteis scheinen zu fehlen und
hieraus lässt sich der Schluss ziehen, dass das erobernde Volk zu einer Zeit in
Aegypten sich ausbreitete, als dasselbe noch weder im Besitze einer ausgebildeten
Götterlehre, noch der Schrift war. Die afrikanischen Urbewohner des Nilthals
sind vor den fremden Eindringlingen verschwunden, denn die ethnographische
Einheit der alten Aegypter nöthigt uns von der Annahme einer Vermischung ab-
zusehen, so sehr wir auch der bei der Anzucht neu eingeführter Hausthiere immer
wieder hervortretenden assimilirenden und nivellirenden Kraft der eigenartigen Nil-
natur Rechnung zu tragen geneigt sind.
Um auf die schwerwiegende Annahme einer von Süden nach Norden ge-
richteten Ausbreitung der Aegypter zurück zu kommen, sei es mir gestattet, das
Zeugniss von H. Brugsch (Geogr. Inschriften. I. S. 176) anzurufen, dem zu-
folge die ältesten Volksüberlieferungen Theben zur irdischen Heimath des Osiris
stempeln. Dieser Tradition entsprechend, ward dahin auch der Sitz jener mensch-
lichen Herrschergeschlechter verlegt, die den historischen Dynastieen vorhei^gegangen
sein sollen. Will man auf diese Winke Werth legen, so ist man genöthigt, an-
zunehmen, dass die Hamiten auf der Völkerstrasse Qosser-Qeneh, da, wo das Nil-
thal vom Meere aus am nächsten erreichbar war, aus Arabien eingezogen sind,
nachdem sie als Viehzüchter in den ertragfähigeren Berggegenden zunächst des
Meeres lebend, sich daselbst bei Zeiten mit jenen einfachen und primitiven Mitteln
der Schifffahrt-) veiiraut zu machen Gelegenheit fanden, die ausgereicht haben
werden, um die Ueberfahrt zu bewerkstelligen, — ein Vorgang, der sich zwischen
beiden Küsten des Rothen Meeres in der Folge an verschiedenen Punkten und
unzählige Mal wiederholt haben muss, um nach und nach halb Alrica durch
hamitische und später durch semitische Einwanderung ethnisch umzugestalten.
Es ist hierbei aber auch die Möglichkeit im Auge zu behalten, dass die
frühesten Hamiten auf demselben Wege, auf welchem ihnen später die semitischen
Völker (Habeschat) folgten, an der nächsten Stelle, also von Süd-Arabien aus,
anderen aber die Angaben der Bibel in Betracht gezogen werden, zu dem Schlosse ge-
nöthigt, dass, wenn auch im eigentlichen Aegypten vor Alters das Kameel nicht un-
bekannt war, die Aegypter doch ohne dasselbe lebten nnd nnr die Nomaden der an<
stossenden arabischen Wüste sich desselben zu bedienen wussten."
1) £s darf femer auch nicht ausser Acht gelassen werden, dass znr Zeit, als der Oe-
treideban in Aegjpten sich einbürgerte, das Land noch in zwei Reiche getheilt war, in
das von Ober- Aegypten bis in diö Gegend von Memphis nnd das von ünt^r^Aegypten. In
den ältesten Gräbern, die man kennt, sind bereits die Getreidearten in Substanz vor-
handen uud die vierte Dynastie beherrschte schon die vereinigten Königreiche.
*2) Vergl. Guillain, Documents sur TAfrique Orientale. V. I. p. 2, 3.
Mfhaki^M
(653)
auf die afrikanische Seite hinüber gegangen sind, sich hier immer weiter aus-
breiteten und mit ihren Heerdcn an den Nil gelangten, in dessen Thal sie als-
dann so weit nach Norden zu vordrangen, bis die Runde von einem geräumigen
Wald- und Weidelande jenseits der Katarakte gewonnen ward, und auf diese
Runde hin können dann die Nachzügler, die späteren Invasionen einen directeren
Seeweg von S(id-Arabien nach Ober-Aegypten angestrebt haben. Der südnubische
Ursprung des ägyptischen Esels (Equus taeniopus v. Heugl.) steht einer solchen
Hypothese stützend zur Seite.
Zu den Schwierigkeiten der angeregten Frage gesellt sich noch der Wider-
spruch, in welchem die drei Factoren der ägyptischen Cultur mit einander hin-
sichtlich ihres Ursprungs zu stehen scheinen. Schrift und Getreidebau verweisen
uns auf Babylonien. Dort muss der Weizen zuerst aus der freien Natur in den
Dienst des Menschen übeiigegangen sein. Dort waren die Stätten der ältesten
Rassentheilung. Dort stand der Thurm von Babel, zu welchem die Gelehrten
noch heutigen Tages wie zu einem Symbol des Ordnung schaffenden Pnncips in
dem Wust einander widersprechender Thatsachen voll Ehrfurcht emporblicken, —
erschien derselbe doch bereits dem Schreiber der Bibel als der älteste Platz der
Welt, und dieser kannte doch Aegypten!
Der dritte Factor der Cultur, die Religion, lässt sich nicht ohne Weiteres aus
dem Norden herleiten. Die älteste Götterverehrung, die uns in den üeber-
lieferuDgen der historischen Welt entgegentritt, bedarf bereits als noth wendiges
Ausstattungsstück des Weihrauchs. Semitische Religionen sind ohne Weihrauch
kaum denkbar, dieser aber ist ein Erzeugniss des südlichen Arabiens und der
gegenüber liegenden Rüste am Osthom von Afrika. Wenige Erzeugnisse der
Welt sind von gleich streng umgrenzter Verbreitung, wie der Weihrauch, dessen
Begriff in grosser Schärfe feststeht. Ich nehme daher keinen Anstand, die
Heimath des Weihrauchs mit der Wiege aller, auf Offenbarung, Tradition, und
Priesterthum basirten Religionen unserer historischen Welt zu identificiren.
Was nun die altägyptische Religion betrifft, so wird diese Hypothese noch
durch die Thatsache gestützt, dass zwei, seit den ältesten Zeiten der Tempel-
inschriften mit der frühesten Götterlehre aufs innigste verknüpfte Bäume, die
Sykomore und die Persea, in Aegypten sich nur im angebauten Zustande vorfanden,
während dieselben, wie ich selbst an Ort und Stelle nachgewiesen habe, im glück-
lichen Arabien, sowie in den Gebirgsländem an der gegenüber liegenden afrika-
nischen Rüste noch heutigen Tages als vollkommen wildwachsende Bestandtheile
des Waldes anzutreffen sind.
Bei einer Musterung der wechselseitigen Beziehungen, die sich in Betreff der
Cultur- und Ackerbauverhältnisse zwischen Aegypten und den von Alters her mit
ihm in Verkehr stehenden Ländern offenbaren, erscheint zunächst eine eingehende
Besprechung der alten Getreidearten geboten, da bei den hierauf bezüglichen
Fragen noch viele irrige Auffassungen verbreitet sind. Nach H. Brugsch*)
Rnden sich in den ältesten Inschriften, von der Pyramidenzeit an, stets drei Ge-
treidearten erwähnt und als solche durch eine Aehre als Determinativ gekenn-
zeichnet. Desgleichen sind durch Gräberfunde in Substanz aus dem alten Aegypten
vier, bezw. drei (im Falle man von einer Unterscheidung der nicht immer mit
Sicherheit nachweisbaren Gerstenarten absieht) Getreidepilanzen bekannt: Hor-
deum vulgare L. subsp. tetrastichum Rcke., die vierzeilige Gerste, H. vulg. L.
subsp. hexastichum Rcke., die sechszeilige Gerste, Triticum vulgare Vill.,
1) In brieflichen Mittheilungen vom Juli 18*J1.
(654)
Weizen und Triticum dicoccum Schkr. var. tricoceum Schtibl., Emmer. Dem
heutigen Aegypten fehlt die letztgenannte Art ')» von welcher Maspero im
Jahre 1866 im Grabe des Ani zu Gebelen (XI., bezw. XXI. Dynastie) eine Anzahl
noch zusammenhängender Aehren aufgefunden hat.
Für Mohrhirse (Andropogon Sorghum Brot.) fehlt es im alten Aegypten
durchaus an Belegen, was auch Pickering, Wilkinson und Unger zu Gunsten
einer entgegengesetzten Annahme haben sagen wollen. Die von Wilkinson (The
Anc. Egypt. 1878. II. p. 427, 428) und A. Brman (Aegypten, S. 578) dtiiten
Tempelbildei* beziehen sich auf Lein. Die Mohrhirse war erst 10 Jahre, bevor
Plinius (Hisi Nat. 1. 18. cap. 7) seine Naturgeschichte schrieb, aus Ost-
indien nach Italien eingeführt worden. Obgleich sie ursprünglich aus dem tro-
pischen Africa stammen mochte, ist sie den alten Aegyptem doch wohl unbekannt
geblieben und daselbst gewiss nicht vor der römisch-l^zantinischen Periode Gegen-
stand des Feldbaues gewesen.
Nach den mir von H. Brugsch letzthin gütigst gegebenen Aufklärungen
ist Folgendes über die vorhin erwähnten drei Getreidearten des Alterthums zu be-
merken:
1) BßTE (oXvfjot der Septuaginta), auch bet, böti u. s. w. geschrieben. Von diesem
Korn werden zwei Sorten, eine rothe und eine weisse, angegeben. Dieses Böte
wurde zur Bezeichnung des Monats Tybi (Tubi des koptischen Kalenders) hin-
gestellt, mit der Angabe: Reife(?)'0 des Böte. Der Tiby ist der einzige Monat
des Jahres, welcher einen Mann mit einer Aehre in der rechten Hand zur Be-
zeichnung hat; man kann also annehmen, dass er in Ober-Aegypten wenigstens
als der hauptsächlichste Erntemonat, mithin wohl auch die Komart als das Haupt-
getreide des Landes betrachtet wurde. Weitere Nachforschung über diesen wich-
tigen Punkt sind geboten. Nach Brugsch ist die Zeit des Tybi 17. November
bis 16. Dezember. Das Böte muss also unmittelbar nach dem Zurücktreten der
Nilschwelle (Oktober) gesäet worden sein, um im frühen Winter reif sein zu
können. Es konnte diese Getreideart mithin keine lange' Ackerbaupenode bean-
spruchen'). AUe Autoren haben bisher die ^xjpa, der Septuaginta mit Spelt,
opeautre (Triticum Spei ta L.) identificirt, obgleich bis zu dem vorhin erwähnten
Funde Maspero's nichts diesem Korn Aehnliches in ägyptischen Gräbern ge-
funden worden war. Der Emmer (Triticum dicoccum Schrk.), welcher nun
aber aller Wahrscheinlichkeit nach als das Böte der Alten betrachtet werden
muss, dürfte, wie es bereits A. de Candolle ausgesprochen (Orig. p. 293), nichts
anderes sein, als eine der älteren Culturformen des Dinkel oder Spelt (Triticum
1) Eine Form des Emmer, Triticum dicoccum Schkr. var. arras Br., im Tigrini*
..arras** genannt, findet sich heute noch in drei Formen im nördlichen Abessinien cahivirt
Einige Beisende, z. B. Dr. Steudner, haben diese Getreideart ffilschlich als «Einkorn"
bezeichnet
2) Die eponyme Bezeichnung des Monats Tybi lautet: ^Schef-er-böti". Das erste
Wort hat gewöhnlich die Bedeutimg von vtrilitas und virtus. Wie das auf die nnswdfel-
haft feststehende Bedeutung von böti, okvQaj zu beziehen ist, weiss ich nicht Auf jeden
Fall erscheint der betreffende Monatsgott als Mann mit einem Aebrenähnlichen Qewichs
in der rechten Hand. Man könnte beinahe glauben, die virilitas sei als vollste Ent-
Wickelung des Pflanzen wuchses gedacht (H. Brugsch brieflich, Juli 1891).
3) Der Schwerpunkt der Weizen-Culturperiode fallt heute in die Winter- und Pröli-
jahrsmonatc des Jahres. Weizen wird gesäet: in Ober-Aegypten im November: anf der
Strecke von Siut bis Minieh Ende November; in Mittel-Aegypten von Feschn bis C*iTO
im December; im Delta im Decerober und Januar.
(655)
SpeltaL.). Th. Kotschy hat übrigens die Pflanze (Eminer) in >virklich wildem
Zustande am Hermon gefunden und es kann diese Art, für welche im Sanskrit
kein Name vorhanden ist, die aber vielleicht identisch ist mit dem „Kussemeth'^
der Bibel (Exod. IX, 32; Jesaias XXVIU, 251; Ezechiel IV, 9), füglich wohl als
die älteste der Weizenarten angesehen werden.
2) IßT, die zweite Getreideart der alten Inschriften, kommt unter dieser Be-
zeichnung bereits in den Denkmälern der V. Dynastie vor. Es ist von jeher an-
genommen worden, dass mit diesem Namen schlechtweg Gerste (Hordeum vul-
gare L.) bezeichnet wurde.
3) COTO, die dritte Art, ebenfalls seit der V. Dynastie so bezeichnet, ist
unser Weizen, Triticum vulgare Vill. subsp. durum Desf. Von den Lexico-
graphen wird dieser Name mit „frumentum" wiedergegeben.
Eine angebliche vierte Getreideart der alten Texte KAMH ist nach ßrugsoh
nur als Gebäck gedacht. Dieser Name kommt auch bereits in den Inschriften aus
der Pyramidenzeit vor, hat aber als Determinativ das Zeichen für Brod, bezw.
Kuchen, Gebäck, und keine Aehre. Mit Unrecht ist der Name daher von einigen
Gelehrten ohne Weiteres mit dem „qamh"') der heutigen Aegypter identificirt
worden, obgleich in der Namengebung für Culturpflanzen und den aus denselben
gewonnenen Speisen im heutigen Sprachgebrauch der arabischen und arabisirten
Völker vielfach Willkürlichkeiten stattfinden =)•
Wenn man der ursprünglichen Heimath der heutigen Culturpflai^en Aegyptens
nachforscht, von denen ja die Mehrzahl bereits in vorchristlicher Zeit daselbst
vorhanden gewesen sein mag, und wenn man alle darauf bezügliche Thatsachen
zusammenstellt, so erhält man eine Art von Abriss der auswärtigen Beziehungen dieses
Landes. Es giebt wohl keinen Ackerbaustaat der Welt, dessen angebaute Nutz-
pflanzen sänmitlich Landeskinder wären, ich meine solche Pflanzen, die, ur-
sprünglich der wilden Flora angehörig, durch die ihnen vom Menschen angediehene
Pflege veredelt, zu Culturpflanzen wurden. Nichts bezeugt mehr das gemeinsame
Band, das alle Menschen vereinigt, als die weltbürgerliche Natur des Ackerbaues,
und diese Thatsache allein genügt, um den Beweis zu erbringen, dass in der
Culturwelt die Völker auf einander angewiesen sind, wie unter sich die einzelnen
Menschen, und dass sie, wie diese, abhängig von einander sind; die Familie, die
staatliche Gemeinschaft, der völkervermittelnde Verkehr, diese sind es, welche
die Wohlfahrt aller bedingen. Was sich absondert, muss zu Grunde gehen. Man
sollte nun meinen, dass ein Land, wie Aegypten, bei der einzigen Eigenart seiner
Natur und dem ebenso scharf ausgeprägten Charakter selbsterworbener Cultur,
einen Ausnahmefall darstellen müsste. Aber dem ist nicht so. Die Aegyptologen
weisen auf jeder Seite der alten Geschichte die fremden Entlehnungen nach und
das Gleiche gilt dann auch für die Geschichte des ägyptischen Ackerbaues.
Nun begegnen wir zunächst einer ganzen Reihe von Nutzpflanzen, welche,
von Alters her in Aegypten angebaut, heute noch in den südlichen Gebieten, in
Nubien und höher hinauf, am oberen Nil, wildwachsend angetroffen werden, in
Gebieten, wo die freie Natur zur Geltung kommt und uns in unzweideutiger Weise
ein Abbild von dem vor Augen führt, was das Nilthal ursprünglich gewesen sein
muss. Denn aus allgemeinen pflanzengeographischen Gründen ist leicht der Nach-
1) Im Arabischen von Jemen heisst Weizen ^ben"*, im Amharcnia «ssindi** oder
,,sau^de'', im Tigrinia „semai''.
2) Ich erwähne x. B : „esch", in Aegypten „Brod"* schlechtweg, bedeutet im ägyp-
tischen Sudan Mohrhirse (Andropogon Sorghum Brot).
(656)
weis zn fuhren^ dass die Uferwälder am unteren Nil und die Uebcrsehwemmungs-
Gebiete dieses Thaies einen der tropischen Steppenregion der Nordhälfte Africas
entsprechenden Vegetationscharakter gehabt haben müssen, bevor noch der Mensch,
zugleich zerstörend und neuschaffend, sich daselbst auszubreiten begann. Das
wirkliche Indigenat dieser Pflanzenarten habe ich durch eigene Anschauung in
allen Fällen nachweisen können.
Ein Theil der Arten ist nun allerdings im wilden Zustande auf die Flora dos
tropischen Africa beschränkt, und bei diesen Pflanzen liegt die Vennuthung nahe,
dass sie erst durch die Aegypter in Anbau gebracht und anderen Völkern zu
diesem Behufe übermittelt worden sind. Ein anderer Theil dagegen gehört in die
Kategorie der Tropenkosmopoliten, und bei diesen ist der Nachweis der ursprüng-
lichen Ausschliesslichkeit des afrikanischen Indigenats schwer zu erbringen (z. B.
bei Cajanus flavus DC. in Ostindien, Südamerica und sonst). Manche der letzteren
können in verschiedenen Gebieten, unabhängig von einander, zu Oultnrpflanzen
herangezogen worden sein, sowie ja auch ganz ähnliche Hausthiere (Hunde, Ratzen,
Esel, Schweine!) von verschiedenen Arten der wilden Fauna abstammen und, zu
verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Gegenden, gesondert in den Dienst
des Menschen getreten sein mögen und wahrscheinlich auch sind.
An solchen Gewächsen lieferte Ur-Aegypten, vielleicht bereits als erste Cultur-
Errungenschaft seiner anfänglichen menschlichen Bewohner, die nachfolgenden
Arten:
Acacia nilotica Del., Lablab vulgare Savi., Vigna sinensis Endl., Cajanus
flavus DC, Corchorus olitorius L., Abelmoschus esculentus Mch., Hibiscus canna-
binus L., Cucumis Melo L. var. Chate (Fk.), Luflfa cylindrica Ser., Citrullus vulgaris
Schrad., Hyphaene thebaica Mart.
Man könnte diesem Verzeichniss noch einige Arten hinzufügen, deren Her-
kunft indess Zweifel nach mehr als nach einer Richtung offen lässt. Hier muss
auch der seit sehr alter Zeit in Aegypten als Fruchtbaum verbreiteten Dattelpalme
(Phoenix dactylifera L.) gedacht werden, deren ursprüngliche Heimath, bei
ihrer gleichmässig dichten Verbreitung vom Indus bis an den Senegal (Region du
dattier, Boissier in Flora Orientalis. Vol. I. Prüf. p. X), heute schwer zu eruiren
ist. Wenn man auch die nächstverwandte Art, die süd-afrikanische Phoenix
reclinata Jacq., die in den Gebirgen Nord-Abessiniens und Süd- Arabiens häufig
verbreitet, wenn auch nirgends bestandbildend ist, als die Stammart betrachten
wollte, so muss doch zugegeben werden, dass in der weiten Region der Dattel-
palme häufig Stellen nachzuweisen sind, wo die Art durchaus den Anschein und
das Aussehen eines wilden Indigenats zur Schau stellt.
Nächst dem urägyptischen Nilthal ist für unsere Betrachtung Süd-Arabien
heranzuziehen, im engeren Sinne das Gebii^sland an der Südwestocke der grossen
Halbinsel gedacht, das sogenannte glückliche Arabien, einer der am meisten her-
vorragenden Culturheerde im grauen Alterthum.
Ausser dem engeren Jemen von heute kommen hierbei auch die benachbarten
und umliegenden Landschaften in Betracht, afrikanische sowohl, als auch asiatische,
mit einem Wort, jenes Gebiet, das in der Geschichte so häufig als Ziel unter-
nehmender Pharaonen unter dem Namen Punt (oder richtiger Pu-one) genannt
wird und das Sprenger') mit den Worten bezeichnet: ^Die Weihrauchregion ist
das Herz des alten Welthandels und es hat schon in vorhistorischer Zeit zu
schlagen angefangen.^
1) A. Sprongcr, Alte Geographie Arabiens. S. 299.
(657)
In der That müssen bereits in prähistorischer Zeit, wenn man diesen Aus-
druck auf die, den ältesten uns bekannten Schriftdenkmälern der Aegypter vorher-
gegangenen Epochen anwenden will, aus Süd- Arabien, aus dem „heiligen Lande"
der Inschriften, die beiden der Isis (speciell der Hathor) geheiligten Bäume, die
„Persea"*) der Alten (Mimusops Schimperi Höchst.), „Lebbach" der arabischen
Schriftsteller, und die Sykomore (Picus Sycomorus L.) nach Aegypten gebracht
worden sein*).
Auch die Cultur der ächten Feige (Picus CaricaL.) reicht in Aegypten in
die ältesten Zeiten hinauf und ist durch bildliche Darstellung hinlänglich verbürgt.
Süd-Arabien und Nord-Abessinien beherbei^en in ihrem wilden Plorenbestande
eine, von manchen Formen der cultivirten Feige kaum anders, als durch die etwas
kleineren Früchte und die stets keimfähigen Samen zu unterscheidende Art, Ficus
palmata Porsk. (syn. F. pseudocarica Höchst.), welche von den Bewohnern beider
Gebiete heute „Beless" genannt wird, mit welchem Namen man dort auch die ess-
bare Culturfeige bezeichnet. Da im Mediterrangebiet und in Westasien die dort
angeblich wilde Picus Carica L. immer nur unter den sichtbaren Anzeichen eines
sporadischen Verwildertseins angetrofiten wird, die wirklich wilden Arten Persiens,
Vorder-Indiens und Nord-Arabiens aber der Gulturart weit femer stehen, als die
erwähnte süd-arabisch-abessinische, so kann es für mich keinem Zweifel unter-
liegen, dass unsere Feige der ursprünglichen Heimath von Sykomoren und Persea,
dem alten Punt-Lande, entlehnt worden ist. Durch den in die ältesten Zeiten
hinauiragenden Weihrauchhandel, dui^ch die Punt-Pahrten zur Zeit des mittleren
Reiches, schliesslich durch das Aufblühen des Seeverkehrs an den afrikanisch-
asiatischen Rüsten unter den Ptolemäem wurden diese Beziehungen zwischen Süd-
Arabien und Aegypten, ungeachtet langer Unterbrechungen, immer wieder von
Neuem aufgefrischt
Als ein späteres Qeschenk der ursprünglichen Pomona des glücklichen
Arabiens ist der noch heute auf den Bergen bei Taes wild vorkommende Johannis-
brodbaum (Ceratonia Siliqua L.) zu bezeichnen. Es scheint dieses Gewächs bereits
während der griechischen Epoche nach Aegypten gelangt zu sein, indess ver-
muthlich auf dem Wege über Syrien.
Nachdem die Araber sich erobernd und von Neuem religionsstiftend über
Aegypten ergossen hatten, wurde Süd -Arabien der Vermittler des Verkehrs mit
Indien, und manche indische Gulturpflanze gelangte auf diesem Wege an den Nil,
nachdem zuvor in Jemen Culturetappen durchgemacht waren. Die hier in Be-
tracht kommenden Arten sind, wenn von Indien die Rede sein wird, zu erwähnen.
Hinsichtlich der Kolokasia (Golocasia antiquorum Schott), deren Heimath ge-
wöhnlich in Indien angenommen wird, ist indess schon an dieser Stelle ein Vor-
behalt zu machen, da das Bürgerrecht dieser Nutzpflanze im Plorenbestande von
Jemen durch meine eigenen Wahrnehmungen bezeugt ist. Vielleicht schon während
der griechisch-römischen Zeit in Aegypten eingeführt, gelangte die Kolokasia später
von hier nach Süd-Europa. Sie gehört zu derjenigen Kategorie von Gulturpflanzen,
die einen Vergleich mit der Polypatrie gewisser Hausthiere herausfordern.
Bei Arabien sei noch gewisser, durch den Gräbercult des Islam, sowie durch
die Mekka-Pilgerfahrten nach Aegypten verbreiteter Succulentpflanzen (Symbole
des ewigen Lebens und der Auferstehung) gedacht: Aloe veraLam., Kalanchoe
1) Dieser Name ist nicht zu verwechseln mit dem von Gärtner einem amerikanischen
Baume, der Persea gratissima, gegebenen.
2) Vergl. Schwein furth, Verhandl. der Ges. f. Erdkunde. Berlin 1889. Nr. 7.
VerhaodL (Ur BerL Aothropol. Gesellschaft 1891. 42
(658)
deficiens Asch, et Schf., Cissus rotundifolius V., Euphorbia mauritanica L.
Die hauptsächlichste Gräberpflanze indess, die Aloe, hatte sich bereits in vor-
christlicher Zeit '), wegen ihrer medicinischen Eigenschaften, nach Syrien, Griechen-
land und wohl auch damals schon nach Aegypten verbreitet. Aus Arabien ge-
langten auch beliebte Zierpflanzen in die ägyptischen Gärten, so unter anderen
die von da aus später nach Italien und dem nördlichen Orient verbreitete Iris
florentina L., die ich an der Spitze des Berges Schibam über Menacha bei
3(X)0 m in grosser Menge antraf. Die Heimath dieser bekannten Gartenpflanze
war bisher tmbekannt geblieben.
Die in Kleinasien, Persien und dem nordwestlichsten Theile von Vorderindien
einheimische Luzerne (Medicago sativa L.), welche nach den Angaben griechischer
und römischer Autoren im 5. Jahrhundert v. Chr. aus Medien nach Entopa ge-
langte, wie ja auch der griechische und lateinische Name andeutet, scheint den
Aegyptem bis in die neueste Zeit unbekannt geblieben zu sein. In Sttd-Arabien
wird die Pflanze vielfach als Futterkraut angebaut tmd an der sttd-arabischen
Küste nennt man sie „Gadhub". Die Araber erhielten die Pflanze aus Persien.
Die Luzerne wird gegenwärtig in Aegypten allgemein „berssim hegiäsi^, d. b.
„arabischer Klee^ genannt und ist wahrscheinlich erst seit den Feldzttgen gegen
die Wahabiten daselbst bekannt geworden. Indess wird der oben erwähnte sfid-
ärabische Name Gadhub in den ägyptischen Oasen, wie in denen Tripolitaniens
(selbst in Kauar), allgemein angewendet.
Obgleich Syrien, als das nachte Nachbarland, von jeher mit Aegypten einen
regen Verkehr unterhalten haben muss, so reichen die Gultur- Entlehnungen
syrischen Ursprungs, auch die aus zweiter Hand vermittelten, nicht in ein so
hohes Alter zurück, wie diejenigen Babyloniens. Die mittleren Euphratländer
waren es, welche, wie bereits erwähnt wurde, schon in voi^geschichtUcher Zeit den
Aegyptem Emmer, Weizen und Gerste geliefert haben, vielleicht auch die Linsen
(Lens esculenta Mnch.).
Auch Persien tritt bereits in ältester Zeit mit einer sehr bezeichnenden Gabe
in den Haushalt der Aegypter. Es ist das bekannte Färbemittel der Hände, Nägel
und Haare, die „Henna^ (Lawsonia inermis Lam.), die „Kypros^ des Dioacorides
(Diosc. I. 124), „Kopher^ des Hohen Liedes (I. 14), und noch heutigen Tages von
den Nubiem „Chofreh^ genannt. Die Heimath-) dieses Strauches mag wohl
eher Vorder-Indien gewesen sein, aber zahlreiche Umstände sprechen daft&r, dass
das alte Persien bei seiner Verbreitung die erste Vermittlerrolle gespielt haben
muss.
Wenn man den bestimmten Aussagen verschiedener Beisender trauen dar(
so war Persien oder der Nordwesten von Vorder-Indien auch das Ursprungsland
eines anderen, seit den ältesten, durch Inschriften beglaubigten Zeiten in Aegypten
eingebürgerten Fruchtbaums, des Granatapfels (Punica Granatum L.). Aller-
dings sprechen auch gewichtige Gründe dafür, dass der „Punische Apfel*^, der den
Römern durch die Karthager bekannt wurde, in Urzeiten mit manchen andovn
Gewächsen aus der südarabischen Region zu den nördlichen Semiten gelangte,
vielleicht auch schon in Gemeinschaft von Persea und Sykomore nach Aegypten.
Zwar hat man den wirklichen Granatapfel in diesen Gegenden noch nirgends wild
1) Plinius Mist. XXVII 5. Dioscorides lU. 22.
2) Etnin Pascha verdanken wir eine Angabe über wildes VorkoDimen von I^wtooi»
im Osten vom oberen Bahr-el-Qebel (Lahika-Gebiot\ aber diese Thatsacbe ist noch
durchaus zweifelhafter Natur (Emin Pascha, eine Sammlung u. 8. w. 8. 251, 401)),
(659)
angetroffen, allein auf der Insel Socotra wächst die einzige bekannte wilde Art der
Gattung, die Punica Protopunica Balf. f.*), welche von den heutigen Formen
der Culturpflanze, nach dem zu urtheilen, was ich in Socotra sah, eigentlich nur
durch die Blätter verschieden ist. Auf die Merkmale der Frucht möchte ich in
diesem Falle nicht allzuviel Gewicht legen.
Mit der altpersischen Eroberung Aegyptens dürfte auch das Auftreten des
Nelumbium speciosum W. zusammenfallen. Diese Pflanze scheint seit jener
Zeit als der ächte Lotus angesehen worden zu sein.
Vor der persischen Epoche finden sich als Lotus nur die zwei Nymphaea-
Arten, die der Flora des Nils noch heute angehören, auf den Tempelbildern und
in den Gräbern dargestellt. Der asiatische Lotus (Nelumbium) ist in Africa
nirgends wild. Er verdrängte als symbolische Zierpflanze den einheimischen und
ward demselben substituirt. Da der Lotuscult des Nelumbium in Indien seinen
Mittelpunkt hatte, so lässt sich auch in diesem Falle eine Vermittlerrolle Seitens
der Perser voraussetzen.
In die darauf folgende Periode der ägyptischen Geschichte, in die griechisch-
römische Zeit, ftUlt die Einführung zweier der heute noch in Aegypten meist ver-
breiteten Fruchtbäume, des Pfirsichs und der Aprikose, bei denen die persische
Yermittelung noch deutlicher hervortritt, wennschon auch Sjrrien dabei die Hand
im Spiele gehabt haben muss. Den genannten Obstbäumen sind als eigentliche
Heimath jene central-asiatischen Gebiete anzuweisen, in welchen die chinesische
Culturwelt mit der indischen und persischen Fühlung gewann, allerdings erst in
verhältnissmässig später Epoche. Die aus Persien stammende Quitte (Cydonia
vulgaris Pers.) ist in den Gärten Ünter-Aegyptens seit langer Zeit verbreitet, aber
daselbst wohl neueren Ursprungs, als Pfirsich und Aprikose.
Die grosse indische Culturwelt war in ihren Beziehungen zu Aegypten nicht
allein auf die persische Vermittlerrolle angewiesen, da offenbar spätestens seit der
Ptolemäerzeit der Seeweg offen stand; ausserdem aber bildete ja auch die
arabische Halbinsel, und zwar nicht nur fn ihrer Diagonale über Maskat, ein
Mittelglied. Guillain in seinem historisch-geographischen Werke über Ostafrika
(I. p. 35 — 39) betrachtet die Araber als die ersten Seefahrer des Indischen Oceans,
und gewiss waren sie auch hier, wie auf den Landwegen, die Handlanger des
Welthandels der Phönicier. Es musste jedem, der sich aufs Meer getraute, bald
einleuchten, dass die grosse Regelmässigkeit der Monsun -Winde die leichte Ver-
bindung zwischen Indien und Africa längs der arabischen Rüste ausserordentlich
förderte. Der günstige Windgott belohnte hier jedes Unternehmen gleichsam mit
einem freien Retourbillet.
Indien muss allerdings schon in sehr alter Zeit mit Ost-Africa in Verkekr ge-
standen haben, denn die Herkunft einer Anzahl acht indischer Culturgewächse
lässt sich nur aus dem tropischen Africa ableiten, wenn man auf den Umstand
überhaupt Werth legen will, dass die nächstverwandten congeneren Arten der
Wildniss in Africa zu Hause sind und nicht in Indien. Dies ist in erster Linie
der Fall mit den im tropischen Africa so weit verbreiteten wilden Reis (Oryza
punctata Ky.), der sich von vielen angebauten Formen des Reis (Oryza sa-
tiva L.) durch Merkmale von specifischem Werthe überhaupt nicht unterscheiden
lässt. Sesam um ist eine andere (Gattung, deren sämmtliche Arten der Flora des
tropischen Africa angehören, darunter einige der Gulturart (Sesamum indicum L.)
1) Vergl. J. B. Balfour, Botany of Socotra, p. 98—%.
42'
(ßßO)
mihe stehende Formen. Andropogon Sorghum Brot, die Mohrhirse, hat eine
iranze Reihe den Culturformcn durchaus nahestehender wilder Vertreter in Africa.
Zu dieser Kategorie der tropisch-afrikanischen Entlehnungen, auf dem räumlich
wie zeitlich so unendlich weiten Umwege über Indien, gehört vielleicht auch das
Zuckerrohr') fSaccharum officinarum L.), die Eleusine coracana Gaertn.
und die Vigna sinensis Endl., deren Ableitung aus indischen Stammarten bisher
eine grössere Berechtigung zu haben schien.
Indien scheint demnach in den alten Zeitabschnitten eine ähnliche Vermittler-
rolle auf weitem Umwege gespielt zu haben, wie im 16. Jahrhundert Constantinopel
(d. h. wohl eher die venetiani sehen Colonien Candien, Cypern, Rhodos u. a.) im
Austausch amerikanischer Cultur-Novitäten an West- und Nord-Europa („Mais" —
türkischer Weizen, „granturco"; Puterhahn — „turkey" u. dergl.).
Der Sesam muss, den Erwähnungen desselben bei Theophrast und Dioscorides
zufolge, in griechischer oder vorgriechischer Zeit von Indien nach Aegypten ge-
langt sein. Plinius (XVIII, 10) behauptet diese Herkunft ausdrücklich. Aller Wahr-
scheinlichkeit nach fällt in dieselbe Zeit auch die Einführung des Indigo (Indigo-
fera argentea L.) als Culturpflanze*), bezw. seine Heranziehung aus der ein-
heimischen Flora für die Bodencultur, wenn das letztere nicht eher den Arabern
der Chalifenzeit zu verdanken war. Der Mohrhirse und Kolokasia ist bereits ge-
dacht worden.
Während der römischen Kaiserzeit gelangte der „modische Apfel", heute
„Cedro" der Italiener (Citrus medica Risse) nach Syrien und Aegypten, um als-
bald weiter nach Süd-Europa (im 3. Jahrhundert in Italien) übermittelt zu werden.
Diese Art wird ebenso, wie die süsse Citrone (Limetta) und die kleine Limone
der Araber, als der Flora des subalpinen Vorder-Indiens (Süd-Himalaya) angehörig
betrachtet. Dass Persien und Medien oder Mesopotamien die Verbreitung des
Baumes nach Westen vermittelt haben, geht aus der Namengebung bei den alten
Schriftstellern hervor („medischer", „persischer" und „assyrischer" Apfel).
Die arabische Chalifenzeit ist reich an indischen Einführungen in Aegypten
und hier betreten wir beglaubigt historischen Boden. Der Reis, das Zuckerrohr,
der weisse Maulbeerbaum, die Cassia Fistula L., die Banane (Musa sapicn-
tium L.), die Pomeranze') (Citrus Bigaradia Duh.) und die kleine Limone
(Citrus Limonum Risso, var. pusilla Risso), schliesslich eine Anzahl beliebter
Zierpflanzen, unter ihnen Jasminum Sambac L. und J. grandiflorum L. ge-
hören dieser Periode an, in welcher Aegypten nicht nur der empfangende Theil
war, sondern auch den weiteren Vermittler nach Europa spielte.
Die süsse Orange (Citrus Aurantium Risso) hat sich nach A. de Candolle
1) Ritte r's klassische Studie über die geographische Verbreitung des Zuckerrohrs
hat vor einem halben Jahrhundert den Nachweis der indischen Heimath dieser Pflanxe
erbracht, aber A. de Candolle (Origines, p. 122 — 127) hat in dieser Frage ganx neue
Gesichtspunkte aufgestellt und die Herkunft des Zuckerrohrs aas Süd-China oder aas
Hinter-Indien in hohem Grade wahrscheinlich gemacht. Hinter-Indion scheint ein Jkhn-
liches Hinterland der Cultur für Vorder- Indien gewesen zu sein, wie Süd-Arabien für
Aegypten.
2) Theophrast (V, 107) spricht von einer wildwachsenden Form, während Pliniiu
(XXXV, 12 imd 25) nur des Indigos als Drogue Erwähnung thut. Hinsichtlicb der Coltitr
der ächten Indigofera tinctoria L. in Aegypten fehlt es an Belegen. Die heute in Aegypten
angebaute Art ist im wilden Zustande der desertischen Flora, sowohl Aegypten» und
Nubiens, als auch des nordwestlichen Indiens eigen.
.')) Nach Massudi über Maskat im 10. Jahrhundert.
(661)
in Süd-Europa seit dem Beginn des XV. Jahrhunderts zu verbreiten begonnen,
sicher noch, wenn auch nur kurze Zeit, vor den grossen Seefahrten der Portu-
giesen. Dennoch hat man die letzteren als hauptsächliche Pfleger und Verbreiter
dieser Königin der Früchte anzusehen, denn sowohl in Aegjrpten und Syrien
(„bortuqän"), als auch in Italien („portogallo"), benennt man sie nach dem glor-
reichen Volke. Als Heimath der Orange ist mit grosser Wahrscheinlichkeit das
südliche China oder Elinter-Indien zu betrachten. Wahrscheinlich wurde sie über
Vorder-Indien weiter nach Westen und wohl nur vermittelst Samenzusendung nach
Europa fortgepflanzt, da ihre Cultur in Aegypten und Syrien keine Etappe gemacht
zu haben scheint, wie bei anderen Arten dieser Familie. Das Gesagte gilt auch für
die gewöhnliche Citrone (Citrus LimonumRisso, var. vulgaris Risso), während
die süsse Citrone (var. du 1 eis Moris) wohl schon im arabischen Mittelalter an
den Nil gelangt ist.
Aus Indien brachten auch die Araber den von der Subhimalaya- Region
stammenden Cassiabaum (C. Fistula L.) del heute noch in Unter-Aegypten ziemlich
häufig anzutreffen ist. Die gleichfalls subhimalayische Cordia Myxa L. gehört
den ägyptischen Gärten wohl schon seit der griechischen Zeit an, während die
Acacia Parnesiana W., welche J. D. Hooker als indischen Ursprungs betrachtet,
vielleicht .erst nach Beginn der türkischen Epoche eingeführt wurde.
Die neueste Errungenschaft der ägyptischen Cultur aus Indien ist seit etwa
zweihundert Jahren der jetzt so massenhaft verbreitete und bereits den landschaft-
lichen Charakter von Unter-Aegypten modiflcirende Alleebaum Albizzia Lebbek
Bth., der mit dem auf ihn übertragenen altarabischen Namen „lebbach" gleichsam
das Erbe der ausgestorbenen Persea-Cultur angetreten hat.
Syriens anscheinendes Fembleiben bei den ältesten Cultur-Entlehnungen war
vorhin erwähnt worden. Naturgemäss muss bei allem typisch Mediterranen in
Aegypten zunächst die Annahme eines syrischen Ursprungs sich uns aufdrängen,
denn ein grosser Theil der syrischen Flora ist entschieden süd-europäisch-medi-
terranen Charakters, während die Nilflora, selbst die im Delta und an der Küste
der NUmündungen von diesem Typus nur Geringes aufzuweisen hat. Einige der
älteren ägyptischen Culturpflanzen mögen aber bereits zur Zeit der ersten Dynastien
von Sjrrien aus Unter-Aegypten erreicht haben. Linsen (Lens esculenta Mch.),
Saubohnen (Vicia Faba L.) und Coriander (Coriandrum sativum L.) sind wenigstens
durch Gräberfunde schon aus der Zeit der XI. Dynastie nachgewiesen und diese
drei gehören in die Kategorie der Pflanzen von ausgeprägt mediterranem Typus.
Die Saubohne ist nach de CandoUe^s Ansicht von einer wilden Wickenart des
Mittelmeergebiets, Vicia narbonensis L., abzuleiten; aber Fr. Körnicke, dessen
Urtheil ebenso maassgebend für die Cultur -Leguminosen ist, wie ftlr das Heer
der Cerealien, schliesst sich dieser Meinung durchaus nicht an. Vicia narbo-
nensis L. erscheint schon auf den ersten Blick als eine gänzlich verschiedene
Pflanze und, bei näherer Betrachtung der EHnzeltheile, drängen sich zahlreiche,
nicht leicht zu überwindende Schwierigkeiten auf, die gegen die Vereinigung mit
der Saubohne sprechen. Allerdings ist die genannte Wicke*) noch heute als ge-
1) Ich muss an dieser Stelle die einheimischen Namen anführen, die allerdings viel
zu denken geben. In Aegypten nennt man heute die Vicia Faba L. ^fül", im Jemen
^gille", in Abessinien aber, in Tigrinia „ater bahri" oder „ater bähari", d. h. die bähaii-
Erbse (ater in Tigrinia und in Jemen — arabisch „äter'' oder „ätar*', attar heisst die
£rbse, Pisum sativum L.); bahar ist also wahrscheinlich der altsemitische Name für die
Saubohne und dieses Wort ist heute noch in Aegypten bei den Fellahen des Fajum und
des Delta für Vicia narbonensis L. in Gebrauch, es lautet daselbst: ^bächer*'.
(662)
legentliches Unkraut in den Saubohnen-Feldern Aegyptens, und zwar nur in ihnen,
ziemlich häufig.
Hier etösst unsere Betrachtung auf die wichtige Frage nach dem Ursprung
einer grossen Anzahl ägyptischer Feld -Unkräuter, die dem ächten Mittelraeer-
Typus angehören. Dieser letztere ist auf den Aeckcrn der ägyptischen Oasen der
Libyschen Wüste in grösserer Zahl vertreten, als auf denen des Nilthals, und
man hat daran die Vermuthung einer von Aegypten unabhängigen Einführung
des Ackerbaues in die Oasen geknüpft. Im Nilthal sind es vor allem die vielen
Leguminosen des Mediterran-Typus (z. B. Fisum Sativum L., Vicia sativa L., die
im eigentlichen Aegypten nicht angebaut werden und wahrscheinlich auch nicht
wurden), welche in Betracht kommen, wenn von Syrien die Rede ist, denn viele
derselben lassen sich nicht ohne Weiteres aus dem ursprünglichen Stammlande
der Getreidearten, wenn man dasselbe auf Babylonien beschränkt, herleiten.
Unger (in Sitzb. d. Ak. d. Wiss. Bd. LIV. S. 10-13. Wien 1866) fand in
einem Lufk-Ziegel der aus der V. D3Fnastie stammenden Ziegelpyramide von
Daschür zwei Cotyledonen einer Leguminose, die er mit Fisum arvense L. (= F.
sativum L.) identiflcirte, desgleichen eine Blattranke, die er als zur Vicia sativa L.
gehörig erkannte. Wenn man auch für die erstere Pflanze Vicia narbonensis L.
und für die zweitgenannte Vicia calcarata Df. substituiren wollte, so würde ans
diesen Funden immerhin doch mit ziemlicher Sicherheit hervorgehen, dass bereits
im dritten bis vierten Jahrtausend vor Christo im Nilthale Ackerkräuter von aus-
geprägtem Mediterrantypus verbreitet waren.
Unter die Pflanzen mediterranen Ursprungs wird auch. der ägyptische Kümmel
(Cuminum cyminum L.) und der ägyptische Lattich (Lactuca Scariola L. var.
sativa B.) zu zählen sein, eine der ältesten Culturpflanzen des Nilthals, da die
bis in die XVII. Dynastie hinaufreichenden Darstellungen auf Tempelbildern keine
Missdeutung zulassen und die eigenthümliche ägyptische Cultarform dieser Pflanze
auf eine lange Einbürgerung deutet. Als Unkraut allgemein verbreitet sind ferner
in ganz Aegypten die wilden Cichorien (Cichorium divaricatum Schousb.),
welche sich zu den Culturarten C. Intybus L. und C. Endivia L. gerade so ver-
halten, wie die wilde Lactuca Scariola L. zu Lactuca sativa L.
In einem gleichen Verhältniss zu einander stehen auch die wilde und die an-
gebaute Mohrrübe (Daucus CarotaL.), welche, wie der ägyptische Lattich und
der ägyptische Rettich, eine durchaus eigenartige Form in Aegypten aufweist, —
Zeichen sehr alter Cultur. Die wilde oder verwilderte Mohrrübe in Aegypten hat
den Stempel einer eigenen Art (Daucus maximus Desf.), welche in (Wechen-
land, Syrien und West-Persien verbreitet ist, und man kann diese letztere ab die
Stammform der ägyptischen Culturvarietät betrachten. Wie in Europa und im
mediterranen Orient lassen sich die wilden und verwilderten Formen der Mohr-
rübe auch in Aegypten nur sehr schwer auseinanderhalten.
Wann sind diese Unkräuter der Mediterranregion in's Land gekommen?
Eines der am meisten charakteristischen, Medicago hispidaUrb. (die Form
M. denticulata W.), ist für das ägyptische Alterthum durch einen Zicgelfund ans
der ältesten Pyramidenzeit (Ziegelpyramide von DaschOr) nachgewiesen.
Für die engen Handelsbeziehungen, in welchen Aeg3rpten mit Syrien bereits
im mittleren Reiche gestanden haben muss, sprechen aufs Ueberzeugendste die
vielen aus Föhren-, bezw. Pinienholz verfertigten Gegenstände (Särge u. A.), die aus
jener Zeit stammen und von denen mehrere im ägyptischen Museum zu Berlin
aufbewahrt werden.
Besonders stiirk aber muss sich der syrische Eünfluss erst im neuen Reiche
(663)
geltend gemacht haben, in der sogenannten semitisirenden Epoche. Zwei acht
syrische Acker-Unkräuter, Delphinium Orientale Gay und Centaurea depressa
M. Bieb., finden sich mit Beginn der XVIII. Dynastie wiederholt in den Todten-
kränzen (Blamenge winden), die zur Ausschmückung königlicher Mumien dienten.
Die genannten beiden Pflanzen, der Rittersporn und die Kornblume, die gegen-
wärtig aus Aegypten verschwunden sind, mögen damals unter dem Weizen und
der Gerste als Unkräuter vorhanden gewesen sein, wie es ihre Art mit sich bringt.
Eine andere Pflanze, die heute noch in allen arabischen Gärten des Landes so
gut wie verwildert auftritt, die A'lcea ficifoliaL., ist gleichfalls den erwähnten
Todtenkränzen eigen.
Als mit Beginn des neuen Reiches die Völkerzuzüge über die Landbrücke
von Sues häufiger wurden, müssen auch die Gelegenheiten zur Einschleppung von
Acker-Unkräutern zugenommen haben. Noch heutigen Tages lassen sich diese
Völkerstrassen durch das mehr oder minder weite Ein- und Vordringen der
Pflanzen der östlichen Regionen aus den topographischen Einzelheiten des jetzigen
Plorenbestandes von Aegypten nachweisen*).
Der Oelbaum (Olea europaea L.), welcher nach dem Zeugniss der griechischen
Schriftsteller so vortrelTlich in Aegypten gedieh und sich auch heute noch in
Unter-Aegypten und namentlich in den Oasen vielfach angebaut findet, muss
spätestens nach den Eroberungszügen der XIX. Dynastie in Aegypten eingebürgert
worden sein. Die schriftlichen Urkunden der Aegypter ertheilen der Kenntniss
des Oelbaumes ein weit höher hinaufreichendes Alter. Unzweifelhaft war Syrien
das erste Land, wo der wilde Oelbaum in Cultur genommen und veredelt wurde,
bevor die Griechen denselben weiter vermittelten')-
Eine ursprünglich syrische Pflanze ist auch das grosse Schilfrohr (Arundo
Donax L.), welches sich neben dem wilden gewöhnlichen Schilf (Phragmites
communis Trin.) in Unter-Aegypten verbreitet hat, jedenfalls auch in Folge
von Anpflanzung aus älterer Zeit
Bei Zunahme des Weltverkehrs in der griechischen Zeit wurde Syrien noch
inniger mit Aegj^ten verkettet und manche pflanzliche Erwerbung gehört dieser
Epoche an, wo abermals neue Sitten und Anschauungen am Nil zur Geltung ge-
langten und den alten hinzugefügt wurden. Die Griechen waren die Verbreiter
des Rosencults, der mit den griechischen Coionien bereits frühe Eingang in
Italien fand. Wenn auch anzunehmen ist, dass die Centifolie als abgeleitete
Culturart der ebenfalls in Vorder-Asien wie in Süd-Europa wildwachsenden Rosa
gallica L. zuerst an den Rüsten von Klein -Asien') aufkam, so ist eine Be-
1) Vergl P. Ascherson, Plomla Rhinocoluraea, m M6in. Institut Egypt. II. p. 78^,
ond Schweinfurth, Sor la flore des anciens jardins arabes, in Bull. Inst Egypt. 1888.
p. 39, 40.
2) Obgleich den alten Hebräern längst bekannt, ist der Oelbaum im glücklichen
Arabien doch so gat wie unbekannt and daselbst nur in wem'gen Gärten neuesten (tür-
kischen) Ursprungs zu finden. Der in den Gebirgen von Jemen, sowie in ganz Abessioien
verbreitete, oft Bestand bildende wilde Oelbaum (Olea chrysophjlla Lam.) ist zwar dor
zahmen Art sehr ähnlich, doch nicht von genügend specifischer Uebereinstimmuog der
Merkmale, um als Stammvater des europäischen Oelbaums gelten zu können. Dem nüd-
(alt-) arabischen Namen „'attümm" oder „'öttümm" von heute steht im Tigrinia von
Abessinien der an unser ^Olea** anklingende Name „'auleh" oder „'ohleh** gegenüber,
während der Baum im Tigr^ und im Amharenia „Wogera" oder „Wogra** genannt wird.
Der cnltivirte Olivenbaum ist auch in Abessinien unbekannt.
8) Bereits Archilochus, 700 Jahre vor Chr. , hat Bösen und Myrten besungen. Vergl.
V. Hehn, Culturpflanzen. 1883. S. 201.
(664)
theiligang semitischer Völker an diesem Oult und an dem Aufbringen dieser
Cultur doch so gut wie ausgeschlossen, und man muss sich hierbei nicht von dem^
durch die Griechen selbstständig entwickelten Adonis-Cult und -Klage beirren
lassen, wenn man diese semitische Idee^ so häufig mit Rosen uad Rosenbaa in
Verbindung gebracht sieht. Auch die alten Hebräer kannten die Rose nicht Die
Rose der Gärten (R. centifolia L.) war jedenfalls auch den Aegyptern in vor-
griechischer Zeit fremd. Gartenrosen hat man erst in Gräbern aus älterer
römischer Kaiserzeit gefunden und diese ^) waren identisch mit einer noch heute in
Abessinien im angebauten Zustande, und zwar nur bei Kirchen, angetroffenen
kleinblüthigen Form, der R. sancta Rieh., welche Crepin gleichfalls für eine
Form der Rosa gallica L. hält. Das alte Abhängigkeitsyerhältniss der abessi-
nischen Kirche von der koptischen Aegyptens erklärt das Erhaltensein dieser
Relictform der früheren Rosenculturen am Nil. Für die Oentifolie eine noch un-
entdeckte oder schlecht gekannte Rosenart in den Gebieten von Nord-Syrien und
Armenien als Stammpflanze vorauszusetzen, ist nach allen bisherigen Ermittelungen
durchaus nicht geboten.
Syrien hat aber zur römischen Zeit Aegypten mancherlei geliefert, was der
damaligen Geschmacksrichtung entsprach, so namentlich die in friiheren Epochen
unbekannten Myrten (die beim Todtencult der Syrer noch heute eine Rolle
spielen), welche nebst Origanum Majorana L., einer anderen syrischen Pflanze,
sich in grosser Menge in den Gräbern') jener Zeit (2. bis 3. Jahrhundert n. Chr.)
vorfinden. Auch ist damals der schwarze Maulbeerbaum (Morus nigra L.) eingeführt
worden, wahrscheinlich auch der Lorbeer (Laurus nobilisL.), dessen Blätter
gleichfalls beim Todtencult der römischen Gräber von Hawara Verwendung ge-
funden haben, neben Majoran und Myrten. Aepfel-, Birnen-, Mandelbäume und
eine Pflaume (Prunus divaricata Led.) mögen auch dieser Epoche angehören,
indess haben sie in Aegypten nie eine grosse Rolle gespielt und fristen am Nil
ein gleichsam nur geduldetes Dasein.
Nord-Syrien ist pflanzengeograpisch den südlichen Lanüestheilen schon gewisser-
massen entrückt. Es lässt sich von den anstossenden Gebieten Klein-Asiens und
Armeniens nicht recht trennen. Dennoch mtlssen wir diese Region, die den Schwer-
punkt des Reiches der Cheta enthält, für sich betrachten, um ^ine andere Gruppe von
fremden Cultur-Beeinflussungen Aegyptens nicht unerwähnt zu lassen. Sehr wichtige
Nutzpflanzen der ältesten Epochen müssen aus diesem Grebiete ihren Ursprung
genommen haben, in erater Linie die Weinrebe (Vitis vinifera L.), in zweiter der
Lein (Linum usitatissimum L.). Die ursprüngliche Verbreitung des wilden Wein-
stocks war in den Zeiten der frühesten Prähistorie wohl eine sehr grosse, grösser
wahrscheinlich, als das heute für die eigentliche Heimath desselben angesehene
Gebiet umfasst, so dass Völker sehr verschiedenen Ursprungs in der Lage waren,
von diesem Geschenk der freien Natur bei Zeiten Gebrauch zu machen und durch
Pflege und Anbau dasselbe schon in den ältesten Zeiten zu verbreiten.
Zwei Feldgewächse Aegyptens femer, die Kichererbse (Cicer arietinum L)
und die Platterbse (Lathyrus sativus L.), letztere jetzt mehr als Unkraut, denn als
1) Als solche schwebte sie noch den Dichtem der römischen Kaiseneit vor, rerg\*
Ovid Artis araat. 1. I, 76.
2) V*»ifgl. P. E. Newberry in Flinders Petrie, Hawara, London 1889, 8. 5S, and
Fr. Crepin in Comptes rendus. Soc. Botan. de Belgique. 1888. p. 188—191.
8) Vergl. Figari, Studii scient. suU' Egitto, p. 220, Newberry in Flinder« Pf trif,
Hawara, S. 51, and Schweinfurth in Petermann's Mitth. 1890. 8.54.
(665)
Gegenstand des Anbaus, haben gleichfalls, wie Lein nnd Rebe, ihre Heimath im
aimenisch-caspisch-pontischen Gebiet. Die Zeit ihrer Einführung ist zweifelhaft.
Die Kichererbse galt schon bei Beginn der christlichen Zeitrechnung für ein ägyp-
tisches Bodenprodukt.
Der Rettich (Raphanus sativus L.), welchen die Aegypter in einer von der*
anserigen sehr abweichenden Spielart cnltiviren, ist wahrscheinlich auch in der
nordsyrisch-armenischen Region zuerst als Culturpflanze aufgekommen. Die Römer
sollen ihn, nach V. Hehn, unter den ersten Kaisern als „radix syriaca" aus Syrien
erhalten haben. Herodot's Angaben über den Rettich als Speise der Pyramiden-
erbauer haben wenig Ueberzeugendes für eine Zeit, die von der seinigen um
mindestens zwei Jahrtausende abstand. Die als Rettiche gedeuteten Abbildungen
auf alten Tempelbildem sind noch zweifelhafterer Natm**).
Eine wichtige Pflanze aber, die gewiss bereits in sehr alter Zeit von den
Aegyptem angebaut worden ist, der Saflor (Carthamus tinctohus L.), muss zuerst '
aus dem nördlichen Syrien und aus Armenien in die 'Cultur eingeführt worden
sein, denn hier findet eine wilde Art dieser Gattung, die man mit einem hohen
Grade von Wahrscheinlichkeit als die Stammform des Saflors betrachten kann,
der Carthamus flavescens W.^), sein Verbreitungscentrum. Saflorblüthen fanden
sich in den Blumengewinden von Mumien der XVIII. Dynastie. Die alte Cultur
dieser Pflanze in Aegypten wird auch durch eine lange Reihe von Formen wahr-
scheinlich gemacht, die sich hier aus der angebauten Pflanze herausgebildet haben
und die man in anderen Ländern vermisst. Solche Spielarten finden sich häufig
auf den Feldern Aegyptens und scheinen eine Tendenz des Zurückschiagens in
die wilde Stammform zu bekunden, angedeutet durch sehr domige Formen mit
pappusgekrönten Achaenien, welche unter den wehrlosen und völlig pappuslosen
zerstreut auftreten.
Der Mohn (Papaver sonmiferum L.) war sicher schon zur römischen Zeit in
Aegypten Gegenstand des Feldbaues. Ueber die Heimath dieser Pflanze und die
früheste vorhomerische Geschichte seines Anbaues schweigen die Documente.
Der Beweis der Ableitung des zur Gewinnung von Opium angebauten Mohns von
einer süd- europäischen oder vielmehr einer Art des westlichen Mediterran-Gebiets
(P. setigerum DC.) ist nicht genügend erbracht'); übereinstimmende wildwachsende
Formen sind nicht bekannt. Nach Flückiger tritt der Mohn mit seinem Saft als
Zweck der Cultur in der Geschichte zuerst in Kleinasien auf. Afiün-Kurahissar
(Opium-K.) heisst daselbst heute noch eine Stadt.
1) ünge r (in Sitzb. der Akad. d. Wiss. Bd. LIV. S. 27. Wien 1866) will in einem
Luft-Ziegel der Ziegelpjramide von Daschür auch Samen von Raphanus Raphanistrum L.
gefunden haben, — jener Art, die bei uns für die St^tmmpflanze des Rettichs gilt Die
genannte Art ist aber im heutigen Nilthal nicht vorhanden und wurde erst in allemeuester
Zeit von Letourneux und von Ascherson an der Küste bei Alexandrien aufgefunden:
auch ist der Nachweis, dass die Schotenstückchen, die Unger fand, zur genannten Art
gehörten, von ihm nicht genügend erbracht.
2) Die von mehreren Autoren (A. de Candolle, Boissier, C. B. Clarke u. A.) befür-
wortete Ableitung des Saflors von dem nordwest-vorderindischen Carth. oxyacantha M. B.
muss aus botanischen Gründen der Affinit&t aufgegeben werden. Gegen den indischen
Ursprung der Culturpflanze führt George Watt (Dictionarj of the Econom. pr. of India.
YoL II, p. 184) auch den Umstand an, dass der Gebrauch der Saflorblüthen als Farbstoff*
in Indien erst ganz neuen Ursprungs ist.
8) Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 82, 38, blieb den Nachweis schuldig, dass
diese Art dort wirklich Gegenstand des Anbaus war.
(666)
Eine grosse Rolle spielten im alten Aegypten die anch heute so hoch ge-
schätzten Zwiebelgewächse. Als Yolksnahrong, wie als Symbole glücklicher Vor-
bedentang immer noch in hohem Ansehen bei den Aegyptern, zählten sie im
Alterthum zu den geheiligten Gewächsen: die eigentliche Zwiebel (AUium Cepa L.),
der Lauch (Allium Porrum L.) und der Knoblauch (Allium sativum L.). Hin-
sichtlich ihrer Herleitung von wilden Stammpilanzen gehören sie zu den am
schwersten zu ermittelnden Gewächsen. Wenn ich sie an dieser Stelle erwähne,
so möchte ich damit bekunden, dass nach meinem Dafürhalten die vorder-asiatische
Region ein besonderes Anrecht auf sie hat. Vielleicht sind diese Arten bereits
seit den Zeiten der Einführung der Getreidepflanzen in Aegypten?
Die klein-asiatische Halbinsel, insonderheit Raramanien, hat wohl schon in
der vorgriechischen Epoche Aegyptens mit diesem Lande Seeverkehr unterhalten,
aber erst die letzten Abschnitte seiner Geschichte, von der byzantinischen Zeit an
gerechnet, haben hier einen beständig regen Austausch zu Wege gebracht In
noch höherem Maasse gilt das Gesagte für die Balkan-Halbinsel. Die über-
völkerten Inseln des Peloponnes kamen für die Entlehnungen des Acker- und
Gartenbaues wenig in Betracht.
Zwei der heutigen Tages wichtigsten Feldgewächse Aegyptens, der ägyptische
Klee (Trifolium alexandrinum L.) und die Termis-Lupine Ö^upinus Termis Pk.),
sind von keinem anderen Gebiete herzuleiten, als von der Balkan-Halbinsel. Beide
Arten sind in Aegypten sicherlich erst neueren Ursprungs, namentlich der Klee,
der wahrscheinlich erst zur byzantinischen (vielleicht schon zur Ptolemäer-) Zeit
an den Nil gelangte, wo derselbe gegenwärtig das Universal -Futterkraut aus-
macht. Der heutige arabische Name^ scheint bei Beginn der arabischen Epoche
von der den Arabern bekannten Linse auf den Klee übertragen worden zu sein.
Als Stammart des ägyptischen Klees hat man mit E. Boissier, der für die spe-
cifische Identität beider Pflanzen einstand (Flora Orientalis Vol. ü. p. 127),
das in Thracien wild vorkommende Trifolium constantinopolitanum Ser. zu be-
trachten.
Schwieriger gestaltet sich die Ableitung des Termis von dem Lupin us
albus L., der, in Griechenland cultivirt, sich gleichfalls in angeblich wildem Zu-
stande in Thracien vorfindet. Die Annahme, dass diese Pflanze erst durch die
späteren Griechen nach Aegypten gebracht wurde, wird durch den Umstand wahr-
scheinlich, dass sie in diesem Lande nur unter dem griechischen Xamen (,,termi8'*
sibepfAog) bekannt ist.
Einen ähnlichen Fingerzeig liefert der Name, den die Petersilie («baqdünis*')
in Aegypten führt, welcher von den Sprachforschern mit Macedonien in Ver-
bindung gebracht wird. Ich fand PetersiUe in der höheren Gebirgsregion des
glücklichen Arabiens bei 2500 m Meereshöhe auf cultivirtem Boden wie Unkraut,
konnte aber daselbst weder einen einheimischen Namen noch eine Nutzanwendung
im Haushalte der Bewohner nachgewiesen erhalten.
Sehr viel augebaut sind in Aegypten die wohlriechenden Münzen, namentlich
Mentha piperitaL. und Mentha sativaL. Beide müssten nach sonstigen An-
zeichen als aus Europa herstammend betrachtet werden, obgleich die erstgenannte
Art, wie ein Gräberfund beweist, schon in vorpersischer Zeit, vielleicht bereits
unter der XXI. Dynastie am Nil angesiedelt war.
1) ^berssim". In dem alt-arabischen Dialect von Jemen heisst die Linse heute «bflsshi*,
desgleichen in den semitischen Sprachen des nördlichen Abessiniens (Tigr6 und Tigrini«)
„börssen**. Das heutige „ads**, das in Aegypten f&r Linsen in Qebranch ist, hingt hin-
gegen offenbar mit dem hebr&ischen „adaschtm" zusammen.
(667)
Seit der türkischen Eroberung wurden die Beziehungen Aegyptens zur Balkan-
Halbinsel noch innigere, namentlich durch die Anwesenheit und Einbürgerung
zahlreicher, aus den nördlichen Ländern stammender Kriegsleute, während bis
dahin wohl die Griechen von den Inseln, wie das übrigens auch heute wieder der
Fall ist, unter den fremden Ansiedlem weitaus vorgeherrscht haben werden. Die
Türken, Freunde des Grartenbaues und der Blumen, haben ihren Lieblingspflanzen
am Nil neue Heimstätten geschaffen und seit vier Jahrhunderten die ägyptischen
Gärten zum Theil nach ihrem Geschmack umgemodelt. Bald nach Beginn
der Türkenherrschaft müssen auch die amerikanischen Gewächse ins Land ge-
kommen sein, indess wird ihre rasche Verbreitung wohl weniger den Türken und
den directen Verbindungen mit Gonstantinopel, als vielmehr der Vermittclung durch
die damals noch in so hoher Blüthe befindlichen venetianischen Colonien des
Orients zu verdanken sein: Mais, Tabak 0, der Liebes- oder Paradiesapfel (To-
mate), der Cayenne- Pfeffer (Capsicum) und die süsse Batate (Ipomoea Ba-
tatas Lam.)-
Italien, welches seine orientalischen Gulturentlehnungen meist aus zweiter
Hand, durch Vermittclung der griechischen Welt, erhielt, war umgekehrt in der
Reihe der maritimen Nachbargebiete auch unter den letzten, die Aegypten mit
Neuheiten des (harten- und Feldbaues versahen. Der Gartenrosen aus der älteren
römischen Kaiserzeit ist vorhin gedacht worden. In dieser Periode wurden auch
zwei andere Arten, ausschliesslich italienischen Ursprangs, als SUerpflanzen in die
ägyptischen Gärten eingeführt, wie die von Flinders Petrie bei Hawara (Fajum)
geroachten und von mir selbst untersuchten Gräberfunde beweisen: Lychnis coßli
rosa Desr. und das als Rranzblume unter dem Namen Helichrysos bereits von
Theophrast, Theokrit, Dioscorides und Athenaeus erwähnte Helichrysum Stoechas DG.
Auch der Lorbeer (Laurus nobilis L.) stammt vielleicht aus jener Zeit. Der in
Unter- Aegypten so florirende Orangenbau von heute, scheint, namentlich in An-
betracht des süd-italienischen Charakters der in den Orangengärten verbreiteten
Unkräuter'), ganz italienischen Ursprungs zu sein.
Indem ich bei Italien angelangt bin, habe ich den Rundblick über die
wichtigsten Gebiete der alten Culturwelt, welche für die auswärtigen Beziehungen
des ägyptischen Feld- und Gartenbaues in Betracht kommen, von der ältesten bis
auf die Neuzeit vollendet. Die angeführten Einzelheiten Hessen sich am besten
recapituliren , wenn man sie als Zeitmarken auf dem weiten Rückwege zu den
Cnltur-Anfangen Aegyptens in umgekehrte Beleuchtung stellen wollte. Was ich
bieten kann, wird Manchen als ein leeres Phantasma erscheinen, ein auf schwan-
kenden Stützen ruhendes Luftgebilde. Aber nach dem Grundsatze, dass die
E}rkenntniss des Wahren eher aus Irrungen sich Bahn bricht, als aus der Ver-
wirrung, wird der Versuch eines Schemas zum Wiederaufbau der ägyptischen
Geschichte, vermittelst der Culturge wachse, nicht gewagter erscheinen, als die
zeitliche Abgrenzung der Erdgestaltungs-Perioden nach fossilen Einschlüssen. Ich
beschränke mich auf den allgemeinen Entwurf einer Zeiteintheilung der ägyptischen
Vergangenheit nach dem Auftreten der uns bekannten Culturgewächse:
1) Der Gebrauch des Tabaks verbreitete sich in diesen Ländern ebenso schnell, wie
ein halbes Jahrhundert vorher der von Süden vordringende Kaffee. 1511, 6 Jahre vor
der Eroberung Aegjptens unter Selim I., wurde in Mekka bereits das erste Verbot gegen
den Kaffeegenuss erlassen, der 1584 in Gonstantinopel seinen Einzug hielt.
2) Vergl. Schweinfurth Sur les anciens jardins arabes, in Bull. Inst Egjrpt. 1888
p. 82.
(668)
I. Periode der zurückkehrenden Cultur.
1. Abschnitt bis 18G0, die letzte Zeit, in der wir Augenzeugen waren.
Einführung des Baumwollenbaues (Gossypium barbadense L.) im Grossen.
Einführung der modernen Gartencultur West-Europas.
Einführung und Verbreitung einer grossen Anzahl europäischer Gemüse:
Kartoffelbau, Kopfkohl, Bohnen, Erbsen, europäische Mohrrüben u. s. w.
Euphorbia geniculata Ort. aus Amerika, verbreitet sich in Folge der Bauro-
wollen-Cultur, nebst vielen anderen Arten, massenhaft als Unkraut auf
allen Feldern Ünter-Aegyptens.
2. Abschnitt, 1860—1800. Die Epoche Mehemed Aü's.
Erschliessung des Sudan, Einführung der Erdnuss (Arachis h)7)ogaea L.),
der Luzerne (Medicago sativa L.) aus Arabien. Eine grosse Zahl
vorder-indischer Nutzbäume gelangt in die Gärten Cairos. Cheno-
podium ambrosioides L. verbreitet sich als Unkraut in Unter-Aegypten.
Die Mandarine (Citrus nobilis Lour.) wird eingeführt.
8. Abschnitt, 1800—1517, Türkische Epoche.
Albizzia Lebbek W. (seit 1670 spätestens) wird angebaut.
Beeinflussung der Gartencultur durch die italienische Renaissance: Dian-
thus Caryophyllus L.
Einführung der Orangen-Cultur.
Einführung des Mais und anderer ameiikanischer Nutzpflanzen.
Beeinflussung der Gartencultur durch Constantinopel.
Einführung des Kaffeegenusses und vermehrte Verbindungen mit Arabien
auf dem Seewege.
IL Periode der Cultur-Vermittelung.
1. Abschnitt, 1517—640. Arabische Epoche.
Einführung des Zuckerrohrs und des Reis. Eine Anzahl tropischer und
speciell indischer Unkräuter verbreiten sich durch den Reisbau in
Unter-Aegypten: Ammannia, Bergia, Sphenoclea etc.
Einführung indischer Nutzbäume, des weissen Maulbeerbaumes, der
Banane, der Pomeranzen und der kleinen Limonen.
2. Abschnitt, 640 — 400. Byzantinische Epoche.
Einführung des ägyptischen Klees (?).
Einführung des Aprikosenbaumes.
3. Abschnitt, 400 bis Christi Geburt. Römische Epoche.
Einführung des schwarzen Maulbeerbaumes und des medischen ApfeU
aus Vorder-Asien,
des Lorbeers (der Myrte?) aus Syrien.
Gartenpflanzen aus Italien: Rosen, Immortellen (Helichrysum Stoechas DC),
Lychnis coeli rosa Desr. u. dergl.
4. Abschnitt, von Christi Geburt bis 330. Griechische Epoche.
Einführung des Anbaus von Mohrhirse (Andropogon Sorghum Brot; aus
Vorder-Indien.
Anbau von Mohn, aus Klein-Asien.
Die Termis-Lupine aus Griechenland eingeführt, die Petersilie (Klee,
Myrte?).
Anbau dos Oelbaumes im Grossen.
(669)
5. Abschnitt, 332—525 vor Chr. Persische Epoche.
Indigo-Cultar und Sesam aus Indien eingeführt. Nelnmbiam, die alten
Lotusblumen ersetzend.
III. Periode der Aegyptischen Cultur.
1. Abschnitt, 525—1050 vor Chr. (nach Erman) Libysch-äthiopische Epoche.
2. Abschnitt, 1050— -1530 vor Chr. (nach Erman) Epoche des Neuen Reiches.
Semitisirung Aegyptens unter der XX. , XIX. und XVIII. Dynastie. Ver-
bindungen mit Syrien und dem nördlichen Vorder-Asien.
3. Abschnitt, sogen. Epoche der Hyksos.
4. Abschnitt, 1930 (nach Erman) bis 2500 vor Chr. Epoche des Mittleren
Reiches.
Zeit ier staatlichen See -Unternehmungen (Punt- Fahrten) unter der
XII. Dynastie.
5. Abschnitt, 2500—3100 vor Chr. (nach Erman) Epoche des alten Reiches.
IV. Periode der Cultur-Entlehnung.
Einführung des Getreidebaues aus den Euphrat-Ländem: Emmer, Weizen,
Gerste, des Leins und der Weinrebe.
Religionsbildung und Schriftentwickelung, Einführung des Gebrauches von
Weihrauch, der geheiligten Bäume (Persea und Sykomore) aus Süd-
Arabien.
V. Periode, Besiedelung Aegyptens durch die Hamiten.
VI. Periode, Urzustand des Nilthals.
Hr. Hart mann fragt den Vortragenden, was er über die Herstammung von
Sesbania, Amyris, Penicillaria, Phoenix dactylifera, Abrus und Bala-
nites denke. —
Hr. Schwein furth: Es würde viel Zeit in Anspruch nehmen, wenn ich diese
Fragen ausführlicher beantworten wollte. Nur in Kürze will ich anführen, dass
nach meinen Ideen und Erfahrungen Sesbania, Abrus und Balanites auf
afncanischem Boden erwachsen sind. Für die Stammpflanze der Cultur- Dattel-
palme halte ich Phoenix reclinata, ein acht africanisches Gewächs. —
Hr. Hartmann bemerkt, dass das eben Erwähnte seinen eigenen Vorstellungen
entspreche. —
(21) Hr. V. Luschan zeigt eine
Nachbildung der Berner Elfenbeinkanne
(vergl. diese Verhandlungen 1884, S. 466), welche Dr. ühle kürzlich erworben
und dem Museum für Völkerkunde geschenkt hat; dieselbe ist aus Thon und innen
glasirt, giebt aber die Form Verhältnisse des Originales sehr gut wieder; nur der
Deckel fehlt.
Das Berliner Museum besitzt eine grosse Reihe von Schnitzwerken aus Elfen-
bein, welche mit der Hemer Ranne eng verwandt sind und aus West-Afnca
stammen. Sie waren in Folge des Umzuges viele Jahre verpackt geblieben, sind
aber jetzt in Schrank 4 des afrikanischen Saales wieder zur Aufstellung gelangt.
(670)
(22) Hr. Felix v. Luschan hält einen Vortrag über
Bogenspannen.
Unter dem Titel Ancient and modern methods of arrow-release hat
Prof. Edward S. Morse, früher in Tokio, jetzt Direktor der Peabody Academy
of Science in Salem, Mass., U. S. A., schon 1885 im Essex Institute Bulletin auf
die bei verschiedenen Völkern verschiedenen Arten, den Bogen zu spannen, auf-
merksam gemacht. Ktirzlich hat nun R. Virchow zwei Bogenringe hier vor-
gelegt'), einen aus Nephrit, bei Erbil (Arbela) gefunden, und einen aus Silber,
der dem Anschein nach wohl kaukasischen Ursprunges ist.
Gelegentlich der an diese beiden Vorlagen geknüpften Debatten hat sich her-
ausgestellt, dass die Technik des Bogenspannens nicht so allgemein bekannt ist,
als vielleicht hätte angenommen werden können; ich bitte deshalb um die Er-
laubniss, das Wesentlichste derselben hier kurz andeuten zu dürfen. Ich werde
dabei den Ausführungen von Morse folgen, ausserdem aber zwei völlig neuartige,
hierher gehörige Apparate vorlegen, welche eben erst vor wenigen Tagen durch
Premier-Lieutenant Morgen aus dem Hinterlande von Kamerun nach Berlin ge-
bracht worden sind.
Morse unterscheidet die folgenden Arten, den Bogen zu spannen:
1. Die primäre Spannung.
Der Pfeil wird einfach zwischen Daumen und der Gelenkgegend zwischen
Grund- imd Mittel-Phalange des Zeigefingers geklemmt gehalten und mit der
Sehne zurückgezogen.
Rinder und Erwachsene, die nie früher einen Bogen gespannt haben, pflegen
so vorzugehen. Aber auch die Ainos (wenigstens die voh Jesso), sowie die Dc-
merara- und Ute-Indianer wenden diese Art der Spannung an.
Ein einfacher Versuch zeigt, dass der Pfeil leicht ausgleitet, bevor die Sehne
genügend gespannt ist und dass sehr grosse Kraft und heftige Anstrengung er-
forderlich sind, um auf diese Weise mit Erfolg zu schiessen. Etwas erieichtert
wird das Spannen, wenn der Pfeil am Sehnenende kolbig verdickt ist, — eine Form,
welche bei einigen anderen Arten der Bogenspannung dieselbe eher erschweren
würde.
2. Die secundäre Spannung.
Der Pfeil wird gehalten, wie bei der primären Spannung, aber die Sehne wird
nicht, wie bei dieser, mit dem Pfeile zurückgezogen, sondern mit Ring- und Mittel-
finger gespannt
Diese Spannung, . die gegen die erste schon einen wesentlichen Fortschritt dar-
stellt, wird von den Zuni, Ottawa, Ghippewa und einigen anderen Indianer-
Stämmen geübt
3. Die tertiäre Spannung.
Die Sehne wird vom Zeige- und vom Mittelfinger, manchmal auch noch vom
Ringfinger gespannt, der Daumen drückt leicht auf den Pfeil, wie bei der secun-
dären Spannung.
Der Versuch lehrt, dass diese Art der Spannung gegen beide firüheren einen
grossen Fortschritt bedeutet und vor allen auch ein sicheres Zielen sehr erieichtert:
wir finden sie dementsprechend auch sehr verbreitet: die Mehrzahl der nord-
amerikanischen Indianer bedienen sich derselben, aber auch die Siamesen imd,
wie es scheint, auch die Andamanesen.
1) Verhandlungen 1891. 8. 81 und 486.
(671)
4. Die Mittelmeer-Spannung.
Der Daumen bleibt hier völlig unüiätig. Die Sehne wird mit den Spitzen
der drei mittleren Pinger gespannt, während der Pfeil leicht zwischen Index und
Mittelfinger geklemmt wird.
Es scheint, dass diese Spannung schon bei den Aegyptern und Assyrem zur
Anwendung kam, jedenfalls finden wir sie auf altgriechischen Darstellungen; sie
war im Mittelalter in ganz Europa verbreitet und wird noch heute in England und
Frankreich, sowie in Amerika gefunden, wo das Schiessen mit Pfeil und Bogen
nicht selten sportsmässig getrieben wird.
Man wird wohl annehmen dürfen, dass eine so weit verbreitete und durch
mehrere Jahrtausende geübte Art der Spannung ihre grossen Vorzüge hat; be-
sonders wird die leichte „Entlassung^ des Pfeiles gerühmt. Ich muss also wohl
annehmen, dass es auf persönlicher Ungeschicklichkeit beruht, wenn mir gerade
diese Art der Spannung die grössten Schwierigkeiten macht. Ueberhaupt ist das
Schiessen mit Pfeil und Bogen nicht ganz so einfach, als ein Unerfahrener anzu-
nehmen pflegt. Von dem richtigen Zielen ganz abgesehen, wird der Anfänger
häufig daran scheitern, dass er den Pfeil nicht gleichzeitig mit der Sehne frei-
giebt; es kann dann geschehen, dass ihm, trotz mächtigster Anspannung der Sehne,
der Pfeil, anstatt dem Ziele zuzufliegen, machtlos vor die Beine zur Erde fällt.
Ich persönlich habe dieses Missgeschick Anfangs wiederholt gehabt, aber immer
nur bei der „Mittelmeer-Spannung^.
Für uns ist diese Spannung auch deshalb wichtig, weil sie, im Gegensatze zu
den drei früher behandelten Arten, zum ersten Male einen Hülfsapparat nöthig
macht Die Sehne schneidet nehmlich bei starkem Spannen derart in die Finger-
spitzen ein, dass ein' heftiges Schmerzgefühl entsteht und die Finger bald er-
lahmen, wenn sie nicht durch Handschuhe geschützt sind, die natürlich gerade an
den Fingerspitzen besonders verstärkt werden müssen; nur ganz ausgepichte
Bogenschützen können dieses Fingerschutzes entrathen. Auffallender Weise findet
sich dieselbe oder mindestens eine ganz verwandte Art der Spannung, nehmlich
nur mit dem Zeige- und Mittelfinger, auch bei den Eskimos von Point- Barrow
und Cumberland- Sound, sowie, nach einer Beobachtung der Brüder Krause,
auch auf dem Sibirischen Ost -Gap.
5. Die mongolische Spannung.
Der Daumen wird von innen nach aussen um die Sehne herumgelegt und
spannt diese nur mit Hülfe des um den Daumennagel herumgelegten Zeigefingers,
der gleichzeitig den Pfeil zu halten hat.
Diese anscheinend höchst unbeholfene Spannung findet sich fast durch ganz
Asien, jedenfalls überall in Ost-Asien; sie war früher auch in Persien und bei
den Türken verbreitet. Sie erfordert viel Uebung bevor sie mit Sicherheit ge-
handhabt werden kann, ist aber, wenn einmal erlernt, eine sehr angenehme, weil
sie bei grosser Leistung wenig Krafkanstrengung erfordert Natürlich bedingt auch
sie einen Hülfsapparat, einen Schutzring für den Daumen, der sonst beim Spannen
der Sehne zu stark angegriffen werden würde.
Solcher Art sind nun auch die beiden Ringe, die Hr. Virchow in' der Januar-
und in der Juni-Sitzung d. J. vorgelegt hat; sie werden in der folgenden Art an-
gesteckt (Fig. 1), dienen also dazu, den Daumen der rechten Hand beim Spannen
der Sehne zu schützen und den Druck der letzteren auf die Haut des Daumens
etwas zu vertheilcn. Wenn gesagt worden ist, dass solche Ringe] den Zweck
hätten, ^die Hand vor der Verletzung zu schützen, welche beim Spannen des
Bogens durch den Rückschlag der Sehne leicht entstehen kann," so scheint mir
(672)
das auf einer Verwechselung mit einem völlig anderen Hülfsapparat zu be-
ruhen, der allerdings auch manchmal beim Bogenschiessen in Anwendung kommt,
aber mit diesen Spannringen nicht das Mindeste zu
^^"- 1- thun hat.
Ist nehmlich der Bogen im Ruhezustände nicht
stramm gespannt, so schlägt die Sehne, wenn sie nach
starker Anspannung plötzlich frei gelassen wird, naiüriich
noch über ihren Ruhestand hinaus zurück und trifft
dann die den Bogen haltende linke Hand, wenn diese
nicht irgendwie geschützt ist. Jedenfalls ist aber 'strenge
zwischen den Spannapparaten für die rechte und den
Schutzvorrichtungen für die linke Hand zu unterscheiden.
Letztere sind bei sehr zahlreichen Völkern im Gebrauch,
ihre Form richtet sich natürlich zunächst nach der je-
weilig üblichen Haltung des Bogens, denn von dieser
allein hängt es ab, welche Stelle der Hand zunächst von der rückschlagenden
Sehne getrofTen wird. Manchmal muss, wie besser durch eigenen Versuch, als
durch die breiteste Beschreibung erkannt wird, hauptsächlich die untere Radial-
Oegend geschützt werden, ein andermal das Handgelenk, wieder bei einer anderen
Bogenhaltung auch der Mittelhand-Knochen des Daumens.
Wohl die einfachste Art einer solchen Schutzvorrichtung hat Ehrenreich bei
den Botokuden beobachtet, — einen Streifen Baumbast, der einige Male um das
Handgelenk gewunden wird. Aus dem Niger- und Benue-Oebiet verdanken wir
R. Flegel die Kenntniss eines ledernen Armbandes') für den gleichen Zweck,
und auch von breiten Elfenbeinringen, welche die Form von 0,15 bis 0,20 cm hohen
Cylindem haben, wissen wir, dass sie den linken Arm vor der rückschlagenden
Sehne schützen sollen.
Einen höchst eigenthümlichen Apparat aus dem Hinterlande von Kamerun,
der demselben Zwecke dient, werde ich am Schlüsse dieser Mittheilong zu
besprechen haben; einstweilen lege ich noch einen kleinen Gegenstand aus
Persien vor (Fig. 2), der ohne Zweifel auch hierher gehört, obwohl ähnliche
bisher in der Literatur meines Wissens nicht erwähnt sind. Es ist eine orale
Messingplatte von 9,3 und 12 cm Durchmesser, am Rande ringsum von kleinen
Löchern eingefasst, welche zur Befestigung des Schmuckes dienen sollen. Die
obere Fläche der Platte trägt nehmlich ein zierlich mit barocken Ornamenten be-
maltes Pergament, auf dem vier persische Verse, in gewöhnlichem Tallk ge-
schrieben, stehen und das durch eine durchsichtige Homplatte, die genau die
Grösse der Messingplatte hat, geschützt wird; diese ist, ebenso wie das Pergament,
sorgfältig an die Messingplatte angenäht und mit einem schmalen Flechtbande ans
Seide und dünnem Silberdraht umrahmt. Durchbrochen wird aber diese Platte
von einem Körper aus hartem Holze, der oben die Form einer schmalen Rinne
(Fig. 3), unten aber eine unregelmässig gekrümmte, leicht ausgepolsterte hohle
Fläche und eine Vorrichtung zum Anschnallen hat Als ich diesen kleinen
Apparat vor mehreren Jahren in einem Bazar in Constantinopel erwarb, hielt ich
ihn zunächst für eine Vorrichtung, um den Pfeil beim Bogenspannen noch inner-
halb von dem Bogen aufruhen lassen zu können. Aehnliche Geräthe, welche also
sichtlich einen Uebergang zwischen Bogen und Armbrust vermitteln, sind mehrfach
erwähnt, aber, soviel mir bekannt, nirgends abgebildet worden. Ich glaube inde«
1) Museum für Völkerkunde. Berlin. Nr. III. F. 4(;3.
(673)
jetzt nicht mehr, dass der vorliegende Apparat in diesem Sinne zu erklären ist;
jedenrulls eignet er sich schlecht ah Rinne fOr einen Pfeil und ganz rorzüglich
zum AuITangen der rUcksch lagenden Bogensehne.
Persische Schntsplattc.
Figur 8. V,
Schematischei Queracbnitt durch eine persische Schutzpistte.
Der Vollständigkeit halber sind hier auch die ganz riesigen, in 10 — 20 Spiral-
gängen ans Baumrinde gewundenen Schutzringe von den Salomona-Inseln zu er-
wähnen, welche Tast den ganzen linken Arm bedecken').
So Anden wir die Schutzvorrichtungen über die ganze Erde zerstreut; dass sie
gleichwohl lange nicht tiberall da bekannt sind, wo Bogen nnd Pfeile vorkommen,
erklärt sich leicht, wenn man bedenkt, dass sie die durch strammeres Angezogensein
1) Aach in vorgeschichtlichen Sammlongen finden sich Ocgenstftnde, die vielleicht
als solche 8 chuti- Apparate anfgefasst werden kOnnen; vor allen scheinen gewisse, spJraHg
aufgerollte Bronieringe vielleicht hierher in K^hören. Die prähistorische Ablheilung der
Efiniglichen Museen besitzt unter II, Ö770 eine rechteckige Platt« aus einem dunklen,
Bchieferartigen Steine mit je einer Durchbohrung an jeder Schmalseite. Der Gegenstand
ist als ^.Danmen-Schntzplatte" bezeichnet, doch war ich nicht im Stande, mit einem aus
^ Holz angefertigten Uodell desselben, mit dem ich mehrfache Versuche anstellte, den
Daumen irgendwie erfolgreich lu schützen. Es scheint mir also die rrklSmng als Schutz-
platte nicht völlig gesichert zu sein.
VarhiDilL Her BerL iMitlirDiiaU Oeielltclian im. 48
(674)
der Sobno im Ruhezustande des Bogens leicht völlig entbehrlich werden, denn
dann wird der Rückschlag durch die elastische Spannung des Bogens aufgehalten,
lange bevor die Sehne die Bogenbsnd erreichen kann.
Nach dieser Abschweifung Über die SchntzTorrichtnngen für die linke Band
habe ich nun noch einmal zu der mongolischen Spannung zurückzukehren
and zu den Spannringen fOr den Daumen der rechten Hand, die sie gebieterisch
erfordert.
Die beiden Ringe, die Hr. Virchow kürzlich vorgelegt hat, und zwei Ringe
ans Bronze (Fig. 4), die ich ror langer Zeit, den einen in Aleppo, den anderen in
DamascuB erworben (den einen habe ich seither Hm. E. S. Uorge geschenkt;,
stimmen nun alle vier anlTaltend mit Spannringen aus Korea ttberein (Fig. 5 n. 6),
Figur 5. */io
Figur 4. •/,„
tj Spuinring aus Sjrien. Spannring aus Korea. Spannring aus Korea.
die mehrfach im hiesigen Museum für Völkerkunde vertreten sind; trotzdem kann
es gar keinem Zweifel unterliegen, dass sie sämmtlich nicht aus dem fernen Osten,
sondern aus Vorder-Asien stammen.
Etwas anders geformt sind die Spannringe der Chinesen: diese sind völlig
regelmässig cylindrischc Ringe von etwa 1,5 cm Höhe, gewöhnlich ans Nephrit,
hiiullg reich verziert, meist völlig glatt Jetzt, wo seit Kurzem in der chinesischen
Armee FeuerwafTen eingeführt worden sind und Bogenübnngcn nur mehr zu Parade-
zwecken vorgenommen werden, hat auch der chineBische Spannring seine ursprüng-
liche Bedeutung verloren und ist, wie mir Professor Dr. W. Grube mitzn-
thcilcn so gütig war, zu einem militärischen Rangabzeichen geworden. Horse
erwähnt, dass solche Ringe durch ihr Uaterial und durch ihren Schmuck oft sehr
kostbar gewesen sind und dass er in Canton einen solchen gesehen habe, der
anf 300 Dollars geschätzt wurde.
Höchst Überraschender Weise kennen wir einen solchen Ring aber auch aus
Afrika. Unter 111. P. 615 bewahrt das Königliche Museum für Völkerkunde in
Berlin einen aus den Bcnue-Ländern stammenden eisernen Danmenring (Fig. ^),
der von R. Flegel selbst gesammelt und als Bogen-Spannring bezeichnet ist.
Einer solchen Angabe gegenüber kann, auch wenn sie einstweilen vereinzelt
geblieben ist, nicht bezweifelt werden, dass die „mongolische Spannung" auch in
Afrika bebannt ist, denn nur allein bei dieser kann ein Spannring für den Daumen
vorkommen.
Ich selbst besitze Übrigens einen kleinen, mit einem langen, seitlichen Dome
versehenen Ring aus einer hellen, eigengrau patinirten, harten Hetalllegimng, den
(675)
seiner Zeit Ernst Marno vom GiraiTenfliiase mitgebracht und als „Ring zum Bogcn-
spanneu" bezeichnet hiit (Fig. So). Da mir Marno damals nicht sagen konnte,
wie man eigentlich mit einem solchen Ringe eine Sehne spannen könne, habe ich
seine Angabe nicht weiter beachtet and den Ring Tür einen Schlagring gehalten.
Nun bewahrt aber das Berliner Museum für Völkerkunde, wie ich erst in den
letzten Tagen gesehen, einen ganz ähnlich gerormten, nur grösseren Homring aas
Korea auf, der gleichfalls als Spannring bezeichnet ist (F^g. 86). Obwohl eine
Figur 8.
SpaDoring aus dem Benue-6«biete. n) Spannring aus den oberen Nillfindern.
6) Spannring ans Korea.
nähere Angabe nicht vorliegt und die Art der Anwendung auch dieses Ringes einst-
weilen noch unklar ist, so erfährt doch die alte Marno'sche Angabe jetzt, nach
fast 20 Jahren, eine höchst unerwartete Bestätigung, und man wird wobi genötbigt
sein, auch Tür die oberen Nilgegenden das, wenn auch vereinzelte Vorkommen
der , mongolischen Spannung" anzunehmen. Freilich bleibt die eigentliche Art der
Anwendung dieser Spannringe mit seilen ständigem Dom vorläufig noch unklar,
ebenso wie es auch noch aufzuklären bleibt, wie sich in Korea diese abweichende
Form neben der dort gewöhnlichen und typischen gebildet und erhalten hat.
Ausser den bisher besprochenen fdnf Arten der Bogenspannung zählt Morse
noch einige von geringerer Bedeutung auf, die theilweise nur individueller Art
sind und von denen nur eine hier noch besonders ausgeführt werden könnte: jene
mit beiden Händen; der Schütze liegt dann auf dem Rücken und stemmt den
Bogen mit beiden Füssen. Ich selbst habe Buschleute so schiessen sehen, aber
davon eher den Eindruck einer „KüDatler''-Production, nicht eines typisches Ge-
brauches gehabt.
Hingegen bin ich heute in der Lage, eine neue, bisher völlig unbekannte Art
der Bogenspannung mitzutheilen:
Die Wiite-Spannung. Die Kenntniss derselben ist Hrn. Premier-Lieutenant
Morgen, dem kühnen und glllcklicbcn Nachfolger Hauptmann Rund's, zu danken,
der sie bei dem Wüte-Volke im Hinterlande von Kamerun beobachtet und fUr
dieselbe mehrfache Belegstücke nach Berlin gebracht hat. Die Wüte spannen,
anders als alle übrigen Völker, von denen wir bisher Kenntnis» haben, überhaupt
nicht mit den Fingern, sondern mit der Mittelhand. Sie bedienen sich
43'
(676)
dabei eines Spannringes, der, wie die Abbildung (Fig. 9) zeigt, ans einem dünnen
Holzbrettchen besteht, das schleitenlormig gebogen ist und dessen Enden, je nach
^ der Grösse der Hand, durch
'g«r . /,o ^ einen Ledergtreifcn mehr oder
weniger genähert werden
können. Dieser Bing wird
nan so getragen, dass man
ihn — die geschlossene Seite
radial-, die offene alnar-
wärts — über die Mittelband
zieht. Mit dem Bande der
radialen Seite wird dann die
Sehne crfasst und gespannt,
während der Daumen den Pfeil
in der gewünschten Stellung
erhalt.
An diese Hand ringe
sehliessen sich natürlich die
westafricani sehen Dolche mit
hohlem OrifTe an (Fig. 10 u.
11), die uns bisher ans dem
Schatzgebiete von Togo, ans
dem Wäte-Lande nnd ans
denBenn C'Länd er n bekannt
geworden sind^ Speciell aus den letzteren haben Staadinger nndHartert schon
1886 ein langes Dolchmeeser mitgebracht (Fig. 10), wie sie deren bei den Ka-
Pigni 10. '/i
3 dem BenoS-Gebiete, gleichzeitig ßogcnspanner.
Figur 11. V»
Dokbmesser aas dem Wnte-Lande, gleichieitig Bogenspamier.
darra- und Korro-Stämmen (also unter dem 8° östl. L. t. Gr. und 10" n. Br.)
Torgerunden haben, wo dieselben sowohl als Handwaffe zur Vertheidigung dienen,
als auch „zum schnelleren Spannen des Bogens, indem der Griff an die Sehne ge-
drElclit wird." Diese Angabe ist ja nicht Töllig klar, da man mit einem solchen
Hflirsmitlel wohl eher an Krall, aber kaum an Schnelligkeit gewinnen kann, aber
es geht aus derselben doch cinwandsfrei hervor, dass thatsächlich auch diese
Stämme dieselbe Art der Bof^en Spannung haben, welche seither etwas weiter sOd-
östlich Ton Premier- Lieutenant Morgen genauer erkannt worden ist
(677)
Dna Berliner Musenm TUr Völkerkunde besitzt aber ganz ähnliche Messer in
aehr zahlreichen Exemplaren aus dem Togo-Gebiete, woher sie uns durch Stabs-
arzt Dr. Wolf und durch Dr. Büttner zugegangen sind; dem letzteren verdanken
wir auch die einheimischen Namen Ssegara und Sama, welche, wie es scheint,
beide in der Sagu-Spraehc für diese Messer üblich sind. Fieilich haben beide
Reisende dieselben nur als solche betrachtet und erwähnen nicht, daas sie auch
zum Bogensponnen dienen, es acheint aber keinem Zweifel zu unterliegen, dasB
sie, ebenso wie die gleichartigen Messer in den Benue-Ländem, beiden Zwecken
dienen; jedenfalls ist uns für das Messer (l'ig, 11) aus den Wöte-Ländem
speciell angegeben, dasa es auch zum Bogenapanncn verwendet wird, — also
neben den oben beschriebenen hölzernen Mittelhand-Ringen, die dem gleichen
Zwecke dienen. Zu untersuchen, welche Form hier die ursprüngliche, welche die
abgeleitete ist, wäre eine schwierige und vielleicht auch mtlasige Aufgabe;
jedenfalls ergiebt schon die theoretische Erwägung — und der Versuch be-
stätigt es, — dasa diese Art der Bogen Spannung, gleichviel ob sie durch den .
hölzernen Handring oder mit HUlfe des eisernen DolchgrifTes erfolgt, eine ausser-
ordentlich kränige iat Thataächlich ist sie weitaus jedem anderen Spannverfahren
überlegen nicht blos durch die Leichtigkeit, mit der die volle Kraft des ganzen
Armes auf die Sehne übertragen wird, sondern auch durch die erstaunliche Zart-
heit, mit welcher der Pfeil im entscheidenden Augenblicke freigegeben wird.
Der enorme Krafteffekt aber, der durch diesen Spannring geleistet wird, findet
seinen Gcgcnansdruck in einer Schutzvorrichtung für die linke Hand, die in ihren
Figur 12. V,,
Schntzring tfir das linke Hkodgeleok, aas dem Wiit«luide.
Dimensionen gleichfalls alles bisher dagewesene Übertrifft. Sie besteht (fig. 12)
in einem enge an das Handgelenk anschliessenden Lederbande, das auf der ulnaren
Seile offen und zum Binden eingerichtet ist, auf der Daumen-Seite aber eine un-
regelmässig kegelartige Ausbauchung von 10 — 15 cm Höhe trügt, die gleichfalls
aus starkem Rindsleder hergestellt, schwarz gefärbt und meist mit geometrischen
Verzierungen geschmückt ist. Dieses eigenartig asymmetrische Armband wendet
also der rück schlagenden Sehne zwei schiefe Flächen entgegen, die jeden, auch
den ärgsten Schlag, völlig parulysiren.
(678)
So ergiebt sich also in der kleinen und anscheinend gleichgültigen Frage nach
der Art der Bogenspannung bei verschiedenen Völkern eine unerwartete Mannich-
faltigkeit und vielfacher Anlass zu weiterem Nachdenken. Das bisher bekannte
Material hat aber noch allzu viele Lücken; wenn die eben mitgetheilte Wüte-
Spannung eine solche in so durchaus eigenartiger Weise ausfüllt, so erscheint
das Klaffen der übrigen nur um so bedauerlicher. Ich darf also wohl die Hoffnung'
aussprechen, dass künftige Reisende auch dieser Frage mehr Beachtung schenken,
als sie dies bisher meist gethan, und dass die schöne Wahrnehmung Pr.-Lt.
Morgen' 8 noch lange nicht die letzte ihrer Art bleibt. —
(23) Hr. Virchow zeigt
Bohnen der Canavalia von den Chinhills in Hinter -Indien zur Bereitimg
von Schiesspulver.
Schon vor längerer Zeit erhielt ich von Hrn. Dr. Fritz Nötling, Geological
Survey Office, Calcutta, d. d. Mandalay, 28. Juni 1889, folgenden Brief:
„Mit heutiger Post habe ich ein Packet an Sie abgesandt, enthaltend Samen
einer sehr merkwürdigen Bohnenart, die in den Chinhills, im wildesten Theil
Hinter-Indiens, wächst und cultivirt wird. Ich nenne die Bohne deshalb höchst
merkwürdig, weil sie von den Chin's zur Pulverbereitung verwendet wird. Die
Chin's gebrauchen dieselbe als Ersatz des Schwefels, der nicht in den Chinhills
gefunden wird imd dessen Import bei dem bestehenden Kriegszustände verboten
ist. Nicht aber, als ob die Chin's dieses Surrogat für Schwefel erst in letzter Zeit
erfunden hätten, nein, dasselbe ist bereits seit undenklichen Zeiten im Gebrauch,
und das damit erzeugte Pulver ist wunderbar genug, indem es erwiesen ist, da«s
dasselbe auf 400 Yards Entfernung noch tödtliche Wirkung besitzt. Ich habe diese
Mittheilung von englischen Offtcieren, welche am Feldzuge gegen die Chin's Theil
nahmen, erhalten; dieselben waren im hohen Grade überrascht über die Pern-
wirkung des Pulvers, das sie für eine ziemlich harmlose Mischung gehalten
hatten.
„Die Chin's bereiten das Pulver aus Salpeter, der aus Dung gewonnen wird,
und Holzkohle, welche beiden Substanzen mit einem Absud aus den Bohnen ge-
mengt werden.
„Die Bohne wird auch als Nahrungsmittel, namentlich von den Burmesen, gern
benutzt, scheint aber nur am oberen Chindwin und in den Chinhills zu gedeihen.
Entsprechend der Grösse der Bohne ist die Schete riesenhaft, zuweilen über einen
Fuss lang.
„Vielleicht haben Sie die Güte, die Samen oder einen Theil davon an die
Direction des Botanischen Grartens zu senden, um damit Anpüanzungsversuchc *)
vorzunehmen, und mir später gefälligst den Namen der Art mitzutheilen.
„Mich hat es mit Staunen erfüllt, dass ein auf so niedriger Culiurstufe stehendes
Volk, wie die Chin's, ein Surrogat für den Schwefel gefunden hat •
Bald darauf erhielt ich auch das Packet mit einer kleinen Sammlung schön
rother, sehr grosser Bohnen. Ich übergab einen Theil davon Hrn. Prof. A. Engler.
Nach einer gefälligen Mittheilung desselben stammen die Bohnen von der, in ganx
Ost-Indien und Ost-Africa verbreiteten, auch in mehreren Varietät^m vielfach in
1) Betreffs der AnpflanzuDg kann ich nur sagen, dass die Pflanie auf nicht ro
schwerem lehmigem Boden gedeiht, wahrscheinh'ch aber sehr viel Feuchtigkeit bi»dÄrf und
^egen Kalte nicht sehr empfindlich ist, augenscheinlich mehrjährig.
(679)
den Tropen cultivirten Canavalia ensiformis DC. Die jungen Samen werden ge-
nossen. Hr Engler bemerkt ausserdem, dass eine Anzahl der Samen im Bo-
taniseben Garten angesäet wurde und aufging, aber keine Samen ansetzte.
Hr. Salkowski hatte die Güte, eine Untersuchung der Bohnen auf Schwefel
vorzunehmen. Es ergab sich, dass dieselben, mit Ausschluss der rothen Schale,
nur 0,24 pCt. Schwefel enthalten.
Der Gedanke, dass es ein etwaiger Schwefelgehalt sei, dem die Explosiy-
Eigenschaft zuzuschreiben sei, muss also zurückgedrängt werden. Indess hindert
das nicht, dass eine solche Eigenschaft vorhanden ist. Wenn man die Bohnen
pulverisirt, so erhält man ein feines, weisses Mehl, welches sich bei Berührung
mit einem brennenden Hölzchen leicht entzündet und mit grosser Kraft explodirt.
Dass durch ein solches Mehl ein gewisser Ersatz für den Schwefel in der Zu-
sammensetzung des alten Schiesspulvers gegeben wird, lässt sich nicht in Abrede
stellen, denn obwohl es in Bezug auf seine Entzündlichkeit nur graduell von der
Kohle verschieden ist, trägt doch die Explosivität desselben ein neues Element in
die Mischung, welches sich mehr der Wirkung des Salpeters annähert und den
Schlusserfolg begreiflich macht. —
(24) Es werden Berichte erstattet über die
Excnrsion nach Salzwedel and in das megalithische Grebiet der Altmark.
Hr. Virchow: Die lange geplante und oft verschobene Excnrsion in die Alt-
mark hat sich in gelungenster Weise vollzogen. Herrliches Wetter begleitete ims;
noch waren die Felder mit Saaten bedeckt, die Wälder in dunklem Grün, die
kleineren Gewächse in voller Blüthe, darunter stellenweise besonders reichlich die
„Topheide** (Erica tetralix). Fröhliche Stimmung erfüllte die Vereinigung so vieler
Freunde. Von den Berlinern nenne ich, ausser Hm. Ed. Krause, dessen sorgsam
ausgedachtes Programm getreulich durchgeführt wurde, die HHm. Voss, 01s-
hausen, Ascherson, Schweinfurth, Maass, Minden, Seier, Ehrenreich,
Vater, die beiden Photographen Alb. Schwartz und Sohn.
Schon am Samstag, 4. Juli, gegen Abend trafen wir in Salzwedel ein, freundlich
empfangen von dem Bürgermeister Hrn. Zechlin, den HHrn. Zimmermann,
Gädeke u. A. Wir hatten noch Zeit, die Stadt zu durchwandern, deren alterthümliche
Bauwerke trefflich erhalten sind, und das Museum zu besuchen, in welchem seit
DanneiTs Zeit eine grosse Zahl herrlicher Bronzen beisammen liegt Die
Sammlung ist jetzt durch die Fürsorge des Hm. Zechlin in einem neuen Lokal
aufgestellt, durch Hrn. Ed. Krause geordnet und katalogisirt, und nach mehrfachen
Richtungen erweitert. Insbesondere ist die Zahl der Funde aus römischer Zeit
erheblich gewachsen. Ich habe römische Sachen notirt vom Perwer, von Brietz,
selbst von Seehausen in der Wische ein Stück Terra sigillata; ganz besonders
interessant war mir aber eine Sammlung von Fundstücken aus dem Gräberfelde
von Rebenstorf im Amte Lüchow, weil sich daran ter ein neues Exemplar einer
Fensterurne befand. Es ist ein sehr einfaches, nicht verziertes Thongefäss,
dessen „Fenster^ (im Boden) durch weisses Glas geschlossen ist. Aus demselben
Gräberfelde sahen wir schwarze Urnen in Pokalform mit Mäander-Verzierang und
sonstige Gefösse, denen aus dem benachbarten Darzau ähnlich, römische Fibeln,
auch eine sonderbare Blechfibel, eine eiseme Schaafscheere u. A.
Vor 10 Jahren (Verhandl. 1881, 8.63, Taf. II) habe ich die bis dahin be-
kannten deutschen Fensterarnen'im Zusammenhange behandelt. Ich konnte damals
drei (vielleicht vier) aufführen, welche sämmtlich dem Gebiete zwischen Elbe und
(680)
Weser angehörten. Darunter befand sich als nächste eine von Borstel bei Stendal,
aus einem gut bestimmten römischen Oräberfelde, eine von Hohenwedel bei Stade,
gleichfalls aus römischer Zeit (Verhandl. 1881, S. 208), nnd eine von Lüerte
in Oldenburg aus einem Hügelgrabe. Später wurde von mir noch eine Penster-
urne von Brockeswalde, Amt Ritzebüttel, ermittelt (ebendas.). Mit der neuen
Rebenstorfer Urne haben wir also nunmehr fünf wohl beglaubigte Fensterumen
aus dem bezeichneten Gebiete. Nur Tür die Urne von Lüerte, Amt Wildeshnnsen,
fehlt eine genauere Zeitbestimmung (Verhandl. 1879, S. 228); alle anderen gehören
zweifellos der römischen Periode, und zwar wahrscheinlich schon einer späteren
Zeit, an.
Sonst erwähne ich noch aus dem Museum von Salzwedel:
1) einen zarten Schädel von dolichocephalem Bau aus einem megalithischen
Grabe von Mellin,
2) einen ganz glatten Bronzegürtel, viereckig, mit Nieten, aus einem Brand-
grabe von Klein- Wieblitz,
3) einen grossen Silberring und zwei silberne Armbrustftbeln , beide zer-
brochen und nur zur Hälfte erhalten, mit sehr langer Rolle, ähnlich der
von mir früher beschriebenen Fibula von Ragow, — aus dem Gräberfclde
von Westheeren bei Tangermünde.
Mit patriotischer Rührung betraten wir das Gebiet der alten askanischen
Burg, welche dicht neben der Stadt gelegen ist und deren Gründung Albrecht
dem Bären zugeschrieben wird. Der mächtige runde Thurm steht noch an-
versehrt da, ein Gegenstück zu dem Perwer am anderen Ende der Stadt Wie
früher (Verh. 1881, S. 222), bemühte ich mich vergeblich, irgend welche charakte-
ristischen Scherben aufzufinden; es lagen alte Stücke genug umher, aber kein
einziges zeigte auch nur die Andeutung eines Ornaments. —
Am nächsten Morgen, Sonntag 5. Juli, begannen wir eine längere Fahrt durch
das megalithische Gebiet der westlichen Altmark, ungefähr in der Rich-
tung, in der ich im Jahre 1881 meine erste Reise dahin gemacht hatte, jedoch
nicht in gleicher Ausdehnung (Verhandl. 1881, S. 220). Wir besuchten nach ein-
ander die Hünenbetten von Borusen, Drebenstedt, Nieps und Stöckheim, die grössten
und verhältnissmässig best erhaltenen dieser Gegend, üebcr einzelne derselben
habe ich schon früher kurz berichtet. Hier will ich nur drei derselben hervor-
heben. Vor allem das gewaltige Hünenbett von Drebenstedt (vgl. Abbild.),
welches ich auf meiner ersten Reise nur im Mondenschein gesehen hatte. Schon
Danneil gab als Maasse 140 Fuss in der Länge, 20 in der Breite an; die Zahl
der Ringsteine betrug 72, die Grabkammer hatte 12 Träger- und 5 Decksteine, von
denen der äusserste 8 Fass lang, 6 Fuss breit und 3 Fuss dick war. Das Grab liegt
auf einem leicht gewölbten Rücken in einer ziemlich flachen Gegend. Einzelne
der Ringsteine sind etwas verschoben; im Ganzen ist das ehrwürdige und höchst
imposante Monument noch ziemlich vollständig erhalten. — Das nächst grosse
Grab, das von Nieps, ist durch die Sorgfalt des Besitzers, des Landraths
v. Schulenburg, sehr wohl gepflegt und sorgnUtig umfriedigt Es liegt mitten in
einem schönen Walde mit zum Theil uralten Bäumen auf einer massigen Anhöhe.
Zwischen den gewaltigen Steinblöcken des äusseren Ringes ist der Boden stark
erhöht. Am Südwestende befindet sich eine mächtige Grabkammer mit 3 Deck-
steinen und einem mächtigen „Wecker". — Von dem Grabe von Stock beim,
dessen ungeheuren Deckstein ich schon früher beschrieben habe, will ich er-
wähnen, dass der letztere zahlreiche, flache, rundliche Gruben, wie Näpfchen,
auf seiner Oberfläche zeigt, sowie eine tiefe Querriime. Die Sage hat allerlei Er»
(681)
kläruDgen daran geknüpft. So wird eraählt, dass jedes Neujahr drei nenc Näpfchen
entstehen lasse. In der That scheint es banm zweifelhatt, daas diese Näpfchen
keine Randmarken, Überhaupt keine Kunslprodukte siiiiJ, sondern dasa sie durch
das Ausspringen und Abblättern der Oberfläche gebildet werden. Man kann solche
(682)
abblätternde Stellen leicht auffinden. So mag es sich erklären, dass der FVost des
Winters in der That das Ausspringen begünstigt.
Die Dörfer, welche wir durchfuhren (Kehrberg, Wilmersen, Lüdelsen, Drehen-
stedt u. 8. w.) zeigten weder die Rundlingsform der wendischen Dörfer, noch die
grossen Gebäude der Sachsen mit längsdurch laufender Diele und daneben den
Ställen für die Thiere. Die Dorfstrasse war meiijt gestreckt, gerade durchgehend.
Die Höfe hatten fränkische Anordnung: grosse Höfe, oft mit vollständiger Um-
zäunung, vom die Wirthschaftsgebäude, hinten das Wohnhaus aus Fachwerk mit
Mauersteinen. Besonders bemerkenswerth schien mir, dass die meisten Häuser
an dem einen Giebel gekreuzte Thierfiguren, an dem anderen einen
Pfahl mit einem Stern zeigten, also die beiden Arten der Giebelverziemng
vereinigten. Die grossen Thorwege, durch welche man auf den Hof gelangt, waren
bemalt oder mit Inschriften versehen, jedoch konnte ich keine Jahreszahl entdecken.
Zuweilen fanden sich in denselben 8 Thüren: eine ganz grosse Hofthfir zum
Durchfahren mit Doppelflügel, eine seitliche kleinere, schmale mit ein Paar Stufen
für die Menschen und eine auf der anderen Seite zum Viehhof. Die Häuser der
kleinen Leute haben ganz alamannische Anordnung: rechts ein Zimmer, dahinter
eine kleine Rüche und Treppe, daneben links ein von der einen Seite zur anderen
durchgehender Flur, weiterhin links Ställe für Ruh und Schwein und Heogelass.
Von den etwas grösseren besassen einige gleichfalls eine quer liegende Tenne in
der Mitte, mit einer grossen Scheunenthür.
Gegen Abend musste ich mich von der Gesellschaft verabschieden, um nach
Berlin zurückzukehren, während die übrigen Herren noch eine kleine Ausgrabung
vornahmen. —
Hr. E. Rrause theilt über die vorgenommene Ausgrabung Folgendes mit:
Die Excursion schloss in ihrem geschäftlichen Theile mit einem Besuch des
Hügelgräberfeldes auf dem nordwestlich vom Dorfe Leetze gelegenen
Hüttenberge. Auf dem östlichen Abhänge dieser Hügelkette waren beim Ries-
graben schon mehrfach Urnen gefunden. Sie standen, wie mir der Lehrer
Schulz schon bei einem Besuche im Jahre 1889 mittheilte, gewöhnlich in
kleinen Steinpackungen unter niedrigen Sandhügeln, deren mehrere von Stein-
kränzen umgeben waren. Einige daselbst gefundene Urnen hat Hr. Schulz bereits
früher dem Röniglichen Museum in Berlin geschenkt, einige andere, von den HHm.
Gädeke und Zechlin ausgegrabene, sind in das Salzwedeler Museum gekommen.
Bei unserem Besuch stiess die Sonde an verschiedenen Stellen auf Steinpackungen
im Boden, doch wurden nur zerstörte Gräber gefunden, mit einigen wenigen
Scherben. Nur in einer leichten Bodenschwellung wurde unter Steinpackung eine
Urne gefunden mit Leichenbrandresten, doch von den Wurzeln der auf dem Grabe
stehenden Riefem fast gänzlich zerstört. Die Scherben sind im Röniglichen Museom
für Völkerkunde wieder zusammengesetzt worden. Das Geföss ist ein tief napf-
förmiges, der spätesten römischen Raiserzeit angehörig, wie wir sie in grosser
Anzahl gerade von Gräberfeldern der Altmark kennen. Das Qefass ist lA*/jCm
hoch, 17 cm oben, 21 cm im Bauch, 9*/, cm im Boden weit.
(25) Hr. Virchow stellt zwei, zur Zeit im Panopticum auftretende Fremde vor:
1) Der moderne Proteus.
So nennt sich selbst Hr. Simeon Aiguier, der sich auch die Namen des
Squelette vivant und des Hommo Macabre beilegt. Seine Leistungen sind in der
(683)
Thai höchst überraschend und mannichfaltig, zugleich von hohem wissenschaft-
lichem Interesse. Denn sie zeigen eine so stark entwickelte und zugleich so
sehr localisirte Wirkung des Wiilenseinflusses auf einzelne Muskeln und Muskel-
gruppen, wie man sie kaum für möglich halten würde, und sie gestatten in Folge
dessen einen höchst illustrativen Einblick in die Thätigkeit dieser Organe.
M. Aiguier ist Südfranzose und verleugnet in keinem Augenblick die lebhafte
Natur des Proven9alen. Er ist gegenwärtig 40 Jahre alt, eher mager, als fett, aus-
gemacht brünett, von massiger Höhe, aber von kräftigem, muskulösem Bau. Seine
Bewegungen lassen selbst in der Darstellung schreckhafter Verunstaltungen eine
gewisse Eleganz erkennen. In liebenswürdiger Haltung und zugleich in scharfer
Formulirung giebt er die Erklärung seiner Handlungen. Einer Wissenschaft! iohen
Prüfung hat er sich mit vollster Hingebung unterworfen.
In einer kleinen Schrift (Ouriosites contemporaines. Le Protee moderne.
Bordeaux 1889) hat er eine Selbstbiographie veröCTentlicht. Danach ist er auf dem
Lande bei Toulon geboren, der Sohn eines wohlhabenden Bauern; später wurde
er Bäcker, vorübergehend Soldat. Seine Bildung erhielt er in der Primärschule
und durch den Geistlichen seines Ortes. Schon frühzeitig begann seine Neigung,
ungewöhnliche Verhältnisse nachzuahmen. Mit 7 Jahren, als er in der Schule an-
gehalten wurde, ein Bild zu zeichnen, erfand er die Combination von Muskel-
actionen, die er später in dem Homme squelette ßxirte. Sehr bald lernte er die
Kunst, seine Baucheingeweide hin- und herzuschieben, sie bald nach oben unter
dem Brustkorbe verschwinden zu lassen, bald in Masse gegen die Nabelgegend
vorzutreiben. Einer der Nachbarn hängte sich auf; während alle Umwohner
im tiefsten Rummer herumstanden, studirte er mit Begierde an der Leiche die
Wirkungen der Strangulation, und fast unmittelbar darauf gab er eine Reproduktion
des Homme pendu. Dann lernte er seinen Muskeln die Härte der Todtenstarre
oder gar des Steines geben: so entstand die Darstellung des Homme-statue und
des Homme mort. Schliesslich entdeckte er, auf die Anregung eines Magnetiseurs,
die Kunst, seine Herzbewegungen zu unterdrücken.
Nicht alle diese Leistungen sind gleich ungewöhnlich. Die Einwirkung einer
stark verlängerten Inspiration auf die Herzthätigkeit ist den Physiologen wohl be-
kannt und leicht zu zeigen; bei Hrn. Aiguier überrascht jedoch die Vollständig-
keit und die lange Dauer der Unterdrückung von Herz- und Pulsschlag. Auch
willkürliche Muskelstarre ist erfahrenen Aerzten wohl bekannt; ich habe sie von
Simulanten in vollster Stärke entwickeln sehen. Was bei Aiguier jedoch am meisten
auffallt, das ist die isolirte Thätigkeit einzelner Muskeln, z. B. der verschiedenen
Hauchmuskeln, namentlich aber die des Platysmamyoides. Aiguier vermag nicht
bloss beide Platysmen, sondern auch nur einen derselben, und zwar bis zu dem
äussersten Grade, zu contrahiren. Die betreffende Partie erhebt sich weit über
die umliegende Haut, welche daneben tiefe Gruben und Thäler bildet; die Inser-
tionen treten isolirt hervor, endlich legt sich die Haut über dem Platysma in quere
Falten. Ausläufer der Muskclplatten lassen sich bis weit über die Brust abwärts
verfolgen. Wie es scheint, ist die muskulöse Platte des Platysma, über welche
wir gewöhnlichen Sterblichen fast gar keine Herrschaft haben, ja die eigentlich
regelmässig ganz atrophisch ist, bei Aiguier in hohem Grade hypertrophisch,
wahrscheinlich in Folge langer Uebung.
Eine weitere Analyse ist hier kaum am Platze. Aber auf Eines möchte ich
noch die Aufmerksamkeit richten. Aiguier gebraucht gewisse Vorbereitungen
und Hülfsraittel, um seine Muskeln zur Aktion zu treiben. Manches davon mag
an sich unnöihig sein, denn ich sah ihn auch seine schwereren Leistungen fast
(684)
plötzlich Yornehmen. Es ist also wohl möglich, dass er diese Vorbereitungen ab-
sichtlich hinzufügt, um die Spannung der Zuschauer zu erhöhen. Indess möchte
ich denselben doch einen gewissen Werth beilegen. Ehe er bestimmte Muskeln
oder Muskelgruppen zusammenzieht, fährt er mit der Band drückend und leicht
knetend darüber hin, dann klopft er mit dem ulnaren Handrande auf dieselben,
endlich giebt er sich einen plötzlichen Ruck und stellt die beabsichtigte Con-
traction her. In ähnlicher Weise tritt auch die Lösung der Contractur und die
Nachbehandlung der Muskeln ein. Aber Aiguier macht auch ausgedehnte Vor-
übungen. Er selbst beschreibt dieselben folgendermaassen: „Veritable artiste
amoureux de son art, il travaille plusieurs heures par jour a assouplir ses organes,
a forcer ses muscles ä des contractions, ä des allongement« nouveaux, a obeir
en quelque sorte ä sa volonte.^ Man wird ihm glauben, dass er Alles, was er
ist, durch energische üebung und feine Beobachtung natürlicher Vorgänge ge-
worden ist, und man wird ihm zugestehen müssen, dass er nunmehr ein wirk-
licher „Muskel-Künstler^ ist.
2) Der Ilautmensch.
Peter Spam er, aus der Gegend von Würzburg, ist so ziemlich das gerade
Gegenstück des Muskel menschen: blond, gross, koochig und phlegmatisch. Während
bei Aiguier Alles Aktivität ist, überrascht Spamer durch eine weit, ja bis in*8
Unglaubliche getriebene Passivität, zufalliger Weise der gleichen Theile. Das
Phänomen, das bei ihm in grösster Stärke hervortritt, ist eine unerhörte Dehn-
barkeit seiner Haut und Unterhaut. Er fasst einzelne Stellen der Haut und
erhebt dieselben weiter und weiter, bis sich eine grosse Falte oder ein umfang-
reicher Lappen daraus bildet, mit dem er nicht bloss Nachbartheile bedeckt, sondern
selbst entfernte Regionen verhüllt. Dies macht er am Rumpfe, an den Extremi-
täten und selbst am Gesicht. Sein grösstes Kunststück ist es, die Haut des
Halses, gerade aus der Gegend des Platysma, in einer weiten Querfalte vorzu-
ziehen und dann über das Gesicht zu legen; wie ein Tuch verhüllt sie alle
Theile des Gesichtes bis zu dem Haarrande. Ebenso leicht und schnell, wie sie
vorgezogen ist, zieht sich bei Nachlass des Zuges die Haut zusammen und kehrt
wieder in ihre Normallage zurück, — kurz, sie ist fast noch mehr elastisch, als
ein Kautschukbeutel.
Die grosse Elasticität der äusseren Haut ist genügend bekannt und sie lässi
sich an allen den Stellen, wo Spam er seine Experimente macht, auch bei anderen
Menschen leicht demonstriren. Sie ist so gross, dass wenn man ein Hautstück
von der Oberfläche des Körpors abpräparirt, dasselbe so stark zusammenschnurri,
dass es die entstandene Wundfläche nicht mehr deckt. Aber eine so excessive
Dehnbarkeit, wie bei Spamer, ist doch ausserhalb aller bekannten Verhältnisse,
und sie ist um so merkwürdiger, als mit der Verschiebung der Haut auch das
Unterhautgewebe und mit ihm die Blutgefässe eine colossale Dehnung erleiden
müssen. Dass dabei keine Zerreissungen und Blutinfiltrationen entstehen, beweist,
dass auch diese Theile sich einer gleichen Elasticität erfreuen. —
Namens der Gesellschaft sage ich beiden Künstlern und namentlich Hrn.
Neu mann, dem Direktor des Passage-Panopticums, freundlichen Dank (ür die
interessante Vorführung. —
(26) Eingegangene Schriften.
1. Homeri, Opera omnia ex recensione et cum notis S. Clark ii. Cura J. Aug.
Ernesti. Ed. IL Lipsiae 1825, 5 Theile in 3 Bänden.
(685)
2. Sadler, P., Nouv. dictionnairc portatif anglais-fi*an<;ais et fr.-angl. Paris 1844.
3. Schaaff, L., Encyclopädie der classischen Alterthumskunde. III. Aufl. Magde-
burg 1826. 2 Theile in 1 Bd.
4. Scheller, Imraan. Joh. Gerhard. Deutsch - lateinisches und lateinisch-
deutsches Lexicon. II. Aufl. Leipzig 1788/89. 4 Bde.
5. Schmitt, Christ, Anleitung zur Erlernung der schwedischen Sprache. Nach
Ollendorffs Methode. 11. Aufl. Prankfurt a. M. 1872. - Schlüssel
dazu. Prankfurt 1872.
6. Schul- und Reise-Taschen- Wörterbuch der italienischen u. deutschen Sprache.
Leipzig, 0. J.
7. Virgilii, Maronis, Publ , Opera omnia cum annotationibus, cura Joh.
Minellii. Francofurti 1708.
8. Derselbe, Opera. Accedit M. Manilii Astronom icon. Biponti 1783.
Nr. 1—8 Gesch. d. Prau San.-Rath Schlemm.
9. N eh ring, A., Diluviale Reste von Cuon, Ovis, Saiga, Ibex und Rupicapra
aus Mähren. Stuttgart 1891. (Sep.-Abdr. a. d. Neuen Jahrb. f. Miner.,
Geol. u. Paläont. Bd. II.) Gesch. d. Verf.
10. King van Reusselaer, J., Plajring Cards from Japan. (S.-A. Proc. Nat.
Mus. Vol. XIII. No. 836.) Gesch. d. Smithsonian Institut.
11. Treichel, A., Primitive Pischerei. (Sep.-Abdr. aus den Mittheil. d. Westpr.
Pischerei-Vereins. 1891. Bd. III. S. 109—112.)
12. Derselbe, Die gewöhnlichen Polnischen Bezeichnungen bei Pischerei und von
Pischen im Kreise Bereut, o. 0. u. J.
13. Derselbe, üeber die an der Pommerschen Küste bei Leba zu Utensilien bei
der Lachs- und Breitlingsftscherei zur Verwendung kommenden Holzarten.
(Sep.-Abdr. a. Circular des Deutsch. Fischerei -Vereins. Berlin 1879.
S. 57—59.)
14. Derselbe, Ueber starke Bäume. Schriften d. Naturf. Ges. zu Danzig. Neue
Polge. Bd. VII. Heft 4.
15. Derselbe, "Westpreussische Schlossberge und Burgwälle, o. 0. u. J.
16. Derselbe, Ornamentirte Urnen von Hochstüblau, o. 0. u. J.
17. Derselbe, Westpreussische Häuser, o. 0. u. J.
18. Derselbe, Versammlung des botanisch-zoologischen Vereins in Neustadt i. Wpr.
(Danziger Zeit. v. 21. Mai 1891.)
Nr. 11— 18 Gesch. d. Verf.
19. Selige, Polnische Bezeichnungen für Pische, o. 0. u. J. Gesch. d. Verf.
20. Del meridiano iniziale e dell' ora universale. Bologna 1890. (R. Acc. d.
scienze di Bologna.) Gesch. d. R. Acc. d. scienze di Bologna.
21. Ploss, H., Das Weib in der Natur- und Völkerkunde. 3. Aufl., herausg.
von M. Bartels Leipzig 1891. (V. — VU. Lieferung.)
Gesch. d. Hrn. Sanitätsrathes Bartels.
22. du Bois-Reymond. Bericht über die Wirksamkeit der Humboldt-Stiftung
für Naturforschung und Reisen. S.-B. d. k. Preuss. Akad. Berlin 1890.
Gesch. d. Hm. Virchow.
23. Bluntschli, J. C, Gespräche über Gott. und Natur und über Unsterblichkeit.
Nordlingen 1880.
24. Bissinger, K., Verzeichniss der Trümmer- und Pundstätten aus römischer
Zeit im Grossherzogthum Baden. Karlsruhe 1885.
25. du Bois-Reymond, E., Ueber die Grenzen d. Naturerkennens. H. Aufl.
Leipzig 1872.
(686)
26. du Bois-Reymond, üeber die Uebung. Berlin 1881.
27. Dahlem, J., Das mittelalterlich-römische Lapidariom und die vorgeschichtlich-
römische Sammlung zu St. Ulrich in Regensburg. Regensburg 1881.
28. Ebers, G., Eine Qallerie antiker Portraits. Erster Bericht über eine jüngst
entdeckte Denkmäler - Gruppe. — O. Donner- v. Richter, Die en-
kaustische Malerei der Alten. München 1888.
29. Fr aas, 0., Die geognostische Sammlung Württembergs. Stuttgart 1877.
30. Freihold, F., Die Lebensgeschichte der Menschheit. Bd. 1. Das erste
Leben der Menschheit oder die sinnliche Richtung. Jena 1876.
3L Jäger, G., Die Entdeckung der Seele. Leipzig 1878. (Sep.-Abdr. Kosmos.)
32. Moleschott, J., Die Einheit der Wissenschaft aus dem Gesichtspunkte der
Lehre vom Leben. Giessen 1879.
33. Die Sammlungen des Vereins für Pommersche Geschichte und Alterthums-
kunde in Stettin. Stettin 1886.
Nr. 23— 33 Gesch. d. Frau San.-Rath Schlemm.
34. Meyer, H., Eine Weltreise. Neuer Abdruck. Leipzig und Wien 1890.
35. Derselbe, Zum Schneedom des Kilimandscharo. Berlin, o. J. (1888.) Fol.
Nr. 34 u. 35 Gesch. d. Verf.
36. Actes du deuxieme Congres international d*anthropologie criminelle. Biologie
et sociologie. (Paris, aoüt 1889.) Lyon et Paris 1890.
Gesch. d. Hrn. Magitot.
37. Brizio, E., Relazione sugli scavi eseguiti a Marzabotto presse l^logna dal
Nov. 1888 a tutto Maggio 1889. Roma 1890. Fol. Gesch. d. Verf.
38. Undset, L, De nordiske kl^ verblad- formede spaeder fra yngre jernalder, deres
tilblivelse og udvikling. Ghristiania 1891.
39. Derselbe, Mere om de norske oldsager i Kobenhavns oldnordiske museura.
Christiania 1891.
Nr. 38 und 39 Gesch. d. Verf.
40. Festakt zur Feier des siebenzigjährigen Geburtstages Sr. Königlichen Hoheit
des Prinz -Regenten Luitpold von Bayern als des erhabenen Protektors,
gehalten von dem Historischen Vereine von Über- Bayern, in einer Fest-
versammlung am 9. März 1891. München 1891.
Gesch. d. Vereins.
Sitzung vom 17. October 1891.
Beim Eintreten des gelegentlich seiner 70jährigen Geburtstagsfeier (13. October)
zum Ehren-Präsidenten der Gesellschaft ernannten Vorsitzenden, Hm. Virchow,
erheben sich die anwesenden Mitglieder Ton ihren Plätzen.
Hr. Virchow bemerkt, dass ihm eigentlich Seitens der Gesellschaft ein Ge-
waltakt angethan worden sei, dessen coustitutionellcr Charakter ihm nicht ganz
zweifellos erscheine Nur in dem Gefühl der dauernden Uebereinstimmung der
Zwecke und der Arbeiten, welches er den Mitgliedern der Gesellschaft gegenüber
empfinde, habe er sein Gewissen beruhigt und wolle er sich auch in diesem
Augenblicke fügen und die Hoffnung aussprechen, dass für die Zukunft sich kein
unbequemes Präjudiz ergeben möge. Seinen Dank für eine so grosse Ehre könne
er nicht anders ausdrücken, als in der Zusage, dass er sich bemühen werde, in
seiner Thätigkeit für die Gesellschaft nicht nachzulassen, so lange seine Kräfte es
gestatten.
Vorsitzender Hr. Virchow.
(1) Die Testaments-Vollstrecker Schliemann's, die HHm. P. Calliga
und Streit, haben, d. d. Athen, 2./1 4. September, angezeigt, dass der Verstorbene
der Gesellschaft 10 000 Francs vermacht hat. Im Einverständniss mit Frau Sophie
Schliemann haben sie diese Summe hierher überwiesen. Der Vorsitzende
und der Schatzmeister haben die Summe erhoben und darüber eine notariell be-
glaubigte Quittung ertheilt. Vorstand und Ausschuss haben dieses Vorgehen nach-
träglich gutgeheissen. Es wird dem Hrn. Cultus-Minister ein Antrag auf Aller-
höchste Genehmigung zur Annahme der Schenkung unterbreitet werden.
Nicht ohne tiefe Rührung wird die Gesellschaft aus dieser Schenkung er-
sehen, wie dankbar Schliemann dafür gewesen ist, dass die Gesellschaft durch
ihre frühzeitige und andauernde Anerkennung seiner Leistungen ihm die volle Re-
habilitirung in Deutschland und den Sieg über alle Widersacher erleichtert hat.
Sein Gedächtniss wird nun durch ein neues Band gesichert sein. Ueber die Ver-
wendung der geschenkten Summe wird später Beschluss zu fassen sein, sobald die
Allerhöchste Genehmigung eingegangen ist.
(2) Der Hr. Unterrichts-Minister hat durch Erlass vom 1. August die
ausserordentliche Beihülfe in der bisherigen Höhe für das laufende Rechnungsjahr
gewährt.
(3) Das neue Ehrenmitglied, Fräulein J. Mestorf, spricht ihren Dank in
folgendem Schreiben an den Vorsitzenden, d. d. Kiel, 30. Juli, aus:
(688)
„Die Auszeichnung, deren die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethno-
logie und Urgeschichte mich durch die Ernennung zu ihrem EhrenmitgHede ge-
würdigt, hat mich ebenso sehr überrascht, wie ich mich durch dieselbe geehrt
fühle; denn wohl ist es hohe Ehre, als erwähltes Mitglied einer Gesellschaft an-
zugehören, die so glänzende Erfolge ihrer den ganzen Erdball umspannenden,
ruhmvollen Thätigkeit zu verzeichnen hat.
„Ich bitte Euer Hochwohlgeboren , meinen tief empfundenen Dank entgegen
zu nehmen und ihm der hohen Gesellschaft gegenüber Ausdruck verleihen zu
wollen." —
(4) Seit der letzten Sitzung ist eine ungewöhnlich grosse Zahl von Mit-
gliedern durch den Tod abgerufen worden.
Von unseren correspondirenden Mitgliedern sind gestorben:
Dr. Isidor Köper nicki, Professor an der Universität zu Rrakau, einer
der erfahrensten Kraniologen der Gegenwart, und
Dr. Georg Alex. Wilken, Professor an der Universität zu Leiden, am
28. August, erst 44 Jahre alt, der grösste Renner der Ethnographie
des malaiischen Archipels.
Aus dem Kreise der ordentlichen Mitglieder schieden:
Dr. Gustav Hahn, Oberstabs- und Regimentsai-zt, am T.September, in
Folge eines Schlaganfalles, in Schreiberhau;
Max Quedenfeldt, Premier-Lieutenant a.D., 40 Jahre alt, am 18. Sep-
tember zu Berlin, an einer schweren Unterleibskrankheit, die er von
seiner letzten Reise in den Orient zurückgebracht hatte.
(5) Aus der Zahl der Forscher und Freunde unserer Wissenschaft schieden
dahin
Dr. Voigt el zu Coburg, das thätigste Mitglied des dortigen Vereins,
einer der regelmässigsten Besucher unserer Congresse;
Dr. Rackwitz zu Nordhausen, ein eifriger Arbeiter auf dem Gebiete der
historischen und folkloristischen Studien;
Dr. philos. et theol. Friedrich Fabri, ordentl. Honorar-Professor der
Universität zu Bonn, einer der tapfersten Streiter auf dem Grenzgebiete
zwischen Theologie und Naturwissenschaft und einer der am besten
unterrichteten und kühnsten Vorkämpfer der Golonial-Politik.
(6) Als neue Mitglieder werden angemeldet:
Hr. Prof. Dr. Hirschfeld, Königsberg i, Pr.
„ Gymnasial-Lehrer E. Rö ssler, Schuscha im Kaukasus.
„ Ritterguts-Besitzer Papendieck, auf Dalheim bei Gutenfelde, Ost-
Preussen.
Das Bernstein-Museum Stantien und Becker, Königsberg i. Pr.
Hr. Rechtsanwalt Paul Langenmayr, Pinne, Provinz Posen.
„ Dr. G logner, Officier van gezondheit, Padang, Sumatra.
„ Kaufmann Friedrich Müller, Berlin.
„ Max Ohnefalsch-Richter, Charlottenbui^.
(7) Br. W. Schwartz hat während der Ferien seinen 70jährigen Ge-
burtstag gefeiert. Hr. Voss hat ihm persönlich die Beglück wünschnng der
Gesellschaft überbracht. Wir dürfen heute den rüstigen Jubilar wieder anter ans
(689)
begrüssen and ihm die wärmsten Wünsche für sein weiteres Fortarbeiten auf
seiner mhmyoUen Bahn darbringen.
(8) Unter den Hrn. Virchow zugegangenen Gratulations- Telegrammen be-
findet sich auch ein solches von Hm. Jag er aus Makassar. Trotz der lapidaren
Fassung (gratulor Jagor) darf daraus wohl auf das gute Befinden unseres
Freundes geschlossen werden.
(9) Am 25. October feiert der Verein von Alterthumsfrcunden im
Rhein lande sein 50jähriges Jubiläum. Das Programm wird vorgelegt. Vor-
stand und Ausschuss werden den hochverdienten Verein in einer Adresse beglück-
wünschen.
(10) Die Oberlausitzer Gesellschaft für Anthropologie und Ur-
geschichte hat ihre vierte Hauptversammlung am 8. October, in einer für uns
sehr ungünstigen Zeit, in Görlitz abgehalten.
(11) Die kaiserliche Moskauer archäologische Gesellschaft ist vom
Ministerium der Volksauf klärung beauftragt worden, in Constantinopel ein
russisches Institut zur ethnographischen und archäologischen Er-
forschung des Orients zu errichten. Es sind demselben zu diesem Zweck reiche
Mittel zur Verfügung gestellt worden.
Der Vorsitzende erhofft die dereinstige Einrichtung eines solchen Institutes
Seitens Deutschlands in Cairo.
(12) Nachdem Hr. Gastan von Dr. Schellong's papuanischen Gesichts-
masken Gypsabgüsse angefertigt hat, ist nunmehr ein Gircular an hervorragende
ethnographische Museen erlassen worden, in welchem ein Personal -Verzeichniss
der Stücke (37 an der Zahl), mitgetheilt wird. Von den Masken beziehen sich
Nr. 1 — 22b. aufNeu-Guinea. NO. Kaiser Wilhelms-Land. Finschhafen. Jabim.
„ 23-27. „ „ „ Kai.
„ 28—31. „ Insel Tami.
„ 32. „ Neu-Lauenburg.
„ 33. „ Neu-Britannien (Neu-Pommem).
„ 34. „ SW. Neu-Meklenbuig-
„ 35, 36. „ NO. „ „
„ 37. „ Salomons-Insel Wella-Wella.
Der Tenor des Circulars lautet:
„In dem Besitze der unterzeichneten Gesellschaft befinden sich Gypsabgüsse
von den Gesichtern Eingeborener aus Melanesien, namentlich aus Neu- Guinea,
welche Hr. Dr. Schellong über Lebenden abgeformt hat. Das umstehende Ver-
zeichniss enthält die näheren Angaben. Eine genaue Beschreibung wird Hr.
Schellong in der Zeitschrift für Ethnologie, Heft IV, 1891, geben.
„Wir sind im Stande, Vervielfältigungen dieser Gypsabgüsse, in natürlichen
Farben bemalt, käuflich abzulassen.
„Der Preis beträgt exclusive Verpackung und Porto für das Stück
55 Mark. Sollten bei uns mehrere Bestellungen auf die gleichen Stücke ein-
gehen, so können wir eine Preissermässigung eintreten lassen und zwar in
folgender Weise:
Verbandl. der Berl. Anthrop. GeMllsebalt 1891. 44
(690)
bei 1
Bestellung
auf die
ganze
Folge
. . . 2090 Mk.
, 2
ßestellungen
n
»
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. . . 1330 „
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. . . 1070 ,
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. . 740 „
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V
n
n
^
•n
. • 722 ,
„Wir bitten, uns die Bestellungen bis zum 15. November dieses Jahres zu-
gehen zu lassen, und werden wir darauf den Reflectanten roittheilen, ob und welche
Preisermässig^ng wir eintreten lassen können."
Die Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte zu Berlin.
Dr. Max Bartels, Schriftführer. Berlin SW., Königgrätzerstasse 120.
Der Vorsitzende fügt hinzu, dass etwaige spätere Bestellungen, wenn es
möglich ist, auch noch berücksichtigt werden sollen.
(13) Hr. 0. Borchert unternimmt demnächst eine Expedition nach den
central-africanischen Seen. Graf Schweinitz, der ihn begleitet, beabsichtigt,
daselbst wissenschaftliche Untersuchungen, auch anthropologische, zu veranstalten.
. (14) Das correspondirende Mitglied, Hr. Dr. Paolo Orsi, Ispettore degli Scavi
in Syracus, berichtet aus Rovereto im Trentin unter dem 21. August über
Prähistorischen Bernstein ans Sicilien.
Als wichtigen Nachtrag zu den hochinteressanten Mittheilungen über den
alten Bernsteinhandel und die Goldfunde (des Hrn. Olshausen in diesen
Verhandlungen 1891, S. 286 f.) kann ich berichten, dass wir endlich in
officieller Weise die Existenz von Bernstein in prähistorischen oder besser, in
protohistorischen Gräbern Siciliens constatiren können. Schon vorher hatte Prof.
A. B. Meyer im Bullettino di Paletnologia Italiana 1887, p. 22 — 24, zwei Bern-
stein funde besprochen, einen von Randazzo, den anderen von Crichi; die chemische
Analyse des Hrn. Bärwald in Berlin eingab jedoch, dass dies kein Bernstein
aus Sicilien (Simetit), sondern aus dem Norden (Succinit) war. Ich muss jedoch
einige Bedenken über diese Resultate erheben, nicht vom chemischen, sondern
vom archäologischen Standpunkte aus. Vor allem bemerke ich, dass der Bern-
stein von Crichi gestrichen werden sollte, da Crichi in Calabrien und nicht ir
Sicilien liegt; und dann, dass, meiner Meinung nach, auch der Bernstein von Ran-
dazzo suspect ist, da in Randazzo keine prähistorischen Gräber existiren, wenigstens
Niemand davon weiss.
Dagegen in den Ausgrabungen, die ich im Auftrage der königl. italienischen
Regierung in den sikelischen Nekropolen von Plcmmirio bei Syracus und Castelluccio
bei Noto im Jahre 1890 ausgeführt habe, hatte ich die Freude, einige Bernstein-
perlen, mit bronzenen Schwertern und steinernen Messern zusammen, zu finden.
Einige Stücke, die, durch die Güte des Hrn. Prof. A. B. Meyer in Dresden, mittelst
chemischer Analyse geprüft wurden, ergaben, dass sie sich ganz anders, als
Ostsee-Bernstein, verhalten. Detaillirtes über meine Entdeckungen werde ich im
Bulletino di Paletnologia Italiana dieses Jahres herausgeben. Gregenwärtig mag es
(BDI)
genügün, die urste Entdeckung' von prähistori schein siciliscbcni Bernstein in Sicilien
bekannt zu machen. —
(15) Hr. Marchesettt berichtet in einem Briefe an den Vorsitzenden aua
Triest, 17. September, über
Dene Ansgrabungeo zn Santa Lncia im Litorale.
„Ich bin jetzt mit dem Auspacken meiner 14 Kisten, Ausbeute von S. Lucia,
beschäfligt, denn obwohl die Zahl der geöffneten Gräber nicht gross war (291 im
Ganzen), waren doch die meisten sehr gut mit Sachen versehen, so dass ich reich-
haltigere Funde in diesem, als im Vorjahre, machte. Besonders zahlreich sind
Bronzegeriisse vertreten (23), worunter einige mit schönen gopunzten Zeichnungen,
ein prächtig erhaltener Kelch, eine zweihenkelige Situln mit Deckel, drei cylin-
drische Reifeneimer (Ciste a cordoni), ein 5Ü cm hohes Ossuarium in Situla-
form etc. etc. In grosser Zahl sind auch schön erhaltene Kelche ans Thon mit
schwarzen und rothen Zonen. Interessant, besonders für die Zeitbestimmung,
scheint mir das Vorkommen einer apulischen Rylix. Fibeln kamen ebenfalls in
ansehnlicher Zahl vor (es sind deren 391), darunter mehrere für S. Lucia neu.
Ausserdem eine Menge anderer Zierrathe, verschiedenartige Ringe, Nadeln, Glas-
und Bernsteinperlen, Anhängsel, Messer, ein Schwert, ein Paalstab u. A. Wiederum
fand man das Grab eines Pferdes, jedoch nnr mit einem eisernen Zaume versehen.
„Im Juni habe ich eine schöne Reise durch Dalmatien, Montenegro und
Bosnien gemacht. Im höchsten Grade haben mich die Funde von Glasinac im
Museum von Serajewo, wegen der vielen Analogien mit unseren und den sUd-
italischcn Nekropolen (besonders Sybaris), interessirt. Desgleichen konnte ich die
Identität unserer GastelHeri mit denen Dalmatiens und Bosniens, sowohl hinsichtlich
ihrer Construction, als Ihrer Funde, nachweisen."
Unter dem 10. October hat Elr. Harchesetti eine schöne
archaische Bronze-Fibel von Koban-Form
an Hm. Virchow zu dessen Geburtstag gesendet. Er nennt sie Hne typische
„S. Lucia -Fibel", wie sie seines Wisaena
ausserhalb der Nekropolen des Litorale
noch nirgends gefunden wurde.
Hr. Virchow dankt dem freundlichen
Geber für das werthvolle Geschenk, das er
dem Künigl. Museum für Völkerkunde zu
Übergeben gedenkt. Es ist ein kleines
Exemplar mit dickem, fast blutegell(}rmigcm
Bügel, der an 4 Stellen mit tiefen Quer-
ftirchen, in der Zahl von 6—8, besetzt ist.
Die Nadel entwickelt sich mit drei, dicht
an einander liegenden, abgeplatteten Win-
dungen aus dem Bügel und legt sich am
Ende in eine sehr breite, eingebogene Platte,
an der auch noch Spuren von Querkerben
bemerkbar sind. An dem Bügel härigen zwei
etwa llngerweite, geschlossene Ringe von
dicker, fast drehrunder Bronze, ferner eine ,,
Pincette mit verfaältnisamäasig schmalen
(692)
Armen und drei Klapperkugeln mit sonnen förmigen Eindrücken, beide an be-
sonderen kleinen Ringen. —
(16) Hr. Leopold Conradt, aus Königsberg, hielt in der Gesellschaft fUr
Erdkunde am 7. März einen Vortrag über eine centralasiatische Reise (Verhandl.
der Gesellsch. 1891, Nr. 3, S. 168), welche er im Gefolge der Expedition des Capitän
T. Grombtschewsky in den Jahren 1889 — 90 gemacht hatte. Bei dieser Ge-
legenheit erwähnte er auch die Nephritbrüche von Schachidula und die Xephrit-
schleifereien von Chotan, über welche er genaue Aufschlüsse zu geben wusste. Er
versprach Hrn. Virchow weitere Nachrichten darüber und Proben des Gesteins.
Letzterer war nicht wenig erstaunt, den nächsten Brief, vom 23. August datirt,
von der Plantage Derema in Deutsch-Ostafrica zu erhalten, zugleich mit der Mit-
theilung, dass Hr. Conradt beides, Brief und Proben, dem Grafen Joachim Pfeil
mitgegeben habe, den er in Tanga getroffen habe. Letzterer war inzwischen nach
Berlin zurückgekehrt und überbrachte in freundlichster Weise die werthvoUe
Sendung. Die Gesteinsproben sind von dem Vorsitzenden Hm. Arzruni in Aachen
zugeschickt worden, der eine genauere Analyse derselben zugesagt hat.
Der Brief des Hm. Conradt, d. d. Tanga, 29. Juni, berichtet Folgendes über
die Nephritgruben von Schachidula und die Schleifereien von Chotan.
.^ „Was zuerst die Fundorte des Nephrits anbetrifft, so fand ihn Capitän
V. Grombtschewsky schon 1888 weiter stromab am Raskemflusse, als wo wir den-
selben an der Einmündung des lly-Ssuflusses in ihn berührten. Im Winter 1889,90
gelangten wir an die Nephritbrüche, die vom Platze Schachidula- Chodsha den
Kara-Rosch etwa eine Tagereise stromauf sich befinden und die wohl auch schon
von Schlagintweit besucht waren, woselbst aber jetzt nicht mehr gegraben wird.
Endlich wurde das Gestein auch in der Nähe des Tisnaph-Flusses gefunden, also
etwa südlich von Jarkend, welche Gegend Sie ungefähr nach der von mir zu meinem
Vortrage in der geographischen Gesellschaft gemachten Marschrouten-Skizze er-
Seh, Ch, Schachidula-ChodsduL
iV. B, Nephrit-Brüche.
K. K. Karakosch.
Ch. Chotan (Iltschi).
J. K, Juruny Eosch.
Ch. Chotan-Daija.
R, D. Raskem-Daija Bei + der
Karakoram-Pas8 vm Hi-
malaja.
K. R Kilian-Pass.
K, Kilian.
K, J. Euk-Jar.
0 S. Oase Sansha.
fV. Wüste.
Zwischen Schachidula und ChoUn
^ der Ewen-LwL
Z^ff^tf/
X
(693)
sehen können. Auch soll Nephrit, wenn ich nicht sehr irre, bei Polu in den Ge-
birgen vorkommen, ebenso wird er auch in der Ebene bei Chotan gegraben.
^Doch nun zu seiner Bearbeitung. In der Stadt Chotan befinden sich die
grössten Schleifereien, und war die, welche wir im Sommer 1890 besuchten, in
dem Besitze eines Muhamedaners von Kaschgar. Hingeführt, fanden wir ein
grösseres, langes Zimmer, in dem 4 Arbeiter an einem langen Tische sassen und
verschiedene Stücke Nephrit schliffen, bezw. schnitten. Vor jedem Arbeiter befand
sich am Tische eine muldenförmige Vertiefung, mit Wasser gefüllt, durch welches
eine grössere oder kleinere dünne Eisenscheibe lief, die durch einen Tretstuhl in
schnelle Bewegung gesetzt wurde. Vermittelst dieser Scheiben, die einen halben
bis gegen einen Fass im Durchmesser hatten, wird das rohe Stück Nephrit zu
der gewünschten Grösse durchgeschnitten, um dann später bearbeitet zu werden.
Zur eigentlichen Bearbeitung dienen zwei andere Eiseninstrumente: eines zum
Herstellen der Rörperfiguren oder zum Rund- und Glattschleifen von Arm-
ringen, Fingerringen, Schälchen, Mundstücken für die Opium- und kleinen
Tabakpfeifen und dergl., und besteht dieses Instrument aus kleineren, bis fast
Vi Zoll dicken Eisenscheiben, die 1 Zoll und weniger im Durchmesser haben. Zum
Bohren der kleinen Raatabakflaschen dagegen biegen sie eine feine Eisenplatte
zu einer an einem Ende spitzer zulaufenden Röhre, deren Längsseiten aber nicht
ganz sich decken. Diese letztere Arbeit ist natürlich die schwierigste und am
längsten daueiiide, da der Stein sehr hart ist, und kosten daher solche tief ge-
bohrten Fläschchen am meisten; sah ich doch eine solche, die etwa 3 Zoll
lang, 7& ^11 <lick und 1 y, Zoll breit war, auch einen kleinen goldenen Deckel mit
einem ganz kleinen Schäufelchen hatte, wofür die Eingeborenen gegen 200 Rubel
verlangten. Da nun die Bearbeitung schwierig ist und ziemlich lange dauert,
so sind alle diese Nephritgegenstände, wenn der Stein selbst rein, also nicht
fleckig ist, ziemlich theuer; besonders beliebt ist aber die fast milchgraue Farbe
des Nephrit, der daher auch bei den Chinesen am besten bezahlt wird, und werden
sehr viele Gegenstände daraus nach dem östlichen China exportirt.
„Zum Schleifen des Steines gebrauchen die Schleifer aber noch zwei verschieden-
farbige Arten von Sand, von denen die eine bei Chotan, die andere bei der Stadt
Andishan im russischen Turkestan gefunden wird, aber beide nicht sehr theuer sind.
„Die Instrumente sind auch nicht theuer, da der Capitän einen allerdings nicht
mehr sehr guten Satz, nebst Proben von den zwei Arten von Sand, für etwa
10 Rubel kaufte.
„Anbei übersende ich Ihnen nun auch die zwei bei Schachidula gefundenen
Stücke Nephrit zur gefälligen Benutzung." —
Hr. Virchow dankt dem gütigen Sender für die grosse Liberalität, mit der
er so seltene Gegenstände der Wissenschaft opfert, und für die interessanten An-
gaben über die Technik der Fabrikation. Hoffentlich werde die Untersuchung des
Hm. Arzruni eine bleibende Grundlage für die Beurtheilung des ost-turkestanischea
Nephrits, den man so lange als die Quelle der occidentalischen prähistorischen
Nephritgeräthe betrachtet hat, bilden. —
(17) Hr. Virchow theilt aus den Briefen des Hrn. Conradt noch folgende
Stellen mit, betreffend
das Innere von Usambara, Ost-AfHca.
1) Aus dem Briefe vom 29. Juni: „Ich nahm bei der Deutsch-Ostafrikanischen
Gesellschaft eine Stellung hierselbst an, um mit einem anderen Herrn in dem
(694)
Inneren des Usambara-Gebietes RafiTee-^ und andere Plantagen anzulegen, und glaube
fast sicher, dass nach dem, was ich bis jetzt gesehen und gehört habe, diese Plan-
tagen, energisch und umsichtig angelegt, einmal eine grosse Zukunft haben werden.**
2) Aus dem Briefe vom 23. August: „Wir haben nun endlich in der Land-
schaft üsambara geeignete Terrains für Kaffee-Plantagen in einer Höhe Ton über
800 m gefunden, haben auch schon angefangen, Land urbar zu machen, und glaube
ich, dass das Plantagen -Unternehmen der Deatsch-Ostafrikanischen Gesellschaft
glücklich gedeihen wird, wenn es nur energisch und umsichtig angefangen wird.
Günstige Vorbedingungen, als Arbeiter, Klima, Fruchtbarkeit u. s. w. , sind vor-
handen und bin ich wenigstens noch stets ganz gesund geblieben.*' —
(18) Hr. Dr. Fritz Nötling, von dem Geological Survey of India, berichtet
in einem Briefe an den Vorsitzenden aus Yenangyoung, Upper Burma, vom
5. August über
prähistorische Stein waffen in Ober-Birma.
Es wird Sie interessiren, ein paar kurze Mittheilungen über die endliche Auf-
findung von Steinwerkzeugen in Über-Birma zu erhalten. Wie Ihnen wohl be-
kannt, sind prähistorische Steinwaffen aus Hinter-Indien ungemein selten, die Mehr-
zahl derselben stammt aus Tenasserim; der einzige mir bekannte, verlässliche Fond
aus Birma selbst ist eine Streitaxt aus Sandstein, aus der Nähe von Prome.
Während der drei Jahre, die ich in Birma herumreiste, habe ich mich ver-
geblich bemüht, Spuren einer prähistorischen Ansiedelung aufzufinden. Trotzdem
ich stets ein Steinbeil mit mir führo^, das ich den Eingeborenen als Muster vor-
weise, und trotz hoher Belohnungen war es mir bisher noch nicht geglückt,
irgend ein Steinwerkzeug aufzutreiben. Ich hatte beinahe alle Hoffnung auf-
gegeben, solche im mittleren Theile von Gber-Birma aufzufinden, — um so mehr, als
geologische Anzeichen darauf hinweisen, dass Ober- Birma noch in verhaltniss-
mässig nicht weit zurückliegender Zeit vom Meere bedeckt war, — als ich von einem
Bekannten die Nachricht erhielt, dass er im Besitze von vier Steinbeilen sei, wovon
er eines selbst aufgefunden habe. Der Fundort liegt in den Bergen westlich von
Mingin zwischen dem Chindwin und dem Arrakan Yomah; '1'^° n. Br. und 94° 15'
östl. Länge v. Gr. näherungsweise. Das Steinbeil, das im Gerolle eines kleinen
Baches aufgefunden wurde, gehört zur Gruppe der curiosen „shouldered celts**, die,
soweit mir bekannt, bisher nur in Tenasserim und der
malayischen Halbinsel gefunden sind; die Bedeutung dieses
Fundes erscheint mir somit von höchster Wichtigkeit, als
derselbe erstens völlig authentisch ist und damit den Ge-
brauch von Steinwerkzeugen bei den prähistorischen Ein-
wohnern von Upper Burma beweist, zweitens, weil hiermit
die Verbreitung dieser merkwürdig geformten Steinwaffen
über eine Zone von mindestens 13 Breitengraden (vom 10.° bis 23.*^ constatirt er-
scheint.
Ich beabsichtige, diese Entdeckung weiter zu verfolgen, denn ich glaube
kaum, dass dieses Beil ein isolirter, zufälliger Fund ist. Meine Idee \<^ den
kleinen Bach aufwärts zu wandern und dabei fleissig Umschau zu halten; vielleicht
gelingt es mir, den alten Ansiedelungsplatz selbst aufzufinden, wo dann sicherlich
noch weitere Funde zu erwarten wären. Mein Bekannter, der mir du» Beil
freundlichst überliess, theilt mir mit, dass dasselbe vorzüglich erhalten und durchaus
nicht ^waterworn" sei; es kann also nicht weit tmnsportirt sein, denn sonrt wäre
(695)
es wohl stärker abgerollt. Leider habe ich dasselbe bis jetzt noch nicht erhalten,
sonst würde ich Ihnen eine genaue Beschreibung geben; da ich jedoch in einer
Woche wieder auf eine längere Tour gehe und deshalb schwerlich vor Ende
September in Besitz meiner Postsachen gelangen werde, so erschien es mir
nützlich, Ihnen wenigstens eine vorläufige Mittheilung zu geben.
Wus die anderen drei Steinbeile angeht, so stammen sie alle aus derselben
Gegend, können aber, da von eingeborenen Doctoren erhalten, bei denen der
Donnerkeil ^modschio" in grossem Ansehen steht, nicht den gleichen Werth, wie
ersteres, beanspruchen. Eines davon ist ebenfalls ein „shouldered celt", die beiden
anderen besitzen die gewöhnliche Keilform.
Mein Programm für den nächsten Winter ist ein sehr umfangreiches: im
October werde ich nach den südlichen Schanstaaten und dem Karennilande zu
gehen, von wo ich Anfangs Januar zurückzukehren gedenke; dann geht es den
Chindwin hinauf, und bei dieser Gelegenheit beabsichtige ich, der prähistorischen
Ansiedlung nachzuspüren. Anfang oder Mitte Februar werde ich eine Tour durch
die Chinhills unternehmen und dieselben ungefähr unter dem 21. Breitengrade durch-
kreuzen, um nach Akyab zu gelängen.
Zum Schluss noch eine kurze Mittheilung, die Sie vielleicht auch interessiren
wird. Wir hatten im vorigen Monat die Influenza hier, wenigstens Krankheits-
Erscheinungen, die mit den bekannten der Influenza übereinstimmten. Curios
genug ist es jedoch, dass es scheint, als ob die Influenza nur in den Chinhiirs um
diese Zeit epidemisch war; in den Ebenen von Ober-Birma, wenigstens hier in
dieser Gegend, hörte ich nichts davon. Wie die Influenza nach den ChinhilFs
hinauf gekommen ist, um die wilden Chin's zu beglücken, das mögen die Götter
wissen. —
Hr. Virchow erwähnt, dass sich auch unter den, von Hrn. Vaughan Stevens aus
Malacca eingesandten Gegenständen zahlreiche, geschlifTene Steingeräthe befinden. —
(19) Der evangelische Pfarrer, Hr. A. Kunert zu Forromesco, Rio Grande
do Sul, schreibt über
Caximbos in Süd -Brasilien.
Aus dem Districte des mittleren Cahy besitze ich etwa 20 Caximbos. Sic
sind aus Thon geformt und gut gebrannt, der grössere Theil aber ist zerbrochen
und unvollständig. Einen Anhalt zur Altersbestimmung geben nur die etwaigen
Begleitfuude von Kupfer- und Eisengeräth, venetianischen Glasperlen, sowie be-
malten Topfscherben. Ich glaube mit Recht annehmen zu dürfen, dass in solcher
Begleitung gefundene Caximbos nicht älter, als höchstens 300 Jahre sind. Die ohne
solche Begleiter auftretenden Caximbos können wohl älter sein. Dr. Philippi
in Santiago de Chile, dem ich einige Zeichnungen übersandte, schrieb mir, dass
die in alten chilenischen Gräbern gefundenen Caximbos genau dieselbe Form
hätten, wie die hiesigen, und dass solche Pfeifen heute noch von den Pehuenchen
(im Osten der chilenischen Anden), sowie von den Patagonen benutzt würden.
Die hiesigen Bugres nennen den Tabak petüm (pito = Cigarette), — dasselbe Wort,
welches nach Philippi's Mittheilung schon die spanischen Schriftsteller des
16. Jahrhunderts gebrauchten (Petun). Die Araukaner nennen den Tabak Püthem.
Es scheint mir, als ob das Wort pitar = rauchen, welches oft anstatt fumar ge-
braucht wird, aus der Quarani- Sprache übernommen wurde. Ganz sicher ist es
ja noch nicht, ob das Rauchen nicht etwa durch die Portugiesen hier eingeschleppt
(696)
sein köonte oder ob die Bingebomen mit dem Worte petfim ursprOnglich den
Tabak oder ein anderes Raucbkraut bezeichneten. Die all^meine Yerbreitnng
des Wortes petAm lässt allerdings Termnthen, dass die Sitte des Banchens schon
älter igt, als die Binwandening der Spanier und Portogieaen. In Chile soll es
sicher sein, dass das Rauchen ans Caxirobos schon vor Ankunft derEnropäer be-
kannt war.
Die Funde von Caximbos sind nicht gerade häufig. Fig. 1, 2, 3 und 4 worden
mit Kufper- und Eiaengeräth, sowie mit bemalten Topfscherben zusammen gefunden.
%|y^^^^
Coximbos Tom mittleren Coh; und von Porromeico.
1. aus Sebastopol, 2. Pbbso Wiltgen, 3. Linhs Franieas, 4. Uahx nova, & Picad« Falii.
6. Salvador, T. Porromesco, 8., 9. Picade Felii.
Pig. b und 9 entstammen einem noch vor 70 Jahren von Bugres bewohnten Orte.
Die meisten Caximbos sind Tierkan%, wenigstens die Rähre, bei Fig. 5 mach der
(697)
Figur 10. Vi Fipir 11.
Von Bento GoncKlvei. B LAngsschnitt, bei a and b SeitenlOcher.
Figur 12. Figur 13. Figur 14.
(698)
Kopf und das Stopf loch. Fig. 3 ist sehr genau sechskantig. Fig. 4 ist nach dem
Brennen mit kräftig eingekratzten Zickzacklinien verziert. Die Stopflöcher von
Fig. 5, 6, 7 sind so klein, dass nur das erste Glied des kleinen Fingers hinein-
passt. Fig. 6, 7, 8 sind ohne Beglcitfunde aus Europa, sowie ohne bemalte Scherben
gefunden, sie könnten also älter sein. Besonders interessant ist die in Bento
Goncalves (früher Conde d'Eu) gefundene Pfeife (Fig. 10). Sie ist in halber Grösse
abgebildet. Die Pfeife ist auch unten offen, von beiden Seiten sind zwei Löcher
schräg nach oben eingebohrt. Sollten vielleicht zwei Personen gleichzeitig daraus
geraucht haben? Die Verzierungen sind mittelst eines gekerbten Holzes ein-
gedrückt. Ich halte dieses Instrument für nicht älter, als 200 Jahre.
Betreffs der Altersbestimmung der Stein w äffen machte ich bereits in
meiner ersten Mittheilung vom Januar 1890, sowie auch später darauf aufmerksam,
dass man selten in der Lage ist, mit annähernder Sicherheit das Alte vom Neuen zu
unterscheiden. Endlich ist mir das einmal gelangen an Fundstücken vom Morro
do diabo (Colonie von Häfliger). Ich besitze von dort acht roh behauene Aexte
(Fig. 11 und 12); alle sind stark verwittei-t, zwei derselben der Art, dass man sie
nur mit Mühe erkennt. Zwei grosse, walzenförmige Beile (Fig. 17) stammen eben-
falls daher, sowie vier Bruchstücke von solchen (Fig. 15 und 16), eine Stampfkeule
von Stein, roh behauene Steinknollen (Fig. 14) und einige rohe, an der schmalen
Schneide zugeschliffene Aexte. Ausserdem fanden sich rund gehauene Steinkugeln
(Fig. 18 und 19) und viele Waffenbruchstücke. Einzelne derselben sind der Art ver-
wittert, dass sie sich mit dem Messer durchschneiden lassen und sich so leicht an-
fühlen, wie alte Knochen. Pfeilspitzen, Scherben oder Asche fanden sich bis jetzt
nicht, aber ein kleiner Sand-Heibstein mit Rinnen bewies, dass auch dieser ur-
alte Stamm Pfeilhölzer geglättet hat. Vereinzelt kommen die walzenförmigen Beile
auch im Gebiete der italienischen Kolonie von Bento Goncalves, Forqueta und
Caxias vor, wo sie meist als Schleifsteine benutzt und lampigi (Donnerkeile) ge-
nannt werden. Alle diese Funde unterscheiden sich ganz auffällig von den Waffen,
welche auf einer Nachbarkolonie gefunden wurden. Hier (auf dem Lande von Winter)
ßnden sich die schönsten Thongefasse, zwar nicht bemalt, aber doch sauber und
gefällig geformt, die Steinbeile sind sorgfältig zugehauen (wie mit dem Pickel) und
an der Schneide polirt (Fig. 22). Hier giebt es Pfeilspitzen, ein Bruchstück einer
Pfeife, sowie endlich eine kleinere, „runde Axf^. Es ist zweifellos, dass man es
hier mit Funden aus zwei verschiedenen Perioden zu thun hat, einer ältesten und
der neuesten. Die neueste Periode zeigt in den Formen der Thongefasse oft
Nachahmung europäischer Porzellan- und Thonwaaren, und in Begleitung solcher
Funde (auch Kupfer- und Eisengeschirr) finden sich die runden Aexte. Ich bin
überzeugt davon, dass diese der letzten Periode angehören und nicht die Waffen
der eigentlich ältesten Waldbewohner sind. Diese Erkenntniss gründet sich nicht
allein auf die eben genannten Funde, sondern ist mir auch an vielen anderen
Stellen bestätigt worden. Diese Unterscheidung ist wichtig, wenn man auf dem
Gebiete hiesiger Alterthumsforschung weiter kommen will; es werden sich noch
Sammler finden, die sie bestätigen. Ob die Aexte mit Stielrinne (Fig. 20 and 21),
deren Vorkommen in Rio Grande bisher noch nicht bekannt war, ebenfaiU der
letzten Periode angehören, kann ich noch nicht feststellen; gerade diese Aexte aber
werden (wenn sie noch häufiger auftreten) einen Rückschluss auf die Herkunft
der hiesigen Stämme gestatten. Nach Dr. v. I bering sollen sie in Bolivien bis
zum Amazonasthal und in Nord -Amerika auftreten, im südlichen Brasilien biiber
aber unbekannt sein. —
(699)
(20) Hr. Krause in Gleiwitz berichtet unter dem 23. Juli über
Darstellungen aus der mykenischen Götterwelt.
Obwohl wir keine geschriebene Urkunde besitzen, welche uns Meldung brächte
über die Götter, welche in jener fernen Zeit in Mykenae verehrt wurden, so sind
dennoch bildliche Darstellungen vorhanden, welche uns die Götter jenes Zeitalters
und ihre Verehrung schildern. Eine solche Darstellung befindet sich auf einem
goldenen Ringe, welchen Dr. Schliemann in Mykenae aufgefunden hat und
welcher in Schuchhardt's Werk „Schliemann's Ausgrabungen", S. 313 be-
sprochen und bildlich dargestellt wird. Wir geben dieses Bild in zweifacher Ver-
grösserung.
Da diese hochinteressante bild- Figur 1.
liehe Darstellung bis jetzt noch
keine genügende Erklärung ge-
funden hat, so wollen wir den
Versuch machen, die Vorstellungs-
wcise dieses Bildes zu erschliessen.
Wir erblicken auf dem Bilde zu-
nächst drei Frauen, festlich ge-
schmückt, und zwei Kinder. Eine
Frau, welche unter einem Baume
sitzt, nimmt Blumen entgegen,
welche ihr von zwei Frauen und
einem Kinde zugetragen werden.
Diese Blumen haben die Be-
stimmung, als Schmuck zu dienen bei der Verehrung der Götter; die sitzende
Frau wird sie zu Guirlanden vereinigen. Ein kleines Mädchen ist im Begriff,
von einem Baume Früchte abzunehmen. Schon liegt zu den Füssen der sitzenden
Frau rechts und links eine grosse Zahl von Früchten in zwei Haufen. Auch diese
Früchte sind, wie die Blumen, dazu bestimmt, den Göttern als Opfergaben dar-
gebracht zu werden Wir erblicken ferner sechs Thierschädel, welche den Cultus
der Götter zur Anschauung bringen, denen Rinder und andere Opferthiere ge-
schlachtet werden. War es doch in alter Zeit Sitte, am Tempel eine Anzahl Stier-
schädel von Opferthieren in den Oeffnungen des Gebälks, den Metopen, aufzu-
stellen.
Wir erfahren auch aus unserem Bilde, für wen diese Opfergaben bestimmt
sind. Es sind die himmlischen Götter, welche über dieser irdischen Scene zur
Darstellung gebracht sind. Da ist zunächst die Gottheit des Mondes, der Gott der
Sonne und des Meeres, welche uns der mykenische Künstler im Bilde vor Augen
stellt. Ein ganz besonderes Interesse aber nehmen die Bilder der Pallas und des
Zeus in Anspruch. Das Palladium oder das Bild der Pallas Athene erscheint mit
Schild und Lanze ausgerüstet. Da ist nicht jene unförmliche älteste Gestalt des
Palladiums, welche auf einem anderen Goldringe (Schuchhardt, S. 315) ab-
gebildet ist, sondern jene beschildete neuere Gestalt des Palladiums, wie sie auf
einem mykenischen Kalktäfelchen (Schuchhardt, S. 326) dargestellt ist An die
ältere Form des Palladiums, wie sie bei Schuchhardt, S. 315 dargestellt ist,
schliessen sich zunächst diejenigen Formen des Palladiums an, welche in Tiryns
aufgefunden worden sind (Schuchhardt, S. 155). Wir sehen hier in Thon das
Palladium einmal ohne Arme, das andere Mal mit Andeutung der Arme dargestellt.
Dieser letzteren Darstellung entsprechen auch diejenigen zwei Palladien, welche
(700)
in dem ersten Grabe in Mykenae aufgefunden und von Schach hardt, 8. 212 ab-
gebildet worden sind.
Zeus, der höchste der Götter, ist von dem mykenischen Künstler auf unserem
Ringe durch das Symbol des Doppelbeiles voi-gestellt Das Doppelbeil erscheint
auf den karischen Münzen als das Symbol des Zeus. Die mykenischen Dar-
stellungen lassen deutlich erkennen, dass das sogenannte Doppelbeil als Schlag-
Instrument in Form eines Hammers gedacht ist, denn der Hammer ist das
Symbol des Donnergottes, wie wir auch in der deutschen und nordischen Mytho-
logie an der Gestalt des Thonar sehen, welcher den Hammer Miellnir, d. h.
Zermalmer, führt Die Doppelaxt oder der Hammer des Zeus ist in der obigen
Darstellung (Schuchhardt, S. 313) deutlich als ein Schlag -Instrument charak-
terisirt, nicht mit scharfen, sondern mit stumpfen Endflächen. Es ist kein
Zweifel, dass unter dem Symbol des Doppel -Hammers Zeus, der Donnergott,
dargestellt ist.
Dr. Schliemann hat in dem vierten Grabe zu Mykenae die Darstellung eines
Stierkopfes gefunden, zwischen dessen Hörnern jenes Doppelbeil oder der Hammer
angebracht ist. Die Abbildung dieses Stierkopfes findet sich bei Schuchhardt,
S. 284.
^g^ 2. Diese Darstellung, welche aus Goldblech angefertigt
ist, hat sich in jenen Königsgräbern in 56 Exemplaren
vorgefunden. Das Bild ist offenbar religiösen Charakters
und stellt uns den Donnergott Zeus in der Gestalt eines
Stieres dar, entsprechend derjenigen Auffassung, in
welcher die Stiergestalt als das Symbol des höchsten
Gottes gedacht und abgebildet wurde. Wir werden durch
dieses mykenische ßild in die uralte Zeit versetzt, in
welcher auf Kreta, in Phönicien, in Aegypten und selbst
bei dem Volke Israel der Stiercultns in Aufnahme war.
So wurde z. B. Jehovah von den zehn Stämmen des
Reiches Israel in der Gestalt des Stieres angebetet
(1. Kön. 12, 28). In demselben Grabe zu Mykenae, in
welchem der Stierkopf mit dem Doppel-Hammer sich vorfand, ist ein übenrns
schön modellirtcr grosser Stierkopf aus Silber gefunden worden, dessen Homer aus
Goldblech angefertigt sind. Schuchhardt, welcher diesen Stierkopf, S. 2S3 dar-
stellt, vermag keine befriedigende Erklärung über die Bestimmung dieses Bild-
werkes zu finden, welches durch die naturgetreue Darstellung Staunen erregt Die
Stirn des Stieres ist mit einer sechszehntheiligen schönen Rosette geschmückt
Dieses kostbare, kunstreiche Stierbild hat, wie jene 56 kleinen, goldenen Stier-
bilder desselben Grabes, die Bestimmung, den Donnen^tt, den höchsten der
Götter, darzustellen. Jene 56 kleinen Stierbilder desselben Grabes, welche den
Donner-Hammer zwischen den Hörnern tragen, liefern den bestimmtesten Hinweis,
dass die mykenische Kunst auch in dieser Stiergestalt den Donnei^tt dargestellt
hat. Diese Vorstellungsweise lebt auch noch in der griechischen Mythologie der
klassischen 2^it, denn in der Gestalt des Stieres, so erzählt die Sage, hat Zeus
die Europa geraubt und nach Kreta entführt.
Fügen wir zu den bisher erwähnten Gtöttem noch die Aphrodite hinzu, welche
in der mykenischen Kunst ebenfalls ihre Darstellung gefunden hat, wie die Ab-
bildungen bei Schuchhardt, S. 226 und S. 228 beweisen, so findet die DarsteUimg
der Götterwelt in der mykenischen S^itperiode hiermit ihren Abschloss. Es sind
Zeus und Athene, die Gottheiten der Sonne, des Mondes und des Meeres, und
(701)
endlich Aphrodite, deren Gresialten aus den Gräbern zu Mykenae emporgestiegen
sind und in beredter Sprache zu uns reden von einer Zeit, in welcher die Kenntniss
der Schrift in Griechenland noch nicht Torhanden war.
Noch bleibt uns ein Götterbild za erwähnen, welches seit Jahrtausenden be-
kannt und viel besprochen, schon vor den Schliemann'schen Ausgrabungen das
Wahrzeichen der Burg Mykenae war, nehmlich das Löwenthor mit der Säule und
den beiden Löwen. Dass diese Säule eine Gottheit darstellt, ergiebt sich aus den
beiden Altären, auf welche die Säule und die beiden liöwen gestellt sind. Auch
lehrt uns der kleine, goldene Aphrodite-Tempel, welcher sich in den Gräbern von
Mykenae vorgefunden hat, dass wiederholt die Form der Säule von der mykenischen
Kunst zur Darstellung der Gottheit verwendet wurde. Durch besondere Abzeichen,
welche der Säule beigegeben wurden, z. B. die Tauben, vermochte die Kunst in
jener Säule das Bild der Aphrodite zum Ausdruck zu bringen. So ist es auch in
ähnlicher Weise bei der Säule des Löwenthores geschehen, üeber dem Abakus
des Kapitells hat der Künstler vier grosse, runde Scheiben angebracht, welche die
Sonne viermal darstellen. So ist z. B. auch das Palladium auf dem goldenen
Ringe (Schuchhardt, S. 315) viermal wiederholt. Die Säule des Löwenthores
stellt also, mit vier Sonnenscheiben geschmückt, den Sonnengott dar. Durch die
beiden Löwen wird der gewaltige Held charakterisirt, als welchen die alten Sagen
ihn feierten. —
Hr. Virchow: Die Kunst in der Deutung der alten Funde, welche Hr. Krause
in einer Reihe von Fällen uns zur Anschauung gebracht hat, und welche schon
Schliemann selbst bei ihm anerkannte, zeigt sich auch bei dieser Gelegenheit wieder
in glänzender Weise. Ich möchte aber doch auf einen gewissen Mangel hinweisen,
der sich durch alle diese Erörterungen hindurchzieht. Hr. Krause entnimmt so-
wohl seine Abbildungen, als deren Beschreibung dem Werke des Hrn. Schuch-
hardt. Auf diese Weise geschieht es, dass seine Abbildungen zuweilen nicht un-
erheblich von den Original-Abbildungen Schliemann's abweichen und dass ihm
nur unvollkommen bekannt wird, was unser scharf beobachtender Freund selbst
darüber gesagt hat.
Dies gilt namentlich von der Platte des Ringes aus Mykenae, die in Fig. 1,
vielfach abweichend von dem Original, abgebildet ist. Abgesehen davon, dass
sie vollständig umgekehrt ist, indem die rechte Seite links, die linke rechts
stehen sollte, erscheint auch das Einzelne in ganz missverständlicher Form. Die
Doppelaxt, auf welche Hr. Krause so grossen Werth legt, und die er als stumpf
bezeichnet, erhält dieses Aussehen nur durch Fehler in der Wiedergabe. Ver-
gleicht man das Original in der französischen Ausgabe von Mycenes (Paris 1879),
p. 437, Fig. 530, so erscheinen die Axtschneiden nicht nur ganz scharf, sondern
man sieht auch statt der einen Doppelaxt des Hrn. Krause zwei Doppeläxte,
die eine vor die andere gestellt. II y a deux doubles haches mont^es sur un seul
manche (p. 440). Schliemann selbst stellt sie in Parallele zu der Axt zwischen
den Hörnern der Kuh (Fig. 329 und 330) und zu Darstellungen auf den Me-
daillen von Tenedos. Eine dritte ähnliche Abbildung findet sich noch auf einer
Gemme, die an der Stelle des alten Heraion von Mykenae gefunden wurde (p. 446,
Fig. 541). Während Hr. Krause darin einen Stier mit der Doppelaxt sieht und
beides als Sinnbild des Zeus betrachtet, hielt Schliemann daran fest, dass es
eine Kuh und das Sinnbild der Here sei, obwohl er an einer anderen Stelle, bei
einer ausgiebigeren Besprechung der kleinasiatischen Doppelaxt, hervorhebt, dass der
Zeus Labrandius von Karlen seinen Namen von der Labranda, dem karischen Namen
(702)
dieser Doppelaxt, trug (Troie. Paris 1883, p. 776). Dagegen stimmte Schlie-
mann in der Deutung der kleinen, oberen Figur mit dem Stabe oder der Lanze
mit Hrn. Krause überein, denn auch er sah darin „un palladium d'un type tres-
ancien et tres-primitif".
Dasselbe gilt von den 4 Palladien auf dem anderen Ring^ von Mykenae, den
Hr. Krause früher besprochen hat (S. 604, Fig. 1). Schliemann (Mycenes,
p. 443, Fig. 531) bezeichnete die Darstellungen auf diesem Ringe ausdrücklich als
4 Palladien und 3 Here-Idole.
Auch das Goldterapelchen, welches Hr. Krause (S. 602) bespricht, ist von
Schliemann bereits mit der Aphrodite in Beziehung gebracht worden. Er sagt
darüber (Mycenes, p. 350, Fig. 423): „Je voudrais aussi rappeler au lecteur les
monnaies de Paphos, sur lesquelles est represente un temple d^Aphrodite, avec
une colombe perchee sur chaque pignon."
Es mag an diesen Beispielen genügen, obwohl sich auch sonst in manchen
Einzelheiten erhebliche Bedenken gegen die Auffassung des Hrn. Krause auf-
finden Hessen. Aber ich möchte seinen Eifer, den ich für höchst verdienstlich
halte, nicht abschwächen. Ich führe es nur an, da die Pietät gegen den Ver-
storbenen nicht minder, als die Sorge um eine genaue Auffassung so wichtiger
Funde ein stetes Zurückgehen auf die Originale dringend erfordert.
Eines nur möchte ich noch bemerken. Bei den Funden von Hissarlik ist es
absolut noth wendig, das Alter der einzelnen Schichten genau im Auge zu behalten.
So gehören die Thontäfelchen , welche Hr. Krause auf den trojanischen Zeos,
wie mir scheint, mit guten Gründen bezieht (S. 483), sämmtlich nach Ilion norura,
wie Schliemann bestimmt angiebt; sie haben also für die alte Ilios keine Be-
deutung. —
(21) Hr. Schumann in Löcknitz übersendet folgende Mittheilung über
Steinzeitliche Ornamente ans Pommern.
Etwa 1 km westlich von Neuenkirchen, an der Chaussee Stettin-Pasewalk,
liegt dicht hinter dem Kruge eine etwa 10—15 Morgen grosse Sandfläcbe, auf
welcher schon seit Jahren prähistorische Gegenstände und Scherben sich gefunden
haben. Es fanden sich an Steingeräthen sehr zierlich geschlagene Pfeilspitzen,
prismatische Messerchen, Schaber u. s. w.; aus Bronze: Ringe, Pfeilspitze und
sogar eine römische Provinzialflbel. Die Scherben gehören zum grösseren Theil
der Steinzeit an, doch finden sich auch solche, die unzweifelhaft den Hallstatt-
typus zeigen (facettirte Randstücke) und sogar die spätere Eisenzeit und das
Mittelalter sind in einzelnen Stücken vertreten.
Die Stelle wird in den Monatsblättem d. Ges. f. pomm. Geschichte 1889, S. 189
erwähnt und dort als zerstörtes Gräberfeld aufgefasst. Es mag dies richtig sein,
doch will ich bemerken, dass auffallender Weise wenig Steine vorhanden sind,
was man bei den Gräbern der Hallstatt- und Steinzeit voraussetzen sollte; es
finden sich auch wenig calcinirte Knochen, dagegen an den Stellen, wo Scherbi»n
häufiger liegen, Mengen von rothgebranntem Lehm mit glatten Eindrücken, was
doch auf zerstörte Niederlassungen der genannten Zeitperioden deuten könnte.
Was die Ornamente der stein zeitlichen Scherben betrifft, welche sich dort
finden, so zeigen sich die verschiedensten Motive:
1. Gruben-Ornament, durch Fingerdruck hergestellt (Fig. 1 und 2). Die
Abdrücke der Fingernägel sind deutlich ausgeprägt, meist verlaufen sie in horiion-
talen Reihen.
(703)
2. Gruben-Ornament durch Eindruck eines Stäbchens hergestellt (Fig. 3
und 4). Das Stäbchen war entweder meissel förmig zugeschärft, oder es war rund,
aber mangelhaft geglättet, so dass der Einstrich in seinen unteren Theilen streifig
ausfiel.
3. Das bekannte Schnur- Ornament (Fig. 5). Sehr zahlreich vorhanden, in
mehreren Reihen horizontal um die Gefasse verlaufend. Häufig ist dasselbe mit
dem Gruben-Ornament vereinigt, in der Art, dass die Schnurverzierung vertiefte
Ringe bildet, das Gruben-Ornament dagegen auf einer meist erhabenen Leiste ein-
gestochen ist, so dass ungemein zierliche Profilirungen entstehen (Fig. 6 und 8).
s.
4. Loch-Ornament (Fig. 7). Während sonst in Pommern die fjöcber am
Rande der neolithischen Gefässe häufig vorkommen, zuweilen mit ausgezeichnet
konischer Bohrung (wie die betreffenden Bernsteinperlen), zeigt das Sandfeld von
Neuenkirchen häufig Gefässreste, die durch zahlreiche Löcher siebartig durchbohrt
sind. Die Löcher sind mit einem zugespitzten Stäbchen eingestochen.
5. Bogen-Ornament (Haken-Ornament). Das betreffende Ornament (Fig. 9)
besteht in einem nach unten offenen Oval. Es ist, wie der Versuch mit plastischem
Thon ohne Weiteres zeigt, mit einem schräg abgeschnittenen Schilfrohrstengel
eingedrückt. Häufig sind diese Haken -Verzierungen zu Dreieck -Gruppen an-
geordnet
(704)
6. Winkel-Ornament (Fig. 10). Ein gleichfalls recht häufig an oben an-
gegebener Stelle vorkommendes Ornament besteht in Mengen kleiner, tief ein-
gestochener Winkelchen mit nach oben offenen Seiten. Diese Ornamente sind be-
sonders häufig in dreieckigen, nach unten spitzen Gruppen angeordnet (Fig. 11).
Oft auch sind sie mit Strichsystemen combinirt, deren Abschluss nach unten sie
bilden (Fig. 12). Ein Gefäss mit diesen Ornamenten fand ich auch z. B. in der
Steinkiste von Lebehn. Vergl. Verhandl. 1889, S. 221, Fig. 5.
Wie der Versuch mit plastischem Thon ergiebt, ist das Ornament mit einem
Stäbchen eingestochen, welches zunächst dachförmig zugeschärft, hierauf an der
Basis mit einer Rinne versehen und vom dann schräg zugeschnitten worden war.
Die Henkel: Es finden sich zum Theil Henkel ganz gewöhnlicher Art Bei
manchen Henkeln ist der Canal noch so kantig, dass er an eine ehemalige ein-
fache horizontale Durchbohrung denken lässt Es finden sich zahlreiche
Stücke, die den Uebergangsprocess aus der horizontalen Durchbohrung eines
hervorstehenden Wulstes in den späteren Henkel erkennen lassen. Häufig
finden sich statt der Henkel undurchbohrte Thonvorsprünge. Jene nach oben nasen-
förmig zugespitzten, querdurchbohrten Vorsprünge, wie sie in Verh. 1891, S. 73
abgebildet sind, haben sich bisher noch nicht gefunden.
Die ßodenstücke sind flach, eben, Ornamente haben dieselben noch nicht
gezeigt.
(22) Hr. Schumann berichtet unter dem 7. October über
Slavische Schädel vom Galgenberg und Silberberg bei Wollin (Pommem).
Schon an einer früheren Stelle habe ich über drei slavische Schädel berichtet,
welche neben Besten slavischer Gefässe und neben slavischem Leichenbrand auf
dem Silber berge bei Wollin ausgegraben worden waren. Während des dies-
jährigen Sommers hat Dr. Walter von Neuem Ausgrabungen in Wollin gemacht,
sowohl auf dem bekannten slavischon Gräberfelde auf dem Silberberg, als auch
auf dem Galgenberg. Bei diesen Ausgrabungen, über die derselbe nachstehend
berichtet, wurden neben einer Anzahl von, zum Theil recht gut erhaltenen,
sl avischen Gefässen, auch vier Schädel gewonnen, deren slavische I^venienz
unzweifelhaft ist. Es stammen von diesen Schädeln drei vom Gkdgenberg, einer
vom Silberberg, so dass also von letzterem Orte nun hier vier Schädel vorhanden
sind. Die Schädel sind zum Theil recht gut erhalten und messbar.
Schädel I (vom Galgenberg). Der ziemlich grosse Schädel ist von gelb-
licher Farbe, an der Zunge leicht klebend, etwas abblätternd, recht gut erhaltoi,
mit Unterkiefer. Er ist verhältnissmässig leicht, mit ziemlich dünnen Knochen-
wandungen und gehört höchst wahrscheinlich einem männlichen, im Jünglings-
alter stehenden Individuum an, bei welchem die Weissheitszähne theils schon
durchgebrochen, theils im Durchbruche begriffen waren.
Die Schädelnähte sind nicht verwachsen, ziemlich stark gezackt Die Rronen-
naht in der Mitte weniger, an den Seiten erheblich gezackt In der linken Seite der
Rronennaht, 35 mm von der Pfeilnaht entfernt, ein groschengrosser Schaltknochoi.
Die Pfeilnaht weniger, die Lambdanaht stärker gezackt. Im unteren Theiie des
linken Schenkels der letzteren gleichfalls ein Schaltknochen.
Norma temporalis: Die breite Stirn steigt ziemlich steil an, in eine ziemlich
gute Scheitelwölbung übergehend; etwas hinter den Tub. parietal erreicht dieselbe
ihre grösste Höhe. Das Hinterhaupt fällt plötzlich ab, so dass der obere Theil
der Occipitaischuppe leicht vorgewölbt erscheint Die Linie für den Ansatz des
(705)
Wolliner Schädel
Schädel vom
I. Haasse.
Capacität
Qrösste Länge
y, Breite
„ Höhe (vorderer Rand des For. magn.)
„ „ (hinterer » „ „ » )
Ohrhöhe
Horizontalomfang
Yerticalomfang
Minimale Stimbreite
Ganzer Sagittalbogen
Sagittalarofang der Stirn
Länge der Pfeilnaht
Länge der Occipitalschuppe
Breite der Occipitalschuppe
Ganze Gesichtshöhe
Obergesichtshöhe
Jngalbreite . ,
Malarbreite
Maxillarbreite
Höhe des Alveolarrandes am Oberkiefer. . .
„ n „ „ Unterkiefer . .
Entfernung des For. magn. von d. Nasenwurzel
„ »99 vom Alveolarrand .
„ n yt n n Naseustachel .
„ n n y> n Zahuraud . .
n jf » » j» Jxinn ....
, „ Ohrloches von der Nasenwurzel
n 9 jt vom Nasenstachel .
,t n n ji Alveolarrand .
9 n n » Zahnrand . .
fi n r> rt Kmn ....
Orbita: Höhe
jt Breite
Nase, Höhe
„ Breite
Gaumen, Länge
„ Breite
Mastoidealdurchmesser: Spitze
„ Basis
Foramen magnum, Länge
„ Breite
Verbandl. der Berl. Anthropol. GeMUscbtft 1891.
I
1400
185
140
141
145
113
517
310
99
375
127
131
117
135
110
64
128
98
97
18
30
103
98
96
111
109
111
U6
132
33
40
47
24
47
35
104
130
37
33
Galgenberg
II
ni
Silberberg
1223
m^m»
' 1096
178
183 1
174
130
138
132
131
—
' 131
—
—
136
110
—
110
500
—
490
310
—
300
88
104
95
367
351
122
128
122
118
136
117
127
—
112
125
—
140
105
1
113?
61
—
—
117
—
119?
87
—
—
89
—
99
21
—
—
29
—
32
95
—
100
90
—
89
—
—
94
—
—
99
—
113
94
—
, 1^1
97
—
102
—
—
106
—
' —
114
—
' 127
31
_^ \
34
39
(
1 88
41
^^^
(
22
—
43
—
35
—
1
100
—
101
119
_-
116
33
28
45
(706)
Wolliner Schädel
Schädel vom
Galgenberg
I
n
Silberberg
III ' IV
n. Indices.
Längenbreitenindex . .
Längenhöhenindex . . .
Ohrhöheoindex . . . .
Breitenhöhenindex . .
Orbitalindex ....
NaseniDdex ....
Qaamenindex . . . .
Gesichtsindex (jugal) A
Obergesichtsindex B .
76,7
76,2
61,1
100,7
82,5
51,1
74,5
85,9
50,0
72,9
7B,6
61,8
100,8
79,5
53,7
81,4
89,7
52,1
75,4
75,9
75,3
63,2
100,8
89,5
94,9?
Schläfenmoskels nicht deutlich. Der aufsteigende Ast des Os malare hat beiderseits
ein stark vorstehendes Tuberc. temporale*) (Proc. marginalis).
Norma frontalis: Die Stirn ist breit, entsprechend der Sntara frontalis,
im oberen Theile der Stirn leichte Erhebung (Crista frontalis). Im unteren Theile,
dicht über der Stim-Nasemiaht, ist die Sutura frontalis auf etwa 11 mm er-
halten. Supraorbitalwtilste kaum angedeutet. Stirn hoch und ziemlich steil an-
steigend. Orbitae ziemlich hoch, aber mehr eckig, die äusseren Winkel etwas
nach unten gezogen. Die Nasenbeine am Ansatz etwas eingesattelt, dann aber
gut gewölbt, 80 dass im Leben eine Adlernase bestanden zu haben scheint Die
Nasenöffnung schmal. Alveolar fortsatz niedrig. Die Schneidezähne fehlen.
Die übrigen Zähne des Oberkiefers nicht abgeschliffen. Die Weisheitszähne im
Durchbrechen begriffen.
Norma basilaris: Foramen magnum rundlich. Die Gelenkfortsätze gerade
nach unten gerichtet. Synchondrosis spheno-occipitalis klaffend. Oberkiefer rundlich,
lang und dabei ziemlich breit, ohne Toms palatinus, aber wenig tief.
Norma occipitalis: Regelmässiges Fünfeck mit etwas convexen Seiten wänden.
Gruben und Leisten der Occipitalschuppe massig stark entwickelt.
Norma verticalis: Im Allgemeinen zeigt der Schädel eine ovale Ghmndform,
doch ist derselbe nach hinten etwas zugespitzt, während er in der Gegend der
Tub. parietal, etwas stärker auslegt. Die grösste Breite liegt etwas tiefer und ist
mehr eine temporale.
Der Unterkiefer ist ziemlich hoch und stark, deutlich dreieckiges Rinn.
Sämmtliche Zähne vorhanden und nur ganz wenig abgeschliffen; Molar. III rechts
durchgebrochen, links im Durchbrechen. —
Schädel II vom Galgenberg: Der kleine Schädel ist von gelblicher Farbe,
vielfach abblätternd. An der Basis, links vom Foramen magnum, ein grösserer,
rechts davon einige kleinere Defecte, ebenso sind die Gelenkfortsätze am Os
occipitis abgebrochen, sowie zum Theil der Proc. zygomaticus des rechten Schläfen-
beins. Die Nähte sind nicht verwachsen. Die Kronennaht weniger gezackt in ihren
1) Vergl. Verhandl. 1875, 28. Juni, S. 162, Fig. o, b. Auch an dem früher geschildert^^n
Steinxeitschädel von Glasow fand sich auf beiden Seiten, wie ich nachtrigUcb bemerke,
derselbe Fortsat?.
(707)
oberen und nnteren Partien, am meisten in der Mitte rechts und links. Stark ge-
zackte Pfeilnaht, ebenso die Lambdanaht. Im Winkel der Lambdanaht sitzen zwei
dreieckige Schaltknochen, die mit ihrer Basis so zusammenliegen, dass die
sie trennende Naht eine Portsetzung der Pfeilnaht bildet. Wenn letztere fehlte,
würde ein Tiereckiges Schaltbein vorhanden sein, ähnlich wie an dem Schädel von
Blumberg (Verh. 1888, S. 471, Fig. 3); hier aber schneidet eine Fortsetzung der
Pfeilnaht diesen viereckigen Schaltknochen in zwei gleichschenklige Dreiecke von
30 mm Seitenlänge, deren Spitzen nach aussen liegen. Etwas weiter nach rechts
liegt, fast genau, wie am eben genannten Schädel von Blumberg, ein zweiter Schalt-
knochen, ebenso nach links. Die Knochenwandungen sind massig stark.
Norma temporalis: Die Stirn ist eher flach und etwas zurückgelegt. Die
Scheitel Wölbung flach, erst über den Tubera ihre höchste Erhebung erreichend.
Das Hinterhaupt etwas flach abfallend, platt, so dass der obere Theil der Occipital-
schuppe ziemlich vorspringt, während der untere Theil derselben etwas eingezogen
ist und dann gerade nach unten und vorne verläuft;. Die Ansatzlinie des Schläfen-
muskels nicht deutlich, aber anscheinend die Tubera parietal, erreichend. Linker-
seits liegt zwischen Os parietale und Os temporale über dem Proc. mastoides ein
gezackter kleiner* Schaltknochen.
Norma frontalis: Die flache und schmale Stirn zeigt kaum eine Andeutung
von Supraorbital Wülsten. Die Orbitae sind innen niedriger, wie aussen, mit nach
abwärts gezogenen äusseren Winkeln und eher eckig. Die Nasenbeine am
Ansatz etwas eingebogen, dann mehr gewölbt (Adlernase). NasenöfTnung verhältniss-
mässig schmal. Der Proc alveolaris nicht hoch, aber deutlich prognath. Die
mittleren Schneidezähne erheblich breiter, als die äusseren. Die drei Molaren vor-
handen. Die Zähne des Oberkiefers (zwei fehlen) nicht abgeschliffen. Tiefe Possae
caninae, Wangenbeine anliegend.
Norma basilaris: Das Poromen magnum, soweit es wegen der Defecte zu
beurtheilen ist, eher länglich. Gelenkgruben für den Unterkiefer nicht tief. Ober-
kiefer tief und länglich, nach vom auffallend zugespitzt, ohne Toms palatinus.
Norma verticalis: Ovale Grundform, nach hinten etwas zugespitzt Die
Parietalgegend erheblich herausgewölbt. Die grösste Breite ist parietal.
Norma occipitalis: Ziemlich hohes Fünfeck mit nach oben etwas diver-
girenden Seitenwänden. Protuberantia ocdpital. extern, ziemlich stark entwickelt,
tiefe Muskelgmben.
Unterkiefer: Kleiner, verhältnissmässig schwacher Knochen. Kinn deutlich
markirt, eher spitz. Ueber dem Kinn ist der Kiefer eingezogen, also eine
horizontale Furche bildend. Der Alveolarrand im Gebiet der Schneidezähne nach
vom gebogen (Prognathie). Die Zähne sind bis auf zwei vorhanden, nicht ab-
geschliffen. «
Der Schädel scheint einem erwachsenen Frauenzimmer angehört zu haben. —
Schädel III vom Galgenberg. Von ihm ist nur die Schädelhaube er-
halten. Es fehlen Basis, Gesicht und Seitentheile. Die Kronennaht ist massig
gezackt, Pfeilnaht verwachsen, ebenso der obere Theil der Lambdanaht. Die
Schädeldecke ist schwer und von gelblicher Farbe. Kräftig angelegte Supra-
orbitalwülste, aber etwas unsymmetrisch, links stärker gewölbt, als rechts. Die Stirn
mit voUer Glabella ist etwas niedrig und zurückgelegt. Die Scheitelwölbung ist
flach und erreicht hinter den Tub. parietal, ihre höchste Erhebung. Das Hinter-
haupt steigt allmählich, aber etwas platt abwärts. Die Occipitalschuppe etwas vor-
springend. Foramen parietale rechts stricknadeldick, links nicht vorhanden.
Schädel IV vom Silberberg: Kleiner Schädel von graugelber Farbe.
46*
(708)
Starke, ziemlich schwere Knochen, an vielen Stellen abgeblättert, besonders auf
der linken Seite. Es fehlen Wangenbein, Nasenbein und der halbe Oberkiefer
links. Ausserdem kleiner Defect hinter dem Foramen magnum. Die Rronennabt
ist in den oberen und unteren Partien wenig gezackt, in der Mitte rechts und
links am meisten. Die Pfeilnaht am stärksten gezackt in den hinteren Partien.
Verwachsungen der Nähte nirgends vorhanden.
Norma temporalis: Die Stirn steigt ziemlich gerade in die Höhe, allmählich,
aber gut gewölbt, in die gleichfalls gute Seh eitel Wölbung übergehend, deren höchster
Punkt vor die Tub. parietal, fällt. Ansatzlinie für den Schläfenmuskel nicht
deutlich. Der obere Theil des Hinterhauptes etwas abgeplattet, die Occipital-
schuppe in ihren oberen Theilen etwas vorspringend. Unterhalb der Protuberantia
externa verläuft das Hinterhaupt wieder platt nach unten und vorn. Crista occipi-
talis superior sehr deutlich entwickelt, ebenso die Muskelgruben.
Norma frontalis: Die Stirn ist ziemlich hoch und eher schmal, volle 01a-
bella. Arcus supraorbitales kaum angedeutet. Die Orbitae sind hoch und fast
rund. Die drei Molaren vorhanden. Die Zähne am Oberkiefer (es sind nur drei
vorhanden) nicht wesentlich abgeschliffen.
Norma basilaris: Foramen magnum rundlich. Gelcnkfortsätze nach unten
und hinten gerichtet. Proc. styloides stark entwickelt. Oberkiefer, soweit noch
erhalten, ziemlich tief.
Norma verticalis: Schönes, fast regelmässiges Oval.
Norma occipitalis: Etwas hohes Ftinfeck mit con^exen Seitenwänden.
Unterkiefer: Kräftig, hoch. Kinn deutlich vorgewölbt. Innen doppelte Spina
mentalis. Oberhalb des Kinns steigt der Kiefer nicht senkrecht, sondern in der
Fläche concav auf, Alveolarfortsatz wieder senkrecht. Schneidezähne und Prae-
molaren sta^rk abgeschliffen. Der Schädel ist wohl der eines erwachsenen
Weibes. —
(23) Hr. Dr. Walter berichtet aus Stettin, 6. October 1891, über
das 6r&berifeld auf dem Galgenberge und slaviache Grabftmde bei Wollii.
Seitdem Virchow in den Verhandlungen vom Januar 1872 die Aufmerksamkeit
auf Wollin gerichtet hatte, sind dort wiederholt Forschungen vorgenommen worden,
s. die Zusammenstellung in den Verhandl. 1883, S. 111. Das grössere Interesse
nimmt dabei die Wendenzeit in Anspruch, sowie die Frage nach dem alten Wollin
und der Jomsburg. Für den Namen der letzteren wird nach Verband]. 1877/79 eine
neue Deutung vorgeschlagen, ihre Stelle a. a. 0. von 1883 auf dem Silberberge
nördlich der Stadt gesucht. Beiden Ansichten gegenüber mag noch einmal auf
den trefiriichen Aufsatz Klempin's „Die Lage der Jomsburg*' in »den Baltische
Studien 13, 1 107 hingewiesen werden, der mir bezüglich des Namens (S. 7) and
hinsichtlich der phantastischen, nicht auf Autopsie beruhenden Schilderung des
Hafens der Wikinger (S. 73 — 77) nicht leicht zu widerlegen scheint Weniger ist
im Laufe der Untersuchungen von dem südlich der Stadt, beim Austritt der
Divenow aus dem Half, gelegenen Galgenberg die Rede gewesen, wiewohl dieser
vom Dampfschiff aus zuerst die Augen auf sich zieht.
Bei meinem diesjährigen Sommeraufenthalt in Misdroy erhielt ich nun vom
Vorsitzenden der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskonde^
Hm. Dir. Lemcke, den Auftrag, die Insel Wollin nach Altertbtlmem zu durch-
forschen. An der Hand der trefflichen Bemerkungen Virchow^s geschah dies
nach mehreren Seiten, besonders aber machte die Umgebung der Stadt Wollin bei
(709)
mehrmaligen Besuchen einen solchen Eindruck auf mich, dass ich eine umfassende
Untersuchung derselben bescbloss, an welcher Hr. Dr. Ulrich Jahn aus Berlin
Theil nahm.
Wir hatten frühzeitig in Misdroy aufbrechen müssen, um am 28. Juli schon
kurz nach 7 Uhr in Wollin sein zu können. Hr. Rektor Clausius hatte die Güte
gehabt, uns die nöthigen Arbeiter zu besorgen, wovon der eine schon mehrfach
an Ort und Stelle bei Ausgrabungen thätig gewesen war und sich recht anstellig
erwies. Die Arbeiter hatten hinter dem Häuschen Schutz gesucht, das auf der
höchsten Stelle des Galgenberges für die Sturmball-Signalstation errichtet ist; es
wehte in heftigen Wind- und Regenböen über das HaflT, trotzdem aber gingen wir
frisch an's Werk. Denn wenn der Alterthumsforscher schon einen blossen Besuch
des Gralgenberges lohnend finden wird, wie viel mehr muss er in froher Erwartung
sein am Morgen eines Ausgrabungstages, wenn ihn, wie hier, keine Zuschauer
stören, keine Terrainschwierigkeiten hindern I Ueber 50 Grabhügel liegen hier in
ziemlich regelmässigen Reihen in der Richtung von Westen nach Osten auf dem
Bergrücken angeordnet; nur fünf davon sind angegraben, ohne aber ganz abgetragen
zu sein, die anderen anscheinend völlig unberührt, unter nur niedriger Grasnarbe, —
der ganze Berg dient nehmlich als Hütung. Wir entschlossen uns nun, im
Gegensatz zu der deutlich sichtbaren Art der bisherigen Untersuchungen, wenigstens
einen Hügel völlig abzutragen, und wählten dazu den schon am 14. Juni ge-
legentlich eines Ausfluges des Pommerschen Geschichtsvereins angestochenen Hügel
nordwestl. von der Signalstation dicht am Nord-Abhange. Wie das bei solchen
Ausflügen zu geschehen pflegt, war damals bei der Kürze der Zeit nur ein unvoll-
kommener Versuch gemacht worden und ausser unverzierten Umenscherben nichts
zu Tage gekommen; da aber imsere Wolliner Helfer betheiligt gewesen waren, so
konnten wir nun das begonnene Werk mit Müsse fortsetzen. Die 1871 von
Virchow untersuchten Hügel lagen weiter westlich und waren an ihren kleinen
Gräben oder Schachten zu erkennen, hinsichtlich der äusseren Gestalt entsprachen
sie aber ganz den unserigen, die wir im Laufe des Vormittags öffneten: flach-
rundliche Erhebungen bis zu 3 Fuss Höhe und nicht unter 10 Fuss Durchmesser.
Der weitere Befund ergab jedoch ein durchaus neues Resultat: „Wenn damals
sich „absolut keine Spur von Urnen, auch keine Scherben, so wenig als irgend ein
grösserer Stein'' zeigte, so haben wir in den drei genauer untersuchten Hügeln
das Gegentheil constatiren können. Zunächst bezeichnete der Vorarbeiter die
Stelle in dem Hügel, wo die Stettiner Gesellschaft vor 6 Wochen zwischen Steinen
zerdrückte Gefässe gefunden hatte, die nach seiner Meinung im Kreise herum
stehen mtissten. Wir gruben demnach den Hügel rings herum völlig ab, so dass
eine mehrere Fuss dicke Erdsäule in der Mitte zunächst stehen blieb, an der sich
der Durchschnitt der verschiedenen Erdschichten deutlich abhob. Ungefähr 1 Fuss
unter der Oberfläche zeigte sich eine schwärzliche Brandschicht, die unberührt den
ganzen Hügel in einer Mächtigkeit von fast 1 Fuss durchzog und zwar derartig,
dass sie sich der sanften Wölbung nach oben anschloss, übrigens aber durchaus
nichts enthielt. Erst unter ihr in gelblichem Lehm stiessen wir auf einzelne Steine,
viele über faustgross, und auf verstreute Umenscherben; die geäusserte Meinung,
dass die Gefasse im Kreise an der Peripherie in Abständen von lY*.* Fuss gestanden
hätten und von den Steinen zerdrückt seien, schien sich wiederholt als richtig
aufzudrängen, jedoch fanden sich nirgends bestimmt gekennzeichnete Gruben oder
feste Steinpackun;;en, noch auch grössere Gefässbruchstücke. Vielmehr passten
auch nicht zwei Scherben zu einander, einzelne lagen waagerecht oben auf der
Lehmschicht, andere in den steinlosen Zwischenräumen, so dass wohl nichts übrig
(710)
blieb, als die Annahme, dass überhaupt nur Bruchstücke tod Oef&SBen nieder-
gelegt seien. Uaerklärlich ist dann freilich dus Fehlen derselben gerade in der
Brandscbicht und ebenso ihr Zusiimmenliegen mit den Steinen. Wir wendeten
dämm auch den letzteren die grösste Aurraerksamkeit zn, und da erwies sich dena
ein Theil derselben als niuchgcachw:
Fig. 1, 4, Ö,
aber geradezu bearbeitet.
Fig. 1 zeigt das Bmch-
atück eines Steinhammera von
der in Pammem nicht selte-
nen eilSrmittea Gestalt mit
centraler Durchbohrung; das
Werkzeug acheint nicht etwa
beim Gebrauch einfach ge-
sprungen, sondern nani entlieh
an der Bruchfläche rechts ge-
waltsam zertrümmert zu sein;
übrigens ist die saubere koni-
sche Durchbohrung des fein-
körnigen ßranitmaterials noch
deutlich erkennbar und tod der
durch den Gebrauch rauh ge-
wordenen AnssenQäche dnrth
ihre Glatte abweichend. Nach
diesem Funde durfte auch ein
andei^ kleineres Fragment alt
Artefakt angesprochen werden,
obwohl es nicht bis zum Stiel-
loch erhalten ist; der Stein
ist ganz ähnlich , doch mit
kleinen Abweichungen in der
Struktur. Ferner wurden kleine
Feuerstein Splitter und calo-
nirte Knochcnstilckchen tod
Tibien geborgen, nach der
Mitte zu endlich die beiden
einzigen Scherben mit Vei^
zierungen (Fig. 2 und 3), die
weiter unten mit den Funden
aus den nächsten Hügeln be-
sprochen werden sollen. In-
zwischen hatte die Grabung
im zweiten Hügel es wünschonswerth gemacht, auch beim ersten die ganze cen-
trale Erdmasse abzutragen, doch kara hier beim Durchgehen bis auf den p^
wachsenen Boden durchaus nichts weiter zu Tage, als eine zweite Brandschicht
Hr, Dr Jahn hatte gleichzeitig einen unberührten Hügel (südöstlich; daneben
mit den anderen Arbeitern in Angriff genommen, indem er von Westen nach Osten
einen Graben hin durch legte. Bei der Nähe der beiden Arbeitsslellen war eine
fortwährende Vergleichung möglich und interessant; sie ergab in der allgeraeuen
Anliige des Hügels bezüglich der Schichten, Steine und zahlreichen Scherben, nnWr
denen sich auch hier nur ein vtTzicrter befand, dasselbe B.esultat, wich aber ia
zwei Punkten vom I. Hügel ab. Nach Westen zu fand sich nehmlich. l'/il*^
(711)
unter der Oberfläche, der schon von Virchow in mehreren Hügeln getroffene
Haufen gebrannter und zerschlagener Menschenknochen, der im 1 . Hügel bei beiden
Grabungen nicht bemerkt war. Sodann enthielt der 2. Hügel genau im Centrum,
über 1 m tief, auf dem gewachsenen Boden in der unteren Brandschicht eine
2—3 Puss im Durchschnitt haltende Brandstelle, aus tellergrossen, oben flachen
Steinen fest zusammengepackt und dick mit Russ überzogen. Unter den am Rande
des Grabens aufgeschichteten Steinen der oberen Brandschicht fand ich, in Folge
meiner Erfahi-ungen beim 1. Hügel, noch ein gleichfalls zertrümmertes Steinwerk-
zeug; das Material ist feinkörnig, der Bruch glatt gesplittert, die Oberfläche tiberall
glatt geschlifiTen, und zwar so, dass an dem anscheinend nicht durchbohrten Werk-
zeuge die Breitseiten nach unten rund geblieben, nach oben in eine Kante ab-
geschliffen sind, ebenso wie die eine erhaltene Schmalseite links zu einer Art
Schneide ausgearbeitet wtirde, die deutliche Gebrauchsspuren zeigt. Die eine
Seite des Steins ist rauchgeschwärzt (Fig. 4^,
Der dritte untersuchte Hügel lag 5 Schritte südw. vom ersten, war gleichfalls
unberührt und wurde seiner grössten Länge nach von Nordwesten nach Südosten
durch einen 12 Schritt langen, 6 Schritt breiten Graben wieder durch mich er-
öffnet. Hr. Dr. Jahn constatirte, um dies gleich vorweg zu nehmen, später in
einem Hügel hart am Nord-Abhange, durch einen Schacht, wieder Steinpackung in
der Mitte, wie im zweiten, in einer Erhöhung unten im Grunde endlich nur natür-
liche Sandaufhäufung. Die Schichtung des 3. Hügels war wieder deutlich den
bisherigen Beobachtungen entsprechend, an Einzelheiten aber nicht ohne Ab-
weichungen: vom 1. Hügel verschieden war das Fehlen grösserer Steine, wie denn
auch hier, trotz grösster Sorgfalt, kein Steinwerkzeug gefunden ist. Vom 2. Hügel
abweichend war das Fehlen des Rnochenhaufens und des Steinpflasters in der
Mitte, doch enthielt die untere Brandschicht, hier deutlich einen Fuss unter der
ersten sich abhebend, mehr Knochen und grössere Kohlenstücken mit anscheinender
Eichenholz-Structur. Von den auch hier zahlreichen Urnenscherben ist die in
Fig. 5 dargestellte wieder durch Eindrücke allein bemerkenswerth ; einen verzierten
Henkel zeigt Fig. 6.
So ist durch die erneute Ausgrabung auf dem Galgenberge das einst von
Virchow gewonnene Resultat nur in dem einen wichtigen Punkte nicht be-
stätigt: den Metallbeigaben; und doch können die diesmaligen Grabungen gewiss
als umfassender bezeichnet werden, wenn auch der ganz abgetragene Hügel nicht
in einem Zuge und unter derselben Aufsicht bearbeitet ist. Da sich damals „an
einigen Stellen Ueberreste von geschmolzener Bronze** gefunden hatten, so richteten
wir hierauf natürlich unser Augenmerk ganz besonders, konnten aber nirgends die
geringste Spur von Metall entdecken. Die schon erwähnten Knochenhaufen fanden
sich nur einmal, aber mehr nach Westen, während im Centrum ein Brandheerd
aus Steinen zweimal vorkam; die damals als nicht erheblich bezeichneten Spuren
von Kohle waren hier und in der unteren Schicht des Hügels recht bedeutend;
endlich — und das scheint das wichtigste neue Ergebniss — erwiesen sich diese
Hügel vielfach mit Steinen durchsetzt und enthielten sogar drei Steinartefakte,
sämmtlich aber ergaben sie mühelos grosse Mengen von Umenscherben. Nur sehr
wenige derselben sind freilich omamentirt, aber sie werden vieUeicht einen Finger-
zeig für die Datirung des Gräberfeldes bieten können.
Wenn Virchow schon auf die Bronzezeit zurückgriff, so lehrt auch ein Blick
auf das Scherbenmaterial jetzt sofort, dass die Gräber — und an diese Bezeich-
nung der Hügel wird nunmehr Niemand weiter Anstoss nehmen — auf der Mitte
des Galgenberges durchaus älter sein müssen, als die sonstigen zahlreichen Funde
(712)
ans dem wendischen Wollin. Von den Oefässen läset sich keines nur mit einiger
Sicherheit wieder aufbauen, also auch nichts Sicheres über ihre Form behaupten,
trotzdem Boden- und Randstücke, sowie Henkel gefunden sind. Der Thon ist
ziemlich rein von körnigen Beimischungen, die Farbe entweder gelblich-braun mit
ziemlich glatter Oberfläche, oder ziegelröthlich und dabei mehlig-rauh. Der Hals
scheint sich nirgends cylindrisch vom Bauche des Gefässes abgesetzt, sondern sich
in leichter Biegung darangesetzt zu haben; der Rand ist bei einem röthlichen
Stück glatt abschliessend, bei mehreren bräunlichen durch eine kleine Furche
saumartig umgebogen. Zu dieser Art gehörte auch die einzige verzierte Scherbe
des 2. Grabes, die leider nachher verloren gegangen ist, aber nach unserer deut-
lichen Erinnerung unter dem Saum als Ornament eine Reihe fortlaufender N zu
tragen schien. Bei einem dickwandigen Stück quillt der Rand weiter nach aussen
über und ist durch Fingereindrücke kerbenartig unterbrochen; an Fig, 5 erscheinen
unter dem scharfen Rande runde Fingereindrücke, bei denen noch der Nagel sicht-
bare Spuren hinterlassen hat. Mehrere Bodenrandstücke lassen auf flache Stand-
flächen schliessen. Die Henkel endlich sind sehr verschiedenartig vertreten: von
dem, durch einen tiefen Daumeneindruck hergestellten Wulst giebt es ein Beispiel,
von kleinen nur für Schnüre verwendbaren Henkeln mehrere, einmal auch eine,
in einer Stärke von 30 mm um ein daumengrosses Loch gebogene, plumpe Hand-
habe, sämmtlich von der weicheren, röthlichen Masse. Die verhältnissmässig zier-
liche Form mit kreisrunder Oeflnung (Fig. 6) ist dagegen gelblich-glatt und durch
7 Einstriche ausgezeichnet, während sich nach unten divergirende Linien in den
Anfängen zeigen, nach links und rechts horizontale Parallelen, alle übrigens un-
gleich und nicht mit mehrzinkigen Instrumenten hergestellt. Dies alles schien mir
aber nicht genug, um daraus einen Hinweis auf eine bestimmte Periode ent-
nehmen zu können, den ich vielmehr erst aus Fig. 2 und 3 herzuleiten wage,
welche ausgesprochene Rerbenverzierung aufweisen; diese ist mit viereckigen,
meisselartigen Stäbchen tief eingedrückt, wie die Bruchflächen noch deutlich
zeigen. Schon Rlop fleisch hat in den Voigesch. Alterth. d. Provinz Sachsen,
U., 88 und 90 die Tupfen- und Rerbenverzierung an das Ende der neolithischen
Periode gesetzt, und neuerdings Voss in den Verh. 1890, S. 72 neue Beispiele
dazu beigebracht, zum Theil von Rlemmen, welches von Wollin nur 25 km östlich
liegt Inzwischen hat das Stettincr Museum unzweifelhaft neolithische Gefässe aus
Gross-Rambin, Rreis Beigard, erhalten, die gleichfalls dasselbe Rerbmuster zeigen,
so dass es für Hinter-Pommem gesichert ist. Auch Fig. 5 ordnet sich dieser Zeit
unschwer ein, während wir endlich zu den Strichmustern in Fig. G neolithische
Parallelen von Podejuch und Fiddichow, beide am rechten Oderofer, l>esitzen.
Und dazu die Steingeräthe! Dagegen widerspricht der Leichenbrand dieser Zeit-
ansetzung allerdings, da wir in der neolithischen Zeit in Pommern nur Skelei-
gräber, wenn auch vielleicht in drei Modificationen , kennen. Allein es könnte
wohl dies grosse Gräberfeld in den von uns geöfTneten Hügeln die ausgebende
Steinzeit, in den von Virchow berührten westlicheren die beginnende Bronzeteit
kennzeichnen. Wir würden eine in insularer Abgeschlossenheit lebende und nicht
gerade reiche Bevölkerung anzunehmen haben, die ihre Todten verbrannte und
ihnen nur zerbrochene Gefässe und Geräthe mitzugeben fUr gut befand. Die in
Pommern noch recht seiton beobachteten Gräber aus dem Beginn der Bronzezeit
unterscheiden sich mit ihren Hügeln, Leichenbrand und spärlichen Beigaben, auch
sonst recht wenig von diesem Brauch. Mit diesem Eindruck schied ich von der
Höhe des Galgenberges, und er befestigte sich, so oft ich seitdem beim Paniren
(713)
des Haffs seine baumlose Rappe weit und breit allein die niedrigere Umgebung
überragen sab.
Das Gesagte gilt nur für den höchsten Theil des Berges, da an den Ab-
hängen nördlich und südlich hiervon wiederholt spätere Fischeransiedlungen und
slavische Scherben constatirt sind. Von dem als Riesgrube dienenden West-
abhange hörte ich nachträglich von meinem Gollegen Dr. Bornemann, einem ge-
borenen Wolliner, dass er hier als Student einmal ein Skelet gefunden habe, in
dünne Thonplatten, die nicht ganz Backsteinen glichen, ohne sonstige Beigaben
eingebettet. Damals aber gedachten wir nach angestrengter Früharbeit in dem
anstossenden Schützenhause eine Mittagspause eintreten zu lassen und von weiterer
Untersuchung des Galgenberges absehen zu können. Und doch sollte er uns noch
_ 4
ungeahnte Funde bringen! Die Arbeiter unterhielten sich nehmlich über die
scheinbar so geringe Ausbeute der Hügel und meinten, dass man am Nord-
Abhange ganz andere Dinge finden könne; dort kämen oft Skelette zu Tage, erst
jüngst ein solches mit einem Rinderskelet zwischen den Schenkeln. Wir dachten
an die mittelalterliche Benutzung des Galgenberges, auf dem doch wohl irgendwo
auch die Hingerichteten bestattet sein müssten, kürzten aber doch die Ruhezeit
ab und stiegen, anstatt durch die Wiek zur Stadt zu gehen, den geraden Treppen-
stieg vom Schützenhause wieder auf den Berg hinauf: er bildet hier eine kleine
Ruppe „Frauenberg^, die allein mit ein paar Bäumen bepflanzt ist und gleichsam
den Scheitelpunkt angiebt, von dem aus der Höhenzug merklich, wie auch die
Divenow, aus der östlichen in die nordöstliche Richtung umbiegt. Von hier aus
setzt sich der Ramm wie ein schmaler Wall stadtwärts fort, und bald lehnen sich
an beide Abhänge die Häuser der Wiek; endlich fällt er als steile Riesgrube
plötzlich nach Norden ab, und hier ist schon ein grosser Theil abgetragen, wobei
immer Skelette gefunden sind. In der That lagen auch jetzt in der Grube aus-
gebleichte Schenkelknochen, zu denen der in einem benachbarten Schuppen auf
der Höhe von einem Seiler verwahrte Schädel ohne Unterkiefer gehören sollte,
den ich heraussuchte und freundlich geschenkt erhielt In der Grube fanden sich
weiter zahlreiche, ofl*enbar slavische Scherben, und während ich an den Rändern
nach solchen und Culturschichten suchte, begann Dr. Jahn einen flachen Hügel
daneben versuchsweise anzugraben; doch ehe sich hier etwas zeigte, stellte ich
fest, dass die Riesgrube einen ähnlichen Hügel abgetragen haben musste, von dem
nur nach Osten noch wenige Fuss des sanften Abfalls standen, die zu bewältigen
leichter sein müsste. Mit grösserer Sicherheit Hessen sich nun schon slavische
Funde vermuthen, und sehr bald stiessen wir auf ein Skelet; es lag 1 Fuss tief
in grobem Ries, genau von West nach Ost, doch waren die Beine schon beim
Abbau der Grube zerstört^ Sonst lagen die Arme langgestreckt, der Ropf sanft
auf die rechte Seite geneigt, gut erhalten, aber zu unserer Enttäuschung ohne
Schläfenringe; die dafür am Genick gefundenen drei eisernen Nägel, mit dicken
Röpfen imd 3 — 4 cm lang, konnten uns über die Art des Fundes nicht aufklären,
und die Arbeiter sagten, es sei ein Gerichteter. Doch wenige Zoll weiter links
zu Häupten entdeckten wir, vorsichtig scharrend, ein beträchtliches Umenfragment
mit Wellenlinie, und dicht bei der Schulter riefen plötzlich mehrere Stimmen: da
ist die Urne! Dr. Jahn umarmte den ganzen Erdklumpen und rollte damit den
schrägen Abhang hinab; unten legten wir daraus an einer sonnigen Stelle das
völlig unversehrte Gefäss (Fig. 7) bloss, das nun keinen Zweifel mehr an dem wen-
dischen Charakter des Fundes Hess und uns wegen seiner guten Erhaltung und der
Seltenheit der Fundumstände mit Freude erfüllte. Es ist 10 cm hoch und erweitert
sich von dem unverzlerten Boden von 5 cm schnell, um mit einer Oeffnung von 1 2,5 cm
C7145
ZU scbliesseo; der Rand ist nach innen schi^ abgestrichen, nach aossen ebenfalli
schräg abfallend and dann dnrch eine schmale BinschnUrang nnterbrochen, unter
welcher sogleich der Bauch mit schräg gestellten, an regelmässigen Tupfen ansetzt,
nach nuten mit vier willkürlichen Querstreifen noch weiter rerziert. Auf ihm lag
die Hälfte einer kleineren, gerillten Urne mit Hals wie ein Deckel, sonst schien
sie ganz mit Erde erfüllt; nach gehörigem Trocknen aber fand sich beim Aus-
leeren weiter die zweite Hälfte des kleinen Getässes, gleichfalls mit dem hohlen
Theil nach unten, so dass sich nun, bis auf einen geringen Defekt am Boden, dsi
Ganze (Fig. 8a) wieder zusammensetzen liess. Man hatte die „Tasse" offenbar
absichtlich in der Mitte durchgebrochen und die beiden Hälften Bbereinander in
das grössere Geföss gelegt, obwohl sie ganz darin Platz geladen bitte; wlhe
darum nicht auch das Zerschlagen der Gcfasse in den am Morgen untersuchten
Gräbern Absicht und bestimmter Brauch sein dürfen? Doch die Urne entbidl
noch mehr, nchmltch den (Fig. Sa und 6) von zwei Seiten dargestellten D«kel,
endlich einige Stückchen gebrannter Menschen knochen. Ist schon das kleine
(715)
Oefäss von 8 cm Höhe, wenig eingezogenem Fuss, aber fast gerade angesetztem
Hals, ohne Einschnürung der Form, noch unter den wendischen Typen selten,
weniger durch seine zahlreichen Horizontalrillen, so darf der Deckel wohl als ein
Unicum gelten. Der Falz passt weder von innen, noch von aussen auf das Oefäss,
sondern trifft gerade den Rand; das Material scheint etwas heller als das des
Töpfchens (s. Friedel in den Protokollen der General -Versammlung zu Schwerin
1890, S. 127), die ganze Arbeit ist sehr roh, namentlich die mit einem Spahn ganz
unsymmetrisch und ungeschickt eingerissenen Verzierungen. Ein dicker Strich ge-
hört nicht zu der Gruppe zwischen den concentrischen Kreisen, sondern reicht
bis zum Rande herunter; sollte es ein Zeichen sein, wie an dem von Virchow
beschriebenen wendischen Deckel, dem ein gleiches am Umenrande entspricht? (Vgl.
das Gefäss von Dumgenewitz auf Rügen, Verhandl. 1886, S. 613 und 1887, S. 380.)
Für einen schliesslichen Inhalt von Knocheh bot unsere gehaltreiche Urne aller-
dings nur noch geringen Raum, und wir hielten das mit Wurzelgewöll umsponnene
Häufchen derselben für den Rest eines dem Todten mitgegebenen Mahles.
Bei nachträglicher Besichtigung indess wies mein freundlicher Rathgeber, Hr.
Schumann in Löcknitz, dem ich die mitgebrachten Skelettheile zur Bestimmung
übergeben hatte, die Unhaltbarkeit dieser Annahme nach: es sind Knochen yom
Leichenbrand, und zwar grösstentheils von einem Kinde. Dies lässt die sonder-
bare Erscheinung der Leichenverbrennung zugleich mit der Beerdigung vielleicht
einigermaassen erklären; auch die Kleinheit der beiden Gefässe würde dafür
sprechen, denn die noch weiter geftmdenen waren sämmtlich grösser, und es
standen nicht wieder zwei in einander. Ueberhaupt dürfte diese aus Lausitzer
Urnenfeldem z. B. bekannte Sitte für wendische Verhältnisse hier zum ersten Mal
beobachtet sein.
Inzwischen war der Rest des Skelets blossgelegt und geborgen, aber nun
fand sich auch rechts vom Kopfe in gleicher Schicht eine weitere Urne (Fig. 9 a),
die aber trotz aller Vorsicht zerfiel und ihren, nur aus einer grösseren Menge von
Knochen bestehenden Inhalt in die Grube verschüttete. Aus den mit möglichster
Sorgfalt gesammelten Bruchstücken hat nachträglich meine Frau mit grosser Aus-
dauer indessen soviel zusammengestellt, dass die Form sicher zu erkennen ist.
Hier tritt uns nun der bekannteste slavische Typus mit dem eingezogenen Halse
entgegen; bei einer Höhe von 12,5 ctn und einer oberen Oeffnung von fast 15 cm
hat der Boden nur 6,5 cm Breite, zeigt aber ein erhabenes, mit eben solchen
Rändern umzogenes, eingestempeltes Kreuz, wie es Virchow in den Verh. vom
December 1870, S. 29, Tafel VI, Fig. 7, von Soldin darstellte und danach
Senf im Archiv f. Anthropologie XX., S. 24, Tafel 11, 6; vergl. nun dazu unsere
Fig. 9 b, Uebrigens habe ich gerade diesen Stempel unter den zahlreichen Topf-
böden, die Stettin im vorigen Jahre geliefert hat, von denen ich auch selbst
mehrere besitze, nicht wieder gefunden, auch nicht bei Jentsch, IV. Progr.,
Fig. 36 — 46; wohl aber liefern die Zeichnungen vom Hradek ein Analogon,
Verh. 1886, S. 661. An unserer Urne zeigt die beginnende Ausbauchung unter
der tiefen Einkehlung zwei ganz regelmässige Rillen, dann sind wieder an der
weitesten Stelle des Bauches schräge, dreifache Tupfen auf die Rillen aufgedrückt,
weiter nach unten sind diese einigermaassen in Zonen angeordnet, um endlich
regellos zu verlaufen.
Etwas weiter östlich von diesem Skelet in einer Entfernung von 2 Fuss
fanden sich noch Reste eines Kindes, doch ging hier der Kieshügel zu Ende und
in Erde über, so dass die Knochen sehr mürbe geworden waren. Ebenso war der
Zustand einiger grösserer Scherben mit umgebogenem Rande dabei zerbrechlich.
(716)
leider zerfiel auch ein ganz sonderbares Thongebilde grösstentheils. Es war, wie
Fig. 10 zeigt, ein flacher Deckel mit schräg abgestrichenem Rande und einem
starken Falz, auf der Oberfläche ungemein reich verziert. Dem glatten Rande zu-
nächst läuft ein breiter und dann ein schmaler Streifen herum, durch tiefe Ein-
kehlungen geschieden, der breitere aber noch durch das schräge Dreitupfen-
Ornament, wie an der Urne Fig. 9, sehr wirksam verziert. Nun schliessen sich
nach der Mitte zu eine Art von Nase, wie bei den gothischen Kirchen fenstem, und
breite, flachere Bänder mit schrägen Einkerbungen an, die über einander greifen,
aber leider keine Gesammtvorstellung geben. Das Stettiner Museum hat weder
diesem, noch dem anderen Deckel (Fig. 8) ähnliche Stücke zur Seite zu stellen.
Da der Htigel nach Osten zu Ende ging, gruben wir das letzte Stück des-
selben nach Norden zu noch ab und fanden l*/« m vom ersten Skelet ein parallel
liegendes zweites, den Kopf ebenso nach Osten gerichtet in gestreckter Lage.
Hier fehlten die Nägel, allein an beiden Schultern fanden sich wieder Urnen vor
(Fig. 11), an der linken Schulter. Die Form entspricht der von Fig. 9 im All-
gemeinen, doch ist das Gefäss um 3 cm höher und hat keinen verzierten Boden.
Die Tupfen an der beginnenden Ausbauchung sind hier mit einem breiten Spahn
je einmal, übrigens gleichfalls schräg eingedrückt; endlich tritt hier auch die an
den bisherigen G^fässen fehlende, aber an Scherben beim Kopfe des ersten Skelete
vorkommende Wellenlinie auf. Sie ist unter der Halseinkerbung einmal tiefer,
unter den Tupfen noch zweimal einzeln in unregelmässiger Weise flach auf die
schon vorhandenen, gleichfalls flachen Rillen eingezogen. Die Oberfläche war
hier vielfach abgestossen und mürbe, doch ist auch dies Geföss von meiner
Frau wieder leidlich zusammengesetzt. Es enthielt gleichfalls Menschenknochen.
Rechts von der Schulter stand endlich der untere Theil einer schwarzen, sehr dick-
wandigen Urne, unverziert, zu der sich keine Scherbe als Obertheil passend erwies.
Rechne ich diese nun mit, so hat dieser eine Fund fünf slavische GrefUsse zu
Tage gefördert und dürfte in dieser Reichhaltigkeit bisher einzig dastehen; viel-
leicht lassen sich auch später Anhaltepunkte für eine Einthcilung der slavischen
Keramik daran anknüpfen, die Beltz (Protokoll der Schweriner Generalvers. 1890,
S. 88 und 125) noch als unsicher bezeichnet. Freilich sind dazu noch weitere
Funde unversehrter Gefässe erforderlich, denn die vorliegenden zeigen die drei
Formentypen (mit geradem, schrägem, umgebogenem Rande) nur für die drei
Ornamente der Rillen, Tupfen und Wellenlinie. Wie aber die ganzen Gefässe der
anders verzierten Scherben ausgesehen haben, die gerade in so unendlicher
Mannichfaltigkeit z. B. aus dem Stettiner Burg Wallgraben neuerdings gehoben sind,
wissen wir noch nicht. Bezüglich des Materials mag noch bemerkt werden, dass
dasselbe bei allen Gefässen verschieden ist: röthlich und mürbe bei Fig. 11 und
der noch zu erwähnenden Fig. 12, braun und härter bei Fig. 7, dunkelbraun und
klingend hart bei Fig. 9, grau bei Fig. 8. —
Da sich an dieser Stelle weiter nichts vorfand, statteten wir dem nördlich der
Stadt gelegenen Galgenberge noch einen kurzen Besuch ab. Hr. Mühlenbesitzer
Hartwig zeigte uns die Stelle, wo er die Fig. 12 abgebildete Urne gefunden habe;
sie ist inzwischen vom Stettiner Museum erworben und in den Pomm. Monatsbl.
1891, 7, 107 beschrieben. Sie ist noch jetzt zur grösseren Hälfte mit Knochen
vom Leichenbrand gefüllt. In einer Entfernung von 2 Fuss von dieser Stelle
stiessen wir wieder auf ein Skelet mit den Füssen nach Westen, am Genick iwei
der uns bekannten Nägel, sonst nur mit Scherben in der nächsten Umgebung;
etwas weiter davon lag eine, aus zwei quadratischen Eisenplättchen, die durch
eine Niete verbunden sind, gebildete Klammer. Weitere Skelette lagen schrvg.
(717)
einmal ^^ Schädel znsammen, dicht unter der Oberfläche. Die Zwei fei haßi^keit
dieser Fände und die hereinb rech ende Dämmerung zwang uns, die beinahe
12 Stunden fortgesetzte TbätJgkeit endhch abzubrechen, und mit reichen Erträgen
trafen wir spät wieder in Hisdroy ein.
Für diesmal begnüge ich mich mit der Bekanntgabe dieser Funde; eine Zu-
sammen Stellung der Übrigen wendischen GefSsse des Stetttner Museums, sowie
aller bisher gemachten Beobachtungen Über die Bestattung» weise der Slaven konnte
ich aus Mangel an Zeit noch nicht dnrchrilhrcn. —
{24} Hr. L. Zapf in MUncbberg schreibt unter dem 5. September über
Steinmolden im Fichtelgebirge.
Auf den horizontalen Flächen, wie an den rerticalen Seiten der nnstehenden
Granitgebilde des Fichtelgebirges machen sich rielfach Eintiefuugen bemerkbar,
welche als Mulden, Becken, Wannen, Rinnen u. s. w. erscheinen und zu den yer-
Bcbiedensten Deutongs versuchen ÄnUss gegeben haben. Die Volksphantasie sieht
in ihnen Opfermulden altheidnischer Zeit oder Ruhesitze Christi oder des Teufels,
die Geologie erklärt dieselben als in dieser oder jener Weise entstandene Aus-
witterungen, ein schweizerischer Forscher erbUckt in ihnen kartographische Dar-
stellnngen eines Urvolkes. Es ist nach jeder dieser drei Richtongen hin schon
so riel geschrieben worden, dass wir füglich auf die einschlägige Literatur ver-
weisen können, ohne dieser oder jener Deutung das Wort zu reden. Doch sei
gestattet, hier ein bisher noch nicht gezeichnetes Muldenbild in dem westlichsten
der Waldsteinfelsen zur Anschauung zu bringen, wie es sich von der Burgstetle
aus, welcher dieser Fets rorlJegt, darstellt (Fig. I die Muldenstelle selbst, in
grösserem Maassslabe in Fig. 2).
Figur 1.
Nach der Natur geieicbnet von L. Zapf, üie St«lle der Mulde in Fig. 1.
am 8. September 1891.
Die hoeh romantische, eine weite Umschau darbietende Waldsteingruppc auf
dem Kamme des Gebirgszuges, welche mehrfach Änsmuldungen aufweist, unter-
stützt mit ihrem „Teufelstisch", „Drudenfela" , „Frei-" oder „Amstein" und ihrem
reichen Sagenkreis die herkömmliche Annahme einer besonderen Bedeutsamkeit').
Wir beschränken uns hier jedoch auf die Vornihrung des eben erwähnten Mulden-
1) Eine im vorigen Jahnebnt bier aufgedeckte und untersuchte wendische Wallitelle
ist auifflhrlich beiehrieben in VI. Bd. der „Beitilge i. Anthr. a. Urgescb. BayemB".
(718)
bitdes, ohne irgend welche SchluBsrot^rangen ziehen zu wollen. Der FeU, in
dessen abrallcnder, massig gewölbter Südseile die dargestellte Vertiefung sich zeigt,
ist ohne Anwendung ron Leitern unersteiglich , die künstliche Entstebong der
orsteren daher zu bezweifeln. AnfTallend ist der Halbkreis oberhalb der Hulde,
welcher letztere, wie die Braue das Auge, umgiebt, aber auch an die Nabelform er-
innert, und dies um so mehr, als der Fels an dieser Stelle baachähnlich gewölbt
ist. Die Mulde seihst scheint ron ziemlicher Tiefe zu sein. Han glaubt bei
Äbendbeleuchtung, welche die bildliche Erscheinung besonders deutlich hervor-
treten lässt, ein Idol vor sich zu haben, wie deren aas keramischen Produkten
bekannt sind. Die Ostseite der Deckplatte des Felsens weist eine Reihe ron Aus-
höhlungen auf, welche die Kante nnregel massig durchbrecheh und dem Ablauf
des Kegenwassers von der Platte zuzuschreiben sein werden.
Die Darstellung des Felsbildes in dieser Zeitschrift wird sich rechtfertigen,
wenn es sich auch nur um ein in merkwürdiger Weise den alten Traditionen ent-
sprechendes Naturspiel handeln wird, wie es auch das neben dem alten nOpfer-
altar" Nusshardt mit seinen neun Mulden aufragende, ron der Natur geschaffene
riesige Steinkreuz ist. —
Weiter sei der gleichfalls noch nicht abgebildete „Herrgottsstein' bei
Hendelbammer zwischen Selb und Thieretein (Fig. 3) hier rorgefUhrt, ein
Figur 3. Nach der Natnr gezeichnet von Dr. £. Linkardt.
R Ansicht von WesUn.
A Sfidseite mit den HOhlnngen.
DiirchmeEsei der grässten Hfihlung etwa 0,5 m
Inhalt des Blockes etwa 1 vhm.
C Anrieht von Osten.
gänzlich isolirter unscheinbarer Granitblock, auf welchem Christus, auf einer Puu-
wandening müde, geruht nnd geschlummert haben soll. Das harte Gestein gab
nach, um dem Erlöser zur weichen Lagerstatt zu dienen, und so sieht man heute
noch den Eindruck des heiligen Leibes. Der müde Wanderer, der hier Platz
nimmt, fühlt sich wunderbar gestärkt. Als man einmal den Stein an ein«n anderen
Ort bringen wollte, brachte ihn kein Gespann von der Stelle, obwohl er nur etwa
I cbm im Dmfang hat. Alles dies berichtet die Volkssoge. Das Krem in der
grossen Mulde wurde ron unbekannter Hand eingegraben. —
(719)
(25) Hr. Pritz Rödiger, Galtar-Ingenieor in Solothurn, übersendet in Fort-
setzang seiner früheren Zosammenstellnngen (1890, Verb. S. 504; 1891, V^rb.
S. 237) unter dem 3. August aus Weierhof nocb einige
ErläateroB^n und beweisende Vergleiche znr Steinkarten-Theorie.
Hr. Vircbow hatte (Heft III) die Güte, die Steinkarten-Tbeorie als ein ernst-
haftes Problem zu erklären; das hat mich von Herzen gefreut, da ich seit dem
Beginn dieser anstrengenden und zeitraubenden Studien gerade bei vielen Ge-
schiebtsforschem (freilich meist bei Archivisten) beträchtlichen Unglauben fand,
denn auch viele Forscher „glauben^ am liebsten an die herkömmlichen
^Dogmen !^ Dass ich hinsichtlich der Zeit mich etwas unrichtig erklärte, gebe
ich zu, allein — ich habe die Erledigung dieser Frage Hrn. Virchow und
allfällig seinen Mitarbeitern in Berlin anheim gestellt. — Zu weit gehe ich wohl
selten, da ich sehr vorsichtig bin. Es mag manchmal so scheinen, wie z. B.
bei der Entdeckung, dass auch die Höhlen in Sachen mitarbeiten; doch habe
ich mir hier noch fernere Untersuchungen und Bestätigungen vorbehalten. Ich
meinerseits bin freilich schon jetzt davon überzeugt, zumal da mir zwei neuerdings
darauf hin untersuchte Höhlen im Jura ganz dieselbe Antwort gaben, innerlich
und äusserlich. Wenn ich wieder einiges Material bei einander habe betr. Höhlen,
so werde ich dasselbe gleichfalls anbieten zur Einsichtnahme und Begutachtung.
Für heute möchte ich darthun, dass das in der Thayinger Höhle gefundene
Rartenblättchen auf Braunkohle (Fig. 1) der ersten und ältesten geschieht-
Figur 1.
Figur 2.
Thaynger Zeichnung') Altägyptische Karte der nubischen Gold-
auf Braunkohle (7erh. 1890, Taf. V, minen. Nach Chabas Inscriptions etc.
Fig. 10). Etwa V© der natürl. Grösse (auf Papyrus).
a, a Goldberge (roth colorirt). — A, A desgl.
— c, Heiligthum Ammons. — e verwischte In-
schrift. — f Ammons Grab. — g Weg von Ta
manatti. — A, h Niederlassungen. — t Stele
(Denkmal) des Königs Ramamea. — k grosse
Cisteme im Oval. — / kleine Cisteme w, «, o
Wege.
liehen Karte auf FBpyrus, die man kennt (Fig. 2), doch sicher gleicht, wie
ein Ei dem anderen. Nehmen wir nun an, dass Ramses II., der Yerbesserer
1) Vgl. Verhandl. 1891, S. 239, Fig. 6 und S. 241, Fig. 8.
(720)
besagter altägyptischer Karte, welche im Turiner Maseum sich befindet, dieselbe
bereits um 1300 Jahre vor Chr. auf Papyrus und mit Inschriften zeichnen liess, —
und ehe es zu dieser Kunst kam — gut vorher noch 500—1000 Jahre ver-
gangen sein werden, so darf es uns gewiss nicht stark wundem, auch in
Europa und Deutschland derartige Anfangsgründe (auf Knochen, Kohlen u. deigl.)
zu finden.
Ganz dasselbe gilt von den beiden kleinen Knochenplättchen (Verb. 1891,
S. 239 und 241, Fig. 6 und 8), wie sich solche in besagter Höhle vorfanden. —
Sehen wir doch in nachstehender Fig. 3 eine indische Naturkarte *) aus dem Ende
Figur 4.
Figur 8.
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General Map of the dominions of the
King of Ava, drawn by a slave of the
Kings eldest son at Amarapura. 1795.
V9 der natürl. Grösse.
1. Neinstein River, 2. Kasi, Inna River, 8.
Kasi Shan of Shan countiy, 4. Narin-Zara
Riv., .5. Narizessa, 6. Tafondu am Krann,
7. Rakhain, 8 Moamoas, 9. Ava, 10.
Country of the Talain, 11. Briet country,
12. Indara, 18. Indara Shan, 14. Irawadi
Riv., 16. Bhamo, 16. Wüd Kaktion, 17.
Wild Lawa, 18. Tarons.
Tupajas-Karte. '/s OAtürL Grösse.
Nach einer Copie G. Forster^s.
1. Tubai, 2. Borabora, 8. Taha&, 4. Hoahiiuia,
5. Raiatea, 6. Tapuaimanuo, 7. Otahaiti, 8.
Maitea, 9. Oiroto, 10. Ohiteroa, 11. Tome-
towroaro, 12. Itonne, 18. Moutoa, 14. Chettj-
Tamannra, 15. Ouropae.
(Copy of a Chart by a man of the Nation of
Oaheitu named Tnpaia. Contains abont lö**
of longit)
des vorigen Jahrhunderts, welche noch ganz dasselbe Gepräge, wie die beiden
Höhlenplättcben, an sich hat. Dass aber auch die frühesten Einwohner unserer
Gegenden derartige Künste mit aus Asien gebracht haben werden, als Indo-
gerraanen, darf angenommen werden.
Uebrigens weiss man ja zur Genüge, wie alle wilden Menschenrassen
Landkarten auf Holz und im Sande zeichnen und darstellen, und dass man
in China bereits vor 2200 Jahren dergleichen Landkarten auf Erz und Stein
gehabt haben soll. (Die begleitenden Erd- und Felsenbuigen finden sich ja
ebenfalls dort wieder)'). — Warum soll nun diese Kunst nicht auch mit den
1) 8. Anf&nge der Kartographie (S. 197) aus Et^olog. Parallelen von Rieh. Andre«.
2) China, historisch, romantisch u. s. w. Carlsmhe, Kunstverlag von Stöbe 1878.
S. 78.
(721)
Keltogermanen nach Europa eingewandert sein? — Wegweiser und Situationszeiger
sind für den Wanderer so wichtig, wie Messer nnd Löffel I
Fig. 4 ist sogar eine Seekarte von einem halbwilden Polynesier. Für ans
deshalb wichtig, weil sie zeigt, wie der Kartenkünstler die Inseln im Meer
richtig darstelltel — Ganz die gleiche Methode finden wir bei schlesischen
Schalensteinen, indem uns ein solcher (Fig. 5) mit ganz den gleichen Fignren,
Landinseln (Ansiedlangen), aaf Steinplatten gezeichnet zukam. — Man sieht, die
Erscheinung ist ebenso natürlich, als — uraltl Dies beweist gleichzeitig, dass es
nicht Answaschangen sind, wie Dr. Grüner meint, sondern Zeichnungen.
Das lehrt ausserdem noch zum Ueberfluss das Rartenbild Fig. 6 zu Fig. 5,
das ganz in jene Gegend und zu dem angeblich ausgewaschenem Zeichenstein
zwischen Laub an und Kohl fürt passt und noch viel besser und schlagender
passen wird, wenn man eine Speziallandkarte jener Gegend zu Rathe ziehen kann.
Figur 5.
Figur 6.
Steinplatte swischen den Bahnwftrter-
Hftuschen Kr. 444 u. 443 der Linie Lauban-
Kohlfort, 15 Schritt vom Schienengeleise
(Schlesien).
(Zu Dr. Grüneres „Opfersteine Deutsch-
lands«. Taf. I, Fig. 7, S. 9.)
1. Laub an, 2. Seifersdorf, 3. Görlitz,
4. Rothwasser, 5. ? (s. bessere Karte!),
6. Kohlfnrt, 7. Kühna, 8., 9. Schön-
berg-Zeibsdorf u. s. w.
Eisenbahn.
-— Fluss.
Gebirge.
1:1250000.
(Zu Grüner, Tat I, Fig. 7. Karten-
bild nach Andree's Atlas, Fol. 36.)
Hr. Dr. Grüner in seinen „Opfersteinen Deutschlands^ sagt über den Opfer-
altar am Girgelstein^ [Fig. 7] (wie er überhaupt alle diese Steingestaltungen
im Fichtelgebirge von Auswaschung und Verwitterung ableitet): „Die sitz-
artigen kleineren Höhlungen (a e) mit horizontalem Boden seien augen-
scheinlich nur durch eine weniger intensive Thätigkeit des bewegten Wassers
henrorgerofen. Hätte das Wasser länger fortgewirkt, so wären grössere Sitze (Ver-
tiefungen) entstanden^ u. s. w.
Das Rartenbild') (nach meiner Erklärung) des Girgelsteiner Opferaltars
(Fig. 8) spricht für sich selbst. Westlich von Tröstau befindet sich eine Menge
von Teichen u. s. w. (Weiher, kleine Seen, a c). Bei der hohen Mätze ist der
Logerort der Platte. S B entspricht der Fig. b auf dem Steinbild Fig. 7 (Schnee-
berg und Nussertgruppe); ich habe es beim Kartenbild nur schwach an-
gedeutet, weil weniger entscheidend. Dagegen habe ich, da sie vielleicht zu
1) 8. Specialkarte vom Fichtelgebirge von R. Rein seh. 1:150000.
Varbandl. der BerU AnthropoL GM«llichaft 1691. 46
1
l
' '\
(722)
diesem Bilde gehören, einige andere Figuren aus Dr. Grüner' s Werkchen hier
eingeschoben, nehmlich dessen Pig. 1 u. 2, S. 20 (im Text), hier als Pig. 9ö u. 6
gezeichnet und so gestellt, wie sie sich in Wirklichkeit an der bezeichneten Stelle
auf der Girgelsteinkarte einstellen dürften.
Figur 7. Figur 8.
Tis
(-
Der Opferaltar am Girgelstein,
zunächst der hohen Mfitze.
p. q Kartenbild des Opferaltars (Fig. 7).
^ f, 1 Haberstein, 2 Weissmainshocbofeo.
RS. Rudolfstein, B. Birk, 0. Grün, FL lUhüan,
SB, Schneeberg, N, Nussert, W. Wunsiedel,
FS. Fichtelsee, P, Platte, T. Tröstan, HM.
Hohe Mätzen, FB. Fichtelberg, M. MfihI*
buhl, B. Brand, FN, Fichtel-Nabe.
Dr. Grüner sagt darüber: „Fig. 1 auf der Gipfelplatte des kleinen Haber-
steins, Fig. 2 an der letzten Treppe, welche zum kleinen Haberstein führt,* —
sie bezeichneten demnach kleinere Landflächen (Privatbesitz? oder zu öffent-
lichen Zwecken?)
Merkwürdig ist hierbei aber, 1. dass es zwei Habersteine giebt, einen kleinen
beim Burgstein und einen grossen am Mainflüsschen. Fig. 1 und 2 (nach Grüner,
8. 20) finden sich am kleinen Haberstein, die dazu passenden Landflächen
aber am Schneeberg. Es lässt sich dies nicht anders erklären, da sich ähn-
liche Flächen um den kleinen Haberstein nicht finden, als dass beide zusammen-
gehörten. Spätere Studien an Ort und Stelle dürften dies aufklären. Fig. 9& (ent-
sprechend Grüneres Fig. 2, S. 20) ist zu eigen geartet, als dass sie auf einer
guten Karte beim kleinen Haberstein nicht sofort zu erkennen wäre. Die Stein-
bilder deuten, wie heut zu Tage, Pläne, auch entfernteren Besitz an.
Ganz die gleichen Erscheinungen, nur im grösseren Maasse, finden wir bei
Grüner (Fig. 4, Taf. IV) wieder, welches Bild unverkennbar deutlich die Ochsen-
kopfgruppe darstellt und sich doch als Steinplatte am Girgelstein befindet;
und andere Bilder am Rudolfstein und Nussert mehr!
Das Interessanteste aber, was die kleinen Figuren (9a und h oder bei
Grüner 20, Fig. 1 und 2) am Haberstein beweisen dürften, ist: dass schon damals
augenscheinlich parzellirt wurde, was übrigens in der Schweiz mancher kleinfre
Stein beweist, der Stücke von nur 2—3 ha wiedergiebt.
(723)
Figur 10.
\
Einen indirekten oder rückwärts schliessenden Beweis, d^s unsere
Annahme, Zeichen und Beckensteine u. s. w. seien Situationszeiger, Pläne, Land-
karten u. s. w., richtig ist, leistet wohl auch die viel- und allbekannte Ross trappe
am Brocken. Ich habe solche noch nie gesehen,
weder in Natura, noch im Bilde, habe aber schon gar
manchmal davon gelesen und in neuerer Zeit auch
dabei gedacht: „die bedeutet eine dortige huf-
eisenförmige Land fläche.^ Letzthin las ich sie
nun wieder einmal in den „ethnographischen Pa-
rallelen" von Rieh. Andree (S. 94, „Pussspuren")
als natürliches Mal, und suchte in demselben
Handatlas, der freilich für eigentliche Studien zui* Er-
klärung solcher Erscheinungen einen viel zu kleinen
Maassstab hat, den Harz, die Rosstrappe und den
Brocken auf, und siehe da! in diesem Falle be-
währte sich auch dieser minimale Maasstab, da
gerade die Rosstrappen -Situation eine sehr ins
Auge fallende ist, zu unseren Gunsten!
Das kleine Rartenbild (Fig. 10) spricht für sich
selbst. Die Rosstrappe ist wiederum kein „natür-
liches Mal", wie so viele unnatürliche Maler der
„Malsteine" behaupten, sondern eine sehr ähnliche
Karte des vielberühmten Brockens, und dürfte, trotz
den ausserordentlich starken Hexenbesuchen, jene
Gegend unter Herrn Teufels Vortanz doch nicht auf
„Hexerei" beruhen, sondern auf Grundbesitz-Fest-
stellung. — Wer das Bild der Rosstrappe hat, möge
vergleichen, es wird zutreffen! Es wird auch die
Himmelsgegend dieselbe sein, wie auf der Karte,
die Hufbffnung nach Südwest!
Dass man es hier mit einem urgeschichtlichen Handgebilde zu thun habe und
nicht mit einer Natur- oder Zufallserscheinung, dürfte noch der gegenüber liegende
Teufels-Tanzplatz anzeigen, da der bekannte, schwarze Herr fast immer in der
Nähe solcher Felsen und Steine auftritt, so dass ich fast auf die Idee kommen
möchte, dass die vielen Teufelsplätze, Teufelsbecken, Teufelssteine, Teufelsberge,
Teufelsfelsen u. s. w. von dem Worte deuten herkommen könnten, als: Deute-
plätze, Deutebecken, Deutesteine, Deutebeige, Deutefelsen u. s. w. An gar
manchem Orte schon wurde ich stark daran erinnert!
Dazu kommt noch eine grosse Höhle am Teufelsplatz von etwa 70 Schuh
Breite und 50' Tiefe, die demnach, wenn oval eingehend, ganz im ähnlichen Ver-
hältniss angelegt wäre, wie die Rosstrappe (7 : 5), und da in dortiger Gegend noch
mehrere derartige Steinfunde vorliegen, so wird meine Annahme kaum fehlen.
Bitte um Nachprüfung!
Ich sende Ihnen noch ein Felsenkopfbild aus dem Thüringer Walde
mit Wenn auch nicht sprechend ähnlich dem Bilde im Jahrgange 1870, S. 405
der „Gartenlaube", allwo ich es erst heuer einmal würdigte als das, was es ist,
so zeigt das Kartenbild (Fig. 12) doch ebenfalls genau den Gedankengang und
das Verfahren unserer keltogermanischen Geographen, trotz allzu kleinem Maass-
stab der Karte. Zur Erläuterung füge ich noch die betreffende Stelle aus dem
„praktischen Reisehandbuch von Thüringen", Berlin bei Alb. Goldschmidt,
46*
Kartenbild der Hoss-
trappe am Brocken.
1:1250000.
1. Brocken (1141 w), 2. Wer-
nigerode, 3. Elbingerode, Ro.
Rosstrappe, 4. Blankenborg,
5. Derenburg, 6. Hendeburg,
7. Vienenburg, 8. Harzburg,
Neustadt, 9 Altenau, 10.
Braunlage, 11. Schlerke, 12.
Usenburg.
Eisenbahn.
(Nach d. Handatlas von Rieb.
Andree, Fol. 36.)
(724)
Oberhof, Tambachtour betreffend an, S. 89: „. . . .ihm gegenüber (links) zeigt sich
der Stein buhl, dessen Fortsetzung der mit Felsenzacken übersäete Kirchberg
ist. Inmitten dieser Höhen, etwa 7^ Stunde vom Falkenstein, thalabwärts, er-
hebt sich, rechts an der Strasse, wo dieselbe über eine Ueberbrückung des Wasser-
laufes führt, ein isolirt stehender Felsen^ (ich habe nur einen Theil daron
benutzt), der Napoleonsstein (Fig. 11), der, von der Mitte der Brücke aus ge-
sehen, in seinen zerklüfteten Formen ein Napoleonsgesicht (Napoleon III.) zeigt (Es
Figur 11.
Napoleonsstein bei Tambach Kartenbild zu Figur 11.
im Thüringerwald, Felsenkopf bild. Etwa 1 : 800 000.
1. Friedrichsroda, 2. Rödigen, 3. Leinathal, 4. Tambach, 5. Dietharx, 6. eine Höhle,
7. 7. Schmalwasserthal, 8. Finsterbachthal, 9. Schwarzwald, 10. Sturzhaus, ll.Ohrdrnil^
3»— ► Strasse nach Gotha, 12 Oberhof, 13. Obrethal, 14. Ilmenau, 1& Oeorgenthal
Der Maasstab der Karte ist viel zu klein, um etwas ganz Aehnliches finden lu kömiea.
Der Gedankengang übrigens genügt! (Nach der „Illustrirten Reisekarte vom Thüringer
Waldgebirge" von Karl Vocke. 3. Aufl. Verlag der Kuhn^schen Buchhandlung ia
Eisleben.)
wäre sehr wünschenswerth, den vornapoleonischen Namen dieses Felsens fn
ermitteln!) „Weiter abwärts, am Hange der Märtenswand, ebenfalls rechts von
der Strasse, in unmittelbarer Nähe von Dietharz, erhebt sich, 15 m über der
Thalsohle, eine Grotte, das sogenannte HtiUoch." — Der Thüringer Wald dürfte
reich an solchen Malsteinen sein!
In der Nähe derartiger Kephaloiden oder Obelisken, deren ich etwa ein
Dutzend bis jetzt kenne, befindet sich stets eine Höhle oder auch mehrere
Höhlen. Sie scheinen demnach (fernere Erfahrungen vorbehalten) der Ben-
thierzeit anzugehören! —
L
(725)
(26) Frl. Elisabeth Lemke berichtet (kurz vor ihrer Abreise nach New York)
ans Bombitten, Ostpreussen, den 18. September, über
Wohnhäuser ohne Schornstein in Pommern und Westprenssen.
1. Durch Vermittelung von Frl. M. Hobus (Schlawe) erhielt ich die Skizze
eines in Jershöft bei Lanzig, Kr. Schlawe in Pommern, gelegenen sogenannten
„Rauchhauses". Dasselbe ist mit Stroh gedeckt und hat Giebelverzierungcn in
Form von Pferdeköpfen, „die nach aussen sehen". Das (bereits alte) Haus ist
durch einen Flur der Länge nach in zwei ungleiche Abtheilungen getheilt; in der
grösseren befinden sich zwei Stuben und zwischen diesen die Küche; in der
kleineren ein Paar Kammern und ein in die Wand gefügter Schrank. In der
Küche sind zwei in die Wand gemauerte Heerde ohne Schornstein ; der eine Heerd
ist zum Räuchern der Fische, der andere zum Kochen bestimmt. Von dem umher-
ziehenden Rauche sind alle Wände und Balken dick überzogen. Die Bewohner
übernehmen gegen eine kleine Entschädigung das Räuchern von Fleisch u. s. w.,
daher ihnen der Rauch besonders schätzenswcrth ist. Ueber den Stuben und
Kammern sind Bodenräume, die nach dem Flur zu offen geblieben.
2. Der 73jährige Arbeiter Bork owski in Bündken bei Saalfeld (Ostpreussen)
erzählte mir von einem in der Eibinger Niederung (Westprenssen) vorhanden ge-
wesenen Wohnhause ohne eigentlichen Schornstein. Der Boro wski war während
seiner Militärzeit dort einquartirt gewesen. Man hatte ihm eine Schlafstelle auf
dem Dachboden zugewiesen; er hatte es indess vor Rauch dort nicht aushalten
können: der Schornstein über dem Heerde reichte nur bis zur unteren Balkenlage
des Dachbodens, und der Rauch wälzte sich von dort aus unter dem Dache hin
und her, nur mühsam durch seitliche kleine Oeffnungen einigen Abzug ge-
winnend. —
(27) Hr. Bartels überreicht folgende Notiz über
einen neuen Fall von Schwanzbildong beim Menschen.
Der Freundlichkeit des Hm. Sanitätsrath Dr. Aschoff verdanke ich die Zu-
sendung der Nr. 168 des Bataviaasch Nieuwsblad (vom 23. Juni 1891), worin sich
folgende Angabe findet: „Im Soloschen hat eine der Dcsa Kalongas (Bojolalie)
zugehörige eingeborene Frau, Namens Mbok Karte di Kromo einen Sohn ge-
boren mit einem Schwanz, dessen Länge 15 cm beträgt." Auch Hr. Jagor machte
mich in einem Schreiben (aus Padang-pandjang, Sumatra, 21. Juli 1891) auf diesen
Fall aufmerksam: „Dass neulich eine hiesige Zeitung die Geburt eines geschwänzten
Menschen in Surakarta meldete, ist Ihnen ja wohl schon vor einigen Wochen mit-
getheilt worden. Die Herren von der Bataviaasch Genootschap haben mir ver-
sprochen, dafür zu sorgen, dass der Fall durch dortige Aerzte genau untersucht
und wo möglich durch Photographie fixirt werde. ^
Wir müssen Hm. Jagor für diese Fürsorge sehr dankbar sein und die Herren
in Java werden hoffentlich Genaueres über den Knaben hören lassen. —
(28) Hr. Baron v. Alten hat Hm. Virchow mit einem herzlichen Glück-
wunschschreiben vom 10. October fUr das Trachten-Museum ein Geschenk über-
sendet, bestehend in einem
hölzernen Thürschloss ans dem Harze.
Dasselbe ist von einem Dorfschreiner in Barbis aus starkem Buchenholz angefertigt
(726)
worden nach dem Vorbilde derjenigen, welche noch vielfach, namentlich an Wirth-
schalUgebäaden, in der dortigen Gegend verwendet werden.
Das Schloss wird geöff-
Figm- 1. V4 net, indem man den Schlüssel
horizontal hebt, und den
Riegel, welcher nicht ganz
herausgenommen werden kann,
hervorzieht.
Schiebt man den Ri^l
wieder hinein und lässt den
über diesem hineinzustecken-
den Schlüssel sinken, so ist
das Schloss geschlossen, und
der Schlüssel kann heraus-
gezogen werden; ist das
Schloss geöffnet, so ist dies
nicht der Fall.
Die hintere Seite des
Schlosses ist gleichsam das
Scheunen t hör, an dem das-
selbe befestigt wird; sie kann
unbeschadet, mit Vorsicht ab-
genommen werden.
Kein Schlüssel passt zo
einem zweiten Schloss. —
Figur 2.
Fig. 1 das Schloss von der Vorder-, Fig. 2 von der
Rückseite. S der Schlüssel, R der Riegel, a und b
die beiden verschiebbaren Hölzer mit den vor-
springenden Haken a, und h,.
Hr. Virchow dankt dem
freundlichen Geber und bittet
auch andere Freunde der volks-
thümlichen (Gebräuche um ähn-
liche Zusendungen. Er selbst
hat auf seiner ägyptischen
Reise eine Woche lang in
einem nubischen Dorfe verweilt, wo sein Zimmer mit einem ganz ähnlichen
Schlosse versehen war, nur dass der Schlüssel einfachere Form zeigte und haupi-
sächlich durch seine Krümmung sich dem Schlosse anpasste. —
(29) Hr. Carl Günther schenkt Photographien der ältesten ägyp-
tischen Bronzen des Berliner Museums. —
(30) Hr. Buchholz legt neue Erwerbungen des märkischen Provinxitl-
Museums vor. Der Bericht wird in Heft VI der „Nachrichten*' erscheinen. —
(31) Hr. Felix v. Luschan zeigt
sechs Handragora-Wnrzeln.
Der Vortragende hat diese Stücke in den letzten Jahren in Damascns,
Constantinopel, Mersina und Antiochia erworben; sie haben alle die Form mensch-
licher und zwar ausgesprochen weiblicher Figuren. Eine derselben, die «m
Antiochia, sieht aus wie eine Frau, die ein Kind in den Armen hält Wnnebi
mit männlichen und mit mehreren Figuren sind verhältnissmässig selten; ^^
(727)
Mandragora- WnTieln.
CONSTANTINOPE L
(728)
letzteren pflegen meist in inniger Umarmung begriffen zu sein; anch männlicbe
Figuren tdlein sind manchmal pb allisch dargestellt
Die Wurzeln der Mandragora-Pflanze werden heute besonders in der Nach-
barschaft von Mersina und von Antiocbia von bestimmten „Rfinstlem^ fast gewerbs-
mässig in menschenähnliche Form gebracht. Das einfachste, hierzu angewandte
Verfahren besteht darin, die frisch ausgerissene succulente Wurzel durch tof-
sichtiges Schneiden und Drücken umzuformen und dieselbe gelegentlich auch
während des Austrocknens noch weiter zu beeinflussen. Einige der Torgelegten
Stücke sind einfach in dieser Art hergestellt. — Viel bessere, thatsächlich höchst
überraschende Erfolge werden durch ein anderes Verfahren erreicht, bei dem die
lebende Pflanze sorgfältig ausgegraben und die Wurzel dann durch ümwickelD
von Bindfäden, durch Spalten, Einschneiden, Aufritzen und Zusammenschnüren
der Art vorbereitet werden soll, dass sie zunächst wieder eingegraben wird und
noch durch längere Zeit weiterwachsen kann. Erst wenn die verschiedenen Ver-
letzungen gut vernarbt sind, wird die Wurzel wieder ausgegraben, und wenn sie
dann erst einmal ordentlich geschrumpft und getrocknet ist, so fällt es oft sehr
schwer, die künstlich präparirten Stellen als solche zu erkennen und nachzuweisen.
Ein geschickter „Künstler^ wird also Alräunchen herstellen, die ganz unanfechtbar
aussehen und deren Aechtheit auch von Niemand im Lande bezweifelt wird. Soldie
Alräunchen sind aber nicht nur „sehr selten und nur unter grösster Lebensgefahr
auszugraben^, sondern sie bilden auch kostbare und werthvolle Talismane. Einige
machen ihren Eigenthümer hieb-, stich- und kugelfest, andere wirken als unfehl-
bare Aphrodisiaca, und andere wieder sollen den Träger unsichtbar machen; fast
alle aber zeigen die Stelle an, wo unterirdische Schätze verborgen sind und haben
zugleich die ebenso werthvolle Eigenschaft, die Krankheit eines Menschen, der sie
beständig trägt, in sich aufnehmen zu können; gerade hierin aber liegt auch die
Schattenseite und die Gefahr der Sache: das Wurzelmännchen kann die Krankheit
nehmlich auch auf einen neuen Eigenthümer übertragen und es kann durch eigenes
„Kranksein^ alle früher gerühmten Eigenschaften zeitweilig oder dauernd verlieren.
Die vorgelegten Stücke sind von 16 bis zu 30 cm lang; grössere dürften selten
vorkommen, auch kleinere sind selten, doch giebt es auch solche, die kaum die
Länge eines Fingers haben; diese gelten als besonders werthvoll. Völlig nn-
bearbeitete Wurzeln ohne „Retouche^, wie sie in früheren Jahrhunderten in
Europa geschätzt worden zu sein scheinen, werden in Syrien heute kaum beachtet;
auch die europäische Sitte, den Wurzelmännchen richtige Kleider anzuziehen,
scheint im Oriente nicht bekannt zu sein.
Der türkische Name für diese Wurzel ist Adam-Kökü (die Menschenwunel),
der arabische: Abdul-seläm (Diener des Heiles); in der Gegend von Antiocbia
kommt auch die Bezeichnung Jabrüh-el-sanam vor, deren Deutung ich Anderen
überlassen muss, nicht ohne an die aramäische Wurzel brli = fliehen zu erinnern,
ans der jabrüh vielleicht abuleiten sein könnte.
Eine eigenartige und, soviel mir bekannt ist, alleinstehende Angabe verdanke
ich Bedri Effendi vom kaiserl. Antiken Museum in Constantinopel; darnach wäre
die Mandragora-Wurzel ein heftiges Brechmittel und gelange in (3aben von nicht
über einem halben Dirhem (= 1,5 g) zur Verwendung. Er theilt mir auch den Aus-
druck lefah für unsere Wurzel mit, der ebenso für Persien durch Pollak (IL i^f)
sichergestellt ist —
Eine Photographie der vorgelegten Stücke wird der anthropologischen GetAV
Schaft überwiesen. —
(729)
Hr. Päd Ascherson: Mit den Mittheilangen des Hro. v. Luschan über
die bei der Herstellung der Mandragoras-Alraune *) vorgenommenen Manipulationen
stimmen die Ermittelungen meines hochgeschätzten Collegen Dr. G. Volkens^)
überein. Derselbe untersuchte ein Exemplar, welches der seit einer Reihe von
Jahren in Diensten des Prof. G. Schweinfurth stehende Syrer Tanüs 1889 in
Port- Said von einem Landsmanne käuflich erworben hatte. Volke ns fand, dass
besonders auf den quergerichteten Einschnitten, durch welche die kleineren
Rörpertheile, wie Augen, Hände und Füsse deutlich hervortreten, sich die durch-
schnittenen Gefässbündel ohne Schwierigkeit erkennen lassen. Dass dieser Ein-
griff an der frisch aus der Erde genommenen Wurzel vorgenommen ist, und dass
das Leben noch einige Zeit nach demselben fortdauerte, geht daraus hervor, dass
die Schnittflächen oberflächlich verkorkt sind, obwohl es zur Bildung von eigent-
lichem Wandkork nicht mehr gekommen ist. Da das Gewebe strotzend mit Stärke
gefüllt ist, folgt daraus, dass die Herrichtung der Wurzel nicht in die Vegetations-,
sondern in die Ruhezeit fiel, also vermuthlich in den Hochsommer.
Aus Syrien und dem südlichen Rleinasien, woher wohl alle von Hm.
v. Luschan vorgelegten Alraune, auch der in Constantinopel •) angekaufte, stammen,
kannte man bisher nur den im Frühjahr grünlichweiss blühenden Mandragoras
ofßcinarum L. ex p. (M. vemalis Bert.) In Griechenland, wo ausserdem noch
mehrere violett blühende Formen*) vorkommen, werden vermuthlich auch aus
1) MnvSgayoQnqy mandragoras (m&nnl.) ist die ausschliesslich bei den Schriftstellem
des classischen Ält^rthums vorkommende Form, die sich nach Th. v. Heldreich noch
heut im Neugriechischen erhalten hat; mandragora (weibl.) findet sich erst im Mittelalter,
und sollte daher die erstere Namensform auch in der botanischen Nomenclatur wieder
hergestellt werden. Aus der griechischen Schreibweise ergiebt sich, dass der Name
Mandrigöras, bezw. Mandragora zu sprechen ist, nicht wie herkömmlich Mandragora. 8o
betont auch de laMotteFouquö in seiner 1827 erschienenen Novelle „Mandragora** den
Namen, auf den er zweimal „Flora^, dann „Aurora** reimt. Dies ziemlich schwache Produkt
(wie viel wirkungsvoller hätte nicht A. Th. Hoff mann, auf dessen Spuren der Verfasser
zu wandeln sich bestrebt, das Thema behandelt!) ergab übrigens eine unerwartet geringe
folkloristische Ausbeute.
Merkwürdig, dass die beiden gebräuchlichsten Namen des uns beschäftigenden Gegen-
standes in ihrer sprachgeschichtlichen Entwickelung ihr Geschlecht ausgetauscht haben.
Während aus dem Mandragoras die Mandragora wurde, hat sich die Alruna zu dem
Alraun umgestaltet!
2) Vergl. Ascherson, Verh. Bot. Ver. Brandenb. 1890, S. XXXVH.
8) Auch Geheimrath Ferd. Cohn hat dort auf dem Mizre Tscharchusi-Bazar einen
Alraun (türk. adam-tschotschi, nach Hm. v. Luschan [S. 728] vielmehr adam-kökü), er-
standen (vergl. 68. Jahresb. d. Schles. Ges. f. Vaterl. Cultur, 1890, Breslau 1891, S. 94).
4) Die Frage über die Artbegrenzung derselben ist eine vielfach umstrittene, in
welcher ich, aus Mangel an ausreichendem Material, darauf verzichten mnss, Stellung zu
nehmen. Die Mehrzahl der Schriftsteller über die Flora Süd-Europas nimmt nur eine
violettblühende Art an, die sie als M. auctumnalis Bert, [bei Sprengel] (M. officinarum
Sibth. et Sm., Bertol. Conmi. de Mandr.) bezeichnen. Bertoloni trennte von dieser, meist
im Herbst (selten noch einmal im Frühjahr) blühenden Art eine zweite aus Sardinien,
M. microcarpa ab, die Th. v. Heldreich, welcher neuerdings in den Mitth. des botan.
Vereins für Gesammt- Thüringen IV. (1886), S. 75 — 80 eine monographische Skizze der
Gattung veröffentlichte, auch in Griechenland angiebt. Ausserdem unterscheidet Held-
reich noch eine im Frühjahr blühende, bisher nur bei Korinth gefundene Form als M.
Hanssknechtii, die dort auch mit M. vemalis einen Bastard (M. hjbridus Hausskn. et
Heldr.) bildet In einem mir kürzlich von der Baseler Mission zur Bestimmung über-
sandten Herbar ans Pal&stina findet sich ein violett blühender Mandragoras, für dessen
(730)
letzteren Alraune hergestellt, da, wie Th. v. Heldreieh (Die Nutzpflanzen Griechen-
lands, Athen 1862, S. 36) mittheilt, ^der sehr dicken, oft; zwei Schah langen
Wurzel [wohl sämmtlicher Formen], die verschiedenartig sich verästebid, zuweilen
eine überraschende Aehnlichkeit mit der Gestalt des menschlichen Körpers zeigt,
auch jetzt noch allerlei Zauberkräfte zugeschrieben werden."
A. V. Perger, der fleissige und gemüthyolle Sammler des Pflanzen-Folklore*)
und Ferdinand Cohn, welcher bei seinen eingehenden und anregenden Stadien
zur Pflanzen -Geschichte dem Mandragoras besondere Aufmerksamkeit geschenkt
hat (a. a. 0., S. 285 — 293), wiesen auf den polyphyletischen Ursprung des Kreises
von Sagen und Wahnvorstellungen hin, die sich seit der römischen Kaiser- und
der byzantinischen Zeit an diese Pflanze knüpfen. Weder die altgermanischen Al-
raunen, „zuerst weise, allwissende, weissagende, zauberspruchkundige Frauen'),
dann böse Dämonen und zuletzt Zauberwurzeln in Menschengestalt", noch die
fabelhafte, zuerst von Flavius Josephus*) erwähnte syrische Wurzel Ba'aras, Ba'ar
genauere Bestimmung reichlicheres Material abzuwarten ist Eine wissenschaftlich noch
nicht festgestellt« Art traf Prof. K. Uaussknecht in Persien (8. 787). Endlich findet sich
eine, wie der Artname beweist, in der Tracht recht verschiedene Art, M. caulescens
Clarke (Anisodus humilis Hook. fiL ms.), im östlichen Himalaja. Schon die Alten unter-
schieden übrigens den robusteren M. vemalis als m&nnlichen oder weissen Mandragon«
von den gracileren, riolett blühenden Formen, die sie als weiblichen oder schwarxen be-
zeichneten (vergl. Dioskorides, Mat. med. IV., 76; Plinius, Nat Hist. Lib. XXY.,
Cap. Xlir, Sect. 94; Th. v. Heldreich, a. a. 0., S. 75, und F. Cohn, 66. Jahresbericht
Schles. Ges. Breslau [1888], S. 287, nach dessen Mittheilnngen diese beiden Formen in
den Abbildungen des in der Wiener Hofbibliothek aufbewahrten Codex Neapolitanus des
Dioskorides deutlich zu erkennen sind.)
1) Ueber den Ahraun, Verhandl. d. zool.-bot Vereins in Wien, VI. (1856), S. 721, 724
und Berichte und Mittheilungen des Alterthums- Vereins zn Wien, Bd. V (1861), S. 259-269.
Vergl. auch F. Unger in Sitznngsber. der k. k. Akad. d. Wiss. z. Wien, XXTTTT, (1858),
S. 312—816.
2) Noch in einem Nürnberger Schwank aus der zweiten HAlfte des 15. Jahrhunderts
wird die „Alraune** als eine Göttin oder Zauberin angerufen. Vergl. J. Trojan in
National-Zeitung vom 22. Januar 1892. Morgen- Ausgabe, 1. Beiblatt
3) Bellum Judaicum VII, 6, 3: Tfjg tpdQuyyog J^ ifje xata iit> agnrof rtfguj^ot^i^i
^itf noliy [sc. AlaxfiQOVfra] Bangag ovofAa^tial itg tonog^ q)vn n Q(iat> o^vrvpffg li^
yofjiivriv avtty. aviri q>Xoyl filv tt^y XQOiay locxc, mgl ök tag kaniqag a4lag anaüT^ajtt9V09
roig intovat xai ßovXofiiyoig laßiiy avrtjy ovx Saiiy tv^ifgaftog, all* vftoqtiCyu^ nmX o»
ngortgoy ^araiai ngly ay ng ovgay yvyaixog rj ro ifA^^yoy olfAu x^ff xat avtijg ov ^ify
ulkä Mal voTC toig aipajuiyoig ngoörilog (aii ^nratog, (t ft^ ^v^ot ug adt^r ixtirfi»
(fttytyxttfifyog jfiy ^fCay ix t^g /€fp6( anfiQjtjiLi^yrjy, aXiaxtiat ^k xal xad^ htQöP iQoaop
axtySvytog, oc foii loioaSe» xvxX^ naauy avifjy mgtogvaaovaiy^ wg ^yat to xgvnnofttyoy
trjg ^^C^s ßgaxvrajoyy iW* i^ avtrjg nno^ovai xvya, xaxtfyov f^j Sijaayrt avrttxülov9tty
oQfAriaoyioi ij ^ky nyaonnim ^t^iioig^ dyijaxtt 6''iv&ifg 6 xvuy taantg ortiJo9tU i^
fi^Xloytog itjy ßotayriy ityatQtjataOaf (/6/fo( yag ovSiig lotg fitia lavwa Xmfißayovötr»
iati ^k jutta joaovtaty xiydvytoy ^la jn(ay fa^t/y nigianoC^aarog' ta yuQ naXoCftttm «f«-
fioyia (tavia Sk noyfiQtiy iaily dy9gto7it}y nyufAata) lotg Caioiy iMvofifya xnl vTf/r«rf«
ro(/c ßotiiPi(ag firj ivyxdyoyxaty aviff lax^^i i^tXavyti, xay ngoa^yyix^i fnoy^y tds y9öov6t,
fiovai 6t xal ^iQfi(oy vddttay n^yal xatd tby lonoy .... Diese im Altertbum Kallirrbof
genannten Thermalquellen sprudeln noch heut unfern der Mündung des Wadi Z«rka MÜn
in's Todte Meer, welches Thal die Hochfläche im Norden umgiebt, auf der die noch heate
Mukaur genannte Trümmerstfttte des alten Machaerüs gelegen ist (vergl. Kersten ia Zeit-
schrift des Deutschen Palftstina-Vereins , IL, 1879, 8. 208 IT.). Der fabelhafte Bericht das
Josephus kehrt offenbar in den späteren Traditionen über die lebeni^AhrÜcbe Ge-
winnung der Alraunwurzel (vgl. S. 743) wieder, obwohl noch manche spätere Züge fehlen.
(731)
oder Bataritis, die an einer genau angegebenen, auch heut noch wohl bekannten
Stelle an der Ostseite des Todten Meeres wächst, „ihren Ort wechselt und nur
namentlich der dem Hörer tödtliche Schrei, den die Wurzel ausstösst, wenn sie aus der
Erde gerissen wird. Indess wird auch dieser Zug wohl orientalischer Sage, wenn auch
wieder einer anderen Quelle, entstammen, obwohl allerdings erst im Mittelalter zwei
arabische Schriftsteller, Ihn el Awwäm und Ihn Baithär (nach Low Aramäische
Pflaniennameu, Leipzig 1881, S. 239), von einer Pflanze Lüf oder Ssabat berichten, jeden-
falls der Gattung Arum oder einer verwandten angehörig, die „zu Pfingsten schreit; wer
sie hört, stirbt im selben Jahre''. Sie wird daher auch es-ssarächa, „die Schreiende^
genannt Fast gleichzeitig mit Josephus berichtet Plinins (Lib. XXX, Cap. I, sect 6),
allerdings unter Spott und Unglauben, dass ihm als jungem Manne der Grammatiker
Apion Ton einer Pflanze Cynocephalia (in Aegypten Osiritos genannt) erzfthlt habe: „si
tota erueretur, statim eum qui eruisset mori.^ Der Name lässt vielleicht schon auf die
Mitwirkung eines Hundes schliessen. Dagegen schliesst sich anf^s engste an Josephus
die Wundennftre des Aelianus an, der in Nat Anim. XIY, 27, allerdings ohne Fund-
ortsbezeichnung, von der Erwerbung einer Heilpflanze gegen Epilepsie und Augenkrank-
heiten berichtet: ^OrofJia q)vrov Mvt^oanaatot (xalHtm ^k oqo xa\ ayXaoqiürii i) avir}'
ßovlofiai yaQ ixiiaat ;)fo/oc V7iouvfi9t>s) o fit&^ fffii^av filv fy tote alXoig Sialilfi^tVj
*tt\ ovx Iffr« navv avt^oitoy, rvxftüQ Jk fx(pa(yiiai xal ifutnQinii tos aat^Q' (ployiodfig
yaQ ioji xal foixi TtvQl, Ovxovv ati/Attoy rt tai( QfCoig naQttnr^^ayin avini ttnttlldtToyfai,
ovte trjy XQOt* f/oytts uf&^ i^fAigay^ *' iW? rovjo ^Qaaany, ßiyfi/aoyfvaai^ ovrt fitjy ro ilöoi,*^
Folgt nun die Manipulation vermittelst des Hundes, wie bei Josephus, nur dass derselbe
nicht an die Wurzel, sondern an den unteren Theil des Stengels angebunden und durch
vorgeworfenen Brateu zu der Bewegung, die das ihm tödtliche Ausreissen der Pflanze be-
wirkt, verlockt wird. Diese Zanberoperation geschah, wie schon aus Obigem hervorgeht,
abweichend von den mittelalterlichen Traditionen, bei Tage; es heisst auch ausdrücklich:
„fnay 61 o t^lioq tSri rag ^/^ac, u xCtity ano&yriaxtt naga/Q^^a. Saniovat ^fj iy avr^
tigi X^Q^V ovToy, xal ttyag ^gäaayttg dnogrjjovg ItQOVQyfag xal iifA^oaytti tov xvybg toy
yixgoy vnkg avtoy itSyiimog.*^ Auch noch spätere byzantinische Schriftsteller, Zonaras
(Ann. VI, p. d08) und Phjkas (Ann. III, p. 278) erwähnen die Pflanze Bnag oder die
QiC« Baiagtits 17 q>koyot(6fii (flammae similis)**. Seetzen IY, p. 379, nach Low a a. 0.,
S. 188. Der Name Aglaophotis kommt in der antiken Pflanzen-Nomenclatur mehrmals vor.
Bei Plinius (Lib. XXIV, Cap. XYII, sect 102) ist sie eines der Zauberkräuter des Demo-
kritos; bei Hermes Trismegistos das Kraut des Mondes (nachE. Mejer, Geschichte der
Botanik II., Königsberg 1855, S. 344. Ob mit der Pflanze des Aelian Paeonia (welche bei
Dioskorides und Apulejus auch Aglaophotis genannt wird) und von der schon Theophrast
(Hist. plant IX, 8, 6) das Märchen der Wurzelgräber berichtet, dass der Specht sie be-
wache und dem sie Sammelnden die Augen auszuhacken suche, oder wie Andere wollen,
der sndeuropäische, lebhaft phosphorescirende Hutpilz Agaricus (Pleurotus) olearius DC.
(über welche Erscheinung Tulasne, Ann. des sc. nat. YII, ser. t. IX [1848], p. 888—362
ausführlich berichtet) gemeint ist, lasse ich dahingestellt. Im Sinne v. Perger's (Pflanzen-
sagen, 1864, S. 71fr.) gehören die erwähnten Pflanzen zu den „ungenannten*', da Baaras
oder Bataritis nur von dem Fundorte, Aglaophotis (Glanzlicht) von der Eigenschaft des
nächtlichen Leuchtens, Kjnospastos (vom Hunde ausgerissen) von der Art der Gewinnung
abgeleitet ist. Das „Kömlein Wahrheit**, das nach dem Ausdruck des geistreichen Yolks-
märchenerzählers Mus aus vielleicht auch in diesem «Yolksgerede^ verborgen sein mag,
zu ermitteln, ist in diesem Falle wohl wenig Aussicht Jedenfalls fiel es weder Aelianus,
noch Josephus ein, die fabelhafte Pflanze mit dem. Beiden zweifellos wohlbekannten
Mandragoras zu identificiren. Eher dürfte die von Josephus an einer anderen Stelle
(Antiquitates Judaicae YIII, 2, 5) erwähnte Zauberwurzel, welche in dem Siegelringe
Salomo's eingeschlossen war, mit dem Baaras identisch sein. Ein Bekannter des Josephus,
der, wie nicht weniger als 22 andere, in dessen Schriften vorkommende Personen, den
Namen 'EltdCagog {jittCagoq des neuen Testaments) führte, trieb in Gegenwart des
Yespasianus und Titus durch den Geruch dieser Wurzel aus zahlreichen Besessenen den
(732)
durch gewisse unästhetische Mittel in der Erde festgehalten wird, des Nachts wie
ein Stern leuchtet und nur durch einen Hund aus der Erde gezogen werden darf,
welcher dabei sein Leben verliert, während die ausgerissene Wurzel ohne Gefahr
berührt werden kann", hatten ursprünglich etwas mit der Arznei- und Zauberpflanze
Mandragoras, deren Kräfte zum Theil seit uralten Zeiten berühmt waren, zu thun.
Die schlafmachende Wirkung') dieser Pflanze war schon im Alterthum sprüch-
wörtlich, und auch noch, worauf den Vortr. Hr. Dr. Franz Moewes aufmerksam
machte, zu Shakespeare's Zeit wohlbekannt, wie Stellen aus zweien seiner be-
Teufel aus und bannte ihn durch Salomonische Beschwörungsformeln. Der deutsche Ant
Johann Weyer (lateinisch Wierus, französisch Wier, der, ein wackerer Vorkämpfer
der Humanität und des gesunden Menschenverstandes, als einer der Ersten gegen die
Hexenprocesse auftrat) zeigt sich seiner Zeit auch hier voraus, indem er (Von Yeneabe-
rangen u. s.w., Basel 1565, S. 883) diesen Bericht in folgender derber Aeussenmg ver-
spottet: „Hierzu können wir nicht änderst sagen, das die drej alle zumal, Josephns
n&mlich als ein Jud, Vespasianus als ein Hejd, vnd Eleazarus der Hebreer, von dem
Teuifel gefatzet und vmbgetrieben sejen worden.** Derselbe sei nehmlich freiwillig ent-
wichen, „damit vnnd das er die Leute desto lustigkUcher betriege*'. Ich verdanke diese
und noch einige andere Stellen aus der deutschen Zauberliteratur der Güte des Hm.
R. Beyer, der schon vor Jahren eingehende (weiter unten zum Theil wiedergegebene)
Studien über die Alraune und Verwandtes gemacht hat.
Erst gegen Ende des fünften Jahrhunderts erscheint der unglückliche Hund, mit
dessen Leben der Besitz der Zauberwurzel erkauft wird, an hervorragender Stelle in Ver-
bindung mit dem Mandragoras. Auf einem der, dem gleichfalls in der k. k. Hof bibliothek
in Wien aufbewahrten Codex Byzantinns des Dioskorides vorgehefteten Bilder erscheist
Dioskorides „in weissem Professorentalar auf der goldenen Cathedra sitzend, wührend die
wissenschaftliche Forschung (Heuresis) mit der einen Hand ihm die Mandragora-Pflanze
überreicht, in der andern an einem Strick den erdrosselten Hund hält, der die Wnnel
aus der Erde gezogen. Auf einem zweiten Bilde erläutert die Heuresis dem vor der
Staffelei stehenden Maler die Mandragora, die dieser auf eine goldgerahmte weisse Tafel
abzeichnef* (P. Cohn a. a. 0., S. 286).
Nach Th. v. Heldreich (Nutzpfl. Griechenl., S. 86 u. 37) glaubt das Volk in Griechen-
land noch heute, „dass deijenige sterben muss, der die [Mandragoras-] Wnnel ganz bis
an's Ende ausgräbt, daher man sie nur mit Hülfe eines Hundes, der an das Obertheü der
Wurzel gebunden wird, ausziehen soll!**
1) Znr Hervormfnng dieser Wirkungen bedurfte es angeblich nicht einmal des Ge-
nusses der Pflanze: schon den Ausdünstungen wurde diese Wirkung zugeschrieben. Von
den Früchten sagt Plinius (1. c): „gravedinem adferunt etiam olfactu; quamquam mala
in aliquibus terris manduntur, nimio tarnen odore obmutescunt ignari.** Unger (a. a. 0.,
S. 306) versteht unter gravedo, sicher mit Unrecht, „Schwangerschaft", während die« Wort
offenbar „Schwere des Kopfes' heissen soll (als ein Mittel dagegen wird von Pliniu§ [Lib. XIX,
Cap. IV, sect 11] empfohlen, die Nase eines Maulthiers zn küssen!) Als Anästheticnro ror
Operationen wurde für einzelne Patienten schon den Ausdünstungen dieselbe Wirkung zu*
geschrieben, die wir von Aether und Chloroform kennen: „Ob haec satis est aliquibus
somnum odore quaesisse" (Plinius XXV); vermuthlich auch (1. c.) die Vorschrift: „effo«san
cavent contrarium ventum, die allerdings mit der folgenden, von Theophrast ;8. uiteo
S. 734) übernommenen unter Umständen collidiren könnte: „postea (nach der noch zu er-
wähnenden dreimaligen Umkreisung mit dem Schwerte) fodinnt ad occasum spectaates.*
Auch aus neuerer Zeit ist übrigens, worauf mich gleichfalls Hr. Beyer aufmerksam
macht, diese Wirkung bezeugt Es findet sich in Boyle's de natura detarmioata efflu-
viorum (Opera varia 1680, p. 37) folgende Stelle: „Scriptores de Venenis roemonstt
Mandragorae radicem et succum Sopori lethargico haurientes dare. Et qnamqtiiD
ejusdem plantae poma multo minus noxia habeantur, Levinus Lemnius (in Eipli-
caüonibus Herbarum Biblicamm c. 2, tamen narrat, so, cum in Musaeo soo qoardan
i
(733)
rühmtesteD Dramen beweisen. In Anthony and Cleopatra, ActI, Scene V, sagt
Cleopatra:
Give me to drink mandragora ....
That I might sleep out this great gap of timc,
nehmlieh bis zu der Hückkehr ihres Geliebten Antonius, und in Othello, Act III,
Scene III, sagt Jago, nachdem er dem Mohren den tödtlichen Verdacht gegen
Desdemona eingeflösst: v
. ... Not poppj, Dor mandragora
Nor all the drowsy sirups of the world
Shall ever medicine thee to that sweet sleep
Which thou owedst yesterday*).
Dieser schlafmachenden, bezw. betäubenden Wirkung des Mandragoras soll man
sich im Alterthum sogar im Kriege bedient haben. So erzählt Sextus lulius
Frontinus (Strategematicon Lib. II, Cap. V, 12): „Maharbal^), missus a Cartha-
giniensibus adrersus Airos rebellantes, cum sciret gentem avidam esse yini, magnum
ejus modum mandragora permiscuit, cujus inter venenum et soporem media vis
est Tunc proelio levi commisso ex industria cessit: nocte deinde intempesta, re-
lictis intra castra quibusdam sarcinis et omni vino infecto, fugam simulant:
cumque barbari, occupatis castris in gaudium effusi, medicatum ande merum
hausissent et in modum defunctorum [dead drunk sagt der Engländer bezeichnend!]
strati iacerent, re?ersus aut cepit eos aut trucidavit.^ Denselben Kunstgriff soll nach
Mandragorae poma reposnisset, halitibns eomm adeo redditum fuisse somnolentom, ut viz
excutere soporem posset; remotis Tero pomis alacritatem pristinam rccnperasse.**
1) Auch der Schrei der Alraunwurzel wird von dem grossen britischen Dramatiker
zweimal erwähnt, worauf mich gleichfalls Dr. Moewes aufmerksam macht«; allerdings
bringt er an der ersten Stelle bei ihm (wie in der oben erwähnten Fou quatschen Novelle)
nicht Tod, sondern Wahnsinn. In Bomeo and Juliet (Act IV, Scene III) sagt Julia, sie
furchte, zu früh in den Schauem des Grabgewölbes zu erwachen, und nennt nnter diesen:
.... shrieks like mandrake^s tom out of the earth,
That living mortals, hearing them, run mad.
An der zweiten Stelle, an der Suffolk in King Henry VI, Part II, Act III, Scene 11, der
Königin zuruft:
Would curses kill, as doth the mandrake's groan,
wird ihm, wie gewöbnhch, tödtliche Wu-kung zugeschrieben. Die Ah-aunwurzel wird femer
an zwei Stellen in King Henry lY, Part 11, als Yergleichsobject mit einem kleinen und
mageren Menschen gebraucht: Act I, Scene II nennt Falstaff seinen kleinen Pagen
^whoreson mandrake*' und Act III, Scene II sagt er, dass der Friedensrichter Shallow
in seiner Jugend in liederlicher Gesellschaft „mandrake" genannt ¥nirde; der dort hinzu-
gefügte Vergleich: „when he was naked, he was like a forked radish with a head
fantastically carved upon it with a knife,'' sieht wie eine scherzhafte Anweisung zur
Herstellung eines Alrauns aus. Jedenfalls sagt B. Sigismund in seinem lesenswerthen,
auf eigene Quellenstudien beruhenden Aufsätze: „Die Pflanze als Zaubermittel" (Mitth. d.
Botan. Vereins für Gesammt-Thüringen, III. [1889], S. 290-302) mit Recht, dass aus
diesen wiederholten Erwähnungen sich schliessen lasse, dass Alraune zur Zeit des Dichters
allgemein gebräuchlich und bekannt waren. Bemerkenswerth ist, dass für die Arznei
(mandragora) und die Zauberwurzel (mandrake) verschiedene Namen gebraucht werden.
Dass das letztere nur eine „volksetymologisirende^ Verstümmelung des ersten ist, liegt
auf der Hand.
2) „Nach berühmten Mustern** wurden für diesen wenig bekannten Namen bei Citaten
öfters berühmtere gesetzt. Schon der noch nicht ein Jahrhundert später schreibende
Polyainos (Strategika V, 10, 1) erzählt dieselbe Geschichte, nennt den punischen Feld-
herm aber Himilko; Brandt und Ratzeburg (Deutschlands Giftgewächse I., Berlin 1884,
S. 79) haben Hannibal, A. v. Perger (üeber d. Alraun a. a. 0., S. 264) Hamilkar.
(734)
PolyainosO (Strategika, Buch VIII, Cap. 23, 1), der jonge Caesar angewendet
haben, als er, wie bekannt, auf einer Reise nach dem Orient, unweit des Vor-
gebirges Malea, in die Hände kilikischer Seeräuber gefallen war. Er Hess mit
dem verlangten Lösegelde auch einen Vorrath mit Mandragoras vergifteten Weines
aus Milet kommen, mit dem er die Räuber, mit denen er während seiner Haft
ziemlich freundschaftlich verkehrt zu haben scheint (Caesar inter piratasl), be-
wirthete. In ihrer Narkose Hess er sie sodann ergreifen und gab das Lösegeld
den Milesiem wieder.
Eine ähnliche „Kriegslist" wird übrigens auch aus dem Mittelalter, sowie,
gleichfalls von nordafrikanischem Boden, aus der neuesten Zeit berichtet, wobei
indess andere narkotische Solanaceen benutzt wurden. Der letztere Fall, die Ver-
nichtung der französischen Expedition Flatters in der stldlichen Sahara nach
vorangegangener Vergiftung mittelst Hyoscyamus Falezlez Coss., welches Gift den
halbverhungerten Opfern in trüglich dai^ebotenen (gequetschten) Datteln bei-
gebracht wurde, ist noch in frischer Erinnerung. Die mittelalterliche Erzählung,
in welcher Atropa Belladonna L. als das angewendete Gift genannt wird, habe
ich nach George Buchanan (Rerum Scoticarum Historia. Ultrajecti 1668
p. 204) vor einigen Jahren (Sitzungsber. Ges. Naturf. Freunde. Berlin 1890,
S. 75 — 76) in extenso mitgetheilt. Sie hat durch die handelnden Personen, den ans
Shakcpeare's Macbeth bekannten König Duncan von Schottland und seinen Feld-
herrn Bancho, ein besonderes Interesse. Dieselben werden von dem (auch bei
Shakespeare Act I, Scene 11, erwähnten) norwegischen König Svend in der Haupt-
stadt Perth belagert. Um fUr den Entsatz durch den heranrückenden Macbeth
Zeit zu gewinnen, lassen sie sich scheinbar in Verhandlungen mit den Belagerern
ein, die durch Lieferung von Lebensmitteln und vergiftetem Wein und Bier be-
siegelt werden. Die arglosen, an Speise und besonders an Getränk Mangel
leidenden Norweger sprechen letzterem unmässig zu und werden in ihrer Atropin-
narkose grösstentheils niedergehauen, bis auf wenige, denen es indess gelingt, den
bewusstlosen König auf die Schifte zu retten. Obwohl die genannten Personen
der Geschichte angehören, ist der ganze Bericht doch sagenhaft.
Weniger beglaubigt, als die hypnotischen Eigenschaften der Mandragora, aber
in folkloristischer Beziehung ungleich bedeutsamer, sind die erotischen').
1) Brandt und Ratze bürg (a. a. 0.) citiren als Gew&hrsmann dieser wohl apokryphes
Erzählung „Frontinus, Strategem., L. Vni"(!!); die Strategematica dieses Schriftst^en
haben aber nur vier Bücher. Wie viel Zeitverlust durch solche unrichtigen Citate ret-
anlasst wird, hat wohl jeder mit derartigen Arbeiten Befasste erfahren! Auf die Spar
des richtigen Autors brachte mich mein Bruder Ferdinand, dem ich überiiaopt f&r
Förderung meiner Literaturstudien vielfachen Dank schulde.
2) Erwähnen doch die Alten eine Aphrodite Mandragroritis (allerdings auch einen Zens
Mandragoras). Auf aphrodisische Wirkungen deuten auch schon die wunderlichen Ore-
monien, unter denen, wie Theophrastos (Eist, plant IX, 8, 8) berichtet, der dies^lbea
allerdings als thuricht und betrügerisch bezeichnet» die griechischen Wnnelgrftber sich
in den Besitz der Mandragoras- Wurzel setzten: y,negtyQag)iiy Sk xal rov fiarSgayo^r </c
tQlg ^((fti^ tifivay 6k n^oq ian^Qau ßlinorta. jor «T htQOv xvxltfi ntgtogx**^^^ *^^
liyu¥ toi Tilfiara nsgl aq>Qoö%a(t»y.'^ Es muss zwar bemerkt werden, dass, woraaf scboa
Anguillara (Sempl., Yenet 1561, p. 90, nach Sprengel), nach ihm Caspar Banhin
{Wvai theatri botanicj, Basil. 1671, p. 169), C. Sprengel, Theophrasfs Katnrg. A^ (^
wachse [1822], IL, S. 224), Brandt und Ratzeburg (a.a.O., S. 77) und znletit Th.
V. Heldreich (Mitth. d. Bot Ter. f. G.-Thür., IV., S. 76, 76) hinwiesen, der von Tlwo-
phrast selbst gesehene fiafdgayogccg unmöglich mit dem des Dioskorides, PUnioi osd dff
sp&teren Schriftsteller identisch sein kann. Da Theophrast ihm (1. c VI, 3, 9) onea
Von der pbarmaceutischen Benutzung als Äphrodisiacum und zur Erhöhung
der FVuchtbarkeit des Weibes führt nur ein kleiner Schritt zur magischen als
Talisman, um Gegenliebe hervorzurufen '). Diese erotische Anwendung steht, wie
aus den obigen Mittheilungen des Hrn. v. Luschan hervorgeht, im Orient noch
heute im Vordergründe und hat sicher auch stets obenan gestanden. ,Auf sie be-
ziehen sich die ältesten Nachrichten, die wir über die Pflanze haben. Es kann
nach der übereinstimmenden Meinung der sachkundigsten Beurtheiler (schon
der LXX Dolmetscher, vergl. Wetzstein in Delitzsch, Gommentar zum Hohen-
liede und Roheleth Leipzig 1875 S. 4B9 — 445) nicht zweifelhaft sein, dass unter
den oder nach Wetzstein dem in der Genesis 30, 14—17 und im Hohenliede 7,
13 erwähnten Dudäim die wohlriechenden (vergl. die citirte Stelle des Hohenliedes),
Stengel, ähnlich dem fOQ^ri^ (Ferula), und schwarze Fruchte mit weinähnlichem Saft zu-
schreibt, so hat die Yermuthung de/ genannten Schriftsteller, dass hier die allerdings im
jetzigen Königreich Griechenland sehr seltene, indess schon am Olymp und Athos häufige,
sowie auch in Kleinasien vorkommende Belladonna gemeint sei, viel für sich. Trotzdem
ist es wohl kaum zu bezweifeln, dfiss die heutigen Mandragoras- Arten auch schon zu
Theophrast's Zeit und früher so genannt wurden, und vielleicht mögen sich die erwähnten
Gebräuche, die ja auch Plinius (vergl. oben 8. 732), nur unter Weglassung des unter
übscöncn Reden umher tanzenden Gehülfen, von seinem (mit dem unserigen sicher iden-
tischen") Mandragoras berichtet, schon damals vorzugsweise oder allein auf letztere. Jeden-
falls ist der niedrige Mandragoras leichter mit dem Schwerte zu umkreisen, als die oft
über mannshohe Tollkirsche. Ob in diesen Rhizotomen-Gebränchen, sowie in dem von
Josephus bei der Erwerbung des Baaras berichteten Verwendung von Weiberham oder
Menstrualblut, die Quelle der späteren abendländischen Traditionen von dem unsauberen
Ursprung der unter dem Galgen wachsenden Alraunwurzel (vergl. weiter unten 8. 743) zu
suchen ist?
Wie ein später Nachklang der antiken Mandragoras -Traditionen in erotischer Be-
ziehung erscheint folgende Nachricht, die der berühmte Africa-Reisende Leo Africanus
am Ausgange des Mittelalters über eine fabelhafte Wurzel des Atlasgebirges, gleichfalls
nicht ohne eine ironische Zwischenbemerkung, bringt, — eine Nachricht, auf die mich
Hr. Bolle, ein hervorragender Kenner nicht nur des botanischen Folklore, aufmerksam
macht. Gegen Ende des IX. Buches der Africae descriptio liest man :
„Sumag radix.
„Est quoque et hoc radicis genus in Athlantis Occidentalibus loci» proveniens, cui
vires inesse ajunt earum regionum incolae, merobrum virile tum confortandi, tum qni ea
in electuario utatur, coitum augendi. Affirmatnr quoque st casn radici immeiere quem-
quam contingat, subito membrum erigi. Non praetermissnrus snm hoc loco, quae commnni
sententia omnes Athlantis incolae afferunt, plurimas puellas ex earum nuniero, quae
animalia per eos montes pascunt, virginitatem alia occasione non amisisse, quam quod
urinam snpra hanc radicem emisissent : quibus ego joco respondebam, me probare quidquid
de ejus radicis occnlta virtute eventus comprobasset. Ajebant quoque, inveniri nonnullas,
quae adea infectae essent, ut non modo virginitatis florem amittere facerent, sed corpus
Universum quoque turgere.**
Hr. Wetzstein bemerkt mit Recht, dass der Name Sumag schwerlich arabisch,
sondern muthmaasslich berberisch sei. Von arabischen Worten würde ^y^ in den Con-
sonanten übereinstimmen; indess ist dies nach Wetzstein sarendj auszusprechen und ist
auch kein Pflanzenname, sondern nach dem Qamüs „ein bekanntes, bei Wundenheilungen
verwendetes Medicament, das auch seilaqün genannt werde; letzteres Wort bezeichne un-
zweifelhaft ein Mineral.* Eher könne man (immer nach Wetzstein) noch an sarmaq denken,
ein Synonym des bekannten Pflanzennamens qataf^ der u. a. Atriplex- Arten bezeichnet.
1) Ebenso auch nach Sibthorp (FL Graeca III, p. 27), citirt von v. Martins (Fl.
Braail. X., p. 190), welcher berichtet, dass (vor etwa einem Jahrhundert) zu diesem Zwecke
die Jünglinge in Attika ein Stück Mandragoras- Wurzel in einem Beutelcben bei sich trugen.-
(736)
angenehm aromatisch schmeckenden Früchte des Mandragoras za verstehen sind,
deren Oeniessbarkeit schon Plinius (s. oben S. 732) erwähnt, und welche noch
heute im Orient als Aphrodisiacnm gelten, bei deren Verzehren man sich aber
hüten soll, die, yermuthlich stärker alkaloidhaltigen ') Samen mit zu rerschlncken.
A. y. Perger (Alraun, S. 261), vielleicht auch schon frühere Schriftsteller be-
zeichnen sie, entsprechend der Bedeutung des hebräischen Dudäim, das mit «ama-
torius" erklärt wird, als „Liebesäpfel" (mala nannte sie auch Plinius). Es er-
scheint annehmbar, dass dieser Name von der Mandagorasfrncht auf die aus
Indien stammende, wohl erst im Mittelalter in die Länder Vorder -Asiens und
später nach Südeuropa eingeführte Frucht von Solanum Melongena L. (arabisch
badindjän, ital. melanzana, französ. aubergine) übertragen wurde, die auch öfter
im Syrischen mit dem Namen des Mandragoras, jabrühä (der auch ins Arabische
übergegangen ist und durch „Volks -Etymologie" zu djerabüh „Erwecker der
Wollust" wurde vgl. Wetzstein a. a. 0.) bezeichnet wird, vgl. Low, Aram.
Pflanzennamen S. 188, und von dieser endlich auf die amerikanische Tomate
(franz. pomme d'amour) und das in der Frucht ähnliche afrikanische Solanom
aethiopicum L. ') (in Constantinopel nach Delile pomme d'amour des juifs) über-
tragen wurde. In Algerien heissen die Mandragoras -Früchte (nach einer brief-
lichen Mittheilung von Dr. Gh. Bonnet) neben jabrfih auch arab. tofah-el-djeo
(Geister- oder Dämonenäpfel), berb. tarilä.
Während nun die Dudäim-Frucht sehr bekannt ist, so erwähnen angeblich
nur Rabbiner des Mittelalters') nach Harsdörffer (Grosser Schaw-PhUx
Jämmerlicher Mordgeschichte IL, S. 277) und A. v. Perger (Alraun a. a. 0., 8. 261,
Pflanzens., S. 1 1) einer Dudäim- Wurzel. Aus dieser sollen die Theraphim („Götzen^
Luther „eine Art Hausgötter oder Penaten" Gesenius) gearbeitet gewesen sein,
welche Rahel ihrem Vater Laban stahl und so erfolgreich verheimlichte (Genesis 31,
19, 30, 32, 34, 35). Diese Angabe ist insofern von Interesse, als den Urhebern
derselben offenbar künstlich bearbeitete Mandragoras -Wurzeln, wie sie Hr.
V. Luschan uns vorgelegt hat, wohlbekannt gewesen sein müssen. Das Vor-
handensein solcher Präparate schon im classischen Alterthum kann freilich ksnm
bezweifelt werden. Wenn schon Schriftsteller der Ptolemäer-Zeit, wie die ver*
lorene Schrift des [PseudoJ-Pythagoras über die Wirkungen der Pflanzen (nach
einem Gitate im oben erwähnten Codex Neapolitanus des Dioskorides) die Wund
1) Ahrens (66. Jahresb. d. schles. Ges. f. vaterl. Cultur, Breslau 1889, 8. 162—164;
Ber. D. Chem. Ges., XXn. (1889), 8. 2159-61; Ann. d. Chem., CCXXL, 8. 812-816, fW
in alter Mandragoras- Wurzel ein neues Alkaloid, Mandragorin, isomer mit Hyotcytmifl.
2) Diese Pflanze findet sich auch unter dem Namen qa'üta oder qüta in den arabttcte
G&rten Aegyptens; ebendaselbst eine nahe verwandte, nur durch stärkere Behaarong ftt-
schiedene Form, die schon Rohlfs (1866) als qa^üta ans FesAn mitbrachte, die aber ia
Aegypten wadda heisst Letztere dürfte mit dem von der Ooldknste beschriebenes S.
geminifolium Thonn. identisch sein; zu vergleichen ist sie anch mit dem ans Brasiliea be-
kannt gewordenen S. Gilo Raddi. Yergl. Ascherson et 8chweinfurth in M^ ^
l'Inst Eg. II (1889), p. 769.
8) Allerdings hat sich einer der gelehrtesten Kenner der rabbinischen Litterator, der
durch sein ausgezeichnetes Werk „Aramäische Pflansennamen" gerade auf dem Gebiet«
der botanischen Alterthümer so rühmlich bekannte Dr. Immanuel Low, Tergeblich bem&lit,
eine solche Stelle aufzufinden. Derselbe schreibt mir (Szegedin, 4. Febr. 1892) Folgende«:
„Die Hanptstelle der traditionellen Literatur über Terafim ist Pirkd derabbi EUescr BS
(etwa aus dem 8. Jahrb. n. Chr.), wo die Terafim f&r den abgesebnittenen Kopf eiae«
Erstgeborenen erkl&rt werden. Von einer Identification mit der Mandragora findet iick
nirgends eine Spur: Terafim und Dndaim werden bei Juden nirgends combiant*
(737)
dv^pwncfjLop^og und Golumella (De re rnstica IL v. 19, 20) ') sie „semihomo" nennen,
da ferner in den bereits S. 729, 730 (Pussn. 3) erwähnton Abbildungen im Codex
Neapolitanus des Dioskorides die Wurzeln der beiden Mandragoras-Arten in mensch-
licher, und zwar die eine in männlicher, die andere in weiblicher Gestalt, dar-
gestellt werden ^), so ist wohl anzunehmen, dass schon damals die Kunst der Natur
nachgeholfen hat. Auf diese Vergleichung deutet auch der von Unger (a. a. 0.)
erwähnte persische Name merdum-giah') (Menschenpflanze), der übrigens auffällig
an Mandragoras anklingt.
Dass die Anwendung des Mandragoras als Arznei- und Zauberpflanze von
Griechenland aus, in der macedonischen oder byzantinischen Epoche, auf eine
andere Solanacee der östlichen Rarpatenländer, Scopolia carniolica Jacq, übertragen
wurde, die, wie die verwandte Belladonna (die ja vermuthlich schon im classischen
Alterthume ebenfalls fjLCLvSpoLyopdq hiess, s. S. 734, 735, Pussn. 2), noch heute bei
den Rumänen Siebenbürgens und der Moldau matragün oder matragüna genannt
wird, und dass sich die Cuitur und vermuthlich die Benutzung der Pflanze vom
dort aus durch die Ebene Galiziens, das südwestliche Russland (Polen?) bis Ober-
schlesien, Ostpreussen und in's Rurländische Oberland verbreitet hat, jedenfalls ab-
seits von den Wegen deutscher Cuitur, glaube ich in einer vor zwei Jahren er-
schienenen Abhandlung^) wahrscheinlich gemacht zu haben.
Auch eine, mit Mandragoras verwandte Pflanze Süd-Brasiliens und Argen-
tiniens, Himeranthus runcinatus Endl. (= Jaborosa r. Lam.) wird zu magischen
Zwecken benutzt, v. Martins (Flora Brasilicnsis X. (1846) p. 190) sagt von ihr:
„Pari modo fertur Brasiliae australis Indes radicem Himeranthi runcinati in in-
cantationibus propinare ut animum ad magicas artes exerceant et in vaticinia
rapiantur, quae ideo Mandragorae, stirpis afßnis vices ibi gerit, apud anüquos
Graecos pro malis Medeae artibus decantatae, et cujus frustula tanquam amatorium
vel nostra aetate juvenes Atticos secum in sacculo circnm ferro Sibthorpiusin Flora
Graeca (III. p. 27) auctor est." Auf welcher Quelle die erheblich abweichende
Angabe Endlicher's (Enchiridion botanicum. Lipsiae et Viennae 1841, p. 334):
«Himeranthi et Jaborosae baccis ad inducendum furorem amatorium Americanos
1) Qaamvis semihominis vcsano gramine foeta
Mandragorae pariat flores . . .
2) Vergl. Cohn a. a. 0., S. 287.
3) Prof. K. Haussknecht, der vorr.ügliche Kenner des heutigen Persiens, schreibt
mir über das Vorkommen von Mandragoras in diesem Lande (Weimar, 17. Jan.) Folgendes :
„Was Mandragora betrifft, so kommt sie in Persien vor, obwohl sie Boissier nicht von
dort angiebt; vertrocknete Blätter habe ich dort gesehen und sie wurden mir auch von
den Eingeborenen als solche bezeichnet. Auf den persischen Bazaren ist die Wurzel
überall zu finden, die namentlich in der Provinz Schiraz gesammelt wird. Sie hat dort
verschiedene Namen, namentlich als jabruch oder yabrudsch-es-sennam oder sennem^
[arabisch, s. oben S. 728, P. A.], auch als merdum-giah (Manneskraut) oder mehr-e-giah
(Liebeskraut), biche-lefah [lef&h ist gleichfalls im Arabischen gebräuchlich, vgl. Low a. a. 0.,
P. A.]; der Name sekkun ist weniger gebräuchlich. Leider ist es mir nie gelungen, sie
zur richtigen Zeit zu sammeln, so dass die Art noch fraglich ist. Die vertrockneten Blätter
sind oblong, nach Art der M. Haussknechtii. Die Wurzel wird meist als Amnlet getragen.
Uebrigens wird auch die Wurzel von Hyoscyamus muticns vielfach dort verwendet, sowohl
in Latwergen, als auch gezuckert; sie gilt als Aphrodisiacum.^ [Ebenso in Aegypten; ihr
dort gebräuchlicher arabischer Name sekr&n bedeutet ebenso gut liebes-, als Alkohol- oder
Haschlschtrunken. P. A.]
4) Ascherson, Das Vorkommen der Scopolia carniolica Scop. in Ostpreussen. Sitzb.
Ges. naturf. Freunde. Berlin 1890. S. 59— P2 (im Sonderabdruck noch 8. 82 a— e).
VerbandL der BerU ▲ntbropoU OMelUcbaft 1891. 47
(738)
uti constaf^ beraht, habe ich nicht ermitteln können. Der Name der Gattung,
Himeranthus, deutet auf erotische Verwendung. V'on Jaborosa sagt der Autor
A. L. de Jussieu (Gen. Plant, ed. Turic. 1791, p. 140): „Jaborose*) nomen
arabicum Mandragorae quae habitu similis et fere congener." —
Hr. R. Beyer: Die im Abendlande hergestellten Alraune haben nicht au«
Mandragoras bestanden und weichen von den morgenländischen völlig ab. Der
ächte Mandragoras dürfte in Mitteleuropa kaum bekannt gewesen sein und
stand sicher den Verfertigem nicht zur Verfügung. Der nördlichste sichere
Fundort dieser Pflanze liegt im Vicentinischen. Von den übrigen bei Reichen-
bach (PI. germ. exe, p. 390, 1831) erwähnten Localitäten ist Pinzgau sicher un-
richtig. Pur Süd-TiroP) ist die Pflanze erst ganz neuerdings an einem Fundorte
bekannt geworden, über dessen Nicht-Ürsprünglichkeit kein Zweifel besteht: „Ver-
wildert auf einer Gku*tenmauer in Lenzima [südw. von Rovereto], wo selbe Anfangs
dieses Jahrhunderts von einem dortigen Curaten cultivirt worden war,** Graf
Sarnthein, Oesterr. bot. Zeitschr. 1891, S. 108. Bei Torri am Gardasee, auf dem
insubrischen Monte Generoso und im Valpelline bei Aosta [au pied de Douves]
ist die Pflanze, wenn sie daselbst überhaupt einheimisch war, längst ausgerottet
Nach Jacob Grimm (Deutsche Mythologie IL, S. 1005) ist der Gebrauch von
Alräunchen in Deutschland sehr alt. Wie man aber dazu gekommen, den Namen
der altgermanischen weisen Frauen auf die Zauberwurzel zu übertragen, ist trotz
aller Erklärungsversuche noch fraglich^). Am wahrscheinlichsten däucht mir die
Annahme Horst' s, dass schon die alten Deutschen solche Hausgötzen besessen
und «nter dem Namen Alraunen verehrt hätten. Es lag dann in der Thal nahe,
das Wort auch auf ähnliche, aus fremden Ländern stammende Gebilde anzo-
wenden. Nach Grimm übersetzten schon die althochdeutschen Glossen der
Münchener Bibliothek (Saec. 10) das Wort mandragora (dudaim) der Septuaginta
durch alrüna. Doch darf man wohl annehmen, dass die Runde von der Menschen-
ähnlichkeit und den wunderbaren Kräften der Wurzel dieser Pflanze im Abend-
lande erst durch die Rreuzzüge oder frühestens während der Herrschaft der
Araber in Spanien allgemein verbreitet wurde. Bekanntlich haben diese Ereig-
nisse die abendländischen Völker zuerst genauer mit morgenländischen Sitten ver-
traut gemacht. Natürlich wurde bald vielfach der Wunsch rege, eine so werth-
vollc Wurzel selbst zu besitzen. Es befremdet daher nicht, dass findige Geister
des Abendlandes auf den Gedanken kamen, unter den einheimischen Pflanzen mit
rübenfbrmiger Wurzel nach einem Ersatz zu suchen. Da man aber die ächten
orientalischen, stets unbehaarten und unbekleideten Wurzelmännchen nicht zn
Gesicht bekam, schnitzelten die Industrieritter aller Art, welche fortan sich be-
mtlhten, diesem Bedürfniss abzuhelfen, aus Wurzeln ein Produkt heraus, welches
mit jenen nicht die geringste Aehnlichkeit hatte. Sie waren auch pfiffig genug
1) Offenbar aus jabrüh (s. oben S. 728) cornunpirt
2) Die früheren Angaben aus Tirol sind höchst unwahrscheinlich. VergL Haas-
mann, Flora von Tirol, S. 1197, 1854.
8) Ausser Grimm handeln darüber Schmid, Conunentatio epistolica de Almais
Germanonun etc. Halae Magdeb. 1739; Schedius, De düs Germanonun, p. 4SI; Hont,
Zauberbibliothek. Mainz. Bd.y,182ö, S.326ffg. Schon P an 1 1 ini (Zeit-kfirtsende erbauliche
Lust m. 1697. 8. 618) meint, da nach Tacitus die Germanen nach dem Tode d^r Anriai*
Bildnisse derselben dargestellt hfttten, ^dass dannenhcr, was man von AUrüngen »chwaM
leicht kan erkläret werden. **
(739)
ein Mittel zu finden, um ihre Figürchen mit Haaren zu versehen. Das dabei
übliche Verfahren wurde erst im 16. Jahrhundert bekannt. Am ausführlichsten
bespricht dasselbe Mattioli')* ^s sei gestattet, den wesentlichsten Theil seines
Berichtes wortgetreu wiederzugeben:
„Die Theriackskrämer vnd Landftreicher haben ein wurtzel fcyl getragen, die
ift formiret wie ein männle oder weible, haben die leute vberredet, fie fey
fchwerlich zubekommen, muffe vnter dem galgen mit forglicher mühe aufsgegraben
werden, dartzu mus man einen fchwartzen hund haben, der fie an einem ftricke
aufsreiffe, der gräber aber foll die obren mit wachfs verstopffen, dann fo er die
wurtzel höret fchreien, ftehe er in gefhar feines lebens. Was ift das anderft,
dann wie man vom Farn fagt, wer den Famfamen-) will holen, der mufs keck
fein, vnnd den Tcuffel können zwingen. Solch narrenfpil vnd fpectra mufs man
den leutten machen, quia vulgus vult decipi, darumb bin ich hie, fpricht der
Landtftreicher, das haben fie auch meyfterlich aufsgerichtet, gemelte wurtzel thewer
verkaufft, als mache fie die leute, vnd fonderlich die bezauberten, gluckfelig, die
vnberhafften weiber fruchtbar, habens alle fambstag mit wein vnd waffer baden
muffen, fauber einwicklen, vnd heymlich halten. Vnd foll nun der güttige lefer
wiffen, das folche Alraun¥rurtzlen ein lauter fabelwerck, vnd gemacht ding fein,
dann Re fchneiden die Brionienwartz'), oder Rhorwurtzlen, dieweil fie noch frifch
findt, in eines menfchen geftalt, ftecken Gerften oder Hirfenkömlen an die ftellen,
da fie wollen haar haben, darnach verfcharren fie diefe gefchnitzte wurtzel in
fandt, bifs aufs gcmelten kömlen zäferlen wachfen, welchs gemeiniglich in dreyen
1) Ich citirc nach der seltenen deutschen Ausgabe: „New Kreütcrbuch. Mit den aller-
Bchönsten und artlichsten Figuren aller Gewechfs, dergleichen vormals in keiner sprach
nie an tag kommen. Von dem Hochgolerten vnd weitberümbten Herrn Doctor Petro
Andrea Matthiolo . . . Erstlich in Latein gestellt. Folgondts durch Georgium Handsch . . .
verdeutscht etc. Prag 1563."
2) Der unsichtbar machende Same des Famkrauts spielte im Aberglauben des Mittel-
alters keine geringere Rolle als die Alräunchen Man vergleiche ausser Grimm be-
sonders Reling und Bohnhorst, Unsere Pflanzen nach ihren deutschen Volksnamen u. s. w.
1882, 8. 62—64; Freiherr v. Valvasos, Ehre des Herzogthums Krain (1689) und die
Kr&uterbücher der Patres.
8) Auch die Zaunrübe stand bei den Abergläubischen in grossem Ansehen. Kranke
erhofften Genesung, wenn sie die ausgehöhlte Wurzel als Trinkbecher benutzten. Liess
ein Gichtkranker sein Blut in eine solche tr&ufeln und vergrub sie an einem heimlichen
Orte, so glaubte er beim Verfaulen der Wurzel gesund zu werden (Gichtrübe). Auch galt
dieselbe als Schutsmittel gegen Hexen und gegen Gewitter, sowie als Liebeszauber. Dazu
legten die Mftdchen, wenn sie zum Tanze gehen wollten, Scheiben der Wurzel in ihre
Schuhe und sprachen dabei:
Körfcheswnrzel in meinem Schuh,
Ihr Junggesellen, lauft mir zu!
(Vergl. Unger a. a. 0., S. 324; nach gütiger Mittheilung des Hm. Prof. A scher son, dem
ich für scbätzenswerthe Beiträge zu dieser Arbeit zu grossem Danke verpflichtet bin.) Die
Zaunrübe hiess nehmlich in manchen Gegenden wilder Kürbis oder Hundskürbis. Vergl.
über diese Pflanze noch A. v.P erger, Deutsche Pflanzensagen, S. 180 und Reling und
Bohnhorst a. a. 0., S. 217.
Uebrigens glaubte man auch, dass die Wurzel dieser Pflanze zuweilen die Grestalt
eines Menschen habe. So schreibt z. B. Schott, Magia Universalis I, p. 185: „In Brioniao
albae radice inventam efßgiem humanam, et adhuc in publico Museo ßononiensi conser-
vari, testatur Ambrosinus (in histor. monstror. Aldrovandi f. 308). '^ Die Abbildung
dieser „Wurzel" erwägt A. v. Perger, üeber die Alraune, S. 268.
47*
(740)
Wochen gcrchicht, alfsdann graben fie es wiederumb aufs, befchaben die an*
gewachfencn zäferlen mit einem fcharffen mefTcr, vnd machen tie alKo fein fobtil,
als werens haare an dem haupt, hart, ynnd bey der Ccham, darmit werden die ein-
faltigen betrogen.
„Diefe büberey hat mir Telbs ein Theriacksfchreyer offenbaret, der zu Rom
fchwerlich kranck lag, vnd in meiner cura war, zeigte mir ettliche folche ge-
Cchnitzte wortzlen, vnd tagte, er hette biCsweilen den reichen eine allein für dreifOg
Ducaten verkaufft*)"-
Die Form der abendländischen Alräunchen war sehr mannich faltig. Ihre
Länge betrug gewöhnlich nur etwa eine Handbreite bis eine Spanne. Doch soll
es auch solche Ton ein , ja selbst von 6 Puss Länge gegeben haben '). Die Be-
haarung beschränkte sich nicht immer auf die von Mattioli erwähnten Stellen,
sondern bedeckte zuweilen den ganzen Körper. So sind z. ß. die beiden Alräunchen
verschiedenen Geschlechts in der k. k. Bibliothek zu Wien") beschaffen, welche
daselbst seit 1680 aufbewahrt werden und noch im vorigen Jahrhundert viele aber*
gläubische Gemüther erregten. Sie stammen aus dem Besitz Kaiser RudolPs II.,
des hohen Schützers aller geheimen Wissenschaften, an dessen Alchymisten das
Goldgässchen auf dem Prager Hradschin noch jetzt erinnert. Früher wurden sie
regelmässig gebadet. Unterblieb das einmal, so sollen sie wie neugeborene
Kinder geschrieen haben, bis ihnen ihre gehörige Pflege zu Theil wurde*). Nach
A. V. Perger sind dieselben nicht aus der Wurzel der Zaunrübe, sondern ans
Rhizomen der Siegwurz gebildet^). Ebenso scheint das Alräunchen des Bergener
1) Ein anderer Originalbericbt über die Anfertigung von Alräunchen befindet sich in
S. Freyberg's Recreat. Mensal. Discurs. 13, p. 3B5; abgedruckt in Frommann^s Trac-
tatus de fascinatione novus et singularis. Norimbergae 1678, p. 669. — Dasselbe Ver^
lahren schildern J. Wier (Von verzeuberungen, Verblendungen, auch sonst viel vnd
mancherlei gepler des Teuffels vnnd seines gantzen Heers etc., deutsch durch J. Ffiglinnm.
Basel 1565), Giambattista Porta (Ma^a universalis 1589), Tabernaemontanut
(Neuw vollkommentlich Kreuterbuch) u. A.
2) Roth, de Imagvncvlis Germanorvm Magicis, qvas Alrvnas vocant. Uelmstadii 1787.
p. 5. Die Angabe ist entlehnt aus Happelius. Vergl. auch Tharsander, Schauplatx
ungereyrater Meynungen vnd Erzählungen. T. I, sect. VIII, p. 560 f.
3) Nach gefälliger Mittheilung des Dr. R v. Wettstein an Profi Asche rson be-
finden sich diese höchst merkwürdigen Gegenstände noch heute daselbst
4) Monatliche Unterredungen von dem Reich der Geister. 9. Unterredung, S. 287 flg.,
citirt bei Horst a.a.O. Die Wiener Alräunchen wurden zuerst beschrieben von Lam-
beck, Commentarii de Augustissima Bibliotheca Caesarea Yindobonensi , Wien 1665—79.
Lib. II und VIII; abgebildet in Calmet, Dictionarium histor. criticum etc. T. II nnd
V. Perger.
5) Die Siegwurz oder der Allermannsharnisch, Allium Victorialis L., frühea*
Yictorialis mas oder longa, nimmt in der Geschichte des Aberglaubens ebenfalls eine
wichtige Stellung ein. Ihre Zwiebel galt wegen des an einen Panzer erinnernden Faier-
geflechts als Amulet gegen Hieb, Stich und Schuss. Gleiche Namen und EigenBchaftea
legte man dem Gladiolus communis L., Victorialis femina oder rotunda beL Durch Hrn.
Dr. Potthast erfuhr ich, dass dieser Glaube vereinzelt noch 1870 in Beriin herrschte. —
Uebrigens bemerkt schon Keysler (Antiquität es selectae septentrionales et celticae etr,
Hannovcrae 1720, p. 505, adnot) bei Besprechung der Mandragora: Multis etiam ejusnuHÜ
superstitionibus inservit radix victorialis. lieber diese Zwiebel schreibt auch einer der
besten Kenner unserer norddeutschen Flora, Hr. Apotheker K. Beckmann in HannoTCf
früher in Bassum bei Bremen, Folgendes an Prof. Ascherson: »In den Dörfern der Um-
gegend von Bassum herrscht der Glaube, dass sich in jeder derselben eine Hexe (meiit
(741)
Museums, welches von Schübeier, Norges Växterige 3, p. 169 abgebildet ist,
wenigstens theilweise aus Siegwurz zu bestehen. Der Alraun des Märkischen Museums
zu Berlin soll nach Angabe des Gustos, Hm. Buchholz, nicht aus einer Wurzel,
sondern aus einer Maserknolle geschnitzt sein. Manche Alräuncbcn endlich waren
gar nicht aus Pflanzenstoffen verfertigt. Th. Bartholin beschreibt eines, dessen
Körper aus einem gedörrten Frosche geformt war. Dasselbe besas daher ge-
gliederte Beine, Knochen und ausgetrocknete Muskeln. Die lang herabhängenden
Haare bestanden aus Wurzelfasern. An dem zu einer menschlichen Figur zurecht-
gestutzten Körper war der kugelige Kopf (ex radice gallae [vielleicht Galgant,
Alpinia officinarum Hance, dessen Name wohl zur Herstellung eines Galgen-
männchens auffordert?] efActum) mit den Augen und Haaren geschickt befestigt.
Dies Alräunchen sollte unter einem Galgen in der Schweiz gefunden sein und
epileptischen Weibern Heilung gebracht haben*). Die Bekleidung dieser Gebilde
bestand meist aus einem weissen Seidenmantel mit gelbem Gürtel (Roth, 1. c. p. 5.)
Das sofort zu erwähnende Leipziger Erdmännchen, welches sich zu Keysler's
Zeit im Besitz des Dr. jur. Heinsius befand, lag in einem Kästchen und war
mit „4 Docken Flock-Seide" von graublauer, rother, gelber und grüner Farbe —
nach Keysler vielleicht Symbole der vier Elemente — wie mit einem Bettchen
umhüllt.
Die Alräunchen versahen nach mittelalterlichem Glauben alle Dienste eines
Spiritus familiaris. Besonders interessant für die Kenntniss ihrer Verwendung
ist ein Brief, den ein Leipziger 1575 an seinen Bruder in Riga sandte^). In der
Einleitung beklagt der Schreiber das Unglück und den Unfrieden im Hause seines
Bruders, die nach der Meinung verständiger Personen nicht von Gott, sondern
von bösen Leuten herrührten und nur durch „ein Alruniken oder Ertmänneken''
mit thranigen Augen [dortiger Ausdruck für Triefaugen]) befindet, die Menschen und Vieh
durch ihren Anblick behext; in Folge davon entstehen Krankheiten, welche von einem
anderen Weibe durch Besprechen geheilt werden können. Bei dem Vieh — ob bei
Menschen auch, weiss ich nicht — spielt Radix Yictorialis longae eine Hauptrolle. Es
wird dieselbe unter Hersagen einer Zauberforrael unter die Krippe, auch unter die Schwelle
eines Stalls gelegt." Gleiches berichtet Hr. Apotheker Perrin aus Köslin, welcher an
Prof. Ascherson schreibt, dass neben AUium Victoriaiis ebenso häufig die Knolle von
Gladiolus verwendet wird; die runde Knolle des letzteren (Radix Victoriaiis rotundae)
wird als „Fräulein" bezeichnet und bei männlichen Personen oder Thieren zum „Anfachen
der Liebe'' gebraucht; die Zwiebel des Allium (Radix Yict. longae), welche Männlein ge-
nannt wird, bei weiblichen Individuen. Beide werden entweder in geriebenem Zustande
eingenommen oder am Leibe getragen. Ausserdem dient der „Allermannshamisch'' auch
gegen das „Verrufen** (Behexen) des Viehes und wird dann entweder unter der Krippe
vergraben oder besonders Schweinen in die Obren gesteckt. Alünin Victoriaiis wird in
Ober-Oesterreich, wo sie „Lahnawurz" heisst, nach Duftschmid (Flora von O.-Oest. L,
S. 199, 1873) und Hans Steininger (Oesterr. Botan. Zeitschr. 1885, S. 274) gegen „Ver-
zauberung" des Viehes gebraucht^ wozu der letztere, ein kürzlich verstorbener, verdienst-
voller Volksschullehrer rationalistisch bemerkt, dass „das andere Vieh, welchem keine
solche Wurzel täglich gegeben wird, mit den danut gefutterten nicht mitweidet, da es
den Lauchgeruch nicht zu lieben scheint." Nach Duftschmid tragen die Burschen die
Zwiebel bei sich, um sich Sieg im Raufen und Glück im Spiel zu sichern. Eine köstliche
Blüthe der „Volksetymologie" ist die von Pritzel und Jessen (Die deutschen Volksnamen
der Pflanzen, S. 20) verzeichnete Namensform ; Almanachhamiscb (Pinzgau).
1) Th. Bartholinus, historia anatomica, Centur. II, hist. 51 (nach Fromroann 1. c.
p. 672).
2) Abgedruckt bei J. G. Keysler a. a. 0., p. 507 fg.
(742)
za bannen seien. „So hab ich mich nu von deinetwegen ferner bemühet und bin
zn den Leuten gangen die solches gehabt haben als bey unsem Scharff-Ricbter
und ich habe ihn dafür geben als nehmlich mit vier und sechzig Thaler und des
Budels Knecht ein Engels-Kleidt (d. i. ein Münzstück) zu Drinckgeldt solches soU
dir nu lieber Bruder aas Liebe und Treue geschencket sein, und so soltn es
lernen wie ich dir schreib in diesen Brieye wen du den Erdman in deinen Hause
oder Hofe überkümraest so lafs es drey Tage ruhen ehr du darzu gehest, nach
den 3. Tagen so hebe es uff und bade es in warmen Wasser mit dem Bade soliu
besprengen dein Vieh und die Süllen deines Haufses do du und die deinen über-
gehen so wird es sich mit dir woU bald anders schicken, und du wirst woll
wiederum zu den deinen kommen wen du dieses Erdmänneken wirst zu rade
halten und du solt es alle Jahr viermahl baden und so offte du es badest so solt
du es wiederum in sein Seiden Kleidt winden und legen es bey deinen besten
Kleidern die du hast so darffstu Ihnen nicht mehr thun, das Bad darin da es
badest ist auch sonderlich gut wann eine Frau in Kindes-Nöhten ist und nicht ge-
beren kan dafs sie ein Löffel voll dovon trincket so berth sie mit Freuden ood
Danckbahrkeit und wen du für Rieht oder Raht zu thun hast, so stecke den
Erdman bey dir unter den rechten Arm so bekümpstu eine gerechte Sache sie sey
recht oder unrecht. Nun lieber Bruder dis Erdmänneken schicke ich dir zu einem
glückseeligen neuen Jahr und lafs es nicht von dir kommen das es raagk behalten
dein Kindes-Kind hiemit Gott befohlen."
Ein Alräunchen soll nach anderen Berichten künftige und heimliche Dinge zn
Wohlfahrt und Gedeihen offenbaren. Jedes über Nacht, zu ihm gelegte Geldstück
findet man früh Morgens verdoppelt (daher Heckmännchen), doch überlade man
es nicht damit. Es weicht nicht von seinem Besitzer und kehrt, selbst wenn es
weggeworfen wird, wieder zurück, wenn man es nicht etwa wohlfeiler verkauft,
als es erstanden wurde. Nach dem Tode des Besitzers erbt es der jüngste Sohn,
muss aber dem Vater ein Stück Brod und Geld in den Sarg legen. Stirbt er vor
dem Vater, so geht es auf den Aeltesten über, der aber dem Todten ebenfalls
Brot und Geld mitgeben muss. (Vergl. Grimm a. a. 0., IL 1005, 1. 424, Anm.)
Ueber die Anwendung und die wunderbaren Kräfte von Alräunchen waren
viele Erzählungen im Umlauf. Man meinte, dass die Jungfrau von Orleans ihre
Siege über die Engländer einem Alräunchen verdankte. Nach G. Porta soll ein
italienischer Charlatan eine aus der Alraunwurzel geschnitzte menschliche Pigv
durch ein in die Scham gestecktes Hanfkom beseelt haben. Dieselbe, theilweise
eingegraben, beantwortete alle Fragen „mit dem Haupte**'). Wenn Jemand
einem Wurzelmännchen mehr als Gott vertraut, so bekommt der Teufel nach
mittelalterlichem Glauben die Macht, dasselbe zu beleben, gleichgültig, ob es be-
trügerischer Weise hergestellt oder wirklich im Erdboden erwachsen ist Indem
der böse Feind demselben ausserdem auch noch übernatürliche Kräfte beilege,
verstricke er die darauf Bauenden vollends in Sünde und bringe sie um die ewige
Seligkeit. Frommann veimuthet sogar, dass bei einem von ihm erzählten An-
gebot von Alräunchen eine direkte Abgesandte des Satans dieselben zu verkAufen
suchte-).
um den teuflischen Einfluss beim Gebrauch von Alräunchen zu erweisen, er-
1) Nach Harsdörffer im Grossen Schau-Platz Jftmerlicher Mordgeschichte. Enitr
und ander Theil etc verdobnetacht und vermehrt durch Ein Mitglied der HochlM>-
lieben Fruchtbringenden Gesellschaft. Hamburgk 1649, S. 277.
2) 1. c, p. 676 fg.: ..Emissariam hanc Satanae fiiisao, omnino mihi persuftdeo,*
(743)
zählt Harsdörffer') folgende (hier auszugsweise wiedergegebene) Geschichte. In
einer vornehmen Handelsstadt im Frankenlande befahl eine Handwerkersfrau auf
ihrem Sterbebette der ältesten Tochter, ein schwarzes Männlein, eben einen Alraun,
in den FIuss zu werfen. Die Tochter gehorchte, obwohl sie wusste, dass ihr
Vater nach der Meinung der Leute yerdorben sein sollte, weil er dies Männchen
einst in seinem Rasten hinter die Thür geworfen habe. Hedwig, die jüngere
Tochter, trug grosses Verlangen nach dem Alraun aus dem Erbe ihrer Mutter und
durchsuchte danach vergebens alle Winkel, da ihr die Schwester die Beseitigung
nach dem Auftrag ihrer Mutter absichtlich verschwieg. Nach beendeter Erb-
theilung aber fand Hedwig den Alraun, zu ihrer grossen Freude, plötzlich unter
Oeräthschaften in einer ihrer Truhen. Es ging ihr auch fortan sehr gut Sie
heirathete einen Bäckergesellen, machte ihn zum Meister und Bürger, kaufte noch
im ersten Jahre ein schönes Haus und hatte Geld genug, während ihre Schwester
in äusserster Armuth verkam. Nach wenigen Jahren jedoch verfiel sie plötzlich
in eine sehr schwere Krankheit und schrie darin unablässig nach ihrem Manne.
Den Zureden, sich christlichen Beistand beim Sterben zu erbitten, schenkte sie
kein Gehör. Als aber der Mann endlich erschien, konnte sie nicht mehr sprechen
— nach H. natürlich, weil sie der Alraun „auf das Maul schlägt^ — und starb
alsbald. Aus ihrem Grabe kam sie im Todtenkleide mit Heulen und Schreien in
ihr Haus zurück, so dass der Wittwer eine andere Wohnung nehmen musste.
Aehnliches berichtet Fouque in seiner oben erwähnten, doch wohl authentischen
Vorlagen nachgedichteten Novelle „Mandragora". Den von ihm als charakteristisch
erwähnten durchdringenden Leichengeruch der Zauberwurzel habe ich in den von
mir eingesehenen Quellenschriften nirgends erwähnt gefunden.
Eine von Fontane^) erzählte märkische Sage beweist, dass ein Alräunchen
auch als Familienhort gedacht wurde. Vor mehreren hundert Jahren hatte eine
Frau V. Beeren auf Grossbeeren einer Gesellschaft von Zwergen, welche aus
der Diele unter dem Rachelofen hervoi^estiegen waren, Erlaubniss zur Abhaltung
einer Familienfestlichkeit in ihrem Zimmer gegeben. Zum Dank dafür legten sie ein
Angebinde auf die Wiege ihres Kindes und prophezeihten, die Familie werde blühen,
so lange man dasselbe in Ehren halte, vergehen und verderben, sobald man es
missachte. „Es war eine kleine Bemsteinpuppe mit menschenähnlichem Kopf,
etwa zwei Zoll lang und der untere Theil in einen Fischschwanz auslaufend.
Dieses Püppchen, das Leute, die zu Anfang dieses Jahrhunderts lebten, noch ge-
sehen haben wollen, führte den Namen „Allerhühnchen" (Alräunchen) und galt
als Talisman der Familie. Es vererbte sich von Vater auf Sohn und wurde ängstlich
bewahrt und gehütet. Geist v. Beeren (so nannte man Hans Heinrich Arnold
V. Beeren, welcher 1812 starb) indessen kümmerte sich wenig um das wimder-
liche Familien-Erbstück; war er doch kein Freund von Sagen und Geschichten,
von Tand und Märchenschnack, und was seiner Seele so ziemlich am meisten
fehlte, war Pietät und der Sinn für das Geheimnissvolle.
Allerhühnchen hatte lange im Schrank gelegen, ohne dass seiner erwähnt
worden wäre. Da führte das Weihnachtsfest eine lustige Gesellschaft bei Geist
V. Beeren zusammen und der Zufall wollte, dass einer der Gäste vom „Aller-
1) 1. c, p. 279-282.
2) Fontane, Wanderungen durch die Mark Brandenburg. IV. Spreeland. Beeskow-
Storkow und Barnim -Teltow. 1882. S. 306—308. — Mit geringen Aenderungen schon
ebenso in der älteren Auflage, I., S. 898, aus welcher Hr. Dr. Bolle die Stelle gütigst
cxcerpirte.
(744)
hübnchen" sprach. ^Was ist es damit?" hiess es von allen Seiten und kaum dass
die Frage gestellt worden war, so ward' auch schon die Geschichte zum Besten
gegeben und das Allerhühnchen herbeigeholt. Geist v. Beeren Hess es rundum
gehen, witzelte und spöttelte und — warf es dann in's Feuer. Von dem Augen-
blick an brach das Unheil herein.^ Feuer, Krieg und Misswachs zerstörten den
Wohlstand und in kurzer Zeit starb die ganze Familie aus.
Die mehrfach erwähnten enormen Preise solcher Alräunchen wurden von den
Händlern durch die angeblich mit der Erwerbung verknüpfte ernste Lebensgefahr
begründet. Der Glaube an bestimmte, zum Ausgraben erforderliche Vorbereitungen
stammt sicher aus dem Orient. Wir haben oben (S. 730, 731) die fabelhaften Be-
richte des Josephus und Aelianus bei der Gewinnung des Ba'aras, bezw. der
Aglaophotis mit Hülfe eines Hundes kennen gelernt. Die occidentalische Phantasie
schmückte die Sache nach anderer Richtung hin aus. Der Alraun sollte aus dem
Urin oder Samen entstehen, den ein gehängter Erbdieb, der aber ein reiner Jung-
geselle sein musste (Andere setzen an Stelle der sexuellen Integrität die criminelle
und verlangen gar einen unschuldig Gehängten) im Augenblicke des Todes fallen
liess, und mithin nur unter dem Galgen zu finden sein (daher Gtilgenmännchen
und niederländisch pisdifje) Der Gräber muss seine Ohren mit Wachs, Pech
oder Baumwolle verstopfen. Er macht drei Kreuze über die Wurzel, gräbt sie
dann soweit aus, wie bei Josephus angegeben, und lässt sie durch einen daran
gebundenen, ganz schwarzen Hund, dem man ein Stück Brod vorhält, aus-
reissen^). In diesem Augenblick stösst sie einen so fürchterlichen Schrei aus,
dass der Hund und Jeder, der denselben hört, stirbt*). Dazu werden gelegentlich
noch andere Bedingungen gefügt. Nach Roth (a. a. 0., S. 7) muss sie in stillster
Mittemacht und unter Hersagen einiger Zauberformeln, nach Thomasius') an
einem Freitage vor Sonnenaufgang gegraben werden.
Zahlreiche, völlig abweichende Vorschriften zur Gewinnung eines Alräunchens
findet man in den „Secrets du petitAlbert^^). Ein Bauer, den eine Zigeunerin
in das Geheimniss eingeweiht h^tte, zog eine Bryoniawurzel bei günstiger Gon-
stellation des Mondes mit der Venus und dem Jupiter an einem Montag im Früh-
ling aus dem Boden. Er pflanzte sie in den Grabhügel eines eben verstorbenen
Mannes und begoss sie vor Sonnenaufgang einen Monat lang mit Molken aus
Kuhmilch, in welchen er drei Fledermäuse ertränkt hatte. Dann zog er sie ans.
Sie war der Gestalt eines Menschen weit ähnlicher geworden als früher. Dann
heizte der Bauer seinen Ofen mit Isenkraut^), trocknete die Wurzel darin, und
1) Yergl. hierzu auch Thorpes, anal. 94, nach Grimm a.a.O. Neu sind hier die
Bedingungen, dass die Wurzel mit einem eirenbeioemen Stabe ausgegraben und daas der
Strick statt am Schweif, am Nacken des Hundes befestigt werden soll.
2) Warum der Wurzelgräbcr, der ja durch Verstopfen der Ohren gegen dio tödtllche
Wirkung des Schreies gescliützt ist, die Pflanze nicht selbst herauszieht, wird nirgends er-
örtert. Die Verwendung des Hundes gründet sich wohl auf den einst verbreiterten Glauben,
dass man bei der Gewinnung werthvoller Dinge, z.B. von Schätzen, ein Leben oder eine
Seele oder wenigstens einen Körpertheil opfern müsse.
3) Thomasius, Dissert. de Mandragora etc. Lipsiae 1671, nach Frommann 1. c.
4) Lyon 1718. A. IG9. Aus v. Perger, üeber die Alraune (S. 268).
5) Das Eisenkraut (Verbena officinalis L.) galt bei den Aegjptem, Griechen, Römern und
Germanen als eine der heiligsten, glückbringensfen Pflanzen und, wie die Salbei, fast als
üniversalmittel gegen Krankheiten. Bock (Kr&uterbuch 1., S. 56) schreibt daher: ^Es ist
bei vns teütschen kaum ejn kreütlin, darmit man mehr affenspil treibt, als mit dem
Verbena."
(745)
verwahrte sie in einem Säckchen aus einem Stück Leinwand, in welche eine
Leiche gehüllt gewesen war. So lange er diese Wurzel besass, war er glücklich
im Handel, gewann im Spiel, fand verschiedene Dinge auf dem Wege und nahm
täglich an Wohlstand zu. Schade, dass diese Alraune in neuerer Zeit ihre Wirk-
samkeit verloren!
Als einer poetischen Reminiscenz, die doch schwerlich ganz auf freier Er-
findung beruht, gedenken wir folgender Stelle aus Jul. Wolff's Rattenfänger von
Hameln, die sich auf Herstellung eines Talismans aus einer Bilscnkrautwurzel
bezieht:
„mit dem Messer
Schnitzt' er ans der starken Wurzel
Einen Menschenleib ....'*
Ganz so vollständig, wie es nach dem obigen launigen Stossseufzer A.
V. Perger' 8 scheinen möchte, ist übrigens der Glaube an die Wirksamkeit der
Alraune noch nicht ausgestorben. Ein Zuhörer Prof. Ascherson's, stud. phil.
Paul Graebner, theilte demselben erst kürzlich mit, dass er bei einer Bauerfi-au
in der Nähe von Colberg noch vor einigen Jahren einen Alraun in Gestalt einer
verschrumpfter, entfernt menschenähnlichen Wurzel gesehen habe, mit der die
gutmüthige Alte ihn selbst bei einem leichten Unwohlsein curiren wollte.
Für den Umfang, den der Verkauf von Alräunchen gewann, ist beachtenswerth,
dass zuweilen selbst die Polizei gegen diesen Industriezweig einschritt. Hars-
dörffer (a. a. 0., H., S. 278) berichtet: „Zu Hamburg hat man drey Weiber,
welche mit diesen wurtzeln gehandelt, mit Ruten aul^hauen lassen im Jahr 1G30.'^
Wo mögen nur die vielen Alräunchen, welche nach den Schilderungen zeit-
genössischer Schriftsteller vorhanden waren, geblieben sein? Einzelne mögen wohl
noch in den alten Truhen gläubiger Seelen sorgfältig gehütet werden. Indess ge-
hören dieselben zu den grössten Seltenheiten öffentlicher Sammlungen. Ausser
den oben genannten im Berliner, Wiener und Bergener Museum befindet sich noch
eines im germanischen Museum zu Nürnberg. Etwas häufiger trifft man Ab-
bildungen. Durch Vergleich von solchen, wie man sie bei Key sl er, Schmid,
Perger u. A. findet, lernt man die grosse Mannichfaltigkeit dieser Objekte am
besten kennen. Die Phantasiefiguren im Ortus sanitatis zeigen, wie man sich
die ganze, unter dem Galgen wachsende Mandragoraspflanze dachte, — als einen
Mann oder eine Frau, aus deren Kopf ziemlich breite Blätter, (gelbe) Blüthen und
Früchte hervorwachsen.
Nachschrift. So eben geht uns der Bericht über die Sitzung des Preussischen
Botanischen Vereins vom 21. Januar 1892 (Rönigsberger Hartungsche Zeitung,
26. Februar, zweite Morgenausgabe) zu, dem wir folgende für unseren Gegenstand
höchst interessante Stelle entnehmen: „Hr. Schultz demonstrirte als ein Curiosum
die sogenannte „Glückswurzel", welche er gelegentlich seiner vorjährigen Reise
in Goldap erstanden hatte. Es besteht diese Glückswurzel aus nichts anderem,
als aus den Wurzelstöcken der gelben Schwertlilie (Iris Pseudacorus) , welche in
Sumpfgräben und an Flussufem bei uns nicht selten ist. Der Vortragende er-
wähnt, dass derartige Wurzelstöcke in Goldap korbweise zum Verkauf gebracht
und das Stück mit 10, 30 und 50 Pfennig bezahlt wird. Der höchste Preis wird
für solche Exemplare gezahlt, welche, wie meist bei der Alraunwurzel, eine ent-
fernte Aehnlichkeit mit der Menschengestalt besitzen. Das Rhizom soll Leuten,
die es kaufen und an geheimen Orten aufbewahren, nach abergläubischen Vor-
stellungen Glück (Reichthum, Rindersegen) bringen. Dass die Verkäuferinnen
derartiger Amulette damit sehr geheimnissvoll thun, ist selbstverständlich, denn
(746)
sonst würde der Nimbus, den bei uns die Wnrzelstöcke der gemeinen, gelben
Schwertlilie gefunden haben, sehr leicht schwinden. So geben sie an, dass sie
die „GlückswurzeP von einer blaublühenden Lilie im Walde zwischen Hirschthal
und Jodapp im Kreise Goldap sammelten, was sich jedoch in der Folge als un-
richtig erwiesen hat, denn die einzige blaublühende Schwertlilie, welche hin and
wieder in unserem Gebiete auf Pluss- oder Waldwiesen vorkommt, Iris sibirica,
war dort nicht zu finden." Nach einer schriftlichen Mittheilung des Hm. Schultz
soll das Geschäft nicht schlecht gehen und die Glückswurzeln sogar bis Berlin
Absatz finden. —
(32) Der als Gast anwesende Hr. Rosset zeigt Photographien der
Benong Ahong, Nhongeh, welche er von seiner letzten Reise mitgebracht hat
(33) Hr. Rud. Virchow berichtet über
die diesjährige Greneralversammlang der deutschen anthropologischen Ge-
sellschaft und den Stand der archäologischen Forschung in We8^ ood
Ostprenssen.
Nachdem die schwere Erkrankung und der schnelle Tod unseres GeschäiU-
führers, des Dr. Otto Tischler, zu der Aufgabe des Königsberger Congresses und
zu der definitiven Verlegung desselben nach Danzig gezwungen hatte, ist die Ve^
Sammlung in letzterer Stadt vom 3.-5. August d. J. in programmmässiger Weise
abgehalten worden. Ein grosser Theil der Mitgheder begab sich von da am
G. August nach Heia und am 7. nach Marienburg; ein etwas kleinerer setzte alsdann
die Reise nach Elbing und am 8. nach Königsberg fort, um den Manen des so schwer
vermissten Freundes ihre Verehrung darzubringen und von den, zu einem wesent'
liehen An theil durch ihn zusammengebrachten Sammlungen, sowie von denen der
Prussia, Kenntniss zu nehmen. Eine besondere Excursion brachte die Gesellscbafi
in das Samland zu dem berühmten Bernstein -Bergwerk von Palmnicken und am
12. nach dem Kurischen Hafi und der Nehrung. Von da führte uns am 13. ein
Regierungsdampfer nach der littauischen Küste und in die Ausflüsse des Memel-
stroms, zu den Elchen und nach Russ. Für den nächsten Tag war ein Aosfhig
über die russische Grenze geplant, allein die dortige Behörde hatte so eben strengere
Bestimmungen über den Grenzverkehr erlassen, denen wir nicht genügen konnten,
und so bestieg am Mittag des 14. der inzwischen zusammengeschmolzene Rest der
Gesellschaft in Heydekrug die Eisenbahn, um über Königsberg heimwärts zu ziehen.
Ich blieb mit meiner Familie zurück, um noch etwas mehr von Land und Leatcn
zu sehen. Darüber werde ich nachher sprechen.
Jedenfalls war der Congress mit diesem Anhange, sowohl der Dauer, als der
räumlichen Ausdehnung des besuchten Gebietes nach, bei Weitem der längste
von allen, welche die deutsche Gesellschaft bisher abgehalten hat Aber er bot
auch eine solche Mannichfaltigkeit der Anschauungen und eine solche Fülle der
interessantesten Ausblicke in eine halbfremde Kultur, dass er den Theilnehmcrn
gewiss unvergesslich bleiben wird. Unsere Leiter, in Westpreussen die HHm
Lissauer und Gonwentz, in Ostprenssen die HHrn. Lindemann und Bezzen-
berger, werden bei uns in dankbarster Erinnerung bleiben. Dazu wird nicht «um
Wenigsten der umstand mitwirken, dass eine grössere Zahl von Theilnehniem, *!•
je zuvor, mit photographischen Apparaten versehen war und dass daher auch die
anderen Mitglieder auf Schritt und Tritt ihren Angriffen ausgesetzt waren Schon
jetzt bin ich im Besitze einer Menge vortrefflicher Blätter: ja, Hr. Bd. Rrauie
(747)
hat mir za meinem Geburtstage ein prächtiges Album gewidmet, welches in höchst
gelungenen Aufnahmen Erinnerungen von Danzig bis Tnsterburg umfasst. Ein sehr
gut gelungenes Blatt des Hrn. y. Le Goq, im Hofe der Marienburg aufgenommen,
die ganze Gesellschaft darstellend, ist in einer Plattenyergrösserung und in Licht-
druck in den „Photographischen Mittheilungen für Fachmänner und Liebhaber von
H. W. Vogel", Berlin 1891, veröffentlicht worden.
Die Eröffnung des Congresses geschah in Danzig in Abwesenheit des neu er-
nannten Oberpräsidenten von Westpreussen, des bisherigen üntcrrichtsministers
V. Gossler, des langjährigen Förderers unserer Gesellschaft und der gesammten
Alterthumsforschung in unserem Vaterlande, der auch bei dieser Gelegenheit be-
herzigenswerthe Gedanken über die Stellung und Bedeutung unserer Wissenschaft
aussprach. Ihm zur Seite standen die Vertreter der westpreussischen Communal-
verbände und der gelehrten Gesellschaften von Danzig. Statt des leider wegen
schwerer Krankheit aus dem Amte geschiedenen, hochverdienten ersten Bürger-
meisters V. Winter, des Begründers des westpreussischen Museums, sahen wir
den neuen Vertreter der städtischen Behörden, Hm. Bürgermeister Baumbach in
unserer Mitte.
Ueber die Verhandlungen habe ich nicht zu sprechen, da der stenographische
Bericht hoffentlich binnen Kurzem in dem Correspondenzblatt der deutschen Ge-
sellschaft veröffentlicht werden wird. Ich beschränke mich darauf, einige Worte
über das neue westpreussische Provinzial-Museum zu sagen. Dasselbe ist in dem
vollständig in alterthümlicher Weise restaurirten Grünen Thor und in dem ehe-
maligen Franciskaner-Kloster untergebracht. In letzterem befindet sich, unter der
liebevollen Pflege des durch seine ethnologischen Bilder weit bekannten Malers
Stryowsky, die historische Abtheilung, zu der vor dem Eingange auch eine Samm-
lung jener merkwürdigen Steinbilder, der letzten westlichen Ausläufer der
russischen Baba's, gehört. Im Grünen Thor dagegen sind durch Hrn. Conwentz
die natnrgeschichtliche und die prähistorische Sammlung in schönster Ordnung auf-
gestellt; jene besonders ausgezeichnet durch lehrreiche Stücke, welche die Ge-
schichte des Bernsteins, diese durch die grösste existirende Sammlung von Gesichts-
umen und durch die vorzügliche Ausstellung von langen Suiten von Funden aus
Gräberfeldern der Tene-Periode. Sämmtliche Provinzial-Sammlungcn, namentlich
die von Elbing, Thom, Graudenz, hatten ihre merkwürdigsten Stücke dazu her-
geliehen.
Es darf dabei rühmend hervorgehoben werden, dass unter finanzieller Be-
theilignng der Provinzial- Verwaltung über mehrere Abschnitte der Prähistorie vor-
zügliche, auf das Prächtigste illustrirte Publikationen veröffentlicht sind (vei-gl.
die Besprechung in der Zeitschr. f. Ethnologie 1891, S. 231.) Die dauernden Be-
mühungen des Hrn. Li s sauer haben für das Verständniss der Altsachen überall
den Blick geschärft; eine neue, speciell für den Congress bestimmte Arbeit über
die Alterthümer der Bronzezeit gab uns Gelegenheit, die scharfsinnigen Beobach-
tungen des bewährten Forschers unmittelbar zu prüfen. Allgemeines Interesse er-
regten namentlich die auf Tafel XIV daselbst dargestellten Ringhalskragen, die
sich auch bei uns noch vorfinden, und von denen eine getreue Nachbildung an einer
Gesichtsume von Friedensau auf der Danziger Höhe dargestellt ist (ebend. Fig. 12).
Ich habe schon früher, als ich die in Pommern gefundenen Gesichtsumen besprach
(Verhandl. 1886, S. 602, 604), darauf hingewiesen, dass der, damals als Zopf an-
gesehene Körper am Hintertheil des Halsschmuckes ein Schloss sein dürfte, wie
es damals schon von einem solchen Schmuck von Telkwitz bei Buchwald in
Westpreussen bekannt war. Auch ist durch Hrn. Ossowski (Monum. prehist.
(748)
de l'ancienne Pologne. Cracovie 1885, p. 83. PI. XVI. Fig. 23 et 23 a) bei Kr.
Jablau (Jablöwko), Kr. Stargard, eine Urne aufgefunden worden, freilich ohne Gesicht
aber sonst von der gewöhnlichen Form der Gesichtsurnen, welche den Balsschroack
mit einem deutlich ausgeführten Schlosse trägt (vergl. auch Lissauer, Prähist
Denkmäler S. 91). Jedenfalls hat sich bestätigt, was ich behauptete, dass in den
Gesichtsumen ein werthvolles und ganz authentisches ikonographisches Material
erhalten ist, welches für die Chronologie der Bronzen Ton entscheidender Be-
deutung ist, namentlich für die Zeitbestimmung der Depotfunde unmittelbare An-
knüpfungen gewährt.
Im Museum des Grünen Thores sahen wir auch zuerst eine Sammlung aas
der von Hrn. G. Berendt 1875 entdeckten, vielleicht ältesten*) Ansiedlung in
Westpreussen, der von Tolkemit am frischen Haff, nordöstlich von Elbing.
Weitere Sammlungen von da traf ich in Elbing und Königsberg. Auf einer Excursion
von Elbing aus kamen wir ganz in die Nähe Ton Tolkemit; wir sahen das steil
abfallende Ufer des Plateaus, auf dessen Höhe die alten Abfälle gelegen hatten,
aber wir standen von einem Besuche ab, da unsere ortskundigen Führer ver-
sicherten, dass die Rulturschichten fast gänzlich abgestürzt seien und dass sich nur
am Uferrande gelegentlich noch einige Reste der alten Zeit fänden. Wenn ich
den Eindruck dessen, was wir in den Sammlungen sahen, zusammenfasse, so ge-
hörte die Ansiedelung von Tolkemit der neolithischen Zeit an (vgl. Lissauer,
Die vorhist. Denkmäler der Prov. Westpreussen 1887, S. 38). Die Steingeräthe sind
durchweg geschliffen, manche durchbohrt, und zwar bestehen sie durchweg ans
krystallinischem Gestein; in der Danziger Sammlung sah ich ein einziges Beil ans
rothem Feuerstein. Der grösste Theil der erhaltenen Ueberreste stammt von Tbon-
geräth. Darunter tragen viele das Schnur- oder Stichomament in schöner Aus-
führung (Lissauer Taf. II, Fig. 14 und 17); manche haben tiefe, senkrechte,
gerade Eindrücke. Einzelne Stücke sind sehr dick und mit mächtigen, breiten
Henkeln versehen. In Danzig steht eine grössere Wanne aus Thon; in Elbing sah
ich ungemein dicke Stücke mit breiten Henkeln und starken Vorsprüngen, von
denen einer homartig gestaltet ist. Eine reiche Collektion von Topfscherben hat
Tischler in der Sammlung der Physikalisch-ökonomischen Gesellschaft in Königs-
berg aufgestellt (vgl. Katalog der Berliner Ausstellung von 1880, S. 412. Photogr-
Album von Günther und Voss, Sect. I, Taf 4).
Eine zweite ähnliche Stelle hat am heiligen Berge bei Oxhöft, am Nordende
des westlichen Ufers der Danziger Bucht, existirt (Lissauer a. a. 0. S. 45). Ich
habe schon vor Jahren (Verhandl. 1875, S. 99) darauf aufmerksam gemacht, dass
sich unter den von Prof Lepkowsky am Strande von Oxhöft gesammelten und
im Krakauer archäologischen Cabinet aufbewahrten Thonscherben solche mit dem
Ketten- oder Bindfaden -Ornament befinden. Auch im Thomer Museum traf ich
derartige Scherben.
Das Verzeichniss der prähistorischen Denkmäler Westpreussens von Hrn.
Lissauer enthält noch eine Menge von neolithischen Fundstellen, aber die
Mehrzahl derselben betrifft weder Ansiedelungen noch Gräber. Von den letzteren
muss wohl angenommen werden, dass sie oder wenigstens die bei ihrer Er-
1) G. Berendt in seinem vortrefflichen Vortrage „Geognostische Blicke in Alt-
Preussens Uneit* (Sammlung gemeinverstftndl. Wissenschaft!. Vorträge von R. Virchow
und V. Holtzendorff 1871, 8. 818) hält für die Ältesten Spuren des Menschen gfwist<',
in Torfbrüchen gefundene, regelrechte Kohlenstellen. Immerhin würden diese nicht dir«t
eine Ansiedlung anzeigen.
(749)
richtung benutzten Steine schon seit la\iger Zeit yerschleppt sind; dass sie jedoch
in grösserer Ausbreitung vorhanden gewesen sein müssen, dafür liefern die hier
und da zerstreut vorkommenden Steinsetzungen den Beweis. Am besten bekannt
sind die in nächster Nähe der Südgrenze der Provinz im russischen Polen vor-
kommenden megalithischen Gräber, von denen die in Cujavien durch Hm.
V. Erckert untersucht und von mir (Verhandl. 1879, S. 428, 1880, S. 335, 428)
genauer erörtert sind. Von da sind auch Schädel und ein vollständiges Gerippe
erhalten. Die neolithische Bevölkerung hat sich mit gewissen Variationen ihres
Inventars weithin von jenseits der Weichsel bis tief nach Innerdeutschland erstreckt,
ohne dass bis jetzt eine strengere Scheidung ihrer einzelnen Glieder durchgeführt
worden wäre. Bei Einzelfunden ist es zuweilen kaum möglich, mit Sicherheit ihre
Zugehörigkeit zu dieser Periode nachzuweisen.
So bemerkte ich in der Elbinger Sammlung einen grossen Hirschhorn-
hammer mit anscheinend neolithischem Ornament von Hirschfeld bei Elbing.
Die Oberfläche desselben zeigte Reihen von sehr regelmässigen, annähernd der
Stichverzierung angehörenden Eindrücken: mitten über die Fläche verlaufen zwei
parallele Querreihen; gegen diese richten sich unter rechtem Winkel 4 parallele
Doppelreihen. Sie bestehen sämmtlich aus pfeilspitzenähnlichen, hinter einander
gestellten, im Ganzen dreieckigen, jedoch nach hinten wie mit Widerhaken ver-
sehenen Eindrücken, ganz denen ähnlich, welche auf neolithischen Thongefässen
das bekannte Stichornament bilden. Die genauere Betrachtung lehrte, dass sie
geschnitten waren. Der Hammer selbst ist an seinem hinteren Ende flach, nahe
daran liegt ein grosses, länglich viereckiges, scharf geschnittenes Loch, welches für
eine Technik späterer Zeit spricht; das vordere Ende ist schräg abgeschnitten, so
dass eine Art von Schneide zu Stande kommt. Ich bin um so mehr geneigt, dieses
Stück einer jüngeren Periode zuzurechnen, als ich ein ähnliches Ornament auf
Kämmen von dem Neustädter Felde bei Elbing bemerkte, welches der römischen
Zeit angehört. —
Für die Perioden der Bronzezeit machen sich in Westpreussen ganz andere
Gesichtspunkte geltend. Die ältere Bronzezeit ist hauptsächlich durch Depotfunde
vertreten und diese finden sich vorzugsweise in den Gebieten links von der Weichsel ,
in unverkennbarem Anschlüsse an die pommerschen und posener Funde*). Da-
gegen ist die jüngste Bronzezeit, im Uebergange zum Eisen (Hallstatt -Zeit},
in zahlreichen Steinkistengräbern nachgewiesen, unter denen sich in ganz einziger
Weise die schon erwähnten Gesichtsurnen geltend machen. Ihr Gebiet über-
schreitet gegen Osten nur ausnahmsweise die Weichsel; auch die in Königsberg
zahlreichen Gefässe dieser Art gehören fast alle dem linken Weichselufer an. Von
da aus erstreckt sich das Gebiet dieser höchst merkwürdigen Thongefässe durch
einen grossen Theil von Hinterpommem und das nördliche Posen bis nach dem
nördlichen Theile von Schlesien, indem es in unverkennbarer Weise eine scharfe
1) Im Museum von Elbing sah ich einen merkwürdigen Depotfund von Culm, den seiner
Zeit der Bauinspektor Bauer gemacht haben soll. Beim Pflügen wurden 6 Ringe und
eine Armspange zu Tage gefördert. Ich habe einen grossen und schweren offenen
Bronzerint; von 20 cm Durchmesser notirt, der eckig und scheinbar durch Uämmern her-
gestellt ist. Er hat grosse Aehnlichkeit mit den Ringen, welche an Urnen von Zaborowo
oben über den Deckel gelegt sind (Verhandl. 1874 S. 224, 1875 S. 110) und welche sich
bei der Analyse als aus Arsenikbronze bestehend erwiesen (ebendas. S. 24G). Aehnliche
Ringe sah ich später in Königsberg zahlreich; sie hatten achteckigen Schnitt und waren
xum Theil schön omamentirt.
(750)
Sonderung der damaligen BeTölkerong dieser Gegend von allen nmwobnenden
Stämmen, auch von den ostpreussischen, anzeigt.
Bei einer früheren Gelegenheit (Verhandl. 1874, S. 113), als ich auf einer
Reise durch die westlichen Theile dieses Gebietes die vorhandenen Sammlungen
musterte, stiess ich auf die sonderbare Erscheinung, dass aus den, mit einem
mtltzenartigen Deckel versehenen Gesichtsumen durch allmählichen Verlust der
Gesichtstheile einfachere Gefässe hervorgegangen sind, welche zunächst noch
Ohrun und MtitzendeckeJ, später nur noch die letzteren besitzen. Ich bezeichnete
diese als Ohren- und als Mützenurnen. Gegen die Bezeichnung „Mtitzendeckel*
hat Tischler (Schriften der phys.-ökon. Gesellsch. zu Königsberg 1881, XXVll,
S. 160) eingewendet, dass sie nicht alle Varianten der Deckel umfasse, welche mit
einer stöpselartigcn Verlängerung, wie ich es ausgedrückt hatte, in die Oeffnang
der Urne eingreifen; er hat deshalb den Namen „Stöpseldeckel" vorgeschlagen.
Ich habe gegen letztere Bezeichnung nichts einzuwenden, da Stöpseldcckel aaeb
an Orten vorkommen, wo niemals ein Mützendeckel beobachtet ist, aber ich
hatte auch keineswegs die Absicht, mit der Bezeichnung des Mützendeckels eine
Deckelform zu bezeichnen, welche mit einer Mütze keine Aehnlichkeit hat Man
mag daher immerhin von Stöpseldeckeln generell sprechen, aber für das feinere
Verständniss wird meiner Ansicht nach der Name der Mützendeckel und der
Mützenumen beibehalten werden müssen. Nur durch ihre Beachtung wird man im
Stande sein, das Gebiet der typischen und der in der Entartung begriffenen Ge-
sichtsumen sicher abzugrenzen.
Beiläufig sei noch bemerkt, was ich schon damals bestimmt hervorhob, dass
das Gebiet der Gesichtsumen nicht etwa auf das Rtlstenland zu beschränken und
einer maritimen Einwanderung zuzuschreiben sei, sondern dass es sich tief in das
Binnenland, und, wie ich jetzt hinzufüge, weit über das Weichselgebiet hinaus er-
streckt. Ich veranschlagte diese Gräber als spätestens dem 4. vorchristlichen
Jahrhundert angehörig, und ich sehe mit Vergnügen, dass Hr. Lissauer in seiner
neuesten Arbeit zu einem ähnlichen Schlüsse gelangt. Wenn man nach der jetzt
üblichen Bezeichnung diese Zeit mit dem Namen von Hallstatt belegt, so möchte
ich, um ein naheliegendes Missverständniss zu vermeiden, bemerken, dass äbnhchc
Gefässc weder in Hallstatt, noch in dem Zwischengebiete zwischen uns und dem
alten Noricum gefunden sind. Wollen wir Anknüpfungen suchen, so müssen wir
in gerader Linie entweder auf Siebenbürgen oder auf Etrurien zurückgehen. —
Ein ähnlicher Gegensatz, wie bei der Bronzezeit, zeigt sich in We8^>reossen
auch in der Ten e -Zeit. Tischler (Schriften der phys-ökon. Ges, 1888, XXK,
Sitz.-Ber. S. 1 7) hat festgestellt, dass die Tene-Periode in Ostpreussen sich nor ein
wenig über die Weichsel noch in Gräberfeldern vertreten findet, nicht mehr weiter
östlich, wo er Gräber dieser Periode nur als Nachbestattungen in älteren Grab-
hügeln nachweisen konnte (vergl. 1886, XXVII, S. 176; 1890, XXXI, 8. 96). Auf
dem rechten Weichselufer beginnt die lange Reihe der Gräberfelder der Tene-
Periode, welche sich weithin durch Deutschland bis in die westlichen und sfid-
lichen Nachbarländer erstrecken. Sie einem einzigen Volke, wie es fOr We«t-
preussen mit den Gothcn geschehen ist, zuzuschreiben, ist also ausgeschlossen.
Offenbar handelt es sich hier nicht nm ein Volk oder einen Stamm, sondern nm
eine Mode, die sich scheinbar schnell über einen grossen Theil von Europa an*-
gebreitet hat. Immerhin bleibt es höchst bemerkenswerth, dass diese Mode so
wenig in den Osten eingedrungen ist. —
Wir kommen dann an die Funde der römischen Zeit, die sich in West-
preussen vielfach mit denen der Tene-2ieit vermischen. Ihre höchste Entfaltung
i
(751)
haben sie jenseits der Weichsel gefunden, wenngleich sie sich bekanntlich durch
ganz Deutschland, auch den frei gebliebenen Theil desselben, vei breiten. Das
erste grosse Gräberfeld der Art lernten wir in Elbing kennen, wo bekanntlich in
nächster Nähe der Stadt, auf dem Neustädter Felde, sehr ausgedehnte Ausgrabungen
Seitens der dortigen Alterthums-Oesellschaft, zuerst unter der sorgsamen Leitung
des Hrn. Anger (Verhandl. 1877, S. 259), ausgeführt worden sind. Ich will nur
in die Erinnerung zurückrufen, dass damals Hr. Kamm eis berg eine Analyse einer
Bronzefibel Teranstaltete und darin 7,15 pGt. Zink auf nur 2,22 pCt. Zinn fand.
In Elbing habe ich gesehen, dass noch zwei andere Analysen durch Hm. Kehe-
feldt veranstaltet worden sind, welche bis 30 pGt. Zink und fast gar kein Zinn
ergeben haben. —
lieber die eigentliche Völker wanderungszeit fehlen bis jetzt die genaueren
Nachweise. Dagegen sind recht zahlreich die üeberreste aus altslavischer Zeit.
Hr. Li SS au er hat dafür den Namen der arabisch-nordischen Epoche gewählt, eine
Bezeichnung, die mir nicht ganz glücklich erscheint, zumal da Funde der Art sich
bis tief in Gentral-Russland verfolgen lassen. Wir dürfen, wie mir scheint, vorläufig
als sicher annehmen, dass die Hacksilberfunde auch in Wcstpreussen den Slaven an-
gehören. In gleicher Weise ist dahin zu rechnen ein grosser Theil der Burgwälle,
das höchst eigenthümliche Thongeschirr, die immer zunehmende Zahl der Schläfen-
ringe u. A. Funde dieser Art sind ungemein häufig bis zur Weichsel. Ueber diese
hinaus nimmt nach Osten ihre Zahl schnell ab. Ausgezeichnete Fundplätze sind der
Lorenzberg und Caldus bei Culm (Lissauer, Denkmäler S. 184. Florkowski in
den Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde 1891, Heft 3). Im Elbinger
Museum sah ich auch sehr ausgeprägte Omamenttypen an Scherben von dem
dortigen Armenkirchhofe, wo weder ein Burgwall, noch ein Grab vorhanden sein
soll, sondern nur alte Aschenplätze verzeichnet sind (Verhandl. 1879, S. 244).
Jedenfalls ist aus Ostpreussen wenig Sicheres über slavische Funde bekannt. Ich
werde später noch auf einige, vielleicht dahin gehörige Sachen zurückkommen,
möchte aber dringend die Aufmerksamkeit der Localforscher darauf hinlenken, da
vom Nachweise ihres Verbreitungsbezirks für die Beurth eilung der früheren Be-
siedelung des Landes durch slavische Stämme viel abhängt Es gilt dies namentlich
von den Burg- und Schlosswällen, die in Ostpreussen sehr zahlreich sind.
Wir sahen einen Burgwall bei Lenzen am frischen Hafif, den wir von
Elbing aus unter Leitung unserer dortigen Freunde besuchten. Derselbe krönt
einen der hohen Vorsprünge, welche das von tiefen Schluchten durchzogene Hoch-
land gegen das HaCT vorschiebt. Seine Lage ist prächtig: man überschaut von da
einen grossen Theil des frischen Hafifs und die ihn abschliessende Nehrung, fast
den ganzen Werder mit dem Nogat- und Elbing-Fluss, schliesslich die Höhen des
linken Weichselufers bis nach Oxhöft hinüber. Eine Beschreibung des ßurgwalles
nach Prof. Dorr steht in Lissauer's Denkmälern S. 188; darnach wurden Scherben
vom Burgwalltypus und solche aus älterer Zeit gesammelt. Wir selbst fanden
innerhalb eines niedrigen Erdwalles, der die Spitze des Berges umzieht, eine sehr
kleine Fläche, welche wohl nur als ein vorübergehender Zufluchtsplatz dienen
konnte; in der Erde lagen zerstreut Scherben von der Zusammensetzung und dem
Brande, welche den slavischen zukommen, aber wir fanden kein ornamentirtes Stück.
Wir schieden aus Westpreussen mit dankerfülltem Herzen für alles das Schöne,
was wir daselbst gesehen und genossen hatten. Die weitere Reise führte uns dann
nach Ostpreussen und zwar direkt nach Königsberg, wohin ich später noch ein-
mal zurückkehrte. Hier befinden sich neben einander zwei reich ausgestattete
Landes-Museen, aus der Goncurrenz der Alterthums- Gesellschaft Prussia und der
(752)
physikalisch-ökonomischen Gesellschaft hervorgegangen. Die erstere war mir aus
drei früheren Besuchen wohlbekannt, deren ersten ich noch unter der Leitung des
Begründers derselben, des bekannten Professors August Hagen gemacht hatte; ich
fand sie jetzt in einem neuen Local und sehr vermehrt durch die rege Thätigkeit des
kürzlich verstorbenen Direktors Bujack und seines überaus glücklichen Beifers,
des Prof. Heydeck. Die Sammlung der physikalisch -ökonomischen Gesellschaft
ist eigentlich erst nach meinen Besuchen hergestellt worden, und zwar ganz weseni-
licL durch die unermüdlichen Arbeiten unseres Freundes Tischler (seit 1874),
dessen ganzer Stolz sie war und der sie uns bei dieser Gelegenheit hatte zeigen
sollen.
Unser erster Besuch in dieser Sammlung war daher auch vorzüglich der
Erinnerung an ihn geweiht. Die Herren Lindemann und Hirsch feld, welche
die Sorge für diese schöne Sammlung übernommen hatten, empfingen uns mit
tief empfundenen Worten, in denen sie die Tiefe des Verlustes beklagten. Als
Vorsitzender der Gesellschaft gab ich der allgemeinen Trauer Ausdruck. Wir
seien zu dem Entschlüsse gekommen, die Versammlung nach Königsberg zu ver-
legen, um hier durch Tischler selbst eingeführt zu werden in die Renntniss der
so mühsam durch ihn hergestellten chronologischen Ordnung der Funde, für welche
es bisher in ganz Deutschland keine Parallele gebe. Gewohnt, in jedem Jahre
neue und scharfsinnige Beobachtungen aus dem Munde eines Mannes zu hören,
der besser, als sonst jemand, die Sammlungen von ganz Mitteleuropa kannte und
die genaueste Buchführung darüber gehalten hatte, empfanden wir auf das Schmerz-
lichste die grosse Lücke, welche wahrscheinlich lange Zeit unansgefüUt bleiben
werde. Möge die grosse Zahl erfahrener Msnner, die sich um ihn gesammelt
haben, der schönen Aufgabe treu bleiben, welche er mit ganzer Hingabe gefordert
hat und für welche, wie wir uns überzeugten, keine andere Provinz in unserem
Vaterlande einen gleich ergiebigen Boden biete. Als ich zum ersten Male diese
Stadt besuchte, gelang es mir, einen Freund und einstmaligen Schüler, Professor
V. Wittich, zu bestimmen, sich derartigen Untersuchungen zu widmen. Wir ent-
deckten in dem Staube des Archivs, in dem damals noch Voigt waltete, eine
Reihe alter Schädel und dazu gehöriger Fundstücke von Baigarden. Sehr bald
häuften sich dann die Untersuchungen und sie nahmen eine planmässige Gestalt
an. Hr. Berendt, der meine Arbeiten über die Gesichtsumen in erweiterter Form
aufnahm und sie in einem klassischen Werke durchführte, hat das grosse Ver-
dienst, in den verschiedensten Theilen des Landes das praktische Interesse der
Gebildeten geweckt zu haben. Aber erst Tischler hat jene anhaltende und in
vollstem Maasse sachverständige Thätigkeit entwickelt, welche die ostprcussiscbe
Archäologie zu einer wahren Musterschöpfung gemacht hat Darum Ehre und
unvergänglicher Ruhm seinem Andenken!
An einem der nächsten Nachmittage versammelten wir uns in seinem Hause.
Da er sein Grab weit ab auf dem Familiengute gefunden hat, so konnten wir nur
an dieser Stätte die Erinnerung an ihn feiern. Wir betraten sein Arbeitszimmer,
wir standen vor seiner Bibliothek, wir sahen seine Notizbücher, wir durchwanderten
seinen wohlgepflegten Garten, dessen Abhang gegen den Schlossteich zwischen
hohen Bäumen eine Fülle von Gewächsen in üppigem Wachsthum zeigte, die er
von seinen Reisen heimgebracht hatte. Wir sassen in wehmuthsvoller Unterhaltung
mit seinen Angehörigen und erweckten in uns sein Bild, seine Geschichte, seine
Lebensgewohnheiten, seine Pläne. Es waren weihevolle Augenblicke, erfUllt von
Betrübniss und doch auch von dem Gefühl der Befriedigung, dass es ihm vergönnt
gewesen ist, so Grosses zu vollenden. Mitten in der Arbeit ist er abgemleo
(753)
worden, aber doch erst, nachdem er sein Werk bis zu einem gewissen Abschlüsse
gebracht hatte.
Es würde ein sehr an vollständiges Bild von dem Reichthum der beiden Königs-
berger Sammlungen gewähren nnd es würde auch meine Kräfte übersteigen, wenn
ich es versuchen wollte, auch nur eine flüchtige Uebersicht über dieselben geben
zu wollen. Ich beschränke mich daher auf einige fragmentarische Bemerkungen
über einzelne Punkte, die unserem Erfahrungskreise femer liegen oder die be-
sonders wichtige Verhältnisse betreffen.
In der älteren Prussia-Sammlung finden sich ausser zahlreichen Einzelfunden
aus Stein, Knochen u. dergl. ursprünglichem Material einige hervorragende Funde
der ältesten Periode der Besiedelung Ostpreussens. Eine mir bis dahin un-
bekannt gebliebene Publikation der Prussia-Gesellschaft mag dabei vorweg erwähnt
werden: Preussische Steingeräthe, auf 5 Tafeln photographirt von H. Prothmann,
herausgegeben und erläutert von Georg Bujack. Königsberg i. Pr. 1875. hoch-4".
An der Spitze des Katalogs unter Nr. 1—12 stehen die Punde aus einem
Hügelgrabe im Wäldchen Kaup (Kaps) bei Wiskiauten, nicht weit von
Krantz-Kuren im Kreise Pischhausen. Der 1873 von Prof. J. Hey deck aufgedeckte
Hügel enthielt unmittelbar unter dem Rasen eine Brandstätte mit Urnen; in einer
Tiefe von 59 cm zusammengeworfene Menschenknochen mit einem kleinen bronzenen
Meissel, der Verzierungen in gefiederter Blattform trägt, und einer gebogenen ge-
schmiedeten bronzenen Nadel ; in der Tiefe von 96 cm ein Skelet (Pr. Steingeräthe
Taf. V, Fig. 21) mit einem Messer aus Feuerstein (ebendas. Fig. 16) und einer
Knochennadel mit Oehr (Fig. 19); sodann 146 cm tief, genau unter dem ersten Skelet,
ein anderes in derselben Lage und mit einem Feuersteinsplitter zwischen den Knochen
der rechten Hand (Fig. 17), sowie mit einem zweitheiligen Gurt-Ende aus Knochen
in der Beckengegend (Fig. 20). Die zuerst erwähnten oberen Lagen gehören offenbar
Nachbestattungen an und können hier ausser Betracht bleiben. Der eigentliche Fund
beginnt erst in einer Tiefe von 96 cm. Er würde der palaeolithischen Zeit zu-
gerechnet werden können, da ausser ein Paar Knochengeräthen nur zwei Feuer-
steinsplitter aufgeführt werden, die sichtlich von Menschen geschlagen sind;
namentlich Fig. 16 ist ein langer gebogener Spahn von ganz charakteristischer Gestalt.
Aber der Katalog erwähnt unter Nr. 7 ein ^durchlochtes Beil aus Grünstein-
Porphyr, der Schaft aus Holz verwittert" ; nach meiner persönlichen Notiz lag dieses
Beil bei dem unteren Skelet und war polirt. Damach wäre dieses untere Skelet
als ein neolithisches anzusprechen. Am auffälligsten sind die bei demselben in
der Beckengegend gefundenen und als Gurt-Enden bezeichneten Knochenplatten,
welche die Herren des Museums für Artefakte aus Renthiergeweih hielten. —
Von letzterem konnte ich mich nicht bestimmt überzeugen: es schien mir wahr-
scheinlicher, dass sie vom Elch stammen. Hr. Prof. Braun versprach mir eine
genauere Vergleichung. Die eine dieser Platten ist an einem Ende stark verletzt,
die andere ziemlich gut erhalten. Sie ist sehr dünn, auf der Fläche leicht gebogen,
nach aussen convex und ungefähr von der Gestalt eines Korsets oder eines
Manubrium stemi, nach unten stark verjüngt und sanft abgerundet, nach oben weit
ausgelegt und am oberen Rande seicht ausgebuchtet. Nahe dem unteren Rande
sind zwei runde Löcher, ebenso zwei nahe dem oberen Rande, beide ziemlich
dicht bei einander. Die Oberfläche ist geglättet und mit sehr zierlichen Ornamenten
besetzt, die auf beiden Stücken genau übereinstimmen.' Sic bestehen aus zwei
medianen, ziemlich breiten Bändern, welche senkrecht neben einander über die
vordere Fläche herablaufen und ein sehr regelmässiges Wolfszahn-Ornament
Verbmndi. der Berl. Anthropol. ßeielUchaift 1891. 43
(754)
zeigen. Ein ähnliches laterales Band zieht sich rings um die ganze Platte, den
Aus- und Einbiegungen des Randes folgend; ein drittes schmäleres verläuft parallel
mit dem lateralen, nach innen von demselben, aber während die andern Bänder
gegenständig abwechselnde Zähne haben, hat dieses nur eine einfache Reihe.
Die beiden Skelette sind in einem Glaskasten in natärlicher Lage über ein-
ander aufgestellt. Beide sind „liegende Hocker" oder, wie der Katalog von dem
ersteren sagt, es ist „in liegender Stellung mit angezogenen Beinknochen", während
das zweite „in hockender Stellung" war. Dabei ist zu bemerken, dass das erstere
halb.auf der Seite liegt, und dass der Feuerstein spahn und die lange Knochennadel
theils über, theils neben dem Becken sich befinden. Die Schädel erscheinen aus-
gemacht dolichocephal. Das obere Skelet bietet die Zeichen der Arthritis de-
formans, namentlich an den Knieen und Wirbeln, welche letzteren durch supracarti-
laginäre Exostosen verschmolzen sind. Dabei sind die mittleren Zähne im Ober-
kiefer bis tief über den Schmelz herunter abgeschliffen, während die im Unter-
kiefer unversehrt sind. Das untere Skelet, welches den linken Vorderarm über
die Brust gelegt hat, trägt eine grosse Hiebwunde rechts am Schädel.
In der, von den HHm. Kupffer und Bessel-Hagen gelieferten Bearbeitung
der Schädel und Skelette der anthropologischen Sammlungen zu Königsberg S. 49
werden auch die beiden Schädel von Wiskiauten, freilich mit der Angabe: „aus
den ersten Jahrhunderten n. Chr.," aufgeführt. Damach berechnet sich für den
ersteren ein orthodolichocephales Verhältniss (L.-Br.-I. = 68,8, L.-H.-I. = 64,3); der
zweite erscheint hypsidolichocephal (L.-Br.-I. =63,1, L.-H.-I. = 74,7). Man wird diese
Ergebnisse nicht wörtlich nehmen dürfen, da die Schädel aus zahlreichen Bruch-
stücken zusammengesetzt sind und die Maasse dadurch in etwas beeinflusst sein
werden. Immerhin wird man nicht bezweifeln dürfen, dass beide Schädel dolicho-
cephal waren.
In den „Preuss. Steingeräthen" wird bemerkt, dass „ein Parallelfund zu dem
Skelet" Pig. 21 (dem oberen) von der phys.-ökon. Gesellschaft auf der kuhschen
Nehrung bei Rossitten gemacht sei, bei welchem jedoch nur eine Knochennadel
und ein Feuersteinmesser gewonnen seien. Hr. Bezzenb erger (Die Kurische
Nehrung und ihre Bewohner. Stuttgart 1889. S. 249 [89]) spricht gleichfalls von
einer bei Rossitten gefundenen Leiche der Steinzeit, setzt aber hinzu, dass sie
leider durch die Arbeiter bis auf einige Knochenreste zerstört sei. Als Beigaben
werden hier erwähnt, ausser der stumpfen Knochennadel und dem Feuerstein-
messer, eine defecte Steinaxt, ein halber Bemsteinring, eine runde Steinscheibe (sog.
Imatrastein?) und eine kleine versteinerte Koralle; also das, was im Photogr. Album
der Berliner Ausstellung abgebildet ist (Sect. I, Taf. V, No. 164, Katalog 8. 413).
Dass diese Funde der Steinzeit, und zwar der jüngeren Angehören, scheint
zweifellos. Das einzig Bedenkliche in Bezug auf das Grab von Wiskiauten könnten
die bei dem unteren Skelet gefundenen verzierten Knochenplatten sein, und zwar des-
halb, weil das Wolfszahn-Ornament meist erst in späterer Zeit auftritt, bei uns im
Norden hauptsächlich in Gemeinschaft mit arabischen Kunstartikeln und an solchen.
Ich habe dieses Vorkommen früher ausführlich erörtert (Verb. 1877, S. 393). Wäre
es sicher, dass die beiden Platten bei dem unteren Skelet gelegen haben und nicht
etwa zufällig in die offene Grube hineingefallen sind, so würde das Auftreten des
Wolfszahn- Ornaments weit zurückversetzt werden müssen. Für unzulässig halte
ich das nicht, da bandförmige Verzierungen an Knochengeräthen der neolithiscben
Zeit auch im Norden vorkommen. Ich erinnere an das von mir beschriebene
„Falzbein" von Janischewek in Cujavien (Verb. 1879, S. 435, Fig. snb 3). —
Ich übergehe einige andere, offenbar gleichfalls der neolithiscben Zeit an-
(755)
gehörige Aufdeckungen, z. ß. das durch sehr charakteristische Funde ausgezeichnete
Grab von Wuttrienen, Kr. AUenstein (Berliner Ausstellung von 1880, Katalog
S. 413, Nr. 165. Photogr. Album Sect. I, Taf. V.). Nur will ich ein schon früher
von mir erwähntes, recht seltenes Vorkommen in Erinnerung bringen, nehmlich die
mit Feuersteinzähnen besetzten Hirschhorn-Harpunen, die vielleicht auch
als Spitzen von Wurfspiessen gedeutet werden könnten. Die Abbildung einer solchen
aus der Sammlung der phys.-ökon. Gesellschaft in dem Photogr. Album Taf. VI,
Nr. 168, bei welcher ausdrücklich angegeben ist, dass die Feuersteinsplitter ein-
gekittet seien, ist etwas undeutlich. Viel besser ist die Abbildung in den „Preuss.
Steingeräthen" Taf. V, Fig. 11, die sich auf ein Stück des Prussia-Museums
bezieht und eine doppelte Reihe von Feuersteinzähnen zeigt Die Erklärung
von Bujack lautet: „Wurfpfeil mit ursprünglich sechs Widerhaken aus Feuerstein,
welche in eine, nach beiden Seiten zugespitzte Schäftung aus Knochen mittelst
einer schwärzlichen Masse eingesetzt sind. An dem einen Ende der Schäftung
befindet sich der üeberrest desselben Kitts, mit welchem dies Geräth in eine Vor-
richtung von Holz eingelassen wurde. Dirwangen (Kr. Rössel). Vgl. Nilsson PI. VI,
No. 1 25 u. 1 26." Ich sah dieses prächtige Geräth im Prussia-Museum und habe mir
notirt, dass es aus einem Moor in Masuren stamme. Aus dem Katalog ersehe ich
jedoch, dass das Museum ausser dem Dirwanger Stück noch 2 andere, eines von
Jeglinen, Kreis Johannisburg, und eines von Garben, Kreis Stallupönen, besitzt, an
welchen die Feuersteinzähne noch erhalten sind; ausserdem werden noch 4 Stück
aufgeführt, bei denen die Feuersteine verloren gegangen waren, die aber dafür offene
longitudinale Rinnen oder Fugen besassen: eines von Penken, Kr. Pr. Eylau, und
eines von Kinwangen, Kr. Friedland, beiderseits, — eines von Bialla, Kr. Johannis-
burg, und eines von unbekannter Herkunft (Nr. 85) nur auf einer Seite. Der Gebrauch
dieser Werkzeuge, die in dem Katalog als Fischstecher bezeichnet und mit ähn-
lichen Geräthen in Neu-Seeland parallelisirt werden, scheint demnach in Preussen
sehr verbreitet gewesen zu sein, wie denn auch die gewöhnlichen Hornharpunen
mit mehrfachen Widerhaken häufig sind (Photogr. Album Taf. VI, Fig. 170 u. 171).
Im Anschlüsse daran mag daran erinnert sein, dass in der Oberforsterei
Pöppeln, Kreis Labiau, ein Auerochsen-Schädel gefunden ist, in dem noch die Spitze
eines Feuersteinspeers steckte (Verhandl. 1884, S. 560). —
Das der phys.-ökon. Gesellschaft gehörige Provinzial -Museum besitzt femer
eine für die neolithische 2ieit höchst wichtige, hauptsächlich keramische Samm-
lung von der Kurischen Nehrung, von der das Photographische Album der
Ausst. auf Taf. UI u. IV vortreffliche Abbildungen enthält; die Stücke stammen
sämmtlich von Nidden. Sie sind begleitet von zahlreichen Steinartefakten, namentlich
von sog. Messern und Schabern, sowie von vortrefflich gearbeiteten Pfeilspitzen aus
Feuerstein in den mannichfaltigsten Formen (Photogr. Album Taf. I u. II) und von
Hämmern mit Bohrzapfen, von Schleif- und Behausteinen. Nach dem letzten Bericht
von Tischler (1890) besass das Museum bloss von der Kurischen Nehrung
350 Pfeilspitzen, 220 wirkliche Messer und Schaber, und fast 200 Aexte und
Hämmer. Eine besondere Beachtung verdient die grosse Zahl der ausgebohrten
Zapfen, von denen 57 vorhanden waren.
Für die ßeurtheilung der letzteren ist es nicht ohne Bedeutung, dass sich
ähnliche Bohrzapfen auch in den russischen Ostseeprovinzen sehr häufig finden.
Ich habe diesen Punkt in dem Bericht über meine livländische Reise (Verh. 1877,
8. 391) ausführlich besprochen und die Natur der Zapfen klargestellt. Was jedoch
besonders merkwürdig ist, das ist der Umstand, dass sich in Livland derartige
Körper in Gräbern finden, und zwar auch in solchen, welche Bronze und Eisen
48*
(756)
enthalten, einzelne sogar in Bronzefassnngen. Ich habe damals daraas geschlossen,
dass auch die Bearbeitung zu einer Zeit stattgefunden habe, wo Bronze und Eisen
vorhanden waren. Ob dieser Schluss ganz sicher war, will ich gern zur Erörterung
stellen, aber ich möchte auch die Frage nicht als unzulässig betrachten, ob die vielen
Bohrzapfen der Ruiischen Nehrung alle der neolithischen Zeit angehören. Diese
Frage scheint mir um so wichtiger, als die bisherigen Annahmen dahin gehen,
dass die Bewohnung der Rurischen Nehrung mit der Steinzeit für eine lange Zeit
aufgehört habe und dass erst sehr viel später eine neue Besiedelung eingetreten sei.
Für die Entscheidung dieser Frage möchte ich auf die relative Häufigkeit
des Zusammenvorkommens von Steinhämmern mit Metallbeigaben in
ostpreussischen Gräbern hinweisen. Bei verschiedenen Gelegenheiten, namentlich
bei Besprechung einer von Hrn. Bujack gelieferten Zusammenstellung solcher
Funde, bin ich darauf zurückgekommen (Verhandl. 1888, S. 427). Ich will daraus
hervorheben, dass in einem Grabe der Drusker Forst, Kr. Wehlau, ein sehr schöner
durchlochter Steinhammer in einer Thonume lag (Sitz.-Ber. der Prussia 1887/8,
8. 115, Taf. IV), in einem anderen ein ganz gleicher neben zerdrückten Töpfen
(Sitz.-Ber. 1888/89, S. 141, Taf. V). Allerdings wurde in keinem dieser Gräber,
welche im Uebrigen Leichenbrand zeigten, Metall aufgefunden, aber nach der Aus-
stattung der Nachbargräber mit Bronzeschmuck war zu erschliessen, dass es sich
um vorchristliche Anlagen handelte, von denen einzelne bis in die römische Zeit
zu reichen scheinen. Hr. Bujack, der die Ausgrabungen leitete, war geneigt,
eine Beilegung älterer Steinäxte in Gräber einer späteren Zeit anzunehmen. Indess
führt er selbst 3 Stücke des Prussia -Museums auf (von Fürstenau, Löberts-
hoff und Rirpehnen), nehmlich Bruchstücke durchlochter Steinbeile, aus Gräber-
feldern der römischen Periode. Auch diese Funde sind an sich nicht von ent-
scheidender Bedeutung, aber sie werden künftig in Verbindung mit den Vorkonun-
nissen auf der Nehrung und in Livland zu erörtern und zu verfolgen sein. —
An die Steinzeit haben die ostpreussischen Forscher eine andere Rategoric
von Funden angeschlossen, welche allerdings der höchsten Aufmerksamkeit würdig
sind: die Artefakte aus Bernstein. Sonderbarerweise sind die Hauptfundc der-
selben im Rurischen Haff selbst gemacht worden, unter umständen, welche noch
jetzt nicht eine endgültige Deutung gefunden haben. Wir besitzen darüber muster-
hafte Arbeiten des Hm. Rieh. Rlebs, namentlich die prächtige Abhandlung: „Der
Bemsteinschmuck der Steinzeit von der Baggerei bei Schwarzort, Rönigsberg 1882*^,
bei welcher der Verf. sich der Beihülfe Tischler's zu erfreuen hatte. Da ich
selbst mehrere Wochen in Schwarzort verweilte und noch Zeuge des Abbruchs
der berühmten Baggerei war, so wird es vielleicht Interesse gewähren, wenn ich
darüber Einiges sage.
Schwarzort liegt ziemlich weit gegen Norden auf der Haffseite der Nehrung.
Man fahrt von da in einigen Stunden mit dem Dampfer nach Memel. Das Haff
ist hier, nicht weit von dem einzigen, jetzt noch vorhandenen Ausflusse in das
Meer, schon ziemlich eng: das gegenüberliegende, niedrige Ufer von PrÖkuls lasst
sich in einer halben Stunde im Boote erreichen. Das Fahrwasser aber ist noch
viel enger. Eine Untiefe, die sich von dem östlichen Ufer herüberzieht und
den Fischern für die Aufstellung ihrer Reusen und Netze grosse Bequemlichkeit
gewährt, zieht sich vom jenseitigen Ufer bis nahe an Schwarzort heran. Als
grössere Schiffe, namentlich Dampfer, diesen Weg nahmen, ergab sich alsbald
die Nothwendigkeit, die Fahrrinne zu verbreitem und zu vertiefen. Bei den von der
Regierung angeordneten Baggerarbeiten kam ungewöhnlich viel Bernstein zu Tage.
Aehnliche Funde waren schon früher auf dem benachbarten Festlande in dem Alt-
(757)
AUaviom der Lusze bei Prökuls bekannt geworden und hatten 1857 zur Bildung
einer Gesellschaft in Memel, unter der Firma Stantien und Becker, geführt,
welche die Ausbeutung des dortigen Lagers unternahm. Im Jahre 1860 traten sie
mit der Regierung in ein Pachtverhältniss, um auch die Aufschliessung der Untiefe
im Haff und die Fortführung der Baggerarbeiten auszuführen. Ihre Erwartungen
bestätigten sich in unerwartetem Maasse, und es erwuchs im Laufe der Jahre eine
förmliche Flottille Ton Bagger- und Transportschiffen, ein Hafen wurde erbaut, es
entstand eine neue Ansiedelung von Arbeitern, und der stille Platz erfüllte sich
mit regem Verkehr. Damals bemerkte man, dass unter dem ausgebaggerten
Bernstein nicht selten bearbeitete Stücke, selbst figürliche Darstellungen von
Menschen, Torkamen; es wurden Sammlungen dayon angelegt und mit grosser
Liberalität interessante Suiten an die Museen abgegeben. Das war die Grundlage
für die Arbeit des Hm. Rlebs.
Als wir in Schwarzort eintrafen, hatte sich Alles verändert. Nachdem die Er-
träge der Baggerei sich in letzter Zeit von Jahr zu Jahr yermindert hatten, und
Hr. Becker, der gegenwärtig mit Hm. Hagen an der Spitze des Geschäfts steht,
die Verarbeitung und den kaufmännischen Vertrieb des Bernsteins nach Wien ver-
legt hatte, ist das Pachtverhältniss gelöst worden; die Regiemng lässt die Bagger-
arbeiten wieder durch Staatsschiffe betreiben und die alte Firma hat ihre gesammte
Thätigkeit nach Palmnicken im Samlandc übertragen, wo ganz nahe an der Rüste,
selbst bis unter das Wasser des Meeres*), der Bemstein bergmännisch gefördert
wird. Die noch anwesenden Mitglieder des Gongresses besuchten das höchst
interessante Werk am 11. August unter persönlicher Führung des Hm. Hagen; wir
wurden von Frau Geh. Rath Becker in gastlichster Weise empfangen und schieden
am Abend, erstaunt und bewegt ob der Fülle des Bernsteins, den noch immer
der samländische Boden verborgen hält. Wir sahen hier aus den abgebrochenen
Gebäuden vom Schwarzorter Hafen neue Fabrikgebäude und Arbeiterwohnungen
erstehen, und konnten uns darauf vorbereiten, die Zerstön|ng der Schwarzorter
Anlagen mit Verständniss zu beurtheilen.
Der Bagger, welcher jetzt dort in Thätigkeit ist, fördert immer noch Bemstein
zu Tage. Nicht bloss kleine Stücke, sondem bis halbmannskopfgrosse Klumpen
sah ich selbst auf demselben. Wie gross die Menge früher gewesen ist, davon
kann man sich sofort überzeugen, wenn man die breiten Strandanschüttungen be-
tritt, welche ober- und unterhalb von Schwarzort durch den ausgebaggerten Schlamm
in das Haff hinein angesetzt worden sind; wohin man tritt, da liegt Bernstein,
meist freilich in kleinen Fragmenten, jedoch auch in grösseren Stücken, so dass
es leicht ist, in kürzester Zeit Hände voll davon zu sammeln. Die Dorf- und
Waldwege, welche in weiter Ausdehnung mit solchem Schlamm überdeckt sind,
erscheinen, wenn der Wind die oberflächliche Staubdecke hinweggeblasen hat,
ganz durchsetzt mit funkelnden Partikeln.
Dass an einer Stelle, wo so viel Bemstein vorhanden ist, derselbe auch be-
arbeitet worden ist, würde nichts Auffallendes haben, wenn das Ganze auf dem
Lande zu finden wäre. Nun sind allerdings, wie Hr. Rlebs nachweist, ähnliche
Artefakte auch auf der Nehmng selbst gefunden worden, aber ihre Zahl ist ver-
schwindend klein und die Nehmng selbst ist anscheinend gerade hier eine so
reine Dünenbildung, dass darin wohl kaum das Urmaterial gesucht werden kann.
Andererseits lässt sich wohl denken, dass die erwähnte Untiefe für verschwemmten
Bemstein ein günstiger Absatzplatz gewesen ist. Aber woher sollte aller dieser
1) In diesem Winter ist das Meer in diese Stollen eingebrochen, wobei mehrere Ar-
beiter den Tod gefunden haben. (Nachträglicher Zusatz von 1892.)
(758)
Bernstein gekommen sein? Nirgends am Haff ist eine alte Fabrikationsstelle auf-
gefimden worden. Es bleibt also scheinbar kaum eine andere Deutung tibrig, als
dass der ehemalige Fabrikationsort durch Wasser zerstört worden ist, dass er sich
aber innerhalb des Bereiches des jetzigen Haffs befunden haben muss.
Die Aufmerksamkeit hat sich daher begreiflicherweise auf den Untergrund
gerichtet und das Vorkommen von stärkeren Hölzern ist in der That l)ei dem
Baggern festgestellt worden. Waren hier etwa Pfahlbauten? Hr. Rlebs hat die«e
Frage aufgeworfen, aber imbeantwortet gelassen. Ich möchte dazu bemerken, dass
es mit Pfählen allein nicht gethan sein könnte. Andere Dinge, die fär eine
Ansiedelung sprechen möchten, etwa die stets treuen Topfscherben oder andere
Steingeräthe, sind, soweit ich ermitteln konnte, nie heraufbefördert worden. So
ist denn schliesslich eine Möglichkeit stehen geblieben, die nehmlich, dass hier
oder in einiger Entfernung früher fester Boden war, der vom Wasser hinweg-
gerissen wurde und ron dem das leichtere Material yerschwemmt worden ist Die
umfassenden Arbeiten des Hrn. Berendt über die Entwickelungsgeschichte des
Haffs und der Nehrung, insbesondere seine Nachweise wiederholter Hebung und
Senkung des Landes in einer Zeit, welche der Mensch noch gesehen haben kann,
bieten eine nicht zu unterschätzende Stütze für eine solche Annahme.
Von der Fülle und Mannichfaltigkeit der Artefakte erhielten wir zuerst eine
Anschauung, als die Firma Stantien und Becker auf der ersten Fischerei-Aus-
stellung in Berlin durch eine grosse Bernsteinsammlung alle Welt überraschte.
Ich besitze seit längerer Zeit durch die Güte des Hrn. Klebs eine kleine, aber
sehr instruktive Collektion bearbeiteter Stücke. Unsere Gesellschaft hatte Gelegen-
heit, in dem Königsberger Bernstein -Museum der Firma die werth vollsten Funde
zusammengestellt zu sehen, und manches imserer Mitglieder durfte eine interessante
Erinnerung, ja Originalstücke mit nach Hause nehmen. Eine Privatsammlung des
Hrn. Dr. Sommerfeld gab uns zugleich Gelegenheit, eine treffliche vergleichende
Zusammenstellung des Bernsteins verschiedener Länder zu mustern.
Die HHrn. Rlebs und Tischler sind nach langen und soiiglaltigen Prüfungen
zu dem Ergebniss gelangt, dass die Schwarzorter Artefakte durch Männer eine«
Steinvolkes und zwar mit Feuersteinwerkzeugen hergestellt seien. Sie haben den
Nachweis geführt, dass diese Artefakte von denen der späteren Zeit in Uanpt-
stücken verschieden sind und dass sie eine verhältnissmässig spärliche Verbreitung
und eine nur beschränkte Area des Vorkommens gefunden haben. Indess ist
Tischler selbst später auf Bernsteinschmuck in Hünengräbern gestossen, welcher
mit dem Schwarzorter in vielen Stücken übereinstimmte, und er hat sich nur mit
der Annahme helfen können, dass die Stücke „zur Steinzeit gearbeitet, in die Erde
gerathen und von dem Erbauer der Hügel wieder aufgefunden und verwendet seion*"
(Schriften der phys.-ökon. Ges. 1886, XXVII, S. 147). Eine Klärung dieser Fr»ge
erwartete er von künftigen Entdeckungen. Ich kann mich dem nur anschliessen,
da ich nach manchen Anzeichen glaube, dass die weitere Ergründnng der prü-
historischen Funde mindestens eine Erweiterung des Verbreitungsbezirkes eigeben
wird. Nur das darf ich schon jetzt betonen, dass uns hier ein neues Beispiel
entgegen tritt, wie unter der ausdauernden Beschäftigung mit einem bestinunteo
und geeigneten Materiale sich die Kunstfertigkeit der alten Arbeiter zu einer Biihc
entwickelt hat, welche unser Staunen erregen muss, wenn wir sehen, wie tie
von den einfachsten Anfängen sich in aller Abgeschlossenheit aus eigener Kraft zu
einer immer vollkommneren Ausbildung der Form, zu einer immer grössemi
Mannichfaltigkeit der Aufgaben, schliesslich zu einer gefälligen Ornamentik und
selbst zur Nachbildung der menschlichen Gestalt emporgeschwungen haben. —
(759)
Mit dem Schlüsse der Steinzeit „verliert die Nehrung fast jede archäologische Be-
deutung. Es sind noch drei sehr interessante ältere Bronzen gefunden (2 Gelte,
1 Lanze), vielleicht auch noch ein Armring, einige römische Münzen: das ist alles,
was zwei Jahrtausende auf diesem öden Landstriche zurückgelassen haben, bis am
Ende des Heidenthums noch einmal ein heller Lichtstrahl die Archäologie des
Ostens aufklären sollte" (Tischler, Schriften der phys.-ökon. Ges. 1890, XXXI,
S. 94). Ich kann dem nur hinzufügen, dass der Fischmoister Hr. Lardong in
Schwarzort, der sehr aufmerksam die späteren Funde aus der Umgebung gesammelt
hat, mir nur folgende Gegenstände zeigen konnte:
A. von dem Nordtheil der Nehrung, gegen Memel hin, 2 gebrochene, grosse,
geschliffene und gebohrte Steinhämmer, scheinbar aus Diorit,
B. südlich von Schwarzort, gegen Nidden, 30 Fuss über dem Niveau, auf der
Wanderdüne, und zwar an der Seeseite derselben,
1. eine kleine, abgebrochene, glatte ßeilschneide aus Thonstein,
2. einen kleinen geschliffenen Keil aus schwarzem Feuerstein,
3. ein geschlagenes trapezoides Stück aus gleichem Material.
Die Auffassungen über die ostpreussische Bronzezeit haben im Laufe der
letzten Jahre, mit dem Fortschreiten der Erfahrungen, grosse Aenderungen erfahren.
Während früher die Renntniss der älteren Bronze vorzugsweise auf Depot- und
Einzelfunde beschränkt war, ist es neuerlich gelungen, Gräber aufzudecken, welche
derselben Periode angehören; Tischler setzt sie um ein Jahrtausend vor Christo
an. Besonders bemerkenswerth sind die Gräber von Kantau im Samlande, welche
im Jahre 1887 in der Nähe von Neu -Kuren am Strande gefunden wurden
(Schriften der phys.-ökon. Ges. XXVIII. Sitz.-Ber. S. 11). Später entdeckte man
ähnliche Gräber ganz in der Nähe bei Alknicken (ebendas. XXXJ, 1890, Sitz.-Ber.
S. 19). Diese Funde erscheinen deshalb besonders bemerkenswerth, weil sie gerade
das eigentliche Bemsteinland betreffen und daher für die Frage des alten Handels-
verkehrs eine Anknüpfung gewähren. Ich sah die Fundstücke in dem Provinzial-
Museum und will hervorheben, dass mir, ausser einem Axthammer von sehr eigen-
thümlicher Form, einem Messer von Bronze und einer, am einen Ende schlangen-
förmig gebogenen Nadel, namentlich eine ganz grosse Nadel, die am Ende in ein
Spiralblatt auslief, aufgefallen ist; sie erinnerte mich lebhaft an die kaukasischen
Nadeln von Kurabuitc (Verhandl. 1890, S. 419). Die meisten Urnen sind nicht
omamentirt, besitzen aber Doppelgriffe und einen leicht umgebogenen, welligen Rand.
Auch im Prussia-Museum befindet sich eine Sammlung Rantauer Fundstücke
(Katalog I. 2, S. 7), jedoch bin ich zweifelhaft, inwieweit sie derselben Zeit an-
gehören. Denn es sind bei Rantau auch Hügelgräber aufgedeckt worden, welche
nach Tischler^s Angabe zu den Steinkistengräbem gehören. Ich will daher hier
nur erwähnen, dass ich darunter kleine Gefässe von ganz neolithischem Charakter
sah, welche am Bauch senkrecht durchbohrte Vorsprünge tragen. Auf die anderen
werde ich noch zurückkommen. Dagegen möchte ich darauf aufmerksam machen,
was ich schon früher hervorhob (Verh. 1886, S. 383), dass Gefässe mit „kleinen,
zweimal senkrecht durchbohrten Hervorragungen" auch in Gräbern von Fritzen,
gleichfalls in dem Wäldchen Kaup bei Krantz, gefunden worden sind. Schon da-
mals habe ich auf die Aehnlichkeit einer dort gewonnenen Scheiben- oder
Spiegelnadel mit denjenigen, die ich von Koban im Kaukasus beschrieb, hin-
gewiesen. Nachdem ich das Stück gesehen habe, das ich damals nur aus einer
Abbildung kannte, muss ich die Analogie bestätigen. Ebendaselbst ist auch ein
grosser gedrehter Bügel aus Bronze mit weit zurückgeschlagenen Enden, den ich
für den Henkel eines Gefässes hielt, und ein offener Arm- oder Fussring mit ab-
(7G0)
geplatteten Endknöpfen zu Tage gekommen. Der Fundbericht steht in den
Sitzungsberichten der Alterthums-Gesellsch. Prussia für 1885— 80, 8. 5, Taf. I — II.
Tischler (Schriften der phys.-ökon. Ges. 1888, XXIX. Sitz.-Ber. S. 8, Fig. 3)
hat den eigenthümlichen tordiiien Bronzebogen, die er für Halsringe hält, den
Namen „Bügelringe" beigelegt. Er beschreibt einen solchen aus einem Depot*
funde von Willkühnen, Kr. Königsberg; derselbe wurde mit einem anderen
grossen Ringe, 5 Gelten und 6 Armringen gefanden. Ich muss anerkennen, nach-
dem ich diese Stücke im Provinzial- Museum gesehen habe, dass die Bügelringe
als Henkel kaum brauchbar waren; das um- und zurückgelegte Ende ist nehmlich
angeschmolzen. Aehnlich verhält es sich mit zwei Bügelringen des Danziger
Museums, von denen der eine (Lissauer, Alterthümer der Bronzezeit Taf. VI,
Fig. 15) aus einem grösseren Depotfunde von Brünnhausen, Kr. Putzig, der andere
(ebendas. Taf. X, Fig. 8) aus einem Depotfunde von Gerdin, Kr. Dirschau, stammt.
Das Grab von Fritzen hat für alle diese Funde eine willkommene Verbindung her-
gestellt. Man wird nicht im Zweifel sein können, dass sie einer jüngeren Bronzezeit
angehören. Tischler setzt sie, hauptsächlich wegen der Torsion, in das 5. Jahr-
hundert V. Chr.; Lissauer aber weist daraufhin, dass Ringe dieses Typus in West-
preussen und Hinterpommern schon mit entschieden älteren Bronzen zusammen
vorkommen. Der Fund von Fritzen scheint diese Ansicht bestimmt zu bestätigen. —
Sämmtliche Gräber der Bronzezeit in Ostpreussen gehören der
Zeit des Leichenbrandes an. Dass die Tene-Zeit mit ihren Bestattungsgrabem
bis jetzt nur spurweise in der Provinz nachgewiesen ist, wurde schon hervor-
gehoben. Dann aber, ungefähr um Christi Geburt, beginnt die Periode der grossen
Gräberfelder der Eisenzeit, welche eine gehäufte Bevölkerung voraussetzen; sie
haben das Hauptmaterial für die chronologischen Bestimmungen geliefert, da nicht
wenige bekannt geworden sind, in welchen die Aufeinanderfolge der Perioden un-
mittelbar nachweisbar war. Mit berechtigtem Stolze sagt Tischler in dem Jubiläums-
bande der Schriften der phys.-ökon. Gesellsch. 1890, S. 97: „Die Glanzperiode der
ostpreussischen Urzeit, das 1. bis 4. Jahrhundert n. Chr., bis ins 5., nimmt im
Museum den grössten Platz ein, und diese Ausgrabungen liefern auch stets die
allerreichste Ausbeute.^ Seine ersten Feststellungen geschahen auf den Gräber-
feldern von Dolkeim und Corjeiten. Er unterschied (Schriften der Gesellsch. 188G,
XXVII. Sitz.-Ber. S. 22) 3 Perioden:
1. Gräber der ersten und eines grossen Theils der zweiten Periode, vor-
wiegend Skeletgräber,
2. Gräber vom Ende des zweiten und aus dem dritten Jahrhundert: aus-
schliesslich Leichenbrand in sehr grossen Aschenumen,
3. Gräber vom Ende des dritten bis zum Anfange des fünften Jahr-
hunderts: Beisetzung in freier Erde.
Diesen Perioden entsprechen die berühmten Unterscheidungen der Fibeln,
welche Tischler aufgefunden hat. In der zweiten trifft man häufig römische
Münzen. Während dieser ganzen Zeit nimmt er an, dass hier germanische
(gothische) Stämme sassen, während sie Westpreussen schon im Anfange des
dritten Jahrhunderts geräumt hatten.
Auf weitere Einzelheiten kann ich hier nicht eingehen. Ich möchte nur auf
die grosse Mannichfalügkeit der Urnen aufmerksam machen. Unter diesen erregte
meine Aufmerksamkeit namentlich eine grössere Anzahl, welche mehrfach
durchlochte Henkel' besasscn. Ich habe seitdem gesehen, dass Tischler
diese wesentlich der Tene-Periode, freilich meist Nachbestattungen, zurechnete. Er
beschrieb die ersten aus einem Grabe von Warschken in der Nähe von Gennau,
(761)
Kr. PischhauBen (1886, XXVn, S. 165, Taf. V, Fig. 8), und von St. Lorenz (ebend.
S. 170, Taf. V, Fig. 13), und machte auf das Vorkommen ähnlicher in Rantau und
Kudau aufmerksam. Ein solches Gefäss von Rudau, Kr. Fischhausen, ist in den
Schriften 1888, Taf. I, Fig. 18 abgebildet Ich fand weitere von Rantau im Prussia-
Museum, von Corjeiten und Tenkieten im Provinzial-Museum. Mir waren diese
Formen ganz neu und ich interessirte mich um so mehr dafür, als auch die Gefässe
manche Eigen thümlichkeit zeigen, die meiner Ansicht nach sie bis nahe an oder
in die Zeit der Steinkistengräber hinaufreichen lässt.
Zunächst was die Form betrifft, so sind es grosse Urnen von doppelkonischer
Gestalt, d. h. sie sehen aus, wie wenn zwei an der Spitze abgeschnittene Kegel
mit ihren Grundflächen auf einander gesetzt wurden. Dadurch entsteht ein starker
äquatorialer Vorsprung, der zuweilen geradezu kantig ist Der obere Theil ver-
längert sich oft erheblich und verjüngt sich dann auch mehr und mehr bis zu
dem Rande. Sie nähern sich dadurch jener Art altitalischer Gefässe, welche ich
Pagodenurnen genannt und mit den etruskischen Gesichtsurnen in Beziehung
gebracht habe (Verhandl. 1883, S. 326. Sitzungsberichte der Akademie der Wissen-
schaften, Berlin 1883, S. 1013). Graf Gozzadini hat deren aus dem Gräberfelde
von Villanova beschrieben (a due coni uniti per la base}, doch finden sie sich
schon in Marino und Corneto. Nun giebt es freilich einen grossen Unterschied in
den Henkeln, indem die italischen den Henkel an dem unteren Kegel, die ost-
preussischen dagegen an dem oberen Kegel haben. Ueber diesen zieht sich
nehmlich auf einer Seite ein langer Grabt aus Thon herunter, der gelegentlich
mit 2 (Warschken, Corjeiten) oder mit 3 (St Lorenz, Rudan) oder mit 4 (Rantau)
grösseren Oeflhungen durchbrochen ist An einer Urne von Tenkieten hat der
Grabt die Gestalt eines zweizackigen Vorsprungs; andermal zeigt er rundliche Ab-
theiluDgen, den einzelnen Oeffnungen entsprechend, so dass er wie aus mehreren
Henkeln über einander zusammengesetzt erscheint.
Dazu kommen Stöpseldeckel. Bei einer Urne von Tenkieten reicht die Form
schon ganz nahe an die Mützenform heran. Die Oberfläche der Urnen selbst ist häufig
omamentirt, am ausgiebigsten an einer, auch sonst sehr merkwürdigen Urne von
Rantau im Prussia- Museum. Hier ziehen sich um die Aequatorialgegend mehrere
gürtelförmige Zonen, durch Querlinien begrenzt und mit Gruppen von Schräg-
strichen in wechselnder Neigung erfüllt, nach oben eine Zone mit Grübchen, nach
unten feine Gruppen eingestochener Ornamente. An dem oberen Kegel, dicht unter
der Randeinziehung, sind kleine Männchen mit Kopf, Leib, Armen und
Beinen, freilich sehr rudimentär, eingeritzt, zwischen denen sich Reihen kurzer
Schrägstriche hinziehen. Die Zeichnimg hat viel Aehnlichkeit mit den mensch-
lichen Figuren, die an westpreussischen Gesichtsurnen angebracht sind.
Diese Bemerkungen mögen der weiteren Erwägung der ostpreussischen Fach-
genossen anheimgegeben sein. Natürlich müsste eine genaue Revision der sonstigen
Fundstücke vorgenommen werden, um die Zeitstellung dieser Gefässe sicher zu
stellen. Ergiebt sich darnach, was ich für wahrscheinlich halte, dass sie der
Tene-Zeit angehören, so würde es sich doch fragen, ob sie nicht der ältesten
Periode derselben zuzurechnen seien und ob sie nicht Repräsentanten des Ueber-
ganges von der Hallstatt-Sjeit darstellen. Schon Undset (Das erste Auftreten des
Eisens in Nordeuropa. Deutsch von J. Mestorf. S. 153) stellt die ostpreussischen
Urnen mit menschlichen Figuren, von denen er eine vollständige und ein Bruch-
stück von Tirkehnen (Taf. XV, Fig. 16 u. 17) abbildet, als Zeitgenossen der west-
preussischen Gesichtsumen dar, wie er denn auch Beispiele von Mützendeckeln
citirt. Ich will übrigens nicht verfehlen, auf die Aehnlichkeit der Figuren mit
(762)
denen der schwedischen Hällristningar und einiger schleswig-holsteinischer Urnen
(von Hadersleben und Borgstedt, 38. Bericht zur Alterthumskunde Schleswig-Hol-
steins, 1885, S. 21. Mestorf, Vorgesch. Alterthümer aus Schleswig-Holstein, S. 22,
Taf. XLI, Fig. 464 u. 468) aufmerksam zu machen. —
Aeusserst dunkel ist die Frage nach den Gründen des Wechsels in der
Art des Begräbnisses. Hier ist der Gegensatz unserer Erfahrungen gegen die
ostpreussischen besonders gross. Zu einer Zeit, wo im übrigen Ostdeutschland
überall noch Leichen brand und Umenbestattung herrschte, treffen wir hier Skelet-
gräber, — eine höchst fremdartige Erscheinung, die wohl daran denken lassen
könnte, dass sie einer Einwanderung von auswärts zuzuschreiben sei. Cm so
auffälliger ist dann das erneute Auftreten des Leichenbrandes in der Zeit des
römischen Einflasses, wo das Neustädter Feld bei Elbing zahlreiche Skeletgräber
zeigt. Hier wäre es höchst wünschenswerth, dass Localforscher durch eine aus-
gedehnte Zusammenstellung aller Localfunde mit ihren charakteristischen Beigaben
eine authentische Grundlage für das Urtheil herstellten. Ausgiebige, wenn möglich
illustrirte Kataloge mit scharfer Sonderung der zusammengehörigen Fundstücke,
woran es noch ganz fehlt, würden das Werk sehr erleichtem. —
Zeichen der sl avischen Einwanderung machen sich demnächst bemerkbar.
Man hat in Ostpreussen etwas lange gezögert, die Erfahrungen, welche wir in
Pommern, Meklenburg, der Mark, Schlesien, Sachsen und weiter südlich gemacht
haben, zu yerwerthen. Es ist, soweit ich sehe, auch eines der grossen Verdienste
von Tischler, die Identität der Gefässscherben dieser Periode, namentlich in Be-
ziehung auf ihre Ornamente, mit den westslavischen ausgesprochen zu haben
(Katalog der Berliner Ausstellung von 1880, S. 410). In der That liessen die auf
unserer Ausstellung gezeigten Stücke von Szittkehmen, Statzen, Rossitten (Korallen-
berge) und Mewe (Heidenschanzen) darüber keinen Zweifel (Photograph. Album
Taf. 19 u. 20). In den Berichten der Prussia, so in der Beschreibung des Bui^-
walls oder der Ansiedelung von Bosemb, Kr. Sensburg (1885.86, S. 119, 135), wird
trotz der überraschenden Aehnlichkeit der Ornamente (das. Taf. XU, veigl. diese
Verhandl. 1886, S. 383) jede Beziehung auf das slavische Element vermieden.
Nun folgt freilich aus der Uebcreinstimmung des Thongeräthes mit dem aus-
gemacht slavischen, welches mit der Weichsel beginnt und sich bis über die Elbe
erstreckt, noch nicht, dass auch die ostpreussischen Scherben von Slaven herrühren.
Tischler selbst sprach von „slavisch-preussischen" Scherben, ja er erklärte (Be-
richt von 1890, S. 102), dass die Scherben der Preussen mit denen der Slaven in
Westprenssen ganz identisch seien.
Man könnte nun meinen, diese Schwierigkeit sei topographisch zu lösen.
Historisch betrachtet, scheinen die Slaven von Süden her in zwei Richtungen in
das nachmalige preussische Gebiet eingedrungen zu sein: im Osten in Masuren
und im Westen in Pomerellen, von wo sie, wie wir früher (S. 751) sahen, ein
wenig über die Weichsel hinübergegriffen haben. Auf dem rechten Weichselufer
rechnete man das polnische Gebiet bis zur Ossa, so dass also das Culmer Land
noch ganz slavisch war (Zeuss, Die Deutschen und ihre Nachbaretämme S. 676,
Anm.). Soviel ich wahrnehme, ist über die Deutung derjenigen Fundstücke, welche
aus diesen Landestheilen stammen, keine Differenz. Was Masuren betrifft, so ge-
hören dahin die, mit grossen steilen Wellen besetzten Scherben von Statzen bei
Olctzko und aus den Gräbern von Szittkehmen bei Goldap, an denen ausser Wellen
und grossen und kleinen Gurven auch blosse Ringlinien und Stempelcindrücke ver-
schiedener Art angebracht sind. Allein das topographische Merkmal reicht nicht aus.
Wenn im Samlande derartige Scherben, z. B. in Dolkeim, vorkommen, so steht der
(763)
Mangel jeder historischen Erinnerung an eine daselbst stattgehabte Einwanderung
slavischer Elemente der Annahme, dass die dortigen Aschenplätze, auf denen
Scherben mit Wellen, Schrägeindrücken und blossen Kippen, aber auch eine grosse
Bronzeschale mit eingeritzten Ovalen gefunden wurden, slavischen Ursprungs seien,
nicht mit beweisender Kraft entgegen, denn die Zeit Tom Ende des 5. bis zum
10. Jahrhundert und noch später ist nur sehr spärlich Gegenstand historischer Be-
richte gewesen, und es ist recht wohl denkbar, dass während dieser Zeit auch das
Samland eine kürzere oder längere Besiedelung durch Slaven erfahren hat Lässt
doch Adam von Bremen Schiffe von Julin nach dem Samlande fahren, aber freilich
setzt er hinzu: prorinciam quam possident Pruzzi. Wenn das Gräberfeld von Cor-
jeiten, das Jahrhunderte hindurch von germanischen Leuten benutzt worden ist, in
seinen jüngeren Theilen Aschenplätze mit Scherben, die das Wellenomament tragen,
enthält (Schriften der phys.-ökon. Ges. 1886, Sitz.-Ber. S. 24), so vermisse ich in
seinem Inventar charakteristische Bestandtheile, welche auf eine ethnisch von den
Slaven verschiedene Bevölkerung hindeuten.
Allerdings erscheinen in derselben Gegend die Zeichen einer anderen Be-
völkerung. Vollgültige Zeugnisse dafür wurden zuerst von Schi efferdecker 1871
auf der Rurischen Nehrung aufgefunden. Hier waren bei der Verschiebung der
Dünen gegen Osten in der Nähe von Rossitten die Reste einer alten Ansiedelung
und eines dazu gehörigen Kirchhofes auf der Westseite blossgelegt worden. Man
nannte diesen, sonst ganz namenlosen Ort nach einer alten, übrigens zweifelhaften
Angabe auf einer Landkarte, Stangenwalde. Nach den aufgefundenen Münzen
Hess sich feststellen, dass nach 1850 keine Beerdigungen mehr stattgefunden hatten,
dagegen konnten für den Anfang der Benutzung des Kirchhofes keine älteren
Münzen, als eine aus dem 12. Jahrhundert, entdeckt werden. Das genauere Studium
der Beigaben ergab, dass dieselben genau übereinstimmten mit denen aus livländischen
Gräbern. Als ich 1877 (Verhandl. S. 389) aus Livland zurückkehrte und die Funde
von Stangenwalde im Prussia-Museum prilfte, konnte ich diese Uebereinstimmung
vollauf bestätigen. Ueber die inzwischen ausgebrochene Streitfrage, ob die alten
Bewohner der Nehrung wirkliche Liven, d. h. Finnen, oder Letten gewesen seien,
glaubte ich zunächst hinweggehen zu können, da gerade die zur Vergleichung
herangezogenen Gräber in Gegenden Livlands vorkommen, die seit alter Zeit
lettisch waren, und da andererseits ähnliche Gräber auch aus zweifellos altfinnischen
Gebieten bekannt waren. Nach sorgfältiger Erwägung der Verhältnisse kam ich da-
her zu dem Ergebnisse (a. a. 0. S. 396), dass weder die Letten, noch die Liven
und Esthen eine specifische, nur ihnen eigenthümliche Cultur hatten, dass man
also aus der archäologischen Ausstattung eines Grabes keine Rückschlüsse auf die
Stammesangehörigkeit seines Besitzers machen dürfe. Dies ist auch jetzt noch
richtig. Trotzdem halte ich es für wahrscheinlich, dass es sich bei den Funden
von der Nehrung und den ihnen entsprechenden aus dem Samlande vorzugsweise
um Letten gehandelt hat. Gründe dafür werde ich in meinem folgenden Vor-
trage entwickeln.
Für jetzt will ich nur erwähnen, dass sich Parallelfunde auch ausserhalb der
kuriachen Nehrung, ja bis tief in das Samland hinein gefunden haben. Sowohl
das Provinzial-Museum^ als das der Prussia besitzen zahlreiche Belegstücke dafür.
Ich nenne aus dem letzteren das schon früher besprochene Wiskiauten, wo
sich arabische Münzen, livische Bronzen, Schildkrötenfibeln und andere skandina-
vische (Wikinger-) Anklänge, auch grosse, starke, offene Armringe mit dem Wolfs-
zahn-Omament (S. 754) fanden. Nicht sehr weit von da, bei Kunterstrauch,
zwischen Wikiau und Waigenau, wurden in einem Hügel zwei Skelette aufgedeckt
(764)
und mit ihnen Scherben mit dem Wellenoraament und eine Münze des 13. Jahr-
hunderts; dazu gehört auch ein grosser, ornamentirter Gürtel. Gleichfalls in der
Nähe liegt Ekritten (Sitzungsber. der Prussia 1888/89, S. 127, Taf. XII— XIII)
mit sehr charakteristischen Funden. Tischler (1890, Sitzungsber., S. 17) hob
andererseits namentlich Oberhof bei Memel hervor; ich kann nach den Stücken
im Provinzial-Museum den livländischen Charakter der dortigen Formen bestätigen.
Nehmen wir also vorläufig an, dass die Letten (Kuren) im 12. Jahrhundert,
wahrscheinlich schon viel früher bis Samland in das hinein sassen, so lassen
sich auch die, sonst vielleicht a]s slavjsche anzuerkennenden Funde als lettische
deuten. Tischler (1890, Sitzungsb., S. 16) gestand zu, dass sich bei den Liven,
den Letto-Litauem und den Slaven identische Thongefässe fanden. Man kennt jenseits
der Weichsel ausserhalb des Küstengebiets nur zerstreute Orte, wo sich das liv-
ländische Inventar wiederfindet, welches uns die vorher als lettisch bezeichneten
Gräber des Samlandes, der kurischen Nehrung und der Gegend von Memel bieten.
Solche Orte sind das Gräberfeld von Gerdauen (A. Hennig, Zeitschr. f. Ethn. XI.
803), und einige Plätze in der Nähe des kurischen Haffs, wie Löbertshoff, Kr.
Labiau, Weszeiten und Heydekrug. Wir haben daher dieses Inventar, namentlich
die Bronzen, unserer Diagnose zu Grunde zu legen.
Hier ergiebt sich nun, wie mir scheint, eine fühlbare Lücke, welche durch
die weitere Lokalforschung auszufüllen wäre. Wo sind die Gräber und An-
siedelungen der alten Preussen? giebt es erkennbare Beispiele derselben aus der
grossen Zwischenzeit zwischen dem 5, und dem 10. oder 1 2. Jahrhimdert und welches
sind ihre Merkmale? Waren die alten Preussen den Letten so nahe verwandt, wie
unsere Linguisten annehmen, sollten sie dann nicht auch Schmuck, Waffen und
Hausgeräth, wie die Letten, gehabt haben? Oder giebt es für Preussen und Letten
eine ältere Periode, wo sie die Artefakte noch nicht herstellten oder besassen,
welche die charakteristische Austattung der livländischen Gräber ausmachen?
Sollte es nicht gelingen, in den mittleren Theilen der Provinz eine grössere Zahl
„livischer" Gräber nachzuweisen, so müsste die letztere Erentualität wohl ernst-
haft in's Auge gefasst werden. Das gelegentliche Vorkommen sogen, fränkischer
Fibeln, welches zeitlich ungefähr eine Vcrgleichung gewährt, würde dabei näher
in das Auge zu fassen sein. —
Es giebt noch eine Erscheinung, welche in ihrer zeitlichen Stellung unter-
sucht werden muss, — das sind die grossen Stein figuren, welche, wie in West-
preussen (S. 747), so auch hier in einzelnen Exemplaren erhalten sind. Sie
gleichen den Kamienne Baba's der russischen Kurgane. Ein Stück aus sehr grobem
Granit von Ichitken (Masuren) ist im Prussia-Museum. Von einem anderen in
Kositten bei Eylau wurde mir dort erzählt; ebenso von zwei anderen, welche
im Volk als Barte! und Mostel bezeichnet würden'), von Bartenstein. Ausserdem
hat Pfarrer Meier (Sitzungsb. Prussia, 1885/86, S. 122) ein sehr defectes steinernes
Götzenbild von Mühlfeld bei Bartenstein beschrieben. —
Es erübrigt schliesslich noch eine Erinnerung an die ostpreussischen Pfahl-
bauten. Dieselben sind in unseren Verhandlungen so oft besprochen worden,
dass ich darauf verweisen darf. Zuerst, im Jahre 1874, wurde ein solcher im
1) Nachträglich ersehe ich aus einer Abhandlung des Hm. Gigas (Zeitechr. des bist.
Vereins für den Reg.-Bez. Marienwerder, 1877, Heft 2, S. 43), dass der Eweite Stein nirht
Mostel, sondern (seit 1769) Gustabalde, d. h. Gustel aus dem Walde genannt wird. Der
Bartel ist (ebenda, Taf. V, Fig. 2) m der That den Baba's ähnlich, nor hat er statt df*
gewöhnlichen Trinkbechers ein Trinkhom. Der so^, Potrimpos von Christbnrg (ebfada,
Taf. V, Fig. 1 und S. 69) ist ganz anders gebildet.
(765)
Arys-See, Kr. Johannisbarg, bekannt; Hr. Prof. Heydeck hat das Verdienst, ihn
wiederholt durchforscht zu haben. Vergl. Verhandl. 1874, 8. 363 *). Auf meiner
Rückreise von Livland 1877 (Verhandl., S. 434) sah ich die Funde und kam
zu der Ueberzeugung, dass sie bis in die Eisenzeit reichten; ich glaubte daher um
so mehr, der Auffassung derselben als Zeitgenossen der Schweizer Pfahlbauten
entgegentreten zu müssen, als auch die Bearbeitung der Pfähle selbst, nach dem
2ieugnisse des üntersuchers, auf den Gebrauch eiserner Werkzeuge hinwies. Seitdem
ist durch die energische Thätigkeit desselben Forschers eine Reihe weiterer Pfahl-
bauten aus den masurischen Seen bekannt geworden, so namentlich von Row-
natken (Sitzungsber. Prussia, 1886/87, S. 72, Taf. 1 — II), aus dem Szonstag-
und Tulewo-See (Sitzungsber. Prussia, 1887/88, S. 127, Taf. VII— XVI), sowie
aus dem Kock- und Probken-See (Verhandl. 1884, S. 560). Hr. Heydeck ist
bei seiner Auffassung von der Gleichzeitigkeit der preussischen und der schweize-
rischen Pfahlbauten stehen geblieben, und hat als ein besonders entscheidendes
Rriterinm die Häufigkeit von kleinen Löchern hervorgehoben, welche sich längs des
Randes der Thongefässe hinziehen und in ganz ähnlicher Weise an schweizerischen
Pfahlbautöpfen vorkommen. Meine Bedenken sind in den Verhandl. 1884, S. 561,
1888, S. 429 vorgetragen worden.
Nach meiner neulichen Musterung der vortrefflichen Sammlungen aus diesen
Pfahlbauten in der Prussia kann ich zugestehen, dass im Ganzen sehr wenig
Metall gefunden ist, während Stein- und Homwerkzeuge häufiger vorkamen. Wie
wenig jedoch auf dieses statistische Material ankommt, hat Hr. Hey deck ge-
zeigt, indem er den Nachweis lieferte, dass die Pfähle des Szonstag-Sees mit
Bronzeäxten zugehauen worden sind. Wirklich gefunden ist aber daselbst keine solche
Axt, sondern nur eine Zierscheibe aus Bronze (oder ein Deckel?) mit einer cen-
tralen Oehse (Taf. XI, Fig. 7). Bei dem Tulewo-See kommt Hr. He.ydeck (a. a. 0-,
S. 134) sogar auf die Möglichkeit zurück, ob die Hiebspuren an den Pfählen nicht
von Eisen herHihren möchten. Es ist jedoch nur im Arys-See ein Eisenstück,
und zwar ein nichtssagendes, gehoben worden. Was die Steingeräthe betrifft, so
mag noch erwähnt sein, dass zahlreiche geschlagene Feuersteine zu Tage kamen,
aber auch eine polirte Steinaxt (Arys-See) und ein Bruchstück einer gleichfalls
polirten und zugleich durchbohrten Axt (Szonstag-See). Wie hoch darnach das
Alter dieser Pfahlbauten zu schätzen ist, dürfte immer noch zweifelhaft bleiben.
Auch der Umstand, dass sich im Szonstag-See ein bearbeiteter Stirnzapfen von
Bos primigenius gefunden hat (Nehring in Verhandl. 1888,»S. 342), ist nicht ent-
scheidend, da sich im Uebrigen zahlreiche Knochen von Hausthieren (Hund, Pferd,
Rind, Schaf, Ziege und Schwein) bestimmen Hessen und die Zeit, bis wohin
wilde üre in Preussen vorkamen, nicht bekannt ist. Verhältnissmässig am
ältesten erscheint bis jetzt der Pfahlbau von Rownatken.
Die Verschiedenheit dieser Pfahlbauten von unseren slavischen habe ich von
Anfang an zugestanden. Dass sie einer früheren Zeit angehören, wird nicht be-
zweifelt werden können, da sie auf keinen Fall jünger sind, als die slavischen.
Welcher der in der vorbeigehenden Erörterung behandelten Perioden aber sie zu-
geschrieben werden müssen, folgt aus dem vorliegenden Material nicht. Da die
reine Steinzeit ausgeschlosssen ist, die sonstigen Umstände aber auf den Gebrauch
von Bronze und Eisen hinweisen, so bleibt vorläufig die ganze Breite der alten
Metallzeit für die Phantasie offen. Mögen daher die ostpreussischen Forscher die
1) An dieser Stelle ist ein Druckfehler stehen geblieben. Zeile 21 von unten muss es
statt „Neuieit** heissen „Steinieit**.
(766)
Geduld und den Muth nicht verlieren, ihre Untersuchungen fortzusetzen. Mög-
licherweise belohnt ein glücklicher Fund alle ihre Mühen!
Als ich auf der Rückreise ein Paar Tage zu Nickelsdorf, Kr. Alienstein
im Ermelande, verweilte, stiess ich bei einer Excursion über den Wadang-See auf
eine Erscheinung, die ich wenigstens erwähnen will, da sie vielleicht zu weiteren
Ermittelungen führen könnte. Am Nordrande dieses Sees, in massiger Entfernung
von dem Ufer, liegt eine kleine, mit Bäumen und Gesträuch bewachsene, verhält-
nissmässig hohe Insel. Während ich dieselbe umging, bemerkte ich an ihrem
östlichen Ufer, wo offenbar frischere Abstürze geschehen waren, in dem seichten
Wasser Thonscherben, deren Thon mit so grossen, weissen Quarzstücken durch-
setzt war, dass sie schon von Weitem sichtbar waren. Eine dieser Scherben«, von
denen wir binnen Kurzem eine Anzahl sammeln konnten, zeigte flache Parallel-
streifen, zwei andere Nageleindrücke. Die meisten waren ohne Verzierung, dick,
braxm, glatt und der Randbildung nach den slavischen ähnlich. Von der Stelle,
wo diese Scherben lagen, zog sich eine Untiefe zu einer kleinen^ im Wasser ge-
legenen Rohrkämpe, einem für einen Pfahlbau recht geeigneten Platze. Wir be-
fuhren in einem Nachen die ganze Kämpe, konnten aber nirgends etwas von
Pfählen bemerken. Auch ein Graben, der durch den Gipfel der kleinen Insel ge-
legt wurde, zeigte überall gewachsenen Boden ohne Culturspur.
Dagegen machte mich Frl. v. Hoverbeck auf eine andere Stelle aufmerksam,
die weiter östlich am Lande gelegen ist und durch eine steile, isolirte Höhe den
Eindruck einer künstlichen Bildung erregt hatte. Wir besuchten sie am nächsten
Tage (4. September) bei einer Fahrt um den ganzen Wadang-See. Derselbe be-
ginnt hier mit einer engen Bucht an der Einmündung des Pissa- oder Pisenflasses.
Kurz vorher zieht sich nach Osten zu eine tiefe Schlucht den Berg heran und in
ihrer Mitte erhet)t sich, rings abgeschnitten, ein massiger sandig-lehmiger Hügel von
sargähnlicher Gestalt, dessen Südende gegen den benachbarten Bach ganz steil abfällt
Der Sage nach soll hier eine Kirche gestanden haben. Jetzt wird der Hügel be-
ackert Ziegelsteine fanden sich nicht, dagegen ein grosses Bruchstück von einem
Mühlsteine aus rothem brüchigem Granit, axtähnliche GeröUe, Thierknochen und
ziemlich zahlreich dicke Topfscherben mit ganz grossen Kiesbröckeln, aber nicht
verziert, nicht unähnlich denen aus dem See. Ich bemerke jedoch, dass die Ent-
fernung beider Stellen von einander mindestens 2,5 km beträgt und dass der letzt-
genannte Hügel von dem Anfange des Sees noch vielleicht 300 Schritte abliegt —
Damit schliesse ich diese Besprechung. Sie wird wenigstens ein annäherndes
Bild von dem Reichthum der preussischen Museen geben und vielleicht dazu bei-
tragen, das wissenschaftliche Interesse der nicht preussischen Archäologen in
höherem Masse anzuregen, als es bisher der Fall gewesen ist Nachdem mit
Tischler der gegebene Interpret für die Fremden hin weggenommen ist, müssen
wir Zurückgebliebenen uns in die Arbeit theilen, dieses wichtige Gebiet der Kennt-
niss der Zeitgenossen zu erschliessen. Wenn es mir nicht besser gelungen ist,
so trägt die Zersplitterung der Sammlungen in Königsberg einen grossen Hieil
der Schuld. Schon Undset hat vor Jahren den Wunsch geäussert, es möchten
die Sammlungen der Prussia und der physikalisch-ökonomischen Gesellschaft ver>
einigt werden; ich empfinde es als eine Pflicht, diesen Wunsch von Neuem
und so dringend als möglich auszusprechen. Möge damit dem Andenken
an die beiden Männer, denen die Museen ihre gegenwärtige Fülle und Ordnung
verdanken, ein bleibendes Monument geschaffen werden! —
Der Gegensatz der prähistorischen Cultur, innerhalb deren Bereich ich mich
so lange bewegt hatte, trat mir in ganzer Stärke entgegen auf der letzten Staüoa,
(767)
auf welcher ich mir eine kurze Rast gewähren konnte, in Thorn. Es war ein
schöner sonniger Tag, ein wahrer Sonntag (6. September), und eine Gesellschaft
der liebenswürdigsten Menschen, unter denen ich vor allen meinen Collegen
Dr. Meyer und den Hm. Bürgermeister Schustern s nennen muss, bemühte sich
in der gefälligsten Weise, uns den Abschied von dem rechten Weichselufer
zu erschweren. Da ich hier keine eingehende Beschreibung liefern kann, so will
ich mich auf die Bemerkung beschränken, dass die alte Ordensstadt auch weit-
gehende Erwartungen übertrifft. Ihre hohe Lage über dem mächtigen Strom ge-
stattet einen weiten Ausblick über das jenseitige Niederland. Der Strom selbst
in seinem fast geradlinigen Verlauf gewährte am Abend, als die Sonne sank, einen
grossartigen Anblick. Wir befuhren ihn auf einem Dampfer bis nahe an die
russische Grenze. Hier wurde mir eine besondere Ueberraschung zu theil. Am
rechten Ufer, noch auf preussischem Boden, erschienen gewaltige Mauerreste einer
alten Wacht- und Zollstation, zum Theil noch aufrecht stehend. Das Bild, welches
durch das Zusammenwirken dieser verschiedenen Elemente entstand, hatte eine
solche Aehnlichkeit mit den altägyptischen Ruinen von El Ombo am Nil, dass ich
mich unwillkürlich nach dem treuen Gefährten meiner damaligen Reise umschaute.
Möge diese Weichselfahrt jedem, der nach Preussen zieht, empfohlen sein!
üeber das Alterthums-Museum von Thorn, welches ein polnischer Privatverein
zusammengebracht hat und unterhält, muss ich mich trotz seiner Reichhaltigkeit
kurz fassen. Wir haben einen nicht geringen Theil seiner Schätze schon auf der
Berliner Ausstellung von 1880 gesehen (Katalog S. 487). Der Gegensatz gegen
die ostpreussischen Museen fällt sofort in das Auge. Hier befinden wir uns
unter dem Einflüsse der Stämme, welche das linke Weichselufer bewohnten. So
erscheinen namentlich die Gesichtsumen in grosser Zahl und in bemerkenswerthen
Exemplaren. Aber sie stammen auch fast sämmtlich von dem anderen Ufer. Auch
die slavischen Funde, die ungemein stark vertreten sind, wurden vorzugsweise auf
der anderen Seite der Weichsel gemacht. Indess gewähren schöne Stücke aus der
neolithischen und Bronze-Zeit aus der Umgegend die Ueberzeugung, dass auch
schon in so frühen Perioden das Land bewohnt gewesen ist. —
(34) Hr. Rud. Virchow spricht, unter Vorlegung von Photographien, über
die altpreussische Bevölkerong, namentlich Letten und Litauer,
sowie deren Häuser.
Altpreussen, d. h. das Land zwischen der Weichsel und der russischen Grenze,
hat gegenwärtig eine sprachlich und noch mehr confessionell so sehr gemischte
Bevölkerung, dass es eine schwierige Aufgabe für mich sein würde, darüber ge-
nügende Auskunft zu geben. Indess diese Aufgabe berührt mehr die Staatswissen-
schaften und die Statistik, als die Anthropologie. Auch da, wo letzteres der Fall ist,
haben wir keine Veranlassung, auf die späteren Zusätze einzugehen, da es sich um
zu kleine Bruchtheile der Bevölkerung handelt Die Einwanderung der Salzburger,
der Refngies, selbst der Schotten, der Schweizer und der Tataren hat Nachwirkungen
gehabt, die noch heute nicht aufgehört haben, aber die Gesiimmtmischung ist da-
von nicht erkennbar .betroffen worden. Anders ist es mit den Einwanderungen
grösserer Volksmassen, welche von benachbarten Culturvölkem ausgegangen sind.
Hier stehen obenan die Polen und die Deutschen. Nun gehen aber ihre
Einwanderungen so weit zurück, dass wir mit diesen verhältnissmässig modernen
Namen nicht auskommen würden: für die alte Zeit müsste man schon „Slaven'^
und „Germanen^ sagen. Es dürften wohl zwei Jahrtausende vergangen sein.
(768)
seitdem das Hin- und Herwogen slavischer und germanischer Völker auf diesem
Boden fortgesetzt angedauert hat, und schliesslich hat es sich nicht bloss um Be-
siedelungen von dieser oder jener Seite her gehandelt, sondern um wirkliche Um-
gestaltungen der Bevölkerung. Die Polen haben polonisirt, die Deutschen gcr-
manisirt, und wenn sich nicht auf historischem Wege Einiges darüber feststellen
Hesse, aus linguistischen Merkmalen würde man oft keine zutreffende Diagnose
herleiten können. Die kirchlichen Einwirkungen sind dabei häufig bestimmend
gewesen, doch nicht immer. So sprechen die Masuren im südöstlichen Theile des
Landes noch heute polnisch, bekennen sich aber zum Protestantismus, während die
Polen in Ermeland und an der Weichsel natürlich auch polnisch sprechen, aber dem
katholischen Glauben anhängen. Diese Gegensätze haben erst seit der Schlacht von
Tannenberg (1410) und der Reformation ihre volle Schärfe erlangt, nachdem der
westliche Theil des Landes dem Königreich Polen einverleibt war, während der
östliche dem Deutschen Orden verblieb und mit dem letzten Hochmeister zum
Lutheranismus überging. Der südliche Theil des jetzigen Kreises Allenstein im
Bisthum Ermeland ist erst seit dieser Zeit polonisirt worden (Grnnenberg, Ge-
schichte und Statistik des Kreises Allenstein. Allenstein 1884), während das
Kulmer Land, das bis zur Ordenszeit polnisch war, durch den Orden germanisirt
und nach der Schlacht von Tannenberg mehr oder weniger repolonisirt wurde.
Nach der geläufigen Annahme war der grössere Theil des Landes zu der Zeit,
als der Orden den Besitz desselben antrat, also im 13. Jahrhundert, von einer ein-
heimischen Bevölkerung, den Pruzzen, eingenommen. Den Namen der Bomssen
oder Porussen (Neben-Russen) haben sie niemals geführt, wie sie denn weder mit
Slaven, noch mit Finnen etwas gemein hatten, vielmehr von jeher von beiden
unterschieden wurden. Ihr Name erscheint zuerst in der Lebensbeschreibung des
h. Adalbert zwischen 997 und 1006 (Zeuss, Die Deutschen und die Nachbar-
stämme S. 67J, Anm.). Sehr viel älter sind ein paar andere Völkemamen, welche
die Jahrtausende überdauert haben: die der Galindae und der Sudini, welche
schon Ptolemaeus (150 n. Chr.) aufführt und welche zur Deutschordenszeit
plötzlich *) wieder in den Landschaflsnamen Galindien (Galanda) und Sudauen auf-
tauchen. In dieser Zeit knüpft sich der Name beider Stämme nach dem 2jeugnis8c
von D US bürg an die südlichen Theile des Landes um den Spirding-See, indem
Galindien westlich, Sudauen nördlich und östlich von demselben angesetzt wurde
(Zeuss a. a. 0. S. 674). Müllenhoff nimmt an, dass dies secundäre Sitze waren,
in welche die genannten Stämme von Norden her verdrängt vrurden. Nach seiner
Auffassung (Deutsche Alterthumskunde II. 19) war dies früher gothisches Ge-
biet, zu einer Zeit, wo die Galinder das Bernsteinlnnd (Samland) und das Pregel-
Gebiet bewohnten. Er hält letztere daher für „die nachmaligen Preussen in dem
engem, eigentlichen Sinne, den wir vom sprachlichen Standpunkt mit dem Namen
verbinden."
Diese ganz plausible Annahme führt naturgemäss auf die Frage, wie man im
zweiten Jahrhundert in Rom zu einer so genauen Kenntniss der Völkemamen in
diesem weit abgelegenen Bezirk gekommen ist. Müllenhoff beantwortet sie in
scheinbar ausreichender Weise durch den Elinweis auf den Bernstein handel, der
1) Die Annahme des Hm. Brosow (Silz.-Ber. der Prussia 1890, S. 4B\ dass nm 358
Schaaren von Yandalen, Finnen, Galindera und Wenden dem Kaiser Volnsianos an dirr
Donau gegenüberstanden, stützt sich auf die Legende einer Münze. Müllenhoff (D«iit8<>iii>
Alterthumskunde D, S. 100) hat jedoch überzeugend nachgewiesen, dass diese Leaart aaf
einer falschen Deutung beruht.
(769)
Tom Saroland zur Donau und von da nach Roro ging. In der That erscheinen
vor dieser Zeit überall nur die Aestier als Gesammtvolk in den Aufzählungen
der klassischen Autoren. Sie sind das eigentliche Bernsteinvolk. So schildert
sie schon Tacitus (Qerm. 45): Marc scrutantur ac soli omnium succinum, quod
ipsi glesum vocant, inter vada atque in ipso litore legunt')- Auch kntiplle sich
noch lange nachher die Vorstellung von der Herkunft des Bernsteins an die Aestier.
Man lese nur den von Gassiodorus aufbewahrten Brief des Oslgothenkönigs
Theodorich (6. Jahrhundert) an die Haesti in Oceani litoribus constituti, in welchem
er sich für die Geschenke bedankt, die ihm eine ästische Gesandtschaft überbracht
hatte, und in ausführlicher Weise die Entstehung und das Aussehen des Bernsteins
bespricht (Zeuss S. 667). Auch in dem Reiseberichte des Angelsachsen Wulfstan
ist nur von Esten die Rede.
Es ergiebt sich also, dass im Laufe der ersten Jahrhunderte nach Christi Geburt
zuerst der Name der Aestier (Esten\ dann der der Galinder und Sudiner, zuletzt
der der Pruzzen erscheint, wie alle neueren Schriftsteller einmüthig annehmen,
stets für dasselbe, sowohl von Germanen und Slaven, als von Finnen verschiedene
Volk, bald Gesammtname, bald Stammesbezeichnung. Dieses Volk aber war auf
das Nächste, nehmlich sprachlich, verwandt mit den weithin nach Nordosten, Osten
und Südosten verbreiteten Stämmen der Letten und der Litauer.
Es würde hier zu weit führen, wenn ich ausführlich über alle diese, zum
Theil sehr schwierigen, ethnischen Verhältnisse sprechen wollte. Dieselben müssen
aber wenigstens kurz berührt werden, da sie sich in das uns beschäftigende Ge-
biet einschieben. Die prähistorische Archäologie lässt uns hier leider im Stich.
Die ältesten litauischen Gräber dürften in ihrer Aasstattung von den lettischen
nicht allzu verschieden sein, und was die Gräber der Pruzzi betrifft, so verweise
ich auf die Untersuchungen des Hm. Arth. Hennig (Zeitschr. f. Ethn. 1869, S. 301)
über das Gräberfeld von Gerdauen, welches bis in die Ordenszeit reicht und
archäologisch dem von Stangenwalde ganz nahe steht (S. 764). Die politische Grenze
zwischen Preussen und Litauern bildete zur Ordenszeit die Memel (Dusburg), von
wo aus die letzteren sich weit in das heutige Russland hinein erstreckten. Aber
schon sehr früh waren litauische Ansiedelungen auch in die Ordensländer Schalauen,
Sudauen und Nadrauen vorgeschoben, und noch jetzt liegt die Grenze des Sprach-
gebietes viel südlicher. „Die 145000 Litthauer, welche heute noch in Preussen
existiren, sind zurückgedrängt bis zu einer Linie, welche vom Ausfluss der Deime
(nahe bei Labiau) bis Laukischken, von da auf Gross-Baum, Popelken, Aulowöhnen
bis Pillkallen geht^ (Alex. Hörn, Culturbilder aus Altpreussen. Leipzig 1886.
S. 85). Sie reichen innerhalb dieses Gebietes bis an die Ostküste des Rurischen
1) Zeuss (a. a. 0. 8. 268, 678) sachte ans dem Wörterbuche des Stephanns Byzan-
tinas zu be weben, dass schon Artemidorus den Namen der Ostiaeer gekannt und anf
Pythoas (um 820 v. Chr.) zurückgeführt habe, woraus zu folgern sei, dass der massaliotische
Seefahrer schon die Aesten gekannt hat. Die Stelle des Stephanns ist überaus dunkel:
*Q2,T1SINE2^ ii^yog naQn n/i 6vrtxiß *^xtttytp, ovs Koaa(yov( 'AQitfAldtoQOi q>riOt, llv^ing
(T *Q.aiia(ovi' Tovtuf d* f^ ivuyvfitoy ol Köaatvoi Ityofityot 'ilatiatyn, ovg IJv&iag
*£latiaiovg ngoaayoQfvti» Von den Kossinem ist sonst nirgends die Rede; der einzige
Volksname von der Ostsee-Küste, der ihnen nahe kommt, ist der von Ptolemaeus er-
w&hnte' der Hossier COoaioi), mit dem man nichts zu machen weiss. Müllenhof f
(Deutsche Alt«rtbamsk., I., S. 874) hält es für unmöglich, diese Ostiaeer mit den Aestui
des Tacitus za identificiren, weil ihre Sitze am westlichen Ocean angegeben seien; er
bringt sie daher mit den Voiafnot {*SlatifÄtoi bei Strabon) in der gallischen Aremorica
in Verbindung.
Verband!, der B«rl. Antbrop. Gesellschaft 18U1. 49
(770)
Haffs. Gegen Norden geht ihr Gebiet bis an die Grenzen von Kur- und Livland,
zum Theil noch dartlber hinaus.
Hier beginnt eine neue Schwierigkeit in Bezug auf das Yerhältniss der Letten
zu den Kuren und Liven. Ich habe mich in meinem Reisebericht von 1877
(Verhandl. S. 368 fg.) bemtlht, diese verwickelten Beziehungen klar zu legen.
Damach stellen sich dieselben folgendermassen dar: Als die Deutschen die
Colonisation der baltischen Provinzen begannen, trafen sie in Kur-, Liv- und Est-
land finnische Bevölkerungen. Diese waren anscheinend vor nicht sehr langer Zeit
von Osten her eingedrungen und hatten, wenigstens in Liv- und Kurland, die ein-
heimischen Letten unterjocht. Allein im Laufe der Zeit machten sich diese wieder
geltend, und es begann eine unaufhaltsam fortschreitende sprachliche Umwälzung,
welche zuerst in Kurland zu einer fast vollständigen Lettisirung der Bevölkerung
führte. Als ich in Livland war, hatte sich auch in dieser Provinz die Lettisirung
so sehr ausgedehnt, dass es mir nicht gelang, auch nur einen einzigen reinen
Liven aufzufinden. Westlich reichte das lettische Gebiet bis an den Ausfluss der
Memel.
Die sprachliche Umwälzung hat uns gerade in Preussen werthvoller Anhalte
punkte fOr die Beurtheilung der ethnischen Elemente der Bevölkerung beraubt
Nachdem* insbesondere Kurland gänzlich lettisirt ist, giebt es nur noch schwache
historische Anhaltspunkte dafür, wo finnische Ansiedelungen bestanden haben. Für
die weiter westlich gelegenen Bezirke, die uns vorzugsweise interessiren, fehlen
auch diese Anhaltspunkte. E^s mag nur erwähnt werden, dass Memel bis 1328 za
Kurland gehörte und dass von Dusburg (f 1330) die Kurische Nehrung, Neria
curoniensis, zum ersten Male bei einem Kriegszuge der Litauer nach Samland er-
wähnt wird (Bezzenberger, Die Kurische Nehrung und ihre Bewohner S. 23).
Der Name des Kurischen Haffs, Marc s. Stagnum Curonicum s. Curonense, er-
scheint erst in Urkunden nach 1366. Daraus folgt natürlich nichts für das wirk-
liche Alter der Bezeichnung. Der Name der Kuren selbst (Gori) wird schon am
die Mitte des 9. Jahrhunderts genannt, und zwar mit dem bemerkenswerthen Zu-
sätze: (gens) Sueonum principatui olim subjecta (Zeuss S. 681). Die Bewohner
der Nehrung Messen, so lange überhaupt von ihnen die Rede ist, Kuren, wie sie
selbst sich noch heute nennen, und es ist von grosser Bedeutung, dass die nächsten
Ortschaften des Samlandes, da, wo der südliche Theil der Nehrung an das Fest-
land anschliesst, bis zum Brüster Ort, die Namen Oranzkuhren (auch kurzweg
Cranz oder Krantz), Neukuhren, Gross- und Kleinkuhren tragen. Von letzteren
beiden Ortschaften weiss man, dass sie schon im 16. Jahrhundert bestanden
(Bezzenberger S. 105).
Wohin gehören nun diese Kuren? Hr. Bezzenberger hat in trefflichen
Arbeiten nachgewiesen, dass die Sprache der Nehrungs-Kuren zum Lettischen sich
als ein, allerdings selbständiges, Glied, verhält, aber doch im Wesentlichen nur
dialektisch verschieden ist. Finnische Elemente sind bis jetzt darin nirgends nach-
gewiesen worden. Könnte man sich auf die Territorialnamen veriassen, so läge es
ja nahe, das Samland als ein Land der Finnen, Suome oder Same, zu deuten.
Indess, so sonderbar es auch ist, der alte Name des Samlandes, des Landes der
Aesten (Eastlande bei Alfred), ist auf Estland übertragen worden, wo vielleicht nie
Aesten wohnten, und dafUr ist ein Name eingetauscht worden, der weit eher nach
Estland gehörte. Die Vertauschung ist, wie mir scheint, von germanischen Völkern,
vielleicht am meisten von skandinavischen, vorgenommen worden. Saxo Gnm-
maticus und dänische Chronisten nennen die Bevölkerung des Samlandes zuerst
Sembi, Sambi, Sami, und Adam von Bremen lässt keinen Zweifel darüber, wer
(771)
damit gemeint ist, denn er spricht von Seefahrten, die von Julin ad Semland
provinciam, quam possident Pruzzi, unternommen wurden (Zeuss S. 675 — 76).'
Sembi vel Pruzzi heisst es an einer anderen Stelle (Müllenhoff 11. S. 348). D^s
zur Wikinger-Zeit hier nordische Einflüsse bestimmend waren, davon haben die
Gräber des Samlandes unverkennbare Zeugnisse aufbewahrt, und selbst der Name
des Flusses Elbing, Ylfing bei Wulfstan, scheint auf Skandinaven hinzuweisen,
wenn man darin nicht ein gothisches Relikt sehen will.
Die Grabalterthümer der Nehrung und zum Theil auch solche des Samlandes
stimmen vollkommen überein mit den AlterthÜmem, welche man lange Zeit als
Zubehör der „Gräber der Liven" beschrieben hat. Allein ich habe schon daran
erinnert (S. 763), dass diese Gräber wahrscheinlich zu einem grossen Theil Letten
angehört haben, und wenn dieselben sich auch noch weithin in ferne östliche Ge-
biete erstrecken, in denen bisher eine lettische Urbevölkerung nicht nachgewiesen
ist, wo uns vielmehr nur Finnen als historisch nachweisbare Bewohner bekannt
sind, so spricht doch Vieles dafür, dass die Artefakte, welche uns hier entgegen-
treten, mehr lettisch als Annisch sind. Mitten in diese Alterthümer treten, wie
in dem Grabe von Wiskiauten, unverkennbar skandinavische Formen hinein,
zum Zeichen, dass die Sambi oder Sembi mit Wikingern in nahe Berührung ge-
treten sind. Nimmt man hinzu, dass die Rurische Nehrung bis zur Ordenszeit
noch zum Samlande gerechnet wurde, so wird nicht wohl ein Zweifel darüber be-
stehen können, dass sie schon vor dieser Zeit durch Letten von Kurland aus be-
siedelt worden ist.
Die heutigen Kuren der Nehrung sind ausgemachte Polyglotten. Meine Freunde
in Schwarzort sprechen im Hause noch ihre kurisch -lettische Sprache, aber sie
haben dabei auch Hochdeutsch gelernt. Dazu kommt als Drittes das Litauische,
efTenbar eingeschleppt durch zahlreiche Einwanderungen und Heirathen mit Leuten
der gegenüberliegenden litauischen Küste des Haffs und gepflegt durch die Regie-
rung, die in einer Zeit, welche dem feineren linguistischen Verständnisse noch wenig
erschlossen war, das Litauische zur Kirchensprache erhoben hat. Nur die Kirch-
höfe der seit Jahrhunderten unter dem Dünensande verschütteten Dörfer, welche
jetzt bei dem Wandern der Dünen hie und da wieder zum Vorschein kommen,
zeigen noch das unverfälschte lettische Inventar. Man wird daher schliessen dürfen,
dass zu der Zeit, als diese Dörfer, von denen man zum Theil nicht einmal die
Namen kennt, noch bestanden, sie von einer nahezu rein lettischen Bevölkerung
bewohnt waren. Hr. Bezzenberger (a.a.O. S. 103fg.) hat nun gezeigt, dass die
Kuren der Nehrung, welche sich selbst Kurseneeki ~ Leute aus dem Kurenlande,
und ihre Sprache Kursineeku walohda = kurische Sprache nennen, in den ver-
schiedenen Abschnitten der Nehrung verschiedene Dialekte sprechen, nehmlich im
südlichen Theile, von Sarkau bis Pillkoppen, den nordwestkurländischen oder tah-
mischen, im nördlichen Theile, von Nidden bis Schwarzort, den südwestkurländischen.
Da jener aber mehr alterthümliche Formen enthält, so erscheint auch die ßesiedelung
der südlichen Nehrung als die ältere. Das entspricht recht gut der grösseren
Fruchtbarkeit dieses Abschnittes und dem dort vorwiegenden Vorkommen der
mehrfach erwähnten Alterthümer.
In den Ausführungen des gelehrten Linguisten finde ich nur eine Schwierig-
keii Nach ihm kann der nordwestkurländische Dialekt im Nordwesten Kurlands
erst im 13. Jahrhundert eingebfirgert sein, da dieser Theil bis dahin von Wenden
bewohnt war. Nun hat aber Schi eff erdeck er (Schriften der phys.-ökon. Ges.
XII, 1871) auf dem alten Begräbnissplatz von Stangenwalde eine deutsche Silber-
münze des 12. Jahrhunderts gefunden, die mit einem Ringe versehen, also wohl
49*
(772)
als Schmuckstück getragen war. Dieser Fund ist nicht direkt beweisend, da mög-
licherweise das Stück erst später zu einem Schmuck verarbeitet worden ist, aber,
zusammengehalten mit dem Funde von Wiskiauten (S. 7C3), wo neben livischen
und skandinavischen Formen auch arabische Münzen zu Tage gefordert wurden,
lässt sich die Frage wohl nicht abweisen, ob die Anwesenheit von Letten im Sam-
lande und auf der kurischen Nehrung nicht noch höher hinaufgerückt werden muss.
Da nach Bezzenberger selbst die tahmischen Elemente des nordwestkurländischen
Dialekts aus Südwestkurland stammen (S. 114), so würde daraus ein mehr süd-
licher Ausgangspunkt der Colonisation, aber keineswegs ein geringeres Alter folgen.
Denn es genügt zur Lösung der Schwierigkeit die Annahme, dass in der Zeit, wo
die erste Auswanderung aus Südwestkurland erfolgte, auch dort die Sprache eine
noch mehr alterthümliche Färbung hatte.
Vollkonmien den Thatsachen entsprechend ist dagegen die Darstellung des
Hm. Bezzenberger, dass die Letten vorzugsweise Fischer und demnach auch
Schiffer waren, im Gegensatze zu den Litauern, und dass sie daher am meisten
sich dazu eigneten, wie jenseits Memel die Küste, so diesseits die Nehrung zu be-
setzen. Dabei ist indess zu bedenken, dass der wüste Zustand der Nehrung Acker-
bau und Viehzucht auf die engsten Grenzen beschränken musste, wenn auch viel-
leicht damals mehr Wald vorhanden war, und dass die Bewohner, wenn sie es
nicht schon vorher waren, sich nothgedrungen mehr und mehr zu Ichthyophagen
ausbilden mussten. Die Fahrten auf den weniger geFährlichen und überall der
Küste nahen Gewässern des HafiTs konnten als eine wahre Navigationsschule auch
für solche Leute dienen, die aus dem Linem des Gontinents stammten.
Wir gewinnen somit von den Völkerverschiebungen bis zur Ordenszeit da«
Bild, dass Letten und Litauer sich von Norden und Osten her immer mehr in das
Gebiet der Pruzzen hineingeschoben haben, indem sie das Haff beiderseits um-
fassten, so dass die Nehrung kurisch (lettisch), das Festland litauisch wurde. Das
Samland, das in der preussischen Geschichte stets eine so hervorragende Stellung
eingenommen hat, bildet dann gewissermaassen den Knotenpunkt, zu dem die
östlichen Einwanderungen in zwei getrennten Radien vorrückten. Der Umstand,
dass die Skandinaven das Land Samland imd die Bewohner Sambi oder Same
nannten, deutet darauf hin, dass schon den Wikingern eine gewisse Kenntnis» von
der Herkunft der Küstenbevölkerung beiwohnte.
Das einzige germanische Volk, welches in alter Zeit jenseits der Weichsel
genannt wird, sind die Gothen (Gothones bei Tacitus, TSif^wpeg bei Ptole-
maeus, Gutones bei Plinius^, welche in den beiden ersten Jahrhunderten auf
dem rechten Weichselufer wohnten. Bis auf Müllen ho ff nahm man sie als uralte
Besiedler der Bemsteinküste, die schon Pytheas gekannt und besucht habe; der
grosse Germanist hat diesen Glauben, wie es scheint, auf inuner zerstört, indem
er den Massalioten von der Ostsee ausschloss und die Gutones in Teutones ver-
wandelte (Deutsche Alterthumskunde 1870. L 479). Fügt man sich dieser An-
nahme, so fragt es sich, wie lange das Volk an der gedachten Stelle gewohnt habe
und woher es gekommen sei. Die alte, von Jordanes erhaltene Heldensage läs^
die Gothen in 3 Schiffen unter König Berich aus Skandinavien herüberfahren und in
der Gegend von Danzig landen; in dem einen der Schiffe seien die Gepiden ge-
kommen. Da weiterhin erzählt wird, dass die Auswanderung der Gothen ans
Preussen nach dem Süden unter Filimer, dem fünften Könige nach Berieh, erfolgt
sei, so könnte die Einwanderung aus Skandinavien am Ende des ersten Jahrhondert«
nach Christi Geburt erfolgt sein oder höchstens kurz vor der Zeit, wo Plinio»
und Tacitus ihre Werke schrieben. Allein die Heldensage wird von den gelehrten
(773)
Kritikern für unzuverlässig gehalten, und man muss zugestehen, dass es sehr be-
denklich ist, wenn dieselbe Herkunft den Langobarden und den Sachsen zu-
geschrieben wird. Indess darf wohl an die Ausnahmestellung der Gothen auf dem
rechten Weichselufer erinnert werden, während sonst allgemein die Weichsel als
der östliche Grenzfluss der Germanen bezeichnet wird; ebenso an die zahlreichen
Gothennamen, welche schon früh in Skandinavien auftreten. Als dann im 3. Jahr-
hundert der Aufbruch des Gothenvolkes nach dem schwarzen Meere geschah, zogen
hinter ihnen auf ihrem rechten Flügel Gepiden, auf dem linken Heruler, ein gleich-
falls skandinavisches Volk (MüUenhoff ü. 91). Wenn ich darnach geneigt bin,
die skandinavische Tradition als ernsthaft diskutabel zu halten, so will ich doch
nicht leugnen, dass sie erst nach einer eingehenden Prüfung an der Hand der
Alterthümor auf ihren wirklichen Werth zurückgeführt werden kann.
Wie weit die Gothen in Preussen ihre Sitze ausgebreitet hatten, ob der Name
Guttalus, welcher dem Pregel oder der Memel beigelegt wurde, auf sie hinweist,
und ob die Gudden, welche noch in späthistorischer Zeit in Nadrauen und Scha-
lauen genannt werden (Zeuss S. 673), mit ihnen etwas zu thun hatten, muss dahin
gestellt bleiben. War im ersten und zweiten Jahrhundert das Samland im Besitz
der Aesten (GalindieY*, Sudiner), so wird man den Gothen eben nur die üferbezirke
an der Weichsel und den Süden des Landes zuweisen können, von wo aus um
170 n. Chr. ihre ersten Schaaren den Siegeszug zum Dniepr antraten. In diese
i&eit aber fällt das grosse Gräberfeld der Tene-Zeit von Rondsen bei Graudenz,
und nicht ohne Grund schreibt der glückliche Erforscher desselben, Hr. Anger,
dasselbe den Gothen zu (Das Gräberfeld zu Rondsen S. 69), nachdem schon
Hr. Lissauer (Denkmäler S. 124) die Tene- Periode für Westpreussen bis zum
Jahre 200 n. Ohr. ausgedehnt hatte. Ist das richtig, so würden die Gothen als die
eigentlichen Träger der Tene-Cultur jenseits der Weichsel anzusehen sein, und
wir gewönnen zugleich in den Gräbern dieser Oultur Merkzeichen für die räum-
liche Ausbrdtung des Volkes. Damach zu urtheilen, müsste es mehr als zweifel-
haft erscheinen, ob dasselbe sich jemals über den grösseren Theil des preussischen
Landes ausgedehnt habe Vielmehr müsste angenommen werden, dass die Gräber
der Perioden B und C von Tischler, welche der Zeit der römischen Kaiser bis
zum 3. Jahrhundert angehören, als Aestengräber zu deuten wären.
Nach dem ausdrücklichen Zeugnisse von Jordan es waren die Gebiete um die
Weichselmündung gleichfalls im gothischen Besitz. Von den Gepiden führt er an:
commanebant in insula Visclae amnis vadis circumacta (nach Brosow hiess sie
Spesis), imd er Fährt fort: Nunc eam, ut fertur, insulam gens Vividaria incolit, ipsis
ad meliores terras meantibus. Qui Vividarii ex diversis nationibus acsi in unum
asylum collecti simt et gentem fecisse noscimtur. Da dieser Passus mit der Angabe
eingefUhrt wird, die Vividarii oder, wahrscheinlich richtiger, Vidivarii hätten ge-
wohnt ad litus Oceani, ubi tribus faucibus flue^ta Vistulae fluminis ebibuntur, so
kann offenbar nur der Danziger Werder gemeint sein, und die Elemente, aus denen
die Vidivarier gemischt waren, müssen Gothen und Aesten gewesen sein. Der
Name Vidland oder Vitland, der noch zu Wnlfstan's Zeit, ja selbst im 13. Jahr-
hundert erhalten war, deutet nach den gelehrten Auseinandersetzungen MüUenhoff s
(IL 347) auf ästischen Ursprung. Wir werden also als sicher annehmen dürfen,
dass nach dem Abzüge der Gepiden und Gothen, von denen vielleicht hie und da
einzelne Reste zurückgeblieben sein mögen, das leer gewordene Land von Aesten
(Pruzzen) eingenommen wurde; nur die Gebiete an der Weichsel südlich von der
Ossa dürften den Slaven (Wenden) zugefallen sein. So konnte schon Wulfstan
(774)
den Gegensatz von Veonodland und Vitland vorfinden, der nns in den Alterthümern
erhalten geblieben ist.
Was im Vitlande schon so frühzeitig geschah, das hat sich nachher, namen^
lieh seit der Deutschordenszeit, in immer weiterem Maasse fortgesetzt: die
Mischung verschiedener ethnischer Elemente*). Leider ist die Geschichte
der deutschen Colonisation in Preussen aus den vorliegenden Publikationen, soweit
sie mir zugänglich waren, nur unvollständig zu erkennen. An sich ist es ja sehr
wahrscheinlich, dass je nach der Herkunft der Hochmeister und der Grossgebietiger
des Ordens Landsleute derselben die leer gewordenen Räume füllten, aber die
genauere Erforschung dieser Verhältnisse ist noch zu machen. Als ein vielleicht
nicht zu unterschätzender Behelf dazu dürfte das Studium der Haus- und Peld-
einrichtungen zu betrachten sein. In Betreff der Häuser werde ich einige Beiträge
liefern. Mögen sie filr die Angehörigen der beiden Provinzen einen Anreiz zu
weiteren Forschungen darbieten!
Vorweg dürfte es jedoch von Bedeutung sein, an die Ergebnisse unserer EJr-
hebung über die Farbe der Haut, der Haare und der Augen bei den Schulkindern
zu erinnern. Dieselbe ergab für die in Betracht kommenden Regierun^bezirke
Königsberg und Gumbinnen (Ostpreussen), Danzig und Marienwerder (West-
preussen) folgendes Procent-Verhältniss:
Auf 100 Kinder mit
T)^;« 1.1^«^^, T)«;« v.wfi«^+*^, blauen Augen blonden Haaren
Reg.-Bezirk ^^"5,^"^ Tvm?« ^^°^°^^^ ^'^ '^^"^"^^^ "^^*
ijpus lypus braunen Augen braunen Haaren
Königsberg. . . 40 9 42 30
Gumbinnen . . 40 9 41 32
Danzig .... 40 9 40 33
Marienwerder. .30 16 84 44
Hier tritt zunächst -ein scharfer Gegensatz zwischen dem Reg.-Bezirk Marien-
werder, der ein grosses Contingent slavischer Bevölkerungen umfasst und weit über
das linke Weichselufer nach Westen herübergreift, in die Erscheinung, während
bei den drei übrigen Bezirken, trotz der darin enthaltenen grossen Städte, genaa
dieselben Zahlen ermittelt wurden. Noch mehr, als bei den reinen Typen,
macht sich dieser Gegensatz bei den Mischtypen geltend, indem von den Kindern
des Reg -Bezirks Marienwerder 84 pCt. der Mischlinge braune Augen tmd 44 braune
Haare zeigten.
Von den Kreisen wähle ich nur diejenigen aus, welche für die Erörterungen
dieses Berichtes eine besondere Bedeutung besitzen. Ich bemerke dabei, dass die
Halbinsel Heia zum Kreise Neustadt, die Weichsel- und Nogat-Niederung zu den
Landkreisen Danzig und Elbmg, das Samland und der südliche Theil der kuhscfaen
Nehrung zum Kreise Fischhausen .gehören. Das alt-litauische Gebiet wird durch
die Kreise Memel, Heydekrug, Niederung, Tilsit, Ragnit und Pillkallen. das
slavische durch Kulm, Löbau und Allenstein repräsentirt.
1) Sehr bezeichnend ist für diese Betrachtung die Mischung im Kreise PiUkallfA.
Die deutsche Bevölkerung daselbst besteht aus Nachkommen saliburgischer, nassaoiscb^n
magdeburgisch-halberstädter, pfälzischer, pommerscher, märkischer, anspachischer, h<'««-
scher u. s. w. Familien, die durch König Friedrich Wilhelm L herangezogen wnrdwi
(Bezzenberger in Schnaubert, Neueste Beschreibung des Kreises Pillkallen PiU-
kaUen 1889).
Kreise
Rein blonder
Typus
Rein brui
Typi
Neustadt . .
. 44
8
Danzig-Tjand .
. 42
9
Elbing-Tjand .
. . 48
7
Ralm. . .
. . 36
11
Löbau . . .
. . 36
11
Alienstein . .
. 38
9
Fischhausen
. . 41
7
liabian . . .
. 42
7
Memel . . .
. 40
9
Heydekrug . .
. 43
7
Niederung . .
. 44
7
Tilsit. . . .
. . 38
10
Ragnit . . .
. . 40
8
PülkaUen . .
. 42
8
(775)
Auf 100 Kinder mit
•D^:« iv^«^«.«- blauen Augen blonden Haaren
Ä kommen iSit kommen mit
^ braunen Augen braunen Haaren
40
37
31
45
48
40
33
33
40
34
34
40
37
42
32
31
24
43
38
35
26
24
27
26
24
38
28
22
Ich will mich hier nicht in eine zu weit gehende Erklärung der Einzelheiten
einlassen. Insbesondere tiberlasse ich den Lokalforschern die Aufklärung dartiber,
wie Tilsit zu 2khlen kommt, welche denen Ton Allenstein ganz nahe stehen;
sie deuten auf eine starke Mischung mit brtinctten Leuten, die nur durch Kulm
und Löbau tibertrofTen wird. Immerhin mag erwähnt werden, dass die Stadt
Tilsit erst 1559 angelegt worden ist und dass auch die Besiedelung des um-
liegenden Landes sich sehr spät und langsam vollzogen hat.
Nehmen wir als Repräsentanten der deutschen Colonisation die Landkreise
Danzig und EHbing, denen sich übrigens Neustadt nahe anschliesst, so finden wir
den blonden Typus sowohl in seiner reinen Form (weisse Haut, blaue Augen,
blonde Haare), als auch in dem Verhältniss der blauen Augen und der blonden
Haare in den Mischformen am stärkiAen vertreten. Der Elbinger Landkreis hat
fast durchweg das reinste Blond.
Aber die lettischen und litauischen Kreise, wenn wir von Tilsit absehen, treten
ihnen unmittelbar an die Seite. Der rein brünette Typus hat überall niedrige, der
rein blonde hohe Zahlen, und auch die Mischlinge zeigen vorwiegend helle
Gomplexion. Es stimmt das genau überein mit den Angaben, die ich früher (Verb.
1877, S. 386) über die Letten gemacht habe, sowie mit dem, was zahlreiche Beob-
achter von den Litauern angeben. Auf flinzelheiten werde ich noch zurück-
kommen; hier mag es genügen, zu constatiren, dass die Letten, die Litauer
und wahrscheinlich auch die eigentlichen Preussen chromatologisch
mit den Germanen des Nordens zusammentreffen.
Meine eigenen Untersuchungen an Lebenden wurden an verschiedenen Orten,
zum Theil unter erschwerenden Umständen, angestellt. Es waren folgende:
I. Auf der Halbinsel Heia an 5 erwachsenen, sehr kräftigen Fischern
im besten Lebensalter. Ihren Familiennamen nach gehörten zwei (Kunkel und
Hallmann) zu den Deutschen, die drei anderen (Walkows und Zuch) vielleicht zu
anderen Stämmen *). Alle 5 waren grosse Männer: den grössten, Heinrich
Walkows, 34 Jahre alt und 1,882 m hoch, konnte ich leider nicht weiter messen.
Von den anderen war der zweite Walkows am grössten: 1,733 m; ihm stand am
nächsten Zuch mit 1,702 m; die kleinsten waren Kunkel mit 1,678 und Hallmann
1) Ein Ort Walkowe wird in Litauen bei Insterburg genannt (^Horn a. a. 0., S. 118).
(776)
mit 1,647 m. Die RoplTorm war bei zwei (HallmaDn und Znch) ausgemacht
brachycephal (Index 84,8 und 80,0), bei den anderen stark mesocephal (Index
78,4 und 79,5, der Brachycephalie ganz nahe). Der Ohrhöhen-Index durchweg
eher niedrig, zwischen 57,5 und 61,6. Der Gesichtsindex schwankte: zweimal war
er leptoprosop (Index 91,6 und 89,8), zweimal chamaeprosop (Index 79,0 und 87,4),
jedoch bei Kunkel relativ hoch. Der Nasenindex ergab bei allen rier ein lep-
torrhines Maass (zwischen 56,8 und 68,5), am niedrigsten (56,8) bei Kunkel.
Das Kopfhaar bei Walkows blond, bei Hallmann dunkelbraun, bei den beiden
anderen schwarzbraun, jedoch bei Zuch der Bart blond; die Iris bei Walkows
hellblau, bei Zuch rein blau, bei Hallmann hellgraublau, bei Kunkel grünlichblau,
also vorwiegend blau; die Gesichtsfarbe bei Hallmann bräunlich, bei Zuch durch
die Luft gebräunt, bei Kunkel rosig, bei Walkows stark roth. Weitgehende
Schlüsse lassen sich daraus nicht ziehen. Es mag ausserdem bemerkt werden,
dass die Kinder ausgemacht blond und blauäugig waren.
II. In Palmnicken im Samlande stellte mir Hr. Stadtrath Hagen mehrere
seiner Arbeiter zur Verfügung. Von diesen waren vier Litauer, nehmlich
1. Daniel Daszenies (spr. Daschenis), geb. 1866 in üszlöknen, Kr. Heydeknig.
Sowohl Eltern, als Grossei tem sprechen nur litauisch. Er misst 1,708 /». Das
Haar ist hellbraun, die Iris hell, mit einer gelben Pupillarzone und einem
weissen Reticulum, beiderseits Spitzohr mit angewachsenen Ohrläppchen. Kopf-
index fast brachycephal: 79,5, Gesichtsindex chamaeprosop: 73,9.
2. Daniel Krutinnis, geb. 1835 in Jakischken, Kr. Heydekrug. Eltern und Gross-
eltem spechen nur litauisch. Er misst nur 1,598 m, ist dunkelblond, die Iris
wie bei dem vorigen, nur der gelbliche Ring um die Pupille stärker aus-
geprägt. Kopfindex brachycephal (82,5), Gesichtsindex fast leptoprosop
(89,0).
3. Georg Abromeit, geb. 1846 in Szudnaggen, Kr. Memel. Der Vater spricht
etwas deutsch, Mutter und Grosseltem ausschliesslich litauisch. Er hat eine
Höhe von 1,7 m, dunkelbraimes Kopfhaar, die Iris dunkelblaugrau mit gelbem
Pupillarring und hellem Rete, Ohrläppchen angewachsen. Kopßndex brachy-
cephal (80,4), Gesichtsindex chamaeprosop (78,6).
4. Adam Wabbel, geb. 1847 in Russ. Sein Vater spricht etwas deutsch, Mutter
und Grosseltern ausschliesslich litauisch. Er hat eine Höhe von 1,645 m, hell-
braunes Kopfhaar, eine sehr helle Iris mit ganz weisslichem, jedoch durch
einen dunklen Rand abgegrenzten Innenring. Rechts Cataract Ohrläppchen
nur wenig abgesetzt.
Ausserdem führte mir Hr. Hagen noch einen, von deutschen Eltern stammenden
Samländer zu:
5. Der 21jährige Mann war zu Sorgenau im Kreise Pischhausen geboren, 1,69 m
hoch. Kopfhaar dunkelblond (hellbraun), Iris weisslichblau, Ohrläppchen an-
gewachsen. Kopfindex 80,6, brachycephal, Gesichtsindex 82,9, chamae-
prosop.
Alle diese Leute, auch den Samländer nicht ausgeschlossen, zeigten in den
anthropologischen Merkmalen grosse Uebereiostimmung. Die grösste Breite des
Schädels war bei allen parietal, zwischen 144 und 156 mm; die minimale Stirn-
breite beträchtlich, meist zwischen 111 und 113 mm, nur bei Abromeit 121 nv».
Der Nasenindex leptorrhin, zwischen 61,4 (bei dem Samländer) und 68,9, nur
bei Daszenies mesorrhin (70,5).
In hohem Maasse überraschte mich die Beschaffenheit der Iris bei den
Litauern. Dieselbe zeigte einen blauen Untergrund, meist blass- oder fast wasjer-
(777)
blau; darüber legte sich ein loses Netzwerk (Reticulum) von Yollständig un-
gefärbten und daher weiss erscheinenden Pasem, welches vorzugsweise den mitt-
leren (intermediären) Theil des Iris-Ringes einnahm und nur die Ränder freiliess.
Dafür war die Pupillarzone der Iris stärker gefärbt durch hellbraunes Pigment,
welches im Ganzen einen gelben Eindruck hervorbrachte, wie er von den Gothen
behauptet ist.
III. Die nächsten Messungen geschahen in Nidden, einem kleinen Fischer-
dorfe auf der kurischen Nehrung, unter gütiger Vermittelung des Hm.
Bezzenberger. Sämmtliche Personen waren der Angabe nach Kuren, die
Männer Fischer.
1. Hans Peleikis, 60 Jahre alt, stammt aus dem verschütteten Dorfe Alt-Negeln.
Er ist 1,787 m hoch, stark gebaut und kräftig. Das Kopfhaar dunkelblond
(hellbraun), die Iris dunkelblau, mit einem weisslichen Reticulum bedeckt.
Ohrläppchen grossentheils angewachsen. Kopfindex brachycephal (84,8), der
Ohrhöhen-Index orthocephal (62,1). Der Kopf macht den Eindruck eines
Kephalonen: Horizontalumfang 588 mm, grösste horizontale Länge 198, grösste
parietale Breite 168, basilare Länge 136, Stimbreite 113 mm, Gesichtsindex
chamaeprosop (82,2), wegen der Grösse der Distanz der stark vorstehenden
Wangenbeine, bezw. Jochbogen. Nase gross, lang, massig breit, leptorrhin
(61,2).
2. Fritz Fröse, 46 Jahr alt, abgebildet bei Bezzenberger (Die kurische Nehrung,
S. 120), gleichfalls sehr gross, 1,768 mm. Kopfhaar hellbraun, Iris hellblau
mit lichter Pupillarzone. Kopfindex brachycephal (82,6), Ohrhöhen-Index
orthocephal (61,0). Horizontalumfang 565, horizontale Länge 190, parietale
Breite 157, basilare Länge 125 mm. Gesichtsindex chamaeprosop (82,9),
Jugaldistanz 147 mm. Nasenindex hyperleptorrhin (59,0).
3. Marie Zander, geb. Peleikis, entfernte Verwandte von Nr. 1 ; ihre ürgrossmutter
soll in Sarkau, Grossvater und Mutter in Alt-Negeln gelebt haben. Sie ist
46 Jahre alt, hat kastanienbraunes Haar, eine blaue Iris mit weissem Ringe
und eine helle Hautfarbe mit rothen Backen. Ihre Grösse beträgt nur 1,565 m.
Kopfindex 81,4, brachycephal; Ohrhöhen-Index 59,0, chamaecephal. Ge-
sichtsindex 72,2, ultrachamaeprosop. Nasenindex hyperleptorrhin (56,8).
4. Johann Tschakau, 67 Jahre alt, in Nidden geboren, zeigt ein ganz anderes
Gesicht. Er ist nur 1,581 m hoch. Sein Kopfhaar ist dunkelbraun, die Haut
selbst bräunlich, die Iris grünlichblau mit zahlreichen braunen Flecken. Ohr-
läppchen etwas angewachsen. Kopfindex 80,6, brachycephal, dagegen der
Gesichtsindex 92,0, also leptoprosop; Jugaldistanz nur 138 mm. Nasenindex
leptorrhin, 62,5. Wahrscheinlich ist der Mann nicht von rein kurischem
Blute.
Im Uebrigen hatten alle Personen den gleichen Typus, der bei den Männern
vielfach an das Aussehen amerikanischer Rothhäute erinnerte. Die meist braunen
Haare waren etwas dünn, leicht wellig, häufig zottelig. Besonders bemerkens-
werth schien mir die grosse und volle, fast ganz gewölbte Stirn, das sehr breite
Gesicht, die lange und trotz ihrer Stärke schmale Nase. Man vergl. übrigens die
Porträts einer Frau imd mehrerer Mädchen bei Bezzenberger, S. 121, 122.
IV. Eine fernere Reihe von Messungen veranstaltete ich in Schwarzort,
dem gegenwärtig grössten Ort der kurischen Nehrung. Mit Hülfe der lIHm. Bezzen-
berger und Stellmacher wurden diejenigen Familien ausgesucht, welche als die
ältesten und reinsten unter der kurischen Bevölkerung galten. Indess ergaben
sich doch nicht selten Beziehungen zu dem litauischen Ufer, namentlich in Folge
(778)
von Heirathen. Eine absolute Sicherheit dürfte sich wohl kaum erzielen lassen.
Es handelte sich durchweg um Fischerfaniilien.
1. Lauzening, 71 Jahre alt, von dem benachbarten Rarweiten gebürtig, hat sich in
die Wirthschaft eingeheirathet. Er ist 1,672 m hoch, noch sehr kräftig und in
voller Arbeit. Seine Zähne sind noch vollständig, sein freilich ei^grautes Haar
voll und lockig, der Bart stark, rasirt. Kopfindex 84,1, brachycephal;
Ohrhöhen-Index 63,9, orthocephal. Gesichtsindex chamaeprosop (87,0),
wegen der Breite der Jugaldistanz (147 mm), Nase gross, gerade, Spitze etwas
dick, Index leptorrhin (62,7).
2. Saküt (ein auf der Nehrung und dem Festlande*) sehr häufiger Name),
48 Jahre alt, stammt aus einer alten Schwarzorter Familie, ist auch daselbst
geboren. Seine Mutter, eine geb. Pietsch, war von Karweiten. Er ist ein
kräftiger und sehr grosser Mann, 1,774 m hoch, breit gebaut, von dunkel-
braunem Haar, das auf der Stirn etwas dünn geworden ist, und eher heller
Haut. Seine Iris ist fast gelb, mit einem grossen hellen Ring um die Pupille,
aber ohne Reticulum. Kopfindex mesocephal, 70,6; Ohrhöhen-Index cha-
maecephal, 59,3. Auch der Gesichtsindex chamaeprosop, 78,5, trotzdem
die Nase leptorrhin, 67,9.
3. Marike Sakiit, die Frau von Nr 2 und die Tochter von Nr. 1, 50 Jahr alt, eine
hübsche Frau mit langem, dunkelbraunem, leicht ergrauendem Kopfhaar und
blauen, etwas schwachen Augen ohne weisse Ringe. Sie ist brachy- und
orthocephal (Kopfindex 82,4, Ohrhöhen-Index 62,7), wie ihr Vater, and
ebenso, trotz ihres scheinbar schmalen Gesichts, chamaeprosop (88,1) und
leptorrhin (64,8) Ihre Körperhöhe beträgt 1,52 ttz.
4. Ihre Schwägerin, die Schwester von Saküt, ist mit einem Mann von ,jener*'
Seite, aus Kinthen (nicht weit von Prökuls), Namens Kumbertzky, verheirathct
Sie ist 46 Jahre alt, nur 1,482 m hoch, aber stark und kräftig gebaut, sehr
energisch und aufmerksam, von etwas vollen Formen, kurz und breit Ihr
Haar ist dunkelbraun, die Haut bräunlich, die Wangen geröthet, die Iris blau,
mit lichtem, braunem Ringe. Kopf- und Ohrhöhen -Index ortho brachy-
cephal (80,3 und 60,6). Gesichtsindex ultrachamaeprosop (75,0). Nasen-
index mesorrhin (76,5).
5. Michel Peleikis, nicht verwandt mit dem Niddener Nr. 1, 67 Jahre alt, 1,661 m
hoch, hat spärliches, braunes, etwas grau gewordenes Haar, lichte Haut und
licht hellblaue, fast weisse Iris. Seine Kopfform ist chamaemesocephal
(Kopfindex 77,8, Ohrhöhen-Index 58,4), wie bei Saküt (Nr. 2), dagegen ist er
chamaeprosop (77,7) und mesorrhin (75,9), wie Frau Kumbertzky.
6. Wilhelmine Lauzening, geb. Pietsch, aus Karweiten, die Schwiegertochter
von Nr. 1, 39 Jahre alt. Ihre Mutter war eine Litauerin von Klisch auf der
„anderen Seite**. Sie ist eine stramme Frau von 1,647 m Höhe, mit schönem
braunem Haar, bräunlicher Haut und weisslich blauer Iris mit ungefärbter
Deckschicht. Ohrläppchen fehlen. Sie ist chamaebrachycephal (Kopf-
index 82,4, Ohrhöhen-Index 59,5), chamaeprosop (84,3) und leptorrhin
(65,3). Ihr horizontaler Kopfumfang misst, wie bei dem Ehepaar Saküt (Nr. t
und 3) 560 mm,
7. Anna Peleikis, Tochter von Nr. 5, unverheirathet, 32 Jahre alt, 1,525 m hoch.
Braunes Haar, Iris graublau, ohne Reticulum, mit leicht gelblicher Pupülar-
zone. Ohr ohne Läppchen. Stirn vorgewölbt Sie ist chamaemesocephal
1) Ein Dorf Sackutten liegt im südlichsten Thcile des Kreises MemeL
(779)
(K.-I. 78,6, O.-H.-I: 58,4), ultrachamaeprosop (77,7) und hoch leptorrhin
(68,7).
8 Anna Piktschuss, 17 Jahr alt, zierlich, anämisch, 1,559 m hoch. Haar dunkel-
blond; Iris bräunlichblau, mit einer Pigmentlage um die Pupille und einem
leicht weisslichen Intermediärringe. Ohr fein, aber ohne Läppchen. Sie ist
hypsibrachycephal (K.-I. 87,9, O.-H-L 68,3), chamaeprosop (68,1) und
leptorrhin (64,5).
Trotz nicht unerheblicher indiTidueller und Familien -Variation, die in der
äusseren Ebrscheinung stark hervortrat, sind die Indices doch ungewöhnlich gleich-
artig. Unter 8 kurischen Köpfen waren nur 2 mesocephale, jedoch mit hohen Indices
(79,6 und 78,6), die der Brachycephalie sehr nahe stehen. Ebenso fanden sich
2 mesorrhine (76,5 und 75,9). Ein sexueller Einfluss war nicht zu erkennen.
V. Die folgende Station war das Gut Löbarten, südöstl. von Memel, im
eigentlichen Litauen. Hr. Rittergutsbesitzer Scheu besorgte mit der grössten
Liebenswürdigkeit nicht nur das Material zu den Messungen, sondern auch einen
grossen Sängerinnenchor, um uns die nationalen Weisen (Deines) vortragen zu
lassen und die Kostüme zu zeigen. Es ist dies die Gegend, aus der noch in
neuester Zeit ein Zug berittener Litauerinnen (nach Männerart reitend) dem Kaiser
vorgeführt wurde.
1. Kristup Laukstins, 52 Jahre alt, 1,704 m hoch. Kopfhaar hellbraun, Hautfarbe
hell, Iris hellblau mit weissem Netz. Kopfform orthobrachycephal (K.-I.
84,7, O.-H.-I. 64,5). Gesicht chamaeprosop (Index 87,8). Nasenindex lep-
torrhin (56,6). Jugaldistanz 148, Ünterkieferwinkel-Distanz 114 iwm.
2. Ilsze Janeikis, ein 17 jähriges, 1,616 m hohes Mädchen mit dunkelbraunem
Kopfhaar, heller Haut und blauer Iris, letztere mit gelber Pupillarzone imd
weissem Netz. Kopfform chamaebrachycephal (Br.-I. 82,4, O.-H.-I. 58,8).
Gesicht chamaeprosop (87,8), Nase ultraleptorrhin (53,5). Sehr breite
Stirn (110 mm in minimo); Horizontalumfang (wegen des starken Haares zu
gross) 560 mm.
3. Martin Grausdis, 27 Jahre alt, nur 1,664 m hoch, mit dunkelbraunem Haar und
heller Haut, Iris ziemlich blau mit gelbbrauner Pupillarzone. Ohrläppchen
fast ganz frei. Kopfform hypsibrachycephal (Br.-I. 82,8, O.-H.-I. 68,9).
Gesicht chamaeprosop (85,0), Nase hyperleptorrhin (58,6). Jugaldistanz
gross (140 mm), die grösste Breite nahe am Ohr. Malarbreite massig (97 mm)^
dagegen Kieferwinkel-Distanz sehr gross (117 mm). Das Gesicht nach unten
konisch, mit stark vortretendem Kinn, die Kieferwinkel nach auswärts vor-
springend.
4. Mare Skrandis, ein 19 jähriges Mädchen von 1,604 m Höhe, sehr kräftig, dunkel-
blond, von heller Hautfarbe, Iris hellblau mit gelbem Innenrand und weissem
Netzwerk. Kopfform orthomesocephal (Br.-I. 76,2, O.-H.-I. 61,8), mit hohem
Hinterkopf. Gesicht chamaeprosop (80,4), Nase leptorrhin (60,7). Grosse
basilare Länge (111 mm)^ grosse Jochbogenbreite (138 mm),
5. Jurgis (Georg) Szemis, 33 Jahre alt, 1,613 m hoch. Kopfhaar röthlich blond,
Hautfarbe hell, Wangen geröthet, Iris blau mit weissem Netz. Kopfform
orthodolichocephal (Br.-L 73,2, O.-H.-L 61,8), mit hohem Hinterkopf. Ge-
waltige Basilarlänge (122 mm), grosser Horizontal umfang (544 mm), starke
Jugaldistanz (141 mm), Gesicht chamaeprosop (87,9), Nase leptorrhin
(61,5).
6. Ilsze Szemfs, die Schwester von Nr. 5, 28 Jahre alt, 1,511 mm hoch. Kopfhaar
dunkelblond. Haut sehr hell, Iris hellblau mit weissem Netz. Kopfform von
(780)
der des Bruders ganz abweichend, chamaebrachycephal (ßr.-I. 83,1, O.-IL-L
56,1), aber auch hier grosse basilare Länge (115 mm). Gesicht leptoprosop
(90,0), dagegen die Nase mesorrhin (Index 72,3). Rieferwinkel-Distanz klein
(97 mm).
7. Ilsze Schulkis, 29 Jahre alt, zu der brünetten Varietät gehörig, von stumpfem
Verhalten, 1,548 m hoch. Kopfhaar dunkelbraun. Haut bräunlich, Iris gelblich
mit blauem Innenrand und weissem Netz. Kopfform orthomesocephal (Br.I.
79,7, O.-H.-I. 63,3). Gesicht chamaeprosop (86,9), Nase leptorrhin (66,0),
dick, mit breiten Flügeln.
8. Ilsze Alksnis, geb. Taleikis, 46 Jahre alt. Kopfhaar dunkelbraun. Haut hell-
bräunlich, Iris dunkelblau. Kopfform sehr abweichend, fast „thurmartig^, mit
schräg abgeflachtem Mittel- und steil abfallendem Hinterkopf, daher die Indices
unsicher: Kopf index 85,7, brachycephal; Ohrhöhenindex 64,6, orthocephal.
Gesicht ultrachamaeprosop (73,9), Nase hyperleptorrhin, Index 59,0.
Die Mehrzahl der Löbartener Leute hatte keine abgesetzten Ohrläppchen.
VI. Von Löbarten aus begaben wir uns in die Forst von Szernen, etwas
weiter südlich, wo Hr. Bezzenberger eben beschäftigt war, Gräber der römischen
Zeit zu öiTnen. Er haUe die grosse Fi^undlichkeit, mir einige seiner Arbeiter zu-
zuführen.
1. Johns Salomons, 67 Jahre alt, mittelgross. Kopfhaar dunkelbraun, etwas grau
gemischt. Iris braun, mit weissem Netz und hellbrauner Pupillarzone. Kopf-
form chamaebrachycephal (Br.-I. 82,6, O.-H.-I. 58,9). Gesicht chamae-
prosop, Jugaldistanz 135 mm. Nase leptorrhin, 62,9. Kieferwinkel-Distanz
klein, 99 mm.
2. Martin Liebiszkis, 71 Jahre alt, aber noch rüstig und arbeitsfrisch, gross, mit
dunkelbraunem Haar, Iris blau mit weissem Netz. Kopfform hypsi brachy-
cephal (Br.-I. 87,1, O.-H.-l. 65,7). Grosser Horizontalumfang (530 mm). Gesieht
chamaeprosop (81,4). Nase mesorrhin (71,1). Jochbreite (143 mm) und
Ünterkieferwinkel-Distanz (106) beträchtlich.
3. Adam Baidruschat, 56 Jahre alt, gross, gehört auch der dunklen Varietät an«
Kopfhaar fast schwarz, Iris bräunlich mit stark braunem Reticulum. Kopf-
form chamaebrachycephal (Br.-I. 87,1, O.-H.-L 56,4), ziemlich ähnlich den
Zahlen von Nr. 1, mit dem auch der chamaeprosope Index (82,8) summt
Im üebrigen ist der Horizontalumfang beträchtlich (540 mm), die Kiefer-
winkel herausgeschoben (110 mm). Nasenindex auf der Grenze von Meso-
und Leptorrhinie: Index 69,2.
Die vorliegende Untersuchung umfasst 15 Litauer, darunter 5 Frauen. Dahin
gehören die unter U. aufgeführten 4 Männer, die in Palmnicken gemessen worden
und aus der Gegend von Heydekrug, Memel und Russ stammten, also aus der-
selben Gegend, welche ich später selbst bereiste, und aus welcher 8 Personen,
darunter 5 Frauen, in Löbarten, 3 Männer im Forst von Szernen untersucht
wurden. Natürlich sind keine weit zurückgehenden Nachforschungen über ihre
Herkunft angestellt worden, aber die besten Kenner des Volksstammes standen
mir zur Seite und das Material darf wohl als ein verhältnissmässig reines be-
trachtet werden, ich sah begreiflicherweise ausserdem viele Personen in den
Häusern und konnte so wenigstens dem äussern Eindruck nach das kontrolirm,
was die genauere Elinzel Untersuchung gelehrt hatte.
Damach kann ich bestätigen, was seit jeher über die Litauer gesagt ist,
es eine kräftige, überwiegend dem blonden Typus ztf^gehörige M(
(781)
art ist. Der alte Pfarrer Praetorius (f 1684) berichtet von ihnen, sie hätten
„grane, fast ins gelbe fallende Augen, eine weissrothe, öfter bräunliche Farbe der
Haut und schlichte, gelbe Haare, die sie, ein Zeichen der Unfreiheit, kurz tragen"
(Ad. Kogge, Der preussische Litauer des 16. und 1 7. tlahrhunderts. Insterburg
1886. I. S. 5). Hr. Hörn (a. a. 0. S. 77) sagt speciell von den Frauen tind
Mädchen, sie seien ebenso kräftig und wohlgepflegt (wie die Männer). „Die Nase
ist klein und gestülpt, die vollen Wangen haben einen Anflug ins Bräunliche, die
Lippen roth und feurig.^
Die Haarfarbe der von mir untersuchten Erwachsenen war überwiegend
dunkelbraun (in 7 Fällen); nächstdem habe ich in gleicher Zahl (je 3 Fälle) hell-
braun und dunkelblond notirt; nur einmal sah ich röthlichblondes und einmal fast
schwarzes Kopfhaar. Aber die Kinder waren sämmtlich blond, nicht selten weiss-
lieh blond, und auch das nachgedunkelte Haar der Erwachsenen Hess den hellen
Schimmer im vollen Licht oft genug erkennen. Am meisten zeugte der Bart llir
die ursprtinglich blonde Beschaffenheit des Haares.
Damit harmonirte die Haut, welche selbst bei diesen, fast immer der Luft und
dem Lichte ausgesetzten Leuten ein ungewöhnlich helles Colorit, zumal an den
bedeckten Theilen, bewahrt hatte. Häufig war das „Weiss", besonders bei weib-
lichen Individuen, ungemein zart. Bei älteren Frauen stellte sich freilich ein
schmutziges, bräunliches oder gelbliches Aussehen her. Indess gab es auch ein-
zelne Personen, welche ein mehr ausgeprägtes Braun zeigten, und es mag wohl
sein, dass, wie Hr. Bezzenberger annimmt, eine braune Varietät unter den
Litauern vorkommt. Der zuletzt aufgeführte Mann von Szemen mag als Beispiel
dienen. Wer kann wissen, woher diese Farbe stammt? Jedenfalls ist sie nicht
die Regel.
Am meisten überraschte mich die Farbe der Augen. Der alte Praetorius
nennt sie „grau, fast ins Gelbe fallend", gewiss sehr zutreffend, aber auch
sehr charakteristisch. Wie aus den Einzelaufnahmen hervorgeht, hing dieses Merk-
mal mit bestimmten anatomischen Eigenthümlichkeiten der Iris zusanmien. In
dieser Beziehung ist zweierlei zu erwähnen. Erstens fand sich bei der Mehrzahl
der Leute eine eigenthümliche, ungefärbte und daher weisslich erscheinende Deck-
schicht, welche in bald breiterer, bald schmälerer Ausbreitung den mittleren Theil
des Iris-Ringes bedeckte und sowohl den pupillaren, als den lateralen Rand frei
liess. Ich habe diese Schicht als Reticulum oder Netzwerk bezeichnet, weil sie
bei genauerer Betrachtung aus einem maschigen Gewebe bestand, dessen Faserzüge
zu zahlreichen Knotenpunkten zusammentraten. Da, wo die Maschenräume lagen,
schimmerte die meist blaue oder bläuliche tiefere Lage der Iris durch, während
die Fäden und Netze selbst durch ihre ündurchsichtigkeit und Farblosigkeit einen
weisslichen Schimmer erzeugten. Trat das Pigment aus der Tiefe weiter herauf,
so gab es einen grünlichen oder gelblichen Schimmer; zuweilen sah man aber das
reine Blau der Tiefe zwischen dem Weis^ der Oberfläche durchleuchten. Zweitens
zeigte sich um die Pupille herum eine marginale Zone, welche nicht gedeckt war
durch das Reticulum, und gerade hier trat eine stärkere, am häufigsten eine gelbe
oder braune Pigraentirung hervor, zuweilen durch kleine braune Häufchen verstärkt.
Auch der laterale Theil der Iris zeigte ähnliche Verhältnisse, nur nicht so scharf
und für den äusseren Eindruck bestimmend. So wird es begreiflich, dass dasselbe
Auge dem einen blau oder bläulich oder blaugrau, dem andern grünlich, gelblich
oder selbst gelb erscheinen kann*).
\j Ich habe diese Verhältnisse in der Einleitung zu meinem Bericht über die deutsche
Schulerhebnng S. 14 erörtert
(782)
Dieser Zustand hat unverkennbar etwas Albinistisches an sich: er beruht
auf einem Mangel an Farbstoff in den äusseren oder vorderen Theilen der Iris.
Trotzdem haben die Augen der Litauer nichts von den Eigenschaften der Albinos
an sich: sie sind weder ^chtscheu, noch unruhig, die Pupille ist rein schwarz und
nichts deutet darauf hin, dass irgend ein anderer Theil des Auges an dem Pigment-
mangel theilhat. Der Zustand ist eben eine extreme Steigerung des blauen Zn-
standes, wie das gelbliche Weiss des Haares eine Steigerung des blonden Zustandes
darstellt. Merkwürdig genug ist es zu sehen, wie hier Haar und Augen zusammen-
wirken, um jenen Eindruck der gavÖoT»);, welchen die alten SchriftsteUer an den
nordischen Völkern einmüthig hen^orheben, zu erzeugen.
Nächst der Complexion der farbigen Aussentheile war es vorzugsweise die
Körpergrösse, welche stets die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog. Auch
dieses Merkmal ist bei den Litauern vorhanden. Ich fand im Mittel unter
7 Männern 1,661, unter 5 Frauen 1,573 m. Von den Männern hatte einer 1,708,
ein zweiter 1,704, ein dritter 1,700 m. Die grösste unter den Frauen maass 1,616,
die nächste 1,604 m.
Indess keines dieser Merkmale ist den Litauern allein eigen. Mehr oder weniger
fand ich sie auch bei den Kuren (Letten). Was z. B. die Körpeigrösse betrifft
so betrug sie im Mittel unter 7 kurischen Männern 1,707, unter 5 Frauen 1,546 m.
Die grössten Männer hatten 1,787, — 1,774, — 1,768, die grössten Frauen 1,647,
— 1,559 m. Dass gegenüber den Litauern eine etwas grössere Anzahl hoher
Staturen vorkam, mag durch die Auswahl der Leute bewirkt sein. Die Haar-
farbe war bei den Erwachsenen überwiegend braun, jedoch bei Keinem schwän-
lich, bei einigen hellbraun oder dunkelblond, meist jedoch dunkelbraun, unter
den Schulkindern in Schwarzort traf ich zwei rothhaarige Geschwister und einige
braunhaarige Knaben; sonst waren alle blond, zum Theil fahlblond. Die Augen
zeigten grössere Variation, jedoch innerhalb der hellen Färbung; bei mehreren
Mädchen konnte ich ein weissliches Netz an der Vorderseite der Iris erkennen-
Bei den Erwachsenen war ein ausgemachtes Reticulum seltner, als bei den Litauern,
aber es fanden sich ein Paar vortrefiTliche Speciminu davon. Fast alle zeigten eine
sehr ungleichmässige Färbung der Iris, nehmlich eine gelbliche oder bräunliche
Pupillarzone; bei einem schien die Farbe fast rein gelb zu sein. Die Haut war
bei einigen mehr bräunlich, bei der Mehrzahl aber ganz hell.
Nicht anders verhält es sich mit den Kopfmaassen:
1. Der Längenbreitenindex ergab unter
12 Kuren (5 Frauen) 15 Litauern (ö Frauen)
Brachycephale . . 9, darunter 4 Frauen 12, darunter 3 Frauen
Mesocephale . . 3, „ 1 Frau 2, „ 2 „
Dolichocephale . . — — 1 —
2. Der Ohrhöhenindex*) zeigte
Orthocephale . . 5, darunter 2 Frauen 5, darunter 3 Frauen
Chamaecephale . 5, „ 2 „ 4, „ 2 ,
Hypsicephale . . 2, „ 1 Frau 2 —
3. Der Gesichtsindex:
Ghamaeprosope. . 11, darunter 5 Frauen 14, darunter 5 Frauen
Leptoprosope . . 1 — 1 —
1) Da ich in Palmnickon meine Messinstrumente nicht mithatte und mich mit Werk-
zeugen aus der Werkstatt darchhelfen musste, so konnte bei den dort unterracbtea riifr
Litauern die Ohrhöhe nicht bestimmt werden. Somit erscheinen hier nur die 11 litta^r
von Löbarten und Szemen.
(783)
4. Der Nasenindex:
Leptorrhine ... 10, darunter 4 Frauen 11, darunter 4 Frauen
Mesorrhine ... 2, „ 1 Frau 4, „ 1 Frau
Wie ersichtlich, variirt eigentlich nur der Ohrhöhenindex in erheblichem
Maasse, indem nahezu die eine Hälfte der Köpfe ortho-, die andere chamaecephal
war, aber dies gilt für beide Stämme in gleichem Maasse. Die an sich kleine Zahl
der Mesocephalen ist bei den Kuren im Verhältniss etwas grösser; umgekehrt
ßnden sich unter den Litauern etwas mehr Mesorrhine. Im Ganzen erwies sich
jedoch der Typus beider Stämme, soweit er aus diesen Messungen zu erkennen
war, als vorwiegend brachycephal, chamaeprosop und leptorrhin.
Auf weitere Details möchte ich hier nicht eingehen. Es mag nur erwähnt
sein, dass ich bei der Nase nach meinem Schema 4 Durchmesser notirt habe: die
Höhe (Entfernung des Septum von der Wurzel), die Länge (Entfernung der Spitze
von der Wurzel), die Breite (Entfernung der Flügelansätze von einander) und die
Eievation (Entfernung der Spitze vom Ansätze der Scheidewand). Letztere zeigt
ziemlich grosse Variation.
Die Messzahlen gebe ich in tabellarischen Uebersichten, denen ich zugleich
die 4 oben besprochenen Indices anfüge. Zur Vergleichung möchte ich noch auf
die Schädelverhältnisse hinweisen. Damit komme ich freilich auf ein sehr
schwieriges Gebiet und ich verzichte im Voraus darauf, es völlig aufzuklären.
Die Zahl der untersuchten Schädel aus Preussen und den baltischen Provinzen
Russland^s ist eine ziemlich grosse. Ich selbst habe, als ich im Jahre 1877 über
meine Reise nach Livland Bericht erstattete, eine möglichst vollständige Uebersicht
über die älteren Angaben und über meine eigenen Ergebnisse geliefert. Aber auch
damals war es mir nicht möglich, die osteologische Forschung so weit zu bringen,
dass ich scharfe typische Unterschiede der Schädel von Letten, Litauern und
Finnen (Liven, Esten) zu bezeichnen vermocht hätte. Meine ziemlich umfangreiche
Arbeit steht in unseren Verhandlungen 1877, S. 369 fg. Seitdem ist eine Reihe
weiterer Untersuchungen sowohl in den russischen Ostseeprovinzen, als in Preussen
angestellt worden. Ich beschränke mich für jetzt auf die letzteren, da sie dasselbe
Gebiet betreffen, mit dem ich mich so eben beschäftigt habe. Unter ihnen steht
obenan die Arbeit der HHm. C. Kupffer und F. Bessel-Hagen über die in den
Königsberger Sammlungen befindlichen Schädel (Nr. IV. der Berichte über die
deutschen anthropologischen Sammlungen). Sie behandelt 16 litauische Schädel aus
dem Reg.-Bez. Gumbinnen und 49 als lettisch bezeichnete von der Kurischen
Nehrung. Unter diesen befinden sich 5 von einem alten Kirchhof am Abhänge
des Berges Skielwit bei Rossitten, 15 von einem anderen Kirchhofe bei Kunzen,
gleichfalls in der Nähe von Rossitten, 7 von dem früher (S. 763) erwähnten Kirch-
hofe von Stangenwalde imd 22 von einem alten Kirchhofe bei Lattenwalde in der
Nähe von Sarkau, also sämmtlich aus dem südlichen Theile der Nehrung.
Einige Nachträge dazu hat Hr. W. Sommer (Zeitschr. für Ethn. 1883, S. 65)
geliefert, indem er 3 Schädel von Pillkoppen und 2 von Kunzen einer genaueren
Analyse unterzog. Von den ersteren waren 2 dolicho-, I mesocephal; von Kunzen
konnte nur einer bestimmt werden: er war mesocephal. Ein Paar Schädel von
Rossitten bertlhrt auch Hr. Lissauer in seiner Arbeit über die Crania prussica
(Zeitschr. f. Ethn. 1874, S. 219).
Das Schlussergebniss der HHm. Kupffer und Hagen über die kurischen
Schädel war folgendes: Von 46 in Rechnung gezogenen Schädeln waren 9 do-
iichocephal, 25 mesocephal und 12 brachycephal = 19,6 — 54,3 — 26,1 pCt. Das
weicht von meinen Messungen an Lebenden sehr erheblich ab. Etwas anders
(784)
stellt sich die Sache, wenn man die einzelnen Fandplätze, die doch zeitlich nicht
wenig von einander abweichen dürften, für sich betrachtet Ich habe nach der
Reduktionstabelle des Hrn. Welcker die Längenbreitenindices ausgeschrieben und
stelle sie nachstehend zusammen:
1. Skielwit
2. Knnzen
3. Stangenwalde
4. ]
jattenwalde
76,2
79,9
74,1
78,3
77,5
81,1
78,2
76,7
77,2
78,3
73,8
74,1
77,6
82,7
69,1
87,9
82,7
80,1
70,7
73,8
76,1
76,7
76,4
77,3
81,1
77,2
74,7
.
81,6
83,4
76,6
78,7
79,7
73,4
73,1
81,0
1
79,0
75,4
82,3
75,4
79,1
77,7
80,7
80,2
77,9
79,1
Ordnet man darnach
die einzelnen Formen topographisch.
wobei ich mir er-
laube, die Indices von
79,7 und 79,9
= 80 zu nehmen, so
erhält
; man für
Skielwit
Eunzen
Stangenwalde Lattenwalde SiuniDi
Brachycephale 1
6
1
6
14
Mesocephale 4
4
2
12
22
Dolichocephale —
2
4
3
9
Hiernach stellt sich heraus, dass Stangen walde von dem gegenwärtigen Zu-
stande am meisten abweicht, indem unter 7 Schädeln nur ein brachycephaler, da-
gegen 4 mesocephale sind. Gerade imigekehrt verhält es sich mit Kunzen. wo
unter 12 Schädeln 6 brachycephale und nur 2 dolichocephale vorkamen, also ein
Verhältniss, welches dem gegenwärtigen schon sehr viel näher liegt Nächstdem
ist Skielwit zu nennen, wo überhaupt kein dolichocephaler zu Tage kam, uihI
dann Lattenwalde, wo von 21 Schädeln mehr als die Hälfte, nehmlich 12, meso-
cephal, mehr als ein Viertel, nehmlich 6, brachycephal und nur 3 dolichocepbal
waren. Es mag sein, dass der Zufall hier sein Wesen getrieben hat, aber der ist
ja in diesen Untersuchungen nirgends ausgeschlossen. Immerhin bleibt die That-
suche bestehen, dass von den aufgeführten 45 Schädel indices 31,1 pCt brachy-
cephal, 48,8 pCt mesocephal und nur 20,0 pCt dolichocephal waren.
Stellen wir dazu die von den HHm. Kupffer und Hagen gemessenen Litauer-
Schädel, darunter die von dem alten Kirchhofe von Nemmersdorf, Kr. Darkchmen.
so ergiebt sich ein ähnlicher Gegensatz gegenüber den 4 aus verschiedenen Theilen
Litauens gesammelten:
(785)
Nemmersdorf Einzelfonde
78,0 68,9
81,7 77,8
83,4 78,1
79,3 77,5
77,3
77,5
77,3
82,0
74,3
91,3
Nach Kategorien geordnet, erhalten wir für
Nemmersdorf die Einzelfonde
Brachycephale . . 4 —
Mesocephale ... 5 3
Dolichocephale . . 1 1
unter den 3 Litauer-Schädeln, bezw. Köpfen, über die ich selbst früher be-
richtet habe (Verh. 1877, S. 384) und von denen einer gleichfalls von Nemmersdorf
stammte, war kein brachycephaler. Neuerlich habe ich 7 Schädel von Kinten mid
4 von Windenbarg, zwei Orten auf der litauischen Küste des Kurischen Haffs, er-
halten, deren Maasse ich am Schlüsse in einer Tabelle vorlege. Darunter befinden
sich von
Kinten Windenburg
Brachycephale . . 2 3
Mesocephale ... 3 1
Dolichocephale . . 2 —
Auch hier derselbe locale Gegensatz! Wir müssen dabei nicht vergessen, wie
schwer, ja wie unmöglich es oft ist, bei Lebenden ihre Herkunft genau fest-
zustellen. Wie sollte man es machen, nun noch aus den Gräbern ein ganz sicheres
Material zu sammeln? Auch darf nicht übersehen werden, dass die Vergleichung
der am lebenden Kopfe genommenen Maasse mit den am nackten Schädel er-
hobenen nicht ganz zutreffende Zahlen ergiebt. Namentlich bei Frauenköpfen ist
es nicht thunlich, den Einfiuss des Haares auf die Verbreiterung der Maasse ganz
abzuschneiden. Trotzdem mag es versucht sein, aus den aufgeführten 28 Schädeln
vorläufig den Litauer-Typus zu suchen. Wir erhalten dann 32 pCt. Brachycephale,
46 pGi Mesocephale und 21 pCt. Dolichocephale. Für die weitere Localforschung
wird es sich empfehlen, wie es hier geschehen ist, die local zusammengehörenden
Menschen und Schädel auch in dieser Zusammenfassung zu betrachten. Für jetzt
erscheint es unthunlich, eine eng begrenzte Schädelform für diese offenbar wenig
reine Kasse aufzustellen. Soviel ich ersehen kann, ist die Gesichtsform weit mehr
constant und daher auch wohl zu ethnischer Diagnostik weit mehr geeignet, als
die Form der Schädelkapsel.
In dieser Beziehung will ich ganz kurz auf einige Punkte aufmerksam machen:
1. Das Gesicht ist bis auf wenige Ausnahmen chamaeprosop. Diese Er-
scheinung ist vorzugsweise bedingt durch die Grösse der Jugaldistanz: sowohl
Jochbogen, als Wangenbeine treten, selbst bei dem weiblichen Geschlecht, stark
hervor.
2. Die Nase ist, in einem starken Gegensatz dazu, in der grossen Mehrzahl
leptorrhin. Bei den Lebenden wird dies um so stärker bemerkbar, als die
Verbandl. der B«rl. Antbropol. GeMUschaft 1891. 50
(786)
Elevation der Nasenspitze meist beträchtlich ist. Sie erreicht bei Männern häufig
die Zahl von 24 und 25 mm,
3. Die Riefer sind ausgemacht orthognath. Schon bei der Beschreibung des
ersten Schädels von Nemmersdorf bemerkte ich, dass er fast opisthognath sei; ich
kann dies für die Schädel von Windenburg und Rinten bestätigen, wo namentlich
die Schneidezähne des Oberkiefers etwas rückwärts gerichtet sind.
4. Der Unterkiefer ist kräftig, aber nicht hoch, das Kinn tritt häufig vor, zu-
weilen in fast progenaeischer Weise. Die Kieferwinkel sind nach aussen ge-
wendet und bilden nicht selten vortretende Randleisten.
5. Die Augenhöhlen sind höchst variabel, sowohl der Grösse, als den Indices
nach. Sie zeigen bald chamae-, bald meso-, bald hypsikonche Verhältnisse. An
Lebenden erscheint das Auge meist etwas tief liegend imd in grösserer Ausdehnung
durch die Lider gedeckt
Im Anschlüsse daran möge zum Schlüsse noch die Variabilität des
Schädelinhalts erwähnt werden, unter den Niddener Männern, die ich auf-
führte (S. 777), ist Peleikis als ein Kephalone, seinen Maassen nach, bezeichnet
worden. Ihm ist an die Seite zu stellen ein männlicher Schädel von Stangenwalde^
dessen Capacität die HHm. Kupffer und Hagen zu 1635 com bestimmten. Danm
schliessen sich 3 ihrer Kuren-Schädel von Latten walde mit 1565, 1545 und 1540 ccm.
Unter den Litauern bestimmten dieselben Herren einen Schädel zu 1550 und je
einen zu 1525, 1520 und 1510, ich einen von Kinten zu 1520 ccm.
Dem gegenüber steht eine ausgesprochene Nannocephalie, besonders bei
weiblichen Schädeln. Ich fand bei einem solchen von Windenburg nur llGOcon;
die HHm. Kupffer und Hagen erhielten unter 7 überhaupt bestimmten Schädeb
von Nemmersdorf 4 nannocephale, nehmlich 2 männliche mit 1175 und 1125,
2 weibliche mit 1200 und 1115 ccm. Unter den alten Schädeln von der Kurischen
Nehrung waren 2 mit 1130 (einer von Lattenwalde, einer von Kunzen), 1 mit 1145
(Stangenwalde), 1 mit' 1160 (Mann? von Kunzen) und 1 mit 1190 ccm (Skielwü).
Es ist dies ein unter europäischen Schädeln bis jetzt sehr ungewöhnliches Ver-
hältniss, das, in Verbindung mit der Kephalonie der Männer, an die von mir b«
Neubritanniem aufgefundene Variabilität erinnert. Die Differenz zwischen dem
grössten und dem kleinsten Kurenschädel beträgt 520 ccm.
Soviel über die rein anthropologische Seite der Betrachtung. —
Ich wende mich nunmehr zu einer kurzen Darlegung meiner Wahrnehmungen
über die Häuser, wobei ich nur bedauere, dass es mir nicht möglich gewesen ist
dieses Problem in grösserer Ausdehnung in Angriff zu nehmen. Beim Beginn der
Reise hatte ich gehofft, irgendwo unser sächsisches Haus wiederzufinden. Diese
Freude ist mir nicht vergönnt gewesen. Vielleicht wird ein Anderer glücklicher
sein. Dagegen trat mir eine andere Erscheinung entgegen, auf die ich nicht vor-
bereitet war, nehmlich die westpreussischen Vorlaubenhäuser.
Mir war von früheren Besuchen noch in voller Erinnerung das fremdartige
Aussehen der alten Strassen von Marienburg, welche durch ihre langen Lauben-
gänge vor den Häusern an süddeutsche und schweizerische, ja an italienische
Strassen gemahnen. Ich hatte sie als eine städtische Eigenthümlichkeit aulgefasst
und mich mit der Deutung abgefunden, dass die Baumeister des Ordens sie von
irgend einem südlichen Platze oder Lande eingeführt hätten. Aber sehr bald sah
ich auch ländliche Architekturen, welche freilich keine zusammenhängenden Lanbcn-
gänge, sondern nur gesonderte, jedem Hause zukommende Vorbauton darboten, derpn
Zusammenhang mit den städtischen Bauten mir jedoch nicht zwoifelhifl eri:hjtn:
(787)
Das erste Beispiel trat mir aof unserer Fahrt in das Blbinger Oberland in dem
schon erwähnten (8. 751) Dorfe Lenzen entgegen, dessen Name manche heimischen
Anklänge in mir erweckte. Hier hatten die Häuser der grösseren Bauern umfang-
reiche Vorbauten; nur die BUdnerhänser waren ohne dieselben. In Fig. 1 gebe
ich die Ansicht eines solchen Hauses, welches Hr. Ed. Krause die grosse Gute
hatte, auf meine Bitte zu photogruphiren. Man sieht hier einen grossen zwei-
stöckigen Vorbau, der senkrecht vor der Mitte des langgestreckten, der Strasse
parallel gestellten einstöckigen Hauses vortritt. Unten ist eine offene Unterfahrt,
weit genug, um auch Heuwagen den Zugang zu gestatten, Tom durch
hölzerne Säulen getragen. Darüber ein geschlossenes Geschoss aus hölzernem
Pachwerk, dessen Zwischenräume mit Mauersteinen zierlich ausgelegt sind, die
Balken häufig gebogen und mit blauer oder gelber Farbe angestrichen. Daran hat
sich die bäuerliche Architektur in der Hauptsache erschöpft; das Hans selbst ist
sehr viel einfacher, zum Theil gemauert, zum Theil in gewöhnlichem Fachwerk,
das hohe Dach mit Stroh oder Rohr gedeckt, ohne Gicbelschmuck, mit
Schornstein.
Figur 1.
Der Gesammleindrnck ging dahin, dass diese Bauten dem fränkischen Typus
angehören milssten. Die Betrachtung der Hofanlage bestärkte mich darin. Durch-
weg bildeten die Häuser die, vordere Begrenzung eines Hofes mit getrennten
Scheunen und Ställen, jedoch ohne förmUchen Abschluss. Dabei zeigten die
Scheunen häufig seitliche Vorsprünge, wie man in Pommem sagt, „Abseiten".
Weitere Erkundigungen belehrten mich, dass diese Art von Bauten durch die
ganze Niederung, namentlich durch den Marienbniger Werder, verbreitet ist und sich
auch weiterhin in Oatprenssen findet. Sie hängt offenbar zusammen mit den, von
Hm. A. Treichel (Verhandl. 1889, S. 19fi) aus Westpreussen beschriebenen
„löuben artigen Vorbauten" und weit darüber hinaus mit den „Löwinghiusem" in
der Neumark, ron denen Hr. AlfVed G. Meyer eine eingehende Schilderung ge-
liefert hat (Verhandl. IS90, S. 527). Für den Zusammenhang bezeichnend ist es,
das« nach den literarischen Nachweisen des Hm. Treichel die Lauben in den
preussischen Städten vom Volke „Lewen oder Löwen" genannt werden, wie denn
auch im Posenschen die Bezeichnung „Löwe oder Lobe" vorkommt Indess wird
es nöthig sein, hier strenger zu unterscheiden zwischen den an der Giebelfront an-
gebrachten Lauben und den in der Mitte der Vorderfront errichteten „Vorlauben",
sowie den Lauben, welche sich vor den litauischen Kleten befinden und von
welchen ich später sprechen werde, [n der Schrift des Um. Meitzen (Das
deutsche Haus in seinen volksthOmlichen Formen. Berlin 1882. S. 13, Taf. I,
50*
(788)
Fig. 3) ist eine solche Anlage, leider ohne Angabe des Ortes, als Bild des frän-
kischen Typus gezeichnet. In der That wird man nicht daran zweifeln können,
dass die preussischen Yorlaubenhäuser Zeichen einer weit aasgedehnten
fränkischen Colonisation sind. Dabei ist besonders zu beachten, dass nach
Treichel und Arthur Meyer gerade die ältesten Häuser die vollkommensten Vor-
lauben besitzen. —
Wesentlich verschieden waren die Bauernhäuser, die ich im Kreise Allen-
stein sah. Dieser Kreis, der früher im Süden zu Galindien, im Norden n
Warmien gerechnet wurde, ist ein Bestandtheil des Bisthums Ermeland, und wie
ich schon (S. 768) anführte, seit dem 15. Jahrhundert polonisirt Noch 1249 unter-
Figur 2.
schied man Ortschaften mit preussischem (polnischem) und Culmischem (Magde>
burgischem) Recht Bei unserer Umfahrt um den Wadang-See (8. 766) besuchten wir
das Nordufer desselben, an welchem eines der ältesten Ordensschlösser gelegen hat»
Wartberg genannt (Grüne nberg a. a. O. S. 16, 57). Neben demselben soll eine
Stadt gestanden haben. 1354 zerstörten die Litauer diese Anlagen; die Stadt wurde
später in grösserer Entfernung vom See weiter nach Osten aufgebaut, und an der
früheren Stelle entstand das jetzige Dorf Alt-Wartenberg. Dasselbe liegt theüi u
einer Schlucht, theils auf der Höhe, in einiger Entfernung vom See. Viel näh«' aa
dem letzter(»n, auf der hier steil abfallenden Uferhöhe, nicht weit von der Mahle
ürzechowo, wurde uns ein Platz gezeigt, der den Namen Stare miasto (alte Stadt)
(789)
fUkrt. Nach der Aussage des Müllers sind daselbst vor einigen Jahren Nach-
grabongen veranstaltet worden, wobei in einer Tiefe von 7 Puss ein Pflaster und
Urnen, auch ein eiserner Speer gefunden sein sollen. Wir konnten in kurzer Zeit
eine Anzahl mittelalterlicher Scherben und grosse Brocken von Lehmbewurf mit
eingeknetetem Rohr, zum Theil verbrannt, von der Oberfläche sammeln.
Ein grosser Theil der Häuser von Alt-Wartenberg ist ganz neu. Indess giebt
es doch einige von sehr alterthümlichem Aussehen. Im Allgemeinen herrscht die
Anlage von „Höfen" vor. Nur die kleinen Leute haben einfache Häuser, die zugleich
Stall und Scheune umfassen. Sonst stehen fast immer neben dem Wohnhause
noch 3 — 4 Gebäude, die zusammen ein Geviert bilden, welches den eigentlichen
Hof umschliesst. Das Wohnhaus liegt entweder in der Mitte, oder an einer Seite,
80 dass der Hof gegen die Strasse offen ist (Fig. 2 a \V), Die übrigen Gebäude
sind zu Wirthschaflszwecken bestimmt: Ställe, Scheunen, Wagenschuppen u. dgl.
Es sind Blockhäuser von Holz mit Eohrdächern, welche mit dicken Moosrasen
überzogen sind, und starke Dachreiter aus Holz, mit weit vorspringenden Armen,
tragen. Selten sahen wir einen Giebelschmuck und dann meist Pfähle, selten ein
Kreuz. Die Schornsteine scheinen verhältnissmässig neu zu sein. Die Wände des
einstöckigen Wohnhauses sind niedrig, ebenso die Thüren. Die innere Disposition
erwies sich als sehr einfach (Fig. 26;, indem in der Regel ausser dem Flur nur
4 Räume vorhanden waren : durch die in der Mitte der Längswand gelegene Haus-
thür betrat man den Flur (F), hinter dem eine kleine geschlossene Küche (K)
angebracht war; rechts und links je 2 Stuben, davon die Hälfte für einen Altsitzer
oder Miether. Früher ist stets, jetzt wird noch theilweise in der Küche über einem
an der Erde angemachten Feuer gekocht; wir sahen noch Küchen, wo die Feuer-
stätte am Erdboden in einer Ecke lag, und darauf den zum Kochen verwendeten
eisernen Dreifuss (Grapen). Jetzt hat man neue Heerde in den Stuben angelegt.
Die niedrige Zimmerdecke besteht aus Holz mit vorspringenden Balken ohne alle
Verzierung. Alles war verrauchet t und überdies sehr schmutzig.
Die Einrichtung hatte manche Aehnlichkeit mit der alsbald zu beschreibenden
litauischen und kurischen, nur dass, verglichen mit der letzteren, die Wohnräume
viel einfacher, der Flur kleiner und nicht durchgehend, die Küche durch eine
Wand vom Flur abgegrenzt waren. Nichts erinnerte an einen der nord- oder
mittelgermanischen Typen. Es wäre daher wohl möglich, dass sich hier eine alt-
preussische Anlage erhalten hat. In dieser Beziehung ist noch zu bemerken, dass
sich in der Nähe des Ortes allerlei Wälle finden. Allerdings konnten wir eine,
auf der Karte verzeichnete Schwedenschanze vor dem westlichen Walde nicht
finden. Das Terrain ist hier so coupirt, wie an vielen Stellen in Hinterpommern.
Sandige Höhen, zuweilen von wallartigem Aussehen, wechseln mit tiefen moorigen
Gründen, aus denen sich überall wasserreiche Bäche sammeln. Erst in dem,
weiter westlich gelegenen „Königreich -Walde" trafen wir einen, von dem Wege
zum See hinabgehenden Wallgraben von grosser Tiefe und Breite, der zu beiden
Seiten mit Erdwällen besetzt war, hinter welchen noch einmal seichtere Gräben
folgten. Da die Gräben ganz trocken sind und das Ganze sich in fast gerader
Linie durch den Wald zum See zieht, scheinbar ohne alle Beziehungen zu einer
anderen Anlage, ähnlich wie es in der Lausitz öfter der Fall ist, so muss es wohl
als eine alte Landwehr aufgefasst werden. — Sonst konnte ich in Bezug auf Alter-
thümer nur ermitteln, dass vor 26 Jahren auf der Feldmark von Nickelsdorf, aufi
einem Kieshügel nordwestlich vom Vorwerk, Urnen ausgegraben seien. Aber der
Platz liegt auf der anderen Seite des Sees in ziemlich grosser Entfernung. Grunen-
berg (a. a. 0. S. 14) erwähnt ausserdem aus dem Kreise das Vorkommen von
(790)
„Bocbäckem" und das, nach dem Ablassen des Kl. Rleebei;ger Sees herTorgelreteif
Vorkommen nnregelmässig aufgeschichteter Steinhlfgel. —
Unsere erste ^nauere Bekanntschaft mit den HäDsern der karischen
Fischer auf der Nehrung machten wir am 13. Aogust in Nidden, einem Dorfe.
welches dem AnsOusae der Memel (des sog. ßuBsstromes) in das Haff ziemlich gerade
gegenüberliegt Die Sandberge derNcbrnng erheben sich hier bis zu einer Höbe von
135 Fuss. Oben liegt ein Lenchtthnrm mit prächtiger Aussiebt auf Meer und Half.
Aar dem Wege hinauf fanden wir zum ersten Male eine der Seltenheiten der
Nehrung, den auf nacktem Sande wachsenden Astragalus arenarius und die höchst
wohlriechende Linaria odora. Der kleine Ort liegt auf der Ostseite der Nehrung,
in einer jener kleinen Oasen, deren Sicherheit durch die fortschreitende Bepflaniuag
der Dünen mit der seit einigen Decennien aus Dänemark eingeführten Pinn»
montana (iniops) schon eine gewisse Stärke erlangt hat. Südlich vom Dorfe, vo
die neue Kirche') erbaut ist, steht ein älterer Wald, der trotz seiner geringen
Änsdehnung als ein Asyl für Elche dient, deren Wanderlust sie von dem jenseitigot
Ufer, ans dem Forst Ibenhorst, ihrem eigentlichen Gehege, zuweilen hierher (ge-
legentlich auch bis nach Schwarzort und Hemel) fuhrt. Die Dorfoase bat eine
halbmondförmige Gestalt. Sie ist, abgesehen von der Nordseite, rings umgeben
von dem herabgewehten DUnensande, der an vielen Stellen bis in das Dorf selbst
eingedrungen ist. Seit den Tagen, wo ich mit Schliemann eine Woche in dem
nubischen Dorfe Ballanyi zubrachte, hatte ich den Kampf des Menschen mit den
WUslensande nicht so nahe gesehen, als hier. Schon durch die Fahrt über du
Kurische Haff, wo immer neue Bilder die Erinnerung an die gelbe libysche Wüite
wachgerufen hatten, war ich auf die Aehnlichkeit der Nehrung mit den Ufern det
oberen Nils hingewiesen worden; in Nidden aber, wo ich unmittelbar vor die
Sandwülle gestellt war, welche der SUdwestwind gegen die Wohnnngea und GvlfD
der Menschen aufgethürmt hatte, erreichte die Illusion ihre grösste Höbe. Ich
verweise auf ein Bild bei Bezzenberger (Die Knnsche Nehrung S. ä5).
Die Dorfanlage ist, wie in unseren nordischen Stranddorfem so häufig, ganz
den Verhältnissen des Bodens angepasst. Die Dorfstrasse zieht sich, dem Cfer
parallel, in allerlei Krümmungen durch das unebene Terrain hin, bald schmal, bald
zu breiten, marktäbniichen Plätzen erweitert, vielfach gegabelt. An ihr stehen die
Hänser, theils mit der Giebelfront, theils mit der Langseite gegen die Strasse ge-
richtet, einzeln oder in kleinen Gruppen, gewöhnlich auf niedrigen Anhöhen, häsflg
umgeben oder wenigstens anstossend an kleine Gärten, deren Lattenzäune sich
längs der Strasse hinziehen. Es sind mässig-grosse, rechteckige Blockhäuser, ein-
stöckig, verhältniss müssig tief, mit hohem Rohrdach und breiten Giebeln, Über
denen weit vortretende, geschnitzte Latten sich er-
heben. Dieser Gicbelschmuck drängt sich so stari
in die Anschauung des Fremden, dass unsere Aaf-
merksnmkeit sich ihm zuerst zuwendete.
Am häufigsten sind es Pferdeköpfe mit nach
aussen gewendeten Stirnen, aber von ungewöhn-
licher Grösse und von phantastischer Ausgcstaltnng.
Die gebräuchlichste Form (Fig. 3, nach einer Zeichnung
des Hm. Ed. Krause) besteht darin, dass die an
p. „ dem steilen Giebel sich kreuzenden SeitenlaUeo io
einen langen Hals übergehen, der sich am Ende in
1) Von licm Pfarrer praählt man dort, er beknmmc die KriUicn ans dem Walde ■!<
(791)
einen stark ^senkten, schmalen Kopf nmbiegt. Von dem Manl länft eine kelten-
artJgo, aber feate Verbindung, gleichsam ein herabhiiogonder Zaum, zu der Brust-
gegend herab. Auf dem Kopfe sitzt ein Busch mit mehreren Vorsprüngen, wie
ein Haarschopf oder ein künstlicher Aufsatz. Unter der Giebelspitze bemerkt mnn
hie und du eine dreieckige vertiefte Stelle, ganz dem „Ulenloch" dos aiichsischen
Hauses entsprechend, aber gewöhnlich durch Bretter geschiosaen.
Andere Giebel tragen ein senkrecht anfsteigcndea, aufgenageltes Brett, nach
Art des Pfahles, den wir aus der Ältmark und Niedersachaen kennen, aber ge-
wöhnlich ebenfalls geschnitzt. Ocflers sind die Ränder dieaer Giebellattcu siige-
fürmig ausgeschnitten und auf ihrer Spitze sitzt ein Vogel, wie es Fig. 4 (nach
einer Photographie des Hm. Üartela) zeigt. Aber zuweilen aind auch beide Arten
des Giebel seh mucks mit einander combinirt, in der Art, dass der Pfahl in der
Mitte aufsteigt und zu jeder Seite deaselben ein Pfordekopf hinaussteht, wie in
Fig. 5 (gleichfalls nach einer Photographie des Hm. Bartels), — eine Erscheinung,
Figur ö.
die sich übrigens auch im Spreewalde findet (Verhandl. 1880, Taf. I, Fig. G3 n. R7).
In der Regel sind beide Giebel geschmückt.
Es mag hier erwähnt werden, dass die Neigung der Kuren, künstliche t!chnilz-
werke aus Holz zu fertigen und an hervorragenden Stellen anzubringen, noch in
(792)
einer andern Richtung aehr anfällig hervortritt, nehmlich i
Usstspitzen ihrer Segelboote. Es ist mir gelungen.
1 dem Schmuck der
Ton einem in voller
Fahrt begriCTenen Boote eine Homent-Anf-
nahme za machen (Pig. 6), welche ein gutes
Bild dieses Anrpatzes gewährt. Da, wo
sonst ein einfacher Wimpel flattert, ist ein
längliches Brett angebracht, das auf seiner
Fläche mit bunten Feldern bemalt, zuweilen
auch durchbrochen ist; an dem Ende dieses
Brettes sitzt der Wimpel. Aber auf dem
oberen Rande des Brettes steht eine Reihe
von zierlich durchbrochenen Figuren, die an
Kirchenomamente erinnern. Es ist mir nicht
gelungen, zu ermitteln, ob dieser Schmuck,
der im Einzelnen grosse Hannicbfaltigkeit
zeigt, besondere Familien- oder Dorf-Herk-
male darstellt. Man sieht ihn auf den fiaff-
booten aller Kehrungsdörfer.
Was die sonstige Einrichtung der Häuser
betrilft, so liegt die Hausthür stets in der
Mitte der Langseite (Fig. 7). Durch die-
selbe tritt man in einen grossen Flur, man
i Halle, welche quer durch das Haus reicht
und hän&g an der hinteren Langaeite eine zweite ThUr, gerade gegentlber der
HauBÜittr, hat. Diese Halle ist so geräumig, dass sie einen grossen Theil des
\\\
Figur e
könnte vielleicht besser sagen,
z
ff
•
F
^ z.
Figur 7.
Hauses einnimmt; sie enthält jedoch die KUche oder vielmehr den Kochplatz, der
meist die linke hintere Ecke fllllt Hier steht ein regelrecht anfgemauerter Feuer-
heerd (//, in der Skizze zu gross gezeichnet), durch eine niedrige Hauer von
der Halle geschieden. Der Ranch gehl von dem Heerde in eine Art von Kamin,
von da aber sofort wieder in die Halle und in den darüber gelegenen Bodenraum.
Natürlich sind alle diese Flächen von glänzendem Russ bedeckt In einer Ecke
des Hecrdplatzes hängt ein eiserner Kesselhaken, der aber nur noch beim Kaffeebrennen
benutzt wird. Zuweilen steht an der rechten Wand, dem Heerde gegenKber, ein ge-
mauerter Rahmen, unter dem der Kochbeerd des Altsitzers angebracht ist Indess
ist die Küche nicht der Hauplzweck der Halle; diese dient vielmehr als ArbeiU-
platz für den Fischer, Hier werden die Netze gestrickt, getrocknet und am-
gebessert, worauf täglich die grtisste Sorgfalt verwendet wird. Dann kommen aie
mit dem Segeltuch und den anderen Geweben, die beim Fischfang benutzt werdoi.
auf den Boden, wo sie, ausgebreitet und anfgehiingt, den Wirkongen des Rauches
ausgesetzt sind. Diese geräucherten, stark gebräunten Netze widerstehen den Ein-
wirkungen des Wassers längere Zeit.
(793)
Das ist der wahre Zweck der Halle und des mächtigen Bodens, der sonst fast
gar nichts enthält. Der Nehringer hält weder an Heu, noch an Stroh nennens-
werthe Vorräthe, da er keinen Ackerbau treibt; die kleinen Bestände, die er zum
Theil von weither einholt, bringt er in besonderen Schuppen ausserhalb des Hauses
unter. Auch Ställe sind in das Haus gewöhnlich nicht aufgenommen. Der ganze
Rest des Hauses wird vielmehr von Wohn- und Schlafstuben der Menschen ein-
genommen, links gewöhnlich fär die Familie des Besitzers, rechts für den Altsitzer
oder die Miether. Auch giebt es keine grösseren Höfe: die kleinen Schuppen und
Ställe liegen unregelmässig zerstreut in der Nähe. Gerade dieser Umstand unter-
scheidet das Nehringer Haus von dem galindischen Hofe, den ich vorher be-
schrieb, während die innere Einrichtung im Grunde dasselbe Schema zeigt, nur
dass die geräumige Halle des kurischen Fischers durch den kleineren Flur des
Allensteiner Ackerbauern ersetzt ist.
Ueber das Alter des Dorfes ist wenig bekannt. Nidden (kurisch Nida) er-
scheint urkundlich erst im 15. Jahrhundert, ist aber jedenfalls älter. Da es jedoch
im Jahre 1809 bis auf ein Paar Häuser abbrannte, so liegt es auf der Hand,
dass von den jetzt vorhandenen 66 Wohnhäusern (mit 686 Einwohnern) fast alle neu
errichtet sind. Der Grundriss (Fig. 7) ist von einem der alten Häuser entnommen. —
Anders liegen die Verhältnisse in Schwarzort, obwohl dieses Dorf allem
Anschein nach erst in der Mitte des 17. Jahrhunderts gegründet ist (Bezzen-
b erger S. 61). Immerhin gab es schon 1697 6 Fischerhäuser daselbst; bis auf
diese Zeit dürfen wir auch wohl das Alter einzelner der noch vorhandenen Häuser
zurückdatiren, wenngleich es mir nicht gelungen ist, ii^end eine Jahreszahl an
ihnen zu entdecken. Noch jünger dürfte der südliche Vorort von Schwarzort,
Karweiten, sein, welches die nächste Dünenbucht jenseits der Kirche und des
Pfarrthals einnimmt Seine Bewohner scheinen erst am Ende des 1 8. Jahrhunderts
hierhergezogen zu sein, als ihr altes Dorf durch Versandung zu Grunde ging.
Schon jetzt sehen aber die Karweitener Häuser so alterthümlich aus, als ob sie
Jahrhunderte gestanden hätten.
Wenn man von den neueren Anlagen absieht, welche die Entwickeluug von
Schwarzort zu einem Seebade mit sich gebracht hat, so besteht das Dorf eigent-
lich aus einer einzigen langen Keihe von Gehöften an der Dorfstrasse, welche sich
unmittelbar längs des Haffufers hinzieht. Ueppige Eohrkämpe begleiten das Ufer,
vor jedem Hause durch eine kleine offene Bucht unterbrochen, welche als Privat-
hafen für die Fahrzeuge des Besitzers dient. Der Ausblick durch diese Buchten
auf das weite Binnengewässer, welches fast immer durch Fischerboote, Dampf-
schiffe und grössere Handelsfahrzeuge belebt ist, bis auf die gegenüberliegende
litauische Küste mit ihren Dörfern und Waldbeständen ist ungemein malerisch.
Vor den Häusern liegen überall kleine, mit soi^faltig gehegten Blumen bestandene
Vorgärten. Hinter und neben den Häusern schliessen sich Kartoffel- und Gemüse-
felder an, freilich sehr kleine, denn der fruchtbare Boden erstreckt sich nur eine
kurze Strecke über das halbmoorige Vorland, das alsbald von hohen bewaldeten
Sandbergen begrenzt wird Die Grösse der einzelnen Besitzungen ist in steter
Verminderung, da immer neue Häuser und selbst Dörfer der übrigen Nehrung ver-
sanden und die Bewohner zur Auswanderung gezwungen werden. Von Nidden bis
Memel ist Schwarzort der einzige, noch gerettete Platz; alles Andere ist „todte
Düne" geworden. Hier aber sind die Höhen noch mit dichtem Walde bestanden,
der durch die Staatsregiemng sorgsam gehegt und erweitert wird. Mächtige Eichen
sind an den mehr geschützten Stellen noch zahlreich vorhanden, hie und da
stehen auch uralte Linden und hochstämmige Birken, besonders am Ufersaum;
(794)
sonst besteht der Wald durchweg ans hochstänunigen, dnnkelbelanbten Fichten
(Pinns picea), denen die moderne Forstcultur in den Niederungen zwischen den
Sandbergen gut gedeihende Tannen (P. abies) beigemischt hat. Die Buche fehlt
vollständig: die nördliche Grenze ihres Verbreitungsbezirkes liegt schon in der
Gegend von Königsberg. Der Boden ist im Walde durchweg grün durch üppigen
Pflanzenwuchs, der hauptsächlich aus Erd-, Heidel- und Preisselbeercn besteht; an
tieferen Plätzen wachsen kräftige Farne und Himbeeren. Einzelne Stellen tragen
seltnere Pflanzen: Pyrola, Empetrum, Linaria odora (auf dem Sande der Seeseite)
und die gerade zu unserer Zeit in herrlichster Blüthe befindliche Linnaea borcalia.
Gelegentlich trifft man auf dem Waldwege eine Blindschleiche; ein einziges Mal
fing ich einen Melolontha fullo, der, wie es scheint, nur noch an dieser Stelle der
Nehrung zu finden ist.
Der Hochwald bedeckt ausschliesslich die Haflseite der Berge. Die Seeseite
ist erst neuerlich durch Anpflanzungen bestockt worden, mit Ausnahme einiger
tiefer, wasserreicher Stellen, welche mit jungem Laubholz bestanden sind. Immer-
hin ist es verständlich, wie dieser Platz zu dem Namen Schwarzort gekommen ist
Von Weitem erscheint er auf der blendend weissen oder gelbweissen Neh-
rung wie ein dicker schwarzer Fleck. Nach Norden schliesst die Baumvegetation
in einer fast geraden Linie, an der Haffseite mit einer tiefen Moorschlucht, dem
Grikin, ab. Dann beginnt die todte Düne, die sich ununterbrochen bis zur Nord-
spitze der Nehrung am Sandkruge gegenüber von Memel erstreckt. Hie und da
steht noch in einer Bucht am Haff ein kleiner Baumbestand, so das Hirschwäldchen
in der Nähe des Nordendes. Aber die heilende Arbeit der Forstverwaltnng ist
hier in stetem Fortschreiten: seit 6 Jahren hat sie ein neues System der „Be-
stockung^ eingeführt \md jedes Jahr schreitet diese in der Richtung vom Sand-
kruge nach Süden um 1 km vorwärts. So dürfte der Zeitpunkt zu berechnen sein,
wo die 97 km lange Nehrung wieder bewaldet sein wird, wie sie es früher gewesen
ist Für letzteres sprechen nicht nur die zahlreichen Stämme alter Bäume, die
von Zeit zu Zeit beim Ab wehen der Dünen zu Tage treten, sondern auch prä-
historische Funde und historische Zeugnisse (Bezzen berger S. G7). Dieser alte
Wald ist also zu einem grossen Theile sicherlich durch Versandung zu Grunde ge-
gangen, indess dfLrfte diese Erklärung kaum allein genügen. Man wird wohl den
Menschen als Mitschuldigen an der Waldvernichtung betrachten dürfen, am so
mehr, als die Nehrung von jeher die Durchzugsstrasse für streifende und maro-
dirende Schaaren der östlichen Völker gebildet hat
Gleichviel wie sich das zugetragen hat, gegenwärtig sind die Schwarzorter ge-
zwungen, sich von der Fischerei zu ernähren. Natürlich essen sie auch Brod und
gelegentlich Fleisch, aber sie müssen es kaufen; Milch ist nur spärlich vor-
handen und Gerstenmehlsuppe (litauisch pütrus, ähnlich dem schottischen porridge)
dient als Ersatz. Aber der Gelderwerb beruht ausschliesslich (abgesehen von dem
in neuerer Zeit eingeführten Vermiethen an Badegäste) auf der Fischerei, die
gerade hier sehr lohnend ist Zuweilen fischt man auf der See (Lachs, Flundern
und Steinbutten), in der Regel jedoch auf dem Haff, welches namentlich schöne Aale
in grosser Zahl liefert. Darauf ist die ganze Lebenshaltung und Beschäftigung, dio
Kleidung und auch die Wohnung eingerichtet.
Was die letztere betrifft, so passt das vorher gegebene Niddener Schema auch
hier. Das lange Rechteck des Wohnhauses steht mit der Langseite gegen dio
Strasse und hat in der Mitte derselben die Hausthür; hinter dieser folgt un-
mittelbar die Halle mit der Hinterthür; darin die Küche. Ich führe ein Paar Beispiele
(nach Photographien von mir) an: In dem Hause von Michel Peleikis (S. 778), welches
(795)
sich durch seine alterthümliche Beschaffen heil vor allen auszeichnet (Fig. 8, die Hinter-
seite), gab es zwei Peuerstcllen in der Halle: die eine, ältere, links ander Wand (nicht
in der Ecke), bestehend aus dem wandstundigen Heerdc und einer niedrigen Vor-
mauer, für den Besitzer: die andere, neuere, ihr gegenüber an der rechten Wand,
mit einem gemauerten Heorde. Dem entsprechend befanden sich links und rechts
neben der Halle Wohnstuben. — Ganz ähnlich ist das Haus der Wittwe Lautsening in
Karweiten (S. 778), einer viel geprüften Frau. Ihr Mann ist vor 4 Jahren heim Lachs-
fang in der See in einem Schneesturm verschollen; das leere Boot trieb bei Kuren
im Samlande an. Seitdem fischt sie selbst mit ihrem jetzt 16jährigen Sohne. Das
Haus sieht sehr alt aus, hat aber keine Jahreszahl. In der grossen durchgehenden
Halle mit niedriger Vorder- und HinterlhUr steht &nt der Seite der Hiethswohnung
rechts ein kleiner Heerd an der Wand; an der Seite der Besitzerin links befindet
sich ein ummauerter Raum mit einem Heerde und an der anstossenden Wand ein
vorspringender Rahmen, vor welchem auf dem Boden ein offenes Feuer brennt;
kein Kesselhaken, sondern ein Grapen mit PUssen, Die Stube war ungewöhnlich
Figur 8.
sauber gehalten, was gegenüber der unsauberen und vielfach unordentlichen Be-
schaffenheit anderer Haushaltungen sehr wohlthütig auffiel.
Ausser dem Wohnhause, welches, wie ersichtlich, vorwiegend zu Fischerei-
zwecken bestimmt ist, haben die Schwnrzorter gewöhnlich noch einige Neben-
gebäude, die zuweilen sehr unregelmässig gestellt, manchmal dagegen fast hofartig
angeordnet sind. Da eine Scheune unnölhig ist, so sind es vornehmlich Stulle
(fUr Kühe, Schafe, gelegentlich Pferde und Schweine). Ein besonderes Gebäude,
die Kletc, enthält die Vorrüthe an Wüsche, Kleidern, Nahrungsmitteln u. s. w.
Es ist ein kleines Blockhaus mit einer Art von Laube davor, die unter demselben
Dach befindlich, nach aussen offen und durch eine Reihe hölzerner Ständer und
eine niedrige Brüstung abgeschlossen ist, also sehr ähnlich dem norwegischen
Stabur, dem bayerischen Foldkasten und dem schweizerischen Stadel (Verh. IHaO,
S. 578), nur nicht so hoch gestellt, wenngleich häufig durch einige Stufen zu-
gjinglich, und mehr langgestreckt.
Das einstöckige Wohnhaus hat sehr niedrige Wände, dagegen ein hohes, mit
Rohr gedecktos Dach. Von dem Niddener unterscheidet sich das Dach haupt-
sächlich durch zwei Eigenschaften: einerseits ist die First mit einer dickeren Rohr-
lage bekleidet und diese an gut gehaltenen Häusern durch kurze, breite, am Ende
(796)
Zugespitzte Latten berestigt, die über die Pirat schräg herttberragen; andererseits
ist der Giebel, der in Nidden ganz senkrecht abrollt (S. 791, Fig. 4 und 5), mit einem
Walmdach versehen, welches über die Giebelfront vorragt (Pig. 8). Dieses Walmdach
beginnt etwas unter der Spitze und schiebt sich etwa bis auf '/^ oder '/i der Giebclfront
herab; oben ist es durch die, von mir wiederholt Iwsprochenen 3 Wiepen be-
festigt. Unter dem Walmdach, in dem Winkel der Gicbelspitze, liegt das
Ulenloch, das hier jedoch nicht diesen Namen trägt (Flg. 9, das letzte Haus vor
Figur 10.
dem Kirchthalc). Gelegentlich sind alle diese Theile sehr entwickelt: dann ist
das Ulcnlüch durch Bretter geschlossen (Fig. 10). Dass dies, wie überall, das ur-
sprüngliche Rauchloch war, darf nicht bezweifelt werden; in Rorweiten traf ich
noch eine offene „Luke". Das Walmdach, welches in Xidden verschwunden ist
und auch in Schwarzort an neueren Hüusem fehlt, darf wohl als eine alterthüro-
lichc Reminiscenz betrachtet werden.
Was endlich den Giehelschmuck betrifft, so gilt von ihm dassellw, was ich
von Nidden berichtet habe. Auch in Schwar/ort sind es entweder Prerdeköpfe,
nach aussen gewendet, oder Pfähle, und zwar beide in zum Thcil sonderbaren
Umgestaltungen und mehr oder weniger durch Schnitzereien veneiert. Die Pferde-
köpfe haben hier meist Aufsätze und unter dem Maul zaumartige Gehänge; ge-
legentlich ist iin der RUckcnseitc des Halses noch ein länglicher Schlitz au-
(797)
gebracht (¥ig. 10). Manchmal ist der Kopf so stark herabgebogen, dass das Maul
nahe am Halse liegt, und das Ganze mehr wie eine grosse Schleife aussieht
Auch kommt es vor, dass der Zaum eine gewundene Leine bildet. — Die andere
Art, die Pfahle, ist gleichfalls mit seitlichen Sprossen oder Zinken und mit darauf
sitzenden Vögelchen ausgestattet
Besonders ausgeprägt ist dies in Rarweiten. Hier waren an einem verhältniss-
mässig dünnen Pfahle sehr starke seitliche Zacken und am Ende eine eifi)rmige
Anschwellung; auf letzterer und auf den beiden nächstfolgenden Zacken sassen
Vögelchen mit nach aussen gerichteten Köpfen. Wo sich Pferdeköpfe finden, da
sind sie gross imd abenteuerlich. An einem Hause erschienen sie, wie schon er-
wähnt, wie Henkel. Auf dem Kopfe haben die Pferde Ohren oder Schöpfe, ähnlich
denen,, welche bei lebenden Pferden durch kurzes Abschneiden der vordersten
Mähnenhaare entstehen. Obwohl Karweiten erst im vorigen Jahrhundert angelegt
ist (S. .793), so handelt es sich hier doch um eine alterthümliche Sitte, die sicherlich
aus der alten, versandeten Heimath mitgebracht ist Ob sie ursprünglich lettisch
war, erscheint mir diskutabel. So ausgebildete imd verzierte Pferdeköpfe scheinen
auf ein Reitervolk hinzudeuten, wie es die Litauer waren. Ich werde darauf so-
gleich zurückkommen. Hier möchte ich auf die ausgeprägte Neigung zur Ver-
zierung durch Holzschnitzerei hinweisen, welche allen seefahrenden Völkern eigen
ist Sie zeigt sich auf der Nehrung nicht nur in dem Giebelschmuck, sondern
auch in der weitergehenden Gewohnheit, andere Theile des äusseren Hauses in
ähnlicher Weise zu zieren. So habe ich in Schwarzort ein bei der Pfarre
gelegenes Haus notirt, bei dem auch die mediale Seite der Giebellatten, sowie die
Querbalken des Giebels sehr regelmässig ausgeschnitten waren.
Es schliesst sich das sehr eng an die zierlichen Muster an, welche die
Litauerinnen in ihren Schürzenbändern nachbilden. Wir trafen diese auch in
Nidden an. Häufig sind diesen Mustern Verse eingefügt, welche den poetischen
Gefühlen der Künstlerin Ausdruck geben. Von solchen Künsten war freilich in
Schwarzort wenig zu sehen. Das einzige eigenthümliche Kleidungsstück, das ich
bemerkte, war eine dicke, filzartige Regenjacke der Fischer aus weisser Wolle,
mit dunkelbraunen Flecken oder Winkeln besetzt Der Stoff wird nur aus der
Wolle der hochbeinigen Schafe hergestellt, welche an den Beinen lange Haare,
aber keine Wolle tragen und kurze Schwänze besitzen.
Zum Schlüsse noch eine Bemerkung, die vielleicht für die Frage von der
Entstehung des Bernsteins einigen Werth hat In dem Walde von Schwarzort
giebt es so viele Spechte, dass man sie fast auf jedem Spaziergange hämmern
hört. Sie machen nicht selten ganz grosse Spaltlöcher in die Rinde der Fichten
und aus diesen quillt dann das Harz in so grossen Massen hervor, dass es zuweilen
faustgrosse Klumpen bildet. So dürfte wohl auch das Bemsteinharz hervor-
gequollen sein. — Nach der Angabe des Lehrers Po 11 mann in Schwarzort heisst
der Bernstein kurisch dzintar, litauisch gintars. (Für Gold kannte er nur das
litauische Wort auksas.) —
Es erübrigen jetzt noch die litauischen Häuser. Vorweg erwähne ich,
dass nach einer aus dem 17. Jahrhundert stammenden Beschreibung von Erhard
Wagner (A. Rogge, Der preuss. Litauer des 16. und 17. Jahrb., i., 1886, S. 13)
die Litauer ihre Häuser für sich und das Vieh unter einem Strohdach erbauten.
^Der Rauch hat keinen anderen Ausgang, als durch die Thür. Sie merken den-
selben kaum in Folge langer Gewohnheit", in einer Beschreibung von Hennen-
berg er (ebend. S. 6) aus dem 16. Jahrhundert wird gesagt: „Das Haus, darinnen
sie alle essen, heisst das Schwarzhaus und ist in der Wahrheit vom Rauche
(798)
und Russ schwarz genug. Daneben hat ein jegliches Paar Ehegatten ein sonder-
liches Häuslein, das heisst man eine Rleidt (Klete), ist von rundem Holz gesetzt,
unten hat's wie ein niedriges Kellerlein, oben darauf wie eine Rammer ohne
Fenster, nur eine ThfLr, da sie hineingehen; darinnen haben sie ihre Rleiderchen,
die gar schlecht und gering und alle einerlei Farben und Form sind, und was sie
Sonderliches haben.') Sonsten haben sie auch viele kleine Häuserchen, denn zu
jeglicher Arbeit haben sie ein sonderliches kleines Häuslein, als eins, da man das
Getreide mahlt, eins darinnen man backet, eins zu brauen, eins Kleider zu waschen,
eins zur Badstube u. s. w., die alle sind mit Brettern bedeckt, haben keine Scheunen,
sondern wie hohe Ricke, da legen sie die Aehrenenden einwärts und ebenso auf
einander.^ Vieles von dieser Beschreibung gilt noch heute. Die ersten solcher
Häuser sah ich, als wir von Schwarzort aus einen Besuch auf dem jenseitigen
Ufer des Haffs machten. Hr. Bezzenberger führte uns auf einem kleinen Re-
gierungsdampfer nach Russ.
Ich muss es mir versagen, diese merkwürdige Gegend eingehend zu be-
schreiben. Die Memel ergiesst sich hinter der Windenburger Ecke mit mehreren
Armen in das Haff. Das Land umher ist niedrig, den üeberschwemmungen aus-
gesetzt und moorig. Das Wasser des mächtigen Stromes ist so braun, wie das
der Spree. Wir liefen durch den nördlichen Ausfluss des Russ-Stromes, den sog.
Atmatt-Strom ein, der fast die Breite des Rheins bei Zevenar hat, und sahen uns
plötzlich in einer Landschaft, die mit Holland die grösste Aehnlichkeit bot. Ueberall
längs der Ufer lagen die aus Russland kommenden Hol2flösse. Nachdem wir in
Russ eine Anzahl wohlwollender Freunde aufgenommen hatten, bogen wir in den
zweitgrössten Ausfluss, den Skirwieth-Strom, ein und begaben uns nach einer ab-
gelegenen Stelle des Waldes, wo uns Elche gezeigt wurden. Am nächsten Tage,
am 14. August, fuhren wir dann zu Wagen von Russ nach Heydekrug. Auf dem Wege
trafen wir die ersten litauischen Häuser. Sie hatten fast überall Pferdeköpfe, hie
und da Pfähle, und zugleich Vorlauben. Hr. Bezzenberger erinnerte daran,
dass diese Vorbauten an jüdischen Häusern in Russland sehr gebräuchlich seien.
Der Hauptplatz für meine Studien über litauische Häuser war aber in der
Gegend südlich von Memel, in dem Ufergebiet der Minge. Wir waren hier der
russischen Grenze so nahe, dass wir einen weiten Ausblick über das jenseitige,
langsam ansteigende Stück von Kurland hatten. Das diesseitige Land erwies sich
als sehr flach, voll von Mooren, Wiesen und Bächen, aber sehr anmuthig durch
kleine Wäldchen, namentlich durch Birkengruppen, geschmückt. Fast überall
Einzelgehöfte. Ich besuchte mehrere derselben, will mich aber darauf beschränken,
ein altes Haus in Ilgenjän kurz zu beschreiben.
Dasselbe (Fig. 11, WH) stand in der Mitte eines geschlossenen Hofes, dessen
Seiten von den Wirthschaflsgebäuden eingenommen wurden. — Unter diesen nenne
ich die Klete (Fig. 11, a KQ, den Stall (St), die Scheune (Seh), Man gelangte
auf den Hof durch eine hohe, fest geschlossene Thür, Wartas genannt (Wa).
Das Wohnhaus selbst (Fig. 11,6) bildete ein längliches Rechteck. Die Hausthfir in
der Langseite, dahinter ein schmaler durchgehender Flur (Z*^. Neben demselben rechts
das Wohnzimmer (^i), und das Webezimmer (Z), beide durch einen grossi^o
Ofen (0) geheizt, der durch die Wand bis in die nach hinten gelegene Küche (AT)
reichte. Rechts ein für uns verschlossener Raum, so viel ich verstehen konnte,
1) Der Name Klet, Klät, Gndet sich durch Russland bis zur Wolga. Hr. Heikel (Di« G^
bände der Ceremissen, Mordwinen, Esten und Finnen. 8.99, 108) sieht darin, nicht blos hinacht-
lieh des Namens (vgl. Kleti inGotland), sondern auch wegen ihrer Form, germanischen BnlliiM.
(799)
Prischeningke genannt und für das weibliche Gesinde bestimmt. Das Haus hatte
ein Walmdach, aber zugleich einen Schornstein. Die Klete (Fig. 11 <?) war ein
länglicher Bau mit einer grossen offenen Vorlaube, zu der einige Stufen führten.
Hinter der Laube 4 kleinere Räume, wie Badezimmer, in denen Kleidungsstücke
und allerlei Hausrath aufgestapelt waren. In der Mitte eine Treppe zu dem
Bodenraum, der jetzt leer war, sonst zum Aufbewahren von Getreide dient.
c
-^ — m — w
m
m
Figur 11.
Hier haben wir also, gegenüber dem Fischerhause der Kuren, den Hof des
litauischen Ackerbauers und Viehzüchters. Eine Beziehung zu germanischen Typen
ist nur schwer aufzufinden, jedenfalls erst in Süddeutschland. Dagegen darf vielleicht
an das preussische (galindische) Haus von Alt-Wartenberg erinnert werden. Ein
principieller Gegensatz gegen das kurische Haus scheint mir nicht vorzuliegen.
Die Bildung des geschlossenen Hofes und die stärkere Ausgestaltung der Wohn-
(800)
räume entspricht dem Bedürfnisse des Agrariers, aber der Orandplan des Hanses
bewahrt eine unverkennbare Aehnlichkeit mit dem des kurischen Hauses, dessen
Einfachheit uns nicht in Erstaunen setzen darf. —
Mögen diese Bemerkungen Einiges dazu beitragen, das Verständniss des
äussersten Ostens unseres Vaterlandes den Landsleuten in Innerdeutschland einiger-
maassen zu erschliessen, und mögen sie den Sachkundigen in Preussen nicht zu
viel Gelegenheit zu kritischen Einwänden bieten 1 —
L Messangen an Helensem.
Lebende Helenser
1.
Daniel
Kunkel
h
82 Jahre
2.
Gottlieb
Walkows
3.
Daniel
Hallmann
Karl
Zach
5.
Heinrich
WalkowB
40 Jahre ' 33 Jahre ' 40 Jahre 34 Jahre
Grösste horizontale L&nge des Kopfes
„ Breite
Ohrhöhe
Stimbreite
Basilare Länge
Kopfumfang
Gesichtshöhe A
B
Gesichtsbreite a
b
OrbiU, Höhe .
n Breite
Nase, Höhe .
„ Länge .
, Breite .
„ Elevation
Körperhöhe
Längenbreitenindex
Ohrhöhenindez .
Gesichtsindez . .
Nasem'ndex . . ,
A. Maasse.
199
195
1 191
190
156
155
1 162
152
117
117
1 110
117
113
106
114
112
575
570
560
550
199
188
187
183
125
133
133
117
143
145
148
148
82
86
92
92
113
106
117
106
31
35
36
31
94
95
94
93
58
59
57 ,
54
56 1
55
53
58
33
33
35
37
28
26 i
22
20
1678
1733
«
1647
1702
B. Indic€
»s.
78,4 !
79,5
84,8 ;
80,0
58,8
60,0
57,5 '
61,6
87,4
91,6
89,8
79,0
56,8
t
62,7
1
61,4
68,5
1882
II. Messungen in Palninieken.
Lebende Litauer
und
Samländer
1.
2.
3.
Litauer
$ SS
25 Jahre 56 Jahre 45 Jahre
J4 Jahre 21 Jahre
Grösste horizontale L&nge
- Breite ....
A. Maasse.
181 189
144 p. I 156 p.
194
156 p.
187
186
I 155p. löOp.
(801)
Lobende Litauer
und
Samländer
Horizontal-UmfaDf? .
Stirnbreite. . . ,
Basilare L&nge . .
Gesichtsböhe A . .
B. ,
Gesichtsbreite a. .
Orbita, Höhe .
yy Breite
Nase, Höhe .
, L&nge .
, Breite .
„ Elevation
Körperhöhe
1.
2.
3.
4.
Litauer
25 Jahre
56 Jahre i 45 Jahre 44 Jahre
526
111
122
156
102
138
82
121
36
92
51
50
36
20
1708
B. Indices.
565
570
111
121
125
128
188
182
122
118
137
150
74
94
102
110
36
39
91
98
58
58
62(59)
54
39
40
22
25
1598
1700
559
113
121
191
126
149
83
116
33
87
56
55
37
21
1645
5.
Samländer
21 Jahre
L&ngenbreitenindex
Gesichtsindez. . .
Nasenindez . . .
79,5
82,5
80,4
82,9
73,9
89,0
78,6
84,5
70,5
67,2
68,9
66,0
m. HessuDgen in Nidden.
545
111
114
173
112
135
75
92
35
94
57
52
35
21
1690
80,6
82,9
61,4
Lebende Kuren
1.
s
60 Jahre
2.
46 Jahre
3.
$
46 Jahre
Grösste horiiontale Länge .
„ Breite
Ohrhöhe
Horizontal-Umfang. . . .
Stimbreite
Basilare Länge
Gesichtshöhe A
B
Gesichtsbreit« a
b
Orbita, Höhe .
Breite
A. Maasse.
108 I
168 p. i
123
588 I
113
13« ;
195 !
134
163
79
112
35
93
190
157 p.
116
565
105
128
188
122
147
89
108
38
90
183
149 p.
108
552
106
114
174
104
144
73
113
33
92
4.
S
67 Jahre
187
151p.
130
560
110
122
185
127
138
81
106
38
93
Verbandl. der Berl. Antbrop. Oetelljehaft 1891.
51
(802)
Lebende Kuren
Nase, Höhe . . .
„ Lange . . .
„ Breite . . .
„ £levation . .
Körperhöhe • .
L&ngenbreitenindex
Ohrhöhenindex . .
Gesichtsindex. • .
Nasenindex . . .
2.
s
46 Jahre
8.
$
46 J^ire
62
60
88
24
1787
61
69
86
24
1768
58
54
83
19
1565
IV. Messungen in Schwarzort«
4.
67 Jahr«
Lebende
Kuren
1.
Lanze-
ning
71J.
2.
Saküt
48 J.
3.
Tochter
von
Lanze-
ning
60 Jahre
4.
Schwest.
von
Saküt
$
46 Jahre
5.
Michel
Peleikis
67 Jahre
6.
WOh.
Lanze-
ning,
geb.
Pietsch,
89 Jahre
66
58
35
23
1581
• Indices.
84,8
82,6
81,4
80,7
62,1
61,0
59.0
M^
82,2
82,9
75,2
«,•
61,2
59,0
56,8
62^
7.
Anna
Peleikis
82 Jahre
Anna
Plkt-
schnss
17 Jahn
A. Maasse.
Gr. horizont. Länge
183
m
188
1 188
190
188
188
174
„ Breite ....
164
153
155
147
148
156
144
15S
Ohrhöhe . . .
117
114
118
111
111
112
107
119
Stimbreite. . .
539
560
560
542
550
560
587
645
Basilare L&nge .
102
103
100
106
108
109
105
106
Kopfamfang . ,
123
120
117
109
120
111
114
110
Gesichtshöhe A .
188
191
179
164
196
181
168
188
B ,
128
121
119
102
115
119
105
118
Gesichtsbreite a .
147
154
135
136
148
141
185
187
b,
77
88
75
76
86
82
78
81
c.
115
108
100
97
HO
111
98
103
Orbita, Höhe . .
33
37
30
88
87
85
82
30
„ Breite
93
95
85
86
95
96
89
90
Nase, Höhe . .
69
53
54
47
54
49
48
48
„ Lftnge . .
56
51
68
43
65
52
46
45
„ Breite . .
37
36
36
36
41
82
88
81
„ Elevation .
22
23
20
22
28
22
20
16
Körperhöhe
1672
1774
1520
1482
1661
l«47
1626
1569
(803)
Lebende
Kuren
Lftngenbreitenindez
Ohrhöhenindez . .
(^esichtsindex . .
Nasenindox . . .
1.
Lanze-
ning
2.
Saküt
71 J. I 48 J.
8.
Tochter
von
Lanie-
ning
$
50 Jahre
4. I 6.
I
Schwest Michel
von
Saküt ^«^^*^
46 Jahre 167 Jahre
6.
Wilh.
Lanze-
ning,
jreb.
Pietsch
2
39 Jahre
7.
Anna
Peleikis
$
32 Jahre
B. Indices.
84,1
7M
82,4
80,8
77,8
82,4
7M
68,9
5M
62,7
60,6
58,4
5t,5
S8,4
87,0
78,5
88,1
76,0
77,7
84,3
77,7
62,7
67,9
64,8
7M
75,t
65,8
68,7
8.
Anna
Pikt-
schuss
17 Jahre
87,9
•8,3
86,1
64,5
V. Messungen in Löbarten.
1.
2. 8.
4.
5. 6.
7.
a
¥ 1_ J
Krist
Ilsze
Martin
j Tlsze
Mare Junns i Siemis,
Ilsze
Ilsie
Alksnis,
geb.
Tia^ikis
Lebende
Lauk-
Jandi-
1
Schwest.
Litauer
Btins
kis
Orausdfs
Skrandis
Siemfs
von
Nr. 5
Schulkfs
i
S ' 5
$
s
?
i
?
52 J.
17 J. 27 Jahre
19 Jahre
88 Jahre
28 Jahre
29 Jahre 46 Jahre
A. Maasse.
Gr. horiiont. Länge
183
187
180
181
194
' 172
177
175
, Breite ....
155
154 p.
149
188
142
' 148
141
150
Ohrhöhe . . ,
118
HO
124
112
109
107
112
118
Stimbreite. • .
110
119
108
95
100
97
101
102
Badlare L&nge ,
114
94
118
111
122
115
111
HO
Kopfumfang . .
545
560
540
530
544
520
510?
585
Gesichtshöhe A .
184
181
174
172
180
174
182
160
B.
180
117
119
111
124
117
120
102
Gesichtsbreit« a ,
148
188
140
138
141
180
188
188
b,
92
88
97
87
81
87
85
79
c,
114
102
117
109
111
97
112
101
Orbita, Höhe . .
85
83
88
82
38
81
86
81
„ Breite
98
87
94
88
94
92
94
93
Nase, Höhe . .
eo
56
68
51
52
47
56
52
„ L&nge . ,
68
54
66
48
51
47
53
52
„ Breite . .
84
80
84
81
88
34
• 37
81
„ Elevation .
25
21
21
19
20
20
22
20
Körperhöhe .
1704
1616
1664 1
1604
1613
1511
1548
1585
B. h
idices.
L&ngenbreitenindez
84,7
82,4
82,8
76,2
78,2
83,1
79,7
85,7
Ohrhöhenindez . .
64,5
»8,8
•8,1
61,8
61,8
{•,1
68,3
64,6
Oesichtsindex . .
87,8
87,9
85,0
80,4
87,9
•0,0
86,9
73,9
Nasenindex . . .
W,f
53,ft
S8,i
•9,7
•1,5
7M
•0,0
*t,o
51*
(804)
VI. Messungen im Forst von Szernen.
Lebende Litauer
1.
Johns
Salomons
s
67 Jahre
2.
Martin
Lieliszkis
71 Jahre
3.
Adam
Baldnischat
56 Jahre
A. Maasse.
Grösste horizontale Länge des Kopfes ^ . . •
„ Breite
Ohrhöhe. .
Stimbreite
Basilare L&nge
Eopfumfang
Gesichtshöhe A
B
Gesichtsbreite a
b
Orbita, Höhe . .
„ Breite . .
Nase, Höhe . .
„ Länge . .
„ Breite . .
„ Elevation .
Körperhöhe .
Längenbreitenindcx
Ohrhöhenindex .
Gesichtsindez . .
Nasenindex . .
B. Indices.
172
142
106
101
111
509
180.
118
185
87
99
38
86
54
51
34
16
mittel
82,6
S8,t
87,4
178
155
117
96
116
530
174
117
143
87
106
35
93
52
54
37
24
gross
87,1
81,8
71,1
186
155
105
105
115
540
187
116
140
86
110
85
94
52
55
36
25
gross
83,3
S«,4
82,8
••,2
Vn. Litauer Schädel.
Schädel
Kinten Windenbnr;
1
von
Litauern
1.
2.
3.
4.
2
5.
6.
Kind
7.
Kind
2. , 8.
<5 ' ?
i
2
A. Haasse.
Capacität
Gr. horizont. Länge
„ Breite
Gerade Höhe . . .
Ohrhöhe
Hinterhauptslänge
Basilare Länge . .
Gesichtshöhe A .
—
—
1420
1380
1520
182 .
183 : 175 188
187
137 p.
142 1
145 p. 141t.
148 t
136
—
137
127
127
111 '
112 112
108
103
44
—
50 57
56
107
HO
99
104
107
1070
165
135 t
123
101
53
%
98
180
182 p.
127
106
51
104
r 1480 I — 1160 -
I 183 176 , 172 lö
153t' 145t ; 136t ISJ?
135
' 127
125
1 "
118
109
IflB
107
48
._
51
|W
1 112
107
104
106
r 117
107
94
m
(805)
Schädel
von
Litauern
1.
2.
K i n t e n
W
indenbnrg
8.
4.
5.
6.
7.
1.
2.
S.
4.
?
2
s
Kind
Kind
S
$
$
?
Gesichtsbreite a
b
c
Orbita, Höhe . .
„ Breite .
Nase, Höhe . . .
„ Breite . .
Gaumen, L&nge
Breite
—
—
80,5
80
40
40
54
52
25
28?
60
58
89
86
OpUtbo-
gnatb
Opittlio-
güatb
dent.
Progen.
Alt,
cahnloi.
belebte
Impresa.
baaiU
B. Indices.
Lftngenbreitenindex
Lftngenhöhenindex .
Ohrhöhenindex . . .
Hinterhauptsindex .
Gesichtsindex . . . .
Orbitalindex
Kasenindex
Gaumenindex . . . .
75,3
74,7
60,9
24,1
76,2
46,2
66,0
77,6
61,2
75,0
68,8?
62,0
82,9
75,0
79,1
81,8
73,3 !
83,6
82,4
78,5
74,9 67,6
67,9
74,5 70,5 73,8 ' 72,2
72,7
64,0
57,4 ; 56,0
61,2 ; 58,8
64,5
61,9
62,7
28,5
80,3 29,9 ; 32,1
28,3 ,
26,2
—
29,6
a^B
—
—
—
—
86,0
79,8
—
89,1
—
—
86,1
—
81,4 84,6
82,0
49,0
—
—
54,5?
1
41,8
45,0
46,8?
—
—
—
1
•—
—
—
81,5?
66,0
30,8
75,6?
(34) Eingegangene Schriften.
1. Andree, R., Geographische Wanderungen. Dresden 1859. (2 Thle. i. 1 Bd.)
2. Aretini, Leonardi, de hello Italico adversus Gothos gesto historia, nunc
primum edita. Parisiis 1534.
3. Barrius, Gabr., De antiquitate et situ Calabriae libri V. Romae 1737. Pol.
4. Brentano, E., Zur Lösung der Trojanischen Frage. Heilbronn 1881.
5. Bresciani, Ant., Dei costunii delF isola di Sardegna comparati cogli anti-
chissimi popoli orientali. Napoli 1850, 2 tom: 1 vol.
6. Brühl, Gust., Die Culturvölker Alt-Amerikas. Cincinnati 1875—87.
7. Brunner, Sebast., Ein eigenes Volk. Aus dem Venediger- und Longo-
bardenland. Wien 1859.
8. deBussiere, Th., L'empire mexicain. Histoire des Tolteques, des Chichi-
meques, des Azteques et de la conquete espagnole. Paris 1863.
9. Campomanes, Pedro Rodriguez, AntigÜedad maritima de la republica de
Curtago, con el periplo de su general Hannon. Madrid 1756.
10. C ha ff an Jon, J., L'Orenoque et le Caura. Paris 1889.
(806)
11. Charnay, Desir^, Le Mexique. Souvenirs et impressions de yoya^.
Paris 1863.
12. Cnriosites philologiques, geographiques et ethnologiques. Paris 1855.
13. y. Czoernig, Carl, Das Land Görz und Gradisca (Mit Einschluss von
Aquileja). Wien 1873.
14. Dali, W. H., Tribes of the extreme Northwest. Washington 1876, 4\
15. Ely, Talfourd, Manual of archaelogy. London 1890.
16. N. Federmann's und H. Stade's Reisen in Südamerica 1529 — 1555. Heraus-
gegeben V. Dr. R. Klüpfel. Stuttgart, Lit Verein, 1859.
17. Gaffarel, P., Les explorations frauQaises depuis 1870. Paris 1882.
18. de Ooeje, M. J., Hadhramaut. (Sep.-Abdr. Revue int coloniale).
19. Grotefend, G. F., Zur Geographie u. Geschichte t. Alt-Italien. I. Aelteste
Kunde v. Italien bis zur Römerherrschaft. Hannover 1840. 4^
20. Hakluyt, Rieh., The discovery of Muscovy with the voyages of Ohthere and
Wulfstan from king Alfred's Orosius. London 18^9.
21. Hampel, Jos., Magyarhoni regeszeti leletek repertoriuma. o 0. u. J., 4^
22. Haven, Sam., F., Archaeology of the United States, or sketches, historical
and bibliographical, of the progress of information and opinion respecting
vestiges of antiquity in the United States. Washington 1856, 4^ (Extr.
Smiths. Oontr.).
23. Kennan, G., Sibirien. Halle, o. J. 2 Thle. i. 1 Bde.
24. Roster, H., Voyages dans la partie septentrionale du Bresil, depuis 1809—1815.
Trad. d. l'angl. p. A. Jay. Paris 1818, 2 vols.
25. Lindenschmit, L., Die vaterländischen Alterthümer der Fürstlich Hohen»
zollerschen Sammlungen zu Sigmanngen. Mainz 1860, 4^
26. Lippert, Jul., Der Seelencult in seinen Beziehungen zur althebräischen
Religion. Berlin 1881.
27. Lyell, Gh., Reisen in Nordamerika mit Beobachtungen über die gcognostischon
Verhältnisse der Vereinigten Staaten, von Canada und Neu -Schottland.
Deutsch V. E. Th. Wolff. Halle 1846.
28. Markham, Clements R., A life of John Davis, the navigator, 1550 — 1605,
discoverer of Davis straits. London 1889.
29. Mayer, Brantz, Observations on mexican history and archaeology, with a
special notice of Zapotec remains, as delineated in Mr. J. G. Sawkins's
drawings of Mitla. Philadelphia 1856, 4^ (Extr. Smiths. Contr.)
30. Monnier, Marcel, Des Andes au Para. Equateur, Perou, Amazone. Paris
1890, 4».
31. Müller, F. Max, Ueber die Resultate der Sprachwissenschaft Strass-
bürg 1872.
32. Nielutsch, Fr., Amerikanische Nachrichten von Quito und den wilden
Indianern in Maragnon. o. 0., 1781.
33. Oppel, Alw., Der Tabak in dem Wirthschaftsleben und der Sittengeschichte
der Völker. Bremen 1890. — Der Reis. Bremen 1890.
34. Oppert, Gust., Der Presbyter Johannes in Sage und Geschichte. IL Aufl.
Berlin 1870.
35. de la Pena y Fernandez, Man., Manual de arqueologia prehistorica.
Sevilla 1890.
Nr. 1—35 Gesch. von Herrn C. Kttnne.
Sitzung vom 21. November 1891.
Vorsitzender Hr. Virchow.
(1) Hr. G. Pritsch hat sich durch Ueberhäufung mit anderweiten Geschäften
genöthigt gesehen, aus dem Ausschusse zu scheiden.
Der Vorsitzende spricht Hm. Pritsch warmen Dank aus fflr die viel-
jährigen, der Gesellschaft geleisteten Dienste und bedauert lebhaft, dass es nicht
gelungen ist, diesen Verlust abzuwenden.
Der Ausschuss hat an seine Stelle Hm. Olshausen cooptirt. Derselbe hat
die Wahl angenommen.
(2) Als neues Mitglied wird gemeldet Hr. Maler Professor Woldemar Priedrich
in Berlin.
(3) Das Mitglied der Pflegerschaft für das Märkische Provinzialmuseum, Hr.
Pastor emerit. Ragotzky, ein um die prähistorische Erforschung der Priegnitz
verdienter Mann, ist am 13. Juli gestorben.
(4) Präulein Elisabeth Lemke kündigt unter dem 9. Oktober ihre glückliche
Ankunft in New York an.
(5) Hr. F. Jagor hat vom Bord des Schiffes Carpenter zwischen Batavia und
Soerabaya unter dem 11. September Hm. W. Timm geschrieben, dass er von
Batavia aus 55 Photographieen als Geburtstagsgeschenk für Hm. Virchow ab-
gesendet habe. Dieselben sind noch nicht eingetroffen.
Nach einem späteren Briefe aus Soerabaya vom 25. September berichtet Hr.
Jagor, dass er im Auftrage des Dr. Pleitner in Fort de Rock 3 Schädel (je einen
Batak, Javanesen und Maduresen) für Hm. Virchow abgesandt habe. In der-
selben Kiste befinde sich eine von Hm. Oberingenieur Yzerman in Padang
aulgenommene Photographie buddhistischer Ruinen, die er in Sumatra entdeckt
hat. Zwei, in dem Archiv von Batavia aufbewahrte ^Aktenstücke der Termiten^,
welche Hr. van der Chijs dem Vorsitzenden zur Verfügung sM\t, sollen
später nachfolgen. ^Morgen^, schreibt Dr. Jagor, ^fahre ich nach Makassar^;
vielleicht werde er von da nach den Molucken gehen. Jedenfalls gedenke er den
Beginn der kühleren Jahreszeit noch im Archipel abzuwarten.
(6) Hr. Priedrich Hirth, z. Z. kaiserlich chinesischer Zollinspektor auf
Formosa, übersendet, mit einem Briefe an den Vorsitzenden aus Tamsui, 10. Sep-
tember, einen schon vom 27. März datirten Bericht über
(808)
Alte chinesische MetaUspiegel.
So eben habe ich mit grossem Interesse Ihren Bericht über Gräberfunde am
Nordabhang des Kaukasus gelesen. Ich bedauere ausserordentlich, dass ich mir
dieselben nicht vor meiner Abreise angesehen habe; denn, wenn auch der grösste
Theil dieser Sachen einer meinem Fache gänzlich fremden Cultursphäre angehört,
so besteht doch zwischen den historischen (im Gegensatz zu den prähistorischen)
Bewohnern gerade jener Gegend und China ein sich über viele Jahrhunderte er-
streckendes Verhältniss, wie es sich für wenige Völker Westasiens oder gar
Europas im Alterthum oder frühen Mittelalter nachweisen lässt. Was mich unter
Ihren Funden auf den ersten Blick fesselte, ist der Metallspiegel, Figur 57 auf
S. 449 der Verhandlungen (Sitzung vom 19. Juli 1890). Ich bin sehr geneigt
dieses Stück auf die blosse Beschreibung und Ihre Abbildung hin als ein Prodact
chinesischen Kunstfleisses in Anspruch zu nehmen. Ich habe selbst zahlreiche
derartige Metallspiegel gesehen, auf deren Rückseite die einfachsten, sowie die
kunstvollsten Muster vertreten waren (vgl. einige Abbildungen berühmter Mieter
des Alterthums in Bd. I meiner ^Chines. Studien**). Ich habe in meiner Wohnung
einige kleinere Stücke dieser Art zurückgelassen, sowie einen Spiegel grösseren
Durchmessers, der s. Z. als Wandschmuck in meinem Esszimmer diente. Wenn
ich nicht irre, habe ich auch im Museum für Völkerkunde einige kleinere Exem-
plare gesehen. Ihre Beschreibung auf S. 449 ist für die chinesischen Spiegel
sehr charakteristisch, die ausnahmslos auf der Rückseite den an der Basis durch-
bohrten Knopf (letzterer in den besseren Stücken oft ornamental verwendet)
zeigen. Durch den Knopf wird eine seidene Schnur gezogen, die bei den chine-
sischen Spiegeln als Handhabe diente, während sonst Metallspiegel (z. B. die
japanischen) mit einem besonderen Griff versehen sind. Auch Figur 72 auf S. 466
hat einen besonderen Griff, eine Form, die ich in China nie gesehen habe, weshalb
ich gern wissen möchte, ob die Zusammensetzung, Art der Bearbeitung, u s. w..
nicht auf einen verschiedenen Ursprung deuten. Metallspiegel sind in China
uralten Datums, doch scheint kunstvollere Bearbeitung erst aus den Zeiten der
Dynastie Han (etwa zwei Jahrhunderte vor und nach Chr.) zu stammen. Die
gesammte Literatur über diesen Gegenstand findet sich in der grossen Encyklo-
pädie T'u-shu-chi-ch'eng zusanimengestellt, wovon aus meiner Sammlung ein
vollständiges Exemplar in den Besitz der Königlichen Bibliothek ttbeiigegangen ist,
und zwar in den Kapiteln 225 — 228 der 32. Abtheilung, wo Sie zahlreiche Ab-
bildungen aus der Dynastie Han und Tang (d. i. bis in's 10. Jahrh. nach Chr.)
finden. Besonders gute Illustrationen finden sich in dem alten Druckwerke vom
Jahre 1312, das ich s. Z. ebenfalls der Königlichen Bibliothek hinterlassen habe.
Spiegel wurden schon im Alterthum aus Kupfer, Blei und Zinn (d. L Bronze),
sowie aus Eisen verfertigt. Ueber die Verhältnisse der Bronze habe ich nichts
finden können, ausser an einer Stelle, wo von Kupfer und Zinn zu gleichen
Theilen die Rede ist. Für das Alter lässt sich wohl aus dem Aeusseren Ihrer
Figur 57 nichts feststellen; man müsste denn aus der Beschaffenheit der Spiegel-
fläche einen vielleicht etwas gewagten Schluss ziehen. Es findet sich nämlich im
Meng-chi-pi-t'an, einem Werke des 11. Jahrhtmderts, in dessen Aechthdt ich das
grösste Vertrauen setze, eine Stelle, wonach die Spiegelfläche bei kleinen Spiegeln
convex, bei grossen flach war, und zwar aus dem Grunde, dass der Spiegel dsxa
bestimmt war, nicht mehr und nicht weniger als ein menschliches Gesicht in sich
aufzunehmen, was bei kleineren Geräthen nur durch den convexen Schliff er*
reicht werden konnte. Der Autor des 11. Jahrhunderts sagt jedoch ausdrücklich«
dass dies die Kunst der Alten gewesen sei, und betrachtet den kunstvollen Schliff
(809)
als einen Beweis für hohes Alter. Es geht aus dieser Stelle deutlich genug
hervor, dass das Geheimniss des Convex-Schleifens im 11. Jahrhundert verloren
gegangen war*); ob es aber seitdem nicht wieder entdeckt worden ist, kann ich
der jetzt vorliegenden Literatur nicht entnehmen. Da Ihr Spiegel (Fig. 57) zu den
kleineren gehört, so wäre es immerhin interessant die Form der Fläche fest-
zustellen.
Dass sich chinesische Geräthe unter Ihren Grabfunden befinden, ist — wie
schon angedeutet — nicht zu verwundem. Die Alanen, die zum Theil den Nord-
abhang des Kaukasus bewohnten, waren frühzeitig mit den Chinesen bekannt ge-
worden Sie werden zuerst in den Annalen der älteren Han-Dynastie, Han-shu
(20G vor Chr. bis 9 nach Chr.) erwähnt und beschrieben, und zwar als im Nord-
osten von K*ang-chü (Sogdiana) wohnend, eine Armee von 100 000 Bogenschützen
besitzend, im Uebrigen den Sogdianern gleichend. Das an dieser Stelle An-
ts'ai genannte Volk wohnt an den Ufern des ta-tse, d. h. ^grossen See's**. Es ist
zweifelhaft, ob damit der Aral-See oder das Raspische Meer gemeint ist; da es
im Texte heisst: „der grosse See hat keine Ufer (oder Grenzen) und bedeckt das
nördliche Meer**, so dürfte an das letztere zu denken sein. Ich habe (China and
the Roman Orient, p. 139, Anm.) das chinesische An-ts*ai, auf linguistische
Analogien gestützt, mit den Aorsi des Strabo in Zusammenhang gebracht^). In
den Annalen der späteren Han-Dynastie (Hou-han-shu), die sich auf die ersten
Jahrhunderte nach Chr. beziehen, findet sich folgender Passus: „Das Land
An-ts*ai, nach verändertem Namen A-lan-na, ist ein bewohntes Land mit Städten,
zu K*ang-chü (Sogdiana) gehörig, mit warmem Klima, vielen Cheng- (Ligustrum?)
und Sung- (Pinus) Bäumen und Pai-ts*ao (Weidegrab? Steppen?)."*
Auf die Mitte des 3. Jahrhunderts bezieht sich eine Ste'le, die sich im Com-
mentar der Annalen des Staates Wei, eines der „drei Staaten**, in die zu jener
Zeit China getheilt wurde, beziehen: „Das Land An-ts'ai, auch A-lan genannt,
gleicht K*ang-chü (Sogdiana), was Sitten und Gebräuche anbelangt; es grenzt im
Westen an Ta-ts'in (die römischen Ostprovinzen), im Osten und Süden an K*ang-
chü. Das Land besitzt viel namhafte Zobel; seine Heerden werden auf die Weide
getrieben (d. h. es wird von Nomaden bewohnt); es liegt an den Ufern des
„Grossen See's (ta-tse), weshalb es früher zu K'ang-chü gehörte; jetzt gehört es
nicht mehr dazu')**. —
Der Vorsitzende spricht seine grosse Freude über die in hohem Maasse
wichtige Mittheilung aus und erinnert daran, dass über dieselben Spiegel Hr.
Karl Schumacher (Zeitschr. f. Ethnologie 1891 S. 81) eine Abhandlung publicirt
hat, in welcher er aus ganz anderen Gründen in Ehiropa gefundene und der Tene-
Cultur angehörige Geräthe vom Schwarzen- Meere herleitet. Es wird jetzt eine
Aufgabe der weiteren Forschung sein müssen, zu ermitteln, ob hier in der That
eine Anknüpfung an altchinesische Einflüsse angenommen werden darf. —
In seinem Briefe vom 10. September schreibt Hr. Hirth über seine persön-
lichen Verhältnisse:
1) Vgl. meine „Chines. Studien«, Bd. I, 8. 273.
2) V. Gutschmid, Geschichte Irans, S. 69, ist unabhängig, wenn auch drei Jahre
nach mir, vom römisch-griechischen Standpunkte zu demselben Resultate, gekonunen.
8) üeber die Alanen im Mittelalter und ihre intimen Beziehungen zu China, s. Jule,
Cathay and the way thither (passim, s. Index).
(810)
^Ich arbeite täglich an meiner Uebersetzong und Erklärung des Chao Ja«kaa,
eines Schriftstellers, der, obgleich bisher völlig unbekannt» über die Handelsver-
hältnisse seiner Zeit (etwa 1210 nach Chr.) ungemein viel mehr Licht verbreitet,
als z. B. Marco Polo. Leider bin ich hier auf die wenigen Bücher angewiesen,
die man bei solchem Wanderleben, wie das meinige ist, mit sich führen kann,
und in Tamsui lebt keine Seele, mit der ein Gedankenaustausch über diesen
Gegenstand möglich wäre. Im Uebrigen befinde ich mich wohl. Vom Fieber bin
ich seit letztem October verschont geblieben. Ich habe seitdem mancherlei zur
Verbesserung des Gesundheitszustandes hier gethan. Das Schlafen in einstöckigen
Häusern schien mir ein Hauptgrund der vielen Fieberanfalle unter unseren Be-
amten zu sein; ich habe daher, da das Erbauen einer Anzahl hoher Häuser zu viel
Capital verschlingen würde, hinter jeder Wohnung einen auf 13 Fus& hohen Pfeilern
stehenden Schlairaum bauen lassen, der von allen Seiten dem Luftzüge aus-
gesetzt ist und von unten nicht den geringsten Zusammenhang mit dem Erdboden
hat, somit die beste Schlafstelle bietet, die man sich in einer mit Malaria be-
hafteten Gegend wünschen kann. Sodann habe ich den Gouverneur veranlasst,
mir ein fünf Acker grosses Reisfeld zu überlassen, das mit seinem stagnirenden
Gewässer und der scheusslichen chinesischen Düngermethode unserem Frieden
sehi' im Wege war. Dies und eine Anzahl anderer hygieinischer Verbesserungen
scheinen schon in diesem Sommer eine günstige Wirkung ausgeübt zu haben.
Doch weiss man in solchen Fällen nie, wie viel man dem Himmel schuldig ist
Immerhin aber glaube ich, dass selbst in den ungesundesten Ländern sehr viel
von der Beschaffenheit der allernächsten Umgebung abhängt Viel werth ist es
auch, dass wir in diesem Sommer Eis hatten und ein russischer Schlächter uns
ab und zu ein Rindvieh schlachtete. Mancher wird hier krank, weil er die Lust
am Essen verliert. Vier Monate jeden Tag ein gewöhnliches Haushuhn, nicht
einmal perdrix, ist geradezu Gift, und ein gelegentliches Beefsteak Medicin."^
„Die Wilden von Formosa sind ein liebenswürdiges Naturvolk, nur den
Chinesen, ihren Verfolgern, gram, durchaus nicht tms Europäern. • Viel zäher, als
andere wilde Stämme, müssen sie schon sein; sonst hätten sie den Kampf mit den
chinesischen Culturelementen nicht mehrere Jahrhunderte aushalten können. Sie
halten zähe an ihren hergebrachten Sitten fest Während in der Nähe von Tamsui,
wie an der ganzen Westküste der Insel bis auf 20 bis 30 Meilen in's Innere, das
Leben der Bevölkenmg sich kaum von dem der Chinesen des Continents unter-
scheidet, lebt der Wilde wenige Meilen hinter der Verkehrsgrenze noch genau,
wie er vor 200 Jahren lebte; ja fast noch weniger von der Cultur ergriffen, als
damals, da ich aus alten Schilderungen schliesse, dass die Ureinwohner sich im
Anfange des 17. Jahrhunderts von den Holländern, die damals in Formosa ansässig
waren, mehr beeinflussen Hessen, als jetzt von den Chinesen. Freilich wirkte dort
Uebcrredung, hier Gewalt*' —
(7) Der Druck der Sitzungsberichte hat durch den Setzer-Strike eine
vollständige, höchst unliebsame Unterbrechung erlitten.
(8) Hr. W. Joe st wird sich während des Winters nach Aegypten begeben
und gedenkt bis zu den zweiten Katarakten vorzudringen.
(9) Hr. W. ßelck ist nach einer Miitheilung an den Vorsitzenden ans Kars,
7. Novbr., glücklich aus der Türkei, von den Umgebungen des Wan-Sees, larOck*
1
(811)
gekehrt, wo er 15 — 20 neue Keilinschriften aufgefunden hat. Er hoffe gegen
Weihnachten in Berlin einzutrefTen.
(10) Das correspondirende Mitglied, Hr. v. Ihering berichtet in einem Briefe
an den Vorsitzenden aus Rio Grande do Sul vom 13. October über seine
amerikanistischen Studien, die sich neuerlich auch über die Nachbargebiete,
namentlich nach La Plata, erstreckt haben. Er hält es für möglich, dass die
grossen Ruinenstädte im Nordwesten von Argentinien nicht von Galchaquis stammen,
sondern von einem ihnen vorausgehenden Culturelement. Was den prähistorischen
Menschen der Fampas betrifft, so bemerkt Hr. y. Ihering, dass die Pampas nicht,
wie man bisher angenommen hat, pleisthocän sind, sondern als pliocän betrachtet
werden müssen, da in Nordamerica zahlreiche Säugethiere der Pampasformation
in unzweifelhaft pliocänen und von oberpliocänem marinem Sande überlagerten
Schichten nachgewiesen sind. Nirgends aber seien so zahlreiche Spuren des plio-
cänen Menschen aufgefunden, als in Argentinien. Die Annahme des Hm. A m eg h i n o ,
dass solche Spuren (Heerdreste) auch miocän vorkämen, hält er für zweifelhaft.
Schliesslich schreibt er Folgendes über
•
präcolumbisches Tabakrauchen und Caximbos.
^Die schwierigste Frage für Rio Grande sind die Pfeifenköpfe. Wurde schon
präcolumbisch geraucht? und was? Ein Indianerwort für Tabak haben die Tupi-
Guarani-Sprachen (pytym), auch für Schnupftabak, aber vergebens suche ich nach
einem solchen für Pfeifenkopf, denn caximbo, das übliche Wort, ist portugiesisch.
Auch Philippi wunderte sich, in Chile bei den Araucanern für Pfeifenkopf nur
das Wort caximbo anzutreffen. Wenn ich einmal etwas rascher mit einer gewagten
Hypothese bei der Hand sein dürfte, als es sonst meiner Neigung entspricht, so
möchte ich sagen: Tabak ist in Südamerika präcolumbisch nicht geraucht worden,
wenigstens nicht im Süden. Erst die Portugiesen und Spanier verbreiteten von
Nordamerica u. s. w. her die Sitte und damit auch das Wort Wo ist der Ursprung
des Wortes caximbo? Dann wären die Pfeifenköpfe als postcol umbische Leit-
fossile enorm wichtig. Es ist mir in der That nicht eine einzige Notiz bekannt,
dass in alten Sambaquys ein Caximbo gefunden wäre. Könnten Sie nicht Jemand
veranlassen zu einem Vortrag über Alter und Verbreitung des Tabakgenusses und
des Rauchens mit Abbildung der ältesten Formen von Caximbos der Portugiesen
und Spanier, um der Urform des Caximbo und seiner Herkunft auf die Spur zu
kommen? Eine solche Arbeit würde uns hier in Südamerica eher in die Lage
bringen, unsere Kenntnisse und Studien nutzbringend zu gestalten."^ —
Hr. Bartels theilt mit, dass Heinrich Ploss in Leipzig eine umfassende
ethnographische Monographie über den Tabak vorbereitet habe, dass er aber vor
der Herausgabe von dem Tode ereilt sei. Dieses wichtige Material, welches
sich in der Verwahrung des Verlagsbuchhändlers Hm. C. Fern au in Leipzig be-
findet, harrt noch eines Bearbeiters und der Herausgabe. —
(11) Bald nach der brasilianischen Revolution und nach dem Tode des Hm.
V. Kose ritz ist die von ihm gegründete „Deutsche Zeitung für Rio Grande do SuP,
wie eine Nummer derselben vom 16. September aus Porto Alegre meldet, in die
Redaktion des Hrn. Karl Bolle übergegangen. Derselbe verspricht, in gleichem
Sinne, wie der Verstorbene, für die Interessen des Deutschthums in Brasilien zu
kämpfen.
(812)
(12) Zufolge einer dem Vorsitzenden eingesendeten Postkarte lebt za Agua
manza, 3800' hoch im Thale von Orotava auf Tenerife, eine weibliche Hikro-
cephale. Der Schreiber, Hr. Joh. Habel aus Berlin, berichtet darüber, sie sei
nachweislich 32 Jahre alt, gesund, doch zum Gehen nicht fähig. Kopfigfrösse, wie
die eines neugeborenen Kindes. Hinterkopf fehlt. Sie ass mit Hast die ihr ge-
gebenen Biscuits. Ehedem warf sie das Essen über die Schulter und musste ge-
füttert werden. Gesammthabitus, wie der des Mikrocephalen, den er 1875 in Berlin
sah. Die Mutter stürzte im zweiten Monat der Schwangerschaft in einen Barranco,
erholte sich aber von ihrem Schreck. Eltern normal, desgl. die Geschwister.
(13) Zu Bremen wird ein neues Handelsmuseum mit grossen Privatmitteln
gegründet. Gleichzeitig gedenkt der Senat für die naturwissenschaftlichen und
ethnographischen Sammlungen des Staates ein Museum zu bauen und dieses mit
dem Handelsmuseum zu einem grossartigen Doppelmuseum zu verbinden.
(14) Hr. F. A. Brockhaus in Leipzig übersendet mit Schreiben vom 19. Nor.
im Auftrage der Frau Schliemann die in seinem Verlage erschienene Biographie
von Heinrich Schliemann. Dieselbe enthält die von dem Verstorbenen selbst
geschriebene und zuerst in seinem Ilios veröffentlichte Selbstbiographie, sowie einen
bis zu seinem Tode fortgeführten Nachtrag von Dr. Brückner, der ihm in der
letzten Zeit näher getreten und auch noch bei den Ausgrabungen auf Hissarlik
anwesend war. Das an sich so interessante Lebensbild des merkwürdigen Mannes
stellt sich so als ein geschlossenes Ganzes dar. —
(15) Dr. Henry Apple ton von London berichtet in folgendem Briefe an den
Vorsitzenden aus Constantinopel vom 3. November über eine
archaische
Topfscherbe ans der zweiten trojanischen Stadt.
„I have been requested byMr.
Calvert of Ghanak Ralessi near
to Troy, to communicate to you the
discovery of a piece of pottery
found on the site of Troy, haring
a drawing upon it of a warrior
slaying a lion. The pottery ia
band polished, and presumably
from the first and most ancient
city, it is apparently part of a plate,
for at the back of my dtetch
you will See the flat circular
base upon its under surface : the
drawing being on the inside of
the plate.
„The specimen was unearthed
by myself and was covered wtth
bumt ash, buried in seil which
had not been disturbed dnring
the excavations. I did not dis-
cover any other portiont of (he
plate, partly because I did not
make a vigorous search, as the
(813)
black ash obscur^d tbe marks, and I did not make out the wholc drawing.
It is extremely difficult to determine the exact spot where the pottery was found
buried. I am inclined to think from my own observations at the time, and from
reference to Dr. Schliemann's plan of the city since, that the place was within
the walls of the city and not far from Priams palace.
„The drawing I bave enclosed is an exact copy of the original, with the
exception of the lions paws which are rather too small.
„Yoa are at liberty to make any use you like of this communication, and I
shoold like to hear yoar opinion of this very ancient work of ari I may mention
that Mr. Galvert was mach interested in the specimen, and considered that
Dr. Schliemann with all his excavations failed to discover anything approaching
to the workmanship of this drawing.^ —
Hr. Yirchow: Der Fmid des Dr. Appleton ist höchst merkwürdig und ich
bin ihm sehr dankbar für seine Mittheilung. In der That ist meines Wissens an
keiner Stelle in Hissarlik ein ähnliches Sttick gefunden worden. Die Zeichnung
hat in hohem Maasse den Charakter einer archaischen Darstellung und zwar einer
in orientalischer Auffassung durchgeführten ^). Unter den bisher bekannten trojani-
schen Stücken von bemalten Thongefussen sind eigentlich nur diejenigen heran-
zuziehen, welche Schliemann bei seiner letzten Ausgrabung auf Hissarlik zu
Tage förderte und geradezu als mykenische bezeichnete (Bericht über die Aus-
grabungen in Troja im Jahre 1890. Leipzig 1891. S. 18, Taf. I u. H;. Allein
diese Topfscherben fanden sich in der 4. Culturschicht, von oben her gerechnet
(Verhandl. 1890, S. 350 u. 468), und darunter rechnete er noch 3 prähistorische
Schichten, ehe man zu der „gebrannten^ oder zweiten Stadt, der eigentlichen Ilios,
kam. Die Annahme des Dr. Appleton, dass das Stück aus der ersten und ältesten
Stadt herstamme, würde damit ganz unvereinbar sein. Auch ist aus dieser Stadt
nicht ein einziges Stück bekannt, welches auch nur entfernt mit dem vorliegenden
zu vei^leichen wäre. Es ist daher ein Irrthum wohl um so mehr anzunehmen,
als Mr. Appleton selbst in Verlegenheit war, die Lage des Platzes, wo er das
Stück fand, genau zu bestimmen. Wenn er geneigt ist, den Platz innerhalb der
Mauer der Stadt und nicht weit von dem Palast des Phamos zu suchen, so darf
man wohl vermuthen, dass er die gebrannte Stadt als die älteste genommen hat.
Aber auch hier sind derartige Stücke bisher nicht zu Tage gekommen. In Mykenae
giebt es freilich auch nicht viel direkt Vergleichbares. Ein einziges Bruchstück
eines grösseren Gefasses (Mycenes. Paris 1879, p. 211, Fig. 213) zeigt eine Reihe
von Kriegern, welche dem Style nach vielleicht in Betracht kommen können, aber
sie sind im vollen Waffenschmuck dargestellt und die Helme, die sie tragen, bieten
nicht die mindeste Aehnlichkeit mit der einfachen Kappe des Mannes dar, welcher
den Löwen angreift. Höchstens Hesse sich das einfache, eng anliegende und ganz
kurze Gewand mit der Bekleidung der mykenischen Krieger in Parallele stellen.
Den trojanischen Mann einen Krieger zu nennen, würde an sich sehr gewagt sein;
wenn man ihn als Herakles auffassen wollte, so Hesse sich daftir Manches
sagen. Indess Alles das geht weit hinaus über das, was die zweite Stadt an
Malerei aufzuweisen hat, und jeder Versuch, das fragHche Stück hier einzureihen,
scheint mir hoffnungslos zu sein. So möchte ich mich allerdings dem Gedanken
zuwenden, dass das Stück einer weit höheren, also jüngeren Schicht angehörte, und
wenn ich auch nicht daran zweifeln will, dass Mr. Appleton es aus einer noch
l) Vgl. Menant Rech, sur la glyptique Orientale I. p. 67, 86. U. p. 76, PI. IX. fig. 3 et 9.
(814)
ungerührten Schicht hervot^zogen hat, so erscheint es doch nicht ausgeschiosseo,
dass diese Schicht bei ihrer Bildung durch das Herabgleiten oder durch das Weg-
räumen einer höheren Schicht entstanden ist. Aber auch so bildet es einen sehr
werthvollen Zuwachs der trojanischen Alterthümer, der bei einer kritischen Sonde-
rung der einzelnen Funde stets ein besonderes Interesse darbieten wird. —
(16) Hr. J. Szombathy übersendet in einem Briefe an den Vorsitzenden aus
Wien, 16. November, folgende Mittheilung über
Bronzeringe mit Knöpfen und Thierköpfen aus Böhmen und Ung^am.
^Sie waren so freundlich, mir in diesem Sommer gelegentlich meines Besuches
die Abbildungen des eigenthümlichen Ringes zu zeigen, welche Hr. v. Pellen-
berg Ihnen eingesendet hatte. Erlauben Sie mir, dass ich im Anschlüsse an die
in der Junisitzung der Anthropologischen Gesellschaft von Ihnen namhaft ge-
machten Beispiele noch jene Stücke ähnlichen Charakters anführe, welche sich
im K. K. Hof-Museum in Wien befinden.
Unter den La Tene-Funden vom Hradischte bei Stradonitz in Böhmen,
von welchen wir eine der ansehnlichsten Sammlungen besitzen, befinden sich drei
einschlägige Ringe, deren naturgrosse Abbildungen ich mir beizulegen erlaube.
Der erste (Nr. 5011, Fig. 1) ist ganz fein gekerbt und trägt nur auf seiner
äusseren Peripherie Ansätze: 3 einfache Wärzchen und 3 Stierköpfe, deren Hora-
enden mit je 3 Rnöpfchen verziert sind. Die Stierköpfchen sind nicht so deutlich
ausgebildet, wie an dem Ringe vom Zihlkanal oder an jenen im Wiesbadener
und Mainzer Museum, sondern nur stumpf kegelförmig, ohne Andeutung der Augen.
Auf Widderköpfe zurückgehend, aber sehr schleuderisch geformt sind die
Ansätze, welche an dem Bruchstücke des zweiten Ringes (Fig. 2, Nr. 5013) auf-
sitzen. Die in drei Reihen zwischen den grösseren Ansätzen angebrachten Warzen
sind nicht regelmässig ausgeführt, so dass sie an zwei Stellen den stielnmden
Ring ganz frei lassen. Uebrigens ist das Stück stark gequetscht worden.
Der dritte Ring (Fig. 3) ist blos mit drei dichten Reihen von Warzen besetei
Er ist nicht ausgearbeitet und zeigt an seinem Innenrande noch einen grösseren
und drei unscheinbar kleine gusszapfenähnliche Ansätze.
Auch ein viertes Stück möchte ich nicht unterdrücken, das Bruchstück eine«
ganz roh und blos halbseitig gegossenen Ringes mit zwei Ansätzen, deren einer
entfernt an ein Vogelfigürchen gemahnt (Fig. 4).
Da auf dem Stradonitzer Hradischte im G^egensatze zu den meisten anderen
Burgbergen Böhmens kaum nennenswerthe Spuren einer Besiedelung vor der
Mittel-La Tene-Stufe, hingegen eine so grosse Fülle von Funden aus der La Tfene- und
der römischen Zeit zu Tage gefördert worden sind, so ist die Zutiieilung dieser
Ringe zur La Tene-Periode kaum in Zweifel zu ziehen.
Einen fünften Ring, (Fig. 5), mit 8 Gruppen von je drei Warzen, haben wir
kürzlich mit einer Sammlung aus dem Trentschiner Comitat in Oberungam, in
welcher sich auch mehrere Mittel- und Spät-La Tene-Fibeln befanden, erworben.
In Bezug auf den von Ihnen festgehaltenen Gedanken, dass es sich um süd-
liche Importe handelt, welche vorzugsweise der Hallstattzeit angehören, will ich
constatiren, dass Ringe von 2 bis b cm Durchmesser, mit 3 bis 10 Warzen in
einer Reihe am Umfange, in den Gräbern von Hallstatt, Watsch, St Maigaretben,
St. Lucia u. s. w., vorkommen, häufig mit einer schmalen Bronzeblechschleife am
Ende eines Riemens befestigt, zum Einhaken des am anderen Riemenende befest^ien
Gürtelhakens. Von Hallstatt^ und von Frozor in Kroatien besitzt unsere Sammlung
1) V. Sacken, Grabfold von HaUstatt, Taf. XVIII, 20.
(815)
Stich flach gcf^wenc Kinge, welche durch die besondere Verlängerung; der Warzen
ein Btera ähnliches Ansehen gewannen. Endlich besitzen wir von Halistatt und
Ton Watsch solche Ringe mit gröaserem Durchmeaser, an welchen statt der
Wareon kleine Oehro zum Einfädeln tou Keltchen, Bändchen oder dgl. ange-
bracht sind. Aber immer beschränken sich diese Zuthaten anf die eine peri-
pherische Reihe. Die Ringe, welche Sie (Verhandl. 1691, 8- 491, Fig. 4 und
Pig. 6) abbilden, bin ich geneigt, der Hallstattperiode zuzuzählen, wenigstens
den kleineren, Fig. 4.
Figur 1.
Figur 2.
Was die Ansätze von Thierköpren und dgl. am Ringe anbelangt, so darf ich
in Ihrem Sinne woh) anf Hallstätter Vorkommnisse weisen, nehmlich auT jene
Zierringe, an welche heraldisch gepaarte Köpfe entweder fcstgegossen oder be-
weglich aufgesetzt siod. Erstere Art (Sacken, Taf. XII, 11) ist durch 4, letztere
(Sacken, XII, 13) durch 2 sehr gut erhaltene StUcke rcrtreten, von den durch
Feuersmacht unkenntlich gemachten zu schweigen. Aber auch diese Zuthaten
(816)
sind nur in der Ebene des Ringes angebracht, niemals seitlich, ausserhalb der-
selben; meines Wissens auch nicht mehr als ein Paar.
Es ist kein Zweifel, dass die Apsätze von Stierkopf-, Widderkopf- und Vogel-
Figürchen an den von Ihnen aufgezeigten Ringen ihre Vorläufer unter den be-
kaimten Fundstttcken der Hallstattperiode haben, sowie die meisten Typen der
La Tene-Arm- und Halsringe ihren wirklichen Ursprung in Typen der HaUstatt-
periode zu haben scheinen. Für diesen Aufputz mit ThierfigiLrchen, und besonders
mit den heraldisch gepaarten, liegt jedoch der Ursprung nicht in der Hallstatt-
cultur, sondern sicher in den yielberufenen, orientalischen Einflüssen, deren Weg
nicht immer klar vor uns liegt. Zunächst pflegt ja unsere Hand da auf den
etruskischen Einfluss zu greifen, nicht immer mit vollem Recht, aber doch meist
mit dem Erfolge guter Belehrung.
Wenn wir nun auch aus italienischen und ausseritalischen Funden, welche im
Allgemeinen der Hallstatt-Zeit zuzurechnen sind, eine ganze Schaar von Anklängen
an den Ring aus dem Zihlkanal und seine nächsten Verwandten anführen können,
so stimmt doch bei keinem einzigen dieser älteren Beispiele die Totalität und —
wenn man so sagen darf — die Art, wie das Ornament auf dem Ringe aufsitzt,
genügend mit den Hauptstücken überein.
Wie sehr man bei diesen Vergleichungen, welche sich auf den Nachbar-
gebieten des „Hallstattien" bewegen, auf die Einzelheit achten und sich vor einer
Verallgemeinerung derselben hüten muss, lässt sich sehr hübsch an der (VerhandL
S. 493) milgetheilten Bemerkung Tischlers, „derartige Kugeln, welche an den
Enden der Hörner des Porter Ringes sitzen, seien nur von Tene-Funden bekannt*',
zeigen. Diese Bemerkung darf — wenn wir ihr speciell in Bezug auf Ruh-
hörner achtungsvoll zustimmen — nicht auf Hörner oder Hörnchen überhaupt aus-
gedehnt werden, denn an verschiedenen Hallstättischen Fundgegenständen aus den
Ostalpcn und aus Italien sind bekanntlich Hörnchen mit Endknöpfen (besonders
zu 1, 2 und 3 Paaren an den Schlangenfibeln) sehr häufig.
Fasse ich das Totalbild des Porter Ringes ins Auge, so muss ich wohl aach
sagen, dass mir die vorliegende Anwendung von Warzen und Thiermotiven zur
Schmückung eines stielrunden Ringes aus früheren Perioden nicht bekannt ist und
mir nur in die La Tene-Periode zu passen scheint
Ich meine, dass bei den fraglichen Ringen die thierförmigen Ansätze nur die
letzte Ausbildung in einer Reihe von Verzierungsmotiven darstellen, welche etwa
mit einigen Ringen aus dem Museum von Wiesbaden (Lindenschmit, Alterth.
uns. heidn. Vorzeit, Bd. I, IX, I, 2) und von Waldalgesheim (Lindenschmit,
III, I, I, 2) beginnt und sich durch die Ringe vom Hradischte bei Stradonitx
(unsere Fig. 3), von Trentschin (unsere Fig. 5), von Göttersdorf (Museum
Landshut, Lindenschmit II, V, I, 2 und 3), von Ilvesheim (Lindenschmit
Sohn, Das röm. germ. Central-Mus., XXXI, 12) fortsetzt Dieses letztere Stück
hat mit seinen 3- bis 5-theiligcn Warzen (oder 3- bis 5-knöpßgen kurzen Antennen,
was dasselbe bedeutet) eigentlich schon alles, was zur Thierkopfbildung gehört
vorbereitet. Wo einmal die Phantasie des Beschauers aulgerufen wird, Thier-
köpfchen zu ahnen, wird die Hand des Erzeugers leicht diesen Schritt der Phan-
tasie mitmachen. Sehen wir doch auch andere Ornamente des La Tene-Styles sich
leicht in Thierformen ausbilden. Selbstverständlich will ich mit der flüchtig in-
saramengestellten Formenreihe keine zeitliche Folge oder dergleichen darstelleiu
sondern nur den wahrscheinlichen inneren Zusammenhang dieser Formen andeuten.
Nicht ohne Belang für die Datirung der Bronzeringe ist wohl auch das Vor*
kommen von Warzen auf den charakteristischen Otas- Armbändern der La Teoe-
(817)
Periode, von welchen ich einen aus Xassenfuss in Krain und ein Fragment vom
Stradonitzer Hradischte (beide im K. K. Hof-Museum) und Bonstetten, Recueil
d'antiquites Suisses, I. Supplement, V. 10, II. Suppl. IX, 4,, 5 zunächst anführen
möchte. —
(17) Hr. B. Orn stein berichtet aus Athen, 14. November, über einen
wilden Menschen in TrikkalaO-
Angesichts der unzulänglichen wissenschaftlichen Hülfsquellen, welche mir
hierorts zu Gebote stehen, entzieht es sich meiner Kenntniss, ob viele Fälle von
sogenannten wilden Menschen in der anthropologischen Litteratur verzeichnet
sind. Da mir jedoch während meines 5(>jährigen Aufenthalts in Griechenland zum
ersten Male ein derartiger Fall zu Ohren kommt, halte ich die Mittheilung des-
selben um so mehr für geboten, als desfalls angestellte Erkundigungen die Richtig-
keit der Thatsache ausser Zweifel stellen. Die erste Nachricht über diese sonder-
bare Entdeckung brachte die „Ephcmeris" vom 14/26. Oktober d. J., welche
dieselbe dem Localblatte von Volo, „*i n*7*ö-<tl", entnommen hat. Aus der
„Ephemeris", welche diese Zeilen begleitet, ging dieselbe als Sensationsobject
nahezu in die ganze hauptstädtische Presse tlber. Der einschlägige Artikel der
genannten Zeitung trägt die Ueberschrift „Ein wilder Mensch auf dem Pindus^
und der Inhalt desselben ist in freier Uebersetzung der folgende:
„Die Entdeckung dieses halb menschlichen, halb thierischen Wesens verdanken
wir dem pensionirten Oberlientenant Herrn Demetriades, dem Inspektor des dem
Könige gehörigen Waldbezirks auf dem Pindus'-). Von einer Jagd auf Rehe er-
müdet, richtete der genannte Beamte seine Schritte nach einer Schaf htlrde, um
seinen Durst mit einem Glase Milch zu löschen. Auf dem Wege dahin hörte er
seitwärts im Gebüsche ein Geräusch, das seine Aufmerksamkeit erregte. Als er
sich der Stelle näherte, bemerkte er zwischen den Sträuchen ein ihm unbekanntes
Tbier, welches sich eilig in gleicher Richtung mit ihm fortbewegte. Hr. Deme-
triades war darauf und daran, einen Schuss auf dasselbe abzugeben, als er durch
warnende Zurufe der in der Nähe befindlichen Hirten davon abgehalten wurde.
Er folgte darauf der Spur des merkwtirdigen, bald aufrecht, bald vierfüssig sich
fortbewegenden Geschöpfes und erreichte dasselbe in der Hürde, wo es sogleich
über ein mit Molken angefülltes hölzernes Gefass herfiel und gierig trank. Auf
seine Nachfrage berichtete ihm der Oberschäfer (o^px^ttoijui^v) Nachstehendes:
„Es ist der Sohn eines aus Rumänien stammenden Wallachen (Eht^pg)^ der
sich seiner Zeit in Kastania niedergelassen hatte. Dieser begab sich in seine
Heimat, um dort Arbeit zu finden, mid verheirathete sich daselbst. Er blieb dort
nur einige Jahre und kehrte vor G — 7 Jahren mit 4 — 5 Kindern nach Kastania
zurück. Bald darauf starb er und Hess seine Frau mit den Kindern im Elend
zurück. Da die Arme sich und die Kinder nicht zu ernähren vermochte, so
1) die alte thessalische TqUxh am Lethaeos.
2) ein auf den Abh&ngen des Pindns zwischen Art« und Trikkala in wildromantischer
Gegend gelegener Fichtenwald, welcher nach der Einverleibung des epirotischen Land-
striches in das Königreich Griechenland von der Gemeinde von Kastania Sr. Majestät
dem Könige Georg zum Geschenk gemacht wurde. Der Umkreis desselben soll 4 Stunden
betragen. Seitdem hat dieser dichte, uncultivirte, grösstentheils aus hochstämmigen Roth-
tannen bestehende und von Wild aller Art bevölkerte Wald aufgehört, dem Räubergesindel
in den Grenzdistricten als schwer zugänglicher Schlupfwinkel zu dienen.
Verbandl. der B«rl. AotbropoL G«MUsrhftft 1S91. 52
(818)
bmchte sie die letzteren bei mildthätigen Leuten unter und kehrte in ihr Vaterland
zurück. Der eine Knabe entlief seinem Pflegevater und treibt sich seit 4 Jahren
im Walde umher. Er ist, wie Du siehst, nackt. Im Sommer nährt er sich ron
Molken, während er sich den Winter hindurch in Höhlen aufhält und von Wurzeln
und Eicheln lebt. Er spricht nicht und hat keinen Namen.^
„Da der alte Hirtenpatriarch**, föhrt die „Ephemeris" fort, „mit der Lage des
unglücklichen Wesens Mitleid hatte und dasselbe nicht zu Grunde gehen lassen
wollte, so nahm er dasselbe an einer Leine mit sich ins Dorf und gab ihm Klei-
dung und menschliche Nahrung. Seitdem hat er den Waldmenschen nicht mehr
von sich gelassen und man sieht ihn jetzt in den Strassen von Trikkala allerlei
Arbeiten für seinen Wohlthäter und Ernährer verrichten, doch immer von einem
Andern beaufsichtigt, da er es noch nicht zur Wortbildung oder sprachlichen
Articulation gebracht hat. Die Laute der dortigen Thierwelt sind ihm geläufig und
er ahmt dieselben ausgezeichnet nach. Auch ist er ein tüchtiger Reiter. Sein
Taufname ist unbekannt. Sein Beschützer nennt ihn Skiron. ^
Im Hinblick auf die knappe und lückenhafte Schilderung der Persönlichkeit
dieses Waldmenschen bin ich geneigt, diese Hemmung der Sprachentwickelong
in Ermangelung eines andern ursächlichen Moments auf die einschlägigen
Hypothesen Caspari's, Noir^s und Jag er 's über diesen Gegenstand zurückzu-
führen. —
Hr. Yirchow: In einem, gleichzeitig übermittelten Blatt der £<(>i}ju€pU, Athen.
14. October 1891, wird die Geschichte des *A.ypioLvf^pujnoq h\ r^; UifSorj ausführlich
geschildert. Sie enthält aber nichts, was Hr. Cr n stein nicht schon mitgetheilt
hätte. Es kann also nur der Wunsch ausgesprochen werden, dass auch über die
weitere Entwickelung des Knaben Nachrichten gesammelt werden möchten. —
(18) Hr. Virchow bespricht eine neue Sammlung
Spandaaer Schädel.
Hr. Vater hat mir schon vor längerer Zeit einen Schädel übergeben (Nr. 1),
der auf dem alten Kirchhofe um die Nicolai-Kirche ausgegraben ist Neuerlich
hat er eine Reihe weiterer Schädel (Nr. 2—4) nebst mancherlei anderen Fond-
stücken überbracht, welche im Laufe des Sommers aus dem Moorboden, jedoch
innerhalb der alten Stadtgrenze, zu Tage gekommen sind. Obwohl sie zeitlich wohl
erheblich auseinanderliegen, so lassen sie sich doch zusammenfassend betrachten.
Die Messtabelle gebe ich natürlich getrennt.
Die Berichte des Hrn. Vater lauten folgendermassen:
„1. Der Schädel kam zu Tage ungefähr 2 m tief in einer Grube, die am
Rande der Potsdamer Strasse etwa 20 Schritte vor dem Hauptportal der Nicolai-
Kirche für die Fundamentirung des Joachims-Denkmals gegraben wurde. Et
scheint, dass dort der die ganze Kirche einst umgebende Begräbnissplatz war,
denn es wurden noch viele Trümmer menschlicher Gebeine aosgegrabea. die nach
H^ßrstellung des Mauerwerks aber wieder in die Grube hineingeschüttet worden sind.
Es sammelte sich immer ein grosses Menschengedränge um dieselbe, von dem
auch hin und wieder Unfug mit den zu Tage kommenden Knochen getrieben
wurde. Die Polizei suchte daher jeden näheren Zutritt zu vertiindem and es wmr
mir daher eine ^rgfältige Untersuchung der Lage der Grebeine onmöglidL Vun
(819)
den Arbeitern erfuhr ich nur, dass irgendwelche Beilagen von Holz, Metall oder
Scherben nicht aufge^inden wurden. Der einzige unverletzt und mit dem Unter-
kiefer aufgefundene Schädel wurde mir auf meinen Wunsch tlberbracht.^
^2. Der Moorfund umfasst folgende StUcke:
1. zwei ziemlich vollständige menschliche Schädel, dazu ein Unterkiefer;
2. einen defecten menschlichen Schädel, Hinterhauptsbein und Unterkiefer;
3. einen ganzen und einen halben menschlichen Oberschenkel und einen
Oberarm;
4. zwei Bruchstücke thierischer Schädel, eines davon vom Pferd:
5. Bruchstück einer Geweihstange vom Edelhirsch:
6. Homzapfen und Schädelstück vom Rind:
7. eine Rippe von einem grösseren Thiere;
8. drei Knochen vom Schwan.
„Alles gefunden im Moorboden, etwa 3 m tief und vielleicht 100 Fuss entfernt
vom jetzigen rechten Ufer der Havel, gegen 20 Schritte einwärts von der alten,
jetzt abgebrochenen Stadtmauer.
^Die Fundstelle ist ein bewohntes Grundstück zwischen Fischerstrasse und
Lindenufer. Meiner Vermuthung nach hat die Fischerstrasse einst, schon vor
Erbauung der Mauer, die Uferstrasse gebildet und den Fischern zur Ansiedlung ge-
dient.
^Die Ausgrabung des sumpfigen Bodens geschah zur Fundamentirung eines
grossen Neubaues und musste dazu eine grosse Anzahl schwarzer, zum Theil
vermoderter, zum Theil noch ziemlich fester, regellos eingerammter Eichen- und
Kienholz-Pfähle ausgegraben werden. Dazwischen lagen noch viele Thierknochen,
die fortgeworfen waren, als ich Kunde von den Schädeln erhielt. Von etwaigen
Fundstücken menschlicher Industrie, Scherben oder Metall-Gegenständen ist mir
nichts zu Gesicht gekommen; auf meine dringlichsten Nachforschungen wurde
versichert, dass absolut nichts davon gefunden sei. Unter den Thierknochen fand
ich noch einen Radius vom Pferde, der offenbar zu einem Schlittknochen ver-
arbeitet war, und einen beilartig geformten rothen Stein von 28 cm Länge, 9 cm
grösster Breite und 6 cm Dicke, von dem ich nicht behaupten will, dass er
Spuren menschlicher Bearbeitung zeige. Das Gestein ist sehr mürbe, auffallend
roth gefärbt und schwer.
„Die Ausgrabung fiel leider gerade in die Tage meiner Uebersiedelung von
Spandau nach Berlin und ist daher vielleicht manches werthvolle Fundstück bei
Seite geworfen.**
Hr. Virchow (fortfahrend). In Betreff des Moorfundes ist sehr zu bedauera,
dass kein zuverlässiger Beobachter bei der Ausgrabung anwesend gewesen ist und
dass weder aus der Art der Bestattung, noch aus den Beigaben ein bestimmter
Rückschluss auf die Bevölkerung gezogen werden kann.
Dagegen sind die Schädel selbst von so charakteristischer Beschaffenheit, dass
ich kein Bedenken trage, auch die Moorschädel der Bevölkerung, wie sie sich
wahrscheinlich schon bald nach der Anlage der Stadt gestaltete, zuzuschreiben.
Glücklicherweise besitzen wir durch die Aufmerksamkeit des Hm. Vater eine
Reihe ganz analoger Schädel, über welche ich im Laufe der Jahre berichtet habe
(Verband]. 1885 S. 391; 1888 S. 251; 1889 S. 472). Mit diesen zeigt die vor-
liegende Reihe unverkennbare Verwandtschaft, wenngleich keine völlige Ueber-
einstimmung. Am meisten ist dies bei den Schädeln von 1889 der Fall.
52*
(820)
Die 3 gut erhaltenen Schädel sind sämmtlich brachycephal. Trotzdem
zeigen sie recht erhebliche Verschiedenheiten, schon in Bezog auf die Schädel-
indices. Während Nr. 1, der Schädel vom Nicolai -Kirchhof, chamaebrachy-
cephal (L.-Br.-I. 80,0, L.-H.-l. 69,4) ist, erweisen sich Nr. 2 und 3 als hypsi-
brachycephal (Nr. 2 87,5 und 81,5, Nr. 3 86,7 und 78,8), Dem entsprechend
zeigt Nr. 1 eine beträchtliche Hinterhauptslänge (Index 32,2), während dieselbe
bei Nr. 2 (Index 22,6) und Nr. 3 (Index 25,4) ungewöhnlich gering ist. Dabei ist
zu berücksichtigen, dass Nr. 1 fast kephalonisch ist und eine Gapacitüt von 1550
ccm besitzt, während Nr. 2 den mittleren Schädelinhalt von 1465, Nr. 3 den sehr
kleinen von 1258 ccm ergiebt. Sonderbarerweise stehen die sexuellen Charaktere
damit in keinem rechten Verhältniss. Nr. 2 bietet allerdings vorwiegend männ-
liche Merkmale, dagegen entspricht die Bildung von Nr. 1 und 3, die von ersterem
trotz der Stärke und Kräffcigkeit der Schädelknochen, mehr unseren Vorstellungen
von weiblichem Typus. Insbesondere sind die Niedrigkeit und die gerade Stellung
der Stirn, die schnelle ümbiegung zu der langgestreckten Scheitelcurve, die rer-
hältnissmässige Zierlichkeit der Gesichtsknochen, namentlich des Unterkiefers,
viel mehr weiblich.
Die sehr unregelmässige Bildung des Schädeldaches macht eine genaue Be-
stimmung der einzelnen Abschnitte unmöglich. Bei Nr. 1 drängen sich 2 grosse
Epactalia zwischen Parietalia und Occipitale, Nr. 2 hat ein weit hinaufreichendes
Os apicis, bei Nr. 3 sind die Sagittalis und die oberen Theile der Lambdanaht im Ver-
wachsen begriffen. Selbst das defekte Schädeldach Nr. 4 zeigt eine Synostose der
hinteren Abschnitte der Pfeilnaht. Ausserdem ist die Schläfengegend bei Xr. 1
und 3 abweichend, beidemal sind die Alae schmal und die Schläfenschuppen dem
Stirnbein genähert.
Das Gesicht ist in den beiden mit Unterkiefer versehenen Schädeln chamae-
prosop, am meisten bei Nr. 1 (Index 75,9), weniger bei Nr. 2 (Index 83,9),
Die Bildung der Orbitae variirt stark: bei Nr. 2 chamaekonch (76,9), bei Nr. 3
und 1 mesokonch (80,4 und 85,3), bei Nr. 4 hypsikonch (89,1); trotzdem er-
scheint sie bei den 3 ersten überwiegend niedrig, gedrtlckt und verlängert, nach
slavischer AVeise. Die Nase ist bei Nr. 2 mesorrhin (51,0), bei Nr. 3 und 1
platyrrhin (54,7 und 58,1), am schmälsten (48,8) bei Nr. 4, indess doch auch
hier mesorrhin. Kein einziger hat eine leptorrhine Bildung, — ein Umstand, der
sich mehr aus der Niedrigkeit, als aus der Breite der Nase erklärt. Die Nasen-
beine sind kurz, stark eingebogen, nur bei Nr. 2 länger, mehr gestreckt und der
Rücken im Ganzen vortretend, während bei den Weibern nur die Spitze stärker
vortritt. Der Gaumindex ist nur bei Nr. 3 mesostaphylin (81,3), sonst bei
allen leptostaphylin. Abgesehen von einem schwachen Ansatz bei Nr. 4, zeigt
sich ein Torus palatinus bei keinem. Die Kiefer sind durchweg zart, die Alveolar-
fortsätze niedrig und nur an den Rändern schwach vortretend, am meisten bei
Nr. 4, der auch sonst am Gesicht manches abweichende Merkmal hat. —
Aus dem Moorfunde sind ausserdem noch 3, offenbar zusammengehörige
Extremitätenknochen von Menschen eingeliefert, alle drei schwer, dunkel, zum
Theil schwärzlich, von richtiger Moorfarbe, kantig und mit starken Mnskel-
ansätzen. Es sind dies folgende:
1. das ganze rechte Os femoris, 445 mm hoch (vom Trochanter bis zum
Condylus int. 433 mm). Das Collum kurz, wenig aufgerichtet anter
einem Winkel von 135° angesetzt;
2. das untere Stück des linken Os femoris;
(821)
3. das rechte Os humeri, 332 mm hoch, mit sehr tiefem Salcus intertuberc.,
wenig gedreht, ohne Darchbohmng der Fossa olecrani.
Die Thierknochen (in dem Bericht des Hrn. Vater unter Nr. 4—8) zeigen
wenig Spuren menschlicher Einwirkung, wenn man von dem Zerschlagen derselben
absieht. An dem Geweihstück vom Edelhirsch sind die Sprossen benagt. Die
Lage der Knochen muss eine verschiedene gewesen sein, da Xr. 5, 7, 8 und 9
eine helle, zum Theil sehr lichte Farbe haben, als wären sie in Sand eingebettet
gewesen, während Nr. ü schwer und dunkel ist. Indess befinden sich unter der
ersten Gruppe ausser Knochen vom Edelhirsch und Schwan auch solche vom
Pferde, so dass Schlussfolgerungen aus den Lageverhältnissen wohl nur mit
grosser Vorsicht gezogen werden könnten. Von den menschlichen Schädeln ist
Nr. 4 am dunkelsten.
Ob der Moorfund aus einer alten Begräbnissstelle herrührt, ist nicht zu er-
sehen. Möglicherweise handelt es sich um alte Anschwemmungen. Jedenfalls ist
nichts vorhanden, was darauf hindeutet, dass an dieser Stelle etwa eine prähistorische
Ansiedelung bestanden hat. Der Typus der Schädel weist, wie schon erwähnt,
auf eine Verwandtschaft mit der alten Stadtbevölkerung hin.
Für diese dürfte der Schädel Nr. 1 bezeichnend sein. Er schliesst sich am
meisten den holländischen Typen des Mittelalters und der beginnenden neueren
Zeil an. Vielleicht weist er auf eine jener flämischen Familien, die in der Mark
so weit verbreitet waren.
Sch&dcl von Spandau
1891
L
2.
3.
4.
Capacit&t
Grösste horizontAle L&nge
„ Breite
Gerade Höhe
Ohrhöhe
Gerade Hinterhaoptsl&nge
Entfernung des Meat. andit v. d. Nasenwurzel
., ., For. magn. „ ^ .,
Stimbreite
Horizontalumfang
Sagittalumfaog des Stirnbeins
der Pfeilnaht
„ Hinterhanptij-Schuppe . .
Ganzer Bagittalbogen
Gesichtshöhe A
B
Gesichtsbreite a . .
b
I. Messmigen.
1550
Orbita, Höhe.
Breit«»
1
180
144 pi
125
106
58
105
97
96
527
119
132?\
244
112? j
868
98
59
129
95
90
35
41
1465
168
147 pi I
137
115
38
105
97
102
512
121
232 _ ,1
109 ?J
353 I
67
131
95
30
39
1258
165 I
143 ad p.;
130
109
42
98
94
99
501
117
119?
227
344
%
5<;
121
85
88
33
41
142 pi
96
131
112
108?, —
61
86
33
37
(822)
Schädel von Spandau
1891
Nase, Höhe .
y, Breite .
Gaumen, Länge
^ Breite .
Gesichtswinkel
Längenbreitenindex
L&ngenhöhenindez .
Olirhöhenindex . .
Hinterhauptsindex .
Gesichtsindex . .
Orbitalindex . . .
Nasenindex . . .
Gaumenindex . .
1.
2?
43
25
50
39
75°
Stenokrot.
Groftse
2.
49
25
52
38
71°
Os apic.
Aeltenjs
Epactalia | Individ.
II. Berechnete Indices.
80,0
87,5
69,4
81,5
58,8
68,4
32,2
22,6
75,9
—
85,3
76,9
58,1
51,0
78,0
73,0
3.
$?
42
23
43
35
70°
4.
45
22
48
37
I Stenokrot. Svnost.
I Synost. Baf^tt p<»f«t.
sogitt AU
671 g 8chw.
JflDKere*
In
Dseres
divid.
86,7
78,8
66,1
25,4
80,4
54,7
81,3
89,1
48.8
77,0
(19) Hr. J. Naue in München berichtet unter dem 7. November über ein
Hügelgrab der älteren Bronzezeit bei Mflhlthal (Oberbayern.)
Das Skelet lag in der Tiefe von 1 ,80 m nnd zwar in der Richtung von Nord-
Nord-West nach Ost. Auf dem, unter dem gewachsenen Boden hier anstossenden
Nagelfluhfelsen war eine 10 cm starke feine Lehmschicht ausgebreitet und fest-
gestampft worden und dann die Leiche im vollen Schmucke darauf gelegt. Hügel-
artig ist sie, abweichend von den bisher beobachteten Gebräuchen, mit einer feinen
Lehmschicht von 95 cm Höhe in der Mitte bedeckt worden und darnach der
Steinbau ausgeführt, welcher sich an jenen, von Stid über West nach Nord laufenden
anschliesst.
Auf dem festgestampften Lehm lag nun gerade gestreckt auf dem Rücken,
den Kopf ein wenig zur Seite geneigt, ein weibliches Skelet, dessen Armknochen
gerade gestreckt zu beiden Seiten herabgingen. Auch die Schenkel waren gerade
gestreckt, doch zeigte sich der linke Oberschenkel mehr nach innen gerichtet
Dank den vielen Hronzebeigaben war der grösstc Theil des Skelets erhalten.
Wo jedoch die Knochen mit Bronze nicht in Berührung gekommen waren, trafen
wir sie zermorsch t an.
Beigaben: Dicht unter dem Kinn und um den Hals, in Abständen herum-
gehend, eine Halskette aus grösseren und kleineren Bronzespiralröbren, in
der Mitte eine Bernsteinperle von der Grösse einer Kirsche, welche jedoch
zerfiel. Neben den Spiralröhren lagen kleine weisse, kalkähnliche Steinchen (viel-
leicht von Perlen herrührend?). *
Dor «tarke vennoderto Faden, womit die Spiral röhren aufgereiht waren, endete
(823)
in je eine öhsenförmig umgebogene kleine Bronzespiralscheibe. Eine derselben
lag hinter dem Hinterkopf, die andere unter dem Kinn, doch etwas weiter nach vorn.
Zwei Bronzenadeln mit aufgerollten Köpfen (einer derselben ist sehr breit
gehämmert) lagen Ober den Schlüsselbeinen. Die Spitzen waren nach aussen,
die aufgerollten Köpfe nach innen gekehrt. (Die Lage war so, dass sich der Kopf
der oberen Nadel in der Mitte der unteren befand.) Die obere, geschlängelte
Nadel mit öhsenartig aufgerolltem Kopfe lag mit diesem an dem inneren Scblüssel-
beinende und ging mit diesem Knochen bis zum linken Oberarmkopf.
Die untere Nadel lag mit dem breit gehämmerten, aufgerollten Kopfe schräg
unter jener, so dass ihre Spitze sich etwas tiber dem rechten Schlüsselbeine befand.
Beide Nadeln dienten wahrscheinlich dazu, einen Mantel oder ein Obergewand
festzuhalten.
Auf der linken Achsel muss das Untergewand mit einer grossen tutulusartigen
Zierscheibe besetzt gewesen sein, denn eine solche lag, theilweise zerbrochen,
auf und unter dem linken Schlüsselbeine.
Ohngefähr etwas unter der Mitte des rechten Unterarmknochens trug das
Skelet ein massiv gegossenes, ofiTenes Armband von Bronze, mit kurzen Endstollen
und fein eingeschlagenen Ornamenten, während sich das zweite, fast gleiche Arm-
band (aber nicht aus derselben Form gegossen) mehr unten am linken Unterarm-
knochen vorfand.
Dicht neben und auch etwas unter dem rechten Armbande lagen, von oben nach
unten zu, Bronzeknöpfc (d. h. von der Brust zum Leibe gehend) in vierfacher
Anzahl dicht neben einander und setzten sich von hier, über den unteren Theil
der Brust gebend, nach dem linken Arme, ebenfalls einer dicht neben dem andern,
fort. Ihre Grösse ist 2,5 cm im Durchmesser. Diese Knöpfe wechseln mit anderen
von 2,8 cm im Durchmesser so ab, dass jedesmal nach zweien von 2,5 cm ein
grösserer von 2,8 cm folgt. Die Mitte dagegen nehmen, von oben nach imten, 3
grössere tübulusförmige Knöpfe — der grösste in der Mitte — ein.
An beiden Seiten lagen grössere ovale Knöpfe, von oben nach unten gehend,
und in der Mitte ein grösserer tutulusförmiger Knopf. Die Länge dieses, allem
Anscheine nach, aus dünnem naturfarbigem Leder bestehenden, verzierten Gürtels
beträgt vorn etwa 22 cm. (Die Knöpfe waren mit kleinen dünnen Lederriemen
auf dem Ledergürtel befest%t.) Auf der Rückseite war der Gürtel nur in hand-
breiten Abständen mit je einer Reihe von oben nach unten befestigter runder und
ovaler ßronzeknöpfe verziert. Die Breite des Gürtels beträgt etwa 10 cm.
Zu beiden Seiten des Gürtels, bezw. neben und unter den Unterarmknochen
und den äusseren Beckenseiten, lagen dicht neben einander, von oben nach unten
gehend, grössere und kleinere (diese unten) ovale Knöpfe, und an diese an-
schliessend je 3 kegelförmige Hülsen aus Bronzeblech (auf der linken Seite nur
zwei aus Blech, eine dagegen aus spiralartig aufgerolltem Bronzedraht). Die Hülsen
auf der rechten Seite lagen mit den breiten, oberen Enden dicht neben einander
und nach aussen, die Spitzen nach innen gekehrt imd theilweise auf dem Becken-
knochen. Die drei Hülsen der linken Seite hatten dagegen die oberen, breiten
Enden nach unten und die Spitzen nach oben gekehrt
Ueber dem Kreuzbein und dem linken Beckenrand fanden sich, schräg von
jenem nach dem linken Oberschenkel köpfe gehend, ein kleiner Knopf, ein tutulus-
förmiger Knopf, ein kleiner und ein tutulusförmiger Knopf.
Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde der breite Gürtel unterhalb der Brust
(d. h. über dem Becken) getragen und hingen von diesem zur linken und rechten
Seite schmale, mit grösseren und kleineren ovalen Knöpfen besetzte Streifen (auf
(824)
jeder Seite einer) herab. Auch dürfte eia schräges, mit kleinen und tutulusförmigen
grösseren Knöpfen besetztes Band links zur Hüfte herabgegangen sein. (Vielleicht
diente es dazu, eine Tasche oder dergl. zu befestigen.)
Die je drei kegelförmigen Bronzehülsen gehörten verrauthlich zu einem drei-
fach geflochtenen zweiten Gürtel, der vielleicht über dem Leibe getragen wurde
und an seinen Enden mit den Hülsen besetzt war. Bei der Bestattung wären
dann die beiden Enden des Gürtels zu den Beckenseiten angeordnet worden.
Unterhalb des Beckens bis etwas über den Knieen fanden sich, tiber beide
Oberschenkel herübergehend, viele kleinere und grössere Bronzeknöpfe dicht neben
einander; seitwärts dagegen kleinere tutulusförmige und in der Mitte grössere dieser
Gattung. Dieser Besatz des Oberkleides war etwa 18 cm breit und ging ganz um
den Oberkörper herum. Unten schloss der Besatz mit kleinen tutulusförmigen
Knöpfen ab.
Unter der^ rechten Handfläche lag ein vierspeichiges kleines rundes
Bronzeornament mit angegossenem kurzem, flachem und in eine Hülse umge-
bogenem Ende (dieses nach unten gekehrt).
An dem linken Fussc war eine, leider zerbrochene, kleine, schwarze, un-
verzierte Henkelschale beigestellt worden, die ich jedoch wieder zusammensetzen
konnte.
Durch diese Beigaben, welche für die ältere Bronzezeit als ausserordentlich
reiche und seltene bezeichnet werden müssen, erhält der Skeletfund eine wichtige
Bedeutung, denn er giebt uns, da sämmtliche Bronzen noch an Ort und Stelle
lagen, yortreCTliche Aufschlüsse über die Ausschmückung sehr reicher hochstehender
Frauen.
Die runde, innen mit Kreuz versehene und durchbrochene gegossene Scheibe
war vermuthlich mit der Hülse auf einem kurzen Stabe, welcher bis zu den Füssen
gereicht haben dürfte, befestigt und diente wohl der Verstorbenen als ein Abzeichen
ihrer Würde.
Dass in dem Grabhügel, welcher allein am äussersten nördlichen Rande des
grossen Friedhofes liegt, eine ganz hervorragende Person bestattet worden ist, be-
weisen neben dem merkwürdigen Mittelsteinban , welcher aus sehr grossen, 4 bis
^\ Centner schweren Steinen errichtet war, die Opfer von drei Ebern (bisher von
mir noch nicht gefunden) und die Mitbestattung von z#ei weiteren Leichen, welche
jedoch, ohne jede Beigabe, unter den untersten Steinlagen gefunden wurden.
Da sich in den obersten Schichten des (Trabhügels einige Gefassscherben
der Hallstattzeit vorfanden, so liegt es nahe anzunehmen, dass noch in dieser Zeit an
oder auf dem Grabhügel jener hochgestellten Frau Opfer dargebracht worden sind. —
Hr. Virchow: Die mir zugegangenen Knochen befinden sich leider in einem
so defecten Zustande, dass nur einzelne, der Kupferein Wirkung stäricer ausgesetzt
gewesene Abschnitte einigermaassen erhalten sind. Dahin gehören ein Theil der
Halswirbel Säule und Stücke der Beckenknochen, insbesondere auch die Doni-
fortsätze und hinteren Bogenabschnitte der Lendenwirbel. Nur der Schädel ist
etwas vollständiger erhalten, so dass die allgemeine Form desselben aus den vielen
Bruchstücken sich wenigstens annähernd hat reconstruiren lassen.
Die Knochen sind durchweg zart, und da nach dem Zustande der Zähne auf
ein vorgerücktes Alter der Person geschlossen werden muss, so darf wohl an-
genommen wenlen, dass es sich um eine ältere Frau handelt. Damit stimmt auch
die sonsti*<e Beschaffenheil des Schädels.
Letzterer hat durchweg zarte und wt'iche Formen. Die Stirn ist fast ohne
(825)
Wulst, der Nasenfortsatz flach und schwach gerundet, die Tubera j)arietalia schwach,
am Hinterhaupt Muskel- und Sehnenansätze kaum erkennbar. Die verhältniss-
inüssig breite Stirn (100 mm in mininio) ist ziemlich gerade, aber niedrig; der
üebergang zu der leicht gewölbten, aber mehr gestreckten Scheitelcurve ver*
hältnissmässig schnell, das Hinterhaupt schmal, vortretend und leicht gerundet.
Die Durchmesser sind natürlich nur annäherungsweise zu bestimmen und die
Indices unsicher; trotzdem werden die nachstehenden Angaben eine gewisse
Anschauung gewähren:
Grösste horizontale Länge . . 178 mm
„ Breite 132 „
Gerade Höhe 132 „
Ohrhöhe 120 ^
Gesichtshöhe 110 „
Malarbreite 90? „
Danach berechnet sich ein
Längenbreiten-Index von . . . 74,2 mm
Längenhöhen- „ „ . . . 74,2 „
Ohrhöhen- , „ . . . 67,4 „
Das würde einen dolichocephalen Schädelindex, und einen ortho-, viel-
leicht sogar hypsi-, cephalen Höhenindex bedeuten. Da die Jochbogen zerstört
und das Gesicht sehr verdrückt ist, so lassen sich faciale Indices überhaupt nicht
berechnen. Dem Augenschein nach waren das Gesicht eher schmal, die Augen-
höhlen hoch, die Nase schmal, der Gaumen eher breit. Die Kiefer ausgemacht
orthognath.
Der Oberkiefer besitzt einen kräftigen, fast 20 mm hohen Alveolarfortsatz, der
gerade heruntergeht Die Zähne sind, soweit nicht die Kiefer verletzt sind, voll-
ständig, bis fast zur Hälfte des Schmelzes herab abgenutzt, aber ohne Krankheit.
Die Vorderzähne eher etwas rückwärts gerichtet. Zwischen den medialen Schneide-
zähnen ein grosses Trema. Der Unterkiefer zart, das Kinn vortretend, fein ge-
rundet, die Winkel etwas nach aussen ausgebogen, die Aeste niedrig und sehr
schräg angesetzt.
Zweifellos gehört der Schädel einer edlen Rasse an und zeigt ausserdem Merk-
male einer feinen, individuellen Ausbildung.
-Von den Skeletknochen ist Folgendes zu bemerken:
1. Schulterblätter grossentheils zerstört, nur die oberen Theile erhahen.
Gelenkflächen klein und seicht, Proc. coracoides zart.
2. Von den Oberarmknochen sind nur Theile der Diaphysen vorhanden, die nicht
unkräftig erscheinen. Dagegen sind die Vorderarmknochen grossentheils
erhalten und stark bronzirt. Ulna und Radius stärker gebogen, fast
säbelförmig.
3. Schlüsselbeine sehr zart.
4. Rippen meist zerbrochen, zart.
5. Von den Beckenknochen nur einzelne Theile, die stark grün gefärbt sind,
noch im Zusammenhange, ohne dass jedoch an ihnen charakteristische
Einzelheiten zu erkennen sind.
6. Von den Oberschenkeln fehlen die unteren Theile, die übrigen sind gracil.
Der obere Theil der Diaphyse abgeplattet, ebenso die Reste des unteren
Endes, welche bronzirt sind. Am oberen Ende der Linea aspera eine
' stärkere Anschwellung. Trochanteren kloin, der Tr. minor lei<ht zugespitzt.
(826)
Collum kurz, 20 mw, unter 140** angesetzt. Kopf klein, an der Stelle
der Epiphysengrenze äusserlich eine schwache Rinne. —
(20) Hr. Custos P. Höft am Berliner Trachten-Museum hat, in Folge einer
aufgeworfenen Streitfrage, unter dem 3. November folgendes Manuscript übergeben:
Besemer oder Däsemer?
Schiller und Lübben (Mittelniederd. Wb.) geben folgende urkundliche An-
gaben über den Namen: I. S. 268 Besemer, Bisemer. Höfer in den mär-
kischen Forschungen I, 165 nennt aus einem Priegnitzer Idiotikon Beesen. In
der ükermark heisst diese Wage Däsmer, in Meklenburg hört man ebenfalls
Däsmer. — Possunt etiam alia vendere cum pondere et besmere (zwischen
1203—1209. Lübecker ürk. I 20. Sie dürfen auch Anderes verkaufen mit Ge-
wicht und Besemer). — Que cum pondere vel cum bysmer aut cum aliis pon-
deribus vendi debent (1326 das. U. 1,13, welche [Sachen] mit Gewicht oder
Bysmer oder mit anderen Gewichten verkauft werden sollen). — Cum pondare vel
cum bisemer (1328 das. 451, mit Gewicht oder mit Bisemer). — 1 holben
besemer (Invent. v. 1559 Dithm. R. Q. 310).
Frischbier (Preuss. Wb. I, S. 75) schreibt: ^Besemer, M., auch Desemer,
Desem, eine Handwage, bestehend aus einem hölzernen Stabe, der an einem Ende
eine mit Blei ausgegossene Rolbe, an dem andern einen Haken zum Befestigen
der Last trägt. Messingstifte im Stabe markiren das Gewicht, das balancirend
an einem Handgriffe gesucht wii*d, dän. bismer, schwcd. besmann, lit. bezmeoas,
pol. bezmian, przezmian^.
Schütze (Holst. Idiot I. S. 94): ^Besemer, eine Art holsteinische Wage.
Dies unsichere Gewicht ist durch eine königl. (dän.) Verordnung zu gebrauchen,
verboten. ^
Ein dänisches Verbot des Besemers für die Herzogthümer ist mir nicht be-
kannt, auch im Corp. Const. Holst, et Schlesw. nicht zu finden. — In der Schi,
holst. Landgerichtsordnung vom Jahre 1636 (IV. Tit. XXVI II g 12) heisst es:
„Es soll auch über das gantze Land einerley Gewichte gebrauchet werden, welche
der Lübischen Gewichte durchaus gleich sein soll, also dass 14 Schalenpfundt
(d. i. Pfunde der Wagschale) ein Liszpfundt und 20 Liszpfundt ein Schippfuodt
machen sollen und sollen die Marckpfunde (die Mark ursprünglich ein Gewicht),
Schalenpfunde und Besemerpfunde, ohne unterscheid und gleicher schwere
seyn."* —
Der Besemer war zu meiner Jugendzeit noch allgemein in Holstein im Ge-
brauche und ist dort ohne Zweifel noch vielfach jetzt im Gebrauche. Ebenso
wird der Besemer, dort Däsemer genannt, noch jetzt in Pommern verwandt
Schütze (Holst. Idiot III S. 244) schreibt: „Pünjer, auch Stieler genannt
Insner schreibt: eiserne Stange (Stiel, daher Stieler) mit Haken zum Wägen,
holsteinische Wage, die den Besemer verdrängt.** Pfünder und Besemer anter-
scheiden sich dadurch, dass beim Pfünder der Unterstützungspunkt unverrückbar,
das Gewicht oder die Kraft verrückbar, dagegen beim Besemer der Unter-
stützungspunkt verrückbar ist und das Gewicht (der Kolben) festliegt Der
Besemer ist fast immer aus Uolz, der Pfünder dagegen fast immer aus Eisen ver-
fertigt.
In Meyer's Convers. Lex. (U 8. 811) liest man: ^Besemer, eine Schnell wage*,
bestehend aus einem Stabe mit Scala, welcher an einem Ende einen Gewichts*
kolben, am andern Ende einen Haken zum Aufhängen des zu wiegenden (wägenden)
(827)
Gegenstandes besitzt, und in einer Hülse mit Zunge und Handhabe, die ver-
schoben werden kann, bis bei Belastung Gleichgewicht eintritt/ — Besemer mit
Hülse und Zunge sind mir gänzlich unbekannt, sind wohl auch selten in Gebrauch
gewesen.
Ueber die Ableitung des Namens Besemer scheint noch kein Gelehrter einen
Nachweis, der sich Geltung zu verschafTen wusste, geführt zu haben. Wenn im
Priegnitzer Idiotikon die Form Beesen bezeugt ist, so könnte man an den Besen
denken, denn der Besemer hat wirklich mit seinem Kolben die Gestalt eines
Besens mit Stiel. Man vergleiche Schiller und Lübben (S. 268) besem, Kehr-
besen. — Da die Form Däsemer, Desemer, durch Urkunden aus älterer Zeit
nicht nachgewiesen ist und auch die Nachbarrölker nur die zur Form Besemer
passenden Bezeichnungen haben, so dürfte die Form Desemer in Meklenburg und
Pommern nur für eine verderbte zu halten sein.
Die Gewichtsbezeichnung des Besemers ist die siebentheilige. Auf allen
Besemer-Stielen findet man das 7., 14., 21. und 28. Pfund durch Messing-
stifle markirt.
Die Gewichtseintheilung regt dazu an, auch die früher üblichen Gewichte in
Betracht zu ziehen. Ein Liespfund (Ltt) hat 14 Pfunde (ü). Ein Liespfund ist
nach Heyse ein Livesches d. i. Liefländisches Pfund, soll an Stellen auch 15,
16 tt halten. Ein Centner mttsste dem Namen nach 100 ü schwer gewesen sein,
hatte aber 8 LK oder 112 ü. Ein Schiffpfund (Schtt) hatte 20 Ltt oder 280 «.
Ein Quent, Quentchen, Quint, Quintlein, Quentin vom mittellat. quintellum und
dieses von quintus, a, um, sollte der fünfte Theil eines höheren Gewichtes sein,
betrug aber ein viertel Loth.
Ein Quentin hatte wieder 4 Ort, wohl von Ort gleich Ecke abzuleiten. Die
Oertchen werden eckige Form gehabt haben.
Ein Quentin hatte an Stellen auch 4 Denare und 8 Heller, was wieder daran
erinnert, dass in frühester Zeit das Geld gewogen wurde.
Das Loth, die Hälfte einer Unze oder Vst M, ist nach dem schmelzbaren
Metall, besonders nach dem Blei benannt. Vgl. den Jägerausdruck Kraut und
Loth. —
Unze vom lat. uncia, der zwölfte Theil eines Apothekerpfundes.
Das Pfund, lat. pondo Pfund, pondus Gewicht, vom pendere herabhängen lassen,
wägen. Der Name Pfund erinnert also an die Art des Wagens durch Besemer
und Pfttnder, bei welcher die Last herabhängt.
Ein Krämerpfund hatte IG Unzen oder 32 Loth.
Ein Apothekerpfund hatte 12 „ .. 24 ,
Beim Geld- und Silbergewicht hatte eine Mark 8 Unzen oder 16 Loth. —
(21) Der Wiener „Phoenix" (1891, Oct..Nov., Nr. 10, 11) enthält eine ge-
naue Beschreibung des neuen Crematorium in Hamburg. Mit Recht wird dieser
Bau als einer der wichtigsten Merksteine des Portschritts, den die Sache der
Feuerbestattung in Deutschland macht, gefeiert. —
(22) Der Hr. Unterrichtsminister hat mit Erlass vom 31. October für die
Bibliothek der Gesellschaft Heft 2/3 des Prachtwerkes über hessische Holz-
bauten von Biekell übersandt —
Der Vorsitzende spricht den ehrerbietigen Dank der Gesellschaft aus.
(828)
(23) Hr. P. Ehre nrei eil hat in den Publicationen des Museums für Völker-
kunde einen gehaltreichen Artikel über brasilianische Indianer veröffentlicht
Er übergiebt einen Abdruck für die Bibliothek der Gesellschaft. —
(24) Der bevollmächtigte Minister für Haiti, Hr. Dclormc, übersendet Namens
des Verfassers, Dr. Dehoux zu Port-au-Prince, ein AVerk Sur les institutions
hospitalieres et medicales de la Hepublique d'Haiti. —
(25) Ein Comitö, bestehend aus den HHm. Graf J. Harrach, J. Otto und
Rieh. Jahn, dem Generalsecretär Fr. A. Schubert, dem Schatzmeister J. Ort
und zwei Gerants, Niederle und Kovai-, erlässt aus Prag, 28. October, einen fran-
zösischen Aufruf wegen einer 1893 daselbst zu eröffnenden ethnographischen
Ausstellung der tschechischen Nation. Die erste Section derselben ist der
Anthropologie und Ethnographie gewidmet. —
(26) Hr. Eduard Sei er spricht über
Alterthümer aas Coban in Gnatemala.
Vor einiger Zeit erhielt ich den Besuch des Hrn. Erwin P. Diescldorf, eines
jungen Hamburgers, der in der Nähe von Coban eine Kaffeeplantage besitzt. Der-
selbe zeigte mir einige Proben von Alterthümem aus der Gegend, die er jetzt nach
Europa herüber gebracht hatte. Er hat dieselben theils allein, theils in Gemein-
schaft mit Hm. Dr. Karl Sapper ausgegraben, einem schon seit Jahren in Guate-
mala ansässigen deutschen Geologen, der in neuerer Zeit im Ausland ein Paar
interessante Berichte über seine archäologischen Studien und über eine Heise zu
den heidnischen Lacandones veröffentlicht hat. Gleich anderen Stücken, die das
königliche Museum schon seit Jahren durch Hm. Gonsul Sarg aus der Gegend
von Coban erhalten hat, zeigten auch die Funde des Hm. Diescldorf deutlich,
dass wir es hier mit einer der Mayacultur in jeder Beziehung eng verwandten
Cultur zu thun haben. Der Styl der Figuren und die Hieroglyphen, die auf einigen
Scherben erkennbar sind, lassen darüber gar keinen Zweifel. Aber interessant ist,
dass unter den Stücken, die mir Hr. Dieseldorf vorwies, sich zwei verschiedene
Typen — „Kulturgruppen", um mich dieses von Hm. Strcbel cingeführt<»n Aus-
drackes zu bedienen, — unterscheiden lassen, und da.sg, was die Fundorte betrifft,
diese verschiedenen Typen verschiedenen Stammesgebieten, — der eine dem der
Qrfekchi. der andere dem der Pokonchi — entsprechen. Ein besonders merk-
würdiges Stück hat sich Hr. Diescldorf freundlichst bereit finden lassen, dem
königlichen Museum zu überlassen. Es ist das kleine FigurengeHiss, das ich hier
vorweise. Dasselbe ist zusammen mit zwei anderen, ganz ähnlichen, bei Santa Crur,
imweit von Coban, im Innern einer 3 — 4 m hohen, viereckigen Stufenpyramide
gefunden worden, die, innen aus Erdaufschüttung bestehend, aussen mit Steinen
verkleidet war. Solche Pyramiden kommen vielfach in den zu heidnischer Zeit
bewohnten Gebieten vor. Der einheimische Name tzak, den mir Hr. Dieseldorf
angiebt, erinnert an tzacualli, das mexikanische Wort für „Stcinpyramide'', ab-
geleitet vom Zeitwort tzacu, welches „einschliessen, umfriedigen*' bedeutet. Die
HHm. Diescldorf und Dr. S a p p e r haben bei Santa Cruz drei solcher Pyramiden
aufgegraben, die Hr. Dr. Sapper als nönllichen, mittleren und südlichen Grab-
hügel bezeichnet. Die Uauptfunde sind in dem südlichen Hügel gemaciit worden,
und eben daher stammen auch die drei Figurengefässe. Dieselben stellen
kniende Figuren dar. Die Arme bilden den Henkel des GeHisses. Der mit einer
(829)
reichen Frisur bedeckte, augenscheinlich nach dem Vorbilde eines künstlieh de-^
formirten Schädels modellirte Kopf bildet den Deckel des Gefasses. Von den
beiden, mit den Flüchen den Seiten des Körpers angelegten Händen weist die rechte
die vollen fünf, die linke nur vier Finger auf. Im Innern des Gefasses fand sich,
neben etwas Erde und Aschenresten, ein Obsidianmesser und die Glieder eines
menschlichen Fingei*» — und zwar, wie Hr. Dr. v. Luschan freundlichst be-
stimmte — des kleinen Fingers der linken Hand. Die beiden anderen Gefasse,
welche als Beuteantheil Hm. Dr. 8a pp er zußelen, zeigen genau die gleiche Form,
— wie an einer Photographie, die ich der Güte des Hm. Dr. Sapper verdanke,
noch deutlich zu erkennen ist. Und beide hatten den gleichen Inhalt, wie das
erste Gefäss. Jedes enthielt ein Obsidianmesser imd die Glieder eines mensch-
lichen Fingers. Leider ist Hr. Dr. Sapper nicht mehr im Besitz der beiden
Stücke. Er sandte das eine an Hm. Consul Sarg in Guatemala, in dessen Besitz
es sich, wie «s scheint, noch befindet; das andere ist auf dem Transport dahin
spurlos verschwunden, vermuthlich zerbrochen. Obsidianmesser und Fingerglieder
als Beigaben fanden sich übrigens nicht nur in diesen drei Figui'engefässen. Hr.
Dr. Sapper besitzt, wie er mir brieflich mittheilt, noch ein Paar einfache glatte
Töpfe, die genau denselben Inhalt bergen.
Dass die Sitte des Fingerabschneidens bei Indianerstämmen des Nordens und
Südens vielfach bestand, ist eine bekannte Thatsache. Zn den Selbstpeinigungen,
die sich bei den Mandan der junge Krieger auferlegen mnsste, um sich den Schutz
der Gottheit für seine Kriegerlauf bahn zu sichem, gehörte auch, dass er sich auf
einem Bisonschädel einen oder mehrere Finger der linken Hand abhacken liess.
Und bei den wilden Charma und anderen Stämmen des Südens war das Finger-
abschneiden als Zeichen der Trauer, z. B. bei dem Tode des Ehegemahls, stehender
Brauch. Von den alten Culturvölkern Centralameriea s ist mir über einen solchen
Brauch noch nichts bekannt geworden. Der documentarische Beleg für das Be-
stehen einer solchen Sitte, der durch den oben beschriebenen Fund geliefert wird,
ist daher von hervorragendem Interesse. —
(27) Hr. Grünwedel spricht, unter Vorlegung einer reichen Colleotion
ethnographischer Gegenstände, über
die Reisen des Hrn. Vanghan Stevens in Malacca.
Hr. Hrolf Vaughan Stevens, durch seine Arbeiten über die Väddas auf
Ceylon als unerschrockener Reisender und vortrefTlicher Beobachter bekannt, be-
findet sich im Auftrage der Rudolf Virchow-Stiftung und des Rönigl. Museums für
Völkerkunde auf einer Reise in Maläka, um von den ürbewohnem der Halbinsel
anthropologische und ethnologische Materialien zu beschaffen. Nach den bis jetzt
eingegangenen Berichten hat Hr. Vaughan Stevens seine Arbeiten, welche er mit
ganz ausnehmender Energie und Umsicht geführt hat, noch nicht abgeschlossen;
sein letzter Ausflug, über dessen Verlauf bis jetzt keine Nachricht eingegangen ist,
galt dem eigentlichen Brennpunkte der Frage: den sogenannten Negrito's der Halb-
insel. Doch sind umfangreiche Materialien bereits eingetrofl'en , ans welchen ich
zunächst die folgende üebersicht zusammengestellt habe.
Ich möchte mit den Nachrichten beginnen, welche Hr. V. Stevens über die
ethnische Gliedemng der wilden Stämme mitgetheilt hat und welche viel Neues
bringen, was er aber selbst noch weiter untersuchen imd feststellen will. Bevor
ich aber auf die Gliederung im Einzelnen eingehen kann, möchte ich ganz kurz
(830)
eine Beihe von Namen besprechen, unter welchen hauptsächlich durch Mi kl uc ho
Maclay die Eingebomen in Europa bekannt geworden sind.
Es sind die Namen:
Orang „Sakei", richtiger: Säkei.
Orang „Gargassi", richtiger: Gargäsi.
Orang „Ekko", richtiger: Ekor.
Orang ^Mowas", richtiger: Mäwas.
Orang JJlu", richtiger Hülu.
Orang Ütan: Orang Hütan.
0
PTn anC^
siv.>^°
■ ^,MG^P^^^J
Der Name 0. „Sakei" soll nach Herrn V. Stevens „Hund" bedeuten und ron
den Buginesen (Wügi) eingeführt worden sein. Das letztere mag richtig sein,
doch hat in keiner malaiischen Sprache „Sakei" die Bedeutung „Hund". Vielmehr
bedeutet Orang Sakei „die Leute der Gefolgschaft" oder geradezu die „Freunde",
da das mal. Wort Sakei sicher nur auf das Sanskrit-Wort Sakhi, „Freund^.
zurückgeht. Wie das Wort zum Spottnamen wurde, ist noch nicht fest-
gestellt: jedenfalls gebrauchen die Eingebomen, obwohl sie selbst von dea Ma-
laien so bezeichnet werden, den Ausdmck, um eine Klasse mythischer Wesen da-
mit zu bezeichnen, welche bisweilen sich im Walde sehen lassen, dann aber sofort
wieder verschwinden sollen. Einen besonderen Stamm von Eingebomen dieses
Namens giebt es nicht; ebensowenig giebt es Stämme, welche die folgenden drei
Namen tragen: die Namen Orang Gaigasi (^grausame Wesen *^, ^Dämonen"),
Orang flkor (^Schwanzmenschen"), Orang „Mowas^ bezeichnen ebenfalls keine
wirklichen Menschen, sondem die in Europa Orang Ütan genannte Affenart Orug
(831)
Ülu, mal. 0. Hülu: „Leute der Quellgegenden^ ist ein Name für alle Dschangel-
Bewohne'r ohne Stammesunterscheidung und verhältnlssmässig jungen Datums.
Die Malaien führten ihn ein, als sie anfingen, feste Niederlassungen zu grUnden
und von dem schiffbaren Thcil der Flüsse Besitz zu nehmen. Als den bezeich-
nendsten Namen für alle Dschangel-Bewohner erwähnt Hr. Vaughan Stevens das
malaiische Omng Ütan (0. Hütan). Freilich ist dieser Name in Europa miss-
bräuchlich für eine Affenart verwendet worden: die Anwendung des Wortes („Wald-
menschen^ auf die Dschangel-Bewohner im Allgemeinen ist aber durchaus richtig
und einwandfreier, als die jedes anderen Namens. Hr. V. Stevens hat ihn daher
immer verwendet, wenn er alle Eingebomen zusammenfassen wollte. Er theilt
dieselben in vier Hauptstämme ein:
1. O. ^Tummeor^ (englische Orthographie dieses ganz neuen Namens: wohl
etwa: Tamiya zu sprechen).
2. 0. ^Pangghan''.
3. 0 ^Blandass''.
4. O. „Benar-Benar^.
Vergleiche die beigegebene Kartenskizze.
Orang ^Blandass^ ist der bis jetzt in Europa unbekannte correcte alte Name
des Volkes, welches sich über einen so grossen Theil der Halbinsel ausgebreitet
hat und welches in den verschiedenen Theilen bekannt ist unter den Stamnmamen:
Orang „Mantra*^, O. ^Mintra^.
Orang Kenäboi.
Orang Bersisi.
Orang „Sinnoi*^.
0. £ä"' ^"'*''*"" ^^""""^ 1 «Benar-Benar".
Die ersten vier sind bestimmt ein Stamm. Der Stamm der Djäkun und der
der Benüa war Anfangs aller Wahrscheinlichkeit nach ein besonderer Stamm, ist
aber jetzt mit den Orang ^Blandass^ so verschmolzen, dass er thatsächlich mit
ihnen ein und dasselbe Volk bildet. Der Orang „Sinnoi'^ genannte Stamm ist nur
der östliche Ausläufer der Orang „Blandass^. Hr. V. Stevens berichtet bis jetzt
nur über die verschiedenen ^Blandass^-Stämme ; die Orang ^Tummeor"* und 0.
Pangghan"^ hat er sich für spätere Berichte aufgespart
Die Negrito's des Nordens — die „Udai" der 0. ^^Blandass^ — hat er ent-
weder noch nicht gesehen, oder noch nicht als solche erkannt. Wenn es wirklich
eine solche besondere, zwerghafte Rasse giebt, so sind auf der Halbinsel vier
Orang Hütan:
1. die Negrito's, die ^Zwerge", die „üdai** der 0. ^Blandass^.
2. die 0. .^Pangghan"^, ^die Papua's'^ mit krausem Haar^,
3. die 0. ^Tummeor"", dunkelfarbig und tattuirt,
4. die (). ^ßlandass^ mit ihren obengenannten Unterabtheilnngen.
Ob die O. ^Pangghan^ und 0. .„Tummeor^ mit den sogenannten Negrito's
identisch sind oder von ihnen durch Blutmischung mit Malaien abgezweigt sind,
will Hr. V. Stevens nicht entscheiden, bevor er nicht seine Expedition zu den
Negrito's durchgeführt hat. Die auf der Karte mit Schrafßrung bezeichnete Stelle
war vor dem Angriff der K^dah-Malaien (Perak) allein durch Orang „Blandass'*'
und „Benar-Benar"^ besetzt. Die O. .„Blandass^ einerseits und die Negrito's
andererseits sind nun nach Hm. V. Stevens' Ansicht der Hauptstock, von welchem
die stark markirten Unterschiede in den einzelnen Stämmen hervorgingen. Diese
Unterschiede sind begründet in den verschiedenen und überall sehr ausgiebigen
(832)
BlutmiscbuDgen mit den malaiischen Stämmen der Bügis, Jawanen, Dajak und BataL
Die Batak werden als Menschenfresser und Lente mit lang herabhängendem
Ohrschmack beschrieben und ihr Stamm genannt: Hr. Sterens schreibt ihn
^Puck-Puck*': es sind die Pak-Pak, ein Zweig der Dairi-Xation« Ausserdem rechnen
Blut misch nngen mit anderen Völkern, besonders Siamesen (^Sam-Sam*^), stari^ mit
Eine Ausnahme davon bilden die 0. «Tummeor'^ and 0. ^Pangghan*^, welche aber
den anderen Stämmen Frauen haben geben müssen. Hr. V. Sterens erwähnt in
seinen Berichten wiederholt, dass die 0. ^yBlandass"*, wenn sie auch Frauen
anderen Stammes heirathen, doch noch ihre Rinder als rolle O. ^^Blandass** be-
zeichnen. So kann wohl ein Mann von Negrito-Aussehen sich finden, welcher sich
selbst als reinen 0. «Blandass" bekennt, da sein Vater eiQ O. «Blandass* war.
Ich darf nicht unerwähnt lassen, dass die oben daigestellten Grenzen heute alleneits
durch allophyle Einwanderung überfluthet sind. Auch erklärt Hr. V. Sterens
wiederholt, dass das letzte Wort — tiber die nordöstlichen Stämme besonders —
seinerseits noch nicht gesprochen sei. Sein Suchen nach den Negnto's geht darauf
aus. die möglichste Klärung der ethnischen Verhältnisse anzubahnen.
In dem letzten, hier eingegangenen Briefe berichtet er femer über aus-
gestorbene Höhlenbewohner der rormuhammadanischen Zeit der Halbinsel. leb
habe oft — sagt er — von Malaien und Orang Hütan erzählen hören ron einer
lange ausgestorbenen Rasse, welche in Höhlen wohnte. In der Gegend roo
Pinang bis nach der ^Rrah ^-Landenge nordwärts liegt eine Thalmnlde, einst der
Boden eines seichten Sees. Dort liegen steil aufsteigende Ralksteinfelsen mit
zahlreichen und grossen Höhlen. ISine dieser Höhlen, welche der Reisende be-
suchte, als er die Nordgrenze der Orang Hütan feststellen wollte, war ron den
Malaien ausgeräumt, welche die zerbröckelten TropCsteinstücke mit dem Guano
herausgeholt hatten, um ihre Reisfelder zu düngen. .Sieben Fuss ron der Höhk
ist eine Lage ron zerbrochenen Knochen und Seemuscheln. ~ Manche ron den
Knochen zeigten Spuren von Feuer, und in einer abgesplitterten Stalaktitenmaae
sah Hr. V. Sterens den Abdruck eines gewöhnlich gebildeten Schenkelknochens.
aber der Knochen selbst war herausgefallen und zerstört Einige Knochen aber
hat er sammeln können, jedoch noch nicht eingesandt Er kennt mehrere, noch un-
berührte Höhlen.
Von sonstigen prähistorischen Gegenständen kann ich 49 Batu Lintar's ror-
legen. Diese Steinwerkzeuge gehen durch den gansen indisdien Archipel und
kehren in Hinterindien, Barma, Kambodscha u. s. w. wieder. Welche früheren
Stämme der Halbinsel sie fertigten oder gebrauchten, darüber kann Hr. V. Sterens
keine Auskunft geben. Weder die Malaien, noch die Orang Hütan wissen irgend
etwas Positires üt>er ihren Ursprung oder Gebrauch. Die letzteren kümmern
sich nicht darum, wenn sie eines auf ihren Wanderungen sehen, aber die aber-
gläubischen Malaien glauben % dass es die Wur^eschosse eines Djin oder Geistes
sind, und, wenn sie ein Stück finden, so rerstecken sie es in ihren Hiusern.
Von dem wirklichen Gebrauch der Steinwerkzeuge haben sie keine Uebec^
lieferung. Dieselben werden in rerschiedenen Tiefen in der Erde gefanden, sonst ist m
Maläka absolut nichts darüber bekannt. Die rerschiedenen Orang Hütan-Stimme
sagen alle gleichmässig aus, dass in alten Zeiten auf der Halbinsel Menschen ge-
lebt hätten, rerschieden ron ihnen und ron den Malaien. Aber das ist eine w
unbestimmte üeberlieferung.
Mit dem Mikroskop sind an den Steinen Kupfer- oder fisentheOchen zu be-
1) Die darüber cursirenden Sagen xu wiederfiolen. würde hier tu weit fdhreiL
(833)
merken. Wo dies der Fall ist, ist der Stein von den Malaien dazu gebraucht
worden, die Endspitze an dem Metallspom ihres Rampfhahnes herzusteilen, da sie
die abergläubische Vorstellung hegen, eine so hergestellte Spitze könne nicht
stumpf werden. Die Kinder der Malaien spielen bisweilen mit den Steinen und
mögen sie wohl glatter reiben, als sie bei der Auffindung waren. Hr. V. Stevens
hat bis jetzt noch kein Stück in situ gefunden: die Sammlung enthält alle Stücke,
welche er während eines Jahres zwischen Djohor und Relantan bei Malaien hat
auftreiben können. —
Aus der Masse der übrigen Notizen schliesse ich nunmehr einen Bericht an,
welcher in übersichtlicher Form die Sitten der Orang Benüa skizzirt. Ich gebe
diesen Bericht in wortgetreuer Uebersetzung:
^Die Orang Benüa haben in der Regel nur eine Frau, aber der Häuptling des
Stammes hat bisweilen zwei. Ehebruch kommt unter ihnen selbst sehr selten vor.
Illegitime Rinder von reinem Benüa -Blut sind selten, häu%er aber, wo das
Malaiische Element hinzutritt. Das niedrigste heirathsfähige Alter ist das vier-
zehnte bei der Frau, das sechzehnte beim Mann, aber der Orang Benüa kennt in
der Hegel sein Alter überhaupt nicht. Eine besondere Ceremonie bei der Freiung
findet nicht statt, ausser dass der Freier mit dem Brautvater über die zu be-
zahlende Quantität Pädi einig wird und diesen Preis erlegt. Ein Fest wird an-
gesagt und alle Orang Benüa der Nachbarschaft werden eingeladen. Der Braut-
vater liefert zum Schmause den Reis, der Bräutigam gewöhnlich die Fische, während
einige von den Gästen, welche andere Nahrungsmittel beisteuern können, dieselben
mitbringen. Am Hochzeitstage versammeln sich die Gäste kurz vor dem Dunkel-
werden. Die Männer, unter ihnen der Bräutigam, sitzen in oder um die grösste
Hütte, rauchend und plaudernd, während die Weiber in der Hütte des Brautvaters
kochen. Ist der Schmaus vorüber, so singen sie, rauchen und plaudern: jetzt
Männer und Frauen zusammen, bis etwa um 10 oder 11 Uhr Nachts. Da ver-
lässt einer nach dem andern die Gesellschaft, um nach Hause zu gehen. Sie ver-
abschieden sich nicht, sondern stehen still auf und gehen geräuschlos weg, indem
sie ihre Feuerstöcke mit sich nehmen. Zuerst steht der Mann auf, dann folgt die
Frau. Da sie es, wenn irgend möglich, gern vermeiden, bei der Nachtzeit zu
wandern, so schlafen Gäste aus weiterer Entfernung in der Hütte irgend eines
ihrer Bekannten. Haben Braut und Bräutigam nicht eine fertiggebaute Hütte, so
bleiben sie in einer Ecke der Hütte, manchmal, aber nicht immer, durch eine vor-
gehängte Matte geschieden, und diese Ecke behalten sie, bis sie eine eigene Hütte
besitzen. Ehescheidung kommt nicht vor. In seltenen FäUen schlug ein Orang
Benüa seine Frau im Streit. Vettern und Basen dürfen sich heirathen, nähere
Verwandtschaft verbietet die Heirath. Wo zwei Frauen vorhanden sind, ist immer
die erste die Hauptfrau und hält die zweite zu harter Arbeit an. Halbblut von
Malaiischen oder Chinesischen Vätern ist völlig unbekannt unter den wilden
Stämmen, wird aber geduldet, wenn auch nicht geliebt bei denjenigen Clanen,
welche in naher Berührung mit den Malaien leben. Mischlinge aber von ge-
mischtem Säkei (Benüa)-BIut sieht man manchmal, aber nicht oft unter den wilden
Stämmen; sie bleiben selten lange unter ihnen, da sie das weniger wilde Leben
vorziehen. Rings um die Ansiedelungen der Malaien findet man einen eigen-
artigen Säkei-Typus von jedem Stamm mit mehr oder weniger Charakter des Ur-
stanunes, und dieser Typus ist es, welcher bei« den Malaien Orang Djinak (Djinak
„zahm*^) heisst, aber selbst unter den Orang Benüa ist ein Rest von reinem Blut,
welcher sich für besser und vornehmer hält, als die Orang Djinak.
VtrhuKll. d«r B«rl. AotbropoL GMelUehaft 1691. 53
(834)
„Der Benüa-Mann ist indolent, friedlich und harmlos, scheu und zurückhaltend,
durchweg wahrheitsliebend und ehrlich ; — anders sind die unabhängigen Stämme
„Tummeor" und „Pangghan".
^Die alte Verfassung der Orang Benüa war sehr einfach. Jede Familie, jeder
Clan nahm Besitz von einem Landstrich unter einer Form — wenigstens der Praxis
nach — des Communalsystems. Es gab mehr Land als Ansiedler; so entstand
kein Sti'eit um den Boden. Jeder Clan wählte sich seinen Häuptling oder Batin,
dessen Stellung nicht erblich sein musste, und alle etwaigen Streitigkeiten wurden
ihm zur Entscheidung übergeben. Der Bätin erhielt Nahrungsmittel und bei der
Ernte eine unbestimmte Quantität Pädi, aber er hatte kein Recht, es zu rerlangt^n.
Das einzig durchgehende Recht war das der Zurückerstattung durch die Instanz
des Bätin. Für Diebstahl musste das Doppelte gegeben werden. Für persönliche
Beschädigung war der Batin zugleich Richter und exekutive Behörde und ver-
hängte dasselbe als Strafe, was der Beleidiger verübt hatte, an dessen Person mit
einem ähnlichen Object, einer ähnlichen AVaffe u. s. w. Ein Gesetz gegen Ehe-
bfoich gab es nicht, ebensowenig gegen Lüge und Betrug. Ein grauhaariger Bönüa-
Mann erklärte: Welch* einen Zweck hat das Gerede, wo doch der Orang Benua
aufwächst, wie die Palme und sich nicht windet, wie der Rotan! Zufällige Be-
schädigung wurde, wenn nicht durch die Gemeinde geschlichtet, — denn der
Benda-Mann ist nicht rachsüchtig, — ausgeglichen durch den Bätin meist mit einer
Ordnungsstrafe, welche mit Pädi zu bezahlen war. Das alte Recht der Orang
Benüa ist nur dem der Malaien gewichen; der Bätin wird heute unter dem Titel
Penghülu von dem Malaien-Fürsten des Distrikts gewählt. An diesen müssen auch
alle ernsteren Fragen gebracht werden. Thatsächlich ist dadurch das Macht-
bereich des Bätin stark verringert: er kann die kleinen Meinungsverschiedenheiten
seiner Stammesgenossen leicht in Frieden lösen; — anders ist es mit Konflikten
zwischen Orang Benfta und Malaien.^
Der NationalwatTe der Waldbewohner, dem Blasrohr (mal. Sumpitan), hat
Hr. y. Stevens ganz besonders seine Aufmerksamkeit geschenkt Er berichtet
darüber:
Auf der Malaiischen Halbinsel sind zwei Arten von Sumpitan's im Gebranch:
das „Rohr"- und das „Holz"- Sumpitan. Das von Holz wird verfertigt und ge-
braucht nur südlich von dem Flusse Pähang in dem Staate gleichen Namens. Im
Nordwesten dieses südlichen Distriktes ist der Gebrauch des Sumpitan's nicht mehr
bekannt, aber auf der östlichen Seite, unter den sogenannten Orang Djäkun, ist es
noch vorhanden, wird aber selten verfertigt. Das „Rohr ^-Sumpitan wird benutzt
vom Pähang-Flusse an bis zum Staate Petäni im Norden: es ist die einzige Waffe
der wilden Stämme: „Tummeor", „Pangghan" und, wie ich sie vorläufig nennen
will, — der Semang-Stämme.
Nur ein Clan oder eine Familie der Orang Djäkun fertigte die Holz-Snm-
pitan's ftlr den ganzen südlichen Distrikt, und im Norden lieferte nur ein kleiner
Distrikt, der „Mengiri"-Distrikt im R^lantan, die Rohr-Sumpitans, da Rohr in ge-
nügender Länge nur an dieser Stelle wächst. Von beiden Centren ans führten
die wandernden Orang Hütan als Handelswaare unter sich die fertigen oder halb-
fertigen Sumpitans weiter zu den entfernter wohnenden Stämmen.
Zunächst ein Paar Worte über das Holz-Sumpitan. Grosse Schwierigkeiten
machte es, festzustellen, wo sie in alten Zeiten verfertigt wurden. Die Leute im
Westen wussten nur, dass sie aus dem Osten kamen: die südöstlichen wussten es
entweder überhaupt nicht oder sie wollten es nicht sagen. Caliophyllum sp.
wächst nicht überall auf der Halbinsel: das Holz dieses Baumes hat die Eigen-
(835)
thümlichkcit, dass es sich nicht wirft. Daher richtete Hr. V. Stevens sein Augen-
merk auf diese Bäume: auf der Heise nach Kelantan machte er ausfindig, wo die
Stelle war. Das Holz-Sumpitan wird aus zwei Theiien verfertigt, in jeden Theil
wird eine Rinne eingeschnitten, dann wird Rotan ^Segri^ darumgebunden und
darüber ein Bambufuteral gestreift. Das feste durchbohrte Sumpitan von Bomeo
ist auf der Halbinsel nicht bekannt, ausgenommen, wenn eine Anzahl Däjak, welche
Gettah Pertja auf der Halbinsel suchen, deren mitgebracht hat. Das Rohr-Sumpitan
hat sehr verschiedene Verzierungen, je nach dem Landestheil; sie sind vom Pä-
hang-Flusse an bis Nord-Relantan im Gebrauche, bei den Stämmen ^Sinnoi^ und
„Tummeor". Da aber diese beiden Völkerschaften unter sich Zwischenhandel
treiben, so gelangen die Sumpitans von dem einen Besitzer zum andern und jeder
fügt Verzierungen zu, wenn er Neigung dazu verspürt. Es ist demnach unmöglich,
Unterscheidungen zu treffen und irgend ein Sumpitan als typisch für den Stamm,
von welchem Hr. V. Stevens es erhielt, zu erklären. Dasselbe muss von den
Köchern für die Blasrohrpfeile gesagt werden. Sie gelangen von Besitzer zu Besitzer,
und obgleich sie so sehr verschieden von einander sind, so hängt dies lediglich von
Laune imd Zufälligkeit ab. In der Regel giebt der Verfertiger das Sumpitan ohne
jede Verzierung, oder doch nur mit wenigen Ausschmückungen versehen, aus der
Hand. Die Art imd Weise, das Sumpitan zu halten, ist eigenthümlich. Herr V.
Stevens hat in Ermangelung anderer Mittel ein ingeniöses Modell aus einem Paar
Handschuhen hergestellt. Die Methode ist überall dieselbe auf der ganzen Halbinsel.
Die Bambuhütten über den Sumpitans werden oft; von dem Besitzer erneuert,
da sie nicht so schwer zu beschaffen sind, wie das Rohr, aus welchem das Sum-
pitan besteht.
Proben von Pfeilköchern von einigen oder allen Spielarten kann man im
Besitz eines jeden beliebigen Trupps der Orang Hütan zu sehen bekommen. Da
sie beständig vertauscht werden, so ist nicht die leiseste Beziehung zwischen
einem beliebigen Sumpitan und dem begleitenden Röcher herauszufinden. Die
Deckel des Röchers sind selten diejenigen, welche ursprünglich dafür gefertigt
wurden, und die Zeichnungen werden von Zeit zu Zeit, wie erwähnt, mannichfaltiger.
Wohl mag ursprünglich jeder Stamm seinen eigenen Styl gehabt haben, aber
sicherlich ist das jetzt unter den Orang „Sinnoi'' und „Tummeor'* nicht mehr
der Fall.
Was die Blasrohrpfeile betrifft, so gebrauchen die Orang Benüa einen sehr
kurzen Pfeil, welcher aus dem äusseren Holz einer Palmenart (welcher?) gefertigt
ist Der Fussboden ihrer Häuser ist gewöhnlich aus Streifen dieses Palmholzes
gemacht, und wenn ein frischer Vorrath von Pfeilen nöthig ist, so werden einige
Streifen vom Fussboden losgerissen und verarbeitet. Auf diese Art hat der Orang
Hütan stets einen Vorrath trocknen Materials. Sonst werden die Streifen monatelang
über das Feuer gehängt, bevor sie zu Pfeilen geschnitzt werden, da ihr genaues
Fliegen davon abhängt, dass sie völlig getrocknet sind. Wenn ein Orang Hfttan
Halt macht, so besteht seine erste Handlung nach dem Anzünden des Feuers darin,
seinen Sumpitan-Röcher darüber aufzuhängen. Die dicken Enden (Flugpfropfen)
der Pfeile werden aus „Jarentong^ ') - Mark hergestellt, da dieser Baum im Süden
frei wächst. Die Orang „Sinnoi**, ^Tummeor'', „Pangghan**, überhaupt jene
Stämme, welchen der Reisende bis jetzt begegnet ist, gebrauchen längere Pfeile,
als die Orang Benüa, verfertigt aus der ^^ertam** -Palme*). Sie verwenden
1) Botanische Bezeichnung fehlt.
2) Wie zu 1).
58
(836)
übrigens die gleiche Soi^falt darauf, trockenes Material zu haben, wie die Orang
Benüa. Die Länge scheint sowohl Ton der Lungenkraft des Einzelnen, als von der
Länge des Sumpitan abzuhängen. Ein Mann wird die Pfeile eines andern nur
im Nothfall versuchen.
Der Durchschnitts-Orang Kutan pflegt in seiner trägen Weise, wenn er nicht
angetrieben wird, ungefähr dreissig Pfeile in einem Tage fertigzustellen. Wie
weit die Pfeile fliegen, ist schwer festzustellen. Es giebt ja wenig offene Stellen
im Dschangel, um ein Maass gebrauchen zu können. Wenn mit dem Sumpitan
in waagerechter Richtung geschossen wird, so sind 20—30 m der Durchschnitt.
Die tödtliche Genauigkeit des Schusses zeigt sich erst, wenn der Orang Hütan
aufwärts nach einem Baumwipfel auf einen Vogel oder Affen schiesst Nach
oben hin zeigt sich sehr wenig Abweichung von der geraden Linie, aber beim
Schiessen in waagerechter Richtung ist eine beträchtliche Plugbahn ersichtlich.
Wenn der Schuss fehl geht und der Pfeil nicht durch Zweige und Blätter auf-
gehalten wird, so erhebt er sich noch 20 — 30 m über die höchsten Bäume
Trifft aber der Pfeil, so treibt ihn eine kräftige Lunge nicht selten bis zum
Plugpfropfen in den Leib des Thieres. Wenn der Pfeil gerade und regel-
recht auf das Thier trifft, so bricht er nicht ab; wenn er aber schlecht verfertigt
ein wenig verbogen oder nicht gerade in seinem Fluge ist, so bricht er stets nach
dem Eindringen ab. Selten erhält man einen Pfeil zum nochmaligen Gebrauch
zurück: der getroffene Gegenstand zerbricht den Pfeil beim Fallen und beim Fehl-
schuss sind die Pfeile im Dschangel nicht wieder aufzufinden. Als Schlusspfropf
hinter dem Flugpfropfen wird von allen Stämmen Zunder gebraucht, ausgenommen
die Orang Benüa, welche das dicke Ende des Pflugpfropfens sorgfältig der Bohrung
ihres Sumpitan anpassen. Im Kriege steckt sich der Orang Hütan das Haar mit
Pfeilen voll, und nachdem er auf die kleinen Zunderpfropfen gespuckt hat, beklebt
er sich damit Stirn, Gesicht und Brust, so dass er seine Geschosse zum raschen
Schiessen fertig zur Hand hat.
Von grosser Wichtigkeit für den Orang Hütan ist das Harz, genannt ^Keeji* ')•
Wie das Gift, wie das Material zum Sumpitan und wie der Zunder für die Pfeil-
pfropfen wird es nur an gewissen Plätzen in Fülle gefunden, und obgleich Bienen-
wachs und andere Harze und Gummi im Ermangelungsfalle gebraucht werden, so
wird doch das „Reeji^ von Kelantan für das beste gehalten und bildet einen
Handelsartikel für diesen Staat „Reeji'^ hält nicht bloss den leichten Pfropfen
mit dem Pfeilstäbchen zusammen, sondern dient auch zum Einreiben des Stäbchens
bis auf 1 — 2 englische Zoll von der Spitze an; es wirkt also als eine Art von Fimiss
und hält die Feuchtigkeit ab. Das Harz wird eingerieben, nachdem es an das F^euer
gehalten worden ist; der zu bestreichende Theil wird ebenfalls an das Feuer ge-
halten und der Firniss sanft eingerieben. Der Pfropfen wird mit Hülfe des WaJd-
messers (Parang) geformt.
So viel über das Sumpitan und Zubehör. Das Pfeilgift hat Hr. V. Stevens
von verschiedenen Stämmen zu erhalten gewusst und massenhaftes Material ein-
gesandt Berichte darüber werden am besten erstattet werden, wenn Alles aus-
reichend untersucht und bestimmt ist -
Hr. Staudinger erwähnt, dass der Name Orang-Utan auf Sumatra nur wenig
bekannt sei, dass man dagegen hier für den grossen Anthropoiden die Bezeich-
nung Marbas anzuwenden pflege. —
1) Englische Orthographie
(837)
Hr. Virchow erinnert an das Vorkommen des Namens Orang-Utang schon
bei Tulpius. Auf der Abbildung, die er von diesem Affen giebt, steht als lieber-
Schrift: Homo sylvestris,. Orang-Utang*). —
(28) Hr. Virchow spricht über
die wflden Eingebornen von Halacca.
Das besondere Interesse, welches die Anthropologen immer wieder auf die
Halbinsel Malacca und deren Bewohner führte, war hauptsächlich durch die An-
gaben der Reisenden über das Vorkommen wollhaariger schwarzer Stämme hervor-
gerufen, welche sich zwischen den mehr oder weniger malayischen Stämmen der
Rüstengegenden in vereinzelten Gruppen, daher nur in dem schwer zugänglichen
Innern, vorfinden sollten. Waitz (Anthropologie der Naturvölker, 1865. V. 1.
S. 18, 86) hat die bis auf seine Zeit vorhandenen Berichte mit gewohnter Sorg-
falt zusammengestellt, aber auch er blieb im Zweifel darüber, ob es hier wirk-
lich eine Art von Negritos gebe. Earl (The native races of the Indian Archipelago.
Papuans. London 1853. p. 150) dagegen betrachtete die Existenz einer wollhaarigen
Rasse auf der Malayischen Halbinsel, wo sie noch bis in die neuere Zeit einen
grossen Theil des Innern eingenommen habe, als ausgemacht, aber eigentlich
wusste er nur von einem einzigen Semang zu erzählen, den Anderson als den Anda-
manesen ähnlich beschrieben hatte und dessen Haar wollig und buschig (tufted) ge-
wesen sein sollte. Dieses Zcugniss wurde dadurch sehr beeinträchtigt, dass ein anderer
Semang von Tringano eine ganz andere, „Papua-Tamulische^ Beschaffenheit zeigte:
„sein Haar war spiralig, nicht wollig, und wuchs dick um den Kopf in Büscheln**.
N. V. Miklucho-Maclay hat das Verdienst, auf zwei Reisen durch die
Halbinsel von Johor aus 1874 — 75 etwas bestimmtere Nachrichten gesammelt zu
haben. Sein Bericht (Ethnologische Excursionen in der Malayischen Halbinsel.
Separ.-Abdr, mit Karte und Abbildungen. Vgl. Hlustr. Zeitschrift für Länder-
und Völkerkunde. 1880. Bd. 37. Nr. 1. Verhandl. unserer Gesellsch. 1876.
S. 226, 291) bezieht sich namentlich auf die Orang Sakai, die er an verschiedenen
Orten im Innern antraf, während es ihm nicht gelang, mit den Orang Semang
direkte Fühlung zu gewinnen. Von den ersteren sagt er, dass ^.ihre Haare ganz
feine Ringelungen (2 — 4 mm im Durchmesser) zeigen und auf dem Kopfe eine
compakte, wenig abstehende Haarmasse bilden.^ rJ^^ Haar ist ein gutes Kenn-
zeichen für die Reinheit der Abstammung,^ fügt er hinzu. Er kam schliesslich
zu der Ueberzeugung, ^dass die Orang Sakai und die Orang Semang Völker-
schaften desselben Stammes seien, dass sie in physischem Habitus und in sprach-
licher Beziehung einander sehr nahe stehen und eine reine, ungemischte Ab-
zweigung des melanesischen Stammes darstellen, deshalb von den Malaien anthro-
pologisch absolut verschieden seien. ^
Für eine solche Trennung sprechen auch ein Paar Photographien von Sakais
aus Perak, die Hr. Bro de Saint-Pol Lias aufgenommen hat (Quatrefages,
Les Pygmees. Paris 1887. p. 53. Fig. 8).
Es erschien mir deshalb von höchster Bedeutung, die Völker- Verhältnisse der
Halbinsel ?on Neuem durch eine erprobte Persönlichkeit studiren zu lassen. Zu
diesem Zwecke empfahl sich Mr. Hrolf Vaughan Stevens, ein Mann aus einer
norwegischen, nach England übergewanderten Familie, der in Australien seine Be-
fähigung zum Verkehr mit den Wilden genügend nachgewiesen und mit den
1) Nicolai Tulpii Observat. medicae. Amstolod. 1652. p. 284.
(838)
Weddas von Ceylon längere Zeit unmittelbar zusammen gelebt hatte. Als er sich
zur Uebernahme einer wissenschaftlichen Mission in Malacca bereit erklärte,
schlag ich Hrn. Bastian vor, ihn dahin zu entsenden. Ich stellte für diesen
Zweck eine, von Emil Riebeck meiner Stiftung vermachte Summe zur Verfügung.
Hr. Bastian ging auf den Vorschlag ein und fügte aus den Mittein des Museums
für Völkerkunde eine gleiche Summe hinzu. So ausgerüstet, hat Mr. Stevens
die Reise angetreten und von Johor aus ausgedehnte und zum Theil gefahrvolle
Expeditionen, vorzugsweise an der Ostküste, ausgeführt.
Seine Ergebnisse sind bis jetzt in Bezug auf den anthropologisch wichtigsten
Punkt ohne ein abschliessendes Ergebniss gewesen. Er hat keine Negritos ge-
troffen. Aber er hat die Hoffnung nicht aufgegeben, und im Augenblick befindet
er sich auf einer neuen Expedition, von deren Verlaufe noch keine Nachricht ein-
getroffen ist. Was er auf den von ihm früher besuchten Gebieten gesehen hat,
ist vorher durch Hrn. Orünwedel überaichtlich dargestellt worden. Aus diesen
Gebieten, in welchen hauptsächlich Leute vom Stamme der Blandass wohnen, hat
er auch eine Reihe anthropologischer Notizen eingesendet. Diese sollen den In-
halt der nachfolgenden Mittheilungen bilden. Dabei ist von vorn herein hervor-
zuheben, dass Mr. Stevens von keinem der Stämme, die er kennen gelernt hat,
überzeugt ist, dass derselbe ganz reinen Blutes sei, sowie dass seine Messungen,
wie er selbst sagt, zum Theil wegen des mangelhaften Zustandes seiner Instru-
mente, nicht als ganz sicher angesehen werden dürfen. Immerhin dürfen sie.
meiner Meinung nach, auch wemi sie nur approximative Werthe enthalten sollten«
als nicht zu verachtende Grundlagen für die VöJkerkenntniss der roalayischen Halb-
insel angesehen werden.
In einem Berichte, der im Juli 1891 hier einging, bemerkt er, es würde ihm
möglich gewesen sein, Schädel von Mantra oder Jakuns zu sammeln, aber er
habe es unterlassen, da er noch nicht ermittelt habe, was diese Leute eigentlich
seien. Auch die Blandass seien Mischlinge; alle hätten in variablen Verhältnissen
malayisches Blut. Sie wanderten hin und her, seien bald in Pcrak, bald in
Pahang, Selang oder sonstwo, und nähmen ein Weib von einem ihrer Waris. —
Bei dieser Gelegenheit gicbt er eine Beschreibung der Lattah-Krankheit.
die sehr häufig unter ihnen vorkomme. Bei den Orang Utan litten hauptsächlich
die Weiber daran, wohl 12 pCt. in ausgesprochener Weise, und ausserdem noch
30 pCt. in verschiedenen Graden. ^Wenn ich ein Lattah-Weib ansehe,** sagt er.
„und plötzlich eine sprungweise Bewegung (jump gesture), einen Schrei oder eine
Handlung vornehme, so wird sie das wiederholen, und nur eine wirkliche Ruh<^
pause wird ihr wieder die Herrschaft über ihre Nerven zurückgeben. Der Lnttah-
Zustand wird durch eine einfache Berührung hervorgerufen. So ist es unmöglich,
die Symphysis pubis zu messen; bis zu dem Augenblick, wo die Frau den Druck
des untersuchenden Fingers empfindet, steht sie ganz still bei allen Vornahmen,
dann aber bricht auf einmal eine hysterische Verkrümmung (wriggling) aus. Die
Umstehenden lachen darüber, und das macht die Sache noch schlimmer, denn
die Frau bricht gleichfalls in Lachen aus, ohne sich halten zu können (without
seif control).''
„Als ich eines Tages mit einem Weibe über diesen Gegenstand sprach, fragte
ich sie: Wenn ich sie aufforderte, ihre Hand in das Feuer zu stecken, würde sie
es thun? Sie war bis dahin ganz ruhig, aber nun begann sie zu schreien, und
der alte Penglima, der bei mir sass, ergriff sofort eine Rokosnussscbale mit
Wasser und schüttete es in das Feuer. Das Weib ergriff unmittelbar darauf mein
Gefüss mit Curry und Reis, welches zu meiner Mittags mahl zeit bereit stand, und
(839)
schüttete es über das Feuer, in Nachahmimg der gesehenen Handlung. Jetzt
sprang die Frau des Pcnglima auf und lief in das Jnngle, indem sie die Arme
über den Kopf schwenkte. Das Weib ahmte ihr nach und rann hinter ihr her.
Der Penglima erklärte mir nun den Vorgang: das Weib hätte sicherlich ihre Hand
in das Feuer gesteckt, wenn er dasselbe nicht ausgelöscht hätte, und seine Frau
habe das Weib in das Jungle gelockt, wo sie wieder ruhig werden würde."
^Der Mann zeigte mir an seinem Ellbogen drei lange Narben, welche von
einer Verletzung in seiner Kindheit herrührten. Damals kam ein Mann zu seiner
Mutter, setzte sich ihr gegenüber, plauderte mit ihr und nahm fast gedankenlos
ein Stück Zuckerrohr, das er mit seinem Parang spaltete, um davon zu essen. Im
nächsten Augenblick ergriff die Mutter gleichfalls einen Parang und verwundete
damit das Kind, das sie hielt, einigemal, bevor der Mann es befreien konnte."
^Ich selbst habe Lattah- Weiber höchst auffällige Dinge thun sehen. Einmal
fehlte mir eine Notiz über das Haar an den Genitalien. Ich rief ein Lattah- Weib
in eine Hütte und veranlasste den Penglima, sein Sarong über den Kopf zu ziehen;
sofort hob das Weib ihre Kleider auf und stand nackt da."
„Wegen des Lattah verbergen sich Weiber, die ein Kind an der Brust haben,
in der Hütte, sobald ein Fremder, namentlich ein Malaie, die Niederlassung be-
tritt oder seinen Weg durch dieselbe nimmt Oft genug sieht man auch eine
Qcsellschaft von ßlandass von einem Ort zu einem anderen ziehen, wobei einzelne
Männer Kinder tragen. Das geschieht, wenn die Frau Lattah ist und in Besoi^iss
geräth, dass irgend ein ungewöhnlicher Gegenstand dem Kinde Schaden zufügen könne."
„Das Lattah scheint nicht vor dem Eintritt der Menstruation vorzukommen.
Selten besteht es mehrere Jahre fort. Von den Kindern einer Lattah-Frau wird
eines oder das andere von der Krankheit ergriffen, die anderen nicht. Die Krank-
heit wird nicht durch geistige Erregung in dem dunklen, mysteriösen Walde her-
vorgerufen, denn die wilderen Leute haben sie weniger, als diejenigen, welche an
sonnigen, lichten Stellen unter Malayen leben. Fremden wird die Existenz einer
Lattah verheimlicht,**
Man ersieht aus dieser Beschreibung, dass die Lattah-Krankheit eine Neurose
ist, welche dem Hypnotismus mit Neigung zur Suggestion nahe verwandt
ist. Manches in den Schilderungen von Reisenden, welche das Leben der Ein-
gebomen in ihren Hütten beobachtet haben, auch an anderen Orten, dürfte der-
selben Kategorie angehören. —
Mr. Stevens klagt darüber, dass die Unsicherheit über das Verhältniss der
einzelnen Stämme zu einander sehr gross sei, da jeder Stamm eine Stufen-
folge von Vermischungen darstelle. „Wenn ich finde, dass ein Tummeor ein
Blandass ist, oder dass er von einem uralten Ausbau eines Blandass-Zweiges her-
stammt, der, gleich den Kenaboy und den Bcrsisi, nach dem neuen geographischen
Platze einen anderen Namen angenommen hat, in Folge dessen der alte Name
Blandass im Laufe der Zeit vergessen ist, so gewinne ich freilich den ursprüng-
lichen Namen, aber gegenwärtig ist es eine schwierige Frage, ob der Stamm über-
haupt existirt, und ich frage mich, ob der mir ertheilte Auftrag dahin geht, halb-
schlächtige Malayen zum Gegenstande der Untersuchung zu machen."
„Die von mir unternommenen Messungen sind in Millimetern an- Fig. 1. Vs
gegeben. Die Länge und Breite des Kopfes, die Gesammthöhe des
Körpers und die des Nabels sind jedesmal dreimal in Zwischenräumen
wiederholt, imi correkt zu sein.
„Die Nase hat durchweg Stammesbesonderheiten (is thoroughly
tribal) und sieht aus, als wenn dieselbe Gussform für alle verwendet
(840)
wäre. Ich habe nicht eine einzige Ausnahme oder Abweichnng von dem Typus
angetroffen. Der beifolgende Umriss (Figur 1) zeigt die typische Form ron
Figur 2. '/' 20 Männern; die Curve giebt die Verhältnisse Ton zwei Drittheilen
ziemlich genau '). Figur 2 zeigt den Querschnitt der Nasenspitze.
„Die Nägel an Händen und Füssen sind sehr kurz, schmal und
dünn, namentlich bei Frauen. Da sie leicht brechen, so yerkflrzen
sie sich stark. Hände und Füsse sind knorrig (knobbed) und nach auswärts ge-
krümmt (splayed) in Folge der Einwirkungen ihrer Lebensverhältnisse. Bei Rindern
sind sie lang und mehr schmal, als breit. Die Fusssohle ist bei Kindern so weiss,
wie bei Europäern, oder wenigstens ebenso frei von dunkler Färbung, dagegen
zeigt der Körper keine gleichmässige Farbe. Dunklere Flecke finden sich an der
Brust, dem Rücken, den Ellbogen (aussen), den Knieen (aussen), der Analgegend
und den Unterschenkeln. Bei dem neugeborenen Kinde entspricht die Fusssohle
den Nummern 23 — 24, die Haut 30 — 31, die Flecken 36, die Augen 2 der Broca-
sehen Farbentafel.
Fifnir 8. V v^^^ Augen sind bei allen Blandass ganz gleich. Ich habe auch
nicht eine Abweichung ron den Schattirungen No. 1 oder 2 wahr-
genommen. Die Innenseite der Oberschenkel ist am hellsten ge-
färbt, besonders bei Frauen, wo die Zahl 45 beträgt Die einzigen
Schattirungen, welche ich bei Personen angetroffen habe, die Ton
Kindheit an malayische Kleidung trugen, waren 26, 33, 30, 37 und
43. Männer aus dem Jungle, die mit dem Chawat bekleidet waren,
zeigten 29, 35, Frauen 37. Der dunkelste unter den Jakuns hatte
28. Der Grad der Beimischung ?on malayischem Blut bestimmt die
Farbe, wo nicht die Sonne Alles zu einer gleichmässigen, helleren
Nuance bronzirt (where the sun does not bronze to one uniform
tint, making it lighter).
„Die Zähne der Jakuns, nicht der Alveolarfortsatz, springen
häufig um 12—16 mm vor den Schneidezähnen des Unterkiefers
Yor, welche fast senkrecht stehen. Caries kommt bei den Wald-
bewohnem selten vor, dagegen öfters bei denen, die unter den
Malayen leben. Bei den Blandass sind die oberen Schneidezähne
viel breiter, als die unteren. Die Lippen sind wohlgebildct, dünn
und die obere wohl gebogen,
^rpisches ^jy^Q jj^gg jg^ niemals durchbohrt, dagegen werden die Ohr-
Chamai einem läppchen der Frauen stets zu einem Loche von 5 mm bis 5 ctn ans-
45jährigen geweitet.
Bersisi-Weibe. ^p^^ Vorderkopf ist stete voll und vorstehend (Fig. 3).
^Beifolgender Umriss (Fig. 4) zeigt die typisch gebildete Brust eines jungen
Mädchens unmittelbar vor ihrer Yerheirathung. Bei den Weibern sind die beiden
Brüste öfters unsymmetrisch. Die Genitalien sind bei beiden Geschlechtem klein.
„Die gemessenen Männer behaupteten sämmtlich, sie seien reine Beispiele der
Stämme, deren Namen sie trugen. Ich habe kein Bedenken, zu sagen, sie waren
es nicht. Lange Zeit wurde ich dadurch irregeführt, dass die Meinung allgemein
geglaubt wird, das Blut der Frau bringe kein champur (Mischung). Wenn ich
die Männer fragte, ob sie iigcnd eine Beimischung von malayischem Blut hätten.
1) Das eingeschickte Profil hat sehr grosse Aehnlichkeit mit den Profilen dreier Per-
sonen, einem indischen Ghond, einer Andamanesin und einer A(^ta, bei Quatrefages
(1. c. p. 63. Fig. 11.)
(841)
80 yersicherten sie ganz bestimmt, dies sei nicht der Fall. Aber sie zeigten mir
andere Personen aus ihrem ^Stamme, die sie als Mischlinge anerkannten, selbst
Figur 4. \
/s
Umriss der Bmst von Owee, einem 12jfthrigen Mantra-M&dchen.
wenn die Kreuzung schon vor vielen Generationen stattgefunden hatte. Auch als
ich ihre Auffassung kennen lernte, dass das Rind das banksa des Vaters allein
sei, und ich dieselben Leute in einzelnen, mir bekannten Fällen fragte, ob ma-
layisches Blut nicht durch die Frau in die Familie eingebracht sei, blieben sie bei
ihrem „Nein^; sie seien reine Blandass, da ihr Vater es gewesen sei.*'
Mr. Stevens wirft hier ohne weitere Motivirung die Frage auf, ob nicht ein
Rückschlag zu reinem Blandass in der neunten nachfolgenden Zufuhr von Blandass-
blut nach einer einzigen früheren Kreuzung (the retum to Blandass purity in the
ninth consecutive Infusion of Blandass blood only after such original cross) zu-
lässig sei.
Seine Messungen hat Mr. Stevens in 2 grossen Tabellen zusammengestellt,
deren Anordnung kleine Abweichungen, auch in der Zahl der gemessenen Theile,
zeigt. Die erste hat 50, die zweite nur 42 Maasse. Ueber die Art der Messung
gicbt er ausführliche, jedoch nicht immer ganz klare Nachweise, ans denen her-
vorgeht, dass er manche Maasse und noch mehr die Methode ihrer Ausführung
erst ausgedacht hat. Da er selbst Bedenken in dieser Beziehung äussert, so ver-
zichte ich vorläufig auf die vollständige Wiedergabe der Tabellen und beschränke
mich auf die Besprechung einiger Hauptverhältnisse.
Was zunächst die gemessenen Leute betrifft, so gehörten sie sämmtlich zu
Blandass-Stänmien, und zwar in folgender Vertheilung, wobei die Kinder -bis zu
15 Jahren gerechnet sind:
Liste L Mantra Jakun Kenaboy Sinnoi
Männer: erwachsen
Kinder . .
Frauen: erwachsen
Kinder . .
Liste U.
Männer: erwachsen
Kinder . .
Frauen: erwachsen
Kinder . .
i\
10
6
2
h)
18
T)
1
) l]^
3
3
2
3
6
11
Kenaboy
-I'
IN
3
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B^rslsi
2
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1
1
2
3
2
1
h
-I
20 13 5
Das ergiebt im Ganzen:
Mantra Jakun Kenaboy Sinnoi BSrsisi
7 4 14 4
6 3 2 5 2
Kinder . . . S 4 3 1 1 3
, . . . ? 3 3 1 — 1
10
10
Erwachsene $
(842)
Betrachten wir nun einzelne der Hauptverhältnisse:
1. Die Körperhöhe, gemessen Yom Erdboden bis zur Scheitelhöhe des
Kopfes, der in der „Stellung nach Camper^ festgehalten wurde. Mr. Stevens
bemerkt, dass er einen Kunstgriff angewendet habe, um gewisse Theile des Körpers
in der Art festzuhalten, dass die Windungen und hysterischen Bewegungen des
Lattah keinen Einfluss ausübten und dass keine Bewegung des Rumpfes stattfinden
konnte. Trotzdeili ergeben sich recht grosse Differenzen innerhalb der einzelnen
Stämme, auch wenn man die Geschlechter getrennt betrachtet So schwankte die
Körperhöhe bei den Mantra-Männern zwischen 1638 und 1471 mm, also um 167; bei
den Frauen zwischen 1488 und 1405, also um 83; zwischen dem grössten Mann
und der kleinsten Frau um 233 mm. Am grössten waren die Differenzen bei
den Sinnoi, wo freilich die ganz ungewöhnliche (wenn anders richtige) Kleinheit
einer 42jährlgen Frau mit 1341 mm angegeben ist: hier beträgt die Differenz
der Männer 172 (1594—1422), die der Frauen 128 (1469—1341), die des grössten
Mannes und der grössten Frau 253 mm (1594—1341). Auch bei den Kenaboys ist
eine 28jährige Frau mit nur 1352 mm notirt. Man darf wohl annehmen, dass dies
Ausnahme -Verhältnisse waren, da bei den Mantra ein 12 jähriges Mädchen mit
1422, ein 14 jähriger Knabe sogar mit 1482 mm verzeichnet ist. Es könnte
freilich auch umgekehrt geschlossen werden, wenn man findet, dass bei den Jakon
ein 12 jähriges Mädchen nur 1219, ein ebenso alter Knabe 1254 mm hatten, und
dass bei den Bersisi ein 11 jähriger Knabe mit 1248, ein 15 jähriger mit nur
1262 mm erwähnt wird.
Jedenfalls besteht ein sehr erheblicher Grössennnterschied zwischen den Ge-
schlechtern. Unter sämmtlichen gemessenen Blandass-lV eibern, 19 an der Zahl,
fand sich nur ein einziges, eine Jakun, deren Wuchs über 1500 mm hinausging
(1523), während unter den Mantra-Männern zwei über 1600 mm maassen (1G3^
und 1608), und zwischen 1500 und 1600 noch ein dritter Mantra, 3 Jakun, 1 Ke-
naboy, 3 Sinnoi und 3 Bersisi vorkamen. Der kleinste Mann war ein 3 2 jähriger
Sinnoi mit 1422 mm; alle anderen Männer sämmtl icher Stämme maassen mehr als
1470 mm. Von den Weibern dagegen blieben 8 unter 1430 mm und nur 7 über-
schritten die Zahl 1450.
Aehnlicho Zahlen hat Miklucho-Maclay erhalten. Er fand bei den Orang
Utan in 80 Messungen bei Männern 1390 bis 1560, bei Frauen 1305 bis 1430,
und bei den Orang Sakei in 23 Messungen bei Männern 1460 bis 1620, bei Frauen
1400 bis 1480 mm.
2. Die Klafterweite, gemessen nach der Distanz der Spitzen beider Mittel-
finger bei rechtwinkliger Ausspannung der Arme hinter dem Rücken. (Dies
ist eine Abweichung von unserer Methode, wo die Messlinie vor der Brust liegt).
Das grösste Maass, 1755 mm, zeigte ein 35 jähriger Mantra von 1538 mm Körper-
höhe (also Differenz + 217 mm), das grösste unter den Frauen, 1545 mm, eine
21jährige Jakun von 1523 mm Körperhöhe (Differenz + 22 mm), das kleinste über-
haupt, 1370 vnn, eine 22jährige Sinnoi mit 1424 mm Körperhöhe (Differenz — 54;,
umgekehrt wie eine 42jährige Sinnoi-Frau, die 1375 mm Klafterweite und 1341 mm
Körperhöhe (Differenz + 34) hatte. Im Allgemeinen war die Klaflerweite grösser,
häufig erheblich grösser, als die Körperhöhe. Ausnahmen, ausser den schon ge-
nannten, finde ich bei einer 45jährigen Bersisi-Frau : Klafterweite 1423, Körper-
höhe 1440 (Differenz - 17), bei einer 23jährigen Sinnoi: 1463, 1469, Differenz
— 6, bei einer 45jährigen Mantra: 1451, 1488, Differenz — 37. Möglicherweist*
entwickelt sich das typische Yerhältniss erst spät. Ein 14 jähriges Mantm-Mädchen
von 1412 mm Körperhöhe maass in der Klafterweite 1431 (Differenz + 19): bei
(843)
einem 15jährigen Bersisi lauten die Zahlen 1262, 1274, Differenz + 12, dagegen
bei einem 3jährigen Mantra-Knaben 861, 843, Differenz — 18, bei einem 3jährigen
Sinnoi 850, 810, Differenz — 40, bei einem 4jährigen Jakun 922, 895, Differenz
- 27, bei einem 7jährigen Mantra -Mädchen 1066, 1046, Differenz - 20. Be-
greißicherweise kommt es am meisten auf die Breitenentwicklung der Brust an.
3. Der Kopfindex variirt innerhalb recht weiter Grenzen: zwischen 71,4 und
91,6, so jedoch dass beinahe die Hälfte der Leute mesocephal und von der
anderen Hälfte etwa zwei Dritttheile brachycephal befunden wurden.
Ob man jedoch den Einzelmessungen durchweg einen entscheidenden Werth bei-
legen darf, ist einigermaassen zweifelhaft, da namentlich in Bezug auf die Kinder
Angaben von sehr widerspruchsvollem Charakter vorkommen.
Ich gebe zum Vergleich einige Zahlen:
4 jähriges männliches Jakim-Kind, Länge des Kopfes 171, Breite 129, Index 75,4
„ weibliches ^ „ „ „ „ 163, „ 129, „ 79,1
„ männliches Kenaboy-Kind, „ , „ „ 164, „ 122, „ 74,4
3 jähriges „ Sinnoi- „ ^ „ „ 1Ö3, „ 129, „ 84,3
^ „ Mantra- ^ „ „ ^ 163, „ 124, „ 76,1
Trotzdem möchte ich den Zahlen einen approximativen Werth nicht bestreiten,
da dieselben mit den Zahlen von Miklucho-Maclay nahe zusammentreffen.
Dieser giebt den Kopfindex der Mantra zwischen 74 und 89, den der Orang Utan
für die Männer zwischen 71 und 86, die Frauen 79—91, die Kinder 74 — 80, endlich
den der Orang Sakei für die Männer zwischen 74—82, die Frauen 75 — 84, die
Kinder 74 — 81 an. Von dem Schädel der Sakai sagt er, derselbe sei mesocephal
mit einer entschiedenen Neigung zur Brachycephal ie, dagegen der Schädel der
Orang Utan „dolichocephaler''.
Geht man von der These des Mr. Stevens aus, dass die von ihm gesehenen
Blandass durchweg Mischlinge, wenngleich vielleicht Abkömmlinge aus recht alter
Mischung, waren, und macht man die Voraussetzung, dass die einzelnen Stämme,
je nach ihren Sitzen und Verkehrsverhältnissen, in verschiedenen Graden der
Mischung unterlegen haben, so würde es sich fragen, welche von ihnen am
wenigsten malayisches Blut in sich tragen. Ich will zunächst eine Uebersicht der
thatsächlichen Befunde geben. Es waren unter den
1. Mantra (20)
Erwachsene
Männer Frauen
Kinder bis 16 Jahren
männliche weibliche
Zusammen
dolichocephal . .
mesocephal . . .
1
. 3
3
3
3
1
4
10
brachycephal . .
. 3
1
2
6
2. Jakun (13)
dolichocephal . .
mesocephal . . .
1
1
1
2
3
3
2
9
brachycephal . .
. 2
—
—
2
3. Kenaboy (5)
dolichocephal . .
mesocephal . . .
brachycephal . .
1
1
1
1
1
—
2
2
1
4. Sinnoi (10)
dolichocephal . .
mesocephal . . .
brachycephal . .
1
. 3
1
1
3
—
l
1
2
7
(844)
5. Bersisi (10) Erwachsene Kinder bis 15 Jahren
Manner Frauen mÄnnliche weibUche Zusammen
mesocephal .... 2 — 2 1 5
brachycephal ... 2 2 1 — 5
Hier fällt sofort auf, dass bei den Mantra und Jakun die Mesocephalie, bei
den Sinnoi die Brachycepbalie dominirt. Die Bersisi, bei denen auch nicht ein
einziges dolichocephales Individuum gefunden ist, schliessen sich den Sinnoi an,
dagegen stehen die Kenaboy, die unter 5 überhaupt gemessenen Personen 2 doli-
chocephale und nur 1 brachycephale hatten, den Jakun am nächsten. Dabei ist
es bemerkenswerth, dass die einzige dolichocephale Person unter den Sinnoi eine
Frau, also wohl ein allophyies Element, war und dass auch bei den Mantra
auf einen dolichocephalen Mann 3 dolichocephale FVauen kamen. Hier wird wohl
kaum daran zu zweifeln sein, dass diese Frauen nicht den eigentlichen Blandass-
Typus vertreten.
Das Gesammtverhältniss der Typen gestaltet sich folgendermaassen:
dolichocephal 4 $ 5 $, zusammen 9 = 15,5 pCt.
mesocephal 16 „ 12 „ „ 28 = 48,2 „
brachycephal 12 „ 9 „ „ 21 = 36,2 „
Bin Ueberblick über die in der vorletzten Tabelle gegebenen Zahlen für die
einzelnen Stämme lehrt femer, dass fast nur diejenigen Stämme, bei welchen die
Mesocephalie stärker hervortritt, also die Mantra, die Jakun und die Kenaboy,
dolichocephale Elemente enthalten, während bei den Sinnoi, wo ßrachycephalie
so stark hervortiitt, nur eine einzige dolichocephale Person, und zwar eine Frau,
bei den Bersisi nicht eine einzige, ermittelt wurde. Es erscheint daher fast als
nothwendig, anzunehmen, dass die ersteren die mehr gemischte, die letzteren beiden
die reineren Stämme repräsentiren. Dazu kommt, dass bei den Sinnoi von den
2 Mesocephalen die Frau einen Index von 79,9, also eigentlich schon einen brachy-
cephalen Index besass, während der Mann einen solchen von 78,2 hatte, dass ferner
von den ausgemacht brachycephalen Individuen ein Mann 87,2, ein männliches
Kind 84,3, die anderen beiden Männer 81,6 und 81,8, die 3 anderen Frauen
81,5 — 82,9 — 83,7 ergaben; somit dürfte die Brachycephalie dieses Stammes ausser
allem Zweifel stehen. Bei den Bersisi, bei denen die Brachycephalen den Mesoce-
phalen eben nur das Gleichgewicht halten, sind die brachycephalen Indices darcb-
weg etwas niedriger; nur eine Frau erreicht 81,9, sonst bewegt sich der Index
zwischen 80,0 und 80,8.
4. Das Haar. Die einzigen anthropologischen Original-Objekte, welche Mr.
Stevens bis jetzt eingeschickt hat, sind Proben von Kopfhaar, und zwar recht
ausgiebige. In der Beschreibung derselben bringt er zugleich einige dankenswerthe
Hinweise auf die BeschafiTenheit des Haares. Ich gebe diese Beschreibung in einer
Uebersetzung:
„Nr. 39. Musterhaar, durch einen alten Batin (Häuptling) für mich aas-
gewählt, als gleichartig mit dem, was seit Menschengedenken als das ursprüng-
liche (early) Blandass-Haar galt. Die Blandass selbst erklären einmttthig, dass das
grobe, gestreckte (coarse straight) Haar von malayischer Mischung herstamme; «ie
nennen es „Kaser^. Der alte Typus, auf den sie sehr stolz sind, heisst ^Rambnl
Aieer'^ oder Wasser-Haar; es ist noch gelegentlich zu sehen und hat eine deutliche
Schattirung von Roth. Ueberdies pflegt es nicht weiss zu werden, während das
grobe Haar dies thui Die Probe ist von einer 35 Jahre alten Blandass-FVao* und
zwar in der ganzen Länge abgeschnitten^
(845)
„Nr. 40. Von einem 75jährigen Blandass- Manne, dünn, gekrümmt (wizen,
bcnt) und greisenhaft.
„Nr. 41. Von einem 37 jährigen Blandass-Manne,
„Nr. 43. Von Kindern. Das kürzeste von einem 4 Monate alten Knaben; das
nächstlange von einem 2jährigen Mädchen; das längste von einem 6jährigen
Knaben.
„Nr. 46. Das gesammte Haar eines reinen Benaa-Mannes von etwa 30 Jahren,
das fVüher niemals beschnitten war. Das Charakteristische des Benua-Haares be-
steht darin, dass es in Büscheln (tnfts) hängt, wobei jedes Büschel sich am Ende
aufwärts wendet und in einen Halbring von ungefähr 2 Vi Zoll im Durchmesser
ausläuft. Diese Aufwärtswendung is^ bei Mischlingen von Sakei nur schwach aus-
geprägt und sie verschwindet gänzlich in einer zweiten Mischung. Die Frauen
verweigern entschieden das Abschneiden von Haar trotz aller Bemühungen und
Anerbietungen. "
Schon aus diesen Angaben, noch mehr aus der Anschauung der untersuchten
Haare selbst geht hervor, dass die Blandass mit Negritos oder Papuas eine nähere
Verwandtschaft nicht haben können. Auch der Unterschied von den, durch
Miklucho-Maclay geschilderten Orang Sakai liegt klar zu Tage. Für diese Frage
würden wir erst von der neuen Expedition in die nördlicheren Bezirke der Halb-
insel, die Mr. Stevens vor einiger Zeit angetreten hat, genauere Anhaltspunkte
erwarten dürfen. Denn dass in diesen Gegenden noch Rückstände Negrito-ähn-
licher oder melanesischer Stämme existiren, erscheint nach den Angaben früherer
Keisenden sichei^estellt.
In Bezug auf die erwähnten Haarproben habe ich Folgendes zu bemerken:
Sämmtliche Proben zeigen eine beträchtliche Länge. Das Haar der 35jährigen
Frau misst 59, das des 37jährigen Mannes 32, das des 75jährigen 26 cm in der
Länge, und da jedenfalls noch ein Stück des unteren Haarendes sitzen geblieben
ist, so darf man sagen, dass das Kopfhaar der Blandass sich durch ungewöhnliche
Länge auszeichnet Dies erklärt sich wohl zum Theil aus der Gewohnheit der
Leute, das Kopfhaar überhaupt nicht zu scbeeren. Man erkennt dies daran, dass
die Haarspitzen schon für das blosse Auge sehr fein erscheinen, und dass die
Enden bei der mikroskopischen Betrachtung zugespitzt und an den Seiten ab-
gerieben, zerbröckelt, zuweilen treppenförmig und wie angenagt aussehen. Auch
längs des eigentlichen Haarschafts ist die Cuticula sehr dünn, woraus sich das
etwas matte Aussehen der Haare erklärt.
Die Haarfarbe ist an den stärkeren Exemplaren durchweg eine sehr dunkle.
Für das blosse Auge gleicht sie dem Ebenholz und nur bei schräg auffallendem
Sonnenlicht bemerkt man einen leicht bräunlichen Schimmer. Allein bei den meisten
Proben zeigt sich eine sehr ungleiche Dicke der einzelnen Haarschäfte, und schon
mit blossem Auge nimmt man wahr, dass die dünneren Exemplare jene hellere
Färbung besitzen, wodurch das von Mr. Stevens erwähnte „Wasserhaar** entsteht.
Wenn dieser Beobachter geradezu von einer Schattirung in Roth spricht, so ist dies
für die Erwachsenen wohl etwas übertrieben, dagegen zeigt das Haar des 2jährigen
Mädchens in der That eine hellröthlich-braune Farbe.
Bei der mikroskopischen Betrachtung sehen die rein schwarzen Haare ganz
undurchsichtig und gleichmässig schwarz aus, indess ist es nicht das so oft bläu-
liche Schwarz des Negerhaars, sondern eine, an dünneren Stellen deutlich ins
Bräunliche ziehende Nuance. An den feineren Exemplaren erkennt man zuweilen
einen dünnen, schwarzen, öfters unterbrochenen Markstreifen. Die ganz dünnen
Exemplare zeigen in der Seitenansicht meist eine licht gelbe, schwach bräunliche
(846)
Farbe, in der keinerlei Kömer zu erkennen sind; vielmehr ist die Farbe
gleichmässig durch die ganze Substanz diffundirt. Hie und da finden sich auch
einzelne Haare, deren Substanz gleichmässig dunkelbraun mit einem Stich ins Gelb-
liche ist. Das bedingt also eine gewisse Annäherung an blondes Haar.
Viele von diesen dünnen Exemplaren haben keine Spur von Mark; bei anderen
sieht man einen schwachen, centralen Markstreifen, der manchmal continuirlich
durchgeht, häufiger aber Unterbrechungen erleidet. Das Extrem dieser Unter-
brechungen stellt sich so dar, dass in gewissen Abständen von einander längliche,
spindelförmige Aushöhlungen mit einem schwach kömig aussehenden Inhalt übrig
bleiben. An ihnen ist die Marksubstanz ganz farblos. Besonders ausgezeichnet
treten diese Eigenschaften an dem Haar des 2jährigen Mädchens (Nr. 43) hervor,
indem einzelne sehr dünne Exemplare sogar ganz farblos sind.
Auf Querschnitten zeigen die dünnen Haare eine drehrunde, die stärkeren zu-
weilen eine leicht ovale Gestalt. Stärkere Abplattungen oder Eindrücke habe ich
nicht gesehen. In den dickeren schwarzen Haaren hat das Pigment bei stärkerer
Vergrössemng stets ein dunkelbraunes Aussehen und erscheint in grösseren und
feineren Körnern, die häufig eine leicht spindelförmige, jedenfalls streifige An-
ordnung darbieten. Wo die feineren Kömchen vorwalten, entsteht ein mehr gelb-
licher Ton. Das kömige Pigment ist durch die ganze Marksubstanz vertheilt,
jedoch in den äusseren Abschnitten dichter, nach innen hin loser.
Besonders interessant ist das Haar des 75jährigen Mannes (Nr 40). Schon
für das blosse Auge erscheint dasselbe meHrt: zwischen gröberen, ganz schwarzen
Exemplaren sieht man dünne, gelbröthliche und ziemlich zahlreich graue oder
weisse Haare. Unter dem Mikroskop zeigt sich, dass die letzteren überhaupt
keine Markstreifen und auch keine Luftbläschen besitzen, so dass der Grund
des Ergrauens allein dem Mangel an Farbstoff, also einer Art von Leukopathia
(Albinismus), zuzuschreiben ist. Die gelblichen Exemplare sind auch hier ganz
gleichmässig gefärbt; sie enthalten einen schmalen, zuweilen unterbrochenen, in
der Regel farblosen Markstreifen, nur vereinzelt bemerkte ich im Verlaufe solcher
Markstreifen kürzere, schwarz erscheinende Absätze.
In keinem einzigen Falle, auch nicht bei dem verhältnissmässig kurzen Haar der
Kinder, tritt irgend eine Neigung zum Krausen oder gar zur Bildung von Spiral-
röllchen hervor. Im Gegentheil, alle eingelieferten Proben zeigen ^gestrecktes*^
Haar. Aber an allen ist eine Neigung zum Welligen, bei einigen auch zu
Drehungen bemerkbar. Insbesondere, wie Mr. Stevens bemerkt, krümmen sich
die Spitzen in Halbkreisform. Meist setzt sich dies noch weiter auf den Schaft
fort, der dadurch ein lockiges Aussehen gewinnt. Darin liegt ein staricer Unter-
schied von dem mongolischen und auch von dem rein malayischen Haar.
Offenbar ist derselbe zu einem grossen Theil bedingt durch die viel feinere,
dünnere Beschaffenheit der Haare, die freilich in der Regel sehr ungleichmässig
ausgebildet ist.
Die wiederholt gebrauchte Bezeichnung von „tafts'' bezieht sich, wie es
scheint, auf die Eigenthümlichkeit, dass oft eine grössere Zahl von Haaren zu
Bündeln oder Strähnen zusammentritt, welche von den Nachbarsträhnen durch kleine
Zwischenräume getrennt sind. Am meisten tritt dies hervor an dem mächtigen
Haarschopf des Benua-Mannes (Nr. 46), der vielleicht nicht „das ganze Haar*' des
Mannes, sondern nur den grössten Theil desselben darstellt Mr. Stevens hat in
diesem Falle das Vorhandensein von tufls besonders hervoi^ehoben. Aber diese
tufts haben mit den, am längsten mit diesem Namen bezeichneten „Büscheb''
der Melanesier und der wahren Neger nicht die mindeste Aehnlichkeii Wahr-
(847)
Bchcinlich vordanken sie ihre Existenz aach nicht einem gnippenwcisen Hcrvor-
wttchaen der Haare, sondern einer natQrlichen Nei^ng liin^rer Haare, sich zu
Strähnen zoBammenzulegen oder znaammenzudrehcn.
Das Gesammlergebniss dieser Untersuchung fuhrt auT eine ähnliche Be-
trachtung, wie ich sie zuletzt ausführlich in der Sitzong vom 16. Februar 1889
(Verh. S. 158) in Bezug auf die älteren Bevölkemngen der südlichen und aild-
östlichen Inaein des malayiachen Meeres dargelegt habe- Wie ich auf diesen
Inseln zwischen dem spiralgerollten Haar der Melaneaier und dem stratTen Haar
der Halayen eine breite Zone mit gewelltem Haar nachweisen konnte, so
scheint auch auf Malacca zwischen den spiral haarigen Ncgritos (Sakai) des Nordens
and den BtraShaarigen Malaycn des Südens und der meisten Ktistengegenden sich
die gewellthaarige Nation der Blandass erhalten zu haben. Auf den Inseln hübe
ich fUr diese Bevölkerung den alten, freilich viel gemissbranchten Namen der
Alfuren wieder anfgenommeD. Folgerichtig würde daher auch eine nähere Ver-
wandtschaft der Blandass mit All^iren zu crschlicssen sein.
Von den Inscl-Alltaren hatte ich bemerkt, dass sie sich ihrem Haarwnchsc
nach einerseits den Ausiroliem, andererseits den Weddaa auf Ceylon anschliessen.
Vielleicht dürfte man bei den Wilden von Halacca asch an Dravidier denken.
Indess steht einer völligen Gleichsetznng der Umstand hinderlich entgegen, dass
die Blandass mehr brachycephal, die anderen Völker mehr dolichoccphal sind.
Daraus ergeben sich neue Fragen, die erst an weiterem Material zu endgültigen
Schlüssen geführt werden können. Hoffen wir, dass es Mr. Stevens gelingen
möge, dieses Material zu beschaffen. —
(29) Hr. Olshausen spricht über
Im Norden gefundene vorgeachichtliche Trompeten.
Im September 1890 übersandte mir Hr. Dircetor W. Fischer in Bembnrg den
neben abgebildeten Gegenstand zur Begutachtung (Fig. 1). Der wesentlichste Theil
desselben ist ein kurzes,
bronzenes Rohr oder eine
Tülle B mit allmählich
nach aussen umbiegen-
demoberemBande,cinem
„LichtkncchfKhnlich. In
der oberen Ocffnung liegt
ein an der Kohrwandung
haftender, etwas unregel-
mässig gestalteter Ringt/ JT
ans brauner Masse, Ur-
nenharz, wie ich fand.
Von diesem Harz haften uuch geringe Mengen um unteren, äusseren Rande des
Rohres. Die Tülle hat 3 Nagellöcher, in deren einem ein vollständiges Pflöckchen
aus Holz steckt, nach innen hervorragend, welches nach aussen zu, offenbar
durch Daran fsch lagen, etwas zerklüftet ist und dadurch in dem Loche festsitzt^
ein zweites Loch zeigt ebensolches Pflöckchen, dessen Spitze aber abgebrochen
ist Das dritte Loch ist leer. — An der Innenwandnng der Tülle, unterhalb des
Harzringes, sind Spuren einer Substanz // erhalten, die mit ihrer feinen, vertical
laufenden Streifung durchaus an den Hombelag vieler OrifTplatten an Bronze-
Schwertern erinnert; in der That ist es otTenbar der Rest eines Rinderhornes,
Figur 1.
(848)
das in der Tülle durch 3 Holzpflöcke fesigehalten wurde und durch den Harzring
nach oben hin, durch das Harz am äusseren Tüllenrande nach unten hin luft-
dicht mit der Bronze verbunden war. Nur solchem Zwecke kann das Harz ge-
dient haben, nicht aber dem, die Bronze auf dem Hom festzukitten; denn zwischen
Hom und Bronze fehlt dasselbe. Ich halte das (3anze für das Mundstück eines
Blaseinstrumentes.
Das interessante Object stammt aus einem mächtigen Grabhügel, ^dem spitzen
Hoch** oder „Spitzhoch" (nicht Hock) bei Latdorf, östl. Bembui^, auf dem
rechten Ufer der Saale. Derselbe wurde 1880 von Prof. Klopf leisch in Jena
für den Alterthumsverein zu Bembuiig geöffnet. Der verabredete genaue Bericht
über die Grabung ist noch ausgeblieben; gelegentliche kurze Erwähnungen der-
selben finden sich im Correspbl. d. deutsch, anthropol. Ges. 1881, 139 — 40 von
Klop fleisch; Verhandl. d. Berliner anthropol. Ges. 1884, 402 von Virchow. Ein
neolithisches Gefäss (^Amphore^) aus dem Hügel bildete Rlopfleisch ab in
„Vollgeschichtliche Alterthümer d. Provinz Sachsen und angrenzender Ctebiete**,
Abth. I, Heft 2, Halle a. S., 1884, S. 90, Fig. 78; vei^l. A. Götze, Gefässformen
und Ornamente der neolith. schnurverz. Keramik im Flussgeb. d. Saale, Jena 1891,
S. 33 u. Taf. 1, 4. Ein wenig ausführlicher berichtete Fränkel in „Mittheilnngcn
des Vereins f. Anhaltische Geschichte u. Alterthumsk.'*, U., Dessau 1880, S. 759.
Aus diesen Nachrichten, sowie einigen privaten, durch Hm. Director Fischer in
Bembui^ und namentlich durch Hm. Dr. Alfred Götze in Berlin mir zugegangenen,
lässt sich das folgende, allerdings immer noch recht lückenhafte Bild der Ein-
richtung und des Inhaltes des Hügels entwerfen.
Der spitze Hoch barg in verschiedenen Höhenlagen eine ganze Reihe von
Gräbem ungleichen Alters. Es lassen sich 5 Gmppen unterscheiden. I., zu unterst,
ziemlich in der Mitte des Hügels, fanden sich liegende Hocker in Kisten aus
kleinen Steinen; Beigaben: die oben erwähnte Amphore, ein schnurverzierter
Becher vom Typus Götze, Taf. I, Fig. 16, und ein glatter Becher, Flintspähne,
geschliffene Flintkeile, Doppelknöpfe aus Muscheln (diese in einem Thonnäpfchen
gelegen). — U., seitlich, in einem später angeschütteten Theile des Hügels, 2 Ro-
tunden, bestehend aus schräg gelehnten Steinplatten, mit Eingangsöffnung ; darin
Brandspuren und sehr viele Gefässe, einer Uebergangsepoche von Stein- zur
Bronzezeit angehörig, und von Formen, wie sie Augustin, Alterthümer in Halber^
Stadt, Wemigcrode 1872, Taf. V und VI, und Kruse, Deutsche Alterthümer lU
Heft 2 u. 3, Halle 1827, Taf. 4, in vielen Exemplaren vorführen. Klopfleisch
meint, die Verbrennung sei hier unter Luftabschluss, nach Art der ^Meiler-
verbrennung", vor sich gegangen. Ob dieser Groppe einige noch in Bemburg
aufbewahrte Zeugreste, sowie Perlen (nach Fraas aus Gagat) und durchbohrte
2iähne, aber auch zwei kleine Bronzeperlen angehörten, kann ich nicht sicher
ermitteln. Klopfleisch spricht im Gorresp. d. deutsch, anthrop. Ges., S. 140 von
neolithischen Zeugresten. — UL, in einer nächsthöheren Schicht des Hügels
traf man 4 gedeckte Steinkisten aus grossen Platten, von Steinschüttongen
umgeben, darin Bronzen und Thongefässe, z. Th. ähnlich der schlechten Ab-
bildung in Alberti, Variscia L, Greiz 1829, Taf. U, 1 (von CoUis bei Gera;,
mit charakteristischen, als Cannelüren ausgeführten Verzierungen. Hr. Director
Fischer sandte mir 4 Zeichnungen von verschiedenen Grefässen, z. Th. mit fa-
cettirten Rändern, die alle aus Kiste Nr. 1 stammen und zu Bronzen gehören
sollen. — Grappe IV und V, einander etwa gleichalterig, bilden die oberen
Schichten des Ganzen; es wird von starkem Brand, geschmolzenen Bronzen und
(849)
Thongefässen berichl«! Endlich spricht Dr. Götze von einem einzelnen Skelet
mit Bronzen in dem unteren Thcile des H%els. —
Wie min die jetzt in Bembnrg vorhandenen Bronzen auf diese einzelnen Be-
gräbnisse zn veilheilen sind, kann ich nicht feststellen; wenn sie alle der Kiste
Nr. 1 angehören, so fehlen die des Skcicis nnd der Gruppen IV und V, — Hr.
Fischer nahm ferner nach Angabe des Hm. Klopfleiach an, dass alle Bronzen
im Fener gewesen seien, was natürlich für miscr „Mandstück" mit seinen Besten
ans organischein Material nicht zutrifft; immerhin kann es zn einem Brandgrabe
gehören. —
An Fnndstücken aus dem Bpitzen Hoch erwähnt Yirchow noch bearbeitete
mid ornamentirte Hirschgeweihstücke (aus den steinzeitl. Schichten) und Fränkel
„MuBchelgeld'' (die Doppclknöpfc?), Ilolzrinde und ein Flacon aus Leder. Hr.
Dr. Götze meint, dies nFlacon", ron dem auch Prof. Klopflcisch in seinem
Colleg gogprochen, habe das UundstUck gehabt, das ich einem Blasehome zu-
schreibe, und rermuthet jetzt, das „Ledor" sei eben nichts anderes, als das braune
Urncnbarz, welches ich nachgewiesen habe. —
Figui 2. Figur 8.
Von den Bronzen Qbersandlc mir llr. Fischer ausser dem MondstUck noch
eine kleine Auswahl; es sind eben nur noch einzelne Stücke als Theile von
Bingen, Nadeln und dei^l. erkennbar und erscheint es als ein wahres "Wunder,
dass das HundstQck der allgemeinen Auflösung entging. Unter den mir vor-
liegenden Bronzen kann ich folgende unterscheiden: I. ein massives StUck mit
grossem, etwas conischem Loch, aussen mit 9 stark vorspringenden Bippen ver-
sehen, das Ende mit der kleineren OcfTnung noch ziemlich intact, das andere stark
beschädigt, so dass die ursprtlngliche Länge des Ganzen nicht mehr sicher fest-
zustellen ist (Fig. 2), aber wahrscheinlich fehlt nicht viel. Das Sttlck macht den
Eindruck eines Keulenknaufs; vergl. den steinernen von E^enbnrg, Nieder-
Oesterreich, Much, prähisi Atlas, Wien 1889, 8. 35, Fig. 8, mit 7 Bippen. Freilich
muss man auch beachten, dass zahllose Perlen und Spinnwirlel aus Stein nnd
anderem Material ähnliche Rippen zeigen und unser Stück fttr einen Keulenknauf
etwas leicht erscheint. Aber man kann auch einen Oeisselknopf vor sich haben;
vgl. Lindenschmit, Heidn, Vorzeit I., 8., Taf. 2 und Sammlangen zu Sigmaringen,
Taf. 41, 7 nnd 9 — 13, bronzene sog. Stachelknöpfe (Reulenköpfe und Geisselknöpfe),
von denen verschiedene noch kleiner und leichter sind, als unserer. Ob die Zeit
dieser in vielen Samminngen vorhandeneu Stachelkaöpfe bestimmbar ist, weiss ich
nicht; viele von ihnen stammen ans Italien und vermnthlich sind sie jtüigflr als
unser StUck. Dagegen sei hier erwähnt ein bronzener Keulenkopf ans der
V>rli»dl. d*r Btrl. Aolhrop. fiiHUtehift 1891. M
(850)
Warnicker Forst, Samland, wie es scheint ein Einzelfund, aber von Tischler,
Phys.-ökon. Berichte 1889, S. 25 der ältesten Bronzezeit zugeschrieben (Prorinziul-
museum zu Königsberg, Nr. 3935), den ich hier nach einer von Hm. Prof.
J entzieh gütigst übersandten Zeichnung wiedeigebe (Fig. 3). Das Loch ist schwach
conisch; beide Durchmesser weichen um etwa 1 mm von einander ab. Gewicht
des Stückes 166,1 g, Rculenköpfe aus Stein, zum Theil von ganz ähnlicher
Form, kommen namentlich in Ostpreussen *) relativ häufig vor. Tischler setzt
sie an's Ende der Steinzeit (Phys.-ökon. Abhandl. 24, S. 106, Fig 7). Gräber-
funde dieser Art sind sehr selten; doppeltes Interesse beansprucht deshalb ein
ziemlich grosses, ellipsoidisches Stück aus weissem, polirtem Marmor, gefunden
nebst einem Armring aus Knochen und einem Thongefäss mit 4 warzenförmigen
Ansätzen bei einem Skelet in dem grossen spät-neolithischen Grüberfelde zu
Rossen bei Merseburg, also ebenfalls im Saalegebiet (Königl. Mus. f. Völker-
kunde z. Berlin. In demselben Grabfelde auch ein scheibenförmiger Keulen-
kopf aus dunklem Gestein, ebenda I. g. 105).
Ein merkwürdiges bronzenes Stück aus einem Moorfunde von Babbin bei
Pyritz, Pommern, Stettiner Museum, Nr. 1484, Balt. Stud. 29, 308, 10 k, Photogr.
Album, Berlin 1880, II. 21, dürfte aber wohl nicht hierher gehören. Von dem
unteren Rande einer kurzen Tülle gehen 4 Klauen aus, deren Spitzen einen Durch-
messer von 7 cm für das ganze Stück ergeben. Die Tüllenwandung hat nach gef.
Mittheilung des Hm. A. Stubenrauch unten 0,8 cm Dicke, die obere Kante i^t
haarscharf. Das cylindrische (nicht conische) Loch hat 1,3—1,4 cm Durchmesser.
Das Gewicht des Stückes beträgt nur 26 g. Seine Bestimmung ist mir unklar. —
2. Bruchstücke eines glatten Ringes (?). — 3. Stück eines tordirten Ringes 0^).
— 4. Stücke grosser, scheibenförmiger Nadelköpfc (?), ähnlich den ungarischen,
Hampel, Alterthümer der Bronzezeit, Budapest 1887, Taf. 53, 10-12. — 5. ein
kleines Spiralröhrchen aus einfachem Draht. — 6. Bruchstück eines Messers mit
Thierkopfgri(T(?), wieMonteliusTidsbestämning inom Bronsaldem, Stockholm l.v^.'»,
Fig. 54, Periode UI. — 7. eine Messerscheidenzwinge (?) aus Draht, ähnlich Nanc.
Hügelgräber zwischen Ammer- und StafTelsec, Stuttgart 1887, Taf. 16, 2 auf S. 1(»1,
dem Ende der Bronzezeit (vor der Hallstattzeit) angehörig, aber aus Goldblech.
An derartiges wenigstens erinnert unser Stück, doch ist es kleiner, Oeffnung 18 auf
7 — 8 mm. Wenn diese Deutung richtig ist, so kann 8. ein kleines Blech, einen
weiteren Beschlag der Scheide gebildet haben. —
Lichtknechtähnliche Bronzen, der Latdorfer gleichend, sind nicht selten,
aber der Rand biegt oft plötzlicher um und aus den Fundumständen erhellt meist,
dass sie Zwingen oder Endbeschläge an hölzernen Griffen von Metallgeräthen.
sog. Schafkschuhe, waren. Bei dem Stück Hampel, Alterthümer der Bronzezeit
in Ungarn, Budapest 1887, Taf. 80, 2 (im Züricher Museum) fehlt es allerdings
hierfür an Anhalt (auf der Zeichnung ist nicht mit Sicherheit erkennbar, ob die
Tülle Nagellöchcr hat; auf Anfrage schreibt mir Hr. Heierli, dass in der That
2 vorhanden sind). Dagegen istMuch, prähist. Atlas, S. 93 Fig. 6 wahrscheinlich
Zwinge eines Messer hefte s. — Im Stralsunder Museum befindet sich femer oiiter
Nr. 1019 der v. Hagenow'schen Sammlung ein Stück, das nach gef. Mitih. d«^
Herrn Dr. Bai er im Verein mit einer ungarischen Bronzeaxt vom Typus Hampel.
1) Hier muss man unwillkürlich der Stelle bei Tacitus, Qermania 45, gedenken, wo
CS von den Aestiem des Bemsteinlandes heisst: „rams ferri, frequens fnstiam usus*
wonach also Stöcke oder Keulen noch in späterer Zeit die gewöhnliche Waffe der Be-
wohner dieser Gegend bildeten. —
(851)
Taf. 29 u. 30, 5 u. 6 a. ä, sovie mit einer Anzahl kleiner Bronzeringe von der Weite
eines Fingers (welche leider verloren gingen) in einer Kiesgrube zu Pitzervitz,
Kc. Soldin, Prov. Brandenburg, gefunden wurde. Die Tülle hat keine Löcher, aber
eine senkrechte Nuthe an der inneren Wandung, offenbar zur Aufnahme eines
Stiftes, um die Zwinge auf den Schaft festzukeilen. Sie kann am Fussende des
Schaftes gesessen und die Ringe mögen zum Schmuck des letzteren gedient haben,
wie es wohl auch an 2 ^ Kommandostäben ^ von SchmÖckwitz, Kr. Teltow,
K. Mus. f. Völkerk. Berlin, I f. 159 u. 160, der Fall war; hier sind indess die
Schaftschuhe nach unten geschlossen und im Querschnitt oval. — 4 Zwingen mit
rundem Querschnitt lieferte, ebenfalls neben 10 Klingen von Kommandoäxten, der
Depotfund von Gross-Schwechten, NNW. Stendal (Mus. Salzwedel). Sie wurden
schon Jahresbericht 14 des altmärkischen Vereins, Salzwedel 1864, S. 5, ohne Zweifel
richtig, als Endbeschläge der hölzernen Griffe bezeichnet; 3 unter einander etwas
verschiedene sind daselbst abgebildet, Taf., Fig. 7 — 9, 2, auch im Berliner photogr.
Album VI, 12. — Das Museum zu Salzwedel enthält endlich noch 2 solcher Schaft-
schuhe aus anderen Funden und von etwas abweichender Form, mit nahezu
rhombischem Querschnitt —
Die Deutung des Latdorfer Objects als Mundstück eines Blasehoms halte ich
für ganz sicher; denn wozu die sorgfältige Dichtung durch Harz, falls man nicht
das Entweichen von Flüssigkeit oder Gas verhindern wollte? Flüssigkeit kommt
hier aber nicht in Betracht, da das Stück niemals an einer Seite geschlossen war.
Allerdings gab es im Alterthum auch beiderseits offene Trinkhömer, wie ich
A. Rieh, Illustrirtes Wörterbuch der röm. Alterthümer, Paris und Leipzig 1862,
entnehme, wo es unter comu 4 heisst: „Beim Trinken hielt man das Hom über
den Kopf und Hess die Flüssigkeit durch ein kleines Loch am spitzen Ende in
den Mund fliessen, wie man auf der Abbildung nach einem Gemälde zu Pompeji
sieht. ^ Vergl. auch den am spitzen Ende wie ein Pferd gestalteten homf. Becher
(cm sog. Pferderhyton) bei Panofka, Griech. Trinkhömer, Berlin 1851, Taf. I, 1
(und danach Weiss, Kostümkunde, 2. Aufl. I, Fig. 262 1), wo ein Pferdefuss die
üusscrste Spitze bildet und ihm der Strahl entströmt. Sicherlich aber war dies nicht
die gewöhnliche Form der Trinkhömer und die Oeffnung unseres Objectes wäre für
solchen Zweck viel zu gross. Die cylindrische, nicht conische Form unseres Mund-
stücks war allerdings für ein Blaseinstrament vielleicht unzweckmässig. Während
jedoch die dänischen Lurer Mundstücke mit conischer GefiTnung zu haben scheinen
(Madsen, Bronceald. I, Taf. 19, 5 == Sophus Müller, Ordning af Danmarks Old-
sager, II, Kjöbenhavn 1891, 368), sind, wie Hr. Beltz mir schreibt, die in Schwerin
vorhandenen Mundstücke von Wismar und Teterow cylindrisch gelocht Die
Nachtheile einer zu weiten Oeffnung unseres Exemplars aber können bei einem
Blaseinstrument durch eine engere Oeffnung der Homspitze selbst aufgehoben
gewesen sein; in der That lässt auch die bedeutende Länge der Holzpinnen auf
eine erhebliche Stärke der Homwandung schliessen, so dass die Oeffnung im Hom
selbst viel enger war, als die des Mundstücks. Vielleicht war die massive Spitze
des Horns nur mit einer kleinen Bohrung versehen. — In der Voraussetzung, dass
meine Ansicht richtig ist, mögen noch die folgenden Bemerkungen Platz finden.
Die Trompete von Latdorf ist nach mehr als einer Richtung hin von Be-
deutung. Man hat im Norden aus der Bronze-, Hallstatt- und Tenezeit Trompeten
auf 3 verschiedenen Gebieten, in Norddeutschland, Scandinavien und auf den
britischen Inseln, gefunden. Dieselben bestehen aber überwiegend ganz aus Bronze,
weit seltener aus einem Hom (sei es vom Rind, sei es aus Holz) mit metallenem
Beschläge, doch sind viele der ersteren unzweifelhaft nur Nachbildungen der
Ö4*
(852)
Rinderhörner, wie daraus folgt, dass die beiden Exemplare eines Paares biswctlon
nach entgegengesetzten Seiten gewunden sind (Madsen, Bronceald. I, 8. 2:>,
Note 2; Aarböger f. n. O. 1890, 243, Note). Unsere Trompete zeigt also entschieden
einen älteren Charakter, wie überhaupt die älteren Trompeten aus Deutschland
Homer mit Metallbeschlägen waren (Bochin, Wismar, Teterow; siehe unten die
Statistik). — Weiter ist zu bemerken, dass diese Blaseinstrumente nur äusserst
selten in Gräbern vorkommen; in der That kann ich ausser Latdorf nur nach-
weisen: 2 bronzene „Lurer", angeblich aus einem „Grabhügel* zu Borreby.
Schweden (gehörten sie aber zum Grabinventar? — Siehe S. 855) und vielleicht
einige Homer aus einem Hügel zu Carrickfergus, Irland. Ganz sicher ist aber
nur Latdorf und dies ist zugleich das südlichste und seinem Beschläge nach ur-
sprünglichste mir bekannte Stück. Wir finden hier also eine auch schon sonst
beobachtete Erscheinung wieder, dass Geräthe, die in nördlicheren Gegenden nicht
zum Grabinventar gehören, weiter ^südlich in Gräbem vorkommen (vei^l. diese
Yerhandl. 1890, S. 291, die goldenen Gefässe der Hallstattzeit). — Sonst handelt es
sich in Deutschland öfters um Erdfunde (z. Th. vielleicht aus zerstörten Gräbern y)
und um Moorfunde, in Dänemark und wohl auch in Schweden ausschliesslich um
Moorfunde (S. Müller, Ordning a. 0. U, 368), auf den britischen Inseln häufig um
Funde aus Mooren, einmal aus einem Fluss.
Die Bronzelurer sind in Scandinavien fast stets paarweise gefunden; nach
Müller kommt in Dänemark auf 11 Paare nur ein einzelnes Stück. Er
nimmt an, dass diese Blasehömer auch paarweise gebraucht seien als Kriegs-
geräthe oder zu heiligen Zwecken, und Henry Petersen sucht solchen paar-
weisen Gebrauch aus der Nachbildung eines Paares Rinderhömer zu erklaren
(Aarböger 1890, 243 Note). — In Deutschland weist der Fund von Lübzin ein
Paar auf, vielleicht auch der einer späteren Zeit angehörige von Hannover. Auch
die dem 5. oder 6. Jahrh. nach Chr. zugescbnebenen goldenen Homer von
Gallehuus in Schleswig, welche man als Tempelgeräthe ansieht, haben vermuth-
lich zusammengehört. — Wenn es sich für Dänemark nach S. Müller um wirk-
liche, nach Form und Omamentik zusammengehörige Paare handelt, so bemrrkt
dagegen Wilde, Catalogue K. Irish Acad. I, Dublin 1863, p. 624, bezügliih
Irlands: „fast stets werden mehrere Trompeten zusammengefunden, gewöhnlich
von 2 verschiedenen Gattungen".
Harz findet sich an einem eisenzeitlichen Blasinstmment aus Kuhhora mit
Bronzebeschlag und Nägeln mit silbernen Köpfen von Södermanland, und zwur
in Verbindung mit Bast, ebenfalls zur Dichtung der Uebcrgangsstellc vom Mund-
stück auf das eigentliche Hom verwendet (Stockholmer Mitnadsblad 1881, 148 — 49.
wo allerdings nur an eine Reparatur gedacht und vermuthet wird, das Hom habo
an der betreffenden Stelle einen Riss bekommen. Aber vielleicht ist es nicht
nöthig, eine solche Annahme zu machen). —
Die Verwendung von Stiften aus Holz oder anderem, leicht vergänglichem
Material (Hom, Knochen) an Bronzegeräthen wird natürlich nur überaus selten
direkt beobachtet; Evans erwähnt Bronze Impleroents, London 1881, p. 22<>
einen Holzstift an einem Dolch; vermuthet können derartige Befestigungsmittel
aber öfters werden: ebenda; femer p. 227 an einem knöchernen Knauf eines Dolch-
griffes, 244 zur Befestigung eines hölzemen, 252 eines hömeraen Griffs an die
bronzene Klinge.
Fundstatistik.
A. Mitteldeutschland: Latdorf.
B. Norddeutschland. Fast das ganze Material liegt im Schweriner Museum.
(858)
Hr. Dr. Beltz ordnet die dort befindliehen Stücke dem Alter nach so, wie es in
folgender Zusammenstellung, mit dem ältesten beginnend, geschieht:
1. Provinz Brandenburg, Kr. Westpriegnitz, Bochin: bronzener, g^ossener
Schalltrichter, FViderico-Francisceum, Leipzig 1837, Taf. 12, 1 zu S. 121, wo er
allerdings als „Gefäss^ beschrieben ist, was aber Meklenb. Jahrbücher 21, 239
richtig gestellt wurde. Der „Henkel", d. h. die Oehse zum Durchziehen von Trag-
riemen oder -Kette, ist nicht „angelöthet**, sondern, wie Dr. Beltz mir schreibt,
mitgegossen. Hr. B. setzt das Stück etwa in Montelius' Periode H, „schwerlich
tiefer". Es gehört dem ältesten Bestände des Schweriner Museums an; die Pund-
umstände sind nicht bekannt und vielleicht überhaupt nicht mehr zu ermitteln.
Hr. B. sagt: die Patina ähnelt sehr der einiger „Depotfunde aus feuchtem Boden",
nicht der der Grabfunde.
2. Meklenburg-Schwerin. a) Wismar: Mundstück mit einer Oehse daran,
mittlerer Tragring und Schalltrichter, alles aus Bronze gegossen, reich verziert, das
Beschläge eines Instrumentes aus Hom oder vielleicht auch Holz, abgebildet Mekl.
Jahresb. 3 zu S. 67 und Lindenschmit, Heidn. Vorzeit IV T. 33, 3; vergl. Mekl.
Jahrb. 24, 274. Moorfund. Hr. Beltz schreibt das Hom dem Ende von Montelius
Per. XU zu. Eines der Ornamente auf dem Schalltrichter nennt Lisch S. 72
„rächerförmige Zeichnungen, wie Strahlen", Lindenschmit macht daraus „Leichen
mit ausgestreckten Armen"; Hr. Beltz giebt aber ersterer Beschreibung ent^
schieden den Vorzug. — b)Teterow: 30,5 cm langes, gegossenes, bronzenes
Mundstück, Mekl. Jahrb. 13, 377 und Heidn. Vorzeit IV T. 33, 4, dem Wismarer
sehr nahe stehend. Lindenschmit fasst es als vollständiges Instrument auf,
aber Lisch sagt: „die Schallmündung ist aus natürlichem Hom oder Metall an-
gesetzt gewesen, wie die Nietlöcher am Ende (nach der Schallöffhung zu) be-
weisen". Diese Nietlöcher sind freilich bei Lindenschmit nicht gezeichnet,
finden sich aber ebenso an den Wismarer Beschlägen, und zwar bei dem Schall-
trichter am inneren Rande. Auch dass nur ein Tragring vorhanden, spricht
vielleicht für Unvollständigkeit des Teterower Homs, wenngleich diese Eigen-
thümlichkeit auch bei vollständigen Trompeten vorzukommen scheint (Battle in
England). Moorfund. — c) Lübzin bei Sternberg: ein Instrament ganz aus
Bronze, schmales Rohr, stark gekrümmt, mit rechtwinklig zu seiner Längsachse
stehender verzierter Blechscheibe um die Schallmündung, wie wir dies später
namentlich an den dänischen Trompeten kennen lemen werden. Ausgepflügt zu-
sammen mit einem zweiten Exemplar, das früher wenigstens sich in Privat-
besitz zu Lübzin befand. Das Schweriner trägt eine Kette. Frider. Franc.
S. 118; Meklenb. Jahresbericht 1, 14 — 15; 20, 293. — d) Hofzumfelde,
Amt Grevismühlen , Frider. Franc. S. 117 und Taf. 9, 3, wie das vorige, ge-
gossen, aber jetzt wenigstens ohne das Blech an der Mündung; letztere ist jedoch
beschädigt, wie mir Hr. Beltz schreibt Auch das eigentliche Mundstück fehlt
nach Lisch. Erdfund. —
An diesen Bestand des Museums zu Schwerin schliesst sich
3. aus der Provinz Hannover: die Trompete von Garistorf, Kr. Osterholz,
Reg.-Bez. Stade (Mus. zu Hannover) Heidn. Vorzeit lY, T. 33, 2, aber mit un-
genauer Fundortsangabe. Nach gef. Mittheilung des Hm. Director Reimers ge-
funden „unter einem kleinen Haidehügel". Das Exemplar ist sehr defect, aber
ähnlich dem von Hofzumfelde. Das Mundstück war in den Haupttheil hinein-
geschoben und an diesen durch einen jetzt verlorenen Stift befestigt, welcher einen
am unteren Theil des Mundstücks vortretenden Ring und einen ebensolchen am
(854) ,
oberen Ende des Haupttheils durchsetzte, vermuthlich wie an einer Trompete aus
dem Lommelevmoor auf Falster, Atlas f. nord. Oldkynd., 1857, Taf. B VII, 3 b.
Die vorstehend genannten, auf deutschem Boden gefundenen Exemplare zeigen
die vollständige Entwickelung des Geräths vom Kuhhorn mit dem einfachsten Be-
schläge, durch solche mit mannichfaltigeren und theilweise schön verzierten Be-
schlägen, bis zu ganz aus Metall beigestellten, stark gewundenen und mit Eod-
scheibe versehenen Hörnern.
Eine zweite Trompete, aDgebiich von Hannover, jetzt in der Sammlung
Bl eil -Grosslichterfelde bei Berlin, ist in vielen Beziehungen so abweichend, dass
ich sie hier nicht einreihen möchte, sondern lieber anhangsweise am Schlüsse
dieses Aufsatzes bespreche.
C. Scandinavien. 1. Dänemark: Nach Müller, Ordning U 3G8 sind zur
Zeit 10 Funde mit 23 mehr oder minder vollständigen Trompeten (Lnrer, sing.
Luur) bekannt, alle aus Mooren. Ein Fund (Dramstrup) enthielt Fragmente nur
einer Trompete (gef. bneil. Mitth. des Hrn. Mus.-Dir. Dr. Müller), Brudevaelte
dagegen lieferte 3X2 Stück, alle übrigen Funde je 2, und zwar handelt es sich
hier nach Form und Ornamentik stets um zusammengehörende Paare. Die
sämmtlichen Funde, den von Dramstrup ausgenommen, nahm S. Müller in seiner
Arbeit „Ordning af Bronzealderens Fund^, Aarböger 1891, in die Tabelle 24
„Votivfunde (der jüngeren Bronzezeit)^ auf, da sie nicht allein stets mehrere
Exemplare, sondern auch keine anderen Sachen daneben enthielten, was zusammen
nach Müller für die Votivfunde charakteristisch sein soll. Nur die Lorer \od
Lommelev sind vielleicht mit anderen Bronzen zugleich niedergelegt worden. —
Blosse Beschläge von Kuhhörnern kamen nicht vor; alle Lurer sind ganz
aus Bronze, und zwar gegossen, aber aus mehreren Stücken zusammengesetzt, wie
die Grarlstorfer Trompete. Alle, die vollständig erhalten, sind stark gekrümmt:
wo nur Fragmente vorliegen (Lommelev, Dramstrup) könnte es zweifelhaft sein,
ob sie vielleicht in einem Theile ihres Verlaufs gerade waren. Die Schall-
öffnung ist stets von einer rechtwinklig zur Achse des Rohres stehenden runden
Scheibe eingerahmt. — Die Mundstücke scheinen eine konische, nicht
cylindrische OelTnung zu haben, so wohl sicher das von Maltbaek, Madsen
Broncea. 1. T. 19, 5. — Ketten verschiedener Art, an denen die Lurer getragt^n
worden, sind zum Theil noch erhalten (Madsen, Taf. 18 und 19; Worsaac
N. 0. 200).
Für die Zeitstellung gewähren die Ornamente der Scheiben an der Schall-
öffnung und bei einigen angehängte Klapperbleche (Brudevaelte, vielleicht auch
Huusby) Anhalt. Montelius setzte Manadsblad 1881, S. 38 Note 1, die Lurer
von Lommelev und Maltbaek in den Uebergang von der älteren zur jüngeren
Bronzezeit, d. h. in die 4. Periode (vcigl. Ornamente der Hängegcfässe, Tids-
bestämning Taf. 4, 93). Brudevaelte möchte er, laut gef. briefl. Mitth., in den
Beginn der Periode 5 setzen (vergl. Ornament der goldnen Schalen, Tid8l>e8t.
Taf. 5, 120). S. Müller unterscheidet ebenfalls Lurer mit Ornamenten des älteren
und mit solchen des jüngeren Styls der jüngeren Bronzezeit und bemerkt, dass
die eingehängten Bleche (nach ihm metallene Nachahmungen von Zeugquasten)
sich an den Geräthen mit jüngeren Ornamenten finden. — Zu beachten sind noeh
die Vogelfiguren an der Tragkette von Maltbaek (Madsen, Taf. 19, 5;
S. Müller 368, Manadsblad 1881, S. 48 zu Fig. 78). —
Nach mündlicher Mittheilung des Hm. Müller lassen sich die Lurer vor-
trefflich blasen und umfassen eine keineswegs kleine Tonreihe. Hr. Müller
hatte auch die Güte, für mich die Bestimmung des Gewichts einiger dieser
(855)
Instrumente vorzunehmen; es wiegt das schwerste (Nr. 8115, von Brudevaelte)
3107 g, das leichteste (Nr. 22302, von Folvisdam) 1498 g, — Lisch gab Meklb.
Jahrb. 20, 293 die Art an, wie er sich das Hom von Lübzin getragen dachte.
Aber nicht für alle die ähnlich geformten dänischen Lurer scheint mir die gleiche
Art anwendbar; wenigstens konnte ich die Nachbildung einer solchen Lure (von
Brudevaelte, im Rönigl. Mus. f. Völkerk., Berlin) nach dieser Anweisung nicht
zweckmässig handhaben. Vielmehr scheint es bei dieser am natürlichsten, mit der
linken Iland die Mundstückröhre zu fassen, den sich daran anschliessenden Bogen
nach unten zu richten und mit der Rechten den aufsteigenden Hauptarm dieses
Bogens zu halten, so dass die Schallöffnung nach vorne, aber etwas höher, als der
Kopf des Trägers, zu liegen kommt.
a) Lommclev auf Falster (Maribo-Amt): Bruchstücke eines Paares, Roph.
Mus. Nr. 9434; Worsaae N. 0. 200; Madsen Broncealderen I, Taf. 18, 3; Atlas f.
nord. Oldkynd. Taf. B. VII, 3, 4; Antiqu. Tidsskrift 1846—1848, 20; Annaler f.
n. 0. 1856, 364. Eine Analyse ergab: 10,61 pCt. Zinn, 88,90 Kupfer, 0,49 Nickel
u. Eisen = 100, Annaler 1852, 252. -— b) Moor Brudevaelte bei Lynge, Prede-
riksborg A., Seeland: 3 Paare, Mus. Nr. 8114 (bei Madsen 8117); Worsaae
N. 0. 199; Madsen T. 19, 4; Atlas B. VU, 1; Antiq. Tidsskr. 1843—45, 113;
Annaler 1856, 362—63. Von diesen 6 Trompeten befindet sich eine in Sarskoe-
Selo, Russland (A. Rockstuhl u. F. Gille, Musee de Tzarskoe-Selo, St. Peters-
burg u. Carlsruhe, 1835—53, pl. 162, 1), eine andere, wie es scheint, in Paris.
Eine Nachbildung in Metall besitzt das Königl. Mus. f. Völkerkunde, Berlin
(IV. 117): dieselbe lässt sich sehr gut blasen. — c) Smidstrup, Frederiksboi^
A., im nordöstlichsten Seeland, in König Freder. VII Sammlung; ein Paar, ähnlich
Atlas B. VII, 2; Antiq. Tidsskr. 1858—60, S. 6—7. — d) Dramstrup, Holbaek
A, nordwestl. Seeland, Fragmente einer Lure, Mus. Nr. 11 136. e) Boeslunde,
Sorö A., südwestl. Seeland: ein Paar, Nr. 4711, zerbrochen. — f) Rörlykkemoor
bei Tryggelev auf Langeland (Svendborg-Arat), Nr. B. 3671, etwas abweichend
von den Übrigen dänischen, die Endscheibe nur mittelgross; Aarböger f. n. O.
1880, 235 u 23(; Fig. ?). — g) Huusby, Odense Amt, westliches Fünen: ein
Paar, Nr. 378; Worsaae N. 0. 201; Madsen, T. 18, 1; Atlas B. VII, 2; Annaler
1850, 363-4; Weiss, Kostümk., 2. Auü. I, Fig. 179. — h) Veile, Veüe A.,
Südostjütland: ein Paar, Nr. B. 936, zerbrochen. — i) Folvisdammoor,
Aarhus A., Jütland: ein Paar, Nr. 22 302; Madsen T. 18, 2. — j) Maltbaek,
Ribe A., südwestl. Jütland: ein Paar, Nr. 21 246, Madsen T. 19, 5; S. Müller
368. — Hiernach sind die Lurer so ziemlich über das ganze dänische Land, mit
Ausnahme des nördlichen Jütland, verbreitet.
2. Norwegen. Xichts Hierhergehöriges aus der Bronzezeit ist Hm. Dr. ündset
bekannt.
3. Schweden. Hier sind 7 oder 8 Stück gefunden, deren Kenntniss ich
Publicationen und brieflichen Mittheilungen des Hm. Montelius verdanke.
a) Schonen: Näfvitshögs Socken, ein Exemplar, Montelius, Antiq. Sued.
178, dem Langelander ähnlich, aber mit noch kleinerer Endscheibe; Tragkette er-
halten; im Moor l>ei einem Pferdeskelet gefunden; Mus. zu Lund 4372. — Eines aus
der Sammlung „Gerber**, jetzt ebenfalls in Lunds Mus. — Borreby, ein Paar
„aus einem Grabhügel^ Montel. National histor. Mus. 1887, p. 24, ^, Mus.
Nr. 5531. Meine schon S. 852 geäusserten Bedenken, hinsichtlich der Zugehörig-
keit zum Grabinventar, theilt Hr. Montelius jetzt; er schreibt mir sogar, dass
die Patina auf einen Moorfund schliessen lasse. — Ein fünftes grosses Exemplar,
von Montelius Congres Stockholm 1874, p. .^)1() mitgezählt, ist durch den Schall-
(856)
trichter mit breitem Rand mid einer grossen Oehse nahe der Mündung in der
Sammlung des Grafen Thure Bielke zu Sturefors in Oestergötland vertreten;
unsicher, wenngleich wahrscheinlich, ist es aber, dass es der Bronzezeit an-
gehört. — b) Blekinge: Asarums Socken, ein Stück der Sammlung Holst,
Stockholm; Congres Stockholm p. 510. — c) Insel Oeland: Länglöt Norre-
gärd, 2 Exemplare, mit 2 Retten, wie Montelius Nai bist. Mus. Fig. 55, gefunden
1891 unter einer Torfschicht, beschützt durch einen Kalkstein, in einem jetzt trocken
gelegten Wasserloch oder kleinen Teich, wie es scheint, auf dem Teichboden.
(Nach Dr. Svend Söderberg's Bericht an Montelius.)
Alle vorstehend angeführten Trompeten sind gegossen, nicht aus ge-
hämmertem Blech, aber aus mehreren Stücken zusammengesetzt. Diese älteren
Trompeten scheinen nur im südlichsten Theile des Landes vorzukommen. Zum
Veigleich sei hier dagegen verwiesen auf das schon S. 852 erwähnte Hom ^der
älteren Eisenzeit^ von Södermanland, also weiter nordöstlich.
D. Die britischen Inseln. Hier kommt fast nur Irland in Betracht,
welches zahlreiche bronzene Trompeten geliefert hat, deren Formen indess von
denen der vorher besprochenen oft wesentlich abweichen. Man hat gegossene
und aus Blech genietete; letztere gehören z. Th. sicher der Teneperiode Qsie
celtic) an, wie aus der Ornamentik folgt, so Wilde, Catalogue I, Fig. 527 und
531, zu vergleichen mit bronzenen Schildbeschlägen ebenda Fig. 533, und mit
Remble, Horae ferales, London 1863, T. 14 — 16. (Die senkrechte Endscheibe
erinnert übrigens an die dän. Lurer). Auch von den gegossenen scheinen viele
der älteren Eisen-, vielleicht der Hallstattzeit anzugehören, doch enthielt ein
grosses Depot zu Dowris neben Trompeten viele Bronzen, Tüllencelte u. deigl^
so dass einzelne der Blaseinstrumente in die jüngere Bronzezeit hinaufreichen
mögen (cf. Evans, Bronze Impl. p. 357 ff.).
Abbildungen gegossener irischer Trompeten bei Wilde, Figg. 524 — 26,
529-30; Kemble T. 13, 1 und 3—10; Evans, Figg. 438—41, 443—44. Als
besondere Eigenthümlichkeit vieler dieser Stücke ist zu bemerken, dass die
Oeffnung zum Ansetzen des Mundes nicht am Ende, sondern nahe demselben an
der Seite sitzt. Da aber nach Wilde derartige Instrumente sich nicht blasen
lassen, nimmt man an, sie seien Sprachrohre (Wilde p. 628; Evans p. 360).
Die eigentlichen Mundstücke der Blasehömcr fehlen übrigens häufig. —
Die meisten irischen Trompeten sind in Mooren oder in der Erde gefundeui
einige jedoch in einem Hügel zu Carrickfergus, allerdings, wie es heisst, ^in
die Erde gegraben^, so dass man zweifelhaft sein kann, ob es sich hier um Grab-
beigaben handelt (Wilde p. 623—24; Evans p. 358).
Aus Schottland kennt Evans nur das eine gegossene Exemplar Fig. 445,
von Caprington, Ayrshire, dessen Metall auf 90 pCt. Rupfer fast 10 Zinn enthält
Er vergleicht es mit dem Meklenburger von Hofzumfelde, doch ist die Aehnlichkeit
mit diesem, übrigens auch an beiden Enden beschädigten und vielleicht unvollstän-
digen Exemplar nicht sehr gross.
In England wurden 2 Trompeten gefunden: eine im Flusse Witham bei
Tattershall, Lincolnshire, aus 3 Stücken gehämmerter Bronze zusammengesetzt
und mit weissem Metall gelöthet; trotz der Zusammensetzung der Bronze (88 Rupfer,
12 Zinn) nach Remble und Evans verhältnissmässig jung, der Zeit um die römische
Invasion angehörig (Remble Taf. 13, 2; Evans p. 363). In der That vergleicht
Rieh, Wörterbuch, dieselbe sehr passend mit dem lituus auf einem römischen
Inschriftsteine des M. Julius Victor, über den unten S. 858 das Nähere. Seine Ab-
bildung und die gleiche bei Lübker, Reallexicon des dass. Alterthunu, 4. AnlL^
(857)
Leipzig 1874, ist indess viel kleiner und wohl nicht so genau, wie die bei Kemble,
auch seine Längenangabe („etwas über 4 Fnss'') wahrscheinlich falsch (Kemble
scheint der Zeichnung nach richtig 2 Fuss 4 2jo11 = rund 70 cm anzugeben).
Remble's Zeichnung lässt als interessantes Detail an der Unterseite des geraden
Rohres einen vorspringenden Thierkopf erkennen und im Anschluss daran, sich
bis an den Schalltrichter hinziehend,^ einen eigenthümlichen vorspringenden Ramm
oder eine Mähne, für die sich wohl aus anderen Darstellungen eine Erklärung
schöpfen lässt (unten S. 859). Bezüglich des Thierkopfes sei auf die Fibeln der
Früh-Lat^nezeit hingewiesen (Lindenschmit, Heidn. Vorzeit I, 4, Taf. 3),
namentlich aber macht mich Hr. Director Dr. Voss auf eine cylindrische weit ge-
rippte Ciste aus einem Tumulus von Magny-Lambert, Cote d'or, aufmerksam, mit
Gehängen, die durch ganz ebensolche vorspringende Thierköpfe verziert sind
(Chantre, Premier age du fer, Necropoles et Tumulus, Paris-Lyon 1880, PI. 45,
4; Fig. 3 ein ebensolches Oehänge).
Eine zweite Trompete, von Battle, Sussex, bildet ab: Francis Orose,
Ancient Armour and Weapons, London 1786, pl. XIII. Sie wurde gefunden beim
Brunnengraben, ist aus 3 Stücken gegossener Bronze (brass) zusammengesetzt, mit
nur einem Tragring am mittleren. Im Schwung der Biegung ähnlich denen aus
Schonen (Antiq. Sued. 178) und Langeland, wenngleich die Partie am Mundstück
erheblich weniger sich zurückbiegt; sonst auch zu vei^leichen mit Hofzumfelde
und Oarlstorf.
Anhang.
Die S. 854 erwähnte bronzene Trompete von Hannover (Sammlung Blell,
Waffenkatalog Nr. 115) wurde angeblich um 1857 beim Bau der Eisenbahn
Hannover- Lüneburg, nahe der Stadt H. gefunden, von den Arbeitern zerbrochen
und durch den Buchhändler Hahn, der die 3 wesentlichsten Bruchstücke erwarb,
unter Ergänzung wiederhergestellt. Hahn verkaufte sie später an den Händler
Meyer am Zeughause in Beirlin, von dem sie Hr. Blell 1875 erstand. Mit dieser
Trompete soll noch eine zweite an derselben Stelle gefunden sein. Die Richtig-
keit dieser Angaben durch Nachforschungen in Hannover zu bestätigen, gelang mir
nicht. Dagegen erwies sich die weitere Mittheilung des Meyer, dass ein ähnliches
Hom in Röslin, Pommern, von einem Nachtwächter benutzt sei, als richtig. Es
ist dies das von Noack veröffentlichte Hom, (diese Yerhandl. 1872, S. 217 mit
Abbildung. Hr. Blell giebt nun von seiner Trompete nachstehende Zeichnung und
Beschreibung:
Der Lituus ist in gerader Richtung gemessen 992 mm lang (d. h. jetzt, wo
der Schalltrichter durch Eindrücken einer Wandung etwas verkürzt ist). Quer-
durchmesser der Schallöffnung 107 mm, Längsdurchmesser ursprünglich 125 mtn,
Oewicht 2 kg 950 g. Das Schallende, der mittlere und der obere Theil sind aus
röthlicher Bronze, die Fassung des Mundstücks ist aus Blei gegossen. Die
Wandung ist am Schallende 4 mm stark, nach dem Rande zu 3 mm. Alle diese
Theile sind original; die beiden Mitteltheile a und b mit je 2 „Bünden^ und je 1
beweglichen Tragringe waren dagegen abhanden gekommen und sollen gleich
nach der Auffindung der Originaltheile ei^nzt sein, — wie der Augenschein zeigt,
aus Messing. Die Ergänzung wird nach einer Beschreibung der abhanden ge-
kommenen Theile oder nach dem zweiten, mit dem vorliegenden Lituus zusammen
gefundenen Exemplare ausgeführt sein.
Offenbar ist der vorliegende Lituus sehr lange im Gebrauch gewesen und durch
Aufsetzen auf die Erde das untere Ende der Schallöffnung so dünn abgeschliffen,
dass dadurch der Rand einen 3 cm langen Bruch erlitten hat, wodurch wiederum
die so entstandenen Lappen sich dennaassen eingebogen haben, dass die Schall-
öffnang die in Fig. c mit votier Linie angegebene jetzige Form erhalten hat.
während die punktirte Linie die ursprüngliche Form erkennen lüsst. Darnach
besteht dieselbe aus zwei sich schneidenden Kreisabschnitten. Im Änschlnss an
diese Form bilden die beiden Seitcnilächen längs dei inneren und äusseren Bi^ung
des Lituus zwei, bis zum obersten Theile reichende und daselbst in die Rundung
des eigentlichen, mit Blei gefassten Mundstücks auslaufende Grate, so dass
das Rohr an jeder Stelle einen dem Schallstuck ähnlichen Querdurchschnitt zeigt.
Nur bei den ergänzten Tbeilen a und b ist diese Eigen thttmlichkeit Übersehen
worden und sind sie schon daraus als Ergänzung kenntlich. — Fig. d zeigt den
oberen Theil des Lituus in natürlicher Grösse. Darnach hat man sich iilso das
Mundstück in seinem Kern aus Bronzeguss, und zwar mit dem Röhrentheil aus
einem Stück zu denken, nur dass es da, wo es beginnt, etwas „abgesetzt" ist, be-
hufs Aurnabme der Umbleiung. Zur besseren Befestigung dieser letzteren schein!
der üusserste Bronzerond etwas umgelegt zu sein. — Soweit Hr. Blell. Reiner
Figur 4.
Deutung rilituus", sofern sie sich auf die Form erstreckt, wird man zustimmen
ihüssen. Scheiden wir unter den römischen Blaseinstrumenten bei unserer Be-
trachtung die „bucina" aus, welche mehr durch ihre schnockcnfitrmige Windung,
als durch eine Krümmung der Liingsaxe charakterisirt erscheint, so war jedenfalls
„comu" das am meisten, selbst bis nahe zum vollen Kreise gekrümmte. Eine der
ältesten bildlichen Darstellungen desselben dürfte sich auf dem Deckel einer
bronzenen Urne, gelbnden 18»;i zu Gapua, befinden (Berliner Antiquarium 787i).
die dem ti. Jahrh, v. Chr. angehört und in plastischer Wiedergabe einen Comublüsi'r
inmitten dreier Pferde zeigt. Das Hom bildet hier reichlich einen Halbkreis. —
Nächst dem „cornu" käme der ..lituus" und schliesslich die gerade ,tuba".
Beweisend für die Form des Lituus ist die Abbildung auf einem in Rom ge-
fundenen Steine, der zugleich ein Hörn (cornu) zeigte und die Inschrift trag;
M. lulius Victor ex collegio liticinnm eomicinuni: Casp. Bartholinus, De libiis
velorum, Romac 1(577, p, 228 u. tab. 111, Hg. 4. Die Abbildung ist sehr klein, aber
Fabrelti, Coluninji Traiuni, 2. Au II., Rom 1091', p. 20J, und nach ihm Montfaucon.
(859)
L'antiqoit^ expliquee, Tome 4, Paris 1719, Taf. 35, 8 za p. 96 geben eine grössere
Zeichnung, yermuthlich von Fabretti nach dem Original angefertigt and ziemlich
zayerlässig. (Vei^l. auch Weiss, Kostümkundc I, Fig. 392 c). Der Stein ist jetzt
verloren und die Inschrift fehlt im Corpus inscript. latin.; Mommsen hält aber
das Relief für unzweifelhaft acht (Römisches Staatsrecht III, 1 , Leipzig 1 887,
p. 287, Anm. 3). Dieser Lituus ist fast in seinem ganzen Verlauf gerade und
dünn, erst unmittelbar vor der Schallöffnung erweitert er sich und biegt dann,
wenigstens nach Fabretti *s Zeichnung, soweit um, dass man allenfalls von der
Bildung eines kurzen Hakens sprechen kann. Hiernach würde, wenn der Lituus
öfters ausdrücklich als gekrümmt bezeichnet wird, dies wohl nur im Gegensatz zur
ganz geraden Tuba geschehen sein können. Indess mag er bisweilen, wenigstens
am Ende mehr gekrümmt gewesen sein, als die Abbildung auf jenem Stein
es zeigte. Unter den über den Lituus handelnden, mir bekannten Stellen alter
Schriftsteller käme allerdings nur in Betracht L. Annaeus Seneca, Oedipus 732—34
(ed. F. Leo, Berlin 1879), wo dem „reflexo comu^ der lituus „adunco aere^
(uncus = Haken) gegenübei^estellt wird. Fragliche Form der Blasinstrumente soll
aber eine etrurische Erfindung sein und auch der etrurische Augurenstab wurde
bekanntlich „lituus'* benannt. Rieh, lUustr. Wörterbuch, sagt darüber: „ein kurzer
Stock, dessen Ende wie ein Bischofsstab gebogen war, als dessen Vorbild man den
lituus ansieht. Er verdankt seinen Namen einer gewissen Aehnlichkeit mit
dem militärischen Instrument; allein auf Kunstwerken ist das Ende des Auguren-
stabes nicht bloss leicht gekrümmt, wie der Lituus, sondern ist immer in der Form
einer Spirale gewunden" (Vei^l. Weiss, ^ostümk. I, Fig. 408). Es kann also
vielleicht auch die Trompete ursprünglich am Ende stärker gekrümmt gewesen
sein. Ob übrigens der Krummstab des Augur nach der Trompete benannt ist,
oder umgekehrt, erscheint ganz ungewiss; was Aulus Oellius (2. saec. p. Chr.),
Noctium Atticarum lib. V, 8, diesbezüglich sagt, ist werthlos. —
Ein wenig deutlicher hakenförmig ist ein Blasehorn unter den Waffen des von
einem Römer niedergeworfenen Feindes auf einer getriebenen Silberplatte (Stück
eines Cohortenzeichens) aus dem römischen Castell von Niederbiber (W. Dorow,
Römische Alterthümer in und um Neuwied am Rhein, Berlin 1827, Taf. 15 zu
S. G7 = Lindenschmit, Heidn. Vorzeit I, 7, Taf. 5, 1). — Vollends zum Haken
gebogen ist eine Trompete von Vulci (jetzt in Rom), Musei etrusci Gregoriani
monimental, Vatican 1842, Taf. 21, 8, die Dennis, The cities and cemeteries of
Etruria, revised ed., vol. H, London 1878, p. 476 ebenfalls abbildet und zu der er
bemerkt: „ein Lituus, das einzige Exemplar dieses Instruments, das gesehen zu
haben ich mich erinnere, obgleich es speciüsch etruskisch war; es ist ungefähr
4 Fuss lang^. Des weiteren das höchst merkwürdige Oeräth bei Weiss, Kostümk. I,
Fig. 149 A, daselbst als Trompete der Sarmaten in Ungarn u. s. w. auijg^fasst. Zwar
wird es bei Hope, Gostume of the ancients, vol. I, London 1841, Taf. 17, 5 als
dacische Standarte bezeichnet, aber Weiss* Deutung „Trompete" ist gewiss
richtig. Die Zeichnung ist nehmlich offenbar nach den Darstellungen auf der
Trajans-Säule in Rom angefertigt, wo am Sockel unter den Trophaeen neben
den bekannten Drachenstandarten viele solche Trompeten mit verschiedenen Graden
der Rückbiegung vorkommen (P. S. Bartoli, Colonna Traiana, 2 Tafeln „trofei^^
ohne Nummer; vei^l. auch Taf. 119, trofei di Traiano, aber nicht an der Säule).
Bartoli sieht hierin Darstellungen dacischer Waffen. Der Haken hat hier die
Gestalt eines Thieres angenommen, dessen Rücken, die Aussenkante der Krümmung
bildend, meist mit einer Art Mähne besetzt ist, durch welche auch das oben er-
wähnte ornamentale Beiwerk am Lituus von Tattershall, England, z. Tb. erklärt
(860)
wird. In einen Thierkopf, dessen geöffneter Rachen die Schallmündung bildet,
endigen auch viele Trompeten auf dem Triumphbogen von Orange, dem alten
Arausio (Montfaucon, Tome IV, 1, Paris 1719, pl. 108 zu p. 169). Montfaucon
sagt dazu zwar ebenfalls „dragons qui serraient pour cnseignes militaires^^ und
Details sind leider nicht sichtbar, aber dass es sich hier um Trompeten, öfters
mit ziemlich stark gebogenem Rohr, handelt, ist meines Erachtens nicht zweifolbafL
Diese Auffassung wird aber vollends bestätigt durch die Darstellung auf einer der
Platten jenes hochinteressanten silbernen Gefässes, das, vor Kurzem erst aufgefunden,
sich im Museum zu Kopenhagen befindet und demnächst in Nordiske Foiiidsminder II
publicirt werden soll. Hier werden mehrere Trompeten mit weitgeöffnetem Maul
und mit Mähne geblasen. Für die Deutung jenes sarmatischcn oder dacischen
Stückes als „Trompete" spricht auch der dem Maule des Thieres angefügte
trichterförmige Ansatz, welcher offenbar den eigentlichen Schalltrichter bildet
Endlich sei hingewiesen auf die Stierkopftrompete am Relief von Pergamon (Altei^
thümer v. P., von Bohn und Hans Droysen, Bd. H, Berlin 1885, Taf. 46, 2).
Droysen sagt darüber S. 113: „Von dem geöffneten Maule, als einem SchalUoch
ausgehend, könnte man das Ganze für eine Trompete ansehen. . . . Das Original,
das unserem Relief zu Grunde liegt, war wohl aus Metall, hohl gegossen oder
getrieben."
Dem BlelTschen Exemplar am nächsten kommt die Trompete von Tatters-
hall (S. 850), insofern bei ihr der Schalltrichter am wenigsten sich zurückbiegt
Der Lituus gilt als Trompete der Reiter; sofern indess dieser Auffassung
die angebliche Stelle bei Pomponius Porphyrio, ad Hör. Od. I, 1, 23 (3. saec.
p. Chr.) zu Grunde liegen sollte, würde darauf kein Gewicht zu legen sein; denn
Hr. Prof. E. Hübner belehrt mich, dass diese Stelle apokryph und deswegen in
den neueren Ausgaben dieses Schriftstellers fortgelassen sei.
Das Hörn von Köslin, jetzt in Verwahrung des Magistrats daselbst, Megi
mir durch die Güte des Bürgermeisters, Hm. Sachse, in neuer Zeichnung mit
Erläutenmgen vor. Danach sind entschieden mehrere Theile desselben ganz
modern, so das Ende des Schalltrichters (bei Noack a-d), mindestens ein Theil
des graden Rohres und wohl auch das Mundstück. Andere Theile des Rohres
und der Beginn des Schalltrichter (bei Noack c-c) können dagegen alt sein,
und wenn man annimmt, dass dieser alte Theil des Schalltrichters früher das
Ende des Homs überhaupt bildete, so tritt die ücbereinstimmung mit dem
BlelTschen Hörn deutlich hervor. Auch ist es, wie dieses, gegossen, sein
Gewicht im jetzigen Zustand knapp 2,70 kfj, die Wandstärke bei c-c etwa 4 wiw.
(Hiemach sind die Angaben Noacks, Gewicht gegen 5 Ar/;, Wandstärke 14 mm,
zu verbessern). Jetzige Länge 82 cm. — Nach einem altert Bericht, den Noack
wiedergiebt, soll es, mindestens schon im 17. Jahrhundert, in einem „Hünenberg^
bei Köslin gefunden sein, der auch ein Schwert des späten Mittelalters lieferte.
Nach Hrn. Sachse wäre der Gollenberg der Fundort. —
Auffallend bleibt mir an dem Bleir sehen Lituus, dass er gegossen ist: sein
grosses Gewicht erschwert Handhabung sowohl, wie Blasen, obgleich ihm durch
einen Sachkundigen, wie den Königl. Sammlungsaufseher, Hm. Golm, ganz an-
nehmbare Töne entlockt werden können und die dänischen Lurer zum Theil noch
schwerer sind. — Da das angebliche hannoversche Instrument so ganz aus dem
Rahmen der sonst aus Deutschland bekannten alten Trompeten heraustritt und dem
Händler Meyer das Kösliner Hörn bekannt war, so könnte man an eine Nach-
bildung des letzteren denken. Indess ergiebt die Betrachtung des BlelTschon
Instrumentes für sich allein hierfür keinen Anhalt und das Kösliner habe ich im
C8S1)
Original noch nicht gesehen- Erwünscht aber wäre eine Analyse der Bronzen
beider Hörner, nm Tcstzu stellen, ob sie vielleicht doch in die Bronzezeit hinituf-
rcichcn; nach das weissliche Metall des Mundstücks anUlcH's Exemplar verdient
eine Untersuchung. —
(30) Hr. Architekt Max Jnnghacndcl, welcher im Anttrago des deutschon
Palästina- Vereins im folgenden Jahre nach Syrien gehen wird, spricht, unter Vor-
lage von Original-Photogniphicn, Über
RUIeo KD aegyptischen Tempeln.
Nach den Beobachtungen des Hm. Junghacndel kommen die Killen haapt-
Biichlich an den Eingängen zu denjenigen TcmpelrÜnmcn vor, die nachweislich
vom frühen Mittelalter ab den Christen als Culträume dicntfin. Fast jeder grössere
Tempel hat solche Räume aufzuweisen. Die aegyptischcn Rillen übertreffen an
Grösse und Hünilgkeit die an den nordischen Kirchenbauten vorhandenen. Es
Hndcn sich solche bis zu 5 cm Tiefe und 40 cm Länge. Sie sind äugen schein lieh
nicht durch Weizen und Schlagen mit scharfen Instnmienten, Schwertern u. dergL
entstanden. Ihre wenig scharfen Contonren denten eher auf ein, durch lange Zeit
an einer und derselben Stelle fortgesetztes Reiben, Schaben (Fummeln) mit ge-
nindelcn Gegenständen, Steinen und dergl. hin. Bemerkenswerth ist das zahl-
reichere Auftreten der Rillen auf der rechten Seite der Eingänge- Von besonderer
Wichtigkeit erscheint ihr Vorkommen unterhalb griechischer Kreuze, wie es in
den Thoren des enttcn und des zweiten Pylons des Isistcmpels zu Philac nachzu-
Figur I.
weisen ist- Des Weileren kann beobachtet werden, dass oberhalb der Stellen,
wo Rillen in besonderer Häufigkeit aultreten (z. B. im Tempel zu Edfu) sich zu-
meist auch viereckige Löcher finden, in denen allem Anschein nach, ehemals
Dübel zur Befestigung geheiligter Gegenstände, Darstellungen u. h. w. eingelassen
waren. Das gemeinsame Aultreten von Kreuzen und Rillen lässt die letzteren
ihrem L'rsprunge nach nicht als das Produkt müssiger Spielerei erscheinen, wie
Viele anzunehmen geneigt sind. Im Gegentheit, es legt den Gedanken an einen
Zusammenhang der Rillen mit einer kirchlichen Cercmonie ausserordentlich nahe.
Die Bedeutung dieser Ceremonie ist vorläufig noch nicht klar erkennbar. Dass
(862)
es nich hierbei um eine Ccrcmonie handelt, deren Urapniog in die vorchristliche
Zeit za rück reicht, könnte eine Rille beweisen, die sich aaf der 12, Säule (von
Süden gerechnet) des westlichen Porticns am Dromos des IsistempeU za Philoe vor-
Andet. Die Inschriften aaf dieser Sänie be-
ziehen sich anf Kaiser Tiberius, welcher in
der üblichen hieratischen Stellang der Göttin
Anouqit zwei Schalen mit Bier (hqr) dar-
bringt Unterhalb der Toi^atreckten Arme des
Kaisers befinden sich zwei Hieroglyphenreiben,
von nelchcn die rechte, (nach der Änrnahme
von George Benedite) in ihrem mittleren Theil
sich in der wohl ausgebildeten, etwa 2 em liefen
Rille fortsetzt Jedenfalls muss also die Rille
vor Anbringung der Inschrift, mithin in vor-
tiberischer Zeit entstanden sein.
Im Anschluss hieran stellt der Vortragende
folgende Hypothese auf: Die Rillen verdanken
ihre Entstehung vielleicht einer ähnlichen Ccrc-
monie, wie die noch heute in der griechiech-
und römisch -katholischen Kirche bestehende
Feiung und Weihung durch das Weihwasser-
besprengen. Diese letztere Ceremonie wurde
bereits bei den Acgyptem, Assyrcm, Indem,
Persem, Juden, Griechen und Römern geQbL
Pjgy,. 2. In frühchristlicher Zeit wurden die Kirchcn-
bcsQcher beim Eintritt vom Priester mit Weih-
wasser besprengt; vom 9. Jahrhundert ab tritt der Gebrauch des Sichselbst-
besprengens hervor- Das durch die Geistlichkeit feierlich geweihte Wasser be-
findet sich an den Eingiingon in eingemauerten oder freistehenden Becken, in
welche die Eintretenden nnd Weggehenden die Weihwedel (aspei^illnm), später
nur die Finger eintauchen, um sich dann in Kreuzesform zu besprengen. Seil
frühester, auch in vorchristlicher Zeit, wird dos Weihwasser durch einen Znsatz
von Salz (salis conspersio) in seiner Reinignngs- nnd Heilskraft erhöht.
Es fragt sich nun, ob dem, durch das Reiben der Rillen gewonnenen Pulver
eine ähnliche Bedeutung zugeschrieben wurde. Diese Frage ist nicht ohne Weiteres
abzuweisen, da noch heute und nicht bloss im Orient Gebrfiuche beobachtet
werden können, die zweifellos diese Bedeutung bestätigen. In der Kalänn-Hoschee
in Cairo werden an Donnerstagen, namentlich Nachmittags, häufig Frauen an-
getroffen, die in einer Nische, seitlich vom Grabe des Khalifen, auf einem grossen,
dunklen, jedenfalls eisenhaltigen Steine grüne Citronen auspressen und dum mit
einem kleinen Steine so lange in der Saftlache reiben, bis durch das gewonnene
mineralische Pulver die Flüssigkeit sich mennigroth Tärbt. Diese lassen sie
dann von ihren, noch nicht des Sprechens kundigen Kindern aufsaugen, um ihnen
„die Zunge zu lösen", was wohl mehr durch den bitteren Geschmack des Saftes
in ausgiebigster Weise erreicht wird; denn die Kinder schreien gewöhnlich zur
Freude ihrer Mütter aus vollem Halse. In verschiedenen Moscheen werden den
dunklen Säulen der Kiblen (Gebetsnischen) ähnliche Hcilswirkungen zugeschrieben.
Diejenigen in der Kaläun-Moschee sollen, in einer der vorbeschriebenen ähnlichen
Weise behandelt, jungen Frauen die ersehnte männliche Nnchkommcnschaft sichern.
Die Säulen der Kiblen sind daher in ihren mittleren und unteren Thcilen meist
(863)
glatt gerieben. In der Moschee von Cordoba befindet sich nahe dem Eingänge
gleichfalls eine schwarze Säule, die ob ihrer geheimnissvollen Kräfte von je be-
sondere Verehrung genoss. Noch jetzt wird an dieser Säule gerieben, die in Folge
dessen mit rillenartigen Vertiefungen überdeckt ist. Femer kann man in Obcr-
Aegypten des Oefteren noch Eingeborene beobachten, die an den Tempeln von
Neuem Rillen reiben, um Pulver zu gewinnen, das in ihrer Quacksalberei eine
grosse Rolle spielt, und zwar von Alters her, wie Mr. Bouriant auf Grund einer
von ihm aufgefundenen alt -koptischen Medicin- Vorschrift versicherte. Der Vor-
tragende schUesst seine Mittheilungen mit dem Wunsche, dass es der Anthrop. Ges.
gelingen möge, die von ihr angeregte „Rillen"-Frage zu einer endgültigen Lösung
zu bringen. —
Hr. Virchow verweist auf seine Mittheilungen über Rillen und Näpfchen
an alt-ägyptischen Bauwerken (Verhandl. 1888, S. 214, Fig. 1 und 2), in denen
er sich für eine Entstehung derselben in christlicher Zeit ausgesprochen hat.
Indess hat er auch ein Beispiel von Rillen am Tempel von Edfu beigebracht,
welches anscheinend älter ist, und Hr. W. Reiss (Verhandl. 1889, S. 701) hat
einen Steinblock mit Näpfchen in der Pyramide von Meidum entdeckt, der wohl
nicht anders gedeutet werden kann, als dass die Näpfchen schon vor oder
wenigstens bei Errichtung der Pyramide eingerieben sind. Was übrigens die
Grösse der Rillen anbetrifft, so lassen manche deutsche Kirchen in dieser Be-
ziehung nichts zu wünschen (vergl. Verhandl. 1883, S. 209); ein vorzügliches Bei-
spiel liefert die Kirche von Hagenau im Elsass. —
(31) Eingegangene Schriften.
1. Plath, J. H, Die Völker der Mandschurey. Göttingen 1830, 2 Thle. i. 1 Bde.
2. V. Prschewalski, N., Reisen in der Mongolei, im Gebiet der Tanguten und
den Wüsten Nordtibets in den Jahren 1870/73. II. Aufl. Jena 1881.
3. Derselbe, Reisen in Tibet und am oberen Lauf des gelben Flusses in den
Jahren 1879/80. Jena 1884.
4. Puchstein, 0., Bericht über eine Reise in Kurdistan. Berlin 1882. (Akademie).
5. Rad de, G., Die Chewsuren und ihr Land. Cassel 1878.
6. Ramon de la Sagra, Histoire physique, politique et naturelle de Tue de
Cuba. Trad. par S. Berthelot. Paris 1843, 2 vols u. Atlas in fol.
7. Rathgeber, G., Grossgriechenland und Pythagoras. Gotha 1866. 4^
8. Reich ardt, C, Landeskunde von Skythien nach Herodot. Halle a. S.
1889. (Diss.).
9. Robin, C. C, Reisen nach dem Innern von Louisiana, dem westlichen
Florida und auf die Inseln Martinique und St. Domingo in den Jahren
1802/6. A, d. Franz. von K. L. M. Müller. Wien 1811. 2 Thle. in
1 Bd.
10. Rohlfs, Gerh., Kufni. Reife von Tripolis nach der Oase Kufra. Leipzig 1881.
11. Roskoschny, Herm., Afghanistaiv und seine Nachbarländer. Leipzig, o. J.
2 Bde. 4^
12. Rüppell, Ed., Reisen in Nubien, Kordofan und dem peträischen Arabien.
Frankfurt a. M. 1829.
13. Sayce, A. H., Assyria, its princes, priests and people. London 1885.
14. Derselbe, The Hittites. The story of a forgotten empire. II ed. London 1890.
15. Schulze, G., u. Friedr. Baade, Heimathsknnde des Kreises Ruppin. Nen-
Rnppin 1890.
(864)
16. V. Schweiger-Lerchenfeld, Amand., unter dem Halbmonde. Ein Bild des
ottomanischen Reiches u. s. Völker. Jena 1876. — Armenien. Ein Bild
seiner Natur u. seiner Bewohner. Jena 1878.
17. Shaw, Th., Reisen oder Anmerkungen, verschiedene Theile der ßarbarey und
der Levante betreffend. Leipzig 1765. 4\
18. Spiess, Gttst., Die Preussische Expedition nach Ostasien während der Jahre
1860—1862. Reise-Skizzen aus Japan, China, Siam und der indischen
Inselwelt. Leipzig 1864.
19. Squier, E. G., Aboriginal monuments of the state of New-York. CSomprising
the resiilts of original surveys aüd explorations. (Washington 1851, 4*.
textr. Smiths. Gontr.).
2Ö. fetoll, 0., Öuatemalä, ftdisön Uiid Schildertingen aus den Jahren 1878—1883.
Leipzig 1886.
21. Stübel, Alf., Carta sobre sus viajes a las montanas Chimborazo, Altar eiC4
y en especial sobre sus ascensiones al Tunguragua y Cotopaxi. Quito 1873«
22. Thomson, Jos., Expedition hfith den Seen ron Gentral-Africa i. d. Jahren
I8t8-fe0. lt. Ätill. ieüa 18ÖÖ.
23. Derselbe, Mungo Park and the Niger. London 189Ö.
24. Thurneisser, Leonh., eynopaSvikwa-igy das ist ein gnügsame überflüssig und
ausflerliche erklerunge oder erleuterunge und rerstandt der Archidoxen«
darin mancherley dicfCTsinniger explicationes und eröffnungen vieler streit«
tigcr Sachen von Göttern, Englen, Teuffein, Menschen, Tieren, Caracteren,
Siglen, Zaubreyen, Gespensten, Rreutteren, Metallen, Mineren und Ge-
steinen eröffnet. Berlin 1575. Fol.
25. Derselbe, Archidoxa, dorin der recht war Motus, Lauff und Gang, auch heim-
ligkcit, Wirckung und Rrafft der Planeten, Gstims und gantzen Firmaments
Mutierung und ausziechung aller Subtilitcten und das FUnffte wesen auss
den Metallen u. s- w. Berlin 1575. Fol.
26. Derselbe, Historia sive descriptio plantarum omnium tam domesticarum quam
exoticarum etc. Berlin 1578. Fol.
^7. Voyage d'exploration d^un missionnaire dominicain chez les tribus sauvages
de lEquateur. Avec une preface du T. R. P. Magalli. Paris 1889.
58. Wiippäus, J., E., Untersuchungen über die geographischen Entdeckungen der
Portugiesen unter Heinrich dem Seefahrer. Ein Beitrag zur Geschichte
des Seehandels und der Geographie im Mittelalter. L Th. Gröttingen 1842.
2\). Wood, J. T., Modern discoveries on the site of ancient Ephesus. London 1890.
30, Fölling, Th., Alexander? de^ Grpsßeu Feldzug in Central -Asien. IL AulL
Leipzig 1875.
Nr, 1—30 Gesch. d. Hrn. C, Künne.
Berichtigmigeii.
Seite Uyo, Zeile 15 von unten recht statt nicht
n 161, n 17 hineingerieben statt hineingetrieben.
, 161* l 24 G. M. stAtt G. ü.
Figur a ist ^urch ein Versehen umgekehrt worden- Was links unt«n ist, »olh«
rechts oben sein^
Sitzung vom 19. December 1891.
Vorsitzender Hr. Virchow.
(1) Am 5. December hat ein schneller Tod unser langjähriges Ehren-Mitglied,
Dom Pedro IL d'Alcantara, früheren Kaiser von Brasilien, im Exil zu Paris
dahingeraCrt. Mehrere von uns haben ihn noch bei dem letzten Amerikanisten-
Oongress als Präsidenten begrüsst und als solchen thätig in die Verhandlung(>n
eingreifen gesehen. Schon 1831, in Folge einer Revolution und des Verzichtes
seines Vaters Dom Pedro I., in frühester Jugend (er war geboren zu Rio de
Janeiro am 2. December 1826), zur Regierug gelangt, hat er viele Jahre hindurch
das Staatsschiff mit Sicherheit und pflichtgetreuer Hingebung zu lenken gewusst.
Unserer Gesellschaft gehörte er seit dem 19. Juni 1875 an. Nachdem er seine
Beziehungen zu derselben durch ein höchst wohlwollendes Handschreiben vom
15. März desselben Jahres und durch ein reiches Geschenk anthropologischer
Gegenstände eröffnet hatte (Verhandl. 1875, S. 116), beehrte er uns in einer ausser-
ordentlichen Sitzung am 7. April 1877 (Verhandl. S. 143) persönlich mit seinem
Besuche. Seitdem hat er uns wiederholt seine Anerkennung zu erkennen gegeben,
insbesondere unseren reisenden Mitgliedern stets bereitwillige Hülfe gewährt.
Unsere Sympathien sind ihm geblieben, als eine neue Revolution auch ihn
(16. November 1889) des Thrones beraubte und er genöthigt war, die bitteren
Tage der Verbannung zu kosten. Die Gesellschaft wird ihn, den hochsinnigen
Förderer der Länder- und Völkerkunde America's, welcher die abendländischen
Galtnrbestrebungen in seinem halbwilden Lande einzuführen und zu pflegen be-
strebt war, in dankbarer Erinnerung behalten. —
(2) Am 11. d. M. ist unser beständiges Mitglied und einer der Stifter unserer
Gesellschaft, Julius Wilh. Ewald, 81 Jahre alt, gestorben. Seine Verdienste um
die geologische Erforschung des norddeutschen Bodens werden unvergessen bleiben.
Wenige Tage nachher, am 14. December, verloren wir einen anderen der be-
rühmtesten Geologen, Ferdinand Römer in Breslau, 73 Jahre alt, am Herzschlage.
Er war unseren Bestrebungen durch seine trefflichen Untersuchungen der Knochen-
höhlen im Quellgebiete der Weichsel besonders nahe getreten.
Am 22. December starb ein altes und treues Mitglied der Gesellschaft,
Carl Li man. Geh. Med.-Rath und Professor der gerichtlichen Medicin an
unserer Universität, gleichfalls 73 Jahre alt, der noch vor Kurzem unsere Sitzungen
besucht hatte.
Das correspondirende Mitglied, Paul Hunfalvy ist am 30. November,
81 Jahre alt, plötzlich in Budapest dahingeschieden, nachdem er noch am Tage
vorher in der ungarischen Akademie die festliche Feier seiner 50jährigen Mitglied-
schaft in scheinbar voUer Frische erlebt hatte.
VcrbuidU der B«rl. Aatbropol. QcteJUehaft 1891. 55
(8(>6)
(3) VorstaDd und Ausschuss haben als correspondirendes Mitglied gewählt
Hrn. Jimenez de la Espada zu Madrid. —
(4) Der Ober-Rammerherr Baron y. Alten wird am nächsten 8. Januar seinen
70. Geburtstag begehen. Vorstand und Ausschuss glauben die sympathischen Ge-
fühle der Gesellschaft für den erprobten Archäologen dadurch ausdrücken zu
sollen, dass sie ihm die Ehren-Mitgliedschaft antragen. —
(5) Der Vorsitzende erstattet den
Verwaltnngsberioht für das Jahr 1891.
Wie das Jahr 1890, so hat auch das eben zu Ende gehende Jahr einen grossen
Wechsel in dem Personalbestande unserer Gesellschaft gebracht. Der Tod hat
reiche Lese gehalten: mehr und mehr lichten sich die Reihen derjenigen Generation,
welche die Gesellschaft gegründet und gross gemacht hat. Von den 14 Unter-
zeichnern des Aufrufes vom 28. October 1869, welcher die Einladung zu der Con-
stituirung der Gesellschaft enthielt (Verhandl. 1889, 8. 649), sind nur noch 7 am
Leben; Ton ihnen gehören noch 5 (Virchow, Wetzstein, Hartmann, Beyrich
und Bastian) zu unseren Mitgliedern. Indess jedes neue Jahr führt uns neue
Mitarbeiter zu und der Geist der Gesellschaft erhält sich in stetiger, immer weiter
ausgreifender Thätigkeit.
Von den 6 Ehrenmitgliedern, deren wir uns Tor einem Jahre erfreuten,
sind die beiden, welche am längsten der Gesellschaft angehörten, dahingeschieden :
Heinrich Schliemann and Dom Pedro U. d'Alcantara. Als der letzte Ver-
waltungsbericht erstattet wurde, konnte noch ein mit freudigen Hoffnungen erfüllter
Brief Schliemann^ 8 erwähnt werden, geschrieben in Paris, auf der Rückreise von
der schweren Operation, der er sich in Halle unterzogen hatte. Wenige Tage
darauf brachte schon der Telegraph aus Neapel die erschütternde Nachricht seines
trübseligen Todes. Welche sonderbare Fügung hatte die beiden Männer, deren
äusserer Lebensgang so grundverschieden war, zusammengeführt! Als Dom Pedro
seine erste grosse europäische Reise ausführte, trieb es ihn vor Allem nach
Hissarlik, um den grossen Forscher an der Stätte seines Wirkens zu sehen und
unter seiner Leitung die Trümmer der alten Vesto kennen zu lernen. Der Ruhm
des homerischen Ilios begeisterte den amerikanischen Kaiser nicht minder, wie den
meklenburgischen Pfarrerssohn. Aber, wie verschieden urtheilen schon die Zeit-
genossen über die Beiden! Der Kaiser ist nach einer 60 jährigen milden and vom
edelsten Geiste erfüllten Regierung in schnödem Undank Verstössen worden, aber
der Stern unseres Landsmannes, der den reichen Gewinn einer langen sorgenvollen
kaufmännischen Thätigkeit in uneigennützigster Weise in den Dienst der Wissen-
schaft gestellt hatte, hebt sich höher und reiner hervor, um niemals wieder zu er-
löschen. Wir haben seinen Lebensgang und seine Siege in einer grossen Festfeier
entrollt, und die Stadt Berlin ist eben damit beschäftigt, die Marmorbüste ihres
einstmaligen Ehrenbürgers in ihrem Rathhause zur Aufstellung zu bringen. Unsere
Gesellschaft aber, der er in einem reichen Legat den Dank für ihre frühzeitige
Anerkennung und ihr treues Festhalten ausgesprochen hat, wird es als ihre heilige
Pflicht erachten, in seinen Wegen weiter zu arbeiten.
Die neuen Wahlen haben die Reihe unserer Ehrenmitglieder wieder auf die
alte Zahl ergänzt. Fräulein Johanna Mestorf, jetzt Direktor der Alterthoms-
sammlung in Kiel, unter den lebenden Frauen diejenige, welche durch acttTe
Leistungen am meisten zu dem Fortschritte der prähistorischen Archäologie bei-
(867)
getragen hat, wird hofTcntüch noch lange in der wichtigen Stellung, welche sie zur
Ehre ihres Geschlechts errungen hat, die Bande der Freundschaft, welche uns
mit ihr verknüpfen, durch treue Mitarbeit festigen. Ihr ist so eben in Baron
V. Alten, dem unermüdlichen Erforscher des oldenburgischen Landes und des
davor gelegenen Wattenmeeres, eine verwandte Kraft an die Seite gestellt worden.
Correspondirende Mitglieder zählten wir am Schlüsse des letzten Jahres
112. Wir haben den grossen Schmerz gehabt, von ihnen 4 zu verlieren: Rieh.
Schomburgk (Adelaide), Wilken (Leiden), Kopernicki (Krakau) und Hunfalvy
(Budapest). Dafür sind neu erwählt worden die Herren Penafiel (Mexico), Brizio
(Bologna), Sergi und Zampa (Rom), Espada (Madrid). Mögen sie viele Jahre
in fruchtbarem Verkehr mit der Gesellschaft bleiben! Von den nunmehr ll3Cor-
respondenten hat ein grosser Theil uns auch im verflossenen Jahr in gewohnter
Weise durch wichtige Mittheilungen in unserem Wissen gefördert. Mit besonderer
Anerkennung gedenke ich heute unseres treuen, leider schwer kranken Freundes
Ingvald ündset (Christiania), der HHrn. Hirth (Formosa), Marchesetti (Triest),
Orsi (Syracus), v. Fellen berg (Bern), Heierli (Zürich), Ornstein (Athen),
Baron F. Müller (Melbourne), Philippi (Santiago), v. Ihering (Rio Grande doSul).
Die Liste unserer ordentlichen Mitglieder umfasste am Schlüsse des
Jahres 1890 572, einschliesslich 4 lebenslängliche. Von den letzteren ist Hr.
Sokoloski, der nach langen Arbeiten in Peru in seine Heimath Wreschen zurück-
gekehrt war, gestorben; dafür ist neu hinzugetreten Hr. Corning (Morillon bei
Genf)* Von den zahlenden Mitgliedern haben wir 13 verloren: die HHrn.
Budczies, Bujack, Ewald, Goltdammer, G. Hahn, Lilienfeld, Liman,
Louis Mayer, Louis Müller, Niendorff, Quedenfeldt, Raschkow und den
viel beklagten und schwer vermissten Tischler. Ausgetreten sind 17, in die
Zahl der lebenslänglichen übergetreten 1, neu aufgenommen 28, so dass wir im
Augenblick 566 zahlende und 4 lebenslängliche, im Ganzen 570 Mitglieder be-
sitzen, 2 weniger als im Vorjahre.
Auch aus den Kreisen der sonstigen Mitarbeiter, die der Gesellschaft nicht
unmittelbar angehörten, haben wir traurige Verluste zu melden: Handelmann
(Kiel), Escher-Züblin (Zürich), Römer (Breslau), Dieffenbach (Friedeberg
i. Wett), Schwatka (Nord-America), Reinwald (Paris).
In unseren eigenen Reihen hat die Zähigkeit der älteren Generation uns eine
Anzahl von Jubiläen gebracht, bei denen die Träger am meisten desshalb be-
glückwünscht werden konnten, weil das Alter ihnen nicht die Arbeitskraft geraubt
hat Die HHrn. Beyrich, W. Schwartz und Hauchecorne sehen wir als
wahre Muster unverwüstlicher Thätigkeit vor uns. Mir selbst hat die Gesellschaft
eine besondere Ehrenstellung zugesprochen, welche anzunehmen mir um so
schwerer geworden ist, als ich es vorgezogen hätte, als einfacher Arbeiter unter
den Collegen im Dienst zu bleiben. Aber ich müsste ganz unempfindlich geworden
sein, wenn ich so viel Freundschaft nicht mit warmem Herzen aufgenommen hätte.
Vielleicht wird es mir vergönnt sein, auch als Ehrenpräsident meine Pflicht in ge-
wohnter Weise zu üben und meinen Dank durch erneuten Eifer zu beweisen.
Wenn ich jetzt, nachdem ich wiederum drei Jahre lang die Geschäfte geleitet
habe, nach unserer statutenmässigen Vorschrift von dem Vorsitze zurücktrete, so
habe ich die grosse Genugthuung, diese Stellung in einem Augenblick in frische
Hände zu geben, wo wir eines der fleissigsten und erfolgreichsten Arbeitsjahre hinter
pns gelegt haben. Wegen der übergrossen Fülle des Materials waren wir schon
im Januar und Februar genöthigt, je eine ausserordentliche Sitzung ein-
zuschieben; diese und die 10 ordentlichen Sitzungen haben so umfassende
56*
(868)
Berichte geliefert, dass unsere ^Verhandlungen* voraussichtlich einen Umfang
erreichen werden, wie ihn nur die fruchtbarsten Jahre gebracht haben. Sind schon
sonst durch diese Publikationen unsere Mittel in einem Maasse, das sich nur
schwer mit unseren Einnahmen vertrug, in Anspruch genommen worden, so wird
dieses Jahr eine starke Ebbe in unserer Kasse herbeiführen. Der nachher zu er-
stattende Bericht unseres Hrn. Schatzmeisters wird freilich ein für den Augenblick
recht befriedigendes Bild unserer Finanzen ergeben, aber wir dürfen nicht ver-
gessen, dass wir in jedem Jahre unsere Buchhändler-Rechnung als schwebende
Scliuld in das neue Jahr hinübemehmen und dass deren Tilgung fast den ganzen
Ueberschuss des Vorjahres, einschliesslich des Staatszuschusses, zu verzehren
pflegt.
Dazu kommt die Bechnung für die ^Nachrichten über deutsche Alter-
thumsfunde", welche den uns bewilligten Beitrag des Hrn. Unterrichtsminister«
im letzten Jahre gleichfalls überschritten hat.
^enn wir unsere Publikationen stets unter finanziellen Sorgen hinausgeben
sehen, so dürfen wir um so mehr mit einem gewissen Stolze auf den materiellen
Inhalt derselben blicken. Es hat lange gedauert, ehe unsere Arbeiten in der
gelehrten Welt eine grössere Anerkennung gefunden, ja auch nur allgemein bekannt
geworden sind. Allmählich hat sich das Urtheil befestigt, dass sowohl der Text
unserer Zeitschrift, als die Verhandlungen, Fundgruben der ergiebigsten Art sind.
Hoffentlich wird das bald zu erwartende Generalregister über die ersten
20 Bände den günstigen Eindruck verstärken und die, bis jetzt allerdings sehr
erschwerte Zugänglichkeit unserer Schriften grösseren Kreisen eröffnen. Der
Anfang der mühseligen Arbeit, bei der die HHm. Adolf Meyer, Franz Görke und
Theodor Liebe mit einer nicht genug anzuerkennenden Hingebung eingetreten
sind, befindet sich in der Druckerei und wir würden vielleicht schon nahe an die
Vollendung gerückt sein, wenn nicht der hartnäckige Buchdrucker-Strike uns um
volle zwei Monate zurückgehalten hätte. Das Generalregister wird nicht nur uns
selbst in Erinnerung bringen, was wir in recht harter Arbeit in zwei Decennien
an thatsächlichem Stoff für das Studium der Anthropologie, der Ethnologie und der
Urgeschichte angehäuft haben, sondern es wird auch den fremden Gelehrten
zeigen, dass wir die schwere Ooncurrenz mit den Schwestergesellschaften im Aus*
lande mit Ehren durchgeführt haben. Die Hindemisse, welche die Unkenntnis«
unserer Sprache für ein volles Verständniss unserer Resultate selbst bei den Ge-
lehrten Europas, noch mehr bei denen anderer Welttheile mit sich bringt,
werden freilich während unseres Lebens schwerlich ganz überwunden werden.
Die weite Verbreitung der französischen und englischen Sprache wird uns
immer in Nachtheil bringen gegenüber den anderen Nationen, welche vor ans
den Weltverkehr zu beherrschen verstanden haben, und wir müssen uns darin
finden, dass unter den Citaten der fremden Literatur die unsengen entweder gans
fehlen, oder doch nur ausnahmsweise erscheinen. Hat es doch lange genug ge-
dauert, ehe auch nur unsere Stammesgenossen in Süd- und Westdeutschland die
norddeutsche Archäologie und Anthropologie als einen Gegenstand der Auftnerk-
samkeit zu würdigen angefangen haben. Unsere ^Nachrichten^ sind aus diesem
Grunde noch immer lückenhaft und fem davon, ein volles Bfld von der Oesammt-
forschung im deutschen Vaterlande zu gewähren. Aber wir kommen allmählidi
vorwärts und am Ende werden wir unsere Resultate doch nicht vorzugsweise nach
der Schätzung der Anderen, sondern nach dem Werthe beurtheilen müssen, den
sie für uns selbst in der fortschreitenden Erkenntniss der menschlichen £nt*
Wickelung besitzen.
(869)
Nor beilänOg mag daran erinnert werden, wie schwer es uns geworden ist,
die Gegensätze im eigenen Lande zu überwinden, welche unsere junge Wissen-
schaft in den Jahrtausende alten und mit den reichsten Hülfsmitteln ausge-
statteten historischen Disciplinen gefunden hat. Die Prähistoriker erschienen eben
als Parvenüs auf dem Boden, den die klassischen Archäologen, die orientalischen
Forscher, die Geschichtsvereine seit langer Zeit occupirt hatten, und recht lang-
sam und nur unter Aufwendung sehr energischer Thätigkeit ist es möglich ge-
worden, der Ueberzeugung Bahn zu brechen, dass auch diese Zweige der Forschung
ihre Vervollständigung erst durch umfassende Kenntnisse auf dem Gebiete der
Vor- und Urgeschichte und der Völkerkunde finden können. Jetzt erst schliessen
sich die Lücken, welche so fühlbare Hemmnisse des Verständnisses für den Gang
der allgemeinen Culturentwickelung gebildet haben. Und doch müssen wir sagen,
dass der Mensch selbst noch eigentlich nicht ein Gegenstand der allgemeinen
Aufmerksamkeit geworden ist; doch müssen wir bei dem Aufdecken der Gräber
immer darauf gefasst sein, dass die menschlichen Ueberreste zerschlagen und ver-
worfen werden, wie unsere Reisenden noch immer am wenigsten von der physischen
und psychischen Beschaffenheit der Menschen zu berichten wissen, denen sie be-
gegneten.
Glücklichesweise bringen die erweiterten Verkehrsverhältnisse uns immer
reichlicher Vertreter der verschiedensten fremden Völker, namentlich
auch der Naturvölker, zur Anschauung und Untersuchung. Noch kein früheres
Jahr hat uns eine solche Fülle exotischer und absonderlicher Menschen zugeführt,
wie das ablaufende. Wir haben hier in der Gesellschaft Dualla von Kamerun
und Neger von der Westküste Africa's (Dahome nannten sie sich), Melanesier und
Tagalen, Lappen und „Azteken^ gesehen. Die wunderbarsten Monstrositäten sind
vor uns aufgetreten: ein heterardelpher Inder, xiphodyme Italiener, eine bärtige
Dame aus Nordamerica, ein frühreifes Mädchen aus Berlin, — kurz, jedes unserer
Mitglieder war in der Lage, gleichsam zu Hause, seine anthropologischen An-
schauungen mit selbsterlebten Erinnerungen zu füllen. Der Degenschlucker, der
Hantmensch, Thomme Protoe, die Handstand-Künstlerin liessen nach einander er-
kennen, was auch der Culturmensch an sich selbst durch Uebung und Lokalisation
seiner Fähigkeit zu erringen vermag.
Nicht wenige unserer Mitglieder haben auf neuen, zum Theil sehr weiten
Reisen ihre ethnologischen Beobachtungen erweitert. Hr. Bastian ist zu unserer
Freude nach langer Abwesenheit im Osten wieder unter uns. Die HHm. v.
Luschan, Ohnefalsch-Richter, Bracht sind aus dem Orient, Hr. Beick aus
Transkaukasien und Armenien heimgekehrt. Hr. Jagor hat zuletzt aus Singapore
geschrieben, von wo aus er weiter gen Osten ziehen wird. Hr. Bässler hat eine
neue Reise in das malayische Meer angetreten. Hr. Hirth weilt auf Formosa.
Hr. Schwein fürt h ist von Neapel aus nach Massaua und Keren, zu einem er-
neuten Besuche der erythräischen Colonie Italiens, aufgebrochen. Hr. Joest weilt
in Aegypten. In Africa sind von den uns näher stehenden Forschern die
HHm. Zintgraff, Stuhlmann, der jetzige Begleiter Emin-Pascha's, und
Merensky thätig; in America die HHm. Boas, Kunert, v. Ihering, und seit
Kurzem auch Fräulein Elisabeth Lemke, die nach New-York übergesiedelt ist.
Ueber die Erforschung der Halbinsel Malacca, welche Mr. Vaughan
Stevens auf Kosten des König]. Museums und der Rudolf Virchow- Stiftung be-
gonnen hat, ist erst in der letzten Sitzung Bericht erstattet worden (S. 829). Von
der umfassenden anthropologischen Aufnahme in Bengalen ist eben die erste
grössere Veröffentlichung durch Mr. RiHley eingegangen. So rückt ein Land,
(870)
ein Volk nach dem anderen in das hellere Licht beglaubigter Kenntniss. Unsere
Oolonial- Gesellschaften, vor allem die Neu- Guinea -Compagnie und die deutsche
Colonial-Gesellschaft, fördern mehr und mehr die wissenschaftliche Erforschung der
für Deutschland gewonnenen Gebiete, und der Chef der Golonial -Abtheilung des
Auswärtigen Amtes, Hr. Kayser, hat sich in entgegenkommender Weise erboten,
unsere Wflnsche innerhalb der Grenzen des Möglichen zu fördern. Wir verdanken
ihm die Zusendung einer reichen Sammlung photographischer Aufnahmen, die Hr.
Zintgraff im Hinterlande von Kamerun veranstaltet hat. Indem ich ihm hier
den Dank der Gesellschaft abstatte, will ich zugleich des schönen Zuwachses ge-
denken, welchen unsere Bibliothek durch das Geschenk des Gazellen- Werkes seitens
des Kaiserlichen Marine-Amtes erfahren hat.
Lassen Sie ims bei der Erwähnung unserer ('Olonien auch des Mannes ge-
denken, dessen Name mit der ersten Entfaltung der deutschen Flagge an der
west-africanischen Küste stets verbunden bleiben wird, unseres braven, unver-
gesslichen Nachtigal. Wie oft hat er uns noch bis kurz vor seiner Abreise
unmittelbar unterstützt in unseren Arbeiten! wie schwer wurde uns allen der
Abschied selbst, obgleich wir noch nicht wnssten, welchem Schicksal er ent-
gegengeführt wurde! Jetzt ruhen seine Gebeine in der Golonie Kamerun, die ihm
den Todeskeim eingepflanzt hat, und seine Freunde daheim können nur darin
einen Trost finden, dass überall im Vaterlande des Mannes, der im Handeln and
im Leiden gleich stark war, mit herzlicher Verehrung gedacht wird. Wir sahen
es, als wir im Sommer in seine Heimath kamen, um die Büste enthüllen zu
helfen, die ihm in Stendal errichtet ist, und wir werden es in Kurzem wieder er-
leben, wenn die grosse Marmorbüste enthüllt werden wird, welche, aus freiwilligen
Gaben hergestellt, im Museum für Völkerkunde selbst, mitten zwischen den
Schränken, die seine afrikanischen Ehrenkleider und seine Sammlungen aus dem
Sudan bergen, aufgestellt werden soll.
Die Altmark hat so für uns eine neue Anziehung gewonnen. In sie führte
uns auch die erste grössere anthropologische Sommer-Exkursion, die unsere
Gesellschaft wieder unternommen hat. Es war vorzugsweise das Gebiet der
megalithischen Denkmäler, dieser gewaltigsten Reste einer vorgeschichtlichen Be-
völkerung, deren Erforschung wir nur sehr langsam, aber doch in merkbarem Forl-
schritt uns nähern.
Allein unser Interesse culminirte dieses Jahr in den vielen und überraschenden
Aufschlüssen, welche uns der äusserste Osten unseres Vaterlandes gewährte. Die
deutsche anthropologische Gesellschaft hatte Königsberg zum Sitz ihrer
diesjährigen Generalversammlung erwählt. Wir hatten gehofft, die reichen dor-
tigen Sammlungen unter der Leitung desjenigen Mannes zu mustern, der am
meisten dazu gethan hat, eine chronologische Ordnung der Alterthttmer dieser
fernen Provinz herzustellen. Tischler selbst sah in unserem Besuch den Lohn
für seine aufopfernde Thätigkeit; er war voll von der Hoffnung, uns in einem
illustrirten Führer ein Musterbuch für prähistorische Sammlungen überreichen zu
können. Das Geschick wollte es anders. Wie einst die deutsche Naturforscher-
versammlung, als sie ihre Jahresversammlung in der Hauptstadt des Ostens er-
öffnen wollte, ihren ersten Geschäftsführer, Rathke, zu begraben hatte, so konnten
auch wir nichts anderes thun, als unseren Klagen in dem verwaisten Hause und
in den verlassenen Sammlungsräumen Ausdruck zu geben, wo noch wenige Wochen
vorher Tischler gewirkt hatte. Der Congress selbst fand in Danzig stiitt. Teber
ihn und über die weitere Reise, die uns bis an die russische Grenze führte, hsbe
(871)
ich neulich (S. 746) ausführlich berichtet. Voll vod unvei^^sslichen Erinnerungen
sind wir zurückgekehrt.
Das nächste Jahr wird die GeneralFersammlnng tief im Süden Deutschlands,
an der Donau, sehen. In Ulm ist man mit den Vorbereitungen dazu beschäftigt
Eine gänzlich verschiedene Cultur erwartet uns: mögen die Mitglieder recht zahl-
reich auf dem Platze sein, um unsere schwäbischen Brüder zu begrüssen, an deren
herzlichen Empfang in den ersten Zeiten unserer Gesellschaft wir immer noch mit
Rührung zurückdenken. Dann folgen die grossen internationalen Con-
grosse, zuerst der prähistorische in Moskau im August, dann der ame-
ricanistische in Huelva, im äussersten Südwesten Spaniens, dieser zugleich
als ein Erinnerungsfest für Columbus, der von dort aus vor 400 Jahren seine
erste Entdeckungsreise nach Amenca unternahm. Hoffen wir, dass auch die deut-
schen Gelehrten die seltene Gelegenheit, welche sich an beiden Orten darbietet,
in grösserer Zahl benutzen werden.
In Schwaben können wir dem Werke unsere Aufmerksamkeit zuwenden,
welches nunmehr auch von dem Deutschen Reiche als ein Gegenstand ge-
lehrter Untersuchung anerkannt werden wird. Die Erforschung des Limes
romanus ist auf die Tagesordnung des Reichstages gestellt und wir dürfen er-
warten, dass diesmal ausgiebige Mittel werden bewilligt werden, um eine Aulgabe,
an der schon so viele Grenerationen und so tüchtige Forscher sich versucht haben,
zu einem endgültigen Ende zu führen. Die genaue Feststellung des gewaltigen
Römerwerkes wird nicht bloss dazu führen, eine höchst dunkle Episode der Kämpfe
zwischen den römischen Kaisern und den freien Stämmen Germaniens zu er-
hellen, sondern sie wird auch der prähistorischen Forschung neue Handhaben für
die Aufklärung jener grossen Bewegung bieten, welche die Verschiebung der
alemannischen Völker und das Nachrücken der Stämme des Nordens, sowie das
Eindringen der südlichen Cultur unter dio Barbaren ermöglicht hat
Seit vielen Jahren ist die Thätigkeit unserer anthropologischen Gesellschaften
darauf gerichtet gewesen, die Urzeit des deutschen Volkes und das Ent-
stehen und Vergehen immer neuer Stämme und Völkerbünde auf natur-
wissenschaftliche Weise aufzuklären. Die grosse Schulerhebung hat uns gestattet,
von der Gegenwart aus die Vertheilung der blonden und der brünetten Rasse
in unerwarteter Deutlichkeit zeigen zu könnnen. Untersuchungen über die
sonstigen physischen Merkmale der Stämme sind in ausgedehntester Weise in An-
griff genommen: die Verhältnisse des Körpers, die Gestalt des Kopfes, die
Charaktere des Gesicht« sind Gegenstand der Messung und der zahlenmässigen
Fixirung geworden. Neuerdings habe ich mit lohnendem Erfolge die Auf-
merksamkeit auf die Wohnung gerichtet. Vortreffliche Vorarbeiten über das
deutsche Haus erleichterten die Aufgabe, und doch hat sich gezeigt, dass eine end-
lose Fülle localer Feststellungen nöthig ist, um aus dem Gewirr der architektoni-
schen Erscheinungen die ursprünglichen Typen herauszuschälen. Noch sind wir
mitten in der Arbeit, noch werfen sich zu unserer eigenen Ueberraschung immer
neue Fragen auf. Welche Mannichfaltigkeit der Erscheinungen, gleichviel ob wir
von Nord nach Süd, oder von West nach Ost die Hausformen verfolgen! Auch
hier, wie bei den Untersuchungen über die physischen Merkmale der Stämme, zeigt
sich, dass ein abschliessendes Urtheil auf deutschem Boden allein nicht gewonnen
werden kann. Ueberall gegen die Grenzen hin stossen wir auf andere Probleme:
hier auf das celtische, dort auf das dänische, hier auf das lettische, dort auf das
slavische und italische Haus. Aber die Methode der Forschung ist mehr und mehr
geklärt, und wenngleich auch auf diesem Gebiete der Dilettantismus noch immer
(872)
Stöningen verursacht, so eröffDet sich dem Auge doch immer freier der Ceberblick
über die Zusammenhänge.
Ein neues Mittel der ErkenntnLss ist gewonnen worden, seitdem wir unser
Trachten -Museum eröffnet haben In schneller Folge haben überall die
Provinzen und die einzelnen Länder unser Beispiel befolgt, und die Geringfügig-
keit der Mittel, die uns zu Gebote stehen, macht die Ck)ncurrenz sehr schwer.
Trotzdem dürfen wir uns sehen lassen. Schon jetzt zeigt unser Museum lehr-
reiche Sammlungen aus fast allen denjenigen Th eilen des Vaterlandes, in denen
noch das Alte in einiger Vollständigkeit erhalten ist. Die Tracht, der Schmuck,
das Hausgeräth, die Gewebe, die Erzeugnisse der Kleinkunst, — sie häufen sich
in unseren Schränken zu Gesammtbildem einer vergangenen Cultur. Freilich ist
diese Cultur nicht so alt, wie man sie häufig schätzt; überschreitet sie doch kaum
das 1^. Jahrhundert. Indess mit den Häusern ist es auch nicht anders. Fast
kein einziges deutsches Haus reicht über den Anfang des 16. Jahrhunderts hinaus.
Und doch ist hier ein grosser Unterschied. Während der Hausbau durch Jahr^
hunderte hindurch sich beständig in gleichen Gewohnheiten fortgesetzt hat, nur
von Zeit zu Zeit durch neue Muster beeinflusst, ist die Tracht mit allem, was
dazu gehört, von jeher der Mode ausgesetzt gewesen, und nur besondere Umstände
haben es mit sich gebracht, dass an einzelnen Orten oder in einzelnen Gegenden,
fast inselartig, die ^altfränkische" Tracht der Mode Widerstand geleistet hat. Für
die Charakteristik der Stämme aber dürfen Kleidung und Hausgeräth nur mit
grösster Vorsicht verwendet werden; sie sind nur Hülfsmittel der Erkenntnisi^.
an und für sich sind sie leider unzureichend zu einer Sonderung der Stammes-
eigenthümlichkeiten.
Darum sind sie verhältnissmässig untergeordnet gegenüber den Ue her-
liefe rungen der Volksseele, welche die ethnische Psychologie zu sammeln
hat. Hier stossen wir auf jene überraschende Zähigkeit im Festhalten derselben
Empfindungen und Deutungen, wie sie nur der Glaube und der Aberglaube
erzeugen. Was die ersten Eindrücke der zarten Kindesseele einprägt, wa« die
Mutter und die Grossmutter erzählen, was die tägliche Unterhaltung erneuert and
das Geheimniss der vertraulichen Mittheilung erweitert, — das pflanzt sich von
Geschlecht zu Geschlecht fort, unmerklich, fast verborgen, und das muss mit Ge-
duld und Scharfsinn erforscht und mühsam wieder an die Oeffentlichkeit gebracht
werden. Das Märchen, die Sage, der Mythus zeugen mehr für die Wege der
ältesten Cultur, als irgend ein Bestandtheil des äusseren Wesens. Unsere Gesell-
schaft hat die Spalten ihrer Organe stets offen gehalten für Arbeiten in dieser
Richtung; sie hat gern in ihren Sitzungen aus berufenem Munde die verborgenen
Wege der Psyche sich erklären lassen. Aber dieses Gebiet ist so gross und so
vieldeutig, wie das der Linguistik, deren Bedeutung wir nie verkannt und deren
Lehren wir uns nie verschlossen haben. Trotzdem haben wir zu unserem Be-
dauern unsere eigene Thätigkeit auf diesem Gebiete einschränken müssen, und wir
freuen uns, dass gerade aus unserem Schoossc heraus, durch einen Theil unserer
eigenen Mitglieder, die uns deswegen nicht verloren gegangen sind, ein besonderer
Verein für Volkskunde entstanden ist. Möge es demselben gelingen, die zer-
streuten Elemente der heimlichen Ueberlieferung von überall her zu sammeln und
zum Besten der allgemeinen Wissenschaft zu geordneter Mitwirkung zu bringen!
Es würde eine grosse Föi-derung sein auf dem Wege zur Vereinigung aller
der Bestrebungen, welche in unserer Gesellschaft hervorgetreten sind und welche
wir gern haben gewähren lassen, soweit sie aus individueller Initiative her%or-
ij'ingen, wenn ein Gedanke verwirklicht werden könnte, den wir vor einiger Zeit
(873)
in einer Eingabe an den damaligen Unterrichtsminister, Hrn. v. Gossler, ent-
wickelt haben, nehmlich wenn ein grosses deutsches Nation al-Museum ge-
gründet würde, in welchem nicht nur die prähistorische und historische Archäo-
logie, sondern auch die physische Anthropologie, die nationale Costümkunde und
die provinziellen Besonderheiten des deutschen Landes zur Anschauung gebracht
werden könnten. Hr. v. Gossler hat uns darauf, im Augenblick seines Scheidens,
in freundlichster Weise geantwortet, aber wir müssen jetzt wohl darauf verzichten,
mehr zu thun, als den Gedanken in Erinnerung zu bringen, und ihn einer späteren
Zeit überantworten.
Es ziemt sich aber, des eben genannten Ministers, der uns in seiner neuen
Eigenschaft als Oberpräsident von Westpreussen in Danzig mit herzlicher Be-
grüssung empfing, dankbar zu gedenken und ihm nochmals unsere Erkenntlich-
keit auszusprechen für die vielen Beweise seiner verständnissvollen Theilnahnie an
den Bestrebungen unserer Gesellschaft und an den Zielen unserer Arbeiten. Unter
seiner wohlwollenden Hülfe ist das Museum für Völkerkunde gross geworden;
unter seiner stets erneuten Ansprache sind die Forschungen in den Provinzen aus-
giebiger gestaltet worden, haben sich auch die Provinzialsammlungen gefüllt und
hat sich der an sich geneigte Sinn der Bevölkerungen für die Erforschung der Vor-
zeit mehr und mehr erschlossen. Ihm verdanken wir noch zuletzt die Anregung
zu der Herausgabe der „Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde''.
Sein Nachfolger, Graf v. Zedlitz-Trützschler, hat in gleich wohlwollender
Weise von unseren Bestrebungen Kenntniss genommen und seinen Beistand in
Aassicht gestellt. So dürfen wir wohl darauf rechnen, dass auch künftig imserer
Gesellschaft der Schutz der Staatsregierung gesichert sein wird, zumal da an der
Spitze der Museumsverwaltung derselbe Mann wirkt, der uns von Anfang an mit
Rath und That zur Seite gestanden hat, der Generaldirector Hr. Schöne. Seinem
Entgegenkommen haben wir es zu danken, dass wir in dem Gebäude des Museums
für Völkerkunde eine Heimstätte gefunden haben und an würdigem Platze unsere
Sammlungen aufstellen konnten. Auf seinen Vorschlag hat Se. Majestät der Kaiser
und König genehmigt, dass sämmtliche Stellen in der Sachverständigen-Commission
dieses Museums mit Mitgliedern unserer Gesellschaft besetzt wurden.
Ich hätte nunmehr die vielen einzelnen Personen zu nennen, welche uns
durch Mittheilungen der verschiedensten Art unterstützt und gefördert haben. In-
dess ihre Zahl ist so gross, dass es nicht wohl möglich wäre, jedem sein
besonderes Verdienst nachzurühmen. So mögen sie denn ganz allgemein ver-
sichert sein, dass wir herzlich erfreut gewesen sind über so zahlreiche und so
nützliche Mitarbeiter. Mögen sie zugleich aus der Leetüre unserer Verhandlungen
entnehmen, wie sorgsam wir die Schätze an Wissen zu bewahren und zu verwerthen
bemüht sind, die sie uns zuführen.
Statutengemäss ist noch zu berichten über unsere Sammlungen:
1. Unsere Bibliothek ist wiederum sehr namhail vergrössert worden. Sie
hat im I^aufe des Jahres 429 Werke und 431 Bände erhalten. Da wir nur geringe
Mittel auf den Ankauf verwenden können, so entstammen diese Werke fast ganz
dem Tauschverkehr und den Geschenken von Fachgenossen und Freunden. Wie
früher, so haben auch in diesem Jahre Hr. C. Künne und Frau Sanitätsrath
Schlemm uns auf das Reichste beschenkt. 127 Bände Zeitschriften sind gebunden
und der Bibliothek einverleibt worden. Die Ausdehnung der Bibliothek ist dadurch
so gross geworden, dass wir die Bitte um einen neuen, gössen Bücherschrank an
die Museomsverwaltung haben richten müssen.
2. Die Sammlung der Photographien hat sich, gleichfalls fast ausschliess-
(874)
lieh durch Geschenke, um 163 Stück vermehrt Immerhin wäre es sehr er-
wünscht, wenn unsere Mitglieder auf ihren Reisen sich häufiger daran erinnern
wollten, dass manches Blatt, das an Ort und Stelle leicht zu erwerben ist, hier
ganz unbekannt und doch oft recht werthyoll ist.
Das Album der Mitglieder ist trotz aller Mahnungen noch sehr mangel-
haft gefüllt. Insbesondere möge an die auswärtigen Mitglieder das erneute Ersuchen
ergehen, uns durch Zusendung ihrer Bildnisse zu erfreuen. Aber auch die ordent-
lichen Mitglieder werden hierdurch gemahnt, unserer Bitte nachzukommen.
3. Ueber die neuen Erwerbungen der anthropologischen Sammlung ist
in den Sitzungen Mittheilung gemacht, auch zum Theil ausführlich berichtet
worden. Auch hier fehlt es, wie schon im vorigen Jahre angeführt, für weitere
Skelette an Platz; vorläufig werden dieselben, wie früher, im Pathologischen In-
stitut aufbewahrt. Die freilich nicht zahlreichen Spirituspräparate, deren Auf-
nahme die Museums- Verwaltung verweigert, befinden sich ebendaselbst. Die in
Aussicht genommene Abzweigung einer Schausammlung für das grosse Publikum
hat noch nicht bewirkt werden können, weil es dafür an einem geeigneten
Baume fehlt. —
(6) Der Schatzmeister Hr. W. Ritter erstattet den
Reohenschaftsbericht fär das Jahr 1891.
Bestand aus dem Jahre 1890 2 888 Mk. 93 P(g.
Einnahmen:
Jahres-Beiträge der Mitglieder 1 1 274 Mk.
Staatszuschuss 1 800 ^
Zuschuss des Unterrichts-Ministers für die Nach-
richten übei' deutsche Alterthumsfunde . . 1 000 „
Kapitalzinsen 346 „
Ausserordentliche Einnahmen:
a) Einzahlung eines lebenslänglichen Mitgliedes 300 „
b) Legat von 10000 Francs von Schliemann
(unter Vorbehalt Allerhöchst Genehmigung) 8 025 „
22745 ^ ~ ^
Summa 25 633 Mk. 93 PIg.
Ausgaben:
Mieths-Entschädigung an das Museum für Völkerkunde. . . 600 Mk. — Pfg.
Mitglieder-Beiträge an die deutsche anthropol. Gesellschaft . I 590
Ankauf von Exemplaren der Zeitschrift für die Mitglieder . . 2 883
Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde (Jahrgang 1890),
einschl. der Remuneration für die Bibliographie .... 1 04^ „ 40 ^
Einladungen zu den Sitzungen 301 ^ 65 ^
Porti und Frachten 1193 ^ 59 „
Bibliothek (Buchbinder u. s. w.) 549 „ 25 ^
Schreibmaterialien 80, 50^
Remunerationen 149 , 84 ^
Ankauf wissenschaftlicher Gegenstände 1 283 ^ 70 .^
An die Verlagshandlung Asher & Co. für überzählige Bogen
und Abbildungen für die Verhandlungen 1890 .... 3 684 , 90 ^
Angekaufte Werthpapiere 8 045 ^ 55 ^
Summa 21 410 Mk. 38 Pig.
Bleibt Bestand für 1892 4 223 Mk. 55 Pfg,
(875)
Der Reservefond besteht aus:
Preussischen SYsprocentigen Consols . . . . SOOOMk.
^ 4procentigen Consols .... 600 ^
Berliner 37sproccntigen Stadt-Obligationen. . 8 000 ^
Preussischen 4procent. Consols (LebensL Mitgl.) 1 200 ^
Summa 17 8O0Mk.
Der Vorsitzende theilt mit, dass der Ausschuss durch die HHm. Friedel
und Olshausen die Rechnung hat prüfen lassen und dass derselbe dem Vor-
stande in Betreff der Verwaltung Decharge ertheilt hat (§ 36 der Statuten).
Er spricht Namens der Gesellschaft dem Schatzmeister den Dank aus fUr die
mühsame und sorgfältige Ftihrung der Geldgeschäfte. —
(7) Herr Virchow erstattet Bericht tiber die
RechmiDg der Rudolf Virchow-Stiftuog für das Jahr 189L
Nach dem Bericht am Schlüsse des Jahres 1890 (Verband. S. 594) betrug
das bei der Reichsbank deponirte Kapital der Stiftung
an 4procentigen Consols 87 000 Mk.
an 3procentigen Consols . 3000 „
Zusammen nominell 90000 Mk.
Das Legat des Hrn. Emil Rieb eck im Betrage von 2000 Mk. war, wie da-
mals auseinandei^esetzt, vorschussweise verwandt worden, um Mr. Hrolf C. Vaughan
Stevens in Gemeinschaft mit dem Königlichen Museum für Völkerkunde die
Mittel zu einer Erforschung der malayischen Halbinsel zu gewähren. Ueber die
Eiigebnisse dieser Expedition ist in der Sitzung vom 21. November (S. 829) be-
richtet worden. Die finanzielle Auseinandersetzung mit dem Museum, welchem die
Ergebnisse überantwortet worden sind, wird demnächst stattfinden.
In Betreff der kaukasischen Ausgrabungen, über welche gleichfalls schon im
Vorjahre Mittheilung gemacht ist, hat eine Einigung mit dem Museum für Völker-
kunde noch nicht stattgefunden, da zunächst die Vorfrage erledigt werden soll,
ob die kaukasischen Alterthümer der prähistorischen oder der ethnologischen Ab-
theilung einzuverleiben seien. Die finanzielle Ausgleichung muss daher gleichfalls
in das kommende Jahr verschoben werden.
Inzwischen ist eine neue grosse Einnahme für den Kapitalbestand der Stiftung
eingegangen. Bei Gelegenheit meines 70jährigen Geburtstages am 13. October
dieses Jahres wurde mir mit der üeberreichung der grossen, für mich gepi*ägten
Medaille zugleich die überraschende Mittheilung gemacht, dass der zu diesem
Zweck gebildete Ausschuss, bestehend aus den Herren Waldeyer, Adolf Meyer,
W. Reiss, M. Bartels, B. Fränkel und P. Langerhans, einen beträchtlichen
Ueberschuss in Händen habe, der mir zur freien Verfügung gestellt werde. Auf
geschehene Anfrage bat ich um die Ermächtigung, die Summe dem Kapitalstock
der Rudolf Virchow-Stiflung zuschlagen zu dürfen. Der Ausschuss erklärte sich
unter dem 11. December damit vollkommen einverstanden und überlieferte mir
gleichzeitig in 3procentigen Consols die Summe von nominell 20 000 Mk. Es
möge mir gestattet sein, an dieser Stelle dem Ausschuss für seine grosse Mühe-
waltung und die mir erwiesene Freundschaft und grosse Ehre, zugleich aber auch
allen Beitragenden für diesen überwältigenden Beweis einer weithin reichenden
Theilnahme meinen wärmsten Dank abzustatten. Es wird mir eine heilige Pflicht
sein, die grosse Schenkung nützlich zu verwalten.
(876)
Eine andere, nicht minder rührende Gabe wurde mir bei derselben Gelegenheit
bescheert. Meine früheren und jetzigen Assistenten hatten sich vereinigt^ um mir
in einem grossen Bande eine besondere Festschrift, bestehend aus lauter Original-
Arbeiten, zu widmen. Sic waren gleichzeitig übereingekommen, auf das ihnen zu-
stehende Honorar zu Gimsten der Rudolf Virchow- Stiftung zu verzichten. Der
Herausgeber, Hr. 0. Israel und die Verlagsbuchhandlung Hirsch wald haben mir
im Namen der Mitarbeiter den Betrag mit 3550 Mk. überreicht. Daraus sind 4pro-
centige Consols im Nominalbetrage von 3000 Mk. erworben worden. Zu der grossen
Freude, welche mir die inhaltsreiche Festschrift gewährt, haben meine jüngeren
Mitarbeiter auch noch diesen Akt der persönlichen Hingebung hinzugefügt
Herzlichsten Dank ihnen Allen!
Es sind ausserdem im Laufe des Jahres 1891 aus flüssigen Mitteln der Stillung
erworben worden
3V»procentige Consols 1 600 Mk.
^ n n . 1 500 „
zusammen 3 100 Mk.
Der angelegte Kapitalstock der Stiftung ist somit am Schlüsse des Jahres 1891
angewachsen auf
4procentige Consols 90 500 Mk.
3'/, ^ „ 1600 „
3 „ , . 24500 „
zusammen 116 600 Mk.
Der flüssige Bestand am Schlüsse des Vorjahres betrug . . 3 667 Mk. 40 Pf."
Dazu sind getreten an laufenden Zinsen 3 642 „ 5 ^
Das Pestgeschenk meiner Assistenten 3 550 „ — ^
zusammen 10859 Mk. 45 Pf.
An Ausgaben wurden geleistet:
a) für Ausgrabungen in Transkaukasien . . 787 Mk. 50 Pf.
b) für 2 Aleutenskelette) an Dr. Hertz . . 400 ^ — ^
c) für 3Neu-Caledonierschädelan Rolle . 100 , — ^
d) fQr thüringische Gräberschädel an Nagel 65 , — „
e) für ein nordamerikanisches Skelet an Jahn 160 „ 70 ^
f) für Frachten vom Kaukasus 260 ^ 90 ,
g) für 6 Skeletständer 87 „ — ,
h) für Montirung von 7 Skeletten. ... 150 ^ — ^
i) für Depotgebühren . 2 ^ — ^
zusammen 2013 Mk. 10 Pf.
k) für Ankauf von Effekten 6547 ,. — ^
in Summa 8560 Mk. It) Pf.
bleibt flüssiger Bestand am Ende 1891 2299 Mk. 35 Pr
(H) Als neue Mitglieder werden angemeldet:
Hr. Dr. med. Handtmann, Charlottenbui^.
^ Kechtsanwalt Dr. Eisenmann, Berlin.
(9) Es folgt die
Wahl des Vorstandes fttr das Jahr 1892.
Der Vorsitzende zeigt an, dass Hr. W. Reiss seine Stelle als VorsilceDder
CS")
der Ge»ellächan für Erdkunde niedei^lcgl hut und bei seinem bevorstehenden Ah-
^nge von Berlin aur jede Wiederwahl viin vornherein verziehtet. —
Hr. MaasH beantragt, Hm. Waldeyer zum Vorsitzenden, die HHrn. Virchow
and Beyrich zu Stell vertret«m desselben dorch Äcclamation zn wählen, ebenso
die HHrn. Hartmann, Voss nnd Bartels zu SehrinfUhrem, Hm. W. Ritter
zom Schatzmeister.
Es erhebt sich gegen diese Vorschlage kein Widersprach. Sämmtliche ge-
nannte Herren nehmen die aur sie gefallene Wahl dankend an.
Der Vorstand für 1892 besteht demnach aus
Hrn. Waldeyer als Vorsitzenden,
HHrn. Virchow und Beyrich als Stellvertretern,
, Hartmann, Voss und Bartels als Schriftführern,
Hrn. Bitter als Sehatzmeiater.
(10) Hr. J. Szombathy übersendet aas Wien, 6. December, Tolgende Mit-
theilung des Hm. Wenzel Schulz, Custos am Museum des Königreichs Böhmen
in Prag. Über
Bronzeringe mit angesetEteB Warzen in den Sammlnngen des Prag«r
Mnaenma.
1. Elbeteinitz: Ein Bronzering (Fig. la) mit hellgrliner Patina und kreis-
rundem Durchachnilt von 5 tum hat einen lichten Durchmesser von 22 mm. Auf
dem äusseren umfange hat er in regelmässigen Abständen 3 kugelförmige, 6—7 mm
dicke Warzen angesetzt, zwischen welchen in gleichen Abständen drei in der Mitte
etwas eingebogene Stäbchen (Fig. Ib) sich befinden; zwei von ihnen sind 31 mm,
das dritte nor 37 mm lang. Aus ihrer, mit 2 Paar schrägen Furchen verzierten
Mitte läun auf der Unken Seite ein 6 mm langer Ansatz ans, der an einem Ende
ebenfalls zwei eingeritzte schräge Furchen hat. Mit diesem Ansätze sind die
Stäbeben an den Ring befestigt, so dass derselbe so zu sagen auf drei Füssen steht.
Die Stäbchen haben einen fast runden Dorchschnitt von i mm, sind aber in der
Mitte und an beiden Enden etwas massiTcr. Die Enden haben die Form von
plattgedrückten Kügelchen von ti — 7 mm Durchmesser und sind durch drei, aus der
Mitte ausgehende Furchen getheilt, wodurch sie höhnen form ig geworden sind.
Das Ganze ist gegossen und unbeschädigt (Es sind also 3, etwa 30 mm lange
(878)
Stäbchen, welche mU ihren aus der Mille herauslaufenden Ansätzen un einem mit
drei War/en versehenen Ringe angesetzt sind). Üei' Ring wurde gefunden „pod
Kolom", östlieh von der Ruine bei Elbeteinitz, und wurde den Sammlungen ge-
schenkt 1882 (Kat. Nr. 1308).
3. Hradiste von Stradonic: Massiver Bronzering (Fig. 2a) mit kreisrtindem
Durchschnitt von 5,5 mm und lichtem Durchmesser van 19 mm, ist an einem Theile
stark abgenutzt und (durch Feuer?)
^'^'' ^- bescbudigi Derselbe hat auf seiner
^ äusseren OberOäche drei Gruppen
von Warzen je in 3 Reihen zu 3 (im
- Ganzen 27) angesetzt (Fig. 2b). Daas
" eine 4, Gruppe vorbanden gewesen
""•^^^ wäre, ist ausgeschlossen, denn von
-^^k^P'— derselben findet sich gar keine Spur.
Die Warzen sind unregclmässige
KUgelchen, welche durch Abnützung
des Ringes und die gnngranliche
Patina noch unreal massiger ge-
Line Reihe von drei Warzen ist 21 mm lang; ihre U6be viuiirt
von 2 — 3 mm Der Ring wurde 1887 auf dem Hradiste bei Feldarbeit gefunden
(in den Sammlungen Nr 1775).
3. Svarov bei Unfaost: Massiver Bronzering (Fig. 3a) mit einem kreis-
förmigen Durchschnitt von 7 — 8 mm und einem lichten Dorchmesser von 16 mm,
hat auf der Ausscnseite 4 kugelförmige, nicht gleiche, 4 — 7 mm grosse Ktlgclchen
angesetzt, welche im Centmm eines nnregelmägsig kreisförmigen, massiven Kranzes
von 8^13 mm im lichten Durchmesser und etwa 2 mm Dicke and Breite stehen.
Zwischen diesen Kränzen in regelmässigen Abständeu finden sich vier Gruppen
Figur 3.
worden s
zu je drei Warzen (Fig. 3 b), von denen die mittlere (im grOsstem Umfange des
Ringes) etwas massiver ist, als die obere und untere. Alle haben die Form Ton
plaltgedrlickten unrcf^el massigen Kügelchen. Die Patina ist graul ich •grfin; die Ober-
fläche an manchen Stellen, hauptsächlich innerhalb der Krttnze, rauh. Der Ring
wurde bei Svarov unweit von Unhost gefunden und 1869 geschenkt (in den
Sammlungen Nr. 1993).
4. Herrschaft Ptin (Pteni) in Mähren: Massiver Rmg (Nr. 4) mit grau-
grüner glänzender Oberfläche, hat einen kreisförmigen Dnrcbichnitt von 6—7 bm
und einen lichten Durchmesser von 23 vm. Derselbe hatte auf dem gröstten l'in-
fangc 3 halbkuglige, auf einem 2,5 mm langen und 4,5 mm dicken Stiele silaeade.
(873)
« mm dicke Wareen, von denen abor nur eine unversehrt erhulten ial; die zwotlc wurde
schon IVüher abgeschliffen, denn die Bruchstelle hat dieselbe Patina, vne das Ganze;
die dritte wurde von den Findern abgeschlifTen, die Bruchfläche ist messinf^elb.
Zwischen diesen einzelnen Warzen finden sich 3 Gruppen von Je 3 Warzen, die
so gestellt sind, doss eine Warze im grössten üusaeren Umrange des Ringes, die
zweite auf seiner Oberfläche und die dritte aur seiner Unterüäche angesetzt ist
Sie sind den früheren ähnlich, unregelmässig (durch Abnützung des Ringes) und
nicht ganz gleich. Eine Warze anf dem grössten Umfange wurde schon früher abge-
• •••.
brachen; Bruchflucbe patinirt Es sassen ursprUnglicb also im Ganzen G Warzen
auf dem grüaaten Umfange, 3 auf der Ober- und 3 auf der UnterOäcbe des Ringes;
die Innenseite ist ganz glatt. Dieser Ring wurde beim Ausroden von Bänraen im
Walde zwischen Se£ und Suchdol auf der Herrschall Ptin (Pteni) des Grafen de
Saint-Genois 1869 gefunden und den Sfunmlungen geschenkt (Nr. 964). Mit
demselben in derselben Schicht' in kleinem Umkreise wurden folgende Stücke
gelinden :
a) ein massiTer Bronzering mit grüner Patina, kreisrundem DarchschnittvanCmiR
und lichtem Durchmesser von 18 mm; er hat 4 grosse Warzen, welche die Form
(880)
einer halben kreisförmigen, 13 rmn hohen und 5 mm dicken Scheibe haben; nie
überragen also den Ring auf beiden Seiten und haben den äusseren (gebogenen)
Rand schräg und dicht gefurcht. Zwischen diesen Warzen stehen 4 andere,
20 — 22 mm hohe, cylinderförmige (Nr. 4 a), welche so aussehen, als wären sie aos
einem dicken Bronzedraht gewunden, welcher in der Mitte in einen 10 — 12 mm
langen Backen ausläuft; zwei und zwei Hacken stehen sich gegenüber.
b) ein Bronzering mit kreisrundem Durchschnitt von 4 mm und lichtem Durch-
messer von 25 mm; er ist an der ganzen äusseren Oberfläche mit sehr kleinen
kugligen, 2 mm dicken Warzen in 3 Reihen (aussen, oben und unten) bedeckt.
Jede Reihe zählt ihrer 21, im Ganzen also 63.
c) Kleiner Hing mit kreisrundem Durchschnitt von 3 mm und lichtem Durchmesser
von 18,5 mm; er hat auf der Aussenfläche 3 kleine und eine grosse (Zapfen ans der
Gussform?) Warze; zwischen diesen standen 4 andere, aus 3 grösseren Rflgelchen
(aussen, oben und unten) bestehende, die aber bis auf eine schon seit lange sehr
beschädigt sind.
d) Dünner Ring mit lichtem Durchmesser von 17 mm, hat auf der Aussen-
fläche 17 (18) kleine Warzen und auf der Oberfläche 4; die Unter- und Innen-
fläche ist glatt.
e) Bronzering (Fig. 4 r), 2,5 mm dick, mit lichtem Durchmesser von 26 mm, ist
auf beiden Seiten gekerbt. Sein Inneres füllt eine Figur mit langen Beinen aus,
die aus dem Ringe herausragen und so zwei fast kuglige Warzen bilden; ihr Leib
ist kurz, der Kopf gross und platt, das Gesicht nicht markirt (abgeschliffen?) und
nur die Haare sind durch 4 — 5 senkrechte kurze Striche angedeutet; die Hände
sind kurz und verlaufen in zwei Bogen (Flügel?)
f) Kugelförmige Bronzeanhängsel.
g) Vier scheibenförmige Bernsteinkorallen und zwei kleine Glasperlen, blau
und gelbgrün, mit ganz kleinen Warzen dicht besetzt.
h) Bruchstücke eines Eisenringes und eines Eisenstäbchens mit 2 Spitzen.
Die chemische Analyse dieses Fundes ergab nach Professor Stolba's Unter-
suchung 73,34 pCt. Kupfer, 16,32 pCt. Zink, 9,70 pCt. Blei und 0,64 pCt Eisen
(Pamatky archaeologicke Vm 309,391).
Die Zeichnungen sind in natürlicher Grösse gemacht —
Nachträglich (1. December) hat Hr. W. Schulz noch folgende Bemerkungen
eingesendet:
^Die Ringe Nr. 1 — 3 müssen, soweit mir bekannt ist, als Gelegenheitsfunde
betrachtet werden, die bei Feldarbeiten gemacht sind; mit ihnen wurde meines
Wissens gar nichts gefunden. Nr. 4 wurde mit a bis h zusammen in einer Erd-
schicht gefunden; von Scherben u. A. keine Spur. Das Bronzeanhängsel f hat die Form
eines 10 mm dicken Kügelchens, welches in einem, auf der äusseren Seite mit drei
Warzen versehenen Ringe steckt; das Oehrchen mit 5 — 6 mm lichtem Durchmesser
hat auch eine grössere Warze und ist mit dem Kügelchen durch ein kurzes Band.
welches wieder zwei Warzen trägt, verbunden. Das Ganze ist 24 mm lang. Es
hat von weitem die Gestalt eines plumpen Thieres (Schweinchens??), aber nur von
sehr weitem. —
Hr. Szombathy hebt in seinem Schreiben hervor, dass die, tou dem Ver-
fasser selbst als nicht geschickt bezeichneten Abbildungen, namentlich F^. 1 a. 4,
wenigstens erkennen lassen, dass die Ringe mit Thierköpfen Terziert waren.
Namentlich Nr. 4 dürfte sich an das mehrfach (S. 329, vgl. S. 490) erwähnte Schweizer
Fundstück annähern. —
(881)
(11) Hr. Bartels legt zwei Photographien vor, welche von Firn. Professor
Bezzenberger (Königsberg i. Pr.) aufgenommen sind. Die eine stellt ein
litauisches Bauerngehöft in Minge am kurischen Haff dar, wo die charak-
teristische Giebelverzierung (zwei Pferdeköpfe mit Kopfputz udd dazwischen vier
Vögel) deutlich zu sehen ist. Die zweite Photographie zeigt die Theilnehmer
des diesjährigen Anthropologen-Congresses auf der DampfschifTfahrt nach
der kurischen Nehrung.
(12) Hr. Bartels legt Photographien vor von
Hatebelen
aus der Gegend von Malakong in Nord -Transvaal (Mapela's-Land), welche ihm
Hr. Mis8ion8ins|)ector Kratzenstein freundlichst überlassen hat. Es sind Musiker
und Tänzer des Häuptlings Massebc, der sich vor etwas über Jahresfrist durch
einen Revolverschuss tödtete, sowie die Bilder seiner beiden Söhne, der jetzt
regierenden Häuptlinge ßakebcrg Massebe und Hans Massebe, und eines benach-
barten Häuptlings, Namens Karl Kekane aus Wallmannsthal. Es ist dem Einflüsse
des Missionars Schloemann in Malakong zu danken, dass die beiden Brüder
gemeinsam herrschen, und dass sie nicht dem gewöhnlichen Gebrauche gemäss
einen blutigen Erbfolgekrieg gegen einander führen. Der Häuptling Bakeberg
Massebe ist mit seiner Gemahlin photographirt. Man sieht, dass beide bereits dem
Einflüsse der europäischen Kleidung verfallen sind. Der Mann wurde während der
Verbannung seines Vaters auf der Hermannsburger Missionsstation Bakeberg geboren
und führt daher seinen Namen. Sein Vater hatte ihn zum alleinigen Herrscher
bestimmt; jetzt ist er hauptsächlich der Häuptling der dort wohnenden Mate-
belen, während sein älterer und vornehmer geborener Bruder Hans Massebe be-
sonders der Häuptling der unter diesen Matebelen lebenden Bassutho ist. —
(13) Frl. E. Lemke berichtet aus New-York, 30. November, über
dnrchlochte Nadeln ans Californien.
Die prähistorische Abtheilung des American Museum of Natural History in
New-York befindet sich noch zu einem sehr grossen Theil in untergeordnetem Zu-
stande, und es wird — wie mir Hr. James Terry daselbst sagte — noch lange
dauern, bis man zur wissenschaftlichen Bearbeitung einer oder der anderen Samm-
lung schreiten könne. Allein die Fundstücke, welche Hr. Terry persönlich her-
beigeschafft hat, würden ein Museum für sich bilden; sie reichen in die Zeit der
Sculptured anthropoid ape heads (Columbia valley) zurück, andererseits bis
zur jüngeren Vorgeschichte, z. B. Califomiens. Ueber die Sculpt. ape heads hat
Hr. Terry kürzlich eine mit vorzüglichen Illustrationen versehene Schrift heraus-
gegeben, die er u. A. an die Berliner anthropol. Gesellschaft sandte.
Hr. Terry hatte die grosse Güte, mir seine, noch in Arbeitsräumen befind-
lichen Sammlungen vorzuführen und mir die Erlaubniss zu geben, über einige
durchlochte Nadeln — von denen ich Zeichnungen entnehmen durfte — zu be-
richten. Auf die Frage nach dem Alter dieser, in Gräbern gefundenen Nadeln,
die sämmtlich aus Knochen gearbeitet sind, wollte Hr. Terry keine ihn bindende
Antwort geben; er sagte, dass gerade über diese Funde noch sehr wider-
sprechende Meinungen geäussert würden; selbst auf die Bemerkung: es sollte
auf ein Paar Jahrhunderte nicht ankommen, mochte er sich nicht entschliessen,
Vcrbaadl. der B«rt AnUirop. GeialUcba/t 1891. 56
C882)
»eine Ansichten anzugeben. Er Kagtc nur imna-r wieder: diu Nadeln seien sehr
alt, freilich bedeutend jünger, als die Sculpt, ape heads; und er setzte hinzu,
daas, fnlls die Berliner anthropol. Ocsellschart diese Notizen aurniihme, dieselben
die erste Veröffentlichung darüber sein würden. Letzteres ist recht bedauerlich,
da ich nun nichts Näheres über die Gegenstände melden kann, von denen ich an-
nehme, dass sie drüben ihre Freunde finden werden.
Natfirlifhe Grösse,
Die Nadel Fig. 1 wurde einem Qrabe bei San Luis Obispo, Calirornirn
(südlich von San Francisco) entnommen. Sie ist gut gegliiltet, ziemlich flach und
fein zugespitzt.
Die Nummern 2 — 7 stammen ans Gräbern auf San Kicholas Island, Cali-
fornien (Santa Barbara Cennty).
Fig. i ist rippenartig gebogen und gut geglättet; in der Nihe der unteren
Spitze ist eine kleine Absplitterung. Die Durchlochung reicht nur bis zur Mitto
und mündet dort in eine zweite (zu ihr im rechten Winkel stehende) Darrh-
lochung; der Faden musste, wie angegeben, genibrt werden. (Collection Terry.
13 274.)
Die gutgeglättete Xadel Fig. 3 ist theiU von länglich rnnder Form im Qaer-
schnitte, theUs flach. (C. T., 13 275.)
(883)
Bei Pig. 4 sind die Flächen rauh gehalten; die breite obere Spitze ist drei-
eckig geformt. (C. T., 13 277.)
Pig. 5 ist gut geglättet und sehr fein zugespitzt; dabei ganz flach. (C. T.,
13 279).
Die' glatte, etwas ungleich im Querschnitte geformte Nadel Pig. 6 hat doppelte
Durehlochung, wie Pig. 2, und zeigt an der unteren Spitze eine Absplitterung.
(C. T., 13 280.)
In Pig. 7 sehen wir die feinste der Nadeln: sie ist sehr glatt und spitz und
hat nur eine winzige Durehlochung, neben der ein kleines Stück abgesplittert ist.
(C. T., 13 282.)
Im Anschluss an diese Nadeln sei die ungeheure Menge von Pfriemen erwähnt,
die aus denselben Gräbern stammen; sie- sind sowohl aus Knochen, wie aus Hörn
hergestellt und zeigen verschiedene Bearbeitung. Ein Theil dieser Pfriemen könnte
zu den Nadeln gerechnet werden ; denn nahe der breiten oberen Spitze hat ein solches
Geräth eine Einschnürung, die einen urageknüpften Paden oder eine Schnur am
Abgleiten verhindern würde. Sehr viele Stücke erinnern an unsere prähistorischen,
wie auch an die noch jetzt bei unserem Landvolk u. s. w. in Gebrauch befindlichen
Pfriemen, Löser u. dgl. m. —
(14) Hr. Nehring berichtet über ein
diluviales Pflanzenlager in der Gregend von Klinge bei Cottbus.
Unter Bezugnahme auf eine Abhandlung ^über eine besondere Riesenhirach-
Rasse aus der Gegend von Cottbus, sowie über die Pundverhältnisse der betr.
Reste" '), welche ich vor Kurzem an die Bibliothek unserer anthropol. Gesellschaft
eingesandt habe, erlaube ich mir hier noch einige Mittheilungen über die mäch-
tigen Ablagerungen von Pflanzenresten, welche an der Pundstätte des dort beschrie-
benen Riesenhirsch -Geweihs und in der nächsten Nachbarschaft derselben vor-
handen und aufgeschlossen sind.
Es handelt sich um drei grosse Thongruben, die nicht weit von dem Bahnhof
Klinge, zwischen Cottbus und Forst, im Süden der Provinz Brandenburg, gelegen
sind und zum Zweck der Backsteinfabrikation ausgebeutet werden. Dieselben sind
am 10. September d. J. von mir in Begleitimg des Hm. Stadtrath H. Ruff aus
Cottbus besucht worden, und zwar in Polge einer Zusendung, welche letzterer
kurz vorher an mich hatte gelangen lassen. Der Inhalt der Sendung bestand aus
einem höchst interessanten Riesenhii'sch-Geweih, aus Resten eines jüngeren, männ-
lichen Elchs, u. s. w., über welche ich in der oben citirten Abhandlung Näheres
(unter Abbildung des Riesenhirsch-Geweihs) angegeben habe.
In den brieflichen Mittheilungen, die Hr. Ruff mir in Bezug auf die genannten
Thierreste zugehen Hess, wurde eine „Kohlenschicht*' erwähnt, welche zahl-
reiche wohlerhaltene Pflanzenreste enthalte und in den erwähnten Thongruben ein
bestimmtes Niveau markire. Diese „Kohlenschicht" war es besonders, welche mich
zn einer Reise nach Klinge veranlasste, um die Ablagerungs Verhältnisse an Ort
und Stelle zu betrachten. Bei meinem Besuche der Thongruben, welchen ich am
10. Sept d. J., begünstigt vom herrlichsten Wetter, ausführte, erkannte ich bald,
dass es sich hier um sehr interessante Ablagerungen handelt, und dass namentlich
l) Sitzungsbericht der Gesellsch. naturf. Freunde zu Berlin, 1891, S. 151—162.
Ö6*
(884)
die oben erwähnte „Kohlenschicht** eine höchst beachtenswerthe Fandstätte
einer vorzeitlichen Flora darstellt.
Nach meinem Urtheile gehört dieses Pflanzenlager der Diluirialzeit an; ob sie
interglacial oder postglacial (jungdiluvial) zu nennen ist, lasse ich vorläufig dahin-
gestellt sein und begnüge mich hier damit, nur ganz kurz einige Angabtin über
die Profilverhältnisse zu machen. Diese sind mir am genauesten aus der Schulz-
sehen Thongrube bekannt geworden, welche unter der Verwaltung des Hm. Ziegel-
meisters A. Kayser steht. Letzterer hat sowohl bei meinem Besuche mir das
freundlichste Entgegenkommen erwiesen, als auch nachträglich durch ausführliche
Mittheilungen über die Mächtigkeit der einzelnen Schichten und durch üeber-
sendnng reichlicher Proben aus denselben meine Studien in anerkennenswerther
Weise gefördert, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen besten Dank sage.
In der Schulz'schen Thongrube sind nach Auffassung des Hm. Kayser*)
folgende Schichten von oben nach unten zu erkennen:
1. Humoser Sand, etwa 7s ^-
2. Geschichteter, gelblicher Sand, 2 m.
3. Kohlig-thonige Schicht, etwa 1 m.
4. Graugelber, plastischer, feiner, kalkreicher Thon, 2 tu.
5. Thon mit kohlig-torfigen Streifen, '/« "*•
6. Kohlig-torfige Schicht mit zahlreichen, sehr wohlerhaltenen, meist
horizontal gelagerten Pflanzenresten, 2 m,
7. Harte, scherbig-blätterige, eisenschüssige Thon8chicht(„Lebertorr'), etwa '/»'».
8. Grünlich-grauer, plastischer, sehr feiner Thon, kalkreich, im trockenen Zu-
stande hellgrau aussehend, 2 — 4 wi.
In der Thongmbe der Dominialziegelei, welche unter der Verwaltung des
Hm. Otto Schmidt steht und in der die oben erwähnten Reste vom Riesenhirsch
und vom Mch gefunden wurden, sind die Profilverhältnisse ganz entsprechend,
wenngleich etwa mit kleinen Modificationen in der Mächtigkeit der einzelnen
Schichten. Auch in der etwas entfernter gelegenen grossen Thongmbe einer
dritten Ziegelei, welche unter der Verwaltung des Hm. Ziegeleibesitzers Zweig steht
ist die Schichtenfolge sehr ähnlich; doch bemerkte ich hier innerhalb der kohlig-
torfigen Schicht (6) einige Einlagerangen groben Sandes.
Die Gründe, welche mich veranlassen, diese kohlig-torfige Schicht als diluvial
anzusehen, sind folgende:
1. Der Umstand, dass dieselbe von einer Anzahl relativ mächtig entwickelter
Schichten überlagert wird, und zwar in einem Terrain, das heute von keinem
Flusse berührt wird, sondern als ein kiefembewachsenes , flaches Plateau er-
scheint^), spricht dafür, dass die Ablagerung der betr. Pflanzenschicht in eine weit
entlegene Vorzeit fällt.
2. Nach der bestimmten Angabe des Hm. Ziegelei Verwalters O. Schmidt
werden in der oberen Sandschicht (Schicht 1 u. 2 des oben angegebenen Profils)
sehr häufig grosse und kleine, randliche Steine gefunden. Es ist nicht unwahr-
scheinlich, dass diese Steine als erratisches Material an Ort und Stelle gekommen
1) Ich bemerke, dass ich in meiner oben citirten Abhandlung nur 5 Schichten unter>
schieden habe, indem die von Hrn. Kayser besonders bezeichneten Uebergangtchichten
1, 5 und 7 von mir nicht als besondere Schichten angegeben worden sind.
2) Der Bahnhof E^linge, welcher mit den genannten Ziegeleien ongeflhr in gleichem
Kivean liegt, hat eine Meereshöhe von 84,5 m; der Spiegel der Spree bei Gottboji liegt
68,8 m über dem Meere. Die Ziegeleien von Klinge liegen also etwa t6 m (= 50 Fqw)
über dem heutigen Spreespiegel bei Cottbus.
(885)
sind; jedoch bedarf es erst noch genauerer Untersuchungen, um dieses mit Be-
stimmtheit festzustellen.
3. Die beiden Thonschichten, welche die Pflanzenschicht (6) einschliessen,
machen durchaus den Eindruck diluvialer Ablagerungen. Beide Thone sind kalk-
haltig; zuweilen (wenngleich selten) werden in ihnen rundliche Steine von der
Grösse eines Kindskopfes gefunden. Dass der untere Thon von diluvialem Alter
ist, wird ausserdem durch seine organischen Einschlüsse bewiesen; er lieferte das
oben erwähnte Riesenhirsch-Geweih, eine Anzahl Rhinoceros-Knochen, zwei Unter-
kiefer von einer kleinen Fuchsspecies , welche vielleicht dem Eisfuchs an-
gehören, u. s. w. In Bezug auf das Riesenhirsch-Geweih war mir ursprünglich die
Mittheilung gemacht worden, dass dasselbe in dem oberen Thone der Dominial-
Ziegeleigrube gefunden sei, und so habe ich es auch in meiner oben citirten Ab-
handlung angegeben. Kürzlich ist jedoch durch ein genaues Verhör, welches
Hr. Schmidt mit den Arbeitern der ihm unterstellten Grube vorgenommen hat,
festgestellt worden, dass jenes Geweih thatsächlich in dem unteren Thone zum
Vorschein gekommen ist, also unterhalb der kohlig-torfigen Schicht (6) und der
Lebertorf-Schicht (7).
Obiges Riesenhirsch-Geweih gehört, wie ich a. a. 0. nachgewiesen zu haben
glaube, einer besonderen Rasse, oder vielleicht richtiger: Art an, welche ich als
Cervus megaceros var. Ruffii, bezw. als Megaceros Ruffii bezeichnet habe. In der
Meinung von der Artselbständigkeit dieser Form bin ich durch einen mir kürzlich
bekannt gewordenen neuen Fund eines Riesenhirsch-Geweihs bestärkt worden; und
zwar handelt es sich um einen Schädel mit Geweih, welcher am 5. März 1891 bei
Worms von Fischern aus dem Rheine herausgezogen ist. Dieser zeigt die eigen-
thümlichen Charaktere der von mir unterschiedenen neuen Riesenhirsch-Form in
solcher Ausprägung und weicht in Bezug auf die Stellung der beiden Geweih-
stangen zu einander und zum Schädel *) derart von dem typischen Riesenhirsche ab,
dass ich jetzt kein Bedenken trage, den Megaceros Ruffii als besondere Art
anzusehen. Und zwar erkenne ich darin eine alterthümliche Form, welche in
vieler Hinsicht zwischen den Gattungen Megaceros und Dama vermittelt. Dieselbe
gehört unzweifelhaft dem Diluvium an, und zwar vermuthe ich, dass sie nicht
jungdiluvial, sondern mittel diluvial (wahrscheinlich interglacial) ist.
4. Die Pllanzenschicht (6) enthält eine ausgestorbene Nymphaeacee oder
vielmehr die wohlerhaltenen Samen einer solchen. Hr. Dr. C. Weber, Lehrer an
der Ackerbauschule zu Hohenwestedt in Schleswig-Holstein, hat diese Samen in
den Torfstücken, welche ich ihm zur Untersuchung geschickt habe, zuerst ent-
deckt und festgestellt, dass sie zu der von ihm aufgestellten Gattung Cratopleura
gehören. Nachträglich habe ich selbst noch etwa 80 Samen derselben Form auf-
gefunden. Zwei derselben sind von meinem CoUegen, Hm. Geh. Regierungsrath
Prof. Dr. W^ittmack, anatomisch untersucht worden, wobei es sich herausstellte,
dass manche auffallende Aehnlichkeiten jener fossilen Form mit den Samen der
heutigen Brasenia peltata Pursh aus Nordamerica') vorhanden sind. Nach Weber
stimmen die Samen von Klinge mehr mit denen von Cratopleura helvetica
C. Weber'), als mit denen von Cratopleura holsatica C. Weber überein. Jeden-
1) Ich habe zwei vorzöghebe Photographien de» Wormser Fnndes in Hftnden, nebst
zahlreichen Messungen, welche ich der Güte des Hm. Fritz Ernst in Worms verdimke.
2) Brasenia peltata kommt auch in Japan, Ostindien, Nordost-Anstralien (Queensland)
und in West-Africa vor.
8) Cratopleura helvetica stammt aus der interglacialen Schieferkohle von Dümten in
der Schweiz.
(886)
falls ist es eine höchst interessante Thatsachc, dass in der kohlig-torfigen Schicht (6)
der Thongruben von Klinge die Gattung Cratopleura, eine ausgestorbene Nym-
phaeacee, durch zahlreiche Samen vertreten ist.
Eine zweite Art von Samen oder Früchten, welche freilich eine ganz andere
Form haben, rührt wahrscheinlich auch von einer ausgestorbenen oder wenigstens
aus Deutschland verdrängten Pflanze her. Diese Samen sind gestreckt- wnrstlormig
gestaltet, etwa 8 mm lang und 2 mm dick; ihre Oberfläche zeigt eine feine Punktimng.
Bisher konnten sie nicht bestimmt werden, obgleich eine Anzahl namhafter Bo-
taniker sie in Augenschein genommen und genau untersucht hat').
Die übrigen Pflanzen, welche bisher aus der betr. Schicht festgestellt sind,
scheinen von der heutigen Flora Deutschlands wenig oder gar nicht abzuweichen ;
doch dürften eingehende Vergleichungen noch manche interessante Resultate
liefern. Nach den Probestücken, welche ich theils selbst an Ort und Stelle ge-
sammelt, theils und hauptsächlich von Hrn. Ziegelmeister A. Kays er zugesandt
erhalten habe, konnte schon eine ansehnliche Zahl von Pflanzen bestimmt werden.
Hr. Prof. Dr. Wittmack stellte folgende Pflanzenarten fest:
1. Die Fichte (Picea excelsa DC), nach einem Zapfen mit wohlerhalteneu
Samen und nach zahlreichen, wohlerhaltenen Stücken von Stämmen und Aesten.
2. Die Kiefer (Pinus silvestris L.), nach einigen wohlerhaltenen Stamm- und
Aststücken.
3. Die Hainbuche (Carpinus Betulus), vertreten durch sehr zahlreiche Früchte.
4. Eine Birke (Betula sp.), nach Stamm- und Wurzelresten, welche noch mit
der Rinde überzogen sind.
5. Ceratophyllum demersum,
6. „ submersum, zwei Hornblatt-Arten, welche durch eine An-
zahl wohlerhaltener Früchte vertreten sind.
Hr. C. Warnstorf, der bekannte Mooskenner in Neu-Ruppin, bestimmte:
Hypnum aduncum, Hypnum fluitans und Sphagnum cymbifolium.
Hr. Dr. C. Weber in Hohenwestedt, der sich schon um die Untersuchung
mehrerer anscheinend interglacialer Torflager in Holstein sehr verdient gemacht -)
und sich der vorliegenden Untersuchung mit lebhaftestem Interesse angenommen
hat, bestimmte folgende Arten:
1. Fichte, Picea excelsa DC, zahlreiche Holzstücke von Stämmen, Aesten,
Wurzeln, ausserdem Samen, Samenflügel, Pollen.
2. Hainbuche, Carpinus Betulus L, zahlreiche Früchte.
3. Birke, Betula verrucosa Ehrh., zahlreiche Holzstücke mit der Rinde,
Blätter, Früchte, Pollen.
Femer 4 Weiden -Arten, und zwar:
4. Salix aurita L., zahlreiche Blätter, Frucht (?).
5. ^ sp. (Caprea?), Fragmente von Blättern.
6. „ sp. (cinerea?), 2 Blätter. V^ielleicht eine Zwischenform zwischen
L. aurita und L. cinerea.
7. Salix repens L. Blattfragment.
8. Espe, Populus tremula (?), Blattfragment, kleine Zweigstücke, Pollen (?).
9. Stechpalme, Hex aquifolium, eine Steinfrucht.
1) Hr. Prof. Nobb«* in Tharandt meint, es könnten möglicherweise <ijdlen sein: doch
spricht Manches gegen diese Ansicht.
2) „Ueber zwei TorfUger im Bette des Nonlostsee-Canales bei Gr&nenthal,* iin N.
Jahrb. f. Mineral, u. s. w. 1891, Bd. H, 8. 62 ff.
(887)
10. Weisse Teichrose, Nymphaea alba L. f. microsperma, Samen.
11. Gelbe Seerose, Nuphar luteum L., Samen.
12. Cratopleura sp., die oben besprochene, ausgestorbene Nymphaeacee,
nahestehend der Crat. hei vetica Weber. (Vergl. C. Weber, Cratopleura holsatica,
eine interglaciale Nymphaeacee und ihre Beziehungen zu Holopleura Victoria Casp.,
sowie zu recenten Nymphaeaceen. Neues Jahrb. f. Mineral., 1892, Bd. 1).
13. Ceratophyllum submersom, einige Früchte.
14. ^ demersum, eine Frucht.
15. Galium (palustre?). Einige Früchte.
16. Echinodorus ranunculoides (?). Eine Frucht.
17. Najas sp.?, fragmentarische Frucht.
18. Scirpus iacustris. Einige Früchte.
19. Carex sp. (C. Goodenoughii?), Früchte.
20. „ sp. (C. panicea?), Früchte.
21. ^ sp. (C. vesicaria?), eine Frucht.
Ausserdem zahlreiche Blätter und Rhizome von Carex, welche wahrscheinlich
den vorigen Arten angehören.
22. Polystichum Thelypteris. Zahlreiche Sporen und Sporenkapseln.
23. Ilypnum div. sp., Stämmchen und Sporen, sehr zahlreich.
24. Sphagnum sp., Blattreste und Sporen.
Dazu füge ich nach vier wohlerhaltenen Nüssen, die ich besitze,
25. den Haselnuss-Strauch, Corylus avellana, und
26. die bisher unbekannte Pflanze mit den oben (S. 886) erwähnten, wurst-
förmigen Samen oder Früchten.
Unter den oben aufgezählten Baumarten ist die Fichte durch besonders zahl-
reiche Stamm- und Aststücke vertreten, welche meistens so wohlerhalten sind,
dass Jemand, der ihre HerkunA nicht kennt, ihnen kaum ein diluviales Alter zu-
schreiben würde. So lange das Holz noch feucht ist, lassen sich die zartesten
Querschnitte einfach mit dem Hobel aus demselben herstellen'). Beim Trocknen
werden die Stücke allerdings meist sehr rissig; manche zerfallen gradezu, wenn
man sie nicht mit einer geeigneten Lösung tränkt. Die Mehrzahl der Fichten-
stämme lässt ein sehr langsames, kümmerliches Wachsthum erkennen; es sind
Stänunchen darunter, welche bei einem Alter von 20 und mehr Jahren kaum die
Dicke eines kräftigen Daumens besitzen. Weber schlägt in einem an mich ge-
richteten Briefe vor, sie ais „Moorfichte** zu bezeichnen, und zwar nach Analogie
der sog. „Moorkiefer" Vaupell's.
Neben jenen kümmerlich gewachsenen Exemplaren konunen übrigens auch
solche Fichten vor, deren Jahresringe ein bedeutend flotteres Wachsthum an-
deuten. Ob die betr. Stücke etwa einem anderen Niveau der oben besprochenen
Schicht (6) entnonunen sind, kann ich nicht angeben, wie denn überhaupt vorläufig
nicht festgestellt worden ist,- ob innerhalb jener 2 m mächtigen Schicht irgend
welche floristische Unterschiede in vertikaler Richtung zu beobachten sind. Im
nächsten Frühjahr werden die Untersuchungen auch hierauf gelenkt werden; vor-
läufig muss ich mich damit begnügen, die in der betr. Schicht überhaupt vor-
kommenden Species anzugeben und einige bezügliche Beobachtungen hinzuzufügen.
Was die Birkenreste anbetrifft, so sind sie unter den mir vorliegenden Holz-
1) Hr. Michel, der Tischler der Königl. LandwirthschaftL Hochschule, hftt mir eine
Anzahl der schönstt^o Querschnitte auf seiner Hobelbank hergestellt.
(888)
stücken weniger zahlreich, als die der Fichte; manche sind vorzüglich erhalten,
manche sehr platt gedrückt.
Die Hainbache ist bisher nur durch ihre Früchte vertreten; diese sind aber
sehr zahlreich und wohlerhalten. Manchen Torfstücken, welche ein dichtes Qefüge
und eine sehr dunkle Farbe zeigten, konnte ich zahlreiche Früchte der Hainbuche
entnehmen; in denselben Stücken fand ich Exemplare der oben erwähnten wurst-
ähnlichen Früchte, sowie einige Samen der Cratopleura sp. Unter den Hainbuchen-
Früchten befinden sich viele, die von auffallend kleiner und unregelmässiger (je-
stalt sind; nähere Untersuchungen werden ergeben, ob die fossile Hainbuche von
Klinge vielleicht einige Differenzen gegenüber unserer heutigen Hainbuche er-
kennen lässt.
In denselben Torfstücken, welche Hainbuchen-Früchte enthielten, fand ich auch
zahlreiche Weidenblätter. Andere Stücke bestehen fast ausschliesslich aus Hypnuro-
Resten, noch andere aus Sphagnum-Resten.
Die Lagerung der Pflanzenreste ist durchweg eine horizontale, und es lassen
sich die Torfstücke mit leichter Mühe in dünne Platten zerspalten. Nur die
Wurzel- und Stammstücke der Bäume findet man meistens in einer Lage, welche
von der horizontalen abweicht, d. h. also aufrecht oder schräg aufgeht stehend.
In gewissen Torfstücken kommen zahlreiche Käferreste vor, welche, so
lange sie frisch und feucht sind, eine prachtvolle Erhaltung zeigen. Nach den
Bestimmungen meines Assistenten, des Hm. Dr. E. Schaff, gehören dieselben
verschiedenen Gattungen an: namentlich sind die Gattungen Donacia und Hydro-
philus vertreten. Von der Gattung Donacia kommen etwa 3—4 Arten vor, welche
theils durch die Grösse und Form, theils durch die eigenthümliche Punktining der
Flügeldecken von einander verschieden sind. Wie es scheint, sind ausgestorbene
Arten*) darunter. Bei der einen (grösseren) Donacia -Art hat Hr. Gustos Kolbe,
der bekannte Entomologe vom hiesigen Museum für Naturkunde, sich veigeblich
bemüht, eine genau entsprechende recente Species ausfindig zu machen.
Mollusken-Reste sind vorläufig nicht beobachtet worden; ebensowenig solche
von Fischen, Amphibien, Reptilien, Vögeln. Säugethier-Reste hat man früher stellen-
weise in grosser Menge gefunden, angeblich meistens in ganzen Skeletten. Vergl.
meine Angaben a. a. 0., S. 159 f. Leider sind die betrefl'enden Knochen ehemals
entweder bei Seite geworfen, oder an den Knochenhändler verkauft worden, bis
auf die relativ wenigen Stücke, welche Hr. Stadtrath Ruff in Cottbus erworben
und demnächst mir für unser Museum überlassen hat. Im letzten halben Jahre
haben die Arbeiter, obgleich sie jetzt gut aufpassen, von Skeletresten noch nichts
wieder entdeckt. Die Knochen funde kommen in den Thongruben von Klinge
offenbar ziemlich selten vor: angeblich ist das untere Thonlager die Hauptftmd-
schicht für Knochen.
Von Spuren menschlicher Existenz kann ich bisher nichts Sicheres meiden.
Ein Stück von einem Fichten -Bäumchen, dessen Rinde sauber abgeschält und
dessen Zweige scharf abgeschnitten sind, war mir von Hm. A. Kayser als mit
Schnitten aus alter Zeit versehen übersandt worden. Dasselbe stammt auch aus
der Pflanzenschicht (6) und ist ausserordentlich w^ohlerhalten. Ich selbst war eine
Zeit lang geneigt, die deutlich erkennbaren Schnitte auf die Thätigkeit eines
Menschen zurückzuführen; doch bin ich nachträglich zu der Ansicht gekommen,
1) Violleicbt ist es richtiger, anzunehmen, dass jene Arten sich seit der Diluvialteit
in gewi.ssen Pankt4'n verändert hüben.
(889)
dass es sich wohl nar am einen sogenannten Biberstock handelt')- I^^s während
der Zeit, in welcher die Pilanzenschicht der Thongraben bei Klinge abgelagert
wurde, dort Biber hausten, ist sehr wahrscheinlich, wenngleich bisher keine Biber-
knochen dort nachgewiesen sind.
Was die geologische Altersbestimmung der mehrfach erwähnten kohlig-
torrigen Pflanzenschicht (6) anbetrifft, so sprechen viele Umstände dafür, dass
sie der Diluvial-Periode angehört. Als ich am 10. September 1891 die Thongruben
Yon Klinge besuchte, gelangte ich bei Betrachtung der Proftlrerhältnisse zu der
Vermuthung, dass jene Schicht während der sogenannten Interglacialzeit ent-
standen sei '). Nachdem nun die Pflanzenreste bis zu einer gewissen Vollständigkeit
bestimmt worden sind, drängt sich offenbar ein Vergleich mit der Flora der intor-
glacialen Schieferkohlen der Schweiz auf. Siehe O. Heer, die Ui*welt der Schweiz,
2. Aufl., S. 513 — 534. Ausserdem bin ich in meiner Vermuthung durch folgende
neuere Publicationen bestärkt worden: Kri seh tafo witsch, „Anzeichen einer inter-
glaciären Epoche in Central-Russland^, im Bull. Soc. Nat. Moscou, 1890, Heft 4,
erschienen 1891; R. v. Fischer-Benzon, ^Die Moore der Provinz Schleswig-
Holstein^ , Sonderabdrnck aus Bd. XI, Heft 3 d. Abh. d. Naturw. Ver. in Hamburg
1891 ; C. Weber, „Ueber zwei Torflager im Bette des Nordostsee-Canales bei Grtinen-
thaP, im N. Jahrb. f. Mineral. 1891, Bd. U, S. 62 ff.
Es wird zwar die Existenz einer Interglacialzeit von manchen Forschern ge-
leugnet, und es scheint in der That grosse Gebiete zu geben, wo die Spuren der-
selben fehlen; aber in der östlichen Hälfte von Norddeutschland, in der Schweiz,
in Oesterreich, und, wie es scheint, auch in einem grossem Theile von Russland
finden sich so viele Beweise für die Annahme zweier Eiszeiten und einer
zwischen ihnen liegenden Interglacial-Epoche, dass man sich denselben kaum ver-
schliessen kann.
Jedenfalls ist ein genaues Studium der Thongruben von Klinge geeignet,
werthvolle Beiträge zur Kenntniss der diluvialen Flora und Fauna Deutschlands
zu liefern und hierdurch auch der Urgeschichte des Menschen eine gewisse
Förderung angedeihen 'zu lassen. Unser verehrter Hr. Vorsitzender hat bereits in
der Sitzung vom 18. October 1884 unter Bezugnahme auf die Untersuchungen von
Jap. Steenstrup darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, die diluviale und alt-
alluviale Flora Deutschlands genauer zu studiren und namentlich die etwaige ^Auf-
einanderfolge verschiedener, nacharktischer Baum Vegetationen"^ festzustellen. Zum
Studium der Diluvialflora bieten die Thongruben von Klinge reichliche Gelegenheit.
Sollte sich meine Vermuthung bestätigen, dass die Pflanzenschicht von Klinge
interglacial ist, so würde noch zu erörtern sein, wie sich die dort beobachtete
Flora zu der diluvialen Steppenflora verhält, welche wahrscheinlich auch
während der Interglacialzeit sich von Osten und Südosten her nach Mitteleuropa
vorgeschoben hat. Ich will vorläufig darauf hinweisen, dass beide Floren, falls
sie wirklich gleichzeitig in Mitteleuropa existirt haben, in keinem Widerspruche
mit einander stehen; es kann bei Klinge, ebenso wie bei Lauenburg und an vielen
Punkten Schleswig-Holsteins, eine Sumpf- und Waldflora vorhanden gewesen sein,
während zu gleicher Zeit grosse Areale der heutigen Provinz Sachsen (z. B.
1) Siehe Jspetus Steenstrup: „Hat man in den interglaciären Ablagerungen in der
Schweiz wirkliche Spuren von Menschen gefanden oder nur Spuren von Bibern?* im Arch.
t Anthrop. 1876, briefliche Mitthcilnng an A. Ecker.
2) Siehe meine bexüglichen Bemerkungen im Sitzungsb. Ges. naturf. Freunde, vom
20. October 1891, S. 162.
(890)
zwischen Halle und Nordhausen, zwischen Quedlinburg und Magdeburg) von einer
charakteristischen Steppenflora occupirt waren.
Die Beobachtungen von Mod. Bogdanow in den Wolga-Gegenden*) und die
umfassenden Ermittelungen Koeppen's über die Holzgewächse Russlands^) über-
haupt beweisen aufs Deutlichste, dass Wälder und Steppen vielfach in einander
greifen, und dass namentlich in früheren Zeiten (vor den Zeiten der schonungs-
losen Vernichtung der Wälder) die Waldvegetation in Form von Waldinseln,
Uferwäldern, Waldzungen weit in die Steppen-Landschaften Kusslands und Sibiriens
hineingeragt hat. Auch Sümpfe und Moräste sind den russischen und west-
sibirischen Steppen keineswegs fremd.
Der Nachweis von interglacialen , bezw. postglacialen Torfablagerungen in
Deutschland mit Ueberresten einer Sumpf- und Waldvegetation kann durchaus
keinen triftigen Einwurf gegen die von mir schon oft vertheidigte Annahme einer
interglacialen. bezw. postglacialen, keineswegs extremen Steppenzeit bilden. Eine
Steppenzeit von der Art, wie ich sie in meinen früheren Publicationen mehrfach
skizzirt habe, schliesst die Existenz von Wäldern und Sümpfen an geeigneten
Orten keineswegs aus. Vergl. diese Verhandlungen, 1882, S. !?♦>, sowie mein
Buch über Tundren und Steppen, Berlin 1890, S. 59 fl". ~
(15) Hr. Ehrenreich zeigt Photographien von der nach der Alt-
mark unternommenen Sommer-Excursion (S. 679).
(16) Hr. Maass stellt zwei Tättowirte, den Engländer Hr^ van Burg und
seine aus Chicago gebürtige Frau, vor.
Beide zeigen Tättowirungen von ungewöhnlicher Sauberkeit und Feinheit der
Zeichnung über den ganzen Körper, wie sie von einzelnen Japanern bekannt sind.
Das Ehepaar wird in dem Passage -Panopticum gezeigt, dessen Director Hr.
Xeumann, in gewohnter Bereitwilligkeit ihre Vorführung in der Gesellschaft ge-
stattet hat.
(17) Hr. Paul Ascherson übersendet folgende
Nachträgliche Hittheilangen über Mandragora».
Hr. J. G. Wetzstein hat in Beeug auf die Mittheilungen der HHm. Felix
V. Luschan, R. Beyer und P. Ascherson (S. 726— 746) ein Schreiben an den
letztgenannten gerichtet, aus dem Folgendes entnommen wird:
„Ein Hauptfundort des Alrauns in Syrien ist der Krater des Emptionskegels
Teil el-gumu in Hauran; man kann dort in der ersten HälAe des Mai leicht
einen Scheffelsack seiner goldgelben, duftenden Früchte sammeln. Eine Karte seiner
Umgebung befindet sich in meiner Abhandlung über das Hiobskloster, welche dem
Delitzsch 'sehen Kommentare zum Buche Hieb, Leipzig 1876 angehängt isu
i ^ ^
„Der heutige Name des Alrauns ist in Syrien gerabül.» (n^^l;^), wiiß niög-
I icher Weise eine absichtliche Entstellung des schrillarabischen Namens jabrüh
(^j5-h) ist, welcher keine dem Volke zusagende Deutung gestattet, während buh
1) Vergl. meine bezügliche Abhandlung in der Berliner Z^itschr. f. Erdk^ 1891, Heft 4,
S. 304 ff.
2) Die geographische Verbreitung d. Holigewftchse im eorop. RussUnd, St Ptt^rt*
bürg 1888/89.
(r
(891)
>
(f>0 ^*6 Endsilbe von Geräbül.i, den Geschlechtstrieb bedeutet, dem Worte
also die Bedeutung Aphrodisiacum geben mag, was ja die Aepfel des Alrauns
(nach Genesis 30, 14) waren und wohl noch sind.
„Nach der Mittheilung des Hrn. v. Luschan (S. 7'28) leitete man ihm das
Wort jabrüh von der Wurzel barah „fliehen" ab. Ich halte das Wort jabröli
für ein ursprünglich arisches, das sich die Semiten mundrecht gemacht, d. h.
entstellt haben. Der Glaube von den Wunderkräften des Alniuns ist ohne Zweifel
von den Persern zuerst zu ihren Nachbarn, den Aramäern, gekommen (auch
Genesis 30, 14 — 16 spielt im Lande der Aramäer) und von diesen zu den übrigen
Semitenstämmen. Wenn nicht nur die Semiten, sondern auch, nach Grimm, die
Altdeutschen erzählen, dass die Alraun -Wurzel nur durch einen Hund ausgezogen
werden könne, so beisst diese Pflanze bei den Persern geradezu die „Hund-
ausgezogene" (segken). Die Araber haben unsicher an dem Worte j ab ruh herum-
getastet. Das botanisch-zoologische Lexicon Maläjesa (Königl. Bibliothek in Berl.
Sect. Wetzst. H. Nr. 1170, fol. 237a) sagt, der Name bedeute jeüzuh r(ih
V *3-^*^)i »»es braucht (die Pflanze nur noch) Leben", da ihre Wurzel alle
menschlichen Glieder besitzt. Hiernach wäre jabrüli eine Zusammenziehung aus
jabi ruh \^) ^c^, ~ V!T\ ^5J = H^ •^?y.)- Aehnlich äussert sich das botanische
Lexicon des Daüd el-Antäki. Das franz. -arab. Lexicon des Kopten Bocthor
bringt neben jabrüli noch abu ruh, „die mit Leben begabte Pflanze", und in
Berggren's Dictionnaire steht abrüh, wohl als spätere Zusammenziehung von
abü ruh. Der arabische Kämüs hat beirüh, was wohl ein Schreibfehler des
Verfassers ist, und der türkische Kämüs erwähnt zwei Namen: 1. j abrüh es-
«anam, „der Götzen-Alraun" , 2. *abd es-Salära, „der Knecht des Allheiligen",
ein abergläubische Entstellung des richtigen Abü-s-seläm, „der Heilbringende",
d. h. antiphrastisch „der Unheilbringende", denn der Semit liebt es nicht, das
physische und moralische Uebel bei seinem wahren Namen zu nennen (vergleiche
lutf „Huld Gottes", d.h. die schwere Krankheit, mebrük „gesegnet", d. h. un-
glückselig, salim „unversehrt", d. h. von einer giftigen Schlange gebissen). Der
snb 2 genannte Name „Knecht des heiligen Gottes" will sagen, dass alle Ge-
schöpfe verpflichtet sind, ihrem Schöpfer zu gehorchen und kein Unheil auf Erden
anzurichten; der Name ist also zugleich eine Pormula averruncans der gefährlichen
Pflanze gegenüber.
„In Richard son's Persischem Lexicon heisst es unter astereng (ein per-
sischer Name des Alraun): 'The Persians call the mandrake also abrewi ^anam
„face of an idol" and merdum-giah ^the man plant" on account of the strong
resemblance of the root to the human figure. The Arabians call it siräg-Kofrub
„the devils candle" on account of its shining appearance in the night from the
numbre of glowworms, which cover the leaves\ [Ofl'enbar eine Erinnerung an
Aelians i'^'KM^\u7\.^, P. Ascherson.]
^Aus dem persischen Abrewi, oder vielmehr aus der Form, die dieses Wort
in einem früheren Stadium der persischen Sprache hatte, wird das arabische
jabrüb entstanden sein. Sanam hiess der Stammgötze zur Zeit des arabischen
Heidenthnms; jetzt, wo die Stämme keine Götzen mehr haben, ist Sanam der
grösste Held eines Noipadenstammes (also das Palladium des Stammes). Aus dem
persischen merdum-giah „die Menschen ähnliche Pflanze", oder vielmehr aus
einer älteren Form dieses Wortes, wird das griechische yiavopa^yopaq^ das kein
einheimisches Etymon hat, entstanden sein."
(892)
Hr. P. Ascherson hat dem noch Folgendes hinzuzufügen: Eine gewisse Ver-
mengung der Angaben über Mandragoras mit denen über die Arum -Wurzel [viel-
leicht veranlasst durch die Namensähnlichkeit von luffäh (S. 737, Pussn. 3; und
lüf (S. 731, Fussnote)], scheint auch bei den heutigen Orientalen vorzukommen.
Dies scheint mir aus der folgenden Anmerkung des kürzlich verstorbenen
General-Consuls Rosen zu Seetzen IV. S. 284 hervorzugehen, auf die mich Freund
Wetzstein aufmerksam macht: „Abd-es Selam heisst in Jerusalem der Arons-
wurz [sie], dessen eigentlicher Name lüf (^-?^^) ist. Die Mandragora heisst in
Jerusalem nur c^^^ ^^ tuffair el-megänin (Tollapfel)**. Letzterer Name
ist offenbar identisch mit dem oben (S. 736) ans Algerien angeführten tuffäh-el-
djinn, der mir authentischer scheint. Die EHymologie des arabischen (wie wir
S. 728 und 737 sahen, auch in Persien gebräuchlichen) Wortes luffali anlangend,
so findet sich in Kichardson's Lexicon das Adjectiv lefhän in der Bedeutung
giftig: es führt auf ein Zeitwort g^ lafah giftig sein. Wäre das richtig (was
sich jedoch bezweifeln lässt), so bedeutet ^^ luffäh den Giftapfel.
Ich verweise schliesslich auf die ausführlichen Mittheilungen des Hm. Wetz-
stein über den Dudaim, welche in Delitzsch 's „Biblischem Gommentar zu den
poetischen Büchern des Alten Testaments, IV. Band, Hoheslied und Koheleth,^
Leipzig 1875, S. 439—445 abgedruckt sind, und denen die obigen Angaben grössten-
theils entnommen sind. Der oben genannte Dä'üd kennt ebenfalls, wie die Ma-
lajesa, den Volksglauben, wonach die Alraunwurzel die Gestalt „zweier sich um-
armender Liebenden** hat, weiss auch, dass sie nur (mit Lebensgefahr) durch einen
Hund ausgezogen werden kann, und berichtet ihre Anwendung als Aphrodisiacum
und sonstiges Arznei- und Zaubermittel. Interessant, weil mit dem oben (S. 741)
von Hm. Perrin mitgetheilten deutschen Folklore übereinstimmend, ist seine An-
gabe, dass gegen Krankheiten eines Mannes das entsprechende Glied vom weib-
lichen Theile der Wurzel helfe, wogegen einer Frau der entsprechende Theil det*
in der Wurzel dargestellten Mannes heilsam sei. —
(18) Eingegangene Schriften:
1. Kollmann, J., Die Kraniometrie und ihre jüngsten Reformatoren. München
1891. (Sep.-Abdr. Corresp. deutsch, anthrop. Ges.) Gesch. d. Verf.
2. Henner, Th., Jahres-Bericht des Historischen Vereins von ünterfranken and
Aschaffenburg für 1889/90. Würzburg 1890/91. Gesch. des Histor. Vereins.
3. Bezzenberger. Ethnographisches aus dem Kreise Fillkallen. Pillkallen 18H9.
(Sep.-Abdr. aus Dr. Schnaubert's Statist. Beschr. d. Kr. Fillkallen.)
Gesch. d. Verf.
4. Ploss, H., Das Weib in der Natur- und Völkerkunde. 3. Aufl. Heraasg.
von M. Bartels. Leipzig 1891. (VIH.— X. Lieferung.) Gesch. d. Hm.
Sanitätsrath Bartels.
5. Li s sauer, A., Die Prähistorischen Denkmäler der Provinz Westpreussen und
der angrenzenden Gebiete. Leipzig 1887.
6. Anger, S., Das Gräberfeld zu Rondsen. Graudenz 1890. (Abh. z. Landesk.
d. Provinz Westpreussen. Heft I.)
7. Lissauer, A., Alterthümer der Bronzezeit. Danzig 1891. (Abh. z. Landesk.
d. Provinz Westpreussen. Heft U.)
Nr. 5 — 7 Gesch. der Provinzial-Commission z. Verwalt, d. Westpr.
Provinzial-Museums.
(893)
8. Objets du demier äge du bronze et du premier äge du fer döcouverts en
Berry. Bourges 1891. Gesch. der Soc. d. Antiq. du Centre.
9. V. d. Schulenburg, Graf A. C, Grammatik der Sprache von Muiray Island.
Berlin 1891. Gesch. d. Verf.
10. du Bois-Reymond, Bericht über die Wirksamkeit der Humboldt -Stiftung
für Naturforschung und Reisen. Berlin 1884. Gesch. d. Hrn. R.
Virchow.
11. Jacob, G., Welche Handelsartikel bezogen die Araber des Mittelalters aus den
nordisch-baltischen Ländern? Berlin 1891. (U. Auflage.) Gesch. d. Verf.
12. V. Tschudi, J. J., Gulturhistorischc und sprachliche Beiträge zur Renntniss des
alten Peru. Wien 1891. (Denkschriften K. Akad. d. Wissensch. Bd.
XXXIX. I.) Gesch. d. Hrn. Dr. v. Tschudi.
13. Schneider, J, Uebersicht der Lokal forschungen in Westdeutschland bis zur
Elbe. Düsseldorf 1891. Gesch. d. Verf.
14. van der Chijs, J. A., Nederlandsch-Indisch Plakatboek, 1602-1811. Batavia
1891. Bd. Vm. (1765—1775.) Gesch. d. Batav. Gesellschaft.
15. Sergi, Giuseppe, Crani Africani e crani Americani. Roma 1891. (Estr. Arch.
antrop. etnologia.) Gesch. d. Verf.
16. Treichel, A., Das Lied vom Rrambambuli. Königsberg i. Fr. 1891.
(S.-A. Altpr. Monatschr.)
17. Derselbe, Das Alphabet in preussischen Redensarten. Königsberg i. Fr. 1891.
(S.-A. Altpr. Monatschr.)
Nr. 16 u. 17 Gesch. d. Verf.
18. Krause, E., Die Anthropologen -Fahrt nach Salzwedel. (Aus der Fost.
Juli 1891.)
19. Derselbe, Dr. Otto Tischler f. S.-A. „Ausland^ 1891.
20. Derselbe, Altgermanischer Frauenschmuck. Der Bazar. Nr. 32. Berlin 1891.
Nr. 18—20 Gesch. d. Verf.
21. Reprints of three editorials regarding the priority in demonstrating the toxic
elTect of matter accompanying the tubercle bacillus and its nidus. o. 0. 1891.
Gesch. d. Bacteriological Laboratory Ac. Nat. Sc. Fhiladelphia.
22. Burgess, J., Mapping and place-names of India. (Exti*. Sc. Geogr. Mag.
1891.) Gesch. d. Verf.
23. Bon aparte, Roland, Assemblees democratiques en Snisse. Faris 1890.
24. Derselbe, Democratie Suisse. Faris 1890.
25. Derselbe, üne excursion en Corse. Faris 1891.
Nr. 23—25 Gesch. d. Verf.
26. Steinbrecht, C, Schloss Marienburg in Freussen. Berlin 1891.
Gesch. V. Anthropologen-Tag in Danzig.
27. Klebs, Richard, Aufstellung imd Katalog des Bernstein - Museums von
Stantien & Becker, Königsberg i. Fr. Nebst einer kurzen Gesch. des Bern-
steins. Königsberg 1889. Gesch. d. Verf.
28. Sommerfeld, Erläuterungen zur Bemsteinsammlung. Königsberg, o. J.
Gresch d. Verf.
29. Morselli, E., Sulla fossetta vermiana nei primati. Genova 1890. (Atti Soc.
Ligust. Sc. nat.) Gesch. d. Verf.
30. Rink, H., The Eskimo tribes. (Supplement) Copenhagen 1891. (vol. L
u. U.) 1887—91. Gesch. d. Verf.
31. Baumann, Oscar, Usambara und seine Nachbargebiete. Berlin 1891.
Gesch. d. Verf.
(894)
32. de Bayo, J., Sepulture ^auloise de Saint-Jean-sur-tourbe (Marne.) Paris 1891.
33. Derselbe, Rapport sur Je Congres archeologique et historique de Bruxelles.
Paris 1891. Nr. 32 u. 33 Gesch. d. Verf.
34. Hartmann, Herrn., lieber Hünenbetten im OsnabrUck'schen. o. O. u. J.
(Aus Deutsche Culturgeschichte.) Gesch. d. Verf.
35. West, M., Growth of the face. New-York 1891. (Science.)
36. Hoernes, M., Die Urgeschichte des Menschen nach dem heutigen Stande
der Wissenschaft. Wien 1892. (Lieferung 6—20.)
37. Derselbe, Referat über „Szombathy, Josef. Die Tumuli von Gemeinlebam.
Ausgegraben von Dr. Adalbert Dun gel. Wien 1890."
Nr. 36 u. 37 Gesch. d. Verf.
38. Götze, A., Die Gefässformen und Ornamente der neolithischen schnurverzirten
Keramik im Plussgebiete der Saale. Jena 1891. Gesch. d. Verf.
39. North, A. J., Descriptive catalogue of the nests and eggs of birds found
breeding in Australia and Tasmania. Sydney 1889. Gesch. v. Museum.
40. Philippi, R. A., Descripcion de algunos idolos Peruanos del Museo Nacional.
Santiago de Chüe 1891. Gesch. d. Verf.
41. Nicolucci, G., I Celti e la formazione delle odieme nazionalita francese,
spagnuola ed inglese. Saggio storico-antropologico. Napoli 1891. (Estr.
Soc. Ital. Scienze.)
42. Derselbe, Sguardo sulF etnologia delF Egitto. Napoli 1891. (Estr. Atti
R. Accad. Sc.)
43. Derselbe, II Darwinismo secondo i piü fecenti studi. Napoli 1886. (Estr.
Rendic. R. Accad. Sc.)
44. Derselbe, L*uomo e le scimmie. Napoli 1891. (Estr. Atti Accad. Pontaniana.)
45. Derselbe, ün periodo preistorico. L'eta del ferro. Napoli 1891. (Estr. Atü
Accad. Pontaniana.)
46. Derselbe, Gli Aryi e le origini Europee. Napoli 1891. (Estr. Atti Accad.
Pontaniana.)
47. Derselbe, I Semiti, quel che furono e quel che oggi sono. Napoli 1890.
(Estr. Atti Accad. Pontaniana.)
Nr. 41—47 Gesch. d. Verf.
48. Brower, J. V., The source of the Mississippi river. St. Paul 1891. Gesch.
d. Verf.
49. Radioff, W., Das Kudatku bilik des Jusuf Chass-Hadschib aus Bälasagon.
St. Petersburg 1891. Gesch. d. Verf.
50. Kern, H., George Alexander Wilken. Braunschweig 1891. (8.-A. Globus.)
51. Derselbe, Ter nagedachtenis van G. A. Wilken. Leiden 1891.
Nr. 50 u. 51 Gesch. d. Verf.
52. Schmeltz, J. D. E., Nachruf an Wilken. (S.-A. a. Am Urquell 11. 12.) (1891.)
Gesch. d. Verf.
53. Wilken, G. A., Necrologie. o. 0. u. J. Gesch. d. Verf.
54. Weber, F., Eine Wohnstätte aus der jüngeren Steinzeit in Stidost- Bayern.
München, o. J. (S.-A. Beiträge z. Anthr. u. ürgesch, Bayerns.)
55. Derselbe, Bericht über neue vorgeschichtliche Funde in Bayern. München 1H88.
Nr. 54 u. 55 Gesch. d. Verf.
5t;. Virchow, Rud., Der Stand der Cellularpathologie. Berlin 1891. (S.-A.
Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol.) Gesch. d. Verf.
57. N eh ring. Die Rassen des Schweines. Berlin 1891. (8ep.-Abdr. aus Rohde's
Schweinezucht.)
(895)
58. Nehring, (Teber eine besondere Riesenhirsch-Rasse aus der Gegend von
Cottbus, sowie über die Fundverhältnisse der betr. Reste. Berlin 1891.
(S.-A. Sitz.-Ber. d. Ges. nat. Freunde Nr. 8.)
Nr. 57 und 58 Gesch. d. Verf.
59. de Blasio, A., L^uomo preistorico in Italia. Napoli 1891.
60. Derselbe, Sopra un teschio del primo periodo dell' eta della pietra. Napoli
1891.
61. Derselbe. Persistenza della forma cranica. Siena 1891. (S.-A. Riv. It.
Sc. Nat.)
62. Derselbe, Un sepolcro dell' eta del bronzo in provincia di Benevento.
Siena 1891. (S.-A. Riv. It. Sc. Nat.)
63. Derselbe, Intomo ad un altro cranio archeolitico rinvenuto nel comune
d'Arpino. Siena 1891. (S.-A. Riv. It. Sc. Nat.)
Nr. 59—63 Gesch. d. Verf.
64. Cobo, P. Bern., Historia del Nuevo Mundo. Tomo II. Sevilla 1891.
Gesch. von Don Jimenez de la Espada.
65. Schötensack, H. A., lieber die Thraker, als Stammväter der Gothen, und
die verschiedenen Verzweigungen des gothischen Völkerstammes. Stendal
1861. Gesch. d. Verf.
66. Festschrift zum fünfzigjährigen Jubiläum des Vereins von Alterthums-
freunden im Rheinlande am 1. October 1891. Bonn 1891. Gesch.
des Vereins.
67. Buschan, G., Phönizische Grabstätten. Münster 1891. (S.-A. „Natur und
OfTenbarung^.)
68. Derselbe, Referat über W. Splieth, eine wendische Ansiedelung am Schar-
See (bei Preetz). Braunschweig 1891. (S.-A. Arch. f. Anthr.)
Nr. 67 und 68 Gesch. d. Verf.
69. Radde, G. K., Gesch. der Entwickelung des Kaukasischen Museums.
Tiflis 1891. Gesch. d. Verf.
70. Topinard, P., L'homme dans la nature. Paris 1891. Gesch. d. Verf.
71. Hellmann, G., Meteorologische Volksbücher. Berlin 1891. Gesch. d. Ver-
legers.
72. Schliemann. Sophie (Dr. Brückner), Heinrich Schliemann's Selbstbiographie.
Bis zu seinem Tode vervollständigt. Leipzig 1892. Gesch. d. Heraus-
geberin.
73. Bickell, L., Hessische Holzbauten. Marburg 1891. Heft 2—3. 4».
Gesch. d. Hm. ünterrichtsministers.
74. Dehoux, J. B., Sur les institutions hospitalieres et mcklicales d'Haiti.
Jacmel 1891. Gesch. d. Verf.
75. Hoffmann, W. J., Folk-lore of the Pennsylvania Germans. Washington 1891.
(S.-A. Jour. of Amer. folk-lore.) Gesch. d. Verf.
76. Gesterding, C, -Pyl, Ph., Beiträge zur Geschichte der Stadt Greifswald.
Greifswald 1892. III. Fortsetzung. Gesch. des Greifswalder Geschichts-
vereins.
77. Politos, N. G., Logos eisit€rios eis to roathemates Hellenites Archaiölogias.
Athenais 1891. Gesch. d. Verf.
78. V. Wlislocki, H., Märchen und Sagen der Bukowinaer und Siebenbürger
Armenier. Hamburg 1892. Gesch. d. Verlegers.
79. Schellong, O., Die Rlimatologie der Tropen. Berlin 1891.
Gesch. der Deutschen Kolonial-Ges.
(896)
80. Skandinavisches Archiv. Land 1891. Bd. I. Heft 1 and 2. Gesch. des
Heraasgebers.
81. His, W., ni. Bericht an d. Vorstand d. Ges. deatsch. Nai a. Aerzte betr.
d. Statutenfrage. Leipzig v. J. Gesch. d. Hm. Virchow.
82. Congres archeologique et historiqae de Broxelles. L Broxelles 1891.
Gesch. d. Congr.
83. Stölten, H. G., Der Arzt als Bahnbrecher christlicher Mission oder die
Mission des Arztes in China. Jena 1890. Gesch. d. Hm. Virchow.
84. Pector, D., Apercu par ordre geographiqae des qaestions anthropologiqaes
et ethnographiques. Paris 1890. (S.-A. Congr. Int. Am.) (}esch. d.
Verf.
Chronologisches Inhaltsverzeichniss
der
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft
für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. 1891.
Verzeichniss der Mitglieder des Vorstandes und des Aasschusses, der Ehren- und
correspondirenden Mitglieder S. 3, Verzeichniss der ordentlichen Mitglieder,
zunächst der immerwährenden S. 6.
Uebersicht der im Tausch oder als Geschenk zugehenden Zeitschriften 8. 15.
Ausserordentliche Sitzung vom 10. Januar 1891. Heinrich Schliemann f 8. 21. —
Trojanische Aegis-Ume. A. v. Heyden, R. Virohow S. 22. — Internationaler
geographischer Congress in Bern S. 23. — Internationaler Congress fttr Anthro-
Eologie, prähistorische Archäologie und Zoologie in Moskau 8. 23. — Jahr-
uch der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Alterthümer zu
Emden. Unterriohtsminister S. 23. — Verzeichniss der von der anthropologischen
Gesellschaft an das Museum für Völkerkunde abgegebenen prähistorischen
Gegenstände S. 23. — Gommission ftlr die einheitlicne Erforschung des rö-
mischen Grenzwalles in Deutschland 8. 23. — Altpreussische Wirthschafts-
geschichte. Nehring 8. 23; R. Virohow 8. 24. — Begräonisse der jetzt lebenden
Eingebomen in Brasilien. C. Rath 8. 24. — Fruchtkuchen (Patai) aus Salta,
Ar^^entinien. R. Virohow 8. 30. — Distomum haematobium (Bilharzia) aus Süd-
africa. R. Virohow 8. 30. — Ausgrabungen im Litorale und in Istrien, ümen-
harz in 8. Lucia und Gaporetto. Harohesetti . Salkowski 8. 31. — Dreiköpfige
Figur m Brixen. Vater 8. 32; W. Sohwartz, R. Virohow S. 33. — Photographien
aus Java. A. Bissler 8. 33. — Parallelen in den Gebräuchen der alten una der
ietzigen Berölkerung von Cypem (26 Zinkogr.)* M Ohnefalsoh-Rlohter 8. 34. —
Zur Anthropologie der Westafricaner, besonders der Togo-Stämme. L. Wolf,
R. Virohow 8. 44. — Amazonen des Königs von Dahome. Rob. Hartmann 8. 64. —
Die Steinzeit der Lausitz und ihre Beziehungen zu der Steinzeit anderer
Länder Europas, insbesondere die homförmigen durchbohrten Henkel und das
Lochomament (7 Zinkogr.). A. Voss 8. 71. — Haarzopf aus einem römischen
Bleisarkophag von Cöln. Voss 8. 79. — Bronzefund von Tangendorf, West-
Priegnitz. Voss S. 79. — Bronzenachgüsse aus den Müncheberger Gussformen.
Voss 8. 80. — Werk des Hm. Munro über die Seebauten in Europa. Voss
8. 80. — Eingegangene Schriften 8. 80.
Sitzung vom 17. Januar 1891. Wahl» des Ausschusses 8. 81. — Mitglieder 8. 81. —
Gedächtnissfeier fUr Schliemann 8. 81. — Verzierter Nephrit -Ring von
Erbil, Mesopotamien (3 Zinkogr.). Blas, R. Virohow 8. 81; Bartels, Ehren-
reloh, G. Fritsoh, H. Weiss 8. 82. — Förderung der ethnologischen Unter-
suchungen in Indien. Risley 8. 83; R. Virohow 8. 85. — Ansiedelung der
Steinzeit im Gebiete der Stadt Werschetz, Ungarn (41 Zinkogr.). F. Mllleoker
8. 85. — Alte Ansiedelung in der Flur Ludosch bei Werschetz (4 Zinkogr.).
F. Milleoker 8. 94. — Zur Vorgeschichte der Obstarten der alten Welt 6. Bischan
8. 97. — Algorrobe- Kuchen von Salta, Argentinien. F. Kramer, R. Virohow
8. 109. — Javanische Photographien. A. Bässler 8. 110. — Diskussion über
die Amazonen von Dahome: Höhenzahl des Körpergewichts der ^ Amazonen^
und Krieger. Mies 8. 110. Herkunft der ^ Amazonen^. R. Virohow, L. Fisoher,
Verhandl. d«r B«rL. AnthropoL Getellaehaft 1891. 57
(898)
G. Fritsoh S. 113. — Secbs&ngrige Hand eines Antillen-Negers. R. Vlrohow
S. 114. — Altmexikanischer Federschmnck und militärische Rangabzeichen
(96 Zinkogr.). E. Seier S. 114. Deutung des in Wien verwahrten altmexi-
kanischen Federschmucks (6 Zinkogr.). M. Uhle S. 144; E. Seier S. 155. —
Zur mexikanischen Chronologie mit besonderer Berücksichtigung des zapote-
kanischen Kalenders. E. Seier S. 156. — Eingegangene Schriften S. 156.
Ausserordentliche Sitzung vom 14. Februar 1891. Gorrespondirende und ordentlich ••
Mitglieder S. 157. -- Fr. Schwatka f S. 157. - 18. Jahresbericht des wim-
fälischen Pro vincial Vereins für Wissenschaft und Kunst. Unterriohtsoiinlster S. 157.
— Ausgrabungen und Untersuchungen bei Ehestorf, Kr. Zeven, und bei Andt-r-
lingen, Kr. Bremervörde, Hannover. F. Tewes S. 157. — Photographische xVuf-
nahmen der megalithischen Monumente der Altmark. Unterrichtsaninlster S. 1 «'»*'.
— IX. Internationaler Orientalisten - Congress zu Lfondon S. 158. — V. Intrr-
nationaler Geologen-Congress zu Washington S. 158. — Ethnologische Reisi'
an die paciftsche Küste von Nordamerica. F. Boas S. 158. — Fclsenzeichnun::
von Vancouver Island (Zinkogr.). F. Boas S. 160. — Sagen der Kootena\
F. Boas S. 161. — Aleuten-Skelette 0. Herz S. 172. — Ethnologisches aus Ma-
lacca. Vaughan Stevens S. 172. — ZurAechthcit der mährischen Diluvialfandt
Maska S. 173. — Westpreussische Schlossberge und Burgwälle: Rathsdorf
(2 Situationsskizzen) S. 178; Borkau-Grabau S. 181; Lippusch Papiermühle
S. 183; Sobiensitz (Zarnowitz) S. 184. A. Treichel. — Omamentirte Urnen vn*.
Hochstüblau, Kr. Pr.-Stargardt (3 Zinkogr.). A. Treichel S. 186. — West-
preussische Häuser und Giebelverzierungen (42 Zinkogr.). A. Treichel S. l^T
— Die Handstand -Künstlerin Eugenie Petrescu (14 Zinkogr.). Hans VIrchow
S. 189. — Kriegskeule eines Caraya-Häuptlings, Brasilien. P. Ehrenrelcli S. iMi*.
— Radsporen auf Siegeln, im Grabe Bemhart'ß von Italien und auf cintM»»
Eelief am Dom zu Monza. Olshausen S. 21i). — Römische Münzen aus dtr
Zeit vor Augustus im Küstengobiet der Ostsee. Olshausen S. 223. — ßcvölkcrun j
der Haussa-Länder. Staudinger S. 228. — Bororo, Brasilien. Ehrenreidi S. 'l'iü.
— Photographien von Sumatra. A. Bassler S. 237. — Münzsammlung in
Barenau. Sohlerenberg S. 237. — Vorgeschichtliche Kartenzeichnungen in d»r
Schweiz (9 Zinkogr.). Fr Rödiger S. 237; R. VIrchow S. 242. — GrabelolTH
(2 Zinkogr A A. Voss S. 242. — Bärtige Dame, Miss Jones (Autotypie
M. Bartels S. 243. — Xiphodyme Gebrüder Tocci. R. VIrchow S. 245. — Ein-
gegangene Schriften S. 246. — Büchergeschenk der Frau Schlemm S. 24« ».
Sitzung vom 21. Februar 1891. Wahl des Ausschuss- Obmanns S. 247. — Ge-
dächtnissfeier für H. Schliemann S. 247. — Reise des Hm. Quedenfoldi
S. 247. — Coca und Kartoffeln. R. A. Phlllpl S. 247; R. Hartmanfl 8. 24s. -
Ausgrabungen auf der Wittekindsburg bei Rulle, Hannover. Unterridrts-
minister, Sohuchhardt, R. VIrchow S. 249. — Sport des Handlaufs und Dejutt-
fände auf Island. W. Schwartz S. 250. — Zur Landkartenstein-Theorie (Taf. I
und 3 Zinkogr.). K. Taubner S. 251 ; R. VIrchow S. 258. — Museum für Völker-
kunde in Budapest. A. Hermann S. 258. — Das Weih. M. Bartels S. 25k. -
Durchlässigkeit vorgeschichtlicher Thongefässe und deren hauswirthschaftli^ H'
Verwendbarkeit. R. Buchholz S. 259; R. VIrchow S. 261. -- Mann (ßüllersbai H
mit Riesenbart (Zinkogr.). R. VIrchow S. 261. — Hügelgräber bei Kehrbvr*
Ostpriegnitz (35 Zinkogr.). Ed. Krause S. 262. — Gräberfeld und HügelsrraJ
bei Milow, Westpriegnitz (Zinkogr.). Ed. Krause S. 276. — Die sog. Aatek«n.
M. Bartels, R. Hartmann S. 278; R. VirQ|iow S. 279. — Dualla-Knabe ti*.
Kamerun (2 Autotypien). R. VIrchow S. 280. — Papua- Knaben von Nou-
Britannien (Autotypie). R. VIrchow S. 283; Graf Pfeil S. 284; Nenhanis S. i^^'
— Der alte Bernsteinhandel und die Goldfundo (2 Holzschn.). Olshausen S. t^'^
— Die Wenden der Niederiausitz (Taf. IL). Müschner, A. Schwartz S. :>!'.'.
R. VIrchow, A. v. Heyden, R. Hartmann S. 324. — Büchergeschenk der Fniu
Schlemm S. 324.
Sitzung vom 21. März 1891. Gedächtnissfeier für H. Schliemann S. 325. -
Budczies, Bujack f S. 325. — Neue Mitglieder S. 325. - Reinwald v
S. 325. — Jubiläum von Hauchecorne S. 325. — Reise des Hm. F. 4sK'«>f
S. 325. — Einladung der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig za cinrn»
anthropologischen Vorcongress S. 325. — Versammlung der Föderation arch» <»-
(899)
logiqne et historiaue de Belgiquc zu Brüssel S. 326. — Petition um Gründun/^
eines deutschen National-Museums in Berlin 8. 326. Antwort des Unterrichts-
ministers S. 329. Vorsitzender S. 329. — Vorlagen des Unterrichtsministers
S. 329. — Neue Funde vom Zihlcanal, Schweiz, namentlich Bronzering mit.
Knöpfen und Thierfiguren (1 Zinkogr. und 4 Autotypien). E. v. Fellenberg
S. 329; R. Vlrohow, A. Voss S. 333. — BronzeÜbel einfachster Form von Gla-
sinac, Bosnien (25 Zinkogr.). M. Hoernee S. 334. — Das sächsische Haus um
Lübeck. Lenz S. 338. — Alter der Steinwaffen im Gebiete des Rio Cahy und
Forromecco, Brasilien (25 Zinkogr.) Kunert S. 339. — Neue Funde im Bodensee.
Strass S. 345. — Silberfarbiges Haar in Griechenland. B. Ornstein S. 346. —
Photographien von Hissarlm. P. Ehrenreloh S. 348. — Photographien von
Sulu, den Philippinen und Molucken. A. Bässler S. 348. — Euinen von Zim-
babye, Südafrica. M. Bartels S. 348. — Schädel aus dem slavischen Gräber-
felde von Blossin, Kr. Beeskow-Storkow. R. Buohholz, R. Virohow S. 349. —
Tagalen-Knabe von Manila. Kuttner S. 350. — Reizsteine des Penis auf Su-
matra. Staudinger S. 351. — Neue Rnochenfunde in den Höhlen bei Rübe-
land im Harz. W. Blaslus, Nehrlng S. 351. — Zeichnungen weiblicher Ropf-
trachten des 16. und 17. Jahrhunderts. A. v. Heyden S. 354. — Analysen kau-
kasischer und assyrischer Bronzen. R. Virchow S. 354; Vater S. 359. — Schädel
und Skelettheile aus Hügelgräbern der Hallstatt- und Tenezeit in der Ober-
pfalz (2 Zinkogr.). Naue, R. Virohow S. 359. — Xiphodymie (2 Autotypien).
R. Virohow S. 366. — Die sogen. Azteken und die Chua. R. Virohow S. 370;
R. Hartmann S. 377. — Zimbäoe. R. Hartmann S. 377. — Spuren vom Emfluss
Indiens auf die africanische Völkerwelt Merensky 6.377; R. Virohow S. 380.
— Zürich und das schweizerische Landesmuseum. Heierli S. 380. — Skelette
und Schädel aus schweizer Gräbern (2 Zinkogr.). Heierli S. 380; R. Virohow
S. 382. — Geheimbünde der Küstenbewohner Nordwest-America's (8 Auto-
typien). J. Adr. Jacobsen S. 383. — Das Rochen der Indianer an der Nord-
westküste America's und die Abnutzung ihrer Zähne. Ph. Jaoobsen S. 395;
R. Virohow S. 396. — Eingegangene Schriften S. 396.
Sitzung vom 18. April 1891. Rückkehr des Hrn. v. Luschan 8. 397. — L. Müller f ,
Dr. Goltdammer f, S. 397. — Neue ordentliche und correspondirende Mitelieder
S.397. — Gustav Dieffenbachf S.397. — Deutscher anthropologischer (Königs-
berg-Danzig), internationaler prähistorischer und zoologischer (Moskau) und
Americanisten-(Huelva)Congre8S S.397. — Freie photographische Vereinigung.
K. Book 8. 398. ~ Goldbrakteat von Rosenthal. Olshansen S. 398. ~ Bear-
beitete Knochen und Geweihstücke aus Grimme, Kr. Prenzlau. R. Bnohholz,
Nehrlng, R. Virchow S. 399. — Kostbare Perlen der Basutho in Transvaal
(15 Zinkogr.). M. Bartels S. 399. — Degenschlucker Heinicke (Benidelli).
Hans Virohow S. 401. — Bronzeschmuck von Alt-Storckow, Kr. Stargard,
Pommern (3 Zinkogr.). Schnaann S. 405. — Ueberlebser aus früheren Zeiten
[Pferdeschmuck, Adlerstein u. s. w.]. (2 Zinkogr.) v. Chlingensperg-Berg S. 407.
— Städtische (Geldbewilligung für das Trachten -Museum. R. Virohow 8.409.
— Geschenk des Alterthumsvereins zu Mannheim S. 409. — Aehnlichkeit der
schleswigschen Bauernhöfe mit Gebäuden der mittleren und älteren Zeit.
Mejborp S. 409. — Volksbibliothek in Wels, Oesterreich. Uurenoak S. 410. —
Archaische Gräber bei Syracus mit eigenthümlichem Geräth von trojanischem
Muster und Schädel von Megara Hyblaea. (Autotypie mit 7 Figuren und
3 Holzschnitte.) P. Orsi S. 410;. R. Virchow 8.411. — Principien der metro-
logischen Forschung und das ptolemäische System. C. F. Lehmann 8. 414. —
Verhandlungen des VUI. russischen Archäologen-Congresses in Moskau 1890.
Grempler 8. 414. — Abguss eines Eichhorn-Instruments mit gezähnter Schneide
aus Osswitz, Breslau. Grempler 8. 425; E. Krause, Olshausen 8. 426. — Goldfund
aus Schlesien (Zinkogr.). Grempler 8. 426. — Burgwall von Heidevorwerk, Kr.
Wohlau. Grempler 8. 427. — Schädel aus schlesischen Gräberfeldern. Grempler,
R. Virchow 8. 427. — Heteradelpher Inder Laloo. R. Virchow 8. 428. — Ein-
gegangene Schriften 8. 431.
Sitzung vom 30. Mai 1891. Richard Schomburgk, Niendorf, Sokolowski,
Handelmann f 8. 433. — Tischler's Erkrankung. Verlegung des anthro-
pologischen Congresses nach Danzig 8. 433. — Jubiläum von Beyrich S. 433. —
57 •
(900)
Rückkehr des Hrn. Bastian S. 433. — Reise des Hrn. Jagor 8. 433. —
Neues Mi^H^d und Gäste S. 433. — Sachvcrständi^n-Commissionen des
Museums für Völkerkunde S. 434. — Congresse 8. 434. — Geographiscbe
Section der Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaften zu Moskau
S. 434. — Americanistische Ausstellung zu Madrid S. 434. — Geschenk des
Werkes über die Forschungsreise der Gazelle S. 434. — Sendungen des ünter-
richtsministers S. 434. — Die ostpreussischen Lippowaner. E. Lemke S. 434. —
Bandweben in Ostpreussen. E. Lemke S. 435. — Weihnachtsbäume. E, Krane
S. 435. — Eingebome der Philippinen. Blumentrttt S. 436. — Kopfmessungen
an Tungusen. 0. Hertz 8. 43b. — Wiederauffindung des Römercastells
(Munitium) im Lande der Chauken. v. Stoltzenberg S. 438. — Völksthümliches
aus Rügen. W. Schwariz 8. 445. — Prähistorische Funde aus Retzin, Ost-
Havelland (4 Zinkogr.). W. Schwariz 8. 457 , R. Virohow 8. 459. — ZeusbUd
aus Ilium (6 Zinkogr.). Krause- Gleiwitz 8.463. — Das früheste Vorkommen
arabischer Zahlenzeichen in Deutschland (2 8chriftproben). Mehlie 8. 464,
R. Virohow 8. 465. — Neue 81avengräber bei 8obrigau, Rönigr. 8achsen. Tbeile
8. 465; R. Virohow 8. 466. — Freiliegende neolithische 8keletgräber von Glasow
bei Löcknitz, Pommern (l Zinkogr.}. Schumann 8. 467. — Blutstein von
Reichenhall (2 Zinkogr.). v. Chlingensperg-Berfi 8. 469. — Nachtigars Büste
in 8tendal. W. Reise S. 469. — Photographische Aufnahmen in Hissariik.
Ehrenreich 8. 469. — Frühreifes Mädchen aus Beriin. R. Virohow 8. 469. —
Urnenfeld bei Münchehofe, Berlin. Giebeter 8. 470. — Fettsteissbildung beim
Menschen und gewissen Säugethieren, Fcttbuckel der Zebu und Rameele.
R. Hartmann 8. 470. — Neue Feuersteingeräthe aus Aegjrpten und Mr. Flinders
Betriebs neueste Forschungen (hierzu Taf. VE— X). W. Reise 8.474; B.
Virohow 8. 478. — Lappen. R. Virohow 8. 478. — Eingegangene Schriften
8. 480.
Sitzung vom 20. Juni 1891. Otto Tischler f 8.483. — Berufun«^ des anthropo-
logischen Congresses nach Danzig 8. 484. — Raschkow f, BIscher-Züblin-J-
8. 484. — Neue correspondirende Mitglieder 8. 484. — Nachtigal-Denkmal in
Stendal 8. 484. — Excursion nach der Altmark 8. 485. — Jah^sversammlung
der Niederlausitzer Gesellschaft 8. 485. — Geographischer Gongress in Bern
8. 485. — Ethnologische africanische Ausstellung 8. 485. — Reise des
Dr. Steinbach 8. 485. — Altmexicanischer Federschild in Ambras. Frau
Zelia Nuttail 8. 485. — Silberring zum Bogenspannen (2 Zinkogr.). R. Vh-obow
8. 486. — Pommersche Skeletgräber der Steinzeit von Casekow und Oberfier.
Schumann 8. 487. — Reise nach dem Negeb. Bracht 8. 490. — Ausgrabungen
von Sendschirli. v. Luschan, Koldewey 8. 490. — Zeitschrift ^Süd- Amerika'^
8. 490. — Geknöpfte und mit Thierfiguren besetzte Bronzeringe (6 Autotypien
und Holzschn.). R. Virohow 8. 490. — Das dänische Haus in Dcatschland
(10 Zinkogr. und 3 Holzschn.). M. Uhie 8. 493. — Metrologische Studien im
British Museum (26 Zinkogr.). C. F. Lehmann 8. 515. ~ Wäcwigen orien-
talischer Fundstücke aus Gold (2 Zinkogr.). C. F. LehmaM 8. 530. — Sagen
aus British Columbien (Shushwap, Ntlakyapamuq, Sagen vom unteren Fräser
River). F. Boas 8. 532. — Eingegangene Schriften 8. 576.
Sitzung vom 18. Juli 1891. Erwählung des Hrn. Virchow zum Ehren-Präsidenten
der Gesellschaft 8. 577 — Gäste und Mitglieder 8. 577. — Nachtigal -Denkmal
in Stendal 8. 577. — Anthropologische Generalversammlung in Danzig und
weiteres Programm 8. 577. — Colonial-Nachrichten. ZintfrafT, Rayter §. 577.
— Schädel aus dem Negeb (Situationsskizze). Bracht 8. 578, R. Vlrchew 8. 580.
— Vorslavische Funde aus der Niederiausitz (Niemaschkleba, Christianstadi,
Friedland, Ossig, Reichersdorf) [14 Zinkogr.]. H. Jentsoh 8. 583. — Slavisches
Gräberfeld mit Skeletten und Leichenbrand auf dem Silberberge bei Wollin,
Pommern (1 Zinkogr.). Schumann 8. 589. — Zwei neue Bronzesporen von
Obliwitz und Lübgust, Hinterpommem (7 Zinkogr.). Sofcmuuw S. 593; Ole-
hausen 8. 595. — Spomähnliche Gegenstände. Oishaueen 8. 596, — Nephritbeil
aus der Gegend von Ohlau, Schlesien (3 Zinkogr.). Sohoeteneaek 8. 596. —
Jadeitbeilchen vom Ebersberg, Braunschweig. Kloos, R, Vlrehow 8. 601. —
Tempelbild aus den Königsgräbem von Mykenae. (3 Zinkogr.\ Kraaet S. 602,
— Das Palladium in der mykenischen und tirynthiachen Darstellung (4 Zinkogr.)
(901)
Krause S. 603. — Die Roggenkoragemmen des frühchristlichen Kirchengeräthes
r21 Zinkogr.). H. SSkeland S. 606; R. VIrohow S. 628. — Sagen aus Bntish-
Cohimbien (Cowitchin, SnanaimuQ, S'kqömic, Lku'ngen) [Ports.]. F. Boas
S. 628. — Combinirte Porträt-Photographien nach Bowdich. Franz Schmitt
S. 645. — Acten des II. internationalen (Jongresses der Criminal-Anthropologie.
Magitot S. 645. — Das dänische Hans in Deutschland (Forts.). U. Jahn S. 645;
Uhle, R. Virohow S. 648. — Aegyptens auswärtige Beziehungen hinsichtlich der
Culturgewächse. G. Sohwelnfiirth S. 649; R. Hartmann S. 669. — Nachbildung
der Berner Elfenbeinkanne. F. v. Lusohan S. 669. — Bogenspannen (12 Auto-
typien und Zinkogr.l v. Lusohan S. 670. — Bohnen der Canavalia von den
Chinhiirs in Hinter-Indien zur Bereitung von Schiesspulver. NStling, R. Virohow
S. 678. — Excursion nach Salzwedel und in das megalithische Gebiet der
Altmark (Autotypie). R. Virohow S. 679; E. Krause S. 682. — Der moderne
Proteus und der Hautmensch. R. Virohow S. 682. — Eingegangene Schriften S. 684.
Sitzung vom 17. October 1891. Ehren-Präsident S. 687. — Legat von H. Schlie-
mann S. 687. - Staatsbeihülfe für die Gesellschaft 8. 687. — Fräulein
J. Mestorf S. 687. — Todesfälle (Kopernicki, Wilken, Hahn, Queden-
feldt, Voigtel, Rackwitz, Fabri) S. 688. — Neue Mitglieder S. 688. —
Jubiläum von W. Schwartz S. 688. — Dr. F. Jagor S. 689. — 50jähriges
Jubiläum des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande S. 689. —
Hauptversammlung der Oberlausitzer Gesellschaft für Anthropologie und Ur-
gescnichte S. 689. — Russisches Institut zur ethnographischen imd archäo-
logischen Erforschung des Orients in Constantinopel S. 689. — Papuanische
Gesichtsmasken. Schellong, Castan S. 689. — Expedition nach den central-
africanischen Seen. Borchert, Graf Schweinitz S. 690. — Prähistorischer
sicilianischer Bernstein. P. Orsi S. 690. — Ausgrabungen zu S. Lucia im Litorale
und archaische Bronzefibel (Zinkogr.). Marohesetti S. 691. — Nephritgruben
von Schachidula und Schleiferei von Chotan (Situationsplan). Conradt S. 692;
R. Virohow S. 693. — Usambara, Gst-Africa. Conradt S. 693. — Prähistorische
SteinwafTen in Ober-Birma (2 Holzschn.). NStling S. 694; R. Virohow S. 695. ~-
Caximbos in Süd-Brasilien (22 Zinkogr.). Kunert S. 695. — Darstellungen aus
der mykenischen Götterwelt (2 Zinkogr.). Krause S. 699; R. Virohow S. 701. —
Steinzeitliche Ornamente aus Pommern (12 Zinkogr.). Sohumann S. 702. —
Slavische Schädel vom Galgenberg und Silberberg bei Wollin, Pommern.
Sohuaann S. 704. — Gräberfeld auf dem Galgenberge und slavische Grabfunde
bei Wollin (12 Zinkogr.). Walter S. 708. — Steinmulden im Fichtelgebirge
(5 Zinkogr.). L. Zapf S. 717. — Erläuterungen und beweisende Vergleiche zur
Steinkarten-Theorie (12 Zinkogr.). F. Rödiger S. 719. — Wohnhäuser ohne
Schornstein in Hinterpommern. E. Lemke S. 725. — Schwanzbildung beim
Menschen auf Sumatra. Bartels S. 725. — Hölzernes Thürschloss von Barbis
im Harz (2 Zinkogr.). v. Alten S. 725; R. Virohow S. 726. — Photographien
der ältesten iigvptischen Bronzen des Berliner Museums. C. Ginther 8. 726. —
Erwerbungen des Märkischen Provinzial- Museums. Buohholz S. 726. — Man-
dragora-Wurzeln (6 Autotypien), v. Lusohan S. 726; P. Asoherson S. 729; R.
Beyer S. 738. — Photographien der Benong Ahong, Nhongeh. Rosset S. 746.
Generalversammlung der deutschen archäologischen Gesellschafl und Stand
der archäologischen Forschung in West- und Ostpreussen. R. Virohow S. 746.
— Die altpreussische Bevölkerung, namentlich Letten tmd Litauer, sowie deren
Häuser (1 1 Zinkogr.). R. Virohow S. 767. — Eingegangene Schriften S. 805.
Sitzung vom 21. November 1891. Ausschuss S. 807. — Neues Mitelied. S. 807. —
Ragotzky t S. 807. — Fräulein E. Lemke S. 807. — F. Jagor S. 807. —
Alte chinesische Metallspie^l. Fr. HIrth S. 807; R. Virohow S. 809. -- Bericht
aus Formosa. HIrth S. 810. — Setzerstrike S. 810. — Reise des Dr. Joe st
S. 810. — Rtlckkehr des Dr. Belck 8. 810. — Americanistische Studien prä-
columbisches Tabakrauchen und Caximbos. v. Iherlng, Bartels S. 811. —
Deutsche Zeitung fttr Rio Gh-ande do Sul. S. 811. — Mikrocephale von Gro-
tava. Nabel S. 812. — Handelsmuseum in Bremen S. 812. — Biographie von
U. Schliemann S. 812. — Archaische Topfscherbe, angeblich aus der zweiten
trojanischen Stadt (Zinkogr.). AppletOR S. 812; R. Virohow S. 813. — Bronzeringe
mit Knöpfen und Thierköpfen aus Böhmen und Ungarn (7 Zinkogr.). Szombathy
(902)
S. 814. — Wilder Mensch von Trikkala in Thessalien. Ornstein 8. 817; R.
Virohow 8. 818. — 8pandai]er Schädel. Vater, R. Virohow 8. 818. — Hügelgrab
der älteren Bronzezeit von Mühlthal, Ober-Bayern. Naue 8. 822; Schädel und
Skelet. R. Virohow 8. 824. — Besemer oder Däsemer? Höft S. 826. — Crema-
torium in Hamburg 8. 827. — Hessische Holzbauten. Biokell, UnterrichtSMinister
8. 827. — Brasilianische Indianer. P. Ehrenreich 8. 828. — Ethnographische
Ausstellung in Prag 1893, 8. 828. — Alterthümer aus Coban in Guatemala,
insbesondere abgeschnittene Pinger. E. Seier 8. 828. — Reisen von Vaughan
Stevens in Malacca (Kartenskizze). Griinwedel 8. 829; Staadlnger 8. 836; R.
Virohow 8. 837. — Die wilden Eingeborenen von Malacca (4 Zeichnungeo).
R. Virohow 8. 837. — Im Norden gefundene vorgeschichtliche Trompeten
(4 Holzschn.). Olshausen 8. 847. — Rillen an ägyptischen Tempeln (2 Auto-
Wpien). Junghändel 8. 861; R. Virohow 8. 863. — Eingegangene SchriAen
S. 863.
Sitzung vom 19. December 1892. Dom Pedro II. d'Alcantara f S. 865. —
Ewald, Römer, Liman, Hunfalvy f 8. 865. -— Neues correspondirendes
und Ehrenmitglied 8. 866. — Verwaltungsbericht für 1891. R. Virohow 8. 866. -
Rechenschaftsbericht für 1891. W. Ritter 8. 874. Decharge S. 875. — Rechnung
der Rudolf Virchow-Stiftung für 1891, S. 875. — Neue Mitglieder 8. 876. -
Wahl des Vorstandes für 1892, 8. 876. — Bronzeringe mit angesetzten Warzen
in den Sammlungen des Prager Museums (14 Zinkogr.). W. Scholz S. 877;
Szombathy S. 880. — Photographie eines litauischen Bauemgehöfts in Minge
und photographische Aufnahme der Gongress-Mitglieder. BezzeDberger S. 881.
— Photographien von Matebelen. Bartele 8. 881. — Durchlochte Nadeln aas
californischen Gräbern (7 Zinkogr,). L Lemke 8.881. — Diluviales Pflanzeo-
lager von Klinge bei Cottbus. Nehring 8. 883. — Photographien von der alt-
märkischen Excursion. Ehrenreloh 8. 890. — Mandragoras. P. Aschersoi, Wet^
etein 8. 890. — Eingegangene Schriften 8. 892.
Autoren - Verzeichniss.
T. Alteo, Baron 725, 866.
Aa^re, R. 24, 258.
Anger 829.
Ajijileten, Henry 812.
Aseherstn, Paul 729, 890.
Bissler, Arth. 33, 110, 287, 348.
B^aleJ, J. 417.
Bapst 22.
•aHels, M. 82, 243, 258, 278, 348, 690, 726,
791, 811, 881.
iastlan, A. 258, 488.
it Baye, Baron J. 425.
Becker (Lindau) 75.
Bekia 71.
Beiek, W. 810.
Bejer, B. 788.
Beyricfc, 577, 867.
Blas, 0. 81.
Bluios, W. 852.
Blanealkai 113.
BlomeBtrltt, F. 436.
Boas, Fr. 158, 160, 532, 628.
Beck, E. 898.
Btrckerf, 0. 690.
Brackf, Engen 490, 578.
Brackekosek, Lndw. 30, 248.
Br^ckkaos, F. A. 812.
Baekkfli, B. 259, 849, 726.
Ba^ciies (f) 825.
Bojack (t) 825.
Botckan, G. 97.
Cartallkac, £. 424.
Castan, G. 66.
— , L. 110, 279, 870, 478, 689.
Ckaloawsky, J. 420.
T. CkllBgeiis|iffg-Berg 407, 469.
Cfko, H. 22.
€f inä«, Leop. 692, 693.
Ekreareidi, P. 82, 219, 287, 848, 469, 8» 8»-
Engler, A. 678.
(903)
▼. FdleaMg, Edm. 829.
Flacker, Lonis 113.
d« Fleurj, L. 428.
»•nckfiU 491.
Friedet, E. 118.
Frltsch, O. 82, 118.
fienndniMn 28.
«leMcr, C. 470.
«irke, F. 65.
«rempler 414, 425, 426, 427.
▼. Grtmktschewsky 692.
«rttrlM, H. 852.
«rfinweM 88, 829.
«Ontker, Carl 278, 280, 726.
«nltmano, S. 245.
■tkel, Job. 812.
■artinaBn, R. 64, 237, 248, 278, 824, 877, 470,
669.
■artiHck 158.
■aackeeanie 825.
leger, F. 414, 424.
■elerli, J. 880.
■eia, 0. 28.
■emauB, Anton 258.
■erti, Otto 172, 486.
Beiden, A. v. 22, 219, 824, 354, 407.
■Irsekfei^, G. 22.
■Irtk, Fr. 807, 809.
■temes, M. 884.
■in, F. 826.
Jaetbsea, J. Adr. 888.
— , Phil. 395.
Ja^rlncew, N. M. 421.
Jäger, F. 325, 488, 689, 807.
Jaka, U. 645.
JeaUck, H. 583.
f. Ikeriag 698, 811.
Jte«t, W. 114, 810.
iuagkaeaM, M. 861.
IwaaewskU, A. A. 422.
Kajier 577.
Rliag, Hauptm. 52, 55.
Klees, J. H. 852.
KeMewey 490.
KnaMr, Fernando 109.
Kmse, Ed. 258, 262, 412, 426, 484, 485, 679,
682, 787, 790.
— , Ernst H. L. 435.
— (Gleiwitf) 22, 468, 602, 608, 699.
KHi 178.
Krfiger (Lieberose) 485.
Kaaert, A. 889, 695.
KoUaer 850.
Ua^ell 354.
UorenUk 410.
Ukniann, C. F. 858, 414, 515.
Lekmann-FHkrs, Frl. M. 250.
Uoike, Frl. E., 434, 435, 725, 807, 881.
Lern, H. 838.
V. LoBckan, F. 897, 490, 669, 670, 726.
Maass 877, 890.
lagllet 645.
it larckesetU 81, 691.
Alaska, J. 178.
leklis, G. 464.
H«jberg 409.
lereasky 877, 399.
Mesterf, Frl. J. 687, 866.
Mies 110.
nilckklfer 22.
lUIekfr, Felix 85, 94.
neraet, L. 219.
lergea, Kurt 280, 675.
Musckaer 819.
Manre 80.
Biaoe, J. 859, 822.
Nckriog, A. 23, 851, 399, 883.
Nette, L. 157.
Neakaass, R. 286.
KpBBiann, R. 428.
NAUlBg, F. 678, 694.
NBttali, Zelia 181, 485.
OhBelklsek-RIckter 84.
Olskausea, G. 76, 219, 223, 261, 286, 398, 405,
595, 847.
Orasiela, B. 346, 817.
Orsi, Paolo 410, 690.
Pe^ro II., Dom, d'Alcantara, Kaiser Ton Bra-
silien (t) 865, 866.
Petrie Flioders 475.
Pfeil, Graf Joachim 51, 284.
Pkillppl, R. A. 247, 695.
Ptatk, H. 854, 858.
PellwaBew, W. N. 420.
Pesselt, Wilh. 34a
Qaedeafeldt, M. 247.
lUakf, Joh. 825.
Ratk, 0. (S. Paulo f) 24.
RelBaek, S. 178, 176.
Relss, W. 469, 474.
Rimkack, E. 854.
Rlsley, H. H. 88.
Rllter, W. 874.
RlüiBger, Ed. 486.
RAdiger, Fr. 287, 257, 719.
Salkewi^kl 81, 856, 679.
Saaiekwassew, J. 417.
Sekadt, R. 851.
Sckdleag 689.
(904)
Sehlerenberg, G. A. R. 237.
Schlemm, Frau 246, 324, 396, 576.
Sfhliemtnn, Heinrich (f) 21, 247, 325.
— , Sophie 812.
Schmidt (Lagos) 113.
Schmlit, Franz 645.
Schoetensack, 0. 596.
Sehochhardt 249.
Schulli 745.
Schuli, Wenzel 877.
Schamano (Löcknitz) 405, 467, 487, 589,
702, 704.
SchwaHi, Albert 22, 319.
— , W. 33, 250, 278, 445, 457.
Schwelnfbrlh, G. 649, 669.
Schweiolti, Graf 690.
Seier, Ed. 114, 156, 828.
Siehe 485.
Silfw, W. J. 423.
Smimaw, J. N. 425.
Slkefaad, H. 606.
Staadloger 228, 351, 836.
Steinhaeh 485.
Stefens, Vaughan 172, 695, 838.
T. Sttldenberg, Frhr. R. 249, 438.
Stnss, G. 345.
Siamhathy 176, 814, 877, 880.
Taohner, Kurt 251.
593,
fewes 157.
f heile, Fr. 465.
Tischler, 0. (f) 73, 483.
Treichd, A. 178, 186, 187.
TrohellLa 336.
Vhle, M. 144, 493, 648.
VoterrichtsmiBlster 23, 157, 158, 249,
687, 827.
Vater 32, 359, 818.
?irchew, Hans 189, 401.
— , Rud. 22, 24, 30, 33, 44, 81, 85,
114, 172, 242, 245, 247, 249,
280, 283, 286, 824, 829, 883,
359, 366, 870, 882, 899, 409,
428, 459, 465, 466, 469, 478,
577, 680, 601, 628, 648, 678,
687, 689, 691, 698, 701, 746,
809, 813, 818, 824, 837, 868,
875.
?tM, A. 71, 79, 80, 242, 249, 383.
Walter (Stettin) 708.
Weiss, Herrn. 82.
Wendlaid 80.
Wetsstein, J. G. 800.
Wtif, Ludw. 44.
lapf, L. 717.
ZIntgraff 51, 281, 577.
329,434,
109, 113,
261, 279,
849,354,
411, 427,
486,490,
679,682,
767, 807,
866,866,
Sach-Begister.
A.
Ahheekota, Hauptstadt der Yoruba 69.
Ahendllndlsche Alraune 738.
Ahergiiobische Curen durch Steingeräthe 478.
Aherglauhe 872, der Guajcurus 25, auf Rügen
457, der Westafricaner 45.
Ahome (A^gbome), Hauptstadt von Dahome 66.
AhstammoDg der holsteinschen Inselbewohner
499.
Ahieiehen der Indianer-Geheimbünde 389.
Acardiacns acephalus heteradelphus 481.
Ackerhaa der Haussa 236.
Acalhoa, Mexico 135.
Adamaoa, Haussabevölkerung 228.
Adeli-Neger, Togo, Messungen 45.
Adlerstein, Amulet, als Arzenei 408.
Adtrf, sog. Dom-Reliquiarium 611.
Aegis 605.
Ae|tis*l'me, trojanische 22.
Aegjpten, Bernstein 294, Feuersteinmesser
475, 476, Hausthiere 666, Heimath m
Enochenger&then in Hios und Sidh'«
412, Photographien Ältester Bronien 726,
Reise nach 810, Rillen an Tempehi 861.
Aegjptens auswärtige Bezidiungen hinsicbtlifh
der Culturgew&chse 649.
Aeltere Steinieit in Russland 419.
Aelteste Hansform 410.
— Periode der Besiedelnng Ostpreossens 768.
Aeyfei in Alt-Aegypten 98, ihr Alter 99, in
Pfahlbauten 99.
Aestengrlher in Ostpreussen 778.
Aeatler (Esten)- Galinder- Sudiner-Prun« 769.
AHraneascheB 243.
AfHea s. Adamaua, Adeli, Aegyptcn, Asbin«.
Aschanti, Bali, Basutho, Binu^ Dahom«*
Distomum, Dualla, Haar, flaoasa, HMt-
farbc, Kartenzeichnung, Klein Popo, !!«**•
belen -Photographien, Mikrocepbale ürf
Tenerifa, Perlen, üsambara, Zimbahfp*
(905)
AlbliUtlKher Zustand der Angen bei Litauern
782.
AlkuM der Mitglieder 874.
AleauiBltthet Grab, Zürich 882.
AleauiBische Hausanlagen in der Altmark 682.
Aldtea-Skelette 172.
Algtrrt^lBckei in Argentinien 80, 109.
Allst, röm. Fort, an der Lippe 489.
Alknlcken, Ostpreussen, Hügelgräber 759.
Alleosteln, Alterthümer und Bauernhäuser im
Kreise 766, 788.
AUerkahackea (Alraun)' 743.
AllerMaMihinlftch 740.
Alllui Yictorialis im Aberglauben 740.
AIm in Aegypten 657.
AlraBoe 726, abendländische 788, aus Bernstein
748, Herstellung 789, su Curen 745.
Alieagfniiiiei 618.
AltckrisÜlehe Kirchen in S'baita 578.
AHe Ansiedelung in der Flur Ludosch der Qe-
markung der Stadt Werschetz, Ungarn 94.
Alte chinesische Metallspiegel 808.
AHen, Baron ron, 70. Geburtstag 8^, Ehren-
Mitglied 867.
AHmIwi, Anhalt, Doppelaxt 460.
AHer, hohes, der Botocudos 26, der geknöpften
Bronzeringe 492, der Caximbos in Bra-
silien 695, geringes der Pmzzen - Grä-
ber 769, der Mongolengräber 421, der am
Rio Gahj und Forromecco gefundenen
Steinwaffen 889, 698, der Roggenkom-
gemmen 608, 616.
AltenWitlaBiag der Pflanzenfunde von Klinge
889.
Ahcfthtacr der Bronzezeit in Westpreussen
747, aus Coban in Guatemala 828, im
Gouvernement Charkow, Russland 417,
russische 415, Torgeschichtliche, Mos-
kau 416.
AltcrtkuHferclR zu Mannheim 409.
AHrriokIsches Skeletgrab mit Namen der Be-
statteten 897.
AhlltaalichM Gebiet in Ostpreussen 774.
AlUiark, Ausgrabung 682, Ezcursion 485, 679,
fränkische Höfe und Giebelschmuck 682,
megalithische Gräber 485, 679, Photo-
graphien 158, 890, römische Funde s.
Brieti, Rundlingsdörfer 682.
AKprcissitcke Bevölkerung, namentlich Letten
und Litauer, sowie deren Häuser 767,
789, Wirthschaftsgeräthe 28.
Alt-Stfrcktw, Pommern, Bronzeschmuck 405.
Awiz«M8 des Könige von Dahome 64.
Anbras, Schloss, Federschild 485.
Arnttkä s. Aleuten, Ambras, Argentinien, Atta-
pasken, Azteken, Bacahiri, Bella Coola,
Bolivia, Bororö, Botocudos, Britisch Co-
lumbia, Cafusos, Califomlen, Caraya,
Caximbos, Chile, Chinook, Chinos,
Chunu, Coca, Coroados, Cowitchin,
Deutsche Zeitung in Rio Grande, Gc^
heimbünde an der Nord Westküste, Guate-
mala, Kartoffeln, Kochen, Kooteney,
Kriegskeule, Landkartenstein, pliocäner
Mensch, Mexico, Peru, Sagen, Tabak-
rauchen, Zähne.
Anericanlsteii-CsBgress in La Rabida 897.
AnericanlsUsche Studien 811.
Analel und Arzenei, Blutstein 469.
— aus Bronze 881.
Analyse kaukasischer und assyrischer Bronzen
854, von schlesischem Nephrit 598. s.
Bronzen.
AaMlügea, Hannover, Ausgrabungen 157,
ümenfriedhof 158.
Aahalt, Altenburg, Doppelaxt 460, Trompeten-
Mundstück von Latdorf 848.
4bm, St, Reliquienarm, Gemmen 606, 611.
AMOMlien im Knochenbau eines Wei-Negers 54.
Aatledelang der Steinzeit bei Werschetz, Ungarn
85, 94.
ABsiedelangspliize in Bosnien 887.
Aotkrtpolsgen-Ctogrets in Preussen 746, Photo-
graphie 881.
Aatkftpoltgie der Togo-Stämme und der West
Africaner 44.
Aatkff psleglscke Sammlung der Gesellschaft 874.
ABthrtfepkagtf in Neu-Britannien 284, bei den
Botocudos 26, 28, auf Sumatra 351, in
der Volkspoesie der Wotjaken 425.
Antike (assyrische und babylonische) Gewichte
515.
ABtIlleB-Ncger, 6 fingerige Hand 114, Hautfarbe
114.
ABttBi«B-ir«Bze 857.
AphrtdlslacBni, Alraune als 728.
Apttse-Nfger, Togo, Messungen 45.
Aprikete in Aegypten 659.
Aiakr in Haussaländem 286.
Anblscke Zahlzeichen, früheste 464.
Ara^tli-lBdliBer, Brasilien 28.
Arckieltgea-CfBgrew, Moskau 414.
Archaische Bronzefibel von Koban-Form in
S. Lucia 691, Gräber von Syracus 410,
Topfscherbe, angeblich aus der zweiten
trojanischen Stadt 812.
Archliltgitche Ausstellung, Moskau 416.
— Funde in Emden 23.
AfgMtiBleB, Ruinenstädte und pliocäner Mensch
811, Fruchtkuchen 30, 109.
(906)
Arktna, Sagen 455.
Ann der Handstand-Artistin 195.
Amkaad, Nord-Kankasus, Analyse 855.
Annbnistfibeln von Westheeren, Altmark 680.
Armring, Bronze, Kehrberg 266.
Armringe der Bronzezeit 823, Tangendorf, West-
Priegnitz 79.
Arnstein im Fichtelgebirge 717.
Arsenlkbronie 749, im Kaukasus 355, 856.
Arslntf, Feuersteinmesser 477.
Asblns, Bergvölker im Haussaland 236.
AschtnU 113.
Asche mit Goca, Genussmittel 247.
Asien 8. Battaker, Beduinen, Birma, Bronze-
Analysen, China, Chins, Ghotan, Chna,
Cypem, Dayak, El Hibba, Erbil, Formosa,
Hissarlik, Jagor, Landkarten, Kam-
bodja, Nephritbrüche, Philippinen, Reisen
in Malacca, Reizsteine, Sendschirli, Stein-
^eräthe von Malacca, Sumatra, Tagalen-
knabe, Troja bemalte Topfscherbe, Vor-
kehrung gegen die Malaria
Askanler-iarg, alte, in Salzwedel 680.
Assyrien, Bronze- Analysen 354, Balawat^ Bronze-
thor 858, Gewichte 515.
Astragalus arenarius 790.
Atas von Süd-Luzon 436.
Atttpasken in Oregon 159.
Aaertchsen-Schidel mit Feuerstein-Speerspitze
in Ostpreussen 755.
Augen, grosse, des Dualla-Knaben 281.
— der Litauer 781.
Angenkellknnde, altes Lehrbuch über 408.
Augnstns, Münzen aus der Zeit vor Kaiser
Augustus im Norden 223.
Ansgnknngen in Aegypten 475, bei Ehestorf,
Kreis Zeven, und bei Anderlingen, Kreis
Bremervörde, Hannover, 157, bei Leetze,
Altmark 682, in St. Lucia und Istrien
81, 691, von Sendschirli 490, bei Syracus
410, auf der Wittekindsburg bei Rulle 249.
Ansgrakangs-lnstrament von Voss 242.
Autsdinss der Gesellschaft 8, 81, 247, 807.
Aosstdhing, amerikanistische in Madrid 484,
archäologische in Moskau 416, ethnolo-
gische afrikanische 485.
Axt (?) ans Eichhorn von Willenberg, Westpr.
426.
Alteken, angebliche 278, 370, 869.
B.
Baku, Steinfignren in West^ und Ostpreussen
747, 764, in Sibirien und der Mongolei
421, ihre Verbreitung 422, aus Lehm und
Stein 422.
Bakkln, Pommern, Brozefunde 850.
Bakjisnien, El Hibba, Goldringe 581.
Bactkirls (Bacairis), Brasilien 28.
Baltwat, Bronzethor, Analyse 858.
Banane in Aegypten 660.
Bandweben in Ostpreussen 485.
Baniku, Brasilien 28.
Banner in Altmexiko 121.
Barenao, Münzsammlung 237.
Bart, Riesen- 261, der Frauen 248.
BiHlge Dame 243, 869.
Baseler Kreuz, Gemme 608.
Bastian, Rückkehr von der Reise 488.
Basutk«, Perlen 899.
BatUker 351.
Baucbmoskeln , willkürliche Bewegung bei dm
Protens-Manne 683.
Bandenkmiler, russische 415.
Bau der Hftuser auf Cypem 45.
— der Kurgane von Aksitienec, Russl. 418.
Baaerngebift, litauisches 797, Photographie bSl.
Bauernkittser in West- und Ostpreussen 786.
Baierakife, schleswigsche 409.
Banmannsbible, Harz, Knochenfnnde 351.
Bajem, s. Blutstein, Bernstein 809, Hügelgrab
der Bronzezeit 822, Staufersbach 863.
Becker, geschweifte, der Steinzeit 79.
Beckerlt, Ostseebemstein 287.
Beduinen im Lande Negeb 578, Schftdel 5S1.
Befestlgongen, von Twistringen 448, Wittekinds-
burg 249.
Begraken und Verbrennen gleichzeitig 422.
Begriknlasarten in Ostpreussen 762.
Begriknisse der Botocudos 27, der Eingebornen
von Brasilien 24, der Steinzeit 98, «•
Ungarn.
Begribnissplali, alter, und Befestigung ün
Gouvernement Simbirsk, Kussl. 420.
Begriknissstttten der Steinzeit, Ungarn 85.
Bekaarung, abnorme, eines frühreifen Mftdcbrtu
470, heterogene 248.
Bekatstelne in Ungarn 90.
Belgaken iür Todte in Brasilien 80.
Bella Coola, Anthropologie 159.
Bemalte Skelette 418, 419.
Bergrelker bei Haussa 286.
Bergilegen, Sage 548.
Berlin, Deutsches National-Museam 82&
Bern, Geographen-Congress 23.
Bemkart von Italien, Grab 219.
Bernstein, in Aegypten 294, in Bayern 909t «
Böhmen 807, fehlt auf Cypeni 296, w
Griechenland 296, bei Griechen und l^
likem 297, in ItaUen 289, in k*na«»»-
tischen Gräbern 295, in Mkhron 30ri. ia
(907)
Mittelmeerländern 2%, muthmaassliche
Entstehung 797, der Name und seine
Berechtigung 287, prähistorischer ans Si-
cilien 690, in Preussen 810, in Sta. Lucia
691, in Schweizer Pfahlbauten 302, in
Syrien 295, in Troja 296, verarbeiteter,
in südlichen Ländern 298, in Westfalen
808.
BerosielMirtefacte von Schwarzort 756.
Berastelofgvr als Alraun 748.
■emsteiifrage und Chemie 287.
Bemstelo- Handel und Qoldfunde 286.
Beni8telB[Mrlen aus der Bronzezeit 822, von Sta.
Lucia 691, von Ptin, Mähren 880.
Bemstelnttoinilaageii in Königsberg 757 ff.
BerutelBiiare 288.
Bera&telBtdinack der Steinzeit 756.
Bemulf, Reliquiar, Gemme 609.
Bersiil, Orang B., Eingeborene von Malacca
881, 841.
Bfttaer oder Däsemer? 826.
Bctle^elBBg, älteste, Ostpreussens 753, der
kurischen Nehrung 771.
Bestilt«Bg der Kirgisen 428, in Kurganen des
Gouv. Cherson 419, des Gouv. Kiew 418.
BestittBBgf weise gemischte 715, im Negeb
578.
Be? ÜkerBBg der Haussa-Länder 228, Mittel- und
Osteuropas zur Steinzeit 78.
BewalhiBBg der afrikanischen Amazonen 69.
Bejricb, 5()j ähriges Dienstjubiläum 488.
BIker in Indianersagen 168.
BIkUstkek der Gesellschaft 878.
BiekfU, Hessische Holzbauten 827.
BieltblUe (Harz) 851.
iUkr von deformirten Köpfen 877.
itlktnU s. Distomum.
ÜlseBkraBtwBrzdB als Alraun 745.
ilBae-Flass 229.
iifgrafkle Schliemanns 812.
iInBa, prähistorische Steinwaffen 694.
ilrae, Alter und Verbreitung 100, in Pfahl-
bauten 100.
BlaBiast, Eingeborene von Malacca 831, 888.
Blase, Auswüchse bei Distomum 81.
BlasckifBer, britische Inseln 856, aus Skandi-
navien 854.
BluekwB von Göslin 857, 860.
BUsertkr in Malacca 884.
BlasiBs, St, Herme, Gemme 610.
BliBc Erde 288.
Bleckfikel von Rebenstorf 679.
BMsarkspkag, römischer 79.
Blitz und Donner als Götter 58.
BItckbiMfr 789.
Bit Bdet Haar, Annähmng an, bei Eingebornen
Malaccas 846.
BIsBder Typus der Litauer 780, in Preussen
775.
BImsIb, Kr. Beeskow-Storkow, Slavengräbcr349.
BiBtstelB, Amulet und Arzenei 469.
B«4eBsee, neue Funde 845.
Bikmeo, Bernstein 807 Bronzeringe mit Knöpfen
und Thierköpfe 814, Elbeteinitz, Bronze-
ring 877, SvÄrov, Bronzering 878, Strado-
nic, Bronzering 878.
Bim, de, Theil des Hansbodens 497.
BegeBsptBBea 670, Silberring zum 486.
BtgeBsptBBer aus Nephrit 81.
B«geB-OnameBt 708.
BskneB der Canavalia in den Chinhills in Hintor-
indien zur Bereitung von Schiesspulver
678.
BfkreB des Nephrits 698, der Steine im Mittel-
alter 619.
Bfkritck in Röhrenknochen 899.
BfkrupfeB von der Kurischen Nehrung 755.
BsIlfleB, Kartoffeln 247.
Btrkan-Clnkaa, Westpreussen, Bnrgwall 181.
Bf raet s. Dayak.
BtrBMB, Altmark, Hünenbett 680.
Bfrtrt-Indianer, Brasilien 287.
BtsBleB, Glasinac, Bronzefibel 884, Reise in
691.
Bm pricus in Ungarn 86.
BÄTE, Korn in Aegypten 654.
BstKBdts 24, Anthropophagie 26, Begräbnisse
27, Rache an Todten 27, Stämme der 25.
Brackjeepkille der Blandass, Malacca 848, der
Kuren 777, der Lappen 479, litauischer
Köpfe 776, bei Wei-Negem 51, fehlt an
der Guinea-Küste 57.
BftBde auf schleswigschen Häusern 409.
BraadeBkarg (Prov.), Blossin Slavengräber 849,
Bochin, Bronzener Schalltrichter 853,
Christianstadt, Scheibennadel 584, Gold-
bracteat 398, Kehrberg 262, bronzene Pfeil-
spitzen 265, Hügelgräber 262, Funde von
Ketzin 457, Klinge, diluviales Pflanzen-
higer 888, Knochen 899, Milow 276
Münchehofe, ümenfeld 470, Niederlau-
sitzer Funde 588, Ossig Eisennachbil-
dungen von Bronzetypen 585, Pistervitz,
Schaftzwingen 851, Rosenthal 898,
Schmöckwitz 851, Schaftzwingen 851,
Stöpseldeckel von Friedland 584, Ümen-
feld von Niemaschkleba 588.
Braadgrlkcr slavische 715, 716, in Ungarn 93.
Brandplltie in Brasilien 389 ff.
Breadscklckt in Hügelgrab 264.
(908)
irtsllien, Begräbnisse 24, Caximbos in Süd-
695, Thongefässe 698, Thongeschirre 339»
Steinwaffen 339, Steinzeitperioden 342.
iraslUtnUche Indianer 24, 219, 828.
irauDschwelg, Jadeitbeile 601.
iremen, Gründnng eines Handelsmuseams 812,
Hexen in der Umgegend 740.
irietf, Altmark, römische Funde 679.
BriUenspIrilfD aus Bronze 406.
irittech Columbien 159, 532, 628.
BrilUh Museum, metrologische Studien im 515.
Britische Inseln, Blasehömer 856.
Brixea, Dreiköpfige Figur und Lauben 32.
BrsmbeereD in Pfahlbauten 104.
Bronie, Analysen 354, Antimon 357, Arsenik 355,
856, 359, stahlfarbene 356, Zink 357, 751.
— , Armring, Kehrberg 266, Armringe, Gürtel,
Knöpfe, Nadeln, Spiralrollen und -Schei-
ben, Tutulus n. A. aus bajr. Hügelgrab
828, Fibel einfachster Form von Gla-
sinacy Bosnien 334, Fragment 265, Funde
von Babbin, Pommern 850, Ehestorf 157,
von Tangendorf, W. Priegnitz 79, Ungarn
92, 97. Gef&sse von 8. Lucia 691, Gürtel
von KleinWieblitz 680, Helm 338, Kanne
in Bosnien 338, Kessel, Schweiz 830,
Nachgüsse von Müncheberg 80, Na(\el in
Hügelgrab 274, Nadel, Niemaschkleba
583, Ohrbommeln von Milow 277, Opfer-
wagen 338, Pfeilspitzen 265, aus der
Niederlausitz 588, Platt onnadeln, Kau-
kasus 354.
— , Ringe mit Knöpfen und Thierköpfen aus
Böhmen und Ungarn 814, mit Knöpfen
und Thierfiguren 329, mit menschlicher
Figur 879, 880, mit angesetzten Warzen,
im Prager Museum 877.
— , Schwert aus Hügelgrab 277, Schmuck
von Alt-Storckow, Pommern 405, Spiral-
röhren und -Scheiben aus bayrischem
Hügelgrab von Mühlthal 822, Sporen,
zwei neue aus Pommern 591, von Syrakus
410, Thor von Balawat 358, Typen in
Eisennachbildungen 585, Wagen, lausitzer
492.
BrtBieielt-Alterthümer in Westpreussen 747,
749, Gräber bei Wollin 711, und Hall-
stätter Zeit gemischt 335, Hügelgrab 822,
in Ostpreussen 759, Schädel 824.
Brtnieo, alte ägyptische 726, von der kurischen
Nehrung 759, Schweiz 380.
Bru4er und Schwester, Indianersage 568.
Brfinetter Typus in Preussen 775.
Brunnen, alte, im Negeb 578.
Brjvnla als Alraun 739, 744.
Budapest, Museum für Yölkerkmide 258.
BAehergestbenk des Herrn C. Kunne 805, S«>3.
der Frau San. -RaÜi Schlemm 246, 324.
396, 576.
Bfiffel in Indianersage 166.
Bügelrlnge aus Ostpreussen 760.
BuUersbaeli J. Mann mit Riesonbart- 261.
Bnnsoh, Kirchspl. Albersdorf, Holstein, Schalt* d-
und Näpfchenstein 251.
Borgen, Gorodischtsches 423.
Burgville bei Lockwitz 467, in WestpreDS!:^»
178, 751.
Borgwall von Borkau-Grabau 181, bei But^
Elsdorf, Hannover 158, von HaidevonitTL
im Kreise Wohlau 427, bei Lenzen, Wt >t-
preusson 751, von Sobiensitz 184.
Bjzaotlnlsehe Alterthümer 415.
C.
CafoiM, amerikanische Mischlinge 2*29.
Callfvrnlen, durchlochte Nadeln aus GräWrc
681.
Canalasltltn der Stadt Emden, Funde 28.
CanaTalla-Bohne, Hinterindien, zur Bereitung'
von Schiesspnlver 678.
Cannlballsmas s. Anthropophagie.
Caporettf (Karfreit) Istrien Ausgrabungen 'M.
Caraja-Kenle 219.
Casekaw, Pommern, Skeletgrab 487.
Castel dei Britti, Italien, Steinzcitscherben y>-
Castellleri in Bosnien und Dalmatien 691.
Castellocclo bei Syracus, Ausgrabungen 410.
Cailmbas in Süd-Brasilien 695, 811.
CerTos elapbus in der Steinzeit 86.
Cbaniaeprosopen, Haussa 50, Keba 47, Mandinir«»
49, Yoruba 56, Wci 51.
Cbanken, Rom. Castell im Lande der 43i^. in
Schleswig-Holstein 648.
Chemie und Bemsteinfrage 287.
— 8. Analyse.
Chenvn, Bestattungen 419.
Chile, Caximbos 695.
Chlmalll Stein von Cucmavaca 185, 136.
Chineslseher Einfiuss auf Fonnosa 810.
Chlnaak, der letzte in Oregon 159.
Chlnea, amerikanische Mischlinge 279.
Chinas, Schiesspulver der 678.
Chlvrtnidanlt- Bell vom Ebersberg in Braun-
schweig 601.
Chotan, Naphritschleifcreien 692.
ChrisilaniUdt, Kr Sorau, Scheibenadcl 584.
Chramatalagif der Letten, Litauer und Vrensi'ü
775.
Chrtnaltgle der Grabhügclfundc in Buft^^'^
417, der goldnen Schalen, Eid- undFinK*'
(909)
ringe 315, mexikanische 156, des preassi-
schen Bornsteinhandels 81 B.
€b«a in Indien 370.
Cbafin, Peru, aus Kartoffeln 248.
€l€b«rle in Aegjpten 662.
CtsBUs rotundifolios 658.
CItraae (Citrus media) in Aegypten 660, 661.
€«baa in Guatemala, Altcrthumer 828.
Ct%y Peru 247.
CiUeda, Sachsen, Doppelaxt 460.
Ciln a. Rh., Bleisarkophag 79, Glasbechep
röm. 79.
CfsllD, Pommern, Blasehom 857, 860.
€«UDlal- Gesellschaften 870.
C«aiUBlrt« Portrait-Photogr^hicn 645.
C«nunl88l«B für Erforschung des röm Grenz-
walles 28.
C«iigrft international des scicnces geographiques
de Bemc 485.
€«agrM8 der Amerikanisten 397, deutscher
anthropologischer in Danzig 484, Gesell-
schaft deutscher Naturforscher und Aerzte
zu Halle 434, internationale 871, II. intor-
uationaler für Folk-lore in London 434,
in Moskau 23, 397, Socidte helvötique des
sciences naturelles zu Freiburg 434.
CfsstoatlBsj^l, russ. Institut zur Erforschung
des Orients 689.
Ctpal der Ostsee 287.
CtrnelklrBcke (Gomus mas.) in Pfahlbauten 103.
CartadM, Brasilien 30.
Ctrsatrla sjnostotisch, an einem Yoruba-
Sch&del 55.
Cfttkoser Kreis, Wenden im 322.
Cfiiic«, Merico, Gott der 184.
CtwItchlB-ladlaner, Sagen 628, Sprache auf Van-
couver Inseln 160.
COYO, Weizen in Aegypten 655.
Ctjtte, Sage aus Britisch Columbicn 536, 548.
CrenittrlMBi in Hamburg 827.
CaemiTifa, Chimalli Stein 135, 186.
CbIdi, Wcstpreussen, Depotfund 749, slarische
Funde 751.
CulBibcket Recht in Ostpreussen 788.
CBltargewIrhsf in Aegjpten 649.
CflharperMen der Pflanzen in Aegypten 668.
CuBdloMB, philippinischer Nationaltanz 436.
Cj^ni, Bernstein fehlt 295, Gebräuche der
alten und der neuen Bevölkerung 34.
D.
DiBMiark, Becher der Steinzeit 79, Blasehömer
854, voraugustinische Münzen 227.
DUtoekea Haus, das alte 409, in Deutschland
4%, 645.
DlMBier 826.
Dabtme, Amazonen 64, sogen, in Berlin 869,
ethnographische Ausstellung 66, Körper-
gewicht 110, Leute in Berlin 113.
Dalmatlen, Reise in 691.
DaBitg, Anthropologen -Congress in 746, Ein-
ladung 325, Generalversanmilung 577.
DarstelloBgeB aus der mykenischen Götterwelt
699.
Dattelpalme, ihr Alter 107, in Aegypten 656.
Dajakstlmme auf Bomeo, Durchbohrung der
Eichel 351.
Deckel für Gef&sse von Cjrpem 37, mit Löchern
77, 186, aus Thon, Ungarn 88, Kehrberg276.
DeckelstelB für eine Urne in Steinkiste 268.
DefamiatlfB des Kopfes, künstliche bei Mela-
nesien! und Polynesien! 284, in alt-
meucanischen Bildwerken 371, 877.
DegfBtcklacker Heinicke 401, 869.
Dehskark^t der Haut und Unterhaut 684.
Deakfliller, prähistorische in Westpreussen 748.
/lintti dftq>ixvntXXoy 531.
DepatfoBde von Culm 749, von Island 250.
DesebaBfalva, Ungarn, Kupferfunde 91.
Deatsehe in Ostpreussen 767.
Deutube Zeitung in Rio Grande do Sul 811.
DratscMand, das dänische Haus in 493, 645, Limes
romanus 23, 871.
DeBtscbardeBsm&Bie 187.
Dialekte, kurische 771.
DIafliaBtatauk beim Steinschleifen 620.
Dllaviales Pflanzenlager in der Gegend von
Klinge bei Cottbus 883.
Dllavlale Thiere in den Höhlen des Harzes 351.
DllBvialftiBd(?) von Grimme, Kr. Prenzlau 399.
DllaTlalfaBde, mährische 173.
Dlpjgus parasiticus (Heteradelphus) 431.
DlrwaageD, Ostpreussen, Hirschhomharpunen
765.
Discos, Brasilien 89.
Dlstamofli haematobium, african. Parasit 30.
Otkk und Bogenspanner vom Benu^ 676.
Daickf der Babas 422.
DoUcbaeepkaleB s. Kebu, Mandingo.
Dalicliacepkalfr Schädel von Mellin 680, neo-
liÜ!ischer ans Schlesien 427, Steinzeit-
schädel aus Ostpreussen 754.
DflaieB, Verbreitung 424.
DtBBer imd Blitz als Götter 58.
DfBBerkdl in Birma 694, in Brasilien 698.
DaBBeif riester 58.
DoBBenagel, Indianersage 165.
Dappdixte aus Bronze und Kupfer 457, 460,
Herkunft 461.
Dappelbell als Symbol des Zeus 700.
(910)
DtppelcoDlscbe Urnen 761.
Dippelgeflsse, Ungarn 87.
Dsppdkipfiger Knabe (Xjphodjmus) 245.
Doppeltgebshrter Steinhammer, Ungarn. 90.
DriebeD und Greifen, Herkunft 425.
Dracbenfels, Pfalz , Inschrift und Zahlzeichen 464.
Dräk, der, auf Rügen 448, 454.
Drebenstedt, Altmark, Hünenbett 680.
Drecbslerirbelten von Cjpem 39.
Drehbank im Mittelalter 619.
Drelfossgcfiss von Cypem 36.
DreikvpGge Figur in Brixen 32.
Drudeofels im Fichtelgebirge 717.
DaaJIa-Kntbe aus dem Oberlande von Kamerun
280, 869.
Dune, todte auf der kurischen Nehrung 793.
Dulgasseo, Yerfertiger von Babas 422.
Dvcbbshrung der Eichel 351.
Durchlässigkeit vorgeschichtlicher Thongef&sse
und deren hanswirthschaftliche Verwend-
barkeit 259.
Darcblocbte Nadeln aus Galifomien 881.
E.
Eberesche in Pfahlbauten 104.
Edelsteine, Schleifen der, im Mittelalter 619.
Egbi-Neger (Yoruba) 69.
Ebesterf, Hannover, Ausgrabungen 157.
Ebreomilglleder 3, 577, 865, 866.
Ebren-Prisident 577.
Elogebome der Philippinen 436, wilde von
Malacca 837.
Elnflnss des Geschlechts und der Rasse auf
die Höhenzahl 58.
-— der Gothen in Ostpreussen und Nord-Russ-
land 425, 773.
Elohelmlsche Bezeichnungen für Haustheile 500.
EinriehtiBg der Häuser auf Cjpem 42.
EInielgehifle bei Memel 798.
Elsenbearbeltong, Ursprung 424.
ElKokraat (Verbena) im Aberglauben 744.
Elsenmesser im Hügelgrabe 274, Schweiz 381.
ElseBBachblldaDgen von Bronzetypen 585.
EiseDoadeln mit Bronzekopf 277.
Eiserne Waffen in Gräbern der Mongolenzeit 420.
Elsielt, der Mensch vor der, in Russland 424.
Elbetelnits, Böhmen, Bronzering mit Warzen 877.
Elbing, Anthropolog. - Cougress 746, römische
Funde 761.
Elche 746, in der Ibcnhorster Forst 798, auf
der kurischen Nehrung 790.
Elchbemlnstrnment mit gezähnter Schneide 424.
Elchkntchen und Geweihe 399.
Elchreste bei Klinge 884.
Elenthler in Indianersagen 161.
Elfenheligerithe von Predmost, Mähren 174.
Blenslne cMUcint in Acgypten 660.
El Hlbba, Babylonien, goldene Ohrringe 531.
Elsdorf, Hannover, Bnrgwall 158.
Eltern von Microcephalcn 375.
Emmer in Aegypten 654.
EmpetmiB auf der kurischen Nehrung 794.
England, s. Becher, Steinzeit
Entstebnng, des Feuers; Jndiancrsage 636, des
Tageslichtes, Indianersage 687.
Epicanthns bei Eingeborenen von N.-Columbicn
160.
Erbll, Mesopotamien, Nephritring 81.
Erdbeeren in Pfahlbauten 104.
Erotische Eigenschaften d. Mandragora 734.
Erpbokreui, Gemmen 609.
Ertnilnneken (Alraun) 741.
Eua-Ladj, Ms. Annie Jones 243.
Esel, das Lastthier der alten Aegjptcr 651.
Eselsfeige (Sykomore) 107.
Etagengefisse, Ungarn 87.
Ethnographische Ausstellung aus Dahome G^
der tschechischen Nation 828.
Ethnologische africanische Ausstellung 496,
Gegenstände, Malacca 172, Untersuch-
ungen in Indien 83.
Enphorbla mauritanica 658.
Excnrslon, anthropologische, nach Saliwedel
und den megalithischen Gräbern der Alt-
mark 485, 679, 870.
ExplosiTittt der Canavalia-Bohne 678, 679.
Extremitäten, kurze in Brit Columbien 159.
Ejflndar^ isländische Sage 251.
F.
Fllschnngen von Bronzen 80.
Färberei bei den Haussa 238.
Fahnen, Kriegerschmuck in Altmeiico 121.
Fani, Frauentracht auf 499.
Farben, den Himmelsrichtungen enteprechenrf«
in Altmexico 116.
Farbensinn der Kebu 48, der Wei 51.
Famsamen als Zanbermittel 738.
FfderaUon archeologique et historiquc de Bei-
gique 326.
Federfkhnen in Altmexico 122.
Federkrtnen in Mexico 119.
Federmosalk, Altmexico 122, 127.
Fedf rschlld, altmexicanischer, in Anibr« 485.
FederKbninck, altmexican. 114, in Wien 141
FederwanM, Altmexico 127.
Fehler bei Messungen 46.
Felge in Aegypten 657, ihr Alter 108.
Felsengebirge, seine Entstehung in Indian««««*
165.
J
(»11)
FelseBkinche in Pfahlbauten 102.
FeltenktpfUld im Thüringerwald 723.
FebeBiekbnuBgeB 251 ff., von Vanconver Insel 160.
FeBfttrglHer, geschnitzte, auf Cjpem 42.
FeBstorgrüber 410.
FeBsterarBf Ton Rebenstorf 679.
Feslschfin sur Yirchow-Feicr 876.
FeibeW der Dahome 69, aus Menscheneinge-
weiden 55.
FettschwiDiscbaf, Fettsteissschaf 472.
FettsteltiblldaBg beim Menschen und gewissen
S&ugethiercn, sowie Fettbnckel der Zebu
und Kameele 470.
Feaentttte in der §ipka-Höhle 178.
Feaentelo|erithe aus Aegypten und Herrn
Flinders Petrie's neueste Forschungen
474, Messer von Kahun 476, aus Mähren
174, neolithische 467, Sp&hne im Hügel-
grab 270, Speerspitze in einem Auerochsen-
schädel 755, Speerspitze, Hannover 158,
Splitter mit Schlagmarken aus Hügelgrab
276, Werkstätten bei Geissen 71, Zähne
an Hirschhomharpunen 755.
FeBentdIfB, alte, Ungarn 85.
FIM, archaische Bronze-, von Sta. Lucia mit
Ringen, Pincette und Klapperkugeln 691,
einfachste Form aus Bronze von Glasinac
384, römische 277, 679.
Ficktelgeblrge, Opferaltar 721, Steinmulden 717.
FIcBs carica (Feige) 108.
Flui sjcomorus (Sjkomore) 107, 657.
Fieber bei den Haussa 235.
FlgareBgeflis von Coban, Guatemala, mit
menschL Finger 128.
FIlippoBea in Ostpreussen 435.
FlBger der Handstandartistin 196.
FiBgerabscbBddeB, Sitte des 829.
Fbcbaagel aus Hom 346.
Flftcbe in einer Felsenieichnung von Vancouver
161.
FUche und Frau, Indianersage 640.
FiMhceH von Ketzin 459.
Flacbgriber der Steinzeit, Russland 41b.
FlufheakfirbU als Nutzgefäss und Gcfässmuster
auf Cypem 34.
Flecbtirbelteo von Cypem 38, Nachbildungen
aus Thon 38.
— der Haussa 234.
FIfBkelfli, Rheinhessen, Doppelaxt 460.
Flilb, Indianersage 638.
Fligelfiraiige Bronzeschmuckstücke 406.
eiigelbaabe und Kopftuch 320, 324.
Fibr, Haus 500.
FtraifM, Leben der Wilden 810.
FtrrtBCsc«, Brasilien, Steinwaffen 339.
FräDkIscbcColonisation und Haustypen in West-
preussen 788, Höfe der Altmark 682.
Fragarli vesca s. Erdbeere.
Frtser River, Sagen 159, 549.
Frea, die, und die Fische, Indianersage 640,
die todte. Indianersage 572.
— bei den Haussa 236.
FriaeB, die, der Sterne, Indianersage 644.
Praaeatracbt auf Fanö 499.
Frdwaldf, Kr. Luckau, Steinzeitfunde 71.
Eremde Völker, Vertreter in Europa 869.
Fresd«rf, Kr. Luckau, Steinzeitfund 71.
FreadeBtbaler Höhle, Schweiz, Kartenzeichnung
238.
FreiBde der Naturwissenschaften, Moskau, Ein-
ladung zum Congress 23.
FrledeBfttB, Westpreussen, Urne mit Hals-
schmuck 747.
Frtodvliheba, Pfalz, Doppelaxt 460.
Frtetlsche Sprache 511.
FrltieB, Ostpreussen, Hügelgräber 759.
FmchtbarkeH bärtiger Frauen 245.
FrachtkachfB (Patai), Algorrobekuchen aus
Salta, Argentinien 30, gegen Syphilis 100.
Frfibestes Vorkommen arabischer Zahlzeichen
in Deutschland 464.
Frfibrelfes Mädchen, Berlin 469, 860.
Falbe-Stimni, Afrika 231.
FoBde im Bodensee 345. von Ossig, Kreis
Guben, niederlausitzer Eisennachbildungen
von Bronzetypen 585, neue, amZihlkanal
329.
Fnadtrte von Nephrit 692.
FBBdstficke, orientalische, aus Gold; Wägungen
580.
Fast, menschlicher, nachgebildet 89.
G.
€algeBBiiDBcbeD (Alraun) 744.
fiiliadae, Volksstamm in Ostpreussen 768.
fiiodB, Haussabevölkerung 228.
fiiosfgvreB als Gewichte 521.
Gtrlstsrf, Meklenburg, Blasehom 853.
(itielle S. M. S. Forschungsreise 434.
Clebick in Ägypten 655.
«edichtoissfelfr fürSchliemann 81,247, 325.
6ediBlt (Bernstein) 287.
€edreb(e Thongefässc der La Tene-Zcit 381.
Geflsse der Babas, Zweck 422.
HeheloibiBde der Küstenbewohner Nordwest-
Americas 383.
Ciftottr der Todten 27.
Matpfte und mit Thicrfiguren besetzte Ringe
490.
€e!be Augen der Litauer 776, 779.
(912)
Cldbe opake Perlen 400.
deldbrenneo bei Arkona 455,
Gemischte Bestattung bei Indianern Brasiliens
24, 80.
— Bestattungsformen bei Wollin 589, 715.
deoimea, frühchristliche 606.
Genertlregtsttr über die ersten 20 Bände dieser
Verhandlungen 868.
GeneralTersaniniloiig der deutschen anthropolo-
gischen Gesellschaft in Danzig 825, 897,
488, 577, 746, 870, des Gesanuntvereins der
deutschen Geschichts- und Alterthums-
vcreine 259.
denossiulttel, Coca 247, der Haussa 288.
Get|(mphisehe Section der Gesellschaft in Moskau
484.
GetgrepheB-Cfngress, internationaler, Bern 28,
485.
Geographische Aufstellung, Bern 28.
Geologea-CoBgress, Washington 158.
GepIdMi 772.
Gerith, eigenthümliches, ron trojanischem Muster
in Sicilien 410.
GerdaneB, Gräber der Pruzzi 769.
Gerippe eines Wei-Negers 52.
— , eines Xiphodjmen 866.
GeraiaaeB in Os^reussen 767.
Gerste bei den alten Ägyptern 652, 655.
GescbeBk, Forschungsreise S. M. S. Gazelle 484
des Herrn C. Künne 868, von Photo-
graphien 848, d. Frau San.-Bath Schlemm
324.
Gesdfschaft, archäologische, Moskau 414,
deutsche anthropologische, Generalver-
sammlung 746, Kaiserliche, der Freunde
.der Naturwissenschaften, Anthropologie
und Ethnographie in Moskau 484 , natur-
forschende, Danzig 825, niederlausitzer
485.
Geslchtslfldex bei WestaMkanern 51, bei Wei 50,
GfsIchtsoMskea aus Gold 580.
— , papuanische 689.
GeskhtsoMiassf von Westafrikanem 45.
Gesichtstjpos, weiblicher der Westafricaner 58.
Gcsirhtsaraea 749, im westpreussischen Provin-
zial-Museum 747.
Gestrecktes und gewelltes Haar von Malacca 846.
Gewerhe der Haussa 288.
Gewicht, altes 826, in Thiergestalt 521.
Gewichte, antike 515, mit Legenden und Nor-
malbezeichnung 516.
Gewichtssticke, assyrische u. a. mit Thierdar-
stellnngen 528.
GewIchtsTcrdlcbtlge Gegenstände ohne Bezeich-
nung 519.
GewohaheiteB, religiöse, Westafrika 58.
Geselchneter Stöpseldeckel von Friedland, Kr.
Lnbben 584.
Glehelschfliack litauischer Häuser 798, der
schwarzorter Häuser 796, fehlt an Häusem
mit Vorlauben 787.
GIcheWenlerBBgeD 409, der Altmark 682, in
Westprenssen 188.
Glehdiler kurischer Häuser 790.
Glasarmrlig) Schweiz 880.
Glashecher, röm., von Göln 79.
Giasgeflsse und -Perlen in Sta. Lucia 81, 691.
GlaslBac, Bronzefibel 884, Funde von 691.
GlaslBdastrle der Fulbe 285, in Indien 401.
GlasprtheB von Milow 277.
Glassticke in Bodenseefnnden 846.
Glanhe der Guaycurus, Süd-America 25.
Gleichseitiges Vorkommen des Begrabens and
Verbrennens bei westmongolisehen Tor-
guten 492.
Glessll, fossiles Harz, Ostsee 287.
Glickswunel 745.
Gitter und Dämonen der Indianer 883.
GiUersymhde 699.
Gitterwelt des Togo-Gebietes 58.
Gtgdaja, Gräberfeld von, Kaukasus, geknöpfter
Bronzering 402.
Gtldeae Schalen 815.
GtIdAiBde 815, in Italien und der Schweiz
817, orientalische. Wägungen 580, prä-
historische 286.
Gtidperle aus Schlesien 426.
GtldrlBge 815, aus Schlesien 426, Ungarn 91.
Geldspelende Figur, Sage in Brixen 88.
GelasfB, Kr. Luckau, Feuersteinwerkstätten 71.
Geer, Rügen, Steine 456.
Geredlschtsehe von Djakowo bei Moskau und
deren Verhältniss zu den Grabhügeln 428.
— am linken Weichselufer 428.
Gethen in Nordrussland 425, östlich der Weichsel
772.
Gethbches Gräberfeld von Rondsen 778.
GftthelteB der americanischen Indianer 160.
GrahaherlhiBm' der kurischen Nehrung 771.
Graheelse« von Voss 242.
Grahflgarea 8. Babas.
GrthniBd von Sackrau 425.
GrahhOgel alte und neue der Botocudos S7, 28,
mit Graben 28, viereckige 28, Ursprang
ihrer Grösse 27, 28.
— in Bosnien 886, der Steinselt, Rosslasd
418.
Grahhigelhnde, Russland 417.
GrahkaouBero, mehrere in einem Hfigel 418.
I Graheflsa, Litorale, Höhlen der Steiaieik 81.
(913)
finkteln, tatarischer 421.
firt^Uroeo der Botocudos 27, ans UD^am 95.
fiiiber der Bronzezeit in Ostprenssen 760, me-
galithische der Altmark 485, 679, der
Fmzzen 769, der römischen Zeit in Ost-
prenssen 780.
firiberfeld von Hedingen, Schweiz 380, — und
Hügelgrab von Milow, Westpriegnitz 276,
von Weestheeren 680, auf dem Galgen-
berge und slavische Grabfunde bei Wollin
589, 708.
MberfeNer im Kreise Kulm 329, der La Tene-
Periode in Westpreussen 747, von St. Lucia
31, 691, Istrien 31, 8t. Veitsberg 31, Ost-
prenssen 760.
GiiberftiBde, slavische von Sobrigau, Königr.
Sachsen 465.
CriWrstJUte, germanische in Lockwitz, Königr.
Sachsen 466.
GranaUprel in Aegjpten 108, 658.
Graj^D in kurischen Häusern 795.
drelfen und Drachen, Herkunft 425.
€r«iifwall (Limes), der römische, in Deutschland
23, 871.
€riefbeB, Bernstein bei 297, Doppeläxte 461.
firiecheobnd, wilder Mensch von Trikkala 817.
firlecblsclie Gefässe in russischen Gräbern 419.
CrMs-Schwediteii, Altmark, Schaftzwingen aus
Bronze 851.
Grawe Sitte, Opferfest in Dahome 69.
GrubeoaroameBt 73, 702.
GBatettala, Alterthümer 828.
GBajcams, Eingebome von Brasilien, Be-
gräbnisse der 24.
Gfiiiel aus Bronze 823, von Klein- Wieblitz 680.
GfirtelliakeB aus Bronze und Eisen von Milow 277.
GoBir, Berg, angeblich Nilquelle 252.
Gorab, Aegjpten, Fenersteingeräthe 476.
H.
■aar der Azteken 279, 374, eines Dualla-Knaben
281, der Eingebomen von Malacca 844,
silberfarbiges in Griechenland 346, der
Wei 50.
— 8. Hjpertrichosis.
lurflirW der Litauer 781.
laanBeaschefl 243.
Haarzapf aus einem römischen Bleisarkophag in
Cöhi 79.
lakentelB im Fichtelgebirge, Kartenstein 722.
HaeksUberAiBde in Westpreussen 751.
lillristBlBpr 258.
lae BiatBrie 80.
HiaptliapatedclieB bei brasiL Indianern 29.
■UytHBgtMldieB in Mexico 116, 117.
Verhandi. dtr BtrU Aathropol. 0«MUicbAft 1891.
Hair, kurisches 770, Besuch der Anthropologen
746.
HahneDredrIge Hühner 243.
HaldeTarwerk, Schlesien, Bnrgwall mit Gräbern
427.
Hakenplatte aus Bronze von Alt-Storckow,
Pommern 406.
HaJbUotindlaner in Nordw.- America, Körper-
messungen 159.
HaUsUUzelt, Skelctfunde in der Oberpfalz 359.
— , Steinkistengräber in Westpreussen 749.
— , Urnen mit Steingeräthen im Norden 478.
HalsscbiiiBck aus Bronze von Milow 277.
Hamburg, Crematorium 8*27.
Hametzen, Geheimbund -der Indianer in Nordw.-
America 386.
HamiteB in Aegjpten 652.
Haual Tepeh, Troas, Steinzeit^herben 76.
HaBdebmus^mu, Gründung eines, zu Bremen 812.
HaadelsTerkebr in der Steinzeit 79, 93.
HaadflswaareB der Haussa 236.
Haadlauf, Sport des sog. 250.
Haadschuti beim Bogenspanncn 672.
Haadspladel von Cjpem 41.
HaBdataBd-KfiBstleriB Petrescu 189, 869.
HaBBa?er, Anderlingen 157, Blasehom 853,
Burgwall 158, Ehestorf 157, Elsdorf 158,
Garistorf, Niendorf 168, Umenfriedhof
158, Wittekindsburg 439.
HarpuBeB aus Hom, Ketzin 458, 459, in Ost-
prenssen, mit Feuersteinzähnen 755.
Harz (Gebirge), Kartensteine 723, Knochenfunde
in Höhlen bei Rübeland 351, hölzernes
Thürschloss 725.
HanprabeB aus Urnen von S. Lucia und Kar-
freit 31.
Hase, Indianersage 161.
Haas, auf Cypem 42.
— der Haussa 232.
— , das altsächsische 389, das alte dänische
409, das dänische in Deutschland 493,
645, auf Föhr 500.
— , das litauische 797, altes von Hgenjan bei
Memel 798.
— , das ostpreussische 767, 786, im Kr. Allen-
stein 788, der kurischen Fischer auf der
Nehrung 790, in Nidden 792, in Schwarzort
794.
— , das westpreussische 786, in Werbelin 187.
— farai, älteste auf Alsen 410.
— ftraieB, deutsche 871.
— (belle, einheimische Bezeichnungen 500.
— IjpeB in Schleswig-Holstein 648.
HtBiaa, ihre Heimath 229, verwandte Stämme
231.
58
(914)
Hu89i-IilB4er, Bevölkerung ^f2Sj geographische
Beschaffenheit 229.
— -Neger, Messung 44, 60.
Hausthlere in Aegy])ten 656, der Hanssa 236.
Hiotfkrbe, Africaner 48, 49, eines Antillen-
Negers 114, derBlandass 840, eines Dualla-
Knahen 280, der Litauer 781, der Man-
dingo 49, der Papua 284, der Wei öO,
der Westafricaner 52.
Hiut-, Haar- und Augenfarbe in Ost- und
Westpreussen 774.
HaotineDKli, der 684, 869.
Htatverschiebung einer Handstandartistin 199.
Heckniiiincheii (Alraun) 742.
HedlogfD, Schweiz, Gräberfeld 880.
Heidflbeere in Pfahlbauten 104.
Heiden in den Haussaländem 285, 236.
HeUbocIi des Para^elsus 408.
fleilkuDst der Haussa 235.
flelrathen s Hochzeit sgebrftuche.
HeU, Westpr., die Anthropologen in 746, Körper-
heschaffenheit der Bewohner 775, 800.
Helm, griechischer, in Bosnien 338.
Helme mit Federn und goldenen Augen, Alt-
mexico 125.
Henkel, horizontal durchbohrte 78, homförmige
71, homförmige vom Hanai Tepeh 76,
mehrfach durchlochte in Ostpreussen 760,
senkrecht durchbohrte 77, von Steinzeit-
gefässen in Pommern 703.
Henkelscbale aus Bronze von Mühlthal, Ober-
bayem 824.
Henna in Aejgpten 658.
Hwt-Cnlt 333.
Herkunft der ägyptischen Culturpflonzen 651,
africanischer Glasperlen 401, der Doppel-
äite 461, des Nephrits 599, eines Papua-
Knaben 284.
Herminnshöhle im Harz, Thierreste 352.
Hermelin in Preussen 24.
Herrgvttssteln im Fichtelgebirge 718.
Heruler 773.
HerithätigkeH, unterdrückte bei dem Proteus-
meuschcn 683.
Ufsselo im Kattegat, Steinfunde 74.
Hessen, Flonheim und Mainz, Doppeläxt^" 460.
Hessisebe Holzbauten 827.
Hetrrailelpher Inder Laloo 428, 869.
Heteregrnie der Behaanmg 243.
Hfxeu in dor Geilend von Bremen 740, auf
Rügen 448, 456.
Hill, de, Theil des Hausbodens 494.
Himbeere in Pfahlbauten 104.
Hlmertnlbus runcinatus zu magischen Zwecken
737.
Himmel, Thiere im, Nordw.-Americ. Indianer-
sage 165.
Himmelsrichtungen durch verschiedene Färb«*»
bezeichnet in Alt-Mexico 116.
Hirscbfeld bei Elbing, Westpreussen, Uir>rii-
hornhammer 749.
Hlrschbem-„Azt'' von Ketzin 459.
HIrscbbernbtrponen mit Fenersteinz&hnen ir.
Ostpreussen 755.
HIrscbreste in Steinzeitansiednng 86.
HIrscbsprttssen als moderne Pferdegeschirr-
Verzierung 407.
Hisstrllk, ägyptische Knochengeräthe 412.
archaische Topfscherbe 812, Photographien
384, 469, Stürzdcckel 77, s. Troja.
Hecbicker in Ostpreussen 790.
Htckstüblitt Westpreussen, Urnen 186.
Htcbiellsgebriache der Orang Benaa 833, <ier
Guaycums 25.
— , ilocanische (Philippinen) 436.
Hocker, liegende, in Ostpreussen 755, in Ungtm
93, 97.
Hsfanlage auf der kurischen Nehrung Tt»3.
litauische 799.
HvheniabI des Körpergewichtes der AmasoDt'R
und Krieger von Dahome HO.
Höhle bei der Rosstrappe 723.
Höblen von Graboviua und von St Caniian im
Litoralc 31, im Harz, Knochenfunde 351.
mit Kartenzeichnungen 28H, yon San Sr-
stian, Venezuela 253.
Hfblenbewtbner, pr&historische, in Malacca83^
Hählenrunde von Kostelik 174, Krakaa 175.
Hvhlcelt aus Bronze von Milow 277, mit Oehr
von Ketzin 457.
HSliernes Thürschloss von Cypem 48, ans den«
Harze 725.
Hfiiteln, Näpfchen- und Schalensti'in 261.
Bunsoh 252, Ranchh&user 494.
Hslurbeltrn von Cypem 39, der Haassa 234.
H«lib«fte in Begrfibnissen Rnsslands 419.
HoligrlflT an Bronzemesser 158.
Hflsslehel mit Feuersteinzfthnen von Kahuii.
Aegypton 476.
Hf mme Macabre, Protze, Statue etc. 682.
Höpctscbls&'th-Indlaner, Vancouver 160.
Htrnartige Ans&tze an Gefasseu 748.
HtrnfSrmlge durchbohrte Henkel 71.
Htm- und Knochengeräthe, Bodensee S4.'v
— s. Harpune, Hirsch, Ketzin.
Hortdjseie, s. Gorodischtache.
HsttenUtten-Welber, Fettsteisse der 470.
Hradiäte von Stradonic, Böhmen, Bronseriiur
mit Warzen.
HAgeigrab zu Milow 276, der ftlteren BruiueK-it
(916)
bei Mühlthal, Oberbayern 822, der Stein-
zeit bei Wiskianten, Ostprenssen 753,
ohne Urne 268.
Ifigelgriber bei Ehestorf 157, Kehrberg, Ost-
priegnitz 262, Leetze, Altmark 682, in Ost-
prenssen 759, bei Wollin, Pommern 709.
— der Botocudos 27, in Istrien 31.
Hfikaer, hahnenfedrige 243.
lailtdi, Grotte im Thüringer Walde 724.
Ifioeobetteo der Altmark 680.
Hinde, von Hametzen gebissen 391.
HundMieosrheB 243.
lj4rogra|»hlMhes Amt, kaiserliches. Werk über
die Forschungsreise der Gazelle 434.
Hj|^rchaioteprM«ple eines Doalla-Kuaben 281.
HjfertrkhMls, partieUe bei Indianern 160, uni-
rersalis 243.
Hjphaeie thebaica, Dnmpalme 107.
HjpDftitaiis mit Neigung znr Snggcntion bei
der Lattahkrankheit, Malacca 859.
Hjpslbracbjcephale Schädel von Staufersbach,
OberpfaJz 864, von Sillmenau Schlesien
427, von Winterthur, Schweiz 382.
Hjpslbrachjcffbille eines Dualla-Knaben 281.
Hjpsidelkef haier Slavenschftdel vonßlossin 349.
IjptIkoBcble der Wei 63.
HjptlMMocepliiler Schädel von Ketzin 462.
I.
Ibori bei Driburg, Befestigung 249.
ligepjaa bei Memel, altes litauisches Haus 798.
111m 8. Hissarlik, Troja.
ntetflltcker Hochzeitsgebrauch, Philippinen 436.
Impltitttioo, äussere, eines in seinen Haupt-
theilen defecten parasitären Zwillings 429.
Inder Laloo, Heteradclph 428.
lodlaaer im nördl. Golumbien, Aehnlichkeit und
Unterschiede von ostiisiat Völkern 160,
Kootenaj 161, -Sagen 532.
— Bacahins, Banihao, Parasis, Puris 28,
Ooroados 80, brasilianische 828.
Indltalacke Kriegskeule eines Garaja, Brasilien
219.
Indicei von Negerschädeln 67, von Spandauer
Schädeln 822, ron Letten und Litauern
782, von Westafricanem 47, 56, von Blan-
dass 843.
Indlea, Ost-, ethnologische Untersuchungen 88,
Perlen aus, in Aürica 401.
Indlgt in Aegypten 660.
Indltcfce Naturkarte ron Ava 720.
lodostrie der Haussa 283.
laüaeBM in Birma 695.
lagracpiHB = Botocudos 25.
IiknatiMilcr präh. GongroM in Moskau 397.
Iris (Auge) der Litauer 776.
— florcntina in Aegypten 65S.
Isehlsptgle 369.
Isliad, Depotfunde 251, Handlauf, Todten-
bestattung 250.
Itillea, Bernstein 289, 297, prähistorischer
Bernstein in Sicilien 690, Gold 317, Siegel,
Radsporen, Monza 219.
J.
Jidell in der Nekropole von Plemmirio, Si-
cilien 410.
— belle aus Braunschweig COl.
Jagor, F., Brief aus Rangun 433, Roisebericht
325, 807.
Jtbresberiebt des Westfäl. Vereins 157.
Jabresuhl in arabischen Zahlzeichen an einem
schweizer Bauernhaus 465, im Drachenfels,
Rheinpfalz 464.
JakuB (Djakun), Malacca 831, 840 ff.
Java, Photographien 33, HO.
Jill, de, Theil des Hausbodens 497.
JsbanBlsbrtibanin in Aegypten Go7.
Jones, Annie, bärtige Dame 243.
iSlTy Gerste im alten Aegypten 655.
Jabllleo 867, des Alt«rthumsvereins der Rhein-
lande, Bonn 689, Beyrich 433, Hauche-
come 325, W. Schwartz 867, R. Virchow
867, 875.
Jnbllinm der russischen archäol. Gesellschaft 415.
K.
Kabüidfrf, Kr. Luckau, Steinzeitfund 71.
Rahoo, Aegypten, Feuersteingeräthe 476.
lalter von Brasilien f 866.
Kalender, zapotekischer 156.
Kalk beim Goca-Kauen 248.
K*a1k*alf-Itl, Nordw.-Americ. Indianersage 640.
Kamb«4Ja, Photographien 746.
KilH, altes Gebäck in Aegypten 655.
Kamrele, Fettbuckel der 470, 473.
Kanemn, Dualla-Knabe 280.
KaaaaolUscbe Gräber, Bernstein 295.
Kaninchen, Sage 542.
Karfrelt (Gaporetto), Litorale, Gräberfeld mit
Umenharz 31.
Kartenblittcbeo aus der Thaynger Höhle 719.
Karteaiekbnangen, vorgeschichtliche 237.
KarUieln in Bolivien und Peru 247.
Kanrelten, kurische Nehrung 793.
KatakfOibenartlfe Gräber, Russland 420.
KatarrUae Bildung bei einem Toruba 56.
Kaikasni, Bronzeanalysen 354, Doppeläxte 461,
Funde in Moskau 416, Oogdiga, Gräber-
feld von 492, von Koban 490.
68*
(916)
Kaukasus, Gräberfelder und deren Beziehungen
zum Westen 424.
Kautschuk- Ardsdu 189.
Kebu-Nfger, Togo, Messungen 45, 47.
Kfhrberg, Ostpriegnitz, Hügelgräber 262.
Keillnsckriften vom Van- See 810.
Kelch (Kylix), apulischer, von Santa Lucia 691.
Kelle, gezahnte, zur Wandverzierung 426.
Keuaboy, Malacca 831, 841.
Kephalonle eines Gräberschädels von Hohen-
büchel, Oberpfalz 363.
Keramik von Mykenae 410.
Kerauilsehe Sammlung von der Kurischen Neh-
nmg 755.
Kereksiiren, Steingräber in der Mongolei und
Sibirien 421.
Kesselgriber von Werschetz, Ungarn 93, 94.
Kesselhakeo in kurischen Häusern 792.
Kettengebange, La Tene-Zeit 330.
Ketten- und Bindfadenomament 748.
Ketzln, Brandenburg, prähistor. Funde 457.
Keule eines Caraya-Häuptlings 219.
Keulenkapfe ans Stein von Rossen 850.
Keulenknopf oder Geisseiknopf aus Bronze von
Latdorf S49.
Kidonen und Uiguren, Verfertiger der Babas
422.
Kiew, Kurgane 418.
Klodersplelieug aus Torgau 278.
KIrcb-Bercheo, Befestigung 249.
Kirchengeräth, frühchristliches, Roggenkom-
gemmen 606.
Kirchheim a. Eck, Rheinpfalz, Sturzdeckel 77.
Kirgisen, Bestattungssitte 423.
Kirsche in Pfahlbauten 100.
Kistengriber, Casekow, Pommern 487.
Klafterwelte der Eingebomen von Malacca 842.
von Westafrikanem 45.
Klassenelntheilung der Guaycurus 25.
Klee in Aegypten 666.
Kleidung der Haussa 236.
Kleln-Pepo, Neger in Berlin 113, Seelen-
Wanderung 59.
Klein Wieblitz, Altmark, Bronzegürtel 680.
Klemmen, Kr. Cammin, Steinzeitfund 71.
Klete, kurisches Vorrathshaus 795, 797, 798.
Klima, Empfindlichkeit von Pflanzen gegen 248.
Klinge, Brandenburg, diluviales Pflanzenlager
883.
KUwe im Dänischen Haus 409.
Knabe, der, und die Sonne, Sage 548, der ver-
lassene. Indianersage Nordw. -America 534.
Koabeo, die, und der Wal, Indianersage 633.
Knocheo, bearbeitete, und Geweihstücke aus
Grimme, Kreis Prenzlau 399.
Knachenhau, Anomalien an einem Wei-Skelet
53.
Kuocbenfunde in den Höhlen bei RübeUnd im
Harz 351.
Knacheogerithe, ägyptische, aus alten Gräbern
von Syracus 410.
Knochenplitteheo mit Karten 720.
Koachen- und Hirschhomgeräthe in der stein-
zeitlichen Ansiedelung von Werschetz 90.
Kobau, Gräberfeld, Kaukasus 498.
Kochen der Indianer an der Nordwestküste
Americas 395.
Kockäfen aus Thon, Troas 76.
Königliche Konstsammlungen, amtliche Berichte
23.
KöDlgsaue bei Ascherslebeu, Steinzeitfonde 75.
Königsberg, Anthropologen-Congress 746, Museen
752.
Konigskrooe, mexicanische 120.
Kipfe, präparirte, Botocudos 27.
Körperbeschaffeoheit einer Handstandartistin 190.
Kvrperelgenschaften der Botocudos 25.
Korpergrösse (Höhe) der Litauer und Euren
782, der Eingebomen von Malacca 842,
der Wei 58, von Westafricanem 45.
Körpermaasse der Bewohner von Heia 775, 800,
von Arbeitern in Palmnicken 800, der
Lappen 479, eines Samländers 776, von
Bewohnern der pacifischen Küste 159.
Körpertheilf als Fetische 55.
Kohle in Hügelgräbern 264, 276.
Kolaouss als Genussmittel 233.
Kolakasla in Aegypten 657.
Kooteoaj, Sagen der 161.
Kopflndez s. Indices.
Ktpflrachteo, weibliche 354.
Kopftuch 320, 324.
Korbgeflecht als Sarg 578.
Korn in Aegypten 654.
Korro-Neger der Hauasaländer 236.
Kostelik, Mähren, Höhlenfunde 174.
Krakau, Höhlenfunde 175.
Krans- und Gez-Stämme der Botocudos 25.
Kraoiit = Bernstein 287.
Kraninaht, synostotisch 56.
Kreui als Giebelzier 188.
Krieg, der, mit dem Himmel, Sage 548.
KriegerkleNuig, altmexicanische 115.
Krlegsgeraogeue der Botocndos 27.
Kriegskenle, indianische 219.
Kriegstracht der Könige, Altmexico 125, 1»V
132.
Kroomen 65.
Kttcheoabrille in Hesselö 74, in Ungini 85.
KflBBel in Aegypten 662.
(917)
Kfiiilsgffässe aus Thon nachgebildet, Cjpern 34,
36.
KfistfogeMet der Ostsee, Münzen aas der Zeit
vor Kaiser Augustus 223.
Kuln, Gräberfelder im Kreise 329.
EoIdi, Höhlenfunde 175.
Kulturell, asiatische, in russischen Alterthümem
422.
Kunstfertigkeit der Dahome 66.
Kunstgewerbe- Huseuui, Berlin. Baseler Krug,
Gemmen 60B, Kusstafel, Gemme 611.
Wien, Herme des heiligen Blasius, Gemme
610.
Kupfer beim Steinschleifen 619, 621.
Kupfer-Df ppelate 460.
Knpferfunde, Kaukasus 866, Ungarn 91, 92.
Kuren, abergläubische 409.
Kuren, Letten und Liven 770, Körpermaasse
777, 801.
Kurgtne, ihr Bau 418.
Kurische Nehrung, keramische Sammlung 756.
— Sprache 771.
Kurtecbcs Haff s. Haff.
Kurnab, Aegypten, horizontal durchbohrte
Henkel 78.
Kussttfel Gemme 611.
L.
Lact ndenes, centralamerikanische Indianer 828.
LacksOscher, nordw. american. Sage 544.
Lake Dwellings of Europe 80.
Lamkelng, Schweiz, Kartenstein 240.
Ungenau, Schlesien, dolichocephaler neoli-
thischer Schädel 427.
Landkarte, hinterindische 720, der Tupajas720,
von Thajngen 719.
Landkartenstein von S. Sebastian, Venezuela
253.
Landkartenstfln-Thetrie, 251.
Landkartensteine, ihre Bedeutung 255,
Lanienspttien aus Eisen, La Tene-Zcit 8^K).
Lappen, Vorstellung in Berlin 478, 869.
Latdf rf, Anhalt, Trompetenmundstück 848.
La Tene-Funde von Milow 277, von Port am
Zihlkanal, Schweiz 330, 380.
— Gräberfeld bei Rondsen 778.
— Periode, Bronzeringe mit Knöpfen 814, aus
Böhmen und Ungern 877.
in Westpreussen 747, 773.
in Ostpreussen 760, Skeletfunde 359.
Lattah-KiadLhfit in Malacca 838.
LatUcb in Aegjpten 662.
Lauken in Brixen 32, an kurischen Vorraths-
häusem 795, s. Vorlauben.
Laukengäage in Marienbnrg 786.
Lausitz, Steinzeit 71.
Leder an Bronze 158.
Lederindustrie der Haussa 284.
Legenden auf Gewichten 516.
Lebukettung von Steinkistenböden 264, 267,
268, 272.
Lebniflgur, Teufel im Togog«biet 59.
Lehinumbillung einer Leiche im Negeb 578.
Leicbenbrand in hannöv. Gräbern 158.
Leicbenbrandgriber, slavische bei Wollin 589.
Leiebenreden der brasilian. Indianer 29.
Lein in Aegypten 654.
Lengyel, Ungarn, Sturzdeckel 77.
Lenzen, Westpreussen, Burgwall 751, Vor-
laubenhäuser 787.
Leptepresople der Wei 51, 53.
Letten, Kuren und Liven 770.
— und Litauer, Verwandte der Acstier 769.
Lettlsebe Gräber in Ostpreussen 763.
Ucbtknecktibnllcbe Bronzen 847.
Liegende Hocker, Ostpreussen 754, in Ungarn
98, 97.
Ligen, Schweiz, Höhle mit Kartenzeichnung
240.
Limes romanus 23, 871.
Llmene in Aegjpten 660.
Linaria odora auf der Kurischen Nehrung 790,
794.
LingulsUk 872.
LInnaea borcalis in Schwarzort 794.
Linse in Aegypten 658.
LIppfwaner, Die ostpreussischen 434.
LIppuscb Papiermühle, Schlossberg, West-
preussen 188.
Litauer in Ostpreussen 767, blonder Typus 780,
Gebiet der 769, Iris 776, Körpermaasse
803.
LlUulscbe Häuser 797.
Literale s. Karfreit, Santa Lucia.
Little Popo* Leute in Berlin 113.
LItuus, Blasehom aus Bronze von Hannover 857.
LIfland, voraugusteische Münzen 224.
Lku'ngEo, Sagen der 643.
Ucbornament 71, 78, 703.
Lfckwits, Kgr. Sachsen, Burgwälle 467, ger-
manische Gräberstätte 466.
LSbarten, Körpermaasse von Litauern 803.
LSwen und Statuen in Süd-Russland 421.
Liwendarstellung auf trojanischer Topfscherbe
812.
Lewenkepf als Gewicht 521.
Lewentktr von Mykenae 701.
Lucks, der, und das Mädchen, Sage 540.
LucIa 8. Santa Lucia.
LAbguit, Pommern, Bronzesporn 594.
(918)
LObilD, Meklenburg, Blasehorn aus Bronze 858.
Luinine, die, Sage 546.
Loierne in Aegypten 658.
LoMo, Atas 436, Mochzeitsbrauch 436.
M.
Maassbucher, anthroj^ologische, praktische 44.
IHaassf, der Azteken 372, bayrischer Schädel
365, eines Dualla • Knaben 281, einer
Handstandartistin 196, von Lappen 479, von
Negeb-Schädeln582, neolithischer Schädel
468, schlesischer Schädel 427, slavischer
Schädel von Wollin 591, 705, Steinzeit-
schädel von Oberfier 489.
Mlandenirnfn von Rebenstorf 679.
lideben, frühreifes, von Berlin 469.
Mibgerithe auf Fanö 499.
MIhrea, Becher der Steinzeit 79, Bernstein 808,
Dilnvialfunde 178, senkrecht durchbohrter
Henkel 77, Höhlenfunde 174, Kostelik 174,
Predmost 174, Ptin, Bemsteinperlen 880,
Bronzeringe 878, Renthiergeweih 174,
äipka-Höhle 177.
Hablsteln als Schlussstein einer Steinkiste 268,
267.
Mainz, Doppelaxt 460.
Halarca, wilde Eingeborene 837, ethnologische
Gegenstände 17*2, Lattah-Krankheit 838,
Messungen an Eingeborenen 839, Reisen
des Herrn Yaughan Stevens 829, Sitten
der Orang Bgnüa 833, Steingeräthe 695.
Malaria im Haussalande 235, in Formosa 810.
Maixe, Gebiet der Wenden 821.
MaiDinutbrlppeD, verzierte, von Predmost 175.
Mandingo-Nfger, Messungen 45, 49.
Mandragora», 726, nachträgliche Mittheilungen
890.
Mann mit Riesenbart 261.
— , der, und der Wal, nordwest-american. In-
dianersage 637.
Mannbelm, Alterthumsverein 409.
Hantra (Mintra), Malacca 831, 841.
Mär, der, auf Rügen 448.
M&brrlden auf Rügen 453.
Marbas - Orang Utan 836.
Martenborg, Anthropologen - Oongress in 746.
— Laubengänge 786.
ffiaraball-lnsfln 485.
Masken der Nordw.-Amer. Indianer 384.
— goldene, in Assyrien und Troja 531.
Massengrab der Hallstattzeit in Kehrberg 270.
Massengriber der Steinzeit, Russland 418.
Mastspitienscbiniiek kurischer Segelboote 792.
Masoren 762, Baba 764, Pfahlbauten 24, 764.
Matebelen, Photographien 881.
Maulbeerbaum in Aegypten 660.
Maos, Indianersage 576.
Mbaui-Fluss, Kamerun 280.
Megalltblscbe Gräber der Altmark 158, 485.
679, in Polen 749.
HegalKhiscbes Denkmal mit iSäpfchensteiB bei
Bunsoh 252.
— Gebiet der westlichen Altmark 680.
Hegara Hyblaea, Sicilien, Schädel 413.
Mebibeere (Pyrus aria) in Pfahlbauten 100.
Meilen, Schweiz, Steinzeitfunde 75.
Melssel aus Stein, Ungarn 90.
Meklenburg, liübzin, Blasehorn 853, Teterov,
Blasehorn 853, Wismar, Bronzebeschlft^e
eines Blasehoms 853.
— , Toraugusteische Münzen 227.
Melanesier in Berlin 869.
Melllll bei Syracus, Ausgrabungen 410.
Mellenau, Depotfunde 251.
Mende-Neger, Messungen 45.
MEnmä'ntauk', Indianersagen 648.
Mensch, wilder, in Trikkala, Thessalien M7.
MensdienflelschschniaMa 284.
Menschenfimser bei Herodot 425, s. Anthropo-
phagie.
Menscbentpfer in Bronzezeitgrab (?) von Mühl-
thal, Oberbayem 824, in Dahome 67, bei
den Wotjaken 425.
Hensebensparen in Harzhöhlen 854.
Menschlicbe Figuren, Zeichnungen auf oct-
preussischen Urnen 761.
Menscbllcher Finger in einem Gefäfis von Coban,
Guatemala 829.
Mentha in Aegypten 666.
Merkmale zur chronologischen Unterscheidmig
der Thongefässe 78.
Merseburg, homformiger Henkel 77.
Meiifcephaler Schädel, Bayern 868, Schweiz 38:^.
Mesocepballe bei Adeli und Aposso, 48, in British
Columbien 159, bei West -Africanem 51.
Mesedollcbocepbaler Schädel aus dem Negeb 5tO.
Mesaktnchle der Yoruba 56.
Mes«rrblnle der Wei 58.
Messungen an Eingeborenen von Malace« 889,
an West-Africanem 45, von Dr. L. Wolf 58«
8. Maasse.
Metalliplf gel , alte chinesische 806, aus dem
Kaukasus 808.
Metrtlfglsche Forschung 414.
— Studien im British Museum 515.
Mextcanitcbe Chronologie mit besonderer Be-
rücksichtigun^' des zapotekischen Ka-
lenders 156.
(919)
Heilet, KriegerkleiduDg 115, Rangabzeichen
114, Tribatlisten 116, s. Federschmnck,
SonnensteiD.
MIcrtcefhale weibliche, auf Tenerifa 812, s
Azt^en
MIcrtcephille bei einem Negerknaben 373.
Mlkresktpische Untersuchung, von Distomum
haematobium 30, Nephrit 598.
Hilow, Westpriegnitz, Gräberfeld und Hügel-
grab 276.
Mluttstps in Aegjpten 657.
IliidfB, Dom zu, Gemmen 606, 611.
Ilradai, Westpreussen, Münzen 187.
miscbllufe verschiedener Yölkerst&mmc in Ma-
lacca 838.
Mlsckaog verschiedener ethnischer Elemente in
Ost- und Westpreussen 774.
Mitglieder der Gesellschaft, correspondirende 3,
167, 397, 484, 677, 865, 866, 867.
-, Ehren- 677, 865, 8Ö6.
— , lebenslängliche 577.
— , letztverstorbene 688, 867.
— , neue 81, 157, 325, 397, 433, 677, 688, 807,
876.
— , ordentliche 3, 6, 867.
llttelilter, Drehbank 619, Schleifen und Bohren
der Edelsteine 619.
littfldeatscUtnd, Becher der Steinzeit 79.
MlttelnieerllBder, Bernstein 296.
IfbB in Aegypten 665.
Mebrhirse in Aegypt^n 654.
iHvbiriibe in Aegypt^n 662.
Iflocken, Photographien 348.
If BgtleMelt, Gräber der 420.
Aend, der, in Indianersage 160, 546, und
Sonne, Indianersage 659.
leBstfosItiteB, in Berlin zur Schau gestellt 869.
HfBteBegrt, Reise in 691.
MeBM, Dom, Relief mit Radsporen 219.
leer bei Brüssow, Pommern, neolithisches
Grab 467.
■otrftiBd menschlicher Gebeine, von Spandau
818.
Xetcbusrattf, Sage 642.
■tskaa, Archäologen-Congress414, Gesellschaft
der Freunde des Naturwissenschaften 434,
historisches Museum 415, Internationaler
Oongress für Anthropologie, prÄh. Archäo-
logie und Zoologie 1892, 2^ 397, kaiserl.
archäolog. Geselbchaft 689, Kaukasus-
funde 416, vorgeschichtliche Alterthümer
416.
MetecBk^ema als Xipe 135, 136.
■ibhbal, Bayern, Hügelgrab 832.
liBcbebffe, Kreis Nieder-Bamim, Umenfeld470.
BlfiBster, Westfalen. Mauritzkirche, Erphokreuz,
Gemme 609.
MÜBie im Munde eines Slavenschädels 349,
350.
MOBien aus der Zeit der Antonine in russischen
Burgbergen 423, aus der Zeit vor Kaiser
Augustus 223, brandenburg. und Deutsch-
ordens- in Miradau 187, in Kurganen 424,
tatarische in Mongolengräbem 421.
MünisamnifaBg in Barenau 237.
Mfitiendeckel 750.
MfitieaurneB 750.
HfllBba-Neiier, Maassc 44.
naBltlum. Römisches Castell in Hannover 438.
MareitBB-Goslin, Posen, Bronzeschmuck 407.
Masee archeologico nazionale in Syracns 410.
Hasen nacionale in Rio de Janeiro 157.
llo8eoB^ Britisches, metrologische Studien 515.
Danzig 747, Elbing 749, Handels-, zu
Bremen 812, historisches in Moskau 415,
Königsberg 747, 752, in Scrajewo
691, Thom 767, für Völkerkunde, Berlin
vorgeschichtliche Abtheilung 28, für
Völkerkunde, Budapest 258, Wiesbaden
490.
Huskan, Wenden um 322.
Hoskel-KaBsUer 684.
IHaskelstirre 683.
MaskalatBr der Handstandartistin 191.
HjkeBae, Darstellungen aus der Götterwelt
699, Keramik und Ornament 410, Königs-
gräber 602, Palladium 608, Tempelbild
602.
N.
NichblldBBg der Berner Elfenbeinkanne 669.
NaebblldBRgen des menschlichen Fusses, Stein-
zeit 89, thöneme, von Kürbisgefässen 34,
36.
Nacbrkbtefl über deutsche Alterthumskunde 808.
Nicbtigal, Dr., Denkmäler des 484, 870, in
Stendal 469.
Nacbljäger, der, auf Rügen 450.
Nadel, eiserne mit Bronscknopf von Milow 277.
NadelB, durchlochte aus Califomien 881.
Nipfeben auf einem Hünendeckstein von Stöck-
heim, Altmark 680.
NIpfebenstelB in Holstein 251.
NabniBg der Guaycurus 24.
NabrBBgUBlttel der Hanssa 236, auf Reisen 30.
NaBBtepbalie 371.
Nase der Blandass 840, eines Dnalla-Knaben 281 .
NaseBladez der Kuren und Litauer 783.
NaseBBMasse von Westafrikanem 45.
Natfenal-lloteBBi, deutsches, zu Berlin 326, 873.
(920)
Natlonaltani, philippinischer 436.
Nitnrrdlker, Vertreter in Europa 869.
Nanalock (Nawalock), Geistertanz, Nordwest-
America 386.
Nrgeb, sudl. v. Palästina, Beduinen 578, Heise
nach dem 490, 578, Schädel 490, 578.
Neger von der Westküste Africas 869.
Negrites auf Luzon 436, in Malacca 829, nicht
angetroffen von Y. Stevens in Malacca 888.
Nehrung s. kurische.
Nekropoleo, sicilische 690.
NeluinbtuiD speciosum in Acgjpten 659.
Neoltihtsche Gefässe aus Hügelgräbern 759, Zeit
in Westpreussen 748.
— freiliegende Skeletgräher von Glasow bei
Löcknitz, Pommern 467.
Neollthischer Schädel von Langenau, Schlesien
427.
Neolithische:» Grab, Moor bei Brüssow, Pommern
467.
Nephrit 410, -Artefacte, Herkunft 599, seine
Bearbeitung 693, Beil aus der Gegend
von Ohlau (Schlesien) 506, Geräthe, Ver-
breitung 424, Bräche von Schachidula
und Schleifereien von Chotan 692, Ring
zum Bogenspannen, Mesopotamien 81.
Ners, der, nordwest-americ. Indianersage 170,
575.
Neo-Brilaniiieu, Papua-Knaben 283.
Neo-Guinea Compagnie 870.
Neu-Lobili, Pommern, Bronzeschmuck 407.
Neustadt, Wenden um 828.
Nickel»dorf,Kr. Allenstein, Alt}ierthümer766,788.
Nidden, kurische Nehrung, Häuser 790.
— Körpermaavsso von Kuren 801.
Nlederlau&tti, vorslavische Funde 583, Wenden
in der 319, s. Klinge, Lausitz.
Niederlaositier (icsellschaft für Anthropologie
und Urgeschichte 485.
^leuiaschkleba, Nied.-Lausitz. Umenfeld 583.
Ntendorf, Hannover, Hügelgrab 158.
NIeps, Altmark, Hünenbett 680.
Niger-Fluss 229.
Nilkarle, africanische 252.
Noolka*liidlaner auf Vanconver-Insel 160.
Nupe-Stauitti, Africa 231.
O.
Obelisk mit RuntMi in Russland 421.
Oberarm knohen, verletzter aus einem Hügelgrab e
von Parsberg, Oberpfalz 300.
Oberfier, Pommern, Skeletgräher 488.
Oberlausilzer Gesellschaft für Anthropologie
und Urgeschichte, Hauptversammlung in
Görlitz 689.
Oberpfali, Hügelgräber 859.
Obliwlti, Pommern, Bronzespom 593.
Obmaun des Ausschusses 247.
ObsUrleii der alten Welt 97, ihre Heimath 9-,
ihr Alter 98, Züchtung 109.
Oca (Oxalis) 248.
Oelbauiu, Alter des 105.
Ohlau, Schlesien, Nephritbeil 596.
Ohrboauneln, Bronze, vonMilow 277.
Ohreo- und Mützenurnen 750.
Ohrhüheolndex bei Westafricanem 51.
Ohrringe, goldene von El Hibba und Warka 531.
Olbia, Wappen von, auf Ziegeln 420.
Opferaltar 718, am Girgelstein 721.
Opferuinideii im Fichtelgebirge 717.
Opferwagen, Bronze, in Bosnien 838.
Orang Benüa, Sitten der, in Malacca 833.
— Utan (Affe), 831 Alter des Namens S3T.
— Utan (Hutan), Eingebome Ton Malar^-j«
831, 834.
Orange in Aegypten 660.
Oregon 119.
Orient, Erscheinen des Bernsteins im 293.
— Comito 490.
Orientalischer Einfluss in der Thierdecoraiioa
bei Germanen 425.
0rlentallsten-€«ngres8, Internat, zu I<ondon 1'-^
Ornamente in Mjkenac 410, neolithische in West-
preussen 747, steinzeitliche 71, 702.
Ornamentirte Urnen von Hochstnblau 186.
Orthobrachjcephaler Schädel von Hohenbäcbfl.
Oberpfalz, Bayern 363.
Orlhodoilchoeephalie der Haussa 50, derWoi 53.
— Alemannenschädel vom Geissberg, Zürich
382.
Orthoinesocephaler Schädel Ton Mntt^nhcifeD
Bayern 364.
Os Incae tripartitum vom Geisberg, Zfiricb 3SJ.
— triquetrum 360.
Osnabrück, Dom, Capitelkreuz, Gemme 609, R'-
liquiarium, sog. „Adorf" -Gemme 611.
Ossig, Kr. Guben, Eisennachbildongen ^rr
Bronzetypen 585.
Osswiti b. Breslau, Elchhominstrument 425.
Ofttpreussen, älteste Periode der Besicdelunj:
753, Aestier 769, Alraun 746, «i»
litauisches Gebiet 774, archiologischr
Forschung 746, Bandweben 435, Bauern-
häuser 788, Bemsteinartefacto 756, Be-
völkerung, altpreussische 767, Broni»'-
keulcnkopf von Wamickcn 850, Broniei< Ji
759, Bügelringe 760, Dirwangen, Hirsch-
homliarpunen 755, Gerdauen, Pnuit'n-
gräber 769, Gräberfelder 760. EÄmi
altpreussische 767, Hüt?elgräber 7ÖH,
<921)
Königsberger Museom 752, Kurische
Nehrung, keramische Funde 755, La
Tene-Zeit 760, Letten und Littaner 767,
lettische Gräber 768, liegende Hocker
754, Lippowaner, 484, Lochvenierungcn
74, Palmnicken, Bemsteingrftberei 757,
Pfahl als Giebelschmuck 789, Pfahl-
bauton 764, Pöppeln, Auerochsenschädel
mit Feuersteinspeer 755, Rossitten, Stein-
zeit 754, 788, slavische Funde 751, 762,
slavisches Gebiet 774, Umenfund von
Nickelsdorf 789, Toraugusteische Münze
225, Wikinger-Anklänge 763, Pfahlbauten
74, alte Rechtsverhältnisffe 788, Wis-
kiauten, Steinzeitfnnde 754.
Ottsee-fieblet, Toraugusteische Münzen 223.
Oxhifl, Wcstpreussen, neolithischc Funde 748.
P.
Pidfische Nordw.-Küste , Anthropologie 158.
Pick Pack, Sumatra, Anthropophagen 851.
Pagt4eaanieii 761.
Ptlladlooi, das, in der my kenischen und tiryu-
thischen Darstellung 608, in Mykenae 699.
Palioltthlicke Fnndo in Ungarn 92.
Palistina s. Negeb 578.
Palnano am Orinoco, Landkartenstein 255.
— in Aegypten 107.
Palnnlckea, Ostpreussen, Bcmstcingräbcrei 746,
757, Körpermessungen 775, 800.
Paiii|»aft, der pliocäne Mensch der 811.
Papiaabche Gesichtsmasken 689.
Papna-KMbeii von Neu-Britannien 283.
ParallelfD in den Gebräuchen der alten und
der jetzigen Bevölkerung von Gypem 84.
Parisis, Indianer, Brasilien 28.
ParasH, africanischer, Distomum 30.
Parskrg, Oberpfalz, Bayern, Gräber 859.
PanI, indischer 428.
Pflal s. Fruchtkuchen.
ftin II., Dom, d'Alcantara f 865.
Penis, Reizsteine des 351.
Pcrlf4eii der Steinzeit in Brasilien 342.
Perlen, kostbare, der Basutho, Transvaal 399.
Perwer, Altmark, römische Funde 679.
Petrctcn, Handstandkünstlerin 189.
Petrtgljphen 258.
PfaU als Giebelzier in Wcstpreussen 188, bei
Allenstein 789, litauischer Giebelschmuck
798, kurischer 790, 796, mit Stern an alt-
roärkischen Häusern 682.
PfaUkaaten im kurischen Haff (?) 758, masurische
24, 74, 764, der Schweiz 75, Bernstein 302.
Pfalz, Doppelait von Friedolsheim 460, s.
Drachenfeb.
Pfellgift aus Malacca 836. «
Preilschiftf , Schleifsteine für, in Brasilien 344, G98.
Pfeilspitzen aus Stein, Brasilien 344.
Pferd in einem Grabe von S. Lucia 691, in
Steinzeitansiedlung 86.
Pferde, wilde, der Diluviakeit 24.
Pferdfgeblsse, La T^ne-Zeit 330.
Pferdeklefer von Ketzin 458.
Pferdeknerben in Begräbnissen Russlands 419,
420.
Pferdekopfe als Giebelzier an kurischen Häusern
790, litauischer Giebelschmuck 798.
Pferdekumuiet 407.
Pfirsich in Aegypten 659, nicht in Pfahlbauten
102.
Pflanzen in Aegypten 649, in Bodonseefunden
346.
— , auf der kurischen Nehrung 790, 793.
— , ihre Empfindlichkeit gegen Klima 248.
— , 8. Mandragora, Obst.
Pflanzenarten, diluviale, v. Klinge, Niederlausitz
883.
Pflaumen in Pfahlbauten 101.
PMemen mit Thierkopf, Ketzin 459.
Pballns (?) an Bronzering 333, 384. ^
Pbilippinen, Eingebome 436, Photographien 348.
Pbönider, Niederlassungen auf Sicilien 412.
Phoenix dactylifera, Dattelpalme 107.
Pbotegrapblen von Papua-Knaben aus Neu-Bri-
tanien 283, von West-Africanem (Dahome)
65, Album vom Anthropologen-Gongress
746, 881, der ältesten ägyptischen Bronzen
726, aus Bali-Land 577, der Benong Ahong,
Nhongeh 746, der anthropologischen Ge-
sellschaft 873, eines Degenschluckers 401,
eines Dualla-Knaben 280> von der Excur-
sion in die Altmark 890, Haus mit Vor-
laube von Lenzen bei Elbing 787, des
Heteradelphen Laloo 428, von Hissarlik
348, 469, von Hottentottenweibem 470,
aus Java 33, 110, kurischer Häuser 791,
eines litauischen Bauemgehöftes 881, von
Matebelen881, von megalithischen Gräbern
der Altmark 158, von Microcephalen 278,
Portrait-, combinirte 645, aus Südasien
807, von Sumatra 237, von Suhl, Phi-
lippinen und Molucken 348, von Schwarz-
orter Häusern 794.
Pbotfgrapblscbe Vereinigung, freie 398.
Plans montana (iniops) 790.
Pims aria in Pfahlbauten 100.
PIsel, der, in Bauernhäusern 501.
Pifsel im dänischen Hause 409.
PIstenitz, Brandenburg, Schaftzwinge aus
Bronze 851.
C922)
Plthfk«iie» Aussehen Microcephaler 374.
.Plaglfttf haier Schädel eines Yornha 55, von
Stanfersbach, Oberpfalz, Bayern 364.
Plaolageu in Ost-Africa, ihre Zukunft 694.
Platysma, willkürliche Contraction 683.
PIttyrrblnIr, extreme, eines Dualla 281, bei
Haussa 50, Mandingo 49.
Plcmniirlo bei Sjracus, Ausgrabung 410.
Plladner Mensch der Pampas 811.
Pippeln, Ostpreussen, Auerochsenschädel mit
Feuersteinspeerspitze 755.
Palfo, megalithische Gräber 749.
— in Ostpreussen 767, 774, 778.
Pellrsteln von Niendorf, Hannover 158.
P«lttwa, Kurgane 418.
Ponertoie in Aeg7]|ten 660.
P^ninfrn, Alt-Storkow 405, Babbin, Bronze-
funde 850, Blasehom von Cöslin 857, 860,
Bronzesporen 591, Bronzeschmuck 405,
GJasow, neolithische Gräber 467, Gräber-
feld u. s.w. bei Wollin 708, Moor, neo-
lithisches Grab 467, Neu-Lobitz 407,
Skeletgräber der Steinzeit 487, Slavische
Schädel 704, Steinzeitliche Ornamente
703, Volksthümliches aus Rügen 445, vor-
augusteische Münzen 227, Wohnhäuser
ohne Schornstein in Hinterpommem 725,
Wollin, slavisch^s Gräberfeld mit ge-
mischter Bestattung 589, Zuchen 407.
P9H, Schweiz, Funde 380.
P^Ho novo, Wcstafrica, Leute in Berlin 113.
Paseo, Bronzeschmuck von Murowana-Goslin,
Kr. Obomik 407.
PötE'uitEn, Indianersage 571.
PrictIunblschM Tabakranchen und Caximbos
811.
Prihlstarischer Bernstein aus Sicilien6^)0, Mensch
der Pampas 81t.
PribIfltorischM aus dem Museum für Völker-
kunde, Berlin 28.
— 8. Ketzin, Ober-Birma, Westpreussen.
Pririewdf und Sonne, Nordw.-Amer., Indianer-
sage 165.
Pic^iDMt, Mähren, Renthiergeweih 174.
PreiMclbeerr, nicht in Pfahlbauten 104.
Priester im Togo-Gebiet 58.
Prvfaathie der Wei 58, der sogenannten Azteken
279.
PrtteoB, der moderne 682.
ProTlailal-Mttscun, Märkisches, Erwerbungen 726.
— , Westpreussen 329.
Pninus 8. Obstarten.
Pnusia, Sanmilung der, in Königsberg 753.
Proizea in Ostpreussen 768.
— , Gräberfeld der 769.
Ptio, Mähren, Bronzeringe mit Warz«^n n. ^ «
878.
Ptelenilsches System 414.
Päk, der, auf Rügen 450.
Punlca granatum, Granatapfel 108.
Paris, Indianer, Brasilien 28.
PolTerbom voniCypem 25.
Pjroia auf der kurischen Nehrung 'i*M.
(lä'is, Nordw.-Amer. Indianersage 6^J.
QUs, Nordw.-Amer. Indianersage 550, <J2^.
Q«e^tik-oÜ, Sage 547.
QoaUdt-ladiaoer 386.
Qnrnat-Ascbe beim Coca-Kauen 24S.
(luerfbbae in Altmexico 122.
Quitte in Aegypten 659.
R.
:t«
Rabe, der, Nordw.-Amer Indiaaersa^e «v
Racbe an Todten bei Botocudos 27.
Radamaoienta Bronze, Mülilthal,Oberbayera "«i •
Eadsporea auf Siegeln, im Grabe Bemhart^ t
Italien und auf einem Relief am lN>iu * .
Monza 219.
Riocbergeflss von Ossig, Kr. Guben 585.
lUlpote Laloo, Heteradelph 428.
Rakbaneb im Negeb, Schätlel 578.
RaasMseB der sog. Azteken 279.
Raopbielcbefl, altmeiicanische 114.
Raotao, Ostpreussen, Bronzefhnde 759, 761
Rasse von Cannstatt 420, von MicroctplU'
(Ghna) 375.
Rassela der Hametzen 390.
Ratbs4erf, Westpreussen, Schlossberg 17>.
Raocbea bei den Fulbc 235, bei den Hail-i
235, in Sttdamcrica 811.
Raacbbiosef in Holstein 494, anf der kuris« h \
Nehrung 792, der Litauer 797, fehl<^ •
Schleswig 494.
Raacbbau in Pommern 725.
RaacUtcb an kurischen üäusem 796. s.Ulenl« :
RsTeota bei Sassnitz 456.
Rebensterf, Hannover, Fensterome and MäAnö- *
amen 679.
Reebeascbanabericbl des Schatzmeisten 874.
Reeblspfleice der Bätin, Malacca SM.
RecbtsTerblltabse der Haussa 282.
Mug\H in Ostpreussen 767.
Relcbersderf, Nieder-Lansitz, Stein- undBr^r-
fnnde 587.
RelfeDelner von Santa Lncia 691.
Reb in Aegypt>en 659.
Rdse in Malacca 829, nach dem Ncg^b «.•
(923)
an die pacifische Küst« 168, nach Pa-
l&stioa 578, in die Türkei 247.
ReUei, Nahrung auf 80.
lUiittelie des Penis auf Sumatra 851.
Ecligl9i in Alt-Aegypten 658, der Haussa 282,
der Westafrikaner 45, 58.
Rellgi9Uferkiltnlsse in Ostpreussen 768.
Rell^alfR, altmeiicanische, in Schloss Ambras
485.
ReH^akiaroi der heiligen Anna 606, 611.
RentUergewelb von Pfedmost^ M&hr. 174.
Rbfla, Bronxefunde im 490.
RklatcerM-Reste bei Klinge, N.-Laus. 885.
Rle^k, Legat 875.
Rleaeaftnlfroagea, Bronze Ton Milow 277.
Riese, der, in nordw.-aroer. Indianersagen 171.
RIeseiWtt bei Klemmen 72.
RIcieaUrscbrests bei Klinge 884.
Rlllea an ägyptischen Tempeln 861.
Riad in Stelnxeitansiedelung 86.
Rlidergettolt als Gewicht 523.
RIag, kaukasischer, Bronze, Analyse 355.
Rliftr zum Bogenspannen 81, 486, 670.
— mit Knöpfen und Thierfiguren 490,814, 877.
RIaggeM (?) von Werschetz, Ungarn 92.
Rligkakkragen in Westpreussen 747.
RIagwall in Bosnien 836.
Rl« Cahj, Brasilien, SteinwafTen 389.
— de Janeiro, Museu Nacional 157.
RtkeahaiieB, Schweiz, Steinzeitfunde 76.
ReckfB Ton Cypern 40, 41, aus Bronze 42.
Riwcrculell bei Rulle, Hannover 438.
RlMenckaaze bei Werschetz, Ungarn 85.
RMscke Funde im Museum zu Salzwedel 679,
(Proyinzial)-Funde von Milow 277, Mfinien
in Deutschland 287.
— Zeit, Fenersteinmesser in Aegypten 477,
(ir&ber in Ostpreussen 780, in West-
preussen 750.
Rtttea, Prov. Sachsen, Keulenköpfe aus Stein850.
RHgeikimer an babylonischen Gewichten 628.
R«|geok«rBgeiiHMB des frühchristlichen Kirchen-
gerftthes 606.
Rfkraiieltea von Cypern 40.
Ron^B, Westpr , Gothisches Gräberfeld 773.
RMBccea s. Obstarten.
Rmc in Aegypten 668.
RfsslUea, Os^r, Steinzeitfund 754, Schädel 788.
ttistrappe am Brocken 723.
Rtthgffirbtf Skelette 420.
Rabiis fhidcosus, Brombeere 104, idaeus, Him-
beere 104.
Rftgea, Yolksthfimliches 445.
RittaagMi in Altmexico 116 ff.
RaSc, Westfalen, ROmercastell 249.
Raodbaas von Alsen 410.
RaadUigsdirfer der Altmark 682.
Raata auf Steinbabas 421.
Roaealascbrift am Drachenfels, Rheinpfalz 465.
BaaeBobellsk 421.
Rasslscbe Alterthümer 415.
— Prähistorie, Bedeutung für den Occident 424.
Rossbcber Archäologen-Congress 414.
Rasslscbet Institut zur ethnologischen und
archäologischen Erforschung des Orients
in Constantinopel 689.
RBSsland, Charkow, Alterthümer 417, Eiszeit
424, Flachgräber 418, Gesellschaft
Moskau 484, Gothen in 425, Grabhfigel-
funde, Chronologie 417, griechische Ge-
fässe 419, Kannibalismus 425, Mon-
golenpräber 420, Runenobelisk 421, scy-
thische Epoche 418, Skeletgräber 419,
slayische Epoche 410, Steinzeit 418,
Völkerwanderungsfunde 416, Wohnstätte
419.
8.
SacbseB, s. Altmark, CöUeda, Gross-Schwechten,
Harz, Lockwitz, Rossen, Sobrigau, Stass-
furt, Stendal, Torgau.
SacbfcrsUBdlgfD-Commission des Museums für
Völkerkunde 434.
Sackraa, Schlesien, Grabfund 425.
Sibel, von einem Degenschlucker benutzt 402.
Sicbftbcbe Häuser, Altmark 681.
Sinle als Göttersymbol in Mykenae 701.
Sagea aus britisch -Columbien 582, 628, vom
untern Fräser River 549, der Indianer in
Nordw.- America, ihre Verbreitung 172, der
Koot^ay-Indianer 161,derNtlakyapamuq
546, auf Rügen 449, der Shushwap 582.
Saal (Orang Sakai) Malacca 837, 845.
SiHa, Argentinien, Algorrobekuchen 80, 109.
SahbBfgrr in Ostpreussen 767.
Silzwedel, Eicursion 485, 679, Museum 679.
Saoibl (Sembi, Sami), Bew ohmer des Sam-
landes 770.
StBliader, Körpermaasse 776.
Santa Lucia, Litorale, Ausgrabungen 691.
Sarg aus Thon bei Botocudos 28.
S'balto, Negeb, Ruinen 578.
Scbacbidttia, Nephritbrüche 692.
Scbidd Ton Beduinen 581, von Casekow, Stein-
zeit 487, deformirter von Staufersbach,
Oberpfalz 862, und Skelettheile aus Hügel-
gräbern der Hallstatt- und T^nezeit in
der Oberpfalz 859, von Ketzin 457, aus
einem megalithischen Grabe von Mellin,
von MühlÜial, Oberbayem, Bronzezeit 824,
Altmark 680, von Megara Hyblaea 418,
(924)
aus dem Negeb 490, 578, 580, neolithischer I SchmnckMcbeii in russischen Gräbern 419.
von Moor, Pommern 467, von Oberfier, ! Schneiden des Nephrits in Ghotan 61K>.
Steinzeit 488, aus schlosischen Gräber-
feldern 427, aus dem slavischen Gräber-
feld von Blossin 349, slavische von Wol-
lin 590, 704, von Spandau 818, von Sumatra
807, von Wilkowitz, Schlesien 427, von
Winterthur, Schweiz 381, vonYoruba 65.
Srliäddcapacitit eines Yoruba 56, eines Wei-
Negers 53.
Scliädfluiaassf, Ketzin461, neolithischer Schädel
von Moor 468, Spandauer Schädel 821,
Tungusen 486, Oberfier, Steinzeit 489, von
Westafrikanem 56.
Schädfitrophften bei Botocudos 27.
Schaf zur Steinzeit in Ungarn 86.
Schafscheere, eiserne von Rebenstorf, Hannover
679.
Schalen, goldene, und Bernstein 315.
Sehalenstfln von Meldorf in Holstein 252.
Schatigriberei. Zauberformel für 408.
Scheibennadfl von Christianstadt, Kr. Sorau 584,
von Fritzen 759.
Schf rhen, als solche beigesetzt in Kehrberg 263.
Schiesspulfer aus Canavalia-Bohncn in den Chin-
hills 678.
Schildkratengettalt als Gewicht inBabjlonien 523.
Schlftfenringe in Westprcussen 751.
Schlafmachendf Wirkung der Alraune 732.
Schlehen in Pfahlbauten 101.
Schleife, Wenden um 322.
Schleifen der Edelsteine im Mittelalter 619,
des Nephrits 693.
Schleifsteine in Ungarn 90, 92, für Pfeilschäfte
in Brasilien 344.
Schlcftirn, Burgwall v. Haidevorwerk 427, £lch-
horninstrument von Osswitz 425, Goldfund
426, Ohlau, Nephritbeil 596, Sackrau,
Grabfund 425.
Schleswig, Bauernhöfe 409.
Schleswig - Holitein , Haustypen 648, vorau-
gusteische Münzen 227.
Srhliemann f 21, Biographie 812, Deuttingen
Mykenischer Funde 701, Gedächtnisfeier
22, 81, 247, 325, Porträt 22, Testament 687.
Schlosser an Thüren auf Cypem 42, im Harz 725.
SchloBsherg bei Lippusch Papiermühle, West-
preussen 183, von Rathsdorf 178.
Schlosahergf in Westpreussen 178.
Schinledeknnst der Haussa 234.
Schmickwlti, Brandenburg, Schaftzwingon aus
Bronze 851.
Schmach der Haussa 236, der Mastspitzen
kurischer Segelboote 792.
SduuarhpAuiMo in Aegypteu 067.
Schnururnauient 78. 703, Schw^'iz 7a.
Schnur- und Stichornament, neulithi^« i
Westpr. 748.
Schnarfenlerung 71.
Schotten in Ostpreussen 767.
Schrift in Aegypteu 650, 653.
Schriftleichen auf Babas 421.
Schwanihiidnog beim Menschen 725.
Schwariort, Häuser 794, KörpermaKse von Ktr
802, Bemsteinschmuck der Steitu^^it T-
Schweden, Blasehömer 855, voraa^sttM-
Münzen 227.
Schwedensehanie von Osswitz, SchlesioD, lira
funde 425.
Schwell aus Serpentin als Gewicht, BahyloL
528.
Schwell, alemannisches Grab auf dem G*'i>b '.
Zürich 382, Funde vom Zihlkanal .
Gold 317 , Hedingen, Gräberfe W HM), J .» ' . -
zahl an Bauernhaus 465, KartenieiohnuiiL :
237, Pfahlbauten, Bernstein dirj. S. r .
383, Skelet 381, Völkerstrasse 3;a
Schweizer in Ostpreussen 767.
Schwer^der Haussa mit Kreuzgriff 237.
Schwerter der La Tene-Zeit aus deroZihlkana i .
Schwertlille als Alraun in Ostpreussen 74 \
Schntiforrlchtnngen beim Bogenspannen t^T<-
Sc«polla camiolica als Arznei- und Za*ä •:
pflanze 737.
Scythlsche Epoche in Rnssland 418.
Sechiflngrlge Hand eines Antillen-Negen» II*
Sedionen des russischen Archälogen-Coogr» ^^^
415.
Seehauacn, Altmark, römische Funde ^Vx
Seekarte d. Polynesier 721.
Seelenwtndening in Klein Popo 59.
Selhstaiorde der Lippowaner 435.
Semang (Orang Semang) Malacca 837.
Semiten in Aegyten 652.
Seadschtrll, Ausgrabungen 49U.
Se'nötik'e, Nordw.-Amer. Indianersage iv4J
Ser^ewe, Museum 691.
Sesanrnm in Aegypten (359.
Sexualität, Einfluss auf Körperuiaas^e 5^.
ShonMered Gelts in Birma 64*.).
Shoshwap, Sagen der 532.
Slä^atst, Indianersage 629.*
Sichel aus Holz mit Feuerst^imihneD i
Kahun, Aegypten 476.
Sicheln in Island 250.
Sicilien, BecherderSteinzeit79,MegaraHyl U
Schildel 413, prähistorische Bem<tfJBfiir •
690, SyracuB, archaische Gtftber 4U>.
(925)
Sifgwori (AUiam Victoriaiis) 740.
Sllberfarbliet Haar in Griechenland 346.
Silben« Banner in Altmexiko 121.
Sllberriig zum Bogenspannen 485, von West^
he*»ren, Altinark 680.
Slleti, der letzte, in Orej^on 159.
SlIlmeMu, Schlesien, Schädel 427.
Slmblrek, Begräbnissplatz nnd Befestigung 420.
Sinnol (Orang Sinnoi) Malacca 831, 841.
§lpka-Hihle, Mähren, Feuerstätte 178, Unter-
kiefer 177.
Sitte, die grosse, Opferfest in Dahome 69.
Sitala von Santa Lucia 691.
Sitzungsberichte, verspäteter Druck der 810.
SktarilMiflscbe Formen in preussischen Grab-
funden 771.
Skarabae«i4en, Gewichte (?), Babjlonien 528.
Skelet der Bronzezeit von Mühlthal, Ober-
bayern 822, von Zürich 381.
Skeletgrab, altfränk. mit Namen 897.
Skeletgriber , in Bootform, Russland 420, bei
Casekow, Pommern 487, neolithische, von
Glasow, Pommern 467, von Oberfier,
Steinzeit 488, slavische bei WoUin 589,
704, russische 419.
Skeletle, Aleuten 172, bemalte (rothgoOlrbte)
in Kurganen 418, 419, von Indianern der
Nordwest -Küste America's 160, neo-
lithische, Pommern 467.
Sklifeqjagden des Königs von Dahome 66.
Sklaferel bei den Haussa 232.
Sk-^emlc, Sagen der 639.
Slafep in Ostpreussen 767, in Westpreussen 778.
Slaviscbe Epoche in Russland 419.
— Funde in Ostpreussen 751, 762, in West-
preussen 751.
— (Jefässe 704, Gräber bei Blossin 349, bei
Sobrigau 465, Gräberfeld mit Skeletten
und Leichenbrand auf dem Silberberg
bei Wollin (Pommern) 589, Schädel vom
Galgenberg und Silberberg bei WoUin
704, 713, Thongefässe von da 714.
SUvlMbes (lebiet in Ostpreussen 774.
Slaf«-Iettis€he Pfahlbauten 75, 77, 764.
SIetvfl, de, Theil des Uansbodens 497.
SMMÜmu^, Sagen der 636.
StbiensHi, Westpreussen, Burgwall 184.
8«bri|ao, Sachsen, Slavcngräber 465.
S«bniar, Bosnien, Ansiedelung 337.
Sfktt«, Haussabevölkerung 228.
Soiof, die, in Nordw.-amer. Indianersagen 164,
167, 546.
— goldene, als Kriegerschmuck, Mexico 181.
StineBstdR, Mexico 126.
SerbUy Eberesche 104.
Sfai^Bcr Schädel 818.
Sptolen s. Americanisten, Ausstellung.
Spannriofe zum Bogenschiesscn 670.
Speckt und Adler, Nordw.-amor. Indianer
sage 561.
Spdt in Aegypten 654.
Splegelnadel von Fritzen 759.
Spieler, der, Sage 545.
Spindeln von Cypem 40, aus Bronze 40.
Splnnwirtfl, Ungarn, Steinzeit 89.
Splnirilicken aus Bronze von Alt- Storkow,
Pommern 406.
Spitse Hoch bei Bemburg, Massengrab 848.
Sp«raihilicke Gegenstände 896.
Sport des sogenannten Handlaufs in Island 250.
Sprache, friesische, in Holstein 511.
Sprichllches ans Rügen 446.
Spreewild, Wenden im 320.
Sprtsseifibelo, Pommern 593.
Spik auf Rügen 449.
— der, in Spyker 456.
Spuren asiatischer Kulturen in den südrussi-
schen und scythischen Alterthümem 422,
des Einflusses der Gothen in Nordruss-
land 425, vom Einfluss Indiens auf die
afrikanische Welt 377, des Kannibalismus
in der wotjakischen Volkspoesie 425.
S^oelette vivant 682.
S^oae'ie, Indianersagc 636.
Stlmnic der Botocudos 25.
Staklfarbrne Bronze 356.
Staanbaon einer Indianerfamilie in Brit.-Co-
lumbien 160.
Staanessageo vom untern Fräser River 555.
Stanpfkedei, Brasilien 345.
Staogeiwilde, Ostpreussen, lettische Gräber 763.
StaotleD und Becker, Bemsteingewinnung 757.
StaiUeoit, Ostseebemstein 287.
Stassfart, Thondeckel mit Löchern 77«
Staafersback, deformirter Schädel 362.
St. Caniiu, Höhlen der Steinzeit 31.
Steatopjgie 471.
Steiibabas s. Babas.
Steiabelle, Ungarn 89.
SteiibÜdrr im westpreussischen Provinzial-
museum 747, in Ostpreussen 764.
Steine, Bohren der 619.
— , die, bei Goor, Rügen 456.
Steingeritbe zu abergläubischen Kuren 478.
— im Bodensee 345, in Hallstatt-Umen 478,
aus der Lausitz 71, aus Maläcca695, aus
Ungarn 89.
Stelibteaer, doppelt gebohrt, Ungarn 90,
durchbohrte, Ungarn 89, Hannover 158, von
Ketzin 459.
(926)
Stelnbainmer and Metallbeigaben zasammen
756.
Steinkisten mit Sand ausgefüllt, Eehrberg 263.
Steinklsteiigräber, Hochstüblaal86, Kebrberg262,
in Westpreussen 749.
Stelnkrani, Bedeutung 422, um Hügelgrab 270,
274, 276.
Stelnmesser aus Aegypten 474.
Steinoinlden im Fichtelgebirge 717.
Stelnsetiungen in Westpreussen 749.
StelnwaflTen, prfibistorische, in Birma 694, in
Botocuden-Grab 28, in Brasilien, Alter
339, 698.
Steinwerkieage, in Malacca 832.
Stelnieit, Bevölkerung zur 78, der Lausitz und
ihre Beziehungen zu der Steinzeit anderer
Länder 71, in Russland 418, 419.
Steinieltfkinde aus Höhlen des Küstenlandes 31.
Stelnieltllebe Ornamente aus Pommern 702.
Stelniett^ioden in Brasilien 342.
Stendal, Nachtigal-Denkmal 469, 484.
Steppenflara, diluviale 889.
Sterne, die, der Frauen, Indiarersage 644.
Stevens, Yanghan, Reisen in Malacca 829, 869.
Stlchornament in Weßtpreussen 748.
Stierkapf mit Doppelbeil, Symbol des Zeus 700.
Stimme, tiefe, eines frühreifen M&dchens 470.
Stliikthler, das. Indianersage 575.
Stirnkinde der mexikanischen Könige 120.
Stirnbinden, goldene, in der Mixteca 120.
Stöckbeim, Altmark, Hünenbett 680.
StSpseldeekel 750, 761, gezeichneter 584.
Stonebenge (England) 242.
Stradoniti, Böhmen, Bronseringe mit Knöpfen,
Warzen 814, 878.
Strobteller von Cjpem 39.
Stfindeckel 77.
St Yeitaberg, Istrien, Gräberfeld der Hallstatt-
zeit'8L
Saccinit, Bemsteinart 288, im Süden 293.
Sndlner (Pruzzen), Yolkstamm in Ostpreussen 768.
„Söd-Amerika'' Zeitschrift 490.
Soe? Iscbe Hausform 648.
Sola, Photographien 348.
Siunatra Anthropophagen 351, Photographien
237, Reizsteine 351.
Sompitan, Blaserohr in Malacca 834.
Suttra frontalis persistens 863, 382, 706.
SfaraT bei Unho$t, Böhmen, Bronzering mit
Warzen 878.
Sjkauiore in Aegypten 107, 637.
S^iibtllscbe Darstellungen der Waage und des
Gewichts 528.
Sjnunetrie, Abweichungen von der, am Rumpfe
der Handstandartistin 192.
Sjncbondraals spheno-occipetalis offen 56.
Synergie bei der Handstandartistin 210, von
Muskelleistungen 402.
Syntstaae der Coronaria 55, 56, der Pfeünalit
bei Mikrocephalen 873, 375.
Sjpbllb, Mittel gegen, der Indianer 109.
Sjracns, archaische Gr&ber 410, MuseoArcheo-
logico 410
Sjrlen, Alraune 890, Bernstein 295.
Syrische Pflanzen in Aegypten 664.
Siemei, Körpermaasse von Litauern 804.
T.
Tabak, Monographie über den 811, Kauen bei
den Haussa235, Rauchen, pr&columbiacb«s
8U.
Tabayaa s. Botocudos 25.
nnie der amer. Indianer an der Nordveat-
Küste 385.
TftttawIHe Engländer 880.
TittawIniig der Kebu 48, von Weatafrikanen
113.
Tagalen-Knabe in Berlin 850, 869.
TagesÜcbt, die Entstehung des, Indianersage
687.
Talismane, Alraune als 728.
Ttogeidarf, W. Priegnitz, Broniefund 79.
Taiidecke der Hametzen 390.
Tanikaatume, Altmexico 128.
Tapes (Coroados), Indianer, Brasilien 30.
Tataren in Ostpreussen 767.
Teickninscbel in Küchenresten, Wenchets 86.
Telkwitz, Westpreussen, Bingkragenschloas 747.
TenipelbIM aus den Königsgr&bem von My-
kenae 602.
Tenerifb, weibliche Microcephalevon OrotavaSlS.
Terra sigillata von Seebanaen, AHmark 679.
Terranarei-Cnltiir in Bosnien 886.
Teteraw, Blasehommundstück 852.
Teofel im Togogebiet 59.
Teafdastetne, Teofelstisch 717.
Tbajnger Höhle, Kartenblftttchen S39, 719.
TUerdarsteDiuigen auf babylonischen (Gewichten
523.
Tblere im Hinunel, Indianeraage 165.
Tbierfabeii der Nordw.-amer. Indianer ICl.
Tblerfgoren 329, an Bronieringen 490, ab
Giebelversiemng 682.
Tbiergestahen der abendllndiachen Kunst 4tS,
Tbierkipfe an Bronieringen 814.
TUerkaff, Pfriemen mit, Ketiin 469.
Thierfeben bei Sohwanort 794.
TUerapfN- in Bronieseitgrab von MUilllul
Oberbayezn 824, in Dahome 67.
Tblerreate in Bodenaeeftoiden 846.
(927)
Tkoi als Zusatz za Coca 247, 248.
Tb^nfigirea, phantastische, mit Thierköpfen, von
Torgau 278.
Tbongeritk, neolithisches in Westpreussen 748.
ThMfeAsM, in Rosnien B36, in Brasilien 889, 698,
von Gypem 34 ff., Durchlässigkeit 2&9,
gedrehte, der La T^ne-Zeit 881, ans
Hügelgräbern 267, 268, 270, 275, 276,
slavische 704, 714, Unj?ani 86, Verwend-
barkeit 259.
Thoakagela, gebrannte, von Werschetz 88.
Tlmiperiea, Ungarn 88.
Tboni, Mnseum und Weichseifahrt 767.
Thorwege, altniärkiacher H5fe 682.
TMnchUss, hölzernes.» s. Schlösser.
Ttftf, Bild auf dem Sonnenstein, Mexico 126.
Tiger als Rüstung, Mexiko 116, 184.
TIrjM, das Palladium 608.
TIscUer, Otto f 488, 752.
TiscUerarbeitea von Cjpern 8t K
Tokasee auf Sumatra 851.
Tfcd, xiphodjme Gebrüder 245.
Todte Frau, die. Indianersage 572.
TodteRbMtattiiig in Island 250.
TtdtengNiage bei brasilian Indianern 29.
trtpaetlun tuberosum 248.
Tschecblscbe Ausstellung in Prag 828.
Ts'eschä'atb-Iailianer 160.
Tfirklsmotalk, zu Schmucksachen in Altmezico
120.
TaagMsen, Schädelmessnngen 486.
Tnpalas, Karte 726.
TnpfenwMHMot, neolithisches 77.
Twaao, Schweiz, Höhle mit Kartenzeiohnung
240.
Twitiriagea, Hannover, röm Befestigungen 443.
Tjpea, westafricanische 114.
U.
Oeberlebsel aus früheren Zeiten in Oberbajem
407.
Qlgarea, Verfertiger der Babas 422.
Olealfcb an Nehrungshänsem 791, 796.
l?agaro, Becher der Steinzeit 79, Bronzefunde
92, Bronzeringe mit Knöpfen und Thier-
köpfen 814, Ringgeld 92, Steinzeitfimde
von Werschetz 85.
Uakriater in Aegypten 662.
laterirdlscke auf Rügen 448.
CoterUeftr-FragMent der ^ipka-Höhle 177.
Urform der Fibeln von Glasinac 884.
To4teaoafer, prähistorischer m Sudrussland 422. „. . ,. j ^ i. • o-l- .^^.o..
nx. jj u •!• Tj- on Irieliiulb des Menschen m Sibirien 424.
Todtenreden der brasüian. Indianer 29.
TodteBKhMtiit bei brasilian. Indianern 29.
Ttdteascknick brasilian. Indianer 26, 29.
TodtoMUrre, künstliche 688.
Todteatlaie bei Indianern 29, 80.
Todteawasdinag bei brasilian. Indianern 28.
Tipferel der Haussa 285.
Tintberg bei Oerlingshausen, Befestigung 249. „ "*«^— , *o/»
m Ax 4 AU I • 7j D 1- • CO üraeadeckel nut Loch 186.
Togottiauie, Anthropologie 44, Religion 58.
Tolkeult, Westpreussen, Steinzeitfunde 78, neo-
lithische Ansiedelung 748.
Topfiitelne, zum Formen der Töpfe 344.
Topfstfitiea, Ungarn 88.
Dme mit Halsschmuck von Jablau, West-
preussen 748, derBotocudos 27, doppel-
conische 761, mit mehrfach durchlochten
Henkeln 760, in brasilischen Höhlen 28,
von Hochstüblau 186, von Ketzin 459,
8. Fensterumen, Gesichtsumen, Pagoden-
umen.
UmealUd bei Münchchofe, Kr. Nieder- Barnim
470.
UraeafHedbof, Anderlingen, Hannover 158, in
Ungarn 94.
• k.ij /TT • i. i. 1- \ • j Ali-» u üTö I ünenfnad von Nickelsdorf, Ostpreussen 789.
Toibaidf (Enca tetralix) m der Altmark 679. ' »,. . rr r.«
"^ Dmesgriber in Ungarn 98.
If'raoaban in einem Hügelgrabe der Hallstatt-
Tordos, Siebenbürgen, Grubenomamcnt 76.
Steinzeitfunde 71.
Torgaa, Kinderspielzeug 278.
Torgaten, Verbrennen und Begraben bei den 422,
Tracbtea in Altmexico 117, in Rügen 446.
Tra€btea-.«a8eiM 409, 872.
Trantvatl, Basuthoperlen 899.
Tranbeakirtcbe in Pfahlbauten 102.
Tribatlltte, Altmexiko 124, 180.
Trigbv in den julischen Apen 38.
TrÜkala, Thessalien, wilder Mensch in 817.
Tri^Mtnui, Os 860.
Tro)«, Bernstein in 295.
Trojaalsebet Muster eines u^haischen Gerithes
410.
zeit 271, 276, an Trompetenmundstück
847, bei St. Lucia, von Karfreit 31.
Vnpraag der Lachse und des Feuers im Volks«
glauben der N.-W. Indianer 578.
Urzeit des deutschen Volkes und das Ent-
stehen und Vergehen der Stämme und
Völkerbünde 871.
OsaMbara, das Innere von 693.
Utrecbt, Erzbischöfl. Bibliothek, Evangeliar des
heiligen Bemnll^ Gemme 609.
V.
faectalMi myrtillus, Heidelbeere 104, vitis
idaea, Preisseibeere 104.
(928)
Yampjre im wotjakischen Aberglauben 425.
Yan-See, Keilinschriften 810.
Yancoufer-Insel, Felsenzeichnung 160.
Yasen von Cypem 35.
Yerbena officinalis im Aberglauben 744.
YerbreltoDg der Babas 422, der Steingräber in
der Mongolei und Sibirien (die sogen.
Kereksuren) 421.
Yerkrennen und Begraben gleichzeitig, bei Tor-
guten 422.
YeHIcknng der Articulatio phalangea prima bei
einer Handstand-Artistin 190.
Yeredelang der Obstarten 109.
Yerein von Alterthumsfreunden im Rheinlande,
Bonn, 50 jähriges Jubiläum 689.
— für Lübeckische Geschichte und Alter-
thumskunde 338.
— für Volkskunde 872.
Yereiolgung, freie photographische 898.
YfrhandluDgen des YIII. russischen Archäologen-
Congresses in Moskau 1890, 414.
YerIftsDog an einem prähistorischen Oberarm-
knochen von Mühlthal 360.
Yersandete Bäume auf der kurischen Nehrung
794, Dörfer der kurischen Nehrung
798.
Vertreter fremder Völker in Berlin 869.
YerwaltoDgskericht für das Jahr 1891 866.
Yerwttterong, näpfchenartige, an Steinen 721.
— des Bernsteins 291.
Yictoria, Venezuela, Landkartenstein 254.
Ylehittcht der Haussa 236.
Yigoa sinensis in Aegypten 660.
YUai-Tangnsen, Schädelmessnngen 437.
Ylrch^w, R., Ernennung zum Ehrenpräsidenten
577.
— -üedaiilf, Ueberschuss 875.
— -Stiftong 875.
Ytcakalar aus WestaMca 45.
— aus Togo 59.
Yölkerstlmme Malaccas 829.
Yllkerstrasse durch die Schweiz 333.
YllkerKandemng, Funde in Bussland 416.
Yfgdfigarfn aus Bronze 332, 334.
Yfiksglauben auf Rügen 447.
Yelkskaoile, National-Museum 326.
Y^lkslicder, philippinische 436.
Yolksmedldo 407.
Yoiksptesle, wotjakische 425.
Yolbsagen, isländische 250.
Y^lkstrachlfn, ihr Alter 324.
Yolksthumliches aus Rügen 445.
Yorderarm, kurz bei Westafrikanem 55.
Yffdensleii, Doppeläxte 461.
Y^riaNlele 409.
Yardlele 497.
YargescklehÜlcbf Alterthümer in Moskau 416.
— Eartenzeichnungen in der Schweiz 237,
— Trompeten, im Norden gefundene 847.
Vorgeschichte der Obstarten der alten Welt 97.
Vorlauben 786, an einer litauischen Elete 799,
an litauischen Häusern 798.
Vorlaobenhiaser, westpreussische 786.
Vorrathsbaiis s. Klete.
Yorslaflsche Funde abs der Nieder - Laositi
588.
YorsUnd, 3, Neuwahl für das Jahr 1892 876.
W.
Waage und Gewicht, symbolisch dargestellt 528.
Wa4en, gute, bei Westafricanem 48.
Wadj Asludj im Negeb, Schädel 578.
Wigungen orientalischer Fmidstdcke aus Gold
530.
Wille und Wallgraben in Ostprenssen 789.
Waflea der La T^ne-Zeit 830, der Waldbewohner
in Malacca 834.
Waknssn-Neger, Maasse 44.
Wal, der, und die Knaben; Indianersage 63S.
Wallaf, Rhein, Bing mit Knöpfen und Thier-
köpfen 490.
Walmdach eines litanisehen Hauses 799.
— der schwarzorter Häuser 796.
Waltersderf, Kr. Teltow, Steinzeitfunde 72.
Wandhenorf altgermanischer Hütten 466.
Wangen am Bodensee, Steinzeitfunde 76.
Warka (OrchoS), Assyrien, Goldring 581.
Wamicker Forst, Ostpreussen, Kenlenknopf an
Bronze 850.
»Waaserhaar*' der Eingebomen Ton MaUeca
845.
Weherei der Haussa 288, in OstpreosseB 486i
Wechselhllge auf Rügen 448.
Weiher, die weissen, auf Rügen 458.
Wetchselflütft bei Thom 767.
WethnachtshaiM 485.
Weihraach in Aegypten 666.
Wel- Neger, Messungen 45, 66, Skekt 63.
Weisse Frau, auf Rügen 454.
— Haare eines Eingebomen ^n MaUera
846.
Wellen in Aegypten 661, 665.
Wellenemaiient in dem Burgberg Ton Djakowo
bei Moskau 428.
Wellenlinien auf einem DilurialfBAd Ton PM-
most 176.
Welthandel des Bernsteins, alter 296« Wegr
299.
Wenden in der KiederUnaiti 819.
Werhellfli Westprenssen, Haut 187.
(929)
Wtreebeti, Ungarn, Ansiedelung 94, Steinzeit-
fände 85.
WestifHciBer, Anthropologie 44, Körpergewicht
der Dahome 110, Leute in Berlin 113,
T&ttowirung 118, Typen 65, 114.
Westeregelo, Doppelazt 460.
Westfalen Ausgrabungen 249, Bernstein 203.
WestfUbcber Proviniial- Verein für Wissen-
schaft und Kunst, Jahresber. 157.
Westfrankreich, Becher, Steinzeit 79.
Westbeeren, Altmark, Silberfunde 680.
Westprenisen, archäologische Forschung 746,
Bronzezeit in 747, Burgwftlle 178, 751,
pr&historische Denkmäler 748, Depotfund
749, Friedensau 747, Gesichtsumen 747,
Qiebelverzierungen 188, Hacksilberfunde
751, Häuser 187, Hallstattzeit 749, Hirsch-
feld, Hirschhomhammer 749, La T^ne-
Gräberfelder 747, Lenzen, Burgwall 751,
Münzen 187, neolithische Zeit 748, Ox-
h5ft, Steinzeit 748, rdmische Zeit 750,
Schläfenringe 751, Schlossberge 178, sla-
vische Funde 751, Steinbilder 747, Telk-
witz, Ringkragen 747, Tolkemit, Stein-
zeit 748, Urnen 186, Toraugusteische
Münzen 229, Yorlaubenhäuser 786, Willen-
berg, Alt aus Eichhorn 426, Wohnhaus ohne
Schornstein in der Weichsel-Niederung
725.
Westprenssisebes Provinzial-Museum 829.
WlddergeaUlt als Gewicht 522.
Wld4fr-ilpfe aus Bronze 833, 334.
Wie die Thiere den Himmel erstiegen. In-
dianersage 165.
Wien, altmezikanischer Federschmuck 144.
Wiesbaden Museum 490.
WIUnger-Anklinge in Ostpreussen 763.
Wll^ Eingebome von Malacca 837.
— Pferde 24.
WiMer Mensch in Trikkala, Thessalien 817.
WiMscbweln zur Steinzeit 86.
WUlenselnfloss, Wirkung auf Muskeln 683.
Winkibnen, Ostpreussen, Bronzefnnde 760.
WInkel-Omanient, neolithisch, Pommern 70.
Wintbertbur, Schädel 381.
WIHel von Cypem 40, riesige 41, hölzerner
42.
— Steinzeit, Ungarn 89.
Wlaklaaten, Ostpreussen, Hügelgrab der Stein-
zeit 758.
Wismar, Bronzebeschläge für ein Blasehom
858.
WIssenscbafUlcbf Weisungen an Reisende 578.
WItteUnMnrg bei Bulle, Ausgrabungen 249»
489.
VerhandL der BerL Antbropol. GeteUachrnft 1891.
Wubnbinser der Botocudos 27.
Wohnplats bei Lockwitz 466.
Wohn- und Werkstätte am Dnjepr 419.
WohnnngfD der deutschen Yölkerstämme 871.
Wolfssabn-Omament auf neolithischen Knochen-
platten 753.
Wollln, Pommern, Gräberfeld u. s. w. 589, 708,
slavische Schädel 704.
Wstjaken, Kannibalismus bei den 425.
Warfbrett auf dem Stein Ti^oe's 127.
WnnelniinDcben zum Schatzsuchen u s. w. 728.
Xlpe, Gott der Mexicaner 135.
Xlpbf^jme Gebrüder Tocci 245, 869.
Upbodjnüf 366, bei Thieren 370.
Y.
Tepl, Mexico, Gott der 134.
Tmba, WesUfrica, 65, 69, 231.
Scbidel 55.
Z.
llbne, Abnutzung der, in Alaska 395.
~ vorspringende der Jakun, Malacca 84Ö.
Zablselcben, arabische, früheste 464.
Zabnstand der Artistin Petrescu 189.
Zanbos, americanische Mischlinge 279.
Xa^tekiseber Kalender 156.
Zamowits (W.-Preussen), Burgwall 184, Kloster
185.
Zauberei 407, mit Alraunen 781.
Zauberer der Guaycurus 25.
Zanberfemiel für Schatzgräberei 408.
Zaanrftbe (Bryonia) als Alraun 739.
Zebu, Fettbuckel der 470.
Zeicbenstelne und Beckensteine 723.
Zelcbnnngen weiblicher Kopftrachten 354.
Zelt der Gorodischtsches 423, der Mongolen-
gräber 421.
ZelteIntbellunK der alten Aegypter 652.
Zeltscbrlft für deutsch-südamerican. Interessen
„Süd-America« 490.
Zeltstellung der Bronzesporen 5%.
Zeus, Bild aus Hium 463, Symbole des 700.
Ziege zur Steinzeit 86.
Zierpflanzen in Aegypten 660.
Zibikanal, Schweiz, Funde 329.
Zhnbabje (Zimbäoe), Süd-Africa, Ruinen 348,
877.
Zlnnbrtme, Kaukasus 355.
ZInkbrtnze 357, 751.
Zlatlhf, Bosnien, Ansiedelung 337.
Zueben, Pommern, Bronzeschmuck 407.
Zuckerrthr in Aegypten 660.
58**
(930)
Zfirich und das schweizerische Landesmuseum i Zwtebelgew&cbse in Aegjpten 666.
380, Skelet 381. twUling, defecter, parasitärer 429.
ZusaunnenTorkommen von Steinhämmern mit Zwillinge, xiphodyme 366.
Metallbeigaben in Gräbern 756. . Zwölften, die, auf Rügen 449.
Zwerge von Arkona, Sage 455. Ed. Krause.
Druckfehler*
Seite 680, Zeile 4 von unten lies Wächter statt Wecker.
„ 716, „ 9 „ V n Silberberg statt Galgenberg.
Draek tod Oebr. UBf«r In B«rUn, 8eh5neb«rgernnMe 17 a.
Nachriehten
über
deutsehe Alterthumsfunde.
1891.
Mit Unterstützung
des Königlich Preussischen Ministeriums der geistlichen, Unterrichts-
und Medicinal - Angelegenheiten
herausgegeben von der
Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie
und Urgeschichte
unter Rodaction von
R. Virchow und A. Voss
Erg&nzangsbl&tter zur Zeitschrift ffir Ethnologie.
BERLIN.
Verlag von A. Asher&Co.
1892.
Inhalts -Verzeicimiss.
Seite
1) Bronzefande aus dem Rhein 1
2) Der RingwaU von Walsleben, Kr. Buppin, Prov. Brandenburg (Abb.) 2
3) Das Gräberfeld von Kossewen, Kr. Sensburg, Ostpr. (24 Abb.) 20
4) Sammlung in üetersen bei Hamburg (Abb.) 28
5) Ausgrabungen im Kr. Obomik, Posen.
1) Umenfriedhof von Stobnica (4 Abb.) 29
2) Umenfriedhof von Kowalewko (3 Abb.) 30
6) Fund von arabischem Silber bei Pinnow, Vorpommern 31
7) Merowingische und römische Graber bei Ehrang, Trier 31
8) Römische Funde bei Miltenberg, Baden 31
9) Bohlenweg bei Daune, Hannover 32
10) ürnenfunde bei Gerwisch, Burg bei Magdeburg 32
11) Funde bei der Ausgrabung des Nord-Ostsee-Kanals in Holstein 33, 56
12) ümenfeld zu Bek, Schleswig 85
13) Ausgrabungen auf dem Burg- und, Lorenzberg bei Kaldus, Kr. Kulm, West-
preussen 87
1) Der Burgberg. 2) Der Lorenzberg (11 Abb.)
14) Gräberfeld bei Kulm, Westpreussen 40
15) Funde aus der jüngeren Stein-, der älteren Bronze- und der Hallstatt- Zeit in
Westpreussen 43
16) Neolithische Fundstelle von Mildenberg, Kr. Templin, Prov. Brandenburg (8 Abb.) 46
17) Rheinische Funde
1) Aus dem Bericht der Verwaltung des Prov.-Mus. zu Bonn 49
2) Aus dem Bericht der Verwaltung des Prov.-Mus. zu Trier 61
18) Schanzen in der Provinz Posen.
1) Schwedenschanze bei Baranowo A, Kr. Strelno 52
2) Schwedenschanze bei Lubin, Kr. Tremessen 53
19) Gräberfelder bei Tschammer-EUguth und Adamowitz, Kr. Gr.-Strehlitz, Schlesien . 56
20) Prähistorische Fundstellen aus Westpreussen und dem östlichen Pommern .... 57
(Kr. Bereut, Putzig, Carthaus, Lauenburg, Stolp).
21) BurgwäUe von Stangenhagen, Kr. Jüterbogk-Luckenwalde, und Zauchwitz, Kr.Zauch-
Belzig, Prov. Brandenburg (Abb.) 60
22) Bronzefund von Berlin (2 Abb.) 64
23) Hügelgräber von Havemark bei Genthin, Prov. Sachsen (Situationsskizze) .... 65
24) Gräberfelder von Schermen, Kr. Jerichow I., Prov. Sachsen (4 Abb.) 68
25) Brandgrube von Bruchhausen bei Heidelberg 70
26) Gussformen von Falkenberg, Kr. Beeskow-Storkow, Prov. Brandenburg (2 Abb.). . 71
27) Gräberfeld bei Rusdorf, Kr. Crossen a. d. Oder (4 Abb.) 72
28) Alamannische Gräber an der oberen Donau 75
29) Archäologische Landesaufoahme in Württemberg 77
30) Gesichtsiimen von Liebschau, Kr. Dirschau, Westpr 79
IV
SeiU»
31) Burgwälle in den Kreisen Berent, Stargardt und Neustadt, Westpreossen .... 81
1) Schwedenschanze h. Schadrau (Sitnationsskizze), 2) ScMossherg bei Schlossberg
(Situationsskizze), 8) Schwecki Ostrow bei Lissaken, 4) Burgwall Ton Neu-Barkoczin^
5) Burwark bei Skurcz, 6) Schlossberg bei Casimirs.
32) Vorgeschichtliche Erwerbungen des M&rk. Prov.-Museums in Berlin S8
1) Skelet von Rosenthal bei Berlin, 2) Feuersteinbeil aus Alt-Berlin (Abb.), 8) Spiral-
plattenfibel von Rudow, Kr. Teltow (Abb.), 4) GrÄberfande von Rusdorf, Kr. Crossen
(26 Abb.), 5) Gräber bei Mühlenbeck, Kr. Nieder-Bamim (2 Abb.).
33) Pr&historische Fundstellen bei Liebstedt, Amt Weimar, Grossh. Sachsen-Weimar . 94
1) Abfallgrube, 2) Steinkistengrab, 3) Slavisches Gräberfeld.
34) Bronzeschwert aus der Weser von Vlotiio, Prov. Westfalen 96
Geographische Uebersicht nach Ländern nnd Provinzen
(nach den Nummern dos Inhalts •Verzeichnisses). Kr.
Baden 8, 25
Bayern 28
Hamburg 4
Hessen 1
Preussen :
BerUn . . . . ' 22, 82
Brandenburg 2, 16, 21, 26, 27, 82
Hannover 9
Ostpreussen 3
Pommern 6, 20
Posen ö, 18
Rheinprovinz 7, 17
Sachsen 10, 28, 24
Schlesien 19
Schleswig-Holstein 11, 12
Westfalen 34
Westpreussen 13, 14, 15, 20, 80, 31
Sachsen- Weimar 33
Württemberg 29
Bibliographische Uebersicht ttber dentsche (nnd benachbarte) Alterthnmsftade
für das Jahr 1800.
(Schluss.)
B. Fundberichte. Srit»«
IL Gräber 2
III. Einzel- und Sammelfunde, Funde ohne Ortsangabe S, 17
IV. Inschriften, Skulpturen, KulturgegcnstSudc 18
Erginznngsblätter zur Zeitsckrlft fttr Ethnologie.
Nachrichten ober deutsche Alterthamsfande.
Mit ünterstützmig des Königlich Preuss. Mimsteriums
der geisüichen, Unterrichts- und MedicinaJ - Angelegenheiten
herausgegeben von der
Berliner Gesellschaft fttr Anthropologie, Ethnologie nnd Urgeschichte
unter Redaction von
R. Virchow und A. Voss.
Bronzefunde aus dem Rhein.
Bei Baggerarbeiten zwischen der Ingelheimer Ane und der Petersane in dem
Rhein wurden vor einigen Tagen wiederholt Funde gemacht.
Zu den interessanteren Gegenständen gehört eine Anzahl ron Bronzebarren,
die an einer und derselben Stelle zu Tage gefordert wurden. Es sind über 50 Stück.
Die Barren haben die durchschnittliche Länge von 23 cm, doch sind auch
einige kleinere von 19 rm und weniger dabei. Ihre Höhe beträgt etwa 1 cniy die
untere Fläche ist 1,5 cm breit. Die schmälere obere Fläche ist bis zu den ab-
gerundeten Enden mit vertieften Strichen bedeckt, die jedoch so verschliffen sind,
dass man nicht mehr unterscheiden kann, ob sie zur Verzierung gedient haben;
letzteres ist bei Gussbarren übrigens wohl kaum anzunehmen.
Das Gewicht der einzelnen Barren schwankt zwischen 220 — 265 g, der ganze
Fund wiegt \0 kg 3b4 g. Zugleich mit einer Anzahl dieser Barren wurde eine
Bronze-Pfeilspitze von 7,6 cm Länge mit Widerhaken und einer Oehse an der Tülle
ausgebaggert. An derselben Stelle fand sich ein geperlter Bronzering, dessen
innere Weite ""nur 1,5 cm misst; in regelmässigen Abständen gruppiren sich um
denselben 4 Stierhäupter, deren lange Homer gleich Stacheln von dem Ringe ab-
stehen.
In der Nähe dieser Fundstelle wurde nach und nach eine Anzahl Yon Bronze-
fibeln mit geschlossenem Fusse (sog. später La Tene-Typus) und mehrere, dieser
Form nahestehende, römische Schamierfibeln aus Bronze erhoben. Diese kleinen,
verschiedenen Zeiten angehörigen Gegenstände können wohl zusammengeschwemmt
worden sein; die auf einer Stelle gelagerten Bronzebarren aber dürften vielleicht
als Theil von der Ladung eines Fahrzeugs zu betrachten sein, das die Yorräthe
eines Händlers barg und an jenem Platz gesunken ist.
'Die Funde gingen in den Besitz des hiesigen Museums über.
L. Lindenschmit Sohn (Mainz, 11. März).
Der Ringwall von Walsleben, Kreis Ruppin, Provinz
Brandenburg.
Sudwestlich von dem Dorfe Katertow bei dem Vorwerk Charlottenthal ist in
der QeneralstabBkarte mid auch anf mehreren anderen ein „Hunenwall" rerzeichnet-
Derselbe liegt auf der Feldmark des Rittergutes Walaleben, hart an der Qrenze
der sUdlicfaen von den beiden kleinen Meklenbnrgischen Enklaven, welche die
Priegnitz von der Grafachaft Rnppin trennen. Die kleine Temnitz flieset dort
dnrch ebene fruchtbare Wiesen, in deren Mitte sich der ziemlich weithin sicht-
bare Bingwall erhebt. Es war ursprünglich wahrscheinlich ein natürlicher Sand-
hügel, der wegen seiner gesicherten Lage im morastigen, wiesigen Terrain zn einer
Befestigung nmgeschaffen wurde. Die Anlage ist kreisrund und bia auf einen
kleinen Theil im Osten, wo Erde abgegraben ist, noch rollkommen erhalten. Die
Höhe des Bangwalles beb^ nach innen 10—13, nach ansäen 15, die Breite an
der Basis etwa 25 Pnsa.
Der Umfang im Innern des Walles misst 440 Schritte. Den äuBseren Umliuig
konnte ich nicht messen, weil mehrere Stellen wegen des hohen Wasserstandes
unpassirbar waren. In der Uitte macht sich eine kleine Erhöhung bemerkbar,
vielleicht der ursprüngliche natürliche HUgeL
Anf der Ostseite, wo E^rde abgegraben war, fand ich eine Uenge grösserer
und kleinerer Steine, die theilweise Sparen von Brand zeigten, und einen Thon-
Scherben aus altgermanischer Zeit, der es wahrscheinlich macht, dass wir hier
eine altgennanische Befestigung vor uns haben, wohl eine der schönsten nnd
beaterhaltenen, welche in der Mark noch za finden sind. M. Weigel.
Bibliographische Uebersicht Über deutsche Alterthumsfunde
für das Jahr 1890.
Bearbeitet von Dr. F. Hoewes.
B. Fnndberichte.
n. erlber.
(Portsetsnng.)
Pohaen, Kr. Qnben, Brandenb., ünenfriedhof Popelkan b.Eichpn,Kr. Wohlan, Oitpr., Oittfr-
(jäng. LsDBiti. Tjp., Debergang v. Ballst , feld. Steinpack., Knochenschirht m. Vn*v.
I. La Tene, 4. Jahrh. r. Chr.). Knochen- Bronie- Fibeln, -Amibnistr u. SproM«>iifibdi.
nrne, Beigef., RSach^rgeflaa, Thonklapper. | -Annringen, -Schnallen, Ofatring, Bin^
JenUch: Mitlh. Niederlana. Qes. S. b&i. bmchatücken, eis. Heuern, Zengrectai;
— 3 —
Pferdeskelet; sUb. Annring, Bernsteinperlen.
Bujack: Sitzgsb. Pmssia S. 177.
Pulkau, Haasgräber, s Ansiedlungen.
Putzig, Bronzeringe, Colliers u. Glas-
perlen a. e. Kistename (HaUstatt). Ber.
westpr. Prov.-Mus. S. 12.
— (Kreis). Urnen (Hallstatt). Bv. westpr.
Prov.-Mus. S. 12.
Baakow, Kr. Amswalde, Brandenb. Thon-
gefässe a. d. Gräberfeld. Voss: Amtl. Ber.
Sp. XXXXI.
Ragelsdorf, s. Ansiedlungen.
Ramsdorf b. Tittmoning, Gräber (Hallstatt).
Bronzeringe, gebog. Messer, Thongefässe,
Urnen, verbrannte Knochentheile. Anz.
germ. N.-M. S. 67.
Rappenau, Bad., Grabbugel. Bronzeringe,
Waffen, Umenscherben. Wagner: Praehist.
* Bl. S. 89, Antiqua S. 31.
Ravensburg, Württ, vorgeschichtl. Gräber.
Tbongefäss. (Nagel) Maller: Antiqua S.13.
Reicbersdorf, Kr. Guben, Brandenb., vorslav.
Brandgruben (8.-4. Jahrh. v. Chr.). Asche
m. Knochenresten, Gefässe, thön. Spinnwirtel,
Thongegenstand (Untersatz od. Spahnhalter?).
Eis. Messer, Rasirmesser, -Scheeren, -Näh-
nadel, -Schlüssel, -Schnallen, Fibeln (band-
forrn.) a. Eis. u. Bronze, Bronzenadel.
Jentsch: Verh. BerL Ges. Anthr. S. 853.
— , Gräberfeld m Urnen d. niederlausitzer
Typus. Eis. Nadel, -Sichel, Bronzenadeln,
Beigefässe a Thon (tassenfSrm., Kännchen,
Räuchergefässe m. Teller), Steinhammer.
Jentsch: Verh. BerL Ges. Anthr. S. 357.
Rekawinkel, röm. Grab. Gewölbe, Umen-
scherben. Karner: Monatsblatt d. Alter-
thnmsver. Wien, Jahrg. 7, Bd. 8 S. 54.
— , Grabgewölbe in e. Tumulus. Karner:
Mitth. Centr.-Comm. S. 220.
Remagen, Gräber. Thongeschirre , Glas-
f] äschchen, Kuppe. Klein: Jahrb. Alter-
thnmsfr. RheinL S. 208.
Retz, Niederöstr., Gräber (HaDstatt). Platten-
gräber, cjclop. Steinmauerungen, Häus-
gräber. Urnen u. Beigef., z. T. graphitirt.
Skelet m. eis. Messer, eis. Streitaxt, Bronze-
knöpfen, Pferdezaum a. Eisen, Knochen vom
Schaf, Gefässe, Pferdeknochen. Spöttl:
Mitth. anthr. Ges. S. 90.
Rodmannshöfen, Kr. Königsberg, Ostpr.
durchlochte Deckel aus e. Hügelgrab.
(Heydeck) Bujack: Sitzgsb. Prussia S. 166.
Römershof b. Ascheraden, Livl. Bronzeringe,
Glasperlen u. s. w. a. d. altliv. Gräberfelde.
Voss: Amtl. Ber. Sp. XV.
Rönnau (Gross-), Kirchsp. Segeberg, Gold- u.
Bronzefund aus e. Grabhügel Ber. Schlesw.-
Holst Mus. S. 11.
Rossen bl Merseburg, versch. Funde a. d.
Giäborfeld. Voss: Amti. Ber. Sp. XU.
Romano di Lombardia, Transpadana, röm.
Gräberstätte. Not- d. Scavi p. 272.
Rondsen b. Graudenz, Gräberfeld (La Tene).
Brandgruben u. Umengräb., Beigab, a.
Bronze u. Eis. (Gürtelhaken, Fibeln,
Schnallen, Sporen, Messer, Schwerter u.s.w.).
Ber. westpr. Prov.-Mus. S. 13.
Rosenthal, Kr. Nieder - Barnim , Brandenb.
Urnen, Beigef. u. Beigab, v. Bronze u.
Knoch. a. d. Gräberfelde. W ei gel: Amtl.
Ber. Sp. LXXVL
— b. Berlin, Mühlsteine, Umenscherben, (Ge-
rippe, Goldbrakteat u. Silberfibel, heidn.-
germ. (600—800 n. Chr.). Friedel,
Bartels: Verh. Berl. Ges. Anthr. S. 518,
520. Mitth. d. Ver. f. d. Gesch. Berlins,
S. 135.
Rothenburg, Oberlansitz, Steinkistengräber.
Buckelume, Krüge, Tasse, Schleuderstein
a. Granit, Bronzenadel. Feyerabend;
Verh. Berl. Ges. Anthr. S. 258.
Rudolfswerth, röm. Grabstätte. Urnen, Schalen,
Ampeln, Glaswaaren, Bronzenadeln. Anz.
germ. N.-M. S. 68.
— , Krain, Gräber m. Leichenresten. Schwerter,
(d. eine a. La Tene), gold. Ohrgehänge,
Bronzefibeln, -Schnallen, -Ringe, Schalen,
Urnen a. Glas u. Thon, Töpfe, Münzen.
Tumulus m. Thongef., Bronzeperlen, Pferde-
Geschirrschmuck. Anz. germ. N.-M.
S. 92.
Rümlang (Zürich). Röm. Thontöpfchen (3)
mit Asche und Erde. Anz. Schweiz. Alt.
8. 310.
IS^aarburg, Grube m. Mauerwerk u. Sandstein-
blöcken. Münzen (Hadrian), Thonscherben,
Menschen- u. Thierknochen. Anz. germ.
N.-M. S. 93.
Saarow, Kr. Beeskow-Storkow, Brandb. Thon-
gefässe a. e. Gräberfeld. Weigel: Amtl.
Ber. Sp. LXXV.
Saint^G^rard, Prov. Namur, Belg. Frank.
Gräberfelder. Schuermans: Wd. Z.
8. 814.
Salins, Wallis. Gräber m. Bronzearmringen.
Ritz: Anz. Schweiz. Alt. S. 310.
Salzburg, Kapuzinerberg, röm. Gräberfeld.
Aschenamen, Glasume m. Knochenresten,
Messer, Thränenfläschchen, Fibeln, Arm-
spangen. Anz. geim. N.-M. S. 39.
— 4 —
San Antonio di Monte veglio, Cispadana.
Brizio: Not. d. Scavi. p. 206.
— b. Caporetto, Kriegergrab, üme a. Bronze
m. Lanzen, Gelten, Paalstab, Sponton, Beil
a. Eisen, eis. Armband, Scbleifstein. Mar-
chesetti: BoU. Soc. Adriat. p XIV.
Sanct Jacob b. Fölling, Bay., Steinkisten-
gräberanlage, im Tuflf ausgehauen, Skelette,
e. Schädel m. schön erhalt. Gebiss, Schwer-
ter, Holztheile e. Schwertscheide u. A. —
Kubusartiger Schacht im Tuflf (1888).
Schneller: Beitr. Anthr. Bay. S. 81.
San Giustino, ümbrien, Verbrennungsgrab m.
etrusk. Bronzespiegel (2. Jahrh. v. Chr.)
Gamurrini: Not. d. Scavi p. 178.
San Pietro al Natisone b. Cividale, vor-
geschichtl. Gräberfeld. Marchesetti:
BoU. Soc. Adriat. p. XIV.
Santa Caterina b. Jelsane u. Sapiane, Istrien,
Gr&ber (Hallstatt}. CertosarFibeln, glatt.
Halsring (Torques), Spiral-Armbd. Marche-
setti: BoD. Soc. Adriat. p. XV.
Santo Spirito b. Cittanova, Istrien, Gräber m.
Bestatt. (Bronzezeit?). Knochen, Urnen.
Bronzering. Marchesetti: BoU. Soc.
Adriat. p. XV.
Sapiane s. Santa Caterina.
Savignano sul Panaro, Cispadana. Etruskische
Brandgräber u. Reste aus gallischer u.
römischer Zeit. Crespeliani: Not. d.
Scavi p. 6.
Schallersdorf (Alt-) b. Znaim, Mähr., Reihen-
gräber aus spätest. Heidenzeit. Skelette,
eis. Messer, Lanzenspitze, Streitaxt, henkel-
loses Thongef. m . Wellenlinien-Om. M a s k a :
Mitth. Centr. Comm. S. 45.
Schattau, Mähr., Gräber u. Leichenbrandstelle.
Gefässe m. Asche u. Knochen, Reibstein-
platte, Feuersteine, Klopfer. Thierknochen
(Pferd, Rind, Schaf), Bronzeklumpen u.
-Halsringe. Spöttl: Mitth. anthr. Ges. Wien
S. 97.
Scheinfeld, Grab m. Urnen. Anz. germ. N.-M.
S. 91.
Schellhom s. Drage.
Schierstein b Erbach, Nassau, fränk. Gräber.
Skelette, Waflfen, Schilde (verwitt.) m. eis.
Umbo, Bronzebecken, Urnen u. Gef., glas.
Weinbecher, silb. l^beln m. Almandinen,
Falken- u. Scheibenfibeln, silb. Armbänder,
m. Federschluss, Schnallen a. Bronze od.
Weissmetall, Bronzeringe, Glas- u. Perlen-
schmuck, Bernstein, Bronzebeschlagstücke
V. 'Schmuckkästchen, Nadeln m. Oehr,
Pinzetten, Beinkämme, Glas - Fingerring,
Glasflasche, Münze, Thierknochen o. A. K.-It.
Gesammtver. S. 15. Florschütz: Ebeml;!
S. 30. Ann. Ver. Nass. Alt. S. 28.
Schierstein b. Erl^ach, Nass. Wurfspie«-.
Schwert v. Eisen, Trinkgefäss a. GLi>,
fränk. Kupfermünze vom Grabfelde. Ottu:
K.-B. wd. Z. Sp. 226.
— (Frankengräber). Trinkgefäss a. Glas vi.
erhab. Linienverzier., Kupfermünze. Anr..
germ. N.-M. S. 94.
— Fränk. Grabfunde. Voss: AmtL B»*r.
Sp. xm.
Schiphorst, Kr. Lauenburg, Schlesw.-HoKt.
Bronzeschild a. e. Hügelgrab. Weig»»!
AmÜ. Ber. Sp. LXXVIII.
Schlagenthin, Kr. Konitz. Bronzering e. Rinc-
halskragens (Hallstatt;. Ber. westpr. Pro\.-
Mus. S. 13.
Schlesien. Thongefassc m. Bronzebeiga^v
Weigel: Amtl. Rer. Sp. LV.
Schönlanke, Gräberstelle (in d. Nähe Wohn-
stätte). Urnen (e. Mützenume) m. Leich» n-
brand, in Steinkiste, Beigefässe, Bronze-
Fingerringe , Bemsteinperle . B n c h h o 1 7 .
Verh. Berl. Ges. Anthr. S. 875. K.-B. <;»-
sammtver. S. 63. Anz. germ. N.-M S. .'*».
Schönow b. Berlin, Gräberfeld (La Ten« .
Urnen, Bronzeohrringe, eis. Busennadel m.
Bronzeknopf, eis. Ringe u. Spiralen. An/,
germ. N.-M. S. 39.
Schretzheim b. Dillingen, alemann. Reihen-
gräberfeld. Skelette, Bronze - Ohrring'-,
-Gürtelbeschläge u. -Gürtelschnallen« -Zi» t-
Scheibe, -Nadel, Halskette a. Thonperl'^n u
Steinen, ThongefUsse, eis. Messer, Spatha
m. bronzeverzierter Holzscheide u. led. «i--
hänge, Sax u. Ledergurt m. silbertausrl
Eisenbeschlag. Arnold: Nachr. S. M.
Praehist. Bl. S. 87.
Schrotzhofen, Oberpfalz, Grabhügel. Th r
Scherben, Urne, Schüssel, Bestattung
Bronzefibeln, -Gürtel, -Halsschmuck u. \.
Scheidemantel: Praehist. Bl. S. 86.
Schwabmünchen, Bay., Reihengrikber. LaniT.
Skramasax, Pfeilspitze, Thonperle m. 7A<i-
zackom., Thongef. (1888). Weber: Beirr
Anthr. Bay. S. 81.
Schweizerhof b. Zehlendorf, Brandenb. V-r
röm. Umenreste u. Beigab, v. Eis. u. Bn^ni'
a. d Gräberfeld. Weigel: AmtL B«t.
Sp. LXXVL
Schwetz, Westpr. Urnen a. d. Griberf«*!!
Voss: Amtl. Ber. Sp. XLI.
Sdorren, Kr. Johammisburg, Ostpr. Aschm
häufen m. verbr. Knochen, Brouieplattr.
— 5 —
-Kettchen, -Perlen, -Spiralen, Eisenfragment,
Umenstücke. Bujack: Sitzgsb. Prussia
8. 177.
Sdorren, Kr. Johannisbnrg, Ostpr., s. Wiska.
Seddin, Kr. West-PriegnitZj JBrandenb. Thon-
gefässe m. Eisen- a. Bronzebeigab, a. e.
Gr&berfeld. Vos8: Amtl. Ber. Sp. XI.
Sellessen, Kr. Spremberg, Brandenb. Vorröm.
Schale u. Thonscherb. vom Gräberfeld.
Weigel: AmtL Ber. Sp. LXXV.
Sensina, Wallis. Gefäss a. Bronzeblech m.
Linearem., Armringe u. Fibelfragmente a.
Bronze. Ritz: Anz. Schweiz. Alt. S. 310.
Siedelberg b. Mattighofen, Oberösterr., Hügel-
gräber. Kohlenstückc, Aschenschicht, Arm-
ringe a. Bronzedraht m. Einkerb., Thon-
schale, omamentirtes Thongefäss (Scherben)
S trab erger: Mitth. Centr.-Comm. S. 87.
— , Hügelgräber. Eisenring, Urne, Dolch
m. Eisenklinge, Bronzegrifif n. -Scheide,
Eisenstück m. getrieb. Linienom., graphitirte
Henkelschalen, Bronzefibelfragment, Gefäss-
scherben, Kohlen, geschwärzte Kugelsteine.
Mitth. Centr.-Comm. S. 136.
Sköm b. Prökuls, Kr. Memel, Ostpr., röm.
Grabfand (?). Bronze-Sprossenfibeln, -Finger-
ringe, Kaisermünzen, silb. Halsring, Glas-
u. Bemsteinperlen. Bujack: Sitzgsber.
Prussia S. 178.
-, Grabfund d. Wikingerzeit. Armringe,
Hufebenfibeln, Halsring, Parirstange, Stab,
sämmtl. aus Bronze. Bujack: Sitzgsb
Prussia S. 179.
Slup in Prag, yorgeschichtl. ümengräber.
Urnen, gestreift, Asche, Gefässstücke, Bronze-
nadeln Jelinek: Mitth. anthr. Ges. Wien
S. 137.
— , vorgeschichtl. Skeletgrab. Schädel, Schüssel
m. Streifen , Bronzenadeln , -Meissel,
-Ringe, Knochenwerkzeuge, Glasgegenst.,
Thonwirtel, Serpentinmeissel , Eisenstücke,
Thierknochen. Jelinek: Mitth. anthr. Ges.
Wien, S. 139.
Sorge (Alt-), Kr. Filehne, Pos., slav. Skelet-
gräberfeld. Skelette, Bronzeringe. Weigel:
Nachr S. 26.
Spirken, Kr. Memel, Ostpr. Bernstein u. ver-
steinertes Holz (?) V. d. Grabstätte. (H e j d e c k)
Bujack: Sitzgsber. Prussia S. 173.
— . Schnallenrahmen a. Eis. u. Bronze, Finger-
ring a. Bronze ans Gräbern. Bujack:
Sitzgsb. Prussia S. 180.
Stargard (Pr.-). Steinkisten u. Urnen u. and.
Gef. a. Steinkisten (Hallstatt). Ber. westpr.
Prov.-Mus. S. 12.
Starkenburg, Hess., bogenförm. Bronzestück
m. Thierkopf aus e. Grabhügel (La T^ne).
Lindenschmit: Praehist. Bl. S. 53.
Staizeddel. Urnen m. Knochenresten, Bei-
gefässen, bronz. Nadelschaft, Steinsetz, vom
Rundwall (vorslavisch). Jen t seh: Verh.
Berl. Ges. Anthr. S. 360.
Steinberg s. Drage.
Steindorf b. Braunschweig, vorgeschichtl.
Skeletgräber. Steinplatten, Skelette, Thon-
gefässe. V 0 g e s : Nachr. S. 60.
Steinfeld b. Stendal, Altmk., Hünengräber.
Feuersteinsplitter. Krause: Nachr. S. 35.
Verh. Berl. Ges. Anthr. S. 414.
Steinhausen, Zug, Grabfund (La Tene). Potin-
münze, Ringe a.Bronze, gebuck.m. Menschen-
köpfen, Bronzering i. Eis. eingeback., Ring a.
Silb. (Nagelschutzring), Fibeln a. Bronze
(e. m. Suastica), Skelette. Heierli: Anz.
Schweiz. Alt. S. 338.
Steinhöfel, Kr.Lebus, Brandenb., Brandgräber-
feld. Steinpackung, Urnen (z.Th. Buckelom.)
m. Leichenbrand u. Beigef. (Schälchen u. A.),
Bronze-Fingerringe u. -Messer. Buchholz:
Verh. Berl Ges. Anthr. S. 373.
Stendal, Altmk., Umoufeld. Gebr. Knochen,
Scherben, Brandschichten, Urne, napfförm.,
m. gebr. Knochen u. Birkenharz. Krause:
Nachr. S. 33.
— . Urnen. Voss: Amtl. Ber. Sp. XII.
Stowen, Kr. Colmar, Posen, Smökberg (Grab-
hügel ?). Steinplatte. V i r c h o w : Nachr. S. 9.
Stolzenhagen, Kr. Nieder-Bamim, Brandenb.,
Gräberfeld (Hallstatt). Steinsetzung, Urnen,
z Th. m. Knochen, Beigef., Bronzedraht,
-Blech. Weigel: Nachr. S. 17.
Stora Hammer, Königshöhe, Schonen, Stein-
grabkammer m. Hausume in Seetang gewick.,
in ders. gebrannte Knochen, Bronzemesser,
-Knopf, -Pfriemen, -Beschlag. Montelius:
Anz. germ. N.-M. S. 67.
Stranzendorf, Gräber (Hallstatt) u. Ansiede-
lungen. Gefässe, Thierknochen (Rind, Schaf,
Hirsch, Reh:. Spöttl: Mitth. anthr. Ges.
Wien S. 64.
Strass, Niederösterr., Mulden- u. Hausgräber.
Urnen u. graphit Schalen, Klopfsteine,
Wirtel, Knochenwerkzeug. Spöttl: Mitth.
anthr. Ges. Wien S. 82.
Strassburg. Röm. Aschenume u. Skelet (1876).
Vinet in Ges. f. Erh. d. bist. Denkm.
Strassburg: K.-B. wd. Z. Sp. 174.
SüUdorf s. Drage.
Tangermünde, Umenfeld a. La Tene. Urnen
m. Knochen, Beigefässe, Bronze - Draht-
— 6 -
Spiralen, -Ohrringe m. Glasperlen, -Ring,
eis. Nähnadel, -Gartelhaken, -Klammer m.
Ringen (Oehsenringe) , -Fibel (La Tene),
-Klammer e. Messerscheide, Feuerstellen
(Steinpflaster, Asche, Scherben m. neolith.
Om.). Hart wich: Yerh. Berl. Ges. Anthr.
S. 310.
— , neolith. Gräberfeld. Skelette, Thier-Skelet
u. Schädel, Töpfchen. (Hartwich) Anz.
germ. N. M. S. 38.
Tarmstedt b. Wilstedt, Hann., Urnen m Bronze-
Beigaben. Voss: Amtl. Ber. Sp. XIII.
Tegel b. Berlin, Urnen u. Beigefässe a. d.
Gräberfeld d. Bronzezeit. Weigel: Amtl.
Ber. Sp. LXXV.
Tenetniki, Galiz., Kurgane. Gefässe m. verbr.
Knochen. Ossowski: Anz. d. Akad. d. Wiss.
Krakaa ' S. 99.
— . Tumuli (Verbrennung). Thongefösse,
Knochenreste. Ossowski: Anz. d. Akad. d.
Wiss. Krakau S. 216.
Thiöblemont-Faremont, Frankr., Schlüssel a.
Bronze a. e. gallo-röm. Grabe. Rey. d.Ghamp.
p. 788.
Thiemendorf, Kr. Guben, Brandenb., Thon-
gefässe (Lausitz. Typ.) a. d. Gräberfeld.
Weigel: AmtL Ber. Sp. LXXV.
Tiege, Kr. Marienburg, Thongefässe, Bronze-
schale m. Leichenbrandrest., röm. Ber.
westpr. Prov.-Mus. S. 13. Anz. germ. N. M.
S.24.
Traunstein, Oberbay., Grab. Bestatt. (LaTfene).
Knochen, Topf, Eisonmesser, Bronze-Fibeln,
-Blech, -Nägel, bogenförm. Bronzestück,
Eisennadel, Bronze zierstück. Hie dl: Prä-
hist. Bl. S. 49.
— . Hügelgräber. Kohlen, calcinirte Knochen
Eisenstücke. Anz. germ. N.-M. S. 91.
Trippeisdorf, Kr. Bonn, u. Battenberg, Kr. Neu-
wied, fränk. Grabstätten. Klein: Jahrb.
Alterthumsfr. Rheinl S. 209.
Truntlack, Kr. Gerdauen, Ostpr., Hügelgrab.
Steinkreis, Scherben, Feuerstein -Keil u.
-Splitter. Bujack: Sitzgsb. Prussia S. 165.
Turse (Kl.-), Kr. Dirschau. Gesichtsurnen u.
and. Gef., Bronzeringe a. e. Steinkiste (Hall-
statt). Ber. westjtr. Prov.-Mus. S. 12.
Ullersdorf, Reg.-Bez. Liegnitz, Schles., vor-
geschichtl. Urnenfeld. Urnen m. Asche u.
Knoch., Beigef., Spiralring a. Bronze. Ja-
kubowski: Verh, Berl. Ges. Anthr. S. 552.
Unterach b. Thierhaupten, Bay., Bronze-
geschirre a e. Grabhügel (Hallstatt). Weber:
Beitr. Anthr. Bay. S. 83.
Unterihürheim, Bay., alemann. Reihengräber-
^ feld. Skelette, Halsketten v. Thon- u. Gla-
perlen, Pilgermuschel, eis. Messer, ^ilh.
Scheibenfibel m. Schmelz u. Glas Todtcn-
münzen (Silberdenar u. Goldsolidus Ju-ti-
nian's). Arnold: Nachr. S. &5.
Urban, Skeletgräbcr, s. Ansiedelungen.
Urban, s. Ansiedlungen.
Uwisla, Galiz., Tumulus u. Skelet, Thon^elT.^-
m. Henkel u. Omam., Bemsteinporle. os-
sowski: Anz. d.Akad. d. Wiss. Krakau S.2I(t
—-, Skeletgräbcr, z. Th. unter Quaderplatt »fi.
Beilhammer a. Hirschhorn. Ossow^^ki.
Anz. d. Akad. d. Wiss. Krakau S. 2 IG.
Vandsburg, Urne (Hallstatt) Ber. wo^tpr.
Prov.-Mus. S. 13.
Velm, Niederöstr., rom. Sarkophag. ^iJ[«■let.
Bronzefibel, eis. Lanzenspitze, eis. Me>«tr.
Thonschale, Bronze -Sporn, -Knopf, »-iv
Scheere, Wetzstein, Lederbeschlag a. Woi^v-
metall, Ringe, Glasstücke, alt. Inschriftstt iu.
Hauser: Mitth. Centr.-Comm. S. 138.
Yentimiglia, Ligurien, röm. Gräber. Rosnj
Not. d. Scavi p. 27.
Villers-deux-Eglises, s, Laneffe.
Yillingen, Hügelgrab (Hallstatt, 5.-4. Jahrh
V. Chr.). 1) Scherben a. Terra sigiilatj.
Skelet. 2) Steinsetzung, Kohlenschicht m.
Knochenresten u. Umenscherben, h51z« Gra* -
kammer, Skelette auf Leder u. TeppichfD.
Gewebereste, Schmuckgegenst. a. Bronze u
Eis., goldplatt. Armband, Wag'enre>t< .
Wasserröhren. K.-B. wd. Z. Sp. 27.S. An?
germ. N.-M. S. 91.
Vlkov, Böhm., ümenfeld. Urnen, Bn»ni''-
nadel, graphitirte Schale, Gefässscherbr d.
Fragmente v. Bronzeringen. D u s k a: Mitth.
Centr.-Comm. S. 137.
Walde, Pos., Steinkist«ngrab. Urnen, ♦*!*-
Armringe. Beilage z. Z. hist. Ges. Po?.«
s. xxxxin.
WaUstadt, Amt Mannheim, röm. Gräber ia:*'
Atzelberg. Aschenumen, Gefässe, Holzr<*<»' -
Eisennägel. K.-B. wd. Z. Sp. 1*98 (Jahr -• •
d. Mannheimer Alterthums-Ver. f. 189« » .
Wandlitz, Kr. Niederbamim, Brandenb. Um» *i-
gräberfeld (Hallstatt—La Tene, ö.- 4. Jalir» .
V. Chr.;. Steinkiste, Steinpackung, rni«-
m. gebr. Knochen, Bronze -DoppelkD«»}!.
-Nadel, -Pincette, -Armring, -Draht, IWi
gefässe, Thon-Spinnwirtel. Wo i g e 1 : Sutlr
S. 61.
— . Thongcfäss m. Pfeilspitzen a. Knorh^r
(Beigef einer Knochenume, HalUtatt- l-i
Tene). Weigel: Nachr. S. 63,
— . Kamm a. Knochen m. Bronzenieten d. rr»u>
- 7 —
Kaiserz. (a. e. Knocbenurne). Weigel:
Nachr. S.64.
Wandlitz, Kr. Kiederbamim, Brandenb., Beil
u. Messer a. Feuerstein v. d. Drei heil.
Pfuhlen. Weigel: Nachr. 64.
Warringhol«, Kirchsp. Schenefeld. Urne,
kastenförm., m. verbr. Knoch., Bronze-
Messer, -Nadel, -Pfriem, Harzkitt aus e.
Grabhügel Ber. Schlesw. -Holst Mus. S. 11.
Wasilkowce, Galiz., Tumuli m. V.erbrennung.
Gefftsse m. Om., Pfeilspitze a. Feuerstein,
Pfriemenspitze a. Knochen. Ossowski:
Anz. d. Akad. d. Wiss. Krakau S. 217.
— , Gräber. Gefässe mit je einem verbr.
Knochenstück u. Steinzeitgegenst&nden.
Ossowski: Anz. d. Akad d. Wiss. Krakau
S. 100.
Wattenheim im Ried, fr&nk. Reihengräber.
Skelette, Münzen (Severus Alex., Gordian,
Honorius, Mark Aurel, Magnentius, Con-
stantin d. Gr., Augustus u. Agrippa, Mero-
wing., Stadt Nlmes), Armbänder a. Bronze,
Glasgefftss, Spinn wirtel a. Glas u. Thon,
Thongefässe; Gürtelschnalle, Beil u Wiege-
messer a. Eis., Ohrgehänge a. Muschel,
Kette a. Bemsteinperlen m. Bronzezierat
u. Silbermünze (Honorius), Fibel a. vergold.
Silb. m. Eisennadel u. Almandinen, eis.
Taschenbügel m. (Gewebe u Bronzeschnalle ;
Schlüssel, Scheere u. Ring a. Eis., Finger-
ring a. Bronze, Muschel in Draht eingezogen,
Glasbecher, Eimer m. eis. Reifen u. Henkel,
Scheibenfibeln, Zierscheibe a. Hirschhorn.
Kofier: K.-B. wd. Z. Sp. 81.
Weikersdorf (Gr.-). Gräber vom Vanberg od.
Maisenberg. Mulden m. Knochen, Gefässen,
Scherben, Muschelschalen (Unio), Feuerstein-
u. Knochenwerkzeuge; Webegewicht u.
Topfreste d. jung. Steinz.; Urnen a. Hall-
statt. Erde m. Asche, Thierknochen (Rind,
Schwein), Gefässreste. Bienenkorbgräber
^ m. Urnen u. Beigef. (Bronzezeit). Spöttl:
Mitth. anthr. Ges. Wien S. 69.
— . Hausgräber, s. Ansiedlungen.
Weinsheim, röm. Kastengrab. Lemmen in
Ges. f. Alt. Prüm: K.-B. wd. Z. Sp. 239.
Weissenhöhe (Bialosliwe), Kr. Wirsitz, Stein-
kistengrab m. Mützenume. F. Schwartz:
Z. bist. Ges. Posen 8. 205.
Wels, Oberösterr., röm. Gräber. Mauerwerk,
Ziegel, Sarkophag. Anz. germ. N.-M. S. 92.
Westdorf, Prov. Sachsen. Skelette u. Urnen
m. Leichenbrand (spätröm. od. merowing.).
Anz. germ. N.-M. S. 69.
Wetidorf, s. Ansiedlungen.
Wezelach b. Virgen (Pusterthal). Grab (Stein-
kiste) m. Eimer a. Bronze (Inhalt: Leichen-
brand) und eis. Lanzenspitzen, Armringe,
eisernes Messer m. geschweifter Klinge, eis.
Lappenbeil m. Oehr, Oertosa-Fibel a. Bronze
m. eingeritzten Ornamenten, schalenfSrm.
Gef. mit Zirbelnüsschen gefüllt; Holzkohle
mit Knochenbrand, Gefössscherb. , Bronze-
knöpfe, Bronzering, Bronzedraht, Bemstein-
perle. v. Wieser: Mitth. Centr.-Comm.
S. 211.
— , Felsengrab. Lanzenspitzen, Armbänder,
Beil aus Bronze. Bronzeume, Gebeine. Anz.
germ. N.-M. S. 61.
Wiedersee. Röm. Armring a. Bronze. Ber.
westpr. Prov.-Mus. 8. 13.
Wiekau, Kr. Fischhausen, Ostpr., Baumsärge
unter Steinpflast d. erst, nachchristl. Zeit.
Beigef., Sprossen- u. gewölbte Fibeln a.
Bronze, silbertauschirtes Pferdegeschirr,
Bronze- Stachelsporen, eis. Schildbuckel,
Streitaxt, Schwert; Zierplatte m. eingelegt
Glasfluss. (H e y d e c k)Vi r c h o w : Nachr. S.32.
Windisch-Matrei, Oest., Brandgrab (Hallstatt).
Bronzeciste, eis. Lanzenspitzen, Gelt, Messer,
Bronze -Armringe, -Fibel, Asche, Kohle,
verbr. Knochen, Steinkreis, Brandstätte,
Bronzeknöpfe, -Ohrring(?), -Blech. Schernt-
hammer: Prahlst BL S. 74.
Wischin, Kr. Bereut, Steinkiste (Hallstatt).
Urne m. Ohren m. Bronzeringen u. Kauri-
muscheln. (Podlaszewski): Ber. westpr.
Prov.-Mus. S. 12.
Wiska, Kr. Johannisburg, Ostpr., röm. Gräber-
fund a. e. Umenfeld. Armbrust- u. a. Fibeln,
Armband, Fingerring, Platte (Beschlag-
stück?), Pincette m. Ring, Gürtelbeschlag-
stücke, Platte m. Würfelaugen u. Nieten,
sämmtl. a. Bronze, eis. Speerspitze, Messer,
Stachelspom, Feuerstahl, Glasperlen, bunte
u. m. Goldfolie, Beigefäss (Tasse). Bujack:
Sitzgsb. Prussia S. 173.
— , Umenfriedhof (2.U.3. Jahrh. n. Chr.). Urnen,
Beigef., Knochenhaufen, Asche, Holzkohle,
Knochenkamm, Feuersteinspahn, Armbrust-,
Sprossen-, Hufeisen- u. fränk. Fibel, Riemen-
beschlag, Halsringe, sämmtl. a. Bronze,
Bronzeblech m. Würfelaugen, eis. Schild-
buckel, Prickel, SchnaUe, Messer, Zierrat,
Bernstein- u. Glasperlen. Bujack: Sitzgsb.
Prussia S. 174.
— , röm.Umengräberfeld. Beinkamm, Sprossen-
fibel, Armbrustfibel, Beigefässe, Bemstein-
breloques, Fingerringe, Perlen, Fibeln (e. m.
eingelegt Glasfluss). Yirchow: Nachr. S.31.
— 8 —
Withoch b. Tuttiingen, Grabhügel. Brand-
schutt, Skeletknochen, Rindknochen, Urnen-
scherben, eis. Bing. Ealenstein: Prähist.
BL 8. 89.
Wittmannsdorf, Brandenb. , Hügelgräber u.
Flachgräberfeld. Steinpackimgen, Gefässe.
Wein eck: Mitth. Niederlans. Ges. S. 430,
524.
Wonneberg, Steinkiste (Hallstatt). Gtesichts-
omen. (Meyer.) Ber. westpr. Prov.-Mus.
S. 12.
Wroblewo, ümenfeld (Hallstatt). Steinkisten
m. Mützennmen, e. Gesichtsnme, Asche,
Knochenreste , Bronze - Nadeln , -Zangen,
-Bing, dreibeiniges Bronzestück. Yirchow-
Krzezinski: Verb Berl. Ges Anthr. S. 163.
Wudzinek b. Elahrheim, Steinkistengräber.
Urnen m. gebrannt Knochen u. geschmolz.
Bronze, Beigefässe Beilage z. Z. bist. Ges.
Posen S. XL, XLIII.
Wymislewo, Kr. Thom, ümen (Hallstatt).
Ber. westpr. Prov.-Mus. S. 13.
Zablotce, Galiz., Knrgane d. Eisenzeit Skelet,
Kalkplatten, Holz m. Nägeln. Ossowski:
Anz. d. Akad. d. Wiss Krakau S. 99, 216.
Zaborowo, Kr. Schrimm, Posen, ümen u.
Beigef. a. d. Gräberfeld. Voss: Amtl. Ber.
Sp. XII.
Zäbrdovic b. Kroroao, Mähr., Skeletgräber.
Skelette, Steinmeissel. Woldirich: Mitth.
anthr. Ges Wien S. 185.
Zanica, Transpadana, röm. Grab (1. Jahrh. d.
Kaiserr.). Not d. Scavi p. 174.
Zausenberg, Grab o. Ansiedlangen. Bienen-
korbgrab (1885) m. Urnen a. Beigef., Bind-
knochen. Mulden, Aschenstellen, Scherben
d. Bronzezeit ErdstalL Kultiirschicht m.
Gefässrestena.d. Steinzeit. Feuerst^inmesser,
Pferd- u, Hirschknochen. Spöttl: Mitth.
anthr. Ges. Wien S. 68.
Zdrada, Kr. Putzig. Urne m vier Beinen a.
6. Steinkiste (Hallstatt). Ber. westpr. ProT.-
Mus. S. 12.
Zedlach, Gem. Windisch-Matrei, Oest , Brand-
gräber. Steinplatte, verbr. Knochen, Eisen-
Celte, -Lanzen, Bronzeciste, Schlangenring.
Schernthammer: Prähist. Bl. S. 75.
Zentendorf, Kr. Görlitz. Yierlingsgeflss a.
d. Gräberfeld. Weigel: Sp. LV.
Ziersdorf, Haasgräber (Hallstatt). GefEase,
z. Th m. Asche (grosse Krüge, Urne, sieb-
art. Gef. m. Füssen, Becher u. s. w.). Spöttl:
Mitth. anthr. Ges. Wien 8. 71.
Zürich- n. Bodenseegebiet La T^ne -Schwert
m. abgerund. Spitze a. gallischem Grab.
Forrer: Antiqua S. 11.
ni« Einzelfonde, Sammelfonde und Fände ohoe genauere Angabe der HerknnfL
Aix-en-Othe, Frankr. Beil a. Bronze. Mi Hot:
Bev. de Champ. p. 466.
Altfelde, Kr. Marienburg. Steinhammer. Ber.
westpr. Prov.-Mus. S. 11.
Altmark. Thongefässe. Voss: Amtl. Ber.
Sp. XLIL
Amper b. Brück. Vase v. Terra sigiUata.
Anz. germ N.-M. S. 52.
Anderbeck, Prov. Sachs. Steinhammer. Voss:
AmÜ. Ber. Sp. XLII.
Andernach. Ohrringe ▼. Silber, v. Cohausen:
Ann. Ver. Nass. Alt. S. 285.
Angeln, Schlesw. • Holst. Steingeräthe u.
Bronzen. Weigel: AmtLBer. Sp.LXXVIII.
a. Feuerstein. Weigel: Amtl. Ber.
Sp. LV.
Avenches, Waadt. Statuette a. Bronze (Tänzer;,
Münzen (Zeit d. jung. Constantin), Bing m.
Münze Hadrians, Eisenschaufel, Ambos u.
Gewichtsteine a. Stein u. Blei. Anz. Schweiz
Alt S. 384.
Barlewitz b. Stuhm. Steinhammer. Ber.
westpr. ProT.-Mus S. 11.
Bärwalde, Kr Königsberg, Brandenb. Stein-
hämmer. Voss: AmtL Ber. Sp. XL.
— (Kl.), Kr. Labiau, Ostpr. Beil a. Quarz-
Diorit Bujack: Sitxgsb. Pmssia S. 168.
Beckershof, Kr. Bromberg, Pos. Mahlstein.
Annchenthal b. German, Kr. Fischhausen, Voss: AmtL Ber. Sp. XLIL
Ostpr. Beil a. Stein. Bujack: Sitzgsb.
Prussia S. 164.
Apolda, Grossh. Sachs. Steingeräthe. Voss:
Amtl. Ber. Sp. XIV.
Arkona auf Bügen. Axt u. Messer a. Feuer-
stein. Weigel: AmtL Ber. Sp. LXXVL
Augsburg (Pfannenstiel). Münzen, Scherben,
Sporen, Schüsseln, Messer. Anz. germ. N.-M.
S.93.
Ausacker, Schlesw. - Holst. Beile u. Säge
Beeskow b. Stargard, Pomm. Pferdesahn,
Steinbeile. Thilenius: Verh. Beil. Ges.
Anthr. S. 86.
Beetzendorf, Altmk. Urnen. Voss: AmtL
Ber. Sp. Xn.
Bergem b. Kleinmünchen, Oestr. Röm. MÜnie
a. Silber (Alex. Sey.). Strab erger: Mittb.
Centr.-Comm. S. 87.
Berlin. Hirsch- u. Elengeweihe, bearbeit ;
Feuerstein. Mitth. d. Ver. f. d. Getck.
— 9 —
BerliDS S 136. Friedel: Verh. Berl. Ges.
Anthr. S. 623.
Bertrich. Fibel m. Schmelz, y Cohausen:
Ann Verh. Nass. Ali S. 284.
Bilderweitschen, Kr. Stallupdnen; Heide, Kr.
Wehlau; Rastenbnrg n. Sorqoitten, Kr.
Sensburg, Ostpr. Aexte u. Hämmer a.
Stein. Tischler: Sehr, phys.-ök. Ges. S. 25.
Bludnüd u. Martinon, Galiz. Beile a. Nephrit.
Mach: Mitth. Centr.-Comm. 8.68.
Böhnhosen, Kirchsp. Fiintbek. Stecken od.
Nadel a. Bronze. Ber. Schlesw.-Holst. Mus.
S. 6.
Bonn, Amphorenscherben, Scherben v. Thon-
krngen, Tiegeln u. Umendeckeln, Bronze-
münze d. Probus. Klein: Jahrb. Alter-
thumsfr. Rheinl. S. 213.
Borkau, Kr. Carthaus Feuersteinmeissel. Ber.
westpr. Prov.-Mus. S. 11.
Bosarfre, Habblingbo Sn, Gotland. Deutsche
Münzen u. Silbergegenstände. Mänadsblad
8.8.
Bredinge, KastlösaSn., Oeland. Goldschmuck
d. jung. Eisenzeit Mänadsblad S 5.
Breslau. Celt u. Armring a. Bronze. W e i g e 1 :
Amti. Ber. Sp. LXXVII.
Briesen, Kr. Schivelbein, Pomm. Steinhammer.
Weigel: AmtL Ber. Sp. LIV.
Brietzig, Pomm. Steinhammer. Voss: Amtl.
Ber. Sp. KU.
Brloh b. Laun, Böhm. Steinhammer. Schnei-
der: Mitth. Centr.-Comm S. 110.
Brunne, Kr. Ost-HaveUand, Brandenb. Beil u.
Lanzenspitze a. Feuerstein, Bronzemesser.
Voss: Amtl. Ber. Sp. XI
Brüttiseilen, Zürich. Thonscherben (Stein- u.
Bronzezeit). Heierli: Anz. Schweiz. Alt.
S. 359.
Buchholzau, Kirchsp. Tolk. Aexte a. Hirsch-
horn. Ber. Schlesw.-Holst. Mus. S. 10.
Buchlovic, Mähr. Steinbeil a. Syenit. Wol-
drich: Mitth. anthr. Ges. Wien, Sitzgsb.
8 67.
Bukowina (ca. 1880). Ring a.Bronze m. eingray.
Muster. Romstor fer: Mitth. Centr.-Comm.
S. 70.
— (ca 1880). Kelt a. Bronze m. erhab.
Zeichn. Romstor fer: Mitth Centr.-Comm.
S. 70.
Bur : auf Fehmam Slav. Thonscherben. Vo s s :
Amtl. Ber. Sp. XIII.
— i. Spree wald, Brandenb. Klopfstein. Voss:
Amtl. Ber. Sp. XI. Pfeilspitze a. Bronze.
Weigel: AmtL Ber. Sp. XXXIX.
Burgwall, Kr. Templin, Fundstücke a. d. Hayel.
Harpune a. Knochen, Netzstricker a. Knochen,
Pfriem (Löser), Hirchhomhacke, Hirschhom-
stange m. angefang. Bohrloch. B u c h h o 1 z :
Verh. Berl. Ges, Anthr. S. 367.
— . Geräte v. Hirschhorn, Knochen, Stein,
Bronzeklinge a d. Hayel. Anz. germ. N.-M.
8.50.
— . Bronzeschwert, ausgebaggert Voss:
Verh. Berl. Ges. Anthr. 8. 884.
— . Schwert a. Bronze a. d. Hayel. Anz.
germ. N.-N. S. 51.
Butzke, Kr. Beigard, Pomm. Scherben y.
Mäanderumen. Monatsblätter S. 6.
Capu cämpului s. Kirlibaba.
Cazin, Bosn., Bronzedepotfund. Sicheln,
Hohlcelte u. s. w. Truhelka: Praehist
Bl. S. 28.
Ceneselli, Royigo. Steinspitze. Mantovani:
BuU. di Paletnologia ital. Anno 16. p. 52.
Chappes, Frankr. Achat, geschnitt. Rey. de
Champ. p. 467.
Christianstadt, Kr. Sorau, Brandenb. Bronze-
nadel. Voss: Amtl. Ber. Sp. XL
Coblenz. Rom. Fundstücke, Thongefässe, eis.
Waffen, Bronzefibeln u. s. w. Voss: Amtl.
Ber. Sp. XIU.
Costa di Mezzate, Bergamasco. Gelte (ascie)
a. Bronze. Mantovani: Bnll. di Palet-
nologia itAl. Anno 16 p. 54.
Czamikau, Urnen, Topf u. Bronzenadel.
Beilage z. Z. bist. Ges. Posen S. XLI.
Czemen, Kr. Memel. Rom. Münzen. Tischler:
Sehr, phys.-ök. Ges. 8. 25.
Dal, Steinfnnde. M&nadsblad 8. 10.
Dallerup, Jütland. Boot a. Eichenblock m.
Runen. Anz. germ. N.-M. 8. 23.
Dannenberg, Hannoy. Nadel u. Sporn a.
Bronze a. d. Torfmoor. Weigel: Amtl.
Ber. Sp. LXXVm.
Denzin, Kr. Beigard, Ponmi. Hacksilberfund,
Schleifstein u. eis. Messer. Voss: AmtL
Ber. Sp. XLL
Dingelstedt, Proy. Sachs. Eis. Schwert u.
Lanzenspitze. Voss: AmtL Ber. Sp. XLII.
Diyäky b. Klobonk, Mähr. Dolch a. Bronze.
Maika: Mitth. Centar.-Comm. 8.47.
Dobrinsko b. Kromau, Mähr. Axt a. Diorit
Woldirich: Mitth. anthr. Ges. Wien S. 135.
Dollanken. Gefäss a. Bronze, getrieben, ge-
rippt; Topfscherben (Hallstatt), Stein-
hammer. Laube: Mitth. Centr.-Comm.
8 89.
Drengstedt, Kirchsp. Döstrup. Urnen. Ber.
Schlesw.-Holst Mus. 8. 6
Dümberg b. Hallein. Salinenarbeiter- Axt,
- 10 —
Celt Petermandl: Mitth. Centr.-Comin.
S.208.
Dattoule, Istrien. Rom. Münzen (etwa. 170 v.
Chr.). Puschi: Mitth. Centr.-Comm. S. 66.
£ckartsberga, s. Naumburg.
Eckersberg, Ostpr., Scherben m. Strichverzie-
rung. Bujack: Sitzgsb. Pmssia S. 173.
Eichstädt, Prov. Sachs., Thonscherb. Voss:
Amtl. Ber. Sp. XXXXU.
Eifel, röm. G^fässe a. Glas. v. Gohausen:
Ann. Ver. Nass. Alt. S. 284.
Eining, röm. Goldmünze (Theodosius). BL-B.
Gesammtver. S. 16.
Eisgrub, Mähr., Riesentopf (Getreidebeh<er)
a. Graphit MaSka: Mitth. Centr.-Comm.
S.45.
Eitweg, E&mth., Bronzekopf m. Relief (Leda).
Carinthia, Jahrg. 80, S. 282.
Elsass, Bronzegriff e. Früh -La- Töne -Messers
m. Figuren. Forrer: Antiqua S. 27.
Elsass, 8. Pfalz.
Emertingen,Württ,röm. Goldstück (Yespasian).
Anz. germ. N.-M. S. 40.
Erbach a. Rh., Ring a. Erz m. Oehsenköpfen.
V. Cohausen: Ann. Ver. Nass. Alt S'. 284.
Emsthausen, Kr. Oldenburg, Schlesw.- Holst,
Hacksilberfund. Voss: Amtl. Ber. Sp.XIU.
Euskirchen, Beil a. Sandstein. Wulff: Jahrb.
Alterthnmsfr. Rheinl. S. 289.
JPall b. Wilhering, Oest, Spinn wirteL Stra-
b erger: Mitth. Centr.-Comm. S. 87.
Feldberg, Meklbg., Slav. Scherben. Voss:
Amtl. Ber. Sp. XIIL
Fels am Wagram, Oest. Witze (Vespasian).
Kam er: Mitth. Centr.-Comm. S. 186.
Ferbenz b. Postelberg, Böhm., Steinaxt a. Ser-
pentin (1875). Woldfich: Mitth. anthr.
Ges. Wien, Sitzgsb. S. 67.
Ferchesar, Kr. West-HaveDand, Brandenb.,
Steinhämm. Weigel: Amtl. Ber. Sp.LXXVL
Finero b. Domodossola, Transpadana, byzan-
tinische Gold- u« Sübermünzen. Ferrero:
Not d. Scavi p. 27.
Finthen s. Heidesheim.
Fluntem, Cant Zürich, röm Münze in Mittel-
erz (Faustina). Heierli: Anz. Schweiz.
Alt S. 859.
Förderstedt, Kr. Gardelegen, Prov. Sachs.,
Steinhammer, Schaber v. Knochen. Voss:
AmtL Ber. Sp. XI.
Forsteck b. Kiel, Steingeräthe. Ber. Schlesw.-
Holst. Mus. S. 10.
Frankenst^in, s. Olobok.
Fratzig, Kr. Czamikau, Pos., bearb. Geweih-
stück. Weigel: AmtL Ber. Sp.LXXVI.
Freienwalde a. 0., Fenersteinbeile. Voss:
AmÜ. Ber. Sp. X.
Freiwalde, Niederlaus., Goldscheiben u. RoUen
a. Golddraht (Hallstatt). Degner: Verh.
Berl. Ges. Anthr. S. 622.
Friesach, K&mth., Thongefftsse n. röm. Kupfer-
münzen. Carinthia, Jahrg. 80, S. 233.
Friesenheim, Elsass, Beil a. Bronze. Ani.
germ. N.-M. S. 91.
Gaiselberg, Oest, Thonscherben. Weigel:
Amtl. Ber. Sp. LVI.
Gargano, Sicheln a. Bronze. Bizarro: Mitth.
Centr.-Comm. S. 187.
Garz auf Rügen, halbmondförm. Messer. Wei-
gel: Amtl. Ber. Sp.LXXVI.
Genthin, Urne. Prähist. BL S. 91.
Göronde, Wallis, Armspangen u. Agraffe a.
Bronze. Ritz: Anz. Schweiz. Alt 8.310.
Gintro, Kr. Stuhm, Steinhammer. Ber. westpr.
Prov. -Mus. S. 11.
Glienicke (Neu-), Kr. Ruppin, Brandenb., eis.
Messer u. Thonscherben. Weigel: AmtL
Ber. Sp. LIV.
Grodesberg b. Bonn, spfttröm. xl frfink. Topf-
reste. Wiedemann: Jahrb. Altertliimtffr.
Rheinl. S. 229.
Göding, Mähr., Ringe a. Bronze. Szombathj:
Mitth. anthr. Ges. Wien, Sitzgsb. S. 19.
Grötzhöfen (Adl.), Ostpr., Axthammer u. Lanzen
a. Bronze. Tischler: Sehr. phys.-öL Ge*.
S. 25.
Goldbach b. Gotha, Skelet, Helm, Schwert
Anz. germ. N.-M. S. 89.
Groldberg, Schles., silb. Armring. Voss: AmtL
Ber. Sp. Xin.
GoUnschütz, Kr. Schwetz, FenersteinmeisseL
Ber. westpr. Prov.- Mus. S. 11.
Gorlowken, Kr. Lyck, Ostpr., Beil (Qaerbeil)
a. Gneis. Bujack: Sitzgsb. Prossia S. 166.
Gotland, Halsschmuck a. Bronze. Voss: Verfa.
BerL Ges. Anthr. 8.886. Weigel: Axntl.
Ber. Sp. LXXIX.
Gram, Axt a. Bronze. Ber. Schlesw.- Holst«
Mus. S. 5.
Granibowischken, Kr. Memel, Armring a. Bronze.
Bujack: Sitzgsb. Pmssia 8. 180.
Graudenz, Hämmer a. Hirschhorn. Ber. we<stpr.
Prov.-Mus. S. IL
Gray, Burgund, merovingiscbe Münze (Theo-
debert I.?). de Beifort: Annoaire d« U
Soc. firanQ. de Nnmism. p. 184.
Grein, s. Linz.
Grossmain a. Untersberg geg. ReichenhalL
Nadel a. Bronze. Pettcr: Mitth. C-eatr.-
Comm. S.21L
- 11 —
Grüneberg, Brandenb., Steinbeil. Vo s s : Amtl.
Ber. Sp. X.
Holstein, Kr. PischhausenjOstpr., Celt a. Bronze.
Tischler: Sehr, phys.-ök. Ges. S. 25.
Güns, Veitsberg, Ung., Schwert (La Tene). Horst, Kr. Ost-Priegnitz, Schwert a. Bronze.
Szombathy: Mitth. anthr. Ges. Wien,
Sitzgsb. S. 12.
(juschter-Hollän(ler,Kr Friedeberg, Brandenb.,
ThongefÄss m. Bronzen (Hohlcelt, Hohl-
meissel, Armringe, Messer, Gusskuchen),
Bronzeraeissel, Steinhacke, Feuersteinbeile.
Weigel: Nachr. S. 21.
— . Feuersteinbeil Voss: Amtl. Ber. Sp.XXXX.
Haan b. Elberfeld, Beilhfimmer, Aeite, Pfeil-
spitzen, Messer a. Stein (1884), Bronze-
schwert (1887). Schell: K.-B. wd. Z.
Sp. 52.
Haiensee b. Berlin, vorröm. Gef&ssscherben.
(Cordel) Voss: Verh. Berl. Ges. Anthr.
S 299. Weigel: Amtl. Ber. Sp. LXXV.
Halland, Gussformen f. Bronzecelte. Manads-
blad S. 56.
Hallstatt, Sperreisen. S trab erger: Mitth.
Centr.-Comm. S. 87.
Hardtgebirge, röm. .Mahlsteine aus Basalt.
Mehlis: KvB. wd. Z. Sp. 211.
Havransko b. Nimburg, Beil a. Eisen (La Tene),
gescW. Axt a. Stein. Öermäk: Mitth.
Centr.-Comm. S. 186.
Heegermühle b Eberswalde,Brandenb., Bronze-
fund. Halsringe, Armringe, Zierstücke
(Deichselverzier. ?) m. Vogelfig., Zierbuckel,
Fibel, Fingerringe, Schaftcelt, Barren, Kinder-
schädel, Thongefassbruchst. (Lausitz. Typ.).
Voss: Verh. Berl. Ges. Anthr. S. 386.
Heide, s. Bilderweitschen.
Heidesheim, Finthen u. Wiesbaden, Löffel a.
Silb., Schwertknauf a. Bein u. and. i-om.
Alterth. v. Cohausen: Ann. Ver. Nass. Alt.
S.284.
Heilsminde, Schlesw.- Holst., Feuersteinbeil.
Voss: AmtL Ber. Sp. XXXXII.
Hemmelsdorfer See, Kirchsp. Ratekau, Bronze-
Depot. Ber. Schlesw. -Holst Mus. S. 9.
Herbitz, Wicklitz u. Tfirmita, Böhm., Thon-
gefasse u. Steingeräthe. Weigel: Amtl.
Ber. Sp. LXXIX.
Herminge, Gellersta Sn, Nerike, kufische Mün-
zen u. silb. Ringfibel. Mänadsblad S. öl.
Hilpersdorf b. Gemeinlebam, Topfscherben,
Voss: Verh. Beri. Ges. Anthr. S.383; Amtl.
Ber. Sp. XL
Hostein, Mähr., Schwertfragment a. Bronze.
Ma§ka: Mitth. Centr.-Comm. S. 47.
Hülfersreuth u. Hämmerlas, Bez. Bemeck,
Oberfrk., Celt a. Bronze. Zapf: Prähist.
Bl. S. 84
Hvetland Sn, Smaland, Sax a. Eisen u. Pfriem
a. Knochen. Mänadsblad S. 8.
Ingolstadt, Bronzefund (Haarnadeln, Spiral-
Armspangen). Ostermair: Nachr. S. 53.
Instön, Marstrands-Scheeren, bearb. Bem-
steinstück. Mänadsblad S. 8.
Irritz, Mähr., röm. Münze d. Gordianus.
Maska: Mitth. Centr.-Comm. S. 47.
Italien, altetrur. silb. Fibel m. Rest. v. Golft-
plattir. Weigel: AmtL Ber. Sp. LXXX.
Jacken, Ostpr., Bronzering. Voss: AmtL Ber.
Sp. XXXXI.
Jagutten b. Spirken, Kr. Memel, Zügelringe
a. Bronze. B u j a c k : Sitzgsber. Prussia S. 180.
Janischken, Kr. Memel, hufeisenförm. Fibel
a. Bronze. B u j a c k : Sitzgsb. Prussia S. 180.
Jastremken b. Vandsburg, Steinhammer u.
Feldhacke. Ber. westpr. Prov.-Mus. S. 11.
Juditten, Kr. Pr.- Friedland, Ostpr., Hammer
a. Diaba«(V), Hohlcelt a. Bronze. Bujack:
Sitzgsb. Prussia S 165.
Kammerforst, Kr. Montabaur, Beile a. Basalt.
V. Cohausen: Ann. Ver. Nass. Alt S. 284.
Karbowo b. Strasburg, Westpr. Steinhammer.
Ber. westpr. Prov.-Mus. S. 11.
Kaschau, Ung. Kette a. Gold (Bronzezeit).
Pulszky: Prähist. BL S. 92.
Kelheim, Bay. Bronzegefäss. Müller: An-
tiqua S. 52.
Kietz, (Alt-), Brandenb. Urnen. Anz. germ.
N. M. S. 39.
Kinten, Kr. Heidekrug, Ostpr. Steinbeil.
Voss: AmtL Ber. Sp. XIL
Kirchberg b. Genthin. Urne. Anz. germ.
N.-M. S. 61.
Kirlibaba (1883) u. Capu cämpului, Bukowina.
Panzerhemden (Theile). Romstorfer:
Mitth. Centr.-Comm. S. 69.
Bronzedraht, Schalenscherben. Szombathy:; Kirpehnen, Kr. Fischhausen, Ostpr., Speer-
Mitth. Centr.-Comm. S. 138. i spitze, damascirt. Bujack; Sitzgsb. Prussia
Hitzhusen, Kirchsp. Bramstedt, Streithammer , 8. 173.
a. Eisen. Ber. Schlesw. -Holst. Mus. S. 12. j Kleinengstin, Württ. Koptische Münze a.
Holland, Topf m. karolingisehen Münzen.' Bronze. Anz. germ. N.-M. S. 69.
Serrure: Annuairc de la Soc fran^. de | Köln, röm. Gefässe u. Geräthe a. Erz u. röm.
Numism. p. 339. i Dolch m. eis. Scheide (Erztauschir., Schmelz-
— 12 —
u. Perlmuttereinlag.)- v. Gohausen: Ann.
Ver. Nass. Alt S. 284.
Köln, röm. Thon^^irtel. Voss: Amtl. Ber.
Sp. xxxxin.
Kötschenbroda, Kgr. Sachs. Steinbeil. Voss:
Amtl. Ber. Sp. XIV.
Kollenken, Kr. Culm. Hälfte e. Steinhammers.
Ber. westpr. Prov.-Mus. S. 11.
Komarow b. Halicz, Galiz. Axt u. Messerchen
a. Kupfer. Much: Mitth. Centr.-Comm.
S. 69.
Koschmin, Pos. Lanzenspitze a. Feuerstein.
Weigel: AmtL Ber. Sp. LIV.
Kreuznach, Scheibenfibel m. Goldplatte.
Klein: Jahrb. Alterthumsfr. Rhein. S. 210.
Kroatien, Kupferring. Voss: Amtl. Ber.
Sp. XXXXIII.
Kromau, Mähren. Skelet m. Bronze -Arm-
ringen (La Tene). Woldrich: Mitth. anthr.
Ges. Wien. S. 134.
— . Halsringe a. Bronze. Maska: Mitth. Centr.-
Comm. S, 47.
Krzyzanki, Kr. Schrimm, Pos. Steinhammer.
Voss: Amtl. Ber. Sp. XXXXL
Küchelberg, röm. u. rhat. Funde. Anz. germ.
N.-M. S. 52.
Kufstein, Steinwerkzeuge (?). Mehlis: Aus-
land S. 839.
Kukoreiten, Ostpr. Bronze - Lanzenspitze.
Voss: Amtl. Ber. Sp. XXXXI.
Kurische Nehrung, Bronze- Armring u. Münzen.
Fischer: Sehr. ph}rs.-ök. Ges. S. 25.
— , Leder m. Bronzenieten d.j&ngst. Heiden-
zeit. Ders. ebenda. S. 25.
— , Hämmer, Aeite, Pfeilspitzen a. Stein,
Hacke aus Eichhorn, verzierte Scherben
(Fischgrätenom.) d. Steinzeit. Tischler:
Sehr. phys.-ök. Ges. S. 26, 26.
— , Armring a. Bronze u. Leder m. Bronze-
nieten. Tischler: Sehr, phys.-ök. Ges.
S. 25.
— , Bohrlochzapfen aus Diabas (?). Bujack:
Prussia. 8. 165.
— , Feuersteinsplitter. B u j a c k. Sitzgsb. Prussia
S. 163.
— , Schleifsteine (Steinzeit?). Sitzgsb. Prussia.
S. 173.
- , Gefässböden. Bujack: Sitzgsb. Prussia
S. 173.
Kuxtem, Kr. Wehlau. Beil ausDiorit. Bujack:
Sitzgsb. Prussia S. 164.
JLabbehn, Kr. Lauenburg, Pomm. Gold-Arm-
bänder. Voss: Amtl. Ber. XXXXI.
Ladenburg „ vorgeschichtL Fund. Schwert,
Lanzenspitze, Eisenkette. K.-B. wd. Z.
Sp. 300. (Jahresb. d. Mannheimer Alter-
thums-Ver. f. 1890).
Lahen b. Wels. Gürteltheile, bronzene Arm-
brust-Fibel, Bronzeknopf, eis. Fingerring
m. grav. Stein (Tiger). Straberger: Mitth.
Centr.-Comm. S. 87.
Laibacher Moor. Vorröm. Schiff a. Lärcben-
holz. Anz. germ. N.-M. S. 92.
Lamberg, Bing a. Gold m. schraubenf. Wind.,
Bronzeschwert, -Dolch, -Streitaxt Anz.
germ. N.-M. S. 25.
Lamenstein u. Sobbowitz, Kr. Dirschau. Stein-
hämmer. Ber. westpr. Prov, Mus. S 11.
Landeron b. Neuyeville, Burgundische Schädel,
Extremitäten- u. Rumpfknochen, eis. Na^^el
u. Eisenstück (Gewandnadel?) Virchow:
Verh. BerL (Jea. f. Anthr. S. 160.
Laubersheim, Pfale. Mahlstein a. Weisslieg.
V. Cohausen: Ann. Ver. Nass. Alt. S. 2S4.
Lauenforde, Kr. Hildesheim, Hannov. Pferde-
gebiss a. Eisen u. Bronze, röm. Voss:
Amtl. Ber. 8p. XIIL
Laun, Böhm. Armschienen, om. Armringe.
Nadeln u. e. Barren a. Bronze. Schneider:
Mitth. Centr.-Comm. S. 109.
Lausitz, Thongefftsse. Voss: AmtL Ber. Sp. X.
Lebus, Braudenb. Hacksilberfund u. Thon-
gefässe. Voss: Amtl. Ber. Sp. XXXX.
Lehen b. Salzburg, röm. Stilus a. BroüZ«*.
Petter: Mitth. Cent-Comm. S. 71.
— . Münze a. Bronze. Petter: Mitth. Centr.-
Comm. S. 71.
Leipzig. Bootreste a. d. Alluvium. Wunder,
Virchow: Verh. Berl. Ges. Anthr. i> 403.
Lenzen, Kr. Elbing. Steinhammer. Ber. westpr.
Prov.-Mus. S. 11.
Lettnin im Weizacker, Pomm. SteinhanuD<>r.
Voss: Amtl. Ber. Sp XII.
Lichtenthai b. Czerwinsk. Steinhammer. Ber
westpr. Prov.-Mus. S. 11.
Liebsee b. Riesenbnrg. Steinhammer. Ber.
westpr. Prov.-Mus. S 11.
Liepnitz- Werder, Brandenb. Vorröm. Thon-
scherben. Weigel: Nachr. S. 19.
Lindow, Brandenb. Mahlstein, Feuerstein-
messer. Voss: Amtl. Ber. Sp. X.
Linum, Brandenb. Lanzenspitzen a. Bronxe
u. Feuerstein a. d. Torfinoor. Voss: Amll.
Ber. Sp. XI,
Linz. Röm. Geldmünze (Antoninus). Stra-
berger: Mitth. Centr.-Comm. S. 87.
Linz u. Grein. Köm. u. jüngere Münsen,
Schwerter u a. Waffen a. versch. Zeitpori<iden
a. d. Donau. Straberger: Mitth. Centr.-
Comm. S 220.
— 13 —
Lisnitz b. Kroman, Mähr. Spangen a. Bronze
(sog. Eünerspangen). Woldficb: MittL
anthr. Ges. Wien. S. 135.
Löbarten, Ostpr. Schmucknadel d. jüngst.
Heidenzeit Tischler: Sehr, phys.-ök. Ges.
S. 26.
Löbsch b. Putzig. Halb. Steinhammer. Ber.
westpr. Prov.-Mus. S. 11.
Lösch, Mähr. Paalstab u. Sichelfragment a.
Bronze. Malka: Mitth. Centr. -Comm.
S. 47.
Loiter An zwischen Süderbrarup u. Buruplund.
Einbaum. Ber. Schlesw.-Holst. Mus. S. 12.
Lossowo-See, Kr. Flatow. Steinhammer. Ber.
westpr. Prov.-Mus. S. 11.
Lubstthal b. Guben. Münze, röm. (Lncilla)
a. Erz. Jentsch: Verb. Berl. Ges. Anthr.
S.3Ö8. Denar v.GordianusIII. Ebenda S.^58.
Luckau, Brandenb. Bronzecelt. Voss: Amtl.
Ber. 8p. XXX X.
Lübbichow (Hohen-), Kr. König8berg,Brandenb.
Messer a. Bronze. Voss: Amtl. Ber,
Sp. XXXIX.
üadriolo, Udine. Klumpen (Barren) a. Bronze
BulL di Paletnologia ital. Anno 16 p. 136.
Mähren. Flachbeil a. Jadeit. Ma§ka: Mitth.
Centr.-Comm. S. 47.
Mahlisch (Alt-), Kr. Lebus, Brandenb. Thon-
gefässe u. Scherb. Voss: Amtl. Ber
Sp. XXXX.
Maifeld. Römische Thon-, Glas-, Bronze- u.
Terracottafunde. v. Cohausen: Ann. Ver.
Nass. Alt. S. 281.
Mainz. Schwert a. Bronze, ungar. Typ. u.
omam. Griff a. d Rhein. Koehl: K.-B.
wd. Z. Sp. 113.
— . Steinbeile (a. Eklogit, Amphibolit, Angit,
Kalksilikat-Homfels) in Hirschhomfassung
a. d. Rhein Aus 'ra Werth: Verb. Beil.
Ges. Anthr. S. 248. Tenne: ebend. S.238.
Maldaiten, Kr. Fischhausen, Ostpr. Steigbügel
a. Eis. Bujack: Sitzgsb. Prussia 8. 180.
Mancic b. Zäsmuk. Steingefä«s m böhm. De-
Denaren (Boleslaw IL) Anz. germ. N.-M.
S. 95.
Mehaigne, Belg. Coups de poing, epoque
chell^enne. Schuermans: Wd. Z. S. 312.
Meklenburg. ümenscherb. m. versch. Om
a. d. röm. Kaiserzeit. Weigel: Amtl. Ber.
Sp. LXXVIIL I
Mewe. Bronzenadel. Ber. westpr. Prov.-Mus. 1
S. 12. i
M^zj, Frankr. ^Scramasax, eis Schwertgehenk-
ring, Pyrite, Mammuthzähne u. A. Rev. de
Ghamp. p. 787.
Miess, Kämt. Thongefäss. Carinthia Jhrg. 80.
S. 233.
Mikels, Närs Sn, Gotland. Angels. u. deutsche
Münzen, ein silb. Thorshammer. Mänadsblad
S. 5.
Milow, Kr. West-Priegnitz, Brandenb. Steinbeil.
Weigel: Amtl. Ber. Sp. LXXVI.
Miltem b. Tangermünde. Gussform a. Kalk-
stein, Feuersteinm eissei u.-Beil. Hart wich :
Verb. Beri. Ges. Anthr. S. 251.
Mitrowitz, Slavonien. Lanzenspitze, Schwert
u. Thongewicht aus LaTene. Szombathy:
Mitth. anthr. Ges. Wien, Sitzgsb. S. 10.
Molkenberg, Kr. Jerichow U, Prov. Sachs.
Gefässe a. d. Steinzeit. Voss: AmtL Ber.
Sp. XL
Mors (Insel), Dänemark. Thongefässe u. Bronzen.
Weigel: AmtL Ber. Sp. LXXIX.
Mühlenkamp , Kr. Bublitz , Pomm. Eis.
Wikinger-Schwert m. Knauf u. Parirstange
a. Bronze. Weigel: Amtl. Ber. Sp. LIV.
Münster, Hess. Beil a. C^oromelanit y.
Cohausen: Ann. Ver. Nass. Alt S. 280.
Hackenheim. Schmucksachen v. Gold, Silber,
Bronze, Grünstein, Marmor. Cohausen:
Ann. Ver. Nass Alt. S. 281.
Nahoran, Bez. Neustadt, Böhm. Schwert a.
Bronze. Szombathy: Mitth. anthr. Ges.
Wien. Sitzgsb. 8. 13.
Naumburg u. Eckartsberga. Steingeräthe.
Weigel: AmtL Ber. Sp. LXXVIL
Naundorf, Kr. Kalau, Brandenb. Steinhammer.
Voss: Amtl. Ber. Sp. XXXX.
Neutraer Com., Ung. Fibeln m. Spiralen.
(OCarvoll) Pulszky: Prähist. Bl. S. 93.
Nidden, Ostpr. Pfeilspitze a. Feuerstein. Voss:
Amtl. Ber. Sp. XXXXI.
Nideck, (Burg). Würfel a. Knochen m. Punkt-
gravirung u. Bronzecelt. Win ekler in Ges.
f. Erb. d. bist. Denkm. in Strassburg: K -B.
wd. z. Sp. rx
Niederlausitz, Thongefässe u. Thonschcrben.
Weigel: Ayitl. Ber. Sp. LXXV.
Niendorf, Oldenb. Feuersteinsplitter. Voss:
Amtl Ber. Sp. XIII.
Niklasreut b. Miesbach, Bay., Flachcelt a
Bronze. Weber: Beitr. Anthr. Bay.
S. 83.
Nischwitz, Pos. Steinbeile u. Bruchst. e. Stein-
hammers. Weigel: Amtl. Ber. Sp. LV.
Nordenburg, Ostpr, Beil a. Glimmerschiefer.
Bujack: Sitgsb. Prussia S. 165.
Nordenburg u. Schalben b. German, Ostpr.
Hämmer a. Diorit. Bujack: Sitzgsb.
Prussia S. 164.
— 14 -
Nordewitz auf Rügen. Feuersteinmesser.
Vosb: Amtl. Ber. Sp. XXXXI.
Oberklee, Bez. Podersam, Böhm. Flachcelte,
Halsringe, Armspirale a. Bronze. Szom-
bathy: Mitth. anthr. Ges. Wien. Sitzgsb.
S. 17.
Oblat b. Saaz, Böhm. Goldener Halsring aus
La Tene. Szombathy: Mitth. anthr. Ges.
Wien. Sitzgsb. S. 12.'
Obomik, Pos. Thongefässe. Voss: Amtl.
Ber. Sp. XII.
Obura b. Laun, Böhm. Steinbeil. Schneider:
Mitth. Centr.-Comm. S. 110.
Oester Ryftes, Pole Sn, Gt)tland. Brakteat
u. Fingerring a. Gold, röm. Silberdenare,
Halsringe v. Bronze. Mänadsblad S. 49.
Oestra Hvarf, Oestergötland, Fund a. d. älteren
Eisenzeit. Mänadsblad S. 56.
Oldenburg des Dannewerk. Speerspitze a.
Eis. ro. Silbertausch. Ber. Schlesw.-Holst.
Mus. S. 11.
Olobok, Pos. Münzen a. Silber, karolingische,
bayrische, böhmische, Wendenpfennige. Z.
bist. Ges. Posen. S. 189.
— , Kr. Ostrowo u. Frankenstein, Schles.
Denarfunde (10.— 11. Jahrb.). Friedens
bürg: Z. f. Numism. Bd. 17. S. 202.
Olschowken, Kr. Pr. Stargard. Steinhammer.
Ber. westpr. Prov.-Mus. S. 11.
Osterfeld, Prov. Sachs. Mahlsteine. Voss:
Amtl. Ber. Sp. XXXXII.
Ostfriesland. Gold. Pingerring. Weigel:
Amtl. Ber. Sp. LXXVIII.
Ostpreussen. Steingeräthe , Bronzen, Thon-
scherb. Voss: Amtl. Ber. Sp. XII. Bronze-
armring, altpreuss. Weigel: Amtl. Ber.
Sp. LXXVI.
— . Zackenring a. Bronze. Tischler: Sehr.
phys.-ök. Ges. S. 25.
— . Tutuluskopf einer Schultemadel. Tischler:
Sehr. phys.-ök. Ges. S. 25.
— . Urnen, röm. Bujack: Sitzgsb. Prussia
S. 171.
Ostrau, Mähr. Flintwerkzeuge m. Mammuth-
Backenzahn. Maska: Mitth. Centr.-Comm.
S. 45.
Ozzano deir Emilia, Cispadana. iSteingewichte
u. Bleiloth. Brizio: Not. d. Scavi
p. 107.
Palt b, Fürth, Niederöst. Röm. Münze in e.
Stück Steinkohle. Karner: Mitth. Centr.-
Comm. S. 216.
Perg u. Pichl b. Wels, Oest. Hämmer a.
Stein. Straberger: Mitth. Centr.-Comm.
S. 87
Peskogen, Kr. Mcmel. Armring a. Bronze.
Bujack: Sitzgsb. Prussia S. 180.
Pettau, Steiermark. Steigbügel a. Bronz»*
Woldrich: Mitth. anthr. Ges. Wien. Sitxg«»!».
S. 68.
Pfalz, Steinwerkzeuge (Donnerkeile) in di^r
Südpfalz u. i. Nordelsass (Schönau, Hirarh-
thal, Fischbach, Gebrig, Wengolsbacb .
Mehlis: Ausland S. 70^).
Piasnitz im Zernowitzer Bruch Steinhainni«'r.
Ber. westpr. Prov.-Mus. S. 11.
Pichl s. Perg.
Pillkoppen, Ostpr. Bruchst. e. Lederrienien.s
m. Bronzenieten. Voss: Amtl. lUr.
Sp. XXXXI.
Pinnow, Pomm. Mohammed. Münzen. Nützet:
Z. f. Numism. Bd. 17. S. 270.
Pojana Miculi, Bez. Gurahumora, Bukowina.
Aexte a. Stein (1886). Romstorfer; Miith.
Centr.-Comm. S. 70.
Popelken, Kr. Labian, Ostpr. Knochen- o.
G eweihfunde (Pferd, Rind, Renthier) . N e h -
ring: Sitzgsb. Prussia. S.153.
Postnicken, Kr. Königsberg. Beil a. Diabas-
Porphyr. Bujack: Sitzgsb. Prussia S. 164.
Pretzsch, Kr. Wittenberg, Prov. Sachs. Thon-
gefässe. Voss: Amtl. Ber. Sp. XXXXII.
Weigel: Ebenda, Sp. LV.
Pryszmonta in Szamaiten, Russ. Littaut'D.
Hals- n. Fingerringe, Hufeisenfibel a. Bronzr.
Bujack: Sitzgsb. Prussia S. 179.
Pryzraonten, Gouv.Kowno. Ringfibel u, Finger-
ring d. jüngst. Heidenzeit Tischler: Sehr.
phys.-ök. Ges. S. 26.
Puls, Kr. Rendsburg, Schlesw. -Holst Bronze-
dolch, Weigel: Amtl. Ber Sp. LXXVIII.
Bappenau. Bad. Ringe a. Bronze, Umt-n-
scherben, Waffen. Wagner: An«, gorm.
N.-M. S. 3H.
Randow (Kreis), Pomm. StoingerSthe, Bronz<»-
messer, Thonscherb. Weigel: AmÜ. Bor.
Sp. LIV.
Ransem, Kr. Breslau. Gold. Halsring. V o » * :
Amtl. Ber. Sp. XXXXII.
Rastenburg s. Bilderweitschen.
Beetz, Kr. West-Priegnitz, Brandenb. Thon-
scherben. Voss: Amtl. Ber. Sp. X.
Regensburg. Röm. Münzen a. Kupfer u.
Bronze (Augustus, Nerva, Domitian, Vo<-
pasian, Hadrian, Julia Mamma ea). Ani.
germ. N.-Mus. S. S9.
Reichenwalde, Kr West-Stemberg, Brandenb.
Frühmittelalterl. ThongefÄsse. Voss: Amtl
Bor. Sp. XXXX.
Keichersdorf, Kr. Guben, Brandenb. SlaviÄclu
— 15 —
Thongefltose. Jentsc h: Verh. Berl. Ges.
Anthr. S. 856.
Revftl, Esthland. Spiralf5nn. Silberbarren.
Weigel: AmtL Ber. Sp. LXXIX.
Rheims. Gallo-rom. BronzegegenstAnde, Rev.
de Champ. p. 309.
Bheinhessen, La Tene-Funde. Halsringe a.
Gürtelhaken m. roth. Schmelz , geperlt
Armring, Bronzemesser, y. Cohausen:
Ann. Ver. Nass. Alt S. 281.
Roagger. Halsringstange a. Gold. Ber.
Schlesw.-Holst. Mus. S. 10.
Böblingen (Ober-), Kr. Sangerhausen, Prov.
Sachs. Thongefässe, altsächs. Weigel:
Amtl. Ber. Sp. LXXVU.
Röcksta, Roslagsbro Sn, Stockholmslän. Ku-
fische Münzen, Kettenbruchstücke a. Silber.
M&nadsblad S. 49.
RGpersdorf, Kr. Prenzlau, Brandenb. Stein-
hammer. Weigel: AmÜ. Ber. Sp. LXXIY .
Röstenberg, Kr. Amswalde, Brandenb. Stein-
geräthe. Voss: Amtl. Ber. Sp. XXXIX.
Rogoszestie, Bez. Sereth, Bukowina. Beil a.
Eisen. Romstor fer: Mitth. Gentr.-Comm.
S. 69.
Rossitz, Oest Rom. Münzen (AntoninusAug.p.).
Karner: Mitth. Centr.-Conmi. S. 136.
Rothertnrmpass. Rom. Münzen (Silberdenare
▼. Hadrian bis Philippus Pater). K. -B.
d. Ver. f. siebenbürg. Landesk. Jahrg. 13.
S.37.
Rügen, Feuereteinbeile, Steingeräthe. Weigel:
Amtl. Ber. Sp. LXXVI.
Rümlang, Zürich. Rom. Münze in Mittelerz.
(Faustina?). Heierli: Anz. Schweiz. Alt
8.369.
— . Alemannische Armknochen m. Bronze-
ringen. Heierli: Anz. Schweiz. Alt. 859.
Rüngsdorf b. Bonn. Rom. Ring. a. Bronze.
Wiedemann: Jahrb. Alterthumsf. Rhein.
S. 229.
IS^aalburg, Hess.-Nass. Terra sigillata-Scherb.
Voss: AmtL Ber. Sp. XXXXIII.
Sachsen, Prov. Vorröm. Thongef&sse u. Stein-
beil. Weigel: Amtl. Ber. Sp. J.XXVII.
— . Schwerter u. Sichel a. Bronze. v.Borries:
Mitth. d. Ter. f. Erdkunde z. Halle S. 86.
— , Grossh. Steingeräthe. Voss: Amtl. Ber.
8p. xxxxm.
Sagard auf Rügen Halbmondfönn. Messer
a. Bronze. Weigel: Amtl. Ber. Sp. LXXVI,
Sammenthin, Brandenb. Gew andnadel a. Bronze
a. d. Torfmoor. Voss: Amtl. Ber. Sp. XL.
Samplava b. Weissenburg, Kr. Löbau. Feuer-
steinmeisseL Ber. westpr. Prov.-Mus. 8. 11.
San Lazzaro, Cispadana. Münzen (Honorius
u. Arcadius) a. Gold. Brizio': Not d.
Scavi p. 106.
Sassnitz auf Rügen. Nucleus a. Feuerstein.
Weigel: AmtL Ber. Sp. LXXVL
Satulmare, Bez. Radantz (Bukowina). Pfeil-
spitze a. Bronze. Romstor fer: Mitth.
Centr.-Comm. S. 69.
Sayiese, Wallis. Gefäss a. Bronze. Ritz:
Anz. Schweiz. Alt S. 310.
Schalben s. Nordenburg.
Scharrachbergheim. Elsass. Beil a. Chloro-
melanit Forrer: Antiqua S. 75.
Schawin, Kr. Königsberg, Brandenb. Thon-
gef&sse u. Scherb. Voss: Amtl. Ber. Sp. XL.
Schleinitz (Burg) b. Limberg, Niederösterr.
Umenscherben a. Hallstatt. Spöttl: Mitth.
anthr. Qea, Wien. S. 75.
Schlesien. Thongef&sse. Voss: Amtl. Ber.
Sp. Xn. Vorröm. Thongefässe Weigel:
Ebenda Sp. LXXVII.
Schlobitten, Ostpr. Steinklinge, in Hirsch-
horn gefasst, u. Bronze-Halsring. Bujack:
Sitzgsb. Prussia S. 6. Virchow: Nachr.
S. 32.
Schönbrück (AdL Kl.-), Kr. Marien werder.
Steinhammer. Ber. westpr. Prov.-Mus.
S. IL
Schönfeld, Kr. Amswalde, Brandenb. Hals-
schmuck a. Bronzeringen. Voss: Amtl.
Ber. Sp. XXXIX. Halsringe u. Flachcelte
a. Bronze Sp. XL.
Schönlanke, Feuersteingeräthe, (Messerchen,
Angelhaken, Pfeilspitzen) auf e. Berge.
Anz. germ. N.-M. S. 51.
Schonen, Schwed. Steingeräthe. Weigel:
Amtl. Ber. Sp. LXXIX.
— , Schwed. Steingeräthe u. Waffen, Erzcelt.
V. Cohausen: Ann. Ver. Nass. Alt S. 284.
Schwalbek, Kirchsp. Oldenburg. Schwert u.
Streitaxt a. Eis. Ber. Schlesw.-Holst Mus.
S. 11.
Schwandbach , Unterwaiden. Durchbohrter
Quarzit (Steinkeule). Heierli: Anz. Schweiz.
Alt S. 358.
Schwarzort, Ostpr. Neolith.Bemsteinschmuck-
sachen. Forrer: Antiqua S. 1.
Sdorren, Kr. Johannisburg. Barren a. Bronze.
Bujack: Sitzgsb. Prussia S. 173.
Seddin, Kr. Westpriegnitz, Brandenb. Bruchst.
e. Torques v. Bronze, Eis. Schmucknadel
(La Tene). Voss: Amtl. Ber. Sp. XI.
Segeletz, Kr.Ruppin, Brandenb. Steinhammer.
Weigel: AmtL Ber. Sp.LXXIV.
Sekuriczeny, Bez. Suczawa, Bukowina. Lanzen-
— 16 —
spitze a. Bronze. Romstor fer: Bütth. Centr-
Comm. S. 69.
Selva, Venetien. Vorröm. Thongeräthe u.
Bronzegeräthe. Not. d. Scavi p. 134.
Siebenbürgen. Fussspiralen. Pulszky: Pra-
hlst Bl. S. 93.
— . Armband, tordirt, (La Tene). Pulszky:
Prahlst. Bl. S. 92.
Sinsheim, Baden. Schwert a. Eis. Antiqua
S. 31. Prahlst. Bl. S. 89.
Sklbbj. Spiralringe a. Zinn ; Halsringe, kleinere
Ringe, Armringe, Nadeln, Ketten, Gelte,
Stange a. Bronze a* d. Torfmoor. Anz.
germ. N.-M. S. 51.
Sköm b. Prökuls, Kr. Memel, Fund d letzt.
Heidenzeit. Halsringstücke, Kinderarmring,
Hnfeisenfibeln, SchnaUenstücke, sämmtl. a.
Bronze. Bujack: Sitzgsb. Prussia S. 179.
Slup in Prag. Bronzeartefakte, zusammen-
geschmolzen, Bronze-Lanzenspitze, Buckel-
armringe. Jelinek: Mitth. anthr. Ges.
Wien S. 140.
Snoder, Sproge Sn, Gotland. Goldspindel,
spiralig. Munadsblad S. 10.
Sobbowitz 8. Lamenstein.
Söllstedter Moor, Kirchsp. Abel. Spiral-
Armring a. Silb. Ber. Schlesw.- Holst. Mus.
S. 6.
Solopisk, Rev. Selmic, Böhm. Paalstab.
Woldirich: Mitth. anthr. Ges. Wien, Sitzgsb.
S. 67.
Sorquitten s. Bilderweitschen.
Sota, Rödö Sn, Jämtland. Ovale Scheiben-
fibeln (spännbucklor), runde Fibeln a. Bronze.
Munadsblad S. 51.
Spirken, Kr. Memel. SchnaUenrahmen a.
Bronze od. Messing. Bujack: Sitzgsb.
Prussia S. 180.
Stadorfer Heide, Hannov. Dolch u Nadel a.
Bronze. Voss: Amtl. Ber. Sp. XXXXII.
Starzeddel, Kr. Guben, Brandenb. GefÄsse.
Weigel: Amtl. Ber. Sp. LXXV.
St^in, Kämt. Lanzenspitzen a. Eis. (La Tene).
Carinthia, Jhrg. 80 S. 232. j
Steinteinitz b. Laun, Böhm. Bronzenadel.
Schneider: Mitth. Centr.-Comm. S. lll.j
Stendal, Altmk. Bronzeschwerter. Antiqua S. 52. i
Sterbenin, Pommern. Solidus (Valentinian III) ;
a. d. röm.-by zantin. Münzfund ( 1 864). Monats-
bl&tter S. 18L !
Stillfried, Oest. Thonscherben. Weigel:
Amtl. Ber. Sp. LVI.
(Schlnss
Stinkenbi;nim (Ober-), Oestr. Pr&histor. n.
röm. Gefäs^este. Karner: Mitth. Gentr.
Comm. S. 136.
StöUn, Kr. West-Harelland, Brandenb. Urne,
Voss: AmtL Ber. Sp. X.
Strosseck, Schles. Silberfund a. d. slar. Zeit
m. Rest. d. dazngehör. Thongefässes.
Weigel: Amtl. Ber. Sp. LV.
Sturkö, Blekinge. Silbermünzen, arab., byzaat.^
deutsch., slav., angelsächs.; Ohrgeh&D^,
Spindeln v. Silber, Eisen- u. Bleigewichte,
Süberblech z. Th. m. Filigran, Silber-
draht. Mänadsblad S. 49. Hildebrand:
S.73.
Sümeg am Plattensee Gelt Schwert m.
yerziert. Eisenscheide. (Darnaj) Pnlsxkj:
Prahlst. Bl. S. 92.
Szilägy-Somlyö, üng., Goldfnnd a. d. Völkcr-
wanderungsseit. Fibeln m. Verlier., Gra-
naten u. Sardonjx, Armringe, Schale,
Hundskopf ,y. Armband). Pulsxkj: Ungar.
Rev. Jhrg. 10, S. 85. Prähist BL S. 68,
Tab, Ung., Bronzefund. Kupferschlacken, roh
Bronze, Sichel- u. Meisselbruchst. Prähist.
Bl. S. 28.
Tafelberg b. Klentnitz, Mähr. Celt a. Broni^.
Ma§ka: Mitth. Centr.-Comm. S. 47.
Tangermünde. Schlittknochen (Pferd). Verh,
Berl. Ges. Anthr. S. 251.
Tellingstedt, Schlesw.-Holst. Flintaxt. K.-B.
deutsch. Ges. Anthr. S. 12.
Templin (Kreis), Brandenb. St^inhämmer.
Weigel: Amtl. Ber. Sp. LIV.
Thallem. Röm. Münze in e. Steinkohlenstück
a. d. Bergwerk. Karner: Mitth. Centr.-
Comm. S. 136.
Thajngen, Schaflhausen. Steinbeil (Aphanit).
Heierli: Anz. Schwell. Alt S. 357.
Thiede b. Braunschweig (Diluvium). Bear-
beitet« Geweihstangen d. Riesenbirscbes
(Cervus euryceros). N eh ring: VeA BerL
Ges. Anthr. S 363.
Tlumacz, Galizien Werkzeuge a. Hörnst ein.
Szombathy: Mitth. anthr. Ges. Wien.
Sitzgsb. S. 19.
Tortian (Fort) b. Pola. Kalksteinblöcke m.
Inschriftfragmenten u. Pflanzenom., Thon-
scherben , Bronzearmband. Schallek:
Mitth. Centr.-Comm. S. 137.
Trachenberg, Schles. Eis. Schales. ahslaT.
Weigel: Ama Ber. Sp. LXXVH. Vo»»:
Yerh. Berl. Ges. Anthr S. 385.
folgt)
AbgeicblosseD am 34. M&n 189L
Ergäntangsblätter »u/ Zeitschrift fflr Ethnologie.
■
Nachrichten ober deutsche Alterthnmsfimde-
Mit Unterstützung des Königlich Preuss. Ministeriums
der geistlichen, Unterrichts- und MedicmaJ - Angelegenheiten
herausgegeben von der
Berliner Gesellschaft filr Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte
unter Redaction von
R. Virchow und A. Voss.
Zweiter Jahrg. 1891. j Verlag von A. ASHER & Co. in Berlin. Heft 2.
- . '\ li
Bibliographische Uebersicht über deutsche Alterthumsfunde
fUr das Jahr 1890.
Bearbeitet von Dr. F. Moewes.
(Schluss)
B. Fundherichte.
III* Einielftaiidey Sammelfniide ond Funde ohne genauere Angabe der Herkunft.
Trampe b. Brüssow, Ukermk. Schädel u. Vikare, Viklau Sn, Gotland. Kufische Münzen.
Hirschskelet a. d. Torfmoor. iSchumann: Manadsblad. S. 6.
Verh. Berl. Ges. Anthr. S. 477. Vollem, Gem. St. Georgen a. d. Salzach.
Trarach, KÄmt. Lanzenspitze a. Bronze. Schwert a.Bronze (Schilf blattform). Fetter ;
Carinthia Jhrg. 80 S. 282. Mitth. Centr.-Comm. S. 211.
Trasimeno (Lago). Eckzähne t. Hund u. Bär. Vreta, Klosters Sn, östergötland. Bogenfibel
W 0 1 di-i c h : Mitth. anthr. Ges. Wien. Sitzgsb. v. Bronze. Manadsblad. S. 8.
S. 68. Waltersdorf; Kr. Teltow, Brandenb. Bruchst.
Trentino. Fundorte von Bronzen. Orsi.-i e. Bronze-Zierstückes. Weigel: Amtl. Ber
Bull di Paletnologia iUl. Anno lö p. 133. Sp. LXXV.
Trojes, Frankr. f Platten e. Wehrgehänges a.| Wangen, Zürich. Lanzenspitze m. Dülle,
Bronze, merowing. Rev. de Champ. p. 868. (Pfahlbautenform) v. Torfmoor. Heierli:
— . Gall. Münzen, ibid. p. 467. Anz. Schweiz. Alt S. 359.
— . Bruchstücke v. Thongeräthen , Ann- Wamicker Forst, Ostpr. Wirtel (Keulenkopf)
bänder u. A. aus Bronze, ibid. p. 467. j a. Bronze. Tischler: Sehr, phys.-ök. Qes,
Truntlack, Kr. Gerdauen, Ostpr. Fingerring ' S. 25.
a. Bronze. Bujack: Sitzgsb. Prussia S. 180. Wauwjl. Bronzeartefakte a. d. Torfmoor.
Tuchen b. Pritzwalk , Brandenb. Urne. Antiqua S. 52.
Weigel: Amtl. Ber. Sp. LXXV. i Weikersdorf (Gross-), Oestr. Werkzeug a.
Türmitz s. Hcrbitz. Quarzit. Szombathj: Mitth. anthr. Ges.
IJlrikehamn Halsring a. Bronze {\a Tene). I Wien Sitzgsb. S. 19.
Manadsblad. 8.52. ! Weimar. Grossh. Sachs. Steingeräthc. Voss:
Utershorst b. Nauen. Neolith. Steinbeil u. i Amtl Ber. Sp. XIV. Weigel: Ebenda
Bronzemesser v. Torfmoor. Vater: Verh. Sp. LXXVIII.
Berl. Ges. Anthr. ». 406. , Wels. Ringkrug a. Thon u. Grablampe.
Varberg. Hohlceltv. Bronze. Manadsblad S. 8. Straberger: Mitth. Centr.-Comm. 8.87.
Varzelio, Ligurien. Rom. Münzen a, Bronze Wendelstein b. Rossleben, Harz. Urnen m.
und Silber (3. JahrL). Not di Soa^i p. 27. Feuersteinen u. Schädelknoch. v. Haus-
2
— 18 —
<
thieren (Pferd, Schaf, Hund etc.). Anz. \ Wittstock (Amt), Brandenb. slav. Mahlstein.
germ. N.-M. S. 90. Weigel: Amtl. Ber. Sp. LXXV.
Werder a. d. H., Groldfund. Goldgefasse in. WorriDgen. Fingerring a Gold m. Minerr«.
getrieb. Om., gold. Armringe u. Spiral-; Klein: Jahrb. Alterthumsfr. Rheiol. S. 21 0.
armbänder. Voss: Verh. ßerl. Ges. Antlur. i Wostitz, Mähr. Tragringe a. Bronze. Ma^ka:
S. 298. Weigel: Amtl. Ber. Sp. LXXV. j Mitth. Centr-Comm. S. 47.
Westpreussen. Thongefässe u. Steingeräthe. | Wustrau, Brandeob. Feuersteingeräthe. Vos»:
Voss: Amtl. Ber. Sp. XLI. , Amtl. Ber Sp. XXXIX.
Wicklitz 8. Herbitz. 1 SBaborowo, Kr. Schrimm, Pos. ITiongefaswe,
Wiesbaden s. Heidesheim. slav. Scherb. Voss: Amtl. Ber. Sp. XIL
Wiktorow b. Halicz, Galiz. Fischangel a. idanice b. Kourim. Urnen, Bronzen o. Kinder-
Kupfer Much: Mitth. Centr -Comm. S. 69. ; klappern (?). Mitth. Centr-Comm. S 147.
Wilawce, Bez. Wisnitz, Bukowina. Silber- , ZehuMc b. Caslau. Bronzearmb&nderm v*»rjich.
schmuck (1887). Komstorfer: Mitth. Gm , Klopfsteine a. Quarzit. Cerm^k :
Centr.-Comm. S. 69. Verh. Berl. Ges. Anthr. S. 166.
Wilhelmsthal, Kr. Orteisburg, Ostpr. Beil Ziegelbrucke, Kant Glarus (18Ö5). Schwerter
a. Feuerstein. Bujack: Sitzgsb. Prussia a. Bronze. Heierli: Anz Schweiz. Alt
S. 163. S. 298.
Willenberg b. Marienburg. Steinhammer, i Zootzen, Kr. Templiu, Brandenb. Bronzereit
Ber. westpr. Prov. Mus. S. 11. Voss: Amtl. Ber. Sp. XL.
Wirsitz (Kreis), Pos. Gesichtsume. Weigel: Zürich Gallische Potinmünzen zu Klaropen
Sp. LV. zusammengeschmolzen. (LaTene). Messt -
Wischin. Urne m. Oehr, Bronzeringe, Glas- komm er: Antiqua S. 42. Anz. Schweiz.
perlen. Anz. germ. N.-M. S. 51. Alt. S. 358.
IV. Inschriften, Skulpturen, Kulturgegenstände.
Aalum , Dänemark. Runenstein (altchristl ) ! Chlumcan b. Laun. Freihandgefftsse d. ih.
Anz. germ. N.-M. S. 53. | Bronzezeit (Opfergaben). Schneider:
Andernach. RömischeGrabschriftvom Martins- ' Mitth Centr-Comm. S. 110.
berg. Zangemeister. K.-B.wd.Z.Sp. 209. Ciyitella 8. Paolo, Etrurien. Rom. Inschriften.
Aquincum (AJt-Ofen). Inschrift röm. K. -B. Gamurrini: Not d. Scari. p. 77.
wd. Z. Sp 9. ! Ciavier, Belg. Vorröm. Pferd, a. Bronze.
Avenches. Bacchus-Statuette (Bronze). Cart:' Schuermans: Wd. Z. S. 312.
Anz. Schweiz. Alt. S. 364. j ('oncordia-Sagittaria, Venetien. Rom. Grab-
Barnstedt b. Querfurt, byzantin. Crucifii a. schriften. Bertolini: Not. d. Scavi p. 169.
Bronze. Anz. germ. N -M. S. 41. Crevola d'Ossola. Transpadana. Rom, In-
Bendorf,röm.ZiegelstempeL K.-B.wd.Z.Sp 33. ! schrift^ (wiedergef.). Baretta: Not. d.
Bitburg. Röm. Inschriftstein. Hettner: Scayi p. 3.
K.-B. wd. Z. Sp. 247. Darmstadt, Stein, yierseit., m. d. Thaten d.
Bonn. Röm. Inschriftstein (Legionsbaustein) , Herkules. Hang: K.-B. wd. Z. Sp. 187.
Klein: Jahrb. Alterthumsfr. Rhein. S. 210. Ehrang b. Trier. Rom. Retterstatue, Tor»o
Bomholm. Runenstein (christl.). Anz. germ. \ Anz. germ- N.-M. S. Ö2.
N.-M. s. m,
Brescia, Venetien. Säule (Marmor) m. corinth.
Kapital Da Ponte: Not. d. Scayi p. 270.
— Cippus m. Inschr. Da Ponte: ib. p. 271.
Este, Venetien. Votivschatz, Bronzestatnetten.
Votivnftgel m. euganeischer Schrift. Proj»-
docimi: Not d Scavi p. 199.
Florenz. Rom. Inschriftstt'in. Milani:Not d.
Brigetio. Ära m. Inschrift, Bormann: | Scavi p. 107.
Archäol.-epigr. Mitth. S. 118. Fomovo S. Giovanni. Transpadana. Cippn.'*
— Röm. ZiegelstempeL Bormann: ArchÄol- m. Inschr. Not. d. Scavi p. 278.
epigr. Mitth. S. 119. , Fossombrone, Cmbrien Röm. Qrabinschrifteo
Castrignano, Picenum. Cippus m. sabellischer ' d. Necropolis d. Forum Sempronit Not.
Inschr. Not. d Scavi p. Ih2 d Scavi p. 112.
Ch&lons-sur-Mame. Röm. Grabinschriften. Friesach. Kärnten. Rom. Inschriften, < ippo»
Heron de Villefosse: Rev. de Champ. Tafeln, Kalksteinblöcke), v. Pr^morstrio:
p. 857. . ArchäQl-epigr. Mitth. S. 165.
- 19 —
Onnskirchen, röm. Inschriften der Friedhof- Marching, Bay. Schalenstcin. Hager:
maoer. Straberger: Mitth. Centr.-Comm. Prähist. Bl. S. 75.
S. 87.
Ganzenberg. Kärnten, röm. Skulptur. Bor-
mann: Arch&ol.-epigr. Mitth. S. 117.
Heddemheim b. Frankfurt a. M. Köm
Skulpturen (Speerschwingender Alarius,
Mattein. Röm. Grabschrift. Bormann:
Archäol.-epigr. Mitth. 8. 117.
Monheim, Reg.-Bez. Düsseldorf. Rom. Votiv-
steine v. Haus Bnrgel (Kastell). Koenen:
Jahrb. Alterthurasfr. Rheinl. S. 217.
Jupitcr-Monument). Hammeran. K.-B Mortizzuolo, Cispadana. Röm. Grabstein
wd. Z. S. 177.
Heflensteiu W. Cilli i Savethal Römische
Ziegel m. Stempel. Bormann: Archäol.-
epigr. Mitth. S. 117.
Hendelberg b. Krummhübel. Opferbecken.
Anz. germ. N.-M. S. 39.
Hepberg u. Stammheim b. Ingolstadt Schalen-
st^in. Geist: Prähist. Bl. S. 62.
Herbitzheim a d. Saar. Röm. Inschriften.
(wiedergef.). Not. d. Scavi p. 103.
Bfiederlausitz. Röm. Schwert m. Namen-
stempel (NatalisX K.-B. wd. Z. Sp. 33.
Obemburg a. M. Röm. Ära v. Kastell.
Conrady: Wd. Z. S. 164.
Opedal b. Bergen. Runenstein mit Inschr.
Anz. germ N.-M. S. 94.
Oppenau, Schwarzwald. Schalenst^in. F o r r e r :
Antiqua S. 33.
LevyinGes. f. Erh. d. bist. Denkm.; K.-B. Ottmanach, Steuerberg und Pisweg, Kämth.
wd. Z. Sp. 175.
Hoven b. Zülpich. Inschriften (Matronensteine).
Klingenberg: Jahrb. Alterthurosfr Rheinl.
S. 231.
Irsdorf (Salzburg). Römerstein m. Relief
(Reiter u. Fussgänger v. d. Kirche). P e 1 1 e r :
Mitth. Centr.-Comm. S 70.
Köln. Röm. Statuette a. Bronze (pflügender
Mann). Schaa ff hausen: Jahrb. Alter-
thumsfr. Rheinl. S. 60.
— Röm. Tritonmaske a. Bronze Schaaff-
hausen: Jahrb. Alterthumsfr. Rheinl.
S. 66.
- Monument mit Reliefs und Gruppe a.
Röm. Grabinschr. Bormann: Arch&ol.-
epigr. Mitth. S. 115.
Perugia, Etrurien. üme m. etrusk. Inschrift.
Not d. Scavi p. 238.
Pisweg 8. Ottmanach.
Pola. Cippus, Inschriftsteine. Rizzi: Ar-
chäol.-epigr. Mitth. S. 125.
Bavenna. Röm. Grabinschrift. Monghini:
Not. d. Scavi p. 176.
— Röm. Ziegelstempel, ibid. p. 286.
— Röm. Grabinschrift, ebend. p. 286.
Ricina. Röm. Inschriftstein. Not. d Scavi p.209.
Rimini, Cispadana. Etrusk. Statuetten a.
Bronze u. röm. a. Marmor. (Sanctuarium ?)
Kalkstein (Löwe u. Hirschkuh), om. Grab- Not. d. Scavi p. 208.
ume a. .lurakalk. Klein: ebend. S. 209.
— Römisch. Grabstein m. Inschrift. Klein:
ebend. S. 227.
— Schale ans Terra sigillata m. Darstell, d.
Mithrascultus. Wulff: ebend. S. 239.
— Röm < Grabinschrift. K.-B. wd. Z. Sp. oO.
— Röm. Inschriftstein (Matronenstein). Ihm:
K -B. wd. Z. Sp. 250.
Kreuznach. Victoria u. Minerva a. Thon. v.
d. Heidenmauer. Klein: Jahrb. Alterthumsfr.
S. 210.
liigerz (Burg) am Bielersee. Siegelstempel
m. Reiter. Bloesch: Anz. Schweiz. S. 300.
Salvan, Wallis. Vorgeschichtl. Steinsculp-
turen (Schalen, Rinnen, Drei- u. Vierecke,
menschl. Gest.) a. errat. Block. Reh er:
Anz. Schweiz. Alt S. 383.
Sanct Bernhard (Gr.-). Votivtäfelchen a. Bronze,
gall. u. griech. Münzen v. d. alt. Tempel.
Anz. gorm. N.-M. S. 92. Not. d. Scavi. p. 278.
Man Martino in Strada, Cispadana. Ziegel-
steine m. Stempel a. röm. Grabe. Not. d.
Scavi p. 177.
Schiavonia, Venetien. Cippus (Trachyt) m.
euganeischer Inschrift. Prosdocimi: Not.
d. Scavi p. 51.
lilienfeld. Röm. Grabinschr. (wiedergef.). Schierstein, Votivstein m. Inschr. u. Bildn. d.
Bor mann: ArchäoL-epigr Mitth. S. 112.
Lund, Schwed. Heidn. Opferstätte. Anz.
germ. N.-M. S. 51.
Mainz. Achtgötterstein. Hang: K.-B. wd.
Z. S. 134.
Marbieux. Statuetten v. Bronze (gallische
Minerva, Herkules u. Merkur, Kapital,
Reiter m. Barbar, o. Gigant, vom Gräber-
feld. V. Cohausen: Ann. Ver. Nass. Alt.
S. 285: K.-B. Gesammtver. S. 16, 27.
Serajewo, röm. Inschriften. Archäol.-epigr.
Mitth. S, 210.
Götter;. Flouest: Rev. arch. S6r. 3. T. 15. Spital am Semmering, Figuren a. Bronze
p. 124. (Osiris, Horus, Isis u. Mondscheibe m. Kuh-
2*
— 20 —
hörnern) spätröm.. Mitth. Centr.-Comm.
S. 71; Kenner: S. 86. K.-B. Gesammtver.
8.15.
Spoleto, Inschrift, s. Ansiedlungen.
Stammheim, s. Hepberg.
Stenerberg, s. Ottmanach.
Strassborg, Phallische Figur a. Thon u. Topf
m. Schlangenskelet. Straub in Ges. f.
Erh. d. bist. Denkm. in Starassburg: K.-B.
wd. Z. Sp. 79.
Stübing-Graben, Steiermark, röm. Grabstein.
K.-B. deutsch. Ges. Anthr. S. 21.
Stuttgart, alemanische Runeninschrift, auf e.
€k)ldfibel im Museum. Söderberg: Prahlst.
Bl. S. 38, 68.
Temi, Umbrien, röm. Inschriftstein. Bar-
nabel: Not. d. Scavi p. 236.
Tittmoning, röm Grabstein. Hub er: Anz.
germ. N.-M. S. 62.
Trier, christl. Grabplatten aus Marmor mit
lai Inschrift Hettner: K.-B. wd. Z. Sp. 89.
Tentimiglia, Ligurien, Cippus m# Insclir. n-
Glasumen a. d. Necropoüs. Rossi: Not.
d. Scayi p. 274.
Verona, Venetien, griech. Sculpturen. Xot.
d. Scayi p. 228.
Yillanoya, Cispadana, Statuette a. BroDse.
Not, d. Scavi p. 178.
Villemaur, Frankr, Schlüssel a. ßrohjte n.
Kreuz a. Kupfer a. d. Unterbau d. alt.
Priorei. Millot: Rev. d. Champ. p. 46«>
Wien, Cippus (wiedergef.), Bormann:
Archäol -epigr. Mitth. S. 111.
— , röm. Hermenbüste. Weisshäupl: Arch*ol.-
epigr. Mitth. S. 176.
Wiesbaden, röm. Inschrift. Otto: K.-B. wd.
Z. Sp. 186.
Winzendorf b. Wien, Relief (Mithraeoni) u
Votivara. Schön: ArchÄol.-epigr. Mitth.
S. 83.
Wittlich, röm. Ziegel m. Stempel Nussbaam:
K.-B. wd. Z. Sp 149.
Das Gräberfeld von Kossewen, Kreis Sensburg,
Ostpreussen.
Beim Bau der Chaussee von Sensbnrg nach Nicolaiken fand man im Jahre 1^7.
als wenige hundert Schritte nördlich von dem kleinen Dörfchen Kossewen ein
Htigelrücken durchstochen wurde, ein umfangreiches prähistorisches Gräberfeld
mit Urnen und zahlreichen Beigaben von Bronze und Eisen. Der Herr Landrath
von Schwerin in Sensburg Hess die Fundstücke sorgfaltig sammeln und schickt««
sie dem Königlichen Museum in Berlin ein, damit von hier aus eine genauen*
Untersuchung und weitere Ausbeutung dieser Lokalität voi^enommen wtirdc.
Ganze Urnen hatte man damals nur zwei zu Tage fordern können, die meisten
waren schon in der Erde zertrümmert oder zerbrachen beim Herausnehmen; die
Beigaben aber, Fibeln und verschiedene Zierrathe von Bronze, ein Schild bockel,
eine Scheere und ein Messer von Eisen (Fig. 1), ein grosses Zaumzeug von Eisen mit
Fig. 1.
Bronze - Beschlägen, Thonwirtel u. A. Hessen auf eine interessante Ausbeute*
schiiessen, so dass ich von der General-Verwaltung mit der weiteren Ansgrabong
dieses Gräberfeldes beauftragt wurde. —
Wie der ganze südliche Theil Ostprcussons, so ist auch besonders dip«e
Gegend ausserordentlich reich an Seen und Hügeln, die nicht selten wirklich
malerische Landschaften bilden. Auch unser Gräberfeld lag auf einem lang aus-
gedehnten Hügelrücken, der sich zwischen dem Kossewener See einerseits imd
dem Jüst- und Kutz-See andererseits, ungefähr in der Richtung von Süden nadi
- 21 —
'^'5*1
>
d%i<aA4/f«Ot«V#»1 .
Norden, hinzieht, nnd zwar gerade an der schmälsten Stelle, wo die beiden ersteren
Seen sich nur bis auf wenige hundert Schritt einander nähern. Die Höhe über
dem Wasserspiegel mochte vielleicht 30—35 Fuss betragen (Fig. 2).
Ich liess zuerst auf der
höchsten Erhebung des Hügels,
an derselben Stelle, wo beim
Sandabfahren damals die meisten
Sachen gefunden waren, weiter
graben, und nach wenigen Spaten-
stichen stiessen wir auch schon
auf mehrere, dicht neben einander ^^
stehende, allerdings schon halb
zerstörte Gefasse. Dieselben
standen, wie auch die meisten
übrigen; kaum 1 '/s Fuss mit ihrer
Basis unter der Erdoberfläche,
so dass der Pflug, der Jahr für
Jahr darüber hinweggegangen
war, fast regelmässig die obere
Hälfte weggerissen hatte. Nicht selten fand ich kaum eine Hand breit tief schon
Bodenstücke von Gefässen und Scherben der verschiedensten Art durch einander.
Im Laufe der Jahrhunderte müssen wohl wenigstens zwei Fuss von dem sandigen
Hügel abgeweht sein. Daher konnte ich nur etwa 15 einigermaassen erhaltene Thon-
gefässc herausbringen. Um so mehr hervorragend waren die zahlreichen Beigaben
aus Bronze, Eisen, Glas und Bernstein, die sich glücklicherweise meist auf dem
Boden der Gefasse, unter den Knochen oder wenigstens mehr unten zwischen
denselben, befanden. So konnte ich oft aus Urnen, die nur noch kaum zum dritten
Theil erhalten und, weil jedem Frost und Regenwasser ausgesetzt, meist zerborsten
und mürbe waren, noch unter der Knochenschicht die schönsten und besterhaltenen
Beigaben zu Tage fördern.
Ich habe, wo es iiigend möglich war, die Fundstücke aus jedem einzelnen
Grabe für sich gesondert; an einzelnen Stellen hatte aber der Pflug schon solche
Verwüstung angerichtet, dass man nicht mehr sehen konnte, wo die einzelnen
Grabumen gestanden hatten und zu welcher derselben die zwischen Knochen und
Scherben liegenden kleinen Bronzen, Glas- oder Benisteinperlen gehörten. Den
vollen zusammenhängenden Grabfunden muss ich daher noch eine ganze Reihe
sogenannter Einzelfunde hinzufügen, die für die Charakteristik imd chronologische
Bestimmung des ganzen Gräberfeldes von Werth sind.
Die Thongefässe sind sämmtüch ohne Scheibe verfertigt und zeigen mit
wenigen Ausnahmen gar keine oder nur wenige, verhältnissmässig rohe und ein-
fache Ornamente. Viele sind aussen ganz oder theilweise rauh gelassen, zum
Theil auch ganz schief und ohne Accuratesse gearbeitet. Henkel kommen fast
gar nicht vor. Der Thon ist meist von grauer oder bräunlicher Farbe, ziemlich
reichlich mit Kies untermischt und schwach gebrannt.
Im Gegensatz zu diesen keramischen Erzeugnissen stehen die Metallsachen
und die übrigen Beigaben, die zu den schönsten und vollkommensten Stücken ge-
hören, welche bisher aus dieser Zeit gefunden sind. Ein grosser Theil derselben
verräth entschieden römische Technik, drei Fibeln zeigen den typischen Charakter
der spätrömischen sogenannten Provincial-Fibeln, wie sie auch in den übrigen
Theilen Deutschlands^ besonders auch in der Mark und in Sachsen auf ver-
— 22 —
schiedenen Gräberfeldern zn Tage gekommen sind. Die zahlreichen Glasperlen
sind wohl alle importirte Waare; vor allem der prachtvolle Glasbecher (Grab 14)
kann selbstverständlich nur aus einer südlichen Werkstatt stammen. Elin ganz
ähnliches Stück ist im südlichen Schweden, ein anderes bei Wiesbaden gefunden
worden.
Daneben giebt es Stücke, die ein ganz anderes eigenartiges Gepräge zeigen,
sodass ich für sie keine römische, sondern einheimische Technik in Anspruch
nehmen möchte, da ähnliche Stücke bisher in andern Theilen Deutschlands und
in den alten römischen Provinzen noch nicht gefunden sind. Besonders die Fibeln
dieser Kategorie, der Mehrzahl nach Armbrust-Fibeln, sind bedeutend massiver
gearbeitet und zeigen eine primitivere Ornamentik, als sie sonst auf ächten spät-
römischen Bronzen vorkommt. Die dicken Spiraldrähte und Sehnen, die starken
Knöpfe, welche die Spirale auf beiden Seiten abschliessen, das meist viereckige
Schlussstück des breiten Bügels auf dem niedrigen Fuss, alles das macht nicht
den Eindruck acht römischer Arbeit, wenn auch vielleicht die betrefTenden Künstler
mehr oder weniger römische Typen im Kopfe hatten. Die Schnallen von Bronze
erinnern in ihren ebenfalls etwas massiven Verhältnissen an diejenigen, welche
in fränkischen Reihengräbern der Merowinger-Zeit im Rheinland gefunden sind un*i
auch dort als einheimische Fabrikate angesehen werden.
Bei den zahlreichen Pincetten und BMngerspiralen von Bronze dürfte der Ur-
sprung weniger sicher festzustellen sein; sie können ebensowohl römische, wie
einheimische Fabrikate sein. Wahrscheinlich nordische Arbeit sind die Eisensachen
und wohl ganz sicher die zahlreichen Bernstein-Perlen der verschiedensten Form
und Grösse. Zu bemerken ist dabei allerdings, dass neben ganz rohen auch sehr
sauber gearbeitete und gedrehte Bernstein-Perlen vorkamen.
Chronologisch dürfte das Gräberfeld von Kossewen, nach den speciflsch
römischen Stücken zu schliessen, etwa in das 3. und 4. Jahrhundert nach Christo
zu setzen sein, obwohl die eine Fibel (Grab 9, Fig. 10) noch bis in das Ende des
zweiten Jahrhunderts zurückreichen kann.
Wir haben hier also eine Zeit vor uns, wo die römische, weltumfassende
Kultur bereits bis in die entlegensten Schlupfwinkel der noi-dischen Urwälder vor-
gedrungen war, und wo die Nordländer anfingen, sich nach römischem Muster
eine eigene Kultur zu gründen. Wahrscheinlich sind es hier Gothen gewesen,
die, während die ersten gewaltigen Völkerwellen der Vandalen, Gepiden, Bur-
gunder, Sueben etc. sich langsam dem Süden zuwälzten, hier im Osten bis an die
Wolga hin ein grosses mächtiges Reich gründeten, dessen Kultur nach den
zeitgenössischen Berichten die aller übrigen germanischen Völkerschaften der
damaligen Zeit weit übertraf. —
Grab 1. Die Urne war vollkommen zertrümmert. Zwischen den Knochen
lag ein 15,2 cm langes eisernes Messer und eine sehr gut erhaltene Pincette ron
Bronze, 5,7 cm lang, ohne Ornament.
Grab 2. Die Urne war zertrümmert. Der Inhalt bestand ausser den Knochen
aus zwei kleinen bommelartigen Bernstein-Perlen, einer prismatischen blauen (ilas-
perle mit einem schräg herüberlaufenden weiss-roth-weissen Bande (Fig. 3), femer
aus einem kleinen Ring und einigen kloinen unbestimmbaren Fragmenten von Bronze.
Grab 3. Eine gut erhaltene Urnt» aus braunem Thon, oben gut geglättet, unten
rauh gelassen und hier mit breiten, zu verschiedenen Mustern arrangirten ein-
geritzten Linien vei*ziert (Fig. 4). Die Höhe beträgt 25,7 der grösste Dorchmessor
m cm\ in derselben lag ein \\^2 cm langes eisernes Messer, an dem noch die
— 23
Reste des hölzernen OrifTes, sowie eines, wie es scheint, ledernen Futterals zu er-
kennen sind (Fig 5).
Grub 4. Eine Urne aus gnmcm Thon, deren Rand fehlt. Sic war zerbrochen,
konnte über leicht wieder zueummengesetzt werden; nach oben und unten hin spitz
zulaufcDd, zeigt sie unter der Ausbauchung längliche, von glatten Streifen durch'
brochone rauhe Felder, die mit eingeritzten Linien verziert sind. Höhe 21,3;
grösster Durchmesser 19,8 cm (Fig. (i).
Grab a. Zwischen den Scherben der zerbrochenen Urno lag eine grosse eiserne,
iillerdings etwas verrostole, über doch sonst gitnz gut erhaltene eiserne Fibel,
a,b cm lang, 6,6 cm breit (Fig. 7). Unten sind daran noch deutlich die im Rost ab-
gedrückten Geweberesle zu erkennen, also ein sicheres Zeichen, dass auch Ge-
wandstückc als Beigabe mit in die Urne gegeben wurden, von denen aber keine
weitere Spur erhalten ist. Dabei lagen zwei eiserne Sporen, einer sehr defekt,
der andere gut erhalten mit einem stumpfen Stachel aus Bronze (Fig. 8); schliess-
lich noch das Bruchstück eines eisernen MesKers.
3 3^^
Grab 6. Eine zierliche Armbmst-Fibel von Bronze, römische Arbeit. Der
Fuss ItiuR nach Aufnahme des Dorns in einen feinen Draht aus, der mehrmals um
den Bügel gewunden ist; an einigen Stellen zeigen sich Sparen von Eisenrost. —
Ferner eine kleine Perle von Bernstein und eine sehr grosse, schön erhaltene aus
grünlichem Glas mit rothen und gelben eingelegten Zickzack-Linien; 2,8 cm im
Durchmesser (Fig. 9).
Grab 7. Ein Wirtel von Thon, zwei Perlen von Bernstein, ein Bruchstück
eiues Beschlages von Bronze und eines solchen von Eisen, beide mit den bezw.
— 24 —
Nieten versehen; schliesslich eine kleine Spirale von Bronze, möglicherweise von
einer Fibel herrührend.
Grab 8. Eine sehr schön erhaltene Pincette von Bronze, 7,5 cm lang und eine
Fingerspirale mit 67s Windung von demselben Metall.
Grab 9. Eine Bronze-Fibel römischer Arbeit mit hohem Foss und Dachem.
breitem Bügel, über den in der Mitte eine wenig erhabene Querleiste g'elegt ist
(Fig. 10); dann zwei Bernstein-Perlen, von denen die kleinere ungenau, nicht in
der Mitte durchbohrt ist.
Grab 10. Einfache Urne aus bräunlichem Thon, ziemlich gut erhalten, 19 cm hoch,
24 cnh im grössten Durchmesser, unten rauh, oben geglättet; darin eine Schnalic
und ein Messer von Eisen, das letztere 15,5 cm lang.
Grab 11. Eine sehr schön erhaltene grosse Fibel von Bronze, mit starker
Sehne und grossen, fast halbkugel form igen Knöpfen an den Enden der Spirale:
einheimische Arbeit von besonders massiver Construction (Fig. 11). Dabei lai:
eine kleine, ziemlich roh gearbeitete Perle von Bernstein.
Fig.; 10.
Fig. 11.
Fig. 12,
Grab 12. In einer ganz zerbrochenen Urne lagen zwei sehr schön erhaltene
Bronze-Fibeln einheimischer Arbeit von ähnlicher Form und ziemlich derselben
Grösse, wie die in Grab 11 (Fig. 11); bei einer fehlen die beiden grossen Knöpfe
an den Enden der Spirale; ferner ein aus einem dünnen Bronzedraht hergestellior
Fingerring, eine kleine Bernstein-Perle, eine sehr verrostete eiserne Schnalle und
die Bruchstücke eines eisernen Messers.
Grab 13. Die Urne war zertrümmert: in derselben eine Fingerspirale aus
dünnem Bronzedraht mit (>*,., Windung, eine kleine Fibel aus versilberter Bronie
oder sehr schlechtem bronzehaltigem Silber, römische Arbeit Dann zwei weisse
Glasperlen und zwei bommelartige Bernstein-Perlen.
Grab 14 war das bei weitem hervorragendste und reichhaltigste auf dem ganzen
Gräbcrfelde. Die Urne lag allerdings so flach, dass die ganze obere üälde we;^-
gerissen und sogar noch ein Theil der Knochen zerstreut war. Toter diesen Itfi:
ei*stlich ein sehr schöner ülasbccher von hellgrüner Farbe; er war in fünf Stücif
— 25 —
zerbrochen, konnte aber sehr leicht wieder zusununengesctzt werden, da nicht das
Mindeste fehlte. Er ist genan 21 cm hoch, oben 11,2, nnten 4,4 cm breit. Im
oberen Drittel ist er mit feinen aufgelegten horizontalen Leisten verziert, darunter
mit etwas stärkeren vertikalen, von denen immer je zwei oben verbunden
sind (Pig, 12). Der Pflog mnss etwa nur 3 — 4 Pinger breit ober ihn hinweg-
gegangen sein; durch diese Erschütterung ist er wohl zerbrochen und aus
einander gerissen worden, da das Bodenatück mehr als eine Handbreit v-on den
übrigen Scherben entfcmt lag und zuerst gar nicht zu finden war. — Neben diesem
Becher lag eine sehr schöne Piocette uns Dronze, 8 cm lang (Fig. 13 a, b),
zwei silberplattirte und mit feinen eingeschlagenen, concen Irischen Kreisen ver-
zierte zungenföraiige Rieinenbeschlägc aus Bronze (Fig. 14); zwei kleine viereckige
Riemen beschläge, aus je zwei durch vier Nieten verbundenen Bronze-Platten be-
stehend (Pig. 1&); zwei Sporen aus Bronze: an dem einen derselben fehlt der Dorn ganz.
/*x
Fift. 17.
an dem andern nur halb; die Spitzen scheinen, nach dem Rost zu schlicssen, aus
Eisen gewesen zu sein; an dem erstcrcn ohno Dorn ist ein kleiner eigenthUmlicher
Haken angebracht, der vielleicht mit zur Befestigung gedient hat (F^. 16); dann
das BrochslUck eines eisernen Messern, und schliesslich, ganz, auf dem Boden des
üefüsses liegend, ein etwas defecter Knochenkamm (Fig. I<), aber immer noch so
gnt erhalten, duss sich seine ursprüngliche Form volUtündig erkennen lässt. Die
drei Platten sind dnrch Bronze - Niete zusammengehalten, die beiden üasseren
ausserdem mit Punkt-Kreisen und anderen feinen, allerdings schon ziemlich ver-
wischten Ornamenten versehen. Von der L'mc konnte ich leider nur wenige
Scherben retten; dieselben sind von brauner Farbe, theils rauh, theils geglättet
und ohne Ornament.
Grab lä. Die einfache Urne war. abgesehen vom Rande so ziemlich
erhalten, 22 rm hoch und 32,5 cm im grössten Darchmcgser. Der
Inhalt bestand aus zwei Bronze- Fibeln, ähnlich wie in Grab II, an
der kleineren fehlt jedoch die eine Spiralhälfte; ferner eine grosse,
etwas massive Schnalle von Bronze (Fig. 18) und eine kleine Bern-
stein-Peile.
''^' ' Grab 1ü. Eine grosse braune Urne mit ausladendem Rande, un
der grössten Ausbauchung mit zwei horizontalen Streifen, aus 4, bezw. ■* horizontal
eingcfurchten Linien bestehend, verziert; 26 cm hoch, 31,2 em im grössten Durch-
messer. In derselben lagen vier kleine Benutein-Porlen mid eine ganze Menge
stark verrosteter Eisensachen, unter denen ein Sporn, eine Schnalle und ein Messer
als solche zQ erkennen sind, die meisten über ihre TrUhere Bestimmung nicht rai-hr
erratben lassen.
Qrab n. Eine ziemlich gut erhaltene braune Urne mit weitem Halse, über
der Ausbauchung mit eingefurchten Linien verziert. 22 uh hoch, 17,2 im oImtch.
24,3 cm im grössten Durchmesser, m derselben lag eine kleine Schnullo vim
Bronze, ähnlich der im Grabe No 1') Fig. 18.
Grab 1«. Unter den Trilmmerii einer gansi zerstörten Urne lag eine sehr
schöne Bronzc-Fibcl mit den Spuren von Oold-Plattirung (Pig. 19). Der Bügt.'! ist
mit flach erhabenen Queruiilstcn und über dem Fuss mit kleinen ebenfalls ci-
habenen arabesken artigen Verzierungen bedeckt, duneben liig<'n uwei grosse fc*^-
drehte Bernstein-Perlen ( Fig. 20i.
Fig. 19. Fig. 21.
Grab I!'. Grosse Urne aus grauem Thon, der obere Rand fehlt; im der
stärksten Ausbauchung ist eine mit schrägen Einkerbungen verzierte Leiste auf-
gelegt. In derselbon befand sich ein oiscrnos Messer, ein Wirtel von Thon und
eine ganz kleine Schnalle von Bron/.e.
Grab 20. In einer zerbrochenen I'rne lug ein 15,8 oa langes schmales MevstT
von Eisen, eine Bronze - Fibel, deren Bügel mit pierstobähnlichen Omunn-nlen
verziert ist, sonst den übrigen einheimischer Technik ähnlich; ferner eine kleine
Schnalle von Bronze und zwei kleine Bmchslücko, wohl von einem Kieni^i-
beschloge hcrrllhrend.
Grab 21. Kleines Geräss, bis auf den oberen Rand gut erhalten, von braunem
Thon, unten rauh, oben geglättet, über der Ausbauchung zwei horizontale ein-
geritzte Linien, am Halse ein horizontaler Streifen kuraer schräger Einkerbungen.
Die Hdhe beträgt lt>,3; der gröaste Durchmesser 19 cm. Der Inhalt beatund nur
aus Knochen.
Grab 22. Grosse Urne aus graubraunem Thon, ebenfalls nur mit Knochen
gefällt. Unter dem nach oben ein wenig sich erweiternden Halse sind zwei er-
habene, mit schlügen Einkerbungen verzierte Wülste angebracht, darunter noch
mehrere parallel laufende flache Furchen und Reihen von kleinen länglichen
schrägen Vertiefungen. Die Uöhe beträgt ;(2,.'j, der obere Durchmesser 25..'): der
mittlere und gröaste Durchmesser 33,3 cm.
Grab 23. Unterer Theil einer sehr grossen, graubraunen, aussen rauhen und
ganz schief gerethenen Urne, darin befand sich ein Hesacr, ein Sporn, eine kleine
Schnalle und ein unbestimmbares Fragment von Eisen.
Grab 24. Unterer Theil einer ganz schief gerathenen rauhen Urne, ähnlich
der Torigeii, nur etwas kleiner. Darin logen zwei kleine, sehr verrostete eisenn'
Sporen.
Grab 2,'». Kleinere Urne aus braunem Thon, ziemlich zerbrochen, der nXtvrv
Rand fehlt, mit Qacheo, horizontal und sehnig eingefurchten Linien verziert.
Grab 2ti. In einer ansrheinend grossen, aber rollkommen zerstörten Urne lu^
gaux unten eine sehr gut erhullejie, grosse sogenannte Sproisen-Fibel von Bronie.
— 27 —
die, weil sie sich am meisten von den spccifisch römischen Stücken unterscheidet,
vielleicht am besten den oiiginalen einheimischen Geschmack und die dortige
Kunstrichtung zu erkennen giebt. Der wenig aufwärts gebogene Bügel ist mit
facettenartigen Einkerbungen verziert, die breiten langen Sprossen über dem Nadel-
halter mit eingeritzten Linien. An Stelle der Sohne tritt hier ein breites, in der
Mitte grahtartig verstärktes Band, das aber nicht, wie die eigentliche Sehne, organisch
mit der Spirale zusammenhängt. An den Enden der Spirale sind zierliche, an den
Rändern gerippte Doppelknöpfe angebracht. Länge 5,4, grösste Breite 5,8 cm (Fig. 2p.
Grab 27 enthielt zwischen den Scherben einer ebenfalls sehr grossen Urne
eine eiserne Lanzenspitze mit auffallend kurzem Blatt und verhältnissmässig langem
Schaft; 13,5 cm lang (Fig. 22).
Grab 28. Zwischen den Resten einer ganz zertrümmerten Urne zwei ziemlich
verrostete kleine eiserne Sporen.
Grab 29. Ebenfalls zwischen Scherben zwei ziemlich defocte und verrostete
eiserne Fibeln, ähnlich wie Grab 5 Fig. 7. —
Nun folgt noch eine Reihe von Einzelfunden, die ich theils auf der Ober-
fläche des umgeackerten Bodens, grösstentheils aber in der umgewühlten Erde beim
Graben fand, ohne dass ich sie einem bestimmten Grabe zuweisen konnte.
Eine schöne römische Armbrust- Fi bei von Bronze, 7,5 cm lang, sehr zierlich
gearbeitet und gut erhalten (Fig. 23).
Drei Pincetten von Bronze, zwei davon mit einem Schieber versehen.
Eine Schnalle von Bronze.
Fig. 22.
Fig. 24.
Fig. 23.
Eine cylindrische Fingerspirale von Bronze, deren Enden je zu einer kleinen
Scheibenspirale umgewunden sind (Fig. 24).
Ein kleiner eimerförmiger Anhänger und verschiedene kleine Fragmente von
Bronze.
Ein ganz kleines Thongefäss; 4,3 cm hoch, 6 cwt im oberen Durchmesser.
Scherben verschiedener Thongefasse.
Zwei Wirtel von Thon.
11 Bernstein-Perlen.
9 Glasperlen von verschiedener Grösse und Form, blau, weiss und gelb; eine
helle Doppelperle ist mit Gold ausgelegt. Unter den Bruchstücken von Perlen
befindet sich auch eines von schöner blutrother Farbe.
Bruchstück eines Schleifsteins aus sandsteinartigem Material, oben durchlöchert.
Eine grosse eiserne Schnalle.
Eine eiserne Fibel, am Bügel etwas defect.
Ein eiserner Sporn.
Ein eisernes Messer.
- 28 —
Dicht neben dem Gräberfelde, im Ufer-Saude des Jüst-Sees, Mrurden vor einigen
Jahren zwei grosse, im Allgemeinen gut erhaltene Bin bäume gefunden^ die, wie ich
annehmen möchte, ebenfdlls in die Zeit dos beschriebenen Gräberfeldes gehören.
Der eine wurde bald nach der Auffindung zerstört, der andere, den PrI. Friederike
Rogalla von Bieberstein in Barranowen in ihrem Park hatte aufstellen lassen,
gelangte als Geschenk der Besitzerin in das Kgl. Museum. Der Kahn ist ausser-
ordentlich roh gearbeitet und merkwürdigerweise ein klein wenig gebogen, so dass
das Rudern und Steuern mit ihm nicht ohne Schwierigkeit von Statten gegangen
sein kann. Er ist mit zwei nicht eingesetzten, sondern aus dem Stamm heraus-
gehauenen starken Querbänken versehen, die oben gerundet sind und bedeutend
über die Ränder des Kahnes hervorragen. Die Länge des ganzen Kahnes beträgt
5,75 m, die Breite 0,70, die Höhe etwa 0,45 m. Solche primitiven Fahrzeuge sind
von der ältesten Zeit an das ganze Mittelalter hindurch bis in unser Jahrhundert
hinein in vielen Gegenden Deutschlands gebraucht worden, so dass es schwer oder
oft gradezu unmöglich ist, bei einem derartigen Binzelfunde eine chronologische
Bestimmung zu treffen; da aber in diesem Falle die Kähne ziemlich tief im Sandr
dicht neben einem Gräberfelde gefunden sind, und ich auch ganz hart am Ufer
des Sees einige alte Thonscherben aufgelesen habe, ist es immerhin wahrsdieinlich,
dass die Fahrzeuge aus der Zeit dos Gräberfeldes, also etwa aus dem 3 — 4 Jahr-
hundert nach Christo stammen. M. Weigel.
Sammlung in Uetersen bei Hamburg.
In Uetersen, einem holsteinischen Städtchen nordwestlich von Hamburg, an
der schiffbaren, in die Elbe einmündenden Pinnau belegen, bemerkte ich in der
Sammlung des Schullehrer-Seminars einige Alterthümer.
Die nebenstehend abgebildete Urne, ohne
Verzierungen, ist auf der Mitte des Bauchs durch
kreuzweise SchrafRrung des sicheren Anfassen«
wegen rauh gemacht. Aus der Umgegend der
Stadt.
Forner eine grosso Urne von Blankene»e,
darin ein Eisengeräth und 2 eiserne Nadeln. Dabei
eine kleine sog. Ceremonien-Ume und eine kleine
Schale.
In der Nähe der Stadt in einer Sandgrabi^
kommen spätslavische Gefässtrümmer vor.
Die Seminar - Sammlung besitzt von dort einen
gebräunten grösseren Scherben mit eingedrückten quadratischen Stempeln und einem
Wellenomament, das mit einem vierzinkigen Instrument gezogen sein muss. Di<*
Masse ist härter, als die frühslavischen Gefässe sonst zeigen, und erinnert mehr
an die harte grauschwarze Töpferwaare des für diese Gegend frühesten christlichen
Mittelalters.
Ferner bemerkte ich zwei Exemplare des Schädels von Bos longifrons, von
ausgesprochen langer Stirn form mit kurzen, schwach nach aussen gebogenen Suro*
zapfen. Ein Exemplar ist vollständig, eines mangelhaft erhalten. Beide ent-
stammen einem Moor bei Uetersen.
In dem an die Probstei anstossenden Garten des Apothekenbeaitzen Alwin
Gloe, jetzt in Lübeck, fand ich in den Jahren 1887 und 1888 Ton Menschenhand
— 29 —
geschlagene Feuersteine und verschiedene alte Gefässreste, theils der vorerwähnten
frühchristlichen Zeit, theils einer noch älteren Periode zugehörig. Der Garten
liegt am Rande der Geest zur Marsch.
Wegen der geologischen Verhältnisse der Gegend und wegen der interessanten
osteologischen Vorkommnisse in den Knochenmühlen bei üetersen verweise ich
auf meinen Aufsatz: „Moltke in üetersen", Zeitschrift „Der Bär", XVII, 8. 51.
E. Priedel.
Ausgrabungen im Kreise Obornik, Posen.
1. LrnenfHedhof Ton Stobnlca.
Der ziemlich ausgedehnte Begräbnissplatz liegt auf dem rechten Warthe-Ufer
hart östlich des Dorfes Stobnica, Kr. Obornik, ungefähr 10 km nördlich von Samter.
Derselbe wurde vor einigen Jahren zufällig beim Ausheben eines Grabens entdeckt
und ist auf demselben schon mehrfach nachgegraben worden. (Fundstücke im
Besitz des flerm ßentmeisters Müller, Samter.)
Die Gräber liegen im Walde, in einer flachen sandigen Düne, in einer Tiefe
von 30 cm bis 1 7« m unter dem heutigen gewachsenen Boden.
Die Arten der Beisetzung sind folgende:
, l. In den meisten Fällen ist das den Leichunbrand enthaltende, mit einem
Deckel geschlossene Gefäss von Steinen umgeben und mit einem Stein bedeckt,
der in der Regel Urne und Deckel zerdrückt hat; die Beigabegefässe sind ausser-
halb der Steine hingestellt
2. Die Beigabegefässe stehen bei der Aschenurne, innerhalb der herumgelegten
Steine. In einem Falle fand ich eine Urne, um deren Fuss drei flache gehenkelte
Schalen symmetrisch herumgelegt waren.
3. Die Beigabegefässe liegen in der Aschennrne. In diesem Falle waren es
kleine Gegenstände, Schalen, Kinderspielzeug.
4. Das Gefass mit Leichenbrand stand ohne Steine frei im Sande, mit oder
ohne Beigaben.
Regelmässige Steinsetzungen (Kisten) fanden sich niemals vor.
Das eigentliche Aschengefäss ist in der Regel gross, aus grobem Material roh
verfertigt und schlecht gebrannt, meistens mit einem oder zwei Henkeln versehen.
Dasselbe ist mit einer flachen gehenkelten Schale zugedeckt. Es wurden aber
auch die verschiedensten anderen Geftisse zur Beisetzung der Leichenbrandresto
benutzt; stets war aber dann das Gefäss mit einem Deckel verschlossen.
In einem Falle lagen die Knochenreste eines Kindes in zwei über einander
gestülpten flachen Schalen (Fig. 1). In einer Urne lagen nur die üeberreste des
Schädels mit einem Bronzering. Die Beigabegefässe, die stets ofl'en und leer hin-
gestellt wurden, sind sehr verschieden : die am meisten vorkommenden sind Urnen
und Tassen in allen Grössen. Zwei omamentirte Schalen (Fig. 2) lagen als
Deckel auf Aschengefässen. Der hohe Dom in der Mitte des Grundes bei dem
einen ist von unten in die Höhe getrieben, hohl.
Das „Drillingsgefäss^ mit Henkel (Fig. 3) lag mit einer flachen Schale zu-
sammen bei einer Urne. Je zwei und zw^ei der kleinen Urnen, aus welchen es
zusammengesetzt ist, sind durch ein Loch am Boden mit einander verbunden.
Bei Kindergräbem fanden sich als Beigaben sehr kleine Gefasse, bei dem
oben schon enrahnten lag (Ihs Geruss Figur 4. Der dornrönnige Ansäte ist der
Länge nach fein dnrchbohrt (Geliiss zur Ernühning eines Säuglings ?).
Fig. 3.
Fig. 2.
Fig. 1.
Sümmtlicht! Thongo Passe, einige wenige Aasnahmen abgerechnel, sind ron
ziemlich roher Arbeit, ans fryier Hnnd gerormt, von Farbe golbroth oder groogvlh.
selten gesehwärzt. Dieselben sind sehr verschieden gebrannt. Die Veraienmgi-n
sind sehr einfach, nuch einige Gcrusse mU Fingernagel Verzierung fanden sich vor.
Die sonstigen Beigaben sind sehr spärlich. Von Bronze fand ich 3 Ringe
Dnd ein walnussgrosses Stück geschmolzen. An einem Ringe haftet noch dit-
Gussnath. In Kindergräbern fanden sich glatte Kiesel als Spielzeug. Diese Bei-
gaben lagen stets in der Asche nurnc.
Von Eisen fund sich keine Spur.
Bei einer Urne Inp die fliillte eines Sternhammers mit iiinderSchlagllächv,
2, UmenfMedhof von Kowalewko, Kr. Obomik, Posen.
Bei Kowalewko b. Obiezieree, Kr. Obornik, fand man einen ümenfriedhof. dt-r-
selbe lag in einem SandhUgel, der abgetragen wurde. Die gewöhnlichen Formen
waren, wie die in Stobnica (Fig. 2 n. a). E ige nih Ural ich ist das pokalartige GeräcB,
Fig. I.
Fig. 1, mit hohem hohlem Fuss und der Becher, Fig. 'd, der einem modernen Uohl-
maasse ähnlich sieht. Haoptmimn r. Ramberg
— 31 —
Amtliche Mittheilungen.
Fand von arabischem Silber bei Pinnow, Vorpommern.
In einem, dem Regierungs-Referendar, Kammerjunker von Behr gehörigen
Torfmoor der Feldmark Pinnow, Kreis Groifswald, ist eine Anzahl arabischer
Münzen neben Bruchsilber gefunden worden. Die Münzen, welche dem Königlichen
Münzkabinet überwiesen sind, stammen angeblich aus der Zeit der Abassiden- und
Oraajaden-Dynastie. Dieselben sind im Gebiete des heutigen Arabiens und Persiens
geprägt und haben einen ungefähren Werth von 150 Mk.
Merowin^sche nnd römische Gräber bei Ehrang, Trier.
Ein im Laufe des verflossenen Sommers in der Nähe des bei Trier gelegenen
Ortes Ehrang aufgedecktes Plattengrab merowingischer Zeit ist von dem Provincial-
Museum in Trier im Oktober und November v. Js. einer eingehenden Unter-
suchung unterzogen worden. Hierbei wurden 75 fränkische und 19 römische Gräber
und ausserdem die Grundmauern eines umfangreichen römischen Gebäudes ge-
funden. Die Untersuchung des letzteren ist noch nicht beendet. Die fränkischen
Gräber waren offenbar theilweise schon durchwühlt, haben aber doch noch eine
grössere Anzahl gut erhaltener Waffen, tauschirter Schnallen, einige verzierte
Bronzeschnallen, Rundftbeln, einige Ringe und Gläser ergeben. Die römischen
Gräber enthielten einige sehr kostbare Gläser.
Aus Zeitschriften.
Römische Fnnde bei Miltenberg.
Miltenberg;, 17. August 1890 („Allgemeine Zeitung"). Nachdem Hr. Kreis-
richter a. D. Conrady bereits 1884 das Vorhandensein eines grossen römischen
Castells innerhalb des Städtchens Oberuburg am Main nachgewiesen hatte, meldet
er neuerdings wichtige Funde daselbst. Darunter ist zu erwähnen eine wohl-
erhaltene, 1,02 m hohe Ära aus rothem Sandstein mit hübscher Omamentirung und
einer Inschrift auf der Vorderseite, welche die Widmung des Altars an den syri-
schen Soldatcngott dureh die vexillatio legionis XXII agcntium in lignariis sub
principalibus Tito Volusenio Sabine et Tito Honoratio Dentiliano (Abtheilung von
Holzarbeitern unter ihren Vorständen), und zwar im Jahre 207 n. Chr., bezeugt. Die
linke Seite weist 2 durch eine mäanderartige Doppcl figur verbundene Donnerkeile
auf, die nicht blos das Symbol des Gottes, sondern auch ein Cohortenzeichen der
22. Legion vorstellen; die rechte stark beschädigte Seite zeigt einen springenden
Steinbock, dessen hintere Hälfte in einen Fischleib mit dreigezackter Schwanz-
flosse endigt, — gleichfalls ein Cohortenzeichen der 22. Ivegion. Von noch grösserer
Bedeutung ist das Grabdenkmal, das mit Bestimmtheit spätestens in die ersten
Jahrzehnte des 2. Jahrhunderts n. Chr. zu setzen ist, also 50 Jahre frtiher, als die
bis jetzt bekannten Urkunden von diesem Theile des Limes, und das eine bisher nicht
geahnte Perspective in die gefestigten Zustände dieser Grenzstation am Mittelmain
eröffnet. Der Fundort ist die wahrscheinliche Gräberstätte vor dem Castell.
Das mit reichen figürlichen, architektonischen und symbolischen Schmuckwerken
verzierte Denkmal ist recht ausdrucksvoll und nicht ohne gewisse flotte Mannich-
faltigkeit und anmuthende Sinnigkeit entworfen, aber die Ausführung leidet an der
naiven Unbeholfenheit und Derbheit, welche den meisten römischen Sculpturen in
der Provinz anklebt Die Vorderseile zeigt ein Ehepaar: der Mann ausgestreckt
auf dem Lectum, vor ihm ein dreibeiniges Tischchen, zu seiner Rechten die auf
einem hochlehnigen Sessel sitzende Gattin, welche einem Htindchen einen Bissen
— 32
reicht; zur Rechten einen bedienenden Sclaven; die Krönung bildet ein schlafender
Eros auf einer Basis, welche auf beiden Seiten Delphine zieren. Die linke Schmal-
seite zeigt einen bärtigen Mars, darüber einen Pfau, die rechte eine Victoria,
welche mit dem Stilus auf einen Schild schreibt. Alle drei Seiten tragen In-
schriften. Von hohem Interesse ist endlich noch die Auffindung eines Wachthauses.
650 Schritte von der linken Castellflanke entfernt, welches in Bauart und Aus-
maassen vollständig mit den Wachthäusem an der Mümlinglinie im Einklang steht,
so dass dadurch von Neuem die Frage nach dem inneren Zusammenhang zwischen
der Limesstation Obernburg und der Mümlinglinie aufgeworfen wird.
(Aschaffenburger Intelligenzblatt Nr. 186 vom 18. August 1890.)
Bohlweg bei Damme, Hannover.
Lintorf, 15. August. Ein neuer Bohl weg ist bei Damme den 14. August ge-
funden. Derselbe liegt 4 — 5 Puss unter dem Moore, 1(^» m westlich von dem
ersten, vor einigen Jahren aufgefundenen Bohlwege, und ist ganz so construirt, wie
dieser. Er wurde bei der Theilung des Dievenmoores gefunden. Damit sind
nun auch im Dievenmoor zwei Bohlwege (pontes longi) nachgewiesen, und der
Plural, auf welchen Professor Knoke soviel Gewicht legt, trifft auch hier zu.
(Osnabrticker Zeitung vom 18. Augast 1890.)
Urnenftinde bei Gerwisch in der Nähe von Bnrg bei Magdebnrg.
Beim Rigolen gelegentlich der Anlage neuer Spargelculturen auf dem Grund-
stücke des Hm. Fabrikbesitzers G. Brentke in Gerwisch wurde in der Nähe des
Eisenbahndammes ein grösserer Urnenfund gemacht Die Gefässe standen in einer
Tiefe von etwas über 1 m und waren rings von Feldsteinen umgeben. Die Grösse
und Gestalt der Urnen ist sehr verschieden. Die grässte Urne ist in der Mitte
stark gebaucht und hat dort einen Umfang von über l f». Ihre Höhe beträgt
25 cw, ihr Gewicht nahe an 47i kg. Der Bauch ist goreifelt; der lange, glatte
Hals hat oben noch eine Weite von 25 cm. Zwischen Bauch und Hals sind drei
Schnüre um die Urne gezogen gewesen, ihre Eindrücke haben sich an dem Ge-
Tasse erhalten. Dieselbe Verzierung findet sich an einem kleineren, ebenfalls
bauchigen Wirthschaftsgefässe, das wie eine solide Kaffeekanne geformt ist und
in dem sich keine Knochen gefunden haben. Es folgen drei mittelgrosse plumpere
Gefässe, welche nicht gebaucht sind. Die vom Boden unter einem stumpfen
Winkel ansteigende Masse bricht scharf ab zu dem in der anderen Richtung vor-
laufenden langen, kahlen Halse. Dann kommt eine ganz runde Urne, welche, oben
mit einem äusserst schmalen Halse versehen ist, auf welchem noch der wohl-
erhaltene Deckel ruht. Endlich sind noch ein kleineres Gefäss mit zwei Henkeln
und ein sogenannter Thränenkrug mit dem Ansätze einer DüUe an der Seite zu
erwähnen. In sämratlichen Urnen haben sich bronzene Beigaben in winzigen
Mengen gefunden, — ein Theil einer Nadel, ein Stück Blech, ein Stück einer Agraffe,
mehrere dünne Ringe. In einer Urne waren ausserdem Stücke eines in 4 gleiche
Theile gespalteten Kieselsteines. In den grösseren Gefässen sind Knochen von
bedeutender Grösse und Stärke enthalten, welche nur geringe Spuren von Ver-
kohlung aufweisen. Das Material der Urnen ist ziemlich grob, wie in der Gegend
gewöhnlich. Auch der Brand ist sehr mittelmässig. Die Urnen sind von dem
Besitjcer der Abtheilung des Alterthumsvereins des Jerichow'schen Landes für den
1. Kreis in Burg überlassen worden, von wo dieselben in das Jerichow'sche Landes-
museum in Genthin übergehen.
(Magdeburgische Zeitung 1891, März, No, 143.)
Abg6tohl08S«n am 1. Mmi 180L
Ergänznngsblätter zur Zeitschrift fBr Ethnologie.
Nachrichten über deutsche Alterthnrnsfunde.
Mit Unterstützung des Königlich Preuss. Ministeriums
der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten
heransgegeben von der
Berliner Gesellschaft fBr Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte
unter Redaction von
R. Yirchow und A. Voss.
Zweiter Jahrg. 1891. Yerlag von A. ASHER & Co. in Berlin.
Heft 3.
Funde bei der Ausgrabung des Nord-Ostsee-Kanals in
Holstein.
Bei der grossen Zahl and Mannichfaltigkeit der gemachten Funde kann in
Nachstehendem nur eine cursorische Uebersicht gegeben werden:
1. Nach einem Bericht des Abtheilungsbaumeisters Hm. Sympher vom 8. No-
vember 1890 befanden sich in der Bausammlung zu Holtenau unter Anderem folgende
Fundstücke:
2. Eine Urne, 20 cm hoch, aus gebranntem Thon, unglasirt, an einer Seite
mit einem kleinen Henkel versehen. Auf dem Terrain der Baracken Grfinthal
im Juli 1888 beim Abgraben eines flachen Hünengrabes, welches Spuren früherer
Durchwühlung zeigte, gefunden. Die Urne stand unter 4 Steinen, welche ein
Viereck bildeten und war mit einem platten Granitstein bedeckt.
3. Mehrere zu einer Handgetreidemühle gehörige Oranitstücke. Die-
selben bilden den oberen konisch-concaven und den unteren konisch-convexcn
Theil der Mühle, mit 6, bezw. 3,5 cm weiten Zapfenlöchern. Der ausgehöhlte
Theil ist in mehrere Stücke zerbrochen und bereits stark verwittert. Gefunden
bei Station 30,95 in der Gemarkung Beidorf, 1 m unter Terrain in Riesbettung, im
November 1888. Das nächste noch erkennbare Hünengrab liegt etwa 200 m west-
lich von der Fundstätte.
6. Ein Meissel ans Feuerstein. Schleusenbaugrube Holtenau. November 1888.
7. Ein Stück Schwert in zwei Theilen, — dem obersten Theil der Klinge
mit Parirstange und dem Handgriff, — stark verrostet. August 1889 am süd-
lichen Ufer der Borgstadter Enge gefunden.
10. Ein Glet8cher(?)mühlenstein (rund, 2Theile). Gr. Nordsee, Arm 81,2.
Juli 1889.
11. Ein Glet8cher(?)mühlenstein (rund). Bei Königsförde, Stai 79,3.
Juli 1889.
12. Eine Streitaxt (bearbeitet). Gemarkung Rosenkranz, A:m 81,2. Juli 1889.
13. Eine Streitaxt (bearbeitet). Gem. Königsförde, km 79,1. Juli 1889.
14. Eine Streitaxt (unbehauen), daselbst, hn 81,2. Juli 1889.
17. 8 Stück (6 silberne, 2 kupferne) alte dänische Münzen. August
3
— 34 —
1889. Gefunden an der nördlichen Böscbungskante des Nord-Ostsee-Ranals bei
St. I, km 84^, 0,50 m tief unter Erdoberfläche.
18. Präparirte Bruchstücke von Bernsteinperlen. Boiig^i. D. August
1889. Es wurde ein' Hünengrab aufgedeckt. Die Funde wurden in verschiedenen
Tiefen — A und B — gewonnen. Die hier in Rede stehenden Stücke gehören
zu denen der Grupt)e B (obere Funde). In ihrer Gesellschaft wurden voigefonden:
1 Flintkeil (Nr. 20), 1 Axl (Nr. 21), 1 Axthammer, 1 Flintstein, 1 kleiner FlintkeiK
Stücke einer Urne. Letztere war umgeben von einem Steinhaufen, dessen ur-
sprüngliche Form nicht mehr zu erkennen war. Unter diesen Steinen befand sich
auch der unter Nr. 26 eingetragene Schleifstein.
20. Ein Fl int keil, gefunden 2,0 m unter dem höchsten Punkte, in der Mitte des
unterNr. 18 aufgeführten Hünengrabes und etwa 0,90m unter dem ursprünglichen Boden.
21. Eine Axt mit Stielloch, über dem Keil Nr. 20 vorgefunden.
22. Ein Axthammer, aus dem Htlnengrabe Nr. 18.
23. Ein Flintstein, desgleichen.
24. Eine Urne (vgl. Nr. 18).
25. Kohlenstücke. Dieselben lagen zerstreut an verschiedenen Stellen des
Grabes Nr. 18.
26. Ein Schleifstein, desgleichen.
27. Ein kleiner Flintkeil lag auf dem Steinring des Grabes Nr. 18.
39. Eine Steinaxt, km 76,5, im Osterraderholz.
40. Ein gewundener Bronzering, etwa 40 cm im Durchmesser, 6 — 8 mm
stark. Loos IX bei km 63,8. März 1890. Gewonnen mit dem Trockenbagger io
einer Tiefe von 3,5 m unter der Oberfläche im Moor.
41. Zwei Stück übersponnener Eisendraht. Loos IX bei ibn 64,5. März
1890. Gefunden an der ehemaligen Nobiskruger Schanze 4,50 m anter Erdoberfläche.
42. Ein Stück, anscheinend bearbeiteter Flintatein. Loos IX bei irm 66,3
im Kies. In einem Schlage gemacht, ohne Schleifen aus grösserem Stein. Märe 1890.
44. Eine Urne ohne Inhalt. Der Fundort ist annähernd in der Kanalmitte bei
Arm 27,1 in dem dort aufgedeckten Hünengrabe. Februar 1890.
Abgesehen von den neuzeitlichen Stücken (Münzen, Schwert, übersponnener
Eisendraht), welche an der Borgstedter Enge, an der Nobiskruger Schanze u. s. w.
gefunden wurden, und den verschiedenen Mühlsteinen, deren Alter nicht erhellt,
ist also eine grössere Anzahl prähistorischer Steingeräthe, zum Thei] aus Fenerstein,
zum Theil nur als Steinäxte und Axthammer bezeichnet, zu Tage gekommen. Am
meisten bemerkenswerth ist das Hünengrab mit Steinbeilagen unA einer Urne, Nr. 18«
Der einzige Bronzegegenstand, der unter Nr. 40 aufgeführte Torques, stammt aus
einem Moor.
Von Interesse sind die Bernsteinfunde. Nur einmal werden bearbeitete
Stücke von Bemsteinperlen erwähnt, und zwar gleichfalls aus dem Hünengrabe.
Die sonstigen Bernsteinfunde betreffen Rohmaterial (Nr. 16, 2 Stücke bei Sehestedt,
Nr. 36, 2 Stückchen von Burg in Dithmarschen, Nr. 43, 2 Stücke von Bronnsbfittel,
Schleusenbaugrube, Nr. 47, 1 kleines Stück, bei einer Sandschüttung, km 22,0,
gefunden, Nr. 50, 2 grosse Stücke, ausgebaggert im Meckelsee).
Unter den thierischen Ueberresten werden am häufigsten Hirschgeweihe (7 mal)
erwähnt; ausserdem 1 Elch, 1 Biber, 1 Schweinskopf, 1 Wildschweinhaozahn,
1 Fnchskopf und 22 Stück Walfischknochen, gefunden bei Burg in Dithmarschen im
Rudcnsee in der Tiefe von etwa 2,7 m.
II. Nach einem Bericht vom 1. Februar 1891 wurden zwischen dem 8. No-
vember 1890 und dem 1. Februar 1891 gesammelt:
— 35 —
57. 1 Urne ohne Inhalt September 1889. Die ürao wurde bei Burg i. D.
bei ib» 11,0 auf Ordinate +17,0 im Rlai aufgefunden.
67. 1 Gletschermühlenstein. Rönigsförde Arm 79,9, 14 m tief in der Erde.
November 1890.
68. 1 Oletschermühlenstein. Rönigsförde km 80,2, 13 m tief unter Erde.
November 1890.
70. 1 kleiner Mühlstein. Holtenauer Schleuse km 96,8.
71. 1 Flintspahn. Rönigsförde. November 1890.
72. 2 kleine Mühlsteine. Rönigsförde km 80,0, 12 m tief im Erdboden.
73. 1 Steinaxt. Sehestedt bei km 74,3. November 1890.
74. 1 Steinaxt Sehestedt bei km 74,2. November 1890.
75. 1 Steinaxt Steinwehr bei km 71,0. November 1890.
76. 1 Steinaxt Rönigsförde bei km 80,8, 3 m tief im Lehm. November 1890.
Ausserdem eine eiserne Rugel (Rönigsförde), 4 eiserne Degen (Steinwehr,
darunter einer von 1815 und einer mit der Bezeichnung Solingen) und ein Holz-
capital (ausgebaggert im Aussenhafen von Holtenau).
Von Bernstein nur 2 Stücke, wiederum aus dem Meckel-See.
Von Thierknochen, ausser ein Paar Geweihstücken vom Hirsch, 3 Geweihstücke
vom Renthier aus der Rönigsförde, 4 und 6 m tief im Moor, endlich 15 Wal-
fischkno9hen von Burg i. D.
lU. Nach einem Bericht vom 1. Mai 1891 wurde gefunden zwischen dem 1. Fe-
bruar bis 30. April d. J.
10. Eine Feuer Steinaxt unter einer 0,6 m hohen Moorschicht ungefähr auf
Ord. — 0,50 NN. bei km 43,6 am Ostrande des Keitmoores.
Ausserdem 2 eiserne Rugeln (im Brunnsbüttelhafen und im alten Holtenau-Bctt).
Von Bernstein 1 Stück aus dem Brunnsbüttelhafen, 1 aus dem Meckel-See,
4 bei Schülp im Triebsande, 2 bei km 64,35, etwa 5,5 m unter der Erdoberfläche,
4 Stück von 4,5, 5,5, 10 und 38 g Gewicht bei km 30,9—31,25 in einer Schicht
aus Holzresten zwischen Sand.
Von sonstigen Thierresten ein Theil eines Mammuthzahnes, ein Wolfs-
schädel und einige Geweihstücke vom Hirsch. Rud. Virchow.
Urnenfeld zu Bek, Schleswig-Holstein.
Am 5. und 7. November v. J. wurde vom Thierarzt Schmidt in Hadersleben
Namens der Verwaltung des Haderslebener Rreismuseums die Ausgrabung eines
ümenfeldes in der Gemeinde Bek, Kirchspiel Nustrup, vorgenommen. Das Umen-
feld war bei der Anlegung einer Kartoffelmiete von dem Hofbesitzer Schmidt
auf seinem Felde entdeckt worden, und zwar etwa 500 m südöstlich seines Ge-
höftes, ungefähr 2 m von dem das Feld gegen den Weg begrenzenden Steinwall.
Ein Theil des ümenfeldes in etwa 2 m Breite und 7 m Länge war schon vom Be-
sitzer des Feldes aufgegraben worden. Hierbei sind mehrere Urnen gefunden,
angeblich über einander stehend. In allen sind angeblich gebrannte Knochen ge-
wesen. Alle sind gebrochen gefunden, bezw. bei dem Aufheben zerbrochen. An
Beigaben sind nur ein eiserner Ring von 2Vs cm Durchmesser und 4 mm Stärke,
stark von Host angegriffen, und ein bronzenes, in der Mitte gebogenes, an der
einen Seite geringeltes und mit einem Knopf versehenes Stäbchen gefunden und
dem Museum überwiesen worden.
Eine Sondirung des Bodens ergab, dass das Umenfeld in 2 m Entfernung
- 36 —
vom Wege, tmgefähr 2*/^ m in der Steinsetznng breit, ziemlich parallel mit dem
Wege in der Richtung von West nach Ost mit einzelnen Unterbrechungen ungefähr
60 m hinlief. Die erste Steinsetzung war 23 m lang; in ihr wurden 12 Urnen
gefunden. Darauf folgte nach einem Zwischenraum von 3 m eine Steinsetzung
von 4 m Länge mit 2 Urnen; dann nach 3 m Zwischenraum eine solche von 6 m
Länge mit 2 Urnen; dann mit einem Zwischenraum von 1, bezw. 3 m zwei solche
von 6, bezw. 4 m Länge ohne Urnen; zuletzt nach einem Zwischenraum von 8 m
eine Steinsetzung von 6 m Länge, an deren äusserslem Ende 3 Urnen dicht zu-
sammen standen.
Die Steinsetzung lag mit der oberen Fläche durchschnittlich 25 cm unter der
Erdoberfläche. Der Urboden bestand aus gelbem Sand, welcher sich unter dem,
auf und zwischen der Steinsetzung liegenden, schwarzen Erdboden scharf abhob.
Die Steinsetzung war durchschnittlich 25 — 30 cm stark, an den Stellen jedoch, wo
keine Urnen gefunden wurden, und an den Ausläufern schwächer. An der Nord-
seite waren die Abgrenzungen der Steinsetzung ziemlich regelmässig durch
grössere Steine markirt, an der Südseite dagegen nicht gleichmässig, sondern zum
Theil buchtig auslaufend. Die Urnen standen in der Steinsetzung auf platten Steinen,
von mehr oder weniger platten Steinen umgeben, durchschnittlich 40 —50 cm unter
der Erdoberfläche, bis zum Boden der Urnen gerechnet. Einzelne standen auch
tiefer, so z. B. 4 ungefähr 1 m tief. Die Standorte fielen mehr oder weniger mit
der Längs-Mittellinie des Umenfeldes zusammen. Interessant war, dass in zwei
in sich abgeschlossenen Steinsetzungen trotz der sorgfältigsten Durchsuchung keine
Spur von Urnen oder sonstigen Alterthumsgegenständen gefunden wurde. Beide
Steinsetzungen waren in der Steinschicht dünner, als die übrigen.
Nur zwei Urnen sind wohl erhalten herausgekommen. Die meisten waren
ganz breit gedrückt. Alle Urnen, abgesehen von den in den grossen stehende
kleinen, und selbstverständlich von denjenigen, welche als Deckel gedient hatten,
enthielten gebrannte Gebeine.
Im Ghinzen wurden — ohne die Schmidt 'sehen — 19 Hauptumen gef\inden.
Die beiden ganz erhaltenen sind ziemlich von gleicher Ghrösse und Form:
ungefähr 32 cm hoch, schlank, wenig gebaucht, von rothem Thon mit einem
schmalen Halsring; die eine hat einen Henkel gehabt, die andere besitzt ein kleines
Öhr; andere Zierrathe fehlen. Auf der ersteren Urne lag, mit dem flachen Boden
nach oben, in Bruchstücken ein schwer gearbeiteter, 39 cm im Durchmesser weiter
und nur 9 cm hoher, mit einem starken Henkel versehener Deckel. Der obere
Boden desselben war mit geraden und kreisförmigen Zierstridien bedeckt Auf
den Knochen der Urne lag eine 7 cm lange eiserne Nadel mit der charakte-
ristischen Ausbiegung am oberen Theil und oben in einen Ring endigend. Auf
der zweiten Urne lagen Stücke einer kleineren Urne, welche, mit dem Boden nach
oben, als Deckel gedient hatte; sie war breit und scharf ausgebaucht und mit nur
kleiner Bodenfläche; ringsherum gingen Verzierungen von abwechselnd halbschräg
nach links laufenden Strichen. Zwischen den Knochen der Hauptume fand sich
ein Stückchen einer eisernen Nadel mit einem Bronzeknöpfchen.
Die übrigen gefundenen Hauptumen waren alle von schöner, aber jede von
verschiedener Form, 29 — 27 etn hoch, meistens sehr stark ausgebaucht, von schwarzer
Farbe und glatter Oberfläche. Fünf waren ohne Verzierungen, nur mit einem
schwachen Halsring oder Halsabsatz versehen. Die übrigen hatten unteriuüb des
Halses Verzierungen von theils geraden, theils runden Strichen. Einzelne erinnern
in Form und Verzierung stark an die in „Mestorf, Voi^gesch. Alterth.^ Nr. 455
abgebildete, bei Ober-Jersdal im hiesigen Kreise gefundene Urne. Auf zwei Urnen
- 37 -
befanden sich kräftige Deekel von Thon, oberhalb flach, unterhalb mit einer in
die Umenöffnong passenden Ansrandong gearbeitet. Die eine dieser Urnen und
der Deckel gleichen den in ^^Mestorf" Nr. 370 abgebildeten, zu Agentoft im hiesigen
Kreise geftmdenen. Beide Urnen sind auch interessant durch den Inhalt. In der
einen lag zwischen den Knochen, sehr wohl erhalten, eine feine, etwa 4 cm lange,
mit Patina überzogene, eigenthümlich geformte Bronzenadel; das oberhalb der
auch hier nicht fehlenden charakteristischen Biegung befindliche Ende macht
hinter der Biegung eine zweite Biegung nach derselben Seite; da, wo diese
zweite Biegung beginnt, ist ein kleines Ohr angebracht. In der zweiten Urne
stand auf den Knochen eine kleine, gut erhaltene, feine Urne von 8 cm Höhe,
ringsum am Bauch mit kleinen Buckeln verziert; in ihr lag ein kleines Stückchen
der Schädeldecke eines Kinderschädels. Es fand sich ferner zwischen den Knochen
eine eiserne runde, an der einen Seite ausgebuchtete Platte, im Durchmesser
von 7,5 cm. Der Zweck dieses Gegenstandes ist unbekannt; dass er als Messer
gebraucht sei, ist nach der Form ausgeschlossen. Bei zwei weiteren Hauptumen
wurden die Bruchstücke von je einer kleineren Urne, theils auf der Hauptume
liegend, theils in dieselbe hineingetrieben, vorgefunden, so dass anzunehmen ist,
dass die kleinere Urne der grösseren als Deckel diente.
An Beigaben fanden sich noch einige stark verrostete Stückchen Eisen, wahr-
scheinlich auch von Nadeln herrührend. — Die sämtlichen erhaltenen Fundobjekte
werden in einem besonderen Schrank im Kreismuseum aulgestellt.
Eingesandt vom Landrath Schreiber, Hadersleben.
Ausgrabungen auf dem Burg- und Lorenzberg zu Kaldus,
Kreis Kulm, Westpreussen.
I. Der Burgberg.
3 km südwestlich von der Stadt Kulm, hart auf dem Westrande der durch
die Weichsel aus dem baltischen Höhenzuge gewaschenen Stromrinne, befindet
sich der zu dem Gute Kaldus gehörige Burgberg. Derselbe ist durch zwei
Schluchten (sogen. Parowen), die das Regenwasser erzeugt hat, vom Rande des
vorgenannten Hochrückens getrennt. Er besteht aus zwei Abtheilungen. Die erste
ist eine ebene Fläche, augenscheinlich die alte Oberfläche des baltischen Höhen-
zuges, und hat 680 m Umfang; an der Südseite derselben ist jedoch ein Erdwall
au%etragen worden, der diese Fläche um 10 m überragt; die höchste Spitze des
letzteren liegt nach der Generalstabs-Karte 98 m über dem Meeresspiegel. Mit
Ausnahme des Walles und der Seitenböschungen wird die ebene Bei^äche bereits
seit Jahren beackert. Hierbei sind zum öfteren Ziegel- und Steingeröll ausgepflügt
worden, so dass die Sage an Wahrscheinlichkeit gewinnt, dass hier einmal eine,
dem heiligen Lorenz gewidmete Kapelle gestanden habe.
Es sind aber auch Stellen mit schwarzer Br<mderde und Scherben von ge-
brannten Thongefässen blossgelegt worden, die auf vorchristliche, heidnische
Spuren hinweisen.
n. Der Lorenzberg.
Südlich von dem Burgberge, nur durch eine trockene Regenwasserschlucht
von ihm getrennt, erhebt sich etwa 6 m hoch über der Fläche des baltischen
Höhenzuges ein etwa 0,50 m hoch mit Ackererde bedeckter Sandberg, welcher der
Lorenzberg genannt wird. Augenscheinlich ist derselbe ein Begräbnisplatz gewesen.
— 38 —
da sich auf ihm mehrere Reihengräber (längere Gruben, in deren jeder mehrere
Menschengerippe liegen) befinden. Sowohl von Fachmännern, als auch von anderen
Personen sind hier in früheren Jahren einige Ausgrabungen Yoi^nommen worden,
deren Fundstücke theils in verschiedene Museen übei^gegangen, theils in Privat-
besitz verschleppt worden sind (Li s sauer, prähistorische Denkmäler der Provinz
Westpreussen. Leipzig 1887. S. 184.).
Während meiner Untersuchungsarbeiten bei Kulm 1889 habe ich die Oelegen-
heit gesucht, mich auf dem Lorenzbei^ genauer umzusehen. Vorzugsweise auf
der Hochkuppe desselben fand ich Ueberbleibsel von zertrümmerten weissen
Knochen imd Menschenschädeln, sowie auch Scherben von gebrannten Thon-
gefässen. Auf meine Bitte gestattete Herr Fr öde, der Besitzer von Raldus, mir auf
das Freundlichste, auch hier Nachgrabungen anstellen zu dürfen, von welcher Er-
laubniss ich denn auch Gebrauch machte, als ich gezwungen wurde, die Ausgra-
bungen auf dem Gräberfelde bei Kulm, die ich vom 16. — 19. Juli 1890 betrieben
hatte, der Ernte wegen aufzugeben. Zuerst auf der Spitze des Lorenzbei^ges, dann
an der Süd-, Nord- nnd Westseite des Sandkegeln Hess ich 1 m tiefe, 2 m breite
und 15 m lange Gruben ausheben, in welchen nur die Ueberbleibsel voraus-
gegangener Durchforschungen angetroffen wurden.
Herr Fr öde hatte die Güte, mir mitzutheilen, dass ich hier wohl nichts mehr
finden würde, da die Herren Dr. Lissauer, Direktor Professor Gonwentz aus
Danzig, sowie der Herr Landrath von Stumpffeld aus Culm und andere Per-
sonen hier bereits gründlich untersucht hätten; dagegen vermuthe er, dass ich
nordnordwestlich am Fusse des Sandhügels wohl noch unberührte Stellen finden
würde. In Folge dessen liess ich hier 4 Gruben ausheben, in denen ich zu-
sammen 6 vollständige, unberührte Menschengerippe fand. Sie lagen sämmtiieh
auf dem Rücken, der zur linken Seite gewendete Kopf nach Westen, die Füsse
nach Osten gerichtet. Arme und Beine ausgestreckt.
In Grube Nr. 6 ein Gerippe. Der Schädel wird aufbewahrt Beigaben:
zwei Schläfenringe von Bronze, grösster Durchmesser 6 und 4 cm.
In Grube Nr. 7 ein Gerippe. Der Schädel wird aufbewahrt Beigaben:
1. ein Schläfenring von Bronze, grösster Durchmesser 7 cm.
2. Neben der rechten verwesten Hand ein gelblich durchsichtiger Fingerring
(Olas?), theilweiBemite:
Nr. 2765.
^. daneben ein röthlichcr, hartgebrannter Scherben Nr. 271
gefäas, (RandstUck) mit schrägen Kindrlickcn verziert.
überzogen, 2 cm im Durchm
^??f-
w
(n Grnbe Nr 8 zwei Gerippe. Die beiden SchÜdcl werden aarbewahrt.
ßci(^ben zu Gerippe I.
1. An der rechten Kopfseite zwei Schi ii reuringe von Bronze, vereilbcrt,
gröBster DorchmeBBer 7 nnd 5 <rrR. Nr. 2768.
2. neben der linken verwesten Hand im Sande ein granes RandstQck von
- 40 —
einem hartgebrannten Thongefäss , mit yiereckigen, schräge stehenden
Stempeleindrücken verziert.
Beigaben zu Gerippe IL
1. an der rechten Kopfseite ein Schläfenring von Bronze, grösster Durch-
messer 6 cm,
2. an der linken Kopfseite etwas dunkelbraune Kopfhaare, darauf liegend
3. fünf Schläfenringe von Bronze, grösster Durchmesser 6, 5 und 4 cm, Nr. 2773.
4. im Sande an der Halsgegend die Hälfte einer kantigen violetten Glasperle.
Nr. 2774.
In Grube Nr. 9 zwei' Gerippe. Die beiden Schädel werden aufbewahrt.
Beigaben zu Gerippe I.
1. an der rechten Kopfseite 3 Schläfenringe von Bronze, grösster Dorch-
messer 6 und 5 cm.
2. an der linken Kopfseite ein ziemlich grosser Büschel dunkelbrauner Kopr-
haare und vier Schläfenringe von Bronze, grösster Durchmesser 6, 5 und
4 cm. Nr. 2775.
3. im Sande an der Halsgcgend ein Stück von einer cylinderförmigen, bräun-
lichen, undurchsichtigen Perle mit weissen Zickzacklinien verziert 1 nn
hoch, 5 vim im Durchmesser. Nr. 2779.
4. eine bläulichgrüne, tonnenförmige Glasperle, l cm hoch. Nr. 2780.
Das Gerippe H sehr gross, 190 cm lang, mit sehr starken Arm- und Boin-
knochen. Nur der grosse Schädel wurde mitgenommen und aufbewahrt.
Beigaben zu Gerippe II. An der linken Hüfte lagen im Sande:
1. ein gerades Messer von Eisen, ganze Länge 17 ütr, Schncidcnlünge 15 rm.
Breite der Schneide 2 cm, auf beiden Seiten, nahe dem Messerrücken,
je eine Blutrinne. Nr. 2782.
2. Ein kleines gerades Messer von Eisen, Länge 9 cm. Breite der Schneide
1 an. Nr. 2783.
3. Ein länglich rundes, plattes, an einem 2 cm grossen Eisenringe getrageni»>
Geräth von Eisen, welches die Gestalt eines Feuer- oder Wetzstahles hat
in der Mitto seiner Breitseite länglich viereckig, durchgebrochen, 10 cm
lang, 3 cm breit, 5 mm dick ist Nr. 2784.
Auch fand ich auf der ganzen Oberfläche dieses Sandhügels zerstreut und
sammelte 173 graue, undurchsichtige Perlen von PfeflTerkom-Grössc, sowie eine
schwarzgrauc undurchsichtige Perle von der Grösse einer Erbse.
C. Plorkowski,
Gons. des Stadt-Mus. in Gruudenz.
Gräberfeld bei Kulm, Westpreussen.
Im Jahre 1889 wurde beim Graben eines neuen Flussbettes, ganz nahe der
Stadt Kulm, das zweite vorgeschichtliche Brandgräberfeld im Regierungsbezirk
Marienwerder aufgefunden und theilweise auf Kosten der hiesigen Alterthums*
Gesellschaft untersucht. Das erste, im Regierungsbezirk aufgefundene, befindet
sich auf dorn Acker des Gutes Rondsen, Kreis Graudenz, und ist von der-
selben Gesellschaft untersucht (sieho Bericht über das Gräberfeld zu Rondstm
von Dr. S. Anger, Graudenz 1890; ygl. J. Böhm, Zcitschr. f. Ethn. 1885 S. 1
Taf. I— II).
Der Kreis Kulm, dessen grösserer Theil auf dem rechtsseitigen haltischen
Höhenzuge, der kleinere in dem Überschwemmungsgebiete der Weichsel liegt
— 41 —
wird ron den Kreisen Graadenz, Bliesen, Thorn und Schwetz begrenzt Der
kleinere Theil, der östlich von der Stadt Kulm aus sich befindet, wird die Stadt-,
der westliche die Amtsniederung genannt; beide sind durch Dämme von der Weichsel-
seite abgeschlossen. Der baltische Höhenzug, worauf die Stadt Kulm liegt, bis
zur Thomer Kreisgrenze, fallt an seinem westlichen Rande ziemlich steil bis zur
Ebene ab. Westlich unterhalb der Stadt zwischen beiden eingedeichten Niederungen
befindet sich ein Stück uneingedämmter Niedorungsüäche von etwa 3000 m Länge
und 500 m Breite; auf dieser, ganz in der Nähe der Stadt, wurde das Gräberfeld
aufgefunden.
Im Kreise selbst sind schon an verschiedenen Orten vorhistorische Funde
gemacht worden, so in Stein wage, Adl. Waldau, Klinskau, Gogolin, Lunau, Schön-
see, Paparcz]rn, Ucz, Kaldus, Althausen, Borowno, Gottlin, Rosenau, jedoch immer
nur aus der Zeit der Steinkistengräber.
Der Schiessplatz der Kulmer Besatzung befindet sich 1 km südlich der Stadt
an dem Westrande des baltischen Höhenzuges; der Weg von Kulm nach der
Amtsniederung läuft in südwestlicher Richtung dicht unter dem Höhenzuge fort
Die Schiessstände werden in annähernd gleicher Richtung von einem kleinen
Flüsschen, der Fribbe, welche bei Kulmsee entspringt und sich in den Trinke-
kanal ergiesst, durchströmt. Zur Zeit der Schneeschmelze und nach starken Regen-
güssen schwillt die Fribbe plötzlich und stark an, beschädigt dann die Wälle und
den Kugelfang des Schiessplatzes, zerstört den Weg nach der Amtsniederung,
öfters auch die in ihm befindliche Brücke so dass die Schiesstände ganz oder
theilweise auf kürzere oder längere Zeit nicht zu benutzen sind und mehr oder
minder Unkosten erfordern, um wieder in brauchbaren Zustand gebracht zu werden.
Um diese Uebelstände zu beseitigen, ist von der Regierung beschlossen
worden, dass der Fribbe, ehe sie noch den Schiessplatz erreicht, also schon südlich
von diesem angefangen, ein neues Bett gegraben werde, in annähernd nordwest-
licher Richtung bis zum Trinkekanal 2000 m lang, 20 m breit und 3 m tief.
Bei der Aushebung der Erde zu dem neuen Bett der Fribbe ist nun eine
ganze Anzahl von vorgeschichtlichen Begräbnissstätten aufgefunden worden, von
welcher Tbatsache Herr Gymnasial-Direktor Dr. Iltgen in Kulm die grosse Freund-
lichkeit hatte, der Alterthumsgesellschaft in Graudenz Mittheilung zu machen und
sie zur Entsendung eines Sachverständigen aufzufordern. Im Aufh*age der
Gesellschaft reiste ich am 12. August 1889 nach Kulm, besuchte in Be-
gleitung des Herrn Direktors die Fundstätte und fand die Aushebungen des neuen
Fribbebettes, bereits 50 m von dem Trinkekanal entfernt, in einer Länge von 20() m
in seiner ganzen Breite und Tiefe, in der Richtung nach dem Höhenzuge zu vor.
Der Grund und Boden besteht auf seiner Oberfläche aus 0,75 m hoher, humus-
reicher Ackerkrume, dieser folgt eine weissgelbliche Sandschicht von 1 bis 1,50 m
Tiefe und dann stellenweise ein bläulich grauer Tbon oder feiner Kies.
Nach den Mittheilungen des Bauführers, Herrn Göret zki hatten sich auf der
Grenze zwischen Ackerkrume und Sand sehr oft ein, auch zwei sehr grosse Stein-
blöcke befunden, deren einige mehrere Centner schwer waren. Unter diesen
Steinen zeigte sich immer ein schwarzer Fleck von (»,75 bis 1 m im Durchmesser
und ebensolcher Tiefe.
Als ich auf der Fundstelle anlangte, hatten die Arbeiter bereits die 6 dem
Trinkekanal zunächst befindliehen Stätten aufgedeckt und alles in ihnen befindliche
bis auf eine Urne, — der Inhalt war auch schon ausgeschüttet, — zerstört. Nahe
diesen Stätten befanden sich Trümmerhaufen von Knochen, Schädeln und Zähnen
von Thieron, aus denen ich noch die bemerkenswerthesten auslesen konnte.
— 42 —
Tags darauf begann ich meine Untersuchungen, welche sich bis nach dem
Wege, wo die neue Brücke gebaut werden soll, erstreckten ; Thierknoohen fand ich
nicht mehr, aber eine Stätte, die mit der Hälfte eines grossen Mahlsteines
bedeckt war, in welchem sich ein viereckiges Loch befunden hatte. Ausser den
genannten 6 Stätten habe ich 41 solcher aufgedeckt und untersucht, wovon 16 nur
Branderde enthielten mit und ohne Knochenreste, die übrigen theils Urnen,
Henkeltöpfe, alle ohne Deckel, und diese wieder weissgebrannte Knochenreste,
Scherben, schwarze Branderde und theilweise Beigaben von Eisen, gebranntem
Thon, Stein, aber nur sehr vereinzelt Bronzegegenstände.
Das östlich vom Wege gegrabene neue Fribbebett liegt schon im baltischen
Höhenzuge. An der Südseite dieses Theiles des neuen Flussbettes, ganz nahe dem
Wege, wurde eine länglich viereckige, in zwei gleiche Hälften getheilte Steinkiste
gefunden; dieselbe war aus ziegelsteinähnlichen, hart gebrannten, schwärzlich
grauen Thonsteinen ohne Bodenunterlage mörtellos aufgebaut und enthielt ausser
Sand einen länglich runden Granitstein und viele graue, hartgebrannte Topfscherben
mit den bekannten Burgwallverzierungen.
Dieser Kiste fast gerade gegenüber, im Nordufer des neuen Flussbettes, fand
ich, frei in der Erde stehend, eine röthlich grau gebrannte Urne ohne Deckel, in
welcher sich ausser Sand und Knochenresten zwei kleine Bronzedrathringchen, von
denen der eine 1, der andere 2 Thonperlen von Erbsengrösse hatte, befanden.
20 m östlich von dieser Urne, gleichfalls an derselben Seite des Flussbettee,
wurden im Sande, nahe bei einander liegend, die Gerippe dreier Menschen geftmden.
Sie lagen auf der linken Seite, ihre Gesichter gegen Osten gewendet, die Arme
und Beine zusammengezogen. Von diesen konnte ich nur noch in den Besitz der
drei Schädel gelangen, wovon der eine in jeder der Schläfengegenden eine kreis-
förmige, ziemlich scharf abgegrenzte, grüne Stelle zeigte, die anscheinend von
einem kupferhaltigen Gegenstande herrührt, der zu einem Kopfschmuck (Sehläfeo-
ring?) gehörig und verwittert war, so dass von ihm nichts mehr gefunden ist
Diese Gerippe stammen wohl aus einer Zeit, welche derjenigen vortieiging, in der
die Leichen verbrannt und ihre Knochenreste in Urnen gesammelt wurden.
Im September und November 1889 besuchte ich die Fundstelle nochmals, er-
hielt von den Arbeitern noch einige Urnen, Henkeltöpfe und Beigaben, so dass
der gesammte Fund von diesem Jahre 147 Stücke aufweist, die im hiesigen Moseum
aufbewahrt werden.
Nach diesen Funden kam ich zu der Annahme, dass entweder auf beid^i, oder
auf einer Seite des Flussbettes sich ein ähnliches Gräberfeld, wie das Bondsener,
befinden müsse. Als ich durch die Güte der Frau Gutsbesitzer Hereberg die Biv
laubniss zur weiteren Untersuchung auf ihrem Acker eriialten hatte und mit den
nöthigen Geldmittehi durch die Güte der K. Staatsregierung ausgerüstet war, setctc
ich vom 15. Juli bis Ende August v. J. meine Untersuchungen fort
Da das Feld von beiden Seiten des Flussbettes noch mit Getreide bestanden
war, untersuchte ich erst eine Fläche von 150 ^ bis 1 m tief auf einer hohen
Stelle nahe dem Trinkekanal, fand im Sande Stellen von schwarzer Branderde,
mit Kohlen und Topfscherben untermischt, und zerstreut darin, zwei Spinnwiriel,
einen Netzsenker, Häufchen kleiner Fischschuppen, Stücke von geraden Messern
und einige [unbestimmbare Eisenstücke; dann wurde auf der westlichen Seite der
neuen Fribbe, hart am Flussbette, axif 5 Stellen, zusammen 150 gm Flächenrmiuii,
untersucht Ich fand an der zunächst der Brücke gelegenen Stelle eine 1,50 qm
im Durchmesser grosse, mit Steinen gepOasterte Heerdstelle mit Branderde and
Kohlen versehen, in diesen ein gerades Messer; auf der darauf folgenden StoUc
— 43 —
nur eine ßrandgrube, die mit vielen im Feuer gewesenen Sieinen gefüllt war; in
den drei anderen nichts. Als 25 m nach Westen eine Stelle von 25 qm untersucht
und nichts gefunden wurde, stellte ich auf dieser Seite der Fribbe meine Arbeiten ein.
Das Feld östlich der neuen Fribbe war bereits abgeerntet. 40 m vom Wege
nach der Amtsniederung entfernt, setzte ich vom 1. bis 30. August meine Unter-
suchungen fort, habe in dieser Zeit 460 qm Fläche aufgedeckt und darin 179 Brand-
gruben gefunden.
Im Ganzen sind auf dieser ßegräbnissstätte 210 Brandgruben aufgedeckt und
untersucht Muthmaasslich der Untersuchung werth halte ich noch 272 qm und
darüber.
Sämmtliche untersuchten Brandgruben sind von kesselartiger Form, hatten
einen oberen Durchmesser von 0,75 bis 1 m und sind bis zu 1 m tief.
So ähnlich diese Brandgruben den Rondsenem sind, mit denen sie auch wohl
einem und demselben Zeitalter angehören, so unterscheiden sie sich doch von den-
selben dadurch, dass hier mit seltenen Ausnahmen, immer auf jeder Grube, nachdem
die Ackerkrume abgeräumt war, ein, auch zwei Decksteine sich fanden, von denen
einige bis zu 10 Ctm. schwer waren. (Sollten diese nicht vielleicht Gedenksteine
oder Wahrzeichen sein, dass hier schon eine Bestattung stattgefunden hat?)
Ebenso wurden hier immer in den Urnen, auch häufig in den Henkeltöpfen, auf
der füllenden Branderde erst Scherben von zerbrochenen Thongefassen gefunden,
mitunter kamen auch solche um die Urnen gepackt vor, was bei den Bondsenem
nur sehr vereinzelt beobachtet ist. C. Florkowski.
Neue Funde aus der jüngeren Stein-, der älteren Bronze-
und der Hallstattzeit in Westpreussen.
(Aus dem Bericht des Westpreussischcn Provinzial- Museums für das Jahr 1890.)
Zu den bemerkenswerthesten Vorkommnissen aus der jüngeren Steinzeit
gehören die mächtigen Grabstätten in Form von Steinkreisen (Cromlechs) und
Trilithen, welche 1874 in der Königlichen Forst bei Odri unweit des Schwarz-
wassers untersucht sind. Hinter dem letzten der Steinkreise lag ein kleiner polirter
Hammer aus Serpentin. Bei einem kürzlich ausgeführten Besuch in Cissewie bei
Rarszin, gleichfalls im Kreise Konitz, erfuhr ich von Herrn Rittergutsbesitzer
Melms daselbst, dass er bei Uebemahme des Gutes vor länger als dreissig Jahren
nordwestlich unweit des Hauses gleichfalls einige deutliche Steinkreise vorgefunden,
aus wirthschaftiichen Rücksichten jedoch die Steine bald vergraben habe. Herr
Melms übergab dem Museum ein an dem einen Ende angeschaltetes, flaches
Steinbeil, welches in der Nähe ausgegraben war. Dieses Beil ist aus nordischem
rothem Granit roh bearbeitet und stellt eine Form dar, welche bisher in unserer
Provinz nicht bekannt geworden ist Es möge noch hervorgehoben werden, dass
diese Steinkreise von Cissewie nur 1 hn weiter oberhalb am rechten Ufer des
Schwarzwassers liegen, als diejenigen bei Odri, und es kann hieraus gefolgert
werden, dass zur jüngeren Steinzeit die Ansiedelungen eine grössere Ausdehnung
in jenem Flussgebiet gehabt haben.
Eine beträchtliche Anzahl von Einzelfunden aus dieser Epoche ist neu hinzu-
gekommen. So wurden bei den von der Königlichen Strombau-Direktion hier-
selbst angeordneten Baggerarbeiten in der Weichsel unweit Graudenz drei Hämmer
aus Hirschhorn zu Tage gefördert, welche Herr Bauinspektor Otto dort dem
Provinzial-Museum einsandte. Herr Lehrer Berg in Samplawa bei Weissenburg,
— 44 —
Rr. Löbau, übersandte von dort einen Steinmeissel; ein zweites Exemplar ging
von Herrn Gutsbesitzer Golnnski in Borkau, Rr. Carthaus (durch die Natiir-
forschende Gesellschaft) und ein drittes aus Golluschütz im Rreise Schwetz von
Herrn Gymnasial-Oberlehrer Meyer in Schwetz a. W. ein. — Femer sind folgende
Meissel und Hämmer aus anderem Gestein zu verzeichnen: Der Rönigliche R reis-
Schulinspektor Dr. von Cunerth in Gulm übermittelte einen Steinhammer mit
einem zweiten Bohrloch aus Rarbowo bei Strasburg in Westpreussen, sowie die
vordere Hälfte eines Steinhammers aus Rollenken, Rr. Gulm, und bemerkte hierzu,
dass die Landbewohner im dortigen Rreise den voigeschichtlichen Steinhämmem
einen hohen Werth gegen Blitzgefahr beilegen. Einen Steinhammer aus dem
Lossowo-See im Rreise Flatow verdankt das Museum Herrn Lehrer Drews in
Seefelde, Herrn Lehrer Flögel in Marienburg einen aus Barlewitz bei Stuhm und
und einen zweiten aus Willenberg unweit Marienbuig. Herr Gutsbesitzer Gertz
in Adl. Rl. Schönbrück, Rreis Marien werder, überwies ein Exemplar von dort und
Herr Güteragent H. Lehre in Danzig je ein Exemplar aus Lamenstein und Sobbowitz
im Rreise Dirschau, aus Olschowken im Rreise Pr. Staigard und aus Altfelde im
Rreise Marienburg. Ein Steinhammer aus Lenzen im Rreise Elbing wurde angekauft
Sodann verdankt das Provinzial- Museum Herrn Ritteig^tsbesitzer B. Plehn in
Lichtenthai bei Gzerwinsk ein stark beschädigtes Exemplar von dort, Herm Ritter-
gutsbesitzer Hauptmann a. D. Suter in Löbsch bei Putzig einen halben Stein-
hammer. Nach Aussage des Herm Direktor Dr. von Rau in Frankfurt a. M^
welcher sich mit diesem Gegenstande eingehend beschäftigt hat, sind derartige
Feldhacken sehr selten und kaum in einem Dutzend von Exemplaren ihm bekannt
Ausserdem sind noch zwei Steinhämmer anzuführen, deren Form darmuf
schliessen lässt, dass sie bereits nach Metallvorlagen, also in einer etwas später^i
Zeit, gearbeitet sind. Ein Exemplar empfing das Museum von Herm Gutsbesitzer
Ph. Ab egg aus Liebsee bei Riesenburg, ein zweites von Herm Gastwirth
Rob. Casper in Zarnowitz; letzteres ist in Piasnitz im Zamo witzer Brach, 1,5 m
unter Torf und Sand liegend, gefunden und zeigt die Spuren zum Ansatz eines
anderen Bohrloches.
Am hohen Haffufer bei Tolkemit findet sich ein bekanntes Lager von Rüchen-
abfallen aus der jüngeren Steinzeit Frau Gastwirthin Berlin in Tolkemit übeiigab
eine Roilektion ornamentirter Thonscherben von dort an das Museum. —
Die ältere Bronzezeit wird in unserem Gebiet durch Hügelgräber verteten,
welche stellenweise in grösserer Anzahl beisammen liegen. So fand ich im Jahre
1888 auf der Feldmark des Herm Rittergutsbesitzers Bandemer in Rlatschan,
Rr. Neustadt, viele grosse Steinhügel, deren wiederholte Untersuchung aber bislang
als unergiebig sich erwiesen hat. Hingegen waren die auf Rosten der anthropo-
logischen Sektion ausgeführten Nachgrabungen des Herm Gymnasiallehrers Dr.
Lakowitz auf dem benachbarten Terrain der Frau Mühlenbesitzer Richter in
Rlutschau im Sommer d. J. von mehr Erfolg gekrönt (vergl. Nachrichten ld9()
S. Gl). Herr Raufmann Strehlke in Mewe übersandte eine unweit der Stadt auf-
gefundene Bronzenadel, welche wahrscheinlich zu einer grossen Agraffe gehört, ¥rie
solche z. B. in den letzten Jahren in den Rreisen Ronitz und Schlochan vor-
gekommen sind. —
Die Hallstätter Zeit wird hauptsächlich durch die über unsere ganze Pro-
vinz weit verbreiteten Steinkistengräber repräsentirt Nachdem solche bereits froher
unmittelbar vor den Thoren der Stadt Danzig, z. B. in der Gegend der halben
Allee und zu Anfang der Vorstadt Schidlitz, nachgewiesen waren, hat in diesem
Jahre der Museums -Präparator Meyer in Wonneberg eine schon beschädigte
— 45 —
Steinkiste ausgegjaben. Dieselbe ergab eine Ausbeate an drei, allerdings defekten
Gesichtsurnen nebst Deckeln, welche von dem Besitzer Herrn Seh war tz in
Wonneberg dem Provinzial-Museum unentgeltlich überlassen wurden. Herr Agent
Lehre hiersei bst übergab eine Nadel und Rette von Bronze aus einer in Rl. Rlesch-
kau, Rr. Danziger Höhe, aufgefundenen Urne, sowie mehrere andere Bronze-
beigaben aus Urnen von Rlempin und Gardschau im Rreise Dirschau. Femer
stammt aus diesem Rreise eine Rollektion von Thongefässen, welche das Museum
Herrn Gutsverwalter F. J. Kedlinger in Czerbienschin bei Sobbowitz verdankt
Dieselbe besteht aus zwei Gesichtsurnen nebst innerem Deckel, aus zwei anderen,
terrinenfbrmigen Urnen mit je drei öhsenartigen Ansätzen und aus zwei Henkel-
töpfen, deren einer einen kleinen ßronzering enthält. Diese Thongefässe bildeten
den Inhalt einer in Rl. Turse ausgegrabenen Steinkiste.
In dem benachbarten Rreise Pr. Stargard hat der technische Lehrer am Rönig-
lichen Gymnasium zu Marienwerder, Herr Rehberg, auf Rosten der anthropo-
logischen Sektion hierselbst einige Ausgrabungen ausgeführt. Im Garten des
Schützenhauses unweit der Stadt Pr. Stargard sind schon früher durch Herrn
Pollnow Steinkisten aufgedeckt worden, aus welchen einige Umenscherben dem
Museum zugingen. Herr Rehberg fand jetzt zwei gut erhaltene Risten auf, von
welchen eine dreieckig geformt war; der Inhalt derselben ist noch im Besitze
des Herrn Pollnow geblieben. Mit Unterstützung des Herrn Oekonomierath
Jakobs en in Spengawsken, hat Herr Rehberg auch hier Nachgrabungen Tcr-
anstaltet, aber neue Gräber nicht angetroffen; aus früheren gingen 7 Urnen,
bezw. Bruchstücke derselben, 2 Deckel, ein Henkelgeiass und 2 Schalen dem Pro-
vinzial-Museum zu.
Eine besonders interessante Ausbeute hat der Rreis Bereut eigeben. Der
Lehrer und Organist Herr Podlaszcwski in Wischin hatte in diesem Frühjahr
eine Steinkiste aufgefunden, welche u. A. eine kleine schwarze Urne mit zwei
Ohren enthielt, durch welche mehrere Bronzeringe gezogen sind, die einige blaue
Glas- und andere Perlen tragen; ausserdem hängt an dem untersten Ringe jeder-
seits eine Rauri, Cypraea moneta L. Dieselbe Species wurde bereits einmal als
Ohrschmuck einer Gesichtsume in Stangenwalde und ausserdem im Innern einer
anderen Gesichtsame bei Praust aufgefunden. Diese Schnecke lebt in der Gegen-
wart von Suez an durch das rothe Meer, an der ganzen Ostküste des tropischen
Afrika bis nach Polynesien und an die tropische Rüste von Australien. Jenes Vor-
kommen in Wischin beweist von Neuem, dass bereits in der Hallstätter Zeit aus-
gedehnte Handelsbeziehungen von unserer Rüste nach dem fernen Süden be-
standen haben.
Aus dem Rreise Carthaus ging eine Ume nebst Deckel von Herrn Ziesow
in Schönberg ein. Auch im Rreise Putzig sind mehrere Funde gemacht und dem
Provinzial-Museum übersandt worden. Herr Rreis -Schulinspektor Dr. Lipkau
überwies eine Ume von dort, Herr Oberamtmann Boseck in Rekau eine andere
Ume. Herrn Landrath Dr. Albrecht in Putzig verdankt das Provinzial-Museum
eine mit Deckel versehene Ume, welche auf 4 kurzen Beinen steht, aus einer
Steinkiste in 2jdrada. Dieses Thongefäss erinnert an eine andere grosse Urne mit
3 Beinen, welche im vorigen Jahre Herr Oberamtmann Boseck aus Rekau freund-
lichst übersandte; ausserdem ist nur noch eine kleinere, wannen förmige Urne mit
4 kurzen Beinen aus Rlutschau im Rreise Neustadt und ein kleiner, schwärzlicher
Napf mit 3 Beinen aus Gogolewo, Rreis Marienwerder, im Provinzial-Museum vor-
handen. Herr Administrator von Grabowski in Brück hatte zu Anfang dieses
Jahres auf einer Anhöhe, etwa 500 m südlich vom Gutshause, am Wege nach Rossa-
— 46 —
kau eine Steinkiste geöffnet und 2 Gesichtsurnen. sowie 2 andere Urnen aus der-
selben aufbewahrt. Im Einyerständniss mit dem Besitzer, Herrn Kaufmann Wilh.
Wirthschaft hierselbst, übergab er diese Fände dem Provinzial-Maseam. Elnd-
lich sandte Herr Büi^ermeister Görek in Patzig zwei Bronzeringe eines Colliers
und eine Glasperle, die 1887 in einer Ristename gefanden waren, hier ein.
Auch im Regierungsbezirk Marienwerder sind mehrem Funde aus der HaU-
stätter Zeit bekannt geworden. Herr Rittergutsbesitzer Rötteken in Vorwerk
Altmark, Kreis Stuhm, hat wiederholt Steinkisten auf seiner Feldmarii aufgefunden
und überwies aus denselben zwei Urnen, einen Henkeltopf und eine flache Schale
an das Provinaal-Museum. Herr Amtssecretär Lang euer in Hintersee bei Stuhm
hatte in diesem Herbst in Ostrow Brosze am Rande der Königlichen Forst mehrere
Gräber blosgelegt und einzelne Urnen denselben entnommen; mit GenehmigiiDg
des Rittergutsbesitzers Herrn YonDonimirski wurden eine terrinenförmige üme,
zwei «Henkeigefasse und eine Schale, mit concentrischem Ornament auf dem Boden,
den bieaigen Sammlungen einverleibt. Herr Rittergutsbesitzer B. Plehn in Lichten-
tha) bei Gzerwinsk fand auf seinem Felde in einem Hügel eine Urne, welche
leider nicht erhalten werden konnte; im Innern lag zwischen den gebrannten
Knochen auch ein Bruchstück eines Knochenkammes, welcher wenig omameniirt
ist Weitere Nachgrabungen in dem gedachten Hügel ergaben ein negatiTes
Resultat. Herr Emil Meyer in Gulm, welcher auf Kosten des ProTinzial-Museoms
im dortigen Kreise Ausgrabungen reranstaltet hat, übersandte eine Urne aus
KoUenken und einen Bronzering mit aufgereihten Perlen von einer anderen Urne
ebomdaher. Herr Rittergutsbesitzer Gertz in Adl. Klein Schönbrück schenkte
eine grössere und eine kleinere Urne aus Wymislewo, Kreis Thom. £n Gostaczyo,
Kreis Tuchel, hat Herr cand. phil. R. Niestroi mehrere Steinkisten ausgograben
und den Inhalt dem Provinzial-Museum übermittelt; letzterer besteht, soweit er
konservirt werden konnte, aus 12 verschiedenen Urnen, bezw. Theilen derselben.
Herrn Lehrer Flögel-Marienbui^, Westpreussen, verdankt das Museum einen zu
einem Ringhalskragen gehörigen Bronzering aus Schlagenthin im Kreise Konitz.
Herr Lehrer Flörke in Petze wo, Kreis Flatow, sandte zwei Henkeigefasse aas einer
Steinkiste daselbst und Herr Dr. Krebs in Vandsburg eine Urne ans der Um-
gegend von Vandsburg. Gonwenti.
Neolithische Fundstelle von Mildenberg, Kreis Templin,
Provinz Brandenburg.
Etwa in der Mitte zwischen den Dörfern Burgwall und Mildenberg, zur Feld-
mark des letzteren gehörig, erhebt sich dicht am westlichen Ufer der Havel oder
eigentlich an einem, etwa 150 Schritt breiten, thcils sandigen, theils sumpfigen
Verlande desselben eine Reihe von kahlen niedrigen Sandhügeln, die sogenannten
Dachsberge. Hr. Amtsvorsteher Guthke von Burgwall hat im Laufe der Jahre
bereits eine grosse Menge der verschiedensten Gegenstände dort gefunden: haupt-
sächlich Steingeräthe, wie Beile, Hämmer, Dolche, Messer, Komquetscher u. s. w^
jedoch auch Bernsteinstücke und Thonscherben. Die Funde sind theilweise in
das Märkische Museum, zum grössten Theil aber in Privatbesitz gekommen und
dann verloren gegangen.
Auch ich fand, als ich zweimal, zuerst im Jahre 1888 bei meiner Wanderung
durch den nördlichen Theil der Mark, und 1890, gelegentlich einer dienstlichen
Reise, mit Hrn. H. Sökeland in diese Qegend kam, eine grosse Menge der ver-
schiedensten Artefacte, die fast alle der neolithischen Periode angehören. Der
— 47 -
ganze Erdboden war bachstublich besät mit bearbeiteten and unbearbeiteten
Fenersteinen, nnd, wenn man in den schneeweissen Sand eingmb, Tand man noch
flberall kleine FcnersteinD, Kohlenreste, Thonscherben nnd andere Uebcrreste mensch-
lieber Kultur. Ich glaube allerdings kaum, dasa ausser den dauerhaflen Stcin-
geräthen auch nur eine erhaltene Grabanlage oder ein ganzes Thongefäss aur der
ganzen Localitüt zu finden sein dtlrfte, da der weisse Sand eine leichte Beute des
Windes wird, and in Folge dessen im Laufe der Jahrhunderte grosse Niveau- Ver-
änderungen stattgefunden haben.
Bei unseren damaligen Besuchen fanden wir ein, besonders an der Schneide
gnt polirtes Beil aus grauem Feuerstein, 10,2 cm lang, 4,6 cm an der Schneide und
3,2 em am Bahnende breit, mit ungerähr rechteckigem Queraebnitt (Flg. 1); das
Bruchstück eines polirtcn Beiles, drei etwas roh behaucnc kleine Beile aas Feaer^
stein ohne Politar, ein Beil aus granitartigem, glimm erhaltigem Gestein (Pig. 2),
BruehstUckc eines durchbohrten Hammers aus Granit, sechs Bohrer von Feuerstein,
Fig. 3.
theilweise von recht guter, sauberer Arbeit (Fig. 3), zwei ausserordentlich exact
und r^elmässig gearbeitete Pfeilspitzen (Fig. 4), kleine beilchenartige Genithe mit
sehr scharf mgescfalagener Schneide {Fig. 5), — wie wir ähnliche Stücke aus
Fig. (■-.
— 48 —
den neolithiachen Stationen von Rhinow, Kreis VeBt^Havellaad, nnd TongermUnde
besitzen; ferner eine Anzahl zum Theil sehr grosser Nuclci und endlich eine
ausserordentlich grosse Heogc ron Messern aas Feuerstein (Fig. 6.) Die letzteren
hätte ich, wenn ich alle BrachstUcke and kleinen unbedeutenden Exemplare
hätte mitnehmen wollen, zu Tausenden sammeln können.
Die Thonsch erben, die in grosser Anzahl, aber sehr verwittert nnd zerbröckolt
herumlagen, zeigten meist gar kein Ornament, so dass sie chronologisch nicht
zu bestimmen waren; nm* fand ich nach langem Sachen einige von unverkennbar
neolithischem Typus. Der grössere der beiden abgebildeten (Fig. 7) zeigt das
bekannte Schnwomument, aber, wenn man das Stack gennu betrachtet, erkennt
man deutlich an den on sehr tiefen und nicht ganz regelmässigen EUndrUcken,
doss es kein eigentliches, rcmiittelst eines auEgel^en Bastfadens hergestelltes,
sondern ein sogenanntes imitirtes Schnuromamont ist, das der alte Tdpfer wahr-
scheinlich mit einem Stichel hervorgebracht hui
Fi«. 8.
Als zufälligen Einzcllbnd aus dieser Localitut erwähne ich das Bmchstfich
eines bronzenen Halsringes mit imitirter Torsion, etwa dem Ausgang der Hall-
stättcr Zeit angehörig oder vielleicht noch etwas später (Fig. 8).
An mehreren Stellen dieser grossen, wohl an 10 Morgen umfassenden Localität,
besonders in der südlichen Hälfte sehr häuQg, traten kleine, etwa drei Fuss im
Durchmesser haltende, mit schwarzer Aschoncrde darchsolztc Steinhaufen zu Tigc,
die ich Anfangs für Grabstcllen hielt. Ich nahm eine ganze Reihe dcraelben ans
einander, fand jedoch, abgesehen von einzelnen kleinen Feuersteinspähnen, nichts
darunter, so dass ich sie fQr alte Hcerdstellcn hallen möchte. 0(1 lagen dieselben
nur 4-5 Schritt aus einander; einzelne waren unr^^lmässig fast Ober die ganze
Hügelfläcbe zerstreut. Eine vollkommen erhaltene, unverkennbare Grabstelle habe
ich leider trotz vielen Suchen» nicht aufünden können, so dass ich nicht entscheiden
möchte, ob die nach Hunderten zählenden Feucrstcinsachcn u. s. w. von einem
alten Gräberfelde, einer Feuerstein- Werkstätte oder einem AnsiedeInngspUtzc her-
rühren. Auf jeden Fall haben wir hier eine der reichsten und zugleich an»-
gedehntCBten Kulturstätten, die wir bisher in der Mark aus der Steinzeit kennen.
M. Weigel.
AliK<i<!bliMS«0 UD L Juli 189L
Ergänznngsblätter znr Zeitschrift fttr Ethaologie.
Nachrichten ober deutsche Alterthnmsfun^.
Mit Unterstützung des Königlich Preuss. Ministeriums
der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal - Angelegenheiten
herausgegeben von der
Berliner Gesellschaft f&r Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte
unter Redaction von
R. Virchow und A. Voss.
Kwetier Jahrg. 1891. , Verlag von A. A8HEB & Co. in Berlin. , Heft i*
Rheinische Funde.
I. Aus dem Berieht der Yerwaltnng des ProYincial-]|aseums
zu Bonn 1890—91.
Das Hauptinteresse nahmen auch im vergangenen Jahre die Ausgrabungen im
Römerlager zu Qrimlinghausen bei Neuss ein, welche Dank der reichlichen
Bewilligung der Commission und des ausserordentlichen Zuschusses seitens des
Provincialausschusses mit vielem Eirfolge fortgesetzt werden konnten. Den Kern
des Aufgedeckten bildet ein von vier Strassen begrenztes kolossales Gebäude, in
welchem nach seiner Lage in der Mitte des ganzen Lagers wohl das Praetorium
zu erkennen sein wird. Es bildet ein vollständiges Viereck, dessen Mitte ein
grosser freier Raum von 32 m Länge und 40 m Breite einnimmt. Ein denselben
umgebender Gang vermittelt die Verbindung mit den ringsherum liegenden Flügeln
des Gebäudes, in denen eine beträchtliche Menge grösserer und kleinerer Ge-
mächer sich befinden. Hinter dem freien Räume liegt ein zweiter Hof von 45 m
Länge und 1 2 m Tiefe, dessen eine Langseite, wie die vorhandenen Unterlagen
ergeben haben, durch eine Säulenstellung begrenzt wird. Die in gleicher Axe mit
dem in der Mitte der nach Norden gerichteten Hauptfronte des Gebäudes befind-
lichen Hanptthore liegenden Eingänge zu den genannten beiden Höfen müssen
einen grossartigen Durchblick in das Innere der ganzen Anlage gewährt haben.
Westlich hiervon, durch eine Strasse getrennt, wurden ebenfalls zwei grössere
Baulichkeiten aufgedeckt, von denen der Plan der ersteren, wegen der starken
Zerstörung des Mauerwerks nicht in seinen Einzelheiten aufgehellt werden konnte.
In derselben war ein das Gebäude von Osten nach Westen durchschneidender
Kanal aus Tuffsteinblöcken Gegenstand eifriger Nachforschung, welcher, nachdem
er einen kleineren Kanal aufgenommen hat, in den grossen, unter der obengenannten
Strasse liegenden Abzugskanal mündet
Einen mehr belHedigenden Aufschluss gaben die Grabungen über das zweite
daran anstossende massive, mit mehreren parallelen Mauern durchzogene, rechteckige
Gebäude, in dessen nordwestlicher Ecke ein besonderer Raum abgetheilt ist und das
an drei Seiten eine Reihe kleinerer Zimmer umgeben, während vor der nördlichen
Seite ein grosser Säulenhof liegt Für die reiche architektonische Ausstattung des
4
— 50 —
ersten und dritten Gebäudes sprechen die gerade hier gefundenen vielen Trümmer
von Säulen, Capitälen, Simsstücken, Consolen und der Kopf einer Figur. Nicht
ohne Bedeutung ist auch das Fragment eines, den Muttergottheiten gewidmeten
Iq Schriftsteines, welches innerhalb der Mauern des ersten debäudes angetrolTea
wurde.
Nördlich von diesen grossen baulichen Anlagen wurde ausser den, diesen
Theil des Lagers durchschneidenden Strassen, das Vorhandensein mehrerer, nicht
minder umfangreicher, von Kanälen durchzogener und mit hübschen Estrichböden
ausgestatteter Gebäudecomplexe festgestellt. Ausser den schon oben angeführten
Architekturfragmenten kamen zahlreiche Münzen, Fibeln, Schnallen, Nadeln, Be-
schlagstücke, Hänge Verzierungen, Henkel von Getiissen, verzierte Griffe von Ge-
räthen von Bronze, Waffen und Werkzeuge aus Eisen, Stimziegel und dergleichen
zum Vorschein. Darunter befinden sich einige interessante Stücke, wie ein Griff
einer Pfanne von Thon mit figürlicher Darstellung (6870), eine Geräth Verzierung
in Gestalt eines Knabenkopfes aus Bronze (7573), ein Fragment eines Beckens
mit dem. Namen eines durch gallische Gefässe bekannten Fabrikanten (7020), eine
leider stark von Oxyd angefressene Bronzestatuette (7552), ein in einen Pferde-
kopf endigender Messergriff (7132) und eine eiserne Lanzenspitze mit Goldtau-
schirung. —
In Bonn wurden bei Gelegenheit der, von der Stadt Bonn för den Neubau
einer Elementarschule an der Theaterstrasse ausgeführten Fundamentirungsarbeiten,
üeberreste römischer Bauwerke blosgelegt, welche das Museum, weil sie fttr
die Topographie des alten, ausserhalb des Lagers liegenden Bonn von Interesse
sind, durch den leitenden Baubeamten aufnehmen Hess. Die dabei gefundenen
Gegenstände (7294 — 7297) wurden von der Stadt dem Museum überwiesen. Andere
römische Gebäude konnten bei den Erdarbeiten für das neue Erzbischöfliche Con-
vikt an der Coblenzerstrasse festgestellt werden. Auch die hierbei geraachU*n
Funde (6811 — 6820. 6958 — 6960) wurden dem Museum von dem Herrn Erzbischof
Philippus von Cöln geschenkt. Neubauten auf dem Viehmarkte führten zur
Aufdeckung römischer Gräber, deren Inhalt (7517 — 7531) ebenfalls durch Schenkung
in die Sammlung gelangte. Ebenso fordeiiien Canalisation^arbeiten in der Friedhch-
strasse mehrere, ihres Inhalts schon früher beraubte Steinsäi^ aus Tuffstein zu
Tage, wodurch das in Folge früherer Funde vermnthete Vorhandensein eines
Gräberfeldes daselbst aufs Neue eine Bestätigung erhielt. —
Aus dem sonstigen Zuwachs der Sammlung sind hervorzuheben: ein in der
Erft gefundenes, durch seine Grösse bis jetzt unübertroffenes Steinbeil aus
Jadeit (7402), femer von Bronze ein dreibeiniger Kessel aus dem Rheinbett bei
Oberwinter (6837), ein Hängegewicht mit Doppelkette (7129), ein eigenthümlicher,
wahrscheinlich zum Pferdegeschirr gehörender Uängeschmuck (6961), eine ver^
zierte Gürtelschnalle aus Mayen (7589), ein Fingerring und eine Spatel mit In-
schrift (7283, 7291), mehrere gut erhaltene Fibebi (7582—7587), von Silber ein
Armreif (6984), von Glas mehrere kleine Flacons, darunter eines von blauem
Glase (6976 — 6978. 6833), und eine Kuppe mit zwei Reihen runder Einbauchangen
im Mantel (7279), von Thon ein Trinkbecher mit Schuppenverziemngen ft^^^
eine Henkelkanne von Terra sigillata mit hübschen aufgemalten Ranken and
Blätteromamenten (7281), ein Anteüxum mit der Darstellung eines Pfauen (75JS4»),
mehrere Fragmente römischer Inschriften (7415. 7515\ zwei Renaissancepostamente
mit figürlichen Darstellungen (7577. 7578) und ein silberner Fingerring von durch-
brochener Arbeit (6823).
— Ol-
li. Aus dem Bericht der Terwaltang des Proyincial-Musenins zu
Trier 1890-91.
Das Dorf Ehrang bei Trier lieferte im vergangenen Jahre weitaus die
grösste Anzahl yon Pondstticken. Es wurde daselbst seitens des Museums unter
örtlicher Leitung des Bautechnikers Ebertz während des Juli in dem nach Quint
gelegenen Theile des Ortes nach römischen Steinsculpturen gegraben und vom
7. October bis 29. November 1890 und vom 4. — 20. März 1891 neben der nach
Quint führenden Zweigbahn im Distrikt Karcher ein römisches und merovingisches
Gräberfeld untersucht. — Die Sculpturen bestehen aus einem sehr gut gearbeiteten
Viergötteraltar mit Reliefbildern von Ceres, Mercur, Hercules und Minerva und
aus zwei Exemplaren der mehrfach vorkommenden Gruppe eines Reiters, unter
dessen Pferd ein Gigant liegt. Eine der neu gefundenen Gruppen ist wissen-
schaftlich von grosser Bedeutung, weil sie den Reiter in einem Typus zeigt,
welcher von allen bislang bekannten Darstellungen erheblich abweicht und die
Auffassung, dass ein unter dem Namen Juppiter verehrter germanischer, Gott dar-
gestellt sei, erheblich unterstützt. Eine Beschreibung dieser Funde wurde im
"Westdeutschen Correspondenzblatt 1891 Nr. 22 gegeben. — Das Gräberfeld ergab
30 römische Skeletgräber des 3. und 4. Jahrhunderts und in ei^^er darüber liegen-
den Schicht 91 Gräber der merovingischen Zeit Die römischen. Gräber enthielten
ausser zahlreichen Thongefässen einige schöne Glasgefässe, aus denen ein 25 cm
hoher, mit Glasfäden netzförmig umsponnener Becher und eine flache Schale von
35 cm Durchmesser hervorzuheben sind. Die merovingischen Gräber enthielten eine
grosse Anzahl von WalTen, silber-tauschirte eiserne Schnallen, bronzene Schnallen,
einige Rundftbeln, einige Thon- und Glasgefässe und eine merkwürdig verzierte
Grabplatte; es sind diese merovingischen Funde für die Sammlung von um so
grösseren Werthe, je spärlicher derartige bis jetzt in derselben vertreten waren. Am
nordöstlichen Ende des Gräberfeldes wurde eine römische unterirdische Grab-
kammer von 5,73 m lichter Länge und 4,10 m lichter Breite entdeckt; die Wände,
welche noch in einer Höhe von 2,60 m erhalten waren, sind verschiedenfarbig
angestrichen und durch die Bemalung in einen Sockel, ein mittleres und ein oberes
Feld, und diese wiederum in einzelne Rechtecke und Kreise getheilt. Die Be-
malung beabsichtigte offenbar eine Nachahmung von Marmortäfelung, sie war
flüchtig hergestellt, aber doch stellenweise noch gut erhalten, so dass ihr ehe-
maliger Zustand in einer sorgfältig hergestellten Zeichnung zur Anschauung gebracht
werden konnte. In der Mitte der Nordwestwand befand sich eine zur Aufstellung
einer Statue bestimmte Nische. Die Decke der Grabkaramer bestand in dem der
Nische zunächst gelegenen, 0,78 m langen Theile aus einem Gewölbe, während der
übrige Theil flach, vermuthlich mittelst Balken abgedeckt war. In keiner der vier
vollständig erhaltenen Wände war ein Eingang vorhanden, der Zutritt kann deshalb
nur durch eine Oeffnung in der Decke mittelst einer Leiter bewirkt worden sein.
Die Breite der Umfassungsmauern, welche zwischen 0,7() — 0,95 m schwankt, führt
auf einen stattlichen, vermuthlich tempelartigen Aufbau. Dass in dem Gebäude
eine Grabkammer zu erkennen ist, ergiebt sich aus der unterirdischen Lage und
der mit einem Keller nicht zu vereinigenden Decoration, wie andererseits aus dem
angrenzenden Gräl)erfeld. Der Fund ist um so werthvoUer, als derartige unter-
irdische Grabkammem in unseren Gegenden bis jetzt nur in Weiden bei Köln
und Schweich bei Trier nachgewiesen sind. Nordwestlich von der Grabkammer,
unmittelbar an dieselbe anschliessend, liegt eine ringförmige Fundamentirung aus
grossen rothen Sandsteinquadern von 19,25 m äusserem Durchmesser, nur an einer
4»
— 52 —
Stelle war eine zweite obere Lage aus demselben Material, aber Ton soi^gfaltigerer
Bearbeitung erhalten. Als Fundament für ein aufgehendes Manerweiiw wttrdi'
man sich schwerlich der Quadern bedient haben, ebenso wenig aber für eine Um-
zäunung ohne Aufbau; es scheint deshalb am wahrscheinlichsten, dass eine Säulen-
Stellung mit darüber gelegtem Architrav über den Quadern anzunehmen ist; ein
aufgefundenes Fragment einer Säule von ungefähr 40 cm Durchmesser könnte von
dieser Säulenstellung herrühren. Trotz mehrerer im Innern des Quaderringes ge-
zogener Gräben wurde keine Spur von Mauerwerk, kein ESstrichboden, kein Grab
gefunden; es scheint deshalb dieser Platz als Ruheplatz für die Trauernden und
als Platz für die Leichen schmause gedient zu haben und in dem Triclinium funebre
des Cn. Yibrius Suturninus in Pompei ein entferntes Analogon zu finden.
Schanzen in der Provinz Posen.
1. Die Schwedenschanze bei Baranowo A^ Kr. Strelno.
Auf dem Gelände des Gutes Baranowo A, Kreis Strelno, befand sich bis ror
Kurzem eine alte Schanze, welche leider jetzt der fortschreitenden Bodenkultur
zum Opfer gefallen ist, deren aber, wenn sie auch auf der Generalstabskarte ver-
merkt ist, in der bisherigen Literatur bei Seh war tz (Materialien zur Prähistorischen
Kartographie der Provinz Posen. Hauptheft und 4 Nachträge, Posen 1875 — «s^,
über die Schwedenschanzen besonders Nachtrag II), bei Lissauer (Die prähistorischen
Denkmäler der Provinz Westpreussen und der angrenzenden Gebiete. Leipzig l^(^7),
sowie bei Behla (Die vorgeschichtlichen Rundwälle im östlichen Deutschland.
Berlin 1888) in keiner Weise unter den bekannten Kingwällen und sogenannten
Schwedenschanzen Erwähnung geschehen ist. Um so dankenswerther ist es, dass
die Historische Gesellschaft für die Provinz Posen durch zwei ausführliche und
sachgeroässe Berichte des Besitzers des betr. Grundes und Bodens, des Herrn
Landschafksraths Stubenrauch auf Leng bei Lostau, in die Lage versetzt worden
ist, das auf dieses interessante alte Bauwerk bezügliche Material für die Wissen-
schaft aufzubewahren. Wir entnehmen diesen beiden uns vorliegenden Berichten
vom 26. Mai und 8. September v. J. folgendes:
Die sogenannte Schwedenschanze von Baranowo lag auf einer natürlichen
Bodenanschwellung in der Wiesenfläche, die den Goplosee von Westen nmgiebt
480 m östlich von der zugehörigen Ortschaft Baranowo und etwa 600 m vom
Goplosee selbst entfernt. Eine alte Gutskarte vom Jahre 1822 zeigt noch zwischen
der Schanze und dem Goplosee einen anderen kleinen See, welcher jetzt ver-
schwunden ist, noch früher aber bis an den Puss des Walles gereicht haben wird.
Ueberhaupt dürfte die Schanze wohl in früheren Jahrhunderten in Folge der um-
liegenden Seen und Sümpfe sich in einem ausserordentlich schwer zugänglichen
Gelände befunden haben. Die ganze Anlage nun bildete einen einfachen W^all in
Form eines Quadrats mit abgestumpften Ecken. Die Höhe des nach innen und
aussen sich gleichmässig abdachenden Walles betrug etwa 10 Foss bei etwa 20 Fass
Sohlenbreite, der Durchmesser von der Mitte der einen Seite zur Mitte der anderen
innen im Kessel 128 Fuss, so dass die gesammte Schwedenschanze also eine
Fläche von annähernd 200 Quadratruthen einnahm. Der Innenraum lag unerheblich
höher als die äussere Umgebung, an der Nordseite war ein Eingang. Bei einer
— 53 —
oberflächlichen ersten Untersuchung stellte sich heraus, dass der Wall fast ganz
aus Asche bestand, also aus einem dem Landwirth ausserordentlich willkommenen
Düngemittel, welches für die Kultur der umliegenden Wiesen wie geschaffen schien.
Bei der infolgedessen vorgenommenen Abtragung der Schanze ergab sich nun, dass
den Kern des Walles eine etwa 3 Fuss hohe Aufschüttung des natürlichen Bodens
bildete. Über diesen war die Asche von unten her aufgeworfen worden. Man
konnte bei einem Querschnitte dies ganz deutlich verfolgen, die schwereren Theile
waren unten geblieben, die leichteren nach oben gekommen. Zum Brennen schien
nur Eiichenholz verwendet worden zu sein, nach den reichlichen Kohlenresten zu
schliessen. Von einem Pfahlrost oder einer sich etwa an den Wall anschliessenden
Brückenanlage waren keine Spuren zu entdecken. Der Innenraum (Kessel) zeigte
keine besonderen Vertiefungen; bei der nachherigen Bestellung fanden sich in
demselben viele durch Feuer gezeichnete Feldsteine, die wohl den Eindruck
machten, als wären sie zu einem grossen Heerde oder Feuerplatz zusammengelegt
gewesen. Das Elrgebniss der Nachforschungen nach Gebrauchsgegenständen irgend
welcher Art und nach menschlichen, bezw. thierischen Ueberresten war trotz sorg-
fältigen Suchens nur gering, einige Gefässreste und Scherben, ein Paar nicht be-
sonders kunstvolle Steingeräthe und eine auch nicht allzogrosse Anzahl von Knochen
war alles, was sich vorfand; von Metall u. s. w. keine Spur. Von den Knochen,
in welchen übrigens, wie der Hr. Besitzer in seinen Berichten ausdrücklich betont,
merkwürdiger Weise fast ausschliesslich eine ganz bestimmte Species, nehmlich der
hintere Theil des menschlichen Kinnbackens mit den letzten Backen-
zähnen ^ vertreten war, ist leider kein Stück für eine etwaige nochmalige genaue
Untersuchung aufbewahrt worden. Dagegen sind zwei kleine Steingeräthe und zwei der
gefundenen Gefässreste in den Besitz der Historischen Gesellschaft übergegangen.
Während nun die ersteren beiden, ein halber, hellgrauer Steinhammer (Schneide-
seite) von massiger Arbeit und ein Stück eines kleinen Mahlsteines (?), wenig zur
besonderen Bestimmung bieten, zeigen die beiden Thonsachen, — ein kleines,
ziemlich rohes, in der Form etwa einem henkellosen, etwas bauchigen Tassenkopf
gleichendes Gefäss und eine grössere Scherbe von einem im Verhältniss ziemlich
eleganten, gut verzierten mittelgrossen Gefäss, — im Bruche des Thons, Stärke
des Brandes, das letztere Stück auch in der Verzierung, unverkennbar den Charakter
des sogenannten slavischen oder Burgwall-Typus.
Hr. Stubenrauch schreibt: „Ich wiD hierbei noch bemerken, dass in der oberen
Netze sich überhaupt keine Spuren von einem Pfahlbau vorgefunden haben. Ich
sitze seit 1 H60 in dem Vorstande der Meliorationsgenossenschaft der oberen Netze.
Ich habe selbst darauf geachtet und auch die betreffenden Beamten gebeten, es
mir mitzutheilen, wenn sich etwas fände. Der Goplo ist während dieser Zeit über
2 m gesenkt, es hat sich aber nichts gezeigt Nur auf einer Insel bei Jankowo
bei Pakosch, von der* ja auch Funde eingeschickt sind, scheint etwas pfahlbau-
artiges gewesen zu sein^. Franz Schwartz.
2. Die Schwedenschanze bei Lnbin^ Er. Tremessen.
Am 10. Juni 1890 wurde eine Untersuchung der Schanze durch den Hm.
Baurath Heinrich aus Mogilno und den Unterzeichneten vorgenommen.
Die Schanze besteht aus einem noch wohlerhaltenen, an der Aussenseite 6
1) Hier handelt es sich wohl am eine Verwecbselmig mit Schweinekiefem.
R. Virchow»
— 54 —
bis 7 m hohen, einen verhältnissraässig engen Platz auf der linken und der Stirn-
seite hakenförmig einschliessenden Wall, während die rechte Seite nur dareh den
Abhang einer zu dem Popielowo'er See, welcher die Ktlckseite der Schanze be-
grenzt, hinabführenden Schlucht gedeckt wird. Zwischen dem nordöstlichen Ende
des Walles und dieser Schlucht befindet sich die Einfahrt, während das andere
Ende des Walles bis zu dem früheren Seeufer hinunter führt. Der Abfall der
Schanze nach dem See wird dadurch unterbrochen, dass in der Mitte der Rück-
seite eine fast ein Drittel derselben einnehmende, leicht abfallende Ausschachtung,
bezw. Anschüttung, die Verbindung mit dem früheren Wasserspiegel herstellt.
Soweit sich der Wall erstreckt, ist derselbe mit einer Vertiefung umzogen, welche
früher einen Graben gebildet haben mag, aber auch durch die blosse Fortnahme
des zum Aufwerfen des Walles erforderlichen Erdreichs entstanden sein kann.
Irgendwelche Spuren von Holz- oder Mauerwerk oder sonstigen Vertheidigungs-
mitteln sind an der Schanze nicht wahrzunehmen.
Die Nachgrabungen wurden in der Weise vorgenommen, dass sowohl in der
inneren Wallecke, wo bereits früher Probe gegraben war, wie an verschiedenen
anderen Stellen des inneren Raumes, etwa 1 m breite, bis auf den natürlichen
Boden hinanterreichende Gräben von verschiedener Länge ausgehoben wurden.
Der innere Raum der Schanze neigt sich, wie vorerwähnt, mehr oder weniger
nach dem See hinab und ist allenthalben mit einer zähen Rasendecke, sowie mit
einzelnem Gesträuch bekleidet. Die Oberschicht des Erdreichs besteht bis zu
einer Tiefe von Vs bis ^/^ m durchweg aus einem ziemlich gleichmässigen, oben durch
feine gleichmässige Mischung die Spuren einer Durcharbeitung verrathenden, grauen
Boden. Unter dieser Oberschicht zeigt sich an den meisten Stellen sogleich der
aus Lehm und Sandadem bestehende natürliche Boden. Es finden sich jedoch
auch unter der halbmeterdicken Oberschicht, oberhalb des natürlichen Bodens oder
vielmehr in demselben, grubenartige Vertiefungen, welche mit einer Knochen, Zähne,
Scherben, Kohlen und gebrannte Lehmstückchen führenden Schicht schwarzen
humosen Bodens ausgefüllt sind und am Grunde in einer Tiefe von etwa 1,75 m
stellenweise sogar pflasterartige Steinschichtungen zeigen. Die in dieser humosen
Schicht einzeln vorkommenden Feldsteine verrathen theils die Spuren des Feuers,
theils sind sie, wie zum Beispiel diejenigen auf dem Grunde, anscheinend von
dem Humus geschwärzt. Diese grubenartigen Vertiefungen zeigen nach den Gruben-
einschnitten IVj bis etwa 2in Durchmesser. Nur in der Wallecke der Schanze
findet sich die Humusschicht ununterbrochen in einer Ausdehnung von 5 bis 6 qm
und in einer Tiefe von etwa 2 m gleichmässig vor und ist dort nur von einer
wesentlich dünneren, theilweise sogar fast ganz fehlenden Oberschicht bed(*ckl
Die Durchgrabung dieser humosen Schichten ergab an allen Stollen ziemlich
gleichmässig Knochen, Zähne, Homer, Scherben, Kohlenstücke und Theile ge-
brannten Lehms. Die Knochen wurden stets einzeln und verstreut, niemals an
einander liegend oder zusammenhängende Gerippe bildend, vorgefunden, meist in
zerschlagenem Zustande, so dass wohl das Mark derselben herausgezogen ist Es
fanden sich verhältnissmässig viele Unterkiefer, häufig noch mit den Zähnen darin,
aber kein einziger Schädel. Soweit sich erkennen liess, rühren diese Ceberreste
von Pferden, Rindern, Schweinen, Hunden und Ziegen oder Schafen her.
Sehr auffällig ist die Verschiedenheit der G^efäss8cherben, welche von den
rohesten, ungebrannten, fast fingerdicken und aus dem gröbsten Materiuie her-
gestellten Gefässen bis zu wesentlich feineren, gebrannten und mit geräiligen Or-
namenten versehenen Bruchstücken wechseln. Zwar sind auch diese Omomenlr
in sehr einCacher Weise mittelst Reisig, eines eingekerbten Stockes oder einer
— 55 —
Schnur hergestellt; indess finden sich doch über ein Dutzend verschiedener Muster,
und immerhin ist der Unterschied zwischen diesen und den ersterwähnten Gefässen in
hohem Grade befremdlich. Noch auffallender aber ist, dass sich diese verschieden-
artigen Bruchstücke durch einander, aber keineswegs so häufig, um etwa auf eine
Töpferwerkstatt hinzudeuten, vorfinden. Es finden sich nicht etwa in den tieferen
Schichten rohere, in den oberen feinere Gefässscherben, sondern in derselben Tiefe
beide Arten unmittelbar neben einander; denn wollte man auch annehmen, dass
schon eine frühere Durchgrabung, stattgefunden hätte, was bei der ausgedehnten
Fundstelle in der Wallecke der Schanze allerdings möglich wäre, so ist doch diese
Annahme hinsichtlich der übrigen Fundstellen völlig ausgeschlossen, weil dort eine
so scharfe Trennung zwischen der Oberschicht und der Humusschicht nur unter
Beobachtung der äussersten Vorsicht wiederherzustellen gewesen wäre.
Auch in der den Wall umziehenden grabenartigen Vertiefung wurden zwei
Einschnitte von je 2 m Länge und Tiefe gemacht. Es findet sich dort, sogleich
unter der Rasendecke, ein humoses Erdreich vor, welches etwa 1,75 m tief hinab-
reicht, jedoch weder Kohlen, noch gebrannte Lehmstückchen zeigt, und von den
vorerwähnten Humusschichten im Inneren der Schanze wesentlich verschieden 'ist.
Wahrscheinlich hat sich diese Erdschicht durch jahrhundertelange Einspülung aus
der oberen Kulturschicht der den Graben umgebenden Anhöhen gebildet.
Auch auf dem Grunde dieser Erdschicht wurden einzelne Knochentheile und
Gefässscherben gefunden, jedoch verhältnissmässig weniger, als im Innern der
Schanze.
Die Annahme, dass die Schanze einen Opferplatz oder eine Tempelstätte um-
schlossen habe, wird durch die Umgebung derselben unterstützt. Wie viele Be-
wohner von Lubin übereinstimmend bekunden, finden sich in der Umgebung der
Schanze, meist dicht unter der Oberfläch(% vielfach Kohlen und Knochen; auch
sind häufig mit verbrannten Knochen gefüllte Urnen, theils frei im Erdreiche, theils
in einer Steiuumsetzung stehend, gefunden, nie aber im Innern der Schanze.
Die Wittwe Przybylska bezeichnete beispielsweise einen auf ihrem Brachfelde
einige hundert Schritt westlich von der Schanze in der Nähe der Chaussee belegenen
Platz, auf dem ihr verstorbener Ehemann vor längeren Jahren unter einer Schicht
kleiner Steine eine mit Knochentheüen gefUUte Urne gefunden und nach Be-
sichtigung wieder eingesenkt hätte. Eine dort vorgenommene Nachgrabung ergab
in der That dicht unter der Oberfläche eine etwa 3 vi im Durchmesser haltende,
etwa 15 cm dicke, von Kohlenstücken geschwärzte Schicht, in welcher Umenscherben
und Knochentheile vorgefunden wurden. Ebenso fanden sich im Umkreise von
kaam einem halben Morgen noch drei andere, ähnliche Brandplätze und darin
Scherben vom Pfluge zerstörter Urnen und angebrannte Knochenstücke, auf der
einen Stelle auch Stücke einer menschlichen Schädeldecke darunter.
Eccardt,
Distrikts-Kommissar.
~ 56 —
Weitere Funde bei der Ausgrabung des Nord-Ostsee-Kanals
in Holstein.
(Vgl. Heft 3.)
Nach dem Berichte des Ahtheilongs-Baumeisters Hrn. Sympher, d. d. Holtenaa,
4. August, sind beim Bau des Kanals in der Zeit vom 1. Mai bis 1. August d. J.
gefunden worden:
2 Steinäxte, eine bei km 74,2, eine bei Herstellung des Planums einer Hand-
werker-Barracke zu Holtenau.
1 langes Schwert, bei km 66,75, etwa 10 m unter Wasser.
1 Kurzschwert, bei km 66,84, etwa 8 m unter Wasser.
2Thonkrüge mit Wappen aus dem 17. Jahrb., der eine bei Sehestedt, der
andere unweit Oestermoor.
1 Schädel eines Auerochsen bei km 63,2 im Moor.
1 Renthierbecken im Moor bei Sehestedt.
4 Hirschgeweihe.
Es würde erwünscht sein, wenn über die einzelnen Fundstücke genauere An-
gaben gemacht würden, z. B. ob die Steinäxte polirt oder durchlocht, gross oder
klein u. s. w. sind. Rud. Virchow.
Gräberfelder bei Tschammer-Ellguth und Adamowitz,
Kr. Gr.-Strehlitz, Schlesien.
Die auf Staatskosten ausgeführte Untersuchung hat nach den Berichten der
Königl. Kreisbau-Inspektion zu Gr.-Strehlitz ergeben, dass die beiden, nur etwa
10 km Ton einander entfernten Gräberfelder in der Hauptsache dieselbe Beschaffen-
heit zeigen, nur dass das von Adamowitz das ärmere ist An beiden Orten sind
Urnen- und Skeletgräber vorhanden.
Die letzteren liegen in der Regel sehr flach, ohne dass sich bestimmte Reiben
feststellen Hessen. Der Kopf ist nach Südosten gewendet; an demselben, entweder
seitlich, oder dahinter, zuweilen in einer besonderen Steinkiste, öfters auch an
den Füssen, finden sich Gefösse. Manchmal sind Schalen neben die Hand- oder
auf den Brustknochen gestellt. Ein grösseres flaches Gefäss dient als Deckel.
Die Urnengräber sind in seltenen Fällen durch Steinsetzungen oder-Ueber-
deckungen gekennzeichnet. Die Gefässe meist zertrümmert, da sie in der Regel
nicht über 0,5 m tief eingesenkt waren. Diese Gräber enthalten meist Brandknochen,
theils lose neben den Thongefässen, theils in denselben. Die zwischen den
Knochen befindlichen Bronzegegenstände haben immer den Brand mit erlitten. Die
Gefässe sind schwach gebrannt und wenig verziert, wo es der Fall ist, mit linear-
ornamenten. Einmal kam eine Kinderklapper aus Thon zu Tage. Von Bronzen
waren bis zum 31. Januar 1889 gesanmielt: ein schwerer Halsring, mehrere Ann-
ringe, ein grösseres Messer, ein Schaftcelt, mehrere Finger- und Ohrringe und
Nadeln.
Nach dem Berichte des Baurathes Möbius Yom 11. September 1889 waren
in Adamowitz zahlreiche Gräber mit Eisenbeigaben aufgedeckt, auch feine Glas-
perlen Yon dunkelgraublauer Farbe und unregelmässiger (Gestalt, eine grössere
— 57 —
Bronzefibel und einige Haarnadeln gesammelt. Ein Bericht vom 3t. Jan. 1891
meldet nnter Anderem den Fond yon 2 Spiral-Armringen aus Bronae und von
2 Ohrringen. ^
Da die Fundstücke an das Rönigl. Museum für Völkerkunde abgeführt sind,
so darf von da eine genauere Feststellung erwartet werden.
Rud. Virchow.
Prähistorische Fundstellen in Westpreussen und dem
östlichen Pommern.
Rr. Bereut.
Bei Slawiska wurde 1886 beim Pflügen eine Steinkiste aufgedeckt, worin sich
vier Urnen in den Ecken und eine fünfte sammt einem Beigefässe in der Mitte
befanden. Zum Theil erhalten, im Besitze von Hm. Büttner, Dortau.
UmNieder-Schüdlan traf man 1890 beim Roden auf eine Steinkiste, welche
eine gedeckelte Urne enthielt, gefüllt mit Leichenbrand und einem leider fort-
geworfenen Objecte, das man für Haare oder Zeugreste hielt Die Urne war innen
schwarz-, aussen rothgebrannter Thon. Des Deckels Weite betrug 10 cm,
Organist Podlaschewski in Wischin stiess 1890 auf seinem Lande (Gang
zum Filtzethal) an einen Stein, und da er der Sache nachforschte, auf eine Stein-
kiste, worin zwei sehr interessante Urnen standen. Die eine mit Deckel konnte
als Gesichtsume gelten, freilich ohne Gesicht, aber mit Ohren beiderseits, in denen
je drei halbrunde Ringe aus Bronze steckten, auf deren beiden obersten je eine
blaile Glasperle sass, wogegen auf der untersten je eine durchlochte Kauri-
muschel, Cypraea moneta. Punde von letzterer sind in Westpreussen höchst
selten. Von schwarzem Thone, hartgebrannt, war die Urne kaum höher wie 16 cm.
Sie ging durch Ankauf in das Eigenthum des Westpreuss. Provincial-Museums über.
Die andere Urne, von gleicher Höhe (obere Weite 10 cm) und Beschaffenheit,
ebenfalls gedeckelt, mit einem Henkel versehen, jetzt aus meiner Sammlung in
die des Kgl. Museums in Berlin überwiesen, ist dadurch bemerken swerth, dass
sie im Gegensatz zu der vorigen ohne Leichenbrand und ganz leer war, wie be-
stimmt versichert wurde.
Ein Mahlstein mit kreisrunder (fast ellipsoider) Aushöhlung ist eingefügt in
die Kirchplatzmauer von Wisch in, Kr. Berent
Herr Gonditor Kassubowski kaufte vor einiger Zeit von einem Besitzer der
Umgegend eine kleine goldene Münze in der Grösse eines Zwunzigmarkstückes,
die letzterer auf seinem Acker in der Nähe eines Urnengrabes gefunden hatte.
Wie jetzt festgestellt, stammt diese Münze, welche auf der einen Seite ein Wappen,
auf der anderen einen Ritter mit gezogenem Schwerte zeigt, aus der Zeit Ludwigs IL
855—875.
Kreis Putzig.
Um Putzig selbst liegt der altheidnische Begräbnissplatz gegen das Dorf
Blandzikaw zu, auf dem Lande des Besitzers Grünau. Dort werden häufig Urnen
gefunden. So auch 1887 eine grosse, etwa P/^Fuss hoch, von dick bauchigem
Umfange, in welcher sich ausser Leichenbrand eine blaue Glasperle vorfand, sowie
— 58 —
zwei ringförmige Gebilde von patinirter Bronze, mit geraden und schrägen Rillen
versehen. An dem einen Ringe bemerkt man den Mangel eines Verschlusses. Im
Bogen gemessen, hat der grössere 45, der kleinere 36 cm^ im grössten Abstände
der grössere (Kopfring) 20, der kleinere (Armring) 8,5 cm.
Um Brünhausen, auf der gegen Przellin zu gelegenen Feldmark Hadasso-
wagora (Feld des Hadass), wurden 1887 beim Grandfahren lose im Boden mehrere
Urnen gefunden und mit einer Ausnahme zerschlagen. Die eine gerettete Urne
von Terrinenform mit einem Deckel, aber ohne Ornament, kam in den Besitz
des Hauptmann Suter in Löbsch. Es war dabei noch eine Art kleiner platter
Unterschüsse!. Es lag darin ausser Leichenbrand eine bronzene Nadel (Haar-
pfeil), die sich an einem Ende allmählich verdickte und hier mit zwei umgehenden
Einschnürungen versehen war. Ebendort wurden öfters auch Urnen mit zwei knopf-
artigen Ansätzen an den Seiten gefunden.
Reddischau. 1888 Grabkammer mit vielen Urnen.
In Gross-Domatau wurde bei einem Hausbau (Tischler Neu mann) um
1875 eine Steinkiste aufgefunden, worin zwei Urnen sich gegenüber standen, darin
Asche und viele Ringe, der eine ganz geschlossen, so dass er als Fingerring eines
starken Menschen gelten konnte.
Bei Rauschendorf (Kr. Neustadt) fand der Besitzer v. Zelewski vor einigen
Jahren eine Steinaxt (undurchlöchert) im Piasnitz-Bruch.
Um Luboczin fand 181)0 der Besitzer Rodenacker beim Pflügen in ebenem
Boden in einer Steinkiste 6 Urnen, in einer derselben ein spiralförmig verbogenes
Schwert.
Vor dem Försterhause der Unterförsterei Sobiensitz liegt jetzt ein Stein
von rothem Porphyr, ehemals gefunden mitten im Walde von Luboczin, in welchen
eine fingerlange Oeffnung hineingeht; er erschien mir als der eine Haltestein für
die Stange einer alten Grützquiere.
Um Zarnowitz fand Gastwirth Casper i. J. 1890 Urnen in einer Steinkiste.
Bei Zarnowitz stiess man auf Urnen beim Steinroden.
Am Wege von Lissau nach Robackauer Mühle wurden viele Knochen aus-
gegraben.
Um Menkewitz fand Gastwirth Thymian auf einem Stücke Abfindungsland
in einer Vertiefung einen Platz, wo ringsum grosse Steine gefügt waren, mit
kleinen Steinen zugeworfen. Nach der Sage soll es das Grab eines Häuptlings der
Kreuzritter (krzezok) gewesen sein.
Bei Menkewitz traf man öfters Urnen in Steinkisten im Sandboden. In
einer solchen, ohne Deckel, von bläulichen^ Thone, schwach gebrannt, mit
Ansätzen auf beiden Seiten, fand Gastwirth Thymian ein hakenartiges Instrument,
das er fortwarf. Die Urne steht noch bei ihm. In einer anderen fand Besitzer
Sonntag eine Art Oehse (Fibula, liegendes S.), wie drei Streichhölzer dick, die sein
Sohn zerbrach und dann verlor.
Um Buchenrode (Besitzer Sipka) wurden in den 80er Jahren Urnen aus-
gegraben.
Ebendaselbst fand man vor 50 Jahren auf dem Felde zwei silberne Münzen
mit scheinbar persischer Schrift.
Im Moor bei Buchenrode erlangte Polist den Peddig von einem Büffelhorn
von Armeslänge.
Auf der Wissok (Höhe) bei Krockow fand man um 1875 Urnen mit Asche
und darin ein zusammengebogenes Schwert Rother Ockersand giebt dem Volkr
xVnlass zu der Sage von einer Schlacht, und zwar gegen die Schweden. Uebrigens
— 59 —
verleiht dem Gerede einen gewissen Hintergrund die Auffindung von Spiessen und
geketteten Sturmkngeln.
In einem seltenen, 1799 ohne Namen des Verfassers gedruckten Büchlein, be-
titelt: Meine Reise in's blaue Ländchen, heisst es (S. 70) bei der Beschreibung
des damaligen Krockow: „In einer der Terrassen wände des Berges (im Garten)
sieht man zwei kleine viereckige Gewölbe. In jedem ist eine Urne befindlich,
ausgefüllt mit Asche und Knochen, Man fand sie beim Terrassiren des Berges,
unter einer künstlich zusammengeführten Steinplatte, und begrub sie hier als wirk-
liches Grabmal der Alten". Es ist dies für Westpreussen gewiss eine frühe
Erwähnung eines Steinkistengrabes.
Mogila (Grabstätte), cassnbisch gesprochen Modschuieke, heissen manche
Stellen: 1. ein Buschwerk am Wege von Menkewitz, Landweg nach Slawoschin,
wo jetzt ein Kreuz stehi 2. eine Stelle bei Schwetzin hart an der Chaussee,
wo viele Kalksteine gewonnen werden. In diesem Berge liegen stapelweise deren
in Quaderform, dazwischen kleinere Stücke. Jetzt ist das eine Kalkbrennerei.
Kr. Carthaus
Auf der Gemarkung von Adl. Stendsitz wurde 1890 ein grosses Gräberfeld
aufgedeckt und bestanden die Funde in grösseren und kleineren Urnen, welche
Knochenreste enthielten.
Sonst in Westpreussen.
Auf der Feldmark von Jastozemken bei Vandsburg, Kr. Flatow, fand Hr.
Rittergutsbesitzer Wold. Schultz drei Steinbeile (zwei undurchlocht) und überwies
sie dem Westpr. Prov.-Museum.
Beim KartofTelgraben trafen Frauen auf dem Felde des Besitzers Lankowski
in Briesen einen irdenen Krug mit Silbermünzen aus der Zeit des Ritterthums.
llr. Rektor Heym hat das Westpr. Provincial-Museum hiervon in Kenntniss gesetzt.
Auf einer sandigen Anhöhe von Ostrow Brosze, Kr. Stuhm, sind im
September 1«89 Urnengräber entdeckt worden. Leider sind die schön geformten,
oft mit Punkten und Strichen verzierten Gefässe durch das Ausroden von Bäumen
fast sämmtlich vernichtet oder stark beschädigt
Mewe. Auf dem zu dem Dominium Grtineberg gehörigen Vorwerk Lippinken
stiess man beim Graben nach Feldsteinen in einer Tiefe von etwa 5 Fuss auf
eine Mauer. Die Vermuthung, dass hier vor alten Zeiten ein Gebäude gestanden
haben müsse, fand sich beim weiteren Nachgraben bestätigt. Es wurde eine Burg-
ruine blosgelegt mit zwei mittelgrossen Zimmern und einem Raum, der seiner Er-
richtung nach unzweifelhaft als Küche gedient haben wird. Mehrere alterthüm-
liche Gera thsc haften wurden zu Tage gefördert, u. A. ein eiserner Siegelring, gut
erhalten, w^elcher noch deutlich eine Gravirung erkennen lässt, die jedoch leider
nicht mehr zu entziffern ist. Auch mehrere aussergewöhnlich grosse Sporen und
ein Stück Bernstein wurden gefunden.
Kr. Lauenburg.
Die alte Stadtmauer von Lauenburg ging um die im Viereck gebaute Stadt
und hatte 32 Thürme, aber nur 2 Thore, das Danziger und das Stolper.
Es stehen davon noch jetzt zwei Thürme. Der eine Mauerthurm wird jetzt als
Stall ung benutzt. Der andere ist der berühmte Epheuthurm. Ein sehr starker
Epheu, im Stamme etwa bis 7 2k)ll Umfang, und ein kleinerer rankten sich seit-
wärts und bis zur ganzen Höhe. Dies war der Stolz und der Ruhm der Lautm-
— 60 —
«
burger und seinesgleichen war weit und breit nicht zu finden, bis eine rachlose
Hand ein Stück herausschnitt, dies aber wieder verpflockte, so dass man erst
später darin den Grund des allmählichen Absterbens bemerkte.
In Wierschutzin fand Häusler Lieske beim Torfstechen in 5 Soden Tiefe
(4 Fuss) im Sandlager neben anderen scheinbar zusammengehäuflen Steinen ein
durchlochtes Steinbeil.
Bei Saal in stiess man 1889 oben im Walde, V4 Meile vom See ab, in einem
Soll beim Torfstechen in 6 Fuss Tiefe auf eine brückenartige Fügung Ton Bohlen
und ein Ende weiter davon, in einem Graben, auf Beste von Holzkohlen.
Im See von Saalin, auffallend durch seinen starken Wellenschlag, fand Gast-
wirth Gasper im Jahre 1882 einen Lachsangelhaken von Bronze, der später ins
Westpr. Prov.-Museum kam. Solche Haken für Lachs haben eine besondere Ge-
stalt. Es ist auffällig, wie es in jenem See, bis drei Meilen von der Ostsee ent-
fernt und jetzt wenigstens nur durch Bäche mit ihr in Verbindung stehend, Lachse
gegeben haben soll. Dennoch steht urkundlich fest, dass Saalin den 10. Lachs hat
an das Kloster zu Gliva liefern müssen.
Kr. Stolp.
In Dodenberg bei Gr.-Varzmin wurden imd werden viele Knochen ge-
funden.
A. Treichel, Hoch-Palleschken.
Die Burgwälle von Stangenhagen, Kreis JUterbogk-Lucken-
walde, und Zauchwitz, Kreis Zauch-Belzig, Prov. Brandenburg.
Das Dorf Stangenhugen liegt im nördlichen Zipfel des Kreises Jüterfoogk-
Luckenwalde, in einer nicht sehr fruchtbaren, für märkische Verhältnisse fast ge-
bii^gig zu nennenden Gegend, die mit ihren zahlreichen kleinen Seen und den be-
waldeten Höhenzügen oft ganz hübsche und malerische Landschaften bietet.
Der ganze Kreis ist ausserordentlich arm an prähistorischen Alterthfimem
und bildet einen merkwürdigen Gegensatz zu dem grossartigen Reichthnm an
Fundstücken aller Art, den im Norden und Westen davon die Gräberfelder des
Havellandes und der Zauche, im Süden und Osten die der Lausitz und der
Provinz Sachsen aufzuweisen haben. Die prähistorische Abtheilung des Museums
hat so wenig Stücke von da, wie kaum aus einem andern Kreise der ganzen Provinx
Brandenburg. Dicht bei dem Dorfe Stangenhagen hat allerdings ein dem Ausgange
der Bronze-Zeit angehöriges Gräberfeld gelegen, das aber in früheren Jahren aus-
gebeutet und grösstentheils zerstört ist. Im Jahre 1885 hat Hr. Direktor Voss
noch die Lokalität untersucht und eine Anzahl von Thongefössen, sowie von den
sehr wenigen Metallbeigaben eine sehr merkwürdige Bronzenadel als Geschenk
für die Abtheilung von dem Besitzer, Hm. von Thttmen auf Stangenhagen erhalten.
Ausserdem sind im Kreise nur noch sehr wenige Gräberfelder, die hier nnd
da einige Stücke geliefert haben, bekannt.
Die Aermlichkeit des Bodens allein dürfte kaum als Grund dafür angesehen
werden können, da einige Gegenden in der Nieder-Lausitz vielleicht noch un-
fruchtbarer und doch reich an prähistorischen Alterthfimem sind. Denn in der
Vorzeit, besonders während der älteren Perioden, als Jagd und Fisefaljuig die
— 61 —
Hanptnahrangszweige bildeten und als Ackerbau und Viehzucht nur in primitivster
Weise und in sehr beschränktem Maasse betrieben wurde, ist oft, was Qualität
und Quantität der prähistorischen Fundstttcke anbetrifft, kaum ein Unterschied
zwischen sehr fruchtbaren und weniger fruchtbaren Gebieten zu konstatiren. Die
sandigen Distrikte der Nieder-Lausitz mit ihrem unvergleichlichen, geradezu er-
staunlichen Reichthum an Thongefässen und die Lüneburger Haide mit ihren
Hunderten von Hügelgräbern und megalithischen Bauten geben die sprechendsten
Beweise dafür ab.
Vielleicht ist hier, im Kreise Jüterbogk-Luckenwalde, eine Art Völkerscheide,
eine Grenze zwischen verschiedenen Stämmen, besonders in der vorrömischen
Zeit, gewesen, da in diese Gegend auch ungefähr die nordwestliche Grenze des
eigentlichen reinen Niederlausitzer Typus mit den kräftig ausgeprägten Buckelurnen,
den feinen Schraffirungen u. s. w., wie sie besonders zwischen Luckau, Guben und
Sorau vorkommen, zu setzen sein dürfte. Die Gefässe von Stangenhagen zeigen
in mancher Beziehung noch eine gewisse Verwandtschaft mit den niederlausiteer
Formen, aber sie schliessen sich doch mit ihren durchweg einfacheren Profilirungen,
den abgeflachten Buckeln und den sehr häufigen cylindrischen Gefässen viel mehr
den Gräberfeldern der Mittelmark an, deren Hauptrepräsentanten während der Hall-
stätter und älteren La Tene-2ieit in unserer Abtheilung die Gräberfelder von Rietz,
Ruhlewitz und Radewege sind. —
Da das Gräberfeld von Stangenhagen schon seit Jahren ausgebeutet ist, so
musste ich meine Thätigkeit auf die Untersuchung der beiden in der Nähe des
Dorfes gelegenen Burgwälle beschränken.
Der erste derselben, der sog. „Borgstieg^, wie der Platz im Munde des Volkes
heisst, auf der Feldmark von Stangenhagen und ziemlich 2 km südöstlich vom
Dorfe gelegen, ist bereits zum Theil abgetragen und bildet nur noch eine weit
ausgedehnte schwache Erhebung von etwa 3 Fuss über dem umliegenden Felde.
Ein alter Mann aus dem Dorfe, den ich sprach, wusste sich noch genau zu er-
innern, dass dort früher ein regelmässiger runder Burgwall von etwa 8 Fuss Höhe
gewesen, der aber, um das herumliegende morastige Terrain urbar zu machen,
abgefahren, planirt und dann mit zum Acker hinzugenommen worden sei. Noch
jetzt ist aber die alte Culturstätte an der schwarzen Erde, den Kohlenresten, den
vielen Thierknochen, Thonscherben u. s. w., die an der Oberfläche herumliegen,
deutlich zu erkennen. Diese Ueberreste dehnen sich jetzt über ein ziemlich be-
deutendes Areal aus, aber wenn man etwas weiter von der Mitte entfernt in die
Erde hineingräbt, so sieht man deutlich, dass die obere schwarze Schicht erst in
neuerer Zeit aufgetragen ist, da ganz plötzlich, schon etwa 1 Fuss tief, der ge-
wöhnliche weisse Sand erscheint In der Mitte, wo die Erhebung am grössten
ist, beträgt die Kultnrschicht jetzt immer noch etwa 2— 2V3 Fuss, an einzelnen
Stellen noch mehr, so dass dieselbe früher, als die ganze Anlage noch intakt war,
ausserordentlich stark gewesen zu sein scheint.
Ueber die Grösse und genauere Form der Anlage kann man sich jetzt nach
der Abtragung und Einebnung natürlich kein sicheres Bild mehr machen; nach
der Aussage des alten Bauern war der Burgwall früher kreisrund, wie ja auch die
meisten ähnlichen alten Befestigungen, und er scheint eher zu den kleineren, als
zu den grösseren gehört zu haben.
Auf der ganzen Oberfläche des kleinen Hügels, wie in allen Schichten der
schwarzen Erde lagen überall Thierknochen und Thonscherben herum, welche
letztere ausnahmslos slavischen Character, den sog. Burgwall-Typus, zeigen.
Neben den zahlreichen nicht omamentirten kommen die gewöhnlichen, mit kämm-
oder eägeartig ausgezackten Instrumenten her^stellten Muster ttberall vor, so dass
ich sie hätte zu hundertcn auriescn oder herausgraben können.
Unter den Thierknoehen waren viele vom Pferd oder Rind yertreten, die
meisten schienen jedoch von verschiedenen kleineren Thieren herzurühren.
Zn meiner grossen Freude gelang es mir, ein
zum grossen Thcil erhaltenes und leicht ergünrbar'--
Gefass zu Rnden, immerhin eine griisse Sel((.>nht-ii
in denirtigen Bur{pȊllcn. Dasselbe ist, wie pewiihn-
lieh von annähernd doppelkonischer Form, alwr ziem-
lich breit im Vcrhältniss zur Höhe: II, 'Ich httch;
30,4 cm im grössten Durchmesser. Die Omamentf
sind, obgleich von verschiedener Art, alle mit dem-
selben kammartigen Geräth hergestellt: oben, unter dem schwach ausladenden
Rande, horizontal herumlaufende Linien, dann Reihen von auf der einen Sciii-
Hunt eingedrückten, auf der andern Reite ein wenig zu kleinen viereckigen Feldern
lanj^ezogenen Binstichen, darunter am Winkel eine sehr nachlässige, unrei^el-
mässige Wellenlinie. Ausserdem fand ich noch Pfriemen von Knochen und Risen,
merkwürdigerweise aber kein einziges Hirschgeweih oder ans Geweihstücken gi--
orbeitetc Geräthe, die doch sonst in Bnrgwallen so hüung sind.
Was die chronologische Bestimmung dieser Localität anbetrifft, so gelven dii-
Thonschej-ben einen ziemlieh sicheren .\nhalt: die Anwendung der Töpfcrscheil»'.
die an den meisten zu erkennen ist, und die vielen, ohne grosse Accunil^sse her-
gestellten Ornamente weisen auf die zweite Häl^ der slavischen Zeit hin. Da ich
aber unter diesen Ornamenten die horizontalen Furchen, welche, wie mir scheint,
besonders für die allorspäteste wendische Zeit charakteristisch sind, anter den
hundcrten von Scherben, die ich sah, nur ein einziges Mal vertreten fand, t«>
möchte ich den Burgwall nicht in zu späte Zeit heraufrücken. Man könnte aller-
dings annehmen, dnss die oberen und jüngeren Schichten bei der Planimng ab-
getragen und so nur die älteren Schichten liegen geblieben seien, aber ich hulx-
anch überall auf dem Felde, wo weit herum die schwarze Erde aufgefahren «ar
und Scherben lagen, mit Ausnahme des einen kleinen Stückes, keine solche mii
horizontalen Furchen gefunden- Ich möchte daher den Bnrgnall nngetähr in du«
8.-9. Jahrh. n. Chr. setzen. —
Der zweite Burg-wall, den ich untersuchte, lag 2 — -1 tiii westlieh von Stanm>ii-
hagcn, auf der Feldmark des Dorfes Zauch w itz, im Kreise Zauch-Ik'lzig. Ders4'lbe
war insofern sehr interessant, als er im Gegensatz zu dem erst4'n. mit Ausnahint'
einer kleinen Stelle im Südwesten, wo etwas Erde abgefahn-n ist, sehr gut ir-
haltcn war. Mitten in wiesigem und sumpllgem Terrain, wahrscheinlich auf einer
natürlichen kleinen Ilügclbildung, erhebt sich die kleine Anlage, die uns so reehl
den Typus der alten wendischen Wasserburgen vor Augen führt wie sie am
Ibrahim-ibn-Jakub zur Zeit Kaiser Otto's des Grossen so anschaulich beschreit)!.
Die ganze Anlage ist genau kreisrund und von ziemlich geringen Dimensioni'n:
ich zählte im Qu erdorch messet, oben von einer Wallkrone zur andern, 115 Schrille.
Die Höhe des ziemlich breiten Krdwalles bethigt jetzt nach aussen hin 4— •'■. ru<'h
innen etwa i—:-^ t^iss. Der Graben ausserhalb des Walles isl zum grossen Thnl
zugeschüttet oder im Laufe der Jahrhunderte versandet, so dass er an eiiizelmn
Stellen kaum noch zu erkennen ist.
Was die Fundslücke dieser Localität anbetriiTt, so waren sie verhültniBsmäasitt
nicht sehr zahlreich, :)ber insofern äusserst interessant, als ich in dieser kleinen
Anlage die Culturüberresle der verschiedensten Perioden vertreten fand.
— 63 —
Ich förderte eine Menge von braunen Thonscherben zu Tage, die nach den rauhen
Ausscnflächcn und den sauber eingefurchten Ornamenten zu schliessen, in die vor-
römische altgermanische Eisenzeit, also etwa in das 4. — 1. Jahrhundert vor Chr.
zu setzen sind; dann slavische Scherben vom Burgwall-Typus aus der älteren und
jüngeren Zeit, also etwa dem 6. — 11. Jahrhundert nach Chr. angehörig, und schliess-
lich mittelalterliche Thonscherben aus dem 12 — 13. Jahrhundert.
Für eine ursprünglich altgermanische Befestigung scheint mir der Raum zu
klein zu sein, da die Burg- und Ringwälle dieser Periode gewöhnlich bei weitem
grösser sind. So dürfte der ursprflnglich natürliche Hügel zur Zeit der alten Gor-
manen eine gew^öhnliche Ansiedelungsstätte, vielleicht ein kleiner Begräbnissplatz
gewesen sein. Die Wenden errichteten dann eine Befestigung darauf und diese
ist, wie die Thonscherben beweisen, bis in die Zeit Albrecht des Bären und
Jaczo's benutzt und bewohnt worden.
Ausser den Thonscherben, die immer und überall in chronologischer Beziehung
die wichtigsten Leitmuscheln bilden, waren mir von besonderem Interesse die
zahlreichen Lehmbewurfstücke, die letzten üeberreste der wahrscheinlich recht
primitiven Gebäude, deren Bauart mit Holzfachwerk und Lehmbekleidung ziemlich
dieselbe gewesen sein wird, wie sie noch heutzutage auf dem Lande, besonders
an Stallgebäuden, vorkommt, und zwar vorwiegend in den östlichen Provinzen
unseres Vaterlandes, wo früher eine slavische Bevölkerung gesessen hat. —
Ueber den Zweck dieser in einzelnen Gegenden Norddeutschlands ziemlich
zahlreichen Burg- und Ringwälle ist man noch immer nicht ganz klar. Wenn
sie Dr. Behla, der übrigens den zweiten der beiden beschriebenen Burgwälle
erwähnt, alle mehr oder weniger für Heiligthümer hält, so dürften die so oft zahl-
reichen Scherben, Thierknochen und besonders die vielen Geräthschaflen für den
täglichen Hausgebrauch, die Messer, Pfriemen, Kämme, Fischspeere, Schlitt-
knochen, Spinnwirtel, Schleifsteine u. s. w. u. s. w. schwer zu erklären sein;
ausserdem würden dann manche Gegenden Deutschlands, wie besonders das
Randowthal zwischen Pommern und der Ukermark, (Vüher mehr wendische
Götzentempel gehabt haben, als jetzt christliche Kirchen, was doch trotz der
hierarchischen Neigungen der Wenden kaum anzunehmen ist. Auch als Zufluchts-
orte in Kriegsgefahr für die umliegenden Ortschaften, als sogenannte Fliehbui^en,
wofür sie meistens angesehen werden, sind die wendischen Anlagen durchweg zu
kleia, da innerhalb des Walles, zumal wenn noch einige Gebäude dort gestanden
haben, kaum einige Dutzend Menschen, geschweige denn Viehheerden und Vor-
räthe einer ganzen Dorfbevölkerung Platz gefunden haben würden.
Ich glaube, wir haben, wenige Ausnahmen abgerechnet, — wie z. B. Rethra
und Arcona, wo es nachweislich Tempel gab, — in den alten wendischen
Burgwällen nichts weiter zu sehen, als die Sitze von wendischen Edlen, die, wie
die Ritterburgen des Mittelalters, auf von Natur festen, unzugänglichen Plätzen
errichtet, sichere Schlupfwinkel und vor plötzlichen Ueberfällen geschützte Wohn-
plätze bildeten. Sie waren mit ihren primitiven Lehmhütten und dem auf dem
Erdwall errichteten hohen Pallisadenzaun, den Ibrahim-ibn-Jakub beschreibt, ge-
wissermaassen die Vorläufer der romantischen Ritterburgen des Mittelalters mit
ihren massiven Feld- und Backsteinbauten, die sich beide erst mit der Re-
germanisirung und der christlichen Kultur im östKchen Norddeutschiand verbreiteten.
Ich glaube das um so mehr, weil fast auf allen Plätzen, wo in Norddeutschland
östlich der Elbe mittelalterliche Ritterburgen gestanden haben, die unteren Erd-
schichten slavische Kulturüberreste aufweisen. Es scheint also, dass die eingewan-
derten deutschen Ritter dieselben Burganlagen bezogen, die früher die alten Wenden
— 64 —
errichtet und dann verlasBeo hatten. Und die aiUTaUende Kleinheit der meisten
mitteralterlichen Ritterburgen ist ebenso auch sehr charabteristiBch rUr die Be-
restigungen der Wenden, ganz im Gegensatz zu den gros^n, zom Theil geradezu
gewaltigen Wallanlagen, die besonders in emzelnen Tbeilen Suddeotschltinds und
Oesteireich-Ungarn's aus der Steinzeit und der älteren Metallzeit, — den ältesten
keltischen und germanischen Perioden, Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung, —
erhalten sind. M. Weigel.
Bronze-Fund von Berlin.
Dicht bei Berlin, in der Nähe des Schlosses Belleme, wurde bei den
Bo^erarbeiten ifi der Spree in diesem Jahre ein prähistorischer Fund gehoben,
der zn den interessantesten gehört, die bisher innerhalb des Berliner Weichbildes
gemacht worden sind. Er enthält zwei Stücke, eine grosse Fibel und eine Nadel
von Bronze, die beide, sehr wohl erhalten und rollständig ohne Patina, das be-
kannte goldige Aussehen der im Moor gefundenen Bronzen zeigen.
Die S4 cm lange Fibel zeigt auf beiden Seiten zwei grosse Scheibenspiralen,
die durch einen ganz flachen, in der Mitte breiten, nach beiden Seiten spitz zn-
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W^^^
laufenden Bügel rerbunden sind. An den genindeten Rändern dieses BUgab ziehen
sich als Ornament je 3 feine Linien entlang, die auf beiden Seiten von feinen
Pnnktstrichcn eingefasst sind; das zwischen diesen beiden Streifen liegende Feld
wird von einem Zickzacks ystem ebensolcher von Punktstrichen eingefasster Linien
ausgefüllt. Der hintere Theil des Doms zeigt eine flache dreieckige Platte, die
ebenfalls mit Linien und Heihen von Panktstrichen reich verziert ist Die Drähte,
durch welche die beiden grossen Spiralen gebildet werden, haben nicht den ge-
wöhnlichen runden, sondern einen linsenförmigen Querschnitt und zeigen in den
äusseren Ringen auf der Wölbung kleine flache radiäre Einkerbungen, von denen
jedoch zum Theil nur noch die letzten Spuren erhalten sind.
Die Nadel ist 17,2 em lung und zeigt oben als Kopf 5 dicht neben einander
liegende sehe ibenariige Wülste, von denen der oberste, der dritte und fdode rings-
herum mit kleinen Kerben versehen sind.
Ob wir hier einen Depotfund oder einen Orabhind oder Euföllig verloren ge-
gangene Stücke vor uns haben, dürfte schwer zu entscheiden sein. Vielleicht rühren
sie von einer Ansiedelung her. In der Nähe wurden ausserdem noch mehrere Ge-
weihstücke, Knochen von Rind und Schwein, sowie eine meuBchtichc Tibia gefnideo.
Die Fibel hat in ihrer Construction, wie in der Ornamentik Aehntichkeil mit
der einen Fibel von Hirschgarten (Nachrichten, Jahrg. 1, 8. 5, Fig. 1}. welche
letztere aber doch wohl etuus jünger sein dürfte. Der neue Fund dürfte immerhin
wenigstens in die Mitte der HatlslaUur Zeit zn setzen sein. Er gelangte ent vor
Kurzem, hauptsächlich durch die Bemühungen eines alten Gönners, des Hm.
Fabrikanten H. Sökcland, in das Königliche Museum. H. Weigel.
AIjkhkIiIdsol'D luii 1. UktiibBT OAl.
ErgänznngsblStter zur Zeitsehrift fAr Ethnologie.
Nachrichten über deutsche Alterthnmsfimde.
Mit Unterstützung des Königlich Preuss. Ministeriums
der geistlichen, Unten^chts- und Medicinal - Angelegenheiten
, herausgegeben Ton der
Berliner Gesellschaft fBr Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte
unter Bedaction Ton
R. Virchow und A. Voss.
Zweiter Jahrg. 1891. i! Verlag von A. ASHBB k Co. in Berlin. Heft 5.
j)ie Hügelgräber von Havemark bei Genthin, Provinz Sachsen.
Nachdem Herr Dr. Weigel in diesen Blättern (Jahrg. 1890, Heft 2, S. 27 ff.)
über die Bügelgräber von HaTemark und über eine Ausgrabung daselbst berichtet
hat, sollen hier die Ergebnisie der seither stattgefundenen Untersuchungen des-
selben Gräberfeldes mitgetheilt werden. Das Gelände ist inzwischen von dem
Königl. Förster Hrn. Forgber aufgenommen und ein jeder der 112 Hügel mit
einer Nummer versehen worden.
Hügel 37. Vier grosse Steine im Viereck. Ausserhalb desselben (auf der
Ostseite) an einem der Steine lag liei einem grösseren, zertrümmerten Geföss ein
Hohlcelt von Bronze, 127, ^^ J^ng; keine Oehse; der Rand, nur wenig ver-
stärkt, hat einen Durchmesser von 27) cm\ von dem Rande bis zur Mitte ist das
Werkzeug rund, die untere Hälfte ist vierkantig und läuft, sich allmählich ver-
Uachend, in eine stumpfe Schneide von nur V\^cm Breite aus; in der Höhlung
des Celts befinden sich noch Holzreste. In einiger Entfernung von dem Gelt ein
kleines Thongefäss aus grobem Material, tassen förmig, 57, cm hoch, oben Vj,, cm
weit, mit einem verhältnissmässig grossen Henkel (letzterer ist verloren).
Hügel 46. Bei einer früheren Untersuchung waren demselben eine Meqge von
Thonscherben, sowie zwei ganz gleichartige Gefasse (Rand-Durchmesser 20 cm,
Boden-Durchmesser 10 Va cn^ Höhe 11 cm) entnommen worden. Nunmehr fanden
sich bei der vollständigen Umkehmng des Hügels nur noch vier Steine am nörd-
lichen Rande desselben, die aber nicht mehr in einer Ebei^ lagen.
Hügel 40 und 41, dicht neben einander gelegen und fast zusammengeflossen.
Gefunden wurden Umenstückchen, darunter solche mit eingestochenen Orna-
menten, Feuersteinsplitter, Theile von Pferdezähnen; femer ein sehr kleines, un-
verziertes und henkelloses Thongefäss, 5,3 cr/i hoch, Rand-T)urchmesser 2,8 cm^
grösster Durchmesser 3,8 cm , Boden-Durchmesser 2 ein ; der nur schwach gewölbte
Bauch geht in der Mitte des Gefasses in c|eit cylindrischen Hals über. Dabei
lagen zwei Ringe aus Bronze: der eine aus 50 mm breitem Bande, in zwei
Spiralen mit 27« cm weiter Oeffnung gewunden (zerbrochen); der andere aus
40 mm breitem Bronzeband, spiralförmig, aber verbogen: Weite der Oeffnung 2 cm.
Ferner wurden Stücke von einem grösseren, leider nicht wieder herzustellenden
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Thongefäss aufgenommen, welche durch ihre intensiv ockerrothe Färbung auf-
fielen, endlich noch ein Reibstein.
Hügel 39. In der Richtung von Süden nach Norden wurden gefunden: zu-
nächst gebrannte Knochen; dabei zwei Ohrringe aus Bronzeblech, mit je einem
Loche, ohne Verzierungen (unvollständig erhalten); weiterhin ein Thongefäss:
Höhe 9 cm^ Rand-Durchmesser 17*/^ cw, grösster Durchmesser 19 cm (7 cm über
dem Boden), Boden-Durchmesser 8 cm; der Boden wird durch einen 1 cm hohen
Fuss gebildet; von da an wölbt sich das Gefass stark nach aussen, der 2 cm hohe,
ein wenig nach innen sich neigende Hals ist geglättet; der ganze Bauch ist mit
dicht neben einander stehenden warzenartigen Erhöhungen verziert, welche diu'ch
Eindrücken der Fingernägel entstanden zu sein scheinen; der gedrungene, weit-
öhrige Henkel hebt sich aus dem unteren Theile des Randes herJius und reicht
bis zur Mitte des Bauches. Eine Halsberge aus Bronze, diademähnlich. Um-
fang 33 ein; in der Mitte am breitesten (4'/^ cm)y wird das Stück nach den Enden
zu schmaler und läuft zuletzt in Tüllen aus, von denen die eine bei der Auf-
flndung des Schmuckes noch vorhanden war, später aber zerbrochen ist. Ver-
zierung: 8 Furchen laufen den etwas hervortretenden Rändern des Stückes parallel,
in die Ränder, sowie in die Grate der Furchen sind eng neben einander Strichelchen
lothrecht eingeschnitten. Eine Armberge aus Bronze: Durchmesser des Ringes
an seiner stärksten Stelle 1 cm, Durchmesser der Ring-Oeffnung 1^/^ cm; die Enden
verlaufen in Spiralscheiben von b^J^cm Durchmesser. Ein massiver, offener Arm-
ring von Bronze mit abgeflachten, abgerundeten Enden, un verziert. Auf einer
Holzunterlage eine Armspirale aus 40 Windungen von Bronzeband, welches
eine zwischen 50 und 60 mm schwankende Breite hat und auf der Oberseite flach
gewölbt ist. Die Enden laufen in Spiralscheiben von 2,3 cm Durchmesser aus;
Weite di^rchschnittlich 6 cm (vielfach verbogen und zerbrochen). In der Mitte
des Hügels fand sich ein grösserer Stein, dabei ein Schädel und Röhren-
knochen, weiterhin nach Norden, nur wenig unter der Oberfläche, die Trümmer
einer nicht wieder herzustellenden Urne, endlich, am Rande, auf dem Grunde von
weissem Sande, Branderde. Ausserdem wurde an einer Stelle ein Reibstein und
ein Sprengstück eines solchen aufgenommen.
Hügel 51 enthielt ausser zerstreuten Umentrümmern ein kleines, tasscn-
förmiges Gefäss: Boden-Durchmesser 3 cmy Höhe 5 cm, Rand-Durchmesser 5*^ cm
(unvollständig erhalten); femer ein Schädelstück und Knochenreste, keine
Steine, kein Metall.
Hügel 22. Ausser Gefässtrümmem, die in massiger Zahl überall zerstieut
waren und unverziert sind, sowie Feuerstein-Splittern, wurden ein Schädelstück
und dünne Röhrenknochen aufgenommen. Femer ein Thongefäss: Höhe
11 cm, Boden-Durchmesser l^f^cm, Rand-Durchmesser Ib^j^cm, grösster Durch-
messer 16*/4 cm; vom Boden aus steigt das Gefäss mit ziemlicher Ausladung bis
zum grössten Kreise auf und geht dann mit sanfter Umbiegung in den Hals über;
kein Henkel, unverziert. Dann ein Thongefäss, ebenfalls unverziert und ohne
Henkel; Boden-Durchmesser 7»/, cm, Rand-Durchmesser Wj^ cm, grösster Durch-
messer 15 Vs cm, Höhe 9 cm; das Gefass erreicht vom Boden an in seiner halben
Höhe den grössten Kreis, biegt dann scharf um und setzt den Hals fast lothrecht auf.
Hügel 21 umschloss, ausser den TrtUnmern von 6 nicht herstellbaren Ge-
fässen, ein stark verletztes, unverziertes Gefäss: Höhe 9^/.^ cm, Rand -Durch-
messer 137j cm, Boden-Durchmesser 8 cm; die Gefasswand steigt vom Boden zum
Rande auf, ohne die Richtung zu ändem. Femer ein fast ganz erhaltenes Gefäss:
Boden-Durchmesser 7 cm, Rand-Durchmesser 18 cm, grösster Durchmesser des
5*
— 68 -
Bauches 20 cm; vom Boden an ladet es stark aus, bis es den grössten Kreis er-
reicht, dann wendet es sich kurz nach innen, um in den Hals überzugehen, dessen
oberer Theil wieder stark nach aussen biegt; als Verzierungen befinden sich am
Bauche drei waagerechte, parallele Furchen und unter diesen sind rings um das
Gefäss herum 1 cm lange, schräge Striche eingekerbt. Dann ein Reibstein,
Knochenreste, und endlich ein Fingerschmuck aus Bronze in Form der
oben beschriebenen Armberge, in Spiralscheiben von P/j cm Durchmesser aus-
laufend (nur eine Scheibe erhalten).
Hügel 26. Eine grössere Anzahl von Steinen von verschiedener Grösse in zwei
Reihen, aber so dicht neben einander gelegen, dass ein Körper nicht Raum da-
zwischen gehabt hätte. Längs der Steine eine Menge Knochenreste. Femer zwei so
verrottete und mit Wurzeln dui*chsetzte Thongefässe, dass sie beim Herausnehmen
zerfielen; nur eines derselben konnte zum Theil wieder zusammengesetzt werden;
Rand-Durchmesser 14 c/w, Boden-Durchmesser etwa T'/a ci*, fast ganz ohne Au»-
, bauchung, ohne Verzierungen.
Hügel 18. 4 Steine im Viereck, Gefässtrümmer, ein paar Stückchen Bronze-
draht, bei einem gänzlich zerstörten Thongefäss 18 Feuersteinsplitter.
Hügel 56 enthielt nur einige un verzierte Gefässtrümmer.
Hügel 57. 3 Steine, geringe Reste von Thongefässen , keine Knochen, kein
Metall.
Hügel 64. In diesem war früher ein aus 47» Spiralen bestehender Ring
von 1 mm starkem Golddraht, Durchmesser P;, cw. Gewicht IVj^i sowie eine
Bernsteinperle gefunden worden. Jetzt wurden bei weiterem und tieferem
Graben noch geringe Knochenreste mit einer Lanzenspitze aus Feuerstein,
Länge 10 cm, grösste Breite 2Yj cm, aufgenommen. Ein zweites Grab mit spär-
lichen Knochenresten war durch drei grosse, in einer Linie von Osten nach Westen
gesetzte Steine und einen vierten, ganz seitwärts liegenden Stein bezeichnet. Bei
dem mittelsten der 3 Steine lag ein Bronzecelt mit hellgrtiner, sehr mürber
Patina: Länge ISy^ cm, Breite in der Mitte 2*/^ cm, der Schneide 374 cm: die
Schaftrinne in der Mitte 6 mm tief, die Ränder derselben aufrecht stehend; der
Bogen der Schneide ist auf der einen Seite mehr eingezogen, als auf der anderen;
in der Schaftrinne waren noch Reste des Holzes. Ebenfalls noch mit dem Holze
versehen war ein bei dem Gelt liegender Bronzestift (Pfriemen?), fast 4 rm
lang, die untere, an dem Holze sitzende Hälfte vierkantig, die obere rund. In der
Nähe desselben fanden sich zwei Pfeilspitzen aus Feuerstein: die eine 2,3 cm
lang, an der breitesten Stelle 1,2 cm breit; von der anderen, 1 wir« schmäleren, ist
die Spitze abgebrochen.
Hügel 38. Auf der Südseite fand sich eine grosse, unverzierte Urne, welche
aber so verwittert war, dass die Theile derselben nicht wieder znsammengesetst
werden können. Inhalt: Knochen und ein verbogenes Stück Bronzedraht von
3 mm Stärke, welches am Ende zu einer kleinen Spiralscheibe gewanden ist
Gegen die Mitte des Hügels hin wurden Theile von einem zweiten Thongeftlss
aufgenommen. In der Mitte selbst lag auf dem gewachsenen Boden eine Schicht
Branderde mit Knochen, aber keine Spur von einem Gefäss oder Metall.
Rektor Müller in Genthin.
Die Gräberfelder von Schermen, Kreis Jerichow I, Provinz Sachsen.
Etwa 1 */, km östlich von Schermen liegen zwei Gräberfelder, das eine auf
dem sogenannten Eckerberge, einer langgestreckten, niedrigen, theil weise sandigen.
— 09 —
theilweise mit einer Kiefernschonung bestandenen Erhebung, das andere auf einem
benachbarten, in südlicher Richtung davon gelegenen, namenlosen Hügel ähnlicher
Formation, dicht am Wege nach Grabe w. Das erstere gehört der vor römischen
Eisenzeit an.
Ich fand hier nur eine einzige, total zerbrochene Urne, die ohne irgend eine
Steinsetzung etwa 2 Fuss tief unter der Erdoberfläche stand. Zwischen den vom
Leichenbrand übrig gebliebenen Knochen lagen als Beigaben: eine 14,4 cm lange,
eiserne Nadel mit doppelkonischem Kopf und kleinen Einkerbungen unter dem-
selben; eine zweite Nadel, ebenso von Eisen, mit einer kleinen Einbiegung unter
dem angenieteten, scheibenförmigen Bronzekopf, unten defect; sowie verschiedene,
zum Theil beim Leichenbrand angeschmolzene Bruchstü^e von Bronze und Eisen.
Von dieser selben Localität bekam ich durch Hm. Förster Wagner in Schermen
noch zwei vollständige Grabfunde, zwei gut erhaltene Urnen mit je einem Bei-
gefäss, als Geschenk für das Königl. Museum:
Erstlich eine flache Urne aus braunem Thon, 1 1 ,2 cm hoch, 20,2 cm im grössten
Durchmesser haltend; der sehr weite, etwas abgesetzte Hals und ein etwa einen
Finger breiter Streifen unten um die Standfläche hemm sind glatt, der übrige
Theil der Aussenfläche ist künstlich rauh gemacht; zwischen dem Halse und der
grössten Ausbauchung befinden sich anstatt der Henkel kleine doppelknopfartige
Ansätze. — In der Urne lag zwischen den Knochen als Beigefass ein kleiner, roh
gearbeiteter Napf aus grauem Thon, ein kleiner, einfacher Gürtelhaken, sowie
mehrere verrostete Fragmente von Eisen.
Die zweite Urne, ebenfalls aus braunem Thon, ist bedeutend grösser und
höher, in der Mitte ausgebaucht, fein geglättet, ohu^ Ornamente und Henkel, 27 cm
hoch, 29 cm im grössten Durchmesser. In derselben stand ein kleines, einhenk-
liges BeigePäss, 7,2 cm hoch, 13,3 cm im grössten Durchmesser. Metall-Beigaben
fanden sich in diesem Grabe nicht. —
Bedeutend ergiebiger, als auf dem ersten Gräberfelde von Schermen, waren die
Ausgrabungen auf dem etwa 10 Minuten südlich davon gelegenen zweiten, welches
der Zeit der Völkerwanderungen, etwa dem 4. bis 5. Jahrhundert nach Chr.,
der letzten germanischen Periode in diesen Gegenden vor der slavischen Invasion,
angehört.
Es wurden hier von mir und dann von Hrn. Förster Wagner, der in eifrigster
Weise meine Arbeiten fortsetzte, im Ganzen etwa 40 Gräber aufgedeckt, die, mit
wenigen Ausnahmen, gut erhaltene Urnen enthielten. Diese standen alle sehr flach,
durchschnittlich vielleicht nur 30 - 50 cm unter der Oberfläche des sandigen Hügels,
manche noch flacher, eine sah sogar mit ihrem Rande oben aus der Erde heraus.
Steinsetzungen fehlten vollkommen, ebenso auch Beigefässe, wie es für diese Gegend
und während dieser Periode üblich gewesen ist. Was die Form der Urnen an-
betrifft, so zeigten die meisten die für diese späte Zeit besonders typische, überall
wiederkehrende Schalenform mit einer sehr kleinen Standfläche, einer für die
geringe Höhe ziemlich starken Ausbauchung und einem etwas ausladenden Rande.
— 70 —
Vier Urnen repräsentiren den zweiten, weniger häufigen Typus dieser Zeit, eine
etwas höhere Form, eine schwächere und mehr nach oben liegende Ausbauchung
und einen etwas nach innen eingezogenen Rand. Mehrere sind mit ganz flachen,
horizontalen Furchen über der Ausbauchung verziert; eine Urne zeigt ein aus ein-
geritzten Linien bestehendes Zickzackmuster, eine andere Nageleindrücke; die
meisten sind jedoch ohne Ornamente und stellen so, im Gegensatz zu einigen alt-
märkischen Gräberfeldern, wo einzelne Urnen dieser Zeit vollständig mit den ver-
schiedensten Ornamenten bedeckt sind, die einfachsten und schmucldosesten Typen
dieser keramischen Periode dar. Ein einziges kleines Gefäss ist mit einem Henkel
versehen gewesen, während alle übrigen Urnen, dem gewöhnlichen Typus ent-
sprechend, henkellos sin4
Auffällig ist der fast vollständige Mangel an Beigaben.
Eine ganz defecte, kleine, beim Leichenbrand angeschmolzene
Armbrustfibel mit breitem, bandartigem Bügel ist das einzig
Stück, das in den etwa 40 Gräbern gefunden wurde; selbst die
sonst so häufigen kleinen Knochengeräthe und die Harz-
stückchen fehlten, welche letztere fast in jeder Urne auf den
altmärkischen Gräberfeldern dieser Zeit zu finden sind.
Wichtig ist dieses zweite Gräberfeld besonders in topographischer Beziehung,
denn es dürfte wohl ziemlich der südlichste Punkt sein, wo dieser eigenthümliche
Urnentypus, den man mit grosser Wahrscheinlichkeit den Langobarden zugewiesen
hat, bisher vorgekommen ist. M. Weigel.
Brandgrube von Bruchhausen bei Heidelberg.
Ungefähr eine Stunde südwestlich von Heidelberg und 1 km nördlich von dem
Hofe Bruchhausen liegt dicht an der alten Speyrer Strasse eine grosse Kiesgrube.
Am östlichen Rande derselben befindet sich noch der angeschnittene und im
Profil aufgeschlossene Ueberrest einer alten Brandgrabe, deren Haupttheil bereits
bei der Ausnutzung der Riesgrube .mit abgebaut worden ist
Diese Brandgrube, die ich im Verein mit dem hiesigen Landes -Geologen
Dr. A. Sauer untersucht habe, erstreckt sich bis etwa 1,5 m unter der natürlichen
Oberfläche und zeigt in ihrem heute noch erhaltenen Reste eine Breite von etwa
3,5 m. Die Cultur- und Brandschicht am Boden derselben, die sofort durch ihre
schwarze Färbung inmitten des umgebenden hellen Kieses auffällt, hat eine Höhe
von 25 cm und besteht, abgesehen von Kies und Erde, aus Holzkohlenstückcben^
Topfscherben, Knochenresten, gebrannten Thonstücken und Stücken von Basali-
lava. Dil, wo die Brandschicht mit dem umgebenden und unterlagemden Riese
in Berührung steht, erscheint der letztere, in Folge längerer Brandeinwirkung, wie
versintert, so dass er am Grunde der Brandschicht sich schalenförmig absondern
lässt. —
Was den Culturinhalt der Grube betrifft, so sind die Topfscherben aus
sehr rohem, sandhaltigem, unglasirtem Material, ohne Hülfe der Töpferschetbc
hergestellt, jegliche Verzierung fehlt, . — kurz, keramische Erzeugnisse der aller-
urwüchsigsten Art.
Die Knochenreste sind nicht häufig; wenigstens nicht in dem erhaltenen
Theilc der Brandgrube. Unter denselben fand sich der Splitter einer Rippe von
pfriemenförmiger Gestalt. Ob künstliches Erzeugniss oder nur zufällig so geformt«
lasse ich dahingestellt.
-^ 71 -
Der roth gebrannte Thon kommt häufig in kleineren und grösseren
Stücken in der Brandschicht vor. Der Stoff zu demselben stammt nicht von Ort
und Stelle, sondern wohl aus dem Löss der eine halbe Stunde entfernten Orte
Rohrbach oder Leimen, wie eine gut erhaltene Lössschnecke (Pupa) in einem der
gebrannten Stücke beweist.
Am auffallendsten ist das Vorkommen von Stücken von Basaltlava in der
Culturschicht der Brandgrube. Dieselben wurden von Hrn. Dr. Sauer auf den
ersten Blick als von Nieder-Mendig bei Andernach stammend, an ihrem charak-
teristischen Gepräge erkannt und ein DünnschlifiT bestätigte diese Ansicht voll-
ständig. Dieser Fund hier in der Rheinebene, wo weit und breit derartiges
Material nicht vorkommt, muss überraschen. An eine spätere Verschleppung ist
nicht zu denken, da wir die Lavastücke mitten aus der ursprünglichen Lagerung
zwischen den Topfscherben, Knochen, Kohlen u. a. w. entnahmen.
Bs fragt sich nun, wie kommt diese Lava vom unteren Rhein hierher in die
pfälzische Brandgrube, wo sie sich inmitten von Gegenständen fand, die auf einen
niedrigen Cnlturgrad hinweisen? Ich glaube hier an die Römer denken zu dürfen,
deren Strassen die hiesige Gegend durchzogen und die auch bereits die Lava-
brüche von Nieder-Mendig zur Herstellung von Mühlsteinen benutzt haben sollen.
Lupodunum (heute Ladenburg), die Römerstation am Neckar, liegt etwa 12 km
nördlich von der in Rede stehenden Brandgrube.
Ohne den Fund der Basaltlava, der auf die Römer deutet, würde dem Inhalte
nach die Brandgrube wohl als älter gedeutet worden sein. So müssen wir sie
aber wohl in die Römerzeit setzen. Dr. R. Andrec,' Heidelberg.
Gussformen von Falkenberg, Kreis BeesKow-Storkow, Provinz
Brandenburg.
Die geringe Zahl von Gussformen aus der älteren Metallzeit im nördlichen
Deutschland ist kürzlich um zwei interessante Stücke vermehrt worden, welche
durch die Güte des Hm. Rechtsanwalt Fr. Remling in Berlin in das Köuigl.
Museum gelangten. Beide Stücke, die bei Falkenbei-g, Kreis Beeskovv-Storkow,
auf einem Grüberfclde der Hallstätter Zeit gefunden sind, gehören zusammen,
passen auf einander und bilden die beiden Hälften einer für einen Hohlcelt be-
stimmten FornL Die grösste Länge beträgt 16, die grösste Breite 7 cm. Der zu
giessende Gelt würde von der Tülle bis zur Schneide eine Länge von 11,6 cm be-
sitzen. Es ist eine ziemlich gewöhnliche Form der Hohlcelte mit starker Mittel-
rippe und zwei seitlichen, längslaufenden Rippen, kleinem Oehr und etwas ver-
breiteter Schneide.
Ausser dieser Hohlcelt - Form sind an beiden Hälften an den übrigen
Seiten noch drei andere kleinere Gussformen angebracht, über deren Zweck ich
nicht ganz sicher bin. Die eine (Fig. 1) ist zweimal, auf jeder Gussform-Hälftc
einmal, vertreten und zeigt einen etwa 2 cm Durchmesser im Lichten haltenden eiri-
gefurchten Kreis, von dem nach einer Seite hin zwei ebenso flache, schmale
Furchen ausgehen. Es ist vielleicht das Ende eines MessergrifTes.
Die andere Form (Fig. 2), die nur einmal vertreten ist, macht etwa den Ein-
druck eines Doms von einer Brillen-Fibel. Sie zeigt an einem Ende zwei etwas
un regelmässige, ziemlich tief eingefurchte Kreise, von denen der eine offen ist,
und, davon ausgehend, eine lange, gerade, tiefe Furche.
— 72 —
Figur 2.
Figur 1.
74
V4
Das wichtigste an dem ganzen Funde
ist das Material : während die meisten übrigen
Gussformen aus Bronze oder Stein bestehen,
sind diese aus einem ziemlich hartgebrannten,
bräunlichen Thon hergestellt, und zwar, was
mir am interessantesten ist, aus einem ganz
anderen Thon, als er sonst hier zu Lande in
der Mark an prähistorischen Thongefassen
vorkommt. Er ist nehmlich stark glimmer-
haltig, wie er z. B. an Gefossen aus Mähren,
Böhmen und Ungarn bekannt ist
Damit soll nicht gesagt sein, dass die
Form gerade aus einem dieser Länder
stammen müsste; auf jeden Fall stammt sie
aber nicht aus der Mark. Und somit ist dieser
Fund ein neuer Beweis, dass man aus dem
vereinzelten Vorkommen von Gussformen
keineswegs auf ,eine wirklich einheimische
Bronzetechnik schliessen darf, und das«
diese vereinzelten Gussformen ebenso gut,
wie die zahllosen Bronzen, aus weit ent-
legenen Culturländern des Südens importirt
sein können.
M. Weigel.
Das
bei Rusdorf, Kreis Crossen a. d. 0.
Südlich von Grossen sind die Ueberfluthungsgebiete der Oder und des Bober
durch eine langgestreckte Höhe von einander geschieden, die sich in den rechten
Winkel hineinschiebt, den beide Flüsse bilden. Der Nordrand geht in einem Ab-
stände von 3,5 km der Oder, der Westrand in einer Ehitfernung von 1 — 2 km dem
Bober parallel. Wie die Bodenschichten andeuten, ist diese Erhebung wohl da-
dm'ch aufgehöht worden, dass die Flüsse durch ihren Wogenanprall auf einer
vielleicht schon vorhandenen Bank beiderseits Sand abschlugen. Noch jetzt er-
reichen bei Hochwasser Oder und Bober den Fuss des Plateaus. Auf der West-
seite treten einzelne Halbinseln heraus : die nördlichste unter ihnen, ein verhältniss-
mässig schmaler Streifen, welcher nach der Ecke zwischen den Flüssen hin in
eine Spitze ausläuft, ist von der Stadt Crossen 3,5 km in südlicher Richtung ent-
fernt und gehört zur Feldmark von Rusdorf. Im Volksmunde wird diese Berg-
lehne die Schwedenschanze genannt, während diese Bezeichnung im engeren
Sinne dem Walle gilt, der das sogenannte Pulverhäuschen umgiebi Auf jener
halbinselartigen Höhe befindet sich ein Gräberfeld, dessen Aufschliessung bereits
um 1860 begonnen hat; beim Abfahren des Sandes zu einer wasserfreien Ver-
bindung des dichtbenaehibarten Dorfes Alt-Rehfeld mit der Boberbrücke ist die
Fundstätte von Neuem ausgebeutet worden. Während früher ein nach Südwesten
gerichteter Durchstich hergestellt wurde, erfolgt jetzt die Abtragung an der nordöst-
lichen Seite, und zwar meist in der Art, dass durch Untergrabung einzelne
Schichten abgesprengt werden. Hierbei wird ein anschaulicher Durchschnitt der
/
- 73 —
Gräber sichtbar, doch ist nicht zu verhüten, dus ein Theil der GefÜssc, namentlich
die ^Bseren, in dem abrollenden Boden Schaden leidet. *I)ic ülteren Funde sind
zersplittert worden: einige befinden sich im Besitz des historischen Vereins zu
Frankfurt a. d. 0. (Verhandl. d. Berliner Gcsellsch. f. Anthropologie, 187C. S. 218),
andere im ^rmanischen Museum zu Nürnberg (Katalog der vorgeschichtlichen
Denkmäler in demselben, 8. ti5, Nrn. 5080—5091, 509*) 5121); eine kleinere Zahl
ist vor einigen Jahren der Gubener Gymnasial Sammlung geschenkt worden (Ver-
handlungen 1887, S. 406).
Die Gräber liegen nur '/> "< tief, in gelbem Sande; sie sind nicht selten durch
unbehanenc, rundliche und längliche Feldsteine von 30 — 50 im Durchmesser ge-
deckt und seitlich abgegrenzt. Die Regel ist ein geordneter Steinsatz nicht; bei
einer grossen, ohne jedes Beigetäss eingesetzten Leichenurnc warmer -besonders
dicht; in Fällen, wo zahlreiche Töprchen mitgegeben sind, fehlt er bhweilen
gänzlich. Eine Gmtt war dick mit Lehm ausgeschlagen. Die Zahl der Beigetässe
betrügt oft 12—14. Dagegen ist Metall überaus spärMch.
Die Leichenurnen haben, soweit sie erbalten sind, die Form ungegliedert
sich erweiternder, unter dem Bande ein wenig eingebogener Töpfe; bei dem
grössten Exemplare, von 26 cm Höhe mit 27 cm weiter OefTnung, treten 10 rni
unter dieser zwei zapfenartige Knöpfe heraus; bei etwas kleineren ist ein Wulst
angelegt oder durch Herabstreichen des Thons hergestellt: er ist entweder durch
Fi ngcreind rücke knöpfchen artig gegliedert, oder er verbreitert sich durch Jlache
lÜindrücke, in regelmässigen Abständen, zu ringiirtigen, kleinen Scheiben. Bin
Gcfuss hat annähernd die Form einer Terrine, doch ist der obere Theil minder
stark eingewölbt, der tlals kurz und fast senkrecht aufgerichtet (Höhe 19, grösstc
Weite 24, Boden 8, obere OefTnung 14,5««): über Äwei Furchen sind vier Mal
concentrische Halbkreise mit einem Tnpfeneindruck in der Mitte eingeprägt.
Die Beigaben bestehen zumeist in Schales, ttieib henkekosen, theils mit
kreisförmigem Henkel, der sich oft von einem kantigtn Grat aus beiderseits ab-
dacht; alle hoben eine kleine Bodenerhebung. Dazu kommen Näpfe, bei welchen
sich die Seitenwand kantig vom Boden absetzt, und kleine Teller mit einwärts
übergelegtem Kunde, der spiraügc Streifen oder korze Querstriche, zwischen ihnen,
bisweilen in gleichmässiger Vcrtheilung, flache, breite Eindrücke zeigt.
Die Tassen sind zum Theil niedrig und etwas ungeschickt gearbeitet, zum
Theil von gefälliger Form, mitunter verziert: an einem Exemplar ziehen sich unter
dem Henkel einerseits und andererseits wenig vom
Boden entfernt, waagerechte, dreifache Strich-
gruppen hin, die durch aus einander gerichtete, mit
den Enden nicht unmittelbar zusammenstossende,
kurze, schräge Liniensysteme verbunden sind(Fig. 1),
— eine Verzierung, welche an die in den citirten
Verhandlungen 1884, S. 572 und 1890, 8. 488 be-
schriebene von Friedlaud i. L. und Giesensdorf,
Kreis Beeskow, erinnert.
Besonders zahlreich sind kleine, gehenkelte ,,
Gefasschen von Dacher Topf- und Kännchen-
form erhalten, verziert mit kurzen, senkrechten Fnrc{)&n. Die den I^eichen-
behältem gleichenden, ungegliedert aufsteigenden BeigeTusse von 8—12 im Höhe
zeigen einen oder zwei waagerecht umlaufende Kreise von Xagelkerben (vergl.
Fig. 4), von denen aus nicht selten senkrechte Reihen (in einem Falle deren 10,
in einem anderen 20) gleichartiger Eindrücke sich zum Boden herabziehen. Minder
— 74 —
zahlreich sind mittelgroiise, terrinenförmige Gefässe mit Ochsen, die bisweilen
senkrechte Striche auf der Anabauchung tragen; gewöhnlich umziehen sie waage-
rechte Farchen and Kehlstreifen: zwischen diese sind in einem Falle schnlgi;.
kurze Linie nsysteme von wechselnder Richtung eingezeichnet, die nn mittel biir an
einander geschoben sind. Mehr zusammengesetzt ist die Veraemng bei zwei Ge-
ßtssen derselben Form. Bei einem von 12 cm Höhe mit zwei kräftigen Oehsen
(Fig. i) sind der weitesten Ausbauchung 5, bezw. Ü KehlBtreifcn eingestrichen,
welche unter den Oehaon und in der Mitte zwischen diesen durch 3—4 um einen
Figur 3.
V. V.
Fingertupf concentrisch gezogene hu feisen förmige Eindrucke unterbrochen sind.
Ueber der Zone der Kehlstreifen sind nur (i mm hohe Dreiecke eingvkritzelt, doch
ist diese Zeichnung in der Mitte zwischen den Oehsen tiber dem Hufeisen unter-
brochen und durch ftinf, bezw. sechs etwa linsengrosse, flache Tupfen ersetzt. Hei
dem zweiten Gefiissc von 10 (tn Höhe (Fig. 3) ist in den conceatrischen Einzeich-
nungen die äusaerste Rippe durch feine Funkteinstiche in aufHilliger Weise rer-
ziert (vergl. die Abbildung eines Gefaases von Weissig (am Rober) in den citirien
Verhandlungen 188(i, S. ti.")7, Fig. 10, und schlesische Funde); die kleinen Dreiecke
sind hier nicht unmittelbar an einander stossend, und mit der Spitze nach unten
^richtet, an die Furche angchüngt, welche die Keblstreifenzone oben in der Höh«'
der Oehsen begrenzt; diese kleinen Dreiecke von (> mm Höhe sind mit feinen
Parallelstrichen Husgefüllt.
Durch die Verzierungsmuster scbliesst sich die Fundalelle der in den citirten
Verhandlungen wiederholt (1889, S. 223 und 1890, S. 4S0) berührten Gruppe von
Gräberfeldern an, deren Gefiisse dem Niederlausitzer Typus nahe verwandt ond
einerseits durch die eingeritzten Strichmuster und die Panklreihen, undererscils
durch Nugeleindrücke charakterisirt sind. Diese Gruppe erstreckt sich vom Bober
uns bis über die Spree, vorläufig bis Qiesensdorf und, wie die jüngsten Funde be-
wiesen haben, bis Falkenberg bei Beeskow-
Unter den Beigaben des Rusdorfer Feldes fehlen Flüschchen und gelheilte
Oefässe, dagegen haben sich sogenannte Räuchergefüsse von mittlerer Grüsie
gefunden. Der glockenrormige Fuss des einen hat Fenster in Gestalt senkrecht
gestellter Ellipsen; der Teller ist geschlosson und hat glatten Rund. Das zweite
hatte nach der Beschreibung eine centrale ücffnung.
Von seltneren Beigaben ist eine gmssere TiegcUcbalc von 20 m Durch-
messer zu erwähnen, die flach ausgelegteu Rund und 4 FCsse baU« und im
Ganzen dem Exemplar von Sellussen, Kreis Spremberg, glich (vergl. d. ciL Verh
— 75 —
1887, 8.461). Endlich ist als ein recht seltenes Stück ein kleines tischartiges
Qerüth zu erwähnen, das aas einem Thonbrett oder einer sehr fluchen Schale
und einem stempelartigen, unten ver-
breiterten Fuaac ron 3 cm Höhe bo- F'P" *■
Bteht (Fig. 4). Die Einwölbung der
Platte TOn II ei« Darchmesser betrügt
in der Mitte nur 1 cm. Ein Seiten-
stUck BUS der Provinz Poaen befindet
sich im Königl. Uusenm liir Völker-
kunde zu Berlin, eines mit tiefer
ausgerundeler Schale von Polgsen,
Kreis Wohlnu (siehe Abbildung in
BüBching,DieheidnischenAJterthUmer i/^
Schlesiens, Heft 3, 1823, Taf. 6, Fig. i)
im Provincial-Hnseum zu Breslau. Das Rusdorfer Exemplar war wie ein Deckel
in ein mit zwei Reihen von Nngelkerben verziertes, schlankes, tasscnnrtigcs Oelass
eingestellt.
Im Ganzen sind 60—70 Gegenstände aus Thon aufbewahrt worden. Von
Metall ist ein kleiner, olTener, nach den beiden Enden hin abgeplatteter Bronze-
ring von unregel massiger Fonn (Durchmesser im Lichten 1 cm) erhallen, femer
zwei Theile eines spiralig gewundenen, bronzenen Nadelschaftes oder grösseren
Ringes von 3 mm Stärke, endlich eine 1:2,5 em lange Bronzenadel mit fast halb-
kageligem Kopf von 8 mm Durchmesser. Als besonders interessant ist schliesslich
ein Gongloroerat verkohlter Hülsenfrüchte (Hirse oder Linsen) zu erwähnen,
das im Aussehen denjenigen Resten ähnelt, die im heiligen Lande bei Niemitzsch,
Ki-eis Guben, in einem terrinenartigen Geßisse gefunden sind (Vcrhandl. 1887,
S. .WS), H. Jentsch.
AlamannisGhe Gräber an der oberen Donau.
(Vei^l. diese Nachrichten 1890, S. 54.)
Der rUhrigp historische Verein von Dillingen setzte im heurigen Sommer die
früher begonnenen Arbeiten fort. Auf dem Gräberfelde bei Qandelfingcn wurden
vier Gräber geöffnet. Im ersten lag ein männliches Skelet mit eingeschlagenem
(?) Hinterkopfe, über dem Schoosse zusaroroengelegtcn Armeu und nach aussen ge-
krümmten Händen; an Beigaben fanden sich eine Spatha und ein Sax, von der linken
Hand umklammert, ein Dolchmesser, eine Lanzenspitze und Feuersleinspliltcr,
Riemenzungen and Schliessen von Eisen und Bronze. Im zweiten ein Skelet ohne
jede Beigabe; im dritten ein auf dem Bauche liegendes Skelet mit kleinen Eiscn-
stUcken; im vierten ein Mädchcnsketet mit einem Messer und einer Schnalle von
Eisen. Die Schädel werden als dolichoccphal bezeichnet, die Leichen waren
orientirt.
Im vorigen Jahre wurden auf dem Gräberfelde bei Schretzheim 7 Gräber
geölTnet, in diesem Jahre die doppelte Anzahl. Beim Ausheben des ersten zeigte
sich neben der Fläche des eigentlichen Grabes ein Halbkreis schwarzer, mit Thon-
scherben verschiedener Färbung, Kohlen und Thierknochen vermischter Erde, der
mit dem olfenen Durchmesser an die Seite des Grabes links ansticss und auf dem
gewachsenen Lehm aufsass; vcrmoihlich wurde auf diesem Halbkreise das Todteu-
mahl bereitet und verzehrt. An der linken Seite des dolichoccphalen Skcicts lag
— 76 —
eine Spatha (1,02 m lang), von deren hölzerner Scheide noch die 2iierknöpfe
aus Bronze erhalten waren; gefunden wurden ferner eine Gtirtelschnalle und
-Zunge aus Bronze, ein eiserner Schildbuckel mit cylindrischer Wandung und
kegelförmiger Spitze, ein Bronzering, eine Tjanzenspitze und eine Scheere, ein
weissbcinemer Kammhalter mit zwei Rammen, oben mit einem Eisenring zum
Aufhängen versehe^ und auf das zierlichste ornamentirt. — Das nächste, nur durch
eine Lehmwand von 1 dem Dicke getrennte Grab enthielt das treue Ross des
Kriegers, neben dem es gezäumt und gesattelt bestattet worden war; es war von
einer kleinen Rasse und ohne Hufbeschläge. Dabei fanden sich die sehr gut er-
haltene Trense und verschiedene Zierden des Sattel- und 2^umzeuge8 aus Bronze.
Mit Bezug auf die Angaben Lindenschmit's (Handbuch der deutschen Alter-
thumskunde) sei hier eingeschaltet, dass beerdigte Pferde im (ranzen immer eine
Seltenheit sind und bis jetzt nur bei Grabstätten entdeckt wurden, welche sich
auch sonst durch reiche Waffen oder Schmuck auszeichnen. Auf den Grabfeldcm
zu Nordendorf (bei Augsburg) und Ulm wurden vier Pferde gefunden, vereinzelte
zu Fridolfing (bei Laufen an der Sulzach) und Selzen (in Hessen); bei Beckum
(in Westfalen) dagegen in 77 Gräbern 14 Pferde-Skelette. Hufeisen kamen über-
haupt noch niemals zum Vorschein. — Das dritte, vierte, fünfte und sechste Grab
bargen Kinderleichen, wovon zwei ohne Beigaben, während bei der dritten eine
Urne und eine eiserne Gürtelschnalle, bei der vierten ebenfalls eine Gürtelschnalle
von Eisen und ein Beinkamm mit zwei Zahnreihen sich fanden. — Reichere Beute
ergaben die nächsten Gräber. Im siebenten lag ein dolichocephaler Krieger, bei
welchem eine blattförmige Lanzenspitze, eine Spatha (am rechten Arme) mit Schnalle
und Riemenzunge vom Bandelier, ein Messer (an der rechten Hüfte) und ein sehr
gut erhaltener Schildbuckel in Gestalt eines Kugelsegmentes mit Griftspaiige ge-
funden wurden; aus der Lage der letzteren gelang es, Standort, Form und Grösj»e
des Schildes zu bestimmen. Der Schild war oval, 1,4 m hoch und 0,85 w breit,
stand hinter dem Kopfe auf der Grabsohle auf und lehnte an der anderen Wand
des Grabes an. — Das achte Grab enthielt ein Frauenskelet mit einer Halskette ans
grünen, rothen und gelben Thonperlen, einer eisernen Gürtelschnalle an der Hüfte,
zwischen den Knien eine grosse Bernstein- und eine grosse Thonperle. — Im neunten
Grabe lag ein Kind mit einer Perlenhalskette aus Thon, buntem Glasschmelz, mit
Schmelzwerk überzogener Thonmasse, Bernstein und kleinen Bronzeplatten, einem
Messer nebst Beschlägeresten der Scheide aus Bronzeblech und zwei Eisenringen. —
Das 10. Grab barg das Skelet eines Greises, am Kopfe lag ein Feuersteinsplitter,
auf der rechten Brustseite ein Sax, von dessen Holzscheide noch Spuren und das
Eisenbeschläg mit zwei Bronzeknöpfen gehoben wurden. Femer wurden geftinden
das Gürtelbeschläge mit Schnalle und Riemenzunge, zwischen den Beinen eine
mit fensterartigen Stempeleindrücken gezierte Urne, neben derselben 7 Pfeilspitzen
(2 blatt-, 3 i*auteniormige, 3 mit Widerhaken) und unterhalb der letzteren zwei
Elisenringe, wobei an den einen drei, an den anderen zwei Eisenzungen ange-
schmiedet sind, die ihrerseits wieder Nieten zum Befestigen von Lederheinen
tragen: der obere Theil des Köchers. — Im 11. Grabe lag das Skelet einer Hirsch-
kuh; im 12. ein kleiner Mann (Skelet nur 1,42 m lang) nebst einem Sax^ dessen
Scheide 2 Bronzeknöpfe zierten, und 5 Pfeilspitzen (3 blatt-, 1 rautenförmige, 1 mit
Widerhaken); am linken Fersenbein haftete ein eiserner Sporn mit einem nur
wenig aus dem Bügel hervortretenden Stachel, — ein sehr bemerkenswerther und
seltener Fund, da in Bayern bisher auf den Grabfeldem von Nordendorf und
Fridolfing, in giinz Frankreich nur je ein einziger Sporn gefunden wurde. — In dm
beiden folgenden Gräbern (13 und 14) zeigte sich eine bisher noch nicht tnjob-
— 77 —
achtete Thatsache. Bei sorgsamer Aushebung der gemischten Erde erschienen
nehmlich die Wände an rieten Stellen wie geweisst, manchmal noch dazu mit einer
dünnen Ranchschicht überzogen, woraus der Schluss zu ziehen ist, dass sie mit
dickflüssigem Rnlkwasser besprengt und dieser Ralküberzug durch Feuer getrocknet
wurde. In Grab 13 lag ein männliches Skelet mit Spatha, Gürtelbeschlag und zu Füssen
eine zerbrochene Urne. — Das 14. Grab ist besonders bemerkeoswerth. Vor allem
zeigte sich an demselben die nehmliche links anliegende halbkreisförmige Brand-
stätte, wie bei Grab Nr. 1, und in demselben als Nachbestattung das gut erhaltene
Skelet eines jungen Mannes ohne alle Beigabe. Was Lindenschmidt vom Grab-
felde bei Selzen über die Einrichtung der Brandstätte berichtet, gelang hier eben-
falls festzustellen. Nachdem aus der Grube alle gemischte Erde bis auf den Lehm
abgehoben war, zeigte dieselbe nehmlich eine amphitheatralische Gestalt mit vier
Ringen oder Stufen; von der dritten zur vierten Stufe führte überdiess noch eine
kleine Treppe in der Mitte des Halbkreises. Die Stufen sind 0,37, 0,16, 0,33,
0,52 m hoch und 0,4, 0,45, 0,23, 0,23 m breit; die Treppe ist 0,16 m hoch. Be-
stattet war in diesem Grabe eine Frauenleiche mit einer Halskette von 65 Thon-
und Bernstein-Perlen der verschiedensten Farben, zwei bemalten Perlen aus Thon
und Glas am rechten Oberarm, einer eisernen Schnalle auf der rechten H^fte; auf
der Bronzeschliesse der Halskette lag eine Scheibenfibel, einen achteckigen Stern
darstellend, dessen Strahlen aus amethystfarbigen Glasscheibchen gebildet waren. —
Die bis jetzt geöffneten 21 Gräber des vermuthlich eine grosse Ausdehnung be-
sitzenden Grabfeldes enthielten sonach die Skelette von 10 Männern (7 mit, 3 ohne
Beigaben), 5 Frauen (mit Beigaben), 5 Kindern (3 mit, 2 ohne Beigaben), l Pferd
und 1 Hirschkuh. Die Tiefe der Gräber wechselte zwischen 1 und 2 m ; die Grösse
der männlichen Skelette in den heuer aufgedeckten Gräbern betrug 1 ,84 m^ 1 ,6 t//,
1,8 m, 1,42 fw, 1,4 m, 1,75 iw; jene eines weiblichen 1,65 w. Die ausserordentliche
Sorgfalt und scharfe Beobachtung, welche Hr. Alumnus Dum er den Arbeiten zu-
wandte und welchen allein die Constatining der vielen äusserst wichtigen Einzel-
heiten zu verdanken ist, verdient besondere Anerkennung.
Hauptmann H. Arnold, München.
(Allgemeine Zeitung, München, Beilage Nr. 273. 1891, 2 Oct.)
Die archäologische Landesaufhahme in Württemberg.
Während Stein um Stein und Stück um Stück aus der altei» Onlturzeit unseres
Landes in den Sammlungen sich anhäuft, schwinden die dem Auge erkennbaren
baulichen Reste aus dem Alterthum immer mehr dahin. In wenigen Jahrzehnten
werden von solchen ehrwürdigen Denkmalen fast keine mehr vorhanden sein, und
zwar in Folge der Einwirkung der Zeit und der Menschenhand, insbesondere da nun-
mehr bei der seit 3 Jahren begonnenen Pelderbereinigung eine Menge von Erhöhungen
und Vertiefungen des Bodens, damit zugleich aber auch ein grosser Theil von
Ringwällen, Grabhügeln, Trichtergruben u. s. w. eingeebnet werden. Der Schaden,
den die Wissenschaft, speciell die Erforschung unserer ältesten Heimathgeschichte,
hierdurch erleidet, ist um so grösser, als mit diesen Alterthumsdenkmalen nicht
nur deren Standorte unkenntlich werden, sondern damit zugleich auch, wie bei
uneröffneten Grabhtigeln, eine Menge des werthvollsten wissenschaftlichen Materials
an altem Schmuck, Waffen und Geräthen verloren gebt. Das einzige Mittel zur
Abwendung dieser Verluste ist die baldigste und genaueste Aufnahme jedes noch
— 78 —
sichtbaren Bestes von altertbiUnlichen Anlagen und deren pünktliche Kinzeichnang'
in die Rat asterkarten. Dieselben sind hierzu yortrefflich geeignet, da sie im
Druck vervielfältigt sind und bei ihrem grossen Maassstab von 1 : 2500 selbst
kleinere Objekte, wie z. B. römische Denksteine, deutlich angegeben werden könDon,
umfangreichere aber, wie z. B. Grabhügel, in einer Grösse von mindestens 3 inm
Durchmesser erscheinen. Von besonderer ^Wichtigkeit ist femer, dass bei diesem
Maassstab sich jeder archäologische Punkt so genau bestimmen lässt, dass seine Lage,
wenn seine äussere Erscheinung verschwunden sein sollte, an der Hand der Karte
noch in den spätesten Zeiten auf 7t bis 1 m genau wieder aufgefunden werden
kann. Daneben haben die würtiembergischen Ratasterkarten für archäologische
Zwecke jetzt schon den ganz erheblichen Werth, dass auf ihnen die Flurnamen
enthalten sind, von denen sich sehr viele theils auf noch vorhandene, theils aber
auf längst verschwundene bauliche Alterthümer beziehen (s. Paulus, „Die Alter-
thümer in Württemberg", S. 8, 9, 12, 13, 30). Ausser den noch sichtbaren Alter-
thümem eignen sich selbstverständlich auch solche, die erst im Lauf der Zeit noch
zum Vorschein kommen, wie Pfahl werke von Brücken, Dämme, Pfahlbauten, allerlei
Mauerwerk, Grabstätten und Strassen, sowie Fundorte von Artefakten zur Eiö-
zeichnung in die Ratasterkarten. Wir bekämen so mit der Zeit eine klare üeber-
sicht der alten Niederlassungen im Lande, über die Lage der jedem Wohngebiete
zugehörigen Wohn- und Grabstätten, alter Ackerbeete, Opfer- und Yertheidignngs-
plätze, Verkehrswege, kurzum ein Bild, das, wenn auch manche Lücken weisend,
vielfach an unsere jetzigen Rarten erinnern dürfte, — eine Landkarte der Ur-
zeit Schwabens.
Dies ist im Wesentlichen die Begründung des höchst glücklichen Gedankens
des Vorstandes der württembergischen anthropologischen Gesellschaft in Stuttgart
Majors a. D. Frhm. v. Tröltsch, die württembergischen Ratasterkarten zu den
gedachten archäologischen Zwecken zu verwenden. Die genannte Gesellschaft, in
deren Mitte zunächst Efr. v. Tröltsch seine Idee zum Vortrag gebracht hatte,
beeilte sich, den entsprechenden Antrag den betheiligten königl. Ministerien des
Cultus und der Finanzen zu unterbreiten, bei denen der Antrag sofort^ insbesondere
durch die Einräumung der Verwendbarkeit der Ratasterkarten zu dem ge-
dachten Zweck, die entgegenkommendste Aufnahme fand, und es hat demgemäss
neuerdings die Rönigl. Rommission für die Staatsalterthümer, verstärkt durch
weitere geeignete Persönlichkeiten, betreffs der archäologischen Landesaufnahme
eine Reihe von Bestimmungen getroffen, von welchen wir, als von allgemeinerem
Interesse, hier folgende hervorheben: „Der Zweck der archäologischen Landesauf-
nahme ist, ein möglichst vollständiges, deutliches und getreues kartographisches Bild
von allen im Lande bekannten baulichen Alterthümem und Fundstätten ans vor-
und frühgeschichtlicher 2^it zu gewinnen. Eine solche Aufnahme dient als sidiere
Grundlage aller künftigen Forschungen unserer heimathlichen Vorzeit Für die
Einzeichnung der aufgenommenen Alterthumsstätten dienen ausschliesslich die
Ratasterkarten. Bei solchen Stätten, welche, wie z. B. Befestigungen, Pfahlbauten
u. s. w. detaillirtere Grundrisse und ProOle verlangen, wird es vielfach oöthig
werden, einen noch grösseren Maassstab, als den der Ratasterkarten, zu verwendeo
und das betreffende Blatt als Beilage der zugehörigen Ratasterkartc anzuffigen.
Die Aufnahmen erfolgen durch die Oberamtsgeometer gleichseitig mit deren jahr-
lichen Landesaufnahmen, selbstverständlich unter Rath und Hülfe aller mit dem
Gegenstand bekannter Persönlichkeiten, Gemeindevorsteher, Geistlicher, Lehrer.
Vorstände archäologischer Vereine, Privatforscher, ganz besonders aber des Porst-
personals. Behufs Leitung und Controle der Aufnahme wird das Land vorerst in
— 79 —
4, der Landeskreiseini heilung entsprechende Inspektionen getheilt, die Aufnahme
solcher Objekte, die, wie z. B. Ringwälle, archäologische Kenntniss erfordern, hat
unter unmittelbarer Leitung der betreffenden Landesinspektoren zu erfolgen. Den
Oberamtsgeoraetern und allen mit der archäologischen Landesaufnahme betrauten
Personen ist, um denselben ihre Aufgabe klar zu legen und diese im ganzen Lande
übereinstimmend auszuführen, eine autographirte Anleitung (enthaltend u. A. ein
Formular für die Anwendung der graphischen Zeichen für die Katasterkarten und
einen Separatabdruck aus dem Werke von Paulus: ^Die Alterthümer in Württem-
berg") zu geben." Weiter ist bestimmt, dass der Gang der Landesaufnahme sich
ganz dem der Flurbereinigung anzupassen und demgemäss in diesem Jahre in den
Oberänitern Heidenheim und Ehingen, in welchen heuer die Flurbereinigung in
weitestem Umfang stattfindet, zu beginnen habe. Besonders rühmender Erwähnung
verdient hierbei die Thatsache, dass das Rönigl. Finanzministerium für die Zwecke
der archäologischen Landesaufnahme für dieses Jahr vorläufig die Summe von
2000 Mark bewilligt hat.
Schwäbische Kronik des Schwäbischen Merkurs zweite Abtheilung, 1891.
Nr. 171. 23. Juli.
Gesichtsurnen von Liebschau, Kreis Dirschau, Westpreussen.
Auf einem isolirten Berge, nordwestlich von der auf der Karte als Liebschauer
Berge bezeichneten Höhe, wurde im August d. J. eine Steinkiste entdeckt, aus
welcher 2 Gesichtsumen (I und II) und zwei gewöhnliche Urnen zu Tage ge-
fördert wurden. Etwa 30 m weiter stiess man auf eine zweite Steinkiste, die eben-
falls 2 Gesichtsumen (V und VI) enthielt.
Die Urne I ist eine Gesichtsurne von gewöhnlicher Form, fein geglättet und
von schwarzer Farbe, 28 cm hoch, der Bauch von gleichem Durchmesser. Der
der 10,5 cm weiten Mündung nähere Theil ist halsartig gebildet und zeigt die Dar-
stellung eine« Gesichtes. Die Ohren sind durch kleine Leisten ohne Durch-
bohrungen angedeutet, die Augen als wirkliche Augäpfel dargestellt, die Pupille
ist durch ein Loch darin bezeichnet, die Nase in ihren einzelnen Theilen sehr
naturgetreu und der Mund halb geöffnet modellirt. Unter dem Absatz des Halses
sind zwei Nadeln mit rundlichen Köpfen durch parallele Leisten markirt Links
unter dem Halse der Urne, in der Höhe zwischen Augen und Nase ist in Haut-
relief eine schreitende menschliche Figur sehr primitiv durch eine senkrecht
stehende, oben kopfartig verdickte, unten sich gabelnde Leiste dargestellt. Vom
Kopfe dieser Figur läuft schräg eine Linie nach dem Kopfe einer vertieft liegenden
Zeichnung eines Vierfüssers, vielleicht eines Pferdes. Auf der Rückseite der Urne
bezeichnen parallel an einander gereihte, unregelmässige Bogenlinien schwer zu
deutende Schmucksachen. Ausserdem besitzt die Urue einen Deckel von Spitz-
hutform mit Stöpselverschluss.
Die Urne U ist eine Gesichtsume von 29 cm Höhe, 28 cr/i Bauchdurchmesser,
11,2 cm Mündungsdurchmesser. Sie ist ebenfalls am Halse sanft abgesetzt und
hat in der grössten Peripherie des Bauches die Darstellung eines breiten Ringes
oder Gürtels. Die Gesichtsbildung ist ganz übereinstimmend mit derjenigen von
Urne J, so dass eine unverkennbare Aehnlichkeit beider Profile auffällt. (}anz an
derselben Stelle, wie an I, sind wieder zwei parallel gerichtete Nadeln, beide mit
durchbohrten Köpfen, dargestellt. Neu kommt hier an der linken Bauchseite die
~ 80 -
Zeichnung eines Dolches mit Griff und Klinge hinzu, welcher auf einer deutlich
begrenzten, schildähnlichen Unterlage ruht Der Griff geht unten in eine Art
Parirstange über, die Klinge, triangulär, oben besonders breit, scheint in einer
Scheide zu stecken. Auf der Rückseite der Urne ist aus Strichen bis zum Gürtel
herab ein Gehänge zu erkennen. Ein Deckel war nicht- vorhanden.
Die stark beschädigte Urne V, eine Gesichtsume, gleicht in der Gesichts-
bildung den Urnen I und II. Um den Hals zieht sich ein aus kleinen Dreiecken
gebildetes Band, an welchem hinten über dem Rücken ein viereckiger, ebenfalls
aus kleinen Dreiecken zusammengesetzter Schmuck herabhängt. Die beiden
parallelen Nadeln Qnden sich wieder. Der Deckel der Urne ist mützenforroig mit
Zickzackornament und Stöpselverschluss.
Von Urne VI sind nur Theile des Gesichtes erhalten. In den dreifach durch-
bohrten Ohren hängen Bronzeringe mit Perlen aus Bronze, Bernstein und Glasfluss.
Der breite Mund zeigt offenbar eine andere Form, wie an den ersten drei Gesichts-
urnen. Um den Hals hängt ein Schmuck mit Gehänge.
Urne I, II und V überraschen durch grosse Aehnlichkeit der Gesicbtsbildung,
so dass man annehmen darf, der Bildner habe wirklich eine Faaiilienähnlichkeit
zum Ausdruck bringen wollen. Auffallend und bisher nicht beobachtet ist ferner
die Darstellung der Aogen als hervortretender Bulbi. Der ganz andere Gesichts-
ausdruck der vierten Urne scheint die Ansicht zu bestätigen, dass die ersten drei
Gesichtsfarmen nicht eine zufällige, sondern eine beabsichtigte Uebereinstimmang
zeigen. Auch in der Ornamentirung durch die zwei Nadeln, ähnlich den von
Voss auf de^^ Urne von Tlukom u. a. beschriebenen, sind die 3 Urnen einander
durchaus ähnlich. Die interessante und seltene Darstellung des Mannes an Urne 1,
der an einer Leine eia.Thier nach sich zieht, bestätigt den Ausspruch Virchow's,
wie ausserordentlich deutlich die Verfertiger der Urnen mit den primitiTsten
Mitteln das von ihnen Beabsichtigte auszudrücken wussten. Gleichfalls von grosHom
Interesse ist die Darstellung des Dolches auf Urne II, weil bisher nur ^och eine
einzige Urne bekannt ist, welche die Zeichnung einer Waffe unj^ zwar eine«
krummen Sehwertes ohne Griff trägt; es ist dies eine Gesichtsume von Strzeino
a. d. Netze, gegenwärtig im Besitze des Museums Czartoryski in Krakau. Unser
Dolch zeigt entschieden die Gestalt der „triangulären" Dolche, >w«lche aus der
ältesten Periode [der Bronzezeit bekannt sind, nur hat der Griff mehr die Form
der Griffe an den Hallstattschwertern. Man würde fehlgehen, wollte man diesen
Urnen deshalb das Alter der triangulären Dolche zuschreiben, wohl aber darf man
aus diesem Funde schliessen, dass die Sitte, solche triangulären Dolche zu tragen,
in der Zeit der Steinki^ngräber in Westpreussen noch nicht erloschen war, wie
man bisher glaubte. So gewähren diese Liebschauer Urnen, wie kaum ein anderer
Urnenfund, einen ausgiebigen Einblick in die Lebensverhältnisse der Bewohner
Westpreussens aus jener weit zurückliegenden Hallstatter Zeit —
Dr. Lissauec,
Naturf. Gesellsch. zu Danzig, Anthropol. Section, 25. November MIM.
AbKO*cblossen am 1- Deceiiiber 1S91
I
Erg&nzBBgsMätter znr Zeitschrift fttr Ethnologie,
Nachrichten über deutsche Alterthnrnsfonde.
Mit Unterstützung des Königlich Preuss. Ministeriums
* der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten
herausgegeben 7on der
Berliner Gesellschaft fflr Antiqropologle, Ethnologie und Urgeschichte
unter Redaotion von
R. Virchow und A. Voss.
Burgwälle in den Kreisen Berent Stargardt und Neustadt
Westpreussen.
■
1. Sehwedenschanze bei Schadrau.
Fast östlich vom Dorfe Schadrau, Kr. Berent, liegt die sogenannte Schweden-
schanze, welche ich im Juni d. J. besuchte. Sie beherrscht ein grosses Plateau,
wohl 600 Sohritte lang und etwa 180 Schritte breit. Beim Aufstieg im Westen ge-
brauchte ich 245 Schritte. Im Osten lehnt sich nach einer 13 Schritte tiefen Ein-
senkung ein 44 Schritte langer Vorberg daran. Die Höhe beträgt nach der General-
stabskarte 499 Fuss über M.-Sp. Hier im Osten fand ich eine schwarze, wohl
die Rochstelle, wenig vertieft (r. E.). Im Westen unten fand ich eine durch ver-
rottete gebrannte Lehmklumpen geröthete Erdstelle. Sonst war ausser RoUen-
stückchen nictili forhanden, vor allen Dingen keine Scherben, auch sind keine solche
gemeldet. Das Plateau hat hohe Auf- und Abfahrt, wird aber trotzdem beackert
Es war frtther Unland, bekannt unter ^em Namen der sog. Stubben. Wegen
einer vor der Separation bestandenen, nachher nicht mehr ausgeübten, jedoch ein-
getragenen und zu löschen vergessenen gegenseitigen Weideg«'echtigkeit auf
diesem und dem benachbarten Stücke Landes herrscht jetzt ein fitreit mit der nahen
Bauemgemeinde Alt - Englershütte. Wegen der wenigen Fuode und besonders
wegen der nicht vorstossartig gestalteten Lage möchte ich diesen Platz nicht so-
gleich für einen Burgwall ansprechen, sondern fttr eine Schwedenschanze. Die 2ieit
des Eindringens der Schweden liegt aber auch schon soweit zurück, dass seitdem nicht
bloss Stubben, sondern auch grössere Bäume dort haben entstehen können. Dass
um Schadrau die Schweden ihr Wesen trieben, beweist eine grossmächtige (wohl
40 cm Durchmesser) steinerne Rugel, welche von dorther stammt und augenblick-
lich ihren Platz auf dem Gutshofe (Frau G. B. Lelunann) hat. Eine andere, ab-
gesprungene Rugel von gleichem Gesteine (rother Porphyr) glaube ich im Thale
der Fietze gesehen zu haben. Allerdings sind andererseits dort auch Steinkisten-
gräber gefunden, selbst in neuerer 2ieit öfters, wovon noch ein wenig omamentirter
Deckel auf dem Gutshofe vorhanden ist. Aehnliche Funde aus der Hallstätter
Epoche vermeldet Dr. A. LissaVier (Prähisi Denkn^ & 93), der dieses Plateau
selbst nicht aufführt. Dr. R. Behla (Vorgeschichtl. Rundw. S. 182) giebt es nach
6
- 82 —
meiner Mittheilung als die Schwedensehanze bei Schöneck, wie sie mir anfänglich
gemeldet wurde. Die Belagerung von Schöneck im 30jährigen Kriege durch die
Schweden steht aber geschichtlich fest. Ihrer erwähnt auch das topogr.-statist.
Ortschafts -Verz. des Kr. Berent, S. 35, wenn nicht damit der sog. Schlossberg
auf der anderen Seite der Fietze gemeint ist, ein wirklicher Bui^gwall, der ron
hier aus zu sehen ist. Eine so grosse Nähe von zwei Burgwällen erscheint mir
aber auffällig. Der Ort Schadrau selbst ist alt, da er als Scedrau (mit Cer-
notino, heute Gzamoczin, zusammen) als villa deserta erwähnt wird in einer
ächten Urkunde von 1198, Novbr. 11, Schwetz (P. U. B. S. G), wonach Grimislaos,
einer von den Fürsten Pommerns, dem Spital, des Heil. Johannes die Borg Star-
gardt und die Dörfer Kamerau, Revenino (untergegangen; der Name soll sich noch
im Borowno-See, südlich bei Schöneck, finden), Schadrau, Gzamoczin u. A. ver-
leiht. In gleicher Urkunde kommt auch ein Castellum nomine Vissoke vor,
doch so wenig näher bestimmt, dass es wohl auch der Schlossbei^ sein könnte.
OScA
^
J^tetze-7Ä
Schwedensehanze von Schadrau.
Es heisst nehmlich : Et ut fratres hospitalis sine timore mei possint homines in pre-
fatis villis collocare, dedi eciam beato Johanni, quod me contingebat de flovio
Yerissa superius a castello nomine Vissoke usque ad fines Jarosou superios ....
Aehnhch lautete es in der nächsten, aber falschen Urkunde. Die Herausgeber des
P. U. B. nennen Vissoke eine ehemalige Burg bei Schöneck. Dagegen muss aber
auch darauf aufmerksam gemacht werden, dass der sog. Schlossberg uriLtmdlich
ganz anders, nehmlich Castrum Gnosna, genannt wird. Dann wäre Vissoke aUerdings
eine andere Stelle und bliebe dafür nur diese sog. Schwedensehanze fibrig oder
etwa der sog. Runde Berg bei Schadrau, fast isolirt, ebenfalls am Thale der
Fietze gelegen, dem Schlossberge aber fast gegenüber. Dieser heute mit
schönen Buchenbeständen bewaldete Berg, vielleicht seiner Zeit mit in das System
der Befestigung gezogen, bot aber trotz Forschens keinerlei Anhaltspunkte f&r
einen Burgwall, so dass seine anfängliche Anmeldung als solcher an Dr. R. Behla
und die Aufnahme in dessen Rundwälle wohl zu streichen wären.
— 83
2. Der Schlossberg bei Schlossberg.
Wenn nicht noch eine neue Entdeckung hinzukommt, wäre dieser Bni^all
der einzige, der mir für den Kreis Berent zu untersuchen übrig blieb. Endlich
fand sich im Juni (24.) 1891 Zeit und Gelegenheit dazu, und zwar in Gemeinschaft
mit meinem Vetter, Assessor P. Hannemann. Er liegt nicht weit vom Dorfe
Schadrau, im Tbale der Fietze (alt Vetissa), aber auf deren anderer Seite, wo er
in seinem starken Massiv sofort auffällig erscheint Er gehört dem Bauer Stolz in
der Ortschaft gl. N. bei Schöneck, einem Rgl. Erbpachts-Bauerndorfe (5 Besitzer), laut
Contract d. d. Danzig, 29. Oct. 1821, nach dem topogr.-stat. Handbuch für den
Reg.-Bez. Danzig, welches im Kreise Berent an dieser einzigen Stelle eine Schanze
erwähnt: „es befindet sich an der Fietze eine Schwedenschanze und soll hier ein
Schloss gestanden haben '^. Auch Dr. M. Ferlbach nennt ihn eine untergegangene
Burg bei Schöneck (P. U. B.). Er ist ein yeritabler Burgwal], heisst aber im Volks-
munde Schlossberg. Die nächste grössere Ortschaft heisst Jungfemberg (1819
ähnlich ausgethan); ein vallum qui (!) Jungfrowe vocatur, wird (F. ü. B. S. 146)
schon als Grenzzug in einer, freilich wenigstens interpolirt und nur abschriftlich
überlassenen Urkunde von 1258. Juli 10. Dirschau erwähnt, wonach Herzog
Sambor von Fommem dem Kloster Doberan zur Gründung eines neuen Klosters
Sambnria im Lande Garz ein Gebiet ohne Hufenzahl in bestimmten Grenzen ver-
leiht Freilich meint der Bearbeiter des F. ü. B. mit einigem Rechte, dass der
deutsche Ortsname Jungfrouwe für 1258 in dieser Gegend unwahrscheinlich sei.
Aber, wenn er andererseits selbst aussagt, diese spätere Interpolation sei bestimmt,
die Ostgrenze von Fogetken gegen die Johanniter zu sichern, so musa doch die
Urkunde um jene Zeit auch vorgewiesen und gebraucht worden sein, ganz
so, dass damit die Unwahrscheinlichkeit zerfällt. Irgend ein Deutscher wird da-
mals den slavischen Namen schon beim Aufsetzen der Urkunde germanisirt haben.
Das Widerspiel davon finden wir in der Generalstabskarte, wo der aufnehmende
Officier derselben Gegend, in welcher der Schlossberg liegt (deshalb musste
ich diesen Excurs mit in den Kauf geben), den slavischen Namen wenigstens
für die Höhe, wenn auch nicht dem Dorfe, beigelegt hat Dieser Name
heisst Faninagora, das ist also auf Deutsch Jungherrinberg. Damit würde
sich alsdann wieder der wegen Vissoke schon bekannte Name Gnosna decken,
welchen das F. U. B. an vier Stellen, allerdings interpolirt (S. 148. 193. 214. 217),
die sich auf die Jahre 1258, 1269 und 1274 erstrecken und alle auf das Kloster
Samburia Bezug haben, nennt, und zw^ar auch variirend Gnosna, G^nsna, Keneszina,
Gcncsna, aber immerhin deutlich als dasselbe erkennbar. Der Stamm wäre also
Kniaz, Fürst, von dessen Femininalbildung Gnosna abgeleitet wäre, also im
Sinne dasselbe, wie Jungfemberg, wovon leicht Schlossberg sich mit der Zeit
abzweigte, und dasselbe, wie Faninagora. Das Alles läuft in einander über,
deckt sich jedoch zu gut, als dass es nicht passen sollte. Somit wäre Vissoke
als alter Name hierfür von der Hand zu weisen. Aehnlich ist wohl auch der
Name dei^ Stadt Gnesen entstanden.
In öffentlichen Versammlungen wurde über Gemeinde-Angelegenheiten bei den
Slaven entschieden, unter Vorsitz eines Fan (Herr) oder Zupan (Unterherr). In
späterer Zeit entwickelte sich aber in Folge der vielen Kämpfe gegen die benach-
barten VölkeV ein Kriegsadel der Woiwoden (Anführer), die sich einen Oberfeld-
herm (Bojaren) aus den Tapfersten wählten. Oft hiessen diese auch Knäse, Gnese,
oder Gnesiota, Fürstlichkeit Denn der Slave liebt das Abstractum und nimmt es
sehr gern bei besonders feierlicher Anrede.
6»
— 84 —
Sehen wir nach diesem gcschichtlichcu Verstösse uns jetzt die Gnosna etwas
näher an, so breitet aJc sich massig um das Fietzethal, an diesem Fasse ganz mit dem
lan des Übliche!) Kaddig oder Kaddick (Wachholdcr) bestanden, durchaus nicht vor*
springend, aber zu beiden Seiten dureh breite Einschnitte al^grenzt die heute als Pa-
rowen erscheinen, am Grunde mit vielen und gewaltigen Steinen angefUUt, vordem aber
gut als Begrenzung der Veste genommen ^tiirden. Sie erscheint um so gewaltiger,
als sie unbeaekert ist, sowie auch ohne Wald, wovon die Nachbarhöhen die Kiefer
in Beständen aurweisen. Ihr Boden besteht aus Grand. Im Querzuge ergab der
Aufstieg 198 Schritte im Westen, an steilster Stelle 80 Schritte. Die Wallkrone
hat 12 Schritte Breite und ihr Umfang 220 Schritte; an ihrer steilsten Stelle
stieg ich 45 Schritt« abwärts, bis zu einer geringen (12 Fuss) Höhnng im Innern.
Die Länge des Raumes beträgt 9S, die Breite 70 Schritte. K bedeutet ein
Loch, wo wahrscheinlich Schatzgiüber ihr Wesen getrieben, wie ich hörte. Im
Osten ist eine Tie^ng, worin schwarze Erde. Ebensolche auf Einbettung von
Brandlehmgrus traf ich auf der Wallkrone im Bilden; sonst nur ein Scherben-Stflck.
Gleicher Abfall herrscht im Osten und Süden der Veste. Fast will es mir des-
halb scheinen, als ob der Berg in seiner Kuppe abgetragen und aus dem kessel-
artigen Innenraum die gewaltige Waltkrone geschaffen worden sei. Ein AuRnig
solcher Hassen wäre ausgeschlossen. Von der Seite sieht es ans, als ob vom
RQckon her ein Berg gegen den anderen gcschweisst sei, und zwar in stumpfem
Winkel. Eine lohnende Aussicht über das Fietzethal und die gegnerischen Höhen,
sowie ihm abgekehrt über Dörfer, wogende Felder und den I^uf der fiecundir*
bahn erfrischt den stark keuchenden Ersteiger. Ganz nahe sind zwei kleine, tief
gelagerte Seechen. Nimmt man diese, sowie die vorerwähnte Schwedenschanzc
als Vissoke und zur Noth den Runden Berg als Zubehör der Waltburg, so hol
Panina einen starken GUrtel besessen. Dr. Lissauer ftlhrt diesen Schlosslwrg
gar nicht an; Dr. Behia giebt ihn nach meiner Hitlheiinng als Wall bei Jungfern*
berg, letzteres nach der jetzigen Ausführang zu Unrecht. Der Bericht des Wcstpr.
ProT.-Mus. zu Danzig fUr 1887 (S. 15) meldet, doss imVoijahre der Burgwall nOnoanai''
- 85 -
von Dr. Liezau untersucht worden und dabei auch Scherben, meist mit charakte-
ristischem Ornamente, gefunden seien. Noch ist die Sage nachzutragen, dass vom
Schlossberge in aller Hoi^enfrühe z^ei Jungfrauen hemiedersteigen, um sich in
der nahen Fietze an seinem Fusse zu baden.
3. SchweeU Ostrow bei Lissaken.
Unter diesem Namen verbirgt sich nichts Prähistorisches, und will ich die
Localität nur anführen, um Andere nicht von Neuem danach gelüsten zu lassen.
Es steckt darin keine Schwedenschanze und kein Bui^wall. Der Name bedeutet
ja auch nur Schweden-Insel. Die Bezeichnimg ostrow bedeutet im Polnischen
eine Insel in oder an Silmpfen, Landseen oder Flüssen, einen Holm. Demgemäss
fand ich auch nur einen hohen, breiten und in einer Bruchfläche isolirt an zwei
Seen liegenden Berg, der mir bei dem im Südwesten des Kreises Bereut gelegenen
Dorfe Lissaken genannt worden war. Von ihm wird gesagt, vor Zeiten bei einem
Kriege hätten die Schweden darauf ihren Lagerplatz gehabt. Von schwarzer Erd-
schicht als üeberresten ihrer Kochkimst war aber nichts zu finden. Ebenso
fehlten alle sonstigen Bedingungen, üebrigens kann dieser Berg höchstens eine
Meile von der Ortschaft Schwecki Ostrow entfernt liegen, von der ich ebenfalls
Vergebliches in Bd. XIX. der Sitz.-Ber. der Berliner anthrop. Gesellschaft vom
26. Mai 1888 berichten musste.
4. Bargwall Ton Nea-BarkoczlB.
Am nördlichsten Ende des Dorfes Neu-Barkoczin, im westpreussischen Kreise
Bereut gelegen, (dessen Name sich, ähnlich wie die Ortsnamen Barken, Barken-
felde, Barchnau u. A., auf das slavische bare bezieht, welches einen Bienenstock
auf einem Baum im Walde bezeichnet,) steht das neue Predigerhaus, neben welchem
mir wiederholt der unmittelbar daran stossende Kirchhof insofern als etwas Wunder-
bares gezeigt wurde, als er von denkbaren Zeiten an in der Mitte eine starke
kegelartige Vertiefung besitzt Ich möchte ihn vorbehaltlich der Unterstützung
diu*ch Funde, wie sie sich ja beim Grabmachen leicht ergeben müssen, als
einen Burgwall ansprechen, und stimmt mir Hr. Conservator E. Krause, Berlin,
darin bei. Fast unmittelbar daran, nur durch die Landstrasse getrennt, stösst
der Dorfsee, 166 m über der Ostsee. Denkt man sich diesen zu früheren Zeiten
von grösserer Ausdehnung, so muss der Hügel, wie er jetzt aus Sumpf, Anger
und Ebene hervorragt, damals fast ganz von Wasser umgeben gewesen sein, also
gewiss einen geeigneten Platz für solche Befestigung abgegeben haben. Höchstens
hatte er einen Zugang von Süden her. Er würde alsdann die Kette schliessen
zwischen den Wällen von Neu-Grabau und Fustpetershütte rechts und dem an-
genommenen von Bereut (Landratsamt) links im Norden, und zwischen dem von
Neu-Paleschken, Liniewo und der Schwedenschanze bei Qarczin im Süden. Seine
Form ist die eines auf die Spitze gestellten Vierecks, dessen Ecken die Himmels-
richtungen abgeben. Ist von Wallkrone auch nicht viel zu bemerken, so ist doch
daran zu denken, dass Zuweg und Gräbereien viel daran geändert haben müssen.
Sein Umfang beträgt 390 Schritte oder das Doppelte an Füssen; seine Ausdehnung
von N. zu S. 95 iii, von 0. zu W. 50 wi. Die höchste Höhe des Walles be-
trägt 61,50, die niedrigste 2,50 m. In seinem südöstlichen Theile liegt der
Kessel von 20 Fuss Abstieg, 148 Schritten Umfang, 60 Sehr. Länge (von N. zu S.)
und 43 Schritten Breite. Dieser Kessel zeigt sogar, wiederum südöstlich, einen
grösseren Stein und südwestlich eine kleinere Erhöhung. In ihm sind Stein-
schichten zu constatiren. Es ist bemerkenswerth, dass an dieser Stelle noch
- 86 -
keinerlei Gräber, welche ich hier sonst wunderbarer Weise mit PfefTennQnzc
(Mentha piperita L.) als Schmuck zahlreich bestanden fand, angelegt worden sind;
es ist mir fraglich, ob das nicht mit der volksthümlichen Annahme zusammen
hängt, dass Säufer meist dahin zu liegen kommen, wo Wasser sich zeigt solche»
aber dort zu finden angenommen wird, also jeder Beerdigte zum Säufer gestempelt
wurde. Genug, der Platz steht Niemandem an. Die Bodenbeschaffenheit ist grob-
kömiger Grand. Grössere Umwährungssteine mögen in dieser Lage leicht einer
neueren Zeit angehören. Wird meine Annahme nur irgendwie bestätigt, so map
der Wall leicht die Fliehburg der alten Zeidler sein, die in Wald und Sumpf lap,
als es nur das heutige Alt-Barkoczin gab. Die Umgegend birgt viele Steinkisten-
gräber mit Urnen, darunter solche von glattem, schwarzem Thon, auch omameniirt
Auch Urnen mit blosser Steinpackung. Diese wurden besonders aufgedeckt, als
ein Danziger Handelsherr dort Steine zu Bauten buddeln liess, deren sich dort
kaum unter dem Erdboden eine übergrosse und erstaunliche Menge finden lässt;
mittelst Feldbahn und Draisine schafft man sie zum Hauptstrange der Eisenbahn.
Auf den Feldern trifft man vielfach noch Htigelgräber, gekennzeichnet durch
Häufung und Setzung alter Steine. Selbstverständlich melden von diesem Walle
weder Behla, noch Li s sauer, der auch keine sonstigen Funde aus diesem Orte
kennt. Kohlen oder Scherben wurden bisher nicht gefunden. Es existirt weder
ein alter Name, noch eine volksthümliche Bezeichnimg dafür; ebenso mangelt o»
an Sagen oder Gerede davon.
5. Das Burwark bei Skurcz (wohl nar ein Burgberg).
Im westlichen Theüe des westpreussischen Kreises Preuss. Stargardt liegt der,
nach dem im Jahi-e 1677 vom Könige von Polen bestätigten Privilegium schon
mit einem Kreuzherrlichen Privilegium bedachte und früher Schoritz genannte Ort
Skurez, jetzt postalisch Skurz geschrieben. Später änderte sich der Name in
Skorczke und wird so 1528 auf dem Landtage erwähnt Nach Dr. Bemh. Stadie
(Der landr. Kreis Pr. Starg. in Altpr. M. S. VI. S. 709) fand 1458 beim Orte
Schoritz ein Gefecht zwischen Polen und Ordensrittern statt. Nach den rem
Gutsbesitzer Rüss diesem Verfasser gemachten Mittheilungen, die der seit
dem Probste Zabienski verloren gegangenen Kirchenchronik entnommen sind,
ist der Ort im Jahre 1339 (in diesem Jahre soll auch die am Orte befindliche
alte katholische Kirche gegründet worden sein) an den Schultheissen Dietrich von
Dalwin (bei Dirschau) ausgethan, mit dem Beding, 6 Hufen zur Widdern, 6 Frei-
hufen f(ir sich und das übrige Land an Bauern zu geben. Bei diesem Orte
sind zahlreiche heidnische (auch Gesichts-) Urnen gefunden. Sie sind erwähnt
bei Li s sauer U. 89; auch Funde aus der neolithischen Epoche (IL 42) sind von
dorther bekannt. Was mich jedoch am meisten interessirte, das war die An»-
lassung des Dr. Stadie, dass in dem Privilegium ein Burgwall erwähnt wird, der
noch heute Burwark genannt werde. Weder Dr. Lissauer, noch Dr. Behla er-
wähnen ihn. Im Pomerell. ürk. B. S. 211 (1274. Jan. 2. Schwetz. Herzog
Mestwin von Pommern schenkt dem Cistercienserorden zur Gründung eines neuen
Klosters einen Landstrich im Lande Thymau zwischen den Flüssen Jonka, Wanger-
mutzc und Ferse), wo der Grenzzug a loco Castri, qui vocatur Scossow. beginnt,
wird dies nach Kujot Opactwo S. 60 bei Smolong, südwestlich von Pelplin, m
suchen sein, wogegen der Herausgeber Dr. Perlbach es auf Skurz, westlich von
Mewe, als wahrscheinlicher bezieht. Wegen Smolong (früher Pechau, da Smola
= Pech) erweist die Generalstabskarte dort mehrfach isolirte Bei^ und Plateaus,
die jedoch noch der näheren Erfoi-schung harren. Ausserdem habe ich die Burg
- 87 -
Scossow als Jagdburg mit Quandt und Stadie auf den beschriebenen ßurgwall
bei Borkau, bezw. Grabau bezogen. Die grössere Wahrscheinlichkeit für Skurz
möchte ich nur in dem anklingenden Namen finden. Diesen betrachte ich allerdings,
namentlich in dem alten Laute Schoritz, als mit Schar zusammenhängend, welches
Prischbier (Preuss. U. B. IL 258) als die breite, streifenartig sich hinziehende
Bodenfläche in den Haffen mit möglichstem Abfalle des Bodens deutet Ist dies
Wort, fUr dessen Bedeutung das plötzliche Abfallen wesentlich ist, denn aber
immer nur für den wasserbedeckten Seestrand in Gebrauch gewesen und könnte
es nicht viel früher auch den plötzlichen Abfall eines Berges bei uns bezeichnet
haben? ähnlich wie die Wissokas das Hängende, das Gelände bedeuten? Und
dennoch kann der locus castri nicht auf Skurz zu beziehen sein, weil ich wohl
bei meiner Inspection dieses Platzes einen steilen Abfall fand, aber durchaus nichts,
was auf einen Burgwall deuten mochte. Bei Skurz schiebt sich ein Hochrücken
vor zwischen die krümmlings und eiligst fliessende, bei Schneeschmelze und
starkem Regen aber förmlich wüthende Wangermuz im Westen und ein, heute vom
trägen, sog. Mühlenfliesse durchzogenes Thal, und der Vorsprung des Rückens
soll dem Namen nach der Burgwall Burwark sein. Er liegt rechts an der nach
Wollenthal führenden Chaussee und mag dies die Stelle für einige ümen-
funde sein. Leider reichte mein technisches Polnisch für den Besitzer
Langowski, einen Stockpolen, der kein Wort Deutsch verstand, keineswegs aus.
Eh* wusste nur, dass hier das Burwerk sei. Im Aeusseren bildet es zwar einen
hohen Vorsprung, an welchem die Wangermuz ihre wüthenden Spuren in Form
von Terrassen hinterlassen hat, wenn sie es nicht vorzog, ganze Stücke Landes
beim Anspülen zu unterminiren und, wie ich selbst sehen konnte, hinabfallen zu
lassen ; der Vorsprung hätte auch sehr gut zu einem Erdwalle umgearbeitet werden
können, aber ich fand keine Spuren von Befestigung, keinen Kessel, keinen Einschnitt,
keine Wallrinne; dazu war Suchen und Fragen nach Scherben, Kohle, Knochen
umsonst oder leitete auf falsche Spuren. Der Boden ist ein äusserst strenger
Lehm, kein Grand. Und dennoch der Name Burwark, also Bauerwerk? Von an-
klingenden Namen führt Dr. Behla Buigwerder und Bauembui^ (Schleswig-
Holstein) auf, die aber schlecht hinzupassen. Jedenfalls deutet das Wort auf ein
Werk von Bauern und schon dieser Begriff lässt es etwas neuzeitlicher er-
scheinen, wiewohl jede Erinnerung daran verloren ging. Eine Abspülung des ge-
wesenen Walles wäre zwar möglich, aber nicht annehmbar, weil die Stelle noch
heute den Namen führt. Da man von der Höhe aber einen weiten Um blick
hat, so ginge es höchstens an, das Burwark als Burgberg aufzufassen, für
welchen eine noch grössere Höhe aufzutragen ehemals ein Werk der Bauern ge-
wesen war.
6. Der Schlossberg bei Casimirs.
Auf dem im Eichberge (194 Fuss) spitz in das hier sich gabelnde Rhedathal
auslaufenden Plateau der sog. Oxhöfter Kämpe, Kr. Neustadt, nahe dem Dorfe
Casimirs, trafen Dr. Taubner und ich bei einer Suchetour im Mai 1891 an einer
Stelle des Plateaus auf starke und zahlreich zwischen den Bäumen vei*streute
Ueberreste von gebranntem Ziegelstein, Feldstein und Kalkmörtel, in deren einem
Stücke ich ein Muschelstück von Anodonta verarbeitet fand. Daneben wurde uns
eine Vertiefung von etwa 10 Fuss als Keller gezeigt, dessen länglich - viereckige
Wände noch jetzt mit Kopfsteinen vom Felde ausgesetzt waren, obschon man sich
deren aus der steinarmen Bruchgegend bereits viele zum Bau von Fundamenten
geholt hatte. Die Leute bezeichnen diese Stelle als Schlossberg. Es habe
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dort wirklich ein Schloss gestanden und der Fürst von Oxhöfl darin geherrscht,
der sich Alles erlauben konnte, selbst über Frauen und Rinder. Ihn nannten sie
einen Wopota in ihrem verderbten Polnisch; dies ist aber gleich opat, Abi zu
setzen und soll damit, freilich fälschlich, der Abt vom Kloster OUva gemeint sein.
An Oliva schenkte Herzog Swantopolk 1224, April 23. ausser acht andern Dörfern
auch Dembögorsz. Jedenfalls ist dieser Schlossbei^ nun durchaus kein Bni^gwall
oder Burgberg in unserm Sinne, zumal er nicht iaelirt liegt, sondern wir werden
in seinen Trilmmern die Ueberreste von Gebäuden anzusprechen haben, und zwar
aus geschichtlicher, aber sonst im Näheren unverbürgter Zeit, die irgend ein König
Kasimir von Pole^ dort aufführen Hess, wonach auch das Dorf den Namen hat
Darum nannte des nahen Försters Töchterlein sie auch die Kasimirsburg. Nicht
zu verwechseln damit ist die Schanze Kazimirowo, welche um 1650 König
Johann Kasimir gegen die Schweden aufwerfen liess, und zwar (nach Dr. H. Pruts,
Gesch. d. Kr. Neustadt. S. 120) der Stadt Putzig gegenüber auf der Halbinsel Heia
(innere Seite), wo vorher schon die Schanze Wladislawowo bestand. Wäre die
letztere Thatsache nicht gar so bestimmt ausgesprochen, so hätte ich mit Vorliebe
den Ort jener Schanze an diese Stelle zu setzen gewagt.
Auf dem Eichbeige (auch die nahe Ortschaft heisst ähnlich Dembogorach)
trafen wir auf einige erratische Blöcke', deren einer in zwei Reihen mehrere
(bis vier) Löcher aufwies, so dass man leicht hätte auf einen weiteren Landkarten-
stein SchltLsse ziehen können, wenn nicht Bewohner vom Orte Casimirs uns ver-
sichert hätten, es seien das Spuren von Sprengungsversuchen durch eiserne Heissel^
welche ein inzwischen nach Amerika entschwundener Mitbewohner vor Jahren
xmtemommen hatte. Trotz der vollständigen Uebermoosung der Eindrücke
sieht man aber hieraus, wie sehr Vorsicht geboten ist in der Aufl'assung solcher
Steine I
Hinzufügen muss ich hier noch jene Sage, wonach zu Zeiten, als die
Bewohner noch heidnisch waren, ein Bischof aus Rom zu Schiff gekommen^
unweit Heia aber an der Küste gestrandet, von den Bewohnern des Ortes Rumina
(alter Name für Rahmel), der schon 1220 zum Kloster Oliva gehörte, gefangen
genommen und 20 Jahre lang an einer steinernen Handmühle, die er drehen
musste, gefesselt gehalten wurde, bis ein anderer Bischof kam, ihn erkannte und
erlöste. Diese Sage soll auch enthalten sein in einem Büchlein: Glowa Swietei
Barbary von Dr. W. K^jot (Pelplin, 1879).
Im nahen Kielau (Bahnstation) soll auf dem sog. Heiligen Berge eine
Kapelle gestanden haben. Zwar ist dieselbe jetzt zerstört; aber auf jenem Berge
steht immer noch eine Kiefer, die ganz wie eine Kapelle aussieht Hier
werden auch zu Johanni (Sobötka, Johannisfeuer) Theertonnen abgebrannt —
Auch hörte ich hier wiederholt die Geschichte von dem bei Kielau im Moore auf-
gefundenen Schiffsrumpfe. — Ein riesiges Gehörn aus dem Rhedabruche befindet
sich im Besitze des Amtsvorstohers zu Dembogorsch.
A. Treichel, Hoch -Paleschken.
Vorgeschichtliche Erwerbungen des Märicischen ProvinziaMliiseuiiis
in Berlin.
1. Im vorigen Jahre wurde in der anthropologischen Gesellschaft dnrch Hm.
Stadtrath Friedel eine merovingische silberne vergoldete Fibala mit
eisernem Dorn, sowie ein nordischer goldener Braeteat vorgelegt, welche
beide ao einem menschlichen Skelet in der Feldmark Rosenthal bei Berlin,
gelegentlich der Planinings - Arbeiten zur Berieselung, gernndea worden waren
(Verhandlungen 1890. 8. 518). Wie berichtet, konnte das Skelet nicht mehr
aofgefnoden werden, well es der Amtsrorsteher ror meiner Ankunll hatte rer-
graben lassen, nachdem er sich fiberzeogt hatte, dasa ein zu verfolg:endes Ver-
brechen nicht vorliegen könne, und weil die Arbeiter nicht zu erlangen waren,
welche die neue Vcrgrabnngsatelle genaa kannten. Ein Frennd des Mnseiuns, Hr.
Ornnow, hat die Sache weiter verfolgt, einen der betreffenden Arbeiter ermittelt
and mit Htllfe desselben das Skelet wieder aofgel\inden. Da dasselbe bei der
Vergrabang jedenfalls nnachtaam behandelt, auch in Papier znsammenge wickelt
worden war, so fehlten verschiedene Knochen; auch der Schädel war nicht mehr
ganz, sondern zerbrochen nnd dergestalt verbogen, dass die beiden grösstcn Theile
dosgelben gar nicht mehr aneinander paasten.
3. Ein wohteriialtenes Fenersteinbeil ans Berlin (Fig. 1) ist bei den
städtischen Bauarbeiten am Mühlen dämm aus dem Spreegrunde hervorgeholt
FJgnr 1.
worden. Es ist 16,5 ein lang, keilförmig, nach dem Rücken hin verjüngt, die
Schneide 6 cm lang. Bis auf den Rückerf sind alle Flüchen goachlifTen, an ein-
zelnen Stellen sind noch die die Form vorbereitenden DengelungssprQnge sichtbar.
Meines Wissens ist dies das erste grössere Feuersteinbeil, welches auf dem Boden
von Alt- Berlin gefunden wurde.
3. Eine Bronzofibuln von Rudow, Kr. Teltow. Eine der in der Mark
seltener beobachteten Fonnen.
Figur 2.
V,
Der blattförmige Bügel von 4 rm Länge und 2,3 em Breite ist mit cingravirten
Strichen reich verziert, die beiden Enden taufen in Spiralscheiben von 2,7 cm
Durchmoaaer aus; der Nadelkopf hat die Form einer durch 3'/» Windungen her-
gcatellten 8piralscheibo von 1,8 cm Durchmesser, der Nndeldom ist 6 cm lang.
Die Fundstelle ist ein altgormaniacher Begräbnissplatz, nördlich vom Dorf, wo die
Figur 10.
a
©D
Alle iliisr Figuren io <\ft Qrflgse von 7».
— 91 —
Qrfiber indess längst zerstört sind und nur noch einzeino Umonscherben gefunden
werden.
4. Fände aus drei altgcrmanischen Gräbern bei RusdorT, Kreis
Crossen. Dem Märkischen ProTinzial -Museum sind darch die GUlc eines Lehrers
in Crossen von einer, geli^gcntlich eines Borgdurchsttchs, bei Rusdorf gefundenen
^rilsseren Brandgräberstelle die säninitlichcn Funde iius d Gräbern zugegangen
und zwar: 4 gröBsere Aschenumen, 10 verschiedene Beigcfässe, 2 kleine Bronze-
Nndel- Fragmente und 8 jener, schon öfter gefundenen, zierlichen bearbeiteten
Stetnchen, welche wegen der vorherrschenden Achnlichkeit mit der Form von
Eiern, bezw. der geprcssten Käse „Biersteinc" und „Käsestcine" genannt
worden sind.
Von den Gefiissen gebe ich Abbildungen, und zwar von allen, weil es von
Interesse ist, die Vcrscbiodenheit der Formen und Verzierungen zu vergleichen,
welche zusammen und gleichzeitig in Gebrauch, bezw. in Mode waren.
Nach dem sehr ansfUhrlichen t^indbcricht des Herrn Serien war der Befund
der 3 Gräber folgender:
Gtab A war mit 31 Steinen bedeckt, von denen die obersten etwa '/, ni tief
in der Erde lagen. Unmittelbar in der Höhe der (Jmen bildeten sie einen Kreis;
einige davon waren nach Westen hin quadratisch zusammengestellt. Die Ober-
flache dieses Quadrats war mit Kohlen, Knochen, Asche und Scherben bedeckt.
Innerhalb des Kreises, mit Sand bedeckt, standen die Urnen. Das Hauptgefäss
(Fig. 3) stand auf einer Kieslage und enthielt Knochenasche ; an dasselbe war die
grosse Schale (Fig. 4) gelehnt. Eine zweite Aschcuurne (Fig. 5) stand nördlich
von der ersten and in der Asche derselben fand sich eine, zu einer Schleife
zusammengebogene Bronze nadel. Zwischen beiden Aschenumen standen die
beiden Tassen (Pig, 6 und 7) und eine kldne schön verzierte Urne (Fig. 8).
Nördlich von der zweiten Urne stand ein mit Punkten und in Dreiecke gestellten
Parallelstrichen, sowie zwei kleinen Henkelzapfen verziertes niedliches und ein
einhenidiges nnverziertes Gefäss (Fig. 9 und 10). Westlich davon stand ein mit
einem Ringe von Fin^mägel-Rind rücken verziertes grösseres Gefiiss (Fig. II) und
zwei gehenkelte Schöpfschalen (Fig. 12). Seitwärts, jedoch etwas höher, stand eine
verziert« und gehenkelte Urne (Fig. 13), ein gehenkeltes Gefäss in Tassenform
(Fig. 14) und eine kleine Schale (Pig. 15), deren waagerechter Rand mit 5 Strich-
gmppen rerziert ist. Noch weiter seitlich stand ein sehr sauber geglättetes und
mit Punkt- und Strichgrnppen verziertes mittelgrosses Gefass (Fig. 16). Theils in,
theils neben den Aschenurnen fanden sich 4 kleine woh Ige formte Stein eben
(K&sesteinchen).
Grab ß lag 1,20 m nördlich von Grab A, Z^^_L"
in einer Kiesschicht und hatte keine Stein-
pack nng. In der grossen Aschenomc
(Fig. 17) fanden sich zwei regelmässig ge-
formte Steinchen von 3,7 cm Durchmesser
and 2,2, bezw. 1,1 em Höhe, sowie ein
Stückchen von einer Bronzenadel. Neben
der Urne standen noch drei Belg^ässe
(Fig. 18-20).
Das dritte Grab, C, lag nahe bei A und
fl, war aber von ganz ifnderer Art. Es war
eine Art Mauerwerk aus mit Lehm verbun-
denen Findlingssteinen ; von einem grösseren
Rpir 1».
^
Stein als Hitteiponkt io 4 Richtangen strahlentoniiig aiulanrend. Kach nntpn n
verjüngte sich dies Mauerwerk in 5 Schichten so, dass die fOnfle, ontentc Sctik-lit
nnr noch ans 2 Steinen bestand. Neben diesen untersten Steinen, etwa 1,30»
tief, lag^en KohlenstQcke und Asche, auf der entgegengesetzten Seite einige kleinnr
in einander stehende Gefässe and in der Nähe 2 der geformten kleinen Steincbcn. —
Die Gefässe sind meistens wohl geformt, schön g^läUel und auf rervchiedene
Art verziert. Insbesondere ist das sogenannte Fingernagel -Ornament an zweteo
(Fig. 3 and 11) sehr deatlich, so daas man den Fingernagel mit der Finger^itu
in jede einzelne Vertiefang genau hineinpassen kann. Bei der grossen Sdisle
(Fig. 4) ist noch hcnorzoheben , dass auf dem Boden, sowohl nach aussen, vie
nach innen, zwei sich kreuzende Linien flach ansgearbeitet sind: Kreuz sk
Verziemng.
Der Gefiisstypns schliesst sich dem märkisch-schlesisch-poscnscfaen an. So-
wohl die Gefässformen, wie die geringen Bronze-Beilagen, deuten auf die jOngae
Bronzeperiode.
EUn grasser Theil der Funde aus anderen Grübem dieses Feldes ist in die
Hände des Herrn Dr. Jentsch in Guben gelangt (Nachrichten 1891. S. Ti).
Was nun die eigenthtimlichen Steinchen, ron denen steh 8 BtQck allein in dieses
3 QHibem gelinden haben, während auf demselben Felde noch weitere vorkameo,
anbetrifft, so sind dieselben schon vor 18 Jahren Gegenstand der Erörtemng ge-
wesen, als 4 solcher Steinchen aas Zaborowo in der Provinz Posen in der anthro-
pologischen Gesellschaft zur Vorlage kamen- Hr. Virchow. welchem damatt
auch Exemplare ans Alt-Lauske bei Schwerin u. d. Wartbe vorlagen, gab ihnen vrgtn
ihrer Formen die Bezeichnung: „Eiersteine", bezw. „Käsesteine" and deutele
sie als symbolischi? Eier, Käse, Brod oder andere Nahmngsmittel, welche dem
Todten mit auf den Weg gegeben seien. Hr. Friedel brachte Notizen au der
Alterthnms-Literatur bei, wonach ihnen noch eine tiefere symbolische Bedeatnng
beigelegt worden war (vgl. Verh. 1872. S, 2G7). Inzwischen sind noch viele weil««
Funde zur Kenntniss gelangt. Insbesondere fand Hr. Virchow 1873 in Zaborowo
(i solcher Steinchen (Veih. 1873. S. 100), and aas dem Mark. Museum wurde in
Jahre 1885 (Verh. S. 725) eine ganze Reihe derselben vo^degt, wobei nnch isf
den Uebergang der Formen zu dem sogenannten „Schleudcrstein" hingewiesen
wurde. Fast alle Sammlungen haben Exemplare davon.
Die neuen 8 Steinchen bereichern dies Material um recht verschiedenartige
Formen.
Einer ist aus granilartigem Geschiebe hergestellt (Fig. 1), 6 ans Quarzsteiochcn
(Fig. 2-7), l ans Thon (Fig. 8).
Fünf haben die Form einer dicken Scheibe, bezw. mehr oder weniger Back
- 93 -
Figur 21.
Figur 22.
Figur 23.
Figur 24.
Figur 25.
Figur 26.
Figur 27.
Figur 28.
f('
Alles V5.
gedrückten Kugel (Fig. 21—25). Zwei davon haben eben geschliffene Flächen
(Fig. 21 und 24), eine ein wenig konvexe Flächen (Fig. 23), zwei ein wenig
konkave Flächen (Fig. 22 und 24). Die Randflächen sind bei zweien mehr
cylindrisch (Fig. 23 und 24), bei den drei anderen ähnlich denen eines Kugel-
abschnitts (Fig. 21, 22, 25). Diese 5 Formen könnten die Bedeutung von Käse
haben, da sie dessen durch Pressen mit der Hand zwischen Zeug entstandene
Form nachahmen.
Ein Steinchen hat die Form eines nach einer Richtung verlängerten Würfels
mit verjüngten Enden (Fig. 26). Alle 6 dächen sind regelmässig zugeschliffen, so
dass die Kanten überall scharf sind und nur die Ecken sich ein wenig abrunden.
Möglich, dass diese Form ein Brod vorstellen sollte.
Zwei sind eiförmig, von der Grösse eines kleinen Tafubeneis (Fig. 27 und 28).
Beide sind wie von einer weissen Glasur überzogen, welche entstanden sein
kann, als die Steinchen beim Verbrennen der Leiche mit Asche in Berührung
kamen, denn auch die anderen zeigen zum Theil ähnliche Glasurspuren und alle
sind mehr oder weniger der EUtze ausgesetzt gewesen. Naturgemäss würde man
diese beiden als Vertreter der Eierspeisen ansehen können.
5. Funde aus altgermanischen Gräbern bei Mühlenbeck, Kreis
Nieder-Barnim.
Figur 29.
1/
Figur 30.
Im vergangenen Sommer hatte Hr. Grunow ein grösseres
Gräberfeld zwischen Mühlenbeck und dem gleichnamigen See
entdeckt, an dessen Ausgrabung ich mich betheiligt habe. Eine
Fläche von ungefähr 1 ha war von Gräbern mit Steinpackungen
eingenommen, welche dem grossen Gebiet der ostgermanischen
Gräber angehören und wenig Auffallendes boten. Erwähnen /t
will ich von den Fundstücken nur eine Bronzenadel mit dickem Kopf (Fig. 29)
und eine Kinderklapper in Form einer Muschel (Fig. 30), welche durch Zu-
sanmiendrücken der Ränder zweier halbkugeliger Thonschälchen entstanden ist.
Buchholz.
— 94 -
Untersuchung prähistorischer Fundsteilen bei Liebstedt, Amt Weknar,
Grossherzogthum Sachsen-Weimar,
ausgeführt im Auftrage der General -Verwaltung der Kgl. Museen zu Berlin.
I. Abfallgrabe.
Da bei dem, auf der nördlichen flachen Abdachung des Ettersberges gelegenen
Dorfe Liebstedt in früheren Jahren wiederholt Alterthümer gefunden worden sind,
wurde Unterzeichneter im November 1891 mit einer Untersuchung dieser Localität
beauftragt. In einer am Ost-Ausgange des Dorfes gelegenen Lehmgrube hatte der
Besitzer, Steinbrecher Merkel, früher einige Thonge fasse, deren jedes von fanst-
bis kopfgrossen Steinen umsetzt war, sowie eine „Kette^ gefunden; erstere waren
zerschlagen worden, letztere hatte lange an einem Baume gehangen, bis sie ron
einem Passanten mitgenommen wurde. Die Fundstelle erwies sich als eine in den
Lehm eingesenkte und mit schwarzer Erde gefüllte Grube ron 2 m Tiefe und 5 m
Breite, welche schon zum grossen Theil abgetragen war. In einer Tiefe ron 1,20
und 1,40 m liefen zwei horizontale schwache Schichten von stark mit Lehm ge-
mischter Erde. Die rorgenommene Untersuchung ergab in dem oberen Theü
recente Gegenstände, in 0,80 m Tiefe erschienen die ersten prähistorischen Scherben,
welche bis nuf die Sohle der Grube herab vorhanden waren; rechts unmittelbar
über der oberen mehrten Lehmschicht lag ein grosser Haufen Asche.
Von den in grosser Anzahl gefundenen Thongefäss- Scherben sind folgende
bemerkenswcrth: 1) die Hälfte eines ohne Hülfe der Drehscheibe hergestellten
Gcfässes mit ungefähr halbkugligem Bauch, kurzem, eingezogenem Halse und
flachem Boden, welches in der Form den im Kgl. Museum befindlichen Oefössen
von Reinsdorf, Kr. Querfurt (I. g. 1228) und Eisleben, Kr. Eisleben (I. 5720), ähnelt;
2) Bodenstück eines Gefässes aus grauem, fein geschlemmtem und gut gebranntem
Thon mit den Ausläufern eines Ornamentes aus tief eingeschnittenen Vertikallinien,
an der Oberfläche schön geglättet; 3) Randstück, nach oben einlaufend, vielleicht
zu Gefass 2 gehörig; 4) drei Scherben mit Eindrücken von Fingernägeln; 5) ein
Scherben mit Kammstrich -Ornament; 6) ein viereckiger Scherben, woran zwei
Bruchflächen glatt geschliffen sind; femer wurden Thierknochen und ein Stück
Röthel gefunden.
Ob diese Gegenstände mit den oben erwähnten Grabstellen, — denn solche
sind es nach der Beschreibung, — in Zusammenhang stehen, lässt sich jetzt, da
die betreffenden Urnen verloren sind, nicht mehr entscheiden; wenn ot der Fall
wäre, würde man die Scherben und Thierknochen als Ueberreste des Leicbeo-
Hchmauses oder eines Opfers anzusehen haben. Im Uebrigen machte aber die
Fundstelle, wenn auch kein eigentlicher Feuerplatz constatirt wurde, eher den
Kindruck einer Ueerdgrube, als einer Grabstätte. Für die chronologische Bestinunuog
ist besonders Gefass 1 wichtig wegen der oben angeführten Parallelen, welche der
auf die Völkerwanderung folgenden Zeit, dem 6. bis 7. Jahrhundert nach Chr. an-
gehören; ausserdem sind einige Scherben vorhanden, welche der spätrömiscbeo
Zeit und einige, welche noch älteren Perioden anzugehören scheinen.
II. StelnUstengrab.
Etwa 30 m östlich von obiger Fundstelle befindet sich eine zweite, der Ge-
meinde gehörige Lehmgrube, in welcher der Pächter Merkel vor einigen Jahren
eine aus aufVechtstehenden Steinplatten zusammengesetzte Kiste gefunden hat,