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Full text of "Zeitschrift für Ethnologie"

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ZEITSCHRIFT 


FÜR 


ETHNOLOGIE 


Organ  der  Berliner  Gesellschaft 


Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


•  » •  •  • 

Redactions  -  Commission : 


A.  Bastian,  R.  Hartmann,  R.  Virchow,  A.  Voss. 


Dreiundzwanzigster  Band. 

1891. 


Mit  lO  Tafeln. 


BERLIN. 

Verlag  von  A.  Asher  &  Co. 

1891. 


I 

/S9/ 


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Inhalt. 


Seite 

r 

Ernst,   A.,  Dr.     Uebcr  einige   weniger  bekannte   Sprachen   aus   der   Gegend   des 

Meta  and  oberen  Orinoco _  *       1 

Undset,  Dr.  Ingvald.  Archäologische  Aufsätze  über  sfkleuropäische  Fundsiücke 
(Fortsetzung). 

VI.  Alterthümer  der  Völkerwanderungszeit  in  Italien.    (Mit  57  Zinkogr.)-      14 

VII.  Orientalische  Einflüsse  innerhalb  der  ältesten  europäischen  Civilisation. 
(Mit  la  Zinkographien) 237 

Virchow,  Badoll    Gedä(^tnissfeler  für  Heinrich  Schliemann 41 

Anhang:  Bede  zur  Bewillkommnung  SchHemann^s  als  Ehrenbürger  Berlins,   ge- 
halten 1881  von  Budolf  Virchow   63 

Achelis,  Dr.  Ths.    Ethnologie  und  Ethik 66 

Schumacher,  Dr.  Karl,  Assistent  an  den  Grosshcrzogl.  Sammlungen  in  Karlsruhe. 

Barbarische  und  griechische  Spiegel.    (Mit  7  Zinkogr.) 81 

Soler,  Ed.    Zur  mexicanischen  Chronologie,  mit  besonderer  Berücksichtigung  des 

zapotekischen  Kalenders.    (Mit  88  Zinkogr.) 88 

Förstemann,  Prof.  Dr.  E.    Zur  Maya-Chronologie.    (Mit  18  Zinkogr.) 141 

Schellen g,  Dr.  0.    Beiträge   zur  Anthropologie  der  Papua.    (Mit  5  Zinkogr.  und 

Taf.in-.VI) 166 

Besprechungen:  «. 

Karl  Schumacher,  Beschreibung  der  Sammlung  antiker  Bronzen.  Karls- 
ruhe 1890,  S.  39.  —  Archaeological  Survey  of  India.  Oalcutta  1889,  S.  39.  —  Brehra's 
Thierleben,  neue  Ausgabe  von  Pechuel-Loesche.  Leipzig  und  Wien  1890,  S.  40.  — 
Heinrich  Schliemann,  Bericht  über  die  Ausgrabungen  in  Troja  im  Jahre  1890. 
Leipzig  1891,  S.  78.  —  Daniel  C.  Brinton,  Races  and  peoples.  New  Yoik  1890. 
The  American  Race.  New  York  1891,  S.  79.  —  E.  Handtmann,  Was  auf  deutscher 
Haide  spriesst  Berlin,  S.  80.  —  B.  Florschütz,  Die  Giganten-Säule  von  Schierstein. 
Wiesbaden  1890,  S.  134.  —  Ernst  Krause  (Carus  Sterne),  Tuisko-Land,  der  arischen 
Stämme  und  Götter  Urheimath.  Glogau  1891,  S.  134.  —  Carl  Peters,  Die  deutsche 
Emin  Pascha -Expedition.  München  und  Leipzig  1891,  S.  135.  —  Objets  du  demier 
äge  du  bronze  et  du  premier  äge  du  fer  d^couverts  en  Berry.  Bouiges  1891,  S.  186.  — 
Aurel  von  Török,  Grundzüge  einer  systematischen  Kraniometrie.  Stuttgart  1890, 
S.  139.  —  Ferd.  Freiherr  v.  Andrian,  Der  Höhencultus  asiatischer  und  europäischer 
Völker.  Wien  1891,  S.  139.  —  R.  Verneau,  Les  races  humaines.  Paris,  S.  139.  — 
•  M.  Höfler,  Der  Isar- Winkel,  ärztlich -topographisch  geschildert.  München  1891, 
S.  140.  —  Abhandlungen  zur  Landeskunde  der  Provinz  Westpreussen.  Heft  I.  Anger, 
Das  Gräberfeld  zu  Rondsen.  Graudenz  1890.  Heft  II.  Lissauer,  Alterthümer  der 
Bronzezeit  in  Westpreussen.  Danzig  1891,  S.  231.  —  Richard  Klebs,  Aufstellung 
und  Katalog  des  Bernstein-Museum  von  Stantien  und  Becker,  Königsberg  i.  Pr.  Nebst 
einer  kurzen  Geschichte  des  Bernsteins.  Königsberg  1889,  S.  232.  —  Georg  Jacob, 
Welche  Handelsartikel  bezogen  die  Araber  des  Mittelalters  aus  den  nordisch-baltischen 
Ländern?  Berlin  1891.  Ein  arabischer  Schriftsteller  aus  dem  10.  oder  11.  Jahr- 
hundert über  deutsche  Städte.   Berlin  1890,  S.  233.  —  Alex.  Bertrand,  Nos  origines. 


ly 


La  Gaule  avant  les  Gaulois.  Paris  1891,  S.  284.  —  Moritz  Hocrncs,  Die  Urgeschichte 
des  Menschen  nach  dem  heutigen  Stande  der  Wissenschaft  Lief.  1—12.  Wien,  Pest 
und  Leipzig  1891,  S.  236.  —  Paul  Kohlstock,  Aerztlicher  Rathgeher  für  Ostafrika 
und  tropische  Malariagegenden.  Berlin  1891,  S.  286.  —  W.  Schnarrenberger, 
Die  PfaJilbauten  des  Bodensecs.  Eonstanz  1891,  S.  246.  —  Alois  Baimund  Hein, 
Maeander,  Kreuze,  Hakenkreuze  und  urmotivistische  Wirbelomamente  in  Amerika. 
Wien  1891,  8.  247.  —  Garrick  Mall  er  j,  Israeliten  und  Indianer.  Leipzig  1891, 
S.  248.  —  Snell,  Hexenprozesse  und  Geistesstörung.  München  1891,  8.  248.  — 
Heinrich  von  Wlislocki,  Märchen  und  Sagen  der  Bukowinaer  und  Siebenbürgor 
Armenier.  Hamburg  1892,  S.  249.  —  G.  Hellmann,  Meteorologische  Volksbücher. 
Berlin  1891,  S.  250.  —  Edward  Theodor  Walter,  Skandinarisches  Archiv.  Lund  1891. 
S.  260.  —  Emil  Carthaus,  Ans  dem  Reich  von  Insulinde.  Sumatra  und  der 
malaiische  Archipel.  Leipzig  1891,  6.  251.  —  Achelis,  Adolf  Bastian.  Hamburg  1891. 
S.  252.  —  Christian  Meyer,  Eine  deutsche  Stadt  im  Zeitalter  des  Humanismus  und 
der  Renaissance.    Hamburg  1891,  S.  252. 


Yerhandlangeu  der  Berliner  Gesellsckaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  nnd 

Urgeschichte  mit  besonderer  Pnginirnng. 

Ein  chronologisches  Inhalts -Verzeichniss  der  Sitzungen,  sowie  ein  alphabetisches  Kamen- 
und  Sach- Register  befinden  sich  am  Schlüsse  der  Verhandlungen. 


(Naclirichten  über  deutsche  Alterthnmsfnnde  1891  mit  besonderei:  Pagiulrnng. 

Inhalts -Verzeichniss  nebst  Titel  wird  mit  Nr.  6  ausgegeben. 


Verzeichniss  der  Tafeln. 


Tafel  I.  Kartensteine  der  alten  und  neuen  Welt.    Verhandl.  der  Ges.  S.  251—257. 

9     n.  Wendische  Trachten  der  Niederlausitz.    Verhandl.  der  Ges.  S.  319. 

»     in -IV.   Umrisse  von  Händen,  V  und  VI   Umrisse  von  Füssen  von  Papua.    Zeit- 
schrift S.  156  und  228. 
„     VII— X.    Feuersteingeräthe  aus  Aegjpten     Verhandl.  S,  474. 


Verzeichniss  der  Zinkographien,  Autotypien  und 

Holzschnitte  im  Text. 

(A.  =  Autotypie,  H.  =  Holzschnitt.) 


Zeitschrift  fQr  Ethnologie,  1891. 

Seite    14    40.  Schmuckstücke  der  Völkerwanderungszeit  in  Italien  (57  Zinkogr.). 

87 — 88.  Barbarische  und  griechische  Spiegel  (7  Zinkogr.). 

89 — 188.  Mexikanische  Kalenderfiguren  (88  Zinkogr.). 

n     141—156.  Zur  Maja-Chronologie  (13  Zinkogr.)« 

r     156—280.  Papua-Zeichnungen  (5  Zinkogr.). 

9     287—245.  Alteuropäische  Schmucksachen  mit  orientalischem  Einfluss  (18  Zinkogr.). 


Yerhandlungen  der  Berliner  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie 

und  Urgeschichte,  189L 

Seite   85—41.    Alte  und  neue  Gef&sse,  Flecht-  und  Holzarbeiten,  Spinngeräthe  u.  s.  w.  aus 
Cypem  (26  Abbild.). 
n      48.    Modernes  Holzschloss  von  Cypem  (Fig.  26). 

78.    Neolithisches  Ornament  an  Thongefässen  aus  der  Niederlansitz  (7  Abbild.). 
n       82.    Nephritring  zum  Bogenspannen  (8  Abb.)  von  Erbil,  Mesopotamien. 
„       86—91.    Artefakte  der  Steinzeit  aus  einer  neolithischen  Ansiedlung  bei  Werschetz, 
Ungarn  (Fig.  1—4). 


VI 

Seite    91.    Artefakte  aus  Gold,  Kupfer  und  Bronze  von  Werschetz  (Fig.  5). 
„       95.    Grabumen  ans  der  Flur  Lndosch  bei  Werschetz  (Fig.  1—4). 
y,     118 — 42.   Altmexikanischer  Federschmuck  und  militärische  Rangabzeichen  (%  Abb.)* 
„     151—65.    Altmexikanischer  Federschmuck  (6  Abb.). 
y,     161.    Felsenzeichnung  von  Vancouver  Island. 

f,     179.    Situationsskizzen  des  Schlossberges  von  Rathsdorf,  Westpr.   (2  Zinkogr.) 
y,     186.    Omamentirte  Urnen  und  Grab  von  Hochstüblau,  Kr.  Pr.  Stargardt,  Westpr. 

(Fig.  1-8). 
.,     187.    Giebel  eines  Hauses  in  Werbelin,  Kr.  Putzig,  Westpr. 
„     188.    Giebelverzierungen  aus  Ostpreussen  (41  Abb.). 
^     189—212.     Photographien   ,und  .Umrisszeichnungen    der    Handstands  -  Künstlerin 

Eugenie  Petrescu  (44  Atb.). 
n     238 — 41.    Vorgeschichtliche  Kartenzeichnungen  aus  der  Schweiz  (9  Abb.). 
„     242.    Eiserner  Arbeitslöffel  zu  Ausgrabungen  (2  Abb.). 
„     244.    Miss  Annie  Jonas,  die  b&rtige  Dame  (Autot). 
n     252.    Alte  Kartenzeichnung  des  Nfls  und  der  Seen. 

„     254.    Felszeichnung  und  Erklärung  eines  Kartenbildes  aus  Venezuela  (2  Abb.;. 
„     261.    J.  Rittersbach,  der  Mann  mit  dem  Riesenbart. 

„     263—76.    Hügelgräber  und  Fundstücke  von  Kehrberg,  Kr.  Ost-Priegnitz  (35  Abb.). 
y,     277.    Riemenverzierungen  aus  einem  Hfigelgrabe  von  Milow,  Kr,  West-Priegnitz. 
„     280.    Dualla-Knabe  aus  dem  Oberlande  von  Kamerun  (2  Abb.). 
„     283.    Zwei  Papua-Knaben  von  Neu-Britannien  und  der  Missionsbischof  von  Matupi. 

(Autotypie). 
^     294.    Aegyptische  Bemsteinperle  von  Saqqarah  (H.). 
«     331.    Eisencelt  mit  Keil   und  anliegendem  Ring  aus  dem   Zihl- Kanal  bei  Port, 

Schweiz  (Zinkogr.). 
„     332.    Bronzering  mit  Knöpfen  und  Thierköpfen  von  Port  (4  Autotypien). 
„     336.    Bronze-  und  Thongeräthe  aus  bosnischen  und  kroatischen  (Gräbern  und  ober- 
italienischen Terramaren  (16  Abb.). 
^     337.    Vergleichende  DarsteUung  von  Bronzegeräthen  von  Glasinac,  Bosnien  und 

schweizer  Pfahlbauten  (9  Abb.). 
n     340.    Geologischer  Durchschnitt  einer  Fundstätte  aus  Rio  Grande  do  SuL 
f,     841.    Steinmesser  der  ältesten,   der  mittleren  und  der  neuesten  Periode  aus  dem 

Gebiete  des  Rio  Gahy  und  Forromecco,  Süd-Brasilien  (18  Abb.). 
.     345.    Steinäxte,  Schleifsteine,  Topfsteine  und  Stampf  keulen  von  ebendaher  (9  Abb.). 
n     346.    Scherben,  Angel  und  Knochcnlöffcl  vom  Bodensee  (3  Abb.). 
..     361.    Verletzter  und   angebrannter   Oberarmknochen    aus   einem    Hügelgrabe   von 

Parsberg,  Oberpfalz  (2  Abb.). 
n     366—67.    Xiphodymes  Skelet  eines  Neugeborenen  (2  Autot.). 
n     380 — 81.    Blauer  Glasarmring  und  Eisenmesser  aus  Gräbern   des  Kreuzrains  bei 

Hedingen,  Zürich  (2  Abb.). 
.,     387.    Hametzen  von  der  Nordwestküste  America's  (Autot). 
-     387—95.    Masken,  Flöten,  Bartringe  u.  dergl.  von  Indianern   der  Nordwcstküst« 

America  s  (11  Autotypien). 
.     400.    Kostbare  Perlen  der  Basutho  in  Transvaal  (15  Abb.). 

..     406.    Bronzeschmuck  von  Alt-Storckow  bei  Nörenberg,  Pommern  (3  Abb.  und  H.). 
»     408.    Omamentirte   Hirschzacken  von  einem  modernen  Pferdegeschirr  (Fig.  1)  und 

Feuerstein- Amulet  in  Messingfassung  (Fig.  2)  aus  Oberbayem. 
.,     411.    Feuersteinmesser  (Fig.  1—3),  Bronzeblcch  (Fig. 4)  und  bearbeitete  Knochcnleisten 

mit  Knöpfen  (Fig.  5—7)  aus  archaischen  Gräbern  von  Syracus  (Autotypie). 
.,     413.    Achnlicho  Knochenlebtc  von  Hissarlik  (3  Aut.). 
.     426.    Doppelring  aus  Golddraht  von  Schlesien  (?). 
.     458.    Doppelaxt  aus  Kupfer  (Fig.  1—2),  Pfriemen  mit  Thierkopf  (Fig.  2)   und  Urne 

(Fig.  3)  von  Ketzin,  Osthavelland. 


vn 

Seite  463—64.    Zeus-  und  Blitzbilder  aas  Iliam  (6  Abb.). 

j,  464— ißö.  Probe  arabischer  Zahlzeichen  von  1249  und  einer  dazu  gehörigen  Inschrift 
vom  Drachenfels  in  der  Pfalz. 

„     467.    Sch&del  aus  einem  neolithischen  Grabe  von  Glasow  bei  Löcknitz,  Pommern. 

^     469.    Bktstein  aus  Oberbayem  (2  Abb.) 

n     487.    Silberner  Daumenring  zum  Bogenspannen  (2  Abb.)  vom  Kaukasus  (?). 

r,  491.  Bronzeringe  mit  Knöpfen  und  Thierköpfen  aus  dem  Rhein  und  der  Nachbar- 
schaft (Fig.  1—5)  und  aus  Transkaukasien  (Fig.  6)  (Autotypie  und  H.). 

„  495—506.  Grundrisse  und  Bauart  des  dänischen  Hauses  in  Schleswig  (Fig.  1  aus 
Sörup,  Fig.  2—8  aus  Süderbrarup,  Angeln,  Fig.  4—6  von  Barsö,  Fig  7  von 
Farö,  Fig.  8  von  Kindsby,  Fig.  9  Föhr,  Fig.  10—11  von  Ostenfeld,  Fig.  12—13 
von  Föhr. 

^     521—80.    Babylomsche  Gewichte  (26  Abb.). 

„     582.    Babylonische  Elfenbeinplatte  (2  Abb.). 

..     578.    Situationsskizze  des  Gräberfeldes  von  Rakhameh  im  Negeb. 

n  583—89.  Yorsl^vische  Gräberfunde  der  Niederlausitz  (Fig.  1—8  Niemaschkleba, 
Fig.  4  Ossig,  Fig.  8—14  Reichersdorf). 

„     598.    Slavisches  Thongefäss  vom  Silberberge  bei  WoUin,  Pommern. 

^     594.*  Bronzefund  von  dem  Gräberfelde  von  9^^^^^*  ^-  Lanenburg  (7  Abb.). 

„     597.    Nephritbeil  von  Ohlau,  Schlesien  (3  Abb.). 

y,     602.    Tempelbild  von  Mykenae  (3  Abb.). 

w     604—5.    Darstellungen  des  Palladium  in  Mykenae  (Fig.  1)  und  Tiryns  (Fig.  2—4). 

n     608— 18.    Roggenkomgemmon  des  frühchristlichen  Kirchengeräthes  (21  Abb.). 

„     672—77.    Ringe  und  andere  Einrichtungen  zum  Bogenspannen  (12  Abb.,  A.  und  Z.). 

„     681.    Hünenbett  von  Drebenstedt,  Altmark  (Autot). 

A     691.    Archaische  Bronzefibel  von  Santa  Lucia  im  Litorale  (Z.). 

9     692.    Kartenskizze  der  Nephritgegend  in  Turkestan  (Z.). 

9     694.    Steinwaife  (shouldered  celt)  von  Ober-Birma. 

„     696—97.    Caximbos  von  Rio  Grande  do  Sul  (Fig.  1—10). 

9     697.    Steingeräthe  von  ebendaher  (Fig.  11—22). 

n     699.    Intaglio  eines  Ringes  von  Mykenae  (Z.). 

„     700.    Stierkopf  mit  Doppelaxt  von  Mykenae  (Z.). 

n     703.    Steinzeitliche  Ornamente  aus  Pommern  (12  Abb.). 

n     710.    Topfscherben  aus  dem  Gräborfeide  auf  dem  Galgenberg  bei  WoUin  (6  Abb.). 

9     714.    Slavische  Gefässe  von  ebendaher  (6  Abb.). 

„     717.    Muldenbild  am  Waldsteinfelsen  im  Fichtelgebirge  (2  Abb.). 

m     718.    Der  Herrgottsstein  bei  Hendelhammer  im  Fichtelgebirge  (8  Abb.). 

n     719—24.    Kartenbilder  archaischer  und  wilder  Stänmie  (12  Abb.). 

»     726.    Modernes  Holzthürschloss  von  Barbis  im  Harz  (2  Abb.). 

„     727.    Mandragoras- Wurzeln  aus  dem  Orient  (6  Autot.). 

9     787.    Yorlaubenhaus  von  Lenzen  bei  Elbing  (Z.). 

9     788.    Gkdindischer  Hof-  und  Hausgrundiiss  von  Alt- Wartenberg,  Ostpr.  (Z.). 

n     790—91.    Giebelschmuck  und  Häuser  von  Nidden,  Kurische  Nehrung  (8  Abb.). 

n     792.    Mastschmuck  eines  kurischen  Bootes  (Z.). 

n     792.    Gmndriss  eines  kurischen  Hyises,  iipn  Nidden,  Knrische  Nehrung  (Z.). 

„     795—96.    Häuser  von  Schwarzort,  %urische  Nehrung  (3  Abb.). 

9     799.    Litauischer  Hof  von  Dgenjän  bei  Memel  (3  Abb.). 

^     812.    Orientalisch  bemalte  Scherbe  von  Hissarlik  (Z.). 

»     815.    Bronteringe  mit  Knöpfen  und  Thierköpfen  von  Stradonitz  in  Böhmen  und 
Trentschin,  Ungarn  (7  Autot). 

„     880.    Kartenskizze  der  Völkerstämme  auf  Malacca  (Z.). 

•     889.    Umrisszeichnungen  von  Nasen,  Gesichtsprofil  und  Brust  der  Blandass,  Malacca 
(4  Zinkogr.). 

9     847.    Mundstück  eines  Blasinstruments  aus  dem  Spitzhoch  von  Lattorf  (2  H.). 


vra 

Seite  849.    Kenlenknanf   tod    ebendaher    und    ein   zweiter   ans   der   Wamickcr   Forst, 
Samland  (2  H). 
„     858.    Lituus  von  Hannover  (?)  (3  H.). 
»     861  -  62.    Rillen  an  dem  Isistempel  von  Philae  (2  Abb.)* 
^     877—79.    Rronzeringe  mit  Knöpfen  und  Thierköpfen  von  Elbeteinitz,   Stradoniti, 

Svirov  und  Ptin,  Böhmen  nnd  Mähren  (14  Zinkogr.). 
„     882.    Dnrchlochta  Nadeln  aus  califomischen  Gräbern  (7  Zinkogr.). 


I. 

lieber  einige  weniger  bekannte  Sprachen  aus  der 
Gegend  des  Meta  und  oberen  Orinoco. 

Von 

A.  ERNST  in  Caracas. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  der  B^liner  anthropol.  Gesellschaft  vom  20.  December  1890.) 

Durch  einen  glücklichen  Zufall  gelangte  ich  imlängst  in  den  Besitz 
mehrerer  handschriftlicher  Wörterverzeichnisse  aus  Sprachen  des  genannten 
Gebietes,  deren  Veröffentlichung  von  Interesse  sein  dürfte,  da  der  Inhalt, 
wenigstens  so  weit  ich  hier  die  Sache  zu  beurtheilen  vermag,  noch  grössten- 
theils  unbekannt  zu  sein  scheint» 

Leider  kann  ich  über  die  Herkunft  der  Listen  nur  mittheilen,  dass 
dieselben  aus  dem  Nachlasse  eines  Herrn  Firmin  Toro  stammen,  der 
im  Jahre  1865  in  Caracas  starb  und  sich  als  Schriftsteller  und  Staatsmann 
einen  sehr  geachteten  Namen  unter  seinen  Landsleuten  erworben  hat.  Auf 
wissenschaftlichem  Gebiete  beschäftigte  er  sich  viel  mit  Botanik;  dass  er 
ausserdem  der  amerikanischen  Linguistik  eine  gewisse  Aufmerksamkeit 
zugewendet  hat,  beweisen  überdies  seine,  mir  gleichfalls  vorliegenden  um- 
fangreichen Aufzeichnungen  über  die  Sprache  der  Guajiros.  Das  von  ihm 
selbst  geschriebene  Manuscript  dürfte  wegen  mehrerer  Provinzialismen  in 
den  spanischen  Wörtern  neu-granadischen  Ursprungs  sein;  wahrscheinlich 
verschaffte  sich  Toro  das  Jbotreffende  Material  in  Bogota,  wo  er  sich 
längere  Zeit  als  venezuelanischer  Gesandter  aufhielt. 

Das  Heft  enthält  Angaben  über  die  Sprachen  der  nachfolgenden  sieben 
Stämme:  Achaguas,  Pamiguas,  Churruyes,  Tamas,  Guahibos, 
Sebondoyes  und  Almagueros. 

Bei  dem  anonymen  Charakter  der  Verzeichnisse  könnte  allerdings  ihre 
Zuverlässigkeit  angezweifelt  werden,  und  ferner  wäre  es  möglich,  dass  die- 
selben nur  Abschriften  aus  irgend  welchen  gedruckten  Werken  sind.  In 
Betreff  des  ersten  Punktes  glaube  ich  jtdoch,  dass  die  Uebereinstimmungen, 
welche  einige  der  Vocabulare  (Tamas,  Churruyes,  Guahibos  und  Almagueros) 
mit  anderweitig  bereits  bekanntem  Material  zeigen,  auch  zu  Gunsten  der 
allgemeinen  Richtigkeit  der  übrigen  sprechen.  Was  den  zweiten  Punkt 
anbetrifft,  so  finden  sich  in  den  einschlägigen  Hauptwerken  von  Gilij  und 
Hervas,  soweit  mir  dieselben  hier  zugänglich  sind,  nur  sehr  allgemeine 
Angaben  über  einige  der  genannten  Sprachen.  Sollte  eine  andere  gedruckte 
Quelle  vorhanden  sein,  so  ist  dieselbe  auch  den  belesensten  Amerikanisten 
unbekannt  geblieben,    da  die  beiden  neuesten  Arbeiten  auf  diesem  Felde, 

Z«iuclirift  für  Bthnologie.    Jahrg.  1891.  1 


A.  Ernst: 


voD  Karl  von  den  Steinen  nnd  Lucien  Adam*),  die  angeführten  Stämme, 
oder  wenigstens  einige  derselben,  im  entgegengesetzten  Falle  sicherlich 
irgendwie  berücksichtigt  hätten. 

Indem  ich  aus  den  vorstehenden  Gründen  die  Publikation  dieser 
Vocabulare  übernehme,  habe  ich  geglaubt,  es  dürfte  nicht  überflüssig  sein, 
einige  weitere  erläuternde  Bemerkungen  hinzuzufügen,  die  sich  namentlich 
auf  die  Ethnologie  der  genannten  Stämme  beziehen.  Die  Aussprache  ist 
in  allen  Listen  spanisch. 


Gott:  guamander. 

Mann:  guasiari  caber. 

Frau:  inetua. 

Kind  (neugeborenes):  tirracua. 

Knabe:  samarto. 

Mädchen:  samarta. 

alter  Mann:  salirran. 

alte  Frau:  saritoen. 

Seele,  Geist:  favanäs. 

Körper:  nu-nacaje. 

Kopf:  nu-bita. 

Haar:  nu-bives. 

Stirn:  nu-nane. 

Ohr:  nu-biva. 

Nase:  nu-daco. 

Mund:  nu-numa. 

Kinn:  nu-cinuma. 

Schulter:  nu-cejo. 

Ellbogen:  nu-na. 

Arm:  nu-natuer. 

Hand:  nu-caje. 

Daumen:  nucaje  manä  jui. 

Zeigefinger:  nucaje  junf. 

Mittelfinger:  nucaje  beba  mise*). 

Ringfinger:  nucaje  emana  case*). 


1.    Achagua. 

I     kleiner  Finger:  nucaje  enibe. 
i     Feuer:  chichäy. 

Wasser:  cietey(?). 

Salz:  nibituma. 

Beil:  chu. 

Waldmesser:  nu-mästen*). 

Lasst  uns  gehen:  vacavaje. 

Wie  geht  es  dir?:  citajicabiope. 

gut,  wohl:  ceica. 

krank:  nu-barinaca. 

Gute  Nacht:  taicarajin. 

Freund:  nu-taricäy. 

Er  ist  erzürnt:  ibin  taibaba. 

Kaiman:  umana. 

Honig:  maba. 

Biene:  nanay. 

Ameke:  guesi. 

Gürtelthior:  che. 

Wald- Gürtel thier:  che-manuy. 

Jaguar:  chabi. 

Puma:  mirrienari. 

Bär  (Ursus  omatus):  sarro. 

Fuchs:  isärito. 

Eichhörnchen:  matin. 

Hund:  auri. 


1)  Karl  von  den  Steinen,  Vergleichende  Tabelle  der  Nu-Aruak  (Durch  Central- 
BrasUien,  8.  294)  —  Lucien  Adam,  Trois  faniiUes  lingrnistiques  des  bassins  de  TOr^noqne 
et  de  TAmaxone  (Compte-rendu  du  Congres  inttmational  de«  Amöricanistes,  Berlin  1888, 
p.  489— 497;. 

2)  Nach  dem  Vocabular  wörtlich:  «mein  Finger,  der  in  der  Mitte  ist**. 
8)   Nach  dem  Vocabular  wörtlich:  «mein  Finger,  der  an  einer  Seite  ist". 

Beide  Erklärungen  i,zu  2  und  3)  scheinen  mir  etwas  verdächtig,  da  nucaje  seiner 
Stellung  nach  doch  wohl  eine  Beziehung  des  Besitzes  bezeichnet,  abo  mit  «der  Hand**  lu 
übersetzen  ist 

4)  Vielleicht  Terdorben  aus  dem  span.  machet«. 


Ueber  einige  Sprachen  aus  der  Gegend  des  Meta  und  oberen  Orinoco. 


Tapir:  emayenesi. 
Nabelschwein:  chamü. 
Kaninchen:  pamparuma. 
Reh:  ner. 
Aasgeier:  gnaehnri. 
Weisser  Aasgeier:  guachori  cabarey. 
Hoccohuhn:  subita,  cnisi. 
Berghuhn:  marrey,  cutuy. 
Adler:  caibai. 
Huhn,  Henne:  tabamay. 
Dies  ist  mein  grosser  Hahn:  taba- 
may besieri  caberre. 
Topf:  carraje. 
Kalabasse:  muriquia. 
Teller:  mitaje. 
Löffel:  biya. 

Tisch:  mesani  (hisp.  mesa). 
Chicha:  cutuy. 

Ich  füge  noch  aus  Gilij  (HI. 
nujä:  ich. 
gijä:  du. 
pijä:  er. 


Banane:  paratona. 
Zuckerrohr:  basue. 
Mandioca  (süsse):  quenirro. 

„         (bittere):  arir. 
Cassave  (Mandioca -Brot):  berre. 
Mais:  cana. 
Pluss:  uniaco. 
Wald:  abaca. 
Savanne:  bachaida. 
Silber:  barroa. 
Gold:  jirri. 
geh:  vayuba. 
schwarz:  cachajurey. 
eins:  abaf. 

zwei:  chamay,  ochamay. 
drei:  matavi. 
vier:  grajunejaca. 


346)  die  Personal -Pronomina  hinzu 


guaja:  wir. 
ijä:  ihr. 
najä:  sie. 


rujä:  sie. 

Aus  dem  Vocabular  geht  deutlich  hervor,  däss  die  Achaguas  zur 
Familie  der  Nu-Aruak  gehören,  und  dass  auch  Gilij  Recht  hat,  wenn  er 
ihre  Sprache  für  nahe  verwandt  mit  dem  Maipure  hält.  Hervas  sagt 
zwar  auch,  das  Achaguas  sei  ein  Dialekt  des  Maipure  (Catal.  de  las  len- 
guas,  I.  208),  bezweifelt  aber  doch  bald  darauf  (I.  220),  dass  dies  so  sein 
ktane  wegen  der  Nachbarschaft  mit  den  Omaguas,  deren  Sprache  zum 
Guarani  gehört.  In  ähnlicher  Weise  bringt  auch  Friedrich  Müller 
(AUgem.  Ethnographie,  272)  die  Achaguas  irrthümlich  mit  den  Omaguas 
zu  den  Tupis  und  Guaranis.  Waitz  (Anthrop.,  HL  428)  meint  ebenfalls, 
indem  er  sich  auf  Vater  stützt,  dass  alle  Völker,  deren  Namen  dem  der 
Omaguas  gleich  sind  oder  diesen  als  Bestandtheil  enthalten,  auch  ver- 
muthlich  Verwandte  derselben  sind.  So  weit  diese  Ansicht  die  Achaguas 
betrifft,  ist  sie  entschieden  aufzugeben,  und  würde  sie  kaum  auf  diese 
Anwendung  gefunden  haben,  wenn  man  die  Angaben  des  verdienstvollen 
Gilij  gebührend  berücksichtigt  hätte. 

Von  den  alten  Achaguas  handelt  mit  ziemlicher  Ausführlichkeit  der 
Jesuitenpater  JuanRivero  in  seiner,  im  Jahre  1883  in  Bogota  zuerst 
gedruckten  Historia  de  las  Misiones  de  los  Llauos  de  Casanare 
y  los  rios  Orinoco  y  Meta,  die  im  Jahre  1736  geschrieben  wurde.  Er 
ist  nach  Gilij  (HI.  410)   auch  Verfasser  eines  Wörterbuches  der  Sprache 

f 


4  A.  Ernst: 

der  Achaguas,  wahrscheinlich  desselben,  welches  sich,  wie  ich  glaube 
irgendwo  gelesen  zu  haben,  handschriftlich  in  der  Priyatbibliothek  des 
Königs  von  Spanien  befindet. 

Nach  allen  Berichten  waren  die  Achaguas  ein  zahlreicher  Stamm  von 
friedfertigem  und  gelehrigem  Naturell,  der  aber  gerade  aus  diesem  Grunde 
durch  die  Grausamkeiten  der  Spanier  und  die  Angriffe  der  benachbarten 
Chiricoas  und  Guahibos  bald  aufgerieben  wurde.  Sie  bewohnten  in  alten 
Zeiten  einen  grossen  Theil  der  weiten  Ebenen  südlich  vom  Apure  bis  zum 
Orinoco  und  über  den  Meta  hinaus;  doch  schon  zu  River o's  Zeit  existirten 
nur  noch  vereinzelte  kleine  Horden,  auf  die  er  den  Vers  des  Virgil  an- 
wendet: Apparent  rari  nantes  in  gurgite  vasto. 

Der  Stamm  zerfiel  in  eine  Menge  von  Clans,  deren  meist  sehr  lange 
und  schwerfallige  Namen  oft  auf  berrenais  endigen,  z.  B.  Marraiberrenais, 
Guachurriberreuais,  Maiiuberrenais,  Atarruberrenais,  Charaberrenais,  Virrali- 
berrenais,  Murriberrenais,  Isirriberrinais;  andere  Namen  sind  Juadavenis, 
Quirichanies,  Guadevenis,  Chubacanamis,  Jurredas,  Majurrubitas,  Nerichen, 
Chevades  und  Cuchivavas.  Die  Endung  berrenais  erinnert  allerdings  an 
berre  (Cassave-Brot);  doch  glaube  ich,  dass  ihre  Wurzel  in  dem  zweiten 
Theile  (caber)  des  Wortes  für  Mann  zu  suchen  ist.  Dafür  scheint  auch 
zu  sprechen,  dass  Rivero  auf  p.  326  angiebt,  der  Name  der  Isirriberrinais 
komme  von  isirri  (Fledermaus),  weil  diese  Indianer  glaubten,  von  einer 
Fledermaus  abzustammen.  Sie  wären  demnach  wörtlich  „Fledermaus- 
Männer**  und  das  genannte  Thier  war  wohl  ihr  Totem.  Rivero  hat  das 
allerdings  nicht  so  verstanden;  er  sagt,  diese  Namen  seien  nur  ein  Scherz, 
wie  aus  dem  Worte  cuisaunasi  hervorgehe,  womit  man  im  Allgemeinen 
jeden  Clan  bezeichne,  das  aber  eigentlicli  „chanza,  burla"  bedeute. 

Die  Achaguas  waren  wohl  gebaut  und  von  guter  Grösse  („gente  bien 
dispuesta,  de  forma  gallarda  y  de  buen  talle").  Beide  Geschlechter  trugen 
das  dichte  Haupthaar  lang,  bis  zum  Gürtel  hinabhängend.  Vor  ihrer 
Bekehrung  durch  die  Jesuiten  gingen  die  Männer  ganz  nackt  oder 
gebrauchten  höchstens  einen  kleineu  Sehamschurz;  während  die  Weiber 
sieh  vom  mit  einer  aus  feinen  Palmenfasern  sorgsam  geflochtenen  Matte 
(Haute)  bedeckten,  die  etwa  3  Fuss  lang  und  27f  Fuss  breit  war  und 
durch  Schnüre  an  den  Schultern  festgehalten  wurde.  Die  Barthaare  wurden 
auf  das  Sorgfältigste  entfernt,  sei  es  durch  aufgeklebtes  Harz,  welches 
man  dann  gewaltsam  abriss,  oder  durch  kleine  hölzerne  Zangen,  oder 
durch  Fäden,  die  man  möglichst  nahe  an  der  Haarwurzel  befestigte,  um 
das  Haar  damit  herauszureissen.  Der  ganze  Körper  wurde  bemalt,  oft  in 
sehr  bunten  Mustern;  doch  färbte  man  Kopf  und  Haare  gewöhnlich  roth 
mit  Chica  und  die  Hände  schwarz  (mit  dem  Fruchtsafte  der  Genipa- 
Caruto). 

Die  Weiber  bestellten  Anpflanzungen  von  Mandioca,  aus  deren  Wurzeln 
sie    in    bekannter  Weist»    das    von    ihnen    berri    genannte    Cassave-Brot 


Üeber  einige  Sprachen  aus  der  Gegend  des  Meta  und  oberen  Orinoco.  5 

machten,  welches  auch  bei  ihnen  zur  Bereitung  eines  berauschenden 
Getränkes  (berria)  verwandt  wurde,  von  dem  sie  ganz  erstaunliche  Mengen 
consumirten,  wobei  der  spanische  Pfeffer  (Capsicum)  als  Reizmittel  des 
Durstes  diente.  Salz  war  ihnen  ursprünglich  unbekannt;  wahrscheinlich 
bekamen  sie  es  zuerst  von  den  am  Ostfusse  der  Cordillere  wohnenden 
Stämmen,  in  deren  Gebiete  noch  heut  zu  Tage  salzhaltige  Quellen  aus- 
genutzt werden. 

Die  Männer  betrieben  Jagd  und  Fischfang.  Ihre  Pfeile  waren  oft 
mit  Curare  vergiftet,  das  sie  durch  Tausch  von  ihren  Nachbarn  am  oberen 
Orinoco  erhielten.  Auch  beim  Fischfänge,  der  in  den  zahlreichen  Gewässern 
ihres  Landes  sehr  reichlichen  Ertrag  gewährte,  bedienten  sie  sich  des 
Bogens,  gebrauchten  aber  ausserdem  Lanzen  und  Harpunen,  letztere 
namentlich  bei  grösseren  gemeinsamen  Unternehmungen,  wobei  sie  im 
Flusse  quer  verlaufende  Hürden  aus  starkem  Rohr  anlegten,  gegen  welche 
die  durch  den  giftigen  Saft  der  Cuna -Wurzel  (wahrscheinlich  eine  Art 
der  Gattung  Tephrosia)  betäubten  Fische  in  grossen  Mengen  strom- 
abwärts trieben.  Beim  Beginne  der  Fischerei,  der  mit  dem  der  trockenen 
Jahreszeit  zusammenfällt,  beobachteten  sie  einen  von  River o  beschriebenen 
Gebrauch,  der  chaca  genannt  wurde  und  eine  Art  ritueller  Einweihung 
gewesen  zu  sein  scheint.  Man  kochte  nehmlich  in  einem  grossen  Topfe 
einige  der  zuerst  gefangenen  Fische  und  unter  diesen  einen  sehr  kleinen, 
der  chaca  hiess,  und  brachte  überdies  eine  Menge  Cassave-Brot  und 
Tabaksblätter  zur  Stelle.  Der  Piache  blies  dann  unter  mancherlei 
Ceremonien  und  Gesängen  Tabaksrauch  auf  Fische  und  Brot,  worauf  beides 
unter  die  Anwesenden  vertheilt  und  von  diesen  gegessen  wurde,  damit  der 
bevorstehende  Fang  reichlich  ausfallen  und  Jedermann  vor  Unfall  bewahrt 
bleiben  möchte.  Ebenso  gab  man  den  Kindern  von  diesem  „Speiseopfer", 
um  sie  gegen  alle  schädlichen  Folgen,  auch  des  übermässigsten  Fisch- 
genusses, zu  sichern,  und  gleichfalls  den  jungen  Mädchen,  die  hierdurcli 
vor  zu  grosser  Beleibtheit  in  späteren  Jahren  geschützt  werden  sollten. 
Rivero  hält  den  Gebrauch  natürlich  für  Teufelswerk;  doch  hat  er  kaum 
den  ganzen  Vorgang  richtig  verstanden,  da  er  von  der  Bedeutung  dos 
kleinen  Fischleins,  das  doch  eine  grosse  Hauptsache  dabei  zu  sein  scheint, 
gar  nichts  zu  sagen  weiss.  Vielleicht  lässt  sich  der  Sinn  durch  Vergleich 
mit  ähnlichen  Gebräuchen  bei  anderen  Fischerstämmen  weiter  aufklären, 
wobei  ich  beispielsweise  an  eine  Sitte  der  Timucua  erinnern  will,  bei 
denen  die  Eröffnung  der  Fischerei  auch  mit  bestimmten  religiösen 
Ceremonien  stattfand*). 

Die  Achaguas  lebten  meistens  in  Polygamie.  Rivero  berichtet  nichts 
über   besondere  Hochzeits-Gebräuche;    dagegen  macht  er  einige  Angaben 

1)  Man  tergleiche  die  aus  Pareja's  Katechismus  von  Gatschet  (Zeitschr.  f.  Ethnol. 
XIIL  S.  195)  und  von  Raoul  de  la  Grasserie  (Compte-rendu  du  Congres  intern,  des 
Am^eanistes,  Berlin  1888,  pag.  409)  angeführten  Fragen  des  Beichtvaters. 


6  A.  Ernst: 

über  Behandlung  der  Kranken  und  Art  der  Leichenbestattung.  Die  Kranken 
erhielten  keine  Pflege,  nur  legte  man  neben  ihre  Hängematte  aUe  ihre 
Waffen,  damit  sie  sich  damit  gegen  Krankheit  und  Tod  vertheidigen  könnten. 
Manchmal  blieb  indessen  auch  ein  Mitglied  der  Familie  neben  dem  Kranken, 
um  seinen  Körper  mit  Tabaksrauch  anzublasen^  oder  eine  Frau,  um  mit 
der  grössten  Ruhe  seine  Haare  zu  kämmen.  War  der  Tod  eingetreten, 
80  wurden  sämmtliche  Genossen  des  Clan  durch  besondere  Boten  nach 
der  Hütte  beschieden,  wo  sie  unter  reichlichem  Chicha-Genuss  schreiend 
und  heulend  drei  bis  vier  Tage  lang  das  Andenken  des  Verstorbenen 
priesen  und  ihn  schliesslich  in  ein  in  der  Hütte  geöffnetes  Grab  mit  allen 
seinen  Habseligkeiten,  Waffen  und  einigen  Lebensmitteln  begruben,  aus 
welchen  Zugaben  River o  wohl  mit  Recht  auf  ihren  Glauben  an  ein  Fort- 
leben nach  dem  Tode  schliesst. 

Die  religiösen  Vorstellungen  waren  wenig  verschieden  von  denen 
anderer  Stämme.  Nacli  Rivero  hatten  sie  die  Idee  eines  Schöpfers  aller 
Dinge,  neben  welchem  er  mehrere  Untergötter  nennt,  wie  z.  B.  Jurrana- 
minari,  den  Gott  der  Anpflanzungen;  Baraca,  den  Gott  des  Reichthums; 
Cuisiabirri,  den  Gott  des  Feuers;  Pruvisana,  den  Urheber  der  Erd- 
beben; Achacatö,  den  dummen  Gott  („dies  tonto"),  u.  s.  w.,  jedenfalls 
nichts  weiter  als  mehr  oder  weniger  persönlich  gedachte  Erscheinungen 
des  Naturlebens.  Sie  hatten  auch  eine  Sage  von  einer  allgemeinen  Fluth, 
die  sie  catana  nannten,  und  von  der  sie  erzählten,  dass  einer  ihrer  Vorfahren 
sich  durch  <lie  Flucht  nach  einem  hohen  Berge  gerettet  habe.  Götzenbilder 
kannten  sie  nicht;  dagegen  hatten  sie  Zauberer,  die  aus  der  Begegnung 
mit  gewissen  Thieren,  den  Stimmen  der  Vögel  und  anderen  Zufälligkeiten 
die  Zukunft  verkündigten,  wobei  sie  sich  durch  Einathmung  des  Niopo- 
Pulvers  in  einen  ekstatischen  Zustand  versetzten.  Wie  alle  Naturmenschen 
waren  die  Achaguas  fest  überzeugt  von  der  Realität  ihrer  Träume,  und 
verbrachten  einen  Theil  des  Morgens,  um  sich  dieselben  gegenseitig  zu 
erzählen.  Von  besonderen  Cultus- Handlungen  wird  nichts  berichtet;  doch 
dürften    ihre,    chuvay  genannten  Masken-Tänze  hierher  zu  rechnen  sein. 

Um  ihre  Feinde  auf  eine  den  Thäter  nicht  compromittirende  Weise 
aus  der  Welt  zu  schaffen,  brauchten  sie  gewisse  Zaubermittel,  die  in  ganz 
ähnlicher  Form  bei  vielen  Völkern  vorkamen  und  noch  heute  vorkommen. 
Man  suchte  sich  Haare,  Abschnitte  der  Nägel,  Speichel  und  andere  der- 
gleichen Dinge  von  der  zum  Opfer  bestimmten  Person  zu  verschaffen, 
machte  aus  diesen  mit  chica  (dem  rothen  Farbestoff  der  Arrabidea 
ehlca)  eine  Mischung,  die  carrage,  mojan  oder  auch  camerico  genannt 
wurde,  und  indem  man  dabei  laut  den  bösen  Geist  anrief  („invocando  a 
grandes  voces  al  demonio**),  glaubte  man  sicher  den  Tod  des  Feindes  zu 
veranlassen*).     Auf   wirklicher  Vergiftung   scheint    die  Tödtung   mit    den 

1)   üeber  Zauber  mit  Menschenblut  und  anderen  Theüen  des  Körpers  vergleiche  man 
den  interessanten   Aofsati  von   Ulrich  Jahn   in   den  VerhandL  der  Berliner  Gesellschalt 


Ueber  einige  Sprachen  ans  der  Gegend  des  Meta  and  oberen  Orinoco.  7 

kurzen,  rothen  Haaren  eines  Wurmes  oder  einer  Raupe  (Rivero  sagt,  es 
sei  eine  Schlange)  zu  beruhen,  den  die  Achaguas  barbari  nannten,  und 
die  man  heimlich  in  die  Speise  oder  das  Getränk  der  betreffenden  Person 
brachte,  deren  Tod  dann  in  drei  oder  vier  Monaten  nach  einer,  von  öfterem 
Bluterbrechen  begleiteten  Abzehrung  erfolgte. 

Die  Achaguas  lebten  in  Hütten  von  eigenthümlicher  Construction. 
Rivero  beschreibt  dieselben  leider  nicht,  giebt  aber  an  (p.  35),  dass  man 
an  ihrer  Form  und  Bauart  schon  von  weitem  eine  Niederlassung  der  Acha- 
guas erkennen  konnte.  Ihre  Hängematten  waren  aus  Palmenfasern  gefertigt. 
Im  Verkehr  mit  anderen  Stämmen,  und  namentlich  mit  den  Cariben  des 
Orinoco,  benutzten  sie  ausser  Tauschartikoln  auch  eine  Art  Muschelgeld, 
welches  quiripa  hiess  und  von  den  Maibas  am  Canapurro  während  der 
Regenzeit  angefertigt  wurde*). 

Gegenstand  des  Handels  waren  unter  anderen  Artikeln  auch  die  bunten 
Federn  der  verschiedenen  Arten  von  Papageien,  und  die  Achaguas  ver- 
standen es,  die  Vögel  so  zu  behandeln,  dass  ihre  Federn  von  viel  grösserer 
Farbenpracht  wurden,  als  gewöhnlich.  Zu  diesem  Zwecke  rupfte  man 
dem  Vogel  die  Federn  aus  und  bedeckte  dann  die  Haut  mit  einer  Salbe, 
deren  Zusammensetzung  Rivero  also  beschreibt:  Man  nahm  eine  gewisse 
Kröte  und  verwundete  dieselbe  durch  mehrere  Stiche  in  den  Rucken, 
bis  Blut  kam.  Darauf  brachte  man  das  Thier  in  eine  Calabasse  und  rieb 
die  Wunden  mit  Capsicum- Pulver  ein.  Das  nach  dieser  Behandlung  aus- 
tretende, mit  Eiter  vermischte  Blut  vermengte  man  schliesslich  mit 
gepulvertem  Chica,  und  die  Salbe  war  fertig.  Es  ist  bekannt,  dass  viele 
andere  Stämme  noch  heut  zu  Tage  es  verstehen,  durch  ein  wahrscheinlich 
ähnliches  Verfahren  die  Farbe  der  Federn  lebender  Vfegel  zu  ändern,  und 
wäre  es  von  Interesse,  wenn  einmal  das  seltsame  Experiment  von  einem 
in  der  Physiologie  der  Thiere  wohl  bewanderten  Beobachter  genau  studirt 
würde. 

Im  Jahre  1606  unternahm  ein  gewisser  Alonso  Jimenez  die  erste 
Expedition  in  das  Gebiet  der  Achaguas,  bei  welcher  Gelegenheit  viele  der 

für  Anthropologie  1888.  S.  131  und  132,  und   auch  Lubhock,   Origin  of  CiviÜsation,  im 
5.  Kapitel  (Spanische  Uebersetzung  yon  Josä  de  Caso,  Madrid  1889.  p.  209,  211). 

1)  So  sagt  Rivero,  p.  19,  38.  Der  Canapurro  soll  nach  ihm  ein  wasserreicher 
Fluss  sein,  den  Onocutare  aufnehmen  und  in  den  Orinoco  münden.  Ich  habe  keinen  der 
beiden  Namen,  weder  auf  Karten,  noch  in  Büchern,  auffinden  können.  Da  jedoch  der 
Onocutare  nach  Rivero  etwa  drei  Tagereisen  nördlich  vom  Meta  fliesst,  so  ist  vielleicht 
der  Capanoparo  der  Karten  der  hier  genannte  Canapurro.  Den  Onocutare  vermag  ich 
nicht  zu  identi£ciren.  Die  Maibas  müssen  ihr  Muschelgeld  aus  Flussmuscheln  gemacht 
haben,  vielleicht  aus  der  oft  über  einen  Decimeter  langen  Unio  sjrmatophora  Gronov., 
die  in  aUen  jenen  Flüssen  vorkommt  und  unter  dem  Namen  guarura  am  ganzen  Orinoco 
bekannt  ist  Im  National -Museum  von  Caracas  befinden  sich  einige  aus  Muschelschalen 
gearbeitete  Scheiben,  von  5 — Q  an  Durchmesser  und  mit  einem  runden  Loche  in  der 
Mitte,  die  wohl  auch  Muschelgeld  sind.  Dieselben  wurden  in  einer  Höhle  des  Kalkgebirges 
von  Tn^jillo  gefunden  und  scheinen  aus  dem  Flügel  des  Strombus  gigas  geschnitten 
zn  sein,  dessen  wellige  Faltung  auf  der  einen  Seite  noch  deutlich  sichtbar  ist. 


8  A    tlRN8T: 

letzteren  erschlagen  oder  als  Sklaven  fortgeführt  wurden.  Andere  folgten 
ihm,  bis  endlich  im  Jahre  1661  die  Jesniten  Erlauhniss  erhielten,  Missionen 
unter  diesen  Indinnem  anzulegen.  Diese  scheinen  ziemlich  guten  Erfolg 
gehabt  zu  haben;  doch  mit  der  Vertreibung  des  Ordens  aus  Spanien  ver- 
fiel Alles  und  die  Achaguas  kehrten  zu  ihrem  alten  Leben  zurück.  In 
Venezuela  stammt  noch  aus  jener  Zeit  der  Missionen  der  Name  des  Ortes 
Achaguas  in  der  Provinz  Apure;  was  aber  dort  noch  von  Abkömmlingen 
der  Indianer  lebt,  ist  eine  bunte  Mischung  aller  möglichen  Elemente.  In 
Neu-Granada  dagegen  giebt  es  noch  einige  Hunderte  von  Achaguas  von 
reinerer  Rasse,  unter  denen  wahrscheinlich  das  mitgetheilte  Vocabular  auf- 
genommen worden  ist.  Sie  bewohnen  als  halbe  Nomaden  die  Ebenen  im 
Osten  der  Staaten  Boyacd  und  Cundinamarca,  vom  Casanare  südlich  bis 
zum  Vichadu  und  Meta.  Perez  behauptet,  unter  Brüdern  sei  Polyandrie 
bei  ihnen  im  Schwange,  aus  Mangel  an  Weibern,  da  die  Mütter  gewöhn- 
lich neugeborene  Kinder  weiblichen  Geschlechts  tödten.  Einige  verfertigen 
Thongeschirr,  welches  sie  mit  Eisen-  und  Manganoxyd  bemalen  und  die 
Farbe  dann  durch  einen  Firnis  aus  dem  Harze  der  Hyraenaea  cour- 
bar il  fixiren*). 

Aristides  Rojas')  giebt  die  nachstehende  Uebersetzung  des  Vater- 
unsers in  die  Sprache  der  Achaguas,  nach  Vergara  y  Yergara,  Historia 
de  la  literatura  en  Nueva  Granada  (Bogota  1867),  einem  Werke,  welches 
ich  leider  nicht  habe  consultiren  können: 

Guasina  bai,  yerricäi  erri  irrico,  santificaba  jidena,  rinubita  guarrico 
jisina  Reino  rimedabita  jibabaitacare  cainabe  itaba  erri  irrico  chu-Guaba- 
baida  cajurrucha  sai  jiayu  guarriuni  guarreje,  cayacachu  jibabaidauyuni 
guaucha  guamabenicare  guayabaidacachuni  camabenioarebeni  yucha  guariu 
cayacachu  ujita  jide  guacaeaba  tentacasimaco  :  riayucata  gizamanidauyucubi 
menami  masicaibe  yuch^     Amen. 

Nahe  verwandt  mit  den  Achaguas  ist  der  heute  sehr  kleine  Stamm 
der  Amarizanas  von  Giramena  am  oberen  Meta,  die  gleichfalls  von  den 
Jesuiten  christianisirt  vrurden.  Rivero  leitet  ihren  Namen  vonamarizan 
ab,  wie  eine  gewisse  Art  von  Schlangen  heissen  soll,  welche  die  Indianer 
als  ihren  Stammvater  betrachten  und  die  hiemach  wohl  ihr  Totem  war. 
Nach  F.  Perez  sollen  noch  etwa  1200  im  Staate  Cundinamarca  leben, 
eine  vermuthlich  viel  zu  hoch  gegriffene  Zahl.  Dieselben  wurden  im 
Jahre  1824  von  Mariano  Eduarde  de  Rivero  y  Ustariz  besucht,  bei 
welcher  Gelegenheit  er  ein  kurzes  Vocabular  ilirer  Sprache  aufnahm,  das 
in    seiner    „Coleecion    de    Memorias    cientificas,    agricolas    e    industriales^ 


1)  Felipe  Perez,   Jeografica  ftsica  i  politica   de  los  Estados  Unidos  de  Colombia. 
n.  (Bogota  1863)  paj?.  215,  363. 

2)  A.  Rojas,   Kstüdios  indfgenas  (CarÄcas  1878),  pag.  214. 


Ueber  einige  Sprachen  ans  der  Gegend  des  Meta  und  oberen  Orinoco.  9 

abgedruckt  steht*),  und  welches  ich  aus  dem  in  der  Anmerkung  gegebenen 
Grunde  hier  einschalte. 


Sonne:  keybin. 
Mond:  kede. 
Stern:  ivine. 
Mann:  guarina  licaverri. 
Frau:  insatoä. 
Wasser:  cietay. 
Banane:  paratuna. 
Mandioca:  alirri. 
Haus:  cagii. 
Baum:  irita. 


2.    Amarizama. 
Knabe:  samane. 
Topf:  curragi. 
Auge:  no-tuy. 
Mimd:  no-numa. 


Kopf:  nu-ita. 
sprechen:  muylak. 
essen:  nuniak. 
trinken:  nuiraca. 


Nase:  nu-cariz  (spanisch  i  schlafen:  nuimaca. 

nariz).  rufen:  agua. 

Ohr:  nu-bi.  schnell:  guariguari. 

Zahn:  nu-e.  wir  sprechen:  noa  ita. 

Fuss:  nu-iba.  jene  sprechen:  ariede  ita. 


Hand:  nu-cagi. 

Die  Aehnlichkeit  mit  dem  Achagua  ist  ohne  Zweifel;  manche  fremde 
Elemente  scheinen  jedoch  hinzugekommen  zu  sein.  So  stimmt  kede 
(Mond)  zu  Tariana  kethi  (Mond,  Sonne),  nu-niak  (essen)  zu  Moxo  nu- 
nico  (ich  esse),  nu-imaca  (schlafen)  zu  Tariana  nu-maka  (ich  schlafe), 
und  alle  übrigen  mit  nu  beginnenden  Wörter  gehören  gleichfalls  vielen 
anderen  Sprachen  der  Nu-Aruak  an. 


Gott:  chimaja,  chuiraaja. 
Mann:  picsiga. 
Frau:  nixta. 
Knabe:  mecv6. 
Mädchen:  nixta -mecve. 
Geist:  amayijaga. 
Körper:  gocua. 
Kopf:  blusteä. 
Feuer:  equisä. 
Wasser:  nicague. 
Salz:  saja. 

Laset  uns  gehen :  menäja. 
Guten  Tag,  Gute  Nacht: 
ayojagua. 


3.    Pamigua. 

Freund:  comijaguiga. 
Feind:  quinoja. 
Guacharaca    (Penelope 
argyrotis):  nontaca. 
Jaguar:  jinagä. 
Banane:  mandotä. 
Mandioca:  joayoa. 
Mais:  jucjd. 
Hund:  jannö. 
Auge:  sete  (jete?). 
eins:  chijance. 
zwei:  sajancesa. 


vier:  chijastijance. 
fünf:  sacsucuaja. 
sechs:    coadsucuaja  ayi- 

paquiaji. 
sieben:    sabsepsa  ayipa- 

quiaji. 
acht:  sabsepsa  chibsuaja. 
neun:     chiastipsa     ipa- 

quiaji. 
zehn :     patsucuaja     ipa- 

quiaji. 
elf:  chipse  ipaquiaji. 


drei:     sajance,     sanchi-  zwanzig:    cinchinä    ipa- 


cance. 


quiaji. 


Nach  einer  Anmerkimg  in  dem  Toro 'sehen  Manuscripte  wohnen  die 
PamiguasVin  Concepcion  de  Arama,  einem  Dörfchen  in  den  Llanos 
von  San  Martin,  südsüdöstlich  von  Bogota  (nach  Mosquera  liegt  der  Ort 
0  ^  25 '  35  "  0.  Bogota  und  3  °  24 '  26 ''  N.  Breite).    Ich  habe  den  Namen 


1)  Dieses  Werk  wnrde  hn  Jahre  1857  m  zwei  Bänden  auf  Kosten  des  Verfassers  in 
Brüssel  gedrackt.  Da  indess  die  ganze  Auflage  sofort  nach  Perd  ging,  ist  das  Buch  in 
Europa  sehr  selten,  ein  umstand,  welcher  die  Wiederholung  des  Vocabulars  rechtfertigen 
mag.    Im  Original  steht  es  T.  I.  p.  91. 


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sr\ 


10 


A.  £rn8t: 


Pamiguas  nur  einmal  in  Bivero  (Historia  de  las  Misiones,  pag.  35)  wieder- 
gefunden; er  nennt  sie  Bamigua  und  sagt  von  ihnen  nur,  sie  seien  noch 
zu  seiner  Zeit  sehr  zahlreich  gewesen  und  hätten  auf  beiden  Ufern  des 
Guaviare  gewohnt.  Perez  erwähnt  sie  nicht,  und  ebensowenig  erscheint 
ihr  Name  in  dem  Verzeichnisse  columbischer  Sprachen  auf  pag.  XXXVU 
und  XXXVni  der  Grammatik  der  Chibcha- Sprache  von  E.  Uricoechea. 
An  eine  Identificirung  mit  den  Baniva  ist  aus  sprachlichen  Gründen  nicht 
zu  denken.  Ich  finde  in  dem  Vocabular  nur  zwei  Wörter:  equisd  (Feuer) 
und  nicague  (Wasser),  die  mit  den  betreffenden  Wörtern  des  Saliva: 
egussa  und  caglca,  übereinstimmen  (Gilij  HI.  383).  Das  von  Gilij 
veröffentlichte  Vocabular  des  Saliva  enthält  nur  noch  drei  andere  Wörter, 
die  auch  in  dem  Vocabular  der  Pamiguas  vorkommen,  aber  in  beiden 
Sprachen  ganz  verschieden  sind,  nehmlich  Mann  —  sal.:  cocco,  pam.: 
picsiga;  Frau  —  sal.:gnacu,  pam.:  nixtä;  Auge  —  8al.:pacutfe,  pam.: 
sete.  Es  ist  demnach  noch  sehr  fraglich,  ob  die  Pamigua  wirklich  Stamm- 
verwandte der  Salivas  sind.  Die  Zahlwörter  sind  in  der  mitgetheilten 
Form  walirscheinlich  mit  fremden  Elementen  beladen;  übrigens  scheint 
ihnen  das  Quinar- System  zu  Grunde  zu  liegen. 


Gott:  tirovan. 
Mann:  pevl. 
Frau:  piavichi. 
ich:  yague. 
du:  ne. 

Körper:  siricto. 
Feuer:  ijito. 
Wasser:  menera. 
Salz:  romato. 
Honig:  manna. 
Tiger:  neguete. 


4.   Churruyes. 

Hund:  samuii. 
Himmel:  fato. 
Sonne:  guämeto. 
Mond:  mäometa. 
Stern:  pefai. 
Tag:  naleano. 
Nacht:  merabi. 
Jahr:  caebasi. 
Banane:  parasa. 
Mandioca:  quebaji. 


Chicha:  cusuira. 
Cassave:  najaija. 
Erde:  asä. 
Katze:  misi. 
eins:  cai  matacavi*). 
zwei:  cabale  matacaviva. 
drei:  omopesiva. 
vier:  penasalavi  buba. 
fünf:  caicabebaje. 
sechs:  caicacubaje. 


Mais:  jesa. 

Ueber  die  Churruyes  hat  Prof.  Nicolas  Saenz  aus  Bogota  im  Jahr- 
gange  1876  der  „Zeitschrift  für  Ethnologie",  S.  328  —  334,  eingehende  Mit- 
theilungen gemacht,  auf  welche  ich  verweise.  Perez  spricht  von  ihnen 
ebenfalls,  namentlich  im  zweiten  Bande,  p.  220  und  221.  Säenz  giebt 
auch  eine  aus  20  Nummern  bestehende  Liste  von  W^örtern  aus  ihrer 
Sprache;  von  diesen  kommen  sechs  auch  in  unserem  Vocabular  vor, 
nehmlich: 

Saenz  Ernst 

Feuer  hijit  ijito 

Wasser  minta  menera 


1)   matacavi  heisst  Tag  bei  den  Guahibos. 


lieber  einige  Sprachen  ans  der  Gegend  des  Meta  und  oberen  Orinoco.  11 


Sdenz 

Ernst 

Hund 

uilg 

samuri 

Sonne 

mshojaint 

guämeto 

Mond 

juimit 

mdometa 

Banane 

parasa 

parasa 

Zwei  stimmen  ganz  überein;  zwei  andere  (Wasser  und  Mond)  zeigen 
gewisse  Aehnlichkeit,  aber  die  beiden  letzten  (Sonne  und  Hund)  sind  ganz 
Terschieden. 

Es  geht  aus  diesen  Vocabularen  deutlich  hervor,  dass  die  Sprache 
der  Churruyes  mit  derjenigen  der  Guahibos  sehr  nahe  verwandt  ist,  aus 
welcher  letzteren  wir  zwei  ziemlich  umfangreiche  Vocabulare  besitzen*). 
Das  Toro'sche  Manuscript  enthält  auch  7  Wörter  derselben  Sprache,  die 
mit  den  beiden  citirten  Vocabularen  gut  übereinstimmen,  mit  Ausnahme 
des  Wortes  für  „Seele,  Geist",  welches  in  jenen  nicht  vorkommt.  Ich 
füge  dieselben  zum  Vergleiche  hier  an: 

5.    Guahibos. 

Mann:  pebaji.  Seele,  Geist:  dubate. 

Frau:  pitiriba.  Kopf:  pimatanai. 

Knabe:  pebajinyo.  Augen:  petajotä. 

Mädchen:  chiquiriyo. 
Nach  Hervas  (Catal.  de  las  Lenguas,  L  220)  berichtete  der  Pater 
Manuel  Alvarez,  der  als  Missionar  unter  den  Achaguas  gelebt  hatte,  diese 
hätten  ihm  erzählt,  sie  könnten  die  Sprache  der  Guahibos  ziemlich  gut 
verstehen,  woraus  Hervas  schliesst,  dass  die  letztere,  wie  das  Achagua, 
ein  Dialekt  des  Maipure  sein  müsse.  In  dem  oben  mitgetheilten  Vocabular 
des  Achagua  finde  ich  bei  sorgsamer  Vergleichung  mit  Chaffanjon's 
Wörterverzeichniss  aus  der  Sprache  der  Guahibos  allerdings  drei  Wörter, 
die  übereinstimmen,  nehmlich: 

Achagua  Guahibos 

Hund  auri  aviri 

Zuckerrohr  basue  besoe 

Cassave  berre  peri 

Die  beiden  ersten  sind  aber  Namen  eingeführter  Dinge,  für  welche 
Aehnlichkeit  der  Form  oft  bei  den  verschiedensten  Stämmen  stattfindet; 
dagegen  ist  die  Uebereinstimmung  in  dem  letzten  Worte  allerdings  inter- 
essant. Eine  weitere  Vergleichung  der  Wörter  der  Chaffanjon^schen 
Liste  mit  dem  Maipure -Vocabular  in  Gilij  (HL  375 — 382)  gab  in  Bezug 
auf  Aehnlichkeiten  ein  durchaus  negatives  Resultat,  so  dass  ich  trotz  der 
erwähnten    vereinzelten   Ausnahme    dennoch    der   Ansicht   bin,    dass   die 


1)  Creyaux,  Sagot  et  Adam,  Grammaires  et  Vocabulaires  roacoujenne,  arrouague, 
piapoco  et  d'autres  langnes  des  (juyanes,  Paris  1882,  pag.  258—260.  —  Chaffanjon, 
L'Or^oque  et  le  Caura,  Paris  1889,  pag.  320—323. 


12 


A.  Ernst: 


Sprachen  der  Guahibos  und  anderer  stammverwandter  Stämme  nichts  mit 
den  Maipure -Sprachen  zu  thun  haben  und  nicht  einmal  zur  Familie  der 
Nu-Aruak  zu  rechnen  sind.  Wohin  sie  aber  gehören,  das  zu  sagen^  muss 
ich  Anderen  überlassen. 


Gott:  ejee. 
Mann:  emueme. 
Frau:  romeö. 
Knabe:  cimoan. 
Mädchen:  romimeräo. 
Seele,  Geist:  rescopue. 
Körper:  cäneo. 
Kopf:  jijopue. 
Auge:  naccoca. 


6.    Tamas. 
j  Tiger:  macayai. 

Hund:  jamuchay. 

Chicha:  jeccü. 

Banane:  06. 

Zuckerrohr:  cacte. 

Mandioca:  jurä. 

Cassabe:  autoje. 
!Mais:  quea. 

Sonne:  enese. 
iMond:  panijosa. 
j  Stern :  mane  guay. 

Erde:  chija. 

Himmel:  yemuö. 


Stein:  quiduä. 

1:  teyo. 

2:  cayapa. 

3:  choteyo. 

4:  cajeparia. 

5:  ciajente. 

6:  yaquejente. 

7:  uncudneco. 

8:  yecquinico. 

9:  teäme. 
10:  jargueseme. 
11:  carebama. 
12:  uncuacayere. 


Feuer:  tod. 
Wasser:  occo. 
Salz:  oa. 

Freund:  mafmemai. 
Feind:  painame. 

Die  Tamas  dieses  Yocabulars  wohnen  im  Quellgebiete  des  Manacacfa, 
nordöstlich  von  Giramena,  am  oberen  Meta.  Nach  F.  Perez  (Jeografia 
H.  218)  sollen  die  Airicos  dieselbe  Sprache  haben,  und  diese  auch  von  den 
Jaruras  verstanden  werden;  aus  dem  Vergleiche  der  beiderseitigen  Voca- 
bulare  geht  indessen  keine  Verwandtschaft  hervor*).  Die  Tamas  sind 
friedfertig,  botreiben  etwas  Feldbau  und  viel  Fischfang,  letzteren  nament^ 
lieh  mit  betäubenden  Kräutern.  Einige  wohnen  auch  weiter  südlieh,  im 
Territorium  Caqueta,  und  zu  diesen  gehören  die  Tamas,  bei  denen 
Crevaux  die  von  ihm  mitgetheilten  wenigen  Wörter  dieser  Sprache  auf- 
schrieb"). Dieselben  stimmen  vollständig  mit  der  vorstehenden  Liste 
übereiu.  Ich  finde  femer  mancherlei  Analogien  mit  dem  von  Wallace 
aufgenonmienen  Vocabular  der  Tucano'),  so  z.  B.  die  Wörter 

Tamas  Tucano 


Mann 

emueme 

ermeu 

Frau 

romeö 

nömio 

Kopf 

jijopue 

righpöah 

Wasser 

occo 

oghcogh 

Banane 

00 

oliöh 

Mandioca 

jurä 

ahöua. 

1)  Man   sehe  die  Vocabnlare  des  Yamra  in  Langnes  des  Gujanes,  pag.  2G0  und  261, 
und  bei  Chaffanjon,  1.  e.  pag.  319,  H20. 

2)  Langnes  des  Gnjanes,  pag.  52. 

3)  Martins,   Beiträge,   ü.   pag.  283  nnd  284.     (Vergl.    übrigens   die   Angaben   des 
Hm.  Pf  äff  in  den  Yerhandl.  der  Gesellsch.  1890.  S.  603  nnd  605.  Y.). 


üeber  einige  Sprachen  ans  der  Oegend  des  Meta  und  oberen  Orinoco.  13 


7.  Sebondoyes. 

Herz:  vico.  Kopf:  visäs. 

Mais:  mazizi.  Fleisch:  minchina. 

Nach  Pereira*)  leben  die  Sebondoyes  im  Territorium  Caquetä;  doch 
nennt  sie  Perez  nicht  unter  den  dort  hausenden  Stämmen,  obgleich  er 
das  „Correjimiento"  Sebondoi  auffährt,  dessen  Vorort  gleichen  Namens 
2  ^  43 '  33  "  westlich  von  Bogota  in  1  °  8 '  36  "  nördlicher  Breite  liegen 
soll.  Das  Gebiet  gehört  schon  zur  Cordillere  (1000—2000  m  Seehöhe) 
und  producirt  namentlich  Kartoffeln.  Nachrichten  über  die  Indianer  habe 
ich  nicht  auffinden  können.  Das  Wort  für  Mais  ist  offenbar  aus  dem 
Namen  mahiz  in  der  Sprache  von  Hayti  entstanden;  die  drei  anderen 
Wörter  scheinen  Anklänge  an  das  Chibcha  zu  haben  (Herz  —  puyquy, 
Kopf  —  zysquy,  —  Fleisch  —  chimy). 

8.  Almagueros. 

(Aus  der  Gegend  von  San  Augustin,  im  Süden  des  Staates  Tolima.) 

Das  nachgehende  Vocabular  ist  ganz  wesentlich  Kechua  und  insofern 
interessant,  als  es  einen  Beweis  liefert  von  der  grossen  Ausdehnung,  welche 
die  Sprache  der  Incas  auch  nach  Norden  erreicht  hatte. 


Wasser:  yaco. 
Feuer:  nina. 
Kopf:  uma. 
Augen:  nague. 
Cchicha:  asua. 
Rohr:  guiro. 
Honig:  misqui. 
Hund:  alcu. 
Blume:  tuctu(?). 
Erde:  alpa. 
Wind:  guaira. 
Sonne:  inde. 
Mond:  quilla. 
Tag:  puncha. 
gestern:  caina. 
morgen:  caya. 
übermorgen:  suc-caya. 
Jahr:  guata. 
Vogel:  pisco. 
Mann:  cari. 
Frau:  guarme. 


Knabe:  guambra. 
Mädchen:  tasi. 
Banana:  blande. 
Manioc:  rümu. 
Fleisch:  aicha. 
Salz:  cachi. 
Kartoffel:  bumü. 
weiss:  yura. 
schwarz:  yana. 
Mais:  zara. 
Brot:  tanda. 
klein:  uchuUu. 
gross:  atun. 
dick:  racu. 
sehen:  caguar. 
Blut:  yaguar. 
ich:  nuca. 
nein:  mana. 
ja:  ari. 
schon:  na. 


dunkel:  aumsa. 

Nacht:  tuta. 

kalt:  chire. 

du:  cam. 

Urin:  chichi. 

sterben:  guaiiuy. 

leben:  causay. 

hier:  caypi. 

Es  ist  Schade:    cuyaipa. 

Indianer:  runa. 

1:  suc. 

2:  iscay. 

3:  quimsa. 

4:  chusui. 

5:  pichica. 

6:  socta. 

7:  canchis. 

8:  pusac. 

9:  unya(?). 
10:  chunga. 


1)   Ricardo  8   Pereira,  Les  Etats-Unis  de  Colombie  (Paris  1883),  p.  84 


n. 

Archäologische  Aufsätze  über  süd europäische 

Fundstücke 

von 

Dr.  INGVALD  XJNDSET  in  Christiania. 

(Fortsetaimg  von  Bd.  XXII.  S.  145.) 

Tl.   Alterth&mer  der  Tölkerwandernngszeit  in  Italien. 

Bei  Untersuchungen  über  den  Ursprung  des  Omamentstyls  der  Völker- 
wanderungszeit müssen  selbstverständlich  die  Alterthümer  aus  dieser  Periode, 
die  in  Italien  gefunden  worden  sind,  von  besonderer  Wichtigkeit  sein. 
Niemand  wird  wohl  daran  zweifeln,  dass  ein  genaues  Studium  der  in  Italien 
gefundenen  Ueberreste  aus  dieser  Zeit  bei  der  Klärung  der  Fragen  noth- 
wendig  sein  wird,  die  mit  der  ersten  Entwickelung  der  eigenthümlichen 
Omamentstyle  der  verschiedenen  germanischen  Völker  verknüpft  sind.  Es 
ist  jedoch  ganz  klar,  dass  die  Stylarten  der  barbarischen  Völker  vom  Style 
der  klassischen  Zeit  viele  Elemente  entlehnt  haben.  Die  italienischen 
Archäologen  aber,  welche  vorläufig  Aufgaben  genug  darin  haben,  die  Ver- 
hältnisse ihrer  prähistorischen  Zeit  zu  klären,  haben  selbstverständlich  den 
Alterthümem  dieser  späten  Periode,  die  bei  ihnen  schon  längst  historisch 
ist,  noch  nicht  viel  Aufmerksamkeit  gewidmet.  Allein  vor  kurzem  scheint 
Herr  Dr.  P.  Orsi  den  Alterthümem  aus  dieser  späten  Zeit  nähere  Auf- 
merksamkeit gewidmet  zu  haben;  in  den  Atti  e  Memorie  della  R. 
deputazione  di  storia  patria  per  le  provincie  di  Romagna,  1887, 
pag.  333 — 414  hat  er  eine  grössere  Abhandlung:  „Di  due  crocette  anree 
del  museo  di  Bologna  e  di  altre  simili"  veröffentlicht,  worin  er  eine 
Behandlung  aller  der  kleinen  goldenen  Schmuckkreuze  versucht,  die  in 
langobardischen  Gräbern  in  Ober-  und  Mittelitalien  vorkommen.  Diese 
verdienstvolle  Monographie  liess  die  Hoffnung  zu,  dass  man  von  derselben 
kundigen  Hand  eine  nähere  archäologische  Behandlung  der  Alterthümer 
dieser  Zeit  in  Italien  hoffen  durfte.  Seit  der  Zeit  ist  inzwischen  dieser 
Archäologe  als  königlicher  Inspector  der  Ausgrabungen  und  der  archäo- 
logischen Monumente  in  der  Gegend  von  Syracus  auf  Hicilien  angestellt 
worden:  andere  Fragen  und  archäologische  Materialien  werden  ihn  voraus- 
sichtlich länger  beschäftigen,  so  dass  er  in  der  ersten  Zeit  nicht  weiter 
mit  den  italienischen  Alterthümem  der  Völkerwandemngszeit  arbeiten  wird. 


1 


Alterthümer  der  YSlkerwandenrngszeit  in  Italien.  15 

Nordalpine  Archäologen  dagegen  haben  ein  specielles  Interesse  für  die 
italienischen  Alterthümer  dieser  Zeit,  besonders  für  die  Alterthümer  der 
Langobarden,  welches  Volk  von  nördlichen  Gegenden  Mitteleuropas  auf 
weiten  Wegen  nach  Italien  gekommen  ist,  wo  sie  bekanntlich  längere 
Zeit  ein  dominirendes  Volk  waren.  Ueber  ihre  Wanderungen  und  ihren 
Alpenübergang  sind  dann  auch  von  nordalpinen  Händen  wichtige  Beiträge 
geliefert;  ich  verweise  hier  nur  auf  Beiträge  von  Virchow  aus  den 
letzten  Jahren  *).  Für  einen  Prähistoriker  aus  dem  Barbarenlande  liegt 
es  auf  der  Hand,  in  Italien  die  Alterthümer  aus  dieser  Zeit  mit  be- 
sonderer Aufmerksamkeit  zu  beachten;  ich  habe  deswegen  die  Sachen 
dieser  Art,  die  ich  während  meiner  Studien  in  den  italienischen  Samm- 
lungen gesehen  habe,  stets  genau  beobachtet  und  notirt.  Im  Folgenden 
werde  ich  eine  Zusammenstellung  meiner  diesbezüglichen  Notizen  mit- 
theilen —  mit  einigen  Abbildungen,  die  theils  auf  Photographien,  die  ich 
dort  habe  machen  lassen  oder  von  den  Museumsdirektoren  empfangen  habe, 
theils  auch  auf  von  mir  selbst  gemachten  Skizzen,  die  selbstverständlich 
keine  vollkommene  Genauigkeit  beanspruchen  können,  beruhen. 

Ich  lasse  meine  Zusammenstellungen  aus  den  italienischen  Samm- 
lungen folgen,  die  bis  auf  1881—83  zurückgehen;  ohne  Zweifel  würde 
das  Material  sich  jetzt,  so  viele  Jahre  nach  meinen  Beisen,  bedeutend 
vergrÖBsem  lassen;  eine  neue  Beise  nach  Italien  war  meine  Hoffnung 
und  Absicht,  aber  vorläufig  kann  sie  nicht  realisirt  werden.  Ich  gebe 
deswegen  jetzt,  was  ich  habe;  es  wird  jedenfalls  eine  Grundlage  zu  einer 
genauen  üebersicht  sein  können  und  somit  wohl  nicht  ohne  Nutzen;  andere 
Collegen  müssen  nachher  das  Gegebene  complettiren  und  vermehren,  und 
mehr  eingehende  Studien  über  die  Fragen,  die  ich  nur  angedeutet  habe, 
liefern.  An  der  Hand  so  unvollständiger  Materialien  lässt  sich  selbst- 
verständlich nicht  näher  darauf  eingehen,  Ursprung  und  früheste  Ent- 
wickelungsgeschichte  der  vorkommenden  germanischen  Stylarten  zu  er- 
forschen und  zu  discutiren;  die  Zukunft,  wo  man  viel  vollständigere  Mate- 
rialien haben  kann,  wird  die  Fragen  ganz  anders  überblicken  lassen. 
Dann  wird  man  auch  gewiss  besser  sehen,  ob,  wie  vielfach  vermuthet 
worden  ist,  vom  Oriente  einwandernde  Völkerschwärme  viel  Neues  mit- 
gebracht haben,  das  in  den  vorangehenden  europäischen  Entwickelungen 
nicht  wurzelt  Ich  muss  zugeben,  dass  ich,  vorläufig  wenigstens,  solchen 
Bewegungen  und  Ueberführimgen  vom  Oriente  nicht  viel  Bedeutung  zu- 
sprechen kann;  ich  glaube,  dass  man  in  dieser  Richtung  viel  zu  viel  zu- 
gestanden hat. 

Die  Alterthümer  dieser  Zeit  werden  in  Italien  allgemein  barbarische 
oder   langobardische  genaimt.     Zweifelsohne  sind  auch  viele  von  ihnen 


1)   Vixchow,  „Auf  dem  Wege  der  Langobarden",  in  den  Verhandlungen  der  Berliner 
Anthropologischen  Gesellschaft,  1888.  S.  508— 582;  vergl.  auch  S.  570  ff. 


16  Ingvald  UNOeET: 

den  Langobarden  zuzusprechen;  vorläufig  ist  es  aber  noch  lange  nicht 
klar,  was  langobardisch  ist  und  was  den  anderen  Germanen^  die  in  Italien 
gehaust  haben,  besonders  den  Gothen,  den  Pranken,  den  Herulem  u.  a. 
zugetheilt  werden  mnss;  darum  wird  man  in  dieser  vorläufigen  Uebersicht 
keine  Völkemamen  mit  den  Gegenständen  verknüpft  finden. 

Ich  gehe  sofort  in  medias  res  und  lasse  meine  Zusammenstellungen 
solcher  Materialien  aus  den  Museen  folgen.  Ich  wiederhole,  meine  Liaten 
worden  nicht  mehr  als  complet  gelten  können;  als  ein  Anfang  werden  sie 
indess  wohl  einige  Bedeutung  haben. 

Museen  von  Turin.  Im  Alterthumsmuseum  liegen  4  bronzene 
Beschläge  für  Riomenenden,  welche  hinten  eine  Spalte  haben,  worin  der 
Riemen  befestigt  war.  Sonst  haben  sie  die  in  dieser  Zeit  häufig  vor- 
kommende Form,  länglich  und  nach  hinten  abgerundet;  auf  der  Ober- 
fläche sind  sie  ganz  glatt,  ohne  Ornamente.  Pas  eine  Stück  ist  mit  Nr.  221 
bezeichnet.  —  Femer  sind  hier  zwei  Spangen  von  Formen  der  mittleren 
Eisenzeit.  Die  eine  ist  aus  Bronze  und  vergoldet,  mit  gegossenen  Ornamenten 
bedeckt;  von  der  hinteren  halbrunden  Platte  gehen  5  kleine  Arme  nach 
hinten  aus,  etwa  wie  Knöpfe.  Das  andere  Exemplar  scheint  von  Silber 
und  vergoldet  zu  sein;  es  ist  mit  eingefassten  rothen  Glaspasten  oder 
Granaten  besetzt. 

Im  Artilleriemuseum  in  Turin  liegt  ein  bronzenes  Armband  mit 
Kolben-Enden,  als  aus  Trento  stammend  bezeichnet.  Femer  zwei  Stücke, 
gewiss  ninterstücke  zu  Riemenschnallen,  in  Modena  gekauft,  mit  grossen 
Nagelköpfen  auf  der  Oberfläche  besetzt. 

Museo  Oivico  in  Turin:  Ein  Paar  zweischneidige  Eisenschwerter 
(Spathae);  ein  Paar  einschneidige  Schwerter  (Scramasaxe);  ein  Paar 
Dolche  oder  Messer  von  Eisen,  mehrere  kleinere  Messer,  einige  Gürtel- 
schnallen und  Gürtelendbeschläge  von  Bronze,  ein  Thongefass,  eine 
Speerspitze  von  Eisen,  Perlen  von  Bemstein  und  Glas,  mehrere  Eisen- 
fragmente u.  A.  Dies  Alles  ist  von  Hm.  Cavaliere  Giovanni  Minoglio 
gefunden  worden  bei  Ausgrabungen  in  seinen  Besitzungen  bei  Moncalvo- 
Monf errate.  —  Ein  Schildbuckel  von  Eisen  mit  grossen  Eisenknöpfen, 
die  mit  Gold  belegt  zu  sein  scheinen;  als  Nr.  6a  und  als  in  Piemont 
gefunden  bezeichnet. 

Nur  nennen  werde  ich  hier  den  Fund  von  Testona*)  in  Piemont, 
wo  seit  1878  ein  grösseres  Gräberfeld  aus  der  Völkerwanderungszeit  mit 
350  bis  400  Skeletten  untersucht  worden  ist;  der  Fund  ist  von  den  Herren 
C.  und  E.  Calandra  in  Turin  veröffentlicht  in  den  Atti  della  societa  dell' 
areheologia  e  belle  arti  per  la  provincia  di  Torino,  IV,  pag.  17 — 52,    mit 

1)  Vgl.  jetzt  aber  den  Fund  von  Testona,  der  dem  Moseo  Civico  in  Turin  einverleibt 
worden  ist,  das  Buch  des  Baron  J.  de  Baje  ..Industrie  Longobarde**,  Paris  1H88;  in 
diesem  Buche  sind  auch  andere  Funde  der  Völkerwandemngszeit  in  Norditalien  beschrieben 
und  z.  Th.  durch  Abbildungen  eri&utert 


Alterthnmer  der  Yölkerwandenrngszeit  in  Italien.  17 

mehreren  Tafeln.  Unter  den  vielen  Alterthümem  nenne  ich  nur  zwei- 
schneidige und  einschneidige  Schwerter,  Speerspitzen,  Schildbuckel  und 
Aexte,  Spangen  und  Riemenbeschläge,  Fibeln  und  andere  Sachen,  worunter 
auch  einige  kleine  dünne  goldene  Kreuze  und  einige  mit  Silber  tauschirte 
Eisensachen,  sowie  Thongefässe  verschiedener  Form  und  Art.  Einen 
genaueren  Auszug  aus  der  Abhandlung  der  Herren  Calandra  werde  ich 
hier  nicht  geben;  ich  beschränke  mich  auf  die  gegebene  Hinweisung. 

Novara.  Museo  patrio.  Perlen  von  Glas  und  Bernstein.  Ein 
bronzenes  Armband  mit  kolbenförmigen  Enden.  Schnallen  von  Bronze, 
kleine  Ohrringe  aus  Bronze,  welche  unten  mit  ein  Paar  angelötheten 
bronzenen  Knöpfen  oder  Kugeln  ausgestattet  sind;  3  zweischneidige 
Schwerter  von  Eisen,  ein  einschneidiges  Schwert,  mehrere  grosse  Messer, 
wovon  das  eine  einen  vertieften  Rand  am  Rücken  hat,  ganz  wie  ein 
Scramasax;  zwei  Schildb\ickel  mit  zugehörigen  Handgriffen,  fragmen- 
tarisch; Bruchstücke  von  mehreren  Eisensachen,  3  grosse  eiserne  Speer- 
spitzen, 3  eiserne  Pferdegebisse,  Thongefässe,  die  denen  aus  jüngster 
römischer  Zeit  ganz  ähnlich  sind,  u.  s.  w.  Dabei  liegen  auch  eine  Nadel 
bronzezeitlicher  Form  und  ein  kleines  Messer  oder  Dolch,  wahrscheinlich 
derselben  alten  Zeit  angehörig;  diese  letzten  also  wohl  nur  zufällig  auf 
derselben  Stelle  gefunden.  Diese  Sachen  stanmien  von  einem  Gräberfelde 
aus   der  Völkerwanderungszeit   bei  Burgo-Vercelli,    nahe  bei  Vercelli. 

Milano.  Museo  archeologico  (in  der  Accademia  di  Brera). 
Ein  Eisenschwert,  eine  Speerspitze,  ein  grosses  Messer,  ein  Schildbuckel 
mit  Handgriffbeschlag  dazu,  alles  aus  Eisen,  der  Beschlag  ist  breit,  auf 
der  Mitte  mit  rundlichen  Erweiterungen,  wo  die  Nägel  sassen;  7  Eisen- 
nägel mit  grossen,  flachen,  mit  Bronze  belegten  Köpfen,  offenbar  zu  dem- 
selben Schilde  gehörig.  Alle  diese  Sachen  sind  in  der  Gegend  von 
Golasecca  gefunden. 

Sammlung  des  Herrn  Advokaten  Ancona.  Vier  silberne  Fibeln 
mit  Knöpfen  um  die  hintere  halbrunde  Platte,  zwei  ganz  klein,  in  der 
Lombardei  gefunden;  zwei  ähnliche  silberne  Fibeln,  wahrscheinlich  eben- 
falls in  der  Lombardei  gefunden,  aber  in  Florenz  gekauft. 

In  der  Pondazione  artistica  Poldo-Pezzoli.  In  der  Vitrine  für 
römische  Goldsachen  liegen  zwei  silberne  Schnallen  und  eine  kleine  silberne 
Fibula  mit  einem  nach  hinten  von  dem  halbrunden  Hinterstück  hervor- 
springenden Knopf;  diese  Sachen  zeigen  Formen  der  Völkerwanderungszeit. 

Varese.  In  der  Sammlung  Quaglia  finden  sich  einige  Speerspitzen 
von  Eisen,  die,  nach  der  Fomv  zu  urtheilen,  der  Völkerwanderungszeit  an- 
gehören; sie  baben  nehmlich  an  der  DüUe  Querstücke,  die  nach  den  Seiten 
vorspringen,  nach  vom  scharf  und  geradlinig  sind  und  sich  gegen  die 
Dülle  verbreitem. 

Brescia.    Museo  patrio.    Schöne  Spange  von  Bronze,  an  der  hinten 

Z«fuchrift  far  Ethoolofie.    Jahrg.  1891.  2 


18  Inovau)  ündsbt: 

um  die  halbrunde  Platte  8  Knöpfe  sitzen;  Gürtelendbeschlag,  am 
hinteren,  geradlinig  abgeschnittenen  Theile  war  durch  zwei  Nägel  der 
Kiemen  in  einer  Höhlung  befestigt.    Das  Stück  ist  ziemlich  dick,  hat  aber 

Fig.l. 


zwei  Oeffnungen,  die  mit  einem  schiebbaren  Deckel  überdeckt  sind;  sowohl 
dieser  Deckel,  wie  die  untere  Seite  des  Stückes,  ist  mit  Verschlingungen 
ornamentiri  Unsere  Fig.  1  giebt  eine  Idee  von  den  Ornamenten  des 
Deckels. 

Ich  führe  hier  auch  einige  Sachen  an,  die  in  Südtyrol  gefunden 
sind.  Dies  Gebiet  gehört  jetzt  der  österreichischen  Krone  an,  wir  befinden 
uns  aber  hier  auf  der  italienischen  Seite  der  Alpen  und  daher  wird  es 
zweckmässig  sein,  diese  Sachen  mit  den  in  Norditalien  gefundenen  zusammen 
zu  erwähnen. 

Im  Landesmuseum  in  Innsbruck  befindet  sich  der  Inhalt  des 
reichen  Fürstengrabes  und  des  Reihengräberfeldes  von  Civezzano  in 
Südtyrol.  Da  dies  Alles  Gegenstand  einer  besonderen  Publication  dos 
Hrn.  Dr.  Franz  Wieser,  Professors  an  der  Universität  in  Innsbruck, 
gewesen  ist,  so  verweise  ich  auf  seine  Arbeit  *). 

Trento.  Museo  civico.  Ein  Paar  Armringe  mit  kolbenförmigen 
Enden.  Ein  Riemenendbeschlag  mit  4  kauernden,  phantastischea.  behömten 
Thieren,  in  durchbrochener  Arbeit.  Eine  grosse  Fibula  (Fig.  2a)  mit  ein- 
geschlagenen Kreisomamenten;  an  dem  Vorderstücke  sind  ebensolche 
Ornamente,  wie  auf  der  Hinterseite  (Fig.  2b).  Am  halbrunden  oberen 
Stück  sind  5  Knöpfe  angebracht.  Die  Grösse  beträgt  etwa  15  cm  Länge, 
7  7t  c^  Breite  über  das  obere,  halbrunde  Stück.  —  Eine  etwas  kleinere, 
ähnliche  Fibula,  omamentirt  mit  doppelten  Reihen  von  eingeschlagenen 
Punkten  und  mit  Cirkelschlägen;  am  hinteren  Theile  des  Vorderstückes 
gehen  nach  den  Seiten  Arme  aus,  die  in  kleine  runde  Platten  mit  Cirkel- 
Ornamenten  endigen;  solche  kleine  Platten  finden  sich  auch  an  den  Seiten 
am  Vorderatück  und  5  ähnliche  an  dem  halbrunden  Hinterstück  (Fig.  3). 
Kleine  gleicharmige  Fibula,  6  cm  lang,  die  Endstücke  3  cm  breit,  mit 
Linien  und  Cirkelschlägen  omamentirt  (Fig.  4).    Zwei  Riemenendbeschläge. 


1)  Dr.  Franz  Wieser:   Das  langobardische  Fürstengrab   and  Reihengr&berfeld  ron 
Civeuano.    Innsbrack,  1887. 


Alterthümer  der  Völkerwan  ^^erungszeit  in  Italien. 


19 


Fig2. 


#a 


Fig.  3. 


Fig.  4. 


V. 


Zwei  Schnallen  mit  flachen,  länglichen  Hinterstücken,  die  sich  nach  hinten 
verschraälem.  —  Alle   diese  Sachen    sind   bestimmt  in  Südtyrol  gefunden. 

Verona.  Museo  civico.  Ein  doppelschneidiges  Eisenschwert  mit 
einem  kleinen  eisernen  Knopf,  der  oben  die  Handgriff- Beschläge  ab- 
geschlossen hat.  Eine  eiserne  Speerspitze  mit  flachen,  breiten  Querstücken 
an  der  Dülle.     Eine  grosse,  kräftige,  bronzene  Schnalle. 

Vicenza.  Museo  civico.  Zwei  bronzene  Armbänder,  die  gegen  die 
kolbenförmigen  Enden  facettirt  und  an  den  Enden  mit  Punktreihen  oma- 
mentirt  sind.  An  den  Armen  eines  Skelets  vor  der  Porta  Gas  teil  o 
Vicenza  gefunden*). 

Parma.  Museo  d'antichitä.  Unter  römischen  Funden  liegen  hier 
mehrere  eiserne  Speerspitzen,  die  an  der  Dülle  Querstücke  haben,  ganz 
wie  die  oben  erwähnte  Form,  die  sonst  in  der  Völkerwanderungszeit  nicht 
selten  und  eigenthümlich  ist.  Nach  diesen  Funden  in  Parma  zu  schliessen, 
tritt  also  diese  Form  schon  in  römischer  Zeit  auf. 

Reggio  neir  Emilia.  Museo  di  storia  oder  Museo  Chierici, 
wie  es  jetzt  nach  seinem  Begründer  heisst.  Mehrere  Funde  aus  Gräbern 
der  Völkerwanderungszeit  von  Montecchio;  in  diesen  Funden  kommen 
noch  vor:  eine  römische  kreuzförmige  Fibula  mit  3  Knöpfen  und  eine 
römische  Chamierfibel.  Femer  ist  hier  zu  bemerken  ein  silberner  Rand- 
beschlag für  den  untersten  Theil  einer  Schwertscheide,  als  Schuh  endend. 
Kleiner  Riemenend- Beschlag  von  Gold  mit  Ornamenten  in  gekörnter 
Arbeit  (Fig.  5).  Eine  Schnalle,  deren  Bügel  aus  Bergkrystall  gemacht 
zu  sein  scheint.  Eine  andere  Schnalle  aus  Silber,  in  Fig.  6  abgebildet, 
mit   dem    kleinen   goldenen  Beschlag  Fig.  5   zusammen    bei  Montecchio 


1)   Abgebildet  in  P.  Livy:   Le  abitazioni  lacustri  di  Fimon.  Veneria  1876,  Tav.  XVII,  . 
No.  192—198. 

2» 


20 


iHflVALD  UNDSBr: 


Fig.  G. 


Fiff.5. 


(Provinz  von  ReggioJ  gefuu<]«ii  in 
eitlem  Grabe,  das  ein  Skelet  «Dthielt, 
welches  in  blosser  Erde  lag.  Es  waren 
ausserdem  dabei  eine  goldene  Fibula 
und  ein  zweischneidiges  Eisenschwert, 
an  dem  Scheidereste  erhalten  waren 
mit,  wie  es  schien,  äusserer  Bekleidung 
von  angenieteten  Eisenplatten.  Ausser- 
dem Tand  sich  eine  bronzene  Pincette. 
Andere  Sachen,  die  auch  im  Grabe 
waren,  gingen  verloren.  In  der  Nähe 
'  waren    noch    mehrere    ähnliche  Uräber; 

die    Stelle     li(sgt    unmittelbar     an     der 
Grenze  einer  uralten  TorrBmare. 

Von   Campeggine    findet   sich    in 

'  demselben  Museum  eine  schöne  silberne 

Schnalle    mit  Vergoldung    und  Niello    und    mit   gefassten  Granaten    (oder 

rothem    GlassßuBB?)    omameutirt   (Fig.  7).     Das    Grab,    worin    dies  Stflck 

gefunden  wurde,  liegt  im  Felde  Ober  einer  uralten  Terramare. 

Von  Bismantova  liegen  hier  zwei 
Schnallen. 

VonMinozzo  hat  das  Museum  eine  kleine 
Fibula,  die  hinton  an  einer  kleinen  Platte 
mit  drei  Köpfen  besetzt  ist.  Im  Ganzen  ist 
diese  kleine  Fibula  den  „niedersächsischen" 
Fibeln  sehr  ähnlich,  welcher  Typus  auch  in 
England  und  in  Skandinavien  häufig  und 
in  dem  5.  bis  7.  nachchristlichen  Jahrhundert 
charakteristisch  geworden  ist  *). 

Aus  den  Gräbern  von  Fabbricco  finden 
sich  ebenda  mehrere  Schnallen,  Biemeneud- 
beschiäge,eisemeSpecrBpitzen,SpinDwirtel  and 
Anderes,  sowie  Glasperlen,  welches  Alles  das 
späte  Gepräge  der  Völkerwanderungszeit  an 
sich  hat. 
Gräber  von  Castellarano  (Provinz  Ro^io):  Schöne  gleicharmige 
Fibula  aus  vergoldeter  Bronze  (Fig.  8);  bronzener  Raiidbeschlag  zu  einem 
eisernen  Schildbuckel,  der  um  den  Band  grosse  Nagelköpfe  hat,  mit  ver- 
goldeter Bronze  bekleidet;  fem  er  Schnallen  und  Riemen  end-Beschlftge, 
Armbänder   mit   kolbenförmigen  Enden,    die  mit  erhabenen  Rippen  oma- 

1)  Vgl.  I.  B.  Rjgh:  Antäqnit^es  norr^gienneE,  Tig.ÜlK.,  nndUndset;  FraNorge« 
aeldre  Jeratldn,  ptg.  41  ff.  (in  AuMger  for  nordisk  Oldkjniligh^il  og  Historie,  Kj<Ibenb»Tii 
18«),  pug.  129  lt.). 


Fig.  7. 


V, 


Alterihümer  der  Völkerwanderungszeit  in  Italien. 


21 


mentirt  sind;  Alles  von  Bronze.  Auf  der  inneren  Seite  sind  die  Armbänder 
flach  (Fig.  9  und  10).  5  einschneidige  Schwerter  (Scramasaxe)  mit  ver- 
tieften   Rändern    an    den    Rücken;    2  zweischneidige   Schwerter,    mehrere 


Fig9. 


Fig.  8. 


Fig.  10. 


Speerspitzen,  ein  Axtblatt,  etwa  wie  Rygh  1.  c.  557;  mehrere  Sporen,  etwa 
wie  Rygh  1.  c.  Fig.  586;  ein  Paar  spätrömische  kreuzförmige  Fibeln  mit 
drei  Knöpfen  hinten.  —  Bei  Castellarano  fanden  sich  mehrere  Gräber  mit 
Skeletten;  z.  Th.  waren  die  Gräber  aus  Steinen  und  römischen  Ziegeln 
gemacht,  mehrere  enthielten  Eisenwaffen  und  Schmucksachen  aus  Bronze 
mit  Ornamenten  im  barbarischen  Style. 

Zwischen  verschiedenen  Alterthümem  von  Vol terra  liegt  auch  ein 
Gürtelend-Beschlag  der  Völkerwanderungszeit. 

XJeberhaupt  muss  man  in  diesem  und  anderen  norditalienischen  Museen 
unter  den  Alterthümem  von  Terramare-Stationen  bemerken,  dass  mehrere 
Stücke  da  sind,  die  der  Völkerwanderungszeit  angehören  und  die  beweisen, 
dass  über  mehreren  Terramare-Stationen  sich  Barbaren,  d.  h.  wahrschein- 
lich Germanen,  z.  B.  Langobarden,  angesiedelt  und  einzelne  Sachen  hinter- 
lassen haben,  welche  Besiedelungen  selbstverständlich  erst  stattgefunden 
haben  können,  nachdem  die  eigentlichen  Terramare-Stationen  schon  längst 


22  Inovald  UnDeBT: 

verloren   waren,    violleicht    vor   einem  Jahrtausende,    wo    sie  als  iiieilrige 
Hügel  in  der  Ebene  lagen.    Die  etruskischen  Ansiedelungen,  die  an  einigen 
in    der  Zwischenzeit  zu  erkennen  sind,    datiren  vielleicht  vor  und  um  die 
Mitte  d(!8  Jahrtausends  vor  Christo;  sie  sind  selbstverständlich  sowohl  von 
den  uralten  eigentlichen  Terramaren,  wie  von  den  viel  spateren  barbarischen 
Besiedelungen  absolut  verschieden.    Schon  damals,  etwa  ein  halbes  Jahr- 
tausend nach  der  eigentlichen  Terramare-Zoit,  lagen  wohl  die  einstigen  Ter- 
r  am  are- Station  eil  als  niedrige  Hügel  in  der  Ebene.    Auch  in  noch  späterer 
Zeit,  im  Mittelalter,  wurden  bisweilen  solche  kleinen  IlQgel,  die  sich  über 
uralten   Torramare  -  Stationen    gebildet    hatten    und   hervorragende   Punkte 
in  der  Ebene  bildeten,  zur  Anlage  vou  Kirclien,  Klöstern  u.  a.  ausgewählt 
Modena.      Musco    civico.     Zwei   Fibeln 
von  Silber  mit  niellirten  Rändern  ringsum,  mit 
vergoldeten    Sclilingeu    oruamentirt;     am    vier- 
eckigen HinterBtücke    waren    ursprünglich   wohl 
acht  Knöpfe,    von  denen  Jetzt  nur  drei  erhalten 
sind  (Fig.  11).     Fragment  einer  runden  Spange. 
Alle    diese  Stücke    sollen    im  Januar  1876    von 
einem  Bauer  in  einem  „Grabe"  mit  Leichenbrand 
in  Mentale    gefunden   worden  sein,    zusammen 
mit  einer  kleinen  rümischen  Bronzevase. 

Mantova.  Museo  patrio.  Ein  bronzenes 
Armband  mit  kolbenförmigen  Enden,  bei  Caaale. 
prezzo  Governale  gefunden. 

Museum    von    Torcello.     In    dem    Alter- 
thumsmuseum  dieser  kleinen  Lagunenstadt  sah 
ich  eine   eiserne  Speerspitze  vou  der  Form  der 
"/,  Völkerwanderuugszeit,  mit  flachen  eiserneu  Quer- 

stücken  an  der  Dßlle;  über  den  Fundort  konnte 
nichts  Bestimmtes  ermittelt  werden,  allein  es  hiess,  dasa  sie  wahrscheinlich 
an  der  alten  Strasse  von  Altinum  nach  Mestre  gefunden  sei,  —  Die 
fatale  bronzene  Speerspilze  mit  Runen -Inschrift,  die  ich  in  diesem 
Museum  entdeckte,  hat  sich  bekanntlich  als  eine  Fälschung  herausgestellt; 
das  Stück  kam  mir  schon  beim  ei-sten  Anblick  etwas  zweifelhaft  vor,  wie 
ich  auch  in  meiner  ersten  Publication  hervorgehoben  habe;  dort  habe 
ich  aber  auch  auseinandergesetzt,  wie  die  ursprüngliche  Patina  des 
bronzenen  Stückes  durch  Brand  entfernt  war,  wie  dii'  Aussagen  und 
das  Verhalten  des  Directors  des  betrePTendeu  Museums  mir  meinen  Ver- 
dacht nahmen,  und  wie  ich  damals  in  Torcello  oder  Veni-dig  keine  Ge- 
legenheit zu  deu  nöthigen  literarischen  Untersuchungen  der  Parallel -Stücke 
hatte.  In  <leii  „Verhandlungen  der  Berliner  Anthrojiologisciien  Gesellsibaft' 
1890,  S.  88^86.  Iialie  ich  ala-r  in  einer  Schlugsbemerknng  nutu-inauder- 
geaetzt,  wie.  der  wirkliche  Sneliverhalt  mir  klar  wurde. 


Alterthümer  der  Yölkerwandernngszeit  in  Italien.  23 

Museo  del  Castello  di  Catajo.  Ein  Scramasax  von  Eisen  mit 
einem  stark  verrosteten  eisernen  Paalstabe,  beide  Stücke  in  Toscana 
gefunden. 

Museo  di  Cividtile.  Im  Mai  1874  wurde  auf  dem  Hauptplatz  in 
Cividale  im  Friaul  (Forum  Julii)  in  einiger  Tiefe  ein  gemauertes 
Grab  gefunden,  worin  ein  ziemlieh  roher  Sarkophag  mit  einem  Skelet 
stand;  auf  dem  Deckel  fand  sich  das  Wort:  GISÜLF,  daneben  Reste  von 
goldgewirkten  Stoffen  und  mehrere  Alterthümer.  Die  verschiedenen  Bericht- 
erstatter sind  nicht  einig,  ob  man  hier  wirklich  das  Grab  des  Herzogs 
Gisulf  gefunden  hat;  jedenfalls  hat  dasselbe  einen  bedeutenden  Mann 
geborgen  aus  langobardischer  Zeit,  etwa  Anfang  des  7.  nachchristlichen 
Jahrhunderts*). 

Treviso.  Museo  Trevisano.  Zwei  Speerspitzen  von  Eisen,  mit 
flachen,  seitliehen  Querstücken  an  der  DüUe;  die  eine  hat  auch  eine 
facettirte  Dülle  und  ein  damascirtes  Blatt.  Sie  sollen  in  der  Gegend 
gefunden  sein. 

Bologna.  Museo  civico.  Bronzenes  Armband,  „Universita  No.  335" 
bezeichnet,  mit  kolbenförmigen  Enden,  von  unbekannter  Provenienz. 
Kleine  gleicharmige  Fibula  aus  Bronze,  „Universitä  No.  483**  bezeichnet. 
Diese  beiden  Stücke  sind  also  von  der  früher  an  der  Universität  befind- 
lichen kleinen  Alterthümersammlung  dem  Museo  civico  zugekommen. 

Forli.  Museo  pubblico.  Zwei  bronzene  Armbänder  mit  kolben- 
förmigen Enden,  an  denen  sie  mit  Querlinien  decorirt  sind.  Bei  S.  Lo- 
renzo  in  Noceto  in  der  Provinz  gefunden;  es  sollen  hier  Spuren  vor- 
handen sein,  dass  daselbst  eine  grosse  barbarische  Nekropole  sich 
befindet. 

Imola.  Museo  civico  di  storia  naturale.  Ein  zweischneidiges 
Eisenschwert  von  der  gewöhnlichen  Form  der  Völkerwanderungszeit,  in 
der  Nähe  der  Terramare  Castellaccio  gefunden.  Drei  schöne  Fibeln 
von  völkerwanderungszeitlicher  Form,  die  eine  von  Silber,  vergoldet  und 
mit  Niello  und  eingelegten  Granaten  omamentirt  fPig.  12),  die  zweite 
aus  Bronze,  vergoldet  mit  niellirten  Ornamenten  (Fig.  13).  Schöner 
Schwertknopf  von  vergoldeter  Bronze,  in  Imola  gefunden  (Fig.  14). 
Kleiner  Riemenend- Beschlag  von  Bronze  und  vergoldet,  ebenfalls  in  Imola 
gefunden.  Schöne  Gürtelspange  von  vergoldeter  Bronze,  im  Tmolesischen 
gefunden  (Fig.  15).  Scheibenförmige  Fibula,  decorirt  mit  eingelegten 
Granaten.  Die  Fibula  ist  von  Gold  und  in  der  Stadt  selbst  an  der 
via  Emilia   gefunden    (Fig.  16).      Scheibenförmige    Fibula,    ebenfalls    von 


1)  Arboit:  La  tomba  di  Gisolfo,  Udine  1874;  vergl.  auch  Lindenschmit: 
Handbach  der  dentochen  Alterthumskunde,  I.  Die  Alterthümer  der  merovingischen  Zeit, 
8.  71)  f.;  P.  Orei:  Di  due  crocette  aiiree  del  museo  di  Bologna  c  di  altre  simili,  trovate 
neir  Italia  superiore  e  centrale  (in  Atti  e  Memorie  della  R.  deputazione  di  storia  patria 
per  le  provincie  di  Komagna;  lU  serie,  vol.  V,  pag.  333—413),  pag.  337  ff. 


u 


iHaVAU}  ÜMDSBT: 


Gold;  das  Hauptmotiv  der  BecorattoD  ist  eine  Schlange,  die  sich  S-förmig 
windet;  das  Stück  ist  mit  Granaten  besetzt  und  soll  in  der  Gegend  von 
Rom    an    der  via  Appia  gofuDden  worden  sein  (Fig.  17). 

Kg.  18. 


Bavcnna.  Museo  nelta  Btblioteca  Classense.  Der  sogenannte 
UnistpanziT  Tlicodoriihii  oder  Oitoakers:  divso  schönen  Ueberrcste 
scheinen     besüiultTS     von     den     BrustthciIi'U     eines     Uflstungsstückes     zu 


Alt^rtbümer  der  Völkervaadcrungszeit  in  Italien.  25 

BeiD.    Sie  sind  aus  Gold  und  wurden 

1854  in  einem  Graben  ausserhalb 

der  Stadt  gefunden.     Sie    sind  mit 

ftholichen    Zangenomamenten,    wie 

sie  an  dem  berühmten  Grabmale 

Tfaeodortch's  zu  beobachten   sind, 

und  mit  eingelegten  Granaten   in 

oenvre     cloisonne    omamentirt. 

Andere  Stacke    zeigen    prachtvolle 

Arbeit  mit  Belegung  von  gefloch- 
tenen Golddräbten  (alle  diese  Stücke 

sind    in   Fig.  18—21    abgebildet'). 

Die  in  diosom  Graben  gefandenen 

Stücke    sind  theils  Odoaker,  theils 

seinem  Mörder  Theodorich  zuge- 
schrieben worden. 

Ein  bronzenes  Beschlagstflck, 

das  io  seiner  Form  an  eine  gleich- 
annige  Fibula  sehr  erinnert,  mit 
halbmnden  Endplatten  und  einer 
runden  Mittelplatte,  für  Nägel  durch- 
bohrt; die  Decoration  ist  punzirt: 
Reihen  von  kleinen  eingeschlagenen 
Linien;  der  Bügel  ist  mit  Einker- 
bungen zwischen  geraden  Quer- 
linien ausgestattet,  ganz  wie  eine 
in  der  späteren  römischen  Zeit 
gewöhnliche  Verzierungsart. 

Rimini.  Museo  pnbblico 
Bella  Biblioteca  Gambalunga. 
Ein  bronzener  Gflrtelbeschlag,  ver- 
goldet, ganz  wie  die  unten  vom 
Museo  Eircheriano  in  Rom  er- 
wähnten und  abgebildeten;  es  ist 
ungewiss,  wo  das  Stfick  gefunden 
worden  ist,  wahrscheinlich  doch  in 
der  Gegend. 

Aicoli-Piceno.  Museo  com-  '/, 

1)  D«  U  Stejrie:  On  two  gold  ornemeiits  of  the  time  of  Theodorich,  preaervcl 
in  th«  mnMnin  of  BaTennn  (Archacologia  Britannico,  Vol.  XLVI}.  Hcnsselmann  ia 
Compte  rendn  da  coogtba  de  Budapest,  1876,  pa^.  5S5  f.  Bicri:  Kavciina  e  i  suoi  dia- 
torni,  Bwrenna,  1876,  pag.  170.  Idem:  Kote  storiehc,  Bologna,  1K81,  put;.  63— »3.  Hanipei, 
Der  GoldAud  Ton  Nagj-SienfrMiklos,  Budapest,  1886,  8.  'X>  f.  und  13t  f. 


Ihovald  ündsct: 
Fig.  19. 


munale.  Mehrere  Schnallen  mit  Ornamenten  vom  Charakter  der  Völker- 
wandurungszeit.  Fünf  Riemenoud-Boschlägo  von  Bronzis  länglich,  mit  drei 
orhabonun  Nägelköiifen  omamentirt.  Zwei  Fibeln  von  vergoldeter  Bronze 
mit  halbrunden,  hinteren  Endplatten,  besetzt  mit  fünf  nach  hinten  aus- 
laufenden Annen;  das  länglich-viereckige  Vorderstflck  iet  mit  vier  Glas- 
flüssen besetzt.  Eine  sehöne  Schnalle  von  Silber,  vergoldet,  niellirt  und 
mit  Granaten  besetzt.  Zwei  grössere  Ohrringe  von  (Jold,  bestehend  aus 
Ringen  mit  grossen  facettirten  Goldperlen.  Eine  halbe  Uuterplatte  eines 
oigeiithiiinlichen  Schmu<^kstiickes  von  Gold;  erhalten  ist  nur  dieser  Theil 
der  Unterplatte.  Zwei  bronzene  Ohrringe,  besetzt  mit  einigen  Glasperlen. 
Mehrere  Knöpfe,  Fingerringe  und  andere  kleinere  Sachen.  —  Alle  diese 
FundstQcke  rühren  sicher  von  einer  Nekropole  in  der  Gegend  her. 

Napoli.  Musoo  nazionale.  Hier  findet  sich  eine  Reihe  von  Gürtel- 
spangen einfiielier  Form  mit  viereckiger  Hinti-rplatte.  die  in  der  Mitte  in 
einem  Kreise  spätroniische  oder  Völker wainleruiigszeitlielie  Ornamente  haben. 


Alterthümer  der  Yölkerwanderungszeit  in  Italien.  27 

Viele  von  diesen  Spangen  sind  spätrömisch,  aber  mehrere  sind  gewiss  auch 
in  die  Völkerwanderungszeit  herunterzurücken  *). 

Roma.  Museo  Gregoriano  im  Vatican.  In  diesem  etruskischen 
Museum  findet  sich  ein  schönes  Exemplar  eines  pilum;  dies  Exemplar  ist 
wahrscheinlich  nicht  hier  zu  neimen,  weil  es  aus  etruskischer  oder 
römischer  Zeit  stammt.  Es  soll  in  einem  Grabe  bei  Vulci  gefunden  sein"). 
Diese  antike  Form  hat  aber  sicherlich  der  in  der  Völkerwanderungszeit 
allgemeinen  Waffenform,  die  z.  B.  bei  Lindenschmit:  „Handbuch  der 
Alterthümer  der  merovingischen  Zeit",  S.  178  ff.,  besprochen  ist,  den 
Ursprung  gegeben;  deswegen  habe  ich  es  in  dieser  Verbindung  in  meinen 
Notizen  aufgezeichnet  und  führe  ich  es  hier  an. 

Museo  Christiane  in  der  vatikanischen  Bibliothek.  Ein  kleines 
goldenes  Kreuz  aus  dünnem  gepresstem  Goldbleche  mit  Ornamenten  von 
Verschlingungen,  etwas  an  den  Styl  der  nordeuropäischen  Brakteaten  er- 
innernd*). Bronzebeschlag  eines  Gürtelendstückes,  im  Ganzen  an  einige, 
unten  aus  dem  Museo  Kircheriano  in  Rom  erwähnte  und  abgebildete 
Riemen -Zungen  erinnernd.  Von  diesem,  in  der  vatikanischen  Bibliothek 
verwahrten  Stück  kann  ich  Fundort  und  nähere  Erläuterungen  ebenso 
wenig,  wie  von  andern  in  römischen  Sammlungen  befindlichen,  angeben; 
es  ist  aber  wohl  im  mittleren  Italien  vor  längerer  Zeit  gefunden. 

Museo  Kircheriano  (jetzt  mit  dem  Museo  nazionale  di  paletnologia 
vereinigt):  Zwei  Schnallen  (Nr.  80  und  82)  mit  Ornamenten  in  Spiral- 
motiven (Fig.  22  und  23).  Die  erste  bildet  eine  viereckige  Platte,  an  deren 
vorderem  Theile  sie  durchbrochen  ist;  sie  hat  gegen  7  cm  in  Länge  und  Höhe, 
doch  ist  die  Länge  unbedeutend  grösser,  als  die  Höhe.  Die  andere  Schnalle 
ist  kleiner  und  hat  die  gewöhnliche  Form;  die  Hinterplatte  ist  etwa  3,5  cm 
lang  und  nicht  volle  3  cm  breit,  sie  ist  mit  einem  doppellinigen  Kreuze 
ornamentirt,  dessen  Enden  als  kleine  Spiralschlingen  nach  beiden  Seiten 
auslaufen. 

Fünf  Beschlagstücke  für  Riemen  und  Gürtel  (No.  77,  78,  261,  1669 
und  84)  mit  Ornamenten  in  demselben  Style,  wie  die  früher  erwähnten. 
No.  77  und  261  sind  Endbeschläge,  nach  der  einen  Seite  dreieckig  und 
etwas  spitz  zulaufend  (Fig.  24);  sie  gehören  wahrscheinlich  zum  selben 
Gürtel,  wie  die  grössere  vorgenannte  Schnalle,  No.  80.  (Fig.  22).    Auf  der 


1)  (Fiorelli)  Catalogo  dol  Maseo  Nazionale  di  Napoli  1869,  (foL),  pag.  23,  wo  als 
Nr.  319  und  320  einige  erwähnt  sind;  cfr.  auch  Museo  Borbonico,  vol  V  TI,  pl.  48;  Her- 
rulaneam  und  Pompeii,  VI,  pl  95:  also  ähnliche  Schuallenformen  schon  in  römischer  Zeit 

2)  Lindenschmit:  Das  römische  Heerwesen.  S.  12.  Vergl.  auch  ein  ähnliches 
kleines  Stück,  aus  der  Nekropole  Belvederc  bei  (■orropoli  in  den  Abruzzen;  dies  Stück, 
das  etwa  dem  4.-5.  Jahrhundert  v.  Chr  zuzuschreiben  ist,  befindet  sich  im  prähistorischen 
Museum  von  Rom. 

3)  Es  ist  ganz  gewiss  dieses  Exemplar,  das  bei  Orsi  in  der  citirten  Abhandlung  unter 
No.  (>4,  pag.  3G9,  erwähnt  wird;  es  soll  in  einem  Grabe,  wo  ein  heidnischer  Sarkophag 
xa  einem  christlichen  Begräbniss  verwendet  worden  war,  in  Piacenza  gefunden  sein. 


28  ImOYAIJJ  ÜHDBETr 

Hinterseite  dieser  Schnalle  und  der  genannten  EndbeB<^liläge  sind  noch 
Reste  Ton  Ledor  erhalten;  die  Nägel,  mit  denen  diese  Beschlagstücke 
am  Riemen  befestigt  waren,  messen  etwa  8  mm  in  der  Länge  und  zeigen 
somit  die  ureprüngliche  Dicke  des  Lederriemens.    No.  1569  ist  ein  BeBchlag, 


Fig.  22. 


der  ohne  Zweifel  zum  sellion  Oiirtel  gidiitrt  hat,  weil  i>r  dieselbe  Breite, 
wie  die  genannte  grössere  Selnialle,  zeigt  (Fig.  2.'));  in  der  Mitte  bildet 
dieser  Besclilag  einen  kleinen  Itfigel,  wahrscheinlich  zum  Festhalten  des 
Riemenendes:  in  beiden  Kmlstüiken,  die  am  Riemen  befestigt  waren,  ist 
dieser    Beschlag    dreieckig    verbreitert    itnd    etwa  4  cm  breit.     Man    kOnnte 


Aiterlhümer  der  Völkenranderungszeit  in  Italien. 


29 


auch  Termutheii,  dase  er  zu  einer  Schwertscbeide  gehört  hat  und  aus 
der  Bpätestea  römiscben  Zeit  stammt  No.  78,  79  und  81  sind  kl»in» 
Beschläge  zu  Riemenzungen,  die  bedeutend  schmäler  sind,  deren  Nägel 
aber  dieselbe  Lederdicke  andeuten;  alle  sind  sie  länglich  -  dreieckig 
(Fig.  2G~2S). 

No.  140«)  und  1401.  Riemenbeschläge,  in  einem,  von  dem  voran- 
gehenden etwas  Torschiedenon  Style  dicker  gegossen  (Fig.  29  und  30).  In 
No.  1401  hat  die  Bronze  mehr  den  Charakter  von  Messing;  auf  der  Ober- 

Fig.26. 


Fig.  30. 


fläche  war  dies  Stück  gewiss  vergoldet.  Zwei  erhaltene 
Nägel  sind  von  Silber.  Diese  Beschläge  sind  etwa 
3*/,  cm.  lang  und  2 — 2'/,  cm  breit. 

Sammlung  des  Herrn  Auguste  Castellani '). 
In  dieser  reichen  Sammlung  finden  sich  mehrere  schöne 
Aiterthömer  der  Völkerwanderungszeit,  die  alle  in  Italien 
gefunden  sind,  obgleich  die  Fundstellen  nicht  genauer 
bekannt  sind. 

Bei  Rieti    in  Umbrien,    eine  halbe  Miglie  vor  der 
Porta  Narni,  wurden  unter  einem  herabgestürzten  Fels- 
BtQcke  einige  Sachen  gefunden,  dabei  auch  die  Knochen  eines  Menschen  und 
eines  Pferdes.     Die  hier  gefundenen  Alterthämer  waren: 

Zwei  grosse  Fibeln  von  Silber;  sowohl  die  hintere  runde  Platte,  wie 
die  vordere  oblonge,  sind  mit  dflnnem  vergoldetem  Blech  l)elegt,  das  mit 
kleinen  Cirkelschlägen    und  anderen  eingestempelten  Ornamenten  decorirt 


1)  Ich  habe  Herrn  Castellani  viel  xu  danken  rSr  die  Erlaobnise,  diese  srhOaen 
Sachen  ni  pobliciren.  Im  Jahre  1883  hat  der  d&niache  Architekturmaler  J.  T.  Uanaen 
diese  trefflicbeo  Zeichnangen  lör  mich  in  Kom  gemacht. 


30  Imovai.d  Undset: 

ist.  Die  eiiiu  ist  in  Fig.  31  abgebildet:  ueben  der  Figur  sind  die  orna- 
mentalen Details  in  voller  Grösse  angegeben').  Acht  runde  KnSpfe  von 
Bronze  (Fig.  32),  plattirt  und  oniamcntirt  auf  dieselbe  Weise,  wie  die  oben 
erwühnten  Fibeln;  zwei  von  diesen  Knöpfen  zeigen  an  der  Unterseite 
Eisen;  wahrsolteinlich  geliörten  sie  zur  Ausstattung  eines  Schildes  (oder 
eines  Helmes?).    Sechs  Bcschlagstücke  von  Bronze  (Fig.  33),  welche  oben 


Fijr.  B2. 


Fig.  34. 


'/.■ 

in  Ringen  endigen,  waren  auch  dabei;  durch  Nägel  waren  sie  gewiss  au 
Gelassen  (oder  an  Pferdezeug?)  befestigt;  ein  siebentes  ist  wie  eine  rohe 
Gesichtsmaske  (Fig.  34)  geformt.     Zwei  einfaclie  Broiizesciinallen. 


1)  Es  waren  dies  die  Filieln  and  die  folpendpu  Knöpfe,  dir  in  meinem  Anfsatie  Ober 
die  fatale  Speerspitie  von  Tvrcello,  als  eine  Ihulirhe  Technik  in  ilen  eingestenipcllen 
Ornamenten  iei(;end  nnd  ilegwegen  für  mirh  die  Rehtheit  jenes  Stftrkeg  bekiAfti^nd. 
erwihtit  wurden. 


Altorthümer  der  VölkervandemDgszeit  in  Italieo.  31 

AudiTe  FuiidstAcke,  die  derselben  Periode  entstimimeu: 
Ein  eigeuthüinlielieB  Beschlagetück,  das  an  Fig.  25  aus  dum  Museo 
Kircheriano  erinnert,  hat  in  derselben  Weise  dreieckige  Endstfleke,  wovon 
jedoch  das  eine  abgebrochen  ist  und  fehlt;  an  der  Mitte  ist  es  etwas  ver- 
breitert und  bildet  hier  ein  Viereck,  das  mit  einem  Steme  ornameiitirt 
ist.  Die  Höhlung  unter  der  Mitte  ist  hier  bedeutend  schmäler,  als  an  dero 
aus  dem  Kircheriano  citirten  Stücke  (Fig.  35). 

Ein    kleines,    dreieckiges   Beschlagstück   von    Bronze,    in    demselben 
Style  omamentirt  (Fig.  36). 

Fig.  37. 


Ein  grosses,  vergoldetes  Stück  ans  Bronze  (Fig.  37)  zeigt  etwa  in 
der  Mitte  eine  grössere,  leere,  länglich -runde  Oeffnung,  die  sehr  an  das 
mittlere,  hohle  Stuck  aus  dem  Kircheriano  (Fig.  22),  wo  die  Nadel  an  der 
Schnalle  angebracht  ist,  erinnert.  Vom  endet  dies  Stück  in  zwei  von 
einander  ahgewendete  Vogelköpfe;  längs  der  Ränder  ist  es  mit  niellirten 
Bogen  und  dazwischen  mit  Punkten  ornamentirt.  Es  hat  drei  Felder  mit 
gravirten  Zeichnungen,  und  zwar  am  rectangulären  Ende  zwei  viereckige 
Felder  mit  menschlichen  Köpfen,  am  dreieckigi'ii  Ende,  neben  den 
Vogelköpfen,  ein  rundes  Feld  mit  in  ähnlicher  Weiso  gravirten  Figuren. 
Diese  stellen  eine  nackte,  weibliche  Figur  dar,  mit  einem  Apfel  in  der 
rechten  Hand  und  neben  einem  Altar  stehend,  welche  vor  einer  bekleideten, 
bewaffneten  und  behelmten,   weiblichen  Figur  steht,  vielleicht  eine  Venas 


32  Ihovald  Uhdubt: 

vor  einer  Dea  Roma').  Die  Bilder  der  zwei  Meneclieiikö[>fe  in  den  vier- 
eckigen Feldern  erinnern  an  das  Oeprüge  byzantinischer  Münzen  uml 
überhaupt  an  die  späteste  antike  Kunst. 

Die  drei  letztgenannten  Btücke  sind  in  der  Provincia  di  Roma 
zusammen  gefunden  worden. 

Ein  kleiner  Biemeneodbeechlag  von  Bronze,  der  sehr  an  Fig.  27  ans 
dem  Kircheriano  erinnert. 

Eine  kleine,  einfache,  gleicharmige  Fibnla  von  Bronze  ohne  OmaraoDte. 

Eine  kleine  gleicharmige  Fibula  ohne  Ornamente. 

Eine  Fibula  von  Bronze,  von  geringer  Grösse  und  von  dem  gewöhnlichen 
Typus  der  Völkerwandernngazeit,  vom  als  ein  Thierkopf  endend,  hinten 
mit  kleinen  rundlichen  Knöpfen  um  die  halbrunde  Endplatte;  das  Stück 
zeigt  Spuren  von  Vergoldung  über  das  Ganze. 

Zwei  Riemenendbe schlage  von  Silber,  wie  mit  Flechtwerk  omamentirt. 

Fragment  einer  schönen,  silbernen  Fibula,  omamentirt  mit  Ver- 
goldung und  zerhackten  Thierverschlingungen,  vorn  abgebrochen,  an  allen 
erhabenen  Linion  niellirt;  um  den  Bügel  geht  ein  dicker,  körniger  Silber- 
draht (Fig.  38). 

Kg.  89. 


Fragment  einer  Fibula,  die  vorn  in  einen  Thierkopf  endet  und  weiter 
zurück  am  Bügel  mit  einem  menschlichen  (iesichte  en  face  omamentirt 
ist  (Fig.  39);  hinter  dem  Bügel  und  dem  Gesichte  ist  das  Stück  ganz  un- 
vollständig. 

1)  Tprgl.  eine  Abhuidlong  Ton  KtügniBiiii,  LV[%ip  di  Roma  nei  tipi  monetwii 
piD  Mtichi,  Rom»  18T9,  6.  mit  Taf«L 


Alterthumer  der  Yölkerwanderongszeit  in  Italien.  33 

Zwei  Schnallen  mit  in  Cloisons  eingelegten  Granaten  nnd  Glasflüssen, 
die  eine  mnd,  die  andere  mit  viereckiger  Hinterplatte. 

Zwei  kleine  S- förmige  Thierkopf- Fibeln,  omamentirt  mit  Granaten 
oder  Glasflüssen  in  Cloisons  am  Thierrücken. 

Zwei  schöne,  goldene  Ohrringe  im  Style  der  Völkerwanderungszeit, 
mit  gefassten  Granaten  u.  s.  w. 

Fragment,  das  Hinterstück  einer  Schnalle  (etwa  wie  Fig.  22  aus  dem 
Kircheriano),  mit  eingekerbten  Ornamenten  im  Style  der  Völkerwanderungs- 
zeit. 

Eine  Fibula,  die  vom  als  ein  Kopf  en  face  ausläuft;  um  die  halb- 
runde Hinterplatte  fehlt  der  Besatz. 

Eine  andere  ähnliche  Fibula,  vom  in  zwei,  nach  einander  gestellte, 
kleine,  runde  Platten  auslaufend;  die  halbrunde  Hinterplatte  ist  von 
fünf  Knöpfen  umgeben. 

Viterbo,  Collezione  Falcioni.  Zwei  Schnallen  in  Formen  der 
Völkerwanderungszeit;  in  der  Sammlung  sind  sie  beide  als  „langobardisch'' 
bezeichnet.  Hinter  der  eigentlichen  Schnalle  finden  sich  an  beiden  Exem- 
plaren längliche  Platten,  an  deren  Unterseite  der  Gürtel  durch  Nägel 
befestigt  war.  Die  eine  ist  etwas  fragmentarisch;  beide  sind  in  der  Gegend 
von  Viterbo  gefunden. 

Chiusi,  Museo  municipale.  Nr.  493 — 498,  fünf  zweischneidige 
Schwertklingen  von  Eisen,  der  gewöhnlichen  Form  der  Völkerwanderungs- 
zeit angehörend,  mit  halbrunder  Vertiefung  in  der  Mitte  beider  Seiten 
längs  der  Klinge.  Eine  einschneidige  Schwertklinge  von  der  gewöhnlichen 
Form  derselben  Epoche.  Eine  einschneidige  Dolchklinge,  oder  vielleicht 
correcter  ein  sehr  kurzes  Schwert  oder  grosses  Messer. 

Collezione  Paolozzi.  Zwei  grosse  Schildbuckel  von  Eisen,  mit 
Nägeln  mit  grossen,  platten,  runden  Bronzeköpfen  am  breiten,  unteren 
Rande;  die  Köpfe  der  Nägel  sind  mit  goldenen,  omamentirten  Platten 
belegt.     Ein  dritter  ähnlicher  Schildbuckel  ist  einfacher. 

Reicher  Grabfund  dieser  Periode  von  goldenen  und  vergoldeten 
Schmucksachen,  der  nach  dem  französischen  Nationalmuseum  der 
Alterthumer  in  St.  Germain-en-Laye*)  gekommen  ist*).  Der  Fund 
enthält  6  grössere  und  11  kleinere  goldene  Beschläge  zu  Riemenenden, 
alle  an  einem  Ende  abgerundet  (Fig.  40 — 45);  ausserdem  2  Bj'euze  von 
ziemlich  dickem  Goldblech  mi/  umgebogenen  Rändem  und  mit  auf  der 
Unterseite  angelötheten  Oehsen,  durch  welche  scheinbar  ein  Riemen  oder 
ein  anderer,  ähnlicher  Gegenstand  gezogen  war  (Fig.  46  und  47);  diese 
Kreuze  sind  von  denen,  die  von  Hrn.  P.  Orsi  in  der  oben  citirten  Abhand- 
lung behandelt  worden  sind,    gänzlich  verschieden.    Die  Riemenbeschläge 

1)  Ich  habe  es  Hm.  A  Bertrand,  de  rinstitat  fran^ais,  zu  yerdanken,  dass  ich  diese 
hochinteressanten  Sachen  abbilden  konnte. 

2)  YergL  eine  Notiz  in  der  Rerue  arch^ologique,  zieme  Sdrie,  I.  pag.  121. 

Z«iUchrlft  für  Bthnologie.    Jahrg.  1891.  g 


Ingvald  dKDfiirr: 

Fig.  42. 


Fig.  40.  Fig.  41. 


^B-  «■  Fig.  45. 


n 


Alterthümer  der  Völkerwanderungszeit  in  Italien.  35 

und  mehrere  der  anderen  Sachen  zeigen  vertiefte  Arbeit,  wohl  zur  In- 
crustirung  mit  Granaten  oder  Glasfluss- Stücken;  Reste  einer  dunklen 
Masse  sind  auch  an  einigen  der  Stücke  erhalten,  sie  diente  wohl  zum  Pest- 
halten der  Steine.  Ferner  enthält  der  Fund  mehrere  kleine  Schnallen  von 
Gold  (z.  B.  Fig.  48  und  49)  u.  s.  w.  Von  dem  Inhalte  des  Fundes  sind 
am  bemerkenswerthesten  ein  jochförmiges  Stück  (Fig.  50),  wie  von  zwei 
fliegenden  Vögeln  getragen,  und  zwei  Thierfiguren  (Fig.  51),  kauernde 
Thiere  darstellend,  welche  gegen  einander  gewendet  sind;  sie  ruhen  auf 
ihren  Füssen  und  die  Schwänze  gehen  frei  nach  hinten  aus.  Es  waren 
diese  Stücke  vielleicht  als  Beschläge  oder  Ornamente  an  einem  Helme 
angebracht.  Ausserdem  enthält  der  Fund  eine  bronzene  Schale  mit  zwei 
Tragehenkeln  und  mit  durchbrochenem  Fuss.  Ein  Stück  von  einem  Pferde- 
gebiss  von  Eisen  und  ein  Eisenschwert,  die  auch  dem  Funde  angehörten, 
wurden  von  dem  Museum  nicht  erworben.  Der  Verkäufer  der  Sachen 
wollte  den  Fundort  nicht  genau  angeben;  wahrscheinlich  ist  dieser  Fund 
jedoch  identisch  mit  dem  von  Hm.  P.  Orsi  in  der  Note  pag.  372  in  der 
öfter  citirten  Abhandlung  erwähnten,  der  etwas  nördlich  von  der  Stadt 
Chiusi,  an  einer  Stelle,  TArcisa  genannt,  gehoben  wurde,  wo  eine  kleine, 
vor  mehreren  Jahrhunderten  verfallene  Kirche  gelegen  haben  soll.  Der 
Fund  soll  auch,  heisst  es  hier,  ein  Schwert  mit  Schwertscheide  von  Gold, 
eiuen  Dolch  mit  goldenem  HandgrifiF,  Fibeln,  einen  Ring  und  ein  Siegel 
von  Gold,  einen  Schildbuckel,  mit  vergoldeten  Nägeln  gamirt,  und  einen 
Helm  mit  goldener  Incrustation  enthalten  haben  (Fig.  52). 

Noch   vrill    ich    hier    einen    ähnlichen  Fund    er- 
^'  wähnen,  der  im  Jahre  1876  in  der  englischen  Zeitschrift 

The  Archeological  Journal,  vol.  XXXHI.  pag.  103  fiF., 
mit  3  Tafeln,  erwähnt  wurde.  Er  enthält  reiche 
Reste  eines  Schwertes,  mehrere  Schnallen,  Riemen- 
beschläge und  einfache  Goldkreuze,  auch  ein  kleines 
sattelförmiges,  goldenes  Beschlagstück,  wie  zwei  in 
dem  letztgenannten  Funde  zu  St.  Germain  (Fig.  53). 
Siena,  Sammlung  des  Hm.  Marcheso  Chigi. 
,,  Ein   Beschlagstück    zu    einem  Gürtel    oder    zu    einer 

Schwertscheide,    ähnlich    wie  Fig.  25  aus  dem  Museo 
Kircheriano,  sicherlich  in  der  Gegend  um  Siena  gefunden. 

Cortona.  Museo  municipale.  Eine  Schnalle  von  Bronze  mit  läng- 
lich-dreieckigem Hinterstück,  als  bei  Iste  gefunden  bezeichnet. 

Perugia.  Gabinetto  Guardabassi,  mit  dem  etruskischeu  Museum 
der  Universität  vereinigt.  Eine  kleine  Fibula  der  Völkerwanderungszeit, 
am  vorderen  Ende  mit  zwei  Flügeln  decorirt  und  mit  drei  Knöpfen  an 
der  halbrunden  Hinterplatte.  Ein  Schildbuckel  von  Eisen  mit  Einkerbung 
oberhalb  des  grossen,  breiten,  ausplattirten  unteren  Randes.  Schöne,  ver- 
goldete, silberne  Fibula;    kleine,  gleicharmige  desgleichen;   einige  Gürtel- 

8* 


36  Inqvald  ündsbt: 

schnallen  (vergl.  die  Abbildungen  in  Notizie  degli  scavi  1880.  Tav.  II). 
Viele  Gärtelbeschläge;  11  runde,  vergoldete  Bronzeknöpfe,  die  auf  Eisen 
befestigt  gewesen  sind;  ein  Endbeschlag  mit  halbrundem  Ende,  der  eben- 
falls vergoldet  war. 

Collezione  des  Hrn.  Prof.  Bellucci.  Mehrere  kleine  und  zum  Theil 
fragmentarische  Bronzen,  die  aus  dieser  Zeit  stammen  und  von  Gürtel- 
schnallen^ Eiemenbeschlägen  u.  s.  w.  herrühren;  sie  sind  bei  Fojano, 
Castione  del  lago  und  an  anderen  Orten  in  der  Gegend  von  Chiusi 
gefunden.  Ein  Paar  grössere  Fragmente  von  Gürtelbeschlägen  dieser  Zeit, 
die  in  der  Gegend  von  Perugia  gefunden  worden  sind. 

Firenze,  Museo  archeologico.  Einige  eiserne  Speerspitzen  von 
Formen  der  Völkerwanderungszeit;  eine  zweischneidige  und  eine  ein- 
schneidige Schwertklinge,  an  der  ersteren  sind  Reste  von  der  Holzscheide 
sichtbar;  ein  eiserner  Beschlag  zu  einer  Schildhandhabe  von  einer  Form, 
welche  dieselbe  Zeit  bekundet.  Eine  Gürtelschnalle  von  Bronze  mit  drei- 
eckigem Hinterstück. 

Volterra,  Museo  nazionale.  Ein  Armring  von  Bronze  mit  kolben- 
förmigen Enden,  als  Nr.  389  bezeichnet.  Eine  zweischneidige  und  zwei 
einschneidige  Schwertklingen,  die  bestimmt  die  Formen  der  Völkerwande- 
rungszeit zeigen  und  mit  Nr.  800 — 802  bezeichnet  sind;  sicherlich  bekunden 
sie  ein  Grabfeld  aus  dieser  Zeit,  das  sich  irgendwo  in  der  Nähe  befindet 

Bei  Hm.  Manetti,  der  mit  Alterthümem  handelt,  sah  ich  auch 
mehrere  kleinere  Bronzesachen  dieser  Zeit,  Schnallen,  Riemenbeschläge 
u.  8.  w.,  die  in  der  Gegend  lun  Volterra  gefunden  waren. 

Grosseto,  Museo  municipale.  Drei  Armringe  von  Bronze  mit 
kolbenförmigen  Enden.  Eine  einschneidige  Schwertklinge  und  mehrere 
Speerspitzen,  ebenfalls  von  Eisen,  die  auch  ohne  Zweifel  dieser  Zeit  an- 
gehören und  die  in  der  Gegend  um  Grosseto  gefunden  sind.  — 

Wie  ich  schon  in  der  Einleitung  gesagt  habe,  kann  hier  aus  mehreren 
Gründen  eine  archäologische  Behandlung  der  Frage  nicht  vorgenommen 
werden,  was  speciell  langobardischer  Styl  in  der  Ornamentik  gewesen 
ist,  was  dieses  Volk  von  anderen  germanischen  Stylarten  und  aus  der 
Erbschaft  der  classischen  Zeit  entlehnt  hat,  und  wie  dieses  Volk  es 
zum  eigenen  Besitzthum  umgebildet  und  verarbeitet  hat.  Ebenso  wenig 
kann  hier  genauer  ausgeschieden  werden,  was  den  Gothen  oder  anderen 
germanischen  Völkern  zngethoilt  werden  muss.  Das  muss  aUes  der  Zu- 
kunft vorbehalten  bleiben,  wo  man  aUe  diese  Fragen  ganz  anders  über- 
blicken und  viel  vollständigere  Material -Kenntnisse  besitzen  wird.  Zudem 
weiss  man  ja  von  alF  den  besprochenen  Sachen  gar  nicht,  wo  sie  gefunden 
sind;  namentlich  gilt  diese  Bemerkung  von  den  vielen  Sachen  im  Museo 
Kircheriano   in   Rom   aus   altem  Bestände,    die   vor   Jahrhunderten   dem 


AltertbSmer  der  TSlhenTondenuigGzeit  in  Italien.  37 

UoBeDni  zugekommeii  sind.  Mehrere  von  diesen  Sachen  sind  einigen,  nörd- 
lich der  Alpen,  im  Rheiothale  und  anderswo  gefundenen  eo  ähnlich,  dtias 
man  an  eine  Herkunft  aus  viel  weiter 

nördlichen  Ländern  denken  musB.   Ich  f '?■  64. 

rerweiee  nur  auf  die  Abbildungen  in 
LindenBchmit,  Handbuch  der  deut- 
schen Älterthumskunde,  I.  (Braun- 
schweig 1880—89)  Fig.  294  u.  362—65. 
Fig.  294  ist  nebenstehend  als  Fig.  54 
wiederholt;  es  wurde  dies  Stück  auf 
einem  fränkischen  Crrftberfelde  in 
Worms  gefanden.  Die  abgebildeten 
Sachen  aus  dem  Museo  Kircheriano 
zeigen  denselben  Omamentstyl,  wio 
die  von  uordalpinen  Fundorten  an- 
geführten; es  liegt  also  der  Zweifel 
nahe,    dass   diese   römischen    Sachen 

nicht  in  Italien  gefunden  sind.  Weiss  man  ja,  dass  diese  Antikensammlung 
am  Jesuiten -CoUegiom  in  Rom  manchp  Stücke  aus  fremden  Ländern,  wo 
Jesuiten  missionirten,  empfangen  hat,  wie  ich  es  in  dieser  Zeitschrift  1886. 
S.  4,  hervorgehoben  habe  in  Betreff  einiger,  in  demselben  Museum  auf- 
bewahrter nordischer  Bronzen.  Dass  die  hier  aus  dem  Kircheriano  ab- 
gebildeten Sachen  der  Völkerwaiiderungszeit  möglicherweise  im  Süden  ge- 
fanden sind,  kann  man  nicht  ohne  weiteres  verneinen;  ic)i  führe  hier  zum 
Vergleich  einige  Sachen  ganz  ähnlichen  Styls  an,  die  sicher  auf  der  Balkan- 
halbiusel    gefunden   worden  sind,    nehmlich  Fig.  &5 — 58  aus  dem  Museum 

Fig.  56.  Rg.  56. 


38  Ingvald  ündset:  Alterthfimer  der  Ydlkerwandeningsseit  in  ItalieiL 

zu  Agram  in  Kroatien.  Diese  Sachen  sind,  wenigstens  die  meisten,  in  der 
alten  Stadt  Sisek  gefunden.  Jedem  Beobachter  wird  die  Stylverwand- 
schaft mit  den  besprochenen  Sachen  aus  Italien  und  aus  dem  Rheinthale 
sofort  in  die  Augen  springen. 

Aber  wir  wissen  ja,  dass  in  der  Völkerwanderungszeit  die  Völker- 
schwärnie  hin-  und  hergezogen  sind;  somit  können  sie  dieselben  Sachen 
und  denselben  Styl  nach  den  verschiedensten  Gegenden  gebracht  haben. 
Dies  Alles  lierauszufinden  und  zu  klären,  was  dem  einzelnen  Volke  oder 
der  einzelnen  Zeit  eigen  ist,  muss  der  Zukunft  vorbehalten  bleiben. 

Vorläufig  müssen  wir  uns  darauf  beschränken,  das  Material  zu  sammeln 
und  es  zu  veröffentlichen;  die  genauere  Durcharbeitung  wird  erst  nach 
und  nach  folgen  können. 


Besprechungen. 


Karl  Schumacher.  Beschreibung  der  Sammlung  antiker  Bronzen.  Gross- 
herzogliche Vereinigte  Sammlungen  zu  Karlsruhe.  Karlsruhe,  J.  Biele- 
feld, 1890.  gr.  8.  231  S.  mit  13  Lichtdruck-  und  16  zinkographischen 
Tafeln  und  zahlreichen  Abbildungen  im  Text. 

Die,  schon  durch  die  trefflichen  Publikationen  des  Hm.  E.  Wagner  sehr  bekannte 
Sammlung  antiker  Bronzen  zu  Karlsruhe  wird  hier  in  einer  vollständigen  Aufzählung  und 
Beschreibung,  unter  Zufügung  aller  vorhandenen  Nachrichten  und  literarischen  Hinweise, 
vorgeführt.  Ein  kunstgeschichtliches  Register  der  wichtigeren  Gegenstände  ist  am  Schlüsse 
(8.  219)  beigebracht.  Es  geht  daraus  hervor,  dass  die  Mehrzahl  der  Stücke  italischen, 
nur  wenige  griechischen  Ursprunges  sind;  die  ersteren  umfassen  die  verschiedensten 
Perioden  bis  zu  der  römischen,  doch  sind  unter  ihnen  die  älteren,  hier  als  unteritÄlisch- 
griechisch  bezeichneten  und  die  etruskischen  Funde  vorwiegend.  Nicht  wenige  dieser 
Stücke  sind  von  hohem  archäologischem  Werthe.  Die  Beschreibung  selbst  ist  nach  den 
Gegenständen  geordnet,  so  dass  zuerst  die  Hausgeräthe  (Nr.  1 — 691),  darunter  auch  die 
Schmuck-  und  Toilettensachen,  sodann  die  Geräthe  für  besondere  Stände  und  Zwecke 
(Nr.  692— 840),  darunter  die  Waffen,  das  Pferde-  und  Wagengeräth,  darauf  „Verschiedenes 
und  Unbestimmbares"  (Nr.  841  — 928)  aufgeführt  werden.  Den  Schluss  bilden  die  Rund- 
figuren,  und  zwar  Götter,  Heroen  und  Menschen  (Nr.  929  —  1014),  sowie  Thiere 
(Nr.  1015—34).  Die  Ausstattung  ist  durchweg  sehr  sauber  und  solid,  die  Zeichnungen 
(von  Hrn.  M.  Dietz)  scharf  und  dem  Anschein  nach  genau,  die  Lichtdrucktafeln 
(XVn — XXVIII,  aus  der  Anstalt  des  Hm.  J.  Schober)  auch  im  Einzelnen  gut  erkennbar 
und  von  plastischer  Wirkung.  Rud.  Virchow. 


Archaeological   Survey   of  India.      The   Sharqi  -  Architecture    of  Jaunpur; 

with  notes  on  Zafarabad,    Sähet -Mähet  and  other  places  in  the  north- 

westem  provinces  and  Oudh  by  A.  Führer  Ph.  D.,  with  drawings  and 

architectoral   descriptions   by  Ed.  W.  Smith,    edited   by  Jas.  Burgess. 

Calcutta  1889.  Mit  74  Tafeln. 
Die  neue  Serie  der  Publicationen  des  Archaeological  Survey  beginnt  mit  einem  Bande, 
welcher  den  muhammedanisch- indischen  Stjl  von  Dschaunpur  behandelt.  Die  Stadt 
Dschaunpur,  im  gleichnamigen  District  der  Nordwestprovinzen  an  der  Nordseite  des  Gümti- 
flnsses  gelegen,  war  vom  Ausgange  des  14.  Jahrhunderts  an  etwa  100  Jahre  lang  die  Haupt- 
stadt der  von  Malik  Sarwar  Khwädscha  (1894)  gegründeten  Sharqi -Dynastie,  welche  mit 
ihren  früheren  Herren,  den  Kaisem  von  Dilll,  um  die  Oberherrschaft  rang,  bis  dem 
Kaiser  Bahlol  im  Jahre  1478  die  Eroberung  der  Stadt  und  damit  die  Unterwerfung  des 
Reiches  gelang.  Die  Stadt,  deren  Kern  das  auf  buddhistischen  Ruinenstädten  und  auf 
Kosten  von  Hindübsnten  (um  1360)  angelegte  Fort  des  Firuz  bildet,  ist  durch  die  Pracht- 
bauten der  Sharqi -Dynastie  ausgezeichnet.  Es  sind  dies  besonders  die  Moscheen  Atala 
Masdschid,  1418  von  Ibr&him  Sult4n  aus  den  Steinen  eines  Hindütempels  erbaut;  die  Läl 
Darw&za  Masdschid  von  Bibi  Rädschi,  der  Gattin  des  Mahmud,  um  1450  erbaut,  und  die 
Dschämt-Masdschid,  ausgebaut  von  dem  letzten  Sharqt- Herrscher,  welchen  Bahlol  nach 
der  Niederlage  von  1478  auf  dem  Throne  gelassen  hatte.  Zu  diesen  Moscheebauten 
kommt  noch  die  berOhmte  sechszehnbogige  Brücke  über  die  Gümti,  welche  712  englische 


40  BesprechuDgen. 

Fass  Spannweite  hat  und  von  dem  Mughal- Gouverneur  Muntm  khän  1568  erbaut  ist.  Diese 
Bauten  werden  ausführlich  beschrieben  und  abgebildet  und  ihre  Inschriften  publicirt.  Von 
besonderem  Interesse  aber  sind  die  letzten  Seiten  des  Buches.  In  der  N&he  von  Dschaunpur 
liegen  nehmlich  die  Ruinenfelder,  welche  heute. Sähet- Mähet  heissen  und  nach  General 
Cunningham's  Annahme  die  Stelle  der  alten  Stadt  Qravästi,  des  Savatthi  der  bndd- 
hitsischen  Zeit,  einnehmen.  Der  Boden  aber  ist  fast  unberührt  und  kann,  wie  Dr.  Alois 
Führer  sich  äussert,  reiches  Material  von  buddhistischen  und  dschainistischen  Alterthümem 
bergen.  Hr.  Führer  publicirt  eine  Inschrift,  welche  Dr.  Hoey  auf  seiner  Tour  1884,86 
gefunden  hat  und  welche  jetzt  im  Provinzial- Museum  zu  Lakhnau  aufbewahrt  wird,  welche 
beweist,  dass  noch  um  1219  der  Buddhismus  im  Lande  war,  und  welche  andererseits  merk- 
würdig ist  dadurch,  dass  sie  das  Hindu -Königthum  von  Kanaudsch  (Kanj&kubdsch&)  als 
noch  bestehend  erwähnt,  welches  Reich  thatsächlich  durch  den  Sieg  des  Sh&hab-ud-din 
über  Dschai  Tschhand  1193  in  den  Händen  der  Muhammedaner  war.  Das  in  der  Nähe 
von  Dschaunpur  liegende  Bhüila  Tal  hatte  Mr.  Carlleyle  mit  dem  Heimathsorte  des 
Gautama  Buddha,  Kapilavastu,  gleichgesetzt.  Hr.  Führer  macht  nun  alle  Gründe  des 
Mr.  Carlleyle  hinfällig,  und  kann  ich  dabei  nicht  umhin,  den  Leser  besonders  auf  den 
sub  Nr.  3,  S.  69  erwähnten  unerhörten  Vorgang  hinzuweisen.  Grünwedel. 


Brehm's  TiorleLen.    Dritte  gänzlich  umgearbeitete  Auflage  von  Pechuel- 
Loesche.    Säugetiere.   Bd.  II.   Leipzig  und  Wien,  Bibliogr.  Institut,  1890. 

gr.  8.     708  S.  mit  19  Tafeln  und  zahlreichen  Abbildungen  im  Text. 

In  rascher  Folge  ist  von  der  vorzüglich  ausgestatteten  neuen  Auflage  der  zweite 
Band  erschienen.  Derselbe  umfasst  den  Schluss  der  Raubthiere,  die  Bobben,  die  Insec- 
tivora,  die  Nager  und  die  Edentaten.  Für  die  Anthropologen  wird  stets  das  in  grosser 
Ausführlichkeit  und  mit  sichtlicher  Vorliebe  gearbeitete  Kapitel  über  die  Haushunde 
besonders  anziehend  bleiben.  Jeder,  der  einst  einen  Hund  geliebt,  wird  gerne  die  Erinne- 
rung an  seinen  treuen  Gefährten  erneuern;  jeder,  der  die  Bedeutung  des  Hundes  für  die 
Culturgeschichte  des  Menschen  sich  vergegenwärtigen  will,  wird  hier,  aus  der  frischen 
Gegenwart  heraus,  aus  den  Schilderungen  der  Hunde  der  Wilden  und  der  verwilderten 
Hunde  selbst,  eine  Fülle  von  Erklärungen  für  das  Leben  in  vor-  und  frühgeschichtlicher 
Zeit  gewinnen.  Wie  der  Ref.  stolz  ist  auf  das  Lob  seines  heimathlichen  Hundes,  des 
guten  Spitz  (Canis  pomeranus),  der  jetzt  freilich  auch  in  seinem  Yaterlande  immer  seltener 
wird,  so  wird  auch  jeder  andere  Leser  eine  Rasse  entdecken,  die  ihm  vorzugsweise  gefallen 
hat.  Diesen  vielen  Hundefreunden  wäre  es  nun  freilich  zu  gönnen,  dass  ein  wenig  mehr 
auf  die  physischen  Beschaffenheiten  der  einzelnen  Rassen  eingegangen  würde.  Aber  das 
ist  nicht  die  starke  Seite  des  Buches.  Bei  anderen  Thieren  erhält  man  wohl  zuweilen  ein 
Bild  ihres  Skclets,  aber  es  fehlt  meist  die  genauere  Erläuterung.  Wie  viel  für  das  Yer- 
ständniss  des  Hundes  würde  gewonnen  werden,  wenn  die  Anatomie  seiner  Nase  gegeben 
würde,  und  wie  leicht  würde  das  Wesen  des  Bulldog -Kopfes  in  seiner  pathologischen 
Bedeutung  begriffen  werden,  wenn  der  Unterschied  seiner  Nase  von  der  eines  Jagdhundes 
zur  Anschauung  käme!  Brehm  liebte  es,  schwierige  Probleme  durch  einen  Machtspruch 
zu  lösen.  Für  ihn  war  es  zweifellos,  dass  der  Dingo  ein  verwilderter  Haushund  sei,  aber 
die  Untersuchung,  ob  es  fossile  Knochen  des  Dingo  giebt  oder  ob  man  sich  in  dieser 
Annahme  getäuscht  hat,  berührt  er  nur  mit  einem  Worte.  In  solchen  Stücken  sollten 
die  neuen  Bearbeiter  ein  wenig  über  die  Grenzlinie,  die  sich  der  ursprüngliche  Verfasser 
gesteckt  hatte,  hinausgehen.  Bud.  Yirchow. 


III. 

Gedäclitnlssfeler 

für 

HEINRICH  SCHLIEMANN. 


Am  Sonntage,  den  1.  März  1891,  hatte  das  Berlinische  Rathhaus  sich 
in  feierlichen  Schmuck  gehüllt.  Die  Eingangshalle  und  die  grosse  Frei- 
treppe waren  in  üppiger  Fülle  mit  exotischen  Sträuchem  und  Bäumen 
besetzt.  In  dem  Festsaale  umgab  eine  prächtige  Wand  lebender  Gewächse 
die  Rednerbühne  und  über  derselben  die  von  dem  Bildhauer  Hrn.  Grüttner 
modellirte  Büste  des 

verstorbenen  Ehrenbürgers  der  Stadt  Berlin, 

HEINRICH  SCHLIEMANN. 

Eine  grosse  Trauer -Versammlung,  —  in  ihrer  Mitte  der  langjährige 
Freund  des  Dahingeschiedenen,  S.  H.  der  Erbprinz  von  Meiningen  und  Mit- 
glieder der  Reichs-  und  Staatsbehörden,  —  füllte  die  weiten  Räume  des 
Saales.  Die  Einladungen  waren  ergangen  Namens  der  städtischen  Behörden 
und  der  anthropologischen,  der  archäologischen  und  der  Gesellschaft  für 
Erdkunde. 

Bald  nach  12  Uhr  erklangen  von  der  Galerie  die  feierlichen  Klänge 
des  Marsches  aus  den  „Ruinen  von  Athen"  von  Beethoven,  ausgeführt  von 
der  Bläserklasse  der  Königlichen  Hochschule  für  Musik  unter  Leitung  des 
Herrn  Kammermusicus  Kossleck. 

Im  Auftrage  des  erkrankten  Oberbürgermeisters  der  Stadt,  Herrn 
V.  Forckenbeck,  hatte  der  Stadtschulrath  Hr.  Bertram  die  Begrüssung  der 
Versammlung  übernommen.     Er  that  es  in  folgenden  Worten: 

Hochgeehrte  Versammlung! 

Am  7.  Juli  1881  sprach  in  diesem  Saale  Heinrich  Schliemanu.  Der 
Mann,  den  voll  zu  bewundem  die  kritischen  Deutschen  bis  dahin  nur  um 
der  Wunderbark^it  seines  Erfolges  willen  gezögert  hatten,  er  war  der 
unsrige  geworden.  Homer,  so  sagte  er,  hatte  ihn  zu  seinem  Lebenswerk 
begeistert,  Homer  ihn  dem  Vaterlande  zurückgegeben.  —  Nun  ist  der 
sprachenreiche  Mund  verstummt  und  der  Spaten  ruht,  der  die  greifbaren 
Zeugen  einer  Vorzeit  aufdeckte,  auf  der  der  Menschheit  schönste  Dich- 
tung ruht. 

ZciUcbnfc  für  Ethnologie.    J»hrg.  1891.  4 


42  (ledäcbtnissfeier  für  Heinrich  Schliemann. 

Aus  der  Trauer  um  den  Abgeschiedenen  leitet  zur  tröstlichen  Empfin- 
dung des  über  den  Tod  Erhabenen  die  Erinnerung  an  das  weithin  Wir- 
kende, das  dem  verehrten  Manne  gelungen  ist,  an  das  Unvergängliche 
in  den  edlen  Zügen  seines  Lebens. 

Dass  die  drei  grossen  gelehrten  Gesellschaften  Berlins,  die  ihre  Auf- 
gaben durch  Schliemann's  Entdeckungen  gefördert  sahen,  sich  heute  hier 
zu  einer  Gedächtuissfeier  für  unseren  Ehrenbürger  vereinigt  haben,  dafür 
im  Namen  beider  Gemeindebehörden  herzlich  zu  danken,  ist  zu  seinem 
Leidwesen  der  Herr  Oberbürgermeister  durch  ein  widriges  Geschick  ver- 
hindert. 

Dem  Danke,  den  ich  in  seinem  Auftrage  ausspreche,  darf  ich  da  nur 
ein  kurzes  Wort  hinzufügen,  wo  die  Kundigsten  unter  den  Männern  der 
Wissenschaft  des  grossen  Todten  Verdienste  würdigen,  wo  Schliemann's 
Odyssee  von  demjenigen  seiner  berühmten  Freunde  erzählt  wird,  der  ihn 
uns  zuführte. 

Seine  Sammlung  trojanischer  Alterthümer  schenkte  Heinrich  Schlie- 
mann dem  Deutschen  Reiche  zu  ewigem  Besitz  und  ungetrennter  Auf- 
stellung in  der  Reichshauptstadt.  In  den  Sälen  des  Museums  für  Völker- 
kunde hat  er  mit  eigener  Hand  die  Schätze  geordnet,  die  zu  uns  reden 
von  Priamos  Geschlecht.  Sie  reden  mehr.  Sie  reden  von  einem  deutschen 
Manne,  der  glaubensstark  und  unermüdlich  den  erworbenen  Reichthum 
der  Wissenschaft,  den  wissenschaftlichen  Fund  dem  Vaterlande  weihte, 
unter  deutschen  Kaufleuten  bahnbrechende  Entdecker,  in  unserem  Rath- 
hause  die  Verehrung  wissenschaftlicher  Heroen,  davon  soll  Heinrich  Schlie- 
mann's,  soll  Leopold  Ranke^s  Büste  künden,  und  so  trete  denn  des  ewig 
Unsrigen  Bild  vor  unsere  Seelen, 

^Enei  fiiya  xoQ^a  rtolei  t  ^y  navtl  ts  dif/ti^. 

Die  Gedächtnissredo  hielt  der  Vorsitzende  der  anthropologischen  Gesell* 
Schaft,  Hr.  Rudolf  Virchow: 

Es  ist  heute  dat  zweite  Mal,  dass  eine  so  grosse  Versammlung  diese 
weiten  Räume  füllt,  um  Heinrich  Schliemann  zu  feiern.  Zum  ersten  Male 
geschah  es  vor  nunmehr  bald  10  Jahren,  als  die  Behörden  dieser  Stadt 
ihn  unter  die  kleine  Zahl  ihrer  Ehrenbürger  aufgenommen  hatten.  Damals 
war  er  selbst  gekommen,  begleitet  von  der  herrlichen  Frau,  der  Gefährtin 
seiner  Arbeiten  und  seines  Strebens,  um  sich  unter  seinen  neuen  Mit- 
bürgern heimisch  zu  machen  und  allen  denen  Dank  zu  sagen,  die  an  seiner 
Wiedereinsetzung  in  das  deutsche  Heimathrecht  mitgewirkt  hatten. 

Wie  vieler  Tage  und  Jahre  Kummer  wurde  durch  jenes  Fest  von  1881 
ausgeglichen!  Schliemann  war  kein  Freund  lauter  Freudenbezeugungen^ 
aber  jeder  sah  es  seiner  zufriedenen  Miene  an,  wie  tief  er  die  ent- 
scheidende Wendung   empfand,    die    ihn,    den   halben  Fremdling,   wieder 


Gred&chtnissfeier  für  Heinrich  Schliemann.  43 

voll  in  die  Mitte  seiner  Landsleute  stellte,  ja  die  ihm  die  beglückende 
Ueberzengung  gab,  dass  er,  den  man  eben  noch  als  einen  thörichten 
Schwärmer  verspottet  hatte,  nunmehr  als  ernster  Forscher,  als  Mehrer 
des   nationalen  Ruhmes   im  Vaterlande   geachtet  und  geehrt  werden  solle. 

Vierzig  Jahre  waren  verflossen,  seitdem  er,  damals  ein  19jähriger 
Jüngling,  das  Vaterland  und  die  Seinen  verlassen  hatte.  Schon  mit 
14  Jahren  war  er  genöthigt  gewesen,  die  Hoffnung  auf  eine  gelehrte  Schul- 
erziehung aufzugeben.  In  der  niedrigen  Beschäftigung  eines  aussichts- 
losen Kaufmannslehrlings  in  der  kleinen  meklenburgischen  Stadt  Pürsten- 
berg  waren  sogar  seine  kindlichen  Träume  von  einer  Wiederauffindung 
der  alten  homerischen  Königsburg  erblasst.  Und  als  sich  endlich  heraus- 
stellte, dass  sein  Körper  die  schweren  Leistungen,  die  sein  Beruf  verlangte, 
nicht  zu  erfüllen  vermochte,  als  wiederholte  Anfälle  von  Bluthusten  die 
Gefahr  seiner  Lage  nur  zu  deutlich  enthüllten,  da  entschloss  er  sich  mit 
jener  Zuversicht,  die  ihn  in  keiner  Lage  des  Lebens  je  verlassen  hat,  die 
alte  Welt,  die  ihm  so  wenig  geboten  hatte,  zu  verlassen  und  drüben,  in 
-dem  milden  Klima  von  Venezuela,  Gesundheit  und  lohnende  Stellung  auf- 
zusuchen. 

Aber  „die  Götter",  wie  er  zu  sagen  pflegte,  hatten  es  anders  bestimmt. 
Das  kleine  Handelsschiff,  auf  dentf  er  die  Ueberfahrt  machen  wollte,  hatte 
noch  nicht  die  Nordsee  verlassen,  als  Poseidon  einen  gewaltigen  Sturm 
erregte.  Als  Schiffbrüchiger  ward  er,  wie  Odysseus,  auf  die  Küste 
geworfen.  Past  mittellos  kam  er  in  Amsterdam  an.  So  begann  die  lange 
Zeit  seines  Exils,  welches  ihn  mehr  und  mehr  dem  Vaterlande  entfremdete, 
aber  auch  in  demselben  Maasse,  als  er  nur  auf  sich  selbst  gestellt  war, 
seine  Kräfte  entwickelte  und  ihn  schnell  zu  einem  Manne  von  seltenster 
Pestigkeit  der  Individualität  heranreifen  Hess. 

Als  gewöhnlicher  Laufbursche  in  einem  der  grossen  Amsterdamer 
Handelshäuser  nahm  er  den  Kampf  um  das  Dasein  auf.  Wie  wenige 
möchten  unter  gleichen  Umständen  sich  vor  sittlichem  und  materiellem 
Untergänge  gerettet  haben!  Was  ihn  rettete,  das  war  geistige  Arbeit. 
Mit  den  dürftigen  Mitteln,  die  er  verdiente,  unternahm  er  die  selbst 
gesteckte  Aufgabe,  die  Kenntniss  aller  der  Sprachen  zu  erwerben,  welche 
nach  seiner  Auffassung  für  einen  Grosskaufmann  erforderlich  waren.  Zu 
dem  Holländischen  fügte  er  in  stiller,  unermüdeter  Arbeit  im  Laufe  weniger 
Jahre  Englisch  und  Pranzösiseh,  Portugiesisch  und  Spanisch,  meist  als 
Autodidakt,  und  doch  mit  solchem  Erfolge,  dass  er  diese  Sprachen  nicht 
bloss  schreiben,  sondern  auch  sprechen  lernte.  So  ausgestattet,  machte  er 
auch  schnell  Portschritte  in  der  Schätzung  seiner  Principale,  und  als  er 
endlich,  wieder  als  Autodidakt,  auch  das  Russische  erlernt^ und  Proben 
seiner  Befähigung  darin  abgelegt  hatte,  schickte  man  ihn  nach  Petersburg, 
um  die  dortige  Agentur  des  Hauses  zu  führen. 


44  Gredächtnissfeier  für  Heinrich  Schliemann. 

Es  klingt  wie  ein  Boman,  was  er  über  diese  Zeit  der  Sprachstudien 
in  seiner  Selbstbiographie  erzählt^  und  doch  weiss  ich  ans  Zeugnissen  von 
Zeitgenossen,  dass  er  streng  bei  der  Wahrheit  geblieben  ist.  Was  könnte 
sonderbarer  erscheinen,  als  seine  Darstellung,  wie  er,  um  sich  ohne  Lehrer 
im  Russischen  zu  üben,  russische  Texte  auswendig  lernte  und  sie  mit 
erhobener  Stimme  vortrug,  damit  aber  für  sich  keine  Befriedigung  gewann, 
da  niemand  ihn  verstand  oder  auch  nur  hörte,  und  wie  er  dann,  um  doch 
wenigstens  einen  Hörer  oder  genauer  einen  Menschen  zu  haben,  den  er 
ansprechen  konnte,  einen  armen  Juden  miethete,  der  jeden  Abend  zwei 
Stunden  lang  ihm  zuhören  musste,  ohne  auch  nur  eine  Silbe  von  dem  Vor- 
getragenen zu  verstehen.  Aber  er  erreichte  sein  Ziel,  und  es  gelang  ihm 
schon  in  Jahresfrist  in  Russland  so  weit  vorwärts  zu  kommen,  dass  er  als 
selbständiger  Kaufmann  in  die  Petersburger  Gilde  aufgenommen  wurde. 

Siebzehn  Jahre  der  angestrengtesten  Arbeit  machten  ihn  zu  einem 
reichen  Manne.  Die  Wechselfälle  des  Handels,  namentlich  zur  Zeit  des 
Krim -Krieges,  wusste  er  durch  Vorsicht  und,  vielleicht  noch  mehr,  durch 
unerschütterliche  Zuverlässigkeit  im  geschäftlichen  Verkehr  zu  überwinden. 
Mit  dem  Vertrauen  seiner  Kunden  wuchs  die  Ausdehnung  seines  Betriebes 
und  die  Grösse  des  Gewinnes.  Der  Indigo  -  Handel,  der  von  Anfang  an 
die  Grundlage  seines  Geschäftes  gebildet  hatte,  warf  ihm  schliesslich  allein 
einen  Jahresertrag  von  200  000  Mk.  ab.  Alles  schien  sich  zu  vereinigen, 
um  ihn  dauernd  an  Russland  zu  fesseln.  Er  hatte  sich  mit  einer  Russin 
verheirathet,  es  waren  ihm  zwei  Kinder  geboren,  er  hatte  das  Vertrauen 
der  Behörden  und  die  Achtung  seiner  Standesgenossen  gewonnen,  neben 
seinem  Petersburger  Hause  war  eine  Moskauer  Filiale  erblüht,  sein  Credit 
im  Auslande,  besonders  in  Amsterdam  und  London,  sicherte  ihm  die 
Leichtigkeit  in  der  Durchführung  auch  der  grössten  Unternehmungen. 
Was  konnte  ihn  hindern,  in  den  so  gut  gebahnten  Wegen  fortzuschreiten? 
Wie  kam  es,  dass  er  dem  Drange  nach  immer  weiterem  Gewinn,  einem 
Drange,  dem  schon  so  viele  Existenzen  geopfert  sind,  widerstehen  konnte? 
Was  hinderte  ihn,  ein  grosser  Handelsherr  zu  bleiben  und  Russe  zu  werden? 

Wenn  wir  die  äussere  Geschichte  seines  Lebens  durchgehen,  so  stossen 
wir  auf  die  überraschende  Thatsache,  dass  er  schon  im  Jahre  1850  amerika- 
nischer Bürger  geworden  war,  nicht  aus  Vorbedacht  oder  Ueberlegung,  son- 
dern durch  Zufall.  Das  Geschick  hat  ihm  das  amerikanische  Bürgerrecht 
in  den  Schooss  geworfen.  Er  war  nach  Californien  gereist,  um  einen  da- 
hin ausgewanderten  und  verschollenen  Bruder  aufzusuchen;  er  fand  nur 
noch  die  Nachricht  seines  Todes.  Aber  mit  dem  4.  Juli  1850  wurde 
Californien  ein  Staat  und  jeder,  der  sich  dort  befand,  erlangte  ipso  facto 
die  Naturalisation.  Schliemann  nahm,  wie  er  sagt,  voller  Freude  dieses 
Geschenk  an.  Seitdem  begann  er  als  vorsichtiger  Mann  einen  Theil  seines 
Vermögens  in  Amerika  anzulegen;  zu  wiederholten  Malen  kehrte  er  dahin, 
einmal    zu    einem    langen    Aufenthalte,    zurück;     zahlreiche    persönliche 


Gedächtnissfeier  f&r  Heinrich  Schliemann.  45 

Beziehungen  wurden  eröfihet,  und  noch  bis  in  die  letzte  Zeit  fanden  seine 
Bücher  nirgends  einen  so  grossen  Leserkreis,  nirgends  eine  so  dankbare 
Aufiiahme,  als  in  den  Vereinigten  Staaten.  Der  Schutz  der  amerikanischen 
Diplomatie  half  ihm  später  die  vielen  Hindemisse  überwinden,  welche 
dem  Beginn  seiner  Arbeiten  im  Orient  entgegengethürmt  wurden,  und  der 
blosse  Name  des  amerikanischen  Bürgers  reichte  aus,  um  auch  seine  Rechts- 
verhältnisse in  Bussland  mit  genügenden  Bürgschaften  zu  umgeben. 

Man  würde  aber  die  Stimmung  Schliemann's  in  dieser  Zeit  nicht 
begreifen,  wollte  man  nicht  auch  die  inneren  Gründe  würdigen,  welche 
sich  immer  stärker  geltend  machten.  Schliemann  hatte  sich  in  der  langen 
und  harten  Lehrzeit  so  sehr  an  stete  Arbeit  und  so  wenig  an  Erholung 
durch  blosse  Zerstreuung  gewöhnt,  dass  er  sich  alsbald  nach  neuer  Beschäf- 
tigung umsah,  als  die  günstige  Gestaltung  seiner  wirthschaftlichen  Verhält- 
nisse ihm  wieder  Mussestunden  gewährte.  Und  wo  hätte  er  eine  mehr 
zusagende,  seinen  Fähigkeiten  und  seiner  üebung  mehr  entsprechende 
Beschäftigung  finden  können,  als  in  dem  Erlernen  neuer  Sprachen?  Er 
begann  zunächst  (1854)  mit  Schwedisch  und  Polnisch;  als  nach  dem  Krim- 
kriege die  ersten  Friedensnachrichten  eintrafen  (1856),  wandte  er  sich 
sofort  dem  Neugriechischen  und  dann  dem  Altgriechischen  zu.  Damit  trat 
auch  Homer  wieder  in  den  Vordergrund  seines  Sinnens.  Zwei  Jahre  hin- 
durch beschäftigte  er  sich  fast  ausschliesslich  in  seinen  Mussestunden  mit 
der  Dias  und  Odyssee  und  mit  den  Hauptwerken  der  späteren  Klassiker. 
Zuletzt  (1858)  kehrte  er  zum  Lateinischen  zurück,  das  er  seit  seiner  Schul- 
zeit in  Neustrelitz  nicht  mehr  getrieben  hatte. 

So  war  er  denn  endlich,  nach  22  Jahren  einer  Entbehrung,  deren 
Bitterkeit  nur  die  beständige  Arbeit  und  der  äussere  Erfolg  zu  mildern 
vermocht  hatten,  an  der  Stelle  seiner  inneren  Entwickelung  angelangt,  wo 
dieselbe  einst  in  jäher  Weise  unterbrochen  worden  war.  Die  schwärme- 
rische Begeisterung  für  das  alte  Troja,  das  er  unter  der  Leitung  seines 
Vaters  als  Kind  kennen  gelernt  und  dessen  Brand  er  aus  einem  Holzschnitt 
in  Jerrer's  Universalgeschichte  sich  eingeprägt  hatte^  schlug  in  neue  und 
stärkere  Triebe  auf,  als  er  das  herrliche  Gedicht  in  der  Ursprache  lesen 
konnte.  Die  praktische  Beschäftigung  mit  dem  Handel  wurde  ihm  lästig, 
und,  obwohl  er  nie  aufgehört  hat,  ein  sorgsamer  Verwalter  seines  Vermögens 
und  ein  sparsamer  Mann  zu  sein,  so  fand  er  doch,  dass  er  Mittel  genug 
gesammelt  habe,  um  zu  der  Aufgabe  zurückkehren  zu  können,  die  seine 
Phantasie  erfüllt  hatte,  ehe  der  Gedanke,  ein  Kaufmann  zu  werden,  an 
ihn  herangetreten  war. 

Die  Unruhe  seines  Innern  trieb  ihn  zunächst  auf  eine  grössere  Reise. 
Er  ging  über  Schweden,  Dänemark,  Deutschland  und  Italien  nach  Aegypten, 
machte  hier  seine  erste  Nilfahrt  bis  zu  den  zweiten  Katarakten,  lernte 
dabei  zugleich  Arabisch^  und  wandte  sich  dann  über  Syrien  und  Kleinasien 
nach  Athen,   mit   der  Absicht,   Ithaca   zu   besuchen.     Aber    noch    einmal 


46  Ged&chtnissfeier  for  Heinrich  Schliemann. 

zwangen  ihn  dringliche  Geschäfte  nach  Petersburg  zurück,  fast  wider 
Willen  musste  er  noch  wieder  neue  grosse  Gewinne  seinem  Vermögen  hin- 
zufügen, und  erst  5  Jahre  später^  Ende  1863,  gelang  es  ihm,  sich  in  Bnss- 
land  frei  zu  machen.  Er  löste  alle  seine  dortigen  Verbindungen  und  ver- 
liess  für  immer  das  Land,  das  ihn  zum  Millionär  gemacht  hatte. 

Trotz  aller  Entschlossenheit,  nunmehr,  wie  er  selber  sagt,  „den  Traum 
seines  Lebens  zu  verwirklichen",  war  er  sich  wohl  bewusst  der  Schwierig- 
keit und  der  Grösse  der  Aufgabe,  deren  Lösung  ihm  vorschwebte.  Noch 
einmal  schob  er  eine  grosse  Heise  ein.  Ln  April  1864  ging  er  über  Car- 
thago  und  Aegypten  nach  Italien,  China  und  Japan,  machte  in  einem 
kleinen  englischen  Schiff  die  Ueberfahrt  nach  S.  Francisco,  und  besuchte 
Mexico  und  Cuba.  Ln  Frühjahr  1866  siedelte  er  sich  in  Paris  an,  um 
von  nun  an  ausschliesslich  der  Archäologie  zu  leben.  Vorher  jedoch  hatte 
er  seine  Erfahrungen  im  fernen  Osten  in  einem  kleinen,  französisch 
geschriebenen  Buche,  dem  ersten,  das  er  verfasste,  niedergelegt.  Zwei 
Jahre  ernster  Studien,  für  welche  die  reichen  Sammlungen  der  französischen 
Hauptstadt  eine  Fülle  von  Material  boten  und  der  Verkehr  mit  den 
hervorragendsten  Kennern  des  Alterthums  die  erforderliche  Hülfe  leistete, 
wurden  der  Vorbereitung  der  beabsichtigten  Arbeiten  gewidmet.  Dann 
erst,  im  Frühjahr  1868,  brach  er  zu  einer  ersten  exploratorischen  Reise 
auf.  Er  ging  nach  den  ionischen  Liseln:  Corfu,  Cephalonia  und  Ithaca 
wurden  besucht;  dann  sehen  wir  ihn  zum  ersten  Male  in  Mykenae,  dem 
Ort  seiner  späteren  grössten  Triumphe,  wo  er  die  von  den  meisten  Philo- 
logen bezweifelten  Angaben  des  Pausanias  über  die  Königsgräber  einer 
vorläufigen  Prüfung  unterzog,  und  schliesslich  begab  er  sich  über  Athen 
nach  der  Troas.  Hier  begann  seine  Besichtigung  mit  Bunarbaschi,  das 
damals  in  der  Meinung  der  Gelehrten  die  meisten  Ansprüche,  als  Stätte 
des  alten  Troja  zu  gelten,  auf  sich  vereinigte.  Sein  gutes  Glück  führte 
ihm  den  Mann  zu,  dessen  genaue  Localkenntniss  und  dessen  Uebung  in 
archäologischer  Forschung  ihn  zu  dem  besten  Führer  auf  diesem,  durch 
tausendjährige  Misswirthschaft  verwüsteten  Boden  machte.  Frank  Calvert, 
der  amerikanische  Oonsul  in  den  Dardanellen,  dessen  gastliche  Hülfe  seit- 
dem so  viele  Reisende  und  Gelehrte  der  alten  und  der  neuen  Welt 
genossen  haben,  war  früher  selbst  ein  Anhänger  der  Bunarbaschi -Hypothese 
gewesen.  Er  hatte  sich  auf  Grund  eigener  Untersuchungen  von  derselben 
abgewendet  und  die  zuerst  von  Maclaren,  einem  schottischen  Forscher, 
1822  aufgesteUte  Meinung  angenommen,  dass  der  Platz  der  zerstörten  Stadt 
auf  dem  Hügel  zu  suchen  sei,  den  die  Türken  bis  auf  den  heutigen  Tag 
Hissarlik,  d.  h.  Schlossberg,  nennen.  Da  ein  grosser  Theil  dieses  Hügels 
im  Besitz  seiner  Familie  war,  so  hatte  Mr.  Calvert  auch  schon  einige  Aus- 
grabungen daselbst  vorgenommen,  und  obgleich  er  nicht  bis  in  grosse 
Tiefe  vorgedrungen  war,  so  hatte  er  doch  das  Glück  gehabt^  jene  Mauer 
zu  treffen,  die  nachher  gewöhnlich  als  die  makedonische  oder  als  die  Mauer 


Ged&chtnissfeier  für  Heinrich  Schüemann.  47 

des  Lysiroachos  bezeichnet  worden  ist  Das  war  freilieh  nicht  viel,  und  es 
genügte  am  wenigsten,  um  daraus  den  Platz  einer  Stadt  oder  Burg  fest- 
zustellen, die  vieUeicht  ein  Jahrtausend  vor  der  Zeit  des  grossen  Alexander 
zerstört  worden  war.  Aber  es  machte  einen  solchen  Eindruck  auf  Schlie- 
mann,  dass  er  sofort  beschloss,  hier  mit  weiteren  Ausgrabungen  vorzugehen. 
Er  zeigte  es  in  einer  neuen,  wiederum  französisch  geschriebenen  Abhand- 
lung: Ithaque,  le  Peloponnfese  et  Troie  an,  welche  Ende  1866  erschien  und 
ihm  die  Ernennung  zum  Doctor  der  Philosophie  Seitens  seiner  vater- 
ländischen Universität  Rostock  eintrug.  So  brachte  der  erste  Schritt  auf 
dem  durch  die  herrlichste  Dichtung  des  Alterthums  geheiligten  Boden  ihm 
aueh  die  erste  Anerkennung  einer  gelehrten  deutschen  Körperschaft. 

Noch  einmal  freilich  zwangen  ihn  financieUe  Aufgaben  zu  einer  Reise 
nach  den  Vereinigten  Staaten;  fast  das  ganze  Jahr  1869  verging  darüber, 
uod  erst  im  April  1870  konnte  er  wieder  nach  Hissarlik  zurückkehren, 
um  persönlich  durch  neue  Probegrabungen  die  etwaige  Tiefe  der  Schichten 
festzustellen,  durch  welche  er  zu  den  unter  ihnen  vermutheten  Trümmern 
der  alten  Stadt  hindurchzudringen  hatte.  Es  ergab  sich,  dass  er  an  der 
von  ihm  gewählten  Stelle  16  Fuss  tief  graben  lassen  musste,  um  auch  nur 
auf  makedonische  Mauern  zu  kommen,  dass  also  eine  sehr  umfangreiche 
und  tiefe  Ausgrabung  nothwendig  werden  würde,  um  bis  auf  den  Grund 
zu  gelangen.  Zu  solchen  Arbeiten  bedurfte  es  eines  besonderen  Formans 
des  Sultans.  Daher  wurde  der  eigentliche  Beginn  der  Arbeiten  auf  das 
folgende  Jahr  1871  verlegt. 

Betrachten  wir  inzwischen  diesen  denkwürdigen  Platz.  Die  troische 
Ebene  oder,  wie  sie  schon  bei  Homer  heisst,  die  Skamander- Ebene  öffnet 
sich  mit  einer  niedrigen,  sandigen  Küste,  nahe  dem  Ausgange  des  Helles- 
poot  in  das  Aegäische  Meer.  Gerade  gegenüber  auf  der  anderen  Seite 
springt  die  felsige  Spitze  des  thracischen  Chersonnesos  vor.  Gegen  das 
Aegäische  Meer  im  Westen  ist  die  Ebene  durch  das  niedrige,  aber  lang- 
gestreckte Küstengebirge  des  Sigeion  gedeckt.  Gegen  Süden  liegen 
vulkanische  Höhen,  auf  deren  einer  bei  Bunarbaschi  kümmerliche  Mauer- 
reste aufgedeckt  sind.  Gegen  Osten  und  Nordosten  schieben  sich  von 
einem  weit  ausgedehnten  Plateau  mehrere,  der  Tertiärformation  an- 
gehörige,  im  Ghmzen  niedrige  Vorberge  in  die  Ebene  vor.  Der  höchste 
unter  ihnen  ist  Hissarlik,  in  seiner  ursprünglichen  Gestalt  49,5  m  hoch 
(über  der  See).  Er  fäUt  nach  zwei  Seiten  steil  ab,  einerseits  gegen  Westen 
zu  der  Skamander -Ebene,  andererseits  gegen  N^orden  zu  der  kleineren 
Thalebene  des  Dumbrek- Tschai  oder,  wie  die  Anhänger  der  Troja- Theorie 
sagen,  des  Simoeis.  Jenseits  dieser  Thalebene  folgt  das  Küstengebirge 
des  Hellespont,  auf  dessen  Ende  gegen  die  Skamander -Ebene  hin  der 
Hügel  Intepe,  das  schon  im  Alterthum  weit  berühmte  Grab  des  Ajax,  sich 
erhebt 

Der   Hügel   Hissarlik    hat    somit    trotz    seiner    geringen    Hölie    eine 


48  Gedächtnissfeier  für  Heinrich  Schliemann. 

beherrschende  Lage.  Man  überschaut  von  seinem  Gipfel  nicht  nur  die  ganze 
troische  Ebene  und  das  Dumbrek-Thal,  sondern  auch  die  Küste  am  Helles- 
pont  und  diesen  selbst  in  seinem  Ausgange;  darüber  hinaus  schweift  der 
Blick  weit  über  das  Meer  bis  zu  dem  zackigen  Pik  von  Samothrake, 
und  rückwärts  gegen  Süden  sieht  man  bei  klarem  Wetter  die  fernen  Gipfel 
des  Idagebirges.  Ja,  am  Abend,  wenn  die  Sonne  sinkt,  erscheint,  wie  ein 
Phantom,  weit  hinten  über  dem  Aegäischen  Meer  die  schattige  Pyramide 
des  Athos.  Das  ist  die  Scenerie,  welche  Homer  in  wundervoller  Naturtreue 
schildert.  Dieses  Gesammtbild  braucht  man,  um  den  Rahmen  zu  finden 
für  die  Kämpfe  der  Menschen  auf  der  Ebene  und  zugleich  für  die  Bethei- 
ligung der  Götter,  —  Poseidon  auf  Samothrake,  Zeus  selbst  auf  dem  Ida. 
Wer  dieses  Bild  geschaut  und  begriffen  hat,  dem  erschliesst  sich  der  ganze 
Zauber  der  Dichtung  und  die  Grossartigkeit  der  Conception,  deren  Natur- 
treue ein  unvergängliches  Zeugniss  dafür  ablegt,  dass  der  Dichter  selbst 
dieses  Alles  gesehen  haben  muss. 

Es  würde  zu  weit  führen,  die  Fülle  von  Beweisen  vorzutragen,  welche 
die  Gestaltung  der  Ebene,  der  Lauf  der  Flüsse  und  Bäche,  die  Flora  und 
Fauna  des  Landes  für  eine  solche  Annahme  darbieten.  Aber  diese  Beweise 
würden  nicht  ausreichen,  um  den  Hügel  Hissarlik  als  die  eigentliche  Stelle 
der  homerischen  Ilios  zu  bestimmen.  Die  definitiven  Beweise  liegen  eben 
in  dem  Aufbau  des  Hügels  selbst,  wie  er  von  Schliemann  in  8,  zum  Theil 
durch  längere  Pausen  unterbrochenen  Campagnen,  unter  Aufwendung  rie- 
siger Geldsummen  und  unter  höchster  persönlicher  Aufopferung  klar  gelegt 
worden  ist.  Das  unzweifelhafte  Schlussergebniss  ist  das,  dass  ein  grosser 
Theil  des  Hügels  künstlich  aufgebaut  ist  und  dass  von  seiner  Oberfläche 
bis  gegen  den  felsigen  Untergrund  hin  eine  Reihe  von  immer  älteren  Cultur- 
schichten  auf  einander  folgt,  deren  älteste  in  einer  Tiefe  von  über  50  Fuss 
den  ursprünglichen  Felsen  bedeckt.  Schliemann  hat  die  Mauer-  und  Haus- 
reste der  einzelnen  Schichten  „Städte"  genannt  und  je  nach  der  Beschaffen- 
heit der  Bauten  und  der  zahlreichen  anderweitigen  Fundstücke  7  der- 
selben unterschieden.  Zweifellos  erweckt  der  Name  „Städte**  eine  einiger- 
maassen  übersehwängliche  Vorstellung,  da  es  sich  mehr  um  Burgen  oder 
Festen,  als  um  Städte  handelt.  Auch  hat  er  im  Laufe  der  Jahre  in  Bezug 
auf  die  Zahl  der  unterscheidbaren  Schichten  geschwankt,  je  nachdem  die 
fortschreitende  Ausgrabung  neue  Gesichtspunkte  für  das  Urtheil  ergab. 
Indess  diese  feineren  Unterscheidungen  haben  wenig  Bedeutung  für  das 
Gesammturtheil.  Die  Hauptsache  ist,  dass  in  der  Oberfläche  Reste  der 
römischen  und  byzantinischen  Zeit  in  grosser  Fülle  und  in  zuverlässigen 
Fundstücken  vorhanden  sind,  wie  sie  sich  auch  in  weitem  Umfange  auf 
dem  benachbarten  Plateau  und  den  Hängen  gegen  die  Ebene  finden^  da 
wo  in  di(J8er  verhältuissmässig  späten  Zeit  die  umfangreiche  Stadt  Neu- 
Ilion  (Ilion  novum)  gelegen  hat.  Darunter  folgen  griechische,  namentlich 
makedonische  Funde    mit   gut  zu  datirenden  Zeichen.     Noch  tiefer  finden 


Ged&chtnissfeie^  für  Heinrich  Schliemanii.  49 

r 

sich  archaische  Formen,  zum  Theil  wohl  gleichfalls  noch  griechischen  Ur- 
sprunges, auch  solche  im  Mykenae-Styl.  Damit  gelangt  man  schon  über 
die  historische  Zeit  hinaus  in  prähistorische  Perioden,  und  auch  diese 
weisen  noch  wieder  Schichten  mit  verschiedenem  Inhalt  auf  bis  zu  der 
tiefsten  Culturschicht,  deren  Fundstücke  sich  vielfach  denen  der  Steinzeit, 
und  zwar  der  neolithischen  Periode,  nähern. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass,  wenn  eine  dieser  prähistorischen  Schichten 
dem  Troja  der  Sage  oder  der  Dichtung  angehört  hat,  es  nur  eine  solche 
sein  kann,  welche  grössere  und  bemerkenswerthe  Bauwerke  oder  Reste 
derselben  enthält.  Von  der  tiefsten  Schicht  kann  man  diess  nicht  sagen, 
wenigstens  bis  jetzt  nicht.  Freilich  ist  so  wenig  davon  freigelegt,  dass 
ein  architektonisches  Bild  der  Verhältnisse  dieser  Schicht  überhaupt  nicht 
entworfen  werden  kann.  Wäre  es  doch  nöthig,  um  eine  solche  Freilegung 
zu  bewirken,  alle  darüber  gelegeneu  Schichten  zu  zerstören  und  abzutragen. 
Dazu  hat  sich  Schliemann  niemals  entschlossen  und  es  hat  auch  niemand 
dazu  gerathen,  denn  das,  was  in  einem  grossen  Querschnitt  der  tiefsten 
Schicht  blossgelegt  ist,  bietet  wenig  Anhaltspunkte  für  die  Vermuthung, 
dass  hier  bedeutende  Bauten  waren.  Was  aber  viel  wichtiger  ist,  in  der 
darüber  liegenden  Schicht,  der  Zweitältesten,  finden  sich  nicht  bloss  Fun- 
damente grosser  Gebäude,  sondern  es  war  diess  gerade  die  Hauptfundstätte 
der  wichtigsten  Gegenstände,  so  namentlich  der  Goldsachen.  Ueberdiess 
sah  man  hier  die  Zeichen  gewaltiger  Feuerwirkungen,  die  bis  zur  Ver- 
glasung des  Thons  der  Mauern  und  der  Fussböden  vorgeschritten  waren. 
Daher  glaubte  Schliemann  in  dieser  „verbrannten  Stadt"  das  Troja  der 
Dichtung  wiederzuerkennen,  und  in  seinem  ersten  Enthusiasmus  nannte  er 
eines  der  Gebäude,  dessen  Mauern  noch  zum  Theil  erhalten  waren,  das 
Haus  des  Priamos,  und  das  einzige  Thor,  das  er  im  Laufe  der  ersten 
Campagne  auffand,  das  skäische. 

Die  klugen  Leute,  welche  zu  Hause  sassen  und  die  in  feuriger 
Begeisterung  geschriebenen  Berichte  des  Forschers  in  kaltblütiger  Ruhe 
lasen,  fanden  sehr  bald  den  schwachen  Punkt  in  diesen  Ausführungen. 
Sie  hatten  es  leicht,  zu  beweisen,  dass  diese  Trümmer  nicht  einer  Stadt 
angehört  haben  könnten,  wie  sie  Homer  schildert,  dass  diese  Stein-  und 
Bronzewaffen  sich  nicht  für  die  homerischen  Helden  eigneten.  Sie  konnten 
auch  darauf  verweisen,  dass  schon  frühere  Gelehrte  nachzuweisen  versucht 
hatten,  dass  Homer  die  Troas  nie  gesehen  habe,  dass  seine  ganze  Dar- 
stellung von  dem  Schlachtfelde  auf  die  Ortsverhältnisse  nicht  passe,  — 
kurz,  dass  die  ganze  Ilias  eine  Erfindung  sei.  Personen,  welche  niemals 
die  Küste  der  Troas  gesehen  hatten,  wussten  ganz  genau,  wie  es  im  Linem 
des  Landes  aussehen  müsse.  Und  sie  fielen  gemeinsam  über  den  armen 
Gräber  her  und  häuften  arge  Scheltworte  auf  ihn,  bis  er  in  Zorn  gerieth 
und  sich  von  seinem  Vaterlande  ab  und  zu  den  Nationen  wandte,  die  doch 
wenigstens  den  unschätzbaren  Kern  seiner  Entdeckungen  anerkannten,  wenn 


50  Gedftchtnissfeier  für  Heinrich  Schliemann. 

sie  auch  nicht  alle  Deutungen  derselben  annahmen.  Nirgends  ist  diese 
Anerkennung  durch  competente  Forscher  früher  und  in  herzlicherer  Weise 
ausgesprochen  worden,  als  in  England,  und  daher  fühlte  sich  auch  Schlie- 
mann zu  keinem  Yolke  mehr  hingezogen,  als  zu  dem  englischen. 

In  der  That,  konnte  es  etwas  Ungerechteres  geben,  als  wegen  der 
Zweifel  über  Priamos  und  das  skäische  Thor  die  ungeheure  Neuigkeit 
zu  vergessen,  dass  hier  eine  uralte,  prähistorische  Culturstätte  aufgedeckt 
war  mit  einer  Fülle  von  Geräth  allerlei  Art,  namentlich  keramischem,  wie 
es  bis  dahin  noch  nirgends  aufgefunden  war?  Wenn  man  auch  Priamos 
und  alle  die  Seinen  strich,  blieb  dann  nicht  noch  genug  übrig,  um  den 
glücklichen  Entdecker  zu  den  grössten  Förderern  der  Wissenschaft  zu 
zählen?  Diese  prähistorischen  „Städte",  auch  wenn  sie  aufhörten,  Städte 
zu  sein,  waren  sie  nicht  Fundplätze  des  reichsten  wirthschaflilichen  und 
kriegerischen  Materials?  Eine  ruhige  Ueberlegung  ergiebt  ja  ohne  Wei- 
teres, dass  der  Dichter  der  Dias,  mag  er  nun  Homer  geheissen  haben  oder 
anders,  eine  Stadt  oder  eine  Burg,  die  Jahrhunderte  vor  seiner  Geburt 
bis  auf  den  Grund  zerstört  war,  nicht  gesehen  haben  kann,  und  dass  die 
Helden  seiner  Zeit  anders  bewaffnet  und  ausgerüstet  sein  mussten,  als  die 
Helden,  die  er  unter  den  Namen  von  Hektor  und  Achilleus  auftreten  Hess 
und  die  er  nach  dem  Vorbilde  zeitgenössischer  Krieger  ausstattete.  Was 
uns  bei  den  Malern  der  Renaissance  ganz  geläufig  ist,  dass  sie  die  Personen 
aus  der  Umgebung  des  Heilandes  in  der  Gestalt  ihrer  eigenen  Zeitgenossen 
vorführen,  musste  das  nicht  bei  einem  Dichter  noch  mehr  zutreffen,  der 
auf  Grund  sagenhafter  Berichte  die  Thaten  prähistorischer  Leute  schildern 
wollte? 

Schliemann  war  in  den  ersten  Jahren  seiner  Ausgrabungen  nicht  in 
der  Neigung,  derartige  nüchterne  Betrachtungen  anzustellen.  Sein  Geist 
war  erfüllt  von  den  Bildern,  welche  der  Dichter  in  so  lebendigen  Farben 
gemalt  hatte.  Dazu  kam  für  ihn  ein  neues  Moment  der  Erregung. 
Als  im  September  1871  die  erste  Campagne  der  Ausgrabungen  auf  His- 
sarlik  eröffnet  werden  sollte,  erschien  er  mit  seiner  jungen  Frau,  einer 
geborenen  Athenerin.  Beide  Ehegatten,  so  verschieden  im  Alter  und  in 
ihrer  bisherigen  Entwickelung,  trafen  doch  in  einem  Punkte  zusammen: 
in  der  begeisterten  Schätzung  der  Grosstliaten  der  alten  Hellenen  und  in 
der  Pflege  der  poetischen  Traditionen,  welche  diese  Grossthaten  in  der 
Erinnerung  der  späten  Enkel  erhalten  hatten.  Sie  lasen  mit  einander 
die  nias  und  die  Odyssee,  sie  lernten  sie  auswendig,  und  wenn  irgend  ein 
Vorkommniss  an  einen  homerischen  Vers  erinnerte,  so  recitirte  einer  von 
ihnen  die  betreffende  Stelle,  der  andere  fiel  ein,  und  in  verklärtem  Accord 
rollte  sich  die  Scene  ab,  wie  einst  in  der  alten  Zeit,  wenn  der  „göttliche 
Sänger^  die  Herzen  seiner  Zuhörer  durch  das  Zauberwort  des  Dichters 
gefangen  genommen  hatte.  Die  Prosa  fand  in  diesen  glücklichen  Tagen 
keinen  Zugang   zu  den  Gedanken  des  Ehepaares,    und  fremde  Kritik  war 


(iedächtnissfeier  für  Heinrich  Schliemann.  51 

vorläufig  von  ihrem  Verkehr  ausgeschlossen.  Was  schadete  es  am  Ende 
auch,  wenn  die  subjektive  Deutung  über  das  berechtigte  Maass  hinaus 
die  gemachten  Funde  mit  den  Versen  des  Dichters  in  Beziehung  setzte? 
Genügte  es  nicht,  dass  der  objektive  Thatbestand  festgestellt  wurde? 
Hinterher  blieb  es  ja  der  epikritischen  Betrachtung  der  Gelehrten  über- 
lassen, eine  andere  Deutung  zu  finden. 

Leider  ist  es  dem  Menschen  nicht  gegeben,  subjektive  Deutung  und 
objektiven  Thatbestand  so  weit  auseinander  zu  halten,  dass  überall  die 
Grenze  erkennbar  bleibt.  Die  Art,  wie  wir  einen  Gegenstand  auffassen, 
bestimmt  auch  die  Bezeichnung,  welche  wir  wählen,  und  an  die  Bezeich- 
nung knüpft  sich  wieder  das  ürtheil  der  Hörer,  mögen  sie  nun  kritische 
oder  unkritische  Köpfe  sein.  So  erklärt  es  sich,  dass  gerade  die  ersten 
Beschreibungen  Schliemann^s  Angaben  enthielten,  welche  auf  einer  falschen 
Auffassung  beruhten,  und  gerade  diese  Angaben  haben  nicht  wenig  dazu 
beigetragen,  ihm  Angriffe  zuzuziehen,  die  seine  letzten  Lebensjahre  ver- 
bitterten. 

Trotz  aller  literarischen  Vorstudien  war  Schliemann,  als  er  die  Aus- 
grabungen auf  Hissarlik  begann,  ein  Autodidakt.  Er  war  es  hier  auf 
archäologischem  Gebiet  fast  noch  mehr,  als  er  es  früher  auf  linguistischem 
Gebiete  gewesen  war.  Aber  aus  seinen  Erfolgen  in  der  Bemeisterung 
fremder  Sprachen  hatte  sich  in  ihm  ein  Selbstvertrauen  entwickelt,  das  ihn 
auch  an  die  schwierigsten  Probleme  ganz  anderer  Art  mit  der  gleichen 
Zuversicht  herantreten  Hess.  Niemals  früher  hatte  er  selbst  eine  grössere 
Ausgrabung  geleitet,  noch  einer  solchen  beigewohnt.  Als  er  nun  den 
Spaten  in  Hissarlik  ansetzte,  in  der  festen  Absicht,  die  Geheimnisse  der 
tiefsten  Schichten  zu  enthüllen,  da  drang  er  mit  rücksichtsloser  Hast  durch 
alle  die  oberen  Schichten,  und  wenngleich  er,  was  sich  ihm  auf  diesem 
Wege  darbot,  sorglich  sammelte  und  verzeichnete,  so  zerstörte  er  doch 
zahlreiche  Bauüberreste,  deren  architektonischer  Zusammenhang  später  nicht 
wieder  hergestellt  werden  konnte.  Es  war  diess  einer  der  schwersten  Vor- 
würfe, die  gegen  ihn  erhoben  worden  sind,  und  man  wird  eine  gewisse 
Berechtigung  desselben  nicht  bestreiten  können.  Aber  man  darf  auch  zu 
seiner  Entschuldigung  sagen,  dass  eine  vollständige  Aufdeckung  aller 
Schichten,  einer  nach  der  anderen,  eine  so  gewaltige  Aufgabe  gewesen 
wäre,  dass  selbst  ein  Mann  von  der  hingebenden  Begeisterung  und  den 
grossen  Mitteln  Schliemann's  davor  hätte  zurückschrecken  müssen.  Wie 
viele  Hügelgräber  werden  noch  jedes  Jahr  in  unserem  Vaterlande  geöffnet, 
bei  denen  sich  die  Untersucher  darauf  beschränken,  einen  centralen  Stollen 
von  der  Spitze  bis  zur  Basis  niederzusenken  oder  höchstens  einen  Quer- 
schnitt durch  den  ganzen  Hügel  zu  legen!  Gewiss  ist  das  keine  gute 
Methode,  aber  wenn  Schliemann  den  Hügel  Hissarlik  in  gleicher  Weise, 
freilich  in  ganz  anderem  Maassstabe,  behandelte,  wenn  er  im  Centrum 
eine     mächtige    trichterförmige    Grube    herstellte    und    ausserdem    breite 


52  Gedächtnissfeier  für  Heinrich  SchliemaDü. 

Querschnitte  durch  das  Ganze  führte,  so  wird  man  in  Anbetracht  der  Aus- 
dehnung des  Hügels  ihn  entschuldigen  dürfen.  Hat  er  doch  im  Laufe  der 
Jahre  den  Grund  des  Trichters  so  erweitert,  dass  die  „verbrannte  Stadt" 
in  ihrem  ganzen  Umfange  offen  gelegt  worden  ist.  Ja,  seine  letzten 
Arbeiten  verfolgten  planmässig  den  Zweck,  Alles,  was  im  Umfange  des 
Trichters  noch  unberührt  stehen  geblieben  war,  schichtweise  in  genauester 
Weise  abzuräumen  und  zu  erforschen.  Darüber  aber  kann  füglich  kein 
Zweifel  bestehen,  dass  der  Hügel  noch  jetzt  unerforscht  sein  würde,  wenn 
man  von  Anfang  an  die  Forderung  gestellt  hätte,  der  Untersucher  solle 
jede  der  über  einander  gelagerten  Schichten  vollständig  klarlegen,  ehe  er 
zu  der  nächsttieferen  übergehe. 

Unter  den  Gegenständen,  welche  bei  den  Ausgrabungen  zu  Tage 
kamen,  sind  der  Zahl  nach  am  meisten  vertreten  Thongefässe  jeder  Art 
und  Grösse.  Ein  Blick  auf  die  Schliemann- Sammlung  in  unserem  Museum 
für  Völkerkunde  zeigt  das  zur  Genüge.  Für  den  Unkundigen  entsteht  bei 
einer  Betrachtung  dieser  endlosen  Masse  von  „Töpfen"  sehr  bald  eine 
gewisse  Sättigung.  Trotz  der  grössten  Mannichfaltigkeit  der  Formen  und 
Ornamente  wird  man  den  Eindruck  der  Monotonie  nicht  Ips.  Die  herr- 
lichen Gold-  und  Silberfunde,  die  Geräthe  aus  Bronze  und  Eisen,  aus  Stein 
und  Knochen,  so  werthvoll  sie  sind,  verschwinden  fast  vor  der  Fülle  des 
Thongeschirres.  Allein  eine  Qtruskische  oder  eine  peruanische  Sammlung 
zeigt  dasselbe,  und  die  Gräberfelder  unseres  Vaterlandes  bringen  „Töpfe" 
in  unaufhörlicher  Folge  zu  Tage.  Der,  wenn  auch  schwach  gebrannte 
Thon  ist  eben  das  gewöhnlichste  und  zugleich  das  haltbarste  Material, 
welches  uns  die  Vergangenheit  hinterlassen  hat;  er  giebt  dem  Kundigen 
ausgiebige  Anhaltspunkte  für  die  Beurtheilung  der  Cultur,  welche  das 
betreflFende  Volk  erlangt  hatte,  und  zugleich  für  die  chronologische  Bestim- 
mung der  Periode,  in  welcher  das  Geräth  gearbeitet  wurde.  So  ist  Schlie- 
mann's  Ausgrabung  von  Mykenae  gerade  durch  die  dabei  gesammelte 
Topfwaare  der  Ausgang  für  die  wichtigsten  Zeitbestimmungen  geworden, 
und  auch  die  klassische  Archäologie  hat  sich  mehr  und  mehr  der  Aufgabe 
mit  Eifer  hingegeben,  in  allen  Ländern  alter  Cultur  den  Styl  der  Töpferei 
in  genauester  Weise  festzustellen.  Danken  wir  daher  dem  grossmüthigen 
Geber,  dass  er  uns  eine  so  vollständige  keramische  Sammlung  geschenkt  hat. 

Damals  aber,  als  Schliemann  seine  Forschungen  eröffnete,  war  die 
archäologische  Bedeutung  der  Keramik  noch  keineswegs  vollständig  erkannt 
Er  selbst  hatte,  namentlich  in  Bezug  auf  jene  einfacheren,  nicht  bemalten 
Gefässe,  wie  sie  der  Hügel  Hissarlik  enthielt,  vorzugsweise  die  Erinnerung 
an  die  Gräberfunde  seiner  meklenburgischen  Heimath,  wo  fast  jedes  Gh*ab 
mindestens  eine  grössere  Urne  mit  den  Ueberresten  des  Leichenbrandes 
umschliesst,  und  wo  mau  umgekehrt  aus  dem  Auffinden  einer  solchen  Urne 
oder  auch  nur  ihrer  Scherben  schliesst,  dass  an  der  Stelle  ein  Ghrab 
gewesen    sei.     Und    als    er    nun  in  Hissarlik  eine  Urne  nach  der  anderen 


Gedächtnissfeier  for  Heinrich  Schliemann.  53 

zu  Tage  förderte,  gefüllt  mit  einem  erdigen  Inhalt,  da  nannte  er  sie  mit 
der  Naivetät  des  Autodidakten  sämmtlich  „Aschenumen"  und  ihren  Inhalt 
selbst  „Asche".  Daraus  konnte  ein  Fremder,  der  diese  Bezeichnungen 
gläubig  hinnahm,  ohne  Weiteres  folgern,  dass  der  ganze  Hügel  nichts 
anderes,  als  ein  Aufbau  von  Gräbern  mit  Leichenbrand  sei.  Erst  eine 
genauere  Prüfung  der  späteren  Zeit  hat  gelehrt,  dass  der  Inhalt  der  Urnen 
nichts  weniger  als  „menschliche  Asche"  war.  Ja,  es  hat  sich  mit  einiger 
Sicherheit  feststellen  lassen,  dass  Schliemann  in  seinen  ersten  Campagnen 
nur  eine  einzige  Urne  mit  unzweifelhaftem  Leichenbrand  zu  Tage  gefördert 
hat,  und  diese  eine  lag  ausserhalb  des  eigentlichen  Schutthügels,  auf  dem 
Gebiete  des  römischen  Neu-Ilion. 

Nicht  minder  gross  war  der  Irrthum,  dem  Schliemann  sich  hingab, 
als  er  an  zahlreichen  Orten  innerhalb  der  tieferen  Schichten  „imgeheuro 
Hassen  von  Holzasche"  zu  finden  glaubte.  Eine  solche  Deutung  entsprach 
seiner  Voraussetzung,  dass  die  alten  Häuser  zu  einem  grossen  Theil  aus 
Holz  bestanden  hätten  und  in  einem  gewaltigen  Brande  zerstört  seien. 
Zu  einer  solchen  Beweisführung  bedurfte  es  jedoch  keineswegs  so  grosser 
Massen  von  Holzasche.  Die  Spuren  mächtiger  Brände  sind  in  der  „ver- 
brannten Stadt"  und  selbst  in  den  oberen  „Städten"  so  deutlich,  so 
zahlreich  und  so  ausgedehnt,  dass  nicht  der  mindeste  Zweifel  erhoben 
werden  kann,  es  haben  hier  wiederholt  grosse  Feuersbrünste  stattgefunden. 
Auch  findet  man  verkohlte  und  veraschte  Balken  von  Holz  nicht  selten 
noch  an  ihrer  ursprünglichen  Stelle  innerhalb  der  Mauern.  Aber  die  eigent- 
liche Hauptmasse  der  sogenannten  Asche  ist  nichts  anderes,  als  angebrannter 
und  zerfallener  Lehm,  hervorgegangen  aus  den  ursprünglich  nur  luft- 
trockenen Lehmziegeln^  aus  denen  der  grösste  Theil  der  Hauswände  und 
selbst  der  Burgmauern  aufgebaut  war. 

Diese  Beispiele  mögen  genügen,  um  darzuthun,  wie  folgenschwer  eine 
bloss  subjektive  Auffassung  auf  die  Deutung  des  Gesammtverhältnisses 
werden  kann.  Schliemann  hat  später  die  Bedenken  gewürdigt,  zu  denen 
seine  ünerfahrenheit  in  archäologischen  Ausgrabungen  Veranlassung  bot, 
und  er  hat  seine  Angaben  berichtigt.  Aber  die  nächste  Zeit  sah  ihn  noch 
immer  in  voller  Zuversicht,  und  so  entschloss  er  sich,  als  er  nach  3 
längeren  Campagnen  einen  grossen  Theil  von  Hissarlik  durchforscht  hatte, 
seinen  Spaten  an  einer  zweiten  Stelle  anzusetzen,  die  schon  lange  seine 
Aufmerksamkeit  beschäftigt  hatte.  Im  Februar  1874  eröffnete  er  die  Aus- 
grabungen in  Mykenae,  die  ihn  bis  zum  Jahre  1877  beschäftigten,  und 
deren  Ergebnisse  eine  solche  Umwälzung  in  den  Vorstellungen  über  das 
vorgeschichtliche  Griechenland  hervorgebracht  haben,  dass  sie  allein  aus- 
reichen würden,  um  seinem  Namen  unsterblichen  Ruhm  zu  sichern.  Die 
Fundstücke  dieser  Ausgrabungen,  die  er,  wie  alle  anderen,  ganz  aus  eigenen 
Mitteln  bestritt,  füllen  jetzt  einen  grossen  Saal  in  den  öffentlichen  Samm- 
lungen   Athen's.     Gegenüber   diesen    Schätzen   wird    es   leicht   vergessen, 


54  Ged&chtnißsfpier  für  Heinrich  Schliemann. 

dass  ihm  auch  auf  diesem  Grebiete  die  härteste  Opposition  entgegentrat, 
und  dass  ein  namhafter  klassischer  Philologe  mit  Hartnäckigkeit  die  An- 
sicht vertrat,  alle  diese  Funde  seien  auf  einen  Einfall  der  Heruler  im 
3.  Jahrhundert  nach  Christo  zurückzuführen. 

Schon  während  der  Zeit  der  mykenischen  Ausgrabungen  hatte  er  auch 
den  benachbarten  Schutthügel  von  Tiryns  (in  der  Nähe  von  Argos)  in  An- 
griff genommen.  Die  geringe  Ausdehnung  desselben  hat  es  ihm  später 
ermöglicht,  diese  Untersuchung,  bei  welcher  er  zuerst  die  sachkundige 
Hülfe  eines  ausgezeichneten  Architekten,  des  Dr.  W.  Dörpfeld,  benutzte, 
vollständig  zu  Ende  zu  führen  und  damit  einen  zweiten  Platz  zu  enthüllen, 
an  welchen  die  älteste  Sagengeschichte  des  Peloponnes  anknüpft.  Hier 
wurden  die  uralten  Beziehungen  oflFenbar,  welche  die  früheste  hellenische 
Cultur  mit  der  noch  älteren  orientalischen  verbinden.  Jahrelang  hat  er 
nachher  die  Absicht  verfolgt,  als  nächstes  Ziel  die  Insel  Greta  in  ihren 
prähistorischen  Resten  zu  erforschen;  die  politischen  Verhältnisse  und  die 
übertriebenen  Forderungen  der  Cretenser  haben  das  unmöglich  gemacht 
Darum  musste  er  sich  darauf  beschränken,  das  Schatzhaus  von  Orchomenos 
in  Böotien,  auch  eine  der  homerischen  Erinnerungen,  zu  durchforschen;  die 
Decke  in  dem  kleineren  Saal  unserer  Schliemann -Sammlung  zeigt  das 
interessante  Ornament,  welches  er  in  diesem  Schatzhause  zu  Tage  brachte. 

Die  Zeit  der  heutigen  Versammlung  gestattet  es  nicht,  die  Vorgänge 
dieser  Jahre  in  ausführlicherer  Darstellung  zu  geben.  Für  Schliemann 
brachten  alle  diese  Entdeckungen  nur  einen  neuen  Anreiz,  wieder  nach 
Hissarlik  zurückzukehren.  Reichte  hier  doch  die  Prähistorie  noch  weiter 
zurück,  als  in  Mykenae  und  Tiryns,  und  blieb  die  Hoffnung  ungeschwächt, 
dass  es  möglich  sein  werde,  für  die  in  Dunkel  gehüllte  Vorgeschichte 
der  kleinasiatischen  Völkerbewegungen  noch  weitere  Anhaltspunkte  zu 
gewinnen.  Auch  waren  inzwischen  die  AngriflFe  in  Deutschland  wegen 
Troja  so  zahlreich  geworden,  dass  er  fürchtete,  die  öflFentliche  Meinung 
möchte  von  Neuem  an  ihm  irre  werden.  Seine  Hauptstütze  war  auch  in 
dieser  Zeit  England ;  dahin  brachte  er  zunächst  leihweise  seine  trojanischen 
Sammlungen. 

Die  Ausgrabungen  in  Hissarlik  wurden  1 878  von  Neuem  aufgenommen 
und  1879  fortgesetzt.  Im  Frühjahr  dieses  letzten  Jahres  war  es,  wo  er 
mich  durch  dringende  Einladungen  bewog,  an  «einen  Untersuchungen  als 
unparteiischer  Zeuge  theilzunehmen.  Ich  traf  daselbst  mit  Hm.  Emil 
Bumouf  zusammen.  Es  mag  genügen  zu  sagen,  dass  wir,  von  mancherlei 
Missverständnissen  und  Irrthümem  der  früheren  Zeit  absehen<i  zu  dem 
Schlüsse  kamen,  dass  Schliemann  in  der  Hauptsache  Recht  habe.  Seitdem 
ist  es  denn  auch  gelungen,  dieser  Ueberzeugung  trotz  der  heftigsten  An- 
griflTe  bei  den  Gelehrten  fast  der  ganzen  Welt  Anerkennung  zu  verschaffen. 
Schliemann's  Name  ist  einer  der  populärsten  bei  allen  Nationen  geworden. 


Gedächtnissfeier  für  Heinrich  SchÜemann.  55 

Was  ihn  damals  am  meisten  bedrückte,  war  die  Wahrnehmung,  dass 
gerade  in  Deutschland  die  Opposition  in  der  herbsten  Form  geführt  wurde. 
Er  klagte  darüber  in  bitteren  Worten,  aber  seine  Bitterkeit  entsprang  nur 
der  Sehnsucht,  wieder  in  ein  näheres  Verhältniss  zu  seinen  Landsleuten 
zu  treten.  Die  Deutsche  anthropologische  Gesellschaft  hatte  ihm  1877 
durch  seine  Ernennung  zum  Ehrenmitgliede  zuerst  die  Freundeshand 
geboten.  Mein  Aufenthalt  in  Hissarlik  und  namentlich  eine  gemeinsame 
Reise  in  den  Ida  und  nach  Assos  löste  allmählich  die  Binde,  welche  sich 
um  sein  Herz  gelegt  hatte.  Eines  Morgens,  als  wir,  getrennt  von  unserer 
Begleitung,  einsam  durch  die  Yorberge  des  Ida  ritten,  rings  um  uns 
schwellender  Frühling  und  Nachtigallen -Gesang,  brach  er  das  Schweigen 
mit  der  Frage,  ob  er  nicht  in  seinem  Testament  seine  Sammlungen  an 
Deutschland  vermachen  solle.  Deutschland  sei  doch  das  Land,  wo  man 
in  den  weitesten  Kreisen  Homer  am  höchsten  schätze,  und  nirgends  werde 
seine  Sammlung  grösseren  Nutzen  bringen,  als  in  Berlin.  Ich  that  nichts, 
als  meine  Zustimmung  ausdrücken,  aber  ich  hatte  die  Freude,  nicht  von 
ihm  scheiden  zu  müssen,  ohne  die  förmliche  Zusage  erhalten^  zu  haben, 
dass  nach  seinem  Tode  die  Sammlung  hierher  kommen  solle.  Bis  dahin 
glaubte    er  es  den  Engländern  schuldig  zu  sein,    sie  in  London  zu  lassen. 

Im  Jahre  1880  kam  er  mit  den  Seinen  nach  Berlin  zu  dem  deutschen 
anthropologischen  Congress,  der  mit  einer  grossen  prähistorischen  Gesammt- 
Ausstellung  der  deutschen  Sammlungen  verbunden  war.  Er  gewann  hier 
die  Ueberzeugung,  wie  er  mir  unter  dem  30.  Oktober  schrieb,  dass  „kein 
Volk  der  Welt  prähistorische  Alterthümer  zu  schätzen  wisse,  wie  das 
deutsche",  und  er  beschäftigte  sich  eingehend  mit  der  Frage,  in  welcher 
Weise  später  seine  trojanische  Sammlung  in  dem  neu  zu  erbauenden  eth- 
nologischen Museum  werde  aufgestellt  werden  können.  Dann  kam  plötz- 
lich unter  dem  8.  December  ein  Brief  aus  Athen,  worin  er  mir  mittheilte, 
er  sei  höchst  unruhig  über  die  Sicherheit  seiner  Sammlung  im  South 
Kensington  Museum,  da  man  ihm  weder  einen  unterschriebenen  Katalog, 
noch  eine  Bescheinigung  der  Direktion  gegeben  habe,  auch  verschiedene 
Personen  Schlüssel  zu  den  Schränken  besässen;  er  sei  daher  fest  ent- 
schlossen, die  Sammlung  spätestens  bis  zum  nächsten  15.  Januar  zurück- 
zunehmen. Wolle  man  sie  sofort  unter  den  von  ihm  zu  stellenden 
Bedingungen  in  Berlin  haben,  so  sei  er  bereit,  sie  persönlich  in  London 
einzupacken  und  hierher  zu  schicken.  Ehe  ich  noch  antworten  konnte, 
traf  schon  die  telegraphische  Nachricht  ein,  dass  er  nach  London  abgereist 
seL  Ich  machte  sofort  dem  Generaldirektor  der  Museen,  Hrn.  Schöne, 
und  dem  damaligen  ünterrichtsminister,  Hm.  v.  Puttkamer,  gebührende 
Anzeige,  und  erhielt  nach  einer  mündlichen  Conferenz  noch  an  demselben 
Abende  die  Ermächtigung,  die  Bereitwilligkeit  der  Regierung  mitzutheilen. 
Durch    Erlasse   vom  20.  December  1880  und  1.  Januar  1881    wurden   die 


56  Gedächtnissfeier  für  Heinrich  Schüemann. 

näheren  Bedingungen  zugesagt,  und  schon  am  5.  Januar  schrieb  mir 
Schliemann,  dass  40  Kisten  unterweges  seien. 

So  ward  die  alte  Zugehörigkeit  des  uns  so  lange  entfremdet  ge- 
wesenen Mannes  zu  Deutschland  wieder  hergestellt.  Das  ist  noch  in 
Aller  Erinnerung.  Aber  es  dürfte  nicht  bekannt  sein,  welchen  Antheil 
Frau  Schliemann  an  dieser  Wendung  genommen  hat.  Unter  dem 
29.  Januar  1881  schrieb  sie  mir:  „Von  mir  ging  die  erste  Anregung  zu 
der  Idee  aus,  die  Sammlung  Ihrem  Vaterlande  zu  schenken;  ich  war  es, 
die  seit  dem  ersten  Jahre  unserer  Ehe  meinen  Mann  von  dem  tiefen  Vor- 
urtheile  gegen  Deutschland  zu  bekehren  strebte  und  sich  bemühte,  den 
in  seinem  Herzen  schlummernden  Funken  der  Vaterlandsliebe  und  des 
Heimathgefühls  zu  heller  Flamme  zu  wecken."  Möge  es  mir  gestattet 
sein,  heute  der  hochgesinnten  Frau  unserer  Aller  herzlichsten  Dank  öffent- 
lich auszusprechen. 

Sie  alle,  hochverehrte  Anwesende,  erinnern  sich,  welche  Freude  es 
erregte,  als  man  erfuhr,  dass  unsere  Stadt  berufen  sein  solle,  dieses  grosse, 
dem  deutschen  Volke  dargebrachte  Geschenk  der  Nachwelt  zu  bewahren. 
Der  hohen  Auszeichnung,  welche  Kaiser  Wilhelm  I.  dem  Geber  zu  Theil 
werden  Hess,  schloss  sich  die  der  Stadt  Berlin  an,  indem  sie  Schliemann 
das  Ehrenbürgerrecht  ertheilte  und  ihm  in  diesen  Räumen  einen  grossen, 
festlichen  Empfang  bereitete.  Auch  in  den  fachwissonschaftlichen  Kreisen 
wurde  nunmehr  die  bahnbrechende  Bedeutung  seiner  Untersuchungen  all- 
gemein und  voll  anerkannt.  Nur  vereinzelte,  freilich  sehr  hartnäckige 
Gegner  verharrten  in  der  Ablehnung. 

Schliemann  setzte  um  so  eifriger  seine  Arbeiten  fort.  In  neuen  Cam- 
pagnen  brachte  er  die  tieferen  Schichten  von  Hissarlik  in  immer  grösserer 
Ausdehnung  zu  Tage,  und  die  ihm  dauernd  gewährte  Beihülfe  des  Herrn 
Dörpfeld  sicherte  die  genaueste  architektonische  Aufnahme  und  Wür- 
digung der  Baureste.  Mit  erneutem  Eifer  wendete  er  sich  während  der 
Zwischenzeiten  der  literarischen  Bearbeitung  des  grossen  Materials  zu; 
unter  höchster  Anstrengung  aller  geistigen  Kräfte  vollendete  er  Ausgaben 
zusammenfassender  Darstellungen  in  deutscher,  englischer  und  französischer 
Sprache.  Aber  die  Grösse  und  Dauer  dieser  Anstrengungen  wurden  ihm 
selbst  mehr  und  mehr  fühlbar.  Er  wurde  reizbarer,  als  früher;  er  fühlte 
sich  angegriflFen,  er  empfand  häufiger  das  Bedürfniss  der  Erholung.  So 
kam  er  im  Winter  1886  zu  dem  überraschenden  Entschluss,  ganz  allein 
eine  Nilfahrt  zu  unternehmen.  Er  miethete  eine  besondere  Dahabieh,  und 
während  mehrerer  Monate  waren  Bücher  seine  einzigen  Begleiter.  Freilich 
versäumte  er  nicht,  das  Land  und  die  Alterthümer  eifrig  zu  studiren,  zahl- 
lose Notizen  wurden  gesammelt  und  nach  Hause  geschickt,  aber  der  Haupt- 
gewinn war  die  Kräftigung  seines  Körpers,  die  Besänftigung  seines  Innern, 
die  Beruhigung  des  Geistes  als  Vorbereitung  zu  neuer  Arbeit. 

Inzwischen     Imtto     ihn    jedoch     der    unermessliche    Keichthum     der 


Gedächtnissfeier  für  Heinrich  Schliemann.  57 

ägyptischen  Geschichte    tief   ergriffen.     Die  Erwägung,    dass    zu  der  Zeit, 
wo  die  homerischen  Gedichte  entstanden,   ja  vielleicht  schon  zur  Zeit,  als 
Troja  blühte,  die  ägyptische  Cultur  bereits  Jahrtausende  alt  war,  und  dass 
Zeugen  dieser  Cultur  noch  heute  erhalten  sind,  —  diese  Erwägung  drängte 
sich  mächtig  in  alle  seine  Betrachtungen  ein.    Kaum  war  er  zurückgekehrt, 
als  er  schon  alle  seine  Beredtsarokeit  aufwendete,  um  mich  zu  bestimmen, 
im   nächsten  Jahre   noch    einmal    mit   ihm    eine  solche  Reise  zu  machen. 
Ich    sagte    endlich  zu  und  ich  darf  es  aussprechen,    dass  ich  niemals  eine 
mehr  gennss-  und  mehr  lehrreiche  Fahrt  gemacht  habe,  nicht  zum  wenigsten 
wegen  der  Sachkenntniss  und  der  unermüdlichen  Fürsorge  meines  Führers 
in  allen  grossen  und  kleinen  Angelegenheiten  einer  so  langen  Reise.    Hier 
befestigte    sich    in    Schliemann    der   Plan    einer   Untersuchung    auf    dem 
Gebiete,    wo    der   grosse   Ramses   und   sein    Geschlecht   hoch   im  Norden 
langjährige  Kämpfe  mit  den  Hittitem  (Cheta)  ausgefochten  hatten ;  die  noch 
erhaltenen  Wandgemälde    der  ägyptischen  Tempel  in  Nubien,   welche  die 
Belagerung   der   festen  Stadt  Kadesch    am  Orontes    darstellen,    gaben  den 
Anstoss,  dass  er  gerade  an  diesem  Platze  seinen  Spaten  ansetzen  wollte.   Nur 
der  Ausbruch  der  Pest  in  Mesopotamien  hinderte  die  Ausführung  des  Planes. 
Statt  dessen  wandte  er  sich  noch  einmal  nach  Hissarlik,    diesmal  mit 
der  Absicht,    den  Schutthügel   mit  allen  noch  stehen  gebliebenen  Aussen- 
wänden    gänzlich   abzutragen    und  sein  Entdeckungswerk  vollständig  zum 
Abschluss    zu   bringen.    Diese  Arbeiten   wurden   bis  zum  August  vorigen 
Jahres  fortgesetzt.    Er  hatte  während  dieser  Zeit  das  Vergnügen,  zahlreiche 
Gelehrte   aus   allen  Theilen    der  Welt  in  seinen  Holzhütten  auf  Hissarlik 
zu    empfangen   und  die  Zustimmung  der  competentesten  Sachverständigen 
entgegennehmen    zu   können.     Auch    die  Ergebnisse   dieser  Ausgrabungen 
waren   für  Berlin  bestimmt.     Hier,  bei  uns,  wünschte  er,  auch  unter  Hin- 
zufügung  der  noch  in  Athen  befindlichen  Theile  seiner  trojanischen  Samm- 
langen,   eine  vollständige,  für  alle  Zeit  gesicherte,  gleichsam  archivalische 
Aufstellung    sämmtlicher    Einschlüsse    des    wunderbaren    Burghügels    zu 
schaffen. 

Möge  diese  Sammlung  auch  bei  den  kommenden  Generationen  das 
Gedächtniss  Schliemann's  stets  wach  erhalten!  Möge  es  niemals  vergessen 
werden,  wie  dieser,  im  besten  Sinne  selbstgemachte  Mann,  nachdem  er  in 
langjähriger,  harter  Arbeit  im  Auslande  reiche  Schätze  gesammelt  hatte, 
ilen  ganzen  Rest  seines  Lebens  dazu  verwendete,  mit  den  so  gewonnenen 
Mitteln  wissenschaftliche  Aufgaben  der  schwierigsten  Art  zu  lösen,  und 
dass  er  den  ihm  selbst  theuersten  Theil  seiner  Entdeckungen,  zugleich 
den  einzigen,  über  den  er  frei  verfügen  konnte,  dem  Vaterlande  in  frei- 
williger Schenkung  dargebracht  hat! 

Ein  trauriges  Geschick  hat  ihn,  nach  menschlicher  Betrachtung,  vor  der 
Zeit  hinweggerafft.  Ein  Ohrenleiden,  an  sich  weniger  gefährlich,  als  für 
ihn   unerträglich,    hatte    ihn,    nachdem    im   letzten  Sommer  die  Campagne 

ZdtMkrift  mx  Ethnologie.    Jahrg.  1891.  5 


58  Ged&chtnissfeier  für  Heinrich  Schlieniann. 

seiner   trojanischen   Ausgrabungen    abgeschlossen   war,   im    October   nach 
Deutschland  geführt.    Mit  der  Entschlossenheit  und  der  Ungeduld,  die  ihm 
eigenthümlich  waren,    suchte  er  Befreiung  von  einem,   wahrscheinlich  der 
frühesten  Kindheit  entstammenden  Uebel,    Knochenauswüchsen    in    beiden 
Gehörgängen.    Die  schwere  Operation  führte  zu  einer,  scheinbar  günstigen 
Heilung.    Voll  von  Plänen  für  die  neue  Campagne,  die  am  heutigen  Tage 
in  Hissarlik    beginnen    sollte  und  die  er  für  die  letzte  und  abschliessende 
hielt,   kam    er   am  Abende   des    13.  December  hier  an,    sah  am  nächsten 
Morgen  noch  einmal  seine  Sammlung,    besprach  die  spätere  Ueberführung 
des  noch  in  Athen  befindlichen  Bestes  hierher,    und  begab  sich  schon  am 
Mittage    wieder  auf  die  Eeise,    um  über  Paris  und  Neapel  Athen  und  die 
Seinigen    zu    erreichen.     Am   6.  Januar    gedachte    er    mit   ihnen   seinen 
69.  Geburtstag  zu  begehen.     Da  traf  plötzlich  und  unerwartet  die  Trauer- 
nachricht ein,  dass  er  am  26.  December  in  Neapel,  ganz  einsam,  in  den  Tod 
gesunken   sei.     Frau  und  Kinder   haben   nur  seine  Leiche  wiedergesehen. 
Möge    die    heutige  Versammlung    ihnen    zeigen,    dass    der  Name    des 
Gatten  und  Vaters  in  seinem  Vaterlande  in  höchsten  Ehren  gehalten  wird, 
und   dass    seine  Verdienste   bei  seinen  Landsleuten  nicht  in  Vergessenheit 
gerathen  werden.    Er  hat  Grosses  gewollt  und  Grosses  vollbracht.    Er  hat 
die  Ungunst  der  äusseren  Verhältnisse  durch  treue  und  umsichtige  Arbeit 
zu  überwinden  gewusst,  und  er  hat  in  aller  Bedrängniss  des  geschäftlichen 
Lebens    die    Ideale    nicht   aufgegeben,    welche    in    die    Brust   des  Kindes 
gepflanzt   waren.     Was    er  erreicht  hat,    ist   von    ihm  durch  eigene  Kraft 
erzwungen   worden.      Unter   allen  Wechselfallen    ist    er    sich    selbst   treu 
geblieben.     Seine    einzige    dauernde  Sorge    war  das  Streben  nach  höherer 
Erkenn  tniss. 

Ehre  seinem  Angedenken! 


Der  Vorsitzende  der  Gesellschaft  für  Erdkunde,  Hr.  Wilhelm  Reiss, 
hielt  folgende  Ansprache: 

Hochansehnliche  Versammlung! 

Es  ist  eine  schöne  Sitte,  hervorragenden  Männern  nach  ihrem  Dahin- 
scheiden eine  Gedächtnissfeier  zu  bereiten.  W^enn  die  Hauptstadt  des 
Deutschen  Reiches  und  drei  wissenschaftliche  Gesellschaften  heute  zu  einer 
solchen  Feier  zusammentreten,  so  weist  schon  diese  Vereinigung  auf  die 
Schwere  des  Verlustes  hin,  welchen  unser  Vaterland,  welchen  die  Wissen- 
schaft erlitten  hat. 

Unter  Schliemann's  Händen  sind  die  herrlichen  Sagen  des  klassischen 
Alterthums  lebendig  geworden.  Mit  der  Hacke  und  dem  Spaten  hat  er 
der  Archäologie  neue  Wege  gewiesen,  neue  Gesichtspunkte  eröiFnet  Wie 
tief  eingreifend,    von  welch'  weittragender  Bedeutung  die  Resultate  seiner 


Gedächtnissfeier  für  Heinrich  Schliemann.  59 

Arbeit  sind,  das  hören  Sie  heute  von  berufenster  Seite  geschildert.  Nur 
darauf  möchte  ich,  als  Vertreter  der  Gesellschaft  für  Erdkunde,  deren 
Ehrenmitglied  Schliemann  seit  einer  Reihe  von  Jahren  war,  noch  besonders 
hinweisen,  dass  seine  Forschungen  auch  auf  geographisches  Gebiet  sich 
erstreckten.  Nicht  nur  ist  die  historische  Geographie  durch  seine  Ent- 
deckungen wesentlich  gefördert  worden,  er  hat  auch  eine  Reihe  von 
Beobachtungen  in  einer  besonderen  Schrift  niedergelegt,  welche  seine 
Reisen  in  der  Troas  uns  vorführt.  Als  ein  hohes  Verdienst  des  idealistisch 
angelegten  Mannes  muss  es  gelten,  dass  er  der  naturwissenschaftlichen 
Methode  in  der  Archäologie  Bahn  brechen  half. 

Schliemann  hat  zwei  weit  auseinander  liegende  Aufgaben  gelöst,  deren 
jede  einzelne  genügen  würde,  das  Leben  eines  aussergewöhnlichen  Menschen 
vollauf  zu  erfüllen:  Der  Lehrling  aus  dem  kleinen  Kramladen  hat  durch 
eigene  Kraft  sich  aufgeschwungen  zum  mächtigen,  über  Millionen  gebie- 
tenden Kaufmann;  der  arme  Pfarrerssohn,  dem  jede  akademische  Bildung 
versagt  war,  er  ist  zu  einem  der  Führer  geworden  auf  einem  neuen  Gebiet 
der  archäologischen  Wissenschaft.  —  Schliemann  hat  sich  nicht  damit 
begnügt,  ein  fürstliches  Vermögen  zu  erwerben;  ihm  war  der  Reichthum 
das  Mittel  zur  uneigennützigen  Verfolgung  idealer  Zwecke.  — 

Was  er  in  der  Jugend  geträumt,  im  Alter  hat  er  es  erreicht,  und 
trauernd  vernahm  die  ganze  gebildete  Welt  die  Nachricht  von  dem  Dahin- 
scheiden des  grossen  Forschers. 

Uns  triift  der  Schlag  am  tiefsten;  aber  stolz  können  wir  sein,  einen 
solchen  Mann  zu  den  Unsrigen  zählen  zu  dürfen.  Sein  Andenken  wird 
lebendig  bleiben,  so  lange  unsere  Cultur  besteht;  sein  Vorbild  wird  stets 
ein  leuchtendes  Beispiel  sein  dessen,  was  edle  Begeisterung  zu  leisten 
vermag,  wenn  sie  gepaart  ist  mit  festem  Willen  und  unermüdlicher 
Ausdauer.  — 


Den  Epilog  sprach  der  Vorsitzende  der  archäologischen  Gesellschaft, 
Hr.  Ernst  Curtius: 

Man  hat  nicht  selten  sagen  hören,  dass  die  Fachgelehrten  sich  den 
Arbeiten  eines  unzünftigen  Mannes  gegenüber  vornehm  ablehnend  verhalten 
hätten.  Aber  die  Professoren,  denen  es  im  Herzen  um  die  Wahrheit  zu 
thun  ist,  sollen  und  wollen  keine  abgeschlossene  Kaste  bilden;  ihre  höchste 
Freude  ist  es,  wenn  sie  sich  mit  dem  ganzen  Volk  der  Gebildeten  im 
Zusammenhang  fühlen,  wenn  sie  sich  sagen  können,  dass  die  Ergebnisse 
mühsamer  und  einsamer  Forschung  in  weiten  Kreisen  Anklang  finden  und 
dass  sie  nur  solchen  Aufgaben  nachgehen,  welche  eine  allgemein  mensch- 
liche Bedeutung  haben.  Es  gab  eine  Zeit  der  Büchergelehrsamkeit,  welche 
sich  im  Studirzimmer  abschloss,  namentlich  in  Fragen  der  Alterthumskunde. 

Aber    das    ist    gerade  das  hohe  Verdienst  unseres  Schliemann,    dass   er 

5* 


60  Gedächtnissfeier  für  Heinrich  Schliemann. 

wesentlich  dazu  beigetragen  hat,  den  Bann  zu  lösen.  Man  hört  jetzt  so 
häufig,  das  lebendige  Interesse  für  das  klassische  Alterthum,  welches  die 
Zeiten  von  Lessing,  Winekelmann,  Herder  und  Goethe  beseelt  hat,  sei 
erloschen.  Aber  mit  welcher  Spannung  ist  die  ganze  gebildete  Welt  dies- 
seits und  jenseits  des  Oceans  den  Schritten  von  Schliemann  gefolgt!  Haben 
wir  nicht  erlebt  dass,  wenn  in  der  Times  ein  Resultat  seiner  Entdeckungen 
angezweifelt  wurde,  ein  Meeting  in  London  anberaumt  worden  ist,  um  so- 
fort in  grosser  Versammlung  die  betreffende  Frage  zu  verhandeln,  als 
wenn  es  sich  um  eine  brennende  Frage  der  Tagespolitik  handelte?  Die 
Zahl  der  Jahrhunderte,  welche  zwischen  uns  und  der  Vergangenheit  liegen, 
ist  nicht  maassgebend  für  die  Bedeutung  derselben  in  Bezug  auf  unser 
geistiges  Leben.  Das  Fernste  kann  uns  das  Nächste,  Wichtigste,  geistig 
Verwandteste  sein. 

Unser  Verhältniss  zu  Homer  ist  ein  Stück  menschlicher  Cultur- 
geschichte. 

Als  Johann  Heinrich  Voss  Odyssee  und  Dias  bei  uns  einbürgerte,  war 
die  homerische  Welt  ein  reines  Phantasiebild,  und  als  am  Anfang  dieses 
Jahrhunderts  englische  Forscher  die  alten  Mauern  von  Mykenai  und  Tiryns 
wieder  entdeckten,  waren  Voss  und  seine  Schüler  von  Allen  die  Un- 
gläubigsten, es  kam  ihnen  fast  wie  eine  Profanation  vor,  dass  die  in 
idealer  Höhe  schwebenden  Gestalten,  die  Schatten  der  homerischen  Helden 
in  steinernen  Denkmälern  bezeugt  sein  sollten.  Der  Philosoph  Schelling 
musste  dafür  eintreten,  dass  jene  Mauern  nichts  Anderes  sein  konnten,  als 
die  monumentalen  Zeugen  der  homerischen  Welt,  die  wunderbar  erhalten 
in  unsere  Tage  hineinragen. 

Schliemann  selbst  ist  mit  seinen  Arbeiten  von  Jahr  zu  Jahr  gewachsen, 
und  die  Ergebnisse  seiner  Arbeiten  überragen  bei  Weitem  Alles,  was  er 
selbst  im  Auge  gehabt  hat. 

Wenn  er  der  grossen  Mengi»  des  Publikums  wie  ein  Zauberer  erschien, 
der  mit  einer  Wünschelruthe  umherging  und  die  Plätze  zu  finden  wusste, 
wo  in  dunkler  Tiefe  die  (Joldschatzc»  ruhten,  so  haben  die  Männer  der 
Wissenschaft  ihm  (itwas  zu  danken,  was  über  alle  Einzelfunde  weit  hinaus- 
geht und  in  unsere  g(»sammte  Geschichtserkenntniss  tief  eingreift. 

Es  war  ein  alter  Streit,  wie  weit  der  Inhalt  der  epischen  Gesänge 
etwas  ganz  der  Phantasie  Angehöriges  sei  und  ghMchsam  aus  der  Luft 
gegriffen,  oder  mit  der  Völkergeschichte  zusammenhänge.  In  Bezug  auf 
die  deutsche  Vorzeit  haben  die  Gebrüder  Grimm  und  nach  ihnen  besonders 
Müllenhoff  mit  voller  Entschiedenheit  die  Ueberzeugung  vertreten,  dass 
allen  grossen  epischen  Gedichten  mächtige  Ereignisse  und  Volksbewegungen 
zu  Grunde  liegen.  Diese  Streitfrage  ist  auf  hellenischem  Boden  durch 
Schliemann  zur  Entscheidung  gebracht,  und  wahren<l  er  sc'lbst  anfänglich 
nichts  Anderes  suchte,  als  <lie  Fundamente  der  Mauern  Ilions,  welche  er 
in  Kinderbüchern    hatte    brennen    sehen,    so    ist  durch  ihn  nach  und  nach 


(ied&chtoissfeier  für  Heinrich  Schliemann.  6J 

eine  ganze  Epoche  alter  Menachengeschichte  wieder  aufgetaucht,  und  wie 
durch  die  preussische  Expedition  unter  Eichard  Lepsius  das  alte  Reich 
Aegypten's  wieder  entdeckt  wurde,  so  ist  auch  durch  Schliemann  das 
Gedächtniss  des  Menschengeschlechts  um  viele  Jahrhunderte  erweitert 
worden.  Ilion,  Tiryns,  Mykenai,  Orchomenos  sind  in  voller  Realität  wieder 
zu  Tage  getreten,  und  die  Gebäude,  in  denen  die  Atriden  wohnten,  sie 
liegen  jetzt  so  klar  vor  unseren  Augen,  wie  die  pompejanischen  Wohn- 
häuser. 

Während  man  früher  nach  persönlicher  Neigung  über  das  Yerhältniss 
zwischen  Abend-  und  Morgenland  urtheilte,  indem  die  Einen  alles  Griechi- 
sche auf  dem  Boden  des  europäischen  Mutterlandes  einheimisch  wissen 
wollten,  als  wenn  der  Ehre  der  Hellenen  zu  nahe  getreten  würde,  wenn 
man  ausländischen  Einfiuss  anerkenne,  die  Anderen  dagegen  wieder  nichts 
Einheimisches  anerkennen  wollten,  das  aus  eigenem  Keime  erwachsen  sei,  — 
so  ist  dieser  peinliche  Widerspruch  jetzt  beseitigt,  „Orient  und  Occident 
sind  nicht  mehr  zu  trennen",  aber  das  diesseitige  Land  ist  nicht  bloss 
eine  Colonie  des  jenseitigen,  wo  die  Erzeugnisse  älterer,  überlegener  Cul- 
turen  sich  abgelagert  haben,  sondern  der  Wechselverkehr  der  beiderseitigen 
Küstenländer,  die  durch  das  Inselmeer  nicht  getrennt,  sondern  unzertrenn- 
lich vereinigt  sind,  ist  der  Inhalt  ältester  Völkergeschichte,  und  die  europäi- 
sche Seite  hat  von  Anfang  an  eine  hervorragende  Stelle  in  dieser  Ent- 
wickelung. 

Viele  Räthsel  bleiben  zu  lösen.  Troja  selbst  bleibt  noch  heute  ein 
Schauplatz  ernster  Controversen;  aber  der  Weg  ist  gebahnt,  der  Vorhang 
gelüftet,  der  Schleier  hinweggezogen,  der  den  Boden  der  homerischen  Welt 
bedeckte. 

Das  verdanken  wir  Heinrich  Schliemann.  Darum  ist  sein  Wirken  ein 
epochemachendes  auf  dem  Gebiete  der  Geisteswissenschaft,  und  dankbar 
ehren  wir  heute  und  immerdar  sein  Andenken. 

Unser  Dank  ist  um  so  wärmer  und  lebendiger,  weil  er,  der  Welt- 
bürger, ein  Deutscher  geblieben  ist.  Im  Anschluss  an  deutsche  Gelehrten 
hat  er  das  Beste  zu  Stande  gebracht.  An  sein  Vaterland  dachte  er  stets 
an  erster  Stelle.  Für  unsere  öffentlichen  Kunstsammlungen  hat  er  einen 
in  seiner  Art  einzigen  Schatz  gestiftet,  und  als  Beamter  des  Museums  bin 
ich  beauftragt,  ihm  dafür  in  dieser  Feierstunde  den  Dank  des  Vaterlandes 
auszusprechen. 

Wir  ehren  in  ihm  die  höchste  Gabe,  die  einem  Sterblichen  verliehen 
ist,  die  heroische  Willenskraft,  welche,  um  einen  idealen  Zweck  zu 
erreichen,  alle  Mittel  aufbietet,  alle  Opfer  bringt,  allen  Gefahren  trotzt, 
alle  Schwierigkeiten  überwindet. 

Er  hat  unendlich  mehr  zu  Stande  gebracht,  als  den  Menschen  gestattet 
zu  sein  pflegt,  aber,  in  der  Blüthe  seiner  Kraft  dahingerafft,  hat  er  sein 
grosses  Lebenswerk  nicht  zum  Abschluss  gebracht. 


62  Ged&chtnissfeier  für  Heinrich  Schliemann. 

Wir  bedauern  vor  Allem,  dass  es  ihm  nicht  gelangen  ist,  in  Kreta 
die  Verhandlungen  zu  Ende  zu  führen,  welche  den  Zweck  hatten,  den 
Boden  eines  der  alteix  Königssitze  daselbst  für  seine  Forschung  zu  gewinnen. 
Nachdem  die  Herrschaften  der  Dardaner,  der  Minyer,  der  Perseiden  und 
Pelopiden  an's  Licht  getreten,  fehlten  in  der  Beihe  noch*  die  Fürsten- 
geschlechter  der  Insel,  welche  von  allen  Ländern  am  meisten  der  Mutter- 
schooss  aller  Culturgeschichte  des  Archipelagus  gewesen  ist,  wo  die  Italiener 
neuerdings  die  ruhmvollsten  Entdeckungen  gemacht  haben.  Die  Epoche 
der  alten  Zeit,  welche  an  den  Namen  des  Minos  geknüpft  wird,  ist  im 
Dunkel  geblieben. 

Das  wäre  also  die  beste  (ledächtnissfeier  Schliemann's,  wenn  man  in 
seinem  Vaterlaiide  Alles  daran  setzte,  die  gewaltige  Arbeit  unseres  grossen 
Landsmannes  nicht  stocken  zu  lassen,  und  nach  dem  ruhmvollen  Vorbilde 
der  freigebigen  Kunstfreunde  Oesterreichs  die  Mittel  herbeischafTte,  um  das 
so  jäh  abgebrochene  Lebenswerk  von  Heinrich  Schliemann  zu  vollenden.  — 


Unter  den  Klängen  des  „Reigens  seliger  Geister"  aus  dem  Orpheus 
von  Gluck,  von  demselben  Chor  der  Hochschule  für  Musik  ausgeführt, 
schloss  die  ernste  Feier. 


Anhang. 


Rede  zur  Bewillkommnung  Schliemann's  als  Ehrenbürger  Berlins, 

gehalten  am  7.  Juli  1881  im  Festsaale  des  Berlinischen  Bathhauses 

von 
RUDOLF  VIROHOW. 


Verehrter  Freund  Schliemann! 

Nachdem  Sie  heute  in  üblicher  Weise  in  den  Besitz  der  höchsten 
Ehren  eingesetzt  worden  sind,  welche  unsere  Gemeinde  verleihen  kann, 
haben  wir  uns  hier,  in  der  Festhalle  des  Rathhauses,  versammelt,  Mit- 
glieder der  staatlichen  und  der  städtischen  Behörden,  der  wissenschaftlichen, 
der  künstlerischen  und  der  wirthschaftlichen  Körperschaften,  Männer  und 
Frauen  aus  allen  Kreisen  der  Bevölkerung,  um  den  neuen  Ehrenbürger 
und  sein  viel  gefeiertes  Weib  auf  das  Wärmste  zu  begrüssen  als  die 
ünsrigen,  Ihnen  die  Freude  auszudrücken,  dass  Sie  nunmehr  dem  Vater- 
lande und  unserer  Stadt  wiedergewonnen  sind,  und  Sie  persönlich  ein- 
zuführen in  die  bürgerlichen  Kreise.  Seien  Sie  von  ganzem  Herzen  will- 
kommen !  Und,  obwohl  Ihnen  als  Ehrenbürger  keine  juristische  Verpflich- 
tung gegen  die  Gemeinde  obliegt,  möge  doch  das  Gefühl  der  Zusammen- 
gehörigkeit immer  stärker  werden  und  niemals  wieder  erlöschen! 

Sie,  verehrter  Freund,  sind  heimgekehrt,  nachdem  sie  länger  als  ein 
Menschenalter  hindurch  draussen  in  der  Fremde  in  harter  Arbeit  beschäftigt 
waren.  Nachdem  Sie  das  Vaterland  verlassen  hatten  als  ein  armer,  schwacher 
und  fast  hülfloser  Junge,  kehren  Sie  zurück  als  ein  fertiger  Mann,  gesegnet 
mit  Weib  und  Kindern,  mit  reichen  Glücksgütern  und  vielen  Ehren,  und 
überdies  im  Besitze  der  seltensten  Schätze,  welche  Sie  mit  eigner  Hand 
dem  dunklen  Schooss  der  Erde  entrissen  haben.  Was  der  Knabe  in 
schwärmerischem  Enthusiasmus  versprochen  hatte,  das  hat  der  Mann 
gehalten.  Sie  bringen  dem  deutschen  Volke  zur  ewigen  Aufbewahrung 
in  unserer  Stadt  die  Ueberbleibsel  jener  uralten  Cultur,  von  der  nur  noch 
Sage  und  Dichtung  zu  erzählen  wussten.  Jahrtausende  hindurch  hatte 
man  nach  diesen  üeberbleibseln  gesucht,  aber  schon  das  Alterthum  hatte 
sich  in  voller  Resignation  dem  Gedanken  ergeben,  dass  jede  Spur  der 
alten  Stadt  verschwunden  sei. 

Etiam  periere  ruinae. 


64  Gedächtnissfeier  für  Heinrich  Schliemann.    Anhang. 

Sie    zuerst  haben  es  gewagt,    die  Oberfläche,    welche  Ihnen  nichts  zu 
bieten    hatte,    zu   durchbrechen.     In    der  Zuversicht   einer  Ueberzeugung, 
wie    sie    nur    auf  dem  Boden  hingebenden  Glaubens  an  die  Wahrheit  der 
dichterischen   Ueberlieferung   erwachsen   konnte,    haben    Sie    Schicht   um 
Schicht   beseitigt.     Ihre  Laufgräben    schnitten    allmählich    20,  40,  60  Fuss 
tief  ein   in   einen  Hügel,    den    man  bis  dahin  wesentlich  für  einen  Berg- 
vorsprung  gehalten    hatte,    und    endlich  lag  sie  vor  Ihnen,    die  alte  Burg, 
welche    durch    gewaltige    Feuersbrunst    zerstört    war,    mit    ihrer    Mauer, 
ihrem  Thor,    ihren  Strassen   und    den  Grundmauern    ihrer  Häuser.     Nicht 
bloss   angebranntes   Korn    und   Reste    thierischer   Nahrung,    Küchen-  und 
Wirthschaftsgeschirr,    Schmuck    und    Tempelgeräth,  WafTen  aus  Stein  und 
Bronze,  nein  auch  Gold  und  Silber  in  nie  geahnter  Vollendung  der  Arbeit 
kamen    zu  Tage.     Glück  und  Geschick   feierten    hier   in   schönem  Bunde 
den  herrlichsten  Sieg.     Einer  der  besten  Untersucher  der  Troas,   der  eng- 
lische Reisende  Baker  Webb   hatte  noch  vor  etwa  50  Jahren  geschrieben : 
„Heut  zu  Tage  auffinden  zu  wollen,    was   schon  seit  2000  Jahren  verloren 
ist,    wäre  ein  eitles  Vorgeben.**     Und  doch  behielt  der  Schwärmer  Recht! 
Was  aber  war  e^,  das  durch  alle  die  Jahrtausende  die  Sehnsucht  der 
gebildeten  Welt  auf  diesen  Platz  gerichtet  hat?    Woher  kam  es,  dass  alle 
Fäden    des  Sinnens    über    die  Anfänge  der  klassischen  Geschichte  hierher 
zusammenliefen?     Plinius    hat    es    gesagt:    hier  sei  der  Ort,    von  wo  aller 
Dingo  Berühmtheit  ausgegangen  ist,   unde  omnium  rerum  claritas.     Hier- 
her   zog    Xerxes    als    an    den   Ort,    wo    den    Griechen    der   erste    anhal- 
tende Widerstand    auf   asiatischem  Boden    entgegengetreten    war,    hierher 
Alexander  als  an  den  Platz,    wo,   wie  Plutarch  sagt,  die  glänzendste  That 
des   gesammten  Grieehenvolkes    geschehen    war.     Aber   auch  Rom  suchte 
hier  seinen  Ausgangspunkt.    Von  Ilios  sollte  Aeneas  nach  Italien  gekommen 
sein,    auf   ihn    führten    die  Julier,    der   grosse  Cäsar    und  die  Kaiser,    ihr 
Geschlecht  zurück.     Und  so  mächtig  wirkte  der  Zauber  des  Namens,  dass 
selbst    unsere  Fürstengeschlechter  ihre  Genealogien  an  Troja    anknüpften. 
Hat  doch  Albrecht  Achill  noch  1466  seiner  Ueberzeugung  von  dieser  Ab- 
stammung feierlichen  Ausdruck  gegeben. 

Man  fühlte  es  auch  bei  uns,  dass  der  Fall  von  Bios  die  Grenze 
zwischen  Geschichte  und  Prähistorie,  zwischen  Cultur  und  Barbarei 
bezeichnet.  Namentlich  seit  der  Wiedererweckung  der  Wissenschaften, 
als  nach  der  Eroberung  Constantinopels  durch  die  Türken  die  vertriebenen 
Griechen  ins  Abendland  flüchteten  und  die  Kenntniss  der  griechischen 
Sprache  in  die  Programme  der  gelehrten  Schulen  aufgenommen  wurde, 
da  erwachte  der  Sinn  für  griechische  Geschichte  und  Bildung  auch  im 
deutschen  Volke,  man  wurde  sich  der  gemeinsamen  Abstammung  bewusst, 
man  fühlte,  dass  von  Hellas  aus  das  menschliche  Wesen  seine  feinere  Ent- 
wickelung    erhalten    habe:     die    Heroen    unserer    Dichtung    haben    diese 


Gedächtnissfeier  für  Heinrich  Schüemann.    Anhang.  65 

Empfindung  zu  vollem  Ausdruck  gebracht;  die  Schule  von  Weimar  konnte 
fast  als  eine  Fortsetzung  der  Schule  von  Athen  aufgefasst  werden. 

Und  nun  wird  uns  das  Material  zugeführt,  an  welchem  nicht  bloss 
die  Gelehrten,  sondern  auch  die  Ungelehrten  schauen  sollen,  was  es  für 
eine  Ordnung  war,  welche  in  der  alten  Dies  ihren  Sitz  hatte.  Die  Kritiker 
werden  niiüit  müde,  zu  warnen,  dass  niemand  wisse,  ob  das  wirklich  Troja 
war.  Uns  kümmert  das  wenig.  Das  ist  sicher,  dass  es  der  einzige  Ort 
in  der  Troas  ist,  auf  dem  jemals  die  Burg  eines  goldreichen  Fürsten  stand, 
welche  in  so  ferne  Zeit  zurückreicht.  Denn  was  weder  Homer,  noch  einer 
der  Alten  wusste,  die  alten  Streiter  führten  noch  SteinwaflFen,  und  so  grosse 
Schätze  von  ausserhalb  sie  gesammelt  hatten,  rings  um  sie  waren  noch 
Geräthe  der  Steinzeit  in  vollem  Gebrauch.  Was  noch  werthvoller  ist,  als 
Gold,  Nephrit,  den  kostbarsten  Edelstein  prähistorischer  Zeit,  haben  Sie 
in  den  schönsten  Stücken  gesammelt.  In  der  tiefsten  und  auch  noch  in 
den  nächsthöheren  Schichten  ist^  archäologisch  gesprochen,  noch  volle  Prä- 
historie, und  nichts  steht  der  Annahme  entgegen,  dass  schon  zu  Homer's 
Zeit  keine  Spur  der  uralten  Burg  mehr  zu  Tage  lag.  Auch  für  ihn  gehörte 
die  Burg  schon  der  Sage  an,  und  seine  Dichtung  konnte  nicht  mehr  den 
Augenschein,  sondern  nur  noch  die  Ueberlieferung  widerspiegeln.  Aber 
auch  so  ist  sie  uns  das  herrlichste  Gut,  und  auch  so  wird  die  Yergleichung 
mit  den  wirklichen  Funden  künftig  eine  der  wichtigsten  Aufgaben  der 
vergleichenden  Forschung  nicht  bloss  für  die  Philologen,  sondern  für  jeden 
Freund  der  Culturgeschichte  sein. 

Das  bleibt  nun  unser,  und  schon  das  würde  genügen,  um  Ihnen 
unseren  ganzen  Dank  zu  sichern.  Aber  ich  glaube  im  Sinne  der  städtischen 
Behörden  sagen  zu  können,  dass  sie  durch  die  Verleihung  des  Bürger- 
rechts mehr  ausdrücken  wollten:  die  Anerkennung  des  Strebens,  dass  ein 
Kaufmann  im  reifen  Mannesalter  in  uneigennützigster  Weise  einen  grossen 
Theil  seines  Vermögens  an  so  ideale  Zwecke  setzte,  die  Entschädigung 
für  viele  Angriffe  und  Schädigungen,  welche  die  Idealität  dieses  Strebens 
Ihnen  eingebracht  hat,  den  Preis  dafür,  dass  ein  solcher  Mann^  nach- 
dem ihm  das  Höchste  geglückt,  den  Ertrag  seiner  Arbeiten  dem  Vater- 
lande darbringt,  obwohl  es  ihm  so  lange  entfremdet  war.  Möge  das  edle 
Vorbild  viele  Nachfolger  finden! 

Sie,  verehrter  Freund,  gehören  nunmehr  dem  grössten  deutschen 
Gemeinwesen  an.  Möchten  Sie  ganz  bei  uns  heimisch  werden!  Seien 
Sie  und  die  lieben  Ihrigen  uns  von  Herzen  willkommen! 


IV. 

Ethnologie  und  Ethik 

von 
Dr.   THS.  ACHELIS  in  Bremen. 


Gegenüber  der  speculativen  Behandlung  der  Ethik,  wie  sie  von  der 
bekannten  Kant 'sehen  Formel:  „Handle  so,  dass  deine  Maxime  jederzeit 
Princip  einer  allgemeinen  Gesetzgebung  werden  kann",  in  den  meisten 
systematischen  Untersuchungen  maassgebend  geblieben  ist,  ist  in  unseren 
Tagen  unter  dem  weitreichenden  Einfiuss  der  Naturwissenschaft  eine  andere 
Richtung  aufgetreten,  welche,  wesentlich  auf  das  umfassende  Material  der 
vergleichenden  Völkerkunde  gestützt,  den  psychogenetischen  Weg  zur 
Erklärung  der  betreffenden  Probleme  einschlägt.  Nachdem  durch  Darwin 
die  Biologie  die  fundamentale  Wissenschaft  geworden  war,  glaubte  man 
auch  für  die  Philosophie  überhaupt  die  Zeit  für  eine  gründliche  Reform 
an  Haupt  und  Gliedern  gekommen;  wie  Alles  im  Wege  der  künstlichen 
und  natürlichen  Züchtung  im  Verein  mit  den  anderweitig  wirksamen 
Pactoren  der  Anpassung  und  Vererbung  von  den  complicirtesten  Erschei- 
nungen rückwärts  bis  zu  den  einfachsten  Formen  des  organischen  Lebens 
erklärt  wurde,  so  hoffte  man  auch  unter  derselben  Perspective  das  mensch- 
liche Handeln  auffassen  und  deuten  zu  können.  Anstatt  also,  wie  bislang, 
in  der  praktischen  Philosophie  von  bestimmten  Voraussetzungen  über  eine 
unveränderliche  Höhe  der  sittlichen  Werthschätzung  auszugehen  und  nach 
diesem,  mehr  oder  minder  subjectiv  bedingten  Maassstab  die  einzelnen 
ethischen  Erscheinungen  zu  beurtheilen,  fing  man  jetzt  an,  der  Entstehung 
der  verschiedenen  sittlichen  Ideale  nachzuspüren  und  inductiv  im  Detail 
zu  erweisen,  dass  das  Gute  nichts  absolut  Gültiges  und  immer  Constantes 
bedeute  (ein  Gedanke,  den  ahnungsvoll  schon  Spinoza  ausgesprochen), 
sondern  je  nach  der  Entwicklungshöhe  des  bezüglichen  socialen  Organismus 
einen  gänzlich  verschiedenen,  ja  mitunter  sich  direct  widersprechenden 
Inhalt  in  sich  schliesse.  Es  genügte  nicht  mehr,  von  einem  kategorischen 
Imperativ,  als  einem  ganz  selbstverständlichen  und  überall  gleich  wirk- 
samen Factor  zu  reden,  der  ohne  Unterschied  der  Person  an  Alle  die 
gleiche  Forderung  sittlichen  Strebens  richte,  von  einem  immanenten  Sitten- 
gesetz, das  der  Mensch  selbst  in  seiner  Brust  trage  und  allerorten  zu 
befolgen  verpflichtet  sei.  Man  besann  sich,  dass  die  Cultur,  aus  der  bis 
dahin   der   entscheidende  Werthmesser   der  Moral   unbedenklich    entlehnt 


Ethnologie  und  Ethik.  67 

war,  ein  yerhältnissmässig  sehr  spätes  Product  eines  unendlich  langen 
Processes  sei,  dessen  einzelne  Phasen  in  aufsteigender  Linie  erst  eine 
genaue  Untersuchung  erforderten,  ehe  man  zu  einem  abschliessenden^  all- 
gemein gültigen  Urtheile  gelangen  könne.  Unter  diesen  Impulsen  bildete 
sich  eine  ganz  neue  Wissenschaft,  die  Ethnologie^  welche  es  sich  zur  Auf- 
gabe machte,  auf  Grund  einer  möglichst  ausgedehnten  Yergleichung  eine 
Entwicklungsgeschichte  der  menschlichen  Basse  zu  schreiben,  weniger  in 
physiologischer  Hinsicht,  —  das  war  Sache  der  eigentlichen  Anthro- 
pologie, —  als  in  psychologischer,  eine  Geschichte  der  menschlichen 
Gesittung,  welche  den  Rahmen  der  streng  an  den  chronologischen  und 
eämographischen  Leitfaden  gebundenen  Weltgeschichte  bei  weitem  über- 
schritt. Es  soll  nun  in  Folgendem  der  Versuch  gemacht  werden,  diesen 
abweichenden  ethnologischen  Standpunkt,  soweit  er  für  die  Ethik  in 
Betracht  kommt,  möglichst  objectiT  zu  entwickeln;  das  Urtheil  des  Ver- 
fassers wird  dabei  völlig  zurücktreten,  soweit  diese  Reserve  selbst  fcbr  eise 
historisch -psychologische  Betrachtung  durchführbar  ist.  Um  aber  voreiligen 
Erwartungen  von  vorneherein  zu  begegnen,  so  sei  ausdrücklich  bemerkt, 
dass  wir  es  hier  nur  mit  einer  Skizze  der  phänomenologischen  Vorarbeiten 
fOr  eine  Ethik  zu  thun  haben,  deren  etwaiger  streng  wissenschaftlicher 
Aufbau  noch  des  Meisters  harrt.  Die  besondere  philosophische  Verwerthung 
dieser  durch  die  Völkerkunde  gebotenen  Anregimgen  bedarf  einer  eigenen 
Darstellung. 

Jene  Entwicklungsgeschichte  des  menschlichen  Geschlechts,  die  wir 
eben  als  das  Ziel  der  modernen  Völkerkunde  bezeichneten,  stützt  sich 
ihrerseits  auf  eine  methodologische  Voraussetzung,  die  einiger  erläuternder 
Worte  bedarf,  nehmlich  auf  die  socialpsychologische  Perspective.  Wie 
schon  die  Völkerpsychologie  eine  über  den  landläufigen  individualpsycho- 
logischen Standpunkt  hinausgehende  Auffassung  vertrat  und  in  den  durch 
die  vergleichende  Sprachwissenschaft  geschaffenen  Stammbäumen  unserer 
Rasse  den  äusseren  Leitfaden  für  ihre  sprachwissenschaftlichen,  mytho- 
logischen und  ästhetischen  Untersuchungen  fand,  so  griff  unsere  Disciplin 
diesen  Gedanken  gleichfalls  auf,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  diese 
Vergleichung  zu  einer  universellen,  nicht  mehr  durch  jene  Schranken 
gehinderten  erweitert  wurde.  Sollte  in  der  That  die  psychische  Einheit 
des  Menschengeschlechts  nicht  eine  zwar  tönende,  aber  inhaltsleere  Phrase 
bleiben,  eine  ästhetische  Floskel,  so  musste  sie  sich  in  den  verschiedenen 
Schöpfungen  dieses  menschlichen  Allgemeinbewusstseins  auch  unzweideutig 
offenbaren.  Um  diesen  Thatbestand  unwiderleglich  zu  erhärten,  lieferte 
ganz  besonders  die  über  alle  ethnographischen  und  chronologischen  Unter- 
schiede hinausgreifende  Entwicklung  des  Rechts  die  unzweideutigsten 
Belege.  Und  das  mit  gutem  Grunde;  denn  gerade  das  Recht  bildet  so 
recht  eigentlich  das  Knochengerüst  für  die  Entfaltung  des  menschlichen 
Organismus,  und  es  zeigt  deshalb  viel  weniger  Sprünge  und  Ausweichungen 


68  Ths.  Acheus: 

als  z.  B.  die  Religion  oder  gar  die  Kunst,  vom  socialpsychologischen  Stand- 
punkt aus  betrachtet.  So  entstand  ganz  in  der  Stille  eine  freilich  zur  Zeit 
noch  wenig  beachtete,  aber  für  eine  fernere  Zukunft  unstreitig  sehr  einfluss- 
reiche Schule  der  vergleichenden  Eechtswissenschaft  auf  ethnologischer 
Basis,  die,  ganz  im  Gegensatz  zu  der  bisher  üblichen  geschichtlichen 
Betrachtung,  sich  nicht  auf  einen  bestimmten  Culturkreis  beschränkte, 
sondern  vielmehr  sämmtliche  Stadien  des  socialen  Processes,  den  die 
Menschheit  überhaupt  von  ihren  ersten  dürftigen  Anfangen  bis  zu  den 
complicirten  Gebilden  staatlichen  Lebens  hin  durchlaufen  hatte,  vor  ihr 
Forum  zog.  Es  genügt  wohl  an  dieser  Stelle,  die  Namen  von  Bastian, 
Post,  Kohler,  und  von  Ausländem  etwa  Lubbock,  Tylor,  Girard 
Teulon,  Mc  Lennan,  Wilken  zu  nennen.  Der  für  uns  hier  maass- 
gebende  socialpsychologische  Standpunkt,  wie  ihn  Bastian  zuerst  in  dem 
Ausdruck  des  Völkergedaukens ')  formulirt  hat,  ist  mit  geringen  Kuancirungen 
bei  allen  derselbe.  Die  Begründung  dieser  socialpsychologischen  Auffassung 
kann  uns  hier,  wo  es  sich  um  ethische  Probleme  hajidelt,  nicht  weiter 
kümmern;  nur  soviel  sei  bemerkt,  dass  dieselbe  sich  auf  die  Thatsache 
stützt,  dass,  so  wie  Ich  und  Seele  sich  nicht  decken,  die  grossen 
Schöpfungen  unseres  Geistes,  wie  Sprache,  Recht,  Sitte,  Religion  und 
Kunst  sich  schlechterdings  nicht  aus  individuellen  Leistungen  erklären 
lassen,  sondern  nur  auf  universalpsychologiscliem  Boden  entstehen  konnten. 
Erst  die  moderne  Ethnologie  hat  nachdrücklich  mit  den  Wahngebilden 
Rousseau 'scher  Speculation,  um  nicht  zu  sagen,  Phautastik  aufgeräumt, 
als  ob  sich  das  sociale  Leben  der  Menschheit  aus  individuellen  Ent- 
schliessungen,  Verträgen,  Nützlichkeitsmaxiraen  u.  s.  w.,  wie  sie  noch  immer 
im  heutigen  Utilitarianismus  eine  verhängnissvolle  Rolle  spielen,  zusammen- 
setze. Soweit  die  exacte  Wissenschaft  und  alle  verlässlichen  Reconstructionen 
reichen,  zeigt  sich  der  Mensch  immerfort  als  sociales  Wesen,  getragen  und 
geschützt  von  der  bezüglichen  Organisationsform,  die  ihn  geboren  und  er- 
zogen hat,  und  diese  unausweichliche  Abhängigkeit  gilt  umsomehr,  je  mehr 
wir  uns,  wenn  der  Ausdruck  erlaubt  ist,  den  Anfängen  menschlicher  Ge- 
schichte nähern,  wo  das  Individuum  vollständig  in  dem  Typus  der  ura- 
schliessenden  Association  untergeht.  Welche  verhängnissvollen  Schlüsse  sich 
daraus  für  den  Ursprung  sittlicher  Handlungen  ergeben,  werden  wir  gleich 
zu  erörtern  haben;  vorerst  bedarf  die  andere  dringlichere  Frage  der  Er- 
ledigung, woher  denn  diese  Organisation  sich  ihrerseits  erklärt,  die  erst 
dem  Einzelnen  die  Möglichkeit  eines  ethischen  Verhaltens  gewährt. 

Einmal    ist    hierfür    die   Eigenart    der  Individuen    selbst  in  Anschlag 

1)  Diese  Bexeichnang  kehrt  io  den  meisten  Schriften  des  Altmeisters  der  Ethnologie 
in  Deutschland  wieder.  Eingehend  hat  er  diese  Perspective  begründet  in  der  Schrift:  .Der 
YOlkergedanke  im  Aofhan  einer  Wissenschaft  vom  Menschen.  Berlin  1881".  Eine  freilich 
etwas  buntscheckige  Sammlung  ethischer  Thatsachen  findet  sich  in  der  Vorrede  Bastian'! 
lur  4.  Lieferung  des  Werkes  „Indonesien*  unter  dem  Titel  „Zur  ethnischen  Ethik' 
(Berlin  1888). 


Ethnologie  und  Ethik.  69 

zu  bringen,  die  nicht  nach  Art  der  Sensualisten  als  ein  zufälliges, 
sich  nachträglich  von  selbst  einstellendes  Product  der  Erfahrung  an- 
gesehen werden  kann.  Das  ist  allen  einseitigen  darwinistischen  Schilde- 
rungen gegenüber  stets  wieder  zu  betonen,  und  selbst  der  ganze,  viel- 
berufene Kampf  um's  Dasein  verliert  jeden  Sinn,  wenn  man  nicht  an 
die  Pforte  dieser  Entwicklung  schon  das  mit  bestimmten  Kräften  aus- 
gestattete Individuum  stellt.  Den  zweiten  wichtigen  Factor  bildet  frei- 
lich die  complicirte  Reihe  von  äusseren  Ursachen,  die  man  meist  Existenz- 
bedingungen nennt:  Klima,  Nahrung,  BodenbeschaflFenheit,  gewisse  bio- 
logische Beziehungsverrichtungen  und  sociale  Momente.  Aus  der  ununter- 
brochenen Wechselwirkung  dieser  beiden  Glieder  des  Processes  wurde 
sich  die  ganze  Mannichfaltigkeit  der  Organisationen  erklären,  denen  wir 
auf  dem  Erdball  begegnen ;  während  zufolge  der  ursprünglichen  Congruenz 
von  Sitte  und  Recht  sich  eine  überraschende  Gleichförmigkeit  in  der 
Stmctur  der  einzelnen  ethnischen  Gebilde  zeigt,  entwickelt  sich  vermöge 
der  sich  stetig  steigernden  und  grössere  Anforderungen  stellenden  socialen 
Sphären  eine  immer  schärfere  und  unvergleichbare  Besonderheit  des 
Individuums  heraus,  das,  vordem  nur  getragen  von  den  psychophysischen 
Gesetzen  des  socialen  Organismus,  jetzt  den  herrschenden  Mittelpunkt 
des  ganzen  Processes  ausmacht.  Während  der  Naturzustand  (um  einen 
Schiller'schen  Ausdruck  zu  gebrauchen)  nur  ethnische  Institute  kennt, 
welche  die  Bedeutung  des  Einzelnen  gar  nicht  aufkommen  lassen,  nur 
Collectiveigenthum,  nur  Collectivehen,  nur  Collectivpflichten,  wie  die  Blut- 
rache und  Friedloslegung  immer  nur  Acte  des  betreffenden  socialen 
Organismus  sind,  nie  spontane  Thaten  individueller  Willkür,  so  arbeitet 
sich  erst  sehr  langsam  aus  diesem  chaotischen  Gewirr  die  festgeschlossene 
Persönlichkeit  des  Einzelnen  heraus,  dem  ein  bestimmt  abgegrenztes 
Territorium  von  Rechten  und  Pflichten  zukommt*).  Und  je  mehr  sich 
diese  Individualisirung  fortsetzt  umsomehr  schwindet  die  Omnipotenz 
der  volksthümlichen  Sitte,  und  es  tritt  ein  früher  unbekannter  Gegensatz 
zum  Recht  ein.  Daher  die  Erscheinung,  dass  hoch  gesteigerte  Cultur- 
epochen  die  stärksten  Widersprüche  zwischen  rechtlichen  und  sittlichen 
Anschauungen  zeigen,  während  umgekehrt,  wie  wir  schon  bemerkten,  die 
ersten  Stufen  socialer  Entwicklung  beide  noch  in  ungetrübter  Harmonie 
darstellen. 

Natürlich  können  wir  uns  an  dieser  Stelle  nicht  in  eine  ausführliche 
Schilderung  der  Structur  einlassen,  wie  sie  nach  neueren  Untersuchungen 
jenen    primitiven  Verbänden,    den  Geschlechtsgenossenschaften,    zukommt, 


1)  Vergl.  hierzu  die  epochemachende  Schrift  von  A  H.  Post:  „Die  Gescblecbts- 
genosBenschaft  der  Urzeit  und  der  Ursprung  der  Ehe.  Oldenburg  1875** :  dieser  sind  später 
mehrere,  zum  Theil  sehr  umfassende  Arbeiten  gefolgt,  von  denen  wir  hier  nur  namhaft 
machen:  «Bausteine  für  eine  allgemeine  Rechtswissenschaft  auf  ethnologischer  Basis. 
2  Btode.    Oldenburg  1880/81'*  und  „Die  Grundlagen  des  Rechts.    Oldenburg  1884". 


70  Ths.  ACHBLIfi: 

mit  denen  die  Ethnologie  ihre  Arbeit  zu  beginnen  hat;  das  wäre  Sache 
der  speciellen  Fachwissenschaft.  Aber  einen  wichtigen  Grund  möchten 
wir  den  früheren  Argumenten  für  die  sociale  Entstehung  der  sittlichen 
Ideale  noch  hinzufügen,  ehe  wir  die  betreffenden  Schlussfolgerungen  auf 
die  weitere  Entwicklung  sittlicher  Vorstellungen  überhaupt  zu  ziehen 
unternehmen.  Obwohl,  wie  wir  uns  so  eben  überzeugten,  für  diesen 
ganzen  Vorgang  das  Individuum  gar  nicht  zu  entbehren  ist,  so  ist  es  doch 
nicht  der  selbständige  Schöpfer  seiner  ethischen  Weltanschauung,  sondern 
es  wird  darin  ebenso,  wie  in  seinen  Kechtsanschauungen,  durch  und  durch 
bedingt  durch  seine  sociale  Umgebung.  Man  kann  vom  Standpunkte  der 
Völkerkunde  es  immerhin  noch  zugeben,  dass  das  Gewissen  das  Organ 
unseres  sittlichen  Bewusstseins  genannt  wird,  obschon  man  sich  klar 
machen  muss,  dass  damit  psychologisch  über  die  Bildung  und  Geltung 
dieser  höchsten  Instanz  gar  nichts  ausgesagt  ist,  aber  es  ist  schlechter- 
dings unmöglich,  dem  rechtlichen  und  sittlichen  Bewusstsein  eine  biologische 
Basis  zuzuschreiben,  sie  haben  beide  eine  sociologische.  Während  jeder, 
auch  in  strenger  Isolirung  aufgewachsene  Mensch  vermöge  seines  Gehirns 
logisch  zu  denken  vermöchte,  wtlrde  einem  solchen  Unglücklichen  ein 
Rechtsbewusstsein  und  ein  sittliches  Bewusstsein  in  unserem  Sinne  völlig 
abgehen,  da  diese  eben  nur  das  Ergebniss  des  geselligen  Zusammenlebens 
sind.  Deshalb  muss  die  inductive  Forschung  auch  nicht  von  den  in- 
dividuellen ethischen  Anschauungen  und  Forderungen  des  einzelnen  Men- 
schen ausgehen,  obschon  auch  diese  zum  grossen  Theil  nur  den  Nieder- 
schlag des  socialen  Typus  darstellen,  sondern  von  den  in  Recht  und  Sitte 
sich  verkörpernden  Aeuss(»rungen  des  Volksgeistes,  der  darin  sich  offen- 
bart. Die  Aufgabe  ist  hier  genau  dieselbe,  wie  etwa  für  die  vergleichende 
Sprach-  und  Religionswissenschaft,  welche  ebenfalls,  um  den  Process 
sprachlicher  und  mythologischer  Vorstellungen  zu  erfassen,  ihre  Ent- 
wicklungsgeschichte rückwärts  aus  den  in  den  Worten  und  in  den  Cult- 
handlungen,  Göttergestalten  und  Glaubenslehren  objectivirten  psychischen 
Elementen  erschliessen.  Und  auch  nur  so  lässt  es  sich  begreifen,  dass  trotz 
aller  historischen  und  ethnographischen  Variirung  im  Ganzen  und  Grossen 
die  primitiven  Ideale  der  menschlichen  Rasse  in  Religion  und  Sitte  und 
die  grundlegenden  Anschauungen  auf  dem  Rechtsgebiete  eine  so  über- 
raschende Aehnliclikeit  zeigen,  dass  jeder  aufrichtige  Geschichtsforscher 
an  jeglicher  Entlehnung  oder  geographischen  Wanderung  solcher  Ideen 
verzweifeln  muss*). 

Ist  uns  nun  somit  unsere  eigene  sittliche  Entwicklung  nur  verständ- 
lich im  Lichto  dos  ethnologischen  Wachsthums,  so  müssen  sich  aus  dieser 
socialen    Perspective   auch    bestimmte   Schlüsse    auf   den    etwaigen  Werth 

1)  Post,  Einleitnng  in  das  Studium  der  otliDolojnschen  Jurisprudeni,  Oldenburg  1886, 
hes.  S.  19  ff.  —  R.  Andree,  Ethnographische  Parallelen  und  Vergleiche.  Nene  Folge. 
Leipsig  l»b9. 


Ethnologie  und  Ethik.  tl 

individueller  ethischer  Schätzung  und  Beurtheilung  ergeben.  Dahin  gehört 
in  erster  Linie  die  Einsicht  in  die  Unhaltbarkeit  der  landläufigen  An- 
sprüche der  Moralsysteme  auf  eine  ewige,  unverbrüchliche  Geltung.  Es 
giebt  schlechterdings  kein  absolutes^  an  sich  seiendes,  für  alle  Zeiten  und 
Völker  von  vorneherein  feststehendes  Sittengesetz,  keinen  kategorischen 
Imperativ,  der  überall  auf  dem  ganzen  Erdball  und  in  allen  Perioden  der 
menschlichen  Geschichte  dieselben  Vorschriften  und  nun  gar  mit  derselben 
unerbittlichen  Strenge  ertheilt  hätte;  es  giebt  keine  derartigen,  dem  Men- 
schen immanenten  Grundsätze,  die  mit  mathematischer  Evidenz  jedem 
Zweifel  und  Irrthume  entrückt  wären:  alles  dies  sind  nur  Abstractionen 
einer  einseitigen  speculativen  Richtung,  die  sich  befangen  an  das  eigene 
Bewusstsein  hält,  ohne  sich  auch  im  Geringsten  um  die  Entstehung  des- 
selben zu  kümmern.  Alle  Versuche  mithin,  aus  a  priori  gegebenen,  an- 
geborenen Vermögen  oder  Gefühlen  des  Rechts,  der  Billigkeit  u.  s.  f.  eine 
wissenschaftlich  baltbare  Ethik  herzuleiten,  sind  gerade  so  verfehlt,  wie 
die  religiös  gefärbten  Anschauungen,  welche  diese  Elemente  als  Geschenke 
göttlicher  Offenbarung  ansehen.  Die  sociale  Natur  der  Sittlichkeit  zeigt 
innerhalb  der  verschiedenen  Stufen,  welche  der  Mensch  und  die  Mensch- 
heit durchläuft,  die  denkbar  heterogensten  Fassungen,  welche  alle  Hoff- 
nung, diese  Widersprüche  als  Modificationen  eines  Princips  begreifen 
zu  können,  ausschliessen.  Während  der  Tscherkesse  und  Montenegriner 
die  Ausübung  der  Blutrache  als  heiligste  Gewissenspflicht  empfindet,  würde 
das  in  einem  civilisirten  Staate  als  grober  Reehtsbruch  empfindlich  geahndet 
worden;  dem  Frauenkauf  patriarchalischer  Zeiten  steht  die  Ehe  aus  freier 
Neigung  gegenüber,  wie  wir  sie  kennen,  der  geschlechtlichen  Laxheit  der 
primitiven  Verbände  das  monogamische  Ehebündniss  des  Christenthums, 
der  modernen  Toleranz  in  religiöser  Hinsicht  das  mit  dem  Tode  bestrafte 
Verbrechen  des  Religionsabfalles,  das  sich  der  streng  gläubige  Muselmann 
dadurch  zuziehen  würde,  u.  s.  w.  Diese  bunte  Blüthenlese  rechtlicher  und 
raoraliscber  Schwankungen  (vergl.  übrigens  Post,  Bausteine,  I.  8.  60  ff.), 
die  man  leicht  erheblich  vermehren  könnte,  beweisen  für  eine  unbefangene 
AufCassung  die  Relativität  unserer  Ideale,  die  sich  je  nach  der  Struotur 
des  socialen  Gesanmitlebens  ändern;  nur  unsere,  nach  einem  monotouen 
Gleichmaass  strebende  internationale  Cultur  beginnt  in  dieser  Beziehung 
ein  gewisses  übereinstimmendes  geistiges  Ferment  herzustellen,  obschon 
immerhin  noch  bedeutende  Gegensätze  existiren.  (Man  denke  nur  gegen- 
über unserer  europäischen  Gesittung  an  die  chinesische  oder  indische 
Civilitation!)  Deshalb  ist  vom  Ethnologen  auch  in  erster  Linie  Toleranz 
zu  fordern,  d.  h.  Verzicht  auf  die  bekannten  volltönenden  Gefühlsurtheile, 
die  sich  bald  in  haltlosen  Schwärmereien  ergehen,  bald  in  ebenso  hin- 
fälligen Verdicten.  Wer  sich  im  Angesicht  zunächst  ihm  befremdlicher 
Bräuche  und  Vorstellungen  berufen  fühlt,  ein  Ketzergericht  abzuhalten, 
der    beweist    die     für    den    Durchschnittsmenschen    so    charakteristische 


72  Th8.  AcheliS: 

Unduldsamkeit  gegen  andere  Meinungen,  der  ist  für  eine  objectiv  wissen- 
schaftliche Forschung  noch  niöht  reif.  Während  die  sentimentale  Natur- 
schwärmerei am  Ausgange  des  vorigen  Jahrhunderts  sich  in  den  gefälligen 
Bildern  von  den  guten,  unverfälschten  Wilden  erging,  hat  sich  jetzt  die 
entgegengesetzte  Richtung  geltend  gemacht,  mit  hochmüthiger  Verachtung 
auf  den  Entwicklungsgang  inferiorer  Stadien  herabzublicken;  dass  beides 
gleich  einseitig  ist,  bedarf  kaum  der  besonderen  Erwähnung.  Es  wäre 
der  Tod  jedes  acht  wissenschaftlichen  Geistes,  wenn  man  nicht  einem 
solchen,  durch  und  durch  egoistischen  Verfahren  entgegen  träte.  Ueber- 
haupt  aber  sollte  man  mit  den  gefährlichen  allgemeinen  Bezeichnungen 
vorsichtig  sein,  besonders  wenn  sie  als  Geschmacksurtheile  in  die  ästhe- 
tische Sphäre  fallen,  da  nicht  dies,  sondern  die  Auffindung  der  relevanten 
Ursachen  ihrer  Entstehung  die  Aufgabe  der  Völkerkunde  bildet.  Die  sitt- 
liche Entrüstung  aber,  dem  beschränkten  individuellen  sittlichen  Bewusst- 
sein  entsprungen,  dient  nur  dazu,  den  eigentlichen  psychologischen  Zu- 
sammenhang irgend  eines  Problems  zu  verwirren,  statt  ihn  zu  lösen*). 
Nur  durch  die  nüchterne  Anwendung  der  socialen  Perspective  gelangt  man 
zu  der  maassgebenden  relativen  Werthschätzung  jeglichen  Geschehens,  die, 
ohne  die  specifischen  Unterschiede  aufzuheben,  vielmehr  jedem  Studium  des 
Processes  seine  für  sich  bestehende  und  ausreichende  Bedeutsamkeit  lässt. 
Es  sei  uns  gestattet,  die  Wichtigkeit  dieses  Standpunktes  noch  au 
einem  anderen  Beispiel  zu  veranschaulichen.  Wir  sind  nur  allzusehr 
geneigt,  die  mis  anerzogenen  Anschauungen  und  Gefühle,  deren  Bildung  in 
das  Unbewusste  verläuft,  mit  in  die  Wissenschaft  hinüber  zu  nehmen  und 
dort  als  Axiome  oder  Postulate,  die  keines  weiteren  Beweises  mehr 
bedürfen,  aufzustellen.  Das  ist  z.  B.  der  Fall,  wenn  wir  von  dem  so- 
genannten allgemein  Menschlichen  sprechen,  das  sich  trotz  aller  histo- 
rischen und  ethnographischen  Unterschiede  bei  allen  Vertretern  des  Genus 
Homo  sapiens  finden  soll.  Freilich  fallt  es  schon  schwer,  diesen  Typus 
genauer  zu  specificiren,  man  begnügt  sich,  gewisse  allgemeine  sympathe- 
tische Regungen  aufzuzählen,  so  zwischen  Aeltern  und  Kindern,  die  durch 
die  Natur  selbst  schon  in  des  Menschen  Brust  gelegt  seien.  Nichts  ist  in 
der  That  trügerischer,  wie  ein  solcher  Appell  an  die  Natur.  Denn  wie 
die  exacte  Forschung  unserer  Tag<»  gezeigt  hat,  kann  von  solclien  sittlichen 
Gefühlen  und  Verpflichtungen  schon  deshalb  nicht  als  allgemeinen,  durch 
die  Natur  selbst  geforderten  die  Rede  sein,  weil  auf  bestimmten 
Organisationsstufen  die  betreffenden  Beziehungen,  z.  B.  zwischen  Aeltem 
und  Kindeni,  gar  nicht  existiren,  an  die  sich  jene  Empfindungen  auch 
ansetzen  könnten.     Im  Matriarchat,  wie  es  besonders  bei  den  malayischen 

1)  Vergl.  hJerzn  die  AusftihruDgen  bei  H.  Spencer  in  seinem  zur  Methodologie  ganz 
brsnchbaren  Werke:  .»Einleitung  in  das  Studium  der  Sociologie  (2  B&nde,  Internationale 
Bibliothek,  Bd.  14  und  15),  l>esonders  I.  S.  90  ff.,  und  Post,  Einleitung  in  da«  Sta- 
dium u.  8.  w.,  8.  52. 


Ethnologie  nnd  Ethik.  73 

Nairs  noch  heutigen  Tages  erkennbar  ist,  giebt  es  einen  Vater  in  unserem 
Sinne  gar  nicht,  vielmehr  nimmt  dessen  Stelle  der  mütterliche  Onkel  ein, 
dem  also  eine  gewisse  Pietät  zukäme  *).  Und  so  geht  es  in  allen  analogen 
Fällen,  —  von  den  groben  Widersprüchen  bezüglich  der  Keuschheit  der 
Jungfrauen  und  Frauen  mit  unserem  Sittengesetz  gar  nicht  zu  reden,  — 
es  ist  immer  der  aus  einer  einseitigen,  meist  nur  der  eigenen  Cultur  zu- 
gewendeten Betrachtung  erzeugte  Wahn  einer  absoluten,  allgemein  gültigen 
Moral,  eines  an  sich  seienden  Guten  und  Bösen,  mit  der  man  jedes  kritisch 
haltbare  Urtheil  von  vorneherein  vernichtet"). 

Resumiren  wir  kurz  die  für  die  Ethnologie  maassgebende  Anschauung, 
um  zu  sehen,  ob  sie  vielleicht  hier  und  da  einer  Correctur  und  Ergänzung 
bedarf.  Für  sie  ist  das  Individuum  ein  unlösbares  Glied  irgend  eines 
socialen  Yerbandes,  und  dadurch  erhält  es  seinen  bestimmenden  Charakter; 
Moral] tat  heisst  hier  nichts  weiter,  als  die  Congruenz  des  Einzelnen  mit 
dem  Typus  der  ihn  tragenden  und  schützenden  Organisation,  die  ihrerseits 
um  so  stärker  sich  entfaltet,  je  mehr  das  Individuum  zur  Consolidirung 
und  Fortbildung  seiner  Association  beiträgt.  Der  Werthmesser  für  seine 
Sittlichkeit  liegt  somit  nicht  in  einem  transscendenten,  geschichtlich  sich 
nicht  bewährenden  Ideal,  sondern  in  der  Angemessenheit  des  Menschen  zu 
den  jeweiligen  Forderungen,  welche  die  betreffende  ethnische  Bildung 
an  ihn  stellt.  Moral  und  Pflicht  erscheinen  in  dieser  psychogenetischen 
Auffassung  als  natui*nothwendige  Producte  einer  DifFerenzirung  des  In- 
dividuums im  Kampfe  oder  in  der  Congruenz  mit  den  gegebenen  Existenz- 
bedingungen und  socialen  Factoren,  die  bald  hemmend,  bald  fördernd  in 
diesen  Process  eingreifen.  Es  liegt  nun  für  diese  ganze  Theorie  die  Yer- 
snebung  nahe^  die  Entstehung  von  sittlichen  Vorstellungen  überhaupt  nur 
dieser  äusseren  Anpassung  des  Menschen  an  seine  Umgebung  zuzuschreiben, 
indem  man  ihn  Anfangs,  nach  Locke's  Vorgang,  auch  in  ethischer  Bezie- 
hung als  vollkommene  Tabula  rasa  betrachtet.  Die  social  gezähmte  Bestie 
wurde  das  Schlagwort  für  diese  düster  gefärbte  Auffassung,  und  man  konnte 
sich  nicht  genug  darin  thun,  wie  schon  früher  bemerkt,  das  Thierische  in 
dem  Mensehen  besonders  grell  hervorzuheben.  Die  Logik  allein  ist  es, 
meint  Lippert,  die  uns  mit  dem  Urmenschen  verbindet;  das  Gefühls- 
wesen trennt  uns  von  ihm,  wie  von  einer  anderen  Species  (Culturgeschichte, 
Stuttgart  1886,  I.  S.  49).  Deshalb  erblickt  er  in  der  Schmiegsamkeit  des 
menschlichen  Naturells  den  ausschlaggebenden  culturhistorischen  Factor. 
Andere  wollen  diese  Imprägnation  sittlicher  Anschauungen  lediglich 
aus   der   befehlenden  Autorität    ableiten,    während    die    ersten  Ansätze  zu 


1)  Post,  Gnmdlagen  des  Rechts,  S.  99  ff.,  und  Hellwald,  Die  menschliche  Familie 
nach  ihrer  Entstehung  und  natürh'chen  Entwicklung,  Leipzig  1889,  S.  232  ff. 

2)  Auch  der  in  seinen  Urtheilen  so  vorsichtige  Ratzel  kann  sich  dieser,  durch  eine 
einseitige  culturgeschichtliche  Betrachtung  erzeugten  Thatsache  nicht  Terschliessen  (vergl. 
Völkerkunde,  L  S.  14  ff.). 

Zeiucbrift  fäi  BUmologie.    Jahrg.  1891.  6 


74  Ths.  Aghblis: 

dieser  Entwicklung  in  gewissen  praktischen  Erfahrungen  des  täglichen 
Lebens  gelegen  hätten.  [So  Rolph,  Biologische  Probleme,  zugleich  als 
Versuch  einer  rationellen  Ethik.  Leipzig  1882.  8.  145  ff.*)].  Glücklicher- 
weise ist  solchen  einseitig  mechanischen  Ansichten,  die  einen  erstaunlichen 
Mangel  an  psychologischer  Analyse  zeigen,  eine  sachgemässe  Entgegnung 
nicht  erspart,  vor  Allen  hat  Post,  dessen  Schriften  sich  überhaupt  durch 
klare  Auffassung  des  Materials  und  ganz  besonders  durch  kritische  Nüchtern- 
heit vor  manchen,  zwar  äusserst  verführerischen,  aber  wissenschaftlich 
unhaltbaren  sociologischen  Speculationen  unserer  Tage  auszeichnen,  die 
entsprechende  Kehrseite  dieses  psychologischen  Processos  mit  Recht  betont. 
Zwar  gelten  seine  Ausführungen  zunäclist  nur  für  das  Rechtsgebiet,  aber, 
da  eben  Recht  und  Sitte  in  den  primitiven  Entwicklungsstadien  völlig 
zusammenfallen"),  so  können  wir  ihn  auch  für  unsere  Streitfrage  als  Ver- 
treter aufrufen.  Obschon  das  individuelle  Rechtsbewusstsein,  wie  wir 
früher  sa)ien,  völlig  bedingt  ist  durch  den  jeweiligen  Organisationskreis, 
als  dessen  concreter  Niederschlag  es  erseheint,  so  wird  man  doch  nie  zum 
Ziel  kommen,  wenn  man  nur  aus  Eindrücken  der  Aussenwelt  die  ganze 
sittliche  Welt  des  Mensclien  aufbaut,  jedes  Sollen  als  ein  selbstverständ- 
liches Ergebniss  irgend  einer  mechanischen  Anpassung  betrachtet  u.  s.  w. 
Richtig  hat  deshalb  unseres  Erachtens  der  eben  erwähnte  Gelehrte  an- 
genommen, dass  die  Fähigkeit  Recht  von  Unrecht  im  gegebenen  Fall,  je 
nach  Lage  der  Sache  verschieden,  zu  unterschei<len,  eine  apriorische  sei, 
nicht  erst  nachträglich  durch  allerlei  Nützlichkeitserfahrungen  erworbene, 
obwohl  der  Inhalt  dieser  einzelnen  rechtlichen  Flmpfindungen  empirisch 
erlangt  sei').  So  sehr  man  von  der  Wandelbarkeit  des  sittlichen  Ideals 
überzeugt  sein  mag,  so  stark  die  Schwankungen  bezüglich  des  Inhalts 
der  einzelnen  moralischen  Gebote  und  Verbote  sein  mögen,  so  wenig  wird 
das  blos  formale  Pflichtbewusstsein  lediglich  empirisch  abgeleitet  werden 

1)  Der  Irrthnm  Lubbock's  (Entstehung  der  Civilisation,  Jena  1875,  8.  830  ff.),  dass 
den  Naturvölkern  überhaupt  keine  Sittlichkeit  zugeschrieben  werden  könne,  beruht  einer- 
seits auf  der  dogmatisch  hochgeschraubten  Fiiirung  des  in  Rede  stehenden  Begriffes, 
andererseits  auf  den  vielfach  widersprechenden  Berichten  über  den  Charakter  der  Wüden. 
Man  sollte  übrigens  nicht  vergessen,  dass  sich  solche,  anscheinend  unTertrftgliche  Gegen- 
s&tze  wohl  vereinbaren  lassen,  wenn  man  den  maass^ebenden  Dualismus  der  niederen 
Horalsjsteme  'berücksichtigt  Was  gegenüber  dem  Stammesgenossen  als  schwerste  Schuld 
empfunden  wurde,  war  nicht  nur  unanstössig,  sondern  galt  als  höchst  verdienstvoll  in 
Bezug  auf  einen  Frenubn  ;vergl.  hierüber  Kulischer,  Ztschr.  für  Ethnol.,  XVII.  205  fll). 

"2)  Dass  das  nicht  schlechthin  immer  zutrifft,  ist  freilich  zugegeben;  unter  ungünstigen 
geschichtlichen  Bedinguiigen  kann  eine  Volkerschaft  gezwungen  sein,  nach  einem  Recht 
zu  leben  (vielleicht  dauemd\  das  ihrer  Sitte  durchaus  nicht  entspricht,  und  es  treten  dann 
die  bedauerlichen  Vergewaltigungen  des  eigentlich  volksthünüichen,  geschichtlich  und 
ethnographisch  gewordenen  Charakters  ein,  der  sich  mitunter  auch  in  erschütternden 
Revolutionen  Luft  macht. 

8)  Post,  Grundlagen  des  Rechts,  S. '20  ff.  üebrigens  stimmt  auch  Windelband, 
obschon  er  auf  ganz  entgegengesetztem  Standpunkte  steht,  in  dieser  psychologischen 
Begründung  der  Pflicht  mit  Post  überein  >ergl.  Präludien,  Freiburg  18h4,  S  28B  ff.). 


Ethnologie  und  Etiiik.  75 

können,  vielmehr  ist  dieses  die  für  alle,  selbst  die  allerniedrigsten,  gesell- 
schaftlichen Verhältnisse  unerlässliche  Voraussetzung  jedes  ethischen  Ver- 
haltens überhaupt.  Nur  wenn  dies  Gefühl  der  Verpflichtung  schon  beim 
Menschen  vorhanden  ist,  kann  sich  auf  Grund  einer  bestehenden  Autorität, 
sei  es  einer  privaten  oder  socialen,  jene  Unterordnung  des  eigenen  Willens 
entwickeln,  durch  welche  erst  eine  gedeihliche  sittliche  Entwicklung  mög- 
lich ist  Und  es  ist  bekannt  genug,  dass  erst  in  sehr  allmählicher  Stufen- 
folge die  anfänglich  völlig  egoistischen,  vom  höheren  Standpunkte  betrachtet, 
sittlich  fast  werthlosen  Motive  sich  in  ethisch  indifferente  oder  gar  lobens- 
werthe  umwandeln;  das  ist,  wie  Windelband  mit  Recht  bemerkt,  das 
Geheimniss  jeder  Erziehung.  Durch  diesen  leider  oft  übersehenen  Unter- 
schied zwischen  der  Form  und  dem  Inhalt  der  Pflicht  sind  wir  erst  in  den 
Stand  gesetzt,  auch  vom  Standpunkte  der  vergleichenden  Völkerkunde  aus 
die  Allgemeingültigkeit  des  Pflichtbewusstseins,  aber  eben  zunächst  völlig 
ohne  Rücksicht  auf  den  jeweiligen  Gehalt  festzuhalten  und  zu  begründen. 
Ja,  diese  Analogie  der  ethnologischen  und  philosophischen  Auffassung  lässt 
sich  sogar  noch  weiter  verfolgen;  wir  sahen  früher,  dass  die  sociologische 
Perspective  die  Moralitat  des  Einzelnen  nach  den  mehr  oder  minder  innigen 
Beziehungen  beurtheilt,  welche  ihn  an  die  betreffende  Organisation  knüpfen. 
Dasselbe  ergiebt  sich,  wenn  man  rein  abstract  das  beiderseitige  Verhältniss 
zu  einander  prüft;  denn  die  ursprünglich  rein  formale  Pflicht  wird  durch 
jene  stillschweigende  sociale  Bezugnahme  zu  einer  materialen,  indem  die 
verschiedenen  Aeusserungen  derselben  (Achtung  des  fremden  Lebens  und 
Eigenthums,  die  Unterordnung  des  eigenen  Glückes  unter  die  gemeinsame 
Wohlfahrt,  eventuell  bis  zur  Preisgebung  der  eigenen  Existenz  u.  s.  w.) 
mittelbar  und  unmittelbar  zum  Schutz  der  bestehenden  gesellschaftlichen 
Ordnung  dienen,  und  sei  diese,  mit  höheren  Entwicklungsstufen  verglichen, 
auch  so  kümmerlich  wie  möglich.  Ihr  sittliclier  Werth  wird  somit  steigen, 
je  höhere  Aufgaben  sich  die  Gesellschaft  seihst  gestellt  hat;  aber  alle  ihre 
geschichtlichen  Gestaltungen,  so  verschieden  sie  auch  ethnographisch  und 
historisch  sein  mögen,  verfolgen  doch,  wie  Windelband  sich  ausdrückt, 
ein  und  denselben  Zweck,  nehmlich  die  Schaffung  des  ihnen  eigenthüm- 
lichen  Cultursystems  (a.  a.  O.  S.  309). 

Der  Dualismus  unserer  Natur,  in  den  wir  ohne  unser  Zuthun  hinein- 
geboren werden,  das  Doppelbild  des  Psychischen  und  Mechanischen,  unter 
dem  wir  genöthigt  sind,  alles  Geschehen,  alle  Erscheinungen  aufzufassen, 
tritt  uns  auch  in  den  Thatsachen  des  Völkerlebens  unverkennbar  entgegen, 
und  zwar,  von  allen  anderen  Gründen  abgesehen,  schon  allein  deshalb, 
weil  doch  schliesslich  alle  ethnischen  Bildungen,  so  verschiedenartig  ihre 
Structur  auch  sein  mag,  auf  die  psycho -mechanische  Thätigkeit  mensch- 
licher Individuen  zurückführen.  Es  erscheint  uns  gewagt,  wenn  man  mit 
Post  die  sicheren  Grenzen  der  verlässlichen  Erfahrung  verlässt,  und  im 
Recht  und  in  der  Sitte  nicht  etwas  specifisch  Menschliches  oder  Tellurisch- 


76  '^S'  AOHBUS: 

Organisches  sehen  will,  sondern  lediglich  die  durch  die  biologische  Eigen- 
art der  socialen  Organisation  qualificirte  Erscheinungsform  eines  Gesetzes, 
welches  auch  den  ganzen  übrigen  Kosmos  beherrsche  (vergl.  G^rund- 
lagen  u.  s.  w.  S.  19  fF.),  weil  es  ims  eben  an  einem  erschöpfenden  Einblick 
in  das  Räderwerk  des  Universums  eingestandeuermaassen  doch  allzusehr 
fehlt.  Aber  auch  unter  diesem  Verzicht  lässt  sich  die  angezogene  erkenntniss- 
theoretische Parallele  festhalten;  denn  während  die  mit  anderen  Gebieten 
weit  verzweigte  Sitte  und  das  in  den  socialen  Yerbänden  sich  nieder- 
schlagende Recht  die  mechanische  Seite  darstellen,  finden  wir  die  psychische 
in  der  Moral  oder  in  dem  Gewissen,  demzufolge  Jeder  an  der  Gestaltung 
und  Entwicklung  der  Association,  in  der  er  gerade  lebt,  Theil  nimmt. 
Da  nach  allen  Anzeichen  es  nie  eine  Zeit  gegeben  hat,  wo  der  Mensch, 
und  sei  es  der  verkommenste  Urmensch,  in  streng  isolirtem  Zustande  sein 
Dasein  gefristet  hätte,  da  man  vielmehr  annehmen  muss,  dass  es  sociale 
Verbände  gegeben  hat,  so  lange  der  Mensch  überhaupt  auf  Erden  existirt, 
80  ergiebt  sich  daraus  auch,  dass  die  letzten  Fundamente  der  Sitte  und 
des  Rechts  so  alt  sind,  wie  das  sociale  Leben  der  Menschheit  überhaupt. 
Aber  wenngleich  wir  uns  diesen  Geburtstag  einer  sittlichen  Entwicklung  in 
die  alleräussersten,  nebelhaften  Femen  prähistorischer  Verhältnisse  zurück- 
gelegt denken  mögen,  so  wird  doch  schon  für  ihre  einfachste  und  dürftigste 
Form  jene  Scheidung  des  Mechanischen  und  Psychischen  zu  vollziehen 
sein,  die  wir  eben  berührten.  Auf  der  einen  Seite  steht  der  ganze  Com- 
plex  der  äusseren  Bedingungen,  ohne  die  überhaupt  kein  Geschehen  denk- 
bar ist,  auf  der  anderen  die  in  dem  Gefühle  der  Verpflichtung  gegenüber 
bestimmten  Geboten  und  Verboten  sich  manifestirende  psychische  Seite 
des  Processes.  Und  auch  nach  einer  anderen  Beziehung  lässt  sich  dieser 
Gesichtspunkt  festhalten,  indem  das  Individuum  in  erster  Linie  von  seinen 
physischen,  auf  Selbsterhaltung  gerichteten  Trieben  beherrscht  wird,  anderer- 
seits aber  socialen  Motiven  zu  gehorchen  hat.  So  entsteht  der  für  die 
Ethik  so  wichtige  Gegensatz  von  Egoismus  und  Altruismus,  und  so  erklärt 
es  sich  auch,  wie  Post  meint,  dass  jedes  biologische  Individuum  sich 
einerseits  berechtigt,  andererseits  verpflichtet  fühle:  jenes  nehmlich  in 
seiner  Eigenschaft  als  biologisches  Individuum,  dieses  als  Glied  socialer 
Verbände*).  Dass  alle  weiteren  AflTecte  aber,  die  für  die  Entwicklung 
rechtlicher  und  sittlicher  Vorgänge  maassgebend  sind,  wie  Furcht,  Reue, 
Rachegefühl  u.  s.  w.,  nicht  ohne  jenen  psychischen  Gegensatz  denkbar  sind, 
bedarf  hofTentlich  keiner  weitläufigen  Erörterung.  Die  ganze  Geschichte 
des  Völkerlebens  und  vor  Allem  die  Sittengeschichte  ist  unverständlich 
ohne  diese,  leider  in  der  modernen  Sociologie  häufig  übersehene,  psycho- 
logische Voraussetzung,  wie  sie  schon  zur  Erklärung  der  einfachsten  Hand- 
lung unentbehrlich  ist;  andererseits  ist  es  freilicli  wieder  möglich,  —  und 

1)   YergL  GmndUgeD  des  R<^chts,  S.  8  ff. 


Ethnologie  und  Ethik.  77 

auch  diese  Versuchung  hat  sich,  z.  B.  für  den  modernen  ütilismus,  ver- 
hängnissvoU  erwiesen,  —  den  eigentlichen  Gehalt  der  Gesammtheit,  der 
Gesellschaft  rein  atomistisch  in  die  entsprechende  Zahl  ihrer  Glieder  zu 
verflüchtigen,  wodurch  dann  wieder  eine  gefährliche  Ueberschätzung  der 
Bedeutung  des  Individuums  entstehen  würde.  Doch  die  Betrachtung 
dieser  Probleme,  der  Verwendung  und  Entwicklung  des  socialen  Gedankens 
in  der  neueren  Philosophie  und  anderen  verwandten  Disciplinen  erfordert, 
wie  schon  am  Eingang  bemerkt,  eine  vollständige  Untersuchung. 


Besprechungen. 


Heinrich  Schliemann.  Bericht  über  die  Ausgrabungen  in  Troja  im 
Jahre  1890.  Mit  einem  Vorwort  von  Sophie  Schliemann  und  Beiträgen 
von  Dr.  Wilh.  Dörpfeld.  Leipzig,  P.  A.  Brockhaus,  1891.  8.  60  8. 
mit  1  Plan,  2  Tafeln  und  5  Text -Abbildungen. 

Die  kleine  Schrift  war  in  allen  ihren  Theilen  ausgearbeitet,  als  der  Tod  den  an- 
ermüdlichen  Arbeiter  erreichte.  Der  von  Schliemann  selbst  verfasste  Abschnitt  war 
sogar  schon  gedruckt  und  corrigirt;  er  ist  vollständig  authentisch.  Er  giebt  eine  kune 
Darstellung  der  beiden  Conferenzen,  welche  auf  Hissarlik  stattgefunden  haben:  der  vom 
December  18S9  und  der  vom  März  1890:  die  Schlussprotokolle  derselben  sind  schon  seit 
längerer  Zeit  bekannt.  Sodann  folgt  eine  gedrängte  Schilderung  der  Ergebnisse,  welche 
die  vom  1.  März  bis  zum  1.  August  fortgeführten,  grossartigen  Ausgrabungen  geliefert 
haben.  Diese  Ausgrabungen  betrafen  hauptsächlich  die  „zweite  Stadt^,  deren  Mauern  und 
äussere  Abschnitte  nach  Nordwesten,  Süden  und  Nordosten  hin  noch  nicht  vollständig 
aufgedeckt  waren,  sowie  die  schichtweise  Abtragung  der  mächtigen  Schnttreste,  welche 
über  die  Grenzen  der  „zweiten  Stadt''  hinaus,  vorzugsweise  nach  Westen,  noch  in  dem 
ursprünglichen  Zustande  liegen  geblieben,  zum  Theil  durch  Ueberschüttungen  mit  dem 
Abraum  der  zweiten  Stadt  bei  den  früheren  Ausgrabungen  erhöht  worden  waren.  Daran 
schlössen  sich  weitläuftige  Trancheen  längs  des  Fusses  des  Hügels,  besonders  an  der 
Südwestseite.  Durch  die  weitere  Aufdeckung  der  „zweiten  Stadt"  gewann  Schliemann 
die  Ueberzeugung,  dass  innerhalb  dieser  „Stadt"  drei  verschiedene,  nach  und  über  einander 
errichtete  Ansiedelungen  zu  unterscheiden  seien,  bei  deren  Errichtung  die  Stadtmauer 
mehrfach  verändert  und  frühere  Thore  überbaut  und  durch  neue  ersetzt  worden  sind.  An 
die  Stelle  des  einen  Thores,  welches  bei  den  ersten  Ausgrabungen  freigelegt  war,  sind  so 
allmählich  5  Thore  getreten,  von  denen  freilich  das  eine  noch  nicht  aufgefunden,  sondern 
nur  durch  die  Richtung  eines  grossen,  ansteigenden  Zuganges  angezeigt  ist.  Aus  den 
4  oberen  Schichten  beschreibt  Schliemann  eingehend  die  aufgefundenen  Topfwaaren, 
insbesondere  die  von  ihm  als  importirt  betrachteten  archaisch -griechischen  Gef&sse,  unter 
denen  in  grösserer  Tiefe  auch  solche  vom  Mjkenae-Stjl  zahlreich  gefunden  wurden^ 
letztere  jedoch  gemischt  mit  einer  monochromen  grauen,  gelben  oder  schwarzen  Topf- 
waare,  die  er  für  einheimisches  Produkt  nimmt,  und  mit  Werkzeugen  ans  geschliffenem 
Stein.  In  der  zweiten  Stadt  kamen  unter  Anderem  zwei  Eisenklumpen  zu  Tage,  von  denen 
der  eine  noch  ziemlich  gut  erhalten  war  und  ein  viereckiges  Loch  zeigte;  sie  galten 
Schliemann  als  ausreichender  Beweis,  dass,  entgegen  seiner  früheren  Ansicht,  Eisen 
schon  damals  bekannt,  wenngleich  noch  sehr  selten,  war.  Er  nimmt  (S.  21)  bei  dieser 
Gelegenheit  auch  ausdrücklich  seine  frühere  Ansicht  zurück,  dass  der  rothe  oder  gelbe 
Ziegelschutt  „Holzasche*  gewesen  sei.  Zwischen  der  Topfwaare  der  untersten  Cnltar- 
Schicht  der  „zweiten  Stadt"  und  der  der  „ersten"  findet  er  mancherlei  Analogien.  In 
gleicher  Weise  erklärt  er  Alles,  was  früher  auf  Todtencultus  und  Reste  desselben  in  der 
„zweiten  Stadt"  bezogen  war,  für  irrthümlich.  „Nie  ist  in  der  Peigamos  ein  Grab 
gefunden**  v^*  ^)*  ^  In  einem  zweiten  Abschnitt  folgt  eine  Reihe  von  Angaben  über  die 
aufgefundenen  Inschriften  Obenan  steht  ein  Thonwirtel  mit  Einritzungen,  welche  Herr 
Sayce  für  cjprisch  erklärte;  derselbe  wurde  in  der  Schicht  mit  den  mykenischen  Gefässen, 
der  sechsten  von  unten,  entdeckt.  Die  übrigen  Inschriften  sind  griechische,  meist  ans  der 
Kaiseneii,  darunter  namentlich  eine  Marmorplatte  mit  einer  langen  Aufzählung  männlicher 
und  weiblicher  Namen,  wie  Schliemann  vermuthet  von  sämmtlichen  lebenden  Bürgern 
der  Stadt  aus  hellenistischer  Zeit. 

Hr.  Dörpfeld  giebt  schliesslich  in  einem  grösseren  Abschnitt  eine  Uebersicht  der 
Bauwerke.  Er  erörtert  dabei  auch  die  kleine  Aufdeckung  der  ersten  oder  tiefsten  Schiebt, 
wobei  er  sich  der  Ansicht  des  Referenten  anschbesst  (S.  40),  dass  es  sich  bei  diesen  Bao 


Besprechungen.  79 

werken  «Dor  am  meDschliche  Wohnplätze  handeln  kann*^.  Yod  besonderem  Interesse  sind 
die,  ans  so  bemfenem  Munde  doppelt  werthToUen  Angaben  über  die  Mauern,  Thürme  und 
Thore  der  zweiten  Stadt,  sowie  über  die  grossen  Gebäude  im  Innern  der  Pergamos  (S.  51), 
deren  Analogie  mit  den  Anlagen  in  Tiryns  bestimmt  nachgewiesen  wird.  Ein  höchst 
übersichtlicher  Stadtplan  erläutert  in  anschaulicher  Weise  die  sehr  verwickelten  Bau- 
▼erhSltnisse. 

Die  grössere  Ausarbeitung,  welche  „nach  Beendigung  der  Ausgrabungen'*,  die  er  für 
dieses  Jahr  in  Aussicht  genommen  hatte,  von  Schliemann  beabsichtigt  war  (S.  11),  wird 
vermuthlich  durch  seinen  erfahrenen  und  nach  allen  Birhtungen  auf  das  Trefflichste 
unterrichteten  Mitarbeiter  geliefert  werden.  Jedenfalls  dürfen  wir  erwarten,  dass  das 
grosse  Werk  im  Sinne  des  Verblichenen  vollständig  zu  Ende  geführt  werden  wird.  Denn 
Prau  Sophie  Schliemann  erklärt  in  dem  Vorworte  zu  der  vorliegenden  Schrift  in  ihrer 
einfachen  und  hochherzigen  Weise:  „Nunmehr  betrachte  ich  es  künftig  als  ein  heiliges 
Vermächtniss,  die  Ausgrabungen  auf  Hissarlik  im  Sinne  meines  Mannes  zum  Abschluss 
tu  bringen.*'  Ehre  der  trefflichen  Frau  und  ein  herzliches  „Glück  aaf^  zu  dem  immer 
noch  riesig  grossen  Werke!  Rud.  Virchow. 


Daniel  C.  Brinton.    A.  M.,  M.  D.  Races  and  peoples.    New  York,  N.  D.  C. 

Hodges,  1890.    Kl.  8.   313  p.  with  8  illustrations,  9  schemes  and  6  maps.  — 

The  American  Race :  A  linguistie  Classification  and  ethnographic  description 

of  the  native  tribes  of  North  and  South  America.     New  York,  N.  D.  C. 

Hodges,  1891.     8.     392  p. 

Der  gelehrte  Verfasser,  dessen  bahnbrechende  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  ver- 
gleichenden Linguistik,  namentlich  der  amerikanischen,  seit  einer  Beihe  von  Jahren  die 
Aufmerksamkeit  aller  Forscher  auf  ihn  gezogen  haben,  giebt  in  den  vorliegenden  beiden 
Werken  eine  höchst  anschauliche  Uebersicht  seiner  Ergebnisse  In  grossen  Zügen  und 
mit  einer  seltenen  Entschlossenheit  schildert  er  zunächst  die  Entwickelungsgeschichte  der 
Menschheit  und  ihrer  hauptsächlichen  Zweige,  nicht  bloss  an  der  Hand  der  Linguistik, 
sondern  unter  steter  Zuhülfenahme  der  Anthropologie  und  der  ethnischen  Psychologie, 
um  dann  das  ihm  zunächst  liegende  Gebiet  der  amerikanischen  Rassen  in  einer  ganz 
neuen  Ordnung  vorzuführen.  Seine  Anschauung  ruht  auf  dem  Boden  der  Descendenz- 
theorie,  aber  sie  ist,  gegenüber  dem  praktischen  Zweck  seiner  Aufgabe,  in  ihrer  weiteren 
Ausgestaltung  gänzlich  losgelöst  von  traditionellen  Schemata.  Er  leugnet  für  America 
ebenso  bestimmt  die  Annahme  einer  Aulochthonie  des  dortigen  Menschen,  wie  die  Ein- 
wanderung von  Asien.  Nach  seiner  Auffassung  ist  der  Mensch  in  jener  uralten  Zeit, 
wo  noch  eine  Landverbindung  zwischen  Nordamerica  und  Europa  über  Grönland  und 
Island  existirte,  von  Europa  aas  eingewandert  (American  Race  p.  31).  Diese  Zeit  würde 
der  Periode  des  Eocäns,  wahrscheinlich  auch  noch  des  Miocäns  und  Pliocäns  entsprechen, 
und  da  er  die  Existenz  des  Menschen  in  Westeuropa  zur  Zeit  des  Pliocäns  als  gesichert 
annimmt,  so  ist  für  ihn  kein  Hindemiss  vorhanden,  die  Möglichkeit  der  üeberwanderung 
auszusprechen.  Was  Europa  angeht,  so  setzt  er  den  ^Geburtsort  der  Species*'  dahin,  wo 
der  am  meisten  menschenähnliche  Affe,  der  Dryopithecus,  gefunden  ist,  also  in  den  Westen, 
freilich  zu  einer  Zeit,  wo  die  Erdoberfläche  von  der  gegenwärtigen  noch  sehr  verschieden 
war,  wo  das  Sahara -Meer  Nordafrica  noch  von  Centralafrica  trennte,  wo  das  Mittelmeer 
noch  nicht  existirte  und  Nordafrica  noch  in  vollem  Zusammenhange  mit  Südeuropa  war 
(Baces  and  peoples  p.  82).  Damals  war  der  Mensch  in  allen  seinen  Besonderheiten  noch 
einheitlich.  Pie  Trennung  in  Rassen  begann  zwischen  dem  Schlüsse  der  Eiszeit  und  der 
protohistorischen  Periode.  Aber  der  Mensch  war  nach  B.  auch  schon  vorher,  sowohl 
nördlich  von  dem  Sahara -Meer  in  Eurafrica  (Europa  -i-  Nordafrica),  als  in  Austafrica  ^Süd- 
aMca)  vorhanden.  Die  Ansicht  des  Verfassers  von  der  Entstehung  der  schwarzen  Rasse  findet 
Referent  nirgends  mit  Deutlichkeit  ausgesprochen;  obwohl  in  der  geschichtlichen  Zeit, 
so  alt  sie  auch  gerade  für  Africa  ist,  nach  seiner  Auffassung  der  AustaMcaner  stets 
ein  Schwarzer  war,  so  sagt  er  doch  weder,  dass  auch  der  Eurafricaner  schwarz  war,  noch 


80  Besprechungen. 

dass  der  Enrafricaner  jeinalä  nach  Austafrica  eingewandert  and  dort  schwarz  geworden 
sei.  Das  System  ist  in  dieser  Richtung  noch  ebenso  wenig  aasgebant,  wie  in  Beziehung 
auf  die  gelbe  Rasse.  Immerhin  kann  man  anerkennen,  dass,  unter  Zugeständniss  seiner 
ITiese,  wonach  der  americanische  Mensch  zuerst  am  Schlüsse  der  ersten  Eiszeit  erschienen 
sei,  —  die  ältesten  bearbeiteten  Steine  sollen  in  dem  (?olumbian  gravel  entdeckt  sein,  — 
die  Hypothese  von  der  Einwanderung  desselben  aus  Europa  discutabel  ist  Einmal  ein- 
gewandert, habe  er  dann  in  der  nördlichen  gemässigten  Zone  seinen  specifischen  Rassen- 
Charakter  entwickelt,  genauer  in  dem  Gebiete  östlich  von  den  Rocky  Mountains  und 
zwischen  der  Grenze  des  zurückweichenden  Eises  und  dem  Golf  von  Mexico  (American 
Race  p.  35). 

Zweifellos  ist  das  Bild,  welches  so  gewonnen  wird,  ein  sehr  verschwommenes  und 
lückenhaftes.  Die  Phantasie  hat  bei  seiner  Ausmalung  mehr  Einfluss,  als  die  Kenntniss 
der  Thatsachen.  Trotzdem  hat  das  Bild  den  Vorzug,  dass  es  gewisse  Hauptfragen  schärfer 
hervortreten  lässt,  und  dass  es  dadurch  zu  erneuter  Forschung  einen  verstärkten  Anreiz 
bietet.  Auch  muss  es  dem  Verfasser  zum  Lobe  angerechnet  werden,  dass  er  diese  synthe- 
tische Methode  in  den  Hintergrund  treten  lässt,  sobald  er  sich  zu  den  einzelnen  Stämmen 
wendet.  Nicht  etwa,  dass  es  ihm  hier  an  der  gleichen  Kühnheit  fehlt,  aber  seine  analytischen 
Gewohnheiten  treten  hier  um  so  stärker  in  ihr  Recht,  als  die  Gegenstände  der  Erörterung 
ihm  näher  liegen.  Das  gilt  vorzugsweise  von  den  americanischen  Stämmen,  welche  er  in 
ganz  selbständiger  und  znm  Theil  überraschender  Weise  ordnet.  Seine  Klassifikation  ist 
in  erster  Linie  eine  topographische :  er  unterscheidet  5  Gruppen,  eine  nordatlantische  und 
eine  nordpacifische.  eine  centrale,  eine  südpacifische  und  eine  südatlantische.  Aber  inner- 
halb derselben  ist  er  vorzugsweise  Linguist,  wobei  wiederholt  seine  Anerkennung  für 
unseren  Landsmann  Buschmann  in  entscheidender  Weise  hervortritt  So  lässt  er  die 
athabasb'sche  Familie  vom  Eismeer  bis  zu  der  Küste  von  Durango  in  Mexico  und  von 
der  Hudson -Bay  bis  zum  stillen  Ocean  sich  ausbreiten;  dazu  gehören  die  Apachen  und 
die  Navajos  ebenso,  wie  die  Sarcees,  die  Kenai,  die  Kuchin  und  die  Loucheux.  Zu  den 
Uto- Aztekischen  Stämmen  rechnet  er  nicht  bloss  die  Nahuas  oder  Azteken  im  Süden, 
sondern  auch  die  Utes,  die  Shoshones  und  Comanches  im  Norden. 

Eine  weitere  Darlegung  von  Einzelheiten  ist  an  dieser  Stelle  ausgeschlossen.  Aber 
das  muss  doch  noch  besonders  hervorgehoben  werden,  dass  der  Verfasser  eine  so  um- 
fassende und  genaue  Kenntniss  der  Literatur,  eine  solche  Meisterschaft  in  der  Darstellung 
der  historischen  Ereignisse  und  der  socialen  Einrichtungen  der  einzelnen  Stämme  zeigt, 
dass  sein  Buch  auf  lange  Zeit  als  ein  unerreichtes  Muster  und  als  ein  Quellenwerk  ersten 
Ranges  dastehen  wird.  Möge  es  ihm  gestattet  sein,  noch  lange  Zeit  an  der  Vervoll- 
ständig'ung  und  Klärung  des  gewaltigen  Materials  zu  arbeiten.  Rud.  Virchow. 


E.  Handtmann.    Was  auf  deutscher  Haide  spriesst.    Märkische  Pflanzen- 
Legenden   und  Pflanzen -Symbolik.     Berlin.     12.     184  Seiten. 

Eine  originelle  Botanik  ist  es,  welche  der  Verfasser  uns  vorführt.  Wir  lernen 
diejenigen  Bäume.  Sträucher  und  kleineren  Gewächse  kennen,  welche  dem  Märker  <iie 
volksthümlichsten  sind,  und  wir  erfahren  manches  interessante  Stückchen  Volksraedicin 
und  Volksaberglaubeii,  das  mit  ihnen  zusammenhängt  Allerdings  können  wir  uns  auch 
an  schlagenden  Bei  |»i«'len  ütiorzt^ugen,  wie  jungen  Datums  solche  L**gendenbildungen  sein 
können,  und  wie  der  Volksglaube  fort  und  fort  beflissen  ist,  neue  „Mähren*  zu  bilden 
und  auszusinnen.  Das  triflTt  lusonders  bei  dem  Schiefblatt  zu  und  auch  bei  den  auf  di«» 
letzten  grossen  Kriej^^e  in  Deutschland  bezüglichen  Erzählungen.  Nicht  Weniges  von  dieser 
Symbolik  und  diesen  Legt»nden  macht  ganz  unverkennbar  den  Eindruck,  dass  es  von 
Pastoren-  oder  Priestermund  dem  Volke  eingeimpft  worden  ist,  und  manche  poetische 
Redewendung  des  Verfassers  wird  ohne  Zweifel  dazu  beitragen,  auf  diesem  Wege  fort- 
zeugend zu  wirken.  Man  wird  dem  angenehm  geschriebenen  Büchlein  aber  bereitwillig 
ein  Plätzchen  in  dem  Bficlier^rbranke  gönnen.  Max  Bartels, 


• 


V. 

Barbarische  und  griechische  Spiegel 


von 


Dr.  KARL  SOHUMAOHER, 

Assistenten  an  den  Grossherzogl.  Samminngen  in  Karlsruhe. 


Im  Jahre  1865  stiess  in  der  Nähe  des  etwa  6  Stunden  yon  Heidelberg 
im  Elsenzthal  gelegenen  Dorfes  Dühren  ein  Bauer  beim  Pflügen  auf  ein 
Grab,  das  nach  der  Beichhaltigkeit  der  Beigaben  unter  den  gleichzeitigen 
Oräbem  besondere  Beachtung  verdient.  Es  enthielt  ausser  einem  Skelet 
Geräthe  und  Schmuck  aus  Gold,  Silber,  Bronze,  Eisen,  Hom,  Koralle, 
Bernstein,  Gagat,  Stein,  Thon,  Glas  und  Schmelz.  Leider  fand  keine  sach- 
gemässe  Ausgrabung  statt,  so  dass  die  Fundverhältnisse  nicht  festgestellt, 
das  Skelet  und  die  zahlreichen  Thongefässe  zerschlagen,  die  Gegenstände 
von  Eisen  grösstentheils  als  werthlos  weggeworfen  wurden.  Das  Gerettete 
befindet  sich  jetzt  in  der  Grossherzogl.  Alterthümersammlung  in  Karlsruhe  ^). 

üeber  die  Zeit  des  Grabes  lassen  die  erhaltenen  Funde  keinen  Zweifel. 
Vor  Allem  sind  es  7  Fibeln:  2  reizende  silberne,  1  mit  Korallen  besetzte 
ans  Eisen,  die  übrigen  von  Bronze,  welche,  wenn  auch  in  Einzelheiten 
verschieden,  doch  sämmtlich  den  reinen  Mittel -La  Teno -Typus  zeigen,  — 
jene  etwa  dem  3.  und  2.  Jahrhundert  v.  Chr.  angehörige  Phase  der  gallischen 
Cultur.  Bei  allen  liegt  das  Schlussstück  auf  dem  Bügel  auf,  ohne  indessen' 
mit  diesem  zusammengewachsen  zu  sein.  Auf  dieselbe  Zeit  weisen  auch  eine 
Anzahl  von  Glasringen,  sowie  Form  und  Styl  mehrerer  Geräthe  und  Gefässe, 
unter  welchen  namentlich  eine  Pfanne  und  ein  Kännchen  von  Bronze  mit 
figürlichem  Schmuck  hervorzuheben  sind.  Eine  gallische  Silbermünze,  die 
mit  ziemlicher  Wahrscheinlichkeit  dem  Volksstamme  der  Volcae  Tectosages 
zugetheilt  werden  kann  (vergl.  Caesar  de  belle  Gall.,  VT.  24),  bestätigt  in 
gevrtinschter  Weise  jenes  Besultat. 

Unter  den  Grabesbeigaben  ist  ein  auffallender  Gegensatz  bemerkbar. 
Einerseits  finden  wir  Gegenstände  wie  eine  Lanzenspitze  aus  Bronze,  —  unter 
den  verschleuderten  Sachen  aus  Eisen  sollen  „Säbel^  gewesen  sein,  also  ofTen- 
bar  Ausrüstungsstücke  eines  Männergrabes;  andererseits  scheinen  aber  Haar- 

1)  Ich  habe  diesen  Fund  aosfnhrlicher  in  der  Zeitschr.  für  Geschichte  des  Oberrheins, 
N.  F.,  Bd.  V.  S.  409 — 424  (verg^.  Taf.  III)  behandelt.  Einzelne  Gegenstände  waren  durch 
Lindenscbmit,  Alterth.  heidn.  Vorzeit;  £.  Wagner,  Katalog  der  Berliner  prähistor. 
Ansgtellung  1880,  S.  21,  Nr.  125;  0.  Tischler,  Westd.  Zeitschr.  V.  (1886)  S.  197,  bekannt 

Z«itoe]i7ifi  für  EUmologi«.    Jahrg.  1891.  7 


J 


82 


Karl  Schumaohbr: 


nadeln  aus  Bein  und  zwei  Spiegel  für  eine  Prauenbestattung  zu  sprechen*). 
Noch  verwickelter  macht  es  die  Sachlage,  dass  die  erwähnte,  nach  Aus- 
sagen von  Augenzeugen  sicher  mit  den  anderen  Gegenständen  gefundene 
bronzene  Lanzenspitze  nach  ihrer  Form  zweifelsohne  aus  der  sogenannten 
Bronze-  oder  Hallstattperiode  stammt.  Für  die  Erklärung  dieser  Erschei- 
nung stehen  verschiedene  Wege  offen.  Wer  zum  Systematisiren  neigt, 
wird  sagen:  da  von  den  Eisenwaffen  nichts  erhalten  oder  durch  wirkliche 
Sachverständige  bezeugt  ist,  die  Lanzenspitze  aber  weit  älterer  Zeit,  als 
der  übrige  Grabfund  angehört,  dürfen  wir  diese  ruhig  als  nicht  zugehörig 
ausscheiden.  Das  übrig  bleibende  Grabinventar  ist  dann  aus  den  vielfach 
gefundenen  gallischen  Frauengräbem  geläufig.  Andere  Forscher  dagegen 
werden  vielleicht,  nach  einer  in  letzter  Zeit  bei  ähnlichen  Gräbern  gemachten 
Beobachtung  (Bull,  di  pal.  Ital.,  Xu.  p.  255),  die  Gegenstände  weiblicher 
Toilette  als  letzte  Liebesgaben  der  Frau  für  den  Verstorbenen  betrachten. 
Unmöglich  wäre  auch  nicht  die  Annahme  zweier  Bestattungen,  einer  männ- 
lichen und  einer  weiblichen,  wenn  man  ungleiche  Erhaltung  der  Skelette 
oder  schlechte  Beobachtung  der  grabenden  Bauern  voraussetzt.  Diese 
Zweifel  wären  gehoben,  wäre  rechtzeitig  ein  Sachverständiger  zur  Aus- 
grabung beigezogen  worden. 

Heute  wollen  wir  uns  nur  mit  einem,  in  diesem  Grabe  gefundenen 
Spiegel  näher  beschäftigen.  Wir  hoffen  dadurch  einige  neue  Momente  für 
die  eben  angedeutete  Frage,  sowie  einige  allgemeinere  Gesichtspunkte  für 
die  Ableitung  von  La  Tfene -Formen  zu  erhalten,  die  man  vielfach  noch 
zu  ausschliesslich  an  etruskische  Kunst  anknüpft. 

Das  in  Rede  stehende^  durch  beigefügte  Fig.  1 
veranschaulichte  Geräth  besteht  aus  einer  runden, 
flach  gewölbten,  polirten  Scheibe  von  14,2  cm  Durch- 
messer und  nur  etwa  0,1  ci»  Dicke  mit  einem  9,6  cm 
langen  und  2,3 — 2,8  cm  breiten  Griff,  beide  aus 
einem  Stück.  Auf  der  (nichtpolirten)  Innenseite  ist 
der  Rand  an  Scheibe  und  Griff  ein  wenig  auf- 
geworfen, auf  der  Aussenseite  von  einer  Rinne  be- 
gleitet. Die  Mitte  der  Aussenseite  des  Griffes  ist 
durch  einen  Grabt  bezeichnet,  dem  auf  der  Innen- 
seite eine  Rinne  entspricht,  so  dass  der  Griff  leicht 
dachförmig  erscheint.  Nahe  dem  unteren  Rande 
(bis  U  cm)  ist  der  Grabt  nachträglich  entfernt; 
auch  sind  hier  Löthspuren  zu  bemerken.  Der  Griff 
scheint  ursprünglich  länger  gewesen  zu  sein,  doch 
wurde  die  Bruchflächo  wieder  geglättet.  —  Auf  den  ersten  Blick  möchte 
man    das  Geräth  eher  für  eine  Art  flache  Patera  halten,    doch  spricht  die 

1)   Verschiedeu  artige  Ringe  (such  Glasringe)  und  Fibebi  finden  sich  bei  weiblichen, 
wie  männlichen  Begtattungen  in  gaUischen  Grftbern. 


Fig.l. 


Barbarische  und  griechische  Spiegel. 


83 


Politur  deutlich  für  die  Yerwendung  als  Spiegel.  Dieses  wird  durch 
die  Betrachtung  einiger  ähnlicher  Exemplare  bestätigt. 

Als  ich  in  der  Zeitschrift  für  Geschichte  des  Oberrheins,  Y.  S.  416  f. 
diesen  Spiegel  kurz  besprach,  hob  ich  bereits  hervor,  dass  er  ausserhalb 
Italiens  entstanden  sein  müsse.  Ein  Blick  in  das  bekannte  Werk  yon 
Gerhard  über  die  etruskischen  Spiegel  genügt,  um  die  abweichende  Form 
unseres  Spiegels  erkennen  zu  lassen.  Am  meisten  charakteristisch  ist 
für  ihn  der  breite  Griff.  Derartige  Spiegel  sind  nie  in  Italien  gefunden 
worden,  was  auch  Furtwängler  und  Körte  bestätigen  in  einem  Aufsatz, 
auf  den  wir  später  noch  zu  reden  kommen.  Auch  in  den  gallischen 
Gräbern  Oberitaliens  hat  man  meines  Wissens  bis  jetzt  diese  Form  noch 
nicht  angetroffen,  sondern  immer  nur  die  bekannte  etruskische  *).  Es 
bleibt  daher  nur  die  Annahme  griechischer  Entstehung  oder  besonderer 
gallischer  Weiterbildung. 

Und  wir  sind  thatsächlich  in  der  Lage,  die  Entwickelungsgeschichte 
dieses  Spiegeltypus  in  jener  Richtung,  wenn  auch  nur  in  grösseren  Zügen, 
zu  verfolgen. 

Zunächst  beschäftigt  uns  der  in  dieser  Zeitschrift,  Bd.  XV  (1883), 
8.  172,  Taf.  in.  14,  publicirte  Gegenstand  aus  einem  Grabhügel  bei 
Stawropol  im  Kaukasus  (Fig.  2):    „Instrument  aus  ganz  dünnem  Kupfer, 


Fig.  3. 


Fig.  2. 


wie  aus  Blech  .  .  .  Bings  herum  ist  der  Rand  des  Kreises  (auf  einer 
Seite)  etwas,  aber  kaum  merklich  in  die  Höhe  gebogen.  Das  Ganze 
macht    den  Eindruck   eines  Geschirrs^    um    etwas    darauf  zu   präsentiren, 


1)  Yergl.  Atti  e  Memorie  della  R.  Dep.  di  storia  patria  per  lo  provincie  d.  Bomagna 
1887,  T.  V,  41,  42  (Brizio),   und   Bull,  di  pal.  Ital,  Xn.  p.  249,  n.  16    (Castelfraneo). 


84  Karl  SOHDHAcnER: 

oder  den  eines  Handapiegels;  nur  iat,  waa  aach  zofSllig  sein  kann,  eine 
kaum  merkliche  concave  Wölbung  der  Fläche  auf  deijenigen  Seite  za 
bemerken,  auf  der  sich  die  Zeichnung  nicht  befindet,  was  für  die  erste 
Aunabme  sprechen  dürfte."  Die  Uebereinstimmung  mit  unserem  Oeräth 
von  Dflhren  ist  so  gross,  dase  wir  offenbar  die  gleiche  Verwendung  und 
Herleitung  annehmen  müBsen.  Das  Exemplar  aus  dem  Kaukasus  zeigt 
allerdings  am  unteren  Ende  des  Griffes  noch  eine  halbrunde  Ausladung, 
die  an  dem  von  Dühren  fehlt,  aber  nach  dem,  was  wir  oben  bemerkt 
haben,  auch  hier  ganz  wohl  vorhanden  gewesen  sein  kann.  Die  Zeit 
jenes  Grabhügels  ist  durch  eine  mitgefundene  Thierfigur  lokalen  bar- 
barisirenden  Styls,  ganz  nach  Art  der  La  Tfene-Figuren  (Taf.  HI,  6),  sowie 
einige  Waffenstücke  einigermaassen  bestimmt'). 

An   die  Gestade   des   Schwarzen  Meeres  führen  uns  zwei  weitere, 
sogleich  zu   besprechende  Exemplare.    In   einem  Frauengrab  von  Tcher- 


Fig.  6. 


tomlyk  bei  Micopol  wurde   nach    Rccueil   d'antiqnites  de  la  Scythie,  U. 
(1873)  p.  108   ein  Spiegel  (Fig.  4)   gefunden   (npres  de  la  main  droite  an 

1)  EJDe  Weitercntwickelnng  dieser  Spiegellomi  kenDsn  wir  ebenfallB  na  dem  Kaa- 
kasns  (vergl.  Zeitschr.  f.  Ethnol.  IhitO,  Verh.  S.  466,  Fig.  72);  Scheibe  und  Griff  hkbeo 
schon  rinige  Vcrttndcrungrn  erfahren,  und  der  Ictitere  ist  Id  der  Uitte  durchbohrt 
(Rg.  8).  Vcrgl.  auch  ebenda  S.  4G5,  wo  Virchow  anf  die  Wichtigkeit  dieses  Oerfithes  für 
Destimmimg  der  Zeit-  und  Hand elsbe Ziehungen  der  kaokasisehen  Cultur  hinweisL  —  Unter 
den  kaukasischen  Spiegeln  fioden  sich  hSoSg  einfache,  runde  Scheilien  mit  einem  in  der 
Hitze  hergeBtellten  Uebenng,  der  wie  Silber  oder  Weissmctall  aussieht  (ve^l,  Zeitschr. 
f.  Ethnol.  18<.<0,  S.  440  f.  and  462).  Ein  ganz  ähnlicher  wurde  auch  in  jenem  Grabe  Ton 
Dühren  gefunden,  doch  wnrde  der  Ueberiug  noch  nicht  chemisch  untersucht  (vergl. 
Zeitschr.  t  Gesch.  d.  Oberrheins.  V.  8.  41T,  Schumacher,  Beschreibung  der  Sammlung 
antiker  Bronzen  in  Karltmhe,  Nr.  24<>). 


Barbarische  und  griechische  Spiegel.  §5 

miroir  de  bronze  avec  un  manche  d'os"),  dessen  Form  (Vignette  p.  123 
genannten  Werkes)  ihn  trotz  des  anderen  Materials  des  Griffes  in  unseren 
Zusammenhang  stellt.  Ein  Goldplättchen  desselben  Grabes  (Atlas  T.  XXX, 
16,  vergl.  p.  107,  auch  Antiquites  du  Bosphore  Cimm^rien,  PI.  XX,  11) 
zeigt  einen  solchen  Spiegel  in  der  linken  Hand  einer  sitzenden  Frau,  wäh- 
rend ein  junger,  vor  ihr  stehender  Skythe  ein  Rhyton  leert.  —  Wichtiger 
noch  ist  ein  ebenfalls  aus  einem  südrussischen  Grabe  (Kul-Oba)  stammender 
Spiegel  (Fig.  5),  der  in  den  Antiquites  du  Bosphore  Cimmerien,  T.  XXXI,  7 
abgebildet  ist.  Stephani  sagt  im  Text  p.  215,  dass  der  Spiegel  aus  zwei, 
ursprünglich  nicht  zusammengehörigen  Theilen  bestände,  indem  auf  einen 
älteren  (griechischen)  Spiegel  von  vergoldeter  Bronze  der  breite  Grriff  aus 
Goldblech  aufgenietet  worden  sei.  Die  Verwandtschaft  dieses  Griffes  mit 
demjenigen  des  Exemplars  aus  dem  Kaukasus  ist  ohne  weiteres  klar. 
Die  in  Relief  dargestellten  Thiere  zeigen  einheimische,  aber  auf  griechische 
Vorbilder  zurückgehende  Arbeitsweise,  wohl  des  4.  Jahrh.  v.  Chr.  (vergl. 
z.  B.  die  Thierdarstellungen  der  Schwertgriffe  in  Ant.  de  la  Scythie, 
T.  XL,  9,  12,  14,  auch  Furtwängler,  Der  Goldfund  von  Vettersfelde, 
8.  46).  Ein  Vergleich  des  im  unteren  Rund  dargestellten  Thieres  mit  der 
oben  erwähnten,  zugleich  mit  dem  Spiegel  aus  dem  Kaukasus  gefundenen 
Thierfigur  könnte  auf  den  Gedanken  bringen,  dass  diese  ursprünglich 
ebenfalls  auf  dem  Griffrund  befestigt  war.  Wie  weit  Grössenverhältnisse 
und  die  auf  der  Rückseite  dieser  Figur  befindliche  Oehse  dafür  sprechen, 
kann  ich  ohne  nähere  Kenntniss  des  Originals  nicht  beurtheilen.  Dass 
aber  derartige  Verzierungen  auf  solchen  Spiegelgriffen  nicht  nur  in  Relief 
getrieben,  sondern  auch  selbständig  gearbeitet  und  aufgenietet  vorkommen, 
werden  wir  noch  sehen*). 

Die  Culturgeschichte  der  Gegenden,  in  welchen  wir  bis  jetzt  unserer 
Spiegelform  begegnet  sind,  wie  auch  die  Verzierungsweise  der  Spiegel 
selbst  (das  Flechtband  und  die  Thierdarstellungen)  weisen  darauf  hin, 
dass  wir  keine  lokalen  Erfindungen  vor  uns  haben,  sondern  die  Entstehung 
dieses  Tjrpus  an  einem  anderen  Orte  suchen  müssen. 

Furtwängler  hat  in  den  Ernst  Curtius  gewidmeten  historischen 
und  philologischen  Aufsätzen  (Berlin  1884)  S.  181  f.  erstmals  einen  Spiegel 

1)  Bei  Gerhard,  Etrosk.  Spiegel,  Taf.  CDIX,  8,  ist  ein  Spiegel  unbekannter  Herkunft 
publicirt,  der  durch  die  Form  der  Scheibe,  die  Breite  des  Griffes,  sowie  den  Styl  der 
GraTirungen  von  den  anderen  italischen  abweicht  Gerhard,  dem  offenbar  auch  ein 
Unterschied  auffiel,  hielt  ihn  eher  für  romisch,  als  für  etruskisch.  Mir  scheint  letztere 
Yermnthnng  nach  Form  des  Spiegels  und  Charakter  der  Zeichnung  abzuweisen.  Die 
Form  stellt  ihn  in  den  von  uns  behandelten  Zusammenhang;  der  Styl  der  Zeichnung, 
die  Tracht  u.  a.  finden  eher  ihre  Analogien  z.  B.  in  den  GraTirungen  der  bekannten  Hall- 
statter  La  Tene-Scheide  (Lindenschmit,  Alterth.  heidn.  Yorz.,  IV.  H.  VI,  Taf.  32; 
▼on  Hey  den,  Zeitschr.  f.  Ethn.  1890,  Verb.  S.  50),  die  sicher  nicht  etruskisch  ist,  sondern 
ihre  Entstehung  wahrscheinlich  in  den  östlichen  Alpenländem  selbst  hat.  —  Die  Form 
einea  bei  Gdrz  gefundenen  Spiegels  ist  mir  nach  der  Skizze  im  Bull,  di  pal.  Ital.,  III. 
Tay.  VI,  10,  nicht  «ganz  ersichtlich. 


86 


Karl  Sohumachee: 


Fig.  6. 


von  der  Form  nebenstehender  Fig.  6  bekannt  gemacht 
(ans  der  Sammlung  A.  Castellani).  Fnrtwängler 
hält  dieselbe  mit  Recht  für  eine  spezifisch  griechische, 
da  solche  Spiegel  nie  in  Italien  gefunden  seien,  und 
erwähnt  als  Bestätigung  zwei  weitere,  aus  Korinth 
und  Naupaktos  stammende  des  Berliner  Museums. 
Griff  und  Scheibe  bestehen  aus  einem  Stück;  bei 
dem  Exemplare  aus  Naupaktos  hat  der  Grriff  unten 
noch  eine  (allerdings  verbogene)  Spitze,  die  an  dem 
der  Sammlung  Castellani  abgebrochen  ist  Auf 
dem  vom  Griff  zum  Spiegelrund  überleitenden  Yiereck 
des  Castellani'schen  Spiegels  ist  ein  sehr  dünnes 
Bronzoblech  mit  einer  Beliefdarstellnng  (Hektor's 
Lösung)  durch  Blei  festgelöthet.  Auch  der  Griff  war 
ursprünglich  mit  solchen  Reliefplättchen  geschmückt, 
wie  Bleispuren  auf  demselben  und  die  auf  dieser 
Seite  des  Griffes  emporstehenden  Ränder  beweisen.  Diese  Spiegel  können 
der  Zeit  nach  nicht  nach  dem  6. — 5.  Jahrh.  v.  Chr.  angesetzt  werden.  Ein 
Vergleich  derselben  mit  den  bisher  besprochenen  Formen  zeigt,  dass 
letztere  zweifelsohne  von  diesem  griechischen  Typus  herzuleiten  sind, 
wenn  auch  bei  ihnen  das  den  üebergang  zwischen  Griff  und  Scheibenrund 
vermittelnde  Yiereck  fehlt.  So  lernt  man  auch  den  Reliefschmnck  des 
südrussischen  Exemplars  richtig  beurtheilen,  und  wird  die  über  die  Ver- 
zierung des  kaukasischen  Spiegels  geäusserte  Vermuthung  •  in  richtigem 
Zusammenhang  verstanden^). 

Konnte  man  vor  einigen  Jahren  noch  an  eine  Lokalisirung  dieses 
Spiegeltjpus  in  Korinth  denken,  so  ist  dies  nach  den  neuesten  Funden 
unwahrscheinlich.  In  einem  mykenischen  Grabe,  das  zwar  nicht  mehr  in 
die  eigentliche  „mykenische"  Periode  gehört,  aber  immerhin  um  einige 
Jahrhunderte    älter   als  jener  Typus  ist,    fand  sich  ausser  einer  einfachen, 

runden  Spiegelscheibe  auch  die  nebenstehende 
Form  Fig.  7  (^Ecp.  oqx.  1888,  T.  VIII,  3  und  IX,  19, 
xaTonxQOv  fietä  ovo  nkaxdßv  iX^tpavxivtav  ano  tijg 
laßFjg):  ein  Bronzespiegel,  dessen  aus  zwei  elfen- 
beinernen Platten  bestehender  Griff  durch  2  Nieten 
auf  dem  Spiegelruud  befestigt  ist.  Der  Griff  ist  leider 
nicht  ganz  erhalten.  Doch  ist  es  wahrscheinlich, 
dass  der  Griff  gegen  unten  schmäler  wurde,  so  dass 
dieser  Typus  von  dem  vorhergehenden  griechischen 
sich  nur  dadurch  unterscheidet,  dass  das  vermittelnde 

1)  Auch  auf  dem  Griffe  des  Spiegels  von  Dübren  finden  sich  Löthsporen,  so  dftss  man 
auch  liier  an  eine  Verxit*nin^  durch  eine  Reliefplatte  denken  könnte,  doch  spricht  der 
Qraht  in  der  Mitte  dagegen. 


Fig.  7. 


Barbarische  und  griechische  Spiegel  87 

Viereck  auf  der  Spiegelscheibe  selbst  befestigt  ist,  was  schon  wegen  des 
andersartigen  Materials,  wie  auch  bei  dem  oben  genannten  südrussischen 
Exemplar,  nöthig  war.  Das  obere  Ende  ist  mit  2  Figuren  verziert,  wovon 
die  eine  einen  Spiegel  zu  halten  scheint.  Sind  wir  auch  noch  nicht  in 
der  Lage,  die  Verbindungsfäden  zwischen  dieser  spätmykenischen  Cultur 
und  den  zuletzt  behandelten  altgriechischen  Typen  im  Einzeln  zu  ver- 
folgen, so  dürfte  doch  ein  Zusammenhang  schwer  abzuleugnen  sein. 

üebrigens  muss  mit  Bezug  auf  die  einleitungsweise  gemachten  Aus- 
einandersetzungen hervorgehoben  werden,  dass  in  dieser  ältesten  Periode 
sich  in  Gräbern,  die  durch  ihre  WaflFenbeigaben  zweifelsohne  als  Männer- 
gräber charakterisirt  sind,  Spiegel  fanden.  Und  ich  kann  mich  nicht  ent- 
halten, das  von  Tsuntas  über  diese  Erscheinung  in  der  ^Eq).  clqx.  1889, 
S.  149  Bemerkte  wörtlich  wiederzugeben:  „Kara  tovg  aqxaioteQOvq  ofiojg 
%ov  ^Of4ij()ov  XQ^^ovg  xai  iv  'Eklaöi  ol  (xvöqbq  wg  aJioöeixvvBvai  ix  xwv 
tag>a}v  (hier  von  Vafio),  öev  änri^iovv  va  xoofiiovtai  „rfme  xovqoi^^' 
dioTi  ^  g>ilaQiax€ia  elvai  ef4(pvTog  af4q>ot€Qoig  toig  (pvXoig  ttSv  avd^Qiincüv, 
ir  trj  ßaqßaQifi  xataazaaev  /ddliaza  ol  avÖQag  vneQßdllovai  tag  yvvaixag 
xai  xarä  tovto,  *uiXXwg  ivtaluig  imoQixov  naQdÖBiypia  tojv  Xeyo^ivwv  8xo(,iev 
Toi5g  Faldtag^  wv  to  q>ik6xQvaov  i^inXrjfce  tovg  ^'ElXrjvag  toi  tgitoi)  n,  X 
aiwvog  ovx  rjriov  ^  t6  tüv  KaQwv  tov  ^'O^rjgov.*^  Wie  man  sieht,  hat 
schon  Tsuntas  auf  die  gallische  Parallele  aufmerksam  gemacht. 

Ich  hoffe,  dass  es  mir  gelungen  ist,  jene  Spiegelform  des  Mittel -La 
Tfene- Grabes  von  Dühren  direkt  auf  griechisches  Kunsthandwerk  zurück- 
zuführen, womit  natürlich  nicht  gesagt  ist,  dass  jener  Spiegel  selbst  in 
einer  griechischen  Werkstätte  entstanden  sein  müsse.  Der  Fall  liegt 
besonders  günstig,  weil  dieser  Typus  der  etruskisch- italischen  Industrie 
unbekannt  ist,  deren  Export  nach  dem  Norden  überhaupt  überschätzt  zu 
werden  pflegt.  Wir  sehen  dies  erst  jetzt  recht  deutlich,  nachdem  das 
Werk  über  die  Olympia- Bronzen  vorliegt.  Wie  Manches  findet  sich  jetzt 
auch  in  Griechenland,  das  bisher  für  etruskisch  gegolten  hat!  Es  ergiebt  sich 
jetzt  mit  Sicherheit,  dass  gar  manche  im  mittleren  Europa,  namentlich  auch 
in  Deutschland  gefundenen  Gefäss-  und  Gerätheformen,  die  bisher  mit 
Nachdruck  für  etruskische  Kunst  in  Anspruch  genommen  wurden,  griechi- 
scher Herkunft  sind,  wie  es  für  die  vielfach  mitgefundenen  rothfigurigen 
Vasen  ja  längst  feststand.  Es  kann  im  Einzelnen  nur  noch  die  Frage 
sein,  9U8  welchen  griechischen  Gegenden  die  betreffenden  Gegenstände 
eingeführt  sind.  Die  Ausstrahlungen  Massilias  und  der  anderen  griechi- 
schen Colonien  des  Westens  bis  nach  Oberitalien  und  an  die  Rheinstrasse 
sind  allgemein  anerkannt^);  dagegen  tritt  der  Einfluss  der  griechischen 
Kolonien  des  Ostens,  sowie  der  griechischen  Städte  der  Balkanhalbinsel 
selbst  noch  zu  sehr  zurück'),  obwohl  uns  die  gallische  Münzgeschichte,  die 

1)  Vergl.  zuletzt  Fartw&ngler,   Archäolog.  Anieiger  1889,  S.  43,  und  von  Duhn, 
Mem.  d.  B.  Acc.  d.  Sc.  di  Tormo,  1891,  p.  381  f. 

2)  Vergl.  übrigens  Fartw&ngler,  Der  Goldfand  Ton  Vettersfelde,  8.  49  f. 


8g  Karl  Schumacher:  Barbarische  und  griechische  Spiegel. 

einerseits  massaliotische,  andererseits  makedonische  Münzen  nachahmt, 
einen  deutlichen  Fingerzeig  giebt.  Zwischen  diese  beiden  Interessen- 
sphären hat  sich  der  etruskisch- italische  Handel  eingeschoben,  dessen 
Artikel  sich  häufig  mit  den  griechischen  mischen.  Es  ist  daher  eine  der 
wichtigsten  Aufgaben  für  die  einheimische  Alterthumsforschung,  jene 
griechischen  Erzeugnisse  Yon  den  etruskischen  zu  scheiden,  wodurch  erst 
eine  gesicherte  Grundlage  für  die  Handels-  und  Culturgeschichte  jener 
Periode  geschaflFen  wird. 


VI. 

Zur   mexicanischen  Chronologie,  mit  besonderer 
Berücksichtigung  des  zapotekischen  Kalenders. 

Yon 
Dr.  ED.  SELER  in  Berlin. 


Die  Eigenthümlichkeiten  des  Zeitrechnungssystems,  welches  bei  den 
verschiedenen  Cultumationen  des  alten  Mexico  und  bis  herunter  nach 
Nicaragua  im  Gebrauch  war,  sind  bekannt.  Wir  wissen,  dass  die  Grund- 
lage desselben  ein  Zeitraum  von  20  Tagen  bildete,  die  mit  dem  Namen 
verschiedener  sinnlich  greifbarer  Objecto,  die  Hälfte  darunter  Thiernamen, 
benannt,  beziehungsweise  mit  dem  Bilde  derselben  hieroglyphisch  be- 
zeichnet wurden.  Dass  20  Zeichen  genommen  wurden,  hat  seinen  Grund 
in  dem  vigesimalen  Zahlsystem,  dessen  sich  all'  diese  Völker  bedienten. 
Die  Zählung  der  Tage  wurde  aber  —  wenigstens  bei  der  vorwiegend 
gangbaren  Chronologie  —  nicht  vigesimal  fortgesetzt,  sondern  mit  diesen 
20  Zeichen  wurden  die  Ziffern  1  — 13  in  der  Weise  combinirt,  so  dass  jeder 
der  auf  einander  folgenden  Tage  mit  einem  Zeichen  und  einer  Ziffer 
bezeichnet  wurde,  dergestalt,  dass,  wenn  zur  Bezeichnung  des  ersten  Tages 
die  Ziffer  1,  combinirt  mit  dem  ersten  Zeichen,  diente,  der  14.  Tag  das 
14.  Zeichen,  aber  wieder  die  Ziffer  l  erhielt.  So  gewann  man  als  höhere 
chronologische  Einheit  einen  Zeitraum  von  13  X  20  oder  260  Tagen.  Denn 
erst  nach  Ablauf  dieses  Zeitraums  traf  es  wieder  ein,  dass  ein  Tag  die- 
selbe Ziffer  und  dasselbe  Zeichen  erhielt. 

Vergleiche  die  auf  8.  90  und  91  stehende  Tabelle,  in  welcher  die 
20  Zeichen  durch  die  römischen,  die  13  Ziffern  durch  die  arabischen 
Ziffern  bezeichnet  sind: 

Dieser  Zeitraum  von  260  Tagen,  der  tonalamatl,  „Buch  der  Tage", 
auf  mexicanisch,  ch'ol  k'ih,  „Tageszählung",  oder  k'am  uuh,  „Buch 
der  Lose",  in  Guatemala,  bei  den  Maya  dagegen,  wie  es  scheint,  —  die 
gewöhnlichen  Angaben  lauten  anders,  —  kin  katun,  „Tagesordnung", 
genannt  ward,  wurde  nun  in  verschiedener  Weise  mit  dem  übrigen  Zeit- 
rechnnngssystem  in  Zusammenhang  gebracht. 

Die  Nationen  des  alten  Mexico  zählten  ihr  Jahr  zu  365  Tagen.  Das 
ergiebt  sich  aus  der  Art  ihrer  Jahrbezeichnung  und  aus  der  Anzahl 
der  Jahre,  die  sie  zu  einer  grösseren  Periode  zusammenfassten.  Da 
365  =  28  X  13  4-  1  ^löd  =  18  X  20  +  5  ist,  so  folgt,  dass,  wenn  beispielsweise 


90 


Ed.  Sbleb: 


1 

I 

8 

I 

2 

I 

9 

I 

8 

I 

10 

I 

4 

I 

2 

II 

9 

n 

8 

n 

10 

n 

4 

II 

11 

II 

5 

n 

8 

III 

10 

ni 

4 

ni 

11 

m 

5 

in 

12 

III 

6 

m 

4 

IV 

11 

IV 

5 

rv 

12 

IV 

6 

IV 

13 

IV 

7 

IV 

5 

V 

12 

V 

6 

V 

18 

V 

7 

V 

1 

V 

8 

V 

6 

VI 

18 

VI 

7 

VI 

1 

VI 

8 

VI 

2 

VI 

9 

VI 

7 

VII 

1 

vn 

8 

VII 

2 

VII 

9 

VII 

8 

VII 

10 

vn 

8 

VIII 

2 

VIII 

9 

VIII 

8 

vin 

10 

vni 

4 

vni 

11 

vm 

9 

IX 

8 

IX 

10 

IX 

4 

IX 

11 

IX 

5 

IX 

12 

IX 

10 

X 

4 

X 

11 

X 

6 

X 

12 

X 

6 

X 

18 

X 

11 

XI 

5 

XI 

12 

XI 

6 

XI 

18 

XI 

7 

XI 

1 

xr 

12 

XII 

6 

xn 

18 

XII 

7 

XII 

1 

xn 

8 

XTI 

2 

xn 

18 

XIII 

7 

xra 

1 

xin 

8 

xm 

2 

XIII 

9 

XllI 

8 

xm 

1 

XIV 

8 

XTV 

2 

xrv 

9 

XIV 

3 

XIV 

10 

XIV 

4 

XIV 

2 

XV 

9 

XV 

8 

XV 

10 

XV 

4 

XV 

11 

XV 

5 

XV 

8 

XVI 

10 

XVI 

4 

XVI 

11 

XVI 

5 

XVI 

12 

XVI 

6 

XVi 

4 

XVII 

11 

XVII 

6 

XVII 

12 

XVII 

6 

XVII 

18 

XVII 

7 

xvu 

5 

xvm 

12 

XVIII 

6 

xvm 

18 

xvin 

7 

XVIII 

1 

xvm 

8 

xvm 

6 

nx 

13 

XIX 

7 

XIX 

1 

XIX 

8 

XIX 

2 

XIX 

9 

XIX 

7 

XX 

1 

XX 

8 

XX 

2 

XX 

9 

XX 

8 

XX 

10 

XX 

ein  Jahr  mit  einem  Tage  begönne,  der  die  Ziffer  1  und  das  I.  Zeichen 
trägt,  80  müsste  der  Anfangstag  des  folgenden  Jahres  die  Ziffer  2  und  das 
VI.  Zeichen,  der  des  dritten  Jahres  die  Ziffer  3  und  das  XI.  Zeichen,  der 
des  vierten  Jahres  die  Ziffer  4  und  das  XVL  Zeichen  erhalten;  der  Anfangs- 
tag des  fünften  Jahres  dagegen  würde  mit  der  Ziffer  5  und  wiederum  mit 
dem  I.  Zeichen  benannt  werden  müssen.  Wir  erhalten  also  folgende  Reihe 
der  Jahresanfänge: 


1 

I 

1 

VI 

1 

XI 

1 

XVI 

1        I 

2 

VI 

2 

XI 

2 

XVI 

2 

I 

und  80 

8 

XI 

3 

XVI 

8 

I 

8 

VI 

fort,  wie 

4 

XVI 

4 

I 

4 

VI 

4 

XI 

am  An- 

5 

I 

5 

VI 

5 

XI 

5 

XVI 

fang. 

6 

VI 

6 

XI 

6 

XVI 

6 

I 

7 

XI 

7 

XVI 

7 

I 

7 

VI 

8 

XVI 

8 

I 

8 

VI 

8 

XI 

9 

I 

9 

VI 

9 

XI 

9 

XVI 

10 

VI 

10 

XI 

10 

XVI 

10 

I 

11 

XI 

;   11 

XVI 

11 

I 

11 

VI 

12 

XVI 

12 

I 

12 

VI 

12 

1 

XI 

18 

I 

13 

VI 

\   13 

XI 

18 

XVI 

Man  sieht,  dass,  unter  der  Yoraussetzung  eines  Jahres  von  365  Tagen, 
auf  die  Anfangstage  der  Jahre  nur  4  von  den  20  Tageszeichen  fallen,  und 


Zur  mexicanischen  Chronologie. 


91 


11        I 

5 

I 

12 

I 

6 

I 

13 

I 

7 

I 

1       I 

12       n 

6 

II 

13 

II 

7 

n 

1 

n 

8 

n 

und  so 

13      in 

7 

III 

1 

m 

8 

III 

2 

in 

9 

III 

fort,  wie 

1      rv 

8 

rv 

2 

rv 

9 

IV 

3 

rv 

10 

IV 

vorher. 

2          V 

9 

V 

3 

V 

10 

V 

4 

V 

11 

V 

3         VI 

10 

VI 

4 

VI 

11 

VI 

5 

VI 

12 

VI 

4       VII 

11 

VII 

5 

VII 

12 

VII 

6 

VII 

13 

VII 

5    vin 

12 

vin 

6 

VIII 

18 

vm 

7 

vm 

1 

VIII 

6         TX 

13 

IX 

7 

IX 

1 

IX 

8 

IX 

2 

IX 

7           X 

l 

X 

8 

X 

2 

X 

9 

X 

3 

X 

8         XI 

2 

XI 

9 

XI 

3 

XI 

10 

XI 

4 

XI 

9       XII 

3 

XII 

10 

XII 

4 

XU 

11 

XII 

5 

XTI 

10     XIII 

4 

Xfll 

11 

XIII 

5 

XIU 

12 

XIII 

6 

xm 

11     xrv 

5 

xiv 

12 

XIV 

6 

xrv 

13 

xrv 

7 

XIV 

12       XV 

6 

XV 

13 

XV 

7 

XV 

1 

XV 

8 

XV 

13      XVI 

7 

XVI 

1 

XVI 

8 

XVI 

2 

XVI 

9 

XVI 

1   xvn 

8 

XVTT 

2 

XVII 

9 

XVTI 

3 

XVII 

10 

XVII 

2  xvni 

9 

XVIII 

3 

XVIIT 

10 

xvm 

4 

XVIII 

11 

XVIII 

3      XIX 

10 

XIX 

4 

XIX 

11 

XIX 

5 

XIX 

12 

XIX 

4        XX 

11 

XX 

6 

XX 

12 

XX 

G 

XX 

13 

XX 

zwar  4  Zeichen,  die  je  um  5  Zeichen  von  einander  abstehen.  Und  man 
sieht,  dass  aus  der  Annahme  eines  Jahres  von  365  Tagen  sich  mit  Noth- 
wendigkeit  eine  Periode  von  52  Jahren  ergiebt.  Denn  da  365  =  5  X  73 
und  73  eine  Primzahl  ist,  so  kann  es  erst  nach  260/5  oder  52  Jahren 
eintrefiFen,  dass  auf  den  Anfangstag  des  Jahres  dieselbe  Ziffer  und  dasselbe 
Zeichen  des  Tonalamatl  fällt.  Nun  wissen  wir,  durch  die  übereinstimmen- 
den Angaben  der  Chronisten  und  der  Documente,  dass  die  mexicanischen 
Nationen  ihre  Jahre  in  der  Weise  bezeichneten,  wie  es  die  obige  Tabelle 
der  Jahresanfänge  darstellt,  und  es  wird  bei  einigen  Stämmen  mit  Be- 
stimmtheit angegeben,  dass  diese  Namen  der  Jahre  von  den  Namen  der 
Anfangstage  derselben  hergenommen  worden  seien.  Andererseits  wissen 
wir,  dass  die  sämmtlichen  alten  Nationen  Mexicos  eine  Periode  von 
52  Jahren  kannten  und  nach  ihr  rechneten.  Wir  müssen  daher  schliessen, 
dass  in  der  That,  wie  oben  angegeben,  in  Mexico  das  Jahr  zu  365  Tagen 
angenommen  ward,  die  Zeitrechnung  also  in  jedem  Jahr  um  6  St.  9  Min. 
10  Sek.,  bezw.  um  5  St.  48  Min.  48  Sek.,  hinter  der  wirklichen  Jahreslänge 
zurückblieb. 

Dieser  einfache  und  klare  und  —  zieht  man  die  Culturhöhe  der  alten 
Mexicaner  in  Betracht  —  gar  nicht  so  wunderbare  Thatbestand  ist  bis  in 
die  jüngste  Zeit  von  den  Autoren,  die  sich  mit  mexicanischer  Chronologie 
beschäftigt  haben,  hartnäckig  verkannt  worden.  Es  sind  hauptsächlich 
drei  Umstände,    welche    eine  richtige  Auffassung  der  Sachlage  nicht  recht 


92  Bd.  Sbler: 

aufkommen  liessen:  das  sind  erstens  gewisse  Annahmen,  die  in  Bezug  auf 
die  fünf  letzten  Tage  des  Jahres  gemacht  wurden,  sodann  die  Angaben 
der  Chronisten  über  Einschaltungen,  die  in  gewissen,  regelmässig  wieder- 
kehrenden Perioden  vorgenommen  worden  seien,  endlich  die  Variabilität 
des  Jahresanfangs  bei  den  yerschiedenen  Stämmen  und  auch^  wie  es 
scheint,  in  den  verschiedenen  Zeiten,  die  eine  authentische  Concordanz 
bestimmter,  historisch  bezeugter  Daten  des  mexicanischen  Kalenders  mit 
unserer  Chronologie  bisher  unmöglich  gemacht  hat. 

Die  chronologische  Einheit,  die  Zahl  von  20  Tagen,  ist  in  365  Tagen 
18  Mal  enthalten.  Jede  dieser  18  Zwanziger  —  von  den  Spaniern  fälsch- 
lich Monate  genannt  —  war  bestimmten  Gottheiten  geweiht  und  gab  Ver- 
anlassung zu  einem  bestimmten  Feste,  das  mit  der  Jahreszeit,  den  in  der 
Jahreszeit  vorzunehmenden  Arbeiten  und  dem,  was  man  von  der  Jahres- 
zeit erwartete,  in  Zusammenhang  stand.  Es  blieben  übrig  5  Tage,  denen 
als  überschüssigen  eine  gewisse  unheimliche  Bedeutung  zugeschrieben  ward. 
Die  Mexicaner  nannten  sie  nemontemi  oder  nen-ontemi,  d.  h.  „die 
überschüssigen,  die  Ergänzungstage ^,  mit  der  Nebenbedeutung:  „die  un- 
brauchbaren, die  keiner  Gottheit  geweiht,  zu  keinem  bürgerlichen  Geschäft 
brauchbar  waren",  —  acam  pouhqui,  „die  keinem  zugezählt  oder  zu- 
geschrieben wurden",  „die  in  keiner  Werthschätzung  standen",  —  wie  es 
im  aztekischen  Text  von  Buch  U.  Cap.  37  des  Geschichtswerkes  des 
P.  Sahagun  heisst,  was  der  Pater  mit  den  Worten  erläutert:  estos  cinco 
dias  d  ningun  dies  estän  dedicados,  y  por  eso  les  Uamavan  nemontemi, 
que  quiere  decir  por  demäs.  Sie  galten  als  unheilvolle  Tage  (baldios  j 
aciagos).  Denn  mit  dem  Worte  nen,  „das  üeberschiessende",  verband 
sich  auch  der  Begriff  des  „Ueberflüssigen",  „Untauglichen",  „Unbrauch- 
baren". Keine  Handlung  von  irgend  welcher  Bedeutung,  oder  die  über 
den  Kreis  der  allernothwendigsten  Lebensverrichtungen  hinausginge,  ward 
vorgenommen.  Nicht  das  Haus  ward  gefegt,  kein  Gericht  gehalten,  und  dem 
Unglücklichen,  der  an  einem  dieser  Tage  geboren  ward,  „dem  ist  kein 
Heil  beschieden,  elend  und  kümmerlich  und  arm  wird  er  leben  auf  der 
Erde"  (quihiotinemiz  ompa  onquiztinemiz  yn  tlalticpac).  Ins- 
besondere aber  hatten  diese  Tage  eine  vorbedeutende  Kraft  für  das  ganze 
Jahr:  ayac  teauaya,  ayac  manaya,  auh  yn  aca  oncan  teaua,  quil- 
mach  cenquicui,  „Niemand  zankte.  Niemand  liess  sich  in  einen  Streit 
ein;  denn  wer  an  diesen  Tagen  zankte,  von  dem  glaubte  man,  dass  er  es 
immer  fortsetzen  würde",  —  heisst  es  im  aztekischen  Text  des  Sahagun. 
Und  noch  ausführlicher  an  einer  anderen  Stelle,  welche  Sahagun  mit 
folgenden  Worten  wiedergiebt:  guardabanse  en  estos  dias  fatales,  de  dormir 
entre  dia,  ni  de  renir  unos  con  otros,  ni  de  tropezar,  ni  de  caer,  porque 
decian  que  si  alguna  cosa  de  estas  les  acontecia  que  siempre  les  habia 
de  acontecer  adelante. 

Derselben  Vorstellung  begegnen  wir  in  Yucatan.    Man  ging  an  diesen 


Zur  mexicanischen  Chronologie.  93 

Tagen  so  wenig  wie  möglich  aus  dem  Hause,  wusch  und  kämmte  sich 
nicht,  und  nahm  sich  ganz  besonders  in  Acht,  irgend  welche  niedrige  oder 
mit  Beschwerden  verbundene  Arbeit  vorzunehmen,  ohne  Zweifel,  weil  man 
der  Ueberzeugung  lebte,  dass  das  dann  das  ganze  folgende  Jahr  so  fort- 
gehen würde.  Verhielten  sich  aber  die  Mexicaner  diesen  Tagen  gegenüber 
mehr  passiv,  indem  sie  sich  hüteten,  Unheil  für  das  folgende  Jahr  herauf- 
zubeschwören, so  machten  es  die  Maya  gründlicher^  sie  schafiPten  in  diesen 
Tagen,  vorbedeutend  für  das  ganze  Jahr,  das  Unheil,  was  etwa  drohen 
könnte,  heraus.  Sie  fertigten  aus  Thon  ein  Bild  des  Unheildämons  an, 
uuayayab,  d.  i.  u-uayab-haab,  „durch  den  das  Jahr  vergiftet  wird", 
confrontirten  dasselbe  mit  der  Gottheit,  die  in  dem  betreffenden  Jahre 
das  Regiment  führte,  und  brachten  es  dann  in  der  Himmelsrichtung, 
welcher  das  neue  Jahr  angehörte,  heraus  aus  dem  Dorfe. 

Von  diesen  5  Tagen  heisst  es  nun  in  den  Autoren  gewöhnlich,  „sie 
vrurden  nicht  gezählt".  Und  man  stellt  sich  dabei  vor,  dass  die  übliche 
Bezeichnung  der  Tage  mit  Ziffern  und  Zeichen  auf  diese  Tage  nicht  an- 
gewendet worden  sei.  Richtig  ist,  dass  schon  der  aztekische  Text  des 
Sahagun  zu  dieser  Auffassung  Veranlassung  giebt.  Denn  daselbst  heisst 
es  von  den  nemontemi:  yn  aoctle  yn  toca  tonalli,  yn  aocmo  om- 
pouih,  yn  aocmo  om  pouhque,  „die  Tage  haben  keine  Namen  mehr, 
sie  werden  nicht  mehr  gezählt".  Und  weiter  unten:  ca  atle  ytonal,  ca 
atle  ytoca  .  .  .  ca  nel  amo  ompouhque  atle  ypouallo,  „sie  haben 
kein  Zeichen,  keinen  Namen  .  .  .  denn  sie  wurden  in  Wahrheit  nicht 
gezählt".  Noch  deutlicher  spricht  sich  Duran  aus:  los  cinco  dias  que 
sobraban,  tenianlos  esta  nacion  por  dias  aciagos,  sin  cuenta  ni  provecho; 
asi  los  dejaban  en  blanco,  sin  ponerles  figura  ni  cuenta,  y  asi  los  llamaban 
nemontemi,  que  quiere  decir  dias  demasiados  y  sin  provecho.  —  In 
Tucatan  wurden  diese  Tage  auch  direct  als  xma  kaba  kin,  „Tage  ohne 
Namen"  bezeichnet.  Und  was  Durän  angiebt,  sehen  wir  im  Landa  dar- 
gestellt; in  dem  von  ihm  aufgezeichneten  Kalender  sind  die  5  über- 
schüssigen Tage  in  blanco  aufgeführt,  ohne  Ziffer  und  ohne  Zeichen.  Soll 
man  daher  in  der  That  meinen,  dass  diese  Tage  die  fortlaufende  Tonal- 
amatl- Rechnung  unterbrachen?  Ich  glaube  nicht.  Das  acam  pouhqui 
und  aocmo  ompouhque  besagen  nicht,  dass  diese  Tage  aus  der  Rech- 
nung herausfielen,  sondern,  wie  auch  Sahagun  ganz  richtig  erläutert,  dass 
keine  Feste  an  ihnen  gefeiert  wurden,  dass  sie  als  zu  bürgerlichen  Hand- 
lungen unbrauchbar  und  werthlos  galten.  Vergl.  acan  ompoui:  „cosa 
insufficiente  y  falta,  6  persona  de  quien  no  se  hace  caso"  (Molina).  Den- 
selben Sinn  werden  wir  auch  der  Phrase  atle  ytoca  und  der  Maya- 
Bezeichnung  xma  kaba  kin  unterlegen  müssen.  Und  wenn  nach  Durän 
und  Landa  diese  Tage  weiss  gelassen  wurden,  so  bedeutete  das  wohl  nur, 
dass  man  sich  scheute,  diese  Unglückstage  irgendwie  zu  nennen.  Still- 
schweigend wurden  sie  weiter  gezählt.    Sonst  könnte  z.  B.  Landa  nicht 


94  Ed.  Sbler: 

angeben,  dass  die  auf  einander  folgenden  Jahre  mit  der  „letra  dominical", 
kan,  muluG,  ix,  cauac,  d.  h.  dem  IV.  IX.  XIV.  XES.  Zeichen,  begönnen, 
sondern  man  mösste  annehmen,  wie  es  der  alte  6a ma  allerdings,  aber 
zweifellos  irrthümlich,  thut,  dass  alle  Jahre  mit  derselben  Ziffer  und  dem- 
selben Zeichen  begannen. 

Richtig  scheint  dagegen  zu  sein,  was  6ama  (Dos  piedras  pag.  75)  an- 
giebt,  dass  die  5  Tage  nemontemi  der  acompanados  entbehrten,  d.  h. 
dass  die  immer  wiederholten  Reihen  der  9  sogenannten  „Sonores  de  la 
noche^,  welche  neben  den  Zeichen  der  Tage  forklaufend  weiter  gezählt 
wurden,  nur  bis  zu  dem  360.  Tage  des  Jahres  geführt  wurden.  Die  Haupt- 
quelle Gama's  für  seine  Angaben  bezüglich  der  alten  Chronologie  sind 
die  in  mexicanischer  Sprache  geschriebenen  Aufzeichnungen  des  D.  Cri- 
stoYal  del  Castillo,  eines  Indianers  aus  vornehmem  tetzkokanischem 
Geschlecht,  der  im  Jahre  1606  als  alter,  80 jähriger  Mann  das  Zeitliche 
segnete.  Seinen  Aufzeichnungen  ist  ohne  Zweifel  auch  der  Kalender  ent- 
nommen, den  Gama  auf  p.  62 — 75  seines  Buches  abdruckt,  der  also  die 
Autorität  noch  ungebrochener  Tradition  für  sich  hat.  Dieser  Kalender 
lässt  das  Jahr  mit  ce  cipactli,  d.  i.  1  I,  beginnen  und  zählt  die  nemon- 
temi mit  Ziffer  und  Zeichen  weiter  (10  I,  11  II,  12  IH,  13  IV,  1  V). 
Aber  die  Reihe  der  9  Sonores  de  la  noche  bricht  mit  dem  360.  Tage  des 
Jahres  ab.  Orozco  y  Berra  hat  die  ansprechende  Vermuthung  aufgestellt, 
dass  der  Sinn  dieser  doppelten  Zählung  der  gewesen  sei,  die  Tage  des 
Jahres,  welchen  nach  der  Tonalamatl- Rechnung  die  gleiche  Benennung 
mit  Ziffer  und  Zeichen  zukommen  würde,  durch  den  beigesetzten  „acom- 
panado"  zu  unterscheiden.  In  der  That,  wenn  der  erste  Tag  des  Jahres, 
als  welchen  Gama  den  9.  Januar  nimmt,  mit  1  I  bezeichnet  würde,  so 
würde  dem  261.  Tage  des  Jahres,  d.  h.  dem  26.  September,  dieselbe  Benen- 
nung zukommen.  Von  den  „acompanados"  aber  würde,  wenn  der  erstere 
Tag  (11  =  9.  Januar)  den  ersten  derselben  (Xiuhtecutli  Tletl)  als 
Begleiter  erhält,  dem  letzteren  Tage  (11^  26.  September)  als  Begleiter 
der  neunte  derselben  (Quiauitl-Tlaloc)  zukommen,  denn  260 :  9  ~  28  -h  8. 
Ist  die  Gama'sche  Angabe  richtig,  dass  die  nemontemi  der  „acompanados** 
entbehren,  so  würden  die  auf  einander  folgenden  Jahre  immer  mit  dem- 
selben acompanado  anfangen.  Und  nehmen  wir  als  den  des  Anfangstages 
den  ersten  derselben,  den  Feuergott,  an,  so  haben  wir  in  diesem  Umstände 
vielleicht  die  einfache  Erklärung  desjenigen  Namens,  der  der  gewöhnlichste 
der  verschiedenen  Namen  des  Feuergottes  ist,  —  Xiuhtecutli,  d.  h.  „Herr 
des  Jahres". 

An  die  nemontemi  knüpfen  sich  nun  auch  die  ältesten  Angaben 
über  Einschaltungen,  die  angeblich  von  den  Mexicanern  in  bestimmten 
Perioden  vorgenommen  worden  seien,  um  ihr  Jahr  von  365  Tagen  mit  der 
wirklichen  Länge  des  Sonnenjahres  in  Uebereiustimmung  zu  bringen.  In 
der    Ueberschrift    zu    dem    19.   Capitel    seines    zweiten   Buches    sagt    der 


Zur  mexicanischen  Chronologie.  95 

P.  Sahagan:  Hay  conjetura  que  cuando  ahujeraban  las  orejas  ä  los  ninos 
y  ninas,  que  era  de  cuatro  en  cuatto  anos,  echaban  seis  dias  de  nemon- 
temi,  y  es  lo  mismo  del  bisiesto,  que  nosotros  hacemos  de  cuatro  en 
cuatro  auos.  Und  ähnlich  an  einer  anderen  Stelle:  Otra  fiesta  hacian  de 
cuatro  en  cuatro  anos  d  honra  del  fuego^  en  la  quäl  ahujeraban  las  orejas 
ä  todos  los  ninos,  y  la  llamaban  pillauanaliztli,  y  en  esta  fiesta  es 
verosimil  y  hay  conjeturas  que  hacian  su  bisiesto,  contando  seis  dias  de 
nemontemi.  Wohl  gemerkt,  der  Pater  sagt:  „es  verosimil  y  hay  con- 
jeturas". Er  sagt  nicht,  dass  er  das  gehört  hat,  und  in  der  That  findet 
sich  in  dem  aztekischen  Text  an  den  betreffenden  Stellen  auch  kein  Wort 
davon.  Die  Verrouthung  des  P.  Sahagun  wird  von  späteren  Autoren  als 
tiewissheit  ausgesprochen.  So  giebt  es  der  gelehrte  Dominikaner  P.  Burgoa 
für  die  Mixteca  und  die  Bewohner  von  Tehuantepec  an  (Geografica  De- 
scriptio,  cit.  bei  Orozco  y  Berra,  11.  p.  136),  ohne  indes  irgend  einen 
Beleg  fCLr  seine  Behauptung  zu  erbringen.  Von  anderen  alten  Autoren 
dagegen  wird  dieser  Vermuthung  direct  widersprochen.  Der  P.  Motolinia, 
der  zu  den  ersten  Missionaren  gehörte,  die  ins  Land  kamen,  sagt:  Los 
indios  naturales  de  esta  Nueva  Espana,  al  tiempo  que  esta  tierra  se  ganö 
y  entraron  en  ella  los  Espanoles,  comenzaban  su  ano  en  principios  de 
Mdrzo;  mäs  por  no  alcanzar  bisiesto,  van  variando  su  ano  por  todos  los 
meses.  Derselben  Ansicht  ist  der  P.  Torquemada.  Und  der  Autor  der 
Chronica  de  la  S.  Provincia  del  Santissimo  Nombre  de  Jesus  de  Gua- 
temala vom  Jahre  1683  bemerkt:  porque  como  ni  los  Mexicanos  ni  estos 
(los  Guatimaltecas)  alcanzoron  el  bisiesto  .  .  .  se  apartaban  y  diferenciaban 
de  nuestro  calendario,  y  asi  ni  estos  ni  los  Mexicanos  comenzaban  siempre 
SU  ano  a  primero  de  nuestro  Febrero,  sino  que  cada  cuatro  anos  se  abra- 
saban  un  dia  ...  In  der  That,  wäre  thatsächlich  eine  solche  Einschaltung 
vorgenommen  worden,  so  wäre  die  Periode  von  52  Jahren  und  die  con- 
sequente  Weiterbezeichnung  der  Tage  innerhalb  derselben  ein  Unding. 
Oder  wenigstens  diese  Einschaltung  hätte  als  wichtiger  Factor  in  jeder, 
über  den  Zeitraum  von  i  Jahren  hinausgehenden  Aufzählung  notirt  werden 
mfissen.  Davon  habe  ich  aber  weder  in  den  aztekischen,  noch  in  den 
Maya- Handschriften  bisher  eine  Spur  entdecken  können. 

Der  Schwierigkeit  sich  bewusst,  in  dieser  Weise  eine  Uebereinstimmung 
der  alten  indianischen  Chronologie  mit  der  richtigeren  europäischen  Zeit- 
rechnung herzustellen,  haben  Spätere  gemeint,  dass  am  Ende  des  xiuh- 
molpilli,  der  Periode  von  52  Jahren,  eine  ganze  Woche  von  13  Tagen 
eingeschoben  worden  sei.  Es  ist  der  gelehrte  Jesuit  D.  Carlos  Sigüenza 
y  Oöngora,  der  in  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  lebte,  auf 
den  ohne  Zweifel  diese  Theorie  zurückzuführen  ist.  Das  Werk  dieses 
Autors,  „Ciclografia  Mexicana^,  ist,  wie  es  scheint,  verloren  gegangen. 
Aber  Gemelli  Carreri  und  Clavigero  berufen  sich  auf  ihn.  Sigüenza 
hatte  wichtige  Documente  zur  Disposition,  Papiere  und  Bilderschriften,  die 


96  Ei».  Skler: 

D.  Juan  de  Alva  Ixtlilxochitl,  einem  Abkömmling  der  tetzkokanischen 
Eönigsfamilie,  gebort  batten,  und  er  war  ein  gescbulter  ÄBtronom.  Seine 
Vermuthung  wäre  auch  um  deshalb  annehmbarer,  weil  sie  die  Ordnung 
der  Ttige  innerhalb  der  52jährigen  Periode  unangetastet  lässt.  Trotzdem 
meine  ich,  dass  auch  seine  Angaben  auf  unbegründeten  Yermuthungen 
beruhen.  An  keiner  Stelle  der  alten  Autoren  ist  zu  ersehen,  dass  am 
Ende  der  52jährigen  Periode  ein  13  Tage  währendes  Fest  gefeiert  worden 
sei.  Es  handelt  sich  immer  nur  um  die  eine  Nacht,  die  Wende  des  Jahr- 
hunderts^ in  der  das  Yolk  unter  Zittern  und  Zagen  das  AufSanmien  des 
neuen  Feuers  auf  dem  Uixachtepec  erwartete.  Und  in  den  Bilderschriften 
finden  wir  Zeiträume  aufgezeichnet,  die  über  die  Periode  von  52  Jahren 
hinausgehen  und  wo  die  Ordnung  der  Tage  ohne  Spnmg  aus  der  einen 
in  die  andere  Periode  übergeführt  ist.  Vergl.  z.  B.  die  Blätter  46 — 50 
der  Dresdener  Handschrift,  die  bekannten  Blätter,  auf  denen  E.  Förste- 
mann  die  Reihe  der  um  236,  90,  250  und  8  Tage  von  einander  ab- 
stehenden Daten  nachgewiesen  hat.  Auf  denselben  sind,  von  dem  Tage 
1  ahau,  dem  13.  des  Monats  Mac,  beginnend,  13X2920  Tage,  oder  13x8, 
d.  h.  2  X  52  oder  104  Jahre  durch,  in  regelmässigen  Distanzen  von  einander 
abstehenden  Daten  verzeichnet,  ohne  Sprung  irgend  welcher  Art  zwischen 
dem  einen  und  dem  anderen  der  beiden  52jährigen  Cyclen.  Noch  weit 
grössere  Zeiträume  sind  auf  den  hinteren  Blättern  der  Dresdener  Hand- 
schrift durch  ohne  Sprung  fortlaufende  und  von  Controlzahlen  begleitete 
Daten  belegt. 

Doch  auch  die  Vertheidiger  der  Einschaltung  berufen  sich  auf  Hand- 
schriften. Clavigero  (H.  62)  sagt:  Questi  tredici  giomi  erano  gl'inter^ 
calari,  segnati  nelle  lor  dipinture  con  punti  turchini:  non  gli  con- 
tavano  nel  secolo  gia  compito,  neppur  nel  seguente,  ne  continuavano  in 
essi  i  periodi  di  giomi,  che  andavano  scmpre  numerando  dal  primo  sino 
alle  ultimo  giomo  del  secolo.  Clavigero  selbst  hat  solche  Handschriften 
nicht  gesehen.  Er  beruft  sich  auf  D.  Carlos  Sigüenza.  Die  Materialien, 
die  Sigüenza  besass,  sind,  wie  es  scheint,  zum  grössten  Theil  in  den 
Besitz  Boturini's  übergegangen.  In  Folge  der  Beschlagnahme  durch  die 
vicekönigliche  Verwaltung  verschwanden  sie  vom  Schauplatz.  Ein  Theil 
derselben  befindet  sich  in  der  A  üb  in 'sehen  Sammlung,  deren  gegenwärtiger 
Besitzer  Hr.  Eugene  Goupil  in  Paris  ist.  Ich  glaube  nicht,  dass  darunter 
sich  Papiere  befinden,  welche  die  obigen  Angaben  Clavigero's  recht- 
fertigen. Doch  habe  ich  in  einer  Maya- Handschrift  blaue  Zahlzeichen 
gesehen,  die  im  Sinne  einer  Correctur,  also  auch  vielleicht  einer  Ein- 
schaltung, gedeutet  werden  könnten.  Auf  den  Seiten  23  und  24  des  Codex 
Perez,  des  Manuseript  Mexicain  No.  2  der  Bibliotheque  nationale  in  Paris, 
finden  sieh  13  Columnen  von  je  5  Tagesdaten,  die  von  hinten  nach  vom 
und  von  oben  nach  unten  gelesen  werden  müssen,  wie  die  Rechnung  und 
wie   die  Stellung   der  lUeroglyphen    ergiebt    die  hier  —  abweichend  von 


Zur  mexicanischen  Chronologie.  97 

der  sonst  in  den  Maya- Handschriften  befolgten  Schreibweise,  —  ihre  Stirn- 
seite nach  hinten  (nach  rechts)  kehren.  Die  einzelnen  Daten  in  der  Reihe 
differiren  um  je  28  Tage  und  das  letzte  Datum  der  ersten  (obersten) 
Reihe  von  dem  ersten  Datum  der  zweiten  Reihe  ebenfalls  um  28  Tage. 
Es  sind  also  im  Ganzen  5  X  13  X  28  oder  7  X  260  Tage,  d.  h.  der  Zeitraum 
von  7  Tonalamatl.  Die  zu  den  Tagesdaten  gehörigen  Ziffern  sind,  wie 
üblich,  mit  rother  Farbe  geschrieben,  aber  über  oder  unter  jeder  Ziffer- 
colomne  ist  mit  blauer  Farbe  eine  andere  Ziffer  geschrieben,  die  ein  um 
20  Tage  weiter  liegendes  Datum  bezeichnen  würde.  Eine  Correctur  liegt 
augenscheinlich  vor,  aber  schwerlich  eine,  die  als  eine  Art  Einschaltung 
aufzufassen  wäre.  Es  ist  eine  Correctur,  die  angiebt,  was  für  Ziffern  den 
Daten  zukommen,  wenn  der  Anfang  der  ganzen  Reihe  um  eine  Einheit 
von  20  Tagen  weiter  hinausgeschoben  wird. 

Eine  Variation  hat  Leon  j  6ama  in  der  Sigüenza' sehen  Ein- 
schaltungstheorie angebracht,  indem  er  angiebt  (Dos  Piedras  p.  52,  53), 
dass  die  alten  Mexicaner  am  Schlüsse  eines  Doppelcyclus  von  104  Jahren 
25  Tage,  oder  am  Schlüsse  des  52jährigen  Cyclus  127«  Tage  eingeschaltet 
und  demgemäss  die  Tage  des  einen  Cyclus  am  Morgen,  die  des  anderen 
am  Abend  angefangen  hätten.  Doch  das  ist  eitel  Speculation.  Die  An- 
nahme endlich  des  Jesuiten  Fabrega,  der  sich  auch  A.  v.  Humboldt  (Vue 
des  Cordill^res,  U.  p.  81)  anschliesst,  dass  die  Mexicaner  am  Schlüsse  einer 
Grossen  Periode  von  20  Cyclen  oder  1040  Jahren  sieben  Tage  unterdrückt 
und  dadurch  ihr  Jahr  auf  nahezu  die  genaue  Länge  des  tropischen  Jahres 
gebracht  hätten,  beruht  auf  einem  thatsächlichen  Irrthum.  An  der  betref- 
fenden Stelle  des  Codex  Borgia  (62 — 66)  handelt  es  sich  keineswegs  um 
einen  so  langen  Zeitraum.  Die  einfache  Reihe  der  20  Tageszeichen  ist 
dargestellt  von  malinalli  =  XU  auf  Blatt  66  ausgehend  und  mit  o<^omatli 
«=  XI  auf  Blatt  62  endend.  Die  Zeichen  sind  ohne  Zweifel  ursprünglich 
auf  4  Seiten  eines  Vierecks  vertheilt  gedacht,  mit  dem  letzten  (oQomatli) 
in  der  Mitte. 

Ist  nun  die  Einschaltung,  wie  ich  meine,  als  eliminirt  zu  betrachten, 
so  erhebt  sich  um  so  drängender  die  Frage :  wie  fanden  sich  die  Mexicaner 
mit  ihrem  Zeitrechnungssystem  in  der  wirklichen  Zeit  zurecht?  Mussten 
sie  nicht  gar  bald  merken,  dass  ihre  Jahresfeste,  die  doch  in  bestimmte, 
durch  den  Lauf  der  Sonne,  den  Wechsel  von  trockener  und  nasser  Zeit, 
von  Winterschlaf  und  Yegetationsfülle  bedingte  Jahresabschnitte  fielen,  sich 
im  Laufe  der  auf  einander  folgenden  Jahre  gar  merklich  verschoben? 
Ohne  Zweifel  haben  sie  es  gemerkt,  haben  aber  schwerlich  gewusst,  wie 
dem  abzuhelfen  sei.  Und  jedenfalls  beruhen  auf  dieser  Unsicherheit,  auf 
dem  Fehlen  von  Einschaltungen,  die  confusen  und  widersprechenden  An- 
gaben, die  von  den  Indianern  selbst  über  die  Zeit  ihres  Jahresanfanges 
and  die  wirkliche  Zeit  ihrer  verschiedenen  Feste  zu  erlangen  waren. 
^Es  de  notar,"  —  sagt  Sahagnn  am  Schlüsse  des  7.  Buches,  —  „que  discrepan 

Ztteekrifl  fnr  KtliBoloffie.    Jabrg.  1891.  8 


98  Ed.  Selkr: 

mucho  en  diversos  Ingares  del  principio  del  ano:  en  uDas  partes  me  dijeron 
que  comenzaba  ä  tantos  de  Enero:  en  otras  que  ä  primero  de  Febrero:  en 
otras  que  a  principios  de  Marzo.  En  el  Tlaltelolco  junte  muchos  viejos, 
los  raas  diestros  que  yo  pude  aver,  y  jun tarnen te  con  los  mäs  bäbiles  de 
los  colegiales  se  altercö  esta  materia  por  muchos  dias,  y  todos  ellos 
concluyeron,  diciendo,  que  comenzaba  el  ano  el  segundo  dia  de 
Febrero." 

Die  an  den  Lauf  der  Jahreszeiten  geknüpften  Feste  mit  ihrem  ent- 
wickelten Cereraoniell  sind  ohne  Zweifel  uralte  üebung  und  wurden  ähn- 
lich über  weite  Theile  des  Landes  gefeiert.  Die  Fixirung  des  Jahres- 
anfangs steht  mit  diesen  Festen  in  enger  Verbindung  und  war  ebenfalls, 
wie  mit  Bestimmtheit  anzunehmen  ist,  über  weite  Theile  des  Landes 
ursprünglich  dieselbe.  Je  früher  aber  ein  Stamm  die  vage  Feststellung 
derselben  nach  dem  Lauf  der  Sonne  und  dem  Stand  der  Feldarbeiten  auf- 
gab, und  die  Priester  an  der  Hand  der  fortlaufenden  Tonalamatl-Eechnung 
über  die  Feste  Buch  zu  führen  begannen,  desto  mehr  mussten  sich  für 
diesen  Stamm  der  Jahresanfang  und  die  Feste  oder  das  Yerhältniss  der- 
selben zum  Jahresanfang  verschieben. 

Es   ist  Grund   vorhanden,    anzunehmen,    dass   dasjenige,    was  die  von 
Sahagun   in  Tlaltelolco    zusammenberufene  Indianerconferenz  schliesslich 
feststellte,    nehmlich   dass  das  Jahr  mit  dem  Quauitleua,    dem  Fest  der 
Regengötter  (Tlalo que),  und  am  2.  Februar  der  christlichen  Zeitrechnung 
begonnen    habe,    dem   ursprünglichen  Brauch    ungefähr  entsprochen  habe. 
Denn  in  dem  weit  entfernten  und  von  einer  anderen  Cultumation  bewohnten 
Yucatan  finden  wir  die  Anklänge  daran  in  der  Angabe  Landaus,  dass  die 
Maya   in   einem  der  beiden  sogenannten  Monate  (eigentlich  Einheiten  von 
20  Tagen)    Chen   und    Yax,    d.  h.   ungefähr  im  Monat  Januar,    an  einem 
Tage,  den  die  Priester,  ohne  Zweifel  nach  der  von  ihnen  geführten  Chro- 
nologie, besonders  bestimmten,  den  Regengöttern  (Chac)  das  Fest  Ocna, 
d.  h.  „Eintritt  in  das  Haus**  oder,    wie  Landa  übersetzt,    „Erneuerung 
des  Tempels",    gefeiert    hätten.     „Miraban    los    pronösticos    de  los  Bacab 
es,"  d.  h.  sie  stellten  fest,  nach  der  Gottheit,  die  für  das  Jahr  entscheidend 
war,    ob    das  Jahr   gut   oder  böse  sein  würde,    „y  demas  desto  renovavan 
los  idolos  de  barro  y  sus  braseros.  y  si  era  menester,  hacian  de  nnevo  la 
casa  ö  renovabanla,  y  ponian  en  la  pared  la  memoria  destas  cosas  con  sus 
caracteres."     Also  Feststellung    des  Characters,    den  das  Jahr  haben  wird, 
und    Erneuerung   der  Cultusgegenstände    und    des  Hausgeräthes,  —  Cere- 
monien,    deren  ursprünglicher  Sinn  nur  der  sein  kann,    dass  man  in  diese 
Zeit   den  Anfang   des  Jahres    setzte.     In   der  That  seheinen  auch  die  den 
Maya  nahe  verwandten  Zotzil  von  Chiapas  das  Jahr  mit  dem  Monat  eben, 
der  bei  ihnen  tzun,    d.  h.   ^Anfang*',    lautet,    begonnen    zu    haben    (vergl. 
Pineda,   citirt  bei  Orozco  y  Berra,  IT.  p.  142).     Beiläufig  bemerke  ich, 
dass,    wie    wir  hier  das  Neujalirsfest  der  Mexicaner  bei  den  Maya  wieder- 
finden,   so  hat  auch  die  Art  und  Weise,    wie    ein    halbes  Jaiir  später,    im 


Zur  mexicanischen  Chronologie.  99 

Monat  Juli,  die  Maya  ihr  eigentliches  Neujahr  feierten,  indem  sie  in 
solenner  Weise  das  Unheil  aus  dem  Dorfe  herausbrachten,  ein  Analogen 
bei  den  Mexicanern  in  dem  im  August  gefeierten  Besenfest  (Ochpaniztli). 

Die  Feststellung  der  Indianerconferenz  von  Tlaltelolco,  dass  der  erste 
Tag  Quauitl  eua   auf  Anfang  Februar  gefallen  sei,   muss   auch    deshalb 
als  dem  wirklichen  Brauch  ungeföhr  entsprechend  angesehen  werden,  weil 
bei   dieser  Annahme  die  verschiedenen  Feste  den  Jahreszeiten,    in  die  sie 
fallen,    angepasst  sind:    das  6.  Fest,    Etzalqualiztli,    das  dem  Einsetzen 
der  Regenzeit   gilt,   auf  den    13.  Mai.    Der   aus  tetzkokanischen  Quellen 
schöpfende   D.  Cristöbal  del  Castillo,    welchem   Gama   folgt,    lässt   das 
Jahr   mit   dem   um    2  Zwanziger  zurückliegenden  Feste  Tititl  beginnen, 
setzt   aber   dafür   den  Anfang  des  Jahres  um  volle  24  Tage  früher  an,    so 
dass   das  dem  Einsetzen  der  Regenzeit  geltende  Fest  Etzalqualiztli  bei 
ihm    auf  den  29.  Mai  fällt.     Der  Interpret  des  Codex  Vaticanus  A  nimmt 
an  einer  Stelle  den  15.,  an  einer  anderen  den  24.  Februar  als  Anfang  des 
Jahres   an.     Damach   würde  Etzalqualiztli  auf  den  26.  Mai,    bezw.  den 
4.  Juni  fallen.    Clavigero  mit  dem  26.  Februar,  Duran  mit  dem  1.  März 
als  Jahresanfang   würden    sich    auch   noch  nicht  allzuweit  von  dem,  durch 
die  Natur   der  Jahreszeiten  Angezeigten    entfernen,    Etzalqualiztli,    das 
Einsetzen    der   Regenzeit,    würde    auf  den   6.,    bezw.  9.  Juni  fallen.     Wir 
hätten  für  das  letztere,  in  dem  Leben  der  Culturvölker  Mexico's  besonders 
wichtige    Ereigniss    einen    Spielraum    von    der    ungefähren    Dauer    eines 
unserer  Monate,  —  einen  Spielraum,  der  dem  natürlichen  Verhalten  durchaus 
entspricht.    Wenn  endlich  tlaxkaltekische  Quellen  das  Jahr  mit  Atemoztli, 
also   einem    drei  Zwanziger   vor   Quauitl  eua  fallenden  Feste,    beginnen 
lassen,    so    ergiebt  das,    den  spätesten  Termin,    den  wir  eben  fanden,    für 
Quauitl   eua   angesetzt,    als  Jahresanfang  den  letzten  December,  —  eine 
Angabe,  die  also  den  eigentlichen  Jahresanfang  wieder  auf  die  sowohl  den 
Mexicanern,   wie  den  Maya  bedeutungsvolle  Zeit,    die  Mitte  der  trockenen 
Jahreszeit,   verlegt.     Die  Thatsache    selbst   aber,    dass   die   nemontemi, 
die  Schluss-  und  Ergänzungstage  des  Jahres,  bald  vor  Quauitl  eua,  bald 
vor  Tititl,   bald  vor  Atemoztli,  oder  andererseits,    wie  nach  der  guate- 
maltekischen Crönica  Franciscana  von  1683  bei  den  Cakchiquel  üblich  war, 
vor  Tlacaxipeualiztli  gesetzt  wurden,  beweist,  dass  bei  den  Mexicanern 
sich  die  Feste  verschoben,  dass  ihre  Jahre  thatsächlich  zu  kurz  waren,  und 
sie  in  beständiger  Unordnung  mit  ihrem  Festkalender  lebten. 

Wenn  aber  die  Feste  sich  bei  den  Mexicanern,  in  Folge  ihrer  Unfähig- 
keit, die  wirkliche  Länge  des  Jahres  in  dem  System  ihrer  Chronologie 
znm  Ausdruck  zu  bringen,  beständig  verschoben,  so  bot  andererseits  die 
Tonalamatl-Rechnung  ein  festes  Gerüst  dar,  das,  von  kundiger  Priester- 
hand weiter  geführt,  über  den  Zeitraum,  der  einen  bestimmten  Tag  von 
einem  anderen  trennte,  keinen  Augenblick  in  Zweifel  Hess.  Nur  an  einer 
Stelle    kommt    auch    hier  die  Unsicherheit  der  mexicanischen  Chronologie 

8»'    t 


100  Ed.  Seue»: 

zum  Ausdruck,  das  ist  in  dem  Anfangstage  ihrer  Jahre  und  in  der  Benennung, 
welche,  diesem 'Anfangstage  entsprechend,  den  verschiedenen  Jahren  zukam. 

Wenn,  wie  ich  oben  anführte,  aus  dem  System  des  Tonalamatl  und 
der  Annahme  eines  Jahres  von  365  Tagen  mit  Nothwendigkeit  folgt,  dass 
von  den  20  Zeichen  der  Tage  auf  die  Anfangstage  der  Jahre  nur  4,  und 
zwar  4,  um  je  4  Zeichen  von  einander  abstehende  Zeichen  fallen,  und  wir 
weiter  finden,  dass  allgemein  die  Jahre  nach  4,  um  je  4  Zeichen  von 
einander  abstehenden  Tageszeichen  benannt  wurden,  so  ist  es  zunächst  das 
Natürlichste,  anzunehmen,  dass  es  eben  die  Anfangstage  der  Jahre  waren^ 
nach  denen  diese  Jahre  selbst  benannt  worden  sind.  Das  scheint  nun 
aber  nicht,  oder  wenigstens  durchaus  nicht  durchgängig,  der  Fall  gewesen 
zu  sein. 

Bei  den  Mexicanern  wurden  die  Jahre  mit  den  Zeichen  acatl  (Rohr), 
tecpatl  (Feuerstein),  calli  (Haus),  tochtli  (Kaninchen),  d.h.  dem  XIII., 
XVin.,  DI.  und  Vin.  der  20  Tageszeichen  bezeichnet.  Denen  entspreehen 
genau  die  chiapanikischen  been,  chinax,  votan,  lambat,  während  in 
Yucatan  für  die  auf  einander  folgenden  Jahre  die  Zeichen  kan,  mulnc, 
ix,  cauac,  d.  h.  das  IV.,  IX.,  XIV.  und  XIX.  Tageszeichen  gebraucht 
wurden.  Die  4  Zeichen  acatl,  tecpatl,  calli,  tochtli  wurden  auf  den 
4  Armen  eines  Hakenkreuzes  in  der  Weise  eingetragen,  wie  es  die  auf 
Seite  101  stehende  Figur  zeigt.  Indem  man  nun  die  Spirale  im  entgegen- 
gesetzten Sinne  der  Drehung  des  Uhrzeigers  verfolgte,  gelangte  man  von 
1.  acatl  über  2.  tecpatl,  3.  calli,  4.  tochtli  nach  5.  acatl  u.  s.  f.  bis 
13.  tochtli.  Wie  das  schon  diese  Eintragung  an  die  Hand  gab,  wurden 
jedesmal  die  auf  einem  Arm  des  Hakenkreuzes  eingetragenen  Jahre  einer 
bestimmten  Himmelsrichtung  zugewiesen,  die  acatl-Jahre  dem  Osten, 
tecpatl  dem  Norden,  calli  dem  Westen,  tochtli  dem  Süden.  Die  Zäh- 
lung innerhalb  des  Cyclus  begann  im  Osten  mit  den  acatl-Jahren,  aber 
nicht  mit  1.  acatl,  sondern  merkwürdigerweise  mit  2.  acatl,  so  dass  also 
der  Cyclus  mit  1.  tochtli  schloss.  Die  gegenwärtige  Weltperiode  begann, 
so  glaubten  die  Mexicaner,  im  Jahre  1  tochtli.  In  diesem  wurde  die 
Erde  geschafiPen,  oder  vielmehr  der  am  Schlüsse  der  letzten  prähistorischen 
Weltperiode  eingestürzte  Himmel  wieder  emporgehoben.  Aber  erst  nach- 
dem das  vollzogen,  konnte  das  Feuer  neu  errieben  und  damit  der  erste 
52jährige  Cyclus  begonnen  werden.  So  ist  es  ausdrücklich  in  dem  Codex 
Fuenleal  der  „Historia  de  los  Mexicanos  por  sus  pinturas*^  gesagt.  Darum 
ist  2.  acatl  das  Anfangsjahr  des  ersten  und  aller  folgenden  Cyclen.  Als 
solches  ist  es  auch  in  sämmtlichen  Bilderschriften  historischen  Inhalts 
durch  den  daneben  gesetzten  Feuerbohrer  bezeichnet.  Die  Angabe  des 
Interpreten  zu  Codex  Telleriano  Remensis,  IV.  24,  auf  welche  Orozco 
y  Berra  so  viel  Gewicht  legt,  dass  erst  im  Jahre  1506  unter  MotecuhQoma 
der  Beginn  des  Cyclus  von  1.  tochtli  auf  2.  acatl  verlegt  worden  sei, 
wegen    der    Hungersnöthe,    dio    in    den    ersteron  Jahren    regelmässig  ein- 


Zar  mexicanischen  Chronologie. 


101 


getreten  seien,  ist  nur  ein  Versuch,  den  merkwürdigen  Umstand,  dass  der 
Cyclns  mit  der  Ziffer  2  beginnt,  in  euhemeristischer  Weise  zu  erklären. 
Die  Angabe  des  Clavigero  aber,  dass  der  Cyclus  mit  l.tochtli  begonnen 
habe,  ist  einfach  irrig.  Sie  widerspricht  den  Berichten  der  alten  Auto- 
ritäten und  dem,  was  die  Documente  uns  lehren. 

Mit  welchem  Tage  begannen  nun  die  Jahre?  Dur  an  und  Cristöbal 
del  Castillo  lassen  das  Jahr  mit  cipactli,  dem  ersten  der  20  Tages- 
zeichen, beginnen.  Und  ist  dieses  als  der  Anfangstag  der  einen  Jahre 
anzusetzen,   so   würden  die  anderen  mit   miquiztli,    oQomatli,    cozca- 


quauhtli,  dem  VI.,  XI.  und  XVI.  Tageszeichen,  beginnen.  So  nimmt  es 
auch  Clavigero  an,  der  die  tochtli-,  acatl-,  tecpatl-,  calli-Jahre  ent- 
sprechend mit  cipactli,  miquiztli,  o^^omatli,  cozcaquauhtli  beginnen 
lässt.  Ich  selbst  habe  früher  angenommen,  dass  die  Jahre  acatl,  tecpatl, 
calli,  tochtli  mit  den  Tagen  cipactli,  miquiztli,  o(^omatli,  cozca- 
quauhtli als  Anfangstagen  zu  verbinden  seien,  auf  das  Blatt  12  des  Codex 
Borgia  fussend,  welchem  Codex  Vaticanus  B.  28  entspricht,  wo  man  die 
5  Himmelsrichtungen  und  ihre  Bedeutung  für  das  Leben  und  den  Haus- 
halt des  Menschen  durch  5  Tlaloc*Figuren  dargestellt  sieht,  und  unter 
den   4   ersteren   derselben   die  Zeichen    der   i  Jahre  in  der  angegebenen 


102  £d.  Sbler: 

Weise  mit  den  Zeichen  der  genannten  4  Tage  coordinirt.  Ich  bin  aber 
neuerdings  wieder  irre  geworden,  da  die  genannten  Blätter  der  Hand- 
schriften sehr  wohl  eine  andere  Erklärung  zulassen.  Nicht  nur  die  Jahre 
des  Cyclus  nehmlich  wurden  in  die  4  Himmelsrichtungen  vertheilt,  sondern 
auch  die  4  Abschnitte  des  mit  1.  cipactli  beginnenden  Tonalamatl.  Die 
Anfangstage  dieser  4  Viertel  wurden  in  dem  zapotekischen  Kalender,  — 
der,  wie  wir  sehen  werden,  vielleicht  eine  der  urwüchsigsten  Formen 
dieses  chronologischen  Systems  darstellt,  —  geradezu  als  die  cocijo  oder 
pitäo,  d.h.  „die  Halter  der  Zeit",  „die  Regengötter"  oder  „die  Grossen", 
„die  Götter",  bezeichnet.  In  diesem  Namen  ist  also  direct  Bezug  genommen 
auf  die  Tlaloc- Figuren,  die  wir  in  Codex  Borgia  12  und  Codex  Vati- 
canus  B.  28  als  Repräsentanten  der  Himmelsrichtungen  dargestellt  sehen. 
Und  die  unter  letztere  gesetzten  Tageszeichen  bedeuten  eben  die  Anfangs- 
tage der  Tonalamatl -Abschnitte  und  die  Anfangsjahre  der  Cyclenabschnitte, 
die  den  Himmelsrichtungen  coordinirt  gedacht  wurden. 

Die  Weisheit  der  mexicanischen  Priester -Chronisten  erschöpfte  sich 
in  dem  Ausbau  des  Tonalamatl  nacli  seiner  zahlentheoretischen  und  seiner 
augiurischen  Seite.  Wir  haben,  —  abgesehen  von  einer  Stelle  der  Maya- 
Handschriften,  auf  die  ich  gleich  noch  zu  sprechen  kommen  werde,  —  in 
der  ganzen  Masse  der  vorspanischer  Zeit  angehörenden  Bilderschriften 
keine  einzige,  wo  die  auf  einander  folgenden  Jahre  mit  ihren  Anfangs- 
tagen aufgezählt  wurden.  Dieser  Umstand  allein  muss  uns  schon  miss- 
trauisch  machen  gegenüber  den  Feststellungen  Durän's  und  Christobal's 
del  Castillo.  Denn  cipactli,  der  Anfangstag  des  Tonalamatl,  und  die 
folgenden  Zeichen  werden  in  den  Handschriften  allgemein  etwa  wie  unsere 
Ziffern  1 — 20  verwendet.  Für  den  Maya-Kalender  giebt  ja  Bischof  Land a 
auch  direct  an,  dass  der  Anfangstag  der  Jahre  und  der  Anfangstag  des 
Tonalamatl  absolut  nichts  mit  einander  zu  thun  gehabt  hätten.  Zieht 
man  die  Verwirrung  in  Betracht,  die,  wie  ich  oben  auseinandersetzte,  in 
Mexico  bezüglich  des  Jahresanfangs  herrschte,  so  kann  man  sich  der  Vor- 
stellung nicht  erwehren,  dass  auch  die  Anfangstage  der  Jahre  im  Laufe 
der  Zeiten  sich  verschoben,  also  nicht  immer  die  gleiche  Benennung 
behalten  haben  können.  Wird  aber  dies  einmal  zugegeben,  so  gewinnt 
die  Thatsache,  dass  man  sich  bemüssigt  gefunden  hat,  die  auf  einander 
folgenden  Jahre  gerade  mit  den  Namen  der  Tage  acatl,  tecpatl,  calli, 
tochtli  zu  benennen,  verstärkte  Bedeutung.  Man  kann  es  nicht  gut  ab- 
lehnen, anzunehmen,  dass  zu  der  Zeit,  als  —  und  an  dem  Orte,  wo  —  es  den 
Gelehrten  zum  ersten  Mal  aufging,  dass  auf  die  Anfangstage  der  Jahre 
nur  4  von  den  20  Tageszeichen  fallen,  es  gerade  die  Tage  acatl,  tecpatU 
calli,  tochtli  waren,  mit  denen  die  Jahre  damals  und  an  dem  Orte  • 
begannen,  oder  wenigstens,  dass  diese  Tage,  aus  irgend  welchen  Gründen, 
damals  und  an  dem  Orte  zu  Anfangstagen  der  Jahre  gewählt  wurden. 
Dass  das  in  der  That  der  Fall  war,  dafür  sehe  ich  einen  indirecten  Beweis 


Zur  mexicanischen  Chronologie.  103 

in  dem  Umstände,  dass  alte  Bei'ichte  aus  zwei  abgelegenen  und  weit  von 
einander  entfernten  Ortschaften,  aus  Meztitlan  an  den  Grenzen  der  Huax- 
teea,  und  aus  Nicaragua,  die  Reihe  der  20  Tageszeichen  mit  acatl  beginnen 
lassen.  Und  ein  directer  Beweis  liegt  in  den  Maya-Handschriften  vor.  In 
der  Dresdener  Handschrift  beginnen  die  Jahre  nicht  mit  kan,  muluc,  ix, 
cauac,  dem  IV.,  IX.,  XIV.,  XIX.  Tageszeichen,  mit  denen  in  späterer 
Zeit  —  nach  Landa  und  den  Büchern  des  Chilan  Balam  zu  urtheilen,  — 
die  Maya  ihre  Jahre  beginnen  Hessen,  sondern  mit  been,  eonab,  akbal, 
lamat,  d.  i.  dem  XIII.,  XVIII.,  III.,  VTLI.  Zeichen,  die  den  mexicanischen 
acatl,  tecpatl,  calli,  tochtli  entsprechen. 

In  einer  dem  internationalen  Americanisten-Congress  zu  Berlin  vor- 
gelegten Abhandlung  hat  E.  Förstemann,  dem  wir  schon  so  viele  schöne 
Entdeckungen,  insbesondere  bezuglich  der  Mathematik  der  Dresdener  Hand- 
schrift, verdanken,  den  Nachweis  geführt,  dass  die  vielen  hohen  Zahlen, 
die  namentlich  im  zweiten  Theile  der  Dresdener  Handschrift  nachweisbar 
sind,  den  Tag  4  ahau  (=  4  XX),  den  8.  des  Monats  cumku  (des  letzten 
der  18  Jahresfeste),  als  Nullpunkt  voraussetzen,  dergestalt  dass,  wenn  man 
von  diesem  Tage  um  die  Anzahl  der  Tage,  welche  die  darüber  stehende 
Ziffer  angiebt,  weiter  zählt,  man  zu  einem  anderen  Datum  gelangt,  welches, 
—  wiederum  genau  durch  Ziffer  und  Zeichen  und  Angabe  des  wievielten 
welches  Monats  bezeichnet,  —  daneben  hingeschrieben  ist.  Hr.  Förste- 
mann  hat  nun  sehr  wohl  gesehen,  dass  dieser  Nullpunkt,  4  ahau, 
8.  cumku,  zu  welchem  übrigens  alle  übrigen  Daten  der  Handschrift,  — 
ausser  einigen  wenigen  Fällen,  wo  offenbare  Verderbniss  vorliegt,  — 
stimmen,  mit  der  Landa'schen  Angabe  des  Jahresanfangs  nicht  in  Ueber- 
einstimmung  zu  bringen  ist.  Er  meint  daher,  dass  8.  cumku  wie  ein 
„heiliger  Abend"  zu  verstehen  sei,  der  Tag,  auf  den  der  8.  Tag  des  Monats 
cumku  folge.  Das  Künstliche  dieser  Erklärung  hat  Hrn.  Förstemann 
gewiss  am  wenigsten  befriedigt.  Ich  meine,  8.  cumku  kann  doch  wirklich 
nicht  gut  etwas  anderes,  als  der  8.  Tag  des  Monats  cumku,  sein.  Und  soll 
nun  ein  Tag  4  ahau  (4  XX)  der  8.  Tag  des  Monats  cumku  sein,  so 
moss  der  1.  Tag  dieses  Monats  ein  Tag  10  been  (10  XTII)  sein,  und  dann 
muas  auch  das  Jahr  mit  been,  dem  XIH:  Tageszeichen,  dem  mexica- 
nischen Zeichen  acatl,  anfangen.  Die  Anfangstage  der  Jahre  waren  dar- 
nach also  nicht  das  FV.,  IX.,  XIV.,  XIX.  Tageszeichen  (kan,  muluc,  ix, 
cauac),  sondern  das  XHI.,  XVill.,  UL,  Vlll.  Tageszeichen,  d.  i.  been, 
eanab,  akbal,  lamat,  oder  mexicanisch  acatl,  tecpatl,  calli,  tochtli. 
Dass  dieses  sich  in  der  Dresdener  Handschrift  in  der  That  so  verhält, 
bestätigt  sich  auch  anderweit. 

Aach'  die  Maya  theilten,  ähnlich  wie  ich  es  oben  von  den  Mexicanern 
angegeben  habe,  die  auf  einander  folgenden  Jahre  des  Cyclus  den 
4  Himmelsrichtungen  zu.  Die  Bücher  des  Chilan  Balam,  von  denen  ich 
eine  von  dem  verstorbenen  Dr.  Berendt  angefertigte  Copie  in  der  Biblio- 


104  E!d*  Sblbs: 

thek  Prof.  Brinton's  einzusehen  Gelegenheit  hatte,  weisen  übereinstimmend 
die  kan-Jahre  dem  Osten,  die  muluc-Jahre  dem  Norden,  die  ix-Jahre 
dem  Westen,  die  cauac-Jahre  dem  Süden  zu.  L'anda  widerspricht  dem 
zwar.  Doch  geht  aus  seinen  Angaben  die  gleiche  Beziehung  hervor.  Denn 
die  kan-Jahre,  die  er  dem  Süden  zuweist,  waren  die  Jahre,  wo,  nach 
Landa,  man  in  den  Tagen  zuvor  den  für  die  kan-Jahre  bezeichnenden 
Unheildämon  von  der  Südseite  her  in's  Dorf  holte  und  ihn  dann  nach  der 
Ostseite,  —  d.  h.  doch  wohl  nach  der  för  das  neue  Jahr  bezeichnenden 
Richtung,  —  zum  Dorfe  hinausbrachte.  Und  ähnlich  in  den  übrigen 
Jahren:  der  Chac-uuayayab  der  muluc-Jahre  wird  nach  Norden,  der 
Zac-uuayayab  der  ix-Jahre  nach  Westen,  der  Ek-uuayayab  der  cauac- 
Jahre  nach  Süden  hinausgebracht.  Welche  Jahre  und  welche  Himmels- 
richtungen werden  nun  in  den  Handschriften  zusammengebracht? 

An  Hieroglyphen   für   die   4,    bezw.  5  Himmelsrichtungen  mangelt  es 
in  den  Handschriften  nicht.    Wir  wissen  genau,    dass  mit  den  Pigg.  1 — 4 
die  4  Cardinalpunkte    und  mit  den  Pigg.  5 — 7,    die    augenscheinlich  Vari- 
anten   einer  Hieroglyphe  sind,    die  5.  Himmelsrichtung,    die  Richtung  von 
unten   nach   oben,   bezw.  von  oben  nach  unten  bezeichnet  ward.     Es  war 
aber    bisher  immer  noch  streitig,    wie  die  Pigg.  1 — 4  auf  die  4  Himmels- 
richtungen zu  beziehen  sind.    Schultz-Sellack  (Zeitschr.  für  Ethnol.,  XI. 
[1879]  S.  221)  und  Leon  de  Rosny  waren  der  Meinung,  dass  die  Pigg.  1 — 4 
bezugsweise  den  Osten,  Norden,  Westen,  Süden  bezeichnen.    Oyrus  Thomas 
in  seinem  Study  of  the  Manuscript  Troano  vertauscht  1  und  3  und  nimmt 
an,    dass   die    erstere    den  Westen,    die  letztere  den  Osten  bezeichne.     In 
seiner  neueren,   in  dem  Third  Annual  Report  of  the  Bureau  of  Ethnology 
veröffentlichten  Arbeit   kehrt   er   die   ganze  Ordnung   um   und  nimmt  an, 
dass  die  Pigg.  1 — 4  bezw.  dem  Westen,  Süden,  Osten',  Norden  entsprechen. 
Die  Argumentation   aber,    die  ihn  zu  dieser  Aufstellung  führt,    ist   augen- 
scheinlich   eine   verfehlte.     Richtig   ist   es,    dass  die  Mexicaner  allgemein 
die  Himmelsrichtungen  in  dem  umgekehrten  Sinne  der  Drehung  des  Uhr- 
zeigers einander  folgen  Hessen,  wie  dies  ja  auch  in  der  auf  S.  101  stehenden 
Pigur   angegeben   ist.    Aber   was   das  Doppelblatt  41  und  42   des  Codex 
Cortez  betrifft,  auf  das  Cyrus  Thomas  sich  stützt,  so  haben  die  dort  den 
Quadranten    eingeschriebenen    Hieroglyphen    der   Himmelsrichtungen    der 
Pigg.  1 — 4  nicht,    wie  Prof.  Thomas  annimmt,  Beziehung  auf  die  in  der 
linken  Ecke  der  Quadranten  gezeichneten  Daten    1.  ix,  1.  cauac,  1.  kan, 
1.  muluc,    sondern  auf  die  ganze  Reihe  der  Tage,  welche  in  den  betref- 
fenden Quadranten    theils    durch    ilu*e  Hieroglyphen,    theils  durch  die  die 
Hieroglyphen  verbindenden  Punkte  bezeichnet  sind.     In  dem  Quadranten, 
welchem  die  Himmelsrichtung  der  Pig.  1  eingeschrieben  ist,    sind,    an  der 
inneren    linken  Ecke   beginnend    und    über   die    äussere   linke  Ecke<,    die 
äussere    rechte  Ecke   bis  zur  inneren  rechten  Ecke  einander  folgend,    die 
Tage    vom  1.  imix  (1  1)  bis  13.  chicehan  (13  V)    verzeiclinet,    d.  h.  dai 


Zur  mezicanischen  Chronologie.  105 

ganze  erste  Yiertel  des  Tonalamatl.  Und  so  in  dem  im  entgegengesetzten 
Sinne  der  Drehung  des  Uhrzeigers  folgenden  Quadranten^  welchem  die 
Himmelsrichtung  der  Fig.  2  eingeschrieben  ist,  die  Tage,  welche  das  zweite 
Viertel  des  Tonalamatl  bilden.  Und  weiter  in  dem  dritten  Quadranten, 
welchem  die  Hieroglyphe  der  Fig.  3  eingeschrieben  ist,  das  dritte  Viertel, 
und  in  dem  letzten  Quadranten  mit  der  Hieroglyphe  der  Fig.  4  das  letzte 
Viertel  des  Tonalamatl.  Da  wir  nun  wissen,  dass  die  4  mit  1  I,  1  VI, 
1  XI,  1  XVI  beginnenden  Viertel  des  Tonalamatl  bezw.  dem  Osten, 
Norden,  Westen,  Süden  zugeschrieben  wurden,  so  ist  gerade  dieses  Doppel- 
blatt des  Codex  Cortez  der  stärkste  Beweis  dafür,  dass  Schultz-Sellack 
und  Leon  de  Rosny  im  Recht  waren,  die  Hieroglyphen  der  Figg.  1 — 4 
bezw.  auf  den  Osten,  Norden,  Westen,  Süden  zu  beziehen. 

Fig.  1  und  3  enthalten  in  ihrer  unteren  Hälfte  ein  Element,  das  in 
dem  Monatsnamen  yaxkin  (Fig.  10  und  11)  enthalten  ist  und  das  zweifel- 
los die  Sonne  (kin),  die  nach  den  4  Himmelsrichtungen  Strahlen  ent- 
sendende Scheibe,  bezeichnet.  In  Fig.  10  und  11  ist  dieses  Element  mit 
einem  anderen  verbunden,  das  auch  in  der  Hieroglyphe  des  Monatsnamens 
yax  (Fig.  9)  vorkommt  und  das,  wie  der  Vergleich  mit  anderen  Hiero- 
glyphen ergiebt,  den  Baum,  den  grünen  (yax),  bezeichnet.  In  Fig.  1  ist 
das  Element  kin  verbunden  mit  der  Hieroglyphe  des  20.  Tageszeichens, 
welches  im  Maya  ahau  lautet,  ahau  oder  abgekürzt  ah  bedeutet  „der 
Herr**,  „der  König".  Das  Wort  hängt  zusammen  mit  einem  Zeitwort  ah, 
welches  „sich  erheben",  „aufwachen",  „aufstehen"  bedeutet;  ahal-ik,  „der 
Wind  erhebt  sich";  ahal-cab,  „die  Welt  erwacht"  (es  wird  Tag);  ahi- 
cab,  „seit  dem  Beginn  der  Welt".  Die  Hieroglyphe  Fig.  1  würde  also 
ahal-kin  zu  lesen  sein,  „die  Sonne  erhebt  sich",  und  das  ist  so  viel  wie 
likin,  der .  eigentliche  Maya- Ausdruck  für  die  Himmelsrichtung  des  Ostens. 
In  Fig.  3  dagegen  ist  das  Element  kin  mit  einem  anderen  verbunden, 
welches  als  Hieroglyphe  des  7.  Tageszeichens  dient,  im  Maya  manik  lautet 
und  dem  mexicanischen  ma^atl,  „Hirsch",  entspricht.  Das  Element  stellt 
eine  Hand  dar  mit  den  4  gegen  den  Daumen  eingekrümmten  Fingern. 
Ich  habe  das  so  schon  in  meiner  Abhandlung  über  den  Charakter  der 
aztekischen  und  der  Maya -Handschriften  erläutert  (Zeitschr.  für  Ethnol., 
XX.  S.  65).  Die  eigentliche  Bedeutung  war  mir  aber  damals  unklar 
geblieben.  Es  ist  Zeichensprache  für  „essen".  Als  wir  in  der  Huaxteca 
reisten,  einem  Gebiet,  das  in  alter  Zeit  imd  noch  heute  von  einer  Nation 
bewohnt  ist,  deren  Sprache  sie  als  nahe  Verwandte  der  Maya  von  Yucatan 
erweist,  wurde  die  Aufforderung  zum  essen^  „vamos  a  comer",  regelmässig 
begleitet  durch  eine  Geberde,  bei  der  die  in  der  Art  der  Hieroglyphe 
manik  eingekrümmte  Hand  zu  wiederholten  Malen  an  den  Mund  geführt 
ward.  Dass  dieses  Symbol  als  Hieroglyphe  für  manik,  „der  Hirsch", 
genommen  wurde,  hat  seinen  Grund  wohl  darin,  dass  der  Hirsch  als  das 
„Fleisch"    xcrr'  Hox^^i    als  »der,  der  gegessen  wird",   gedacht  ward.     Im 


106 


Ed.  8eler.' 


Maya  heisst  „beiasen",  „esaea",  bezw.  „gebissen,  gegeseen  werden"  chi. 
Die  Hieroglj'phe  Fig.  3  würde  j^leiunacli  chikio  zu  lesen  sein,  udiI  das  ist 
bekanotlich  das  Maya-Wort  für  die  Himmelsricbtung  des  Westens. 


Die  beiden  anderen  Hieroglyphen  der  Ilimmelsrichtungen,  Fig.  2  und  4. 
aiml  nicht  phonetisch  construirt.  In  Fig.  4  haben  wir  dasselW  Element, 
das    wir  schon    in  den  Figg.  9— 11,   den  Hieroglyphen  yax  und  yaxkin, 


Zar  meiicuiischen  Chronologie. 


107 


sahen,  und  das,  wie  ich  angab,  den  Baum  bezeichnet.  Wir  sehen  dasselbe 
hier  von  Figuren  umgeben,  die  als  Raucli  oder  Feuer  zu  deuten  sind. 
Die  Fig.  4  wäre  also  die  Region  des  Feuers,  der  Süden.  Die  Fig.  2  zeigt 
uns  einen  Kopf  und  einen  Rachen,  beide  nicht  selten  in  der  Weise  ver- 
eint, als  ob  der  Kopf  in  den  Rachen  gezogen  würde  (Fig.  31  und  32). 
Gelegentlich  kommt  als  Variante  des  Rachens  auch  das  entgegenblickende 
Auge  vor.  Vergl.  Fig.  33  aus  Tro  24*a.  Endlich  kommt  noch  Tro  20*c 
fQr  die  Hieroglyphe  Fig.  2  die  Hieroglyphe  Fig.  34  Tor:  statt  des  in  den 
Rachen   gezogenen  Kopfes    ein    von    einer   offenen  Hand   gehaltener  oder 


aufgenommener  Kopf.  Die  Symbolik  ist  klar.  Es  ist  der  die  Lebendigen 
verschlingende  Enlrachen,  die  Unterwelt,  die,  wie  wir  wissen,  tod  den 
Mexicanem  nach  Morden  verlegt  ward.  Im  Aztekiscnen  wird  der  Norden 
geradezu  als  mictlampa,  „Richtung  des  Todtenreichs",  genannt 

Die  Analyse  der  Hieroglyphen  führt  also  zu  demselben  Ergebniss,  wie 
das,  welches  una  die  Betrachtung  von  Codex  Cortez  41,  42  an  die  Hand 
gab,  dasB  in  der  That  die  Hieroglyphen  Fig.  1 — 4  in  der  alten,  schon  von 
Schultz-Sellack  angezeigten  Weise  den  Himmelsrichtungen  zu  coordiniren 
seien,  d.h.  dasa  die  Figg.  1 — 4  bezw.  den  Osten,  Norden,  Westen,  Süden 
bezeichnen. 


108  Ed.  Seler: 

Hier  tritt  iudess  zunächst  noch  eine  Schwierigkeit  auf,  die  zuvor  zu 
beseitigen  ist,  ehe  wir  mit  Vertrauen  die  bisher  gewonnene  Erkenntniss 
weiter  verwerthen.  Schon  Schellhas  hat  (Zeitschr.  f.  Ethnol.,  XVIII. 
S.  77)  auf  die  hieroglyphischen  Elemente  der  Pigg.  19 — 22  aufmerksam 
gemacht,  die  den  Himmelsrichtungen  in  der  Weise  coordinirt  sind,  dass 
sie,  je  nach  der  Himmelsrichtung,  den  wechselnden  Bestandtheil  einer  im 
Uebrigen  gleich  constituirten  Hieroglyphe  bilden.  So  sind  in  der  Dres- 
dener Handschrift  Blatt  30  und  31b  und  Blatt  29  und  30c  die  Hieroglyphen 
13 — 16  je  mit  einer  der  Hieroglyphen  der  4  Himmelsrichtungen  zusammen- 
gestellt. Und  ähnlich  sehen  wir  Blatt  30  und  31c  dieselben  Elemente  der 
Pigg.  19 — 22,  je  nach  der  Himmelsrichtung  wechselnd,  den  Bestandtheil 
einer  anderen,  im  Uebrigen  nicht  ganz  so  klaren  Hieroglyphe  bilden. 
Endlich  sind  dieselben  Elemente  Dresden  32— 34b  der  Haupthieroglyphe 
Chac's  selbst  angefügt  und  mit  denselben  Himmelsrichtungen  zusammen- 
gestellt. Ich  habe  nun  schon  in  meiner  vorher  angeführten  Arbeit 
(Zeitschr.  f.  Ethnol.,  XX.  S.  4)  die  Vermuthung  aufgestellt,  dass  diese, 
nach  den  Himmelsrichtungen  wechselnden  hieroglyphischen  Elemente  die 
Bezeichnungen  der  Parben  seien.  Wir  wissen  ja,  dass  die  Mexicaner,  wie 
die  Maya  und  wie  viele  andere  americanische  Völker,  den  Himmels- 
richtungen bestimmte  Parben  zuschrieben,  und  dass  die  Gegenstände  oder 
Wesen,  deren  verschiedene  Pormen  in  den  verschiedenen  Himmels- 
richtungen residirend  gedacht  wurden,  durch  die  der  betreffenden  Himmels- 
richtung zukommende  Parbe  unterschieden  wurden.  So  wird  im  Landa, 
bei  den  Xma  kaba  kin-Ceremonien,  je  nach  dem  Jahre,  bezw.  je  nach 
der  Himmelsrichtung,  ein  gelber,  rother,  weisser,  schwarzer  Bacab,  ein 
gelber,  rother,  weisser,  schwarzer  üuayayab,  ein  gelber,  rother,  weisser, 
schwarzer  Acantun  genannt.  Ist  aber  dies  der  Pall,  so  muss  das  Element 
der  Pig.  22  die  Farbe  ek,  „schwarz",  bezeichnen.  Denn  an  beiden,  oben 
angeführten  Stellen  der  Dresdener  Handschrift  ist  unter  der  mit  diesem 
Element  versehenen  Hieroglyphe  der  Regengott  (Chac)  in  schwarzer  Farbe 
dargestellt  (während  er  sonst  weiss  gelassen  ist).  Das  Element  der 
Pig.  21  dagegen  ist  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  als  Ausdruck  der 
Farbe  zac,  „weiss",  zu  bezeichnen,  denn  es  bildet  das  charakteristische 
Element  in  der  Hieroglyphe  des  Monatsnamens  Zac  (Fig.  8).  Das  Element 
der  Fig.  20  dürfte  als  Ausdruck  für  chac,  „roth",  anzusprechen  sein,  denn 
es  bildet  das  charakteristische  Element  in  der  Hieroglyphe  einer  Göttin 
(Fig.  12),  einer  Begleiterin  des  Chac,  die  im  Codex  Dresden  67a  und  74 
mit  rother  Farbe  und  mit  Tigertatzen  dargestellt  wird.  Die  Fig.  19  end- 
lich scheint  als  kan,  »g^lh",  angesprochen  werden  zu  müssen.  Das 
beweist  schon  die  Aehnlichkeit,  die  das  Element  mit  den  Figuren  auf- 
weist, durch  welche  in  mexicanischen  Hieroglyphen  das  Gold,  das  „gelbe 
Metall",  bezeichnet  wird;  femer  der  Umstand,  dass  es  im  Verein  mit  dem 
Element    „Baum^    zur    Bezeichnung    des    Honigs    und    des    Honigweines 


Zur  mexicanischen  Chronologie.  109 

gebraucht  wird  (Fig.  35  und  36a),  und  dass  es  vicarirend  für  kin,  „Sonne", 
eintritt  und  umgekehrt  durch  den  hieroglyphischen  Ausdruck  der  letzteren 
ersetzt  wird.  Demnach  hätten  wir  in  der  That  in  den  Pigg.  19 — 22  die 
4  Farben  gelb,  roth,  weiss,  schwarz,  und  zwar  in  derselben  Reihenfolge,  wie 
sie  Ton  Landa  für  die  4  Himmelsrichtungen  angegeben  wird.  Aber  diese 
Elemente,  die  ich  als  kan,  chac,  zac,  ek  anspreche,  sind  an  den  oben  an- 
geführten Stellen  nichts  wie  wir  annehmen  müssten,  dem  Osten,  Norden, 
Westen,  Söden  zugeschrieben,  sondern  in  derselben  Weise,  wie  Landa, — 
aber,  wie  wir  annehmen  müssen,  fälschlich,  —  die  verschiedenfarbigen  Bac ab 
und  ihre  Jahre  auf  die  Himmelsrichtungen  bezieht,  dem  Süden,  Osten, 
Norden,  Westen  zugeschrieben.  Ich  muss  gestehen,  dass  diese  Thatsache 
mir  lange  Zeit  sehr  störend  war,  bis  es  mir  allmählich  klar  wurde,  dass 
fQr  die  Beziehung  des  Regengottes,  des  Chac,  zu  den  Himmelsrichtungen 
in  diesem  Falle  andere  Ideen  maassgebend  gewesen  und  demnach  andere 
Farben  zum  Ausdruck  dieser  Beziehungen  gewählt  worden  sein  müssen, 
als  für  die  in  den  verschiedenen  Jahren  dominirenden  Bacab.  Wo  in 
der  Dresdener  Handschrift  die  Bacab  selbst  und  die  verschiedenen  Jahre 
und  die  vor  Beginn  derselben  vorgenommenen  Ceremonien  dargestellt 
sind,  —  nehmlich  auf  den  bekannten  Blättern  25 — 28,  —  da  sind  die 
Elemente  der  Figg.  19 — 22  nicht  mit  Fig.  4,  1,  2,  3,  sondern  mit  Fig.  1, 
2,  3,  4,  d.  h.  in  der  That  dem  Osten,  Norden,  Westen,  Süden  coordinirt. 
Das  ist  nun  zwar  nicht  auf  allen  4  Blättern  zu  erkennen,  die  oberen 
Theile  von  25  und  27  sind  leider  zu  sehr  zerstört.  Wohl  ist  aber  noch  zu 
erkennen,  dass  auf  allen  4  Blättern  an  einer  bestimmten  Stelle  des  oberen 
Theils  eine  durchgehende  Hieroglyphe  stand,  die  als  wechselnden  Bestand- 
theil  die  Elemente  der  Figg.  19—22  enthielt.  Auf  2  Blättern,  27  und  29, 
ist  dieselbe  erhalten  (vergl.  Fig.  17  und  18),  und  da  sehen  wir  in  der 
That,  dass  dem  Norden  und  dem  Süden  die  Elemente  der  Figg.  20  und  22, 
d.  h.,  wie  ich  annehme,  roth  (chac)  und  schwarz  (ek),  zukommen.  Dass 
dementsprechend  auch  gelb  (kan,  Fig.  19)  und  weiss  (zac,  Fig.  21)  sich 
vertheilen  werden,  ist  meine  ich,  so  gut  wie  gewiss.  Und  diese  Annahme 
findet  ihre  Bestätigung  durch  entsprechende  Stellen  des  Codex  Tro.  Dort 
sind  Blatt  30  und  29b  die  verschiedenen  Chac  dargestellt,  mit  dem  des 
Westens  (Fig.  3)  beginnend.  Und  es  entsprechen  die  Elemente  ek,  kan, 
chac,  zac  den  Richtungen  der  Figg.  3,  4, 1,  2.  Auf  Blatt  31  und  30d  dagegen 
sind  die  verschiedenen  Bacab  dargestellt,  mit  dem  des  Ostens  (Chac  und 
Hobnil)  beginnend.  Und  hier  entsprechen,  wie  der  Vergleich  mit  Codex 
Cortez  41,  42  erweist,  die  Elemente  kan,  ek,  zac,  chac  den  Richtungen 
der  Figg.  1,  4,  3,  2,  d.  h.  dem  Osten,  Süden,  Westen,  Norden.  So  stimmt 
also  auch  das,  was  ich  über  die  Farbenbezeichnung  herausgefunden  zu 
haben  glaube,  zu  der  alten  Schultz-Sellack^schen  Aufstellung,  dass  die 
Figg.  1 — 4  die  Himmelsrichtungen  Osten,  Norden,  Westen,  Süden,  oder 
likin,  xaman,  ohikin,  nohol  hieroglyphisch  darstellen. 


110  Ed.  «Seler: 

Gehen  wir  nun  mit  dieser,  wie  ich  meine,  sicheren  Erkenntniss  an 
die  Blätter  25 — 28  der  Dresdener  Handschrift,  auf  denen  die  verschiedenen 
Jahre  und  die  vor  Beginn  derselben  in  den  xma  kaba  kin  vorgenom- 
menen Ceremonien  dargestellt  sind,  so  habe  ich  allerdings  noch  einen  Vor- 
behalt zu  machen.  Auf  den  Blättern  ist  ein  Fehler.  In  der  untersten 
Hieroglyphenreihe,  derjenigen  eben,  welche  auch  die  Hieroglyphen  der 
verschiedenen  Himmelsrichtungen  enthält,  sind  Süd  und  Nord,  xaman 
und  nohol  (Fig.  4  und  2),  mit  einander  vertauscht.  Dass  das  wirklich 
nur  ein  Fehler  ist,  ist  zweifellos.  Nirgends  sonst  in  dieser  Handschrift 
ist  die  Reihenfolge  der  Himmelsrichtungen  1,  4,  3,  2.  Nur  in  dem  lüder- 
lich  gezeichneten  Codex  Tro  Cortez  treffen  wir  ein  paar  Mal  Verkehrung 
der  Ordnung.  So  Codex  Tro  36,  wo  aber  auch,  wie  es  scheint,  ein  Fehler 
vorliegt.  Denn  die  Reihe  geht  nachher  in  dem  richtigen  Drehungssinne 
weiter.  Und  ebenso  liegt  Codex  Tro  31,  30  eine  Verkehrung  der  Ordnung 
vor,  wie  die  Reihenfolge  der  Farben,  kan,  ek,  zac,  chac,  erweist.  Doch 
das  sind  Ausnahmen.  Insbesondere  die  Reihenfolge  der  Jahre  folgt  auch 
im  Codex  Tro  in  der  richtigen  Ordnung.  Bringen  wir  nun  diese  Correctur 
in  den  Blättern  Dresden  25 — 28  an,  so  haben  wir  auf  diesen  Blättern, 
wie  gebührend,  mit  dem  Osten  beginnend,  die  dem  Osten,  Norden,  Westen 
und  Süden  entsprechenden  Jahre,  d.  h.  also,  nach  den  Feststellungen  der 
Bücher  des  Chilan  Balam,  die  kan-,  muluc-,  ix-,  cauac- Jahre.  Die  Zeichen 
dieser  Jahre  aber  suchen  wir  vergebens  auf  diesen  Blättern.  Dagegen 
sind  auf  der  Vorderseite  dieser  Blätter  je  13  Mal  2  auf  einander  folgende 
Tageszeichen  wiederholt,  die  kaum  etwas  anderes,  als  den  Endtag  des  alten 
und  den  Anfangstag  des  neuen  Jahres,  angeben  können.  Es  sind  auf 
Blatt  25:  eb  (=  XH)  und  been  (=  XHI),  auf  Blatt  26:  caban  (-  XVII) 
und  eanab  (- XVHI),  auf  Blatt  27:  ik  (=  H)  und  akbal  (- HI),  auf 
Blatt  28:  manik  (=  VH)  und  lamat  (=  VIH).  Es  folgt  also,  dass,  nach 
der  Drestlener  Handschrift,  die  dem  Osten,  Norden,  Westen,  Süden  ent- 
sprechenden Jahre,  d.  h.  die  späteren  kan-,  muluc-,  ix-,  cauac-Jahre, 
mit  den  Tagen  been,  eonab,  akbal,  lamat,  d.  h.  mit  den  mexicanischen 
Zeichen  acatK  tecpatl,  calli,  tochtli  begonnen  haben  müssen.  Genau 
dasjenige,  was  uns  das  Datum  4.  ahau,  8.  cumku  und  die  anderen,  aus 
Ziffer,  Zeichen  und  Monatsangabe  combinirten  Daten  lehren. 

In  einer  meiner  ersten  Arbeiten,  in  «lenen  ich  von  dem  Ergebnis« 
meiner  Maya- Studien  Kenntniss  gab  (Zeitschr.  f.  Ethnol.  XtX.,  Verhandl. 
S.  224  —  231),  habe  ich  den  Versuch  gemacht,  die  auf  den  Blättern  25  —  28 
der  Dresdener  Handschrift  dargestellten  Gottheiten  mit  den  von  Lau  da 
bei  den  xma  kaba  kin -Ceremonien  genannten  Gottheiten  zu  identificiren. 
Ich  glaube,  ich  habe  damals  vollkommen  richtig  bezogen.  Aber  ich  habe, 
weil  ich  die  Hieroglyphen  der  Himmelsrichtungen  nicht  richtig  las  und 
von  dem  im  Obigen  aus  einander  gesetzten  Verhältniss,  dass  nehmlich  die 
kan-,  muluc-,   ix-,  cauac-Jahre   mit  den  T^en  been,  eonab,  akhal. 


Zur  mexicanischen  Chronologie.  111 

lamat  beginnen,  keine  Kenntniss  hatte,  die  etwas  kühne  Vermuthung  auf- 
stellen müssen,  dass  die  von  Landa  angegebenen  Namen  wohl  auf  die 
Figuren  der  Dresdener  Handschrift  anzuwenden  seien,  aber  nicht  in  der 
Reihenfolge  kan,  muluc,  ix,  cauac,  wie  Landa  die  Jahre  zählte,  sondern 
in  der  Reihenfolge  ix,  cauac,  kan,  muluc,  wie  die  Dresdener  Hand- 
schrift die  Jahre  zählt.  Jetzt  wird  diese  Conjectur  vollkommen  über- 
flüssig. Die  Dresdener  Handschrift  zählt  in  der  That  die  Jahre  genau  so, 
wie  Landa,  d.  h.  mit  dem  Osten  beginnend,  aber  die  Jahre,  die  Landa 
mit  der  „letra  dominical",  kan,  muluc,  ix,  cauac,  bezeichnet,  sind  hier 
durch  die  Anfangstage  been,  eonab,  akbal,  lamat  angegeben.  Auf  dem 
ersten  Blatt  ist  die  Hauptfigur  ein  Gott  mit  einer  merkwürdig  proliferiren- 
den  Nase,  dessen  Haupthieroglyphe  die  Fig.  23  ist,  —  eine  Hieroglyphe, 
die  sonst  zur  Bezeichnung  des  aus  den  Wolken  stürzenden  Blitzthieres, 
des  Himmelshundes,  dient.  An  Stelle  der  letzteren  tritt  als  Haupt- 
hieroglyphe in  Codex  Dresden  3  die  Fig.  27  auf,  d.  h.  der  Kopf  des  Chac. 
Es  ist  also  zweifellos,  dass  dieser  Gott  ein  Regen-  und  Gewittergott  ist. 
Landa  nennt  in  dem  kan-Jahre  Bolen  Zacab,  —  einen  Namen,  der 
aus  anderen  Stellen  nicht  bekannt  ist.  Aber  er  giebt  auch,  und  zwar 
einzig  von  den  kan -Jahren,  an,  dass  dieselben  reich  an  Regen  sein  sollen. 
Auf  dem  zweiten  Blatt,  26,  der  Dresdener  Handschrift  ist  die  Hauptfigur 
ein  Gott,  der  in  der  Augenbraue  das  Zeichen  kin  eingeschrieben  hat,  und 
dessen  Haupthieroglyphe  (Fig.  24)  ebenfalls  das  Zeichen  kin  enthält. 
Das  stimmt  zu  Landaus  Angabe,  der  in  den  muluc-Jahren  Kinch  ahau 
uennt  den  „Herrn  mit  dem  Sonnengesicht^.  Auf  dem  3.  Blatt  ist  der  alte 
Gott  dargestellt,  dessen  Haupthieroglyphe  Fig.  25  ist.  Das  stimmt  wiederum 
zu  Landa,  der  in  den  ix-Jahren  den  Gott  Itzamna  nennt.  Und  auf 
dem  letzten  Blatt  (28)  der  Dresdener  Handschrift  ist  ein  Todesgott  mit 
der  Hieroglyphe  Fig.  26  bezeichnet,  —  ein  Gesicht  mit  aufgesperrtem 
Rachen,  anderwärts  auch  in  Form  der  Fig.  30  geschrieben.  Auch  das 
stimmt  zu  Landa,  der  in  den  cauac-Jahren  den  Uac  mitun  ahau,  den 
^Herm  der  6  Höllen"  nennt.  Auf  Näheres  über  diese  Gottheiten  kann  ich 
mich  hier  nicht  einlassen  und  verweise  auf  meine  oben  citirte  Arbeit. 
Die  beiden  Figg.  28  und  29,  die  ich  auf  der  diese  Arbeit  begleitenden 
Tafel  noch  hingeschrieben  habe,  sind  charakteristische  Begleithieroglyphen, 
Pig.  28  Kinch  ahau^s,  Fig.  29  Itzamna's.  Die  erstere  giebt  die  Ideen 
von  Wolken  oder  Himmel,  Schlag  und  Feuer;  die  letztere  kann  mit  ah- 
tok,  „Herr  des  Steinmessers",  übersetzt  werden. 

Wie  ist  nun  aber  diese  Differenz  zwischen  der  Dresdener  Handschrift 
und  den  Angaben  Landaus  in  Bezug  auf  den  Anfangstag  der  Jahre  zu 
verstehen?  Soll  man  annehmen,  dass  Landa  sich  geirrt  hat,  indem  er  die 
kan-,  muluc-,  ix-,  cauac-Jahre  auch  mit  den  Tagen  kan,  muluc,  ix, 
canao  beginnen  liess?  Oder  soll  man  annehmen,  dass  in  einer  bestimmten, 
in  Bezug    auf  die  Zeit  der  Abfassung  der  Dresdener  Handschrift  jüngeren 


112  Ed.  Seler: 

Zeit  eine  Correctur  vorgenommen  wurde,  in  Folge  dessen  die  Anfangstage 
der  dem  Osten,  Norden,  Westen,  Süden  zugeschriebenen  Jahre  nicht  mehr 
auf  die  Zeichen  been,  eonab,  akbal,  lamat,  sondern  auf  die  Zeichen 
kan,  muluc,  ix,  cauac  fielen?  Ich  neige  mich  der  letzteren  Ansicht  zu 
und  bemerke,  dass  darnach  die  Codices  Tro  und  Cortez,  die  nur  die  beiden 
Hälften  eines  und  desselben  Codex  sind,  der  jüngeren  Epoche  angehören 
würden.  Denn  auf  den  Blättern  23 — 20  des  Codex  Tro,  deren  Inhalt  dem  der 
Blätter  25 — 28  der  Dresdener  Handschrift  entspricht,  sind  auf  der  Vorder- 
seite der  Blätter  nicht  die  Anfangstage  been,  eonab,  akbal,  lanlBt, 
sondern,  ebenfalls  in  13 maliger  Wiederholung,  die  Tage  cauac,  kan, 
muluc,  ix  verzeichnet. 

Trotz  dieser  Variabilität  des  Jahresanfangs  wurde  eine  feste  Chrono- 
logie bei  den  Maya-Völkem  dadurch  erreicht,  dass  man,  von  einem  Null- 
punkte aus,  nicht  die  Jahre,  sondern  die  Tage  weiterzählte.  So  bot  die 
Tonalamatl-Rechnung  ein  festes  Gerüst,  das  jede  Irrung  ausschloss. 

Bei  den  Cakchiquel  gab  den  Nullpunkt  ein  bestimmtes  historisches 
Ereigniss  ab,  die  Vernichtung  des  aufrührerischen  Stammes  der  Tukuchee, 
die  auf  einen  Tag  11.  ah  (11  XIH)  fiel.  Indem  man  nun  von  diesem 
Nullpunkt  aus  vigesimal  um  20  X  20  Tage  weiter  zählte,  erhielt  man 
Perioden,  die  alle  mit  einem  Tage  ah  (XIH  =  mexicanisch  acatl)  be- 
gannen, der  aber  der  Reihe  nach  die  ZiflFem  11,  8,  5,  2,  12,  9,  6,  3,  13, 
10,  7,  4,  1  und  dann  wieder  11  erhielt.  Eine  solche  Periode  wurde  ein 
huna  genannt  und  20  solcher  Perioden  ein  may.  (Vergl.  meine  Mit- 
theilung in  der  Zeitschr.  für  Ethnol.  XXL,  Verhandl.  S.  475.) 

Bei  den  Maya  bildete  den  Ausgangspunkt  ohne  Zweifel  der  von  Pörste- 
mann  in  der  Dresdener  Handschrift  nachgewiesene  Nullpunkt  4  ahau, 
8.  cumku,  d.  h.  ein  Tag.  der  die  Ziffer  4  und  das  Zeichen  ahau  (XX 
=  mexicanisch  xochiti)  trug  und  der  8.  des  Monats  cumku,  des  letzten 
der  18  Monate  des  Jahres,  war.  Von  diesem  Nullpunkt  wurde  aber  nicht 
consequent  vigesimal^  sondern,  wie  ebenfalls  aus  der  durch  Förstemann 
klar  gelegten  Rechnung  der  Dresdener  Handschrift  hervorgeht,  um  Perioden 
von  20  X  360  Tagen  weiter  gezählt.  Diese  Perioden  mussten,  da  ihre  Zahl 
durch  20  theilbar  ist  stets  dasselbe  Zeichen  ahau  (XX  =  mexicanisch 
xochiti)  erhalten.  Aber  da  die  Ziffer  13  in  7200  nur  mit  einem  Rest 
von  11  aufgeht  so  musste  die  Ziffer  des  Anfangstages  der  Periode,  gegen- 
über dem  Anfangstag  <ler  vorhergehenden  Periode,  um  2  vermindert 
erscheinen.  Mit  einem  Worte,  die  Anfangstage  der  auf  einander  folgenden 
Perioden  von  7200  Tagen  sind  4  ahau,  2  ahau,  13  ahau,  11  ahau, 
9  ahau,  7  ahau,  5  ahau,  3  ahau,  1  ahau,  12  ahau,  10  ahau,  8  ahau, 
6  ahau  und  dann  wieder  4  ahau.  Eine  solche  Periode  wurde  katun 
genannt.  Auf  welchen  Umständen  es  beruhte,  dass  man  gerade  eine  solche 
Periode  von  20  X  360  Tagen  erwählte,  das  ist  noch  eine  offene  Frage. 
Jedenfalls   aber    ist   dies   die  wahre  Grösse  der  sogenannten  ahau  katun 


Zur  mexicanischen  Chronologie.  113 

Perioden,  deren  Rechnung  in  der  Dresdener  Handschrift;  klar  vorliegt, 
deren  Bedeutung  aber  bis  in  die  jüngste  Zeit  noch  arg  verkannt  worden 
ist.  Die  spätere  Zeit  nehmlich,  der  der  Zusammenhang  mit  der  alten 
Tradition,  wenn  nicht  ganz  geschwunden,  so  doch  vielfach  durchlöchert 
war,  nahm  den  katun  nicht  als  20  X  360  Tage,  sondern  als  20  Jahre,  und 
da  stellte  sieh  alsbald  heraus,  dass  dann  die  Perioden  nicht  in  der  an- 
gezeigten Weise  mit  4  ahau,  2  ahau,  13  ah  au  u.  s.  w.  beginnen  konnten, 
denn  in  7300  geht  die  Ziffer  13  mit  einem  Rest  von  7  auf.  Es  müssen 
daher  die  Anfangstage  der  auf  einander  folgenden  Perioden  von  20  Jahren 
(das  Jahr  zu  365  Tagen  gerechnet)  der  Reihe  nach  mit  4  ahau,  11  ahau, 
5  ahau  u.  s.  f.  beginnen.  Um  dieser  Schwierigkeit  zu  begegnen,  wurde 
die  Theorie  aufgebracht,  dass  der  katun  nicht  aus  20  Jahren,  sondern 
aus  24  Jahren  gebildet  sei,  denn  24x365  oder  8760  ist  ebenfalls  durch 
20  theilbar,  und  die  Ziffer  13  geht  darin  mit  einem  Rest  von  11  auf, 
ebenso  wie  in  dem  wahren  katun,  in  der  Periode  von  20x360  Tagen, 
und  daher  der  Streit,  über  den  viel  unnützes  Papier  verschrieben  worden 
ist,  ob  der  katun  mit  20  oder  mit  24  Jahren  anzusetzen  sei.  In  Wahr- 
heit bestand  er  weder  aus  20,  noch  aus  24  Jahren,  —  die  Jahre  nahmen 
die  alten  Chronisten  direct  gar  nicht  in  ihre  Rechnung  auf,  —  sondern 
aus  20  X  360  Tagen. 

Nachdem  nun  das  Verhältniss  des  Tonalamatl  zu  der  übrigen  Zeit- 
recbnung  klar  gelegt  ist,  kehre  ich  noch  einmal  zu  dem  Tonalamatl 
selbst  zurück.  Ich  habe  seiner  Zeit  in  meiner  Arbeit  über  den  Charakter 
der  aztekischen  und  der  Maya- Handschriften  (Zeitschr.  f.  Ethnol.  XX. 
S.  1  ff.)  den  Nachweis  zu  führen  gesucht  dass  auch  die  anscheinend  ganz 
abweichenden  und  anders  benannten  20  Tageszeichen  der  Maya  mit  den 
sprachlich  und  hieroglyphisch  klaren  Zeichen  der  Mexicaner  in  Ueber- 
einstimmung  zu  bringen  sind.  Ich  habe  aber  damals  einen  Kalender  ausser 
Acht  gelassen,  weil  er  mir  noch  nicht  zugänglich  oder  wenigstens  nicht 
verständlich  war,  das  ist  der  zapotokische,  der  in  der  Grammatik  des 
P.  Juan  de  Cördoba  aufgezeichnet  ist,  welche  vor  einigen  Jahren  von 
Dr.  Leon,  —  leider,  wie  es  scheint,  sehr  ungenau  und  fehlerhaft,  —  neu 
herausgegeben  worden  ist. 

Ich  erwähnte  oben  schon,  dass  der  zapotokische  Kalender  einen 
besonders  alterthümlichen  Charakter  aufweist.  Das  zeigt  sich  einerseits  in 
der  alterthümlichen  Form  der  Worte,  die  aus  der  gegenwärtig  gesprochenen 
oder  der  bald  nach  der  Conquista  aufgezeichneten  Sprache  schwer  erklärbar 
sind;  dann  aber  auch  dadurch,  dass  die  Beziehung  der  Zeichen  zu  den 
13  Ziffern  sich  in  der  Form  der  als  Tagesbenennung  dienenden  Worte 
gewisserroaassen  inkrustirt  hat.  Man  kann  deshalb  bei  allen  von  dem 
Namen  des  Wortes  eine  Vorsilbe  loslösen,  die  für  alle  mit  der  gleichen 
Ziffer  verbundenen  Zeichen  annähernd  die  gleiche  ist.  Einige  Ausnahmen 
kommen    vor,    die  vielleicht  schon  Versehen  oder  irrthümliche  Auffassung 

X*H»ckrift  für  Echnologie.    Jahrg.  1891.  9 


114  Ed.  Sbler: 

des  verdienten  Mönches  waren,  der  diesen  Kalender  uns  erhalten  hat,  viel- 
leicht aber  auch  einfach  auf  den  unsorgflltigen  Neudruck  zurückzuführen 
sind.    Man  erhält  bei  den  mit  der  Ziffer 

1  (chaga,  8.  tobi)  verbundenen  Worten  die  Vorsilbe  quia,  quie, 

2  (cato,  s.  topa)  „  »         »  »        P©?  pi^  pela, 

3  (cayo,  8.  chona)  „  »  »  »        P©o,  peola, 

4  (taa,  8.  tapa)  „  »         »  »        eala, 

5  (caayo,  s.  gaayo)         „  »  ^  »        pe,  pela, 

6  (xopa)  „  »  »  »         qua,  quala, 

7  (caache)  „  »         »  »        pilla, 

8  (xona)  „  »         »  »        o©?  ni,  nela, 

9  (caa,  8.  gaa)  „  „         „  „        pe,  pi,  pela, 

10  (chij)  „  »  «  »        pilla, 

11  (chijbitobi)  „  »  »  »         wö>  ni,  nela 

(das  ist  wenigstens  die  häufigste  Vorsilbe,    doch  sind  hier  die  Ausnahmen 

zahlreicher,  die  Confusion  besonders  gross), 

12  (chijbitopa)        verbundenen  Worten  die  Vorsilbe  pina,  piiio,  pinij, 

13  (chijno)  „  »  »  »         pece,  pici,  quici. 

Von  diesen  verschiedenen  Vorsilben  scheint  jedoch  nur  einigen  wenigen 
eine  bestimmtere  Bedeutung  inne  zu  wohnen.  In  erster  Linie  der  Vor- 
silbe quia,  quie,  die  den  mit  der  Ziffer  1  verbundenen  Zeichen  zukommt, 
die,  wie  wir  wissen,  eine  besondere  Stellung  einnahmen,  als  Regenten 
der  ganzen  folgenden  Dreizehnheit  galten.  Juan  de  Cördoba  sagt,  dass 
diese  Dreizehnheiten  oder  die  Anfangstage  derselben  cocij,  tobi  cocij 
genannt  worden  seien,  „como  decimos  nesotros,  un  mes,  un  tiempo".  Die 
4  Zeichen  aber,  welche  der  1.,  6.,  11.,  16.  Dreizehnheit,  d.h.  den  4  Ab- 
schnitten des  Tonalamatl  präsidiren,  seien  cocijo  oder  pitäo,  d.  h. 
„Grosse",  genannt  worden.  Man  hätte  sie  als  Götter  angesehen  und  sie 
durch  Opfer  und  Blutentziehungen  geehrt.  Im  Lexicon  finden  wir  in  der 
That  z.  B.  „tiempo  encogido,  en  que  no  se  puede  trabajar"  —  cocij 
cogäa;  „tiempo  de  mieses,  fhitas  6  de  siego  o  de  algo"  —  cocij  coUkpa, 
cocij  layna,  cocij;  „tiempo  enfermo  b  de  pestilencia"  —  qöo  yöocho, 
piyfe  yöocho,  cocij  yöocho.  Die  ursprüngliche  Bedeutung  von  cocij 
kann  aber  schwerlich  „Zeit"  gewesen  sein.  Die  Vorsilbe  co  bezeichnet 
ein  Nomen  agentis  mid  entspricht  in  gewisser  Weise  der  mexicanischon 
Vorsilbe  tla.  Cocii  bedeutet:  „wenn  man  genommen  hat",  also  etwa  gleich 
dem  mexicanischen  tlapoualli,  und  gleich  diesem  bezeichnet  es  eine 
Einheit  von  20  Tagen:  cocii,  „20  Tage  in  der  Vergangenheit",  d.  h.  heute 
vor  20  Tagen;  huecii  oder  cacii,  „20  Tage  in  der  Zukunft"  oder  „in 
20  Tagen",  cacii-cacii,  „immer  in  20  Tagen".  Ist  daher  die  Angabe 
des  Paters  richtig,  so  kann  die  Anwendung  des  Wortes  cocii  auf  eine 
Dreizehnheit  von  Tagen  nur  eine  übertragene  oder  ungenaue  gewesen 
sein.    Cocijo  dagegen  ist  im  Lexicon  mit  „Dies  de  las  Uuvias"  und  „rayo* 


Zur  mezicanischen  Chronologie.  115 

übersetzt;  tötia  peni  quij  cocijo,  „sacrificar  hombre  por  la  pluvia  h 
nino*';  täce  cocijo,  „caer  rayo  del  cielo".  Mit  anderen  Worten,  cocijo 
ist  der  Regengott  Tlaloc,  der  hier  in  dem  Tonalamatl  seine  Stelle  hat, 
weil  die  4  Abschnitte  des  Tonalamatl  den  4  Himmelsrichtungen  zugehören, 
und  der  Regengott  in  den  4  Himmelsrichtungen  zu  Hause  ist,  bezw.  nach 
den  4  Himmelsrichtungen  verschieden  ist,  wie  das  die  oben  erwähnten 
Blätter  der  Codices  Borgia  12  und  Vaticanus  B.  28  bildlich  vor  Augen 
führen.  Sehen  wir  nun  nach,  was  die  Vorsilbe  quia,  quie  in  der  Sprache 
bedeuten  könnte,  so  finden  wir  „schlagen",  „Stein",  „Regen",  „Verbrechen 
oder  Strafe",  „färben",  „Blume",  wobei  sich  aber  die  ersteren  4  durch  be- 
sondere Aussprache  des  i  von  den  letzteren  unterscheideir  sollen.  Setzt  man 
für  „Regen":  „Gewitter",  was  ja  in  jenen  Gegenden  meistens  gleich- 
bedeutend ist,  so  lassen  sich  die  4  ersten  Bedeutungen  recht  gut  eine  aus 
der  anderen  entwickeln,  und  nehmen  wir  dies  dann  auch  als  die  Bedeutung 
der  Vorsilbe  quia,  quie  an,  so  hätten  wir  z.  B.  quia-chilla  mit  „der 
Krokodil -Tlaloc"  zu  übersetzen,  der  Tlaloc,  der  das  Krokodil  als  Zeichen 
führt,  oder  ce  cipactli  (1  I). 

Von  den  anderen  Vorsilben  scheinen  nur  noch  die  letzten  beiden  eine 
besondere  Bedeutung  zu  haben,  die  vielleicht  aus  dem  besonderen  auguri- 
schen Werth  der  Ziffern  12  und  13  hervorgeht.  Piici  heisst  „das  Vor- 
zeichen", allerdings  gewöhnlich  das  üble.  Pino  könnte  eine  Nebenform 
von  chino  sein,  denn  p  und  ch  vertreten  in  zapotekischen  Wortformen 
vielfach  einander.  Chino,  chijnno  heisst  „voll",  „Glück",  „Segen", 
„Reichthum",  „dreizehn",  „fünfzehn".  Das  sind  aber  alles  Bedeutungen, 
die  mit  der  Ziffer  12,  —  auf  welche  die  Vorsilbe  pino  hinweist,  —  kaum 
in  Beziehung  zu  bringen  sind.  Die  anderen  Vorsilben  scheinen  nur  Vari- 
anten der  bekannten  Praefixe  pe,  pi,  co,  hua  zusein,  wodurch  handelnde 
Personen  und  lebende  Wesen  bezeichnet  werden.  Die  Silbe  la  ist  demon- 
strativ. 

Lassen  wir  nun  diese,  nach  der  beigesetzten  Ziffer  wechselnden  Vor- 
silben bei  Seite,  so  erhalten  wir  für  das  1.  Tageszeichen  das  Wort  chilla 
oder  chijlla.  Hierfür  finde  ich  im  Lexicon  3  Hauptbedeutungen:  einmal 
heisst  es  die  Würfelbohne  (pichijUa,  frisolillos  6  havas  con  que  echan 
las  suertes  los  sortilegos),  dann  der  Grabt  (pichijlla,  lechijlla,  chijlla- 
tani,  „loraa  6  cordillera  de  Sierra"),  ferner  das  Krokodil  (pfeho  pichijlla, 
pichijlla-peöo,  peyöo,  cocodrillo,  lagarto  grande  de  agua)  und  Schwert- 
fisch (pella-pichijlla-tko,  espadarte  pescado).  Endlich  ist  chilla-täo, 
„der  grosse  Chilla",  noch  als  einer  der  Namen  des  höchsten  Wesens  an- 
gegeben. Hier  scheint  mir  die  Bedeutung  „Krokodil"  die  ursprüngliche 
und  hierher  passende  zu  sein.  Denn  die  Art,  wie  das  1.  Tageszeichen  in 
nicxicanisehen  und  zapotekischen  Bilderschriften  gezeichnet  ist  (Fig.  37), 
iässt  zweifellos  den  Kopf  des  Krokodils  erkennen,  mit  dem  selbständig 
l>ewegl]ehen.    nach  oben  klappenden  Oberkiefer,    der  diesem  Thier  ein  so 

9* 


116  Ed.  Seler: 

charakteristisches  AnsebeD  giebt  Die  von  Sahagun  und  Dur  in  für 
cipactli  gegebenen  Erklärungen  „Schwertfisch"  und  „Schlangenkopf", 
obwohl  die  erstere  ja  auch  in  dem  zapoteki scheu  Wort  vorliegt,  sioil  darnach 


5-9 bo^^  U        hl       6i, 


wohl  auszuscheiden.  Den  Indianern  des  Hochthals  von  Mexico,  dt-n 
Gewährsmänncni  dicsi-r  beiden  lliHtorikcr,  war  eben  das  Urbild  des  äi'ht«>ii 
cipactli  we<ler  aus  eigener  Anschauung,  norli  durch  sieben-  Ui-berliefening 
bekannt.  Aus  der  itcdcutung  „Krokodil"  ist  die  andere  „Bergreihe**. 
„ Spitzenreihe "  und  weiter  „Schwertfisch"  leicht  ableitbar.    Schwieriger  ist 


Zur  meiicaDiscbeD  Chronologie.  117 

es,    einen  Uebergang   zu   der  BedeutuDg  „WOrfelbohiie"  zu  finden.     Doch 
ist  auch  der,  meine  ich,  Torhanden.    Das  mit  cipactii  beginnende  Tonal- 


amatl  war  der  Inbegriff  aller  augurischen  Kunst.  Es  ist  durchaus  nicht 
gewagt,  anzunehmen,  dass  sich  deshalb  der  Name  auch  auf  das  Hand- 
werkszeug   der  Auguren,    die  Bohnen,    deren    sich    diu  Wahrsager    neben 


118  Ed.  Sblbr: 

dem  Tonalamatl  bedienten,  übertrug.  Bei  den  Maya  wurde  die  Würfel- 
bohne am  genannt.  Bei  dem  Fest  im  Monat  Zip  Hessen  die  Zauberer 
und  die  Aerzte  dies  ihr  Handwerkszeug  blau  anstreichen,  d.  h.  weihen. 
Es  erscheint  mir  nun  nicht  unwahrscheinlich,  dass  die  Worte  imix,  imex, 
mit  denen  die  Maya  und  die  Tzental-Zo'tzil  das  erste  Tageszeichen  be- 
nannten, mit  diesem  Worte  am  zusammenhängen.  Ja,  ich  möchte  noch 
das  etymologisch  sonst  schwer  erklärbare  mexicanische  Wort  amoxtli, 
„Buch",  auf  diese  Mayawurzeln  zurückführen.  Die  Maya- Hieroglyphe 
imix  (Fig.  38)  findet  sich  überaus  häufig  vergesellschaftet  mit  der  Hiero- 
glyphe kan,  und  gar  nicht  selten  sehen  wir  diese  Gruppe  unter  den  den 
Göttern  dargebrachten  Gaben  (Fig.  39).  Sie  bedeutet  vielleicht  „Bohnen 
und  Mais". 

Bei  dem  zweiten  Tageszeichen  ist  es  nicht  ein  Wort,  sondern  es  sind 
zwei  verschiedene  Worte,  die  nach  Ablösung  der  Vorsilben  übrig  bleiben: 
die  beiden  Worte  quij  und  laa,  die  aber  beide  dasselbe  bedeuten,  und 
zwar  nicht  „Wind**,  wie  man  nach  dem  mexicanisehen  zweiten  Tageszeichen 
eecatl  vermuthen  sollte,  sondern  „Gluth"  oder  „Feuer".  Das  ist  eine 
ausnehmend  merkwürdige  Thatsache,  denn  sie  macht  die  Rolle  erklärlich, 
die  wir  das  zweite  Tageszeichen  in  den  Maya-Handschriften  spielen  sehen. 
Im  Maya  und  den  verwandten  Sprachen  führt  das  zweite  Tageszejchen 
allerdings  den  Namen  ik,  eigentlich  i'k,  d.  h.  „Wind".  Aber  wo  es  in 
bildlichen  Darstellungen  oder  in  Hieroglyphen  auftritt,  da  giebt  es  die 
Idee  von  Flanmie  oder  Feuer.  So  in  der  Fig.  40  aus  Codex  Dresden  25, 
wo  wir  es  im  Centrum  der  aus  dem  Feuergefäss  auflodernden  Flamme 
sehen;  in  Fig.  41,  wo  es  am  Stabe  getragen  wird,  und  in  der  Hieroglyphe 
des  Sonnengottes  (Fig.  24),  die  zusammengesetzt  ist  aus  dem  Bilde  der 
Sonne,  einem  Element,  welches  „geflügelt"  bedeutet,  dem  Zeichen  beou, 
welches  die  geflochtene  Matte  und  das  geflochtene  Strohdach  bedeutet, 
und  dem  Zeichen  ik,  das  in  dieser  Combination  nur  das  an  das  Dach 
gelegte  Feuer  bedeuten  kann.  Im  Cogolludo  ist  als  Name  eines  Kriegs- 
und Schlachtengottes  das  Wort  Kakupacat,  „Feuerblick",  gegeben  und 
von  ihm  gesagt:  „fingian  quo  traia  en  las  batallas  una  rodela  de  fuego, 
con  que  so  abroquelaba".  Nun,  im  Codex  Tro  24  und  Codex  Dresden  69 
ist  der  schwarze  Chac  abgebildet  mit  Speer  und  Schild,  und  letzterer 
(Fig.  42)  hat  auf  seiner  Fläche  das  Zeichen  ik.  Kein  Zweifel,  dass  dies 
der  Feuorschild  ist,  und  dass  eben  der  schwarze  Chac  der  Kakupacat 
ist,  verwandt  dem  Cit-chac-coh,  dem  die  Krieger  im  Monat  Fax  den 
Kriegertanz  (holcan  okot)  tanzten.  Diese  Verbindung  von  Wind  und  Feuer, 
die  sich  also  hier  in  dem  zapotekischen  Namen  und  dem  Maya -Bild  des 
zweiten  Tageszeichens  entgegenstellt,  ist  auch  wohl  die  beste  Erklärung 
für  die  Zwitternatur,  die  dem  Windgott  Quetzalcoatl  zuzukommen  scheint, 
der  bald  einfach  als  solcher,  als  Windgott,  erscheint,  bald  die  getreuen 
Merkmale  des  alten  Feuer-  und  Lichtgottes  aufzuweisen  scheint. 


Zur  mexicanischen  Chronologie.  119 

Beim  dritten  Tageszeichen  erhalten  wir,  nach  Ablösung  der  nach  den 
Ziffern  wechselnden  Vorsilben  die  Formen  guela,  ela  und  ala  oder  laala. 
Hier  sind  guela  und  ela  bekannte,  viel  gebrauchte  Wörter  für  Nacht: 
queela  s.  gueela,  „Nacht";  te-ela,  „bei  Nacht";  te-chij  te-ela,  „bei 
Tag  und  bei  Nacht";  xilo-öla  c51o-ela,  „Mittemacht".  Die  Form  ala 
oder  laala  scheint  zu  der  Zeit,  wo  Juan  de  Cördoba  die  Sprache  auf- 
nahm, nicht  mehr  im  Gebrauch  gewesen  zu  sein.  Wir  werden  auch  weiter- 
hin finden,  dass  bei  den  Namen  der  Tageszeichen  der  Vocal  a  gegenüber 
späterem  e  bevorzugt  ist.  In  der  Bezeichnung  des  dritten  Tageszeichens 
mit  dem  Namen  der  Nacht,  dem  „dunklen  Haus  der  Erde",  anstatt  des 
aztekischen  calli,  „Haus",  stimmt  der  zapotekische  Kalender  mit  denen 
der  verschiedenen  Zweige  der  Maya- Familie  überein. 

Bei  dem  vierten  Tageszeichen  erhalten  wir  nach  Entfernung  der  Vor- 
silben die  Formen  gueche,  quichi,  ache,  achi,  ichi.  Das  Zeichen  ent- 
spricht dem  mexicanischen  cuetzpalin,  Eidechse.  Die  Bilderschriften 
zeigen  ein  in  der  Regel  blau  gemaltes,  geschwänztes,  eidechsenartiges  Thier, 
und  die  Interpreten  geben  an,  dass  das  Zeichen  „Reichthum  an  Wasser" 
bedeute.  Nun  ist  es  wirklich  schwer  verständlich,  wie  so  die  Eidechse,  die 
man  ja  am  häufigsten  auf  den  von  der  Sonne  erhitzten  Steinen  und  Mauern 
findet,  als  Symbol  des  Wasserreichthums  genommen  sein  kann.  Die  zapo- 
tekischen  Wortformen  scheinen  diese  Schwierigkeit  zu  lösen,  denn  diese 
sind  mit  „Frosch"  oder  „Kröte"  zu  übersetzen.  Das  Lexicon  giebt  peche, 
peeche,  beeche,  „todo  genero  de  rana  6  sapo".  Hier  ist  pe  nur  Vor- 
silbe, die  wir  in  der  Form  pe  oder  pi  bei  fast  allen  Thiernamen  vorfinden. 
Und  dass  das  eche  mit  dem  ache,  achi,  ichi  des  Kalenders  gleich  zu 
setzen  ist,  beweist  der  Vergleich  mit  dem  14.  Tageszeichen,  wo  wir  die- 
selben Formen,  gueche,  ache,  eche,  finden,  für  den  Tiger  gebraucht, 
der  in  dem  Lexicon  mit  pfeche-täo,  „der  grosse  pfeche",  bezeichnet  ist. 
Wie  nun  aber  bei  dem  1.  Tageszeichen  das  zapotekische  Wort  uns  eine 
Möglichkeit  an  die  Hand  gab,  die  anscheinend  so  incongruenten  mexica- 
nischen und  Maya -Hieroglyphen  und  deren  Bezeichnungen  mit  einander 
zu  vereinen,  so  scheint  das  auch  hier  bei  dem  4.  Tageszeichen  der  Fall 
zu  sein.  Peche  bezeichnet  im  Zapotekischen  nehmlich  auch  das  Maiskorn, 
allerdings  nicht  das  einfache  reife  Korn,  sondern  das  geröstete  und  in 
Folge  des  Röstens  geplatzte.  Wir  wissen,  dass  diese  Kömer,  welche  die 
Mexicaner  momochtli  nannten,  bei  den  Darbringungen  an  die  Götter  eine 
grosse  Rolle  spielten.  In  Tucatan  wird  bei  den  xma  kaba  kin-Cere- 
monien  sogar  jedes  Mal  angegeben,  wie  viel  solcher  Maiskörner  zu  dem 
Getränk  verwendet  wurden,  das  den  an  der  Procession  theilnehmenden 
Priestern  und  Häuptlingen  entgegengebracht  wurde.  Die  Maya -Bezeich- 
nung für  das  4.  Tageszeichen  ist  kan,  was  wohl  auf  kan  s.  kanan, 
„cosa  abundante  6  preciosa",  zurückgeht.  Von  der  Hieroglyphe  habe  ich 
in   den  Figg.  39,  43,  44   die    charakteristischsten    Formen   gegeben.      Sie 


120  ^^'  Sbi^R: 

zeigen  in  dem  oberen  Theil  entweder  die  Zähne  (wie  an  der  Gef&ss- 
möndung  der  Fig.  39  und  in  den  Hieroglyphen  der  Figg.  26,  30  und  2,  31,  32, 
oben  S.  106,  107)  oder  das  Auge,  die  beide,  —  wie  ich  oben  schon  bei  der 
Hieroglyphe  der  Figg.  2  und  31  —  33^  auseinandersetzte,  —  die  Idee  der 
OeflPhung  des  Spaltes  geben.  In  dem  unteren  Theile  der  Hieroglyphe,  unter- 
halb der  geschwungenen  Querlinie,  haben  wir  ebenfalls  ein  paar  Zähne, 
die,  gleich  den  Zähnen  des  oberen  Theiles,  wenn  die  Hieroglyphe  farbig 
gemacht  ist,  weiss  gelassen  werden.  Sie  sind  am  Natürlichsten  ebenfalls 
als  Andeutung  eines  Spaltes  aufzufassen.  Nimmt  man  dazu,  dass  die  Hiero- 
glyphe, wenn  sie  farbig  gemacht  ist,  regelmässig  gelb,  d.  h.  in  der  Farbe 
der  Aussenrinde  des  Maiskorns,  gemalt  ist,  so  wird  man  einräumen  müssen, 
dass  die  Hieroglyphe  kan  in  der  That  den  Vorstellungen,  welche  das 
geplatzte  Maiskorn  an  die  Hand  giebt,  entspricht.  Und  wirklich  ist 
ja  auch  die  Rolle,  welche  diese  Hieroglyphe  in  den  bildlichen  Darstellungen 
der  Maya- Handschriften  spielt,  eine  derartige,  dass  bisher  alle  Autoren 
von  selbst  darauf  gekommen  sind,  die  Hieroglyphe  kan  für  das  Maiskorn 
zu  erklären.  Ich  selbst  habe  früher,  weil  ich  nicht  an  das  geplatzte  Kom 
dachte,  für  kan  den  Maiskolben  gesetzt,  den  man  mitunter  mit  Auge  und 
Zähnen  abgebildet  sieht,  kann  aber  jetzt  diese  Erklärung  fallen  lassen, 
weil  das  Wort  pfeche  und  die  damit  sich  verbindenden  Vorstellungen 
einen  genügenden  Aufschluss  über  die  besonderen  Merkmale  der  Hiero- 
glyphe geben. 

Für  das  5.  Tageszeichen  giebt  der  zapotekische  Kalender  die  Staram- 
worte  zee,  zij,  die  wiederum  nicht,  wie  man  nach  dem  aztekischen  Namen 
des  5.  Tageszeichens  (coatl)  vermuthen  sollte,  etwa  mit  „Schlange"  zu 
fibersetzen  wären,  —  die  Schlange  heisst  im  Zapotekischen  pella 
8.  bela,  —  sondern  die  zunächst  etwas  Abstractes,  nehmlich  „Unglück**, 
„Unheil",  „Beschwerde",  „Elend",  zu  bedeuten  scheinen.  An  einer  Stelle 
des  Kalenders,  und  zwar  gleich  in  der  ersten  Dreizehnheit,  ist  statt  zee, 
zii  das  Wort  eignij  angegeben.  Und  das  bedeutet  „Betrüger",  „Fallen- 
steller, der  einen  ins  Unglück  bringt".  Zieht  man  diese  Variante  in 
Betracht,  so,  meine  ich,  werden  wir  dem  zii  eine  prägnantere  Bedeutung 
zuschreiben  können,  diejenige,  welche  in  dem  unzweifelhaft  von  dieser 
Wurzel  abgeleiteten  Worte  pijci  (pijze,  peezi)  vorliegt,  nehmlich  „un- 
heilvolles Vorzeichen".  So  kommen  wir  auf  Umwegen  auf  denselben 
Begriff,  den  uns  der  aztekische  Name  des  5.  Tageszeichens  an  die  Hand 
giebt,  auf  das  Wort  „Schlange".  Denn  diese  war  es,  welche  den  Zapo- 
teken  als  das  erste  und  be<lenklichste  aller  unheilvollen  Vorzeichen  galt. 
Tenian  estos  Zapotecas  muchas  cosas  por  agueros,  a  las  quales  si  encon- 
traban  6  venian  a  sus  casas  6  jnnto  ä  ellas,  se  tenian  por  agorados  dellas 
(„dass  ihnen  dadurch  Unheil  gebracht  sei").  El  primero  y  mas  prin- 
cipal  era  la  culebra,  que  se  llama  pella,  y  como  ay  muchas  maneras 
dellas,    de  la  manera  quo  era  ella,   assi  era  el  aguero;    esto  deslindava  ol 


Zar  mexicanischen  Chronologie.  121 

sortilegio  (Juan  de  Cördoba,  Arte  edid.  Leon,  p.  214).  In  meiner  Arbeit 
über  den  Charakter  der  aztekisclien  und  der  Maya- Handschriften  (Zeitschr. 
fär  Ethnol.,  XX.  S.  61)  habe  ich  den  Nachweis  geführt,  dass  die  Maya- 
Hieroglyphe  des  5.  Tageszeichens  (Fig.  45)  von  bestimmten  Eigenthümlich- 
keiten  der  Schlange  hergenommen  ist  und  zweifellos  die  Schlange  be- 
zeichnen soll.  Die  Bedeutung  des  Wortes  aber,  mit  welchem  die  Maya 
diesen  Tag  bezeichneten,  nehmlich  chicchan,  war  mir  nicht  ganz  klar 
geworden.  Jetzt  ist  es  mir  zweifellos,  dass  es  chic-chaan,  d.  h.  „tonuido 
senal*',  „tomado  aguero**,  bedeuten  soll. 

Für  das  6.  Tageszeichen  ergicbt  der  zapotekische  Kalender  die  Wort- 
form lana  s.  laana.  Von  den  verschiedenen  Bedeutungen,  welche  das 
Lexicon  für  diesen  Stamm  an  die  Hand  giebt,  würde  mir,  wenn  keine 
anderen  Vergleichsmomente  in  Betracht  gezogen  werden  müssen,  als  natür- 
lichste die  Bedeutung  „Hase*'  erscheinen,  —  pela-pilläana,  liebre  animal; 
too-quixe-pillaana,  s.  pfella  pillaana,  red  para  liebres,  —  um  so 
mehr,  als  wir  vorausgehend  Frosch  und  Schlange  haben,  und  in  der  Reihe 
der  Tageszeichen  folgend  Hirsch  und  Kaninchen  antreffen  werden,  und 
als  Juan  de  Cördoba  in  seinen  Bemerkungen  zu  dem  Kalender  geradezu 
sagt:  „y  para  cada  treze  dias  destos  tenian  aplicada  una  figura  de  animal, 
8.  aguila,  mono,  culebra,  lagarto,  uenado,  liebre**  etc.  Dem  steht  nun 
aber  allerdings  gegenüber,  dass  wir  sowohl  in  dem  mexicanischen  Kalender, 
wie  in  denen  der  Maya -Stämme,  an  dieser  Stelle  das  Bild  des  Todes  finden, 
und  dass,  —  mit  einziger  Ausnahme  des  Tzental-Zo'tzil,  —  dieses  Tages- 
zeichen auch  mit  dem  Namen  des  Todes  bezeichnet  wird.  Da  wir  bei  den 
übrigen  Zeichen  jederzeit  eine  directe  oder  indirecte  Uebereinstimmuug 
zwischen  diesen  3  Kalendern  finden,  so  werden  wir  uns  umsehen  müssen,  ob 
nicht  auch  bei  diesem  Zeichen  von  dem  in  dem  zapotekischen  Kalender 
gegebenen  Wort  ein  Uebergang  zu  der  Bedeutung  der  übrigen  Kalender 
eich  finden  lässt.  Hier  könnte  man  nun  zunächst  in  Betracht  ziehen,  dass 
pillaana,  „Hase**,  im  Lexicon  regelmässig  vergesellschaftet  ist  mit  pela, 
„Fleisch**,  wie  etwa,  wenn  wir  sagen  würden:  „Hasenwildpret",  und  dass  lana 
auch  das  „frische,  rohe  Fleisch**  ist:  hualkna  naläna,  „cosa  que  hiede  a 
carne  6  carnaza";  tilläa  naläna,  „heder  algo  ä  carnaza**.  Man  könnte  also 
etwa  an  das  frisch  getödtete,  das  erlegte  Wild  denken.  Läna  heisst  aber 
auch  „verhüllt**,  „versteckt**,  „dunkel**,  „heimlich**.  Und  ich  glaube,  diese 
Bedeutung  wird  man  hier  heranziehen  müssen,  um  so  mehr,  als  von  dieser 
Bedeutung  aus  der  merkwürdige  Name  tox,  welchen  das  6.  Tageszeichen 
in  dem  Tzental-Zo'tzil -Kalender  führt,  eine  Erklärung  zu  finden  scheint. 
Ich  habe  schon  in  meiner  früheren  Arbeit  diesen  Namen  in  Verbindung 
gebracht  mit  dem  Coslahun  tox,  welchen  Bischof  Nunez  de  la  Vega  bei 
den  Tzental-Zo'tzil  nennt,  —  el  demonio,  segun  los  Indios  dicen  con  trece 
potestades  (mit  13  Gewalten),  le  tienen  pintado  en  silla  y  con  astas  en  la 
cabeza  como  de  caniero    (mit    einer  Art  Widderhörnern    auf  dem  Kopfe). 


122  ^^'  SBLERr 

Ich  habe  aber  damals  diesen  Dämon  nicht  richtig  aufgefasst.  Coslahun 
tox  ist  ohne  Zweifel  Oxlahun-tox,  und  das  würde  im  Maya  Oxlahun 
tax  heissen,  —  wie  der  Maya-Monat  Mac  im  Tzental-Zo'tzil  Moc  lautet 
Oxlahun-tax  aber  bedeutet  die  „13  Ebenen",  und  ist  augenscheinlich 
nichts  anderes,  als  die  oxlahun  taz.  „die  13  Betten  oder  Schichten", 
d.  h.  die  oxlahun  taz  muyal,  die  „13  Schichten  der  Wolken",  die  in 
dem  von  ßrasseur  de  Bourbourg  in  der  Hacienda  von  Xconchakan  auf- 
gezeichneten Ackersegen  (tich,  „Misa  milpera")  angerufen  werden.  Mit 
anderen  Worten,  der  Dämon  Coslahuntox  ist  nichts  anderes,  als  der 
Wolkendämon  Mo  an*),  in  dessen  Hieroglyphe  (Fig.  46)  wir  ja  auch  die 
13  Schichten  oder  Decken  angegeben  finden,  und  dessen  Bild  (Fig.  47,  48) 
in  dem  Bischof  sehr  wohl  die  Vorstellung  erwecken  konnte,  als  ob  er 
mit  Hörnern  dargestellt  worden  sei,  um  so  eher,  als  die  Mönche  in  den 
Grestalten  der  eiugebornen  Mythologie  überall  Teufel  sahen  und  die  Teufel 
sich  sehr  realistisch  mit  Hörnern  vorzustellen  pflegten.  Wir  hätten  also 
den  Tzental-Zo'tzil- Namen  tox  mit  „Decke",  „Verhüllung",  „Schicht", 
„Wolkendecke"  zu  übersetzen.  Und  da  ist  es  denn  doch  wirklich  eine 
auffallige  Uebereinstimmung,  dass  wir  auch  das  zapotekische  Wort  für 
das  6.  Tageszeichen,  allein  oder  in  Verbindung  mit  pfee  oder  zäa,  für 
„Wolke"  gebraucht  finden.  Vergl.  pfee-läna-täo-peye  s.  pee-zaa- 
lana-täo-nagace,  „nubo  negra  y  oscura"  (eigentlich:  „grosse  Nebel- 
wolke", „grosse  schwarze  Wolke"),  zaa-quiepäa,  pee-zaa,  zee-läua- 
tao-yäti,  „mibe  blanca".  Aus  dem  Begriff  des  „Verhüllten",  „Dunklen" 
konnte  sich  sehr  wohl  der  des  Todes  entwickeln,  mit  dessen  Namen  in 
den  anderen  Kalendern  das  6.  Tageszeichen  benannt  ist.  In  der  That 
erscheint  auch  der  Moan,  der  Wolkendämon,  in  den  Maya- Handschriften 
regelmässig  von  Todessymbolen  begleitet. 

So  schwierig,  wie  das  6.  Tageszeichen  zu  entziffern  war,  so  einfach 
ist  das  siebente.  Wir  erhalten  nach  Entfernung  der  Vorsilben  den  Namen 
china,  und  das  ist  genau  das  mexicanische  ma^atl,  „Hirsch",  das  in  den 
mexicanischen,  und  das  queh,  quieh,  das  in  den  guatemaltekischen 
Kalendern  für  das  7.  Tageszeichen  angegeben  wird.  Dass  auch  die  Maya- 
Hieroglyphe  für  das  7.  Tageszeichen  damit  übereinstimmt  habe  ich  mich 
in  meiner  früheren  Arbeit  bemüht  nachzuweisen.  Die  eigentliche  Bedeutung 
derselben  ist,  wie  ich  oben  S.  105  auseinandersetzte,  „essen",  „Speise", 
„Fleisch".  Das  Maya -Wort  manik  ist  vielleicht  may-nik,  „gespaltener 
Huf"? 

Für  das  8.  Tageszeichen,  welches  dem  mexicanischen  tochtli,  „Ka- 
ninchen", entspricht,  erhalten  wir,  nach  Entfernung  der  Vorsilben,  iias 
Wort  lapa.  Ein  Wort  lapa,  „Kaninchen",  giebt  es  nun  allerdings 
nicht.     AbtT    die  Bezeichnungen,    die  für  „Kaninchen"  gebraucht  werden, 

1)    Seier,   Charakter   der   aztekischen   und   der  Maya -Handschriften   (Zeitschr.   für 
Ethnol,,  XX-  8.  91). 


Zur  mexicanischen  Chronologie.  123 

fähren  auf  denselben  Begriff,  der  in  lapa  vorliegt.  Läpa  heisst  „zer- 
thellen",  „zerbrechen",  und  das  Kaninchen  heisst  peola  oder  piteeza, 
welche  beiden  Worte  „das  Zertheilte",  „das  Zerlegte"  bedeuten.  Dass 
der  Begriff  des  Zertheilten,  Zerlegten  der  Bezeichnung  dieses  Tageszeichens 
zu  Grunde  liegt,  das  beweist  auch  die  Maya- Hieroglyphe  für  dasselbe 
(vergl.  Fig.  49),  in  der  das  Zertheilte,  Zerlegte  deutlich  angegeben  ist. 
Vielleicht  fuhren  auch  die  Ausdrücke  lambat  und  lamat,  die  im  Tzental- 
Zo'tzil  und  im  Maya  für  dieses  Tageszeichen  gebraucht  werden,  und  die 
aus  den  bekannten  Maya -Wurzeln  kaum  erklärbar  sind,  auf  das  hier  vor- 
liegende zapotekisohe  lapa  zurück. 

Das  9.  Tageszeichen  ist  im  Mexicanischen  atl,  „Wasser".  Der  zapo- 
tekische  Kalender  ergiebt  die  Worte  niza  und  queza.  Das  erstere  ist 
das  bekannte  und  allgemein  gebrauchte  zapotekische  Wort  für  „Wasser". 
Dass  queza  nur  eine  Variante  von  niza  ist,  beweisen  verschiedene  Ab- 
leitungen: peque^^a,  penipa,  s.  pini^a,  „milano  ave";  quie-cäche- 
ni^a,  quie--qufe<ja,  marmor,  piedra  marmolena.  Beides  sind  vermuthlich 
Ableitungen  von  ezaa,  „hernieder  kommen". 

Für  das  10.  Tageszeichen  ergiebt  der  zapotekische  Kalender  das  Wort 
tella,  der  mexicanische  hat  itzcuintli,  „Hund".  Die  Maya-Ausdrücke 
für  dieses  Tageszeichen  sind  dunkel,  aber  dass  die  Hieroglyphe 
(Fig.  50,  52)  den  Hund  bezeichnet,  habe  ich  in  meiner  früheren  Arbeit 
nachgewiesen.  Der  Hund  spielt  in  den  Maya-Handschriften  eine  bedeut- 
same Rolle.  Er  ist  das  Blitzthier,  das  mit  der  Fackel  in  den  Händen 
vom  Himmel  herunterstürzt  (vergl.  Codex  Dresden  40  b).  Und  die  tod- 
bringende Bedeutung  des  Hundes  ist  auch  in  seiner  Hieroglyphe  (Fig.  51) 
ausgesprochen,  in  der  man  die  Wirbelsäule  eines  Skelets  dargestellt  findet, 
ähnlich  wie  in  der  Fig.  53,  der  Hieroglyphe  des  Monats  kan-kin,  der 
gelben,  d.  h.  der  sengenden,  im  Zenith  stehenden  Sonne.  Der  Hund 
theilt  diese  Rolle  als  Blitzthier  in  den  Handschriften  mit  zwei  anderen 
Wesen:  das  eine  stellt  ein  Raubthier  dar,  mit  langem  Schwanz,  un- 
geiieckt,  etwas  länglichem  Kopf  und  dem  Zeichen  akbal  über  dem 
Auge,  das  in  Codex  Dresden  36a  mit  der  Haupt- Hieroglyphe  des 
Tigers  und  daneben  mit  der  Fig.  54  bezeichnet  ist,  einer  Hieroglyphe, 
die  aus  dem  Tageszeicben  kan  und  der  Hieroglyphe  kan,  „gelb", 
zusammengesetzt  ist,  die  also  vermuthlich  das  gelbe  Thier  bezeichnen 
solL  Ich  glaube,  dass  der  Löwe  oder  Kuguar  (coh)  gemeint  ist,  der 
ja  auch  z.  B.  im  Zapotekischen  als  „das  gelbe  Raubthier"  (peche- 
yäche)  bezeichnet  ist.  Das  andere  Wesen  hat  einen  Kopf  mit  rüssel- 
artig verlängerter  Schnauze  (Fig.  55)  und  Hufe  an  den  Füssen,  das- 
selbe ist  hieroglyphisch  durch  eben  diesen  Kopf  und  daneben  durch  die 
Fig.  56  bezeichnet,  welche  ans  einem  Beil,  einer  Feder  und  der  Abbre- 
viatur   eines  Kopfes    oder    des    Zeichens   uinal    [ein  ganzer  Manu^)]    zu- 

1)  Sei  er,   Ueber  die  Bedentnng  des  Zahlzeichens  20  in  der  Maja -Schrift  (Zeitscbr. 
f.  EthnoL,  XIX.  Verhandl.  S.  238,  239). 


124  Kd-  Seler: 

sammengesetzt  ist.  Dieses  Wesen  nehme  ich  als  tzimin,  „Tapir".  Wir 
wissen,  dass  der  Tapir  von  den  centralamerikanisohen  Völkern  in  enge 
Verbindung  mit  den  Gottheiten  der  4  Himmelsrichtungen  gebracht  wurde. 
Von  den  Itzaex  in  Peten  wird  berichtet,  dass  sie  ein  Idol  „de  figura  de 
oavallo"  verehrten,  welches  den  Namen  Tzimin-Chac,  „Gaballo  dtd 
Trueno  6  Rayo",  geführt  habe,  und  von  ihnen  als  Gottheit  des  Blitzes 
und  Donners  angesehen  worden  sei.  Von  dem  grossen  Gott  Votan  in 
Chiapas  berichtet  Nufiez  de  la  Vega:  „que  en  Huehueta,  que  es  pueblo 
de  Soconusco  estuvo,  y  que  alli  puso  dantas  (Tapire),  y  un  tesoro  grande 
en  una  casa  lobrega,  que  fabricö  a  soplos."  Ja,  bis  nach  Mexico  ist  das 
Wort  und  die  Vorstellung  der  himmelstützenden  Tapire  gedrungen.  Die 
6  tzitzimime  ilhnicatzitzquique,  „ängeles  de  aire  sostenedores  dol 
cielo",  welche  Tezozomoc  nennt,  —  „que  eran,  segun  decian,  dieses  de 
los  aires  que  traian  las  lluvias,  aguas,  truenos,  relämpagos  y 
rayos,  y  habian  de  estar  ä  la  redonda  de  Uitzilopochtli",  —  sind  nichts 
anderes,  als  die  nach  den  Kegeln  der  mexicanischen  Sprache  gebildete 
Mehrheitsform  von  tzimin,  „Tapir",  aus  der  freilich  dann  umgekehrt 
eine  Singularform,  tzitzimitl,  abgeleitet  worden  ist,  die  Bezeichnung 
einer  bestimmten,  mit  einer  Schädelmaske  verbundenen  Kriegerrüstung. 
Und  wenn  in  den  Maya-IIandschriften  der  Regengott  Chac  sich  durch 
eine  besonders  lange,  über  den  Mund  herabgekrümmte  Nase  auszeichnet 
(vergl.  die  Hieroglyphe  der  Fig.  27,  oben  S.  107),  und  bei  der  anderen 
Form  des  Regengottes,  welcher,  wie  es  scheint,  der  Name  Bolen  Zacab 
zukommt,  die  Nase  sich  geradezu  ausbreitet  und  Ausläufer  treibt,  so  meine 
ich,  hat  auch  dafür  der  Tapir,  der  mit  dem  Chac,  dem  Regengott,  iden- 
tisch gesetzt  wurde,  das  Vorbild  geliefert. 

Der  Tapir  heisst  im  Zapotekischen  peche-xölo,  und  der  einheimische 
haarlose  Hund  peco-xblo.  Hund  und  Tapir,  die  beiden  vom  Himmel 
herabstürzenden  Thiere,  die  den  Blitz  und  Donnerschlag  in  den  Händen 
tragen,  sind  also  hier  durch  die  gemeinsame  Bezeichnung  xolo  zusammen- 
gebracht. Und  dieses  Wort  xolo  selbst  ist  der  bekannte  Name  eines 
Dämons,  des  Dämons  Xolotl,  der  die  16.  Woche  (ce  cozcaquauhtli) 
und  das  17.  Tageszeichen  (olin)  regiert,  und  der  bald  direct  als  Hund 
(Cod.  Vat.  B.  4  und  77)  oder  doch  wenigstens  mit  den  abgestutzten  Ohren 
des  Hundes  dargestellt  wird  (Cod.  Borgia  50  und  Vaticanus  B.  33),  und 
der  als  Gottheit  der  Luft  und  der  4  Windrichtungen  durch  den  Brust- 
schmuck QuetzalcoatTs  gekennzeichnet  ist,  und  dadurch,  dass  neben 
ihm  die  4  Farben,  —  Symbole  der  4  Himmelsrichtungen,  —  und  das 
Zeichen  naui  olin,  „die  4  Bewegungen",  dargestellt  sind.  Es  ist  also 
kein  Zweifel,  dass  dieser  Dämon  dem  vom  Himmel  herabstürzenden  Thior 
der  Maya- Handschriften  gleich  zu  setzen  ist.  Der  Dämon  Xolotl  wird 
von  den  Interpreten  in  der  Regel  als  „Gott  der  Missgeburten"  bezeichnet. 
Thatsächlich    ist    er   auch    im  Codex  Borgia  27    mit    verkrümmten  Glied- 


Zur  mexicanischeD  Chronologie.  125 

maassen  und  auslaufenden  Augen  gezeichnet.  Und  mit  dem  Worte  Xolotl 
wurden  in  Mexico  allerhand  Zwitterbildungen,  die  als  Missgebnrten  an- 
gesehen wurden.»  bezeichnet. 

Kehren  wir  nun  zurück  zu  dem  Worte  ihla.  womit  im  zapotekischen 
Kalender  das  10.  Tageszeichen  bezeichnet  ist^  so  zeigt  sich^  dass  für  das- 
selbe kein  Sinn  sich  herausfinden  lässt  wollen  wir  hierfür  einfach  „Hund", 
entsprechend  dem  mexikanischen  itzcuintli^  setzen,  dass  aber  das  Wort 
sofort  Terständlich  wird,  wenn  wir  an  den  vom  Himmel  herabstürzenden 
Hund  denken,  den  uns  die  Maya- Handschriften  vor  Augen  führen.  Tela 
ist  nehmlich  tee-läo,  „boca  abajo",  mit  dem  Kopf  nach  unten,  also  ent- 
sprechend dem  mexicanischen  Tzontemoc.  Die  znsanmiengezogene  Form 
tela  liegt  im  Zapotekischen  in  verschiedenen  Ableitungen  vor,  wie  ti- 
tela-nii,  was  von  dem  nach  hinten  Ausschlagen  der  Thiere  gebraucht 
wird:  tinnij-natela,  ^verkehrte  Reden  führen*';  totela,  ^die  Würfel 
aus  dem  (mit  der  Mündung  nach  unten  gekehrten)  Becher  schütten^; 
quela-natela-lachi,  „Verwirrung"  (wenn  im  Geiste  Alles  kopfüber  und 
kopfunter  geht). 

Für  das  11.  Tageszeichen  giebt  der  zapotekische  Kalender  nach  Ent- 
fernung der  Vorsilben  die  Form  loo  oder  (bei  1  XI)  goloo.  Das  ent- 
spricht dem  mexicanischen  ocomatli,  „AfiTe",  denn  das  Vocabular  ergiebt 
pillao,  pilleo,  pillöo  gonna,  „mona  animal"  (gönna  ist  nur  Ferainin- 
Beseichnung).  Dass  auch  die  übrigen  Kalender,  sowie  die  Maya- Hiero- 
glyphe dieses  Tageszeichens  mit  dieser  Bedeutung  in  Einklang  zu  bringen 
sind^  habe  ich  in  meiner  früheren  Arbeit  nachgewiesen. 

Für  das  12.  Tageszeichen  giebt  der  zapotekische  Kalender  die  Form 
pija.  Xur  bei  dem  mit  der  ZifiFer  1  verbundenen,  wo  wir  quia  pija 
oder  quiepija  zu  erwarten  hätten,  ist  qui  cuija  angegeben.  Es  scheint, 
dass  hier  eine  Verderbniss  vorliegt,  und  dass  wir  quie  pija  oder  quie 
chija  zu  lesen  hätten.  Pii,  chii  heisst  „gedreht  werden".  Es  entspricht 
also  pija  genau  dem  Namen  (malinalli),  welchen  das  Tageszeichen  in 
dem  mexicanischen  Kalender  führt.  Abweichend  ist  die  Benennung  und 
die  Darstellung  dieses  Zeichens  in  den  Maya- Kalendern.  Der  Name  lautet 
ee  wler  eb,  d.  h.  „Zahnreihe",  „Spitzenreihe".  Er  wird  in  der  guatemalte- 
kischen Chronik,  ebenso  wie  das  mexicanische  malinalli,  mit  „escobilla" 
übersetaEt.  Diese  üebersetzung  ist  zweifellos  richtig.  Die  „escobilla"  ist 
ein  aas  Pflanzenfasern  zusammengebundenes,  besen-  oder  pinselartiges 
Werkzeug,  das  noch  heutigen  Tags  allgemein  zum  Reinigen  der  Kleider 
und  zum  E^ämmen  der  Haare  von  den  Indianerinnen  gebraucht  wird 
(zapotekisch:  peego).  Die  escobUla  ist  daher  das  Symbol  der  Reinigung 
und  das  Werkzeug  der  Frauen;  sie  ist  das  Attribut  der  mächtigen  Göttin 
Teteoinnan  oder  Toci,  der  alten  Erdgöttin,  welcher  in  der  Mitte  des 
Sommers  das  Ochpaniztli.  das  ^Besenfest",  d.  h.  das  Reinigungs-  oder 
Sftndentilgungsfest,    gefeiert  ward.     Die  Maya- Hieroglyphe  des  12.  Tages- 


126  Ed.  Sblbr: 

Zeichens  (vergl.  Fig.  88)  zeigt  uns  das  Gesicht  der  alten  Göttin  und  hinter 
ihm,  als  Erkennungszeichen,  die  escobilla. 

Bei  dem  13.  Tageszeichen  finden  wir  die  Wortformen  quij,  ij  und 
laa.  Quij  heisst  „das  Rohr",  entsprechend  dem  Namen  acatl,  welchen 
das  Tageszeichen  im  mexicanischen  Kalender  führt,  und  mit  welchem  auch 
die  guatemaltekische  Bezeichnung  ah  in  Ueberoinstimmung  zu  stehen 
scheint.  Das  Maya-Wort  been  ist  dunkel;  dass  aber  die  Hieroglyphe 
been  auf  denselben  Begriff  des  Rohrs  oder,  genauer  vielleicht,  des  rohr- 
geflochtenen Daches,  der  rohrgeflochtenen  Matte  zurückführt,  habe  ich  in 
meiner  früheren  Arbeit  nachgewiesen.  Das  Wort  Ida  finde  ich  in  dem 
zapotekischen  Lexicon  in  der  Bedeutung  „Rohr"  nicht  angegeben.  Da 
wir  indes  bei  dem  2.  Tageszeichen  (Wind,  Feuer)  dieselben  Wortformen 
quij,  laa  synonym  gefunden  haben,  so  spricht  die  Wahrscheinlichkeit 
dafür,  dass  auch  für  quij,  „Rohr",  ein  Synonymen  laa  existirt  haben 
mag.  Es  ist  übrigens  ein  merkwürdiges  Zusammentreffen,  dass  in  der 
Maya- Schrift  die  Hieroglyphen  dieser  beiden,  im  Zapotekischen  gleich- 
lautenden Tageszeichen,  die  Hieroglyphen  ik  und  been,  überaus  häufig 
vergesellschaftet  angetroffen  werden  (vergl.  Fig.  24). 

Beim  14.  Tageszeichen,  mexicanisch  ocelotl,  „Tiger**,  giebt  der 
zapotekische  Kalender  gueche,  eche,  ache,  ähnlich  wie  beim  4.  Tages- 
zeichen.  Wie  wir  dort  in  den  Worten  peche,  pfeeche,  beeche,  „Frosch" 
des  Vocabulars,  eine  Ueberoinstimmung  mit  der  mexicanischen  Benennung 
herstellen  konnten,  so  giebt  hier  das  Lexicon  pfeche-täo,  „das  grosse 
Thier"  =^  tigre,  animal  feroz.  Dass  die  Maya- Hieroglyphe  ebenfalls  den 
Tiger  zum  Ausdruck  bringt,  habe  ich  in  meiner  früheren  Arbeit  nach- 
gewiesen. Für  den  Maya-Namen  dieses  Tageszeichens  (ix)  ist  wohl  die 
Cakchiquel- Benennung  yiz,  —  d.  i.  Maya  h-ez,  „der  Zauberer",  —  als 
aufschlussgebend  zu  betrachten.  Meiner  Auffassung  nach  ein  Glied  mehr 
in  der  Kette  der  Gründe,  die  dafür  sprechen,  dass  das  Tageszeichen- 
System  den  Maya  durch  Vermittelung  der  verwandten  Stamme  von  Chiapas 
bekannt  geworden  ist.  Denn  dem  Maya  z  entspricht  vielfach  ein  Tzental- 
Zo'tzil  X. 

Das  15.  Tageszeichen  hat  im  zapotekischen  Kalender  die  Form  naa. 
und  bei  dem  mit  der  Ziffer  1  verbundenen  quin  naa.  Die  mexicanische 
Bezeichnung  ist  quauhtli,  „Adler",  mit  der  die  guatemaltekische  tziquin, 
„Vogel",  sich  recht  gut,  schwieriger  das  Maya-Wort  men  und  die  Maya- 
Hieroglyphe  (Fig.  57)  vereinen  lässt.  Aber  wiederum  liefert  die  zapote- 
kische Bezeichnung  den  sprachlichen  Beleg  für  dasjenige,  was  ich  in  meiner 
früheren  Arbeit  aus  der  Form  der  Hieroglyphe  schliesst^n  zu  müssen  glaubt«». 
Die  Maya- Hieroglyphe  (Fig.  57)  zeigt  uns  ein  altes,  gefurchtes  Gesicht. 
Und  wir  sehen  diese  Hieroglyphe,  in  die  Länge  gezogen,  mit  Federbällen 
bestockt  (Fig.  58),  in  verschiedener  bildlicher  und  hieroglyphischer  Ver^ 
Wendung,    unter   anderem    auch    in    der    Hieroglyphe,    welche    die  Haupt- 


Zur  mezicaDischen  Chronologie.  127 

Hieroglyphe  des  Adlers  zu  begleiten  pflegt.  Ich  hatte  damals  geschlossen, 
dass  die  Maya- Hieroglyphe  das  Bild  der  alten  Erdmutter  darstelle,  der 
allverehrten  Göttin,  die  Tonantzin,  ^unsere  Mutter",  genannt  wird,  die 
mit  den  feinen  weissen  Daunenfedem  des  Adlers  beklebt  einhergeht,  und 
die  im  Wiener  Codex  direct  mit  der  Namenshieroglyphe  ce  quauhtli 
»■  „1.  Adler"  erscheint.  Nun,  die  zapotekische  Benennung  ergiebt  das- 
selbe, denn  naa,  naa  heisst  „Mutter",  ein  Wort,  das  nur  gewöhnlich 
mit  dem  Präfix  xi  der  Genitivbeziehung  erscheint,  weil  Verwandtschafts- 
namen nie  ohne  Possessivbeziehung  genannt  zu  werden  pflegen. 

Das  16.  Tageszeichen  ist  im  mexicanischen  Kalender  mit  dem  Bild 
des  Geiers  (cozcaquauhtli)  bezeichnet.  Die  Maya-Stämme  von  Guate- 
mala bezeichnen  es  mit  ah-mak,  und  dieses  Wort  scheint  ebenfalls  den 
Geier  zu  bezeichnen,  ,,der  die  Augen  ausfrisst",  ^jder  grubige  Vertiefungen 
macht".  Das  zapotekische  Wort  ist  loo  oder  guilloo.  Damit  könnte 
zwar  nicht  der  Geier,  aber  ein  anderer  Vogel,  der  Rabe  (pelao,  balloo), 
gemeint  sein.  Der  Geier  heisst  im  Zapotekischen  pelläqui  (pelahui, 
balai,  baldai).  Und  es  wäre  nicht  unmöglich,  dass  diesen  beiden  Bezeich- 
nungen eine  einheitliche  Vorstellung  zu  Grunde  liegt.  Läo,  Ibo  heisst 
„Auge",  „Angesicht",  „Vorderseite",  „Aussenseite".  Laqui,  lahui,  lai 
heisst  „mitten  innen  eingesetzt",  „zwischen",  „gemeinsam",  „öffentlich". 
Jedenfalls  aber  ist  die  Bedeutung,  welche  dem  Stammwort  von  pelläqui, 
baldai,  „Geier",  zu  Grunde  liegt,  auch  in  dem  Stammwort  loo  vor- 
handen. Wir  haben  z.B.  xi-loo-eela,  co-loo-eela,  „Mitte  der  Nacht", 
„Mittemacht";  loo-thbo,  „Mitte  des  Körpers",  „Brust",  „Rumpf".  Noch 
ein  dritter  Vogel  ist  in  dem  mexicanischen  Kalender  der  Cronica  Fran- 
eiseana  vt>n  Guatemala  genannt,  nehmlich  tecolotl,  „der  Nachtvogel", 
„die  Eule".  Für  den  leichenschmausenden  Geier  und  3en  dunklen  Vogel 
der  Nacht  ist  der  Begriff  des  Todes  die  leicht  verständliche  verbindende 
Vorstellung.  Auch  in  den  Bilderschriften  findet  man  es  öfters,  dass  der 
cozcaquauhtli  und  die  Eule  stellvertretend  für  einander  eintreten. 

Ganz  andere  Vorstellungen  ergeben  sich,  wie  ich  schon  in  meiner 
früheren  Arbeit  ausführte,  aus  der  Maya -Hieroglyphe.  Dieselbe  zeigt 
(vergl.  Fig.  59)  eine  Figur,  die  regelmässig  in  den  Handschriften  auf  den 
Krügen  angebracht  ist,  aus  denen  das  berauschende  Getränk,  der  Honig- 
wein, herausschäumt  (vergl.  Fig.  36  b,  oben  S.  107),  und  die  nichts  anderes, 
als  eine  etwas  stylisirte  Form  des  yaca  metztli,  des  halbmondförmigen 
Nasenschmuckes  der  Pulquegötter,  der  in  mexicanischen  Bilderschriften 
auf  Trinkgefässen  augebracht  wird,  zu  sein  scheint*).  Der  obere  Theil 
der  Hieroglyphe  zeigt  die  Streifung,  die  bei  Schlangen  angebracht  zu 
werden  pflegt,  und  scheint  die  Schlange  andeuten  zu  sollen,  die  nicht 
selten    den  Weinkrug   umwindend    gezeichnet  wird.     Auch  der  Name  cib 

1)  Vergl.  Veröffentlichungen  des  Konigl.  Musenms  für  Volkerkunde  in  Berlin,  I.  S.  132, 
Idd  und  Fig.  61,  62,  8. 169. 


128  Ed.  Sbler: 

passt  zu  dieser  Vorstellung,  denn  ci  ist  die  Maguejpflanze  und  wird 
auch  zur  Bezeichnung  des  daraus  bereiteten  Pulque,  wie  jedes  anderen 
berauschenden  Getränkes,  verwendet.  Gib  durfte  dann  mit  dem  Instru- 
mentalsuffix  gebildet  sein  und  ^was  zu  dem. Weine  dient*'  bedeuten,  also 
entweder  den  Honig  oder,  richtiger  vielleicht,  die  narkotische  Wurzel, 
die  dem  gährenden  Getränk  zugesetzt  wurde.  Diesen  Zusatz  bezeich- 
neten die  Mexicaner  mit  pätli,  „Medicin",  wonach  der  Pulquegott 
PatecatP)  genannt  ward.  Eine  Verbindung  zwischen  diesen  Vor- 
stellungen und  dem  mexicanischen  Namen  des  Tageszeichens  (cozca- 
quauhtli,  „Geier*^)  ergiebt  sich,  wie  ich  ebenfalls  schon  in  meiner 
früheren  Arbeit  andeutete,  aus  der  Vorstellung  des  Geiers,  des  kahlköpfigen^ 
als  Symbol  des  Alters,  denn  nur  dem  Alter  war  in  Mexico  der  Genuss  des 
Pulque,  des  berauschenden  Getränkes,  gestattet.  Es  scheint  nun,  als  ob 
auch  der  zapotekisehe  Name  dieses  Tageszeichens  in  den  Rahmen  dieser 
Vorstellungen  sich  fügt,  denn  loo,  loo-pka  heisst  die  Wurzel,  könnte 
also  dem  pätli  der  Mexicaner,  dem  Maya  cib,  d.  h.  der  Pulquewürze, 
entsprechen.  Auch  in  unserer  Sprache  besteht  ja  ein  unzweifelhafter 
etymologischer  Zusammenhang  zwischen  Wurzel  und  Würze.  Ja,  ich 
meine,  der  Doppelsinn  der  zapotekischen  Bezeichnung  ist  an  der  diver- 
girenden  Darstellung  und  Benennung  des  16.  Tageszeichens,  wie  sie  im 
mexicanischen  und  Maya- Kalender  vorliegen,  vielleicht  mehr  betheiligt, 
als  der  Ideonzusammenhang,  der  die  Vorstellungen  von  Geier,  Kahl- 
köpfigkeit, Alter  und  Pulque  verknüpft.  Irre  ich  nicht,  so  kommt  eine 
divergireride  Darstellung  auch  in  der  Maya -Hieroglyphe  dieses  Tages- 
zeichens direct  zum  Ausdruck.  Denn  gelegentlich  finden  wir  als  Variante 
derselben  die  Fig.  60,  in  der  der  auszeichnende  Bestandtheil  Glicht  das 
Pulque -Symbol,  sondern  eine  Feder  oder  vielleicht  direct  der  Nachtvogel, 
die  Eule,  ist  (vergl.  Fig.  63,  eine  der  Hieroglyphen  der  Eule).  Das 
würde  also  der  oben  angeführten  guatemaltekischen  Benennung  dieses 
Tageszeichens  entsprechen.  Auch  die  Formen  der  Bücher  des  Chilan 
Balam  (Fig.  61,  62)  scheinen  eine  Feder  andeuten  oder  wiedergeben  zu 
sollen. 

Das  17.  Tageszeichen  heisst  im  zapotekischen  Kalender  xoo.  Das 
entspricht  genau  dem  aztekischen  Namen  desselben,  olin,  Bewegung,  denn 
das  zapotekisehe  Wort  xoo  verbindet  mit  der  allgemeineren  Bedeutung 
„gewaltig",  „kräftig",  „gewaltsam"  die  besondere  „Erdbeben":  xoo, 
xixooui,  „temblor  de  tierra";  tixoo  layoo,  „temblar  la  tiorra";  pitäo- 
xoo,  „dies  de  los  terremotos".  Und  bekanntlich  wird  in  mexicanischen 
Bilderschriften  historischen  Inhalts,  wie  in  den  Codices  Telleriano  Kemensis 

1)  In  meiner  Abhandhing  ..Das  Tonalamatl  der  AubinVhen  SarnmluiiK'*  (Compte 
rendu,  Vif.  Shss.  Congres  int^'rnaHonal  Ampricanist«»»,  Berlin  1888)  habe  ich  die  irrtbüm- 
liche  l^sart  Pantecatl  auf^enommeD  Alle  daran  geknüpften  Folgerungen  sind  also 
hinfillig. 


Zur  medcanischen  Chronologie.  129 

und  Yaticanus  A,  das  Zeichen  olin,  —  allerdings  gewöhnlich  in  Ver- 
bindung mit  den  braunen  und  schwarzen  punktirten-  Streifen,  die  die  Erde 
oder  den  Acker  bedeuten,  —  allgemein  zur  Bezeichnung  eines  eintretenden 
Erdbebens  verwendet,  wie  auch  das  Zeitwort  olini  insbesondere  vom 
Erdbeben  gebraucht  wird:  „auh  in  tlalli  olini^  (Olmos). 

Wenn  aber  dies  die  Grundbedeutung  des  olin  ist,  so  werden  wir  auch 
für  die  Hieroglyphe,  mit  welcher  in  den  Maya- Handschriften  das  17.  Tages- 
zeichen bezeichnet  ist,  eine  ähnliche  Ausgangsvorstellung  ins  Auge  zu  fassen 
haben.  Und  in  der  That,  schon  der  Name,  den  das  Tageszeichen  in  den 
Kalendern  der  Maya- Stämme  führt,  weist  auf  diese  Grundvorstellung  hin. 
Das  Tzental-Zo'tzil-Wort  chic  heisst  „sich  schütteln".  Die  guatemalte- 
kische Bezeichnung  noh  heisst  „gross",  „gewaltig",  entsprechend  der 
Grundbedeutung  des  zapotekischen  xöo.  Der  Maya-Name  caban  heisst 
„was  nach  unten  gebracht,  was  unten  ist",  s.  v.  a.  Erde,  Welt.  Eine  noch 
prägnantere  Bedeutung  hat  das  Stammwort  cab,  das  in  Charencey's 
Vocabular  mit  „terrain  volcanique"  übersetzt  ist,  also  „Erdbebengebiet". 
Im  weiteren  Sinne  wird  es  auch  'für  „Erde",  „Welt"  gebraucht.  Und 
wenn  dasselbe  Stanmiwort  cab  ausserdem  noch  „Ausscheidung"  und 
„Honig"  bedeutet  („miel,  colmena,  ponzona  de  insecto,  untuosidad  de  una 
planta  b  fruta),  so  ist,  scheint  es,  der  Zwischenbegriff  der  des  Abtropfens, 
des  nach  unten  Tropfens. 

Die  Formen  der  Hieroglyphe  caban  (Fig.  64)  sind  sehr  überein- 
stimmend.    Ihre    eigentliche  Bedeutung  aber  hatte  ich  in  meiner  früheren 

■ 

Arbeit  noch  nicht  erkannt.  Die  Hieroglyphe  enthält  ein  Element,  das  den 
charakteristischen  Bestandtheil  der  Hieroglyphe  der  jungen  Göttin  bildet, 
der  Chibirias  oder  Ixchebelyax,  der,  wie  ich  nachweisen  zu  können 
glaube,  der  Name  Zac  Zuhuy,  „die  weisse  Jungfrau",  zukommt,  ein 
Name,  den  wir  auch  in  dem  Zac  Ziui,  dem  Bacab  der  ix- Jahre,  welchen 
Lau  da  nennt,  zu  erkennen  haben.  In  der  Hieroglyphe  dieser  Göttin 
(Pig.  65,  66)  ist  nun  deutlich  zu  sehen,  dass  das  Element,  welches  die 
auszeichnenden  Bestandtheile  der  Hieroglyphe  caban  bildet,  einen  Theil 
des  dunklen  Haarschopfes  mit  den  lang  herabwallenden,  peitschenartigen 
Strähnen  darzustellen  bestimmt  ist,  die  der  ganzen  Figur  der  Göttin,  wo 
sie  voll  gezeichnet  ist,  ein  so  charakteristisches  Ansehen  geben.  Demnach 
werden  wir  die  Hieroglyphe  caban  nur  als  eine  Abbreviatur  der  Hiero- 
glyphe dieser  Göttin  aufzufassen  haben,  und  kommen  also  wiederum  auf 
dieselbe  Bedeutung  zurück,  die  ich  schon  aus  dem  zapotekischen  Worte 
xoo  ableitete,  nehmlich  auf  die  Erde.  Denn  die  Ixchebelyax,  die  junge 
Göttin,  ist  nur  eine  andere  Form  der  Erdgöttin,  die  der  alten  Erdniutter 
Ixchel  in  ähnlicher  Weise  gegenübersteht,  wie  bei  den  Mexicanem  die 
Xochiquetzal  der  Tonantzin.  Einen  schlagenden  Beweis  für  die 
Richtigkeit  dieser  meiner  Auffassung  der  Hieroglyphe  caban  sehe  ich  in 
dem  Umstände,    dass    diese  Hieroglyphe  homolog  auftritt  der  Hieroglyphe 

Zttmchritt  für  Ethnologie.    Jahrg.  1891.  10 


130  ^*  Selbb: 

men  (Fig.  57),  die,  wie  ich  oben  ausführte,  das  Bild  der  alten  Erdgöttin, 
der  Erdmutter,  der  Ixchel  oder  Tonantzin,  wiedergiebt.  Vergl.  die 
beiden  Figg.  70  und  71,  die  Codex  Tro  9*a  für  die  herabfliegende  Biene 
gebraucht  werden. 

Mit  dieser  Auffassung  des  Zeichens  caban  stimmt  nun  endlich  auch 
sehr  gut  überein  die  Rolle,  welche  wir  die  Hieroglyphe  caban  in  den 
Ilieroglyphengruppen  der  Maya- Handschriften  spielen  sehen.  Dieses  Ele- 
ment bildet  nehmlich  einen  wesentlichen  Bestandtheil  in  allen  Hiero- 
glyphen, welche  das  „unten**  oder  „das  Herabkommen  aus  der  Höhe** 
versinnbildlichen.  So  in  der  Hieroglyphe  der  fünften  Richtung  (Fig.  5 — 7), 
die  das  Centrum  bezeichnet;  in  der  Hieroglyphe  der  Biene  (Fig.  68 — 71), 
des  von  oben  herabschwebenden  Insekts;  in  der  Hieroglyphe  Fig.  74 — 76, 
die  das  Ausgiessen  aus  dem  Kruge  oder  dem  Schlauche  veranschaulicht; 
in  der  Hieroglyphe  Fig.  77,  die  das  Fällen  des  Baumes  bezeichnet;  in  der 
aus  dem  Element  caban  gebildeten  Schlange,  auf  welcher  im  Codex 
Dresden  30a  der  grüne  Chac,  der  Chac  der  fünften  Richtung,  her- 
niederfährt. Wenn  ich  in  meiner  früheren  Abhandlung  diese  caban - 
Schlange,  wie  auch  die  Fig.  67,  die  in  der  Dresdener  Handschrift  an 
mehreren  Stellen  als  Sitz  oder  Fussgestell  des  Chac  fungirt,  und  das 
Element  caban  überhaupt  als  den  himmlischen  Sitz  bezeichnet  habe,  so 
habe  ich  dabei  fölschlich  das  Herabkommen  aus  der  Höhe  an  Stelle  des 
Herabkommens  betont.  In  Wahrheit  ist  diese  Figur,  wie  die  Fig.  58, 
die  an  anderen  Stellen  der  Dresdener  Handschrift  als  Sitz  des  Chac  fun- 
girt,  als  das  „Unten*^,  als  die  Erde  zu  bezeichnen.  Das  Gesicht  der  alten 
Erdgöttin  liegt  ja  in  der  Fig.  58  klar  vor,  während  die  Figur  der 
Hieroglyphe  caban,  wie  ich  oben  anführte,  die  Frisur  der  Erdgöttin  zur 
Anschauung  bringt.  Ich  erwähne  noch  die  Fig.  72,  welche  im  Codex 
Tro  25*b  das  Bild  des  Tabak  rauchenden  Himmelsgottes  begleitet.  Nach 
einer  noch  heute  in  Tucatan  lebendigen  Anschauung  sind  die  Bai  am,  die 
Götter  der  4  Himmelsrichtungen  oder  der  4  Winde,  grosse  Raucher,  und 
die  Sternschnuppen  nichts  anderes,  als  die  brennenden  Stummel  der 
Riesencigarren,  welche  diese  Wesen  vom  Himmel  hemiederwerfen.  Und 
wenn  es  blitzt  und  donnert,  so  schlagen  die  Bai  am  Feuer,  um  ihre 
Cigarren  anzuzünden^).  Die  Fig.  72  zeigt  das  Element  des  Steins  und 
das  Element  des  Herabkommons  aus  der  Höhe.  Der  bezeichnete  Volks- 
glaube erklärt  daher  in  einfacher  Weise  diese  sonderbaren  Bilder  und  die 
Hieroglyphen,  welche  diese  Bilder  begleiten.  An  einer  anderen  Stelle, 
Codex  Tro  26 *b,  ist  der  Raucher  im  Text  durch  die  Hieroglyphe  der 
Fig.  73  bezeichnet.  Dieselbe  ist  entweder  als  „der  Nächtliche*'  zu  über- 
setzen (vergl.  die  Hieroglyphe  akbal)  oder  als  „der  Rothe",  „der  Chac". 
Denn  das  Element  akbal  habe  ich  an  verschiedenen  Stellen  (z.  B.  Codex 
Cortes  20d)   als   stellvertretend    für  Fig.  20  =  Chac,  „roth",    angetroffen. 

1)   Brinton,  Folklore  Journal,  VoL  I. 


Zar  mexicanischen  Chronologie.  131 

Das  18.  Tageszeichen  führt  im  zapotekischen  Kalender  den  Namen 
opa  oder  gopa.  Das  ist  ohne  Zweifel  dasselbe  Wort  wie  copa,  ^kalf^, 
„Kälte";  täca-cöpa,  tipfee-ebpa,  frio  hacer,  tixöpa-ya,  „mir  ist  kalt". 
Diese  Bezeichnung  stimmt  zu  der  Bedeutung  des  Zeichens  im  mexicanischen 
Kalender  (tecpatl,  „Feuerstein")  und  zu  den  Bildern  der  Maya- Hiero- 
glyphe (eonab),  die  ebenfalls  den  geschlagenen  Stein,  die  Feuersteinspitze 
zur  Anschauung  bringen.  Denn  die  Begrifife  „Stein",  „Spitze",  „Kälte" 
gehen  in  der  Vorstellung  und  in  den  Sprachen  der  Mexicaner  in  einander 
über.  Itztlacoliuhqui,  der  Gott  des  Steins,  ist  zugleich  der  Gott  der 
Kälte,  der  Verblendung  und  der  Sünde. 

Der  zapotekische  Name  des  19.  Tageszeichens  ist  schwieriger  zu 
deuten.  Nach  Entfernung  der  Vorsilben  erhalten  wir  die  Formen  ape, 
appe,  aape,  gappe.  Das  ist  wohl  in  aa-pee  oder  caa-pee  aufzulösen, 
und  dieses  würde  dann  „mit  Nebel  überzogen"  oder  „Wolkenbedeckung" 
bedeuten.  Das  entspricht  nun  zwar  nicht  direct  der  mexicanischen  Bezeich- 
nung qniauitl,  „Regen",  wohl  aber  der  Form  der  Maya-Hieroglyphe 
(Fig.  78),  welche,  wie  ich  in  meiner  früheren  Arbeit  nachgewiesen  habe, 
eine  Abbreviatur  des  Kopfes  des  Mo  an -Vogels  (Fig.  46 — 48)  enthält,  der 
mythischen  Conception  des  muyal,  der  Wolkenbedeckung  des  Himmels. 
Auch  scheint  die  Benennung  dem  anderen  mexicanischen  Namen  zu  ent- 
sprechen, den  das  Zeichen  in  Guatemala  führte,  ayotl,  „Schildkröte". 
Denn  die  Wolke  wurde  auch  unter  dem  Bilde  der  fliegenden  Schildkröte 
angeschaut.  Im  Codex  Cortes  17  a  sehen  wir  das  Bild  derselben  begleitet 
von  der  Hieroglyphengruppe  der  Fig.  79,  die  in  ihrem  ersteren  Theile 
oben  das  Element  des  Fliegens  und  darunter  das  Element  cauac  enthält. 
Und  anderwärts  sehen  wir  die  Schildkröte  bald  in  dem  Wasserstrahl, 
neben  dem  Frosch,  von  oben  herunterkommen,  bald  mit  aufgesperrtem 
Rachen  an  dem  Himmelsschilde  hängen^). 

Wenn  aber  die  zapotekische  Benennung  des  19.  Tageszeichens  nur 
mit  einem  gewissen  Fragezeichen  den  Namen  der  anderen  Kalender  an- 
zureihen ist,  so  bietet  andererseits  die  zapotekische  Sprache  den  einzigen 
und  directen  Anhalt  zur  Erklärung  der  Rolle,  welche  wir  die  Hieroglyphe 
cauac  in  den  Maya -Handschriften  spielen  sehen.  Wir  finden  nehmlich 
einerseits  allerdings  Verwendungen,  die  dem  Begriff  Wolke  oder  Regen  nahe 
liegen.  So  die  Hieroglyphe  Fig.  80,  die  Begleithieroglyphe  der  Fig.  46,  d.  h. 
des  Vogels  Mo  an.  Sodann  die  Fig.  28  (oben  S.  107),  die  Begleithieroglyphe 
des  Namens  Kinchahau,  die  ausser  cauac  noch  das  l^lement  des  Feuers 
und  das  der  Axt  enthält,  wobei  man  also  an  den  aus  der  Wolke  zuckenden 
Strahl   denken  kann.     Vorwiegend  aber  wird  die  Hieroglyphe  cauac  ein- 


1)  Eine  ähnliche  Rolle  spielt  die  Schildkröte  auch  hei  den  nördlichen  Indianern. 
Catlin  erfahr  bei  den  Mandan:  „There  were  four  tortoises,  one  in  the  North,  one  in  the 
East,  one  in  the  Sonth  and  one  in  the  West.  Each  one  of  these  rained  ten  dajs  and 
the  water  covered  the  earth"  (Dlustr.  Mann.  Cust.  N.  Am.  Indians,  £.  p.  181). 

10* 


132  ^-  Skler: 

fach  in  der  Bedeutung  „Stein"  oder  „Gewicht"  gebraucht.  Das  zeigt  sich 
am  auffälligsten  in  den  Thierfallen,  die  im  Codex  Tro  9  a  und  22  *a  ab- 
gebildet sind,  wo  die  der  Balkenlage  aufgelegten  beschwerenden  Steine 
mit  den  Elementen  der  Hieroglyphe  cauac  beschrieben  sind.  Aber  die- 
selbe Erklärung  müssen  wir  auch  annehmen,  wenn  wir  den  Pyraraiden- 
unterbau  der  Tempel  mit  den  Elementen  des  Zeichens  cauac  bedeckt 
finden.  Und  wenn  im  Codex  Tro  15*a  dem,  einen  Baum  fällenden  Chac 
der  Todesgott  gegenübergestellt  ist,  einen  Baum  fällend,  der  mit  den 
Elementen  des  Zeichens  cauac  bedeckt  ist,  so  ist  hier  wohl  eben  dem 
Todesgott  als  starrer  Stein  untergeschoben,  was  bei  Chac  ein  sprossender 
Baum  ist.  Die  zahlreichen  Fälle,  wo  die  Hieroglyphe  cauac  als  Sitz  oder 
Fussgostoll  der  Götter  dient,  sind  theilweise  wohl  als  Wolken  zu  deuten, 
in  den  meisten  Fällen  aber  unzweifelhaft  als  Stein,  homolog  der  Hiero- 
glyphe caban  und  dem  Elemente  tun,  „Stein",  selbst  (Fig.  85),  die  man 
beide  ebenso  häufig  als  Sitz  und  Fussgestell  der  Götter  gezeichnet  findet 
Ebenso  zweifellos  ist  in  der  Hieroglyphe  der  Fig.  84,  durch  welche  das 
Tragen  einer  Last  auf  dem  Rücken  bezeichnet  wird,  das  Element  cauac 
einfach  als  der  Ausdruck  des  Beschwerenden,  der  Last  aufzufassen.  In 
den  sonderbaren  Fällen,  wo  wir  die  Götter  ein  mit  den  Elementen  des 
Zeichens  cauac  versehenes  Brett  in  der  Hand  halten  sehen,  oder  wo  vor 
den  Göttern  ein  mit  einem  geflochtenen  GriflF  versehenes  Brett  gezeichnet 
ist,  dessen  Fläche  mit  den  Elementen  cauac  bedeckt  ist,  scheint  es  sich 
um  Klangplatten  zu  handeln.  Denn  die  beigesetzten  Hieroglyphen  scheinen 
Musik  zu  bedeuten.  Endlich  finden  sich  auch  directe  Homologien  zwischen 
dem  Elemente  cauac  und  dem  Elemente  tun.  So  in  der  Hieroglyphe 
des  Jagdgottes  der  Fig.  83,  dessen  auszeichnendes  Kennzeichen  zu  sein 
pflegt,  dass  er  in  der  Stimbinde  ein  Auge  oder  das  Element  tun  (d.  h. 
einen  Edelstein)  trägt.  Die  Hieroglyphe  dieses  Gottes  wird  nehmlich  bald 
in  Gestalt  der  Fig.  81,  bald  in  der  der  Fig.  82  geschrieben.  Und  dass 
hier  das  Element,  das  in  Fig.  82  dem  Element  cauac  sich  unterschiebt 
in  der  That  als  tun  oder  „Stein",  „Edelstein"  aufzufassen  ist,  das 
ergiebt  sich  einerseits  aus  der  Verwendung  als  Edelstein  im  Kopfschmuck 
(tun,  „piedra,  piedra  preciosa"),  andererseits  aus  der  als  Basis  für  den 
Pfahl,  auf  dem  der  Mam,  der  T3uayayab-Dämon,  in  den  xma  kaba 
kin  aufgesteckt  wird  (Codex  Dresden  25c).  Nun  kann  man  ja  allerdings 
an  sich  schon  mit  einer  gewissen  Sicherheit  einen  begrifflichen  Znsammen- 
hang zwischen  Wolken,  Regen,  Stein  construiren,  denn  in  jenen  Gegenden 
ist  jeder  Regen  ein  Gewitter.  Immerhin  aber  wird  man  es  begreiflich 
finden,  dass  mir  ein  ganzer  Bann  von  Zweifeln  gelöst  ward,  als  ich  im 
Verlaufe  meiner  zapotekischen  Studien  darauf  stiess,  dass  im  Zapotekischen 
für  „Regen"  und  „Stein"  genau  dasselbe  Wort,  nehmlich  quia,  quie, 
gebraucht  wird. 

Für    das    letzte  Tageszeiehen    finden    wir    im  zapotekischen  Kalender 


Zur  mexicanischen  Chronologie.  133 

• 

den  Namen  läo  oder  loo,  und  das  bedeutet  „Auge",  „Gesicht",  „Vorder- 
seite". Das  stimmt  nun  wiederum  nicht  direct  zum  mexicanischen 
xochitl,  „Blume",  wohl  aber  zu  der  Form  der  Maya- Hieroglyphe 
(Fig.  86,  87),  die  ohne  Zweifel  ein  Gesicht  darstellt.  Auch  der  Name  des 
Maya-Zeichens  ahau,  „Führer",  fügt  sich  dem  an.  Ein  begriflFlicher  Zu- 
sammenhang zwischen  „Auge"  und  „Blume"  ist  unzweifelhaft  ebenfalls 
vorhanden.  Aus  der  zapotekischen  Sprache  kann  ich  ihn  allerdings  vor 
der  Hand  noch  nicht  belegen.  Aber  in  den  zapotekischen  Figuren,  die 
ich  in  dem  4.  Heft  des  I.  Bandes  der  Veröflfentlichungen  aus  dem  Königl. 
Museum  für  Völkerkunde  beschrieben  und  abgebildet  habe,  wies  ich  die 
Metamorphose  des  Auges  in  die  Blume  nach.  Und  vielleicht  erklärt  sogar 
das  zapotekische  Wort  für  „Blume"  einige  sonderbare  Homologien  der 
Hieroglyphe  ahau.  Im  Zapotekischen  heisst  nehmlich  die  Blume  quije, 
also  nahezu  gleich  dem  Worte  quie,  „Kegen"  und  „Stein".  Das  i  soll, 
wie  in  einer  Grammatik  angegeben  ist,  mit  stärkerer  Betonung  gesprochen 
werden  (^para  esta  hieren  mas  la  ij  que  para  significar  la  piedra").  Nun 
ist  es  wirklich  ein  anfälliges  Vorkommen,  dass  das  Element  ahau 
(=  mexicanisch  xochitl,  „Blume")  in  einigen  Hieroglyphen  homolog 
auftritt  dem  Element  cauac  (=  mexicanisch  quiauitl,  „Kegen").  Wäre 
das  ein  vereinzeltes  Vorkommen,  so  würde  ich  nicht  gerade  viel  Gewicht 
darauf  legen.  Aber  da  die  in  dem  Obigen  angestellten  Untersuchungen 
über  die  Bedeutung  der  zapotekischen  Tageszeichon  fast  bei  jedem  der- 
selben ergeben  haben,  dass  die  zapotekischen  Namen  das  Bindeglied  ab- 
geben für  anscheinend  unvereinbare  Verschiedenheiten  in  der  mexicanischen 
und  in  der  Maya -Benennung  und  -Bezeichnung,  so  glaube  ich  auch  dieses 
Zusammentreffen  den  anderen  einreihen  zu  müssen. 

Dass  das  Zapotekenland  dasjenige  Gebiet  war,  durch  welches  vor- 
zugsweise der  Austausch  der  Cultureinwirkungen  von  dem  mexicanischen 
Gebiet  nach  dem  der  Maya- Stämme  und  umgekehrt  sich  vollzog,  ist  aus 
der  Lage  desselben  begreiflich  und  auch  historisch  bezeugt.  Die  obigen 
Untersnchungen  aber  drängen  zu  dem  Schluss,  dass  das  Zapotekenland 
noch  mehr  als  ein  Austauschgebiet  war,  dass  es  dasjenige  Land  war, 
in  welchem  ein  Factor,  der  in  der  Wissenschaft  der  mexicanischen  Stämme 
einen  breiten  Raum  einnimmt,  der  mexicanische  Kalender,  seinen  Ursprung 
bat  Thatsächlich  ist  bei  keinem  der  anderen  Stämme  der  Kalender  und 
die  damit  verknüpfte  Schicksalsbestimmung  so  sehr  alle  Verhältnisse 
beherrschend  gewesen,  wie  bei  den  Zapoteken.  Mit  grösserer  Sicherheit 
wird  man  sich  über  diesen  Punkt  aussprechen  können,  wenn  erst  über 
den  an  die  Zapoteken  grenzenden  Maya -Stamm,  die  Tzental-Zo'tzil  von 
Chiapas,  Genaueres  bekannt  sein  wird. 


Besprechungen, 


B.  Florschütz.  Die  Giganten -Säule  von  Schierstein.  Wiesbaden, 
Rud.  Bechtold  &  Co.,  1890.  8.  22  S.  mit  2  Tafeln  (Separat- Abdruck 
aus  den  Annalen  für  Nass.  Alterth.  und  Geschichte,  Bd.  XXII). 

Die  kleine  Schrift  bringt  in  sorgfältigster  Ausführlichkeit  die  genaue  Beschreibung' 
des  interessanten  Fundes  einer  sogenannten  Gigantensäule,  welche  letzthin  (1889)  in  der 
Nähe  von  Schierstein  bei  Wiesbaden,  nicht  weit  von  einem  fränkischen  Friedhofe,  ent- 
deckt worden  ist  und  welche  durch  die  Vollständigkeit  der  einseinen  Theile  unter  der 
grossen  Zahl  analoger  Fundstücke  eine  hervorragende  Stellung  einnimmt.  Nach  den  Aus- 
f&hrungen  des  Verfassers  kennt  man  gegenwärtig  nahe  an  50  solcher  Säulen,  jedoch  nur 
aus  einem  eng  begrenzten  Verbreitungsbezirk,  der  sich  über  beide  Abhänge  der  Vogesen, 
die  Gegenden  der  Saar  und  der  Meurthe  bis  zur  Mosel  im  Luxemburgischen,  und  durch 
die  bayrische  Pfalz  bis  zum  unterlaufe  des  Mains  und  des  Neckars  erstreckt.  Ihre  west- 
lichsten Fundplätze  sind  la  Jonchere  in  der  Auvergne,  Cussy  im  C6te-d'or  und  Merten 
bei  Saarlouis.  Die  Zeit  ihrer  Errichtung  ist,  wenigstens  für  deutsches  Gebiet,  jetzt  genau 
festgestellt  Zwei  derartige  Denkmäler  von  Heddemheim  tragen  die  Jahreszahlen  von 
240  und  241  n.  Chr.;  an  der  Schiersteiner  Säule  ist  der  28.  Februar  221  als  Tag  der 
Errichtung  angegeben.  Alle  diese  Säulen  haben  dieselbe  Ausführung:  eine  Basis  mit 
römischen  Götterbildern  und  eine  Krönung  durch  einen  liegenden,  schlangenfussigen 
Giganten,  über  welchen  ein  triumphirender  Reiter  hinwegjagt.  Der  Verfasser  deutet  unter 
Anfuhrung  guter  Gründe  den  Reiter  als  Jupiter,  der  über  einen  niedergeworfenen  Barbaren 
siegreich  vordringt.  Die  seltsame  Darstellung  des  höchsten  Gottes  als  Reiter  wird  mit 
Glück  auf  keltische  Ueberlieferungen  bezogen,  die  ja  allerdings  in  der  gallorömischen 
Archäologie  eine  grosse  Rolle  spielen.  Da  die  Inschrift,  wie  einige  andere,  besagt,  dass 
der  Gründer,  hier  ein  römischer  Legionär,  Vis.  Seneca,  die  Säule  auf  seinem  Grunde 
errichtet  hat,  so  liegt  die  Beziehung  an  die  Besiegung  der  Barbaren  sehr  nahe,  näher 
jedenfalls,  als  bei  den  Säulen  im  Innern  Galliens,  wo  man  geneigt  ist,  die  ursprünglichen 
Vorbilder  zu  suchen.  Sehr  sonderbar  ist  die  Thatsache,  dass  diese  Säulen  vielfach  in 
tiefen  Brunnen  gefunden  sind.  So  lag  auch  die  Schiersteiner  Säule  in  einem  Brunnen- 
schacht, 6,5  m  unter  der  Horizontalebene  der  bedeckenden  Lössschicht,  und  zwar  unter 
einer  Reihe  von  sehr  künstlichen  Steindecken,  welche  absichtlich  hergestellt  sein  mfiasen. 
Der  Verfasser  vermuthet  daher,  dass  die  ersten  Glaubensboten  des  Christenthums,  welche 
die  Franken  bekehrten,  die,  übrigens  kopfüber  in  den  Brunnen  versenkte  Säule  „ein  für 
allemal  und  für  ewige  Zeiten  von  Gottes  Erdboden  tilgen  wollten**. 

Rud.  Virchow. 

Ernst  Krause   (Carus  Sterne).      Tuisko-Land,    der  arischen  Stämme  und 

Götter  Urheimat      Erläuterungen    zum    Sagenschatze    der  Veden,  Edda, 

Dias  und  Odyssee,    ülogau,  Carl  Flemmiug,  1891.    8.    624  S.  mit  76  Ab- 

bildungen  im  Text  und  einer  Karte. 

Der  Verfasser,  der  unter  seinem  angenommenen  Namen  schon  seit  Jahren  einen  an* 
gesehenen  Platz  unter  den  deutschen  Schriftstellern  errungen  hat,  bringt  in  dem  vor- 
liegenden Werke  eine  eigenartige,  durch  eine  ungewöhnliche  Fülle  literarischer  Kenntni8s«\ 
durch  weitreichende  Combination  und  Originalität  der  Gedanken  und  durch  kühne  Erfassung 
der  schwierigsten  Probleme  ausgezeichnete  Leistung.  Er  stellt  sich  zu  der  von  Jahr 
zu  Jahr  an  Zahl  zunehmenden  Schaar  derjenigen,  welche  die  ürheimath  der  Arier  in  Nord- 
Europa  suchen,  und  er  hat  Entschlossenheit  genug,  nicht  bloss  die  nordischen  Sage&, 
sondern  auch  die  nordischen  Stämme  für  älter  und  ursprünglicher  lu  erkllren,  als  dir 
südlichen  und  östlichen,  welche  sich  nach  seiner  Meinung  erst  aus  jenen  entwickelt  haben. 


Besprechungen.  135 

Der  grosse  Reichthuin   an  Kenntnissen   im  Gebiete   der  Mythologie  und  der  Sagenkunde, 
den  er  dabei  vor  dem  Leser  ausbreitet,  wird  an  sich  nicht  verfehlen,  die  Aufmerksamkeit 
der  Folkloristen  auf  sich  zu  ziehen,  und  es  lässt  sich  erwarten,  dass  der  Eindruck  ein  sehr 
nachhaltiger  sein  wird,  da  er  seine  Sätze  durch  zahlreiche  Hinweise  linguistischer  und  natur- 
wissenschaftlicher Art  zu  stutzen  weiss.   Unsere  Anzeige  kann  aus  der  gewaltigen  Anhäufung 
Ton  wichtigstem  Material  keine  Einzelbetrachtung  herausnehmen;   für  eine  genügende  Be- 
sprechung wird  jede  besondere  Richtung  des  Wissens  herangezogen  werden  müssen.    Für 
uns  tritt  jedoch  eine  Betrachtung  in  den  Vordergrund,   und  diese  ist,   offen  gesagt,   nicht 
ohne  Bedenken  über  die  Berechtigung  des  Verfassers  zu  seinem  Vorgehen.    Er  construirt 
den  Arier  auch  anthropologisch.    Nun  wird  nicht  bestritten  werden  können,   was  ja  auch 
die  Urheber  und  Vertheidiger  der  jetzt  von  ihm  mit  so  viel  Ungestüm  angegriffenen  indo- 
germanischen  Völkerfamilie    verlangten,    dass    nicht   bloss    Sprachen   und   Sagen    dieser 
Familie  auf  eine  gemeinsame  Urquelle  zurückgeführt  werden  müssten,   sondern  dass  auch 
die  Einheit  der  Rasse  im  naturwissenschaftlichen  Sinne  darzulegen  sei.    Dazu  genügt  nun 
aber   die  actnellc   Forschung  nicht.     Was   Blumenbach   in   der  Aufstellung   der   kau- 
kasischen Rasse   versucht  hat,   das  ist  heute  nicht  mehr  möglich.     Die   gegenwärtigen 
Völker,  grosse   wie   kleine,  erweisen   sich  so  sehr  als  Gemische  verschiedener  physischer 
Typen,   dass  eine  unabsehbare  Summe  von  analytischen  Arbeiten  erforderlich  ist,  um  die 
einfachen  Typen  herauszuschälen  und  den  Aufbau  der  „Völkerfamilien**  aus  ihren  Grund- 
elementen  neu  zu  beginnen.    Für  den  Verfasser  sind  diese  Arbeiten  eine  Nebensache;   er 
hat  gelegentlich  sogar  eine  spöttische  Bemerkung  über  das  viele  Messen  und  Untersuchen. 
Frisch  entschlossen  nimmt  er  eine  blonde  dolichocephale  und  hochgewachsene  Urrasse  an, 
aber  wenn  man  diese  bei  Lichte  besieht,  so  ist  es  keine  andere,  als  die  nordgermanische. 
Die  blonden  Finnen  behandelt  er  schon  als  einen  Mythus,  oder  wenigstens  sind  ihm  diese 
blonden   und   brachycephalen  Finnen  germanische  Mischvölker.    Auch  die  brünetten  Süd- 
stimme, ja   schon  die  brünetten  Süddeutschen  sind  ihm  secundäre  Erscheinungen,   die  er 
um   so   leichter  in  den  Hintergrund  drängt^   als  er  überzeugt  ist,   dass  auch  Hellas  einst 
Ton  der  blonden  Rasse  besetzt  war.    Die  Frage  der  Descendenztheorie,  ob  denn  überhaupt 
eine   blonde  Urrasse   existirt  hat  und  ob  nicht  vielmehr  die  blonde  Rasse  selbst  eine  ab- 
geleitete,  die  Metamorphose   einer  ursprünglich  farbigen  Rasse  gewesen  ist,  berührt  ihn 
wenig.    Man   kann   ihm  daher  den  Vorwurf  nicht  ersparen,   dass  er  sich  die  Sache  etwas 
leicht   gemacht  hat,   dass   er  in   der  That   auch   nicht  eine   volle  Kenntniss  der  anthro- 
pologischen Thatsachen   besitzt  und  dass  er  mit  den  ihm  bekannten  Thatsachen  zuweilen 
etwas   cavaliermässig  umgeht.     Aber   auch   wir  Anthropologen   wollen   gern  anerkennen, 
dass   es  seine  Vorzüge  hat,  wenn  die  Dinge  von  Zeit  zu  Zeit  mehr  im  grossen  Styl  um- 
gewilxt  und  von  ihrer  Kehrseite  aus  betrachtet  werden.   Und  so  wollen  wir  uns  gern  dem 
Beize  hingeben,  die  griechische  Mythologie  im  Sinne  der  Edda  und  als  eine  Tochter  der- 
selben  and   die  Hellenen  als  Söhne  oder  Enkel  nordischer  Barbaren  dargestellt  zu  sehen. 

Rud.  Virchow. 


Carl  Peters.  Die  deutsche  Emin-Pascha-Expedition.  München  und 
Leipzig  1891,  R.  Oldenbourg.  8.  560  S.  mit  32  Vollbildern  und  66  Text- 
abbildungen, einer  Portraittafel  und  einer  Karte. 

Verh&ltnissmässig  schnell  ist  die  Schilderung  der  mit  so  viel  Theilnahme  und  Erregung 
betriebenen  und  mit  so  grosser  Energie  und  Zuversieht  durchgeführten  Expedition  erschienen. 
Der  Mann,  dessen  Initiative  das  ostafrikanische  Unternehmen  zum  grossen  Theil  seine 
Verwirklichung  verdankt,  hat  durch  seine  neue  Leistung,  unzweifelhaft  die  schwierigste, 
die  er  zu  einem,  wenn  auch  nicht  gelungenen,  so  doch  glücklichen  Ende  gebracht  hat, 
einen  glänzenden  Beweis  seiner  Führer -Begabung  abgelegt.  Auch  diejenigen,  welche  mit 
Hm.  Peters  in  den  Zielen  nicht  übereinstimmen,  werden  ihm  die  Anerkennung  nicht 
versagen  können,  dass  er  unter  den  ungünstigsten  Umständen  und  mit  verhältnissmässig 
geringen  Mitteln  einen  Erfolg  erzielt  hat,  auf  den  wenige  gerechnet  hatten  und  der 
allein  seinen  persönlichen  Eigenschaften  zuzuschreiben  ist.  Die  DarsteUung  in  dem  vor- 
liegejiden  Werke  ist  eine   offene  und  selbstbewusste,  scheinbar  ohne  Rückhalt  und  in 


136  Besprechungen. 

voller  Aufrichtigkeit  gegehen;  sie  bietet  für  das  psychologische  Yerständniss  des  Yer^ 
fassers  und  seines  Erfolges  sicheres  und  genügendes  Material.  Wenn  sie  nicht  in 
gleicher  Ausdehnung  der  Colonialpolitik  und  der  Wissenschaft  dient,  so  liegt  der  Grund 
dafür  zum  grösseren  Theil  in  Verhältnissen,  welche  au  dieser  Stelle  nicht  zu  erörtern  sind; 
nur  das  mag  gesagt  sein,  dass  Hr.  Peters,  gleich  so  vielen  „Pfadfindern^,  nicht  Zeit  und 
Neigung  gefunden  hat«  die  für  eine  wissenschaftliche  Ausnutzung  seines  Kriegszuges 
erforderlichen  Vorstudien  zu  machen.  Verglichen  mit  einer  grossen  Zahl  anderer  Reise- 
werke, enth&lt  das  seinige  immer  noch  verh&ltnissmässig  eingehende  Schilderungen  von 
Land  und  Leuten.  Dieselben  werden  überdies  durch  eine  ungewöhnlich  reiche  Beigabe  von 
Illustrationen  veranschaulicht,  von  denen  wohl  angenommen  werden  muss,  dass  sie  nicht 
sämmtlich  auf  freier  Erfindung  des  Zeichners  beruhen,  obgleich  der  Natur  der  Sache  nach 
eine  aus  eigener  Anschauung  fliessende  Wiedergabe  von  Landschaften  und  Begegnissen 
nicht  erwartet  werden  kann.  Wie  schon  öfter  an  dieser  Stelle  auseinandergesetzt  ist,  hat 
diese  Art  von  Illustrationen  einen  sehr  bedingten  Werth,  am  wenigsten  einen  wissen- 
schaftlichen, namentlich  so  lange  die  Autoren  oder  Herausgeber  sich  nicht  entschliessen, 
für  jede  einzelne  Illustration  ehrlich  einzugestehen,  ob  dieselbe  auf  Grund  von  Aufnahmen 
oder  Skizzen,  die  an  Ort  und  Stelle  angefertigt  sind,  entworfen  wurde  oder  nicht  Man  kann 
das  grosse  Geschick  des  Zeichners,  Hm.  Hellgrewe,  und  die  Vorzüglichkeit  der  tech- 
nischen Ausstattung  Seitens  der  Verlagshandlung  rühmend  hervorheben,  aber  man  kann 
doch  den  Wunsch  nicht  unterdrücken,  dass  in  einem  Werke,  welches  in  erster  Linie  dazu 
bestimmt  ist,  einen  authentischen  Bericht  darzustellen,  wenigstens  die  Grenze,  wo  Dichtung 
und  Wahrheit  einander  beriihren,  erkennbar  gemacht  wird.  Dass  die  Mittheiinngen  des 
Verfassers  in  anthropologischer  Beziehung  keine  Fortschritte  bringen,  ist  eine  Eigenschaft, 
welche  sie  mit  der  Mehrzahl  der  Publikationen  unserer  Reisenden  gemein  haben.  Dagegen 
kann  man  sagen,  dass  sie  für  die  ethnologische  Erschliessung  eines  weiten  und  noch  sehr 
unbekannten  Gebietes  manche  werthvolle  Gabe  enthalten.  Leider  sind  diese  Gaben  aber  so 
zerstreut,  dass  es  ein  besonderes  Studium  erfordert,  sie  zu  einer  übersichtlichen  Sammlung 
zusammenzubringen;  den  Vorzug  hat  das  Buch  jedoch,  dass  ihm  ein,  freilich  kurzes 
Namen-  und  Sachverzeichniss  beigegeben  ist.  Wer  indess  die  Hoffoung  hegt,  es  werde 
ihm  gelingen,  z.  B.  über  einen  so  merkwürdigen  und  zugleich  so  wenig  bekannten  Stamm, 
wie  die  Wanderobo,  der  dem  Verfasser  oft  genug  begegnet  ist,  irgend  etwas  Eingehenderes 
zu  erfahren,  der  wird  seine  Wünsche  nicht  ohne  Enttäuschung  vertagen  müssen.  Nicht 
einmal  die  Massai,  deren  häufige  Berührung  den  Hintergrund  für  den  grösseren  Theil  des 
Werkes  bildet,  treten  unserem  wissenschaftlichen  Verständniss  so  nahe,  dass  wir  einen  um- 
fassenden Eindruck  von  ihrem  Leben,  ihren  Sitten  und  Anschauungen  erhalten.  Der  Ver* 
fasser  hat  es  sich  hartnäckig  versagt,  auch  nur  seine  persönlichen  Eindrücke  von  den 
einzelnen  Stämmen  zu  anschaulichen  Gesammtbildem  zusammenzudrängen.  Wer  nicht 
schon  eine  gewisse  Kenntniss  von  dem  Völkergewirr  der  ostafrikanischen  Tropenländer 
mitbringt,  der  wird  durch  die  Lektüre  des  vorliegenden  Werkes  keine  rechte  Meinung 
darüber  gewinnen.  Und  doch  sollte  man  nach  der  reichen  Beanlagung  des  Verfassers 
erwarten,  dass  er  befähigt  wäre,  eine  Art  von  Endurtheil  auch  über  die  ethnologischen 
Besonderheiten  der  Ostafrikaner  auszusprechen.  Vielleicht  wird  ihm  die  neue  Stellung, 
die  er  eben  angetreten  hat,  Gelegenheit  und  auch  so  viel  Müsse,  als  für  wissenschaftliche 
Aufzeichnungen  nöthig  ist,  zu  ernsteren  Studien  gewähren.  Rud.  Virchow. 


Objets  du  demier  ägo  du  bronze  et  du  premier  age  du  fer  decouverts  en 
Berry.     Publ.  par  la  Societe  des  Autiquaires  du  Centre.    Bourges  1891. 

14  p.  avec  une  carte. 

Die  kleine  Schrift  bringt  in  gedrängter  Kürze  eine  Zusammenstellung  der  bisher 
bekannt  gewordenen  Funde  aus  der  Bronze-  und  ersten  Eisenzeit,  welche  in  Berrj  gemacht 
worden  sind.  Es  handelt  sich  dabei  um  14  Funde  aus  der  Bronze-  und  um  21  ans  der 
ersten  Eisenzeit  (Hallstatt),  namentlich  um  Schwerter.  Besonders  interessant  scheinen  ein 
grosser  Depotfund  von  628  Stücken  aus  einer  Schmelzstätte  von  Villatte  (commune  de 
Neuvjr-sur- Barangeon,  Cher),    der  mit  Pfahlbaufunden   übereinstimmt,  aus   der  letitCD 


Besprechungen.  137 

Bronzexeit,  und  mehrere  Bronzeeimer  aas  der  ersten  Eisenzeit.  Unter  letzteren  erwähnt 
Referent  eine  gerippte  Giste,  die  1889  in  einem  Tumalns  von  Chaumoj  (bei  Le  Subdraj, 
eher)  gefunden  wurde;  sie  hatte  2  gedrehte  Henkel  und  zwischen  den  Rippen  Linien 
gestanzter  Punkte.  Eine  kleine  Karte  bringt  die  örtlichen  Yerhältnisse  zur  Anschauung. 
Die  antiquarische  Gesellschaft  schliesst  daraus,  dass  in  dem  durch  sie  durchforschten 
Gebiete  in  jener  Zeit  keine  fremde  Invasion  stattgefunden  habe  und  ebensowenig  durch 
eine  solche  Invasion  Waffen  importirt  seien,  vielmehr  glaubt  sie  eher,  im  Sinne  von 
LiTius,  schliessen  zu  dürfen,  dass  von  dem  Centrum  Frankreichs  aus  derartige  Expeditionen 
nach  ausw&rts  stattgefunden  haben.  Rud.  Yirchow. 

Aurel  V.  Török.  Gmndzüge  einer  systematischen  Eraniometrie.  Metho- 
dische Anleitung  zur  kraniometrischen  Analyse  der  Schädelform  für  die 
Zwecke  der  physischen  Anthropologie,  der  vergleichenden  Anatomie^  so- 
wie für  die  Zwecke  der  medizinischen  Disziplinen  und  der  bildenden 
Künste.  Ein  Handbuch  fürs  Laboratorium.  Stuttgart,  Ferd.  Enke. 
1890.    8.    631  Seiten  mit  52  Pigurentafeln  im  Text. 

Der  Verfasser  betont  mit  Recht  den  grossen  Unterschied  zwischen  Kraniometrie  und 
Kranioskopie  und  er  verlangt  mit  eben  so  viel  Recht  als  Ergänzung  für  beide  eine  zu- 
yerlftssige  Kraniographie,  ja  er  trägt  kein  Bedenken,  die  blosse  Kraniometrie  fOr  gänzlich 
unzureichend  für  die  Bestimmung  der  Schädelform  zu  erklären.  In  dem  Torliegenden 
Buche  stellt  er  sieh  jedoch  nur  die  Aufgabe,  die  systematische  Kraniometrie  zu  behandeln, 
und  er  thut  dies  in  einer  Ausführlichkeit  und  in  einem  Detail,  wie  es  früher  niemals  auch 
nur  versucht  worden  ist.  Das  ist  gewiss  sehr  nützlich,  zumal,  wenn  man  ihm  darin  bei- 
treten wollte,  dass  bisher  von  einer  systematischen  Kraniometrie  noch  nicht  die  Rede  ge- 
wesen sei.  Er  ist  von  der  Unbrauchbarkeit  der  bisherigen  Arbeiten  so  überzeugt,  dass 
er  erklärt,  es  müsse  „behufs  einer  zweckmässigen  Inangriffnahme  der  systematischen 
Kraniometrie,  wie  überhaupt  der  ganzen  Anthropologie,  zuvörderst  eine  medizinische 
Ckneration  erst  herangebildet  werden^  (S.  24).  Zu  diesem  Zwecke  verlangt  er  nicht  nur 
anthropologische  Lehrkanzeln  an  allen  Universitäten,  und  zwar  innerhalb  der  medicinischen 
Fakultäten,  sondern  auch  „mit  allen  nötigen  wissenschaftlichen  Hilfsmitteln  versehene 
anthropologische  Laboratorien^;  sei  doch  die  Anthropologie  ,Jene  Disciplin,  die  das  philo- 
sophische Element  in  den  medizinischen  Fächern  repräsentiere^.  Von  diesem  Zustande  sind 
wir  nun  freilich  recht  weit  entfernt  und  es  möchte  bezweifelt  werden  dürfen,  ob  einer  der 
Lebenden  den  Zeitpunkt  erleben  wird,  wo  nach  dieser  Auffassung  die  Medicin  so  weit 
vorgerückt  sein  wird,  um  das  „philosophische  Element^  in  sich  aufgenommen  oder  wenig- 
stens lebendig  gemacht  zu  sehen.  Jedenfalls  wird  mit  der  Kraniometrie  allein  noch  kein 
wesentlicher  philosophischer  Fortschritt  erreicht  werden.  Trotzdem  soll  der  Werth  einer 
systematischen,  ja,  sagen  wir,  auch  nur  einer  verbesserten  Kraniometrie  nicht  unterschätzt 
werden:  sie  bildet  in  der  That  eine  der  Voraussetzungen  für  die  wissenschaftliche  und 
insofern  auch  für  die  philosophische  Betrachtung  des  menschlichen  Kopfes.  Aber  es 
darf  wohl  daran  erinnert  werden,  dass  sie  nur  deshalb  einen  grossen  Werth  hat, 
weil  sie  eines  der  Hülfsmittel  ist,  um  Rückschlüsse  auf  die  Beschaffenheit  des  Qehims  zu 
machen,  und  weil  gerade  für  den  Mediciner  die  Frage  im  Vordergründe  steht,  inwiefern 
die  Kraniometrie  und  die  Kranioskopie  praktische  Gesichtspunkte  für  die  Herstellung  einer 
systematischen  Encephalologie  zu  liefern  im  Stande  sind.  Der  Referent,  der  in  seiner 
eigenen  Entwickelung  als  Kraniologe  von  der  Pathologie  des  Schädels  und  des  Gehirns 
aasgegangen  ist,  ist  sich  der  Schwierigkeit  dieser  Aufgabe  voU  bewusst,  und  wenn  er  bei 
jeder  Gelegenheit  offen  anerkannt  hat,  dass  die  Kraniologie  diese  Aufgabe  nicht  gelöst 
hat,  so  will  er  doch  nach  so  manchem  Jahr  ehrlicher  Arbeit  auch  seine  Ueberzeugung 
nicht  verschweigen,  dass  eine  volle  Lösung  des  Problems  auf  diesem  Wege  überhaupt 
unerreichbar  ist  VieUeicfat  hat  er  sich  einer  zu  grossen  Resignation  hingegeben,  viel- 
leicht wird  die  „systematische  Kraniometrie**  ungleich  mehr  leisten,  als  es  ihm  jetzt  wahr- 
scheinlich ist    Gewiss  wird  er  zu  den   ersten  gehören,  welche  jeden  grossen  Fortschritt 


»♦ 


1 38  Besprechangen. 

auf  dem  Wege  zur  Herstellung  einer  zugleich  praktischen  und  philosophischen  Betrachtnng 
des  menschlichen  Kopfes  mit  Freuden  begrüssen.  Aber  er  kann  nicht  sugestehen,  dass 
das  bisher  Erreichte  werthlos  sei,  und  er  hält  die  harten  und  absprechenden  Urthefle, 
welche  der  Verfasser  gegen  die  bisherigen  Vertreter  der  Kraniologie  richtet,  f&r  angerecht 
und  übertrieben.  Wer  den  Znstand  der  Anthropologie  vor  20  Jahren  mit  dem  gegen- 
wärtigen vergleicht,  der  muss  anerkennen,  dass  diese  Wissenschaft  von  einer  Unmasse  Ton 
Irrthümern  und  falschen  Voraussetzungen  gereinigt  worden  ist  und  dass  sie  die 
Kenntniss  des  Menschen  und  der  verschiedenen  Rassen  und  Stämme  auf  zuver- 
lässige, thatsächliche  Grundlagen  gestellt  hat  Der  Verfasser  ist  aber  von  einem 
solchen  Misstrauen  in  die  bisherigen  Vertreter  erf&Ut,  dass  er  kein  Bedenken  trägt, 
ihnen  die  thörichtsten  Absichten  unterzuschieben,  und  zwar  zu  dem  rein  pexsön- 
lichen  Zwecke,  ihre  Autorität  als  unantastbar  zu  sichern.  Sein  Zorn  richtet  sich 
vorzugsweise  gegen  die  sogenannte  Frankfurter  Verständigung  von  1882.  Er  fiber- 
sieht planmässig,  dass  diese  Verständigung  nichts  weiter  beabsichtigt  hat,  als  die  Fest- 
setzung gewisser  Minimalforderungen,  welche  bei  jeder  Schädelmessung  erfüllt  werden 
sollen.  Er  bleibt  dabei,  dass  diese  ,,Schablone^  dazu  bestimmt  gewesen  sei,  jede  weitere 
Entwickelung  abzuschneiden  und  alle  Anthropologen  in  eine  Zwangslage  zu  bringen,  in 
welcher  sie  gehindert  werden  sollten,  andere  Methoden  der  Untersuchung,  als  die  vor- 
geschriebenen, auszubilden.  Dagegen  kann  nicht  lant  und  bestimmt  genug  Einspruch 
erhoben  werden.  Jedem  Theilnehmer  an  der  „Verständigung^  war  und  ist  es  unbenommen, 
auch  andere  Methoden  zu  suchen  und  anzuwenden,  und  die  Erfahrung  hat  gelehrt,  dass 
dies  in  der  That  geschehen  ist.  Gehörte  doch  auch  der  Verfasser,  wie  er  selbst  in  Erinne- 
rung bringt,  zu  den  Unterschreiben!  der  Verständigungs- Urkunde!  Es  ist  doch  eine 
billige  Forderung,  dass  wenigstens  ein  kleines  Maass,  dasjenige,  welches  für  alle  FäUe 
erforderlich  ist,  von  gleichartigen  Untersuchungen  durch  jeden  Anthropologen  geleistet 
werde,  damit  eine  Vergleichung  möglich  werde  und  die  Ergebnisse  der  anderen  Forscher 
von  jedem  verwerthet  werden  können.  Es  war  niemals  ausgeschlossen,  dass  eine  weitere 
Verstllndigung  gefunden  werde,  wie  sie  denn  in  Wirklichkeit  ffir  die  Bezeichnnng  der 
Schädelindices  erreicht  worden  ist  Der  Verfasser  klagt  über  die  Tyrannei  der  Autoritäten, 
und  doch  würde  sein  Vorbild  nur  dahin  fuhren,  an  die  Stelle  der  CoUectiv- Autorität, 
in  welcher  jeder  Einzelne  Opfer  zu  bringen  hatte,  wieder  die  Individual- Autorität,  d.  h.  die 
ausgesprochene  babylonische  Verwirrung,  wie  wir  sie  friiher  hatten,  zu  setzen.  Dass  die 
Frankfurter  Verständigung  derartige  Versuche  nicht  hindern  kann,  zeigt  sein  neues  Buch, 
das  in  seinem  praktischen  Abschnitte  übrigens  viel  mehr  Concessionen  an  die  Frankfurter 
^Schablone"  macht,  als  er,  wie  es  scheint,  zugestehen  will.  Allerdings  war  diese 
^Schablone*'  nicht  für  das  ^anthropologische  Laboratorium^,  wie  der  Verfasser  es  im 
Auge  hat,  gedacht,  sondern  für  das  tägliche  Arbeiten,  nicht  sowohl  der  Nominal- 
Professoren  für  Anthropologie  und  ihrer  Schüler,  als  vielmehr  aller  AnÜiropologen,  auch 
der  Reisenden,  der  Künstler  und  aller  derer,  denen  weder  die  Zeit,  noch  die  äusseren  Mög> 
lichkeiten  gegeben  sind,  in  jenes  feine  Detail  einzudringen,  welches  der  Verfasser  verlangt 
Sonderbarerweise  beruft  er  sich  in  seiner  Opposition  auf  die  Zustimmung  solcher  Schrift- 
steller, denen  schon  das  Messen  ein  Gegenstand  des  Spottes  ist.  Was  würde  er  sagen, 
wenn  diese  Herren  erst  ihre  Aufmerksamkeit  auf  die  5000  Linien  und  2500  Winkel  richten 
würden,  die  er  als  (Gegenstände  der  Untersuchung  empfiehlt!  und  was  würden  die  Wilden 
erst  sagen,  wenn  er  ihnen  mit  seinen  complicirten  Methoden  an  die  Köpfe  kommen  wollte! 
Die  kleine  Zahl  der  messenden  Anthropologen  wird  sicherlich  die  Wege  des  Verf.  nicht 
hindern,  zumal  wenn  er  seiner  üblen  Laune  weniger  Raum  oder  wenigstens  weniger  Aut- 
druck gewährt:  sie  werden  nicht  einmal  Bedenken  tragen,  eine  oder  auch  viele  seiner 
Methoden  anzunehmen,  sobald  er  durch  die  That  bewiesen  haben  wird,  dass  das  Studium 
der  Anthropologie  durch  sie  zu  neuen  Aufschlüssen  über  Menschen  und  Menschenrassen 
geführt  werden  kann.  Schon  jetzt  wird  jeder  Anthropolog  aneri[ennen,  dass  der  Verf  in 
nicht  wenigen  Beziehungen,  so  namentlich  in  der  Verbesserung  der  Instrumente,  be- 
merkenswerthe  Resultate  gewonnen  hat;  sollte  es  ihm  gelingen,  auf  Grund  seiner  Arbeiten 
eine  bequeme  und  praktisch  ausführbare  , Schablone"  aufzustellen,  so  kann  er  sicher  darauf 
rechnen,  dass  sie  ehrlich  geprüft  und,  wenn  sie  sich  bewährt,  auch  angenommen  werden 
wird.    Das  Studium  seines  Buches,  das  in  sehr  verständlicher  Weise  geschrieben  und  von 


Besprechungen.  139 

der  Verlagshandlung  in  bester  Weise  aasgestattet  ist,  wird  wesentlich  dazu  beitragen,  die 
Oemäther  vorzubereiten  und  die  Nachprüfung  seiner  Methoden  einzuleiten.  Warten  wir 
ab,  tu  welchem  Ergebniss  die  praktische  Erfahrung  gelangen  wird! 

Rud.  Virchow. 


Ferd.  Freih.  v.  Andrian.    Der  Höhencultus   asiatischer   und   europäischer 

Völker.  Eine  ethnologische  Studie.  Wien  1891,  Carl  Konegen.    8.    385  S. 

Der  Verf.  hat  schon  durch  die  Richtung  seiner  früheren  Arbeiten  dargethan,  in  wie 
natürlicher  Weise  er  von  seinem  Fachstudium,  der  Geologie,  aus  die  Geschichte  mensch- 
licher Cultnr  in  ihrer  Verkettung  mit  der  umgebenden  Welt  zu  erfassen  und  in  ihren 
Konsequenzen  su  erklären  vermag.  In  dem  vorliegenden  Werke,  welches  die  Berge  und 
deren  Stellung  in  der  mystischen  Auffassung  der  Natur  zum  Gegenstände  hat,  lag  die 
Versuchung  sehr  nahe,  eine  mehr  spekulative  Betrachtung  vorwiegen  zu  lassen.  Der  Verf. 
hat  dieser  Versuchung  erfolgreich  Widerstand  geleistet;  seine  Arbeit  ist  eine  wesentlich 
objektive,  indem  er  aus  den  Berichten  über  die  verschiedensten  Völker  Asiens  und  Europas, 
sowie  aas  den  Schriften  specialistischer  Schriftsteller  über  Mythologie  und  Sagenkunde 
das  einschlagende  Material  gesammelt  hat  und  in  übersichtlicher  Ordnung  vorführt.  In 
der  mehr  und  mehr  erstarkenden  Weise  der  empirischen  Psychologie  versucht  er,  das  an- 
ziehende Problem,  wie  der  Mensch  seine  Anschauung  von  den  „heiligen  Bergen**  gestaltet 
hat,  an  der  Hand  ethnologischer  Erfahrung  zu  lösen  Auch  der  anderen  Versuchung  ist 
er  nicht  erlegen,  obwohl  sie  gewiss  sehr  nahe  lag,  sich  in  den  Zusammenhang  der  volks- 
thümlichen  Tradition,  namentlich  den  indogermanischen  Sagenkreis,  zu  vertiefen  Freilich 
schliesst  er,  was  zu  bedauern  ist,  die  polynesische  Inselwelt,  America  und  Africa  von 
seinen  Erörterungen  aus,  aber  er  nimmt  die  gelbe  Rasse  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  in 
dieselbe  auf;  ja,  die  Chinesen  und  Japaner,  die  arktischen  und  sogar  die  malayischen 
St&mme,  letztere  bis  nach  Madagascar,  liefern  ihm  sogar  vorwiegend  sein  Material.  Daran 
sehliessen  sich  die  anarischen  Völker  Indiens  und  die  Semiten.  Also  ein  grosses  Gebiet 
für  vergleichende  Betrachtung.  Er  zeigt  dann,  wie  auch  ohne  direkte  Beeinflussung 
des  einen  Stammes  durch  den  anderen  die  Volksseele  an  den  verschiedensten  Orten  die- 
selben Wege  wandelt,  wie  und  warum  sie  den  Bergen  eine  höhere  und  zwar  vergeistigte 
Bedeutung  beilegt,  ihr  eigenes  Streben  und  Hoffen,  ihre  Furcht  und  ihre  Sorgen  mit  ihnen 
in  Verbindung  bringt  und  nicht  selten  darin  endigt,  die  Berge  in  rein  animistischem  Sinne 
ZQ  deuten.  Hoffentlich  wird  der  für  diese  Arbeit  besonders  veranlagte  Verfasser  seine 
fruchtbare  Th&tigkeit  nicht  mit  dem  vorliegenden  Werk  als  beendigt  ansehen.  Die  anderen 
Wehtheile  erfordern  eine  analoge  Sichtung  der  Quellen.  Aber  noch  mehr  würden  wir  es 
dem  Verf.  danken,  wenn  er  sich  auch  der  weiteren  Aufgabe  nicht  entziehen  wollte,  das 
Schlnssergebniss  seiner  Betrachtungen  in  zusammenfassender  Analyse  der  Einzelangaben 
vorzutragen  und  den  Einflnss  der  Berge  auf  die  religiösen  Anschauungen  im  Grossen  dar- 
zolegen.  Er  ist,  wie  das  Buch  zeigt,  durch  seine  bisherigen  Studien  genügend  mit  der 
Literatur  bekannt,  um  ohne  zu  grosse  Vorarbeiten  an  das  Werk  gehen  zu  können. 

Rud.  Virchow. 

R.  Verneau.  Les  races  humaines.  Preface  par  A.  de  Quatrefages. 
Paris,  J.  B.  Bailliöre  et  fils  (ohne  Jahreszahl),  gr.  8.  792  p.  avec 
500  figures.    (Aus  A.  E.  Brehm,  Les  merveilles  de  la  nature.    L'homme 

et  les  animaux.) 

Unter  der  Zahl  der  sehr  übersichtUchen  und  verhftltnissmftssig  billigen  Volksbücher, 
welche  die  Sammlung  Brehm  lunfasst,  dürfte  das  vorliegende  ein  besonders  wirkungsvolles 
werden.  In  grossen  Zügen,  sehr  häufig  in  den  Worten  der  Beobachter  selbst,  giebt  es 
eine  Schilderung  der  verschiedenen  Rassen  und  St&mme,  nicht  bloss  der  lebenden,  sondern 
anch  der  vorgeschichtlichen  und  der  fossilen,  überall  erläutert  durch  Text- Abbildungen. 
Letztere,  nach  Art  derjenigen  im  Tour  du  monde  ausgeführt,  gehören  nicht  zu  den  Glanz- 


140  Besprechungen. 

punkten  des  Werkes,  da  sie  im  Ganzen,  namentlich  aber  in  den  Abbildungen  der  nackten 
Theile  der  Menschen,  zu  dunkel  und  schmutzig  sind,  um  einen  vollen  Eindruck  zu  machen. 
Trotzdem  bilden  sie  eine  werthyolle  Beigabe,  da  sie  zu  einem  grossen  Theil  nach  Photo- 
graphien des  Museum  d^histoire  naturelle  und  sonst  nach  neu  heimgebrachten  Photo- 
graphien der  Reisenden  gemacht  worden  sind.  In  Beziehung  auf  den  Text  hebt  Herr 
de  Quatrefages,  der  eine  sehr  eingehende  Vorrede  geschrieben  hat,  die  Selbständigkeit 
seines  Präparators  hervor,  und  in  der  That  zeigt  der  letztere  öfters  Bedenken,  wo  sein 
Meister  bestimmte  Urtheile  aussprach,  und  umgekehrt.  Aber  der  Unterschied  ist  nicht 
gross;  die  Urtheile  des  Meisters  werden  doch  gewöhnlich  wörtlich  citirt,  und  die  Kritik^ 
namentlich  die  deutsche,  bleibt  dagegen  machtlos,  denn  entweder  kennt  der  Verfasser  sie 
nicht,  oder  er  erw&hnt  sie  wenigstens  nicht  Die  Rasse  von  Canstatt  erscheint  genau  in 
der  alten  Weise,  gleichsam  als  wäre  die  vernichtende  Kritik  über  den  „Schädel  von  Can- 
stadf*  niemals  vorgekommen;  nur  darin  liesse  sich  vielleicht  eine  Nachwirkung  erkennen, 
das3  die  race  de  Canstadt  nicht  bloss  mit  der  race  du  N^anderthal  identificirt,  sondern 
schliesslich  in  die  race  de  Spj  verwandelt  wird,  weil  sowohl  der  Schädel  von  Canstatt, 
als  der  aus  dem  Neanderthal  „schlecht  datirt^  seien  (p.  52).  Dagegen  hält  der  Verfasser 
mit  Bestimmtheit  trotz  aller  Gegenbeweise  daran  fest,  dass  die  von  Hrn.  Capellini 
geschilderten  Balaenotus- Knochen  vom  Monte  Aperto  Einschnitte  menschlicher  Werkzeuge 
tragen  (p.  27) ,  dass  die  Feuersteine  von  Thenay  und  Otta  Produkte  des  tertiären  Menschen 
sind,  u.  s.  w.  Die  Krone  dieser  wiederkäuenden  Darstellung  bildet  der  kurze  Abschnitt 
über  die  Prussiens  (p.  G57),  der  mit  den  Worten  beginnt:  Cest  avec  intention  que  j^ai 
omis  de  citer  les  Prussiens  parmi  les  Allemands  du  Nord.  Comme  le  disait  si  bien 
M.  Godron,  les  habitants  du  Mecklembourg,  de  la  Pom^ranie,  du  Brandebourg  et  de  la 
SiUsie  „ne  sont  ni  des  Allemands,  ni  des  Slaves;  ils  sont  Prussiens*'.  Und  mit  Zuversicht 
fugt  er  hinzu:  M.  de  Quatrefages,  qui  a  fait  de  cette  question  une  ^de  speciale,  a  publik, 
en  1871,  le  r^sultat  de  ses  recherches  sur  la  Race  prussienne.  Ses  conclusions  concordent 
avec  Celles  de  M.  Godron.  Les  Prussiens  sont  le  r^sultat  du  melange  de  Finnois,  de  Slaves, 
de  Germains  et  de  Fran^ais  cmigrcs  k  la  suite  de  la  r^vocation  de  Pödit  de  Nantes. 
Chacune  de  ces  races  a  apporte  sa  part  au  fond  commun.  So  erwuchs  auf  einem  un- 
dankbaren Boden  und  unter  einem  rauhen  Himmel  der  Prussien:  A  cette  ^cole  Pintelligence 
grandit^  les  volontös  s'affermirent,  les  courages  se  tremperent  comme  les  corps;  mais 
aussi  les  coeurs  s'endurcirent^  Tambitiou  se  developpa,  et  la  röUgion  elle-meme  prit  trop 
souvent  un  caractere  sanvage.  Ce  ne  fut  plus  le  Dieu  du  Christ,  le  pere  commun,  que 
Ton  invoqua,  ce  fut  J^hovah  le  vengeur.  Wie  es  scheint,  meint  der  Verfasser  den  Gott 
der  Antisemiten.  Sollte  Hr.  de  Quatrefages  in  der  That  noch  immer  glauben,  dass 
das  Wissenschaft  sei?  Sicherlich  wird  er  aber  den  Adepten  des  Museums  nicht  von  seinen 
Rockschössen  abschütteln  können.  Rud.  Virchow. 


M.  Höfler.  Der  Isar-Winkel,  ärztlich -topographisch  geschildert  Mflnehen 
1891,  Ernst  Stahl  sen.  8.  280  S.  mit  Tafeln  und  eingedruckten  Illu- 
strationen. 

Der  Verfasser,  Bezirksarzt  in  Tölz,  schildert  in  höchst  eingehender  und  fast  ängstlich 
genauer  Weise  die  geologischen  und  orographischen  Verhältnisse  seines  Bezirkes,  er  bringt 
eine  topographische  Beschreibung  der  einzelnen  Ortschaften  mit  ihrer  Bevölkerung,  er 
bespricht  das  Klima  und  die  Witterung,  die  Quellen  und  Wasserlftufe,  giebt  in  ausführ- 
lichster Weise  die  Statistik,  genug  er  liefert  ein  mustergültiges  Handbuch  der  Local- 
Anthropologie.  Er  schildert  die  Einrichtung  der  Flur  und  des  Hauses  (S.  57),  die  Ab- 
stammung der  Bevölkerung  (S.  144),  die  Augen-,  Haut-  und  Haarfarbe  (S.  146),  die  Schidel- 
bildung  (S.  155)  und  das  sonstige  körperliche  Verhalten  der  Bewohner  (S.  161),  namentlich 
Kropf  und  Cretinismus.  Es  mag  hervorgehoben  werden,  dass  die  Zahl  der  Brachycephalen 
97,5  pCt.  beträgt,  und  dass  der  Verfasser  aus  seinen  Untersuchungen  den  Einflnss  de« 
Bodens  als  einen  starken  Factor  in  der  Umbildung  der  menschlichen  Organisation  nach« 
zuweisen  bestrebt  ist.  Jedenfalls  muss  man  ihm  dankbar  sein  für  seine  gewisdenhafte 
Arbeit  Bud.  Virchow. 


vn. 

Zur  Maya- Chronologie 

von 
Prof.  Dr.  E.  PÖRSTEMANN  in  Dresden. 


In  der  bisherigen  Lehre  vom  Maya -Kalender  finden  sich  einige  un- 
erklärte oder  anstössige  Punkte,  für  die  man  eine  Erklärung  oder  Berich- 
tigimg suchen  muss.  Ich  führe  diese  Punkte  hier,  mit  Nummern  versehen, 
an,  um  mich  auch  weiterhin  auf  diese  Nummern  beziehen  zu  können. 

1.  Die  Reihe  der  20  Tage  soll  entweder  mit  imix  beginnen,  wofür 
die  Anordnung  im  Aztekischen,  sowie  mehrere  Stellen  im  Tro-Cortesianus 
sprechen,  oder  mit  kan,  welche  Ansicht  sich  auf  das  ausdrückliche  Zeug- 
niss  des  Diego  de  Landa,  sowie  auf  den  Dresdensis  gründet. 

2.  Alle  Berechnung  grosser  Zeitperioden  soll  nach  meiner  eigenen, 
im  Jahre  1887  aufgestellten  Hypothese  vom  8.  Tage  des  18.  Monats  aus- 
gehen. Was  ist  der  Grund  einer  so  hervorragenden  Stellung  dieses 
Tages? 

3.  Die  Zählung  der  24jährigen  Perioden,  der  ahau^s,  soll  beginnen 
vom  2.  Tage  der  cauac- Jahre.    Wie  mag  dieser  Tag  dazu  kommen? 

4.  Der  Tag  XTTT  20  hat  im  Dresdensis  entschieden  eine  grosse  Be- 
deutung in  solchen  Fällen,  wo  es  sich  nicht  um  eine  Periode  von 
260  Tagen  handelt,  sondern  um  ein  in  4  Viertel  von  je  91  Tagen  getheiltes 
äonnenjahr.     Wie  erklärt  sich  diese  Bedeutung  in  diesem  Falle? 

5.  Die  Blätter  25 — 28  des  Dresdensis^  die  ganz  entschieden  den  Jahres- 
wechsel zum  Gegenstande  haben,  sollen,  genau  genommen,  nur  die  beiden 
letzten  der  unglücklichen  Schalttage  am  Jahresschlüsse  behandeln.  Warum 
bloss  diese? 

6.  Die  Ealenderdaten  haben  die  Form  z.  B.  DI,  2;  13,  3.  M.,  was 
ich  im  Jahre  1887  so  deutete:  der  3.  Wochentag  chicchan,  auf  welchen 
der  13.  Tag  des  3.  Monats  folgt.  Habe  ich  auch  diese  Auffassung  zu 
begründen  versucht,  so  haftet  ihr  doch  immer  etwas  Gezwungenes  an. 
Wie  lässt  sich  das  beseitigen? 

Ich  bin  nun  vor  Kurzem  auf  die  Annahme  gekommen,  dass  man  am 
Ende  des  15.  oder  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  die  Unordnung  bemerkt 
habe,  die  dadurch  entstanden  war,  dass  man  das  Jahr  nur  zu  365  ganzen 
Tage«  annahm.  In  früherer  Zeit  ist  solche  Unordnung  vielleicht  gar  nicht 
möglich  gewesen,   denn  damals  wird  man  wohl  gar  nicht  das  Sonnenjahr, 

Z«it*cferlfl  für  Btbnologi«k    Jahrg.  ^991.  H 


142  E.  FÖRSTEMANN: 

sondern  nur  die  Zeit  von  260  Tagen,  das  tonalamatl,  vielleicht  auch  eine 
Periode  von  400  (20  X  20)  Tagen  der  Zeitrechnung  zu  Grunde  gelegt 
haben.  Um  nun  jene  Unordnung  zu  beseitigen,  denke  ich,  man  habe, 
wie  es  auch  ähnlich  von  anderen  Völkeni  geschehen  ist,  17  Tage  ein- 
geschaltet und  statt  des  Tages  imix,  der  bis  dahin  die  Tagesreihe  begann, 
den  verflossenen  Tag  kan  und  die  folgenden  Tage  noch  einmal  eintreten 
lassen.  Auf  jener  älteren  Anordnung  beruhen  nun  die  Spuren  im  Tro- 
Cortesianus,  z.  B.  Cort.  31a,  Tro  36,  mag  dieser  nun  älter  sein  als  der 
Dresdensis  (was  man  mir  brieflich  nicht  zugeben  will)  oder  aus  einer 
älteren  Handschrift  abgeschrieben  oder  in  einer  anderen  Gegend  entstanden 
sein,  die  hierin  noch  der  aztekischen  Weise  folgte.  Landa  aber,  der 
jedenfalls  von  seiner  Zeit  sprach,  ist  vollkommen  glaubwürdig,  wenn  er 
kan  als  1.  Tag  setzt,  zumal  der  Dresdensis  diesem  Tage  den  Vorrang 
giebt;  ich  erinnere  nur  an  die  höchsten  Zahlen  dieser  Handschrift,  die  in 
den  Schlangen  auf  Blatt  61  und  62,  die  alle  8  von  einem  Tage,  kan,  aus 
gezählt  sind.     So  erkläre  ich  mir  die  oben  angeführte  Nr.  1. 

Weiter  aber  erklärt  sich  nun  auch  sehr  einfach  die  Nr.  2.  Denn  jener 
8.  Tag  des  18.  Monats,  von  dem  alle  Zeitrechnung  ausgeht,  war  ja  vor  der 
Kalender -Verbesserung  der  25.,  also  der  letzte  Tag  des  18.  Monats  und 
damit  des  ganzen  Jahres,  wenigstens  alle  4  Jahre.  Die  Maya^s  zählten 
also,  wie  viele  Tage  seit  ihm,  als  dem  Nullpunkte,  verflossen  waren.  Die 
Jahre,  welche  auf  ein  mit  ahau  schliessendes  Jahr  folgten,  fingen  ganz 
passend  mit  imix,  dem  ersten  Tage  der  Reihe,  an,  die  anderen  mit  cimi, 
chuen  und  cib  (nach  meiner  Bezeichnung  3,  8,  13).  Es  wäre  anziehend, 
wenn  man  auch  bei  diesen  3  Tagen  die  Spuren  einer  einstigen  hervor- 
ragenden Bedeutung  entdeckte;  man  beachte  z.  B.  Cort.  13b  bis  18b,  wo 
4  Reihen  von  je  52  auf  einander  folgenden  Tagen  gerade  mit  diesen 
4  Tagen  (jede  mit  einem  derselben)  beginnen. 

Nun  erhält  auch  Nr.  3  ein  neues  Licht.  Nach  diesem  Anfangspunkte 
aller  Zeitrechnung,  diesem  letzten  Tage  der  mit  cib  beginnenden  Jahre, 
wurde  die  dann  beginnende  24jährige  Periode  (die  zugleich  die  Periode 
von  15  scheinbaren  Venusjahren  war)  stets  gezählt.  Der  4  ahau  z.  B. 
beginnt  mit  dem  Jahre  5  imix  und  jeder  ahau  so  mit  diesem  ersten  Tage, 
bis  durch  Einschub  dt*r  17  Tage  Alles  verschoben  wurde.  Es  sieht  wie 
eine  Milderung  dieser  schroffen  Umwälzung  aus,  dass  statt  des  imix^  des 
Maisbrotes,  sein  Synonjrmum  kan,  das  Maiskorn,  gesetzt  wurde,  deren 
beide  Hieroglyphen  sich  in  den  Handschriften  unzählige  Male  eng  ver- 
bunden zeigen. 

Während  so  die  ersten  3  Punkte  durch  meine  Annahme  einer  Kalender- 
Verbesserung  sich  erklären,  geschieht  es  in  Bezug  auf  die  drei  anderen 
durch  einen  Gedanken  des  Hm.  Dr.  Sei  er,  den  derselbe  mir  brieflich 
am  21.  December  1890  äusserte.  Derselbe  schreibt  mir  nehmlicb,  daM 
nach  seiner  Ansicht  im  Dresdensis  die  Jahre  nicht  mit  kan,  muluc,  ix  und 


Zur  Maya- Chronologie.  143 

cauac,  sondern  mit  akbal,  lamat,  ben  und  ezanab  beginnen;  die  Schluss- 
tage  der  Jahre  müssen  also  nun,  nach  der  Kalender -Verbesserung,  ik, 
manik,  eb  und  caban  sein.  Als  Haupttage  gelten  aber  immer  noch  kan 
u.  8.  w.,  und  die  Jahre  werden  nach  dem  darin  zuerst  begegnenden  Haupt- 
tage bezeichnet.  Als  deutliche  Haupttage  treten  sie  z.  B.  hervor  im 
Cort.  3  a  bis  6  a,    Tro  33  c  bis  32  c,    Tro  23  bis  20,    Dresd.  9  b,  29  c. 

Nun  fallt  ein  neues  Licht  zunächst  auf  Nr.  4.  Der  Tag  XHI  20 
(akbal),  worin  sich  die  höchste  Wochentagezahl  mit  dem  letzten  Tage  der 
Reihe  verbindet,  ist  nichts  Anderes,  als  der  Neujahrstag  der  Jahre  1  kan. 
Jene  Perioden  zu  91  Tagen  sind  also,  zu  je  4  geordnet,  die  4  Mal  91  Tage, 
die,  auf  den  Tag  XHI  akbal  folgend,  das  Jahr  1  kan  ausfüllen,  so  z.  B. 
im  Dresdensis  Blatt  32  und  64.  In  der  an  dieser  letztgenannten  Stelle 
befindlichen  Reihe  sieht  man  recht  deutlich  die  Bedeutung  des  Sonnen- 
jahres, betont  durch  die  ganz  eigenthümlich  feierlich  gestalteten  Zeichen 
für  die  Null  im  vierten  und  achten  Gliede  der  Reihe,  also  am  Schlüsse 
des  ersten  und  zweiten  Jahres. 

Weiter  erledigt  sich  auch,  wie  schon  Hr.  Dr.  Seier  selbst  mir  schreibt, 
ganz  einfach  Nr.  5.  Denn  nun  sind  im  Dresdensis  25 — 28  nicht  die  beiden 
letzten  Tage  des  Jahres^  sondern  viel  natürlicher  der  Schlusstag  des  alten 
und  der  Neujahrstag  des  neuen  Jahres  behandelt.  Ich  muss  es  Herrn 
Dr.  Sei  er  überlassen,  seine  Ansicht  durch  Besprechung  der  Bilder  und 
Schriftzeichen  zu  bestätigen. 

Endlich  gestaltet  sich  auch  Nr.  6  mehr  zufriedenstellend.  Denn  nun  heisst 
lU  2;  13,  3.  M.  nicht  mehr  3  chiechan,  worauf  der  13.  Tag  des  3.  Monats 
folgt,  sondern  viel  einfacher,  welches  der  13.  Tag  des  3.  Monats  ist. 
Das  Normaldatum  IV  ahau,  8,  18.  M.  liegt  also  nun  wirklich  am  8.  Tage 
des  18.  Monats,  und  zwar,  wie  ich  immer  annahm,  im  Jahre  9  ix,  das  aber 
nach  dieser  neuen  Ansicht  mit  8  ben  begann. 

Es  liegt  nun  nahe,  von  dem  festen  Punkte  der  Zahlen  und  Rechnungen 
aus  weitere  Eroberungen  auf  dem  Gebiete  der  Schriftzeichen  zu  ver- 
suchen; am  nächsten  aber  liegt  diesmal  die  Umschau  nach  Bildern  für  die 
Begriffe  des  Jahres,  des  Jahreswechsels,  des  Jahresanfangs  und  des 
Jahresschlusses.  Wie  die  Schtangenbilder  überhaupt  eine  unleugbare 
Beziehung  zu  Zeiträumen  haben,  so  scheint  mir  das  vollkommenste  Bild 
für  das  Jahr  eine  Schlange  zu  sein,  die  einen  geschlossenen  Ring  bildet. 
Eine  solche  Schlange  finden  wir  im  Cort.  3  a  und  in  sie  hineingeschrieben 
die  Zahl  18,  welche  ich  durch  die  18  Monate  deuten  möchte.  Auch  im 
Cort.  4a,  5a,  6a  begegnet  man  stets  einer  Schlange  mit  beigescbriebener 
18,  so  dass  man  hier  auf  diesen  4  Blättern  leicht  an  die  4  Arten  von 
Jahren  denkt. 

Ebenso  glaube  ich  ein  sehr  vollkommenes  Bild  des  Jahreswechsels 
gefunden  zu  haben,  und  zwar  im  Dresd.  68  links  oben  in  den  zwei  mit 
dem  Rücken  gegen  einander  gelehnten  Götterbildern,  die  auf  einer  Reihe 


144  S-  FÖBSTBMAHH: 

Yon  Himmelszeicheu  sitzen,  welche  fast  wie  Dach  und  Wand  eines  Hauses 
geordnet  sind.  Dieses  Bild  aber  gehört  zu  einem  grossen  Abschnitte, 
welcher  auf  Blatt  65  beginnt  und  mit  der  linken  Seite  yon  Blatt  69  schliesst 
Ich  muss  hier  auf  diesen  Abschnitt  etwas  näher  eingehen,  als  ich  es  in 
meinen  „Erläuterungen*^  (Dresden  1886)  konnte. 

Den  eigentlichen  Korn  dieses  Abschnittes  bilden  4  Reihen  zu  91  Tagen, 
also  ein  Jahr;  die  nähere  Erklärung  dazu  besteht  aus  6  Reihen  Schrift- 
zeichen und  26  Bildern.  Nun,  da  ich  glaube,  die  oberste,  fast  ganz  zer- 
störte Reihe  aus  den  noch  übrigen  Spuren  ergänzen  zu  können,  lese  ich 
diese  4  Reihen  in  folgender  Weise : 

9XII,5IV,  1  V,  10II,6VIII,2X,llVIII,7n,3V,  12IV,8XII,4III,13IIL 
111,131,  llXII,lXIII,8Vm,  6I,4V,2VII,13Vn,6Xin,6VI,8I,2ra. 
1 1  XI,  1 3  XI,  1 1 IX,  1  X,  8  V,  6  Xt,  4  n,  2 IV,  1 3 IV,  6  X,  6  m,  8  XI,  2  XHI. 

9IX,  51,  in,  loxn,  6  V,  2  vn,  11 V,  7XII,  311, 121, 8ik,4xni,  i3xra. 

Die  Betrachtung  dieser  4  Reihen  zeigt,  dass  jede  derselben  mit  ihrem 
Ende  sich  ganz  gut  wieder  an  ihren  eigenen  Anfang  anschliesst,  dass  aber 
auch  vom  Ende  der  vierten  zum  Anfang  der  dritten  und  ebenso  vom  Ende 
der  zweiten  zum  Anfang  der  ersten  guter  Anschluss  stattfindet,  ebenso 
auch  umgekehrt  vom  Ende  der  dritten  zum  Anfang  der  vierten  und  vom 
Ende  der  ersten  zum  Anfang  der  zweiten.  Dagegen  stehen  die  zweite 
und  dritte  Reihe  in  keiner  solchen  Verbindung. 

Nun  sehen  wir  femer,  dass  der  Endpunkt  der  ersten  beiden  Reihen 
ein  Tag  HI,  der  letzten  beiden  ein  Tag  XIII  ist.  Was  liegt  da  näher, 
als  an  die  beiden  Tage  m  2  und  Xm  20  zu  denken,  die  auf  Blatt  62—64 
von  so  grosser  Bedeutung  sind?  Dann  zeigt  sich  unser  Abschnitt  (Blatt 
65 — 69)  wie  eine  Einleitung  zu  jenen  Blättern,  und  es  tritt  wieder  ein 
Stück  unserer  Handschrift  in  Harmonie  mit  einem  anderen. 

Jede  Reihe  ist,  wie  wir  sehen,  in  13  Zeiträume  zerlegt,  deren  Durch- 
schnittsdauer also  die  von  7  Tagen  ist;  die  4  Reihen  bilden  daher  52  Zeit- 
räume. Nun  finden  wir  auf  diesen  Blättern  26  Bilder;  es  bleibt  also  die 
Hälfte  jener  Zeiträume  anscheinend  ohne  Bild.  Von  den  Bildern  stehen 
13  zwischen  der  zweiten  und  dritten,  13  unter  der  vierten  Reihe,  doch 
wohl  nur  in  Rücksicht  auf  symmetrische  Anordnung  der  Blätter. 

Weiter  zeigt  sich  aber,  dass,  wenn  man  oben  mit  der  ersten  Reihe 
anfängt  und  zur  zweiten  fortschreitet,  unten  dagegen  mit  der  vierten 
beginnt  und  daran  die  dritte  anschliesst,  beide  Reihen  ganz  gleichmässig 
verlaufen  und  die  mit  arabischen  Ziffern  bezeichneten  Zwischenräume 
zwischen  den  einzelnen  Tagen  ganz  dieselben,  beide  Reihen  also  ge- 
wissermaassen  identisch  sind^  und  deshalb  die  26  Bilder  unter  Umständen 
für  beide  Reihen,  also  für  alle  52  Zeitabschnitte  gelten  können,  obwohl 
die  Anfangspunkte  verschieden  sind.  Doch  will  es  mir  scheinen,  als  ob 
Bilder  sowohl  als  Schriftzeiehen  sämmtlich  nur  auf  die  unteren  beiden 
Reihen,  also  auf  den  wichtigeren  der  beiden  Tage  (XIH  20),  sich  beziehen. 


Zur  Maya- Chronologie. 


145 


Nun  steht  auf  Blatt  65  am  Anfange  (links)  der  untersten  Reihe  der 
Schriftzeichen  9  kan.  Sollte  das  nicht  das  hier  gemeinte  Jahr  sein,  das 
übrigens  vielleicht  nicht  zufällig  das  mittelste  eines  mit  9  ix  beginnenden 
katun  ist?  Im  Jahre  9  ix  scheint  ja,  wie  ich  im  Compte  rendu  des  Ber- 
liner Americanisten-Congresses  p.  742,  dargethan  habe,  der  Anfang  der 
Maya -Zeitrechnung  zu  liegen.  Der  Tag  XIII  20  aber  ist  im  Jahre  9  kan 
der  erste  Tag  des  11.  Monats  (nach  der  neuen  Annahme,  dass  9  kan  der 
zweite  Tag  des  Jahres  ist);  das  wäre  der  Anfangspunkt  der  vierten  Reihe. 
Zählt  man  nun  in  dieser  vierten  Reihe  mit  den  Differenzen  9,  5,  1  u.  s.  w. 
fort,  so  endet  sie  mit  dem  12.  Tage  des  15.  Monats,  und  die  dritte  Reihe 
beginnt  mit  dem  3.  T<ige  des  16.  Monats.  Das  neunte  Glied  dieser  dritten 
Reihe  wäre  der  21.  Tag  des  18.  Monats,  das  zehnte  der  2.  Tag  des 
1.  Monats,  also  der  dem  neuen  Jahre  den  Namen  gebende  Tag  10  muluc. 
Und  gerade  an  dieser  Stelle  (Blatt  68,  links  oben)  treffen  wir  jenes  Janus- 
bild.  Und  um  diese  Bedeutung  noch  klarer  hervorzuheben,  stehen  über 
den  Göttern  2  Zeichen,  die  einer  liegenden  8  (oo)  sehr  ähnlich  sind.  Ich 
denke,  das  ist  die  hieroglyphische  Abkürzung  für  2  an  einander  stossende 
Schlangen,  also  2  Jahre.  Und  unter  den  darüber  stehenden  Schriftzeichen 
ist  das  erste  in  der  obersten  Zeile  nichts  als  die  graphisch  abgekürzte 
Wiedergabe  der  2  sich  an  einander  lehnenden  Personen  (Fig.  1).    Rechts 


c/o 


igji<^ 


8 


OIIOs 


10 


11 


12 


18 


davon  aber  finden  wir  ein  sehr  zusammengesetztes  Schriftzeichen,  dessen 
einer  Theil  wieder  jener  liegenden  8  sehr  ähnlich  ist.  Ich  hoffe,  dass  wir 
auf  festem  Boden  stehen.  Ja,  sogar  das  vorhergehende  9.  Bild  (Blatt  67, 
oben  rechts)  könnte  auf  den  Jahres schluss  deuten;  es  ist  ein  schreitender 
Gott,  zu  dessen  Füssen  eine  kleine  Gottheit  wie  in  einem  Sacke  ein- 
geschlossen liegt,  also  vielleicht  das  alte  und  das  noch  nicht  aus  dem  Ei 
gekrochene  junge  Jahr. 

Dass  dieses  neue  Jahr  ein  muluc -Jahr  ist,  scheint  mir  auch  aus  dem 
fortwährend  strömenden  Regen  des  10.  bis  13.  Bildes  hervorzugehen,  ebenso 
ans  dem  auf  dem  11.  Bilde  und  in  dem  dazu  gehörigen  Schriftzeichen 
erscheinenden,  uns  aus  Dresd.  44 — 45  besonders  bekannten  Sturm-  oder 
Blitzthiere  (vergl.  Seier,  diese  Zeitschrift  1888,  S.  68  und  69  des  Separat- 
abdmckes). 

Zwei   an    dieser  Stelle   vorkommende  Gebilde  können  wir  auch  noch 


146  E.  FÖR6TBMANN: 

an  anderer  Stelle  dieser  Handschrift  sehen.  Zunächst  die  beiden,  Rücken 
gegen  Rücken  sitzenden  Gestalten  auf  Blatt  22,  unten  rechts,  als  letztes 
der  oberen  Reihe  von  Schriftzeichen.  Hier  ist  deutlicher,  als  an  der  eben 
besprochenen  Stelle,  zu  sehen,  dass  sie  statt  der  Köpfe  2  halbe  (auf-  oder 
untergehende)  Sonnen  haben.  Dass  hier  wirklich  ein  Jahreswechsel  vor- 
liegt, kann  ich  nicht  entscheiden,  da  mir  bisher  nicht  gelungen  ist  (was 
ein  sehr  bedeutender  Schritt  vorwärts  wäre),  das  Ealenderdatum  des  An- 
fangs der  verschiedenen  tonalamatl  der  Handschrift  zu  ergründen.  Eine 
solche,  wie  es  scheint,  ganz  unbekleidete  Person  dieser  Form  begegnet 
uns  in  der  Handschrift  öfters,  z.  B.  auf  Blatt  58  rechts,  sogar  mit  dem 
Kopfe  nach  unten,  neben  einem  Venusbildo,  auf  Blatt  57b  und  58b.  Auch 
wenn  hier  gar  nicht  Personen,  sondern  Wolkengebilde  gemeint  sind,  hinter 
denen  ein  Gestirn  auf-  oder  untergeht,  wird  meine  Deutung  auf  den 
Jahreswechsel  dadurch  nicht  berührt.  Nachträglich  sehe  ich,  dass  Dr.  Seier, 
Charakter  der  Maya- Handschriften,  S.  9  des  Separatabdruckes,  wirklich 
hierin  Menschenbilder  sieht. 

Mit  der  im  Sacke  eingeschlossenen  Gottheit  könnte  man  das  Bild 
links  auf  Blatt  33  c  vergleichen,  doch  ist  hier  zu  berücksichtigen,  dass 
Dr.  Seier,  Charakter  der  Maya -Handschriften,  S.  88  des  Separatabdruckes, 
hierin  wohl  mit  Recht  die  Höhlung  eines  Baumes  (des  Wolkenbaumes) 
erkennt. 

Eine  andere  Art  der  Bezeichnung  des  Jahresschlusses  möchte  ich  auf 
Blatt  53,  unten,  der  Dresdener  Handschrift,  auf  die  ich  mich  hier  be- 
schränken muss,  erblicken.  Dort  sehen  wir  eine  todte  Frau  an  einem 
Strick  erhängt,  der  an  Himmelszeichen  befestigt  ist.  Ueber  ihr  stehen 
8  Schriftzeichen  zu  je  vieren  in  2  perpendiculären  Reihen.  Das  3.  Schrift- 
zeichen der  2.  Reihe  zeigt  in  der  Mitte  wieder  das  einer  8  ähnliche  Gebilde, 
diesmal  in  aufrechter  Stellung;  in  dem  rechts  davon  angehängten  Zeichen 
sehe  ich  die  abgekürzte  Hieroglyphe  für  den  Westen  oder  die  ix -Jahre 
(s.  Schellhas,  Die  Maya -Handschrift  zu  Dresden,  1886.  S.  70);  in  dem 
links  angefügten  aber  nicht  das  erwartete  Zeichen  für  den  Norden,  sondern 
einen  menschlichen  Arm,  wie  eine  Andeutung  jener  Frau.  Sollte  nicht 
die  hängende  Figur  die  Wassergöttin  Xnuc  sein  und  das  Ganze  den  Tod 
oder  das  Ende  eines  muluc -Jahres,  den  Anfang  eines  ix -Jahres,  bedeuten? 
Wahrscheinlich  ist  13  muluc  und  1  ix  gemeint,  doch  ist  das  nicht  ganz 
sicher,  zumal  da  die  periodische  Reihe,  die  sich  aus  54  X  177,  9X  148  und 
6  X  178  Tagen  wunderbar  zusammensetzt,  mir  jetzt  noch  grosse  Schwierig- 
keiten macht.  Vorgl.  übrigens  eine  andere  Auffassung  der  erhängten 
Frau  bei  Schellhas,  ebendaselbst  S.  45. 

In  beiden,  ausführlicher  besprochenen  Stellen  (Blatt  68  und  53)  sehen 
wir  das  einer  oo  ähnelnde  Zeichen,  und  dieses  müssen  wir  noch  %^eiter 
betrachten.  Auf  Blatt  2  b  links  find(»n  wir  es  sogar  ganz  deutlich  als 
Kopfschmuck  eines  Gottes,    ob  aber  auch  hier  mit  Bezug  auf  den  Jahres- 


Zur  Maya- Chronologie.  147 

Wechsel,  bleibt  imgewiss.  In  anderen  Stellen  glaube  ich,  dass  das  Zeichen 
Fig.  2  eine  blosse  Abkürzung  davon  ist.  So  auf  Blatt  38a  rechts.  Dort 
stellt  das  Bild  den  Gott  mit  der  Schlangenzunge  dar,  in  der  Hand  das 
Zeichen  kan;  darüber  die  gewöhnliche  Hieroglyphe  des  Gottes  und 
hierüber  ein  zusammengesetztes  Zeichen  (Fig.  3),  also  das  hier  besprochene 
Zeichen  mit  den  gewöhnlichen  Punkten,  die  eine  Bewegung  oder  einen 
Verlauf  anzeigen,  und  links  davon  das  Zeichen  für  den  Osten,  also  die 
kan -Jahre.  Sollte  dies  das  Ende  eines  kan -Jahres  bezeichnen?  Dann 
auf  Blatt  41b  rechts;  darunter  scheint  ein  neues  Götterbild  (der  neue 
Jahresgott?)  aus  einem  Baume  geschnitzt  zu  werden;  unter  den  Schrift- 
zeichen ist  das  erste  das  des  Westens,  verbunden  wahrscheinlich  mit  dem 
Zeichen  des  Jahresschlusses,  dem  wir  später  begegnen  werden  (dem  Stein- 
haufen, auf  dem  das  Götterbild  errichtet  wird).  Ferner  auf  Blatt  52b, 
wo  wir  1034  Tage  vor  jenem  erhängten  Frauenbilde  als  erstes  der  Schrift- 
zeichen die  Fig.  4  sehen;  dazu  gehört  unten  unter  Himmelszeichen  eine 
wappenähnliche  Figur,  die  in  ihrem  linken  Theile  gelb,  im  rechten  schwarz 
gefärbt  ist,  in  der  Mitte  aber  das  Zeichen  der  Sonne  trägt.  Dass  auch 
hier  ein  Jahreswechsel  gemeint  sein  kann,  ist  wohl  möglich,  da  hierzu  ein 
Spielraum  von  178  Tagen  vorhanden  ist,  doch  mehr  kann  man  nicht 
behaupten. 

Hier  möchte  ich  nun  noch  auf  ein  anderes  Zeichen  hinweisen,  das 
vielleicht  ebenso,  wie  das  vorige,  aus  der  Schlange  entstanden,  vielleicht 
also  ebenso  auf  das  Jahr  bezüglich  ist.  Ich  meine  die  Spirale  oder 
Schneckenlinie  (Fig.  5).  Wir  begegnen  ihr  auf  Blatt  29c,  sowohl  bei  dem 
mittleren  Bilde,  als  bei  dem  rechts  stehenden.  Bei  jenem  finden  wir  sie 
im  Wasser,  zu  Füssen  einer  schwarzen  Gottheit,  daneben  das  Zeichen  kan, 
über  dem  ein  Krokodil  liegt.  Unter  den  darüber  stehenden  Hieroglyphen 
sehen  wir  die  abgekürzte  des  Ostens  (der  kan -Jahre),  rechts  darüber  das 
volle  Zeichen  des  Westens.  Und  bei  dem  rechts  sitzenden  Gotte  (dem- 
selben mit  der  Schlangenzunge,  doch  diesmal  weiss)  ist  Folgendes  zu 
bemerken:  Ueber  dem  Kopfe  das  Zeichen  kan  mit  einem  Fische  darüber, 
in  der  rechten  Hand  eine  Vogelfeder,  in  der  linken  jene  Spirale,  ver- 
bunden mit  den  abgekürzten  Hieroglyphen  des  Westens  und  Südens.  Zu 
den  darüber  stehenden  Hieroglyphen  gehört  die  des  Südens,  sowohl  in  der 
vollen,  als  in  der  kürzeren  Gestalt. 

Diese  Gruppe  setzt  sich  nun  auf  Blatt  30  c  fort.  Hier  hält  der  Gott, 
zu  dessen  Füssen  ein  Thier  erscheint,  in  der  Linken  einen  Speer,  die 
Spitze  nach  unten  gewendet;  unmittelbar  darüber  finden  wir  unsere  Spirale, 
verbünden  mit  den  abgekürzten  Hieroglyphen  des  Westens  und  Südens. 
In  den  darüber  stehenden  Schriftzeichen  begegnet  man  wieder  Westen  und 
Süden. 

Allen  diesen  3  Bildern  geht  nun  aber,  die  ganze  Reihe  erst  erfüllend, 
ein    viertes   voran.      Der  Gott   Wart  hier  in  einem  Kahne,   neben  seinem 


148  S*  FÖBSTEMANN: 

Kopfe  ist  ein  Yogelkopf  abgebildet;  in  den  darüber  stehenden  Schrift- 
zeichen finden  wir  das  des  Nordens;  die  Spirale  fehlt.  Uebrigens  ist  die 
Entfernung  jedes  Bildes  von  dem  benachbarten  16  Tage. 

Beiläufig  noch  die  Bemerkung,  dass  diese  Stelle  29  c — 30  c  sich  un- 
mittelbar an  29b — 30b,  vielleicht  sogar  an  29a — 30a  anschliesst,  was  zur 
Erklärung  beitragen  könnte;  doch  gehört  Weiteres  hierüber  nicht  hierher. 

Ganz  in  der  Nähe  dieser  Gruppe,  auf  Blatt  33 — 35  b,  begegnet  die 
Spirale  in  einer  zweiten,  die  hier  wie  dort  nur  das  Ende  einer  Reihe, 
eines  tonalamatl  bildet.  Auf  jedem  dieser  Blätter  sitzt  links  derselbe  Gott 
in  dem  Rachen  einer  geschlossenen  Schlange;  in  dem  Kreise,  den  die 
Schlange  bildet,  findet  sich  Wasser  und  in  dem  Wasser  jedesmal  die  Zahl 
19  (man  vergleiche  die  18  in  der  Stelle  des  Cod.  Gort.,  von  der  wir  oben 
ausgingen).  Und  jedesmal  enthalten  die  darüber  stehenden  Hieroglyphen 
unsere  Spirale  mit  der  Zahl  9  davor.  Ich  habe  über  die  zu  dieser  Stelle 
gehörigen  Tagesreihen  in  meinen  „Erläuterungen"  S.  57  gesprochen. 

Wir  sind  von  der  Schlange  ausgegangen  und  unvermerkt  zu  ihr  zurück- 
gekehrt. Ich  erwähne  hier  noch  Blatt  56b,  wo  wir  als  letztes  der  untersten 
Reihe  von  Schriftzeichen  wieder  eines  finden,  das  aus  dem  abgekürzten 
Zeichen  des  Südens  und  einer  Schlange  besteht.  Es  ist  das  wieder  die- 
selbe Reihe,  in  der  wir  das  erhängte  Frauenzimmer  finden,  und  zwar 
3484  Tage  nach  dem  Zeitpunkte,  auf  den  sich  jenes  bezieht.  Habe  ich 
oben  Recht  mit  der  Festsetzung  jenes  Zeitpunktes,  so  bezieht  sich  dieser 
auf  ein  Jahr  10  cauac,  und  dem  Süden  entspricht  allerdings  cauac. 

Es  mag  hier  noch  erwähnt  werden,  dass  die  Schlange  mehrfach  geradezu 
als  Kopfschmuck  vorkommt;  so  auf  Blatt  9c  bei  einem  Gotte,  15b,  20a 
und  23b  bei  einer  Frau.  In  der  dritten  dieser  vier  Stellen  sind  die  dazu 
gehörigen  Schriftzeichen  verwischt,  in  der  zweiten  ist  die  Hieroglyphe 
der  Frau  mit  dem  Zeichen  des  Nordens  verbunden,  in  den  beiden  anderen 
finde  ich  nichts  auf  eine  Zeit  Bezügliches. 

Wir  verlassen  hier  das  Gebiet  der  Schlange  und  kommen  zu  einem 
ganz  anderen  Zeichen,  das  wir  vielleicht  bestimmter  als  Zeichen  des  Jahres- 
wechsels,  nie  des  Jahres  an  sich,  ansehen  können.  Ich  meine  das  Zeichen 
•X'  oder  •)(*,  dessen  Elemente  natürlich  nach  Maya-Weise  eben  so  gut 
vertical,  als  horizontal  neben  einander  stehen  können.  Zeigt  es  den  Jahres- 
wechsel wirklich  an,  so  ist  es  sehr  natürlich,  dass  es  meistens  mit  zwei 
Hieroglyphen  benachbarter  Weltgegenden  verbunden  wird;  bei  kan-muluc 
sollte  man  Ost-Nord  u.  s.  w.  erwarten.  Doch  ist  gleich  zu  erwähnen,  dass 
in  der  Regel  West-Süd  vorgezogen  wird,  als  käme  es  nicht  darauf  an,  die 
bestimmten  Weltgegenden  genau  zu  bezeichnen.  So  finden  wir  es  auf 
dem  Blatte  27  in  der  Mitte,  wo  man  Süd-Ost  erwarten  sollte. 

Auf  Blatt  18  c  sehen  wir  es  mit  diesen  Weltgegenden  als  Hieroglyphe 
einer  Frau,  die  selbst  die  Zeichen  West-Süd  auf  dem  Rücken  trägt  Das 
tonalamatl,    zu    dem    es   gehört,    beginnt  mit   dem  Normal  tage  lY  17;    ist 


Zur  Maja-Ghronologie.  149 

dieser  Tag  wirklich  das  Normaldatum,  der  8.  Tag  des  18.  Monats,  so 
könnte  das  Bild  gerade  auf  den  Neujahrstag  10  cauac  fallen,  denn  die 
Tagesreihe  meldet,  dass  15  Tage  verflossen  und  33  im  Verfliessen  begrifl^en 
sind;  auch  stimmen  hier  die  Weltgegenden  West-Süd. 

Auf  demselben  Blatte  oben,  18  a,  trägt  eine  Frau  die  Zeichen  der 
beiden  Weltgegenden,  über  denen  wieder  unser  Zeichen  steht,  in  den 
Händen;  die  dazu  gehörigen  Hieroglyphen  sind  verwischt,  aus  der  Tages- 
reihe ist  nichts  zu  schliessen. 

Das  folgende  Blatt,  19  c,  zeigt  wieder  auf  dem  Rücken  einer  Frau  die 
Zeichen  West-Süd,  in  den  Hieroglyphen  dieselben  und  unser  Zeichen. 

Ganz  eigenthümlich  mit  dem  Westen  und  dem  Zeichen  cimi  verbunden, 
auch  etwas  abweichend  von  der  sonstigen  Form^  steht  es  auf  Blatt  8  c  in 
der  ersten  Reihe  der  Hieroglyphen. 

Nun  haben  wir  auch  noch  die  Blätter  46 — 50  zu  betrachten,  auf  denen 
wir  dieses  Zeichen  vorzüglich  erwarten  müssen,  da  hier  Erden- und  Venus- 
jahre in  Einklang  gebracht  sind.  Gleich  auf  Blatt  46  auf  der  untersten 
Zeile  finden  wir  es  an  letzter  Stelle;  es  soll  zwar  hier  das  Datum  2, 
17.  Monat  stehen,  der  Schreiber  aber  hat  zwischen  die  beiden  Punkte  der 
2  das  kleine  Kreuz  gesetzt,  vielleicht  um  anzudeuten,  dass  hier  ein  Yenns- 
jahr  von  584  Tagen  schliesst.  Und  auf  der  rechten  Seite  desselben  Blattes 
beginnt  die  vorletzte  Zeile  gerade  wie  im  Anschluss  an  die  eben  genannte 
Stelle  wieder  mit  unserem  Zeichen;, gehört  das,  wie  es  scheint,  zur  dritten 
Reihe  der  Kalenderdaten,  so  trifft  es  allerdings  auf  einen  Uebergang  der 
kan-  zu  den  muluc-Jahren. 

Die  folgenden  drei  Blätter  entbehren  dies  Gebilde,  aber  auf  Blatt  50 
begegnet  es  fast  an  derselben  Stelle,  wo  wir  es  auf  Blatt  46  fanden  (rechte 
Seite,  erstes  Zeichen  der  untersten  Reihe),  hier,  wieder  in  Verbindung  mit 
den  Hieroglyphen  des  Westens  und  Südens,  wo  das  fünfte  Venusjahr  zu- 
gleich mit  dem  achten  Erdenjahre,  allerdings  nicht  gerade  am  Schlüsse 
des  letzteren,  abgelaufen  ist. 

So  weit  von  diesem  Kreuze  zwischen  zwei  Punkten.  Der  Punkt 
zwischen  zwei  Kreuzen,  der  gleichfalls  begegnet,  scheint  dagegen  nicht 
hierher  zu  gehören;  ein  Punkt  mit  einem  Kreuze  könnte  leicht  eine  Ab- 
kürzung der  Zahl  20  sein. 

Wir  kommen  jetzt  zu  einem  weiteren  Zeichen  für  das  Jahr,  doch,  wie 
ich  gleich  bemerke,  für  das  alte  officielle  Jahr  von  360  Tagen,  das  die 
fünf  am  Schlüsse  eingeschalteten  unglücklichen  Tage  nicht  umfasst.  Ich 
meine  die  Figur  6,  die  zuweilen  noch  mit  drei  Punkten  als  Suffix,  zu- 
weilen noch  mit  anderen  Anhängseln  versehen  ist.  Ich  will  sie  im  Fol- 
genden der  Kürze  halber  das  360-Zeichen  nennen. 

Schlagen  wir  zunächst  die  Blätter  25 — 28  der  Handschrift  auf,  die  am 
sichersten  von  dem  Jahreswechsel  handeln,  so  finden  wir  auf  jedem  der- 
selben   links  unten  statt   der  Steinhaufen,   auf  welchen  am  Jahresschlüsse 


150  ^-  Förstemann: 

die  Jahresgötter  aufgestellt  wurden,  dieses  Zeichen.  Dasselbe  begegnet 
auch  in  der  Zeile  Hieroglyphen,  welche  die  zweite  Abtheilung  der  Blätter 
von  der  dritten  scheidet,  auf  jedem  der  Blätter,  auf  Blatt  27  sogar  2  Mal. 
Ebenso  zeigt  es  sich  in  den  oberen,  zum  Theil  zerstörten  Zeilen  der  Blätter 
26 — 28,  auf  Blatt  26  sogar  3  Mal,  einmal  mit  dem  Zeichen  ix  und  einmal 
mit  cauac  als  Präfix,  und  gerade  dieses  Blatt  handolt  vom  Uebergange 
der  ix-  in  die  cauac-Jahre.  So  ist  also  wohl  schon  hier  die  Bedeutung 
des  Zeichens  hinreichend  gesichert. 

Schlagen  wir  weiter  das  Blatt  50  auf.  Hier  finden  wir  als  das  zweite 
Zeichen  der  ersten  Zeile  von  Kalenderdaten  dieselbe  Figur  wieder,  ver- 
sehen mit  einem  Präfix,  das  die  Zahl  20  bedeutet,  und  einem  etwas  un- 
deutlichen Superfix.  Das  Ganze  muss,  wie  ich  schon  in  meinen  ^Erläute- 
rungen" (1886),  S.  12  erwähnt  habe,  den  20.  Tag  des  18.  Monats,  also  den 
officiellen  Jahresschluss  bedeuten.  Wiederum  eine  Bestätigung  meiner 
Annahme. 

Dass  dieses  360- Zeichen  ganz  oder  fast  ganz  mit  der  Hieroglyphe 
des  16.  Monats  übereinstimmt  und  deshalb  oft  die  Entscheidung  schwierig 
gemacht  wird,  welches  von  beiden  vorliegt,  hat  gewiss  seinen  Grund,  der 
aber  bis  jetzt  noch  unbekannt  ist.  In  meinen  „Erläuterungen"  habe  ich 
noch  beide  verwechselt  und  dazu  noch  mit  einem  dritten  Zeichen  ver- 
mischt, das  ich  jetzt  besprechen  will. 

Die  Zahl  360  ist  nach  dem  Zahlensystem  der  Maya's  die  Einheit  der 
dritten  Stufe,  die  der  vierten  ist  7200.  Sollte  nicht  auch  diese,  also  die 
Zeit  von  20  officiellen  Jahren,  unter  den  Schriftzeichen  vertreten  sein? 
Ich  glaube  die  Hieroglyphe  in  einer  Erweiterung  des  360 -Zeichens  zu 
sehen  (Fig.  7).     Diese  Figur  wollen  wir  das  7200- Zeichen  nennen. 

Um  diese  Annahme  zu  begründen,  schlagen  wir  zunächst  Blatt  58  auf. 
In  dessen  unterer  Hälfte  links  eine  Reihe  von  11958  (genauer  11960) 
Tagen,  durch  ein  höchst  auffallendes  Bild  beschlossen.  Ueber  diesem 
Bilde  stehen  zehn  Hieroglyphen  in  folgender  Ordnung: 


1 

6 

2 

7 

3 

8 

4 

9 

5 

10 

Die  mittelsten  Zeichen  der  Stellung  nach,  3  und  8,  sind  Sonne  und 
Mond,  die  mittelsten  in  der  Zahlenreihe  aber,  5  und  6,  unser  7200-  und 
unser  360-Zeichen,  jenes  versehen  mit  einer  1  (oder  einer  20,  wenn  man 
die  1  mit  darunter  befindlichem  Kreuzchen  so  lesen  will),  dieses  mit  einer 
13.  Die  Mayaziffem  der  hierzu  gehörigen  Zahl  11958  aber  sind  1,  13, 
3,  18.  Da  ist  denke  ich,  wohl  nichts  natürlicher,  als  in  den  beiden  Hiero- 
glyphen   die  Zeichen    för  7200  und  13  •  360  =  4680  zu  sehen.     Zusammeo 


Zur  Maya- Chronologie.  151 

wäre  das  1 1  880.  Wie  weit  etwa  noch  die  übrigen  Zeichen  die  an  der 
Summe  fehlenden  18  anzeigen,  vermag  ich  noch  nicht  zu  entscheiden. 

Weiter  betrachten  wir  Blatt  61  mit  seinen  zwei  von  oben  nach  unten 
gehenden  Reihen  von  Hieroglyphen.  Die  fünfte  Zeile  von  unten  wird 
hier  gebildet  durch  unser  7200-Zeichen  mit  der  Zahl  15  und  durch  unser 
360-Zeichen  mit  der  Zahl  9.  Das  würde  zusammen  111  240  Tage  be- 
deuten. Dazu  kommen  noch  jedenfalls  aus  den  darüber  und  darunter 
stehenden  Zeilen  weitere  Zahlen,  doch  können  wir  diese  nicht  bestimmen, 
da  wir  noch  nicht  wissen,  in  welcher  Beziehung  das  Ganze  zu  der  vorher- 
gehenden (rechts  davon  stehenden)  Reihe  oder  zu  welcher  der  sonstigen 
Zahlen  steht.  Vermuthen  darf  man  vielleicht,  dass  das  unter  dem  7200-Zeichen 
stehende  Gebilde,  bestehend  aus  dem  Tage  chuen  mit  Präfix  und  Suffix 
und  vorgesetzter  1,  den  Monat  von  20  Tagen  bezeichnen  soll;  das  chuen- 
Zeichen  würde  nicht  ganz  ungeschickt  diese  Function  haben,  da  es  die 
zweite  Hälfte  eines  mit  imix  beginnenden  Monats  anfangt,  also  gewisser- 
maassen  den  ganzen  Monat  als  dessen  Mitte  vertritt.  Unter  dem  360-Zeichen 
aber  sehen  wir  die  Sonne,  kin,  mit  Suffix  und  vorgesetzter  3.  Das  würde 
darauf  hinweisen,  dass  kin  im  Sinne  von  Tag  gefasst,  die  ganze  uns  noch 
unbekannte  Zahl  mit  drei  Einheiten  endet.  Und  solche  Zahl  gebührt  in 
der  That  dem  wichtigsten  Tage  dieses  Theils  der  Handschrift,  dem  Tage 
Xin  20,  denn  dem  Tage  17  (ahau)  entspricht  ja  stets  eine  mit  0  endende 
Zahl. 

Auf  demselben  Blatte  61  und  in  denselben  senkrechten  Reihen  bildet 
die  sechste  Zeile  von  oben  wieder  unser  7200-Zeichen  und  unser  360- 
Zeichen,  letzteres  an  einem  Gesichte  gezeichnet  und  mit  einer  8  versehen. 
Wir  erkennen  hier  wenigstens  wieder  die  Zusammengehörigkeit  beider. 

Was  uns  aber  in  diesem  Abschnitte  begegnet,  dazu  dürfen  wir  ganz 
Entsprechendes  in  dem  letzten  Theile  der  Handschrift  (Blatt  69 — 73) 
vermuthen,  nachdem  ich  den  Parallelismus  beider  Abschnitte  in  meinem 
Aufsatze  „zur  Entzifferung  der  Maya-Handschriften  H"  bewiesen  habe. 
Und  so  finden  wir  denn  in  Blatt  69  dieselben  zwei  senkrechten  Reihen 
von  Schriftzeichen  und  in  ihnen  wieder  in  der  fünften  Zeile  von  unten  das 
7200-  und  das  360-Zeichen,  jenes  wieder  mit  15,  dieses  wieder  mit  9; 
darunter  das  chuen-Zeichen,  diesmal  mit  4,  und  das  kin-Zeichen,  diesmal 
wieder  mit  4.  Wir  dürfen  also  eine  grosse,  mit  4  schliessende  Zahl  ver- 
muthen, wie  sie  allerdings  dem  Haupttage  dieses  Abschnittes,  dem  Tage 
IX  1 1,  zukommt,  wenn  man  wieder  von  ahau  =  0  ausgeht. 

Auf  demselben  Blatte  blicken  wir  nun  unwillkürlich  weiter  hinauf 
und  da  finden  wir  nicht  bloss  unsere  beiden  Zeichen  wieder,  sondern  er- 
kennen auch,  dass  die  obersten  16  Hieroglyphen,  die  im  blauen  Felde 
gezeichneten,  genau  denen  auf  Blatt  61  entsprechen,  abgesehen  von  kleinen 
Varianten  und  von  dem  Ersätze  des  moan-Eopfes  durch  ein  dafür  öfters 
stehendes  gleichbedeutendes  Zeichen. 


152  S-  FÖRSTEMAKN: 

Es  ist  aber  die  Zusammengehörigkeit  der  Hieroglyphen  für  7200  und 
360  Tage  nicht  bloss  eine  Eigenthümlichkeit  des  Dresdensis,  sondern  sie 
erstreckt  sich  auch  auf  die  von  den  Handschriften  so  sehr  abweichenden 
Steininschriften.  Die  Inschrift  des  Kreuzes  von  Palenque  zeigt  beide  fast 
zwölfmal  einander  benachbart,  das  eine  neben  oder  unter  dem  anderen. 

Wo  beide  Zeichen  nicht  so  unmittelbar  bei  einander  stehen,  wird  die 
Sache  unsicher,  eben  wegen  der  fast  vollkommenen  Gleichheit  des  360- 
Zeichens  mit  dem  des  Monats  pax.  Ich  lasse  daher  dieses  jetzt  aus  dem 
Spiele;  für  das  7200-Zeichen  verweise  ich  noch  auf  Blatt  24  erste  Spalte, 
Blatt  70  dritte  Spalte,  drittes  Zeichen  von  unten,  Blatt  73  oben,  zweite 
Spalte  von  rechts.  Besonders  gross  steht  es  endlich  auf  dem  ganz  einzig 
gestalteten  Blatt  60b.  Doch  unterlasse  ich  es,  hier  viele  noch  nahe  lie- 
genden Bemerkungen  zu  machen,  um  nicht  auf  einem  Boden  weiter  zu 
bauen,  der  unter  den  Füssen  zu  schwanken  beginnen  könnte. 

Um  nun  weiter  vorzugehen,  muss  ich  die  Bemerkung  vorausschicken, 
dass  mir  jetzt  die  ganze  Vorderseite  des  Codex  B,  also  Blatt  46 — 60,  in 
engem  Zusammenhang  zu  stehen  scheint;  das  ganz  vereinzelte,  besonders 
räthselhafte  Blatt  60  bildet  den  Schluss.  Nun  wissen  wir,  dass  Blatt  46 — 50, 
das  erste  Drittel  dieses  Ganzen,  eine  weitere  Ausführung  von  Blatt  24  ist. 
Es  behandelt  das  Zusammenstimmen  der  scheinbaren  Yenusjahre  von 
584  Tagen  mit  den  Sonnen-  oder  Erdjahren  von  365  Tagen.  Und  zwar 
geschieht  das  in  drei  Abtheilungen,  von  denen  jede  13  mal  8  Erdjahre  oder 
5  Yenusjahre  behandelt,  also  13  mal  2920  Tage,  das  sind  zusammen 
37  960  Tage  oder  2  katun  oder  104  Jahre. 

Dem  entsprechend  behandelt  die  zweite  Abtheilung  (Blatt  51 — 58) 
104  scheinbare  Merkursjahre  zu  115  Tagen,  also  den  Zeitraum  von 
11  960  Tagen. 

So  vorbereitet,  treten  wir  an  die  obere  Hälfte  des  Blattes  52,  und  zwar 
an  die  vierte  Colunme.  Hier  finden  wir  ganz  oben  ein  leider  theilweise 
wieder  zerstörtes  Ealenderdatum,  darunter  aber,  wieder  ebenso  verbunden, 
wie  ich  es  Blatt  61  und  69  nachgewiesen  habe,  das  chuen-  und  das  360- 
Zeichen,  jenes  mit  1,  dieses  mit  5  verbunden.  Das  würde  also  nach  meinem 
Yorschlage  1820  =  7  •  260  bedeuten;  es  könnte  durch  das  darüber  stehende 
unleserliche  Datum  sich  erklären,  kann  sich  aber  auch  auf  die  links 
stehenden  7  ganz  identischen  Tagescolumnen  beziehen,  die  um  je  260 
von  einander  abstehen;  also  eine  kleine  Bestätigung  meiner  Theorie. 

Nun  aber  sehen  wir  unmittelbar  darunter  das  Zeichen  Fig.  8.  Also 
imix  mit  einem  Superfix,  welches  wie  eine  Yereinigung,  Zusammen- 
fassung aussieht,  vielleicht  einer  Yariante  des  aus  den  Klappern  der 
Klapperschlange  zusammengesetzten  Zeichens,  das  öfters  eine  Zeitdauer 
anzudeuten  scheint.  Das  nehme  ich  für  das  Zeichen  des  katun  («-  52  *  365 
=  18  980  Tage)  als  des  Zeitraumes,  in  welchem  jeder  Tag  (hier  ver- 
treten durch  den  einstigen  Anfangstag  imix)  wieder  an  dieselbe  Stelle  de« 


Zur  Maja- Chronologie.  153 

Jahres  rückt.  An  unserer  Stelle  sind  also  zwei  katun  gemeint,  gerade  der 
Zeitraum,  den  wir  so  eben  als  Gegenstand  der  Blätter  46 — 50  fanden.  Und 
unter  diesem  Zeichen  treffen  wir  13 mal  eine  rothe  13;  das  kann  doch 
nichts  Anderes  heissen,  als  man  soll  die  zwei  katun  in  13  Theile  zerlegen, 
deren  jeder  also  wie  auf  Blatt  46 — 50  2920  Tage  umfasst;  die  104  Erden- 
jahre stehen  hier  dicht  neben  den  104  Merkursjahren.  Ich  denke^  das 
kann  kein  Blendwerk  sein.  Dieser  vermuthliche  Fund  des  katun-Zeichens 
scheint  sich  schon  in  unmittelbarer  Nähe,  auf  der  ersten  Spalte  von  Blatt  51, 
zu  bestätigen.  Hier  lesen  wir  oben  die  beiden  Kalenderdaten  IV 17; 
8,  18.  M.  und  XII 5  und  darunter  die  Gruppe  Fig.  9. 

Die  8  mit  dem  kin  darunter  kann  die  8  Tage  bezeichnen,  die  von 
lY  17  bis  Xn  5  verfliessen,  aber  sie  kann  zugleich  (denn  dass  eine  Zahl 
sich  auf  mehrere  Zeichen  bezieht,  ist  ganz  der  Maya- Weise  gemäss)  zu 
dem  katun-Zeichen  gehören,  und  zwar  aus  folgendem  Grunde: 

Der  Ausgangspunkt  in  der  Merkursreihe  (die  ich  übrigens  in  meinen 
„Erläuterungen**  als  Saturnsreihe  ansah)  ist  der  Tag  XU  5.  Dieses  Datum 
steht  bei  zwei  Zahlen: 

Blatt  52  bei  1  412  848,  d.  h.  Jahr  6  muluc;  1,  15.  M. 
„  51  „  1 578  988,  d.  h.  „  6  kan;  6,  18.  „ 
Die  erste  der  beiden  grossen  Zahlen  liegt  166  140  Tage  vor  der 
zweiten,  das  erste  Datum  aber  39  Jahre  65  Tage  =  14  300  Tage  vor  dem 
zweiten.  Addirt  man  aber  zu  diesen  14  300  die  Zahl  151  840,  also  8  katun, 
80  ergiebt  sich  wirklich  166  140^  und  darauf  scheint  mir  jene  Zeichen- 
gruppe hinzudeuten. 

Nur  vorübergehend  will  ich  erwähnen,  dass  dies  katun-Zeichen  auch 
in  den  oben  besprochenen  Columnen  auf  Blatt  61  und  69  begegnet,  und 
zwar  dicht  bei  den  anderen,  auf  eine  Zeitdauer  hinweisenden  Hieroglyphen. 
Sehen  wir  die  eben  genannte  Stelle  auf  Blatt  61  näher  an,  so  finden 
wir  dicht  über  dem  katun-Zeichen  die  noch  unbesprochene  neue  Hiero- 
glyphe Fig.  10. 

Und  nun  blicken  wir  auf  die  obere  Hälfte  von  Blatt  73,  vorletzte 
Columne.     Da  ist  das  oberste  Zeichen  zerstört,  dann  aber  folgt: 

das  katun-Zeichen, 
das  neue  Zeichen, 
das  7200-Zeichen, 
die  Zahl  34  732. 
Hier   liegt  es   nun  so  nahe   wie  möglich,  in  dem   neuen  Zeichen  das 
ahau-Zeichen  im  Werthe  von  24  •  365  =  8760  zu  sehen.    Addiren  wir  nun 
die  drei  Zahlen: 

18  980 

8  760 

7200 

34  940 


154  £•  F5R8TEMANN: 

und  zwar  bezieht  sich  alles  das  auf  den  Tag  IV  9.  Dieser  aber  liegt 
208  Tage  vor  dem  Normaldatum  IV  17,  ihm  gebührt  also  mit  Recht  eine 
—  208.    Und  34  940  -  208  ist  wirklich  34  732. 

Auf  Blatt  70,  dritte  Spalte  unten,  stehen  fünf  Zeichen  über  einander. 
Davon  ist  das  erste  das  ahau-Zeichen  =  8760,  das  dritte  das  7200-,  das 
fünfte  das  360-Zeichen.  Man  wird  begierig  auf  die  Bedeutung  des  zweiten 
und  des  vierten. 

Das  zweite  Zeichen  zunächst  zeigt  Fig.  11.  Also  der  chicchan-Kopf 
mit  dem  wahrscheinlich  phallischen  Präfix,  das  wir  als  Element  der  Monate 
yaxkin  und  yax,  des  Zeichens  für  den  Süden,  u.  s.  w.  kennen.  Wenn  wir 
nun  sehen,  dass  derselbe  chicchan-Kopf  mit  demselben  Präfix  noch  Blatt  61, 
Mitte  der  ersten  Spalte,  und  Blatt  69,  Mitte  der  dritten  Spalte  begegnet, 
und  zwar  in  ganz  ähnlicher  Verbindung  wie  hier  (Blatt  21c  und  23b 
freilich  in  ganz  anderer  Umgebung),  so  kommen  wir  leicht  zu  dem  Schlüsse, 
dass  auch  hier  eine  Zeitdauer  gemeint  ist;  anderswo  begegnet  uns  diese 
Verbindung  in  unserer  Handschrift  nirgends.  Es  liegt  nun  die  Vermuthung 
nahe,  dass  die  Zeitdauer,  die  wir  suchen,  eine  nahe  Beziehung  zu  dem 
eben  vermutheten  ahau  haben  müsse,  denn  bei  letzterem  sehen  wir  jenes 
phallische  Präfix  gespalten  und  mit  zwei  Superfixen  versehen.  Sollte  es 
also  nicht  ein  Drittel  des  ahau.  also  2920  Tage  bedeuten,  jenen  wichtigen 
Zeitraum  von  8  Erden-  =  5  Venusjahren,  der  auf  Blatt  24  und  46 — 50 
eine  so  grosse  Rolle  spielt?  Sehen  wir  nun  dort  nach,  so  finden  wir  das 
Zeichen  von  Fig.  12. 

Die  Figur  an  der  Stirne  des  Kopfes  scheint  doch  nur  eine  (gewisser- 
maassen  von  anderer  Seite  gesehene)  Abkürzung  jenes  Präfixes  zu  sein; 
die  betreffenden  Stellen  sind  auf  Blatt  24,  zweite  Spalte  über  der  Mitte, 
Blatt  49  vierte  Spalte  Mitte  und  Blatt  60  links  unten;  sonst  finde  ich  es 
nirgend.  Zu  erwähnen  ist  vielleicht  noch,  dass  der  chicchan-Kopf,  wie 
Dr.  Schellhas,  Die  Mayahandschrift  (1886)  S.  64,  erwähnt,  aber  mit  anderen, 
etwas  undeutlichen  Präfixen  und  Superfixen  versehen,  zu  dem  Bilde  einer 
Schlange  auf  Blatt  35b  gehörig  ist.  Die  Windungen  der  Schlange  ver- 
laufen in  5  Richtungen  und  an  ihrem  Körper  sind  8  Flecken  wie  Buckel 
gezeichnet;  soll  sogar  das  auf  die  5  Venus-  und  8  Erdenjahre  deuten? 
Das  wäre  wohl  zu  weit  gegangen.  Genug,  einige  Gründe  deuten  darauf, 
dass  hier  wirklich  die  Zeitdauer  von  2920  Tagen  vorliegt. 

Wie  alle  die  zuletzt  erwähnten  Zeichen  wirklich  zusammengehören, 
zeigt  auch  ein  Blick  auf  Blatt  31a.  Dort  steht  in  der  zweiten  Spalte  von 
rechts  die  Zahl  2  804  100.  Darüber  müssen  sechs  Zeichen  gestanden  haben. 
Die  beiden  obersten  sind  vernichtet,  dann  folgt  eine  Spur  von  imix,  also 
wahrscheinlich  das  katun-Zeichen  mit  einer  Zahl  davor;  dann  eine  sehr 
befleckte  Hieroglyphe,  vielleicht  unser  jetzt  eben  besprochenes  2920-Zeichen: 
zuletzt  aber  ganz  deutlich  das  8760-  und  das  7200-Zeichen.  Die  Zerstörung 
oder  Unklarheit  der  obersten  Zeichen    ist  hier  besonders    zu  beklagen^  da 


Zur  May a- Chronologie.  155 

allem  Vermuthen   nach  diese  Zeichen    in  der  nächsten  Beziehung   zu  der 
genannten  grossen  Zahl  stehen  müssen. 

So  viel  von  dem  zweiten  der  fünf  Zeichen  auf  Blatt  70  unten.  Nun 
will  ich  auch  von  dem  vierten  eine  schüchterne  Vermuthung  wagen.  Es 
hat  die  Gestalt  von  Fig.  13. 

Wahrscheinlich  ist  es  aus  einem  Vogelkopf  entstanden.  An  Stelle  des 
Auges  finden  wir  eine  Figur,  die  fast  genau  dem  360-Zeichen  gleicht;  die 
darunter  stehenden  Striche  ähneln  sehr  denen  im  katun-Zeichen  imix. 
Nun  steht  dieses  vierte  Zeichen  zwischen  dem  dritten,  gewissermaassen 
einem  alten  ahau  Von  20  •  360  (ein  ahau  von  20  Jahren  ist  ja  wirklich  in 
den  Quellen  überliefert)  und  dem  fünften,  dem  alten  Jahre  von  360  Tagen. 
Da  scheint  nun  nichts  natürlicher,  als  dass  das  vierte  Zeichen  sich  auch 
auf  die  alte  Zeitrechnung  bezieht,  und  hier  liegt  nichts  näher,  als  einen 
alten  katun  ==  52  •  360  (=  72  •  260)  anzuuehfnen.  Nach  dieser  keineswegs 
behauptenden,  sondern  nur  vorschlagenden  Annahme  hätten  also  die  fünf 
Zeichen  folgenden  Zeitwerth: 

8  760  =  1  ahau  «  24  •  365. 

2  920  =  V3  ahau  =  8  •  365  =  5  •  584. 

7  200  =  1  alter  ahau  =  20  •  360. 
18  720  =  1  alter  katun  =  52  •  360  =  72  •  260. 
360  =  1  altes  Jahr. 


Summa    37  960  =  2  katun  (2  •  52  •  365  =  2  •  73  •  260). 

Der  Zeitraum  von  2  katun  hat  sich  aber  schon  mehrfach  als  be- 
deutungsvoller ergeben,  z.  B.  Blatt  46 — 50;  in  ihm  geht  ja  auch  das  Venus- 
jahr von  584  Tagen  auf,  was  bei  1  katun  nicht  der  Fall  ist.  Dass  mau 
nach  Einführung  des  Jahres  von  365  Tagen  und  des  ahau  von  24  Jahren 
nicht  die  alten  Bezeichnungen  verwarf,  die  schon  durch  den  Gebrauch 
geheiligt  sein  mussten,  darf  nicht  zu  sehr  auffallen;  grössere  Mannichfaltig- 
keit  der  Hieroglyphen  erhöhte  das  Geheimnissvolle  der  Schrift  und  die 
Ehrfurcht  vor  den  Priestern. 

Doch  hier  halte  ich  an.  Heber  den  besprochenen  5  Zeichen  stehen, 
zu  zwei  und  zwei,  noch  4  andere. 

Ich  habe  bereits  die  Ansicht  niedergeschrieben,  dass  diese  Zeichen 
einen  nicht  geringeren  Zeitraum  als  652  katun  bedeuten,  habe  auch  diese 
Ansicht  zu  begründen  versucht,  doch  muss  sie  noch  fester  gestützt  werden, 
ehe  ich  sie  kuudthun  kann.  Schon  jetzt  habe  ich  vielleicht  zu  viel  zur 
Prüfung  vorgelegt. 


•  e 


vnr. 

Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papuas 

von 

Dr.  O.  SOHELLONQ  zu  Königsberg  i.  Pr. 

(ffienu  Taf.  m— YL) 


Vorbemerkung. 

Die  nachstehende  Untersuchung  ist  in  mehrfacher  Beziehung  von 
hervorragendem  Werthe.  Zunächst  ist  sie  die  erste,  welche  in  eingehender 
und  streng  wissenschaftlicher  Weise  die  Bevölkenmg  des  deutschen  Schutz- 
gebietes in  Neu- Guinea  und  den  benachbarten  melanesischen  Gebieten 
schildert,  und  zwar  auf  Grund  eigener,  umfassender  und  planmässiger 
Untersuchungen  bei  längerem  Aufenthalte  im  Lande  selbst  Sodann 
gewinnt  sie  eine  dauernde  Bedeutung  dadurch,  dass  der  Verfasser  eine 
grössere  Anzahl  von  Eingebomen  in  sorgfaltigster  Weise  abgegypst  hat. 
Seine  Formen  sind  von  der  Neu-Guinea-Compagnie  in  den  Besitz  der 
Berliner  anthropologischen  Gesellschaft  übergegangen  und  von  dieser 
Hrn.  L.  Gast  an  zur  Herstellung  von  Abgüssen  übergeben  worden.  Die 
Abgüsse  sind  in  hohem  Maasse  gelungen  und  werden  als  mustergültige 
Beweisstücke  der  gelehrten  Welt  erhalten  bleiben.  Die  Gesellschaft  ist 
bereit,  gegen  Erstattung  der  nicht  unerheblichen  Rosten  Exemplare  davon 
oder  auch  die  ganze  Sammlung  abzulassen,  um  sie,  soviel  an  ihr  ist,  zum 
Gemeingut  der  anthropologischen  Forschung  zu  machen.  Das  Beispiel, 
welches  hier  in  erfreulichster  Weise  gegeben  ist,  wird  hofiEentlich  auf 
viele  Nachfolger  einwirken,  damit  endlich'  einmal  dem  bedauerlichen 
Mangel  an  einer  au^ebigen  Kenntniss  der  noch  vorhandenen  Naturvölker 
in  Bezug  auf  ihr  physisches  Verhalten  ein  Ziel  gesetzt  werde.  Der  Dank 
der  Wissenschaft  wird  dem  fleissigen  und  umsichtigen  Forscher  auf  alle 
Fälle  gesichert  sein.  Rud.  Virchow. 

Einleitendes. 

In  den  Jahren  1886 — 1888  hatte  ich  Gelegenheit,  als  Arzt  der  Neu- 
Guinea-Compagnie  an  den  ersten  Anfängen  deutscher  Colonisation  an  der 
Nordostküste  von  Neu-Guinea,  auf  dem  „Kaiser  Wilhelms -Land*'  genannten 
Gebiete,  Theil  zu  nehmen  und  daselbst  eine  Reihe  von  anthropologischen 
Beobachtungen  zu  sammeln,  deren  Resultat  die  vorliegende  Arbeit  ist 
Meine  Beobachtungen  galten  vorzugsweise  den  in  der  Gegend  von  Finkch- 
hafen    lebenden    dunkelfarbigen    Papula;    jedoch    fand    ich    wiederholt 


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Zeitschrift  ßkr  Eihnohgii  HJ,  XXilL  t8^/. 


Tafel  111. 


ZnOrkfi/t  ßir  Ethn^hgte  Bd.  XXilL  iSgt, 


Tafel  IV. 


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Beiträge  znr  Anthropologie  der  Papnas.  157 

Gelegenheit^  die  Bewohner  benachbarter  melanesischer  Gebiete,  wie  Neu- 
Pommem,  Neu-Meklenburg,  Salomons  und  Neue  Hebriden,  zu  Gesicht 
zu  bekommen  und  damit  die  anthropologischen  Eigenthtimlichkeiten  der 
Papuas  Oberhaupt  kennen  zu  lernen.  Die  Angehörigen  dieser  Kasse, 
gleichviel  auf  welchen  Inseln  man  ihnen  begegnet,  haben  bei  blosser 
äusserlicher  Betrachtung  eine  Anzahl  körperlicher  und  ethnologischer 
Merkmale  gemeinsam,  welche  sie  als  zusammengehörig  erscheinen  lassen: 
eine  mehr  oder  weniger  dunkelbraune  Hautfarbe,  spiralgelocktes  dunkles 
Kopfhaar,  eine  gewisse  Plumpheit  der  Körperformen  und  eine  grosse 
Üebereinstimmung  in  Haltung  und  Gebärde,  hinsichtlich  der  Wohnungen, 
der  Ernährung,  Bekleidung,  Bewaffnung,  Schifffahrtsgebräuche  u.  s.  w. 

Die  Papuas  sind  schon  mehrfach  der  Gegenstand  anthropologischer 
Untersuchungen  gewesen;  vor  Allen  waren  esWallace"),  A.  B.  Meyer*), 
Miklucho-Maclay*),  D'Albertis")  u.  a.,  welche  auf  Grund  umfassender 
Beisebeobachtungen  und  an  dex  Hand  eines  mehr  oder  weniger  umfang- 
reichen Schädelmaterials  die  Pappas  als  Basse  bestimmten  und  ihre  An- 
sichten über  die  ursprünglichen  Beziehungen  der  Papuas  zu  anderen 
Bässen  aussprachen.  Diese  Beisenden  haben  übereinstimmend  die  Wichtig- 
keit betont,  welche  gerade  die  Insel  Neu- Guinea  füf  die  Papua -Präge 
hat;  denn  der  Papua  ist  hier  in  einer  grossen  Anzahl  von  Stämmen  ver- 
treten, welche  trotz  der  im  Grossen  und  Ganzen  sich  zeigenden  Gemein- 
samkeit der  körperlichen  Erscheinung  und  der  Sitten  sich  im  Einzelnen, 
—  so  besonders  hinsichtlich  der  Sprache,  —  nicht  unwesentlich  von 
einander  unterscheiden.  Hier  ergiebt  sich  noch  ein  weites  Arbeitsfeld  für 
die  anthropologische  Forschung;  denn  was  auch  alle  diese  verdienten 
Männer  in  mühevoller  Arbeit  bisher  zusammengetragen  haben,  es  bleibt 
im  Vergleich  zu  dem  ganzen,  grossen  Areal  dieser  Insel,  deren  Inneres 
noch  fast  gänzlich  terra  incognita  ist,  doch  immer  nur  ein  Bruchstück: 
ausser  einigen  Küstenstrichen  im  Norden,  Süden  und  Westen  der  Insel 
wurde  vorzugsweise  das  Terrain  des  Ply-Biver  explorirt. 

Miklucho-Maclay  hat  als  der  erste  seine  Untersuchungen  auch  auf 
die  Nordostküste  der  Insel  ausgedehnt;  sein  Arbeitsfeld  war  hier,  wie 
bekannt,  die  Gegend  der  Astrolabebay.  Meine  Beobachtungen,  welche  ich 
auf  der  Station  Finschhafen  und  in  Nachbargebieten  derselben  anstellte, 
stehen  deshalb  den  Maclay'schen  geographisch  am  nächsten  und  ver- 
vollständigen vorzugsweise  die  anthropologische  Kenntniss  der  Nordostküste 
der  Insel.  Sofern  ich  meine  Beobachtungen  auch  auf  die  Bevölkerung 
benachbarter  melanesischer  Inseln  ausdehnen  konnte,  enthalten  die  darüber 
gemachten  Aufzeichnungen  weitere  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Basse  der 
Papuas  überhaupt. 

Da  ich  diese  Studien  als  Nebenbeschäftigung  betrieb,  so  habe  ich 
denselben  nicht  diejenige  Ausdehnung  geben  können,  welche  ich  im 
Interesse   des  Gegenstandes   gewünscht   hätte.      Immerhin    hoffe  ich,    dass 

Z«HMhria  für  BÜinologio.    Jahrg.  1891.  12 


158  0.  Sohellong: 

diese  Arbeit  von  einigem  Nutzen  sein  wird,  indem  sie  zu  weiteren  Unter- 
suchungen auf  diesem  Gebiete  anregt  und  die  vielen,  noch  unbeantworteten 
Fragen  in  der  Völkerkunde  der  Südsee  ihrer  allmählichen  LOsung  entgegen- 
führen hilft. 

Papnas  yon  Nen- Guinea  (Nordost,  Kaiser  Willielnis-Laiid). 

Die  Jabim-Leute*). 

Das  Wort  Jäbim  bedeutet  einen  Küstenstrich  oder  vielleicht  auch 
nur  einen  Theil  dieses  Küstenstriches,  ein  Dorf,  einen  Landvorsprung  oder 
sonst  derartiges  an  der  Nordostküste  von  Neu- Guinea  zwischen  dem 
6.  und  7.  Grad  südlicher  Breite.  Sicher  ist,  dass  die  Bewohner  der  Ein- 
gebornen- Dörfer  in  der  nächsten  Nähe  der  Station  Finschhafen  ihre 
Sprache  Jabim  („tassum  jabim")  nannten,  im  Gegensatz  zu  der  Kai-Tami- 
und  Poum- Sprache.  Es  war  das  diejenige  Sprache,  welche  wir  europäische 
Ansiedler  zuerst  zu  erkennen  und  zu  erlernen  hatten,  um  weitere  An- 
knüpfungspunkte mit  Land  und  Leuten  zu  gewinnen. 

Der  Jabim -Stamm  ist  nicht  gross  zu  nennen;  die  Leute  leben  zer- 
streut in  kleinen,  der  Küste  entlang,  zwischen  Festnngshuck  und  Cap 
Cretin,  gelegenen  Dörfern  und  Ansiedelungen,  welche  sich  schon  von 
weitem  durch  schlanke  Cocos- Palmen  verrathen.  Da  diese  Palmen,  ihrer 
Spärlichkeit  nach  zu  urtheilen,  nicht  ursprünglich  vorhanden  waren,  sondern 
angepflanzt  wurden,  so  lässt  sich  das  geringste  Alter  dieser  Ansiedelungen 
auf  wenigstens  30 — 40  Jahre  schätzen.  Die  grössten  Dörfer  bestanden  aus 
nicht  mehr  als  20  Häusern;  die  ganze  Zahl  der  Jabim -Leute  möchte  ich 
auf  höchstens  1000  Köpfe  veranschlagen. 

Ich  habe  37  Individuen,  davon  32  Männer  ( J)  und  5  Frauen  ($),  dieser 
Gegend  einer  genauen  anthropologischen  Untersuchung  unterworfen,  deren 
nähere  Daten   in  den  dazu  gehörigen  Mess-ProtocoUen  enthalten  sind. 

Zur  allgemeinen  Charakteristik  der  Jabim-Leute  sei  das  Fol- 
gende bemerkt:  Es  sind  mittelgrosse  bis  grosse,  im  Allgemeinen  gut 
genährte  Gestalten  von  einer  mittleren  Körperhöhe  von  1606  »wn  für  die 
Männer  und  1530  mm  für  die  Frauen.  Die  Körperhöhe  schwankt  bei  den 
Männern  zwischen  1550  mm  und  1692  mm^  bei  den  Frauen  zwischen 
1438  mm  und  1570  mm.  Die  Körperformen,  wenngleich  bei  Einzelnen 
öfters  angenehm  zu  nennen,  erreichen  doch  nur  bei  sehr  Wenigen  einen 
höheren  Grad  von  Harmonie  und  Vollendung,  wie  bei  Kaualüo  2  (Nr.  37) 
und  Ssessengo  S  (Nr.  28).  Die  Mehrzahl  zeichnet  sich  unvortheilhaft  aus 
durch  unschöne  Gesichtszüge  und  wenig  proportionirte  Körperverhältnisse; 
besonders  haben  Alle  für  unseren  (ioschmack  zu  lange  Arme,  auch  begegnet 
man  ganz  gewöhnlich  breiten,  plumpen  Händen  und  Füssen  und  der  X-Bein- 
stellung.      Die   Klafterweite   überragt   gewöhnlich    um   ein  Erhebliches 

1)   Daiu  87  Mess-Protocolle  (Nr.  1  —  37)  und  24  Gesichts -Masken  (Nr.  1  — 22b). 


Beitrftge  zur  Anthropologie  der  Papnas.  159 

die  Körperhöhe;  bei  30  Männern  ergiebt  sich  als  geringster  unterschied 
40  wm»,  als  grösster  164  mm  (Nr.  26);  die  durchschnittliche  Differenz 
beträgt  98  mm.  Bei  den  5  gemessenen  Jabim -Frauen  übertrifft  die  Elafter- 
weite  die  Körperhöhe  im  Mittel  um  66  mm.  Dieses  auffallende  Yerhältniss 
hängt  nicht  etwa  mit  einer  besonders  kräftigen  Entwickelung  der  Brust 
zusammen,  denn  der  Brust -Umfang  der  Männer  bewegt  sich  im  Allgemeinen 
in  Werthen  von  800 — 900  mm^  wenngleich  Zahlen  bis  925  mm  aufwärts 
und  764  mm  abwärts  notirt  sind.  Bei  Japoa  (Nr.  26)  beträgt  die  Körper- 
höhe 1556  mm^  die  Klafterweite  1720  mm^  die  Differenz  beider  164  mm, 
der  dazu  gehörige  Brust -Umfang  910  mm. 

Die  Hautfarbe  der  Jabim-Leute  ist  diejenige  der  melanesischen 
Bevölkerung  überhaupt:  ein  gesättigtes  Chocoladenbraun,  welches  bald 
mehr  in  das  Lichte,  bald  mehr  in  das  Dunklere  hinüberspielt.  Die  Ein- 
gebomen selbst  kennen  diese  Abstufungen  in  ihrer  Hautfarbe  sehr  wohl 
und  haben  für  dieselben  besondere  Bezeichnungen.  Die  am  häufigsten 
angetroffene  dunkelbraune  Haut^  ist  ihnen  die  ulin  mäjang;  die  nächst 
hellere,  etwa  von  der  Beschaffenheit  der  Colorado  claro,  die  uliriiong,  und 
die  weitere  Abstufung  nach  dieser  Richtung  die  ulinköko,  in  welchem 
Worte  bereits  der  Begriff  weiss  (kö)  zum  Ausdruck  gelangt.  Endlich 
giebt  es  die  Specialität  der  ulingnara,  worunter  eine  Haut  verstanden  wird, 
welche  durch  ein  universelles  Schuppen -Eczem  (Herpes  tonsurans)  ihren 
Glanz  uAd  ihre  Braunfärbung  mitunter  in  einem  Qrade  eingebüsst  hat, 
dass  solche  Individuen  von  weitem  wie  aschgrau  oder  schmutzigweiss  aus- 
sehen^). Die  gesunde  Haut  ist  von  angenehmer,  sammetartiger  Beschaffen- 
heit und  schwitzt  äusserst  selten,  selbst  nicht  bei  grosser  Körperanstrengung, 
wie  Märschen,  Tragen  schwerer  Lasten  u.  s.  w.  Die  gedeckten  Körper- 
partien haben  stets  eine  hellere  Färbung,  so  die  Innenflächen  der  Ober- 
arme, bei  den  Frauen  die  Partien  unterhalb  der  mammae;  Fusssohlen  und 
Handflächen  sind  manchmal  nahezu  weiss  zu  nennen.  Ich  notirte  nach 
Broca  för  das  Gesicht  30  oder  Mittelfarben  zwischen  30  und  28 — 29*);  für 

1)  Solch  ein  schnppenh&atiges  Individunm  ist  das  Non  plus  ultra  von  Hässlichkeit, 
dessen  der  Mensch  überhaupt  fähig  ist.  Die  Krankheit  der  Haut  beginnt  im  frühen 
Kindesalter  dnrch  Infection  an  einer  umschriebenen  Stelle  der  Nates  oder  der  seitlichen 
^aacbparden,  da,  wo  die  Kinder  beim  Tragen  am  häufigsten  mit  ihren  Müttern  in 
Berührung  kommen,  und  verbreitet  sich  von  hier  in  concentrischen  Ringen  allmählich 
über  den  ganzen  Körper.  Die  grauen  Schuppenzeichnnngen  auf  der  Haut  ordnen  sich 
dann  gewöhnlich  zu  sehr  merkwürdig  geschlängelten,  regelmässigen  Mustern  an  einander. 
8«hr  oft,  und  das  riclitot  sich  wohl  nach  dem  Alter  des  Processes,  schuppt  sich  die  Haut 
in  ganz  unregelmässigen  Schuppen  ab,  so  dass  von  einer  normalen  Haut- Beschaffenheit 
auch  nicht  die  Spur  übrig  bleibt.  Nebenbei  bemerkt,  ist  es  schwierig,  diese  alten  Processe 
zur  Heilung  zu  bringen;  selbst  die  Chrysophansäure  lässt  dabei  häufig  im  Stich,  wenn 
sich  damit  zugleich  nicht  eine  ganz  energische  mechanische  Behandlung  verbindet.  Der 
Yerbreitong  dieses  Schuppen-Eczems  leistet  ganz  entschieden  der  Mangel  jeder  regelmässigen 
Hautpflege  Vorschub. 

2)  Also  eine  Farbennuance,  welche  zwischen  Nr.  28  und  29  der  Broca'schen  Parben- 
skala  gelegen  ist. 

12* 


160  0.  SOHBLLONO: 

die  Brust  28—29  oder  42—43,  auch  28—43  und  28—30;  fQr  den  Oberann 
28—44  oder  29—30;  für  die  Handflächen  30  oder  29—30,  auch  44;  fOr 
die  Stirn  30 — 28,  30  und  37.  Man  würde  solche  Bestimmungen  beliebig 
fortsetzen  können.  Eine  constante  Hautfarbe  giebt  es  eben  nicht,  was 
ohne  weiteres  einleuchtet,  wenn  man  ein  paar  Menschen  zusammenstehen 
sieht.  Die  Schleimhäute  des  Mundes  haben  ein  blassröthliches  Aus- 
sehen und  zeigen  bisweilen  einige  bräunliche  oder  schwärzliche  Pigment- 
flecken. Die  Farbe  der  Lippen  ist  eine  unreine  dunkelrothe  Mischfarbe, 
welche  manches  Mal  mehr  ins  Braune,  andere  Male  mehr  ins  Bläuliche 
spielt.  Einen  Rosenmund,  wie  ihn  der  Dichter  besingt,  giebt  es  nicht. 
Tättowirungen  im  eigentlichen  Sinne  kommen  bei  den  Jabim -Bewohnern 
nicht  vor.  Unter  den  37  gemessenen  Individuen  notirte  ich  nur  bei  dreien 
(Nr.  18,  19,  36)  an  den  Oberarmen  (Deltoides)  und  auf  dem  Rücken  zahl- 
reiche längsgestellte,  strichförmige,  etwa  1  cm  lange,  im  übrigen  ganz 
oberflächliche  Narben,  welche  trotz  einer  gewissen  Symmetrie  in  ihrer 
Anordnung  nicht  den  Eindruck  machten,  als  ob  damit  eine  Zeichnung 
beabsichtig  worden  wäre,  vielmehr  wohl  als  Ueberbleibsel  von  Scari- 
ficationen,  aus  medicinischen  Rücksichten  hervorgegangen,  anzusehen  sind. 
Die  Behaarung  ist  auf  dem  Kopfe  stets  eine  sehr  üppige,  der  Bart 
dagegen  ist  meist  spärlich  zu  nennen.  Das  dunkle  Körperhaar  bietet 
nichts  Besonderes  dar  und  ist  gekräuselt.  Dasselbe  gilt  von  dem  Scham- 
haar. Die  Augenbrauen  sind  nicht  besonders  stark  entwickelt;  dieses  ist 
dagegen  bei  den  Lidhaaren  reichlich  der  Fall.  Der  Spirallocken -Typus 
ist  für  das  Haupthaar  charakteristisch.  Es  verfilzen  sich  die  einzelnen 
Haare  zu  spiraligen  Bündeln,  ohne  irgend  welches  Dazuthun  Seitens  des 
Trägers.  Die  Haarfarbe  ist  schwarz;  sehr  selten  kommt  auch  röthliches 
Haar  mit  ebensolchen  Augenwimpern  vor.  Solche  Individuen  haben  dann 
zugleich  die  hellste  Färbung  der  Haut  (ulin  köko).  üebertünchungen  des 
Haares  mit  rother  und  schwarzer  Farbe  sind  gewöhnlich.  Wenn  das  Haar 
eine  bestimmte  Länge  erreicht  hat,  wird  es  mittelst  des  Obsidianmessers 
rasirt.  Die  Männer  rasiren  das  Haar  sehr  oft  nur  in  einem  etwa  hand- 
breiten Streifen  um  den  Kopf,  schmücken  dasselbe  mit  einer  Kakadu- 
Feder  oder  einer  rothen  Hibiscus-Blüthe,  oder  tragen  einen  drei-  bis 
siebenzinkigen  Haarpfeil  darin,  auch  verhüllen  sie  das  Haar  mit  einem 
Basttuch  (obo)  zum  Zeichen  der  Trauer.  Frauen  tragen  das  Haar  gewöhn- 
lieh gleichmässig  und  kürzer  geschoren.  Kinder  erhalten  bisweilen  die 
merkwürdigsten  Frisuren,  es  wird  z.  B.  Alles  glatt  rasirt  bis  auf  einen 
fingerdicken  Schopf  an  einer  Seite  des  Hinterhauptes.  Schon  neugeborene 
Knaben  werden  nach  Art  der  erwachsenen  Männer  rasirt  und  mit  rother 
Erde  eingesalbt  Mit  dem  Bart  zugleich  werden  auch  die  Augenbrauen 
geschoren.  Weder  das  Auskämmen  des  Haares  zu  Fiji -Perrücken,  noch 
das  Verkleben  desselben  zu  herabhängenden  Zotteln  (Neu -Lauenburg), 
noch  das  Entfärben  desselben  durch  Kalk  ist  dieser  Gegend  eigenthflmlich. 


Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papuas.  161 

Das  Auge  ist  voll  und  gross,  dunkelbraun,  glänzend,  weit  geöflfhet, 
gewöhnlich  von  intelligentem,  häufig  zugleich  verschmitztem  Ausdruck. 
Die  Lidspalten  stehen  annähernd  horizontal;  ganz  allgemein  ist  der  Bulbus 
im  Bereiche  der  Lidspalte  mit  einem  bandartigen,  braunen  Pigment  ver- 
sehen. Die  Länge  der  Lidspalte  maass  bei  5  Männern  im  Durchschnitt 
35  www,  bei  5  Frauen  31,6  mm.  Die  Intraorbital -Distanz  schwankt  zwischen 
27  und  40  mm^  geht  jedoch  gewöhnlich  nicht  über  35  mm  hinaus. 

Die  Ohren  sind  gut  gebildet  und  von  entsprechender  Grösse.  Die 
Ohrläppchen  sind  bei  Männern  und  Frauen  gewöhnlich  durchbohrt  und 
vermittelst  eines  federnden  Cocosblatt- Röllchens  (Baninga)  zu  weiten 
Ringen  aufgeweitet.  Li  diese  so  behandelten  Läppchen  werden  sodann 
Muschelriuge  und  andere  Zierrathen  hineingehängt  oder  eingeknöpft.  Bis- 
weilen wird  das  aufgeweitete  Läppchen  auch  gespalten  und  hängt  dann 
in  zwei  langen  Zipfeln  herab  (siehe  die  Masken). 

Die  Kopfform  macht  im  Allgemeinen  einen  mesocephalen  Eindruck 
imd  zeigt  auch  bei  den  gemessenen  37  Lidividuen  einen  mittleren  Kopf- 
index von  76,6  sowohl  für  die  Männer,  als  für  die  Frauen.  Unter 
37  Köpfen  finden  sich  nur  2  brachycephale  (höchster  Lidex  81,0)  und 
11  dolichocephale  (geringster  Index  70,5);.  24  sind  ausgesprochen 
mesocephal.  Es  findet  also  die  allgemeine  Annahme,  dass  der  mela- 
nesischen  Rasse  die  dolichocephale  Kopfform  eigenthümlich  sei,  hier  keine 
Bestätigung.  Selbst  wenn  ich  meine  mittleren  Messfehler  für  die  grösste 
Länge  +  2,  die  grösste  Breite  +  1  in  der  Weise  in  Anrechnung  bringe, 
indem  ich  die  erstere  Zahl  den  erhaltenen  Längenwerthen  zuzähle,  die 
zweite  von  den  erhaltenen  Breitenwerthen  abziehe,  so  bekomme  ich  noch 
immer  einen  gemittelten  Index  von  75,2. 

In  Bezug  auf  die  Ohrhöhe  des  Kopfes  ergiebt  sich  im  Mittel  eine 
geringe  Ohamaecephalie  von  69,8.  Die  Frauen,  für  sich  betrachtet,  haben 
dagegen  eine  massige  Orthocephalie  von  70,8  aufzuweisen.  Im  Allgemeinen 
¥rird  man  also  sagen  können,  dass  die  Köpfe  nahe  an  der  Grenze  der 
Orthocephalie  stehen.  In  der  That  notirte  ich  unter  den  37  Individuen 
13  Orthocephale  und  2  Hypsicephale  (höchste  von  75,7). 

Die  Stirn  ist  gewöhnlich  gut  gewölbt^  dabei  weder  auffallend  hoch, 
noch  auffallend  niedrig,  wenngleich  hierin  gerade  grosse  Schwankungen 
vorkommen.  Sehr  hohe  Stirnen  weisen  die  Nrn.  27  und  30  auf  mit 
90  und  84  mm  Höhe.  Die  Mehrzahl  misst  Höhen  -zwischen  60  und  70  mm. 
Bei  Allen  zeigt  sich  eine  besonders  starke  Entwickelung  der  Orbitalbögen, 
an  welcher  häufig  auch  die  Nasenfortsätze  theilnehmen.  Das  ergiebt  dann 
im  Profil  eine  tief  einspringende  Nasenwurzel.  Auch  die  Stirnbreiten  sind 
aberall  recht  erhebliche.  Nr.  11  und  32,  Vater  und  Sohn,  zeigen  ausser- 
gewöhnliche  Maasse  von  116  und  Wbmm,  Aber  auch  die  Stimbreiten  von 
7  weiteren  Individuen  gehen  über  110  wm  hinaus. 

Das  Gesicht  zeigt  nur  selten  ein  angenehmes  Oval.    Im  Allgemeinen 


162  0.  SOHELLOMO: 

erscheint  dasselbe  niedrig  und  erhält  durch  die  stets  sehr  stark  ent- 
wickelten und  yorspringenden  Wangenbeine  eine  unebenmässige  Gestaltung, 
welche,  noch  vervollständigt  durch  die  Breite  des  Mundes  und  die  platte, 
gedrückte  Beschaffenheit  der  Nase,  diesen  Menschen  oftmals  ein  wildes, 
kannibalisches  Aussehen  giebt.  Die  Gesichtshöhe  B  (Nasenwurzel)  erreicht 
unter  den  gemessenen  Individuen  nur  einmal  das  Maass  von  132  mm;  die 
bei  weitem  meisten  Werthe  halten  sich  jedoch  unterhalb  120  mm»  Dem 
gegenüber  ist  die  jugale  Breite  stets  sehr  beträchtlich,  und  es  resultirt 
daraus  eine  ausgesprochene  Chamaeprosopie  von  im  Mittel  80,8,  wenngleich 
auch  3  leptoprosope  Individuen  mit  einer  höchsten  Ziffer  von  91,6  heraus- 
kommen. 

Die  Nase  ist  gewöhnlich  niedrig,  breit  und  abgeplattet.  Die  Flügel 
sind  breit  ausgelegt,  die  Nüstern  weit  und  nach  vom  geöffnet.  Die  Nasen- 
höhe erreicht  nur  einmal  das  Maass  von  64  mm^  sinkt  dagegen  8  Mal  unter 
50  mm  herab,  unter  den  Breitenwerthen  ist  zwar  2  Mal  44  mm  notirt 
worden,  doch  halten  sich  die  meisten  Werthe  in  der  Grenze  zwischen 
35  und  40  mm.  Die  Abflachung  der  Nase  (der  gemittelte  Index  beträgt 
66,5)  würde  also  zunächst  vorzugsweise  auf  Rechnung  eines  geringen 
Nasenhöhenwerthes  zu  setzen  sein;  doch  würde  dieser  Umstand  allein 
nicht  die  ungeheuere  Plattnase  ergeben  können,  welche  dem  Beobachter 
sofort  als  solche  in  die  Augen  fällt.  Das  Platte,  Zusammengedrückte  der 
Nase  resultirt  vielmehr  vorwiegend  aus  der  Weite  der  Nasenflügel,  welche 
wiederum  in  der  allgemein  üblichen  Durchbohrung  und  der  dadurch 
bewirkten  Verkürzung  des  Nasenseptums  ihren  Grund  hat  Der  Abstand 
der  stärksten  Ausweitung  der  Flügel  beträgt  bei  Nr.  5  41  mm  gegen  31  mm 
Nasenbreite,  bei  Nr.  26  46  mm  gegen  36  mm  Nasenbreite.  Das  sind  also 
sehr  auffallende  Differenzen  von  10  mm.  In  derselben  Weise  übertrifft 
der  Flügel -Abstand  die  Nasenbreite  um  9  mm  bei  4  Individuen,  um  8  mffi 
bei  3,  um  7  mm  bei  6  und  um  6  mm  bei  5  Individuen.  Es  bleiben  also 
nur  17  unter  37  Individuen  übrig,  bei  welchen  dieser  Unterschied  geringer 
als  6  mm  ausfällt.  In  welchem  Grade  diese  Nase  verflacht  ist,  ersieht  man 
am  deutlichsten  aus  der  Stellung  der  Nüstern,  welche  nicht,  ¥rie  bei  uns^ 
ein  Längsoval,  sondern  nahezu  ein  Queroval  bilden.  Uebrigens  giebt  es 
als  Ausnahmen  auch  ganz  wohlgeformte  Nasen,  trotz  des  durchbohrten 
Septums,  so  bei  2  Frauen  (Nr.  34  und  37),  welche  die  kleinsten  Indices 
mit  52,6  und  58,3  aufweisen;  besonders  die  letztere,  Kaualuo,  ist  mir  noch 
als  ein  hübsches  Stupsnäschen  in  Erinnerung  (vergl.  die  Maske).  Anderer- 
seits kommen  ganz  monströse  Gebilde  vor,  wie  z.  B.  die  Nase  des  Ssangoan 
(Nr.  11)  mit  einem  Index  von  93,6   oder  Nr.  6  mit  einem  Index  von  86,9. 

Sehr  bemerkenswerth  ist  die  Bildung  der  Nasenspitze.  Bei  den  meisten 
übertrifft  die  Nasenhöhe  die  Nasenlänge  imi  einige  Millimeter.  Das  charak- 
terisirt  die  Nase  also  schon  als  Stupsnase.  Zu  der  Vorstellung  derselben 
trägt   aber  wiederum  in  sehr  hohem  Grade  der  Umstand  bei,    dass  wir  es 


Beitr&ge  zur  Anthropologie  der  Papuas.  1^3 

Überall  mit  einem  durchbohrten  Septnm  zu  thun  haben,  welches,  leicht 
gewölbt,  nach  unten  herabhängt  und  die  Nasenspitze  in  eine  Kundung 
.verwandelt,  so  dass  es  oft  schwer  fällt,  zu  entscheiden,  wo  man  bei  der 
Entnahme  des  Längenmaasses  die  Cirkelspitze  anzulegen  hat.  Die  Jabim- 
Nase  ist  also  eine  sehr  platte  Stupsnase. 

Die  Mundgegend  ist  stark  entwickelt,  die  Breite  des  Mundes  eine 
sehr  erhebliche;  dieselbe  beträgt  häufig  60  mm  und  mehr;  bei  Ssanguan 
(Nr.  11),  welcher  sich  auch  sonst  durch  ungeheuerliche  Maasse  hervorthut, 
notirte  ich  sogar  66  mm.  Als  geringste  Werthe  finde  ich  nur  einmal 
43  mm  und  44  mm  verzeichnet.  Die  Lippen  sind  voll  und  deutlich  vor- 
springend. Im  Allgemeinen  ergiebt  sich  daraus  jedoch  nur  eine  massige 
Prognathie.  Auch  der  Kiefer -Prognathismus  ist  nur  sehr  wenig  aus- 
gesprochen. Nach  den  angestellten  Winkelmessimgen,  welche  ich  aller- 
dings mit  Hülfe  eines  sehr  unvollständig  gearbeiteten  Apparates  ausführte*), 
ergiebt  sich  sogar  eine  Orthognathie  von  85 — 87°  (zur  deutschen  Hori- 
zontalen). 

Der  physiognomische  Ausdruck  gestaltet  sich  durch  die  vor- 
wiegende Breite  von  Stirn,  Wangenbein -Abstand,  Nase  und  Mund,  wozu 
oftmals  noch  eine  sehr  stark  entwickelte  Masseteren -Gegend  hinzutritt 
(wie  bei  der  Familie  Ssanguan),  keineswegs  zu  einem  für  unsere  Begriffe 
angenehmen.  Jedoch  wird  derselbe  sehr  gemildert  durch  das  volle, 
glänzende,  meist  gute,  oft  sogar  milde,  im  Ganzen  recht  sympathische 
Auge,  —  ein  Yerhaltniss,  welches  Virchow")  auch  zur  Charakteristik  des 
viel  roher  und  hässlicher  aussehenden  Austral- Negers  hervorhebt.  Auf  den 
ersten  Eindruck  hin  möchte  man  diesen  Leuten  nicht  leicht  etwas  absolut 
Schlechtes  zutrauen.  Sie  nähern  sich  dem  Europäer  schnell  mit  grosser 
Freundlichkeit  und  Zutraulichkeit,  nehmen  ein  lebhaftes  Interesse  an  den 
vielerlei  fremden  und  unbekannten  Dingen,  welche  den  weissen  Mann  um- 
geben, wissen  sich  erstaunlich  leicht  über  das,  was  man  von  ihnen  haben 
will,  durch  Zeichen  zu  verständigen  und  sind  so  entgegenkommend  und 
hülfsbereit,  dass  man  bitter  enttäuscht  wird,  wenn  man  bei  längerem  Ver- 
kehr mit  diesen  Leuten  die  Ueberzeugung  gewinnt,  dass  alle  ihre  Liebens- 
würdigkeit Berechnung  ist,  dass  theils  Furcht,  theils  die  Aussicht  auf 
Gewinn,  und  sei  es  auch  nur  ein  Fingerhut  voll  Perlen,  sie  dieses  Interesse 
für  den  Europäer  erheucheln  lässt.  Denn  das  ist  die  vorwiegende  Eigen- 
schaft ihres  Charakters,  durch  Lügen,  Betrügen  und  Stehlen  so  .viel  zu 
gewinnen,  wie  sie  nur  können.  Dieses  Urtheil  wird  nur  dadurch  ein 
wenig  gemildert,  dass  man  sie  diese  Untugenden  in  die  Form  einer 
gewissen  Gutmüthigkeit   kleiden   sieht     Ich    hatte   häufig   den  Eindruck, 


1)  Ein  nach  meinem  Modell  construirter  Apparat  znr  l^Iossong  des  Profilwinkels  am 
Lebenden  ist  jetit  von  dem  Instmmentenfabrikanten  Thamm  in  Berlin,  Karlstrasse,  an- 
gefertigt worden. 

2)  Zeitachrüt  för  Ethnologie  1884.  Yerhandl.  S.  413. 


Ig4  0.  ScU£LtX>MG: 

als  ob  diese  Leute  bei  jedem  Europäer,  dem  sie  begegneten,  zunächst 
dessen  ünerfahreuheit  auf  die  Probe  stellen  wollten;  dupirten  sie  den 
Fremdling,  so  zogen  sie  daraus  ihren  Gewinn,  wurde  ihre  List  durchschaut, 
so  lachten  sie  darüber  wie  Menschen,  welche  sich  einen  lustigen  Spass 
hatten  machen  wollen  ^).  Ich  konnte  deshalb  diesen  Leuten  niemals  ernst- 
lich böse  werden,  trotz  mancher  Enttäuschungen,  welche  ich  mit  den 
besten  Freunden  unter  ihnen  erlebte.  Meine  vielfachen  redlichen  Be- 
mühungen, Kranken  Hilfe  zu  bringen,  wurden  entweder  mit  vollständiger 
Gleichgültigkeit  beantwortet,  oder  man  verlangte  noch  Bezahlung  oben- 
drein. Als  mein  junger  Freund  Ssali,  welchen  ich  mit  Freundlichkeit 
überschüttet  hatte,  den  Arm  gebrochen  hatte,  erfuhr  ich  davon  nur  ganz 
gelegentlich,  und  als  ich  ihn  dann  zu  veranlassen  suchte,  sich  den  Arm 
schienen  zu  lassen,  damit  er  den  Speer  wie  früher  gebrauchen  könnte, 
erhielt  ich  einfach  zur  Antwort,  „dazu  habe  er  ja  noch  den  anderen  Arm". 
Diese  Ablehnung  mag  freilich  in  den  besonderen  Vorstellungen  ihren  Grund 
haben,  welche  diese  Leute  sich  über  das  Wesen  und  die  Heilung  der 
Krankheiten  überhaupt  bilden*);  aber  ich  habe  auch  viele  andere  Beispiele 
erlebt,  wo  von  einer  Art  dankbaren  Gefühls  auch  nicht  die  Rede  war,  so 
z.  B.  als  ich  dem  Kamelun  (Nr.  12,  Maske  7)  zu  seiner  sehr  niedlichen 
Frau  Kaualuo  (Nr.  37,  Maske  11)  verhelfen  hatte^  indem  ich  ihm  nach 
mehrfachen  vertraulichen  Besprechungen  eine  Axt  und  andere  Kostbar- 
keiten, jedenfalls  die  Mittel  gewährt  hatte,  welche  ihn  befähigten,  sich  die 
Hand  dieser  Papua -Schönheit  zu  erringen.  Gespannt  wartete  ich  dann 
auf  den  Augenblick,  wo  der  junge  Ehemann  nach  abgelaufenen  Flitter- 
wochen sich  mir  wieder  vorstellen  würde:  wie  sehr  war  ich  damals  ent- 
täuscht, als  besagter  Freund  eines  Tages  mit  ganz  gleichgültiger  Miene 
durch  das  Wasser  auf  mein  Haus  zuschlenderte  und  sich  auf  meiner 
Yeranda  seiner  Länge  nach  träge  ausstreckte,  als  hätte  sich  nichts  in- 
zwischen ereignet!  Tiefes  Gemüth  muss  man  also  bei  diesen  Leuten  im 
Allgemeinen  nicht  voraussetzen;  sie  thun  Alles  aus  Berechnung,  sind  freund- 


1)  Unsere  Dorfbewohner  controlirten  mit  peinlichster  Genauigkeit  unsere  Ab-  und 
Zugänge  auf  der  Station;  sie  wussten  von  jedem  neu  angekommenen  Weissen  schon  beim 
Einlaufen  des  Schiffes,  wie  er  aussieht  und  was  er  bei  sich  führt.  Am  nächsten  Tage 
konnte  der  Fremdling,  welcher  von  den  manuichfachen  neuen  Eindrücken,  welche  er 
empfangen  hatte,  noch  sozusagen  betäubt  war,  sicher  sein,  dass  ihm  die  ganze  Eingebomon- 
Gesellschaft  ihren  Besuch  abstattete  und  dass  sie  dabei  die  schlechtesten,  abgebrauchtesten 
Gegenstände  zum  Kauf  anboten,  welche  sie  ^auf  Lager**  hatten.  Mir  wird  es  unvergesshch 
bleiben,  wie  ein  junger  Ankömmling  ganz  glücksstrahlend  uns  seinen  sehr  kostbaren  Arm- 
ring zeigte,  welchen  er,  kaum  gelandet,  einem  Eingebomen  für  einen  ^ganz  geringen  Preis" 
abgetauscht  hatte,  und  was  für  ein  verdutztes  Gesicht  der  Herr  machte,  als  wir  ihm 
bedeuteten,  dass  er  denselben  Ring  für  einen  noch  civileren  Preis  aus  unseren  Lager- 
Yorräthen  beziehen  könnte,  da  wir  diesen  Gegenstand  selbst  den  Eingebornen  zum  Tausche 
anzubieten  pflegten,  wenn  freilich  auch  mit  geringerem  Erfolg. 

2)  Siehe  darüber  meine  Abhandlung  „Ueber  Familienleben  und  Gebräuche  der  Papuas*' 
(Zeit«chr.  für  Ethnol.  1888). 


Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papuas.  165 

Kch  und  traurig,  lachen  und  weinen,  ganz  wie  es  der  Augenblick  erheischt. 
Das  führte  mich  denn  nach  manchem  gründlichen  Studium  dieser  Menschen 
dahin,  dass  ich,  als  ich  sie  bei  der  Kundgebung  meiner  bevorstehenden 
Abreise  in  Thränen  und  Klagen  ausbrechen  sah,  nur  an  die  Eisenstücke 
und  Aexte  denken  musste,  welche  zufälligerweise  noch  in  meiner  Kiste 
als  die  letzten  Reste  meiner  Tausch -Gegenstände  sichtbar  waren.  Ich 
habe  niemals  Thränen  schneller  trocknen  sehen,  als  hier!  Und  doch  war 
ich  ihnen  ein  wohlwollender,  aufrichtiger  Freund  gewesen  und  bin  es  auch 
noch.  Denn  ihr  mangelnder  Sinn  für  tiefe  Gemüthsreguugen  wird  gewisser- 
maassen  aufgewogen  durch  eine  seltene  Entwickelung  ihrer  intellectuellen 
Fähigkeiten.  Schon  was  ich  so  eben  angeführt  habe,  spricht  für  ihre 
Intelligenz.  Aber  ich  will  noch  erwähnen,  wie  leicht  sie  Gehörtes  und 
Gesehenes  in  sich  aufnehmen,  wie  spielend  sie  das  gesprochene  oder 
gesungene  Wort  wiederzugeben  vermögen,  wie  gewandt  sie  sich  in  dem 
Verkehr  mit  den  anders  sprechenden  Nachbarstämmen  zurecht  finden  u.  s.  w. 

Ich  möchte  hier  auch  gleich  das  Farben-Unterscheidungs-Ver- 
mögen der  Jabim- Bewohner  besprechen.  Ein  solches  geht  ihnen  keines- 
wegs ab,  ist  im  Gegentheil  vorzüglich  ausgebildet;  dagegen  fehlen  ihnen 
die  Worte  für  die  feinen  Farbennuancen,  und  auch  ihrer  ganzen  Farben- 
bezeichnung haftet  ein  gewisser  Grad  von  Unsicherheit  an,  indem  eine 
ganze  Anzahl  von  Farben  nicht  nur  von  verschiedenen  Personen  ver- 
schieden, sondern  auch  von  einer  und  derselben  Person  bei  wiederholtem 
Ausfragen  öfters  ganz  verschieden  benannt  werden.  Ich  vermuthe  deshalb, 
dass  den  Jabim -Leuten  eine  exacte  Farben -Benennung  überhaupt  fehlt, 
dass  sie  vielmehr  Farben  nach  ihnen  bekannten  Gegenständen  aus  der 
Natur  benennen.  Mui  ist  z.  B.  constant  „roth",  bedeutet  aber  eigentlich 
den  rothen  Thon,  mit  welchem  sie  ihr  Haar  färben;  de  oder  da,  „schwarz", 
ist  eigentlich  die  schwarze  Erde,  mit  welcher  sie  die  Zähne  schwärzen; 
quoram  quoram,  die  Bezeichnung  für  weiss,  bedeutet  Kakadu.  Merkwürdig 
häufig  finden  sich  Wort -Verdoppelungen  bei  den  Farben -Bezeichnungen, 
welche  der  Sprache  sonst  nicht  eigenthümlich  sind*).  Folgende  Bezeich- 
nungen werden  durchweg  angegeben:  weiss  =  quoram -quoram,  ziegelroth 
=  mui,  gelb  =  gär  le,  hellblau  =  ju  ju,  moosgrün  =  matta  matta,  dunkel- 
grün =  kedda.  Sonst  wurden  noch  für  „schwarz"  und  dunkle  Farben- 
schattirungen  überhaupt  die  Worte  je  je,  ssi,  da  und  kedda  genannt;  im 
Gegensatz  4azu  bedeutet  k5  weiss  und  helle  Farbenschattirungen,  wie 
weiss,  hellbraun,  jedenfalls  nicht  ein  „weiss",  welches  so  rein  ist,  wie  das 
Kakadu -Weiss. 

Ihre  Intelligenz  bekunden  die  Bewohner  der  Finschhafener  Gegend 
auch  durch  ihre  mannichfaehen  technischen  Fertigkeiten;  sie  sind 
gute  Holzschnitzer  und  machen  vortreflFliche  Flecht-  und  Häkel- Arbeiten, 


i)  VergL  meine  „Jabim -Sprache  der  Finschhafeuer  Gegend^  (Leipzig  1890). 


0.  SOHEl-LOHG : 


woTOD  die  ethnograpbiechen  Sammlungen  das  beredteste  Zeugnies  ablegen. 
Auch  geht  ihnen  ein  gewisaer  künstlerischer  Sinn  nicht  ab,  wenngleich 
ihre  zeichnerischen,  bezw.  malerischen  Barstellungen  meist  unvollkommene 
Zerrbilder  der  Gegenstände  wiedergeben,  welche  sie  darstellen  sollen. 
Beliebt  sind  fratzenhafte  Zeichnungen  von  Hann  und  Fran.  wie  in  Fig.  1 
und  2,  oder  einer  Schlange  (Fig.  3),  eines  Fisches  (.Fig.  4),  eines  Kakadu 
(Fig.  5> 


Sohltnge  (moä). 


Fisch  (jbano). 


In  Bezng  auf  die  Körperbildung  habe  ich  bereite  das  auffallende 
MisBverhältnisB  hervorgehoben,  welches  zwischen  Klafterweite  und  KArper- 
h&ho  besteht.  Yon  dem  Verdachte  eines  Hessfehlers  möchte  ich  mich 
hierbei  freisprechen,  da  ich  diese  Maasse  gerade  wegen  ihrer  Ungewöbn- 
Uchkeit  sehr  genau  genommen  habe. 


Beiträge  zur  AnÜiropologie  der  Papuas.  167 

Die  Nabelhöhe  ist  stets  eine  sehr  beträchtliche;  sie  ergiebt  durch- 
weg, dass  der  Nabel  weit  über  der  Mitte  des  Körpers  sitzt.  Bei  elf  be- 
liebig herausgegriffenen  Individuen,  bei  welchen  ich  dieses  Verhältuiss 
berechnete,  überragte  der  Nabel  die  Körpermitte  um  rund  300  mm. 

Die  notirten  Beinlängen  schwanken  zwischen  812  und  938  Tnm;  die 
Beine  (Trochanterhöhen)  sind  im  Allgemeinen  länger  als  der  Oberkörper; 
sie  überragen  gewöhnlich  um  ein  Geringes  die  Hälfte  der  Körperhöhe. 
Bei  den  Nummern  1,  6,  8,  9,  17  ging  die  Trochanterhöhe  in  die  Körper- 
höhe 1  •  9  X  und'  1  •  8  X  auf;  die  Differenzen  zur  halben  Körperhöhe  be- 
trugen hier  23,  92,  25,  25,  86  mm. 

Sowohl  Ober-  als  Unterschenkel  sind  fast  durchweg  gut  entwickelt; 
der  Oberschenkelumfang  beträgt  selbst  bei  der  kleinen  jugendlichen 
Kaualuo  (Nr.  37)  438  mm]  der  Umfang  der  Waden  überschreitet  gewöhn- 
lich um  ein  Beträchtliches  die  Zahl  von  300  mm;  unter  den  Männern  finde 
ich  nur  zwei,  im  Ganzen  atrophische  Greise  (Nr.  27  und  30)  mit  einem 
Wadenumfang  von  278  bezw.  285  mm. 

Eine  sehr  auffallende  Entwickelung  sowohl  der  Länge  als  der  Breite 
nach  zeigen  gewöhnlich  die  Füsse.  Den  längsten  Fuss  von  295  mm  hat 
Bumtau  (Nr.  23)  aufzuweisen;  einen  nicht  minderwerthigen  Japoa  (Nr.  26) 
mit  280  mm  Länge.  Beide  haben  Breitenmaasse  von  111  und  114  mm  und 
Indices  von  37  und  40.  Auch  die  Frauen  zeigen  anfallende  Breitenmaasse; 
bei  Atikio  (Nr.  36)  beträgt  der  Index  42,  bei  Matao  (Nr.  35)  sogar  44. 
Daneben  kommen  auch  weniger  unförmig  gestaltete  Füsse  vor,  wie  der- 
jenige des  Häuptlings  Makiri  (Nr.  29)  mit  262  mm  Länge  und  95  mm 
Breite  und  Index  36;  der  kürzeste  Männerfuss  ist  mit  229  mm  Länge 
notirt;  der  kleinste  gemessene  Frauenfuss  (bei  Nr.  37)  hat  eine  Länge  von 
228  mm.  Die  Männerfüsse  gehen  in  die  Körperhöhe  5*5  bis  6  •  9  X  auf; 
die  Frauenfüsse  6-3  bis  6  •  5  X.  Bei  einer  grösseren  Anzahl  von  Füssen 
übertrifft  die  zweite  Zehe  die  erste  an  Länge;  bei  anderen  sind  beide 
ziemlich  gleich  lang;  bei  allen  ist  der  Einschnitt  zwischen  der  ersten  und 
zweiten  Zehe  sehr  beträchtlich;  der  Spalt  zwischen  der  zweiten  und  dritten 
Zehe  steht  am  meisten  nach  vom.  Die  erste  Zehe  wird  allgemein  als 
Gh'eifzehe  benutzt  (s.  Fusszeichnungen  Fig.  1 — 6). 

Eine  ungleiche  Entwickelung  beider  Unterextremitäten  wird  nicht  sehr 
selten  angetroffen,  wie  bei  Kamelun  (Nr.  12): 
Oberschenkelumfang.     .     rechts    450      mm  links    469        mm 

Wadenumfang  ....        „         310        „  „        330         „ 

Pusslänge „         270        „  «275  „ 

Fugsbreite „  90(85)  „  „        108(100)„ 

Die  Oberextremitäten  machen  wegen  ihrer  Länge,  in  welcher  sie 
oftmals  bis  zum  Knie  herabreichen,  bei  verhältnissmässiger  Dünne  der 
Muskulatur  einen  unproportionirten  Eindruck;  die  Hände  sind  nicht  gerade 
gross  oder  auffallend  breit  zu  nennen,  wengleich  Einzelne,  so  Bumtau 
(Nr.  23)   mit   einer  Handlänge   von  202  mm  und  Breite  von  88  mm  (101) 


168  0.  Schbi.lonq: 

wesentlich  über  den  Durchschnitt  hinausragen.  Bumtau's  Hand  hat  auch 
einen  Breitenindex  von  43;  andere  haben  entschieden  geringe  Handbreiten 
wie  Lakka  (Nr.  30)  63  mm,   Kaualuo  (Nr.  37)   68  mm   und  Nr.  20  73  mm. 

Die  Finger  sind  unschön  geformt  und  entbehren  der  angenehmen 
gleichmässigen  Rundung.  Der  Zeigefinger  übertriflFt  öfters  den  Ringfinger 
um  ein  Weniges  an  Länge;  meistens  sind  beide  jedoch  gleich  lang, 
üebrigens  macht  sich  der  Mangel  jeder  Hautpflege  ganz  besonders  an  den 
Händen  bemerkbar.  Schon  die  gänzlich  unkultivirten  Fingernägel  rufen 
bei  uns  die  Vorstellung  des  Hässlichen  hervor  (siehe  Handzeichnungen 
Fig    1  und  2). 

Der  Bau  des  Brustkorbes  ist  im  Allgemeinen  kräftig  zu  nennen;  der 
Brustumfang  bewegt  sich  meist  zwischen  800  und  900  wim;  bei  vieren 
ragt  das  ümfangsmaass  über  900  hinaus.  Die  höchste  notirte  Zahl  ist 
925  mm.  Auch  in  den  Schultern  sind  die  Jabim-Leute  gut  ausgelegt, 
wenngleich  mir  Zahlenangaben  dafür  fehlen.  Die  Frauen  zeigen  eine  gut 
entwickelte  Beckengegend;  die  Brüste  hängen  bei  allen,  welche  geboren 
haben,  beutelartig  herab  und  zeigen  sich  schon  frühzeitig  als  schlaffe 
runzelige  Säcke.  Nichtsdestoweniger  scheinen  die  Milchdrüsen  auch  bei 
diesen  dürftig  aussehenden  Brüsten  reichlich  zu  secerniren,  da  sie  selbst 
älteren  Kindern^  kleinen  Burschen,  welche  bereits  herumlaufen,  noch 
Nahrung  zu  spenden  vermögen.  Die  jungfräuliche  Büste  zeigt  die  üblichen 
Charakteristika;  häufig  habe  ich  auffallend  grosse  und  sehr  dunkel  pig- 
mentirte  Warzenhöfe  angetroffen. 

Zieht  man  aus  den  vorstehenden  Erörterungen  das  Facit,  so  darf  man 
die  Individuen  des  Jabim- Stammes  als  im  Ganzen  kräftig  gebaut  bezeichnen. 
Daher  erscheint  es  auffallend,  dass  diese  Menschen  in  einem  recht  hohen 
Procentsatze  an  den  Malaria-Erkrankungen  des  Landes  Theil  nehmen,  und, 
wie  ich  an  anderer  Stelle*)  nachgewiesen  habe,  zu  84  pCt.  an  grossen 
palpablen  Milztumoren  leiden.  Auch  fand  ich  die  Herzthätigkeit  von  recht 
mangelhafter  Energie:  bei  Ssabiam  (Nr.  1)  einen  Puls  von  56,  bei  Talabi 
(Nr.  9)  einen  solchen  von  60  Schlägen  in  der  Minute;  nur  der  sehr  kräftige 
Labum  (Nr.  25)  hatte  Puls  84*).  Auch  die  sorgfältig  gemessenen  Körper- 
temperaturen erreichten  bei  Ssabiam  Vormittags  8  Uhr  nur  36,7,  bei  dem 
kräftigen  Labum  und  dem  ihm  in  dieser  Hinsicht  nicht  nachstehenden 
Kassei  (Häuptling  von  Bussum)  Nachmittags  37,2.  Die  Athmungsfrequenz 
betrug  20  bis  24  in  der  Minute,  ist  also  als  eine  hohe  zu  bezeichnen. 

Ausführliche  Aufnahme  -  Protokolle  von  23  Individuen  des  Jabim- 
Stammes  siehe  unter  dem  Capitel  ^Gesichtsmasken^  (Nr.  1 — 22b). 

1)  Vergl.  meine  ^Malaria-Krankheiten*'  (Berlin,  Julius  Springer,  1890% 

2)  Ich  habe  mich  h&afig  genug  bei  der  Ausübung  meiner  ärztlichen  Th&tigkcit  daron 
übeneugen  können,  dass  den  Melanesien!  ein  schwacher,  niedriger  Puls  elgenlhfimlich  int. 
Meine  fiebeiteanken  melanesischen  Arbeiter  von  der  Station  Finschhafen  la^n  mitunter 
g&nzlich  pulslos  da,  so  dass  mir  nach  unserer  üblichen  Anschauung  ein  Aufkommen  der- 
selben fast  anmöglich  erschien :  nichtsdestoweniger  erholten  sich  diese  Kranken  aoffallend 
schnell  und  ich  hatte  unter  ihnen  nicht  einen  TodesfalL 


Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papuas.  169 

Die  Kai-Leute*). 

Das  Wort  Kai  bedeutet  in  der  Tamisprache  „Wald",  und  in  Bezug 
auf  einen  Eingeborenenstaram  angewandt,  würde  man  darunter  Menschen 
zu  verstehen  haben,  welche  als  Wald-  oder  Bergbewohner  den  Küsten- 
bewohnem  gegenüber  gestellt  werden.  Unsere  Jabim-Leute,  die  Bevöl- 
kerung der  Station  Finschhafen,  pflegten  die  Kai-Leute  als  einen  von 
ihnen  vollkommen  getrennten  Stamm  anzusehen  und  zu  behandeln  und, 
augenscheinlich  in  dem  Bewusstsein  eigener  Superiorität,  denselben  gegen- 
über ein  hohes  Maass  von  Misstrauen  und  Missgunst  zu  beobachten. 
Nachdem  wir  schon  längere  Zeit  von  ihrer  Existenz  gehört  hatten, 
bot  sich  uns  die  Gelegenheit  dar,  ein  Paar  Kai-Leute  auf  der  Station 
Finschhafen  zu  sehen,  und  erst  viel  später  gelang  es  uns  unter  manchen 
Sch¥rierigkeiten,  in  eines  ihrer  dürftigen  Dörfer  (Memming)  einzudringen. 
In  ihrer  Sprache  zeigten  sie  sofort  einen  sehr  auffallenden  Unterschied 
gegenüber  den  Jabimbewohnem,  besonders  durch  die  Anwendung  eigen- 
thümlicher  Zischlaute,  welche  in  der  Jabimsprache  nicht  vorhanden  sind'). 
Die  geringen  Sprachproben,  welche  ich  Hrn.  Freiherm  vonderGabelentz 
vorlegte,  bestimmten  diesen  Forscher,  wie  derselbe  mir  mitzutheilen  die 
Güte  hatte,  zu  dem  Urtheile,  „dass  Anklänge  an  den  Jabimdialekt  sich 
nur  in  ganz  vereinzelten  Fällen  vorfinden."  Eine  nähere  Bekanntschaft 
mit  den  Kai-Bewohnern  habe  ich  während  meines  über  zweijährigen  Auf- 
enthaltes in  Kaiser  Wilhelms-Land  nicht  anknüpfen  können  und  somit 
bilden  die  gewonnenen  3  Mess-Protocolle  die  einzige  Grundlage  zu  ihrer 
anthropologischen  Beurtheilung. 

Die  Individuen,  welchen  ich  begegnete,  boten  kleine  dürftige  Figuren 
dar,  deren  ganze  Erscheinung  und  Gebühren  die  Vermuthung  nahe  legten, 
dass  sie  in  augenscheinlich  ärmlichen,  heruntergekommenen  Yerhältnissen 
lebten.  Auch  numerisch  sind  sie  sehr  schwach,  wofür  schon  der  Umstand 
spricht,  dass  V\e  es  nicht  vermochten,  mit  uns  in  selbständigen  Verkehr 
zu  treten,  sondern  sich  dazu  der  Vermittelung  der  Jabim-Leute  bedienten, 
von  welchen  sie  dann  bei  ihrer  jedesmaligen  Anwesenheit  auf  der  Station 
sorgfältig  im  Auge  behalten  wurden,  dass  sie  nicht  etwa  zu  grosse  Vor- 
theile  von  uns  genössen.  Auch  war  nirgends  ein  betretener  Weg  oder 
Zugang  zu  ihren  Dörfern  aufzufinden.  Sofern  auf  der  Grundlage  unserer 
bisherigen  ethnologischen  Kenntniss  der  Finschhafener  Gegend  eine  Ver- 
muthung überhaupt  schon  geäussert  werden  darf,  möchte  ich  meinen, 
dass  wir  in  der  die  Berge  bewohnenden  Kai -Bevölkerung  einen  Volks- 
stamm zu  erblicken  haben,  welcher  älter  ist,  als  der  Jabim- Stamm;  sie 
sind  vielleicht  die  ursprünglichen  Bewohner  des  Landes.  Wie  weit  sich 
ihre  Dörfer  landeinwärts  erstrecken,  ist  eine  gänzlich  offene  Frage,  da 
eine    erfolgreiche  Expedition  in  das  Land  bisher  wegen  der  ausserordent- 

1)  Dazu  3  Messprotokolle  (Nr.  38-40)  und  5  Gesichtsmasken  (Nr.  23—27). 

2)  Siehe  darfiber  meine  „Jabim -Sprache"  (Leipzig,  Wilh.  Friedrich,  1890). 


170  -  0.  SOHELLONO: 

« 

liehen    Terrainschwierigkeiten    und    wegen   anderer   hindernder  umstände 
nicht  möglich  war. 

Die  3  Repräsentanten  des  Eai-Stammes,  welche  ich  gemessen  habe, 
bieten  eine  mittlere  Körperhöhe  von  nur  1576  mm  dar;  der  grösste 
unter  ihnen,  Gamtei  (Nr.  39),  misst  1577  mm.  In  ihrer^  Erscheinung 
treten  ausser  der  Dürftigkeit  der  Muskulatur  im  Ganzen  eckige,  un- 
proportionirte  Formen  hervor;  die  Klafterweite  übertrifft  die  Körper- 
höhe im  Mittel  um  78  mm^  im  Minimum  um  66  mm;  dabei  ist  der 
Brustumfang  ein  sehr  geringer,  er  schwankt  zwischen  726  und  887  mm. 
Ueber  ihre  Hautfarbe  gilt  im  Allgemeinen  dasjenige,  was  auf  die 
Jabim- Bewohner  und  die  melanesische  Rasse  überhaupt  Bezug  hat;  die 
Hautpflege  wird  in  noch  höherem  Grade  vernachlässigt,  als  bei  den 
Jabim -Leuten;  Tättowirungen  sind  nicht  bemerkt  worden.  Auch  über 
die  Behaarung  (Spiral -Locken -Typus)  ist  nichts  besonderes  hervor- 
zuheben. Die  Augen  sind  dunkelbraun,  glänzend,  im  Allgemeinen  gross 
zu  nennen.  Die  Lidspaltenlänge  beträgt  im  Mittel  36  mm^  dagegen  weisen 
sämmtliche  Individuen  eine  geringe  Intraorbitaldistanz  Von  33  mm  im  Mittel 
auf.  Die  Kopfform  zeigt  eine  durchschnittliche  Mesocephalie  von  75,9; 
doch  muss  bemerkt  werden,  dass  diese  Zahl  auf  Rechnung  des  brachy- 
cephalen  (80,9)  Gamtei  (Nr.  39)  herauskommt,  während  Kopal  (Nr.  38) 
und  Bikuan  (Nr.  40)  dolichocephale  Indices  von  72,1  und  74,7  aufweisen. 
Es  mag  also  hier  vielleicht  die  Annahme  einer  Dolichocephalie  überhaupt 
die  richtigere  sein.  In  Bezug  auf  die  Ohrhöhe  sind  die  Kai-Leute  aus- 
gesprochene Chamaecephalen;  der  geringste  Index  beträgt  68,5,  der  durch- 
schnittliche 68,7.  Doch  stehen  auch  diese  Individuen  ebenso  wie  die 
Jabim-Bewohner  an  der  Grenze  der  Orthocephalie.  Die  Stirn  ist  bei 
Kopal  sehr  hoch,  80  mm;  auch  bei  den  übrigen  ragen  die  Stirnhöhenmaasse 
über  71  hinaus;  die  Stimbreiten  sind  nicht  beträchtlich,  bei  Gamtei  106  mm, 
bei  den  anderen  sogar  nur  105  und  102  mm;  besonders  in  die  Augen 
fallend  ist  bei  allen  eine  mächtige  Entwickelung  der  Augenbrauenbogen; 
das  tritt  ganz  besonders  bei  Kopal  und  Bikuan  hervor.  Dementsprechend 
finden  wir  tiefe  Nasenwurzeln  und  tiefe  Augenhöhlen.  Die  Gesichts- 
höhe  B  erreicht  nur  bei  Kopal  die  beträchtliche  Höhe  von  119  mm,  bei 
den  anderen  geht  dieselbe  über  110  mm  nicht  hinaus;  der  erstere  zeigt 
deshalb  auch  eine  längliche  Gesichtsform,  während  Bikuan  ein  mehr  rundes 
Gesicht  darbietet,  dessen  Eindruck  durch  eine  auffallend  kräftige  Ent- 
wickelung der  Masseteren  noch  erhöht  wird;  bei  Gamtei  besteht  nur  eine 
scheinbare  Verlängerung  durch  das  Vorhandensein  eines  Zickelbartes.  Der 
gemittelte  (lesichtsindex  beträgt  81,4,  orgiebt  also  ein  chamaeprosopes  Ver- 
hältniss.  Am  ausgesprochensten  tritt  dasselbe  bei  Gamtei  hervor  mit  einem 
Index  von  76,0.  Die  Nase  erweist  sich  besonders  breit  bei  Kopal  mit 
einem  Index  von  79,9;  der  durchschnittliche  Nasenindex  beträgt  67,5. 
Ueber  die  Durchbohrung  des  Nasenseptums  vermisse  ich  eine  Aufzeich- 
nung; doch  waren  auch  die  Nasenscheidewände  der  Kai -Leute,  soweit  ich 


Beiträge  znr  Anthropologie  der  Papuas.  171 

mich  erinnere,  durchbohrt.  Dem  entsprechend  ist  auch  der  unterschied 
zwischen  dem  weitesten  Abstand  der  Nasenflügel  und  der  Nasenbreite  ein 
sehr  grosser;  derselbe  beträgt  bei  Gamtei  und  Bikuan  11  mm;  die  Nasen- 
spitze ist  plump  bei  Eopal;  Gamtei  hat  einen  etwas  gekrümmten  Nasen- 
rücken, wodurch  seine  Physiognomie  "in  Verbindung  mit  dem  Zickelbart 
ein  jüdisches  Gepräge  erhält.  Die  Mundlänge  ist  nicht  sehr  erheblich, 
54 — 57  mm.  Der  physiognomische  Ausdruck  gestaltet  sich  bei  allen 
ziemlich  gleich.  Alle  haben  einen  scheuen,  verschlossenen  Blick;  bei 
Kopal  tritt  eine  entschiedene  Verlegenheit  hervor;  nichtsdestoweniger  zeigt 
er  eine  grosse  Begehrlichkeit  nach  unserm  Besitzthum;  Bikuan  blickt  halb 
stumpfsinnig,  halb  blöde  und  weinerlich  vor  sich  hin  und  ist  augenschein- 
lich sehr  wenig  intelligent.  Gamtei  geht  eine  gewisse  gutmüthige  Ver- 
schmitztheit nicht  ab.  Ein  auffallender  Prognathismus  kommt  nur  Bikuan 
zu;  bei  den  anderen  ist  ein  solcher  nur  in  sehr  massigem  Grade  vorhanden. 

In  Bezug  auf  die  Körperbildung  habe  ich  die  schwache  Muskulatur 
bereits  hervorgehoben;  Oberschenkelumfang  von  nur  380 — 445  mm^  Waden- 
umfang zwischen  293  und  334  mm.  Die  Füsse  sind  nicht  an  sich,  wohl 
aber  im  Vergleich  zu  der  Eörpergrösse  lang  und  breit  zu  nennen;  der 
Breitenindex  beträgt  38 — 42  (s.  Pusszeichnungen  Fig.  7).  Die  Füsse  gehen 
bei  Allen  6*2  X  in  die  Körperhöhe  auf.  Die  Hände  sind  bei  massiger 
Länge  (bis  173  mm)  von  erheblicher  Breite;  der  grösste  Breitenindex 
beträgt  47. 

Aufiiahme-ProtokoUe  der  Nr.  38 — 40  s.  unter  Capitel  ^Gesichtsmasken^ 
(28—25). 

Die  Poum-Leute*). 

Poum  ist  eine  Landschaft  20 — 30  Seemeilen  nördlich  von  Finsch- 
hafen*).  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  man  darunter  einen  Complex  von 
Dörfern  zu  verstehen  hat,  welche  zwischen  Festungshuck  und  Cap  William 
längs  der  Küste  gelegen  sind.  Als  wichtigster  Ort  wurde  mir  wiederholt 
Kamocka  bezeichnet.  Gegenüber  der  Jabimbevölkerung,  mit  welcher  sie 
übrigens  freundschaftliche  Beziehungen  unterhielten,  fielen  die  Poum- 
Leute  auf  durch  eine  grosse  Verschiedenheit  der  äusseren  Erscheinung 
und  der  Sprache. 

Hinsichtlich  der  letzteren  stimmen  sie  mit  dem  Jabim  wohl  nur  in 
einigen,  auf  die  gegenseitigen  Handelsbeziehungen  bezüglichen  Wörtern 
überein.  Herr  Freiherr  von  der  Gabelentz  fasst  nach  den  ihm  von 
mir  vorgelegten  Sprachproben  sein  ürtheil  dahin  zusammen,  dass,  ihm  der 
Poum -Dialekt  eine  Art  Mittelglied  zwischen  dem  Jabim-  und  dem  Kai- 
Dialekt  zu  bilden  scheine. 

Das   zuerst   in  die  Augen  Fallende   ist  bei  den  Männern  eine  höchst 


1)  Dmh  15  Mess-ProtokoUe  Nr.  41—55  (5  Frauen  Nr.  51—55). 

2)  Die  Angabe  meines  Finschhafener  Gewährsmannes,  dass  man,  nm  nach  Poum  hin- 
mgelangen,  dreimal  übernachten  müsse,  stinmit  mit  dieser  Annahme  uberein. 


172  0.  SOHELLONO: 

eigenartige  Haarfrisor,  welche  die  Conturen  des  Kopfes  nach  allen  Rich- 
tungen hin  mächtig  überragt.  Der  Kopf  gewinnt  dadnrch  das  Aussehen 
ungewöhnlicher  Grösse,  und  man  hat  den  Eindruck,  als  ob  der  Hals  dafür 
zu  klein  und  zu  niedrig,  zugleich  aber  auch,  als  ob  das  ganze  Individuum 
klein  und  eckig  gebaut  wäre.  Bei  näherer  Betrachtung  kann  man  vorzugs- 
weise drei  Formen  dieser  Haarfrisur  unterscheiden:  1)  Der  mächtige  Haar- 
wuchs ist  über  einen,  der  Circumferenz  des  Kopfes  eng  anliegenden, 
geflochtenen  Reif  (ssüng)  gelagert;  die  bis  30  cm  langen,  mit  Lehm- 
klümpchen  vielfach  verklebten  Spirallocken  hängen  über  diesen  Reif  hin- 
weg oder  sind  an  diesem  in  besonderer  Weise  befestigt.  2)  Das,  wie 
eben  angegeben,  konstruirte  Haargebäude  wird  ausserdem  noch  mit  einer 
Kappe  überzogen.  Letztere  besteht  aus  einem  filetgestrickten  Netz  und 
einem  zwischen  Haar  und  diesem  eingelagerten  Basttuch  (obo).  3)  Als 
weitere  Complication  wird  über  diese  Kappe,  d.  h.  also  über  die  ganze  Frisur 
ad  2,  noch  eine  weitere  Lage  eines  Spirallockenfilzes,  diesmal  mithin  eine 
wirkliche  Perrücke,  befestigt.  Dann  ist  also  der  Reihe  nach  über  einander 
gethürmt:  lebendes  Haar  mit  Haarreif,  Basttuch,  Netz,  künstliche  Haar- 
perrücke^).  Als  ein  gemeinsames  Attribut  aller  dieser  Haartouren  waren 
stets  zahlreiche  Läusecolonien  bemerkbar;  auch  fehlten  nicht  Einsalbungen 
mit  schwarzer  und  rother  Farbe  (vielleicht  als  Antipediculosum).  Die 
Poum- Frauen  trugen  das  Haar  nach  Art  der  Jabim- Leute  geschoren 
d.  i.  also  in  einem  etwa  drei  Finger  breiten  Rasirstreif  rings  um  den  Kopf. 
Auch  in  der  Bekleidung  der  Schamgegend  zeigt  die  Poum-Bevölkerung 
bomerkenswerthe  Unterschiede  gegenüber  dem  Jabim-Stamme.  Die  Männer 
von  Jabim  begnügen  sich  mit  einem  kleinen  koketten  Stricklein;  die 
von  Poum  dagegen  legen  reelle  breite  Schambinden  aus  Basttuch  an. 
Der  Schamschurz  der  Poum-Frauen  ist  im  Gegensatz  zu  dem  sonst  all- 
gemein verbreiteten  Faserschurz*)  aus  bunt  gefärbten  Schnüren  gefertigt 
Doch  werden  die  Schnüre  nur  vom  getragen;  nach  hinten  zu  findet 
sich  eine  oder  mehrere  Lagen  ungefärbter  Grasfasern,  welche  nach 
Art  der  Toumüren  aufgebauscht  sind,  um  die  nates  voller  erscheinen  zu 
lassen.  Statt  eines  einfachen  Hüftbandes  ist  ein  zwei  Finger  breiter  ge- 
flochtener Hüftgurt  üblich,  welcher  Vorder-  und  Hinterschurz  zusammen- 
hält. Auch  hinsichtlich  mancher  Putzgegenstände  weichen  die  Poum-Leute 
nicht  unwesentlich  von  den  Jabim  ab;  recht  eigenartig  und  geschmackvoll 
ist  eine  feine  Haarspitze,  mit  welcher  der  Haarfilz  bisweilen  zusammen- 
gehalten wird'). 


1)  Diese  Haarfrisur  war  um  keinen  Preis  käuflich;  sie  behaupteten,  sterben  eq  müssen, 
wenn  sie  sich  derselben  entfiusserten. 

2)  Die  gewöhnlichen  Faserschurze  der  Frauen  bestehen  nicht  aus  Qrasfasem,  sondern 
aus  entfaserten  Cocospahnen- Blättern. 

3)  In  Bezug  auf  die  Tracht  stimmen  die  Poum-Leute  sehr  auffallend  mit  den  Bfli- 
Bili-Leuten  des  Constantinhafens  überein  und  es  wird  weiteren  Untersuchungen  ▼orbebalt4*D 
sein,  festzustellen,  inwiefern  sich  sonst  etwa  noch  Berührungspunkte  vorfinden.  Wie  ich 
weiter  unten  ausführen  werde,  lehnen  sich  die  Tami-Insulaner  sprachlich  an  Nen-Pommfini 


Beitr&ge  znr  Anthropologie  der  Papuas.  173 

Ueber  die  numerische  Starke  der  Poum- Bevölkerung  vermag  ich 
sichere  Angaben  nicht  zu  machen;  da  die  Leute  sich  produktiv  zeigten 
und  bei  dem  Jabimstamme  in  Ansehen  standen,  so  dürften  sie  diesem 
wohl  zum  mindesten  gleichkommen. 

Die  Individuen  dieses  Stammes  sind  meist  klein  und  ungelenk,  öfters 
in  dürftigem  Ernährungszustande,  mit  flachem  Brustkorb,  abfallenden 
Schultern,  kurzem  dünnem  Halse.  Die  Frauen  erschienen  mir  kräftiger  als 
die  Männer.  Den  Meisten  ist  ein  stumpfer  Gesichtsausdruck  eigen;  nur 
wenige  haben  einen  freien  klugen  Blick;  andere  haben  einen  vorwiegend 
melancholischen  Zug  in  ihren  Augen.  Es  fällt  sonst  auf  ein  entschiedener 
Prognathismus*),  welcher  mehr  ausgesprochen  ist,  als  derjenige  der  Jabim- 
Leute,  femer  eine  verhältnissmässige  Breite  des  Obergesichts  gegenüber 
einem  niedrigen,  schmalen  Kinn  und  schmalen  Wangen,  welche,  jeder  Run- 
dung entbehrend,  sich  öfters  wie  zwei  ebene  Platten  nach  dem  Kinn  zu 
neigen  und  dem  Gesicht  eine  ausgesprochene  D^eiecksform  verleihen. 
Nicht  zum  wenigsten  unvortheilhaft  fielen  die  Leute  auf  durch  eine  beispiel- 
lose Vernachlässigung  der  Körperpflege,  so  dass  öfters  aus  einem  bunten 
Gemisch  von  Schmutz,  Rauch  und  Asche  das  Braun  der  Haut  beinahe 
nicht  herauszufinden  war.  Allen  voran  gehen  in  dieser  Hinsicht  die  Frauen, 
sehr  zu  ihrem  Nachtheil,  da  sie  einen  viel  gefälligeren  Wuchs  darbieten, 
als  die  Männer*).  Männer  sowohl  als  Frauen  zeigten  ein  ungewohntes 
Maass  von  Scheu  und  Zurückhaltimg.  Während  der  Ausführung  der 
Messungen  hatte  ich  förmliche  Mühe,  die  sich  ängstlich  umschlungen 
haltenden  Frauen  auseinander  zu  bringen.  Aus  diesem  Grunde  habe  ich 
von  den  Poum -Leuten  auch  keine  Gesichtsmasken  gewinnen  können. 

Die  Körperhöhe  der  gemessenen  Poum-Leute  beträgt  im  Mittel  für 
Männer  1543  mm^  für  Frauen  1498  mm;  das  grösste  Maass  hat  Ssimeio 
(Nr.  50)  mit  169S  mm.  Die  Klafterweite  übertrifft  bei  sämmtlichen  die 
Körperhöhe,  im  Maximum  um  144  mm,  im  Minimum  um  36  mm^  im  Mittel 
um  70  mm.  Der  Brustumfang  ist  gering,  hält  sich  gewöhnlich  zwischen 
740  und  800  mm;  einer,  Nr.  48,  misst  sogar  nur  675  mm;  die  höchste  Zahl 
hat  Nr.  49  mit  850  mm  aufzuweisen. 

In  Bezug  auf  die  Hautfarbe  notirte  ich  bei  Assap  (Nr,  48)  eine 
eigenthümliche    Scheckzeichnung.     Die   Haut   desselben   zeigte   nehmlich 

■n;  80  wird  eine  gewissenhafte  Lokal-Untersuchung  vorzugsweise  dazu  berufen  sein,  mehr 
Licht  über  die  häufigen  Hin-  und  Herwanderungen  der  melanesischen  Yolksstämme  zu 
▼erbreiten. 

1)  Ein  Mann,  Namens  Geiko,  angeblich  aus  Ssiana,  der  über  Nacht  leider  verschwand, 
wohl  ans  Besorgniss,  dass  ich  ihm  mit  meinen  anthropologischen  Gelüsten  zu  nahe  treten 
könnte,  frappirte  geradezu  durch  sein  prognathes  Gesicht.  Ich  konnte  seiner  später  nicht 
mehr  habhaft  werden  und  noüre  dieses  Factum  mit  dem  Wunsche,  dass  vielleicht  Jemand 
von  den  gegenwärtig  in  Finschhafen  lebenden  Europäern  Gelegenheit  nehmen  möchte,  auf 
diesen  Mann  zu  fahnden. 

2)  Mangaia  (Nr.  55)  präsentirte  sich  mir  zur  Messung  mit  gänzlich  von  angetrocknetem 
Blut  besudelten  Waden. 

ZtthMhrift  f&r  Ethnologie.    Jahrg.  1891.  13 


174  0.  Schbllong: 

nur  an  einzelnen  Stelleu  des  Bauches,  der  Brust  und  den  vorderen  Partien 
der  Unterschenkel  das  Papuabraun  (Broea  29/43);  im  Uebrigen  war  die 
Farbe  der  Haut  ein  schmutziges  Weiss,  so  besonders  an  den  Schultern, 
den  inneren  Armpartien,  den  seitlichen  Theilen  des  Halses,  der  Oberlippe, 
den  Waden,  den  Nates.  Diese  helleren  Hautbezirke  waren  zum  Theil  mit 
Schüppchen  bedeckt,  welche  dem  chronischen  Schuppen-Eczem  entsprachen ; 
zum  anderen  Theile  war  die  Haut  glatt  oder  sie  gewährte  einen  welken, 
gerunzelten  Eindruck  und  es  fehlten  die  Körperhärchen;  hier  war  also  der 
eczematöse  Prozess  bereits  abgelaufen  und  die  Haut  schien  ihr  Pigment 
dauernd  eingebüsst  zn  haben.  Ich  notirte  für  diese  Stellen  Broca  24  und  25*). 
Tättowirungen  der  Haut  fehlen.  Das  Haar  hat  bis  auf  die  Besonder- 
heit der  Frisur  die  spirallockige  Beschaffenheit  und  die  schwarze  Farbe  des 
Papua- Haares.  Nr.  54  hat  rothes  Haar,  welches  nur  schwarz  gefärbt  ist 
Dab  Auge  ist  dunkelbraun  und  zeigt  bei  einzelnen,  wie  bei  Garaua 
(Nr.  45),    eine    derartig   starke   Pigmentirung    der  Bulbi,    dass   diese   bei 

1)  Es  ist  hier  vielleicht  der  richtige  Ort,  um  eine  Bemerkung  anzufügen,  welche  sich 
auf  das  Hautpigment  der  Melanesier  bezieht.  Die  Anregung  zur  Pigmentbildun^  ist  in 
den  Tropen  eine  sehr  grosse;  die  Beobachtung,  dass  sich  dunkelbraune  Pigmentflecke  bei 
dem  Europäer  ganz  gewöhnlich  bilden,  wenn  oberflächliche,  längere  Zeit  eiternde  Wanden 
und  Schrunden,  besonders  an  den  Unterschenkeln,  vernarben,  ist  eine  alltägliche.  Da  die 
Europäer  Beinkleider  tragen,  so  lässt  sich  zur  Erklärung  dieser  Tatsache  die  direkte  Ein- 
wirkung des  grellen  Sonnenlichtes  nicht  heranziehen  und  man  wird,  je  nachdem  man  der 
einen  oder  der  anderen  der  heutzutage  über  die  Pigmeutbildung  geltenden  Anschauungen 
beitreten  will,  entweder  annehmen,  dass  in  der  Wunde  eine  Umwandlung  des  Blutfarb- 
stoffes in  Pigment  stattgefunden,  oder  dass  die  Wunde  gewissei-maassen  auf  die  pigmeni- 
bildende  Malpighische  Schicht  als  formativer  Reiz  eingewirkt  hat.  Nichtsdestoweniger  ist 
aber  die  Einwirkung  des  grellen  Sonnenlichtes  bei  der  Pigmentbildung  nicht  wegzuleugnen; 
wie  bei  dem  Europäer,  so  zeigen  sich  auch  bei  dem  Papua  diejenigen  Partien  der  Haut 
dunkler  braun,  welche  nicht  gedeckt  sind,  heller  braun  diejenigen,  welche  thoilweise 
gedeckt  sind,  wie  die  Innenflächen  der  Arme,  die  Hautstellen  unterhalb  der  Mammae  u.  s.  w., 
fast  weiss  sogar  diejenigen  Hautpartien,  welche  so  zu  sagen  vollständig  gedeckt  sind,  wie 
die  Handflächen  und  Fusssohlen.  Auch  treten  die  Pigmentirungen  am  Bulbus  des  Papua 
vorzugsweise  in  dem  Bereich  der  Lidspalte  (als  horizontaler  Pigmentstreif)  auf,  also  da, 
wo  das  Sonnenlicht  direkt  trifft;  bei  den  Pigmentflecken  der  Schleimhaut  der  Lippen, 
der  Wangen  oder  der  Zunge,  welchen  man  gelegentlich,  wenn  auch  nicht  sehr  häufig, 
begegnet,  liegt  die  Vermuthung  nahe,  dass  hier  vielleicht  Verschwärungen  oder  ent- 
zündliche Prozesse  vorangegangen  waren.  Am  meisten  auffallend  ist  es  nun,  gelegent- 
lich Papuas  mit  pignientfreien,  also  weissen  Narben  anzutreffen.  Ich  sah  solche  weisse 
Narben  einige  Male  am  Unterschenkel;  sie  waren  meist  über  thalergross  und  tief 
eingezogen  und  bessen  darauf  scldiessen,  dass  hier  tiefgreifende  l'lceratiouen  bestanden 
hatten.  Es  liegt  also  die  Thatsache  vor,  dass  sich  bei  dem  Papua  auf  oberflächlichen 
Narben  das  Pigment  wieder  herstellt,  bei  tiefgreifenden  Wunden  dagegen  die  Fähig- 
keit der  Reproduction  des  Pigments  verloren  geht.  Daraus  aber  ist,  wie  ich  glaube, 
ein  weiterer  Beweis  für  die  Anschauung  erbracht,  dass  das  Pigment  nicht  ein  Ab- 
kömmling des  Blutes,  beiw.  des  Blutfarbstoflfes  ist,  —  denu  es  müsste  sich  dann  doch 
überall  da  auf  der  Körperoberfläche  bilden  können,  wo  eine  Blutcirkulation  stattfindet, 
also  auch  auf  Narben  ~,  sondern  «lass  dasselbe  ein  Produkt  der  Malpighischen  Schicht 
ist;  geht  diese,  nie  bei  tiefen  Wunden,  verloren,  so  vermag  sich  das  Pigment  hier  nicht 
mehr  zu  erneuern.  Bei  Individuen,  welche,  wie  Assap,  schufjpenhäutig  sind,  müsste  man 
hingegen  annehmen,  dass  durch  die  dauenide  Anwesenheit  des  die  Hautkrankheit  ei^ 
zeugenden  Pilzes  das  Rete  Malpi^^hii  so  sehr  in  seiner  Ernährung  beeinträchtigt  wurde, 
dass  es  die  Fähigkeit,  Pigment  zu  produciren,  überhaupt  eingebüsst  hat. 


Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papuas.  175 

natürlicher  Lidstellung  braun  erscheinen.  Lidspaltenlänge  und  Intraorbital- 
distanz  gestalten  sich,  wie  bei  den  Jabim-Leuten;  für  beide  Verhältnisse 
ist  35  m^n  die  ungefähre  mittlere  Zahl.  Die  Ohrläppchen  sind  durch- 
bohrt, oft  aufgeweitet,  auch  gespalten. 

Ueber  die  Kopfform  vermag  man  wegen  der  Ungeheuerlichkeit  der 
Frisur  nicht  leicht  ein  ürtheil  zu  gewinnen.  Die  Messungen  ergaben 
überwiegende  Mesocephalie  (11  Individuen)  gegenüber  3  Brachycephalen 
und  1  Dolichocephalen.  Der  gemittelte  Index  ist  77,7.  Hinsichtlich  der 
Ohrhöhe  des  Kopfes  finden  sich  unter  den  15  Individuen  10  Hypsi- 
cephalen,  dagegen  nur  1  Chamaecephaler,  Garaua  (Nr.  45)  mit  dem  sehr 
geringen  Index  von  58,8;  4  sind  Orthocephalen.  Der  gemittelte  Auricular- 
index  ist  65,9. 

Dieser  geringen  Kopfhöhe  entspricht  eine  ebenfalls  nur  geringe  Höhen- 
entwickelung  der  Stirn;  dagegen  zeigen  die  Breitenmaasse  der  Stirn  relativ 
hohe  Werthe,  100 — 104  ^nm,  erheben  sich  sogar  bis  111mm.  Die  Orbital- 
bögen sind  nur  bei  wenigen  in  auffallender  Weise  entwickelt;  in  dieser 
Hinsicht  stehen  die  Poum- Leute  den  Kai-  und  Jabim-Leuten  ent- 
schieden nach. 

Das  Gesicht  erscheint  im  Ganzen  klein.  Die  Gesichtshöhe  B  er- 
reicht gewöhnlich  nur  die  Zahl  von  110  mm;  als  höchster  Werth  ist  ein- 
mal 120  mm  notirt.  Die  Jochbeinabstände  sind  ziemlich  beträchtliche,  so 
dass  bei  sämmtlichen  Individuen  ein  chamaeprosopes  Verhältniss  resultirt. 
Der  gemittelte  Gesichtsindex  ist  82,5.  Bei  zweien,  Nr.  46  und  50,  findet 
sich  doppelseitige  Parotidenschwellung,  welche  das  Gesicht  noch  breiter 
erscheinen  lässt.  Das  Kinn  ist  bei  den  meisten  schmal  und  niedrig;  eine 
dreieckige  Form  des  Gesichts  deshalb  vorherrschend. 

Die  Nase  hat  die  breite  Beschafi^enheit  der  Papua-Nase;  doch  ist  die- 
selbe weniger  gross,  als  plump  zu  nennen.  Nasensepta  durchbohrt,  zum 
Theil  auch  herabhängend;  Flügelabstand  sehr  weit,  übertrifft  das  Nasen- 
breitenmaass  gewöhnlich  um  10  mm]  Nasenspitze  abgestumpft.  Gemitteiter 
Nasenindex  63,5.  Die  Frauen  bilden  hinsichtlich  der  Form  der  Nase  theil- 
weise  rühmliche  Ausnahmen.  Mmbag  (Nr.  51)  steht  mit  ihrem  Index  von 
48,1  geradezu  unerreicht  da.  Auch  die  Frauen  Nr.  52,  53  und  54  haben 
verhältnissmässig  schmale  Nasen  mit  Indices  von  53,8 — 58,8.  Nichts- 
destoweniger sind  auch  die  Nasensepta  dieser  Frauen  durchbohrt,  was 
in  einer  breiten  Flügeldistanz  zum  Ausdruck  kommt.  Bei  Mmbäg  beträgt 
die  Nasenbreite  26  Twm,  der  Flügelabstand  36  wm;  das  Nasenseptum  hängt 
bei  ihr  so  weit  herab,  dass  die  Entfernung,  von  der  Nasenwurzel  zum'  herab- 
hängenden Theil  des  Septum  gemessen,  das  gewöhnliche  Nasenhöhenmaass 
(bis  zum  Septumansatz  an  der  Oberlippe)  um  5  mm  übertrifft  (59  mm 
gegen  54  mm). 

Die  Mundgegend  der  Poum-Leute  ist  ziemlich  auffallend  entwickelt. 

Der  Mund  misst  gewöhnlich  über  50  wm,  was  für  die  Kleinheit  der  Figur 

13» 


176  0.  SOHELLONQ: 

immerhin  ein  erhebliches  Maass  bedeutet.  Unter  den  Frauen  hat  Nr.  53 
den  grössten  Mmid  (59  mm)^  Nr.  55  einen  sehr  kleinen  Mund  (47  mni). 
Die  Lippen  sind  weder  wulstig,  noch  besonders  voll  angelegt;  nichts  desto- 
weniger  steht  der  Mund  im  Ganzen  nach  vom,  so  dass  der  Prognathismus 
also  reiner  Kieferprognathismus  ist. 

Der  physiognomische  Ausdruck  der  Poum-Bewohner  ist  ein  für 
unsere  BegriflTe  nicht  angenehmer;  es  geht  diesen  Menschen  anscheinend 
jede  Spur  von  geistiger  Regsamkeit  ab;  sie  sehen  schläfrig  und  matt  aus 
und  haben  sich  nicht  mit  Unrecht  Schlafmützen  aufgesetzt. 

In  Bezug  auf  die  Körperbildung  ist  noch  das  Folgende  hervor- 
zuheben: 

Die  Nabelhöhe  übertrifft  die  Körpermitte  um  125  bis  175  »nw;  nur 
bei  Mangaia  (Nr.  55)  liegt  der  Nabel  viel  tiefer,  nur  63  mm  oberhalb  der 
Körpermitte. 

Die  notirten  Beinlängen  betragen  789 — 818  w»w;  dieselben  übertreffen 
die  halbe  Körperhöhe  nur  um  ein  Geringes,  15 — 43  mm^  sind  also  im  All- 
gemeinen geringe  zu  nennen.  Der  Oberschenkelumfang  der  Frauen  ist 
ein  recht  beträchtlicher,  425  mm  und  mehr;  Nr.  52  $  hat  sogar  ein  Urafang- 
maass  von  498  mm.  Auch  der  Wadenumfang,  mit  einem  gewöhnlich  über 
300  mm  betragenden  Maass,  kann  als  ein  guter  gelten. 

Die  Füsse  sind  relativ  gross;  das  Fussmaass  geht  in  der  Körperhöhe  1 

6,2  bis  6,5  X  auf;  nur  der  vergleichsweise  kleine  Fuss  von  Nr.  43  5  geht 
gerade  7  mal  in  der  Körperhöhe  auf.  Die  absolute  Fusslänge  ist  eine 
geringe,  überschreitet  bei  den  Frauen  nicht  die  Zahl  246;  die  Männer 
haben  noch  kleinere  Längenmaasse  von  225 — 240  mm.  Unter  den  Breiten- 
maassen  sind  zwei  erhebliche,  bei  den  Nrn.  41  und  42,  sie  betragen 
je  95  mm\  die  übrigen  haben  geringe  Fussbreiten,  geringer  als  90  mm; 
Mangaia  ^  (Nr.  55)  hat  sogar  einen  schmalen  Fuss  von  78  mm  Breite. 
Die  Breitenindicos  schwanken  zwischen  34  und  39,  sind  also  im  Vergleich 
mit  denjenigen  der  Kai-  imd  Jabim- Leute  geringe.  Die  Zehen  sind  kurz 
und  dick  (siehe  Fusszeichnung  Taf.  V.  Fig.  8). 

Die  Hände  sind  im  Allgemeinen  von  entsprechender  Grösse  und 
etwas  breit;  der  grösste  Breitenindex  beträgt  44  (bei  Nr.  54$).  MmbägS 
(Nr.  51)  hat  recht  magere  Finger;  auch  zeigt  sich  an  dieser  Hand  der 
Ringfinger  von  auffallender  Kürze.  Ein  gleiches  Verhältniss  findet  bei 
Nr.  52  2  nicht  statt  (s.  Handzeichnungen  Taf.  HI.  Fig.  3  und  4). 

Ich  bemerke  endlich,  dass  unter  7  darauf  untersuchten  Poum-Leuten 
nur  einer  einen  palpablen  Milztumor  hatte,  was  für  die  klimatische  Güte 
ihrer  Siedelungen  zu  sprechen  scheint. 

Aus  den  Aufnahme-Protokollen  ist  noch  das  Folgende  hervorauhebcn: 

Nr.  41.  Gnärassa  J,  ITjährig,  intelligent,  ängstlich  blickend;  gut  entwickelte 
Körperformen. 

Nr.  42.  Mök^)ng  $,  etwa  22 jährig,  mit  starkem  Knochenbau,  schwacher  Muskulatur; 
rechtes  Auge  mit  altem  totalem  Pannus. 

Nr.  43.   Ssäpöa,  etwa  SOj&hrig.  hager,  mit  hellerer  Hautfarbe  (uliniong). 


Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papnas.  177 

Nr.  Ä.  B5ssS,  etwa  80 jährig,  hat  in  Farbe,  Fignr,  Gesichtsbildung  grosse  Aehnlich- 
keit  mit  den  Torigen. 

Nr.  45.  Gäraua  §,  etwa  85 jährig;  massig  genährter  Mann  mit  dünnen  Waden, 
zierlichem  Knochenbau,  nicht  grossen  Händen  und  Füssen.  Gesicht  Yon  auffallender 
Breite  mit  sehr  starken  Joch -Beinen  und  -Bögen,  zurückliegenden  Schläfen.  Stirn  nur 
massig  hoch,  breit,  geneigt.  Kinn  sehr  kurz.  Augen  liegen  tief;  Bulbus  mit  so  lebhaft 
braunem  Pigmentstreif,  dass  bei  natürlicher  Lidstellung  der  Bulbus  braun  erscheint.  Lid- 
spalten ein  wenig  nach  aussen,  oben  divergirend;  im  üebrigen  weit,  mit  langen,  gleich- 
massigen  Wimpern.  Nasenwurzel  nicht  tief,  Nase  eher  breit  als  gross,  hässlich,  mit 
dicker  Spitze,  kurzem  Septum,  etwas  flach  gedrückten  Nüstern,  grossen,  gut  gewölbten 
Flügeln.  Mund  gross,  vortretend,  verleiht  dem  Gesicht  einen  prognathen  Ausdruck. 
Haar  dick  verfilzt,  Spirallöckchen  von  80  cm  Länge;  von  sehr  typischer  Matratzen-Kon- 
sistenz.   Es  wimmelt  von  Kopfläusen. 

Nr.  46.  Bükärra  ^,  28jährig,  kleiner  (1502  mm)  Mensch  aus  Poum,  mit  stumpfem 
Blick,  dickem  Bauch,  abfallenden  Schultern,  wenig  entwickeltem  Brustkorb  und  Schlüssel- 
beingruben,  im  üebrigen  bei  massig  guter  Ernährung.  Beide  Ohrläppchen  weit  durchbohrt 
(für  4  Finger  zugänglich),  desgleichen  Septum.  Gesicht  breit,  mit  beiderseitig  ge- 
schwollenen Parotiden,  Kinn  kurz,  schmal.  Lippen  stark  vortretend;  proguather  Typus. 
Stirn  niedrig.  Schläfenpartien  voll.  Augenbrauenbögen  nicht  auffallend  markirt.  Augen 
wie  beim  vorigen;  weite  horizontale  Lidspalten. 

Nr.  47.  Mönai  ^,  etwa  38jährig,  mittelgross,  mit  freiem  Bück,  unschön  geformter 
flacher  Brust  und  Schlüsselbeingruben;  erinnert  an  den  slavischen  Typus.  Scharf  markirte 
Orbitalbögen,  horizontaler  Lidspalte.  Mund  breit,  Oberlippe  voll,  beide  Lippen  vorstehend. 
Das  Gesicht  im  Ganzen  hoch  oval  (Index  85,7),  Schläfen  zurücktretend.  Kinn  gegenüber 
den  vorigen  gross,  rund. 

Nr.  48.  Assäp  ^,  etwa  20 jährig;  kleines,  hässliches,  blöde  dreinschauendes  In- 
dividuum, mit  scheckiger,  gänzlich  ungepflegter  Haut;  in  schlechter  Ernährung  (Yambauch); 
mit  flachem,  fast  kindlichem  Brustkorb,  welken,  fleischlosen  Armen;  das  Gesicht  von  auf- 
fallender Kleinheit,  durch  eine  zurücktretende  hellfarbige  Unterlippe  stark  entstellt,  sonst 
rundlich,  mit  kurzem  vorstehendem  Kinn  Stirn  niedrig,  breit,  mit  vollen  Schläfen,  scharf 
markirten  Orbitalbögen.  Die  glotzäugigen  Bulbi  rollen  in  tiefen  Höhlen ;  sind  im  Üebrigen 
auffallend  wenig  pigmentirt.    Die  weiten  Lidspalten  etwas  nach  aussen,  oben  divergirend. 

Nr.  49.  Sslnäbi  $,  etwa  40 jährig,  sieht  eharakteristisch  jüdisch  aus;  hat  runde 
Körperformen,  kurzen  gedrungenen  Knochenbau,  reichliche  Behaarung,  einen  kurz  ge- 
haltenen Bart.  Kinn  vorstehend,  die  volle  Unterlippe  ein  wenig  hängend,  die  hohe  Ober- 
lippe desgleichen,  ein  wenig  vorstehend.  Gesicht  rund,  mit  etwas  zurücktretenden  Wangen, 
dem  entsprechend  markirten  Wangenbeinen.  Nasenrücken  leicht  sattelförmig  eingedrückt; 
Augen  liegen  tief,  sind  massig  weit,  Lider  ein  wenig  nach  aussen  und  oben  geschlitzt. 

Nr,  50.  Ssimeiü,  etwa  28 jährig,  klein,  engbrüstig,  gracil;  breiter  Mund,  stark  vor- 
tretende Lippen,  breites  niedriges,  vorstehendes  Kinn;  breites  Gesicht,  durch  Parotiden- 
Bchwellung  noch  verbreitert;  scharf  markirte  Augenbrauenbögen,  tief  liegende,  kleine 
^Schweinsaugen",  welche  ganz  wenig  nach  unten  und  aussen  divergiren;  tiefe  Nasenwurzel, 
plumpe  Nase,  niedrige  gerade  gestellte  Stirn,  volle  Schläfen. 

Nr.  51—56.  Poum-Frauen.  Nr.  51  und  55  sind  ältere  Frauen  von  etwa  50  und 
80  Jahren  mit  ganz  welken,  hängenden  Brüsten,  Nr.  52  und  58  wohlgeformte,  blühende 
Gestalten,  mit  breiten  Hüften,  kräftigen  Schenkeln,  gerundeten  Schultern  und  vollen, 
straffen,  divergirenden  Brüsten.  Nr.  54  ist  ein  in  der  Entwickelung  begriffenes  17— ISjäh- 
riges  Mädchen,  in  etwas  dürftiger  Ernährung.  Alle  haben  durchbohrte  und  ausgeweitete 
Ohrläppchen,  zum  Theil  mit  „Baningas^  versehen;  auch  gespaltene  Ohrläppchen  finden 
sich  vor.  Geflochtene  Armbänder  um  beide  Oberarme  haben  alle,  einige  auch  Kniebänder 
oberhalb  der  Wade,  oder  auch  Bänder  unterhalb  derselben.  Alle  tragen  das  Haar  kurz,  in 
der  üblichen  Frisur  mit  dem  Rasirstreif;  einzelne  Lockenbündel  sind  mit  Thon  zusammen- 
gebacken. Nr.  54  hat  das  rot  he  Haar  schwarz  geförbt,  man  sieht  das  Roth  nur  noch 
am  Hinterkopf,  an  Augenbrauen  und  Augenwimpern.  Die  Augen  sind  dunkelbraun,  ver- 
schämt. Auf  Brüsten  und  dem  Abdomen,  auch  der  alten  Frauen,  bemerkt  man  nirgends 
Striae (!).  Die  Zähne  aller  sind  mit  blendend  weissem  Schmelz  versehen,  gleichmässig 
gestellt,  nicht  gross,  vollzählig.   Die  Nasen,  trotz  der  Durchbohrung  der  Septa  nicht  gross, 


178  0.  Schellono  : 

gut  gefonnt.  Die  Lippeu  aller  sind  nicht  voll,  der  Mund  nicht  gross  und  nur  ganx 
wenig  oder  kaum  yorstehend.  Aasgesprochener  Prognathismus  kommt  keiner  einzigen 
ZQ.    Es  finden  sich  weder  auffallende  Orbital-,  noch  Jochbögen. 

Nr.  51,  mit  kleinem  Kopf,  Haar  zum  Theil  ergraut. 

Nr.  52,  mit  breitem,  niedrigem  Schädel,  weinerlichem  Gesichtsausdrnck.  Kleines, 
wohlgeformtes  Kinn. 

Nr.  53  sieht  den  vorigen  sehr  ähnlich,  nur  mit  breiterer  Stirn  und  Wangen. 

Nr.  54,  mit  breitem  hohem  Kopf,  desgleichen  breiter  Stirn  und  Gesicht 

Nr.  55,  mit  kleinem,  kurzem,  breitem,  niedrigem  Schädel,  desgleichen  breiter  Stirn, 
niedrigem  Gesicht 

Die  Tami-Leute*). 

Die  Tami-Inseln  sind  auf  älteren  Karten  als  Cretin-Inseln  bezeichnet, 
bezw.  als  Inseln  am  Cap  Cretin.  Diese  Inseln  sind  von  Finsehbafen  mittelst 
Dampfschiff  in  wenigen  Stunden  zu  erreichen.  Es  sind  nicht  mehr  als  4 
kleine,  reich  mit  Cocos- Palmen  bestandene,  höchst  malerisch  gelegene 
Inselchen,  deren  Bewohnerzahl  kaum  150  Köpfe  betragen  dürfte.  Ein 
Ausflug  nach  den  Tami-Inseln  im  Segelboot  oder  im  Eingebomen -Canoe 
gehörte  zu  den  angenehmsten  Abwechselungen,  welche  sich  den  in  Finsch- 
hafen  lebenden  Europäern  darboten*),  und  die  Beziehungen  der  letzteren 
zu  dem  glücklich  lebenden  Insulaner -Völkchen  waren  bei  weitem  die 
intimsten.  Der  äusseren  Erscheinung  nach  ächte  Papuas,  stellen  die  Tami- 
Insulaner  einen  in  mancher  Hinsicht  besonderen  Schlag  dar;  es  sind  voll- 
kräftige, männliche,  ebenmässige  Gestalten  mit  offenem,  klugem  Blick, 
graciös  in  Haltung  und  Bewegung;  sie  machen  den  Eindruck  vornehmer 
Menschen  und  entfalten  eine  gewisse  Opulenz  in  ihrem  Ausputz:  schöne 
Haarpfeile  mit  Kasuar-Federn,  Schildpatt- Ohrringe,  Schildpatt -Armringe, 
breite,  acht  und  mehrere  Male  um  den  Leib  geschnürte  Bastleinen  bilden 
denselben.  Als  tüchtige  Seefahrer  bekannt,  unternehmen  sie  auf  ihren  schön 
geschnitzten  Segelkanoes  weite  Fahrten  und  stehen  mit  den  Küstendörfem 
weit  und  breit  in  lebhaften  Handelsbeziehungen.  Ihre  Handelsspecialität 
sind  Cocosuüsse,  geschnitzte  Cocosnussschalen,  kahnförmig  geschnitzte  Holz- 
schüsseln mit  hübschen  Bemalungen,  grosse  Signal -Muschel -Trompeten, 
Schildpatt-Verzierungen,  kleine  Schnecken -Perlen  u.  s.  w.')  Ihre  Sprache 
weicht  von  der  Jabim- Sprache  in  mancher  Hinsicht  ab,  hat  aber  auch 
viele  Berührungspunkte  mit  derselben.  Andererseits  tritt  eine  entschiedene 
Anlehnung  an  den  Dialect  der  Insel  Rook -Island  (an  der  Südwestküste 
von  Neu-Britannien)  hervor,    wie    aus    folgenden  Worten  ersichtlich  ist*): 

1)  Dazu  8  Mess-Protocolle  (Nr.  56—63)  und  4  Masken  (Nr.  28—31). 

2)  Eine  solche  Tami- Fahrt  hat  der  Artillerie -Hauptmann  M.  Dreger,  welcher  sich 
auch  um  die  geographische  Aufnahme  dieser  Inseln  verdient  gemacht  hat,  in  der  Täg- 
lichen Rundschau  lSh8,  Nr.  14B  ff.,  in  höchst  launiger  und  anmnthiger  Weise  geschildert. 
Es  finden  sich  daselbst  mehrere  ethnographische  Bemerkungen. 

3)  Ueber  die  Herstellung  der  letxteren  siehe  meine  Arbeit  ,,üeber  die  Herstellong 
einiger  Ethnographica  der  Finschhafener  Gegend"  (Internat.  Archiv  für  Ethnographie  1888). 

4)  Siehe  darüber  auch  meine  „Jabim -Sprache  der  Finschhafener  Gegend**  (Wilh.  Fried- 
rirh,  Leipzig  18*)0). 


Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papuas. 


179 


Tami 

Rock -Island 

Jabim 

Zahl  1 

te 

teng 

teng 

«     2 

lu 

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pat  j(N.-Britannien: 
>    hi  wat 

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lim       hei  lim) 

lim 

lemengteng 

r    10 

limandalu  (Neu- 

ssangawull  (Neu- 

lemeru 

Britanuien: 

Irland:  ssangahuU) 

lewalimraa) 

Mond 

ka(i)jo 

kaio 

ajum 

Sonne 

kä(a)t  (Nen- Bri- 

as 

/ 

oa 

tannien:  keake) 

V 

Stern 

bitti 

pütum 

uti 

Mann 

tamo 

tamo 

gnä  (tamo  =  Vater) 

Haar 

dauänelaü 

dabann(e)saQ 

mukilong 

Nabel 

bissön 

pissum 

missu 

Speer 

iss 

Iss 

kim 

essen 

tagämbi 

tägänänin  (g) 

tannin 

schlafen 

/ 

tängissQ 

tagen 

tanibi 

gehen 

täbädjäl 

tälla(t) 

tassilling 

Zur 

anthropologischen     Charakterisiru 

ne     der     Tami-Tjo 

stehen  mir  8  Mess-Protocolle  zu  Gebote,  ausserdem  Aufnahme -Protocollo 
von  3  Individuen  (Katong  S  32jährig,  Logom  S  IGjährig  und  Djeledja  S 
14  jährig)  und  4  Gesichts -Masken. 

Katong,  Modiamo  (Nr.  56)  und  Makili  (Nr.  57)  sind  Brüder,  welche 
durch  ihre  grosse  Aehnlichkeit  unter  einander  auffallen. 

Die  Figuren  der  Tami -Leute  können  als  stark  mittelgrosse  gelten. 
Als  durchschnittliche  Körperhöhe  ergiebt  sich  aus  den  Messungen  1613  ?n?n. 
Der  kleinste  gemessene  Mann  hat  eine  Höhe  von  1563  mm.  Die  Körper- 
bildung ist  eine  im  Ganzen  harmonische,  der  Ernährungszustand  ein  sehr 
guter,  der  Brustumfang  ebenfalls  erheblich  (850  —  920  mm).  Auch  beiden 
Tami -Leuten  übertrifft  die  Klafterweite  die  Körperhöhe  um  ein  Beträcht- 
liches (42  —  ISO  mm)  ^  im  Mittel  um  7b  mm. 

üeber  die  Haut  ist  dem  schon  in  den  früheren  Capiteln  Gesagten 
nichts  Wesentliches  hinzuzufügen,  nur,  dass  die  Tami -Leute,  im  Gegensatz 
zu  den  Bewohnern  des  Festlandes,  eine  lobenswerthe  Sorgfalt  der  Haut- 
pflege zuwenden  und  in  Folge  dessen  von  dem  entstellenden  Hautausschlag 
des  Herpes  tonsurans  fast  gänzlich  verschont  bleiben.  Tättowirungen 
begegnet  man  häufig  im  Gesicht  und  an  den  unteren  Extremitäten.  Die- 
selben stellen  gewöhnlich  Zeichnungen  von  4-  oder  5  eckigen  Figuren  dar. 
Bei  der  Herstellung  der  Tättowirungen  wird  die  Haut  mittelst  Obsidians 
geritzt  und  in  den  noch  blutenden  Riss  frisch  bereitetes  Kolilenpulvre 
(durch  Verkohlen  eines  Palmblattes  gewonnen)  hineingerieben.    Am  Inter- 


180  0.  SCHELIiONa: 

essantesten  ist  die  nnn  folgende  Manipulation:  um  nehmlich  die  Blutung 
mögliehst  rasch  zum  Stillstand  zu  bringen,  wird  ein  dazu  geeignetes,  grosses, 
frisch  abgepflücktes  Blatt  unter  Hersagen  einer  Formel  über  einem  glim- 
menden Kohlenfeuer  erhitzt  und  fest  gegen  die  tättowirte  Hautstelle 
gedruckt.  Der  dadurch  verursachte  Schmerz  ist  ein  ziemlich  beträchtlicher, 
wovon  ich  mich  aus  eigener  Erfahrung  überzeugt  habe*). 

Der  Haarwuchs  der  Tami- Insulaner  ist  ein  sehr  üppiger.  In  der 
Haartracht  weichen  sie  sehr  wesentlich  von  den  Bewohnern  des  Festlandes 
ab.  Sie  kämmen  nehmlich  das  Haar  zu  grossen  Fiji- Perrücken  aus,  und 
verwenden  auf  diese,  sie  sehr  kleidende  Frisur  augenscheinlich  grosse 
Sorgfalt.  Um  dem  Haar  die  aufstehende  Richtung  fortdauernd  zu  geben, 
scheint  es  nothwendig  zu  sein,  dass  sie  es  vor  dem  Kämmen  mit  Wasser 
befeuchten*).  Diese  künstliche  Frisur  ist  also  weiter  nichts^  als  die  durch 
Kämmen  ausgezogene  Spirallocken-Frisur:  es  stellt  sich  das  Haar  nicht 
mehr  als  aus  einzelnen  Spirallocken -Bündeln  bestehend  dar,  sondern  jedes 
einzelne  Haar  bildet  jetzt  für  sich  eine  weite,  lang  gedrehte  Spirale.  Statt 
des  Matratzen -Gefühls  bekommt  man  beim  Betasten  jetzt  mehr  die  Em- 
pfindung, als  wenn  man  ein  locker  aufgeschichtetes  Flachsbündel  betastet"). 

Das  Auge  des  Tami -Insulaners  ist  dunkelbraun,  glänzend,  freimüthig 
blickend  und  verräth  viel  Intelligenz.  Die  Lidspalten -Länge  beträgt 
32 — 37  mm.  Die  Ohren  haben  meist  durchbohrte  und  weit  ausgezogene 
Läppchen*). 


1)  Meine  Sprachkenntniss  reichte  nicht  hin,  um  mir  über  den  Sinn  der  T&ttowirungen 
volle  Aufklärung  zu  verschaffen.  Doch  schien  man  mir,  als  man  mich  tättowirte,  zweierlei 
damit  verheissen  zu  wollen:  die  Freundschaft  des  Tami -Stammes  im  Speciellen  und  die 
Freundschaft  der  Frauen  im  Allgemeinen. 

2)  Ich  sah  einen  Tami -Mann,  gelegentlich  einer  Canoe- Fahrt,  sein  Haar  ordnen, 
wobei  er  die  ganze  Perrücke  über  den  Rand  des  Bootes  hinaus  ins  Wasser  tauchte. 

3)  Zwei  junge  Leute,  Logom  (IGjährig)  und  Djeledja  (14 jährig),  hatten  statt  der 
Spirallocken  glatte  Locken,  welche  sich  aus  einzelnen,  glatten  Haaren  zusammensetzten. 
Ihre  Frisur  erinnerte  an  die  unserer  Modeherren,  welche  sich  das  Haar  in  Locken  brennen 
lassen.    Bei  Djeledja   dürfte   dieses  Yerhältniss   noch  an  der  Maske  28  zu  erkennen  sein. 

4)  Mörlö  (Nr.  58)  bietet  an  seinem  linken  Ohr  einen  Defect  der  Ohrmuschel  dar. 
Von  diesem  Ohr  habe  ich  einen  Gjpsabdruck  genommen  und  das  Folgende  darüber  notirt: 
Das  linke  Ohr  setzt  sich  zusammen  aus  einem  26  mm  hohen,  12  m%n  breiten  Stumpf  und 
dem  durchbohrten  und  zu  67  mm  Länge  ausgezogenen  Läppchen.  Der  kleine  Stumpf, 
welcher  eine  Ohrform  wegen  des  Fehlens  von  Concha,  Heiix,  Antihelix  und  Tragus  über- 
haupt nicht  mehr  erkennen  lässt,  hat  eine  etwa  länglich -viereckige  Gestalt;  an  Stelle  des 
fehlenden  Meat.  audit.  ext.  sieht  man  zwei  kleine,  hirsekomgrosse  Grübchen,  welche  sich 
mit  der  Sonde  nicht  weiter  verfolgen  lassen.  Der  Stumpf  ist  von  normaler,  nirgends  ein<i 
Narbe  zeigender  Haut  überdeckt,  welche  gegen  eine  knorpelige  Unterlage  allerseits  gut 
verschiebbar  ist.  Bei  Annäherung  an  dieses  Stümpfchen  oder  bei  Reizung  der  Stimhaut 
bewegt  sich  dasselbe  lebhaft  in  die  Hohe  (der  Muskel  des  anderen  Ohrs  functionirt  nur 
ganz  andeutungsweise),  ganz  nach  Art  eines  gereizten  Muskels.  Da,  wo  die  Haut  des 
Stümpfchens  nach  hinten  zu  sich  auf  den  Proc.  mast.  fortzusetzen  beginnt,  gewahrt  man 
eine  kleine,  erbsengrosse,  rundlich -spitze  Prominenz,  welche  sich  bei  Bewegungen  des 
Stünipfchens  unter  der  Haut  mitbewegt  und  mit  dem  Knorpel  in  directer  Verbindung  steht. 
Von  vornherein  glaubt  man  an  Verstümmelung;  bei  näherem  Zusehen  überwiegt  der  Ein- 
druck, dass  es  sich  um  einen  angebomen  Defect  handelte. 


Beitr&ge  znr  Anthropologie  der  Papuas.  181 

Der  Kopfform  nach  sind  die  Tami- Leute  Mesocephalen.  Unter  den 
8  Individuen,  welche  ich  gemessen  habe,  befindet  sich  nur  ein  Dolicho- 
cephale  mit  Index  73,1  und  ein  Brachycephale  mit  Index  81,0.  Der 
gemittelte  Index  sämmtlicher  8  Individuen  ist  78,2. 

In  Bezug  auf  die  Ohrhöhe  betrachtet,  finden  sich  1  Chamaecephaler 
(Index  63,6)  und  7  Hypsicephalen  (höchster  Index  70,9).  Im  Ganzen 
resultirt  eine  durchschnittliche  Hypsicephalie  von  67,6. 

Die  Stirn  ist  überall  als  hoch  und  gut  gewölbt  notirt.  Die  Breite 
ist  bei  den  Nm.  57,  58  und  63  nicht  sehr  beträchtlich,  nur  97 — 99  wm;  bei 
zweien  findet  sich  106  mm;  die  grösste  Breite  misst  109  mm.  Die  Stirn  hat 
also  nur  als  eine  massig  breite  zu  gelten.  Die  Augenbrauenbögen  zeigen 
allenthalben  eine  kräftige  Entwickelung. 

Das  Gesicht  ist  wohlgeformt,  hoch,  mit  schmalen  Wangen.  Die 
(Jesichtshöhe  B.  beträgt  im  Durchschnitt  120  mm.  Jochbeine  und  Jochbögen 
sind  kräftig,  aber  nicht  so  mächtig  entwickelt,  wie  bei  der  Küstenbevölke- 
rung. Der  Gesichts -Index  beträgt  89,7,  nähert  sich  also  stark  der  Lepto- 
prosopie.  Es  ist  überhaupt  die  Frage,  ob  die  Annahme  eines  leptoprosopen 
Yerhältnisses  für  die  Tami -Insulaner  nicht  zutreffender  wäre,  da  sich  unter 
den  7  in  Betracht  kommenden  Individuen  bereits  5  Leptoprosope  (höchster 
Index  93,0)  befinden.  Die  Form  der  Nase  ist  gefallig  zu  nennen,  wenn- 
gleich ihr  das  hauptsächliche  Charakteristikum  der  Papua- Nase,  die  erheb- 
liche Breite,  ebenfalls  nicht  fehlt.  Der  gemittelte  Nasen -Index  ist  65,4. 
Als  grösste  Breite  ist  40  mm^  als  geringste  29  mm  notirt.  Das  gefälligere 
Aussehen  der  Nase  ist  theils  in  ihrer  relativen  Höhe  von  54 — 56  mm^ 
theils  in  dem  Umstände  begründet,  dass,  trotz  der  Durchbohrung  der  Septa, 
der  Flügel -Abstand  das  Breitenmaass  gewöhnlich  nicht  um  ein  Erhebliches 
übertrifiFt;  bei  vieren  (Nr.  58  und  60 — 62)  beträgt  dieser  Unterschied  nur 
1 — 2  nwn,  bei  Nr.  63,  welche  die  sehr  geringe  Breite  von  29  mm  aufweist, 
kommen  freilich  wiederum  11  mm  heraus. 

Die  Mundgegend  ist  nicht  besonders  stark  entwickelt.  Der  Pro- 
gnathismus  ist  ein  sehr  massiger,  wenn  überhaupt  vorhanden  (84 — 89°). 
Die  grösste  notirte  Mundlänge  beträgt  59  mm. 

Der  physiognomische  Ausdruck  ist  ein  höchst  sympathischer. 
Die  Leute  bekunden  durchweg  einen  für  ihre  Verhältnisse  auffallenden 
Grad  von  Intelligenz.  Im  Verkehr  mit  Fremden  zeigen  sie  sich  von 
grosser  Gewandheit  und  verstehen  es  vortrefflich,  neue  Handelsbeziehungen 
anzuknüpfen   und   auszunutzen^).     Ihre  Erzeugnisse  bekunden  viel  Fleiss 


1)  In  der  günstlgeii  Jahreszeit  (S.  W.  Monsam)  verging  kaum  eine  Woche,  ohne  dass 
nicht  ein  Paar  ihrer  prächtigen  Segelcanoes  auf  der  Station  Finschhafen  erschienen  wären. 
Da  ich  hei  einer  Gelegenheit  Vorliebe  fax  die  Tridacna- Muschel  gezeigt  hatte,  brachten 
sie  mir  fast  regelmässig  einige  dieser  Prachtexemplare,  deren  jedes  Centnerschwere 
besitxt,  xum  Kauf.  Einmal  zeigte  ich  mich  nicht  geneigt,  einem  jungen  Manne  ein  Beil 
taaschmiasig  zn  überlassen,  auf  welches  er  ein  Auge  geworfen  hatte.  Ich  verlangte  dafür 
einen  oder  mehrere  bestinmite  Gegenstände,  welche  mich  wegen  ihres  ethnographischen 
Wexthes  interessirten.    Mein  IiYennd  versprach  wiederzukonmien  und  mir  das  Gewünschte 


182  0.  SCHBLLONG: 

und  manuelles  Geschick,  auch  einen  hohen  Grad  von  künstlerischem 
Geschmack*).  Von  diesen  Leuten  habe  ich  auch  einzig  und  allein  An- 
deutungen gehört,  welche  sich  auf  ein  Leben  nach  dem  Tode  beziehen*). 
Das  Farben-Unterscheidungs-Vermögen  ist,  wie  bei  den  darauf  unter- 
suchten Melanesien!  überhaupt,  gut  ausgebildet*). 

Hinsichtlich  des  Körperbaues  gebe  ich  noch  die  folgenden  Daten: 
Die  Nabelhöhe  übertrifft  die  Körpermitte  im  Mittel  um  159  mm.  Die 
Beinlängen  betragen  808 — 864  mm\  dieselben  übertreffen  die  halbe 
Körperhöhe  um  26 — 48  mm.  Nur  bei  Magedu  (Nr.  62),  welcher  durch 
eine  gedrungene,  untersetzte  Figur  auffallt,  bleibt  die  Beinlänge  5  mm 
gegen  die  Körpermitte  zurück.  Füsse  und  Hände  sind  etwas  breit,  aber 
im  Ganzen  wohlgeformt.  Der  längste  Fuss  misst  260  mm.  Die  grösste 
Fuss- Breite  hat  Nr.  61  mit  111  mm  aufzuw^eisen,  den  grössten  Fuss -Index 
Nr.  62  mit  44  mm^  den  geringsten  Nr.  63  mit  36  mm.  Die  Füsse  gehen 
5,8  —  6,6  Mal  in  der  Körperhöhe  auf,  sind  also  relativ  gross. 

Im  Uebrigen  verweise  ich  auf  die  Masken-  und  Mess-Protocolle. 

Papaas  von  anderen  melanesischen  Inseln. 

Neu-Lauenburg*)  (Duke  of  York). 

Mein  anthropometrisches  Urtlieil  über  die  Neu-Lauenburger  gründet 
sich  auf  nur  2  Aufnahme-,  bezw.  Mess-Protokolle,  von  welchen  das  eine 
in  dem  Capitel  „Gesichtsmasken"  aufgeführt  werden  wird  (w.  s.!).  Ich 
lasse  deshalb  hier  das  andere  Protokoll  folgen. 

Nr.  64.  Toaut,  etwa  22 jährig,  von  der  Insel  Meoko,  ein  mittelgrosser,  tief  donkel* 
brauner,  starkknochiger,  etwas  eckig  gebauter  Mensch,  mit  stark  eingebogenem  Krem,  langen 
Händen,  breiten,  platten  Füssen,  wenig  entwickelten  Waden.  Farbe:  Brust  B.  28—29 — 30, 
leicht  in's  Graue  spielend;  Nase  28—29,  Rücken  28  -50.  Penis  sehr  dunkel,  tief  graa* 
schwarz,  unbeschnitten.  Kopfhaar  ganz  kiu*z  gehalten,  lässt  an  den  Schläfen  den  spiiiaÜgen 
Tj-pus  erkennen.  Bart  fehlt.  Körperhaar  spärlich.  Eine  dunkelblaugraue,  in  der  Mitte 
der  Stirn  herunterlaufende  Tättowirung  setzt  sich  auf  dem  Nasenrücken  bis  nahe  lur 
Nasenspitze  fort.  Rechtes  Ohrläppchen  durchstochen;  Septum  durchbohrt.  Schädel  vor- 
wiegend lang  und  schnial  (Index  G7,3).  Stirn  massig  hoch,  gerade  gestellt;  Schläfen  an- 
genehm  zurücktretend.    Orbital-  und  Jochbögon  kräftig  markirt,   nicht  eigentlich  massig. 


zu  bringen,  fürchtete  aber  zugleich,  dass  das  Beil  inzwischen  in  andere  Hände  gelangen 
könnte.  Um  dieser  Eventualität  vorzubeugen,  holte  er  einen  Grashalm^)  herbei  und  knüpfte 
denselben  um  das  Beil,  darauf  hindeutend,  dass  er  sich  nunmehr  bereits  als  den  Besitier 
des  Beiles  betrachte.    Ein  Paar  Tage  später  wurde  das  Geschäft  perfekt 

1)  Siehe  hierüber  den  Aufsatz  von  Hm.  Ü reger  in  der  Täglichen  Rundschau  188j<, 
Nr.  148  ff. 

2)  Siehe  darüber  meine  Arbeit  ,Ueber  Familienleben  und  Gebräuche  der  Papuas*' 
(Zeitschr.  für  Ethnol.  1888). 

3)  Da  ich  an  anderer  Stelle  darüber  nicht  berichtet  habe,  möchte  ich  die  FarWn- 
Benennung  in  der  Tami- Sprache  hier  aufführen:  nda  -  weiss;  nabil  =  hellblau,  hell- 
lila,  dunkellila;  mbubob  =  braun,  graublau;  ssll  =  schwarz;  matta-matta  =  grün;  yn**- 
jing  =  moosgrün;   megapik  =  rosa,  ziegelroth;    ssimöck  =  gelb. 

4)  Dazu  1  Messprotokoll  (Nr.  G4  und  65)  und  1  Gesichtsmaske  (Nr.  32). 

5)  Die  Sitte,  sein  Eigenthuinsrecht  durch  Umknoten  des  im  Besitz  befindlicbm 
Gegenstandes  mittelst  eines  Grashalmes  auszudrücken,  besteht  auch  im  FinsrhhaffD--T 
Bezirk. 


Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papuas.  Ig3 

Augen  dunkelbraun,  wie  mit  blaugrauem  Schleier  überzogen ;  lebhafter,  horizontaler  Pigment- 
streif; desgleichen  Pigmentirungen  in  der  Umgebung  der  Iris ;  das  Auge  ist  sonst  glänzend, 
ernst,  mit  offener,  gering  nach  oben  und  aussen  divergirender  Lidspalte,  vollen,  leicht  ge- 
weUten  Augenbrauen.  Der  grosse  vorspringende  Mund  zeigt  volle  dunkelgrauröthlichc 
Lippen;  die  Oberlippe  besonders  voll  und  fleischig,  das  Kinn  breit  gegenüber  schmalen 
Kiefern  Nase  hässlich  dick;  ein  wenig  platt,  mit  tiefer  Wurzel,  breitem,  flach  gewölbtem 
Rücken,  die  Spitze  wenig  vortretend,  mit  den  dicken  Flügeln  wie  aus  einem  Stück  ge- 
schnitten. Die  massig  weiten  Nüstern  quer  oval,  ein  wenig  nach  vorn  geöffnet;  das 
Septum  kurz,  breit,  nach  unten  hängend.  Farbensinn  vortrefflich  entwickelt.  Parben- 
benennuDgen: 

mörüm-morum  schwarz,  dunkelgrün,  braun,  graublau 

kambang  weiss 

gÖmbol(n)  gelb,  Schweinfurter  grün,  moosgrün 

tänga  täng(a)  dunkellila 

märS  hellblau,  helllila 

(k)gä(o)  benhäp  ziegelrot h,  rosa. 

Beide  Männer  haben  die  hauptsächlichsten  Charakteristika  der 
Papuas:  gedrungene,  kräftige  Figuren,  Brustumfang  850  wm,  Oberschenkel- 
umfang 440  mm;  lange  Arme,  deren  Klafterweite  die  Körperhöhe  um  78 
und  107  mm  übertrifft;  breite  plumpe  Füsse,  mit  Indices  von  39.  In  Bezug 
auf  die  Kopfform  ist  der  eine  dolichocephal  (67,3),  der  andere  brachy- 
cephal  (85,0),  dagegen  sind  beide  orthocephal  (63,3),  chamaeprosop 
(84,5)  und  plattnasig  (63,0),  und  haben  starke  Orbitalbögen  und  eine 
starke  Entwickelung  des  Mundes. 

Zur  Charakteristik  der  Neu-Lauenburger  gehört  sonst  noch  ein  un- 
beschnittener  Penis  mit  langem  Praeputium,  Durchbohrungen  der  Nasen- 
scheidewand und  der  Ohrläppchen,  öfters  auch  feine  Durchbohrungen  der 
Ohrmuscheln,  strichförmige  Tättowirungen  auf  Stirn  und  Extremitäten. 

Neu- Pommern*)  (Neu-Britanien). 

Nr.  66.  Tümelle(i)  $,  etwa  35jährig,  aus  Rotawöll  (bei  Port  Weber,  Nordostküste 
der  Gkzellenhalbinsel).  Kleine  untersetzte  Figur  von  gedrungenem  Bau,  mit  breiten  Schultern, 
kurzem  Nacken;  sein  Kopf  hat  ein  lächerlich  pithekoides  Aussehen;  derselbe  erscheint 
hoch,  nach  dem  Scheitel  zu  sich  stark  verschmälemd,  mit  einer  hohen,  stark  gewölbten 
Stirn,  kaum  zurücktretenden  Schläfen,  massigen  Orbital-  und  Jochbogen.  Grosse  Ohren, 
Nase,  Mund;  breites  niedriges  Kinn;  braunrothe  vortretende  Lippen  ^besonders  die  Unter- 
lippe); dazu  ein  schlecht  gepflegter,  massig  langer  Bart,  welcher  von  einem  Ohr  zum 
andern  gehend  nur  den  Aussencontour  des  Gesichtes  umrahmt.  Schnurrbart  nur  angedeutet. 
Haut  und  Haar  wie  üblich.  Von  Verstümmelungen  werden  bemerkt:  Durchbohrungen 
des  Septnms,  feine  Durchbohrungen  der  Nasenflügel  und  der  Ohimuscheln;  dunkelblau- 
graue  Tättowirungen  im  Gesicht,  massenhafte  Stichelnarben  am  Kücken.  Augen  leicht 
Terschwommen,  stumpf,  blöde,  mit  massig  weiter,  horizontal  gestellter  Lidspalte,  dunkel- 
braan,  ohne  lebhaften  Pigmentstreif,  mit  langen  Wimpern,  haarigen  Augenbrauen.  Nase: 
tiefe  Wurzel,  breiter  Rücken,  plumpe  Spitze,  herabhängendes  Septum;  Nüstern  nach  vorn 
geöffnet  Hinterhauptsleisten  stark  entwickelt.  Hände,  Füsse  sehr  gross  und  breit;  erste 
Zehe  überwiegt  Farbensinn  gut  entwickelt;  bei  der  Benennung  der  Farben  zögert  T. 
jedoch  wiederholt  und  bleibt  dabei,  dass  er  für  einige  Farben  keine  Bezeichnungen  kenne 
(„mi  no  call  bim"),  z.  B.  für  braun,  helllila,  graublau.  Ohne  zu  zögern  bezeichnet 
er  schwarz  b^Um^rüm,  weiss  kä(e)mbäng,  roth  und  rosa  rrä(e)s,  grün  und  gelb  gbmbol; 
hellblau  ble(t}. 

Nr.  67.    Siehe  Capitel  Gesichtsmasken! 

1)  Hierzu  2  Messprotocolle  (Nr.  66  und  67),  1  Gesichtsmaske  (Nr.  33)  und  1  Fuss- 
omiba  (Tal  V.  Nr.  9). 


184  0.  SOHELLONG: 

Diese  beiden  Männer  zeigen  vollkommen  den  melanesischen  Typus, 
doch  unterscheiden  sie  sich  von  der  Mehrzahl  der  von  mir  gemessenen 
Individuen  durch  dolichocephale  Indices  (71,3),  während  ihnen  Hypsi- 
cephalie  (67,5),  Chamaeprosopie  (82,4)  und  Hyperplatyrrhinie  (63,5)  eigen- 
thümlich  sind. 

Bei  Nr.  66  übertrifft  die  Klafterweite  das  Körpermaass  nur  um  129  mm 
(siehe  auch  die  Fusszeichnung  Fig.  9). 

Neu-Meklenburg*)  (SW.). 

Die  Bewohner  der  Südwestküste  von  Neu-Meklenburg  (Neu-Irland) 
unterscheiden  sich  in  mancher  Hinsicht  von  denjenigen  der  Nordküste 
der  Insel  (Nusa- Distrikt),  so  hinsichtlich  der  Sprache;  weitere  Unter- 
schiede treten  im  Bau  der  Häuser,  der  Kanoes,  hinsichtlich  der  Waffen, 
Schmuckgegenstände  u.  s.  w.  hervor.  Das  Mädchen  dieser  Gegend  (Nr  68) 
hat  eine  brachycephale  Kopfform  (Index  80,1).  Auch  zeigt  sie  entgegen 
den  sonst  üblichen  Verhältnissen  eine  schmale  Nase  (Index  50),  mit  welcher 
sie  den  Mesorrhinen  beizuzählen  ist.  Das  Gesicht  ist  ganz  auffallend  niedrig 
(Index  nur  75,0).  Von  den  Körpermaassen  ist  zu  erwähnen:  das  lieber- 
wiegen  der  Klafterweite  gegenüber  der  Körperhöhe  um  nur  17  mm;  Hände 
und  Füsse  (in  Gyps  geformt,  der  Maskensammlung  beigegeben)  sind  zwar 
etwas  gross  und  breit  zu  nennen  (Fusslänge  6,1  X  in  Körperhöhe),  nichts- 
destoweniger können  sie  aber  als  ganz  wohlgeformt  gelten.  Fussindex  39,9 
(s.  Fusszeichnung  Taf.  V.  Fig.  10,  Handzeichnung  Taf.  HI.  Fig.  5). 

Neu-Meklenburg«)  (NO.). 

Die  Nordostküste  von  Neu-Meklenburg  (Nusa-Distrikt)  ist  zahlreicher 
bevölkert,  als  die  Westküste  dieser  Insel.  Die  Papuas  wohnen  hier  in 
zwar  nicht  grossen,  doch  verhältnissmässig  gut  aussehenden  Dörfern  und 
verrathen  auch  in  der  Construction  ihrer  Fahrzeuge  eine  gewisse  Wohl- 
habenheit. Es  sind  im  Allgemeinen  sympathische,  proportionirte,  kräftige 
Gestalten.  Ihre  Haarfrisur  unterscheidet  sie  in  sehr  bestimmter  W^eise 
von  den  Papuas  benachbarter  Gebiete;  die  Frisur  zeigt  nehmlich  meist 
eine  hohe,  vom  Hinterkopf  nach  der  Stirn  zu  verlaufende  Leiste,  welche 
mit  dem  bayerischen  „Raupenhelm**  am  ehesten  zu  vergleichen  ist  Diese 
Leiste  tritt  nun  in  zahlreichen  Variationen  auf  und  wirkt  imi  so  eflTect- 
voller,  als  das  Haar  zu  beiden  Seiten  derselben  gewöhnlich  noch  in  eine 
feste,  harte  Kalkkruste  eingebettet  ist*).  Von  den  4  gemessenen  Indivi- 
duen sind  2  (Nr.  69  ?  und  71  $)  in  dem  Kapitel  Gesichtsmasken  aufgeführt. 
Ich  lasse  hier  noch  das  Aufnahmeprotocoll  des  Wellagamus  (Nr.  72)  folgen: 


1)  Dazu  1  Mcssprotokoll  (Nr.  68)  und  Gesichtsmaske  (Nr.  34)  w.  8.1 

2)  Dazu  4  Messprotokolle  (Nr.  69—72)   und  2  Gesichtsmasken  (Nr.  85  $  und  36  J ). 

3)  Siehe  über  diese  Haartrachten  und  über  ethnographische  EigenthümhVhkeit^n 
dieser  Gegend  N&heres  in  meinem  Aufsätze  ,l)er  Bismarck- Archipel**  u.  ^  w.  : Beilage 
xur  Allgem.  Ztg.  1S89,  Nr.  147). 


Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papuas.  185 

Etwa  22 jährig;  eine  der  sympathischsten  melanesischen  Gestalten,  welchen  ich  begegnet 
bin,  mit  sehr  intelligentem  Qesichtsausdruck  und  bescheidenem,  zutraulichem  Blick.  Figur 
mittelgross  (1620  wiwi),  wohl  proportionirt,  gerundet  Füsse  etwas  breit.  Stirn  gerade 
gestellt,  breit  Schädel  breit  und  anscheinend  hoch,  besonders  das  Hinterhaupt.  Kopf- 
index 79,6,  Auricularindex  67,2.  Augen  fast  schwarz,  mit  dem  üblichen  Pigmentstreif. 
Stellung  der  Lidspalten  genau  horizontal.  Wimpern  und  Augenbrauen  reich  entwickelt. 
Angenbrauenbögen  stark  markirt,  ohne  massig  zu  sein.  Nase  mit  flacher  Wurzel,  geradem, 
langem  Rücken,  wohl  markii'ter  Spitze,  stehendem,  undurchbohrtem  Septum,  breiten 
Flügeln.  Index  63,3.  Mund  etwas  breit,  Lippen  meist  voll.  Zähne  blendend  weiss. 
Profillinie  orthognath.    Ohren  klein;  linkes  Läppchen  durchbohrt. 

Auch  bei  den  Individuen  der  Nordost -Küste  von  Neu-Meklenburg 
übertrifft  die  Klafterweite  die  Körperhöhe  um  ein  Beträchtliches  (bis 
147  mm).  Hinsichtlich  der  Kopfform  begegnen  wir  einem  Brachycephalen 
(80,9),  einem  Dolichocephalen  (70,9)  und  2  Mesocephalen.  Der  gemittelte 
Kopfindex  ist  77,2,  also  mesocephal.  Der  Ohrhöhenindex  ist  bei  Allen 
hypsicephal  (66,3),  der  Gesichtsindex  chamaeprosop  (79,8).  Der  Nasen- 
bildung nach  ergeben  sich  einzelne  Verschiedenheiten:  Zangen  $  und 
Wellagamus  $  weisen  geringe  Breiteniudices  von  53,5  auf;  bei  dem  letz- 
teren erklärt  sich  dieses  Verhältniss  wohl  durch  das  erhaltene,  undurch- 
bohrte  Septum.  Zangon's  Septum  ist  zwar  durchbohrt,  aber  wenig  hängend; 
überhaupt  ist  die  Nase  der  letzteren  von  geringen  Dimensionen  (Höhe 
45  mm).  Der  gemittelte  Nasenindex  sämmtliclier  beträgt  60,0.  Die  Füsse 
sind  relativ  gross,  gehen  6,1  —  6,5  Mal  in  der  Körperhöhe  auf.  Die  Fuss- 
breite  ist  eine  massige.  Grösstor  Index  39,0.  (S.  Fusszeichnung  Taf.  V. 
Fig.  11  und  Handzeichnung  Taf.  HI.  Fig.  6.) 

Neue  Hebriden*). 

Veranlassung  zur  Bekanntschaft  mit  Eingebornen  der  Neuen  Hebriden 
gab  die  Schiffsbesatzung  des  Kutters  ^Lölje"  der  Handels-  und  Plantagen- 
Gesellschaft,  gelegentlich  ihrer  Anwesenheit  in  Finschhafen. 

Allgemeine  Charakteristik:  Kleine,  starkknochige,  gedrungene, 
sehr  gut  genährte  Individuen  von  hell-  bis  dunkelbrauner  Hautfarbe, 
mit  breiten,  ein  wenig  plumpen  Händen  und  Füssen,  reicher  Behaarung 
(spirallockig,  schwarz),  braunen  Augen,  pigmentirten  Scleren,  sehr  vor- 
springenden Orbitalbögen,  breiter,  hässlicher  Nase  mit  weiten,  offenen 
Nüstern,  voller,  vorstehender  Oberlippe.  Ohrläppchen  durchbohrt,  nicht 
ausgezogen.  Septa  nicht  durchbohrt,  nichtsdestoweniger  beträchtliche 
Nasenbreiten -Indices  (70 — 77).  Unregelmässige  Tättowirungen  auf  Schul- 
tern und  Rücken.  Alle  mit  Ozaena  behaftet.  Alle  haben  ein  mächtiges 
Gebiss  aufzuweisen  mit  gleichmässig  gestellten,  schmutzig- weissen,  un- 
geputzten Zähnen. 

In  Bezug  auf  die  Kopfform  sind  Nr.  74  und  75  Dolichocephalen. 
Bei  Nr.  73  allein  gelangt  ein  mesocephales  Verhältniss  mit  einem  Index  von 
76,5  zum  Ausdruck.    Als  gemittelter  Index  ergiebt  sich  hier  ausnahmsweise 

1)   Dam  SMesa-Protocolle  (Nr.  73— 75). 


186  0.   SCHELLONG: 

Dolichocephalie  (74,3).  Die  Höhe  des  Kopfes  ist  eine  geringe.  Alle 
sind  hypsicephal,  weisen  aber  als  gemittelten  Index  nur  65,9  auf.  Das 
(iesieht  ist  niedrig  (Index  79,6).  Der  Nasenindex  ergiebt  eine  mittlere 
Hyperplatjrrrhinie  von  74,5.  In  dieser  Hinsicht  überragen  diese  Individuen 
sogar  noch  die  verwandten  Stämme  Neu -Guineas.  Nr.  75  hat  den  un- 
geheuerlichen Nasenbreitenindex  von  77,7,  welcher  selbst  von  Papuas  sonst 
nicht  leicht  erreicht  wird. 

Die  Klafterweite  übertrifft  die  Körperhöhe  im  Minimum  um  54  wm, 
im  Maximum  um  146  mm.  Letzteres  ist  bei  Nr.  75  der  Fall.  Der  zu 
dieser  Nummer  gehörige  Brustumfang  beträgt  818  mwi,  ein  nicht  gerade 
ungewöhnliches  Maass.  Es  liegt  also  in  der  That  eine  relative  Länge  der 
Arme  vor.  Hände  und  Püsse  sind  an  sich  nicht  ungewöhnlich  gross; 
nichtsdestoweniger  gehen  die  Fussmaasse  rund  6  Mal  in  die  Körperhöhen- 
maasse  auf.  Die  Fussbreite  ist  eine  massige,  es  berechnen  sich  Indices 
von  35 — 38.  An  den  Füssen  fällt  ein  sehr  weiter  Zehen -Abstand  auf, 
desgleichen  eine  relative  Dünne  der  Phalangen -Gelenke.  (Siehe  übrigens 
Fuss- Zeichnungen  Taf.  V.  Fig.  12,  Taf.  VL  Fig  13  —  14,  und  Hand- 
Zeichnungen  Taf.  111.  Fig.  7  —  9.) 

Der  Farbensinn  ist  bei  sämmtlichen  sehr  gut  entwickelt;  sie  sind 
ohne  Zögern  im  Stande,  selbst  feinere  Nuancen,  wie  liellgrün,  moosgrün,  hell- 
blau, helUila,  auseinanderzuhalten.  Hierzu  steht  in  auffallendem  Gegensatz 
ihre  Farben -Bezeichnung,  bezw.  -Benennung,  welche  bei  den  3  Individuen 
zu  wiederhol  ton  Malen  verschieden  ausfällt,  (ianz  übereinstimmend  werden 
nur  bezeichnet  schwarz  als  hilong,  bezw.  tülong,  w^mss  als  b(i)jächau,  roth, 

rosa  als  mal,  nläl,  n6(e)l,  grün  und  blau  als  gässana,  gässfi,  ge(a)88,  tlgess. 

Kr.  73.  RumaDn  J,  etwa  35 jährig,  aus  Malaküla,  weist  eiucn  ungewöhnlichen  Brust- 
umfang von  909  mm  auf,  desgleichen  einen  beträchtlichen  0})erschenkel- Umfang  von 
500  mm  und  ist  im  Ganzen  von  gedrungener  Figur.  Köri)erhöhe  1536  mm.  Einige 
Narben  an  den  Schultern  imd  am  Rücken.  Striche  von  50  mm  Länge  und  3  mm  Breite, 
welche  das  Niveau  der  Haut  überragen,  rühren  von  Wundon  her,  welche  zu  Heilzwecken 
gesetzt  waren. 

Hautfarbe:  Brast  B.  30 — 45,  ebenso  Arme;  Stirn  und  Rücken  nahezu  30;  Ober- 
schenkel 29  -30;  Handteller  26—23. 

Haar  kurz  gehalten,  spirallocklig;  desgleichen  Bart.  Penis  unbeschnitten,  linksseitige 
Orchitis  chronica. 

Kopf  gross,  rund,  mit  hoher,  voller,  wenig  geschrägter  Stirn.  Orbitalbögen  sehr 
massig,  lassen  die  Nasenwurzel  auffallend  tiefliegend  erscheinen:  Schläfen gegend  angenehm 
zurücktretend.  Gesicht  breit.  Augen  mit  massig  weiter,  gering  nach  aussen  und  unten 
j,'eneigter  Lidspalte;  ein  dunkel  pigmentirter,  kräftiger,  horizontaler  Pigmentstreif  um  den 
Bulbus.  Nase  auffallend  breit;  Index  75,4.  Die  hohe,  volle,  fleischige  Oberlippe  tritt 
stark  hervor.    Kinn  niedrig     Ohren  gross. 

Nr.  74.  Mäns8u(ni)nälet,  etwa  35 jähriger  Mann,  mittelgross  (1609  t/iw),  weniger 
plump,  als  der  vorige.  Penis  beschnitten  Lidsj>alt€n  annähernd  horizontal,  ganz  wenig 
nach  oben  divergirend.  Physiognomie  von  jüdischem  Zuschnitt.  Die  einzelnen  Verhält- 
nisse sonst  ähnlich,  wie  beim  vorigen.  Auch  dieser  hat  eine  breite,  volle  Oberlippe,  welche 
über  die  Unterlippe  hervorsteht.    Ausgeprägte  Nasolabial- Falten. 

Nr.  76.  Nörack,  etwa  28jährig;  sauer  blickender  Mann,  beschnitten,  klein  mittel- 
j^oss  (1566  mm),  mit  pustulösem  Eczein,  Contraction  der  2.  und  3.  Zehe.  (Siehe  im 
Tebrigen  das  Mess-Protocoll.) 


Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papuas.  187 

Salomons-Inseln*). 

Die  von  mir  untersuchten  Salomons- Insulaner  gehören  den  ver- 
schiedensten Inseln  dieser  Gruppe  an;  7  von  ihnen  bezeichneten  die  Insel 
Vella  Lavella  als  ihre  Heimath,  einer  (Nr.  83)  Green  Island,  einer  (Nr.  84) 
St.  Christophel,  einer  (Nr.  85)  Guadalcanar;  5  (Nr.  86—90)  waren  auf 
Malayta  zu  Hause. 

Da  man  nach  der  Analogie  der  Eingobornen- Bevölkerung  von  Neu- 
Guinea  vermuthen  darf,  dass  auch  auf  den  Salomons -Inseln  mehrere 
differente  Volksstämme  existiren,  diese  Annahme  ausserdem  eine  weitere 
Stütze  in  den  sprachlichen  Aufzeichnungen  findet,  welche  ich  hinsichtlich 
des  Farben -XJnterscheidmigs -Vermögens  der  Salomons -Insulaner  gemacht 
habe,  so  mögen  auch  die  Salomons-Iusulaner,  wie  oben  die  Papuas  von  Neu- 
Ciuinea,   nach  ihrer  Herkunft  gesondert,    in  Folgendem  betrachtet  werden. 

a)  Vella  Lavella*). 

Allgemeine  Charakteristik.  Es  sind  wohlgebildete,  runde,  eben- 
massige  Figuren  von  dunkel-graubrauner,  fast  schwarzer  (wie  Quecksilber- 
salbe) oder  auch  rein  brauner  Hautfarbe,  mit  Spirallöckchon- Haar.  Einige 
klein  und  fast  zierlich  gebaut;  andere,  wie  Nr.  79,  mit  einer  Körperhöhe 
von  1710  mm^  gross  und  stattlich,  jedenfalls  alle  vorwiegend  proportionirt 
und,  im  Gegensatz  zu  den  meisten  anderen  Papuas,  von  höchst  angenehmer 
Gesichtsbildung,  einschliesslich  einer  meist  wohlgeformten  Nase.  Der 
Mund  ist  weder  breit,  noch  vorstehend.  Die  Lippen  sind  niclit  wulstig. 
Die  Nasensepta  sind  nur  bei  einigen  durchbohrt;  dagegen  weisen  sämmt- 
licho  durchbohrte  Ohrläppchen  auf.  Die  Augen  zeigen  den  charakte- 
ristischen Pigmentstreif  am  Bulbus,  der  Oeffnung  der  Lidspalte  entsprechend, 
in  horizontaler  Anordnung.  Auch  die  dunkelbraune  Iris  ist  öfters  von  einem 
schmalen  Pigmentring  umlagert.  Die  Pigmentirungen  der  Salomons  sind 
überhaupt  sehr  reiclie.  Die  Schambinde  erinnert  an  diejenige  der  Papuas 
der  Finschhafener  Gegend  (Name  dafür:  wagäschüma).  Penis  nicht  be- 
schnitten. 

Hinsichtlich  der  Kopfform  finden  sich  1  Brachycephaler  (82,7), 
3  Dolichocephalen,  3  Mesocephalen.  Der  gemittelte  Index  ist  77,0.  Die 
Auricularhöhe  variirt  stark:  bei  Nr.  78  beträgt  der  Index  nur  59,7;  von 
den  übrigen  sind  2  ortho-,  4  hypsicephal  (gemittelter  Index  65,6).  Die 
Nase  ist  bei  einigen  von  massiger  Breite*,  Nr.  76  gewährt  den  für  Papua- 
Nasen  sehr  geringen  Index  von  51,0.  Nr.  79  hat  einen  Nasenindex  von 
54,5:  er  besitzt  trotzdem  ein  durchbohrtes  Septum,  was  bei  Nr.  76  nicht 
der  Fall  ist.     Als  durchschnittlicher  Nasenindex  ergiebt  sich  60,4. 

Auch  bei  den  Salomons -Insulaneni  übertrifft  die  Klafterweite  die 
Körperhöhe    um    ein    Beträchtliches,    bei    Nr.  81    sogar    um    180  mm^    bei 

1)  Dazu  15  Mess-Protocolle  (Nr.  76-90)  und  1  Gesichts -Maske  (Nr.  37). 

2)  Daxu    7  Me8ö-l*rotocolle  (Nr.  76--S2)  und  1  Gesichts -Maske  (Nr.  :n). 


188  0.  SOHELLONO: 

Nr.  79  um  IM  mm;  beide  haben  freilich  recht  grosse  Brustmaasse  von 
903  mm  und  912  mm.  Aber  auch  bei  Nr.  82  mit  einem  Brustmaasse  von 
882  mm  ergiebt  sich  eine  Differenz  von  108  mm.  Bei  den  übrigen  über- 
trifft das  Klafterraaass  die  Körperhöhe  um  60 — 10  mm. 

Hände  und  Füsse  sind  im  Allgemeinen  wohlgestaltet,  nicht  breit 
Selbst  der  grosse  Tetecke  (Nr.  79)  hat  einen  Fussbreitenindex  von  nur  36. 
Die  übrigen  haben  Indices  von  34  und  35.  (Siehe  Fuss- Zeichnungen 
Taf.  VI.  Fig.  15  und  16,  Hand -Zeichnungen  Taf.  IV.  Fig.  10  uöd  11.) 
Tetecke's  Fuss  geht  6,6  Mal  in  der  Körperhöhe  auf. 

Das  Farben-Unterscheidungs-Vermögen    ist   gut  ausgebildet,    die 

Farben -Benennung   dagegen    dürftig,    indem  alle  immer  nur  4  Worte  zur 

Bezeichnung   der  13  vorgelegten  Farben  benutzten:    schwarz  =  ssimbiem, 

ff  '  ' 

weiss  =  täpoem  oder  tapetäpem,  roth  =  (hin)  diriem  oder  (hin)  dere(a)m, 

gelb  =  wängöäm  oder  wänge  wängöam. 

Aus    den   Aufnahme -ProtocoUen    der   einzelnen   Individuen    ist   noch 

hervorzuheben : 

Nr.  76.  Sslöwäck  ^,  ISjährig,  klein  (1511  mm),  mit  aasnehmend  klngem  Gesichts- 
ansdmck;  ein  kleiner  (49  mm),  wenig  vortretender  Mund,  eine  wohlgeformte  Nase  mit 
scharfgeschnittener  Spitze,  nndnrchbohrtem  Septum;  ein  wohlgerundetes,  zierliches,  im 
Ganzen  kleines  Gesicht.    Beide  Ohrläppchen  sind  durchbohrt. 

Nr.  77.  Tape  $,  18j&hrig;  dessen  ausführliches  ProtocoU  unter  dem  Capitel  „Gesichts- 
Masken^  w.  S. 

Nr.  78.  0(a)n6  $,  etwa  32 jährig,  entschieden  braun,  strafTlockig;  sehr  niedriger 
Sch&del  mit  Index  von  59,7.  Das  Gesicht  von  im  Ganzen  derben  Zügen  wird  yerunglimpft 
durch  eine  breite  Nase  mit  grossen,  wie  gerollten  Flügeln  und  weiten,  nach  vorne 
geöffneten  Nüstern.  Lidspalten  gering  nach  oben  und  aussen  divergirend.  Markirte  Joch- 
bögen bei  schmalen  Wangen. 

Nr.  79.  TetScke  S,  etwa35j&hrig;  hohe,  imposante  Gestalt  (1710  mm),  wohlgen&hrt, 
das  Braune  der  Haut  mit  Stich  ins  Grauschwarze.  Beide  Ohren  und  Nasen -Septum  durch- 
bohrt, die  Stirn  auffallend  hoch  gewölbt,  Nase  gross,  aber  nicht  unschön,  Gresicht  erscheint 
hoch  (Index  80,6)  mit  langem,  spitz  zulaufendem  Kinn. 

Nr.  80.  Momau  $,  etwa  40 jährig;  etwas  eckige  Figur  mit  graubrauner,  an  manchen 
Stellen  rein  schwarzgrauer  Hautfarbe,  am  Bauch  nahezu  B.  49,  Brust  zwischen  29  und  GO, 
Nase  48,  Rücken  zwischen  29  und  30.  Das  Haar  durch  Kalk  entfftrbt.  Beide  Ohrläppchen 
durchbohrt  IJdspalten  gering  nach  aussen  und  oben  divergirend.  Nase  gut  geformt  mit 
geradem  Rücken,  ausgebildeter  Spitze,  breitem,  undurchbohrtem  Septum  (Index  56,6). 
Gesicht  niedrig,  breit;  Stirn  hoch  gewölbt. 

Nr.  81.  E(i)ri  $,  etwa  35 jährig,  plump  und  ungelenk,  mit  kurzem,  dickem  Haie, 
voller  Stirn,  gut  geformter  Nase;  gering  vortretende,  aber  volle  Lippen,  beide  Ohriftppchen 
durchbohrt. 

Nr.  82.  Tni  $,  etwa  32  jährig,  mit  dunkel -graubrauner,  sammetartigor  Hantfarbe; 
etwas  kurznackig;  durchbohrtes  Nasen -Septum:  Gesicht  durch  Parotis  •  Geschwülste  ver- 
breitert. 

b)    Green   Island*). 

Nr.  83.  (D)rahäm  $,  etwa  43 jährig,  dunkelbraungrauer,  reich  behaarter  Mann  mit 
etwas  eckigen  Schultern,  langen  Armen,  deren  Klafterweite  die  Körperhöhe  um  169  mm 
übertrifft,  plumpen,  sehr  breiten  Händen  und  Füssen*)  (Fussbreitenindex  38).  Die  dfinn^n 
Waden  (805  mm)  stehen  in  gar  keinem  Yerhfiltniss  zur  Körpergrösse  (1676  mm).   An  b«idca 


1)  Dazu  1  Mess-ProtocoU  (Nr.  83). 

2)  Siehe  Fusszeichnnng  Taf.  TL  Fig.  17  und  Hindzeichnung  TaL  lY.  flg.  IS. 


Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papuas.  189 

Annen  treten  volle  Venennetze  hervor.  Auf  Arm,  Brust,  Schulter  und  Rücken  befinden 
sich  rundliche  (wie  Blattemnarben  aussehende)  und  längliche,  nicht  prominirende  Tätto- 
wirungen,  welche  auf  dem  Rücken  in  weitem  Halbbogen  von  einer  Schulter  zur  anderen 
über  die  unteren  Partien  der  Schulterblätter  hin  weglaufen.  Gesichtsausdruck  gutmüthig 
und  intelligent,  heiter.    Beide  Ohrläppchen  und  Nasenseptum  weit  durchbohrt. 

Farbe:  Brust  B.  49  bis  28/29,  Schlüsselbein  -  Gegend  28—29,  Stirn  wie  Brust,  Nase 
heller  29—80,  Rücken  sehr  dunkel  49—28,  Handteller  etwas  heller  als  33. 

Haar  tief  dunkelschwarz;  Bart  desgleichen,  kurz  gehalten.  Spirallocken  -  Typus  nicht 
deutlich  erkennbar. 

Auge  nicht  gross,  mit  massig  weiter  Lidspalte,  dunkelbraun,  glänzend.  Am  Bulbus 
reiche  Pigmentirungen.    Augenbrauen  und  Wimpern  lang,  dicht,  nicht  gekräuselt. 

Beide  Augenlidachsen  fallen  in  eine  gerade  Linie,  welche  ein  wenig  von  rechts  oben 
nach  Hnks  unten  verläuft.  Bei  genauerem  Zusehen  bemerkt  man  überhaupt  eine  geringe 
Asymmetrie  beider  Gesichtshälften,  so  dass  der  linke  Supraorbitalbogen  nach  unten  gesenkt, 
die  linke  Schläfe  weiter  zurücktretend,  desgleichen  die  linke  Wange  weniger  hervortretend, 
der  linke  Mundwinkel  dagegen  leicht  angehoben  erscheint.  Die  Gesichtsmuskulatur  funktio- 
nirt  correspondirend;  die  Zunge  wird  gerade  herausgestreckt.  Kopf  sonst  der  Grösse  ent- 
sprechend. Der  Schädel,  von  vorn  gesehen,  erscheint  schmal  und  hoch  (Längenbreitenindex 
79,4,  Auricularindex  68,8),  die  Stirn  hoch  und  flach  gewölbt.  Von  hinten  gesehen,  macht 
der  Kopf  einen  asymmetrischen  Eindruck,  indem  die  ganze  rechte  Kopfhälfte  (Hinterhaupt, 
Hinter- Ohrgegend,  hintere  und  obere  Partien  der  Seitenwandbeine)  stark  prominirt,  die 
entsprechenden  linken  Partien  des  Kopfes  dagegen  stark  zurücktreten.  Dieses  Yerhältniss 
lässt  sich  bis  zum  Scheitel  hinauf  verfolgen  und  ist  auch  messbar:  die  Entfernung  von 
der  Mitte  des  linken  Supraorbitalbogens  nach  dem  am  meisten  seitlich  vorspringenden 
Punkt  des  rechten  Hinterhauptes  beträgt  180  mm,  gegenüber  171  mm  von  rechts  vom  nach 
links  hinten  gemssen.  Die  Lineae  semicirculares  sind  beiderseits  massig  entwickelt;  ein 
Trauma  als  Ursache  dieser  Deformität  ist  nicht  bekannt,  es  dürfte  sich  also  wohl  um  ein 
nngleichmässiges  Wachsthum  handeln.    Gesichtsindex  87,1. 

Die  Nase  ist  das  Non  plus  ultra  von  Ungeheuerlichkeit.  Der  gerade,  nach  unten 
sich  stark  verbreiternde  Nasenrücken  biegt  etwas  nach  rechts  herüber.  Die  Nasenspitze 
dick  und  kolbig;  die  Nüstern  von  erstaunlicher  Weite;  die  hohen  Flügel  wenig  scharf 
abgesetzt;  das  Septum  trotz  der  Durchbohrung  nicht  wesentlich  eingesunken.  Index  66,6. 
Mund  klein,  mit  wenig  vollen  Lippen.    Gebiss  vollständig. 

c)   St.   Christophe^). 

Nr.  84.  Hei(e)ke  $,  etwa  30 jährig,  ist  IVj  Jahr  in  Sydney  gewesen,  spricht  gut 
englisch,  weiss  auf  der  Seekarte  Bescheid,  ist  von  lebhaftem  Temperament,  etwas  auf- 
geregt, erzählt  auf  Befragen,  dass  die  Leute  seiner  Heimathsinsel  Mäkfle  (=  St.  Christophe!) 
mit  denen  von  Gurkeneine  (=  Guadalcanar)  im  Verkehr  ständen  (,,segelten^),  nichtsdesto- 
weniger aber  beide  verschiedene  Sprachen  redeten.  Er  vergleicht  ihr  Yerhältniss  zu 
einander  treffend  mit  ,,£ngland  and  Germany^.  Es  wären  dieses  ja  auch,  führt  er  aus, 
Leute  einer  und  derselben  Rasse,  aber  mit  verschiedener  Sprache;  dennoch  ständen  sie 
im  Verkehr.  H.  bestätigt  auch,  dass  auf  Odöwelle  (=  Vella  Lavella)  eine  besondere 
Sprache  gesprochen  werde,  wohin  seine  Leute  jedoch  nicht  segelten. 

Es  ist  geradezu  erstaunlich,  mit  welcher  Gewandheit  H.  Farben  unterscheidet  und  mit 
welcher  Sicherheit  er  dieselben  benennt.  Er  kennt  auch  für  die  meisten  Nuancen  besondere 
Bezeichnungen.  Nur  für  moosgrün  und  dunkellila  sind  ihm  die  Ausdrücke  seiner  Heimaths- 
sprache entfallen  (^I  forgot  him'').  Er  benennt  folgendermaassen:  schwarz  dödö,  weiss 
mamahui,  dunkelgrün  hihiböra,  Schweinfurter  grün  börObÖrä,  braun  mfila  (siehe  das  Wort 
Melanesier),  hellblau  b&rä(e),  helllila  desgl.,  ziegelroth  (w)Qwöre(ä),  rosa  l&la,  graublau 
döhn,  gelb  UUäm«(r)lä. 

Grosser  (1715  mm),  gut  genährter,  ebenmässig  gebauter  Mann  mit  fleischigen  Waden 
(3B4  mm),  kräftiger  Brust- Muskulatur,  gerundeten  Schultern,  von  mehr  hellbrauner,  glatter 

1)  Dazu  1  Mess-Protocoll  (Nr.  84),  1  Umriss  der  Hand  (Taf.  IV.  Fig.  13)  und  des 
FoMea  (Tat  VL  Flg.  18). 

Z«U«ctanft  mr  Bttanologie.    Jahrg.  U91.  14 


190  0.  Schellono: 

Hautfarbe.  Brnst  B.  29,  Rucken  28—29.  Schwarzes  Haar  im  Spirallocken-Typas.  Bart 
schwarz  mit  ansrasirtem  Kinn.  Dunkelbraunes,  glänzendes,  lebhaftes  Ange  mit  massigem 
Pigmentstreif.  Nase  etwas  plump,  kurz,  breit  mit  m&ssig  tiefer  Wurzel,  kurzem,  nicht 
durchbohrtem  Septum,  dicken,  abgesetzten  Fl&geln.  Index  84,1.  Mond  nicht  gross,  yor- 
stehend.  Unterlippe  aufgeworfen.  Kinn  rund,  breit.  Stirn  hoch,  schön  gewölbt  Orbital- 
bögen  voll  entwickelt  Jochbögen  nicht  auffallend  markirt.  Zähne  gleichmässig  gestellt 
Ohrläppchen  fein  durchbohrt  Penis  nichtbeschnitten.  (Die  Beschneidung  sei  nicht 
üblich.)    Kopfindex  74,8,  Auricularindex  68,8,  Gesichtsindex  84,5. 

(1)   Guadalcanar*). 

Nr.  85.  Terungai  $,  etwa  30 jährig,  verkehrt  bereits  seit  8  Jahren  („jams'O  mit 
Europäern  (in  Matupit),  versteht  möglichst  gut  Pigeon,  macht  im  üebrigen  auch  nicht  im 
Entferntesten  den  angenehmen  Eindruck  des  vorigen.  Farbensinn:  Die  vorgelegten 
Farben  werden  mit  einigem  Zögern  unterschieden  und  wie  folgt  benannt:  bÖ(a)ränni^ 
=  schwarz,   dunkelgrün,    dunkellila,   graublau;     si(e)rena  s   weiss;     mälätsiz   =   braun; 

*  9  0 

märaünä  =  Schweinfurter  grün,  moosgrün,  gelb;  S(a)kd  =  hellblau,  helllila;  (t)zizinä 
=  ziegelroth,  rosa. 

T.  ist  ein  grosser  (lf>50  mm),  wohlgenährter,  starkknochiger,  etwas  ungelenker  Mann 
mit  X- Beinen  und  breiten,  platten  Füssen.  Beide  Ohrläppchen  durchbohrt,  desgleichen 
das  Nasen -Septum.  Keine  Tättowirungen.  Dunkelbraune  Hautfarbe,  Brust  B.  29—90, 
Bücken  28 — 80.  Kopf  rund,  breit;  desgleichen  Stirn.  Supraorbitalb^gen  scharf  markirt, 
mit  reichen,  straffen  Augenbrauen  bedeckt  (Haupthaar  spiralgelockt);  Oesicht  breit;  Nase 
dick  mit  massig  tiefer  Wurzel,  geradem,  breitem  Rücken,  dicker  Spitze,  wenig  scharf 
geschnittenen  Flügeln,  ein  wenig  nach  vom  geöffneten,  quer- ovalen  Nüstern.  Lippen 
stehen  beide  vor,  sind  leicht  gewulstet.  Kinn  klein,  rundlich.  Augen  matt  blickend,  mit 
reichen  Wimpern.    Horizontale  Lidspalte.    Lebhafter  Pigmentstreif. 

e)  Malayta*). 

Fünf  jugendliche  Eingebome,  von  welchen  der  eine  (Nr.  86,  Toena) 
gut  Pigeon  versteht.  Letzterer  unterscheidet  die  ihm  vorgelegten  Farben 
ohne  Zaudern;  nur  die  Unterscheidung  zwischen  Schweinfurter  grün  und 
moosgrün  macht  Anfangs  Schwierigkeiten,  ngöa:  schwarz  (auch  bllli), 
graublau,  hellblau,  dunkellila;  mlokölkollo:  rosa;  miollu:  ziegelroth;  quaQo: 
weiss;  ssäkssäkoä:  gelb;  märäkkö:  Schweinfurter  grün;  maraufift:  moos- 
grün; miirm^rkoa:  dunkelgrün;  melä:  braun;  (m)bulln:  helllila. 

Alle  sind  mittelgross  oder  klein,  mit  unschönen,  eckigen  Figuren^  in 
dürftiger  Ernährung  (Yambäuche),  bald  mehr  hell-,  bald  dunkelbraun. 
Sie  haben  reiches  Spirallockenhaar  und  volles  Schamhaar.  Körperhaar 
spärlich.  Bartwuchs  fehlt  vollständig.  Gesichts-  und  Schädelbildung  von 
im  Ganzen  graciler  Anlage;  es  fehlt  darin  alles  Massige,  und  in  dieser 
Hinsicht  stehen  diese  Personen  im  Gegensatz  z.  B.  zu  den  3  Individuen 
der  Neuen  Hebriden.  Nichtsdestoweniger  sind  auch  die  Gesichtszüge  der 
Malayta-Leute  unschön;  besonders  entstellend  wirkt  die  Nase.  Die  Augen 
sind  braun  und  meist  mit  einem  lebhaftem  Pigmentstreif  versehen.  Alle 
haben  durchbohrte  Ohrläppchen,  die  Mehrzahl  auch  durchbohrte  Nasen- 
septa.  Die  Nüstern  sind  weit,  nach  vom  geöffnet  und  quer  oder  schräg 
gestellt. 

1)  Dam  1  Mess-Protocoll  (Nr.  86). 

2)  Dara  5Mes8-Protocolle  (Nr.  80— 90),  ö  Fnss- Zeichnungen  (Tat  VL  Fig.  19— 25} 
und  5  Hand -Zeichnungen  (Taf.  IT.  Fig.  14  —  18). 


Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papuas.  191 

Hinsichtlich  der  Kopfform  tritt  ein  dolichocephales  Verhältniss  in 
den  Vordergrund;  nur  Nr.  88  ist  mesocephal.  Der  gemittelte  Index  ist  73,0. 
Das  Kopf  höhen -Verhältniss  ist  ein  hypsicephales  (66,0).  Das  Gesicht 
niedrig  (Index  83,3);  die  Nase  sehr  platt  (65,0)  und  unschön.  Die  Klafter- 
weite übertrifft  die  Körperhöhe  bei  Nr.  87  um  127  mm,  bei  den  übrigen 
um  67 — 82  mm.  Die  Füsse  zeigen  nur  bei  Nr.  86  und  90  hohe  Breiten- 
indices  von  38  und  39;  die  der  übrigen  haben  geringe  Breitenwerthe, 
Indices  Ton  34  und  35.  Die  grosse  Zehe  ist  die  am  meisten  entwickelte. 
Die  Fusslängen  gehen  6,2 — 6,5  mal  in  den  Körperhöhenmaassen  auf.  In 
Bezug  auf  die  Handbreiten  tritt  bei  allen  ein  ziemlich  übereinstimmendes 
Verhältniss  zu  Tage.    Die  Indices  betragen  41 — 43. 

Tättowirungen  fehlen  vollständig*). 

Aus  den  einzelnen  ProtocoUen  ist  das  Folgende  hervorzuheben: 

Nr.  86.  To6na  ;^,  etwa  22 jährig,  ungelenke  Figur,  plattfüssig,  X-Beinstellung,  un- 
entwickelte Schultern,  lange  Arme,  kurzer  Hals;  massig  vorstehende,  volle  Lippen  geben 
dem  Profil  einen  m&ssigen  Grad  von  Prognathismus;  nicht  durchbohrtes  Nasen -Septum, 
Nasen -Index  trotzdem  64,8. 

Nr  87.  Langadmei  $,  27 jährig,  hat  ziemlich  helle  Hautfarbe:  am  Rucken  6  30, 
am  Oberschenkel  nahezu  15;  ebenfalls  eine  ziemlich  dürftige  Erscheinung;  das  Gesicht 
ziemlich  ausdruckslos;  der  hässliche  Mund  wird  weit  offen  gehalten;  Gesicht  rundlich, 
Stirn  gerade  mit  gut  markirten  SupraorbitalbOgen;  hässliche,  kurze  Nase  mit  durch- 
bohrtem Septum  und  tiefer,  flacher,  breiter  Wurzel. 

Nr.  88.  Ambui  $,  19 jährig,  wenig  entwickelt,  wie  die  vorigen;  Gesicht  annähernd 
nind;  Mund  nicht  gross,  wenig  vorstehend;  Nase  kurz,  breit,  stumpf,  flach. 

Nr.  89.  Tuhnmbaru  $,  25 jährig,  im  Ganzen  ebenmässig  gebaut,  doch  ebenfalls  in 
schlechter  Ernährung;  breite  Stirn,  desgleichen  relative  Breite  der  Jochbögen,  gegenüber 
einem  kleinen,  schmi^en  Kinn:  das  ergiebt  eine  ausgesprochene  Dreiecksform  des  im 
Ganzen  feingeschnittenen  Gesichts.  Lippen  wenig  vortretend;  Nasen -Septum  und  Ohr- 
läppchen durchbohrt 

Nr.  90.  Aua8chi(a)  ^,  18 jährig,  kleiner,  plumper,  pausbackiger  Junge  mit  kugel- 
rundem Kopf  auf  kurzem  Nacken;  Septum  und  beide  Ohrläppchen  durchbohrt;  Augen 
weit  nach  oben  und  aussen  divergirend,  lebhaft  pigmentirt,  klug,  glänzend,  gutmüthig;  das 
kleine,  dicke  Naschen  ist  nicht  übel  geformt 

Hess-Protocoll. 

A.  Vorbemerkung. 

Ein  Jeder,  welcher  sich  mit  Messungen  am  Lebenden  beschäftigt  hat, 
wird  wohl  bei  gewissenhafter  Prüfung  seiner  Messresultate  die  Ueber- 
Zeugung  gewonnen  haben,  dass  der  Methode  nicht  unerhebliche  Fehler 
anhaften.  Die  aus  einer  Anzahl  von  Messungen  abgeleiteten  Schlüsse 
werden  jedenfalls  nur  einen  bedingten  Werth  haben  und  dieser  wird  im 
Allgemeinen  der  Zahl  der  Einzelmessungen  proportional  zu  setzen  sein, 
da  ja  das  Durchschnittsresultat  aus  vielen  Messungen  zuverlässiger  sein 
wird,  als  dasjenige,  welches  aus  wenigen  Messungen  gewonnen  wird.    Ueber 


1)  Aus  der  Sprache  sind  noch  die  folgenden  Worte  notirt:  Morgen  =  üss^ndeng, 
Mittag  =  i^5ä,  Abend  =  88Ö-lfi(p)  (siehe  das  Malayische  ssörS),  rechts  =  ölöUo,  links 
=  maüli,  Wind  =  kir(u)kfrö,  Sturm  =  köbürru,  Wie  heisst  das?  =  tachininia?  Stein 
=  chöömbülL  14* 


192  0.  SCHELIiOMG: 

die  Zuverlässigkeit  seiner  Messresultate  kann  schliesslich  ein  Jeder  an- 
nähernde Gewissheit  erlangen,  wenn  er  sich  aus  wiederholten  Messungen 
bei  einem  und  demselben  Individuum  seinen  Messfehler  berechnet  Ich  habe 
solches  in  Bezug  auf  meine  Messungen  gethan  und  die  mittleren  Fehler 
jedesmal  in  der  Tabelle  in  Klammern  beigefügt.  Halten  sich  somit  die 
Messfehler,  welcher  jeder  Einzelne  für  sich  verzeichnet,  im  Allgemeinen 
in  controlirbaren  Grenzen,  so  gestaltet  sich  diese  ganze  Sache  viel  schwie- 
riger in  dem  Augenblicke,  wo  die  Messresultate  Zweier  oder  Mehrerer 
zusammengestellt  werden  sollen.  Denn  hier  handelt  es  sich  öfters  um 
eine  verschiedene  Handhabung  der  Messungsmethode.  Ich  halte  es  des- 
halb für  geboten,  dass  ein  Jeder,  welcher  sein  anthropometrisches  Material 
bekannt  giebt,  zu  gleicher  Zeit  auch  eine  ganz  genaue  Beschreibung  seiner 
Messungsmethode  angiebt. 

Ich    habe  in  Bezug  auf  die  Entnahme  einzelner  Maasse  das  Folgende 
hervorzuheben: 

I.  Haasse  am  Kopf. 

1.  Die  Obrhöhe  oder  die  Distanz  zwischen  Ohrloch  und  dem  darüber  senkrecht 
stehenden  Punkte  des  Scheitels,  senkrecht  znr  „deutschen  Horizontalen^,  bietet  in  Bezug 
auf  den  oberen  Messpunkt  keine  Schwierigkeiten.  Den  unteren  Messpunkf  habe  ich  in 
der  Weise  gewählt,  dass  ich  den  einen,  auf  etwa  1  Vs  cm  yerkürzten  Arm  des  Schiebezirkels 
in  das  Ohrloch  steckte  und  mit  seiner  Kante  scharf  gegen  die  Mitte  der  oberen  Circum- 
ferenz  des  Gehörganges  andrückte. 

2.  Die  Mittel-Gesichtshöhe  habe  ich  mit  dem  Tasterzirkel  gemessen,  dessen  eine 
Spitze  auf  die  Nasenwurzel  (entsprechend  der  Sutura  naso- frontalis),  dessen  andere  Spitze 
zwischen  die  mittleren  oberen  Schneidezähne,  an  der  Grenze  des  Zahnfleisches  (die  Mitte 
des  Alveolarrandes),  angelegt  wurde. 

3.  Die  Entnahme  der  malaren  Gesichtsbreite  am  Lebenden  kam  mir  stets 
besonders  schwierig  yor.  Es  wollte  mir  scheinen,  als  ob  die  Durchtastung  der  inneren 
Wangenbeinwinkel,  also  derjenigen  Stelle,  wo  jugaler  Oberkieferfortsatz  und  Jochbein 
an  einander  stossen,  von  aussen  her  sehr  wenig  zuverlässig  sei.  Auch  war  diese  Art  zu 
messen  den  meisten  Individuen  augenscheinlich  unbequem  und  schmerzhaft. 

4.  Die  Distanz  der  äusseren  Augenwinkel  bestimmte  ich  durch  sanftes  Anlegen 
der  Spitze  des  Tasterzirkels  an  diejenigen  Punkte,  wo  die  Augenwinkellinien  am  knöchernen 
Rande  der  Orbita  zusammenliefen.  Ich  habe  dabei  Druck  gegen  den  knöchernen  Rand 
selbst  vermieden. 

5.  Bei  der  Bestimmung  der  Nasenlänge  habe  ich  als  unteren  Punkt  die  Nasenspitze 
an  ihrer  grössten  Prominenz  gewählt.  Dieser  Punkt  war  an  Papua -Nasen  nicht  immer 
ganz  leicht  zu  bestimmen,  da  derselbe  oftmals  in  das  herabhängende  (durchbohrte) 
Septum  fiel. 

6.  Bei  den  Maassen  der  Nasenbreite  bezieht  sich  das  geringere  Maass  auf  den 
Abstand  der  Ansatzstellen  der  Nasenflügel  an  der  Oberlippe,  das  grössere  (in  Klammem 
gesetzte)  Maass  auf  den  weitesten  Abstand  der  Nasenflügel. 

7.  Bei  der  Bestimmung  der  Entfernung  Nasenwurzel-Ohr  wählte  ich  als  Ohr- 
punkt die  Mitte  der  Linie  vor  dem  Ohr,  welche  sich  schon  bei  äusserlicher  Betrachtung 
als  die  vordere  Begrenzung  des  Tragus  darstellt 

U.  Maasse  am  Rumpf  und  den  Extremitäten. 

8.  Die  Klafterweite  habe  ich  bei  ausgestreckten  Armen  von  Spitze  zu  Spitze  des 
3.  Fingers  entnommen.  Die  Arme  waren  dabei  horizontal  erhoben  und  in  die  Transversal- 
ebene des  Rumpfes  gestellt;  die  Handflächen  sahen  nach  vom. 


Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papaas.  193 

9.  Die  Länge  der  Hand  habe  ich  folgendermaassen  gemessen:  Die  Hand  liegt  aus- 
gestreckt auf  der  Unterlage;  die  Spitze  des  Tasterzirkels  berührt  die  äusserste  Kuppe  des 
3.  Fingers,  die  andere  Spitze  wird  in  die  Yerlängemng  dieses  Fingers  nach  hinten  und 
zwar  da  eingesetzt,  wo  sie  das  Handgelenk  (Verbindungslinie  der  beiden  Proc.  styloid.) 
trifft. 

10.  Die  Handbreite  habe  ich  in  Fauststellung  (wie  Handschuhmacher)  gemessen, 
da  ich  fand,  dass  die  lüttelhand  bei  dieser  Haltung  fester  gestellt  wurde,  als  bei  aus- 
gestreckter Hand,  und  die  Grössenverhältnisse  dieselben  bleiben:  der  Schiebezirkel  spannt 
die  Breiten -Entfernung  über  die  Knöchel  hinweg  ein  (mit  Ausschluss  des  Daumens). 
Badialwärts  kommt  dabei  die  äussere  Fläche  des  MetAcarpo-Phalange^tl- Gelenkes  des 
Zeigefingers  in  Betracht,  ulnarwärts  besonders  der  Vorsprung  der  Basis  der  Phalanx  I  des 
kleinen  Fingers. 

Bei  dem  in  Klammem  vermerkten  Breitenmaass  ist  dieser  zweite  Messpunkt  un- 
verändert geblieben;  dagegen  wurde  der  auf  der  Unterlage  aufliegende  Daumen  jetzt 
adducirt  und  gestreckt  und  die  Breite  über  die  Knöchel  hin  mit  Einschluss  des  Daumens 
genommen. 

11.  Die  Länge  des  Fusses  maass  ich  mit  dem  Tasterzirkel  von  dem  nach  hinten 
am  weitesten  vorspringenden  Punkte  der  Ferse  bis  zum  äussersten  Punkte  der  Spitze  der 
grossen  Zehe.    Die  Zirkelspitzen  wurden  leicht  angedrückt. 

12.  Die  Breite  des  Fusses  maass  ich  über  die  Metatarso-Phalangeal- Gelenke  mit 
dem  Schiebezirkel  und  (in  Klammern  vermerkt)  von  dem  lateralen  Zehenknöchel -Yorsprung 
senkrecht  zur  Längsachse  des  Fusses,  wobei  der  mediale  Messpunkt  gewöhnlich  unmittelbar 
hinter  dem  Ballen  der  grossen  Zehe  zu  liegen  kam. 

Ich  möchte  hier  noch  die  folgende  Bemerkung  hinzufügen: 
Nach  meinem  Dafürhalten  würde  der  Beisende  der  anthropologischen 
Wissenschaft  einen  ungleich  grösseren  Dienst  erweisen  können,  wenn  er 
statt  der  sehr  zeitraubenden  systematischen  Aufnahme  ausführlicher  Einzel- 
messungen und  ebensolcher  Mess-Protocolle  seine  Aufmerksamkeit  auf 
nur  einige  wenige  anthropologisch  besonders  wichtige  Punkte  richten, 
diese  jedoch  durch  möglichst  viele  Einzelmessungen  klarzustellen  versuchen 
würde.  Ich  würde  also  vorschlagen,  die  Hauptmaasse  des  Kopfes,  besonders 
die  Längen-  und  Breitenmaasse  von  Schädel  und  Gesicht,  das  Auricular- 
Höhenmaass  u.  s.  w.  in  möglichst  grosser  Ausführlichkeit  zu  entnehmen, 
dagegen  die  Maasse  des  Rumpfes  und  der  Extremitäten  auf  ein  Minimum 
zu  beschränken.  Man  kann  sich  hier,  wie  ich  glaube,  mit  dem  Brust- 
umfang, der  Elafterweite,  der  Körperhöhe,  dem  umfang  des  Oberschenkels 
und  vielleicht  noch  ein  Paar  Maassen  mehr  begnügen.  Ich  bin  auch  über- 
zeugt, dass  ein  so  umfangreiches  Zahlenmaterial,  wie  es  z.  B.  in  meinen 
Tabellen  enthalten  ist,  zu  einem  grossen  Theil  ganz  unbenutzt  bleibt, 
und  bei  der  Bearbeitung  meines  Materials  habe  ich  den  Gedanken  nicht 
unterdrücken  können,  dass  ich  zu  einem  mehr  befriedigenden  Endresultat 
gelangt  wäre,  wenn  ich  die  von  mir  auf  Messungen  verwandte  Zeit  auf 
ein  Paar  bestimmte  Maasse  concentrirt,  dafür  aber  statt  90  etwa  250 
Individuen  oder  noch  mehr  durchgemessen  hätte.  Die  Beschäftigung  mit 
Körpermessungen  ist  in  den  Tropen  besonders  für  denjenigen,  welcher 
dieselbe  nur  nebenbei  betreibt,  eine  ausserordentlich  mühevolle  und  stra- 
paziöse Sache;  es  wäre  eine  dankenswerthe  Aufgabe,  hier  von  berufener 
Seite  auf  eine  Vereinfachung  der  Maasse  hinzuwirken. 


0.  SOBELLOHO: 


B 

Proto 

collirte 

Landschaft,  Insel: 

Jftbim  (Nen-aniQe&) 

Dorfbezirk: 

Baam 

P^^o-'-jcScht,  Älter: 

Ssabism 
5  26J. 

Bnmbomü  Obosse 
^  5  24J.ji  S  28J. 

Gnaiaba 
5  20J. 

Jaoaln 
Ö20J. 

Fortlaufende  Nnmmer: 

1 

8        1        8 

4 

b 

L  Kopftnaasae. 


B.  (±1,5 

Uittelgesichtshöhe  (.*■  1.5} 

Qeaichtsbreit« :  a)  jngal  (*  Iß).    .    . 

b)  malBT  {±3,8)     .    . 

c)  mandibular  (±2,0) 

InterorbitaldiBtant  (±  Ofit) 

Di8tanider&nBBeTenADgenwiDket(±3,9} 
Nase:  HBhe  (=fc  1,1) 

,      Lange  (±1,9) 


„      Breite  ±  1^  (1,1)     .    . 

Hnad:  L&nee 

HBhe  des  Onres 

Entfernung    des   Olirlochea   ' 

Nasenwnnel 

Uoriiontaler  Umfang  .  .  . 
Profilwüikel 


n.  KSrpermaiuse. 


EOipertidhe 

Klafterweite 

HObe:  Kion 

.      Schnlter 

„      Ellenbogen.    ,    .    . 

,      Eandfrelenk     .    .    . 

,      Hittelfinger     .    .    . 

„      Nabel 

,      Crista  osB.  iliom      . 

„      Trochanter .    .    .    . 

,      Capit.  fibnl.     .    .    . 

,      Halleolna  eit«rDDS  . 

Im  Sitten:  Scheitel   .    .    . 

Schnlter  .    .    . 

Hand:  LEnge 

.     Breite 

Poss:  Linge 


1685 

ni5 

!    1597 
.    1675 

1818 

1       - 

m.  Berechnete  Indicea. 


Lingeobreilen  index    .    .    . 

OhrbQfaenindei 

Gesichtsindei  (Kollmann)  . 
Kasenindei 


?»,6 

1G^ 

■n,h 

K3'l 

82,0 

6»J( 

67,8 

los 

SS 

40      1 

118 

111 

64 

62 

68 

10(48) 

87(40) 

67 

60 

120 

112 

m 

WS 

- 

— 

77,1 
71,8 

8S,S 
673 


1)    l>i<>  Zahlen  in  Kiamincm  hedenten  die  OrSsse  dPs  Mi'ssfehlers  in  Millimeter 


Beitr&ge  zur  Anthropologie  der  Papuas. 


195 


Messwerthe. 


Jabim  (Neu- Guinea) 


Ssim- 
bang 

Kamlaua 

Suam 

Ssiu 

Kasse 
S25J. 

Deta- 

tong 

$  15  J. 

1 
Gnaiaba 

6  85J. 

Talabi 

S  8aj. 

Kaisse- 
gong 
$  21J. 

Ssanguan, 
S  58J.I 

Kamelun 
$  18  J. 

Eulabi 
$  45  J. 

Geissi 
S  3öJ. 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

14 

I.  Kopftnaasse. 


184 
183 
140 
128 
110 

110 

64 
138 

81 
116 

35 
116 

46 

42 

40(42) 

65 

106 
540 

77° 


1692 
1785 
1494 
1425 
1114 


1018 

1066 
938 
479 
77 
868 
617 
185 

77(93) 
260 

99(94) 

465 
838 
880 


76,5 
69^ 
79,7 
86^ 


178 
182 
139 
130 
106 
176 
110 

67 
ISO 

77 

95 

36 
106 

52 
46(Sep- 
tnm  5o) 
38(42) 


116 
530 


1568 
1660 


792 


178 
182 
140 
120 
97 

104 
68 

136 
76 

101 
32 
92 
50 
50 

36(35) 
51 
61 


187 
190 
143 
123 
106 

116 

72 
147 

70 
100 

36 

98 

53 

60 

34(43) 
49 


173 
172 
137 
113 
105 

98 
66 
134 
66 
90 
35 
91 
51 
49 

36(36) 
60 
56 

116 
607 


186 
189 
147 
130 
116 
184 
117 

75 
141 

76 
102 

32 
104 

47 

52 

44(46) 
66 

72 

114 
557 

85° 


191 
195 
146 
122 
112 

112 

74 
140 

83 
100 

38 
106 

59 

52 

43  (44) 
62 
56 


85 


170 
179 
142 
123 
99 

118 
72 

130 
72 
92 
81 
96 
58 
58 

37  (42) 
60 


n.  Körpermaasse. 


m.  Berechnete  Indices. 


1690 

1675 

1560 

1618 

1655 

1589 

1635 

1665 

1610 

1716 

1774 

1661 

1336 

1318 

1321 

1378 

1381 

1366 

1037 

986 

1001 

1033 

1052 

1048 

788 

740 

740 

788 

771 

816 

619 

673 

563 

599 

600 

633 

943 

960 

%7 

980 

1021 

965 

820 

812 

818 

828 

883 

867 

440 

448 

453 

466 

492 

472 

69 

60 

67 

64 

57 

60 

... 

^. 

_ 

874 

830 

^mm 

_ 

_ 

^ 

597 

652 

— 

161 

176 

164 

192 

190 



— 

— 

— 

90(105) 

81  (89) 

— 

246 

266 

236 

271 

1.275r.270 

260 

87(82) 

87(86) 

86(87) 

110  (99) 

1.108(100) 
r.  90  (86) 

M^^ 

— 

.^. 

1.373  r.36ö 

464 

11.469  r. 450 

1 

— 

.^ 

1.277  r.l95 

313 

L330 

1 

i      764 

823 

780 

896 

822 

792 

76,3 

76,9 

75,2 

79,6      1 

77,7 

74,8 

79,3      i 

71,4 

66,9 

64,7 

65,7 

68,7 

62,6 

I     68,7 

84,6 

77,0 

78,2 

73,1 

82,9 

80,0 

90,7 

73,0 

70,0 

64,1 

68,6 

93,6 

72,0 

63,8 

189 
189 
139 
127 
105 

112 

68 
145 

83 
100 

36 
104 

52 

55 

44(47) 
57 
58 


1578 
1689 

1331 

1019 

643 

581 

973 

864 

465 

62 


247 

87 


882 


73,6 
67,1 
77,2 

84,6 


196 


0.  SCHELLONG: 


Landschaft,  Insel: 

Jabim  (Neu -Guinea) 

Dorf  bezirk: 

Pojalim 

Ssiu 

1 
Bussum 

1 

^          Gingala 

Personen  {  G^uJ^ht,  Alter: 

Kassarlap 
6  40J. 

Sseigun 
$  85-88J.' 

16 

Dangabi 
i  30J. 

Mojam 
$82J. 

18 

Galiki 
S  82J. 

Fortlaufende  Nummer: 

15 

17 

19 

L  Kopfimiasse. 


Gerade  Länge  {±  1,0) 

Grösste  Länge  (^  2,1) 

Grösste  Breite  (i  1,0) 

Ohrhöhe  {±  2,8) "... 

Stimbreite  (±  2,1) 

Gesichtshöhe  A 

Mittelgesichtshöhe  (:t  1,5) 

Gesichtsbreite:  a)  jugal  (i  1,0)  .    .    . 
„  b)  malar  (±  8,8)     .    . 

„  c)  mandibular  (=t  2,0) 

Interorbitaldistanz  (=b  0,9) 

Distanz  der  äusseren  Augenwinkel  (^  8,9) 
Nase:  Höhe  (±  1,1) 

„      Länge  (i  1,9)  

„      Breite  ±  1,5  (1,1) 

Mund:  Länge 

Höhe  des  Onres 

Entfernung    des   Ohrloches   von   der 

Nasenwurzel 

Horizontaler  Umfang 

Profilwinkel 


189 
187 
147 
ISO 
105 

123 

75 

187 

82 
102 
82 
98 
61 
58 
48(46) 
60 
60 


187 

169 

190 

190      i 

174 

192 

144 

184 

150 

122    ; 

'      112 

126 

'      110 

% 

97 

i       — 

•ü^ 

— 

115 
70 

144 
85 

109 
84 

102 
52 
50 
38(44) 
59 
62 


86 


n.  Körpermaasse. 


Körperhöhe  .    .    . 

Klafterweite .    .    . 

Höhe:  Schulter  . 
„  EUenbofi^en . 
„  Handgelenk 
„  Mittemnger 
„  Nabel  .  . 
,,  Trochanter » 
.     Patella   .    . 


„     Capit  fibul.    .    . 
„     Malleolus  eztemus 


Im  Sitzen:  Scheitel  . 

„        y,       Schulter  . 

Hand:  Länge    .    .    . 

„      Breite    .    .    . 

Fuss:  Länge     .    .    . 

„     Breite.    .    .    . 

umfang:  Oberschenkel 

Wade     .    . 
Brustumfang     .    .    . 


1615 

1724 

1340 

1000 

725 

565 

965 

855 


484 
61 


252 
92 


848 


1627 

1695 

1869 

1041 

808 

631 

985 

860 


475 
65 


169 

80(96) 

248(250) 

104(99) 


858 


m.  Berechnete  Indices. 


Län^enbreitenindex   .    . 
Ohrnöhenindex .... 
Gesichtsindex  (KoUmann) 
Nasenindex 


78,6 
69,5 
89,7 
70,6 


76,7 
64,2 
79,8 
73,0 


111 

69 
141 

75 

97 

80 
105 

55 

55 
34(37) 

50 

58 

112 
514 

88(89)° 


125 
76 

147 
82 

100 
35 

110 
54 
49 
37  (42) 
59 
65 


878 


484 

60 

809 

562 

172 

73(86) 

229 

90 

464 

828 

847 


864 


465 
61 


191 
103(99) 


925 


77,0 
64,3 
78,7 
61,8 


78,1 
66,6 
85,0 
68,6 


I 
1584      ' 

1628 

1745 

1720 

1328 

1873 

998 

1010 

740 

778 

569 

604 

970 

961 

187 
191 
140 
181 
101 

116 
70 

140 
78 

100 
85 

106 
49 
54 
86(48) 


1690 

1800 

1399 

1062 

790 

612 

1018 

875 


601 
70 


180 
75(92) 

2fö 
94(90) 


844 


78,3 
68,6 

82,8 
73,4 


Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papuas. 


197 


Jabim  (Neu- Guinea) 


Ssimbang 

üoro- 
üoro 

Ssimbang 

Bnmtau 
$  21  J. 

23 

Suam 

Ssiu 

1 

1 
Ssimbang  1 

Ssiu 
(Poum) 

Suam 

Lema- 
dei(ng) 
S36J. 

1 
Bor(o)m 

$27J. 

Kokung  < 
$  82  J. 

.    Nagui 
a  19  J. 

Labum 
S  28J 

Japoa 
S  40  J. 

Boagga 
$  45-50J. 

27 

Ssesengo 
5  17  J. 

20 

_     _               t 

21 

22 

24 

25 

26     J 

28 

177 
182 
134 
125 
100 

116 

68 
131 

78 

98 

81 
102 

52 

49 
36*(41) 

55 


1550 
1625 
1265 
965 
711 
557 
922 
800 


485 

60 


168 

78(89) 

242 

87(82) 


783 


73,6 
68,6 
91,6 
67,3 


179 
182 
144 
125 
105 

110 
64 

136 
68 
88 
30 
99 
51 
45 


171 
172 
137 
114 
100 

116 
70 

133 
66 
93 
32 

100 
59 
54 


I  81  (38)  :   30  (39) 
I   53     54 
—      58 


85 


87 


1595 

1675 

1880 

1041 

792 

605 

945 

805 


451 
62 


1586 

16% 

1315 

1000 

739 

570 

940 

809 


450 
58 


171  I  182 

70(86)  ,  77(91) 

250  ;|  261 

90(87)  ,  100(91) 


880 


887 


79,1 

79,6 

68,6 

66,2 

80,8 

87,2 

60,7 

60,8 

I.  Kopftnaasse. 


190 
189 
147 
135 
112 

115 
65 

145 
79 

103 
34 

110 
47 
46 
37(44) 
61 
63 

118 


178 

187 

140 

121 

108 

175 

108 

66 

134 

65 

97 

29 

% 

57 

59 

34(41) 

55 

58 

110 
530 


182 

187 

143 

132 

113 

180 

113 

67 

138 

76 

99 

35 

114 

56 

56 

36  (43) 

62 

55 

119 
540 


182 
182 
136 
135 
101 
194 
119 

65 
143 

75 
103 

29 
112 

57 

59 
36  (46) 

63 


112 
584 


183 
178 
144 
126 
108 
205 
115 

74 
145 

74 
103 

31 
109 

51 

49 
38(43) 

51 

61 

116 
540 


n.  Körpermaasse. 


1694 
1417 

630 


202 
88  (101) 


1590 
1750 
1837 


568 
951 


68 
786 
535 
179 

78(92) 
259 

95(88) 
440 
800 
849 


1675 
1780 
1411 


618 
1019 

in  der 
Mitte  4% 

67 

835 

615 

189 
82  (103) 

278 
104(96) 

475 

846 

918 


1556 

1565 

1720 

1616 

1398 

1285 

643 

612 

958 

918 

__^ 

in  der 

Mitte  430 

69 

59 

872 

840 

615 

570 

182 

169 

80  (102) 
280 

'V 

114  (103) 

93(85) 

487 

400 

348 

278 

910 

820 

m.  Berechnete  Indices. 


77,8 
71,4 
79,8 

78,2 


74,9 
64,7 
80,6 
59,6 


76,5 
70,6 
81,9 
64,2 


74,7 
74,1 
83,2 
63,1 


80,9 
70,8 
79,3 

74,8 


182 

184 

144 

122 

108 

180 

110 

71 

139 

74 

88 

30 

95 

57 

54 

32(38) 

56 

56 

115 
530 


1616 
1745 
1356 


584 
%6 


828 
560 


470 
310 
860 


78,3 
66,3 
79,1 
56,1 


198 


O.  SCHELLOMQ: 


Landschaft,  Insel: 


Dorfbeiirk: 


{Namen  : 
Geschlecht,  Alter: 


Personen 

Fortlaufende  Nummer: 


Jabim  (Nen-Gmiiea) 


Snam  Madang  Snam  Ssin 

Makiri  Lakka  Musseboa  Majom     ^'^H^' 

5  66-60  J.  $Ö8J.  $27J.  Ji5J.      ^^  j 

29              80  81  32  83 


I.  Kopfknaasse. 


Gerade  Länge  (^1,0) 

Grösste  Linge  (±  2,1) 

Grösste  Breite  {±  1,0) 

Ohrhöhe  (=»=  2Ä 

Stimbreite  (^2,1) 

Gesichtshöhe  A 

B.{^ljb) 

Mittelgesichtshöhe  (^1,5) 

Gesichtsbreite:  a)  jugal  (±  1,0).    .    . 

b)  malar  {±  3,S)      .    . 
,  c)  mandibular  {*^  2,0) . 

Interorbitaldistani  ( ir  0,9) 

Distanz  der  äusseren  Augenwinkel  (=t  3,9) 
Nase:  Höhe  ^±  1,1) 

.      Länge  (-1=  1,9) 

„      Breite  *  \fi  U,l) 

Mund:  Länge 

,      Höhe  (Lippen) 

Höhe  des  Ohres 

Entfernung    des   Ohrloches    von   der 

Nasenwursel 

Horixontaler  Umfang 


179 

179 

146 

134 

113 

193 

121 
72 

146 
69 
92 
80 

108 

57 

66 

87(48) 

62 


188 

186 

136 

120 

100 

201 

108 

61 

129 

78 

99 

27 

93 

62 

62 

87(48) 

68 


116 
628 


110 
619 


n.  Kdrpermaasse. 


Körperhöhe 

Klarterweite 

Höhe:  Schulter     .    .    . 

.     Ellenbogen     .    . 

„     Handgelenk    •    . 

,     Mittemnger     .    . 

,,     Nabel     .... 

,     Trochanter.    .    . 

,     Patella  .... 

,      Capit,  fibuL    .    . 

„     Maileolus  extemus 
Im  Sitien:  Scheitel   .    . 
.        .       Schulter  .    . 
Hand:  Länge    .... 

,      Breite     .... 
Foss:  Län^e     .... 

,     Breite     .... 

Umfang:  Oberschenkel  . 

Wade     .    .    . 

Brustumfang     .... 


1675 
1750 
1406 
1025 

640 
998 

486 

60 
846 
670 

187 

76(92) 
262 

95(86) 
470 
860 
886 


1678 

1618 

1267 

988 

684 

872 


766 

607 
170 

68(81) 
2^ 

88(78) 
416 
286 
790 


m.  Berechnete  Indices. 


Längenbreitenindex    .    . 
Ohrhöhenindex.      .    .    . 
Geaichtsindex  (Kollmann^ 
Nasenindex 


81,0 
74,8 
83,4 
66,0 


78,6 

643 

79,8 

71,8 


180 
181 
183 
187 
110 

118 

72 
187 

74 
102 

80 
108 

63 

61 

^^) 

66 

116 

625 


1614 
1746 
1818 


828 
520 


257 

92(86) 
490 
320 
900 


78^ 

7^7 

82,6 
64,1 


188 
186 
148 
136 
116 
196 
117 

80 
147 

76 
110 

84 
108 

68 

66 
87(46) 

66 


117 
548 


1670 
1800 
1888 


278 

106(92) 


79,6 
72,6 
79,6 
64,2 


169 

172 

187 

118 

104 

162 

96 

57 

188 

62 

92 

80 

97 

48 

42 

81(«>) 


107 
610 


1588 
1695 
1266 


79,6 
68g6 
7W 
T24 


BeitrSge  zur  Anäiropologie  der  Papnas. 


199 


Jabim  (Nen-Gninea) 

Kai  (Neu -Guinea) 

Poum  (Neu  -  Guinea) 

Ssin 

Anduh 
Tschigga 

Kamumbang 

Poum 

Gilao 
$  35J. 

'  Matao 
9  25  J. 

Atikio 
$  22J. 

1 

•  Kanaluo 
S  17  J. 

Kopal 
5  42  J. 

Gamtei 
$45J. 

Bikuan 
S  4ÖJ. 

Gnarassa 
S  17  J. 

Mokong 
S22J. 

84 

.      86 

36 

37 

38 

39 

40 

41 

:  42 

168 
178 
181 
125 

99 
166 
110 

72 
126 

62 
86(127) 

82 

92 

67 

68 
80(85) 

47 


111 

498 


1546 
1620 
1290 


76,7 
72,2 
88^0 
62^ 


172 

178 

136 

180 

107 

162 

98 

67 

138 

68 

98 

84 

98 

64 

54 

82  g9) 


172 

180 

136 

188 

106 

164 

108 

61 

134 

67 

102 

86 

98 

46 

46 

86(39) 

50 


110 
643 


110 
617 


1570 
1655 
1296 


682 


260 
112 


1660 
1680 
1288 


774 

600 

179 
74  (91) 

288 
100(90) 

448 

820 


I.  Kopftnaasse. 


174 

177 

181 

115 

99 

164 

104 

62 

118 

60 

88 

29 

92 

48 

46 


28 


go 


64 

106 
486 


n.  Körpermaasse. 


'  1488 
1486 
1019 


687 
887 


698 
488 
166 

68(81) 

228 
87  (81) 

480 

275 

815 


1664 
1620 


438 
300 
887 


1577 

1507 

1676 

1577 

1312 

1248 

582 

647 

938 

880 

805 

802 

560 

620 

173 

170 

80(94) 

82(92) 

1      262 

240 

97(94) 

102(94) 

446 

880 

834 

298 

793 

726 

1506 
1570 
1256 
960 
730 
575 
913 
791 

435 
60 


156 

248 

95  (89) 


745 


m.  Berechnete  Indices. 


189 

172 

180 

188 

190 

178 

182 

182 

137 

144 

186 

137 

181 

122 

125 

117 

106 

106 

102 

100 

198 

192 

181 

119 

108 

110 

110 

72 

76 

67 

69 

139 

142 

133 

134 

64 

75 

76 

62 

98 

101 

94 

84 

83 

80 

85 

31 

110 

106 

102 

100 

55 

57 

51 

50 

51 

56 

61 

47 

46 

34(45) 

82  (43) 

85(88) 

64 

67 

54 
16 
60 

67 

— 

— 

— 

110  (120) 
655 

112(117) 

115  (120) 

_^ 

522 

622 

78,6 

75^ 

74,0 

72,1 

80,9 

74,7 

76,2 

76,1 

73,8 

66,0 

68,9 

68,5 

68,7 

64,2 

71,0 

76,9 

88,1 

85,6 

1     76,0 

82,7 

82,0 

69,2 

78,2 

58,3 

79,9 

60,0 

62,7 

70,0 

172 
170 
186 
114 
100 

111 
70 

136 
76 
94 
31 

100 

50 

50 

86(42) 

60 

56 


1574 
1610 
1313 
998 
750 
595 
986 
818 

460 
62 


161 

239 

95  (93) 


832 


80,0 
67,0 
81,6 
70,0 


200 


0.  SCHEUX)NO: 


Landschaft,  Insel: 

Ponrn  (Neu -Guinea) 

Dorf  bezirk: 

Ponm 

'  Komocka 
(Poum) 

Poum 

^'^^'"""{Shlecht,  Alter: 

Ssapoa 
$  ÖOJ. , 

43  '" 

Bore 
$  30  J. 

!  Garaua 
$  35  J. 

45 

Bukarra      Mona! 
S  21J.  :  $  38J. 

Fortlaufende  Nummer: 

44 

46       !       47 

I.  Kopftnaasse. 


Gerade  Lftnge  (=t  1,0) 

Grösste  Länge  (±  2,1) 

Grösste  Breite  (^  1,0) 

Ohrhöhe  (±2,8) 

Stimbreite  (=fc  2,1) 

Gesichtshöhe  B.  (±  1,5) 

Büttelgesichtshöhe  (=fc  1,5) 

Gesichtsbreite:  a)  jugal  (d-  1,0) .    .    . 

„  b)  malar  (+  3,8)     .    . 

„  c)  mandibular   (:t  2,0) 

Interorbitaldistanz  (-fc  0,9) 

Distanz  der  äusseren  Augenwinkel  ( J^  3,9) 

Nase:  Höhe  (±  1,1) 

,      Länge  (=b  1,9) 

„      Breite  ±  1,5  (1,1) 

Mund:  Länge 

Ohr:  Höhe 

Entfernung    des   Ohrloches   von   der 

Nasenwurzel 

Horizontaler  Umfang 


184 

174 

134 

125 

102 

105 

70 

185 

70 

99 

33 

97 

52 

51 


183 

180 

189 

124 

103 

100 

60 

186 

60 

87 

33 

97 

48 

50 


183 
187 
147 
110 
104 
116 

70 
140 

79 
102 

39 
110 

56 

50 


52 


58 
60 


i? 


120 
531 


179 

182 

147 

120 

103 

106 

64 

131 

75 

86 

33 

102 

52 

47 


40(41)       38(41)       36(40)       33(39) 


52 


113 
522 


n.  Körpermaasse. 


Körperhöhe 

Klanerweite 

Höhe:  Kinn 

„      Schulter.    .    .    . 

„      Ellenbogen      .    . 

^      Handgelenk    .    . 

„      Mittemnger     .    . 

„      Nabel     .... 

„      Trochanter .    .    . 

n      Patella   .... 

„      Gapit.  fibul.     .    . 

j,      Maileolus  eztemus 
Im  Sitzen:  Scheitel   .    . 
„        „       Schulter  .    . 
Hand:  Länge    .... 

„      Breite    .... 
Fuss:  Länge      .... 

„     Breite 

Umfang:  Oberschenkel  . 

Wade      .    .    . 

Brustumfang     .... 


1580 
1647 

1331 
1025 
762 
595 
940 
807 

459 
58 


165 


438 

48 


162 


225      1      244 

81  (84)       90  (87) 


755 


772 


479(426)»), 

450 

60 


180 
70  (85) 

242 
82(76) 

443 

295 

822 


747 


UL  Berechnete  Indices. 


Längenbreitenindex   .    . 
Ohrhöhenindez  .... 
Gesichtsindez  (Kollmann) 
Nasenindex 


77,0 
71,8 

77,7 
76,9 


77,2 

68,8 
73,5 
79,1 


78,6 

58,8 
82,8 
62,5 


80,7 
65,9 
80,9 
63,4 


1548 

1580 

,    1502 

1592 

1660 

;    1643 

1 

1361 

— 

1295 

1309 

— 

965 

1009 

-^ 

786 

748 

— 

562 

584 

— 

.      982 

965 

'       _ 

.      789 

823 

— 

185 
184 
147 
121 
104 
120 

71 
140 

71 
IQ» 

35 
100 

58 

51 

35(41) 
57 


134 
530 


1585 
1734 


800 


79,8 
65,7 
85,7 
66,0 


1)  Oberer  und  unt^rt*r  Hand. 


Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papuas. 


201 


Poum  (Neu -Guinea) 


Assap 
S20J. 

48' 


Pourn 

Ssinabi  i 
a  40  J.  I 

~49      I 


Ssimeio 
5  38  J. 


182 
181 
189 
116 
102 

96 

52 
ISO 

70 

91 

34 
102 

47 

41 

82(37) 
61 
62 

104 
603 


177 
181 
137 
120 
104 
105 

62 
143 

70 
102 

40 
106 

52 

51 

36(43) 
58 


126 
529 


1442 
1479 


1519 
1626 


676 


850 


76,7 
64,0 

78,3 
68/) 


75,6 
66,2 
73,4 
67,3 


50 


183 
194 
141 
123 
111 
104 

67 
136 

75 
104 

36 
109 

53 

50 

35(40) 
61 


121 
532 


1598 
1748 


806 


Komocka 


Mmbag  ;  Gbaming  j  Gossack  I  Laua  J  Mangaia 
5  50J.   5  25  J. 


51 


52 


5  25  J.  1$  17-18  J.;'  $  30J. 

55 


53 


I  Kopftnaasse. 


172 
181 
137 
119 
91 
107 
70 
130 
65 
95 
34 
97 
64 
51 (Sep- 
tuni59) 
26(36) 
52(69)») 


114 
521 


180 

182 

148 

121 

106 

114 
69 

134 
74 
96 
32 

104 
51 
50 

30(36) 
60 


109 
530 


172 

178 

139 

113 

107 

106 
67 

138 
67 
97 
35 

105 
52 
50 

28(36) 
69 


116 

508 


n.  Körpermaasse. 


1488 
1550 

1018 


838 


770 

495 

166 
69  (77) 

230 
88(81) 

426 

270 

735 


1630 
1566 

1247 


572 
894 


1551 
1696 

1290 


943 


825 

588 

167 

73^80) 

89  (80) 
498 
319 
831 


785 

503 

175 
74(90) 

246 
89(85) 

443 

319 

932 


54 


Tami 

(Neu- 
Guinea) 

Tami 

Modiamo 
S  27  J. 


56 


m.  Berechnete  Indices. 


1472 
1615 

1209 


550 
585 


54 
778 
503 
166 

73  (81) 
242 

89(80) 
426 
292 
771 


177 

164 

180   1 

174 

143 

137 

121 

122 

101 

96 

HO 

97 

67 

61 

135 

130 

72 

66 

97 

97 

33 

31 

101 

96 

62 

46 

51(54> 

46 

30(40) 

30(39) 

55 

46 

110 

108 

616 

495 

1451 
1550 

1176 


838 


735 

503 

171 
67  (79) 

227 
78  (74) 

425 

282 

775 


175 
176 
140 
120 
100 
121 

77 
132 

85 

94 

30 
103 

56 

56 

32  (40) 
62 


1661 
1730 

1397 

1078 

795 

608 

861 

491 
63 


179 

76  (91) 

260 
97  (94) 


858 


72,6 

76,6 

81,3 

1 

i  '8.0   , 

1 

\     79,4 

78,7 

63,4 

66,7 

66,4 

!  63,4   ! 

67,2 

70,1 

76,4 

82,3 

85,0 

76,8 

81,4  ; 

74,6 

66,0   , 

48,1 

1 

;  68,8 

68,8 

57,6 

1 

65,2 

79,5 

68,1 
91,6 
67,1 


1)  Beim  Lachen. 


202 


0.  SOHELLOMO: 


Landschaft,  Insel: 

Taroi  (Neu -Guinea) 

Dorf  bezirk: 

Tami 

^^"^"""{aScht,  Alter: 

MakiU 
$22J. 

57 

Mor(l)o  1  (G)naue     Ssekabo     Mangel 
5  36  J.      S  40  J.      $  26  J.     $  87  J. 

Fortlaufende  Nummer: 

58       :       59              60              61 

I.  Kopftnaasse. 


Gerade  Länge  (±1,0) 

Grösste  Lftnge  (=fc  2,1) 

Grösste  Breite  (±1,0) 

Ohrhöhe  (±2,8) 

Stimbreite  (±  2,1) 

(^esichtshöhe  A 

B   (-1:1,5) 

Mittelgesichtshöhe  (±1,5) 

Gesichtsbreite:  a)  jugai  (±  1,0) .    .    . 
,  b)  malar  (±  3,8)     .    . 

^  c)  mandibular  (±  2,0) . 

Interorbitaldistanz  (±  0,9) 

Distanz  der  äusseren  Augenwinkel  (±  3,9) 
Nase:  Höhe  (±1,1) 

„     Länge  (±  1,9) 

„     Breite  ±  1,5  (1,1) 

Mund:  Länge 

„      Höhe 

Ohrhöhe 

Entfernung    des    Ohrloches   von    der 

Nasenwurzel 

Horizontaler  Umfang 

Profilwinkel 


175 
180 
141 
121 
98 

118 
76 

127 
75 
96 
80 

108 

56 

58 

40(88) 

52 


165 
169 
187 
119 
97 

117 
66 

189 
76 
95 
27 

101 

55 

58 

87  (39) 

56 


IL  Kdrpermaasse. 


Körperhöhe 

Klarberweite 

Höhe:  Kinn 

„      Schulter     .    .    . 

„     Ellenbogen      .    . 

„     Handgelenk    .    . 

„     Mittemnger    .    . 

„     Nabel     .... 

„     Trochanter      .    . 

,     Ganit  fibul.    .    . 

„     Malleolus  ezt«mus 
Im  Sitzen:  Scheitel   .    . 
,        „       Schulter  .    . 
Hand:  Länge    .... 

„      Breite     .... 
Fuss:  Länge      .... 

„      Breite 

Umfang:  Oberschenkel  . 

Wade      .    .    . 

Brustumfang     .... 


1608 


1810 
1000 
766 
568 
958 
834 
442 
58 


168 

72(88) 
240 

89(84) 


1565 
1695 

1315 
971 
728 
572 
953 
•  808 
464 
69 


175 
80(95) 

236 
96(90) 

896 


III.  Berechnete  Indices. 


184 

146 
121 
109 


141 
107 


I^ängenbreitenindez   .    . 
Ohrnöhenindez .... 
Gesichtsindex  (Kollmann) 
Nasenindex 


181 
183 
145 
124 
100 

120 
70 

138 
79 

108 
82 

102 

64 

64 

39(40) 

68 


182 
189 
144 
134 
106 

181 

72 
143 

96 
109 

86 
105 

68 

51 
37(39) 

61 


87-89 


88 


1688 

I    1610 

1680 

1747 

1360 

1369 

1027 

1016 

774 

789 

692 

689 

986 

966 

864 

1      888 

466 

470 

64 

61 

171 

186 

79(97) 

81(97) 

260 

274 

101  (92) 

lll  (100) 

843 


990 


ISfi 

81,0 

79,3 

'     79,2 

67,2 

70,4 

66,7 

'     67,7 

92,9 

84,1 

— 

90,2 

72,7 

67,3 

— 

72,2 

76,1 
70^ 
91,6 
69,8 


Beitr&ge  zur  Anthropologie  der  Papuas. 


203 


Tami 
(Neu-Gninea) 

Neu-Laüenburg 
(Duke  of  York) 

Neu -Pommern 
(Neu -Britannien) 

Neu- 

Meklen- 

burg  SW. 

(Neo -Irland) 

Neu-Meklen- 

burg  NO. 
(Neu -Irland) 

Tami 

Mioko 

Utuen 

Port 
Weber 

Rotawnll 

Reben 

Tub-Tub 

Lemerut 

Magedu 
$Ö0J. 

(G)uo- 

amba 

;S28J. 

Toaut 
$22J. 

Taganu 
$  82J. 

Toma- 

eUe(i) 

S  85J. 

Tomana- 
lam 

s 

Ipirkom- 

bin 
5  20J. 

Zangon 
$2Sj. 

.    Käme 
$  26  J. 

62 

68 

64 

65 

66 

67 

68 

69 

;       70 

181 
181 
148 
128 
106 

113 
67 

188 
84 
95 
87 

102 
56 
55 
87(38) 

69 


84 


1589 

1680 

1684 

1720 

1820 

1855 

997 

1018 

768 

772 

598 

608 

980 

986 

789 

868 

448 

470 

59 

61 

176 

178 

88(100) 
260 

79^) 

110  (100); 

'  98  (60) 

866 

860 

79,0 
67,9 
84,9 
66,1 


185 

1% 

191 

190 

1% 

194 

139 

182 

165 

121 

121 

126 

99 

108 

102 

120 

116 

117 

72 

71 

73 

129 

183 

143 

75 

71 

65 

95 

99 

105 

82 

38 

84 

98 

107 

110 

66 

53 

55 

54 

49 

58(58) 

29(40) 

86(44) 

83(47) 

55 

58 

57 

— 

58 

61 

^.^ 

119 

121 

— 

550 

550 

^— 

— 

1680 
1758 
1400 
1890 
1070 
805 
620 
1045 


61 

840 

586 

194 
78(85) 

256 
98(%) 

486 

284 

849 


L  Kopftnaasse. 


188 
196 
140 
135 
105 

116 
69 

146 
82 

100 
88 

107 

55 

52 

35  (42) 

52 

66 

117 
545 


n.  Kdrpennaasse. 


181,8 

172 

183,7 

181 

130,6 

145 

122,8 

— 

100,7 

106 

172,4 

166 

111,6 

99 

70,6 

58 

130,6 

132 

'       68,8 

68 

99,8 

94 

— 

31,6 

98,8 

98 

51,95 

60 

48,3 

45 

33,2  (40,4) 

25(40) 

64,1 

60 

21 

66,8 

53 

118,2 

108  (112) 

521 

519 

■^ 

~~ 

1557 
1664 

1271 


659 
941 


57 


179 
76  (91) 

247 
98(90) 

440 

317 

858 


1681 
1760 

1353 

1041 

773 

699 

989 


64 

833 

555 

191 
77  (99) 

271 
105  (95) 

482 

335 

942 


1533 
1550 

1270 


585 
925 


806 
575 
165 

78  (95) 
237 

90  (81) 
495 
311 
890 


m.  Berechnete  Indiees. 


175 

188 

178 

196 

144 

139 

— ~ 

127 

94 

102 

166 

196 

90 

109 

56 

68 

126 

137 

65 

75 

82 

94 

30 

30 

96 

100 

45 

54 

41 

48 

24(35) 
52 

34  (44) 

20 

17 

51 

— 

108  (107) 
513 

111  (iia 

1     ~~* 

1500 
1590 

1265 


560 
950 


1557 
1620 

1270 


579 
910 


470 
518 
170 
67  (87) 
228 
87 
480 
295 
850 


811 
558 
160 

90(85) 
443 
290 
820 


78,1 

67,8 

86,0 

71,4 

71,2 

80,1 

68,6 

61,7 

64,9 

68,8 

66,3 

— 

98,0 

87,2 

81,8 

79,4 

85,4 

75,0 

;     52,7 

66,0 

60,0 

68,6 

63,5 

50,0 

80,9 

7M 
53,3 


70,9 

64,8 
79,5 
62,9 


204 


0.  Schellong: 


Landschaft,  Insel: 


Dorf  bezirk: 


n  f  Namen: 

Personen  |  (jeschlecht,  Alter: 

Fortlaufende  Nummer: 


Neu-MeklenborgNO 
(Neu-Irland) 


Tub-Tubl  Lassuck 

-     1 
MaUe      WeUaga- 


5  19  J. 
71  ~ 


mns 
$  22  J. 

72 


Nene  Hebriden 


Insel  Malakola 


Bumann  |  """fl"*- 
ö  ^  •*•      $  35  J. 


73 


74 


Norak 
$  28J. 

'   75~ 


I.  Kopfmaasse. 


Gerade  Länge  (^1,0) 

Grösste  Lange  (^  2,1) 

Grösste  Breite  (±1,0) 

Ohrhöhe  ( t  2,8) 

Stimbreite  (±  2,1) 

Gesichtshöhe  A 

.  B.  (-b  1,5) 

Mittelgesichtshöhe  (±1,5) 

Gesichtsbreite:  a)  jugal  ( t  1,0)  .    .    . 

„  b)  malar  (J:  3,8)     .    . 

M  c)  mandibular  (±  2,0) . 

Interorbitaldistanz  (±  0,9) .... 
Distanz  der  äusseren  Augenwinkel  (±8,9) 

Nase:  Höhe  (±  1,1) 

„      Länge  (±1,9) 

„      Breite  ±  1,5(1,1) 

Mund:  Länge 

„      Höhe 

Ohrhöhe 

Entfernung    des    Ohrloches   von    der 

Nasenwurzel 

Horizontaler  Umfang 

Profilwinkel 


180 
180 
140 
120 
104 
167 
107 

67 
134 

72 
100 

34 
106 

51 

44 
86  (45) 

57 

22 

58 

112(117) 
538 


181 
177 
141 
119 
106 
174 
117 

71 
182 

58 

91 

35 
102 

60 

60 
82  (37) 

50 

19 

57 

111(117) 
536 


n.  Kdrpermaasse. 


Körperhöhe 

Klarterweite 

Höhe :  Kinn 

^      Schulter     .    .    . 

„      Ellenbogen     .    . 

„      Handgelenk    .    . 

„      Büttemnger    .    . 

„      Nabel     .... 

„      Grista  oss.  ilium 

„      Symphyse  .    .    . 

„      Trochanter      .    . 

„      Patella  .... 

„      Oaoit.  fibnl.    .    . 

^      Madleolus  extemus 
Im  Sitzen:  Scheitel  .    . 
„       Schulter  .    . 
Hand:  Länge    .... 

y.      Breite    .... 
Fuss:  Länge      .... 

„     Breite      .... 

Umfang:  Oberschenkel  . 

Wade   .  .  . 

Brustumfang  .... 


1603 
1750 

1844 


550 
1008 


1620 
1747 

1360 


590 
1002 


776 
526 
186 

77  (91) 
260 

97  (91) 
407 
288 
800 


790 

520 

179 
a3(%) 

259 
103  (97) 

447 

307 

867 


192 
196 
150 
130 
112 

115 

67 
148 

86 
109 

86 
111 

53 

48 
40  (47) 

60 

"62 

122 
561 

79° 


1536 
1680 
1818 
1286 
1000 

712 

550 

895 

911 

780 

885 
482  (440) 

408 
55 

762 

504 

185 
77  (85) 

255 
91  (87) 

500 

348 

909 


192 
192 
142 
125 
107 

104 

63 
185 

72 
100 

29 
102 

51 

49 
36(42) 

55 

68 

112 
589 

82*^ 


1609 
1668 
1896 
1317 
1018 

785 

606 

974 

960 

810 

837 
495(435) 

426 
65 

822 

568 

186 
81(92) 

265 
92(88) 

450 

824 

845 


189 
185 
134 
123 
99 

110 
62 

135 
71 
87 
29 
96 
45 
45 
35(46) 
49 

65 

116 
533 


III.  Berechnete  Indices. 


Längenbreitenindex   .    . 
Ohrnöhenindex  .... 
Gesicht&index  (KoUmann) 
Nasenindex 


77,7 
66,6 
79,8 
70,6 


79,6 
67,2 
88,6 
58,8 


76,6 
66.8 
80,4 
75,4 


78,9 
65,1 
77,0 
70,5 


1566 
1712 
1348 
1825 
1026 

740 

664 

970 
826 

864 
449(489) 
486 
68 
787 
640 

im 

760«) 

250 
97(96) 

413 

800 

818 


72,4 
66,4 
8U4 


77,7 


Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papua. 


205 


Salomons- Inseln 


a)  Yella  Lavella 

b)Green- 
Island 

c)StChri- 
stophel 

Ssolo- 

wak 

S  18  J. 

Tape 
$  18  J. 

!  0(a)ne 
$  32J. 

Tetecke 
$  35  J. 

1 
Moman  ,  E(])ri 

6  40J.  1  5  35J. 

Tiu 
5  32  J. 

1 

(D)rahanu 
$  43J. 

Hei(e)ke 
S  30J. 

76 

77 

78 

79   ! 

80      81 

82 

83 

84 

I. 

Kopftnaasse. 

177 

176 

!   180 

185 

177 

188 

180 

177 

193 

174 

180 

1   184 

187 

179 

192 

185 

180 

199 

144 

130 

147 

145 

141 

142 

138 

143   ; 

149 

117 

122 

110 

127   , 

124 

121 

120 

128   , 

137 

100  1 

102 

103 

107   ' 

1 

102 

106 

108 

101 

107 

111 

97 

98 

121 

106 

ne 

114 

122 

115 

68 

60 

55 

"^1  ; 

64 

70 

69 

75 

65 

181 

126 

140 

150   i 

142 

143 

133 

140 

136 

61 

62 

77 

76 

72 

82 

68 

70 

69 

89 

84  > 

97 

106 

95 

96 

% 

112 

101 

29 

31  , 

33 

34 

32 

36 

36 

34 

35 

98 

99  1 

103 

106 

97 

109 

107 

107 

108 

49 

47  i 

49 

55 

53 

52 

47 

54 

44 

48 

,   46  , 

46 

53 

50 

52 

57 

54 

45 

26(35) 
49 

;  31 (38) 
50 

83J45) 

30(39) 
53 

1 

30(40) 

32  (37) 

37  (42) 
54 

36(40) 
59 

1 

37(46) 
56 

61 

116 

110 

1 

'     106 

116 

120   1 

117 

1   '^ 

:  123 

116 

118 

508 

504 

542   ; 

■   550 

—   1 

529 

567 

530 

537 

570 

1 

1 

1 

n.  ] 

1       h       1 

Kdrpermaasse. 

1511 

1529 

1510 

1710 

1626 

1587 

1676 

1676 

1715 

1578 

1589 

1610 

1  1824 

1717 

1767 

1784 

1845 

1815 

1304 

1821  < 

—   ' 

— 

.. 

— > 

_^ 

— 

— 

1252 

,  1276 

1270 

1434 

1333   j 

1338 

1416 

1380 

1411 

960 

1  976  ' 

«^^ 

^^^ 
^^^ 

^^^ 

_ 

— 

1  1050 

1090 

707 

727 

— 

1 

—>. 

^— 

764 

815 

550 

562  1 

580 

635 

— 

— 

— 

584 

;   634 

929 

931  1 

^a^ 

— - 

— > 

— 

— 

1045 

1050 

940 

950  ! 

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— 

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— 

— 

1 

— 

789 

775 

-~ 

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1   — 

— 

809 

815 

— 

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462  (416) 
1  389 

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1    z 

— ^ 

^— 

I 

61 

57 

—   I 

— 

\      — 

— 

60 

1   59 

776 

,  800 

790 

860 

— 

] 

— 

832 

837 

525 

578  ' 

530 

'   600 

1   — 

«— 

549 

540 

167 

164 

161 

179 

— 

— 

201 

185 

70  (81) 

70(80) 

70  (75) 

80(90) 

_ 

— 

— 

77  (97) 

83(102) 

231 

232 

228 

1   259 

— 

— 

— 

,   263 

269 

80(74) 

84(80) 

81  (71) 

1  95(90) 

— 

1 

101 (94) 

112^105) 

872 

440 

470 

476 

— 

^t^im 

— 

483 

272 

1  278 

305 

318 

— 

— 

— 

305 

334 

740 

745 

825 

'   912 

1 

812 

906 

882 

1   892 

,       1 

914 

III.  B€ 

^rechnete  Indices. 

82,7 

72,2 

79,8   i 

i  77,5 

78,7   f  73,9 

74,5 

79,4 

74,8 

67,2 

67,7 

59,7 

!  67,9 

69,2   1  63,0 

'   64,8 

71,1 

68,8 

84,7 

76,9 

70,0   , 

80,6 

74,6 

81,1 

85,7 

87,1 

84,5 

61,0 

65,9 

67,3  . 

54,5   . 

56,6 

,  61,5 

,   66,0 

66,6 

84,1 

Zcittchrtfl  für  Btlmologle.    Jahrg.  1891. 


15 


206 


0.  ScilEUiONG: 


Inselgruppe : 


Insel: 


^^^«^''^''{Ges'^hlocht,  Alter: 


Fortlaufende  Nummer: 


SalomoDs- Inseln 


d)Guadal- 
canar    ' 


Terungai     Toena 
5  30  J.      5  22  J. 


85 


86 


e)  Malajta 


Langad- 

mei 
S  27  J. 


87 


Ambui    ;T«^°"^- 
$  J9  J.        ^^ 


88 


^^T'    Auaschia 


89 


90 


I.  Kopftnaasse. 

1 

Gerade  Länge  (^  1,0) .    .    . 

181 

1 

188 

182      . 

169 

180 

182 

Grösste  LRnge  (±  2,1)     .    . 

184 

,      192 

183 

169      ,, 

181 

184 

Grösste  Breite  (i  1,0)      .    . 

140 

133 

135 

133 

132 

130 

Ohrhöhe  (±  2,8) 

Stimbreite  (:t  2,1)  .... 

126 

120      , 

123 

122 

118 

117 

105 

1      103 

102 

101 

102 

103 

Gesichtshöhe  B.  (±  1,5)  .    . 

114 

119 

111 

108 

107 

108 

Mittelgesichtshöhe  (i-  1,5)    . 

66 

70 

69 

60 

60 

64 

Gesichtsbreite :  a)jugal(±  1,0) 

140 

1      135 

132 

130 

135 

181 

„             bWalar(±3,8) 
„            c;  mandibu- 

70 

'        68 

73 

71 

67 

67 

^ 

lar  (^2,0} 

Interorbitaldistanz  (i  3,9)    . 

94 

99 

102 

98 

104 

97 

31 

35 

33 

32 

31 

3t 

Distanz  der  äusseren  Augen- 

( 

winkel  {^  8,9) 

105 

104 

110 

100 

111 

109 

Nase:  Höhe  (J-  1,1)     .    .     . 

51 

54 

60 

41 

43 

48 

,      Länge  (i  1,9)    .    .    . 

52 

'        52 

48  (50) ») 

42  (47) 
32  (41) 

40  '45) 

41  (45) 

.      Breite  =b  1,5  (1,1)  .    . 

32(40) 

35(41) 

27(41) 

31  (39) 

29(36) 

Mund:  Länge 

61 

57 

56 

54 

65 

56 

Ohrhöhe      ...             .    . 

62 

I        60 

59 

62 

— 

(;5 

Entfernung  des  Ohrloches  von 

der  Nasenwurzel .... 

111 

115 

111 

108 

115      ' 

112 

Horizontaler  Umfang  .    .    . 

535 

529 

1 

530 

503 

532 

612 

n.  Körpermaasse. 

Körperhöhe 

Klatterweite 

1650 

!    1611 

1578 

1593 

1625      . 

1608 

1845 

1680 

1705 

1660 

1695 

1590 

Höhe:  Schulter 

1370 

1345 

1283 

1298 

1345 

1240 

„      Ellenbogen  .... 
Handgelenk .... 

1028 

1    1025 

— 

— 

—       , 

1— 

740 

769 

— 

— 

— 

— 

^      Mittelfinger .... 

568 

1      594 

535 

582 

626 

549 

^      Nabel 

1013 

1      970 

942 

942 

964 

929 

„      MalleolnB  exttnm^ 

Ol 

55 

56 

53 

69 

52 

Im  Sitzen:  Scheitel     .    . 

781 

823 

814 

858 

815 

1  1  4 

„       Schulter    .    .    . 

5(0 

559 

516 

558 

564 

516 

Hand:  Länge 

191 

,      184 

178 

171 

174 

170 

„      Breite 

SbaOb) 

80(93) 

76  (87) 

71(80) 

73  (93) 

71  (75) 

Fuss:  Länge 

2.'S4 

259 

240 

250 

250 

240 

„     Breite 

106  (92) 

103  (95) 

89  (87) 

89  (77) 
425 

97  (89) 

92  85^ 

Umfang:  Oberschenkel     .    . 

485 

484 

453 

438 

442 

Wade 

342 

342 

1      325 

268 

291 

294 

Brustumfang 

8W 

835 

884 

768 

813 

;      780 

111.  Berechnete  Indices. 

Längenbreitenindex      .    .    . 
Ohrnöhenindei 

76,0 

69,2 

73,7 

78,6 

72,9 

70,6 

68,4 

62,5 

67,2 

72,1 

66,1 

68,5 

Gesichtsindex  (Kollmann)     . 

81,4 

^,\ 

H4,0 

83,0 

79,2 

82,4 

Nasenindex 

62,7 

64,8 

54,0 

78,0 

72,0 

60,4 

1)   Die  Zahl  in  Klammem  bezieht  sich  auf  das  Maass,  bis  zum  Septum  genommen. 


Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papua. 


207 


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208  0.  Schellono: 

Gesiehts  -  Hasken. 

A.   Vorbemerkung. 

Unter  den  körperlichen  Merkmalen,  welche  zu  der  Bestimmung  eines 
Rassentypus  gehören,  steht  das  Gesicht,  die  Physiognomie,  obenan.  Denn 
es  sind  vorzugsweise  die  physiognomischen  Eigenthümlichkeiten,  welche 
den  Reisenden  zuerst  interessiren,  wenn  er  dem  fremden  Individuum 
begegnet.  Die  Haartracht,  die  Breite  des  Mundes,  die  Wölbung  der  Stirn, 
die  Form  der  Nase,  der  Ausdruck  des  Auges,  das  Mienenspiel,  die  Art 
des  Sprechens,  sie  geben  dem  Reisenden  nicht  nur  sofort  einen  persön- 
lichen Eindruck  des  Individuums,  sondern  sie  dienen  ihm  auch  hauptsäch- 
lich, fast  unbewusst,  als  wichtigste  Anhaltspunkte  für  die  ganze  anthro- 
pologische Auffassung  desselben.  Denn  in  dem  Gesicht  concentrirt  sich 
gewissermaassen  die  Individualität  des  Menschen.  Das  Bestreben,  gerade 
das  Gesicht  des  Menschen  in  der  Erinnerung  festzuhalten  und  dauernd 
zu  fixiren,  ist  deshalb  den  anthropologischen  Untersuchungen  besonders 
förderlich  gewesen.  Man  sucht  diesen  Zweck  in  doppelter  Weise  zu 
erreichen,  durch  die  bildliche  W^iedergabe  in  Skizze  oder  Photogramm 
und  durch  die  plastische  Wiedergabe  in  Form  der  Gesichts -Maske.  Jedes 
dieser  Vorfahren  hat  seine  Vorzüge:  die  photographische  Darstellung, 
besonders  in  grossem  Maassstabe  ausgeführt,  bringt  den  ganzen  Kopf,  die 
Haltung  desselben  und  die  belebte  Physiognomie  zum  Ausdruck;  die 
Gesichts -Maske  stellt  etwas  Todtes  dar,  aber  sie  wirkt  mehr  überzeugend 
durch  die  Plastik,  auch  ergiebt  sie  beim  blossen  Anschauen  die  natürlichen 
Grössenverhältnisse,  welche  bei  dem  Photogramm  erst  mit  Zuhülfenahme 
der  Phantasie  vom  Beschauer  herausconstruirt  werden  müssen.  Auch  fällt 
bei  der  Maske  die  Sprache  des  Auges  hinweg,  so  dass  das  rein  Körper- 
liche des  Gesichts  mehr  zur  Beachtung  gelangt.  Gewöhnlich  pflegen  die 
Masken  aus  technischen  Gründen  sich  eben  nur  auf  das  Gesicht  zu 
beschränken;  sie  bringen  am  häufigsten  eine  Ansicht  des  Gesichts  von 
vom  und  umfassen  dann  die  Stirn,  beide  Augen,  die  Wangen,  Mund  und 
Nase  und  einen  Theil  des  Kinns.  Dass  sich  die  Masken  nicht  auf  den 
ganzen  Kopf  erstrecken,  scheint  mir,  rein  anthropologisch  betrachtet,  ein 
erheblicher  Mangel  nicht  zu  sein.  Denn  die  Haarfrisur,  welche  zur  Vor- 
stellung des  ganzen  Kopfes  noch  vorzugsweise  daran  fehlt,  verdeckt  die 
Maasse  des  Schädels,  —  soweit  man  es  nicht  gerade  mit  rasirten  Köpfen 
zu  thun  hat,  —  ohnehin  und  ist  überhaupt  eines  derjenigen  anthro- 
pologischen Merkmale,  welches  den  Beobachter  meist  in  hohem  Grade  ver- 
wirrt, anstatt  ihn  zu  fördern.  Wir  können  es  alltäglich  beobachten,  wie 
Menschen  durch  eine  andere  Haarfrisur  ein  gänzlich  verändertes  Aussehen 
erhalten.  Gerade  bei  der  sehr  schwierigen  Auswahl  sogenannter  ^Rassen- 
typen"  hat  sich  mancher  Beobachter  sicherlich  ganz  unbewusst  durch  zu- 
fällige   Aeusserlichkeiten,    physiognomische    Attribute,    wie    Bart,    Haar, 


Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papua.  209 

Kopfpuj;z  u.  8.  w.  mehr  bestimmen  lassen,  als  durch  wirkliche  anatomische 
Merkmale. 

Die  Papua  präsentirten  sich  mir  zur  Untersuchung  meist  bartlos, 
dagegen  in  der  allergrössten  Mannichfaltigkeit  der  Haarfrisuren.  Wenn 
ich  die  letzteren  bei  der  Anfertigung  der  Masken  ausser  Acht  Hess,  so 
glaube  ich  mich  damit  also  keiner  tadelnswerthen  Unterlassung  schuldig 
gemacht  zu  haben.  Hingegen  möchte  ich  es  als  ein  qualitatives  Plus  der 
von  mir  gefertigten  Masken  hinstellen,  dass  ein  Theil  derselben  in  Halb- 
profil-Aufnahme zur  Darstellung  gelangt  ist.  Es  werden  dadurch  dem 
Gesicht  zwei  wichtige  physiognomische  Anhaltspunkte  hinzugefügt,  der 
Kieferwinkel  und  das  Ohr.  Weniger  das  Ohr  selbst,  als  die  Stelle,  an 
welcher  das  Ohr  am  Kopfe  sitzt,  ist  wichtig  zur  richtigen  Würdigung  der 
Breite  des  Gesichts,  indem  En- face -Masken  ohne  Ohr  das  Gesicht  gewöhn- 
lich zu  breit  erscheinen  lassen.  Der  grössere  Vortheil  der  Halbprofil- 
Masken  aber  liegt  in  dem  durch  den  Namen  selbst  charakterisirten  Um- 
stände, dass  nehmlich  in  dieser  Weise  eine  Vorstellung  von  dem  Profil 
des  Gesichts  möglich  ist. 

Ich  fertigte  die  Masken  aus  Gyps. 

Die  oftmals  aufgestellte  und  ebenso  oft  bestrittene  Behauptung,  dass 
man  uncivilisirte  Eingeborne  zu  der  an  und  für  sich  nicht  sehr  einladenden 
Procedur  des  Gypsens  nur  schwer  heranbekommen  könne,  habe  ich  bei 
den  Papua  gewissermaassen  in  beiderseitigem  Sinne  bestätigt  gefunden. 
Es  hielt  zu  Anfang  sehr  schwer,  die  Leute,  mit  welchen  freilich  eine 
andere  Verständigung,  als  die  durch  die  Zeichensprache  gegebene,  nicht 
möglich  war,  von  der  Gefahrlosigkeit  der  Procedur  zu  überzeugen;  das 
tassambang  langanu,  —  das  Gesicht  verbinden,  wie  sie  es  später  nannten,  — 
betrachteten  sie  in  der  ersten  Zeit  als  eine  riskante  Sache,  und  dass  ich 
überhaupt  damit  zum  Ziele  gelangte,  verdanke  ich  nur  der  sehr  liebens- 
würdigen Bereitwilligkeit  eines  meiner  Freunde,  welcher  sich,  obwohl 
als  Kaufmann  an  anthropologischen  Untersuchungen  nicht  sonderlich  inter- 
essirt,  mit  heiterster  Miene  coram  publice  nigro  von  mir  gypsen  liess. 
Seinem  Beispiele  folgend,  diente  sodann  ein  Malaye  zu  einer  zweiten 
Demonstration,  und  auch  jetzt,  nachdem  die  Ungefährlichkeit  der  Procedur 
an  zwei  Beispielen  zur  Evidenz  dargethan  war,  kostete  es  nicht  geringe 
Ueberredungen  und  Versprechungen,  um  den  ersten  Papua  zu  diesem 
kühnen  Schritt  zu  bewegen.  Aber  dann  war  alsbald  der  Bann  gebrochen, 
und  ich  hatte  später  Anerbietungen  genug.  Nur  steigerte  sich  der  Kauf- 
preis allmählich  vom  gewöhnlichen  Bandeisen  zum  Handbeil.  Makiri,  der 
vornehmste  Häuptling  der  Pinschhafener  Gegend  (Nr.  1),  erhielt  sogar 
2  Aexte,  eine  Bezahlung,  welche  nach  papuanischen  Begriffen  einem 
respektabeln  Vermögen  gleichkam. 

Die    Technik    der   Masken-Abnahme  ist  für  denjenigen,    welcher 
überhaupt  schon  mit  Gyps  gearbeitet  hat,  ohne  besondere  Mühe  zu  erlernen. 


210  0.  SOHELLONG: 

Das  Gesicht  wird  leicht  eingefettet  und  kleine  Kartenblatt -RöHchen  in 
die  Nasenlöcher  gesteckt,  um  die  Athmung  nicht  zu  behindern;  dann  kann 
der  Guss  beginnen.  Um  diejenigen  Partien  des  Gesichts,  auf  welche  es 
mir  jedesmal  besonders  ankam,  auch  sicher  in  den  Guss  hineinzubekommen, 
bediente  ich  mich  einer  Anfangs  aus  Pappe,  später  aus  einer  biegsamen, 
dünnen  Bleiplatte  gefertigten  Cravatte,  mittelst  welcher  ich  das  Gesieht 
wie  mit  einer  Form  uraschloss.  Da  die  biegsame  Bleiplatte  sich  allerseits 
fest  gegen  die  darunterliegende  Haut  andrücken  liess,  so  verhinderte  die- 
selbe zugleich  das  Danebenfliessen  des  Gypses,  was  bei  der  Halbprofil- 
Aufnahme  besonders  zu  Statten  kam.  Ich  kann  dieses  Verfahren  als  sehr 
brauchbar  empfehlen;  die  erstarrte  Masse  nimmt  sich  in  dieser  Bleiform 
sehr  bequem  vom  Gesicht  ab.  Man  kann  eine  und  dieselbe  Cravatte 
beliebig  oft  benutzen,  da  der  Gyps  mit  dem  Blei  nicht  verklebt.  Eis 
bedarf  nur  weniger  Hammerschläge,  um  die  Platte  wieder  gerade  zu 
klopfen.  Im  Interesse  der  grösseren  Haltbarkeit  der  Masken,  also  vor- 
wiegend mit  Rücksicht  auf  den  Transport,  glaubte  ich  sodann  eine  Ver- 
stärkung der  Maske  in  der  Weise  erstreben  zu  sollen,  dass  ich  der  Gyps- 
masso  mehrere  dicke  Hanfstreifen  einfügte.  Als  Vorbild  diente  mir  dabei 
die  Methode  der  in  der  chirurgischen  Praxis  üblichen  Gypshanfschienen. 
In  dieser  Art  gefestigt,  langten  die  Masken  via  Sydney-Bremen  in  bestem 
Zustande  in  Berlin  an,  und  die  Anfertigung  der  Positive  machte  keinerlei 
Schwierigkeit. 

In  der  Finsch 'sehen  Masken -Sammlung  der  Südsee  befinden  sieh 
ebenfalls  Typen  aus  Neu-Guinea;  dieselben  entstammen  jedoch  sämmtlich 
dem  südlichen,  unter  englischem  Schutz  stehenden  Theile  dieser  Insel. 
Da  ich  meine  Masken  in  Finschhafen  und  Umgebung,  also  an  der  Nordost- 
küste von  Neu-Guinea  gewonnen  habe,  so  dürften  dieselben  die  Finsch- 
sche  CoUection  in  wünschenswerther  Weise  zu  ergänzen  berufen  sein. 
Ausserdom  sind  in  meiner  Sammlung  vertreten  die  Salomons- Insel  Vella 
Lavella  mit  einer  Type,  Neu -Lauenburg  (Duke  of  York)  mit  einer  Type, 
Neu-Pommern  mit  einer  Type,  Neu-Meklenburg  mit  3  Typen.  Die  An- 
zahl der  von  mir  gefertigten  Masken  beträgt  39. 

Der  Reisende  würde  eine  grosse  Erspamiss  an  Zeit  machen  können, 
wenn  es  ihm  gestattet  sein  würde,  die  Masken  auch  für  anthropometrische 
Zwecke  zu  benutzen,  wenn  er  also  die  Maasse  des  Gesichts  oder  wenig- 
stens einen  Theil  derselben  der  Maske,  anstatt  dem  Lebenden,  ent- 
nehmen dürfte.  Um  ein  Urtheil  über  das  Maassverhältniss  von  Maske 
zum  Lebenden  zu  erhalten,  habe  ich  das  Positiv  der  Maske  Nr.  33  aus- 
gemes8(»n  und  die  so  erhaltenen  Messwerthe  den  Zahlen  des  Mess-Proto- 
eoUs  gegenüber  gestellt.  Ich  wählte  gerade  die  Maske  Nr.  33  zu  diesem 
Zweck,  weil  ich  bei  dem  dazu  gehörigen  Individuum  (Tomänälam)  durch 
zu    verschiedenen    Zeiten    ausgeführte    Messungen    den  Schwankungswerth 


Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papaa. 


211 


bestimmt   habe,   welchen  die  Messmigen  am  Kopfe  des  Lebenden  im  All- 
gemeinen zu  unterliegen  pflegen^). 

Ich  stelle  nun  zum  Vergleich  die  folgenden  Maasse  zusammen: 


Am 
Lebenden 


An  der 
Maske 


Differenz 
beider 


Grösster 

Schwan- 

kungs- 

Werth  beim 

Lebenden 


Stimbreite 

(jesichtshöhe  A 

B 

Mittelgesicht 

Jagale  Gesichtsbreite 

Entfernung  der  inneren  Augenwinkel 

„           9  äusseren         „ 
Nase:  Höhe 

„      Länge 

,      Breite  1 

^      Flügelbreite  2 

Mund:  Länge 

Entfernung  des  Ohrloches  von  der 

Nasenwurzel 


100,7 

172,4 

111,5 

68,8 

130,5 

29,5 

98,8 

51,9 

48,8 

33,2 

40,4 

52,3 

113,2 


127 

174 

111 

67 

134 

35 

111 

52 

43 

40 

45 

59 

129 


4-27 

+  2 

0 

-  2 
-h  3 
+  5 
+  12 

0 

-  5 
+  7 
+  5 
+   7 

+  16 


7 

17 
6 
5 
4 
3 
10 
4 
6 
5 
3 
7 


Aus  dieser  Zusammenstellung  ist  zu  ersehen,  dass  die  Maasse  an  der 
Gypsmaske  im  Allgemeinen  zu  gross  ausfallen,  was  von  vornherein  zu 
erwarten  war;  nur  das  Maass  der  Nasenlänge  erweist  sich  an  der  Maske 
als  zu  klein,  was  wohl  auf  den  Umstand  zurückzuführen  sein  dürfte,  dass 
bei  dem  Aufgiessen  des  Gypses  das  durchbohrte  und  deshalb  für  gewöhn- 
lieh hängende  Septum  wiederum  angedrückt  und  der  Messpunkt  für  die 
Nasenspitze  nach  vorn  verlegt  wurde*). 

Vergleicht  man  die  Differenz  der  Messwerthe  am  Lebenden  und  an 
der  Maske  mit  den  Zahlen  der  Columne  4,  so  erscheint  der  damit  ver- 
knüpfte Messfehler  nicht  sehr  erheblich.  Nur  für  das  Stimbreitenmaass 
der  Maske  muss  ein  grösserer  Werth  in  Abzug  gebracht  werden;  ebenso 
gestaltet  sich  die  Entfernung  zwischen  Ohrloch  und  Nasenwurzel  an  der 
Maske  um  ein  Erhebliches  zu  gross.  Hier  würden  also  grössere  Werthe 
von  20  und  15  mm  in  Abzug  zu  bringen  sein.'  Bei  den  übrigen  Maassen 
der  Maske  würde  ein  Abzug  von  3  mm  wohl  das  Maass  des  lebenden 
Individuums  im  Allgemeinen  richtig  wiedergeben.  Genau  ist  weder  das 
eine,  noch  das  andere. 


1)  Siehe  darüber  meine  Mittheilung  in  den  Schriften  der  physik.- Ökonom.  Gesellschaft 
in  Königsberg,  XXX.  Jabrg.  1889. 

2)  Auch  die  Mittelgesichtshöhe  fallt  an  der  Maske  zu  klein  aus,  woran  indessen  wohl 
ein  Messfebler  Schuld  sein  dürfte. 


212  0.  SOHBLIiONO: 

B.   Masken -Proto CO  11  e. 
L  Nen-Gninea,  Nordost-Küste  (Kaiser  Wilhelms-Land),  Finsehhafen. 

a)   Rüstenstrich  Jabim. 

Maske  1.  Makiri  ^  (Nr.  29)*).  Alt^r  Häuptling  aus  dem  Dorfe  Saam,  der  ein- 
flassreichste  Mann  des  Jabim -Stammes.  Im  angefahren  Alter  von  56 — 60  Jahren,  zeigt 
er  kanm  Spuren  des  vorgerückten  Alters.  Seine  Figur  ist  proportionirt  und  gerundet. 
Die  Oberschenkel  und  Waden  sind  kräftig  entwickelt,  desgleichen  die  Brust.  Das  Haupt- 
haar ist  nur  mit  grauen  Härchen  vermischt  und  bildet  im  übrigen  einen  dichten  Spiral- 
lockenfilz  Der  kurz  gehaltene,  rasirte  Bart  ist  dagegen  durchweg  weiss -grau.  An  dem 
Fuss  ist  die  erste  Zehe  die  längste.    Körperhöhe  1675  mm. 

Die  Physiognomie  ist  ernst;  aus  derselben  spricht  ein  entschiedener  Zug  ton 
Falschheit.    Die  Naso- Labialfalten  sind  stark  ausgesprochen*). 

Hautfarbe  dunkelbraun;  Stirn,  Wange,  Brust  Broca  80—28,  Oberarm  44  —  28. 

Kopf  kurz,  breit,  niedrig.    Index  brachjcephal  81,0.    Auricularindex  74,8. 

Gesicht  breite  oval.    Index  83,4. 

Die  Wangen,  mit  kleinen,  stark  pigmentirten  Warzen  besetzt,  erscheinen  etwas  ein- 
gefallen. Eine  beträchtliche  jugale  Breite  (145  mm)  contrastirt  gegen  ein  yergleichsweise 
schmales  Kinn  (92  mm). 

Auge  gross,  offen.  Iris  dunkelbraun,  mit  ringförmigem,  bläulich -weissem  Greisen- 
bogen;  der  horizontale  Pigmentstreif  am  Bulbus  stark  ausgebildet;  die  Lidaxen  horizontal 
gestellt. 

Nase  mit  tiefer  Wurzel,  breitem,  geradem  Rücken,  massiger  Spitze,  durchbohrt4*r 
Scheidewand,  verhältnissmässig  kleinen  Flügeln.    Nasenindex  65. 

Lippen  voll,  wenig  voitretend.  Zähne  mit  abgenutzten  Kauflächen,  schwarz  gefärbt, 
gering  prognath  gestellt. 

'  Maske  2.  Lakka  $  (Nr.  80),  der  frühere  Besitzer  der  Insel  Madang  im  Finseh- 
hafen, welcher  die  Insel  bereitwilligst  an  die  Gründer  dieser  ersten  Station  von  Kaiser 
Wilhelms- Land  für  ein  Beil  verkaufte,  eine  kleine,  dürftige,  höchst  komische  Figur,  mit 
ganz  runzligem,  wie  eingeschrumpftem,  kleinem  Gesicht,  aus  welchem  eine  lange,  gebogene 
Nase  hervortritt.  Ungefähres  Alter  58  Jahre.  Das  Haupt  ziert  eine  für  Papna -Verhält- 
nisse seltene  Glatze,  welche  von  spiraligen  Haarbüscheln  begrenzt  wird. 

Der  Ernährungszustand  ist  ein  massiger.  Die  Haut  zeigt  an  Stirn  B.  SO—  28,  ao 
Brust  und  Oberarm  fast  28.    Körperhöhe  1573  mm. 

Die  kleinen  Augen,  mit  horizontalen  Lidspalten,  werden  etwas  gekniffen  gehalten; 
links  besteht  totaler  Pannus. 

Kopf  massig  lang,  breit,  niedrig.    Index  78,5     Auricularindex  64,8. 

Gesicht  niedrig,  schmal  Index  79,8.  Stirn  hoch,  schräg,  voll,  mit  kräftigen 
Wülsten.    Wangenbeine  ziemlich  angelegt. 

Nase  mit  tiefer  Wurzel,  welche  sich  von  dem  gefalteten  Stirn -Augenbrauen -Wulst 
scharf  absetzt;  der  Rücken  lang,  ein  wenig  gebogen;  die  Scheidewand  durchbohrt;  die 
Flügel  breit  ausgelegt    Index  71,3. 

Lippen  voll,  vortretend,  gf»ben  dem  Profil  das  Gepräge  ausgesprochener  Prognathie. 

Zähne  schwarz  gefärbt,  gerade  gestellt. 

Am  Fuss  ist  die  zweite  Zehe  die  längste.    Linkes  Ohrläppchen  durchbohrt. 

Maske  8.  MüssSboa  $  (Nr.  31),  etwa  2Tjährig,  aus  Suam,  eine  grosse,  besondert 
kräftige,  etwas  plumpe  Erscheinung.  Körperhöhe  1614  mm.  Dichtes,  dunkelbraones 
Haupthaar;  spärlicher  Bart 

Die  Augen  von  üblicher  Farbe,  gross,  mit  langen,  ein  wenig  hängenden  nnterea 
Augenlidern.  Die  Lidspalte  ein  wenig  geschlitzt.  Neben  dem  linken  Augenlide  ein« 
flache,  narbige  Schrumpfung. 

1)  Die  eingeklammerten  Zahlen  beziehen  sich  auf  die  Nummer  des  Mess-Proiocolk. 

2)  Ein  nach  einer  photographischen  Aufnahme  des  Dr.  Hollrung  hergestellter  Licht- 
druck des  Makiri  befindet  sich  in  den  Nachrichten  über  Kaiser  Wilhelms- Land  u.  s.  w^ 
l»8y.  Heft  II. 


Beitr&ge  zur  Anthropologie  der  Papua.  213 

Kopf  knrx,  breit,  hoch.    Index  78,5.    Auricularindex  75,7. 

Gesicht  hoch,  breit,  oTal  Index  82,5.  Die  Stirn  auffallend  hoch,  mit  stark  ent- 
wickelten Augenbrauenbögen     Wangenbeine  angelegte 

Nase  mit  tiefer  Wurzel,  sehr  breitem  Bücken,  dicker  Spitze,  durchbohrter  Scheide- 
wand, wenig  abgesetzten  Flügeln.    Index  64,1. 

Lippen  toU  und  vortretend.  ' 

Die  schwarz  gefärbten  Zähne  gerade  gestellt. 

Die  Hände  breit,  mit  langen  Fingern.    Die  zweite  Zehe  ist  die  längste. 

An  der  Halbprofil -Maske  kommt  eine  Ohrdecoration,  bestehend  aus  einem  ein- 
geknüpften Hanf  bündel,  gut  zum  Ausdruck. 

Maske  4  —  14,   Typen  des  Dorfes   Ssiu. 

Maske  4.  Ssanguan  ;§  (Nr.  11),  58— 65jähriger  Häuptling  aus  Ssiu,  Vater  von  3 
erwachsenen  Söhnen:  Majom  (Nr.  32),  Labum  (Nr.  25),  Kamelun  (Nr.  12),  und  einer 
erwachsenen  Tochter:  Mätao  (Nr.  35).  Untersetztes,  für  sein  Alter  sehr  gut  genährtes, 
schuppenhäutiges  Individuum,  von  grosser  Intelligenz,  schlauem,  verschmitztem  Blick, 
lebhaften  Gestikulationen,  zu  Spässchen  geneigt.  (Die  Physiognomie  erinnert  mich  lebhaft 
an  diejenige  eines  alten  Pfarrers  meiner  Heimath.) 

Haar  rings  um  den  Kopf  geschoren,  sehr  dicht,  nur  ab  und  zu  ein  graues  Härchen 
leigend,  Broca  41— 48.  Bart  rasirt.  Körperhöhe  1618  mm.  Linkes  Ohrläppchen 
für  3  Fingerspitzen  durchbohrt 

Kopf  mit  stark  entwickelter  Prot,  occipit.  und  vorspringenden  Lin.  semicirculares. 
Index  77,7.    Auricularindex  68,7.    Stirn  breit,  hoch,  wenig  gewölbt. 

Gesicht  breit.  Haut  gerunzelt,  Augenbrauenbögen  stark  vorspringend.  Gesichts- 
index 82,9. 

Nase  dick,  mit  breiter  Spitze,  sehr  weiten  Nüstern,  flach  ausgebogenen  Flügeln. 
Septum  kurz,  nach  unten  convex.    Index  93,6  (!) 

Oberlippe  hoch,  fleischig,  wenig  vorstehend. 

Kinn  breit.    Profilwinkel  85°. 

An  dem  Gesicht  fällt  auch  auf  die  starke  Entwickelung  der  Kaumuskulatur 
(Masseteren),  welche  sich  noch  mehr  ausgesprochen  auf  seinen  Sohn  Labum 
vererbt  hat  (siehe  Maske  6). 

Hände  und  Füsse  breit,  plump. 

Maske  5.  Majom  "^  (Nr.  32),  ältester  Sohn  Ssanguan^s,  Bruder  von  Labum 
und  Kamelun  und  der  Matao  (Masken  Nr.  4,  6,  7,  8),  etwa  45 jährig,  bekannt  als  gut- 
müthiger,  aber  verschmitzter  Mensch ;  etwas  diebisch  veranlagt.  Er  ist  ein  guter  Familien- 
vater, geht  freundlich  mit  Frau  und  Kindern  um.  Mittelgrosse  Figur,  in  massigem 
Ernährungszustände.  Recht  schmutzige  Haut;  die  Finger  mit  einer  förmlichen  Schmutz- 
kruste überzogen.    Der  Kopf  ^.verlaust".    Körperhöhe  1670  mm. 

Der  Kopf  erscheint  gross  durch  einen  sehr  dichten,  grossen  Spirallöckchen- Haarfilz. 
Index  79,6.    Auricularindex  72,6. 

Das  Gesicht  desgleichen  .ziemlich  hoch  und  breit,  besonders  die  Partien  der  Unter- 
kiefer-Winkel. Im  Ganzen,  von  vom  gesehen,  eckig -Rundlich.  Index  79,6.  Im  Profil 
tritt  entschiedener  Prognathismus  hervor,  an  welchem  sich  namentlich  die  sehr  fleischige 
Oberlippe  betheiligt. 

Die  Stirn  ist  breit  und  massig  hoch,  nur  wenig  geneigt.  Die  Augenbrauenbögen 
stark  entwickelt,  setzen  sich  seitlich  auf  die  ebenfalls  mächtigen  Jochbogen  fort,  denen 
gegenüber  die  Schläfenpartien  zurücktreten. 

Die  Nase  mit  breiter  und  tiefer  Wurzel,  breitem,  gerade  verlaufendem  Rücken, 
welcher  sich  in  eine  plumpe,  knollige  Spitze  umbiegt,  an  deren  Bildung  das  durchbohrte 
und  hängende  Septum  Theil  nimmt.  Die  Flügel  sind  wenig  scharf  gegen  den  Rücken 
abg^etzt.  Die  Nüstern,  fast  quer  gestellt,  öffnen  sich  ein  wenig  nach  vom ;  aus  denselben 
ragen  dichte  Haarbüschel  heraus.    Nasenindex  64,2. 

Daa  Kinn  ist  nicht  hoch,  jedoch  breit.  Die  Lippensäume  voll  und  mehr  bräunlich- 
bUiüiclt  als  röthüch. 


214  0-  Schellono: 

Das  linke  Ohrläppchen  durchbohrt,  das  rechte  intakt,  im  Ganzen  schwach  entwickelt. 
Der  Bartwuchs  reichlich,  rasirt.  An  den  nicht  auffallend  plumpen  Zehen  überwiegt  die 
erste  an  Länge. 

Die  Augen  wenig  geöfEnet  und  wenig  hervortretend,  dunkelbraun  mit  dunkelgelbem 
Pigmentstreif.  Lidspalten  nach  oben  und  aussen  ein  wenig  divergirend  (geschlitit). 
Wimpern  am  oberen  Lid  reichlich.    Augenbrauen  spärlich. 

Maske  6.  Labum  $  (Nr.  25),  etwa  28jährig,  aus  Ssiu,  Sohn  des  Ssanguan,  Bruder 
von  Majom,  Kamelun  und  Matao  (Masken  Nr.  4,  5,  7,  8).  Mittelgrosse,  kräftige,  gerundete 
und  proportionirte  Erscheinung;  als  intelligent  und  verschlagen  bekannt  Körperhöhe 
1675  mm.  Die  Figur  weist  wohlgeformte  Brust-  und  Nacken -Partien  auf^  während 
andererseits  Fasse  (besonders  links)  und  Hände  plump  gebildet  sind.  Die  erste  Z«he 
überwiegt  um  ein  geringes  die  zweite. 

Kopf  mit  breitem  Hinterhaupt,  an  welchem  sich  mächtige  Occipitalwälste  markiren; 
sonst  anscheinend  mesocephal  und  eher  hoch  als  flach.  Index  76,5.  Auricularindex 
70,6.  Die  Stirn  von  massiger  Höhe,  breit  (113  wiw)  und  aufrecht  gestellt,  mit  markirten 
Augenbrauen-  und  Nasenbögen.  Dem  entsprechend  setzt  sich  die  Nasenwurzel  scharf  von 
der  Stirn  ab.  Die  Nase  selbst  erscheint  nicht  gross,  aber  breit  und  ziemlich  flach« 
Nasenindex  64,2.  Die  nicht  auffallend  vorstehenden  Lippen  geben  dem  Profil  den 
Ausdruck  eines  nur  massigen  Prognathismus. 

Von  vom  erscheint  das  Gesicht  breit  (Index  trotzdem  81,9).  Der  Abstand  der 
äusseren  Augenwinkel  weit,  desgleichen  die  Distanz  der  Jochbogen.  Die  Gesichtsbreit« 
gewinnt  sodann  ganz  besonders  durch  auffallend  entwickelte  Masseteren,  welche  wie 
Parotistumoren  vor  den  Ohren  lagern  (vergleiche  den  Vater  Ssanguan).  Die  Nüstern  sind 
weit  und  ein  wenig  nach  vom  geöffnet.  Der  Mund  breit,  mit  ziemlich  mächtiger  Ober- 
lippe. Das  Kinn  klein  und  angenehm  gerundet.  Das  Auge  von  der  üblichen  Beschaffen- 
heit, mit  massig  weiter,  fast  horizontal  gestellter  Lidspalte  und  schönen  Wimpern. 

Maske  7.  Kamelun  §  (Nr.  12),  ISjährig,  in  Figur  und  Physiognomie  seinem  Vater 
Ssanguan  ähnlich  (vergl.  Maske  4).  Verräth  Zutraulichkeit  und  ein  wenig  Beschränktheit, 
ist  immer  hungrig  und  träge. 

Die  Stirn  ist  hoch,  mehr  vorgewölbt,  als  bei  Ssanguan.  Auch  zurückliegende 
Schläfengegenden.  Beide  Lippen  mehr  vorstehend,  als  bei  Ssanguan.  Profilwinkel  86®. 
Augen  gross,  glänzend,  vortretend.  Lider  ganz  wenig  geschlitzt  Kamelun  zeigt  auf- 
fälliges Zurückbleiben  in  den  Maasscn  der  rechten  unteren  Extremität  (siehe  Mess-Proto- 
coll).  Körperhöhe  165o  mm,  Kopfindex  74,8,  Auricularindex  62,5,  Gesichts- 
index 80,0,  Nasenindex  72,0. 

Maske  8.  Matao  $  (Nr.  35),  die  Schwester  von  Majom,  Labum,  Kamelun,  Tochter 
Ssanguan's,  ist  mit  Sseigun  in  Ssiu  verheirathet,  hat  3  Kinder,  von  welchen  das  älteste, 
Sebque,  etwa  7jährig  ist.  Matao  ist  demnach  etwa  25j ährig,  entbehrt  jedoch  ber^^ifcj 
der  jugendlichen  Frische,  welche  sich  nur  noch  in  kräftigen  Oberschenkeln  und  breiten, 
gut  ausgelegten  und  angenehm  geformten  Hüften  zu  erkennen  giebt.  Die  Brüste  sind 
auffallend  klein,  beutelartig  und  schlaff    Der  Warzenhof  gross,  aber  wenig  scharf  abgesetzt 

Die  Schultern  sind  vergleichsweise  schmal,  besonders  gegenüber  den  breiteren 
Hüften- 

Das  Gesicht  hat  einen  gutmüthigen,  nicht  unsympathischen  Ausdruck,  bekommt  aber 
durch  kleine,  wenig  vortretende,  etwas  geschlitzte  und  kaum  einen  Wimperschmuck  auf- 
weisende Augen  einen  gewissen  Anflug  von  Blödigkeit.  Auch  die  ganze  Phjsiognomi«* 
ist  eckig  und  unschön  angelegt. 

Die  Nase  klein,  breit,  gedrückt,  mit  plumper  Spitze,  durchbohrtem  Septum,  weni^ 
scharf  abgesetzten  Flügeln,  in  toto  mit  kleinen,  dunkel  pigmentirten  Narben  besetzt  (wie 
pockennarbig)  und  dadurch  entstellt  Im  Profil  tritt  massiger  Prognathismus  hervor,  an 
welchem  beide  Lippen  gleichen  Antheil  haben. 

Das  Kinn  ist  niedrig  und  breit  Die  Gesichtsbreite  hauptsächlich  auf  Rechnung  »ehr 
starker  Masseteren  (scheint  Familien -Eigenthümlichkeit  zu  sein)  sehr  ausgesprochen. 

Der  Schädel  erscheint  ziemlich  hoch,  nicht  lang;  die  Breite  bezieht  sich  »<*hr  vor- 
wiegend auf  den  Hinterkopf.    Doch  ist  auch  die  Stimbreite  eine  ausgesprochene  ^107  mm% 


Beitr&ge  zor  Anthropologie  der  Papaa.  215 

Die  Stirn  sonst  hoch,  wenig  voll,  fast  gerade  gestellt,  mit  kräftigen  Schlafen  und 
gut  abgesetzten  Angenbranenbogen.  Gebiss  voll,  bräunlich  gefärbt,  wenig  abgenutzt. 
Linkes  Ohrläppchen  gespalten,  rechtes  durchbohrt. 

Körperhöhe  1670  m»/i. 

Kopfindex  78,6. 

Anricnlarindex  75,1. 

Gesichtsindez  71,0. 

Nasenindex  59,2. 

Maske  9.  Gingoanduo  5  (Nr.  3S),  die  etwa  45jährige  Frau  des  Majom  (Maske  5), 
stammt  aus  Ssimbang,  ist  Mutter  von  5  Kindern,  von  welchem  das  älteste  etwa  14 jährig 
(sie  wird  also  vielleicht  jünger  sein),  sieht  gealtert  und  abgenutzt  aus,  ist  in  schlechtem 
Ernährungszustände,  mit  ganz  schlaffen,  beutelartigen  Hängebrüsten,  welche  trotz  der 
scheinbar  geringen  Entwickelung  von  Milchgängen  entschieden  reichliches  Secret  liefern. 
Der  sich  nährende,  etwa  7  Monate  alte  Defter-ssaun*)  (mit  2  Schneidezähnen  unten  und 
4  oben)  sieht  frisch  und  gerundet  aus.  Gingoanduo  ist  uns  seit  lange  bekannt  als  eine 
gutmüthige,  stille  Frau,  welche  für  ihre  Angehörigen  offenbar  tiefe  Anhänglichkeit 
bekundet.  Sie  liebkost  ihren  kleinen  Säugling  mit  demselben  glücklichen  Blick,  wie  er 
bei  uns  die  beste  Mutter  auszeichnet  Als  ihr  Sohn  Ssali  zur  Beschneidung  geführt 
wurde,  war  ich  Augenzeuge,  wie  sie,  aufrichtig  bewegt,  Thränen  der  Rührung  und  der 
Bangigkeit  vergoss.  Mit  ihrem  sehr  sympathischen  Wesen,  welches  sich  durch  stete  an- 
genehme Gleichförmigkeit  auszeichnet,  contrastirt  ihre  äussere  Erscheinung. 

Das  Gesicht  ist  geradezu  hässlich  zu  nennen,  und  dieser  Eindruck  wird,  wie  es 
scheint,  besonders  hervorgerufen  durch  ein  niedriges,  etwas  zurücktretendes  Mittelgesicht, 
dem  gegenüber  die  Unterlippe  mit  Kinn  stark  vorspringt.  Im  Profil  bedingt  dieses 
Yerhältniss  ausgesprochenen  Prognathismus.  Der  Mund  wird  gekniffen  gehalten,  und  man 
vermuthet  denselben  eigentlich  zahnlos;  trotzdem  zeigt  Gingoanduo  ein  volles,  sauberes, 
weisses,  wenig  abgenutztes  Gebiss.    Körperhöhe  1538  mm. 

Hautfarbe  schmutzig -hellbraun.  Auf  Armen  und  Rücken  alte  Narben.  Hände  und 
Füsse  nicht  gross  und  plump.  (Es  ist  interessant  zu  beobachten,  dass  sich  diese,  bei  den 
Männern  fast  plump  und  massig  gestalteten  Theile  bei  den  Frauen  im  Allgemeinen 
von  gracilen,  angenehmen  Formen  zeigen.)  Zehen  annähernd  gleich  lang.  Dichtes, 
schwarzes,  spiraliges  Haar  auf  dem  kleinen,  niedrigen  und  breiten  Kopf.  Kopfindex 
79,6.  Das  ebenfalls  kleine  Gesicht  sieht  wie  geschrumpft  aus.  Kinn  und  Unterlippe  treten 
gegen  die  Oberlippe  bedeutend  vor.  Stirn  und  Schläfengegend  breit.  Die  Angenbranen- 
bogen scharf  markirt,  jedoch  nicht  massig.  (Das  Yerhältniss  tritt  auch  bei  den  anderen 
Frauen  nicht  hervor.)  Das  dunkelbraune,  kluge,  grosse  Auge  etwas  geschlitzt  (Axe  nach 
oben  und  aussen).  Kleine  Stupsnase  mit  durchbohrtem  Septum.  Nasen  index  72,1. 
Entwickelte,  schmale  Wangen;  zurücktretende  Oberlippe.  Auffallend  dünner  Hals  und 
vorspringende  Schlüsselbeine.  Linkes  Ohrläppchen  durchbohrt  und  für  einen  Finger  durch- 
gängig; rechtes  ebenfalls  durchbohrt,  jedoch  weniger  weit. 

Maske  10.  Atikio  $  (Nr.  36),  die  etwa  22jährige  Frau  des  Labum-Ssiu  (Maske  6), 
aus  Jabim  gebürtig,  Primipara,  befindet  sich  gegenwärtig  (25.  Juni  1887)  am  Ende  ihrer 
zweiten  Schwangerschaft:  der  Fundus  hat  sich  bereits  gesenkt,  Kopf  steht  fest  im  Becken- 
eingang, kleine  Theile  oben  rechts,  Steiss  oben  links,  hier  auch  Herztöne.  Bei  der  Pro- 
cedur  des  Gjpsens  stellten  sich  bereits  die  Vorwehen  ein.  Circumf.  über  dem  Nabel 
860  mm,  Ist  dann  wahrscheinlich  am  3.  Juli  niedergekommen.  Das  auffallend  hellfarbige, 
fast  weisse  männliche  Kind  wurde  von  mir  am  7.  JuÜ  (am  5.  Tage)  gesehen.  Dasselbe 
hatte  bereits  den  üblichen  Rasirstreifen  um  den  Kopf^  und  der  Rest  des  Haares  war  mit 
rötblichem  Thon  verschmiert.  Die  Mutter  sass  mit  dem  Kinde  mit  allen  übrigen  zusammen, 
als   ob   gar  nichts  vorgefallen  wäre.    Das  Kind   wurde  nach  meinem  Vater  Louis -ssaun 


1)   Deiter,  eine  Verstümmelung  von  Doctor;   ssaun  bedeutet  „klein";  also  „der  kleine 
Doctor*,  eine  mir  zu  Ehren  veranstaltete  Namenbildung.  Der  Verf. 


216  0.  Schellono: 

benannt^).  Die  Frau  ist  eine  kleine, massige  Person,  mit  sehr  breitem  Gesicht  und  wenig  weib- 
lichen Zügen;  nur  die  ganz  wohlgeformten  Hände  und  Füsse  (zweite  Zehe  die  längste) 
heben  sich  vortheilhaft  ab.  Die  Hängebrüste  mit  reichlichem  Drüsengewebe  und  dicken 
Yenennetzen.  Die  dunkelbraune  Haut  an  den  Oberarmen  und  auf  dem  ganzen  Bücken 
in  roher  Art  tättowirt,  so  zwar,  dass  etwa  1  cm  lange,  von  oben  nach  unten  geführte 
Striche  im  Abstände  von  1  — P/i  cm  von  einander  symmetrische  Figuren  bilden.  Der 
verhältnissmässig  grosse,  runde  Kopf  ruht  auf  dünnem,  niedrigem  Halse.  Merkwürdig  ist 
die  sehr  dichte  Behaarung  des  Kopfes,  welche  auch  die  Schläfen  überzieht.  Der  Schädel 
erscheint  im  Ganzen  niedrig,  mit  breitem  Hinterhaupt.  Auch  die  Stirn  ist  breit,  ziemlich  gerade, 
mit  vollen  Augenbrauenbogen.  Hervorragend  ist  die  Breite  der  Jochbogen,  denen  ge<?en- 
über  die  Yerschmälerung  des  Unterkiefers  nach  dem  Kinn  zu  eine  besonders  auffallende 
wird.  Die  Lippen  sind  massig  voll  und  treten  nicht  auffallend,  aber  deutlich  hervor.  Die 
Nase  hebt  an  mit  sehr  breiter  Wurzel,  ist  auch  weiterhin  breit  und  flach.  Die  dunkel- 
braunen,  klugen,  glänzenden,  doch  etwas  geschlitzten  Augen  sind  noch  der  beste  Theil 
der  Physiognomie. 

Körperhöhe  1660  mm. 

Kopfindex  75,5. 

Auricularindex  73,8. 

Gesichtsindex  76,9. 

Nasenindex  78,2. 

Maske  11.  Kaualuo  $  (Nr.  37),  die  junge,  etwa  17jährige  Frau  Kamelun^s  (Maske  7), 
des  jüngsten  Sohnes  Ssanguan^s.  Eine  reizende,  kleine  Erscheinung,  ganz  virginal,  mit 
einem  klugen,  freundlichen,  unschuldigen  Puppengesicht,  ziemlich  wohlgebildeten  Händen, 
etwas  zu  grossen  Füssen,  an  welchen  der  Zwischenraum  zwischen  der  ersten  und  zweiten 
Zehe  auffallend  weit  erscheint.  Ist  vor  einigen  Monaten  von  Kamelun  ans  ihrem  Heimaths* 
dorfe  Bussum  entführt,  war  dann  für  kurze  Zeit  nach  Poum,  schliesslich  zu  den  Ver- 
wandten des  Mannes  nach  Ssiu  gegangen,  mit  welchen  sie  gegenwärtig  die  Häuslichkeit 
theilt.  Die  ganze  kleine,  elastische  Figur  ist  proportionirt  angelegt  und  von  einer  gewissen 
angenehmen  Gracilität,  welche  besonders  dem  runden,  mit  einem  Stupsnäschen  versehenen 
klugen  und  lebhaften  Gesicht  eigen  ist.  Das  Haar  ist  mit  rothem,  glänzendem  Thon  zn 
kleinen,  rundlichen  Klümpchen  verbacken.  Die  Haut  hat  die  hellere  Nuance  des  nliniong, 
ist  von  tadelloser  Glätte  und  Reinheit  (ein  Yerhältniss,  welches  sich  sogar  an  der  Maske 
wiedergiebt) ;  die  Büste  könnte  etwas  vollendeter  gedacht  werden.  Die  Brüste  sind  kuglig, 
stehend,  straff,  mit  dunklerem,  scharf  abgesetztem,  entsprechend  grossem  Warzenhof,  an 
welchem  die  Montgomery 'sehen  Drüsen  auffallend  entwickelt  sind,  und  ganz  kleinen,  rund- 
lichen Mamillen,  welche  nach  aussen  divergiren.  Der  Schädel  erscheint  vergleichsweise  lang, 
breit,  niedrig.  Das  rundliche  Gesicht  ist  im  Ganzen  fein  geschnitten:  es  fehlen  an  dem- 
selben die  massigen  Augenbrauenbogen,  sowie  die  bedeutenden  Breitenmaasse  der  Jorh- 
bogen  und  des  Unterkiefers.  Die  Stirn  ist  wenig  geneigt,  gerundet,  voll;  die  Schläfen 
nicht  angelegt  Das  dunkelbraune,  glänzende,  lebhafte,  hervortretende  Auge  gewinnt 
durch  reiche  Wimpern  und  Augenbrauen.  Das  Profil  ist  gering  prognath,  mit  wenig  vor- 
tretenden Lippen  und  niedlich  gerundetem  Kinn.  Die  Nase  ist  der  schlechteste  Theil 
der  Physiognomie:  breit,  etwas  aufgeworfen,  mit  gut  abgesetzten  Flügeln,  die  Nüstern 
nach  vom  geöffnet,  die  Scheidewand  durchbohrt.  Zähne  tadellos,  blendend  weiss.  Ohren 
klein  und  wohlgeformt. 

Körperhöhe  1438  mm. 

Kopfindex  74,0. 

Auricularindex  65,0. 

Gesichtsindex  88,1. 

Nasenindex  58,3. 

Maske  12.    Gilao$  (Nr.  34),  verheirathete  Frau,  gebürtig  aus  Bussum,  wohnt  jetxt 
in  Ssiu,   etwa  35 jährig,   mit  einem   sehr   unsauber   gehaltenen,   vollständig  mit  Wanden 


1)  Siehe  Näheres  hierüber  di*»se  Zeitschrift  1888:  üeber  Familienleben  und  Gebräuche 
u.  s.  w. 


Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papua.  217 

bedeckten,  henintergekommenen  S&ugling  an  der  Brust.  Die  Frau  ist  von  kleiner,  pro- 
portionirter  Figur,  wohlgenährt,  etwas  schmalbrüstig,  mit  entsprechend  grossen,  ganz  edel 
geformten  Händen  und  Füssen,  an  welchen  die  erste  Zehe  überwiegt  Fällt  angenehm 
auf  durch  einen  edlen,  ernsten,  klugen  Gesichtsausdruck.  Das  Oval  des  Kopfes,  mit 
dichtem,  dunkelbraunem  Spiralhaar,  trägt  einen  abweichenden,  an  den  ägyptischen  und 
jüdischen  Typus  sich  anlehnenden  Charakter.  Der  Hinterkopf  zeigt  sich  besonders  hoch 
und  breit  entwickelt.  Die  Stirn  ist  verhältnissmässig  schmal,  niedrig  und  auffallend 
gerade  gestellt.  Die  Augenbrauenbogen,  wohl  markirt,  ohne  massig  zu  sein,  tragen 
weichen,  dunklen  Haarwuchs.    Desgleichen  finden  sich  reichliche  Augenwimpern. 

Das  Gesicht,  im  wesentlichen  oval,  würde  das  in  noch  erhöhterem  Maasse  sein,  wenn 
nicht  auffallend  entwickelte  Masseteren  die  Partien  der  Ohrgegond  verbreiterten.  Das 
kaum  prognathe  Profil  wird  ausgezeichnet  durch  eine  lange,  gerade  verlaufende  Nase, 
wenig  vorspringende,  etwas  volle  Lippen,  ein  angenehm  gerundetes  Kinn.  Durchbohrtes 
Septum.  Die  Brüste  sind  hängend  und  lang,  beutelartig,  die  linke,  mehr  entwickelte  um 
8,5  cm  tiefer  stehend;  die  Warzen  cylindrisch,  stehend,  werden  von  einem  grossen,  nicht 
auffallend  dunkel  pigmentirten  Warzenhof  umgeben.  Die  Berührungsfiächen  von  Mammae 
und  Thoraxfläche  sind,  wie  stets,  heller  gefärbt.  Linkes  Ohrläppchen  für  eine  Fingerspitze 
durchbohrt. 

Körperhöhe  1545  771m. 

Kopfindex  75,7. 

Auricular index  72,2. 

Gesichtsindex  88,0. 

Nasen  index  52,6. 

Maske  18.  Seigun  J  (Nr  16),  etwa  38 jährig,  mit  Matao  (Maske  8)  verheirathet ; 
schön  gewachsener,  bescheiden  blickender  Mann  mit  eckigen  Gesichtsformen.  Haupthaar 
mit  dem  üblichen  Rasirstreif.    Auch  die  Augenbrauen  rasirt     Körperhöhe  1627  fw;n. 

Es  fällt  auf:  ein  raesocephaler  Schädel  (Index  75,7)  mit  stark  entwickeltem  Proc. 
mastoid ,  hohe,  breite  Stirn,  vorspringende  Supraorbitalbogen,  wohlgebildete,  etwas  dicke 
Nase  (Index  78,0);  wohlgeformter,  etwas  breiter  Mund,  schmaler  Unterkiefer;  etwas  zurück- 
liegende, matt  und  träumerisch  blickende,  massig  weite  Augen  mit  Pigmentstreif,  brauner 
Iris  und  starkem,  bläulich -schwarzem  Corneo-Scleralring;  Wimpern  gleichmässig,  schön 
gewölbt  und  dicht.     Profilwinkel  86°.    Auricularindei  64,2;   Gesichtsindex  79,8. 

Maske  14.  Boägga  J  (Nr.  27),  kleiner  (1565  mm),  ältlicher,  45— 50 jähriger, 
hagerer  Junggeselle  aus  Ssiu,  Schwager  Ssanguan^s,  Onkel  Labum^s,  mit  abfallenden, 
schmalen  Schultern  und  schmaler  Brust,  dünnen  Waden,  augenscheinlich  der  gutmüthigste 
seines  Geschlechts.  Der  kleine  Kopf,  mit  etwas  verwitterten  Gesichtszügen,  gewinnt  durch 
eine  Doppelglatze,  welcher  sich  nach  hinten  zu  eine  mächtige,  nach  hinten  gekämmte 
Haarfrisur  (Pobella)  anschliesst^  fast  ein  komisches  Aussehen.  Kopfindex  80,9.  Stirn 
sehr  breit  und  hoch,  ein  wenig  zurückliegend.  Der  Höhe  nach  erscheint  der  Schädel  flach. 
Auricnlarindex  70,8.  Das  Gesicht  wird  von  einem  dichten,  kurz  gehaltenen,  gekräu- 
selten Bart  umrahmt  Es  markiren  sich  scharf  die  Supraorbital-  und  Jochbogen.  Das  Profil 
ist  bis  zur  Oberlippe  prognath,  während  das  kleine  Kinn  zurücktritt.  Gesichtsindex  79,3. 
Das  Auge  nicht  gross,  klug,  freundlich  blickend.  Diö  Nase  ist  auffallenderweise 
nicht  durchbohrt,  sie  ist  sonst  kurz  und  breit  und  zeigt  eine  breite,  aber  wohlmarkirtc 
(besser  markirt,  als  bei  durchbohrtem  Septum)  Spitze.  Nasenindex  übrigens  ebenfalls 
sehr  hoch,  74,8.  Der  Mund  nicht  gross,  gekniffen.  Das  Lippenroth  unterscheidet  sich 
kaum  von  der  Hautfarbe,  spielt  eher  in's  Bläuliche,  als  in's  Röthliche. 

Maske  15.  Ssabiam  $  (Nr.  1),  etwa  26 jähriger,  dürftig  genährter,  gutmüthiger 
Mann  aus  Ssuam.  Die  unsaubere  Haut  auf  Brust  B  42—48,  am  Gesicht  B.  28— 30,  an 
den  Handflächen  29—80.  Die  Nase  mit  durchbohrtem  Septum  ist  klein,  gedrückt.  Das 
reichliche  Haar  rings  um  den  Kopf  rasirt.  An  der  hohen  Stirn  sind  die  Supraorbitalbogen 
stark  entwickelt.  Kieferstellnng  gering  prognath.  Mund  und  Lippen  nicht  vorstehend. 
Kinn  mit  Grübchen. 


218  Ö.  SCHELLOMO: 

Körperhöhe  158B  mm. 
Kopfindex  73,6. 
Auricularindex  71,5. 
Gesichtsindex  83,2. 
Nasenindex  63,3. 

Masken  16 — 20.    Jugendliche  Typen. 

Maske  16.  Nagai(^  (Nr.  24),  etwa  19 jährig,  ans  Suam,  Leihsklave*)  Makiri^s  (^£i 
kak^dang  Makiri**?),  wurde  von  uns  Meyer  genannt  wegen  seiner  frappanten  jüdischen 
Physiognomie;  uliniong  (d.  i.  hellbraun),  mittelgross  (1590  mm),  gut  genährt,  mit  etwas 
schmalen  Schultern  und  flacher  Brust.  In  seinem  Profil  tritt  auffallender  Lippen- 
prognathismus  (besonders  Oberlippe)  und  eine  lange,  gebogene  Nase  zu  Tage.  Der  Kopf 
ist  im  Ganzen  klein.  Der  Schädel  mit  breiter,  gut  gewölbter  Stirn,  sonst  anscheinend 
mesocephal  und  etwas  flach  (Kopfindex  74,9,  Auricularindex  64,7).  Gesicht  chamae- 
prosop,  Index  80,6.  Das  braune  Auge  mit  lebhaftem,  schlauem,  falschem  Ausdruck.  Das 
Septum  der  Nase  durchbohrt  und  mit  Nasenstift  versehen,  zugleich  herabgesunken;  die 
Spitze  kolbig,  nach  unten  hängend;  die  Nasenflügel  wie  plattgedrückt;  Index  59,6.  Nie- 
driger, dünner  Hals.  Breite  Hände,  colossale  Füsse  (besonders  links).  Schlechte  Waden, 
geringe  X- Beinstellung. 

Maske  17.  Bümtau$  (Nr.  23),  etwa  20 jährig,  aus  Ssimbang,  sympathische,  jugend- 
liche Erscheinung,  gut  genährt,  von  im  Ganzen  proportionirten  Körperformen,  bis  auf  eine 
etwas  flache  Schlüsselbeingegend.  Grosse  Hände  und  Füsse,  an  welchen  letzteren  die  grosse 
Zehe  die  zweite  überragt.  Der  linke  Fuss  ist  breiter,  als  der  rechte.  Kopf  rund.  Das 
Gesicht  mit  nur  massigem  Prognathismus;  volle  Lippen,  welche  über  ein  niedriges,  gerun- 
detes Kinn  hervorstehen.  Stirn  sehr  breit;  massige  Augenbrauenwülste;  tiefe  NasenwuneL 
Nase  nicht  gerade  gross,  jedoch  breit  und  plump,  Stift  im  Septum.  Das  Auge  mit  dunkel- 
brauner, fast  schwarzer  Iris,  klug,  glänzend,  offen.  Die  kurz  gehaltene  Spirallöckchen- 
Perrücke  ist  sehr  dicht  und  giebt  bei  der  Betastung  das  ächte  Matratzen -GefühL 

Körperhöhe  1694  mm. 

Kopfindex  77,8. 

Auricularindex  71,4. 

Gesichtsindex  79,3. 

Nasenindex  78,2. 

Maske  18.  KaissSgong  $  (Nr.  10),  etwa  21jährig,  aus  Suam,  zeigt  Atrophie  der 
ganzen  rechten  Unterextremität,  schuppenhäutig,  schmutzig,  in  schlechter  Emähnmg. 
Kleine  Figur,  kleiner,  flacher  Kopf  mit  niedrigem,  breitem,  rundlichem  Gesicht,  kurzem 
Kinn.  Geringer  Prognathismus.  Mund  nicht  gross.  Lippen  nicht  wulstig.  Die  Nase 
nicht  allzu  plump,  entstellt  durch  durchbohrtes,  herabhängendes  Septum  und  weite  Nüstern. 
.\ugen  dunkelbraun,  glänzend,  weit;  auffallend  breiter  Pigmentstreif  am  Bulbus;  Höhlen 
tief.  Stirn  gerade,  in  gut  gewölbte  seitliche  Schläfenpartien  übergehend.  Hals  niedrig 
und  schlank. 

Körperhöhe  1560  mm. 

Kopfindex  79,6 

Auricularindex  65,7. 

Gesichtsindex  78,1. 

Nasenindex  68,6. 

Maske  10.  Ssl^ss^ngö  $  (Nr.  28),  etwa  17 jährig,  aus  Suam,  eine  der  angenehmst«« 
jugendlichen  Erscheinungen,  sieht  stets  anständig  aus  und  beträgt  sich  beischeidea. 
Körperformen  nicht  plnmp,  wohlproportionirt  Körperhöhe  1616  mm.  Das  Gefacht,  im 
(Ganzen  fein  geschnitten,  zeigt  im  Profil  nur  massigen  Prognathismus;  Nasenrücken  leicht 
gebogen;  wenig  vorspringende  Lippen.    Kopfindex  78,3;  Auricularindex  66,3.    Nasen- 

1)  Soweit  man  sich  dieses  Ausdruckes  überhaupt  bedienen  darf.  In  Wirklirkkeit 
«'xistirt  bei  den  Papua  keine  mit  den  afrikanischen  Verhältnissen  etwa  zu  v«rgleicb«adc 
Sklaverei. 


BeitrSge  zur  Anthropologie  der  Papua.  219 

I 

septnm  dorehbohrt;,  die  Spitze  deshalb  hängend,  Flügel  aber  nicht  breit.    Nasenindex  56,1. 
Wangen  auffallend  schmal.    Das  Kinn  mit  kleinem  Grübchen.    Gesichtsindex  79,1. 

Maske  20.  DstätÖng  $  (Nr.  7),  etwa  15 jähriger,  intelligenter  Junge  von  kräftigem 
Körperbau.  Körperhöhe  1568  mm.  Beide  Ohiläppchen  weit  durchbohrt;  an  dem  rechten 
ein  häufig  vorkommender  Schmuck,  bestehend  aus  kättam  (Cocosnussblatt),  ssalassä 
(Schildpattringe),  djöko  (kleiner  Ring  aus  rothem  Flechtwerk),  kekum  (Perlenschnur). 
Im  Haar  ein  7  zinkiger  Haarpfeil  (ssüpoa).  Haar  mittelkurz  gehalten.  Es  fällt  sonst  auf: 
breite  Nase  mit  grossen  Nüstern,  Pigmentstreif  am  Bulbus,  massiger  Prognathismus,  breiter 
Mund  mit  vorstehenden  Lippen  (besonders  Oberlippe),  geschwollene  Brustdrüsen  (Pubertät), 
schöne  Brust,  gerundete  Schultern,  massige  X- Beinstellung. 

Kopfindex  76,3. 

Auricularindex  71,4. 

Gesichtsindex  84,6. 

Nasenindex  73,0. 


Maske  21.  Jäpöa  J  (Nr.  26),  etwa  40jähriger,  mittelgrosser  (1556  mm),  stark- 
knochiger, x-beiniger,  ungelenker  Mann  aus  Ssimbang,  mit  colossalen  Füssen  (Länge 
280  mm.  Breite  114  mm) ,  gut  genährt,  gewährt  einen  gutmüthigen,  heiteren  Gesichts- 
ausdruck. Das  Haar  ist  zu  einer  langzottigen,  mit  rothem  Thon  verbackenen  Perrücke 
(Pobella)  geordnet,  deren  einzelne  Strähne  10  cm  lange  Spiralen  bilden.  Im  übrigen  fehlt 
nicht  der  übliche  Rasirstreif  rings  um  den  Kopf.  Beide  Ohrläppchen  sind  weit  durch- 
bohrt, das  rechte  Läppchen  durchschnitten,  so  dass  ein  hinterer  zeigefingerlanger  und  ein 
vorderer  kürzerer,  nur  1  Zoll  langer  Zipfel  davon  zurückgeblieben  sind.  Bartwuchs  sehr 
reichlich,  rasirt. 

Die  Physiognomie  erscheint  eckig.  Stirn  im  Profil  hoch  und  gerade  gestellt.  Die 
Augenbrauenbogen  und  der  nasale  Stimhöcker  (Proc.  nasal,  des  Stirnbeins)  zu  einem 
Wulst  von  grosser  Mächtigkeit  vereinigt.  Die  Nase  setzt  sich  mit  tiefer  Wurzel  ab,  zeigt 
einen  ungewöhnlich  gekrümmten  Rücken  mit  langer,  hängender  Spitze,  durchbohrtem 
Septum,  breiten,  scharf  gegen  den  Rücken  abgesetzten  Flügeln.  Zwei  mächtige  Falten 
ziehen  von  hier  in  die  Mundwinkel -Gegend  herab.  Der  Prognathismus  im  Ganzen  recht 
ausgesprochen;  an  demselben  betheiligen  sich  auch  Unterlippe  und  Kinn.  Die  Jochbogen 
sind  scharf  markirt;  die  Schläfengegenden  treten  diesen  gegenüber  stark  zurück. 

Kopfindex  74,7. 

Auricularindex  74,1. 

Gesichtsindex  83,2. 

Nasenindex  63,1. 

Maske  22.  Dtangäbi  J  (Nr.  17),  etwa  SOjUhrig,  aus  Bussum,  ein  hübsch  gewach- 
sener, mittelgrosser  Mensch  mit  runden  Körperfornien,  ganz  besonders  gut  entwickelter 
Brost  und  Schultern;  er  sieht  ausgesprochen  jüdisch  aus  und  hat  einen  klugen,  ver- 
schmitzten Blick.  Er  ist  in  Trauertracht:  schwarze,  geflochtene  Stricke  um  den  Hals  in 
mehreren,  überfingerdicken  Lagen,  nach  vom  und  hinten,  über  den  Rücken  weg,  in 
Quasten  auslaufend,  daneben  ein  Trauerturban  auf  dem  Haupte,  das  ganze  Haar  einhüllend, 
welches  er  sich  scheut  zu  entblössen.  Die  Trauer  gilt  seiner  verstorbenen  Frau.  Dieser 
Mann  weicht  in  mancher  Hinsicht  von  dem  Rassentypus  ab.  Das  Gesicht  angenehm  rund- 
lich, mehr  hoch  als  breit.  Nase  mit  langem,  gerade  verlaufendem  Rücken;  Flügel  gut 
ausgelegt;  Septum  durchbohrt.  Mund  nicht  gross,  mit  gewulsteten,  doch  wenig  vor- 
stehenden Lippen.  Hände  und  Füsse,  wohl  gebildet  und  entsprechend  gross,  zeigen  nichts 
von  Plumpheit.  Ohren  klein,  linkes  Läppchen  durchbohrt.  Trägt  kleinen  Kinn-  und 
Schnurrbart  Körperhöhe  1584 mm,  Kopfindex  T7,o,  Auricularindex  64,3,  Gesichts- 
index 78,7,  Nasenindex  61,8. 

Maske  22a.  Jauälu  J  (Nr.  5),  ein  gutmüthiger,  sehr  dummer  Mensch,  etwa 
SOjihrig,  über  welchen  ein  Aufoahme-Protocoll  fehlt.  Janalu  war  der  erste  Jabim-Mann, 
welcher  gegypst  wurde.  Kopfindex  77,1,  Auricularindex  71,2,  Gesichtsindox  82,2, 
Naienindex  67,8. 


220  0.  Schellono: 

Maske  22b.  Möjam^  (Nr.  18),  etwa  82j&hrig,  gut  aussehender,  mittelgrosser  Mann 
aus  Gingala,  mit  grossen  Händen  und  Füssen,  starklmochig,  gut  genährt  Körperhöhe 
1628  i/im.  Hautfarbe:  Stirn  B.  30,  Wangen  desgleichen,  Brust  B.  29—80,  Oberarm  aussen 
B.  29 — 80,  innen  B.  30  — 33.  Tättowirungen  auf  den  Delta -Muskeln  und  über  den  ganxen 
Rücken  hin,  kleine,  centimeterlange,  längsgestellte,  in  Querreihen  angeordnet«  Ritze. 
Auge  dunkelbraun,  mit  Pigmentstreif,  lange,  horizontale  Lidspalt«.  Haar  schwarz,  B.  48, 
spiralgelockt  Bart  spärlich.  Sonstiges  Körperhaar  reichlich.  Kopf  niedrig,  Index  78,1. 
Auricularindex  65,6.  Gesicht  rundlich -breit,  Index  85,0.  Stirn  massig  breit,  gut 
gewölbt,  mit  stark  markirten  Orbitalbogen ;  zurücktretende  Schläfengegenden.  Stark  hervor- 
tretende Wangenbeine  und  Jochbogen  Nase  mit  tiefer,  breiter  Wurzel,  breitem,  flachem 
Rücken,  kurzem,  durchbohrtem,  nach  unten  hängendem  Septum,  unförmig  plumper  Spitze, 
weiten,  nach  vom  sich  öf&ienden  Nüstern,  schmalen,  rundlich  ausgelegten  Flügeln. 
Index  68,5.  Mund  weit,  mit  wulstigen  Lippen.  Unterkiefer  und  Kinn  breit.  Wangen 
wenig  eingezogen  Ohren  gut  geformt,  klein;  linkes  Läppchen  durchbohrt.  Gebiss  toU- 
ständig.  Zähne  massig,  opak.  Lippenschleimhaut  und  Zahnfleisch  blassrosa- bläulich,  mit 
braunen  Pigmentflecken.  Zunge  schön  rosafarben.  Waden  massig  entwickelt  Die  grosse 
Zehe  überragt  ganz  wenig  die  zweite. 

b)   Bergdistrikt  Kai. 

Die  Masken23 — 27  stellen  Typen  dar,  welche  dem  Kai -Stamme  angehören.  Die^r 
Volksstamm  wohnt  der  Jabim- Bevölkerung  Finschhafens  benachbart.  Ihre  Dörfer  siiid 
verstreut  auf  den  einzelnen  Bergrücken  und  ebenso  dürftig  und  elend,  vne  die  Leute 
selbst^  welche  eine  von  der  Jabim -Sprache  abweichende  und  von  dieser  durch  besondere 
Laute,  wie  es  scheint,  gänzlich  unterschiedene  Sprache  sprechen^). 

Maske  23.  Kopal  $  (Nr.  38),  aus  Anduh  TschTgga,  einer  Bergsiedelung  in  der  Näh« 
des  Dorfes  Bussum.  Dieser  Mann,  etwa  42jährig,  wurde  daselbst  Ostern  1886  Ton  mir 
und  einigen  Freunden  zuerst  angetroffen.  Er  und  eine  ältere  Frau  geriethen  in  die 
höchste  Bestürzung,  als  sie  uns  kommen  sahen;  sie  liefen  davon  und  schrieen  vor  Angst,  als 
ob  ihr  letztes  Stündlein  gekommen  wäre.  Späterhin  befreundeten  wir  uns  mit  dem  Manne; 
er  besuchte  uns  ab  und  zu  auf  der  Station,  und  zwar  jedesmal  mit  den  offenbarsten 
Handelsabsichten.  Seine  Physiognomie  interessirte  mich  vom  ersten  Augenblicke  an  wegen 
einer  geradezu  frappanten  Aehnlichkeit  mit  einem  mir  bekannten  Professor.  Kopal  hat  einen 
stets  ernsten,  etwas  scheuen,  bisweilen  verlegenen  Blick.  Der  Mund  wird  eigenthümHch 
gekniffen  gehalten.  Die  Gesichtszüge  sind  im  Ganzen  markirt,  das  Kinn  eckig.  Besonders 
auffallend  ist  eine  sehr  hohe  Stirn  und  massige  Augenbrauenbogen,  welche  eine  tiefe 
Nasenwurzel  bedingen.  Die  Nase  ist  besonders  nach  der  Spitze  zu  sehr  plump  und  hat 
weite,  nach  vom  geöffnete  Nüstern.  Die  Oberlippe  ist  voll  und  fleischig  bei  verj^eichsweise 
schmalem  Lippenroth.  Die  etwas  hohlen  Wangen  sind  von  ausgeprägten  Nasolabial- Falten 
durchfurcht.  Im  Profll  zeigt  sich  massiger  Prognathismus.  Kopal  versuchte  während 
der  Maskenentnahme  zu  sprechen  und  zerbrach  dabei  das  Kinn.  Körperhöhe  1554 
Kopfindex  72,1,  Auricularindex  f>8,9,   Gesichtsindex  85,6,  Nasenindex  79,9. 


Maske  24.  Gamtei  $  (Nr.  «^9),  etwa  45jährig,  aus  Kamumbang,  einem  Dorfe 
linken  Ufer  des  Bumi,  ist  interessant  wegen  seiner  jüdischen  Physiognomie.  Die  Naae  ist 
lang,  etwas  gekrümmt,  nicht  besonders  scharf  abgesetzt  Das  Kinn  erscheint  in  Fol^ 
eines  Zickelbartes  lang  und  vortretend,  in  Wirklichkeit  tritt  dasselbe  etwas  zurück.  BresUr 
Mund  mit  vorstehender  wulstiger  Unterlippe.  Sehr  breite  Stirn  und  voUe  Schläfern. 
Körperhöhe  1577  mm,  Kopfindex  80,9,  Auricularindex  68,5,  Gesichtsindez  76,0, 
Nasenindez  60,0. 


1)  Auch  zu  der  Zeit,  als  ich  Finschhafen  verliess  (1888),  war  die  Kenntnis«  über  «S« 
Kai -Bevölkerung  noch  sehr  mangelhaft;  es  war  damals  noch  nicht  im  Entferntesten  nthtr 
gestellt,  wie  weit  landeinwärts  der  Kai -Stamm  oder  eine  Bevölkerung  ftb«rhAnpt  a»- 
zutreffen  seien.  Ich  persönlich  hatte  den  Eindruck,  als  ob  weiter  landeinwärts  too  Fbudi- 
hafen  Menichen  überhaupt  nicht  wohnten. 


Beiträge  znr  Anthropologie  der  Papua.  221 

Maske  25.  ßikäan$  (Nr.  40),  ebenfalls  ans  Kamumbang,  ein  Mann,  dessen  Alter 
sehr  schwer  zn  schätzen  ist.  Das  liegt  wohl  besonders  an  der  Aosdruckslosigkeit  der 
Physiognomie.  Nach  der  Beschaffenheit  der  abgenutzten,  zum  Theil  wackeligen  Zähne 
zu  nrtheilen,  kann  sein  Alter  auf  wenigstens  45  Jahre  geschätzt  werden.  B.  ist  die  reine 
Jammerfigur;  er  blickt  theilnahmslos,  stumpfsinnig,  weinerlich  vor  sich  hin.  Das  Gesicht 
ist  klein  und  eckig.  Im  Profil  tritt  ausgesprochener  Prognathismus  hervor.  Es  fallen 
sonst  auf  riesige  Augenbrauenbogen,  tiefe  Augenhöhlen,  kräftige  Masseteren,  welche  das 
Gesicht  stark  verbreitem.  Körperhöhe  1607  mm,  Kopfindex  74,7,  Auricularindez 
68,7,  Gesichtsindex  82,7,  Nasenindex  62,7. 

Maske  26.  Kai  $,  28jährig.  —  Maske  27.  Halem  $,  34jährig.  Beide  stammen 
aus  Limmin,  einem  Kai-Doife,  über  dessen  Lage  mir  weiter  nichts  bekannt  wurde.  Kleine, 
gedrungene  Figuren.  Kai,  von  jüdischem  Zuschnitt,  mit  breitem,  grinsendem  Munde, 
zeichnet  sich  aus  durch  sehr  kräftigen  Wuchs  der  Augenbrauen.  Er  ist  mit  dem  obo 
(Basttuch),  welches  er  um  die  Stirn  trägt,  gegypst  worden.  —  Halem  mit  hoher,  flacher 
Stirn  (welche  um  IVt  Finger  höher  zu  denken  ist,  als  auf  der  Maske),  rundem  Gesicht, 
gutmfithlgen  Zügen,  bäuerlich  angehaucht  Der  kurze  Hals  ist  an  seiner  vorderen  Fläche 
bis  zur  Insicura  interclavicularis  mit  abgedrückt. 

c)  Tami-Inseln. 

Die  Inseln  sind  identisch  mit  den  Inseln  am  Cap  Cretin  bei  Finsch- 
hafen.  Die  Bevölkerung  weicht  in  der  Sprache  und  in  mancher  anderen 
Hinsicht  von  der  Jabim  Bevölkerung  ab.  Zur  Orientirung  empfiehlt  sich 
ein  sehr  hübsch  geschriebener  Aufsatz  von  Hauptmann  D  reger  (Tägl. 
Rundschau  1888.  Nr.  148  IT.). 

Maske  28.  Djeledja  $,  etwa  14jährig,  Sohn  des  Alügi  aus  Tami,  ein  hübscher, 
intelligenter  Junge  von  etwas  jüdischem  Schnitt  Blendendes  Gebiss.  Das  Haar  nicht 
eigentlich  spirallockig,  sondern  straff  bündelig.  An  der  Maske  fehlt  ein  Stück  Hals;  da- 
gegen kommt  gut  zum  Ausdruck  das  rechte  Ohr  mit  durchbohrtem  Läppchen  und  baninga 
(BöUchen)  darin,  desgleichen  die  Nase,  auch  Augenbrauen  und  etwas  Kopfhaar. 

Maske  29.  Modiämo  $  (Nr.  66),  etwa  27 jährig,  mittelgross  (1661  mm),  mit  gerun- 
deten, ebenmässigen  Formen,  schönen  Schultern  und  Rücken,  kleinen  Händen  und  Füssen. 
Reiches,  ausgekämmtes  Spirallöckchen-Haar  auf  kleinem,  rundem  Kopf  mit  gut  gewölbter 
Stirn.  Beide  Ohrläppchen  durchbohrt,  das  linke  wie  ein  Gummilatz  über  die  Ohrmuschel 
geknüpft  (so  gegypst).  Grosse,  gute,  kluge,  vortretende,  glänzende,  dunkelbraune  Augen 
mit  grossen  Lidern  und  Pigmentstreif.  Kleiner,  wenig  vorstehender  Mund  Kleines,  rundes 
Kinn.  Grosse,  ein  wenig  gebogene  Nase  mit  dicker  Spitze,  durchbohrtem  Septum,  schön 
ausgelegten  Flügehi,  im  Ganzen  wohlgeformt.    Indices:  a)  79,5,  b)  68,1,  c)  91,6,  d)  67,1. 

Maske  30.  Guämbü  $  (Nr.  68),  etwa  28jährig,  typischer  Tami-Mann.  Haar  aus- 
gekämmt Ohrläppchen  beiderseits  durchbohrt  und  gespalten  (das  rechte  ist  in  2  Zipfel 
gespalten  und  so  gegypst .  Tättowirungen  auf  dem  Rücken,  strichförmig  in  Parallelreihen. 
Kopf  rund,  hoch,  schmal  (Index  73,1),  Auricularindez  63,6  (die  Kopfhöhe  also  wohl 
durch  die  Frisur  vorgetäuscht!).  Schläfen  zurücktretend,  Stirn  hoch,  Augenbrauenbogen 
'markirt.  Gesicht,  beiderseits  durch  Parotis -Geschwülste  verbreitert,  ist  sonst  schmal, 
besonders  die  Wangen  (Gesichtsindex  93,0).  Nase  nicht  gross,  dick,  mit  sich  nach 
der  Spitze  zu  verbreiterndem  Rücken,  massig  grossem  Septum,  gut  ausgelegten  Flügeln, 
Index  52,7.  Mund  nicht  gross,  Lippen  ein  wenig  vorstehend.  Augen  mit  Pigmentstreif. 
Körperhöhe  1630  mm. 

Maske  81.  SsekSbö  $  (Nr.  60),  etwa  26 jährig,  hübscher,  wohlgewachsener  Mensch 
von  ebenmässigen  Proportionen,  besonders  gut  entwickelter  Brust  und  Schultern.  Der 
Kopf  mit  hober,  dichter  Spirallöckchen- Perrücke,  welche  demselben  ein  kugelrundes  Aus- 
sehen giebt    Stirn  hoch,  gewölbt,  breit    Gesicht  angenehm  gerundet^  nicht  breit  (Index 

SMtocIirift  für  Bthnologle.    Jabrg.  1891.  16 


222  ^'  SOHBLLONG: 

90,2!).  Augenbrauenbogen  stark  ausgebildet.  Augen  etwas  Terschwonunen,  braun,  mit 
Pigmentstreif.  Bartwuchs  fehlt.  Nase  mit  dicker  Spitze  und  nach  unten  gewölbtem 
(durchbohrtem)  Septum,  Flügel  und  Nüstern  von  angenehmen  Dimensionen;  Nasenindex 
72,2.  Mund  mit  etwas  hoher  Oberlippe.  Beide  Lippen  gering  vortretend.  Hände  und 
Füsse  wohlgeformt.    Körperhöhe  1638min,  Kopfindex  79,2,  Auricularindex  67,7. 

n.  Inselgruppe  Nen-Laiieiibiirg  (Dnke  of  York). 

Maske  82.  Tagänu  J  (Nr.  65),  etwa  32 jährig,  von  der  kleinen  Insel  ütuen,  ein 
gutmüthiger,  intelligenter  Mann  von  1557  mm  Körperhöhe.  Hautfarbe  gleichm&ssig  dunkel- 
braun, im  Gesicht  etwas  heller,  B.  29— 30,  sonst  zwischen  B.  28— 29— 80  gelegen»). 
Haar  ausgesprochen  spirallockig,  durch  Kalk  entf&rbt  Der  Contour  de«  Gesichts  wird 
von  einem  spärlichen  Bart  (Pastorenbart)  umrahmt  Penis  mit  Phimose.  Auf  Brost, 
Rücken,  Armen,  Beinen  Stichelnarben.  Der  Kopf  macht  einen  mesocephalen  Eindruck, 
ergiebt  sich  aber  bei  der  Messung  als  ausgesprochen  brachycephal*)  (Index  85,0).  Kopf- 
höhe mittel,  Index  64,9.  Gesicht  massig  hoch,  Index  81,8.  Massiger  Prognathismos. 
Mund  breit,  vorspringend,  mit  wenig  vollen,  dunkelbraun -rothen,  in's  Bläuliche  hinüber- 
spielenden Lippen.  Nase  gross,  breit,  flach,  mit  quergestellten  Nüstern  (tritt  an  der  Maske 
weniger  hervor),  gut  gewölbten  Flügeln,  geradem  Rücken,  wenig  tiefer  Wurzel,  Septum 
kurz,  hängend,  durchbohrt,  ebenso  die  Nasenflügel,  Nasenindex  60,0.  Augen  dunkel- 
braun, glänzend,  in  tiefen  Höhlen.  Supraorbital-  und  Jochbogen  scharf  markirt,  Schläfen 
zurücktretend.  Beide  Ohrläppchen  an  den  Ausläufern  der  Fossa  scaphoides  fein  durch- 
bohrt. Wangen  schmal.  Im  Gesicht  zahlreiche  Comedonen.  Hände  und  Füsse  der  Grösse 
des  Individuums  entsprechend.  Abstand  zwischen  erster  und  zweiter  Zehe  nicht  auffallend. 
Die  erste  Zehe  überwiegt  an  Länge  die  zweite.  Im  Ganzen  sind  die  Füsse  etwas  breit 
angelegt,  besonders  der  linke.    Der  rechte  Fuss  scheckig  in  Folge  alter  Wunden. 

IIL  Insel  Nen-Pommem  (Nen-Britaiiiiieii). 

Maske  83.  Tömänäläm  $  (Nr.  67),  etwa 20 jährig,  stammt  aus  Rotawull  bei  Port 
Weber  an  der  Nordküste  der  Gazellen -Halbinsel,  ist  ein  für  seine  Rasse  hübsch  zu 
nennender,  intelb'genter,  aber  träger  Junge  von  zutraulichem,  gutmüthigem  Wesen.  An 
ihm  sind  10  Messungen  an  verschiedenen  Tagen  ausgeführt,  um  die  Messschwankungen 
zu  berechnen  (siehe  darüber  Mess-Protocolle  S.  192).  Kopfindex  71,2,  Ohrhöhenindex 
66,8,  Gesichtsindex  85,4,  Nasenindex  68,5. 

IV.  Insel  Nen-Meklenbnrg  (Nen-Irluid). 

a)  Südwest-Küste. 

Maske  34.  IrpirkÖmbin  $  (Nr.  68)  (dazu  die  rechte  Hand  und  der  linke  Unter- 
schenkel gegypst),  etwa  20 — 22jährig,  aus  RöbSn  (zwischen  Cap  Strauch  und  Givry 
gelegen),  von  im  Ganzen  proportionirten,  gut  gerundeten  Formen.  Nach  der  Beschaffen- 
heit der  Brüste  zu  urtheilen,  hat  sie  bereits  geboren.  Striae  am  Abdomen  fehlen  jedoch 
gänzlich.  I.  hat  einen  freundlichen,  etwas  scheuen  Gesichtsausdruck,  tiefdunkelbraune, 
glänzende,  bei  seitlichem  Licht  ganz  schwarz  erscheinende  Augen,  die  Oefbiung  der  Lid- 
spalten ist  mandelförmig,  divergirt  leicht  nach  oben  und  aussen.  Der  Kopf  erscheint 
breit  (Index  80,1).  Stirn  hoch,  breit,  wenig  geneigt.  Die  Nase  flach,  breit,  mit  hängendem, 
durchbohrtem  Septum,  plumper  Spitze,  sie  hebt  an  mit  breiter,  nicht  sehr  tiefer  Wunel; 
Nasen  index  50,0.    Lippen  wenig  voll,  die  obere  etwas  über  die  untere  vorstehend.   Profil 

1'^  Das  Papua-Braun  ist  durch  die  Broca'schen  Tafeln  schwer  wiederzugeben. 
B.  Nr.  80  ist  zu  hell,  29  hat  einen  gar  nicht  zutreffenden  (Jrundton,  desgleichen  führt  28 
in  eine  unrichtige  Stimmung  hinüber.  Nr.  30,  etwas  dunkler  gedacht,  würde  noch  am 
ehesten  die  Hautfarbe  wiedergeben. 

2)  Ich  mache  diese  Angabe  mit  Absicht,  um  damit  aufinerksam  lu  machen,  wie  leicht 
eine  blosse  Schätzung  der  Kopfform  zu  Täuschungen  führt 


Beitrftge  zur  Anthropologie  der  Papua.  223 

gaaa  progii«th.  Das  Kinn  ist  etwas  unsymmetrisch  gestaltet,  nach  dem  linken  Mundwinkel 
hin  Tersogen.  Schultern,  Schlüsselbeingegond,  Nacken  gerundet  und  wohlgeformt.  Nates 
•ehr  starke  desgleichen  Oberschenkel  (495  mm)  und  Waden.  Das  spirallockige  Haar  kurz 
|tebaU4>n,  durch  Kalk  entfArbt^  trocken.  Dichte  Augenbrauen.  Spärliches,  gestrecktes 
Achselhaar.  Dichtes,  gekräuseltes  Schamhaar.  Gutes,  volliShliges  Gebiss.  Auf  der  Haut 
Tide  rohe,  wulstige  Tftttowirungen,  am  zahlreichsten  am  rechten  Oberschenkel,  um  den 
NaiN'l  hemm,  an  den  Schultern.  Hftnde  und  Füsse  kurz,  jedoch  nicht  plump.  Die 
zweite  Zehe  die  längste.  Der  zweite  Finger  überwiegt  den  vierten  an  Länge. 
Körperhöhe  1583  mm.  Beckenmaasse:  Dist.  spin.  ant.  sup.  250*/im,  Dist  der  Darm- 
betnkämme  256  mm^  Conjugat.  ext.  206  fnm.  Bei  der  Explorat.  interna  findet  man  eine 
hArte,  gut  entwickelte,  nach  unten  und  vom  gestellte  Portio,  mit  querem  Muttermund, 
ohne  f&hlbaren  Einriss.  Das  relativ  grosse  Corpus  uteri  ist  stark  retroflectirt,  seitlich 
mobil,  aber  nicht  anfrichtbar.    Rechtes  Ovarium  palpabel. 

b)  Nordost-Küste. 

Maske  35.  Zangon  $  (Nr.  69),  etwa  25jährig,  ein  kleines  (1500  mm:,  heiter  und 
gutmfithig  aussehendes,  dickbäuchiges  Mädchen  mit  ruhigem,  phlegmatischem,  etwas 
dummem  Genichtsausdruck,  stammt  aus  Tüb-Tüb,  in  der  Nähe  von  Lemerüt.  Ihre  Figur 
ist  unproportionirt  Ein  relativ  grosser  Kopf  sitzt  auf  niedrigem,  dünnem  Halse.  Die 
Hautfarbe  zeigt  sich  an  der  Vorderfläche  des  Körpers  wesentlich  heller,  als  an  der  Hinter- 
fläche. Am  Rücken  und  an  den  Nates  viele  rohe  Tättowirungen.  Die  Brüste  machen 
einen  virginalen  Eindruck  Striae  nirgends  vorhanden.  Die  Extremitäten  sind  gracil  an- 
irvl^gt,  etwas  zn  dünn.  Gebiss  vollzählig.  Nase  mit  auffallend  tiefer,  sehr  breiter  Wurzel, 
im  Ganzen  klein,  breit,  stupsig,  Nasenindex  53,3,  Flügel  stark  gerundet,  die  relativ 
grosaen  Nüstern  nach  vom  geöfbet,  Septum  durchbohrt,  aber  wenig  herabhängend.  Lippen 
nicht  sehr  voll,  jedoch  vorspringend.  Massiger  Prognathismus.  Kinn  wenig  markirt, 
niedrig,  mnd,  wodurch  das  ganze  Gesicht,  von  vom  gesehen,  rund  erscheint.  Gesichts- 
indez 71,4.  An  den  Haaren  nichts  besonders  Bemerkenswerthes.  Länge  der  ersten  und 
zweiten  Zehe  annähernd  gleich.  Kopfindex  80,9.  Beckenmaasse:  Dist.  spin.  ant.  sup. 
233  mm,  Dist  crist.  246  mtn,  Conjugat  extern.  175  mm,  Conjugat  diagonal.  112  mm.  Die 
Explorat.  int  ergiebt  eine  ganz  kurze,  verdickte  Portio,  mit  breitem,  hartem  Orificium 
and  rechtsseitigem  Einriss.  Ein  auffallend  kleines,  weiches  Corpus  uteri  in  Anteflexions- 
stellnng. 

Maske  36.  Malle  J  (Nr.  71),  etwa  17  — 19jährig,  ein  mittelgrosser  (1603  mm\ 
zatranlicher,  klag  blickender  Junge  mit  etwas  grossen  Füssen,  durchbohrtem  rechtem  Ohr- 
läppchen Kopf  erscheint  mnd  (Index  77,7,  Auricularindex  66,0).  Stirn  und  Ober- 
g'^sicht  breit,  die  Stira  sonst  nur  wenig  vorgewölbt,  ziemlich  gerade  gerichtet  Die 
Schläfengegend  wenig  abgesetzt  Gesichts  index  79,8.  Das  Kinn  ist  schmal  und  niedrig, 
aber  ganz  hübsch  hervorgewölbt.  Das  Auge  weit,  dunkelbraun,  ausdrucksvoll,  klug,  etwas 
schwärmerisch  blickend,  Lider  ganz  wenig  nach  aussen  und  oben  divergirend  An  dem 
oberen  Angenlid  lange,  gleichmässig  gestellte  Wimpern  (an  der  Maske  schlecht  heraus- 
;;<'kommen),  desgleichen  kräftige,  dunkelbraune,  nicht  gekräuselte  Augenbrauen.  Das 
fpirallockige  Haar  durch  Kalken  entfärbt  Die  Nase  nicht  lang,  etwas  breit,  stupsig,  mit 
wohlabgesetzten,  unschönen,  sich  etwas  nach  vom  öffnenden  Flügeln,  bezw.  Nüstern  und 
nicht  durchbohrtem  Septum  (Index  trotzdem  70,6;.  Von  den  etwas  vorstehenden  Lippen 
überwiegt  die  Oberlippe.  Das  Lippenroth  von  der  üblichen  braun -bläulichen  Farbe. 
Das  Profil  ist  fast  rein  orthognath. 

V.  Salomons -Inseln  (VeUa  LaveUa). 

Maske  37.  Tape  ^  (Nr.  77),  etwa  18jährig,  aus  Bilba  (d.  h  Billowa  Point  der 
]nael  Yella  Lavella).  Kleiner  (1529  mm),  wohlproportionirter  Mensch  von  dunkclschwarz- 
graabraaner  Hautfarbe,  welche  in  Glanz  und  Glätte  durch  einen  auf  Beinen  und  Schultern 
iocaÜBiten  Schuppenausschlag  beeinträchtigt  wird.  Brust  B.  49—28/35,  Handfläche  26. 
T.  idgt  volle,  feingeschnittene,  classische  Schultern,  mit  einem  eben  so  wohlgeformten, 

16* 


224  0.  Schellong: 

schlanken,  nicht  langen  Hals,  ein  kleines,  vornehmes  Gesicht,  in  welchem  die  Nase  nur 
etwas  zu  breit  erscheint.  Schädel  lang,  oval  (Index  72,2,  Auricnlarindex  67,7).  Stirn 
voll,  schmal.  Schläfen  gering  vorgewölbt.  Die  nicht  auffallend  markirten  Orbitalbogen 
werden  von  dichten,  buschigen,  glatten  Augenbrauen  bedeckt.  Die  tief  braunen,  glänzenden, 
offenen  Augen  treten  angenehm  hervor,  erscheinen  unter  dichten,  langen  Wimpern  klug 
und  melancholisch.  Lidspalte  divergirt  ganz  gering  nach  aussen  und  oben.  Lid -Schleim- 
haut blassrosa.  Bulbus  mit  sehr  lebhaftem  Pigmentstreif  und  Iris -Ring.  Die  wenig  vor- 
stehenden, schmalen  Lippen  lassen  eigentliches  Lippenroth  kaum  mehr  erkennen,  erscheinen 
vielmehr  fast  von  der  Farbe  der  Körperhaut,  dagegen  ist  die  Lippen  •  Schleimhaut  blass- 
bl&uÜch-rosa,  mit  zahlreichen  Pigmentirungen.  Nasenwurzel  tief,  Rücken  gerade  ver- 
laufend, Spitze  wenig  breit  und  plump,  die  Nase  im  Ganzen  wohlgeformt.  Nasenindez  66,9. 
Auch  Nasolabial-Falten  angenehm  markirt.  Lippenfurche  breit.  Beide  Ohrläppchen  weit 
durchbohrt  (für  4  Finger  durchgängig). 


Schlnss-Capitel. 

Ausser  denjenigen  melanesischen  Stämmen,  welche  ich  in  den 
vorangegangenen  üapiteln  mehr  oder  weniger  ausführlich  behandelt  habe, 
sind  mir  während  meines  Aufenthaltes  in  Neu -Guinea  noch  manche  andere 
zu  Gesicht  gekommep;  so  besonders  die  Bewohner  der  Astrolabebay, 
diejenigen  der  Station  Hatzfeldthafen  und  des  unteren  Laufes  des  Augusta- 
Flusses.  Nach  der  äusseren  Erscheinung,  der  Hautfarbe,  der  Haar- 
beschaffenheit u.  s.  w.  zu  urtheilen,  stehe  ich  keinen  Augenblick  an,  alle 
diese  Menschen  als  zu  einer  und  derselben  Rasse  gehörig  zu  betrachten, 
und  die  anthropologischen  Merkmale,  welche  dieser  Rasse  (den  Papua) 
gemeinhin  zuerkannt  werden,  als  im  Grossen  und  Ganzen  zutreffende  sa 
bestätigen. 

Auf  Grund  einer  Zusammenstellung  von  sämmtlichen  bisher  verzeich- 
neten Schädel-  und  Kopfmessungen  (etwa  400)  von  Papua  der  verschiedenen 
Theile  Neu-Guineas,  darunter  135  Schädel  A.  B.  Meyer's  (Gelvinkbay), 
35  Schädel  Miklucho-Maclay's  (Astrolabebay),  30  Schädel  desselben 
Autors  aus  dem  Kowiay-District,  39  Schädel  D'Albertis'  (Fly  River) 
berechnete  Deniker")  einen  gemittelten  Kopfbreitenindex  von  72,0,  und 
die  Dolichocephalie  erscheint  überall,  so  bei  To.pinard"),  Lesson**) 
u.  A.,  als  eines  der  hervorragendsten  Charakteristika  der  Papua.  Nichts- 
destoweniger findet  sich  bei  weiterer  Durchsieht  der  Zahlenreihen  bei 
allen  Autoren  eine  nicht  unbeträchtliche  Anzahl  von  Indices  vor,  welche 
die  Zahl  75  überschreiten,  nach  der  heutzutage  üblichen  Eintheilung  also 
bereits  als  mesocephale  Werthe  zu  gelten  hätten.  So  notirt  Virchow") 
(1876)  für  die  von  ihm  gemessene  Kandaze  einen  Index  von  76,1;  des- 
gleichen weist  er*)  an  2  von  ihm  gemessenen  Schädeln  der  Astrolabebay 
(Miklucho-Maclay)  auf  die  Verschiedenheit  der  Kopfindices  hin,  von 
welchen  der  eine  ein  dolichocephales  (72,7),  der  andere  ein  mesocephales 
(78,8)  Verhältniss  aufweise.  Regalia")  (1878)  findet  unter  14  (Beccari- 
schen)  Schädeln  dei^  Gelvinkbay  4  mesocephale;  Mantegazza  und  Re- 
galia")  (1881)  berechnen  für  24  D'Albertis-Schädel  des  Fly  River  eine 


Beiträge  sor  Anthropologie  der  Papna.  225 

Dolichocephalie  von  74,2  (also  sehr  nahe  der  Mesocephalie!),  für  14  andere 
eine  Mesocephalie  von  76,9;  Langen'*^)  (1889)  hat  unter  4  Messungen 
einen  Mesocephalen  (78,9)  zu  verzeichnen.  Ich  finde  unter  meinen 
63  Kopfmessungen  von  Papua  aus  Neu -Guinea  nur  15  dolichocephale, 
dagegen  41  (=  65  pCt.)  mesocephale  Indices;  alle  meine 
90  Messungen  von  Papua  zusammengenommen  ergeben  50  meso- 
cephale (=  55  pCt.)  und  nur  29  dolichocephale  Indices  (=  32  pCt.). 
Unter  den  letzteren  befinden  sich  wiederum  nur  2.  bei  welchen  die 
Dolichocephalie  einen  sehr  hohen  Grad  erreicht,  d.  h.  unterhalb  70,0  liegt. 
Andererseits  habe  ich  unter  meinen  63  Papua  von  Neu -Guinea  nur 
7  brachycephale,  unter  sämmtlichen  90  nur  11  brachycephale  gemessen. 
Meyer ^)  notirt  unter  seinen  135  Schädeln  sogar  nur  2  brachycephale. 
Kann  somit  die  Brachycephalie  sicher  nicht  als  die  Regel  angesehen 
werden,  so  wünschte  ich  doch  andererseits,  auf  Grund  meiner  Be- 
obachtungen, die  allgemeine  Annahme  der  Dolichocephalie  der 
Papua  dahin  modificirt  zu  sehen,  dass  auch  die  mesocephale 
Kopfform  als  häufig  vorkommend  anerkannt  wird.  Als  den 
gemittelten  Kopfindex  für  meine  63  Papua  von  Neu -Guinea  habe  ich  die 
Zahl  77,0  erhalten;  sämmtliche  14  Papua- Stämme  der  melanesischen  Inseln, 
an  welchen  ich  insgesammt  90  Messungen  ausgeführt  habe,  ergeben  einen 
gemittelten  Kopfbreitenindex  von  75,1. 

In  Bezug  auf  den  Höhen-(Auricularhöhen-)Index  des  Kopfes 
ergeben  meine  Zahlen  wesentlich  niedrigere  Werthe,  als  sie  für  Schädel 
notirt  sind.  Unter  meinen  90  Messungen  finden  sich  18,  deren  Höhen- 
index die  Zahl  70,0  überschreitet;  der  höchste  davon  beträgt  77,7;  —  alle 
übrigen  liegen  unterhalb  70,0.  Ich  muss  trotzdem  die  Hypsicephalie 
als  das  überwiegend  vorkommende  Yerhältniss  ansehen.  Als 
gemittelten  Index  aus  14  Papua -Stämmen  (in  zusammen  90  Messungen) 
habe  ich  die  Zahl  67,0  erhalten.  Noch  kleiner  (orthocephal)  waren  die 
Zahlen  bei  der  Vir c ho w 'sehen**)  Messung  der  Kandaze,  welcher  für  dieses 
Mädchen  63,6  notirt,  und  in  den  4  Langen'schen'^)  Messungen,  woselbst 
Höhenindices  von  60,0 — 64,0  angegeben  werden.  Im  Gegensatz  dazu 
nennt  Deniker")  die  Zahl  75,0  als  den  gemittelten  Schädelhöhenindex; 
Miklucho-Maclay*)  giebt  den  Höhenindex  auf  72,0  an,  Comrie**)  auf 
78,0.  Nach  diesen  Angaben  hätten  die  Papua  geradezu  als  Hyperhypsi- 
cephalen  zu  gelten. 

Nach  Topinard's  Anthropologie")  kommt  den  Papua  ein  „im 
Ganzen  längliches^  Gesicht  zu.  Diese  Angabe  kann  ich  bestätigen, 
wenngleich  hohe  Gesichter,  leptoprosope,  im  Sinne  der  Frankfurter  Ver- 
ständigung mit  Indices  über  90,0  grosse  Seltenheiten  sind.  Unter  meinen 
90  Gesichtsindices  befinden  sich  nur  8  leptoprosope;  die  übrigen  82  sind 
nach  diesem  Schema  als  chamaeprosop  zu  bezeichnen.  Als 
mittlerer  Gesichtsindex    ergiebt   sich   mir   die  Zahl  82,8.    Die  Stirn   des 


226  0.  SOHELLOHO: 

Papua  nennt  Topinard  schmal,  Miklucho-Maclay*)  bezeichnet  dieselbe 
als  „seitlich  zusammengedrückt^.  Aus  meinen  Messungen  ergeben  sich 
Stirnbreitenwerthe  von  meist  über  100  mm  imd  darüber;  14  davon,  also 
15  pCt.  sämmtlicher,  haben  sogar  Werthe  von  110  mm  und  darüber.  Das 
würde  also  der  obigen  Annahme  bestimmt  widersprechen. 

Die  besonders  kräftige  Entwickelung  der  Orbitalbogen,  die 
Tiefe  der  Nasenwurzel,  die  Breite  der  Jochbogendistanz  wird 
von  allen  Seiten  übereinstimmend  hervorgehoben;  diese  Eigenschaften  bilden 
in  der  That  ein  hervorragendes  Charakteristikum  des  Papua -Gesichts. 
Ebenso  sehr  kann  ich  die  meist  hervorragende  Entwickelung  der  Eau- 
muskulatur  bestätigen,  weniger  der  Temporalmuskeln,  ein  Yerhältniss, 
welches  Yirchow^)  aus  den  sehr  ausgedehnten  Ansatzflächen  dieser 
Muskeln  vermuthet,  als  der  Masseteren.  Nicht  selten  begegnet  man  Paro- 
tiden- Geschwülsten,  welche  dann  eine  Masseteren -»Verdickung  vortäuschen 
können. 

Die  Nase  wird  bei  Topinard'*)  als  an  der  Basis  breit  und  gebogen 
gekennzeichnet^  deren  Spitze  als  Medianläppchen  über  die  Nasenlöcher 
hinausragt.  Miklucho-Maclay*)  hebt  besonders  das  durchbohrte  und 
deshalb  häufig  herabhängende  Septum  hervor,  welches  auf  die  Form  der 
Nase  bestimmend  einwirke.  Alle  Autoren  stimmen  ferner  darin  überein^ 
dass  der  Typus  der  Nase  ausgesprochen  platt  ist,  und  dass  schmale 
Nasen  zu  den  grössten  Seltenheiten  gehören.  Als  gemittelten  Nasenindex 
habe  ich  jedoch  65,2  erhalten,  also  ganz  ausgesprochene  Leptorrhinie. 
Lesson")  erkennt  den  Papua  „vrais**  einen  Nasenindex  von  54,7  zu; 
den  Bewohnern  von  Dore  käme  nach  demselben  Autor  jedoch  nur  ein 
Nasenindex  von  50,5  zu,  und  diese  scheidet  er  deshalb  von  den  Papua  als 
„Papous^  ab  und  bezeichnet  sie  als  Mischrasse  (Metis  des  Papua  avec  une 
autre  race).  Das  dort  aufgestellte  Rechenexempel  scheint  mir  indessen 
etwas  gekünstelt  zu  sein*).  Die  Spitze  der  Papua -Nase  ist  nur  in  den 
seltensten  Fällen  wohl  markirt,  sie  geht  in  Folge  des  Herabhängens  des 
Septum  gewöhnlich  unvermittelt  in  das  letztere  über,  und  man  hat  bei 
der  Entnahme  des  Nasenlängenmaasses  häufig  Schwierigkeiten,  den  unteren 
Messpunkt  zu  bestimmen.  Man  ist  aber  eigentlich  nicht  berechtigt  zu 
sagen,  dass  die  Spitze  als  Läppchen  herabhänge;  nur  das  Septum  hängt, 
die  Spitze  wird  vielmehr  in  der  Richtung  von  vom  nach  hinten  verschoben 
und  trägt  dazu  bei,  die  Nase  zu  verflachen.  Individuen  mit  gebogenem 
Nasenrücken   oder   gar    „Adlernasen^,   wie  Wallace*')   sie  angiebt,   sind 


*)  Es  kann  sich  nach  Lesson  nur  handeln  am  Kreojmng  Ton  Papna  mit  MaUjra 
oder  mit  Alfuren,  „das  sind  von  Süden  gekommene  Poljmesier*.  Die  letzt^en  haben  Nasen* 
indices  Ton  49,25,  die  Malayen  solche  von  50,29;  wenn  sich  also  durch  die  Kreuxong  mit 
den  Papua  vrais  ein  Index  von  50,5  ergiebt,  so  haben  zu  der  Kreuzung  wahrscheinUch 
die  Poljnesier  beigetragen.  Aus  einer  Differenz  im  Index  Ton  1,04  diese  weitgehemd« 
Conseqaenz ! 


Beiträge  zur  Anthropologie  der  Papua.  227 

mir  nur  ganz  vereinzelt  begegnet;  es  scheint,  als  ob  sich  dieser  Typus 
häufiger  in  der  Gegend  des  nördlicher  gelegenen  Hatzfeldthafens  auf  Neu- 
Guinea  findet.  Die  Papua-Nase  ist  nach  meinem  Dafürhalten  eine 
sehr  platte  Stupsnase.  Wegen  des  Herabhängens  des  Septum  sind 
auch  die  Nüstern  von  vom  nach  hinten  zusammengedrückt  und  zeigen 
dann  bei  der  Ansicht  von  vom  nicht  ein  Längsoval  (mit  sagittaler  Axe), 
sondern  ein  Queroval  (mit  frontaler  Axe).  Auch  sehen  die  Nüstern  weniger 
nach  unten,  als  nach  vom.  Die  Nasendecorationen  der  Papua  sind  sehr 
mannichfaltig,  am  häufigsten  begegnet  man  Nasenpflöcken. 

Der  Mund  der  Papua  ist  sehr  breit;  dagegen  dürften  Breiten werthe 
von  75  und  80  wm,  wie  Miklucho-Maclay*)  sie  angetroffen  hat,  doch 
zu  den  Seltenheiten  gehören.  Mein  höchster  notirter  Mundlängenwerth 
ist  66  mm.  Der  Prognathismus  der  Papua  ist  sicherlich  nicht  so 
beträchtlich,  als  wie  derselbe  häufig  angenommen  wird.  Ich  glaube,  dass 
ein  mittlerer  Profilwinkel  von  85,17  **,»  wie  er  von  A.  B.  Meyer')  angegeben 
wird,  für  die  Mehrzahl  der  Individuen  zutreffen  würde.  Sehr  viele  gewähren 
den  Eindruck  vollkommenster  Orthognathie.  Die  Lippen  betheiligen  sich 
nicht  in  auffallender  Weise  an  diesem  Verhältniss;  dieselben  sind  weder 
aussergewöhnlich  dick,  noch  gewulstet,  sondern  man  kann  sie  meist 
nur  als  geringe  vorstehend  bezeichnen  und  auch  häufig  von  einer  vollen 
Unterlippe  reden.  Die  Prognathie  ist  also  wohl  vorzugsweise  durch  die 
Oberkieferstellung  bedingt,  sie  ist  in  keinem  Falle  so  ausgesprochen, 
dass  dadurch  eine  nach  vorwärts  gerichtete  Stellung  der  oberen  Zahn- 
reihe bedingt  würde. 

Die  physiognomische  Bildung  der  Papua  ist  eine  sehr  mannich- 
faltige,  das  Urtheil  darüber  wird  nicht  zum  geringsten  beeinflusst  durch 
die  ausserordentliche  Mannichfaltigkeit,  welche  die  einzelnen  Stämme  und 
auch  die  Individuen  eines  und  desselben  Stammes  hinsichtlich  der  Tracht 
von  Haar  und  Bart  zu  entfalten  pflegen.  Es  scheint  beinahe,  als  ob  die 
Eitelkeit  der  Papua  vorzugsweise  in  dem  Ausputz  des  Haares  zum  Aus- 
druck gelangte.  Vielfach  wird  des  jüdischen  Zuschnittes  der  Papua- 
Physiognomie  Erwähnung  gethan;  es  wäre  aber  falsch,  wenn  man  diesen 
Typus  als  den  vorwiegenden  ansehen  wollte.  Ich  bin  zahlreichen  Physio- 
gnomien begegnet,  welche  mich  an  alle  möglichen  guten  Christen  erinnerten: 
an  Universitäts- Professoren,  ostpreussische  Bauem,  Landpastoren  u.  s.  w. 
Von  einer  Uebereinstimmung  der  Physiognomie  auch  nur  innerhalb  eines 
und  desselben  Stammes  kann  daher  meiner  Meinung  nach  keine  Rede  sein. 
Ein  hervorragender  Theil  der  Papua-Physiognomie  ist  ein  intelligentes 
Auge,  welches  den  Papua  gleich  auf  den  ersten  Blick  als  nicht  auf  der- 
jenigen niedrigen  Stufe  stehend  erscheinen  lässt,  welche  ihm  lange  Zeit 
irrthümlich  zuerkannt  wurde.  Auch  der  Ausdruck  der  Wildheit  ist  dem 
Papua- Gesicht  nicht  eigentlich  eigen;  in  dieser  Hinsicht  steht  er  ungleich 
höber,  als  der  rohe  Australneger. 


228  0.  SOHELLOHG: 

üeber  Hautbeschaffenheit  und  Haar  liegen  so  genaue  Angaben 
vor,  dass  ich  darüber  nichts  Wesentliches  mehr  zu  sagen  habe.  Wenn  ich 
nach  eigenen  Eindrücken  angeben  sollte,  welche  anthropologischen  Merk- 
male mir  als  die  wichtigsten  erschienen  sind,  so  müsste  ich  die  Hautfarbe 
und  die  Haarbeschaffenheit  in  den  Vordergrund  stellen.  Der  Spirallocken- 
Typus  ist  der  gewöhnliche,  der  einfache  lockige  Typus  kommt  als  grosse 
Seltenheit  vor.  Die  Haarfarbe  ist  schwarz,  sehr  selten  kommt  sogenanntes 
rothes  Haar  vor,  und  dann  auch  ebensolche  Augenbrauen,  Wimpern  u.  s.  w. 
Die  Bart-Entwickelung  ist  im  Allgemeinen  spärlich  zu  nennen;  Yollbärten 
bin  ich  niemals  begegnet. 

Hinsichtlich  der  Eörperbeschaffenheit  kann  ich  bestätigen  die 
mittlere  Grösse  der  Individuen,  die  breite  Entwickelung  von  Händen  und 
Füssen,  den  im  Ganzen  kräftigen  und  gedrungenen,  öfters  plumpen  Bau. 
Uebereinstimmend  ergab  sich  mir  ein  beträchtliches  Ueberwiegen  der 
Klafterweite  über  die  Körperhöhe.  Die  erhaltenen  DiflTerenzen  schwankten 
zwischen  36  und  195  mm. 

Auf  das  Yerhältniss  der  Papua  zu  den  angrenzenden  Australnegem, 
Polynesien!  und  Malayen  hier  einzugehen,  fühle  ich  mich  nicht  veranlasst; 
auch  nicht  auf  die  Frage,  ob  die  Papua  eine  ursprüngliche,  reine  Rasse 
vorstellen,  oder  ob  sie  das  Product  einer  oder  mehrerer  Rassen- 
Yermischungen  sind.  Derartige  Schlüsse  sind  heutzutage  wohl  noch  ver- 
früht und  werden  dereinst  am  ehesten  vielleicht  mit  Zuhülfenahme  einer 
peinlichen  lokalen  Sprachforschung  gewonnen  werden  können.  Die  Insel 
Neu -Guinea  mit  ihrem  unendlichen  Spracheugewirr  dürfte  in  dieser 
Beziehung  ganz  besonders  wichtig  erscheinen.  Somatisch  betrachtet,  Iftsat 
sich  eine  gewisse  üebereinstimmung  des  Papua  mit  dem  Australneger  nicht 
von  der  Hand  weisen. 


Erklärung  der  Taf.  HI— VI. 

Ein  t  hinter  der  Figorenzahl  bedeutet,  dass  von  derselben  Person  Hand-  und  Fussomrisae 

gezeichnet  sind. 

I.  Handumrisse  von  Melanesien!. 

Taf.  m. 

Jabim- Leute  Yon  Neu -Guinea.  |  Neu-Meklenborg  (Ken -Irland). 

Fig.  1.  t  Bumtau  $  Nr.  23.  '      ¥\%.  6.  t  Irpirkombin  $  Nr.  68. 

,    2.  t  Makiri  $  Nr.  29.  |      •  ,    6.  f  Zangon  $  Nr.  69. 

Neue  Hebriden,  Malakola. 
Poum  Ton  Neu-Guinea.  p.^  ^  ^  ^^^  ^  j^^  ^3 

Fig.  8.      Mmbag  $  Nr.  51.  »    B.  f  Man88n(m)nalet  $  Kr.  74. 

,    4.  t  Gbaming  $  Kr.  62.  |         »    9.  t  Korack  J  Nr.  76. 


Beitr&^e  zur  Anthropologie  der  Papua. 


229 


Taf.  IV. 

Salomons-Inseln  (Fig.  10—11,  Vella  Lavella.  Fig.  12,  Green  Island.  Fig.  13,  St.  Christophel. 

Fig.  14—18,  Malayta). 


Fig.  10.  t  Sslowak  $  Nr.  76. 
„    11.  t  Tape  $  Nr.  77. 
„    12.  t  (D)rÄham  $  Nr.  88. 
.    18.  t  Hei(e)ke  $  Nr.  84. 
„    14.  t  Toena  J  Nr.  86. 


Fig.  15.  t  Langadmei  $  Nr.  87. 
„    16.  t  Ambui  J  Nr.  88. 
„    17.  t  Tuhumbaru  J  Nr.  89. 
„    18.  t  Auaschia  5  Nr.  90. 


Jabim  yon  Neu- Guinea. 

Fig.  l.tBumtau  $  Nr.  23. 
9    2.    Japoa  $  Nr.  26. 
,    8.    Atikio  $  Nr.  86. 
„    4.    Matao  $  Nr.  35. 
„    5.tMakiri  J  Nr. 29. 
,    6.    Kaualuo  $  Nr.  37. 

Kai  von  Neu -Guinea. 
Fig.  7.    Bikuan  $  Nr.  40. 


n.  Fossiimrisse  von  Meluiesiem. 

Taf.  V. 

Poum  von  Neu -Guinea. 
Fig.  8.  t  Gbaming  $  Nr.  52. 

Neu -Pommern  (Neu -Britannien). 
Fig.  9.    Tomelle  $  Nr.  66. 

Neu  -  Meklenburg  (Neu  -  Irland). 

Fig.  10.  t  Irpirkombin  $  Nr.  68. 
„    11.  t  Zangon  $  Nr.  69. 

Neue  Hebriden. 
Fig.  12.  +  Rumann  J  Nr.  78. 


Taf.  VI. 


Neue  Hebriden. 

Fig.  13.  t  Man88u(m)nalet  $  Nr.  74. 
,    14.  t  Norack  $  Nr.  75. 

Salomoos-Inseln  (Fig.  15—16,  Vella  La- 
Tella.     Fig.  17,   Green   Island.     Fig.  18, 
St.  Christophel.    Fig.  19—23,  Malayta. 

Fig.  16.  t  Sslowak  $  Nr.  76. 


» 


Fig.  16.  t  Tape  $  Nr.  77. 
,    17.  +  (D)raham  $  Nr.  83. 
„    18.  t  Hei(e)ke  $  Nr.  84. 

19.  t  Toena  $  Nr.  86. 

20.  t  Langadmei  $  Nr.  87. 

21.  t  Ambui  J  Nr.  88. 
22  t  Tuhumbaru  ^  Nr.  89. 
23.  t  Auaschia  $  Nr.  90. 


Durchgesehene  und  zum  Theil  benutzte  Literatur. 

1)  TonBaer,  Karl  Ernst,  lieber  Papuas  und  Alfuren  (Mömoires  prösent^s  4  Pacad^mie 

imperiale  des  sciences  de  St  Peters  bourg,  1859,  p.  271— 346   [Supplement  zu 
Crania  selecta]). 

2)  Mueller,  Prof.  Friedrich,  lieber  die  Melanesier  und  die  Papua -Rasse  (Mitth.  der 

anthrop.  Ges.  Wien,  H.  S.  45.    Ausland  XFV.  1872,  S.  188—190). 

3)  Spengel,   J.  W.,  Das  büschelförmige  Haar  der  Papuas  (Correspondenzblätter  der 

deutsch.  Ges.  für  AnthropoL  1873,  S.  62  — 70). 

4)  Virchow,  R.,  üeber  Sch&del  von  Neu-Guinea  (Verb,  der  Berliner  Ges.  für  Anthrop. 

1878,  8.  66—73). 
6)   Meyer,  Dr.  Adolph  Bernhard,   Anthropologische  Mittheilungen  über  die  Papuas  von 
Neu-Guinea,  I.  (Mitth.  der  anthrop.  Ges.  in  Wien,  IV.  1874,  S.  87). 

6)  Derselbe,  üeber  die  Papuas  von  Neu-Guinea  (Zeitschr.  für  EthnoL  V.  1873,  S.  306). 

7)  Derselbe,  üeber  135  Papua -Schädel  von  Neu-Guinea  und  der  Insel  Mysore   (Mitth. 

des  xoolog.  Mus.  Dresden,  I.   (1875)  S.  59—84;   11— IV.  (1877)  S.  136—204; 
Vm-X.  (1878)  S.  383-411;  XXXI— XXXV). 

8)  Incoronato,  Dr.  Angelo,  Sullo  scheletro  e  cranii  dl  Papua  mandati  da  0.  Beccari 

(Arch.  Anthrop.  Ethnol.  IV.  1874,  p.  252—281). 


230  0.  SOHBLLONG:  Beitrftge  zur  Anthropologie  der  Papaa. 

9)  YonMiklncho-Maclaj,  Nicolaus,  Anthropologische  Bemerkungen  üher  die  Papoas 
der  Maclay-Küste  in  Neu-Gninea  (Cosmos  11.  1874,  S.  287;  lY.  1877,  8. 111). 

10)  Derselbe,  üeber  die  Brach jcephalität  bei   den  Papnas  von  Nen- Guinea  (Verh.  der 

Berliner  Ges.  für  Anthrop.  1874,  S.  177). 

11)  Winckel,  F.,  Einiges   über  die  Beckenknochen  und  die  Becken  der  Fspuas  (MitÜL 

zoolog.  Mus.  Dresden  I.  1875,  S.  87). 

12)  Yon  Wille  mos  s,  R.,  Ueber  die  Eingeborenen  Neu- Guineas  und  benachbarter  Inseln 

(Arch.  f.  Anthrop.  EX.  1876,  8.  99). 

13)  D'Albertis,  L.  M.,  Remarks  on  the  natives  and  products  of  the  Flj  River  (Jonm. 

Anthrop.  Instit  VI.  1877,  p.  214.  Zeitschr.  der  Gesellsch.  für  Erdkunde  zu  Berlin 
XII.  1877,  S.  22). 

14)  Haiselt,  J.  L.,  üeber  die  Papuas  von  Neu -Guinea  (Terh.  der  Berliner  Gesellsch.  für 

Anthrop.  1876,  S.  62). 

15)  Naumann,  Dr.  F.,  Ueber  Land  und  Leute  an  der  Mac  Cluer-Baj  (Neu- Guinea)  und 

in  Melanesien  (Verb,  der  Berliner  Ges.  für  Anthrop.  1876,  8.  67). 

16)  Comrie,  Dr.  Peter,  Anthropological  notes  on  New -Guinea  (Joum.  Anthrop.  Inst  TL 

1877,  p.  102). 

17)  Regalia,   Su  nove  crani  metopici  di  razza  papua  (Arch.  antrop.  etnoL  VUL  1878, 

p.  121). 

18)  Finsch,   Otto,    Anthropologische   Erlebnisse    einer  Reise   in   der   Südsee   und   dem 

malajischen  Archipel  in  den  Jahren  1879 — 1882  (Beschreibender  Catalog  der 
gesammelten  Gesichts -Masken  von  Völkertypen.  Berlin  [Asher]  1884.  Neu- 
Guinea  8.41—54). 

19)  Allen,  Francis  A.,   The  original  ränge  of  the  papuan  and  negritto  races   (Joum.  of 

the  Anthrop.  Institute  1879,  VIII.  p.  38). 

20)  Neu-Guinea  (Ausland  VIII.  1880,  S.  124—181). 

21)  Lawes,  Rev.  W.  G.,  Notes  on  New  Guinea  and  its  inhabitants  (Proc.  R.  G.  8.  [n.  sj 

II.  1880,  p.  602). 

22)  Mantegazza,   Prof.,   e   Regalia,    Nuovi    studi    craniologici  snlla  nuova  Guinea** 

(Arch.  antrop.  etnol.  XI.  1881,  p.  149).    Sopra  dei  crani  del  Fly  River  (L  c.  p.  482). 

23)  Deniker,  J.,   Les   papous   de   la  nouvelle   Guin^e   et  les   vojages  de  M.  Miklucho- 

Maclay  (Revue  d'anthropoL  VL  1883,  p.  484). 

24)  Finsch,  0,  üeber  weisse  Papuas  (Zeitschr.  für  Ethnol.  XV.  1883,  8.205), 

25)  Lesson,  A.,  Les  Polynesiens;  leur  origine,  leurs  migrations  etc.  (Paris  [Leroux]  1880-84). 

26)  Haie,  H.,  The  melanesian  races  and  languages  (Science  1887,  p.  99). 

27)  Brown,  George,  Papuans  and  Polynesians  (The  Joum.  of  the  Anthrop. Inst  1887,  p.  811). 

28)  Topinard,  Dr.  Paul,  Anthropologie  (übers,  von  Neuhauss),  18^. 

29)  Dictionnairo  des  sciences  anthropologiques  (Paris). 

30)  Langen  (Zeitschr.  für  Ethnol.  1889). 

81)  Virchow,  Besprechung  der  Kandaze  (Verb,  der  Berliner  Ges.  für  Anthrop.  1876). 

82)  Wallace,  New  Guinea  and  its  inhabitants  (Contemporary  Review  1879). 


Berichtlgiingen. 

Seite  161.  Das  dritte  Alinea  von  unten  muss  folgcndermaassen  lauten:  Aus  der  Ohrh6h# 
des  Kopfes  berechnet  sich  im  Mittel  eine  Hjpsicephalie  von  69^  f^  die 
Frauen  allein  von  70,8.  Unter  den  37  Individuen  sind  7  Orthoeephale  und 
80  Hypsicephale  (höchster  Index  75,7). 

n    167.    Zeile  12  von  unten  ist  hinter  „Fusszeichnungen**  einzuschalten:  Taf.  V. 

^     168.    Zeile  10  von  oben  ist  hinter  ..Uandzeichnungen"  einzuschalten:  TafL  lU. 

„  170.  Zeile  21  von  unten  ist  statt  „Chamaecephalen*'  zu  setzen  ^Hypsicephalea*,  and 
Zeile  19  —  20  ist  der  Satz  ,Doch  stehen  —  Grenze  der  Orthocephalie"  zu  streiehen. 

y.    171.    Zeile  19  von  oben:  statt  ^usszeichnungen**  ist  zu  setzen  ,J^S8zeichninig  Taf.  V*. 


Besprechungen. 


Abhandlongen  zur  Landeskunde  der  Proyinz  Westpreussen,  herausgegeben 
Ton  der  Provinzial- Kommission  zur  Verwaltung  des  Westpreussischen 
Provinzial-Museums.  4.  Heft  L  S.  Anger,  Das  Gräberfeld  zu  Rondsen 
im  Kreise  Graudenz.  Graudenz  1890.  70  S.,  23  Lichtdruck -Tafeln  und 
eine  Fnndkarte.  —  Heft  H.  A.  Lissauer,  Alterthümer  der  Bronze- 
zeit in  der  Provinz  Westpreussen  und  den  angrenzenden  Gebieten. 
Danzig  1891.  30  S.  und  14  Lichtdruck -Tafeln.  (Zugleich  als  Fest- 
schrift zur  Begrüssung  der  XXH.  allgemeinen  Versammlung  der  deut- 
schen anthropologischen  Gesellschaft  ausgegeben.) 

Die  Fürsorge  für  die  prähistorischen  Sammlungen,  welche  durch  die  neuere  Gesetz- 
gebung in  Preussen  den  Provinzial -Verwaltungen  übertragen  ist,  hat,  wie  dankbar  an- 
zuerkennen ist,  in  dem  letzten  Jahrzehnt  fast  überall  zugenommen,  und  in  mehreren  Pro- 
vinzen sind  in  liberaler  Weise  nicht  nur  für  eine  bessere  Ordnung  und  Aufstellung  der 
Funde,  sondern  auch  für  Förderung  der  Untersuchungen  und  für  eine,  den  heutigen  An- 
forderungen entsprechende  Yeröffentlichung  der  wichtigsten  Ergebnisse  Geldmittel  flüssig 
gemacht  worden.  Unter  diesen  Verwaltungen  hat  die  westpreussische,  insbesondere  durch 
die  umsichtige  Thätigkeit  des  Hm.  Lissauer  und  durch  die  verständnissvolle  Unter- 
stützung des  früheren  Oberbürgermeisters  von  Danzig,  des  Hm.  v.  Winter,  besonders 
rühmenswerthe  Fortschritte  gemacht.  Die  Mitglieder  der  deutschen  anthropologischen 
Gesellschaft  haben  bei  ihrem  neulichen  Besuche  von  Danzig  Gelegenheit  gehabt,  in  dem 
stylvoll  restaunrten  alten  Gebäude  des  grünen  Thors  die  ebenso  lehrreiche,  als  wohl- 
geordnete Sammlung  des  Provinzial-Museums  und  zugleich  die  wichtigsten  Fundstücke 
aus  den  städtischen  und  Vereins -Sammlungen  Westpreussens  zu  mustern.  Die  beiden 
Hefte  der  „Abhandlungen*"  haben  diese  Kenntnissnahme  in  hohem  Maasse  begünstigt,  und 
sie  werden  zugleich  den  fremden  Gelehrten  die  erwünschte  Gelegenheit  bieten,  die  authen- 
tischen Abbildungen  in  Verbindung  mit  so  genauen  Fundangaben,  als  sie  geliefert  werden 
konnten,  bei  ihren  Erörterungen  zu  Rathe  zu  ziehen. 

Das  Gräberfeld  von  Rondsen  ist  den  Lesern  dieser  Zeitschrift  schon  durch  eine 
Originalarbeit  des  Hm.  J.  Böhm  (Bd.  XVII.  1885)  bekannt  geworden.  Seitdem  sind  die 
Ausgrabungen  unter  der  sachverständigen  Leitung  des  Hm.  Anger  in  umfassender  Weise 
fortgesetzt  worden;  der  vorliegende  Bericht  reicht  bis  zum  Juli  1889.  Er  liefert  eine 
Gesammtübersicht  der  Funde  nach  den  einzelnen  Gräbern  und  Brandgmben  und  schliesst 
mit  einer  knappen,  aber  sehr  sicher  durchgeführten  epikritischen  Beleuchtung  über  die 
Zeitstellung  des  reichen  Gräberfeldes.  Damach  gehört  dasselbe  wesentlich  der  jüngeren 
Tine-Zeit  an,  reicht  jedoch  noch  bis  in  die  römische  Zeit,  etwa  bis  zur  Mitte  des  zweiten 
nachchristlichen  Jahrhunderts.  Es  ist  also  älter,  als  das  Gräberfeld  auf  dem  Neustädter 
Felde  bei  Elbing,  mit  dem  es  sich  jedoch  noch  zum  Theil  berührt.  Der  Verf.  ist  der 
Meinung,  dass  die  Träger  dieser  Cultur  den  Gothen  angehörten,  und  zwar  dem  zuerst 
nach  den  pontischen  Gebieten  aufgebrochenen  Stamme  derselben.  Vortreffliche  Licht- 
drucktafeln  gewähren  einen  vollständigen  Ueberblick  der  hauptsächlichen  Fundgegenstände. 

Die  Abhandlung  des  Hm.  Lissauer  betrifft  eine  ungleich  ältere  Zeit,  die  der  Bronze. 
Diese  ist  in  Westpreussen  im  Ganzen  spärlich  vertreten,  zum  Theil  durch  Depot-,  zum 
Theil  durch  Gräberfunde.  Letztere  betreffen  ausschliesslich  Brandgräber,  die  theils  in 
Hügeln,  theils  in  Steinkisten  angelegt  wurden  Hr.  Lissauer  entscheidet  sich  dafür, 
die  Vertheilung  der  Bronze -Funde  im  Anschluss  an  Tischler  und  Beiz  auf  eine  kleinere 
Zahl  von  Perioden  vorzunehmen.  Er  nimmt  4  solche  Perioden  an:  eine  frühe  (1450—1260 
T.  Chr.),  eine  alte  (1250—900  v.  Chr.),  eine  jüngere  (900—550  v.  Chr.)  und  eine  jüngste 


232  Besprecbnngen 

(650—400  y.  Chr.).  Er  verhehlt  nicht,  dass  die  genaue  Scheidung  dieser  Perioden 
schwierig,  ja  zum  Theil  unmöglich  ist,  aber  man  wird  ihm  zugestehen  müssen,  dass 
wenigstens  der  Versuch  gemacht  werden  mnsste,  die  chronologische  Folge  der  Haupt- 
richtungen  festzustellen.  Wenn  z.  B.  die  Formen  der  jüngeren  Hallstattzeit  als  Beprftaen- 
tauten  der  jüngsten  westpreussischen  Bronzezeit  definirt  werden,  wohin  vorzugsweise  die 
Steinkistengräber  mit  den  Gesichtsumen  gehören,  so  wird  diese  Auffassung,  die  Ref.  schon 
vor  Jahren  vertreten  hat,  sicherlich  anzunehmen  sein  Schwieriger  ist  die  Frage,  inwie- 
weit die  jüngere  Bronzezeit  mit  der  älteren  Hallstattperiode  zu  verknüpfen  ist,  und  noch 
schwieriger  die  Entscheidung,  wie  viel  von  den  Funden  dieser  Zeit  einer  einheimiscben 
Cultur  zuzuschreiben  ist  Der  Umstand,  dass  fast  nur  Depotfunde  aus  dieser  Zeit  bekannt 
sind  und  diese  nur  aus  den  Gebieten  auf  dem  linken  Weichselufer,  beweist,  wie  sehr  der 
Handel  hier  eingegriffen  hat.  Aber  da  nahezu  dieselbe  örtliche  Beziehung  auch  für  die 
,,frühe"  Bronzezeit  gilt,  so  wird  man  nicht  umhinkönnen,  zu  schliessen,  dass  diese  west- 
lichen Theile  von  jeher  Besonderheiten  besassen,  welche  auf  eine  gewisse  Scheidung,  viel- 
leicht sogar  auf  einen  Gegensatz  der  Bevölkerungen  hinweisen  und  damit  die  chrono- 
logische Rechnung  erschweren.  Die  Chronologie  des  linken  Weichselufers  deckt  sich 
möglicherweise  mit  der  des  rechten  nicht  vollständig.  Depotfunde  gehören  an  sich  zu 
den  am  meisten  trügerischen  Erscheinungen,  da  sie  wohl  das  Vorhandensein  gewisser 
Handels-  oder  Raubwege  anzeigen,  aber  für  die  wirkliche  „Cultur"  der  betreffenden 
Gebiete  nur  vieldeutige  Anhaltspunkte  gewähren.  Die  Sicherheit  des  Urtheils  wird  jedoch 
wachsen  in  dem  Maasse,  als  aus  vielen  Gegenden  genaue  Fundberichte  vorliegen  werden, 
und  daher  verdient  jeder  Versuch,  der  die  topographischen  Beziehungen  der  einzelnen 
Leitobjecte  klarlegt,  als  ein  verdienstliches  Werk  bezeichnet  zu  werden.  Die  Arbeiten  des 
Hm.  Lissauer  haben  gerade  in  dieser  Beziehung  eine  grosse  Bedeutung,  und  die  schonen 
Illustrationen,  mit  denen  er  hier  die  Wissenschaft  bereichert,  werden  sicherlich  auch  f& 
die  weitere  Entwickelung  dieser  schwierigen  Abschnitte  der  Prähistorie  reiche  Fmcht 
bringen.  Rud.  Virchow. 

Richard  Kleb  8.      Aufstellung   und   Katalog   des   Bernstein -Museums    von 

Stantien  und  Becker,  Königsberg  i.  Fr.     Nebst  einer  kurzen  Geschichte 

des  Bernsteins.    Königsberg,  Hartungsche  Buchdruckerei.    1889.    103  S, 

Das  berühmte  Bernstein -Museum  der  Firma  Stantien  und  Becker  verdankt  seine 
gegenwärtige  Gestalt,  namentlich  seine  wissenschaftliche  Aufstellung,  wesentlich  der  lang- 
jährigen Arbeit  des  Hm.  Klebs.  Dasselbe  zählt  rund  26000  Nummern,  von  welchen 
11000  als  Doubletten  oder  nicht  ganz  tadellose  Stücke  nicht  eingereiht  wurden;  daneben 
gab  es  noch  etwa  2000  Einschlüsse,  welche  erst  der  Bestimmung  harrten.  Für  unsere 
Zwecke  nehmen  das  hauptsächliche  Interesse  die  prähistorischen  Schmucksachen  in  An- 
spruch und  unter  diesen  wiederum  vorzugsweise  diejenigen,  welche  aus  dem  Grunde  de» 
Karischen  Haffs  bei  Schwarzort  in  einer  Tiefe  von  beiläufig  6  —  8  m  ausgebaggert  wnrdeB. 
Sie  gehören  der  Hauptsache  nach  der  Steinzeit  an.  Ihre  Bedeutung  ist  um  so  grösaer, 
als  die  Baggerarbeiten  von  der  Firma  Stantien  und  Becker  seit  Kurzem  ganz  eingestrOt 
worden  sind  und  nunmehr  von  der  Königlichen  Staatsregierung  in  rein  praktischem  Interease 
der  Erhaltung  der  Wasserstrasse  fortgeführt  werden,  lieber  diese  Funde  liegt  bekanntlicfa 
eine  besondere  Arbeit  der  HHm.  Klebs  und  Tischler  vor.  Der  Verf.  giebt  in  der  vor- 
liegenden Schrift  eine  gedrängte  und  zugleich  populäre  Uebersicht  von  den  Lagemng»- 
Stätten  des  Bernsteins  und  von  der  Geschichte  seiner  Benutzung  und  Bearbeitung.  IHe 
ältere  Geschichte,  wie  er  sie  vorträgt,  ist  nicht  ganz  einwandfrei,  jedenfalls  nicht  so  sicbfT« 
wie  er  sie  darstellt  Mit  der  Besitzergreifung  des  Ordens  änderte  sich  der  ganze  BenuteiB- 
handel,  indem  der  Orden  den  Bernstein  zum  Regal  erklärte  und  die  kaufinännische  Ver^ 
werthung  desselben  im  Grossen  organisirte.  Von  da  an  entstiinden  in  verschiedeikf-ii 
Städten  Zünfte  der  Bemsteindreher  oder  Patemostermaeher,  zuerst  in  Brügge  (1803)  und 
Lübeck  (seit  1317),  dann  zu  Stülp  und  Colberg  in  Pommern,  in  Danzig  und  erst  gmni  fpü, 
im  15.  und  17.  Jahrhundert,  zu  Elbing  und  Königsberg.  Eine  actenmässige  DarsteHnair 
dieser  Periode  findet  sich  in  W.  Tesdorpf  (Gewinnung,  Verbreitung  nnd  Haadel  ilei 


BesprechüDgeD.  233 

Bernsteins  in  Preussen  von  der  Ordenszeit  bis  zur  Gegenwart.  Jena  1887),  worauf  ver- 
wiesen werden  kann.  Dabei  mag  bemerkt  werden,  dass  Hr.  Klebs  einen  Irrthum  begeht, 
wenn  er  (8.  20)  sagt:  ^Begal  ist  der  Bernstein  an  den  Seeufem  der  ehemalig  west- 
prenssischen,  dann  pommerschen  Kreise  Neustettin,  Drambarg,  Beigard,  Bütow.*'  Keiner 
dieser  Kreise  stösst  an  die  See,  und  mit  Ausnahme  von  Bütow  hat  keiner  derselben  jemals 
SU  Westpreussen  gehört.  Neustettin  und  Beigard  gehörten  von  der  frühesten  historischen 
Zeit  an  zu  Pommern,  Dramburg  zur  Neumark.  Indess  ist  das  ein  untergeordneter  Punkt; 
in  der  Hauptsache  wird  die  kleine  Schrift  dem  Leser  reiche  und  gute  Belehrung  bieten, 
nnd  zwar  nicht  bloss  dem  gewölmlichen  Leser,  sondern  auch  dem  Archäologen  vom  Fach. 
Die  vielen  Streitfragen,  welche  neuerlich  über  die  Herkunft  und  den  Handel  des  aljten 
Bernsteins  sich  erhoben  haben,  erfordern  ein  grösseres  Maass  von  thatsächlicher  Kenntniss 
der  verschiedenen  Bemsteinsorten,  als  der  Mehrzahl  der  Gelehrten  beiwohnt. 

Rud.  Virchow. 


Georg  Jacob.  Welche  Handelsartikel  bezogen  die  Araber  des  Mittel- 
alters aus  den  nordisch -baltischen  Ländern?  2.  gänzlich  umgearbeitete 
und  vielfach  vermehrte  Auflage.  Berlin,  Mayer  und  Müller,  1891.  8. 
83  8.  —  Ein  arabischer  Berichterstatter  aus  dem  10.  oder  11.  Jahr- 
hundert über  Fulda,  Schleswig,  Soest,  Paderborn  und  andere  deutsche 
Städte.     Gleicher  Verlag.     1890.     20  8. 

Die  erste  Auflage  der  zuerst  genannten  Schrift  ist  in  dieser  Zeitschrift  1886,  Bd.  XVIII. 
S.  288,  von  demselben  Referenten  besprochen  worden.  Es  ist  nicht  ersichtlich,  dass  der 
Verfasser  von  dieser  Besprechung  Kenntniss  erhalten  hat.  Weder  hat  er  die  darin  aus- 
geführten Wünsche  berücksichtigt,  noch  hat  er,  wie  er  es  gegenüber  anderen  Besprechungen 
thut,  seinen  Gefühlen  einen  Ausdruck  verliehen.  Letzteres  ist  in  so  gereizter  Weise  und 
so  oft  wiederholt  geschehen,  dass  der  unbetheiligte  Leser  dadurch  nicht  angenehm  berührt 
werden  kann.  Der  Verfasser  klagt  über  eine  generelle  Missachtung  oder,  wie  er  sich  aus- 
drückt, Verachtung  der  arabischen  Geschichtsquellen,  die  sicherlich  nicht  in  dem  von  ihm 
vorausgesetzten  Umfange  besteht,  aber  wenn  man  ihm  auch  darin  beitritt,  dass  eine  aus- 
giebigere Benutzung  derselben  erwünscht  wäre,  so  geht  seine  Forderung  doch  zu  weit, 
dass  seine  Kritiker  —  und  im  Grunde  meint  er  seine  Leser  überhaupt  —  selbst  Orientalisten 
sein  sollen.  Der  Referent  hatte  in  seiner  ersten  Besprechung  ausdrücklich  bekannt,  „dass 
er  ausser  Stande  sei,  die  orientalischen  Quellen  des  Verfassers  zu  controliren'';  er  setzte 
hinzu:  ^er  vermag  nicht  einmal  die  häufig  eingestreuten  Worte  und  Sätze  zu  lesen,  und 
er  erlaubt  sich  im  Namen  der  wahrscheinlich  nicht  ganz  seltenen  Leser,  die  sich  in 
gleicher  Lage  befinden,  für  weitere  Publikationen  den  Autor  um  die  Beigabe  von  üeber- 
setznngen,  vielleicht  gelegentlich  auch  von  Transcriptionen,  zu  bitten. **  Der  Verfasser  hat 
dies  nicht  nur  nicht  gethan,  sondern  er  erklärt  (S.  4)  geradezu,  er  habe  bisweilen,  wo  es 
ihm  wünschenswerth  erschien,  statt  der  üebersetzung  das  Original  mitgetheilt,  „indem  ich 
nicht  beabsichtige,  Eselsbrücken  für  den  des  Arabischen  unkundigen  Historiker  zu  schaffen^« 
Daraus  scheint  fast  hervorzugehen,  dass  der  Verfasser  sein  Buch  nur  für  Historiker  bestimmt 
bat,  und  dass  er  die  Forderung  an  die  Historiker  stellt,  arabisch  zu  lernen.  Referent 
möchte  dem  gegenüber  noch  einmal  betonen,  dass  dem  Verfasser  grössere  Rücksicht  auf 
die  Bedfirfoisse  seiner  Leser,  und  nicht  bloss  der  Historiker  vom  Fach,  zu  empfehlen  ist.  — 
Auch  die  Bemerkung  des  Referenten,  dass  der  gewählte  Name  „nordisch- baltischen 
Ländern**  wohl  mehr  der  ursprünglichen  Absicht  des  Verfassers,  als  der  wirklichen  Aus- 
fühmng  entspreche,  hat  keine  Berücksichtigung  gefunden.  Schweden  und  Norwegen  pflegt 
man  nicht  nordisch -baltische  Länder  zu  nennen;  von  den  gewöhnlich  als  baltisch  bezeich- 
neten Ländern  ist  fast  nichts  gesagt,  als  was  auf  2  Halbseiten  (63  und  64)  über  den 
Bemsteinhandel  beigebracht  wird.  Dagegen  ist  in  ausführlicherer  und  in  der  That  dankens- 
werther  Weise  das  Material  zusammengestellt,  welches  sich  auf  die  grosse  continentale 
Länderstrecke  von  Böhmen  bis  nach  Sibirien  bezieht  Ausführlich  behandelt  der  Verfasser 
den  Handel  mit  Sklaven   und  mit  Pelzwaaren,  den   beiden  Hauptartikeln  des  nordischen 


234  Besprechungen. 

Imports  m  den  arabischen  Staaten  Centralaslens,  wobei  manche  ethnologisch  notxhaie 
Bemerkung  unterl&uft»  z.  B.  der  Ezcurs  über  den  blonden  Tjpns  bei  den  Slayen  (S.  14). 
Besonders  wichtig  ist  die  hier  zum  ersten  Male  gegebene  Uebersetsnng  einer  Stelle  mos 
Maqdisi:  „Und  von  Eharezm  (Khiva,  —  zu  ergänzen,  werden  eingeführt)  Zobel,  Vehe, 
Hermelin,  Korsack,  Marder,  Füchse,  Biberfelle,  bunte  Hasen,  Ziegenfelle,  Wachs,  Pfeile, 
Birkenrinde,  Mützen,  Fischleim,  Fischz&hne,  Bibergeil,  Bernstein,  gekörntes  Leder,  Honig, 
Haselnüsse,  Habichte,  Schwerter,  Panzer,  Ahorn,  slayidche  Sklaven,  Kleinvieh  und  Binder: 
alles  dieses  von  Bulgär  her.*'  Der  Handel  mit  Schwertern  betraf  hauptsächlich  fränkiKhe 
Schwerter  (S.  r>7),  welche  „schneidiger  waren,  als  die  indischen**  (Qazwint).  Die  Mit^ 
theilungen  über  den  Export  der  Araber  nach  dem  Norden  hat  der  Verfasser  sich  nicht 
die  Mühe  genommen  zusammenzustellen,  so  namentlich  nicht  einmal  den  Export  des  Silber- 
schmuckes, auf  den  Referent  schon  früher  hingewiesen  hatte.  Beiläufig  wird  nur  erwähnt 
(S.  76),  dass  Schwerter  aus  Adherbeig&n  durch  Kaufleute  „von  Bulgar  nach  dem  Lande 
Isü,  von  wo  der  Biber  kommt",  gebracht  wurden;  was  damit  gemacht  wurde,  verl&uft  sich 
ins  Mystische,  doch  lässt  sich  nicht  annehmen,  dass  der  Autor  (Abu  Hamid,  am  das 
Jahr  1000)  eine  reine  Fabel  erzählt  hat  So  finden  sich  unter  dem  reichen  Stoff  immer 
neue,  anregende  Xotizen,  und  wir  können  daher  nur  den  Wunsch  aussprechen,  dass  der 
Verfasser  nicht  aufhören  möge,  die  einflussreiche  Rolle  eines  Yermittlers  zwischen  uns  und 
den  arabischen  Schriftstellern  des  Mittelalters  festzuhalten. 

Aus  der  kleinen  Schrift  über  die  Anführung  deutscher  Städte  durch  einen  arabischen 
Autor  des  10.  oder  11.  Jahrhunderts  möge  hier  nur  die  auf  Mainz  (Mgftnga)  beiügliche 
Stelle  aus  Qazwint  (S.  13)  erwähnt  werden,  welche  über  die  schon  länger  bekannte,  sehr 
merkwürdige  Einfuhr  von  Dirhems  aus  der  Münze  von  Samarkand,  sowie  anch  von  Pfeifer, 
Ingwer,  Gewürznelken,  Spikenarde,  Costus  und  Galanga  berichtet 

Rud.  Virchow. 


Alex.  Bertrand.  Xos  origines.  La  Gaule  avant  les  Gaulois  d'apres  let 
monoments  et  leg  textes.  2^  Edit.  enti^rement  remaniee.  Paris  1891, 
E.  Leronx.    8.    349  pag.,  4  cartes  et  205  gravures. 

Der  berühmte  französische  Archäolog,  Direktor  des  National -Museums  im  8chl 
von  St  Germain- en-Laje,  hat  sich  der  überaus  dankenswerthen  Aufgabe  nntenogen, 
bedeutendes  Werk:  „Gallien  vor  den  Galliern''  einer  umfassenden  und  einschneidenden 
Neubearbeitung  zu  unterziehen.  Dasselbe  bringt  in  scharf  gezeichneten  nnd  mit  aUen 
Belegen,  thatsächlichen  und  literarischen,  auf  das  Reichste  ausgestatteten,  fast  mono- 
graphischen Darstellungen  alle  wesentlichen  Culturperioden  von  der  Tertiäneit  bis  nr 
Einwanderung  der  Gallier  zur  Anschauung.  Es  ist  ein  besonderer  Vorzug,  dass  der  Ver^ 
fasser  sich,  gewisse  allgemeinere  Erörterungen  abgerechnet,  wesentlich  an  das  eigeatlidi 
gallische  Gebiet  hält,  wie  es  in  den  Sammlungen  des  Museums  und  io  den  Specialarbeltea 
der  französischen  Gelehrten  hervortritt.  Dadurch  gewinnt  seine  Schilderung  jenen  con- 
creten  Charakter,  der  die  Sicherheit  des  ürtheils  verbürgt  und  zugleich  für  uns  Fremde 
in  höchstem  Maasse  lehrreich  ist  Noch  bedeutungsvoller  ist  der  Umstand,  dass  der  Ver- 
fasser, inmitten  einer  Schule,  die  in  ihren  Lehrsätzen  allmählich  eine  beanmhigeade 
Bestimmtheit  erlangt  hat,  sich  eine  Ooabhängigkeit  des  ürtheils  und  der  Betrachtung 
bewahrt  hat,  welche  seinen  Worten  eine,  wenngleich  vorzugsweise  individuelle,  so  doch 
wegen  ihrer  kritischen  Unterlage  besonderes  Vertrauen  erweckende  Färbung  giebt.  Wenige 
der  heutigen  Anthropologen  haben  in  gleicher  Genauigkeit  und  Ausdehnung  die  altn 
Schriftsteller  durchforscht,  wie  es  der  Verfasser,  vielfach  geleitet  durch  die  Vorarbeitm 
von  d^Arbois  de  Joubainville,  gethan  hat:  noch  viel  kleiner  ist  die  Zahl  derer,  welc^ 
Kühnheit  genug  besitzen,  an  der  Hand  dieser  sehr  zerstreuten  NoÜien  den  Vemch  n 
wagen,  die  Chronologie  der  hauptsächlichen  Vorgänge  bis  auf  eine  Art  von  Jahreisaklfa 
aufzubauen  und  darnach  auch  die  archäologischen  Funde  zu  bestimmen. 

Das  Werk  beginnt  nach  einer  sehr  lehrreichen  Einleitung  über  die  „Schule  des  Lonvre* 
mit  einem  ernsthaft  durchgearbeitet4'n  Kapitel  über  den  tertiären  Menschen.  Es  mag  hkr 
iirenügen,  den  Schlusssatz  des  Verfassers  (pag.  61)  aniulühren:   Qne  llionune  tertiaire  sott 


Besprechangen.  235 

possible,  je  n'y  contredis  pas,  mais  jusqu'ici,  il  est  encore  tout  th6orique.  Beferent  darf 
wohl  hinzufügen,  dass  dies  genau  der  Standpunkt  ist,  den  er  selbst  seit  Jahren  ein- 
genommen hat  Wer  die  Grunde  dafar  kennen  lernen  will,  der  wird  sie  bei  dem  Ver- 
fasser in  sorgfältigster  Weise  zusammengestellt  finden.  Von  besonderem  Interesse  ist  der 
Abschnitt,  welcher  die  Funde  des  Abb6  Bourgeois  bei  Thenaj,  zum  Theil  nach  neuen, 
Yon  dem  Museum  eigens  angeordneten  Untersuchungen,  bespricht  (p.  48). 

Es  folgen  dann  Kapitel  über  den  quatemären  Menschen,  über  die  neolithische  Zeit, 
die  megalithischen  Monumente  und  die  älteren  Pfahlbauten,  endlich  über  die  Einführung  der 
Metalle  und  die  Pfahlbauten  der  Bronzezeit.  Zahlreiche,  Tortrefflich  ausgeführte  Illn- 
strationen  bringen  die  wichtigsten  Gegenstände  zur  Anschauung;  von  besonderem  Werthe 
sind  die  Karten  über  die  Verbreitung  der  bewohnten  Höhlen  der  Renthierzeit  (p.  98)  und 
der  Dolmen  (p.  128). 

Sodann  kommt  ein  höchst  anziehendes  Kapitel  über  die  ersten  historischen  Bevölke- 
rungen, die  Iberer  und  die  Ligurer  (p.  234).  In  Betreff  der  letzteren  zeigt  Verfasser,  dass 
sie  schon  vor  dem  7.,  wahrscheinlich  schon  seit  dem  10.  oder  12.  Jahrhundert  vor  unserer 
Zeitrechnung  am  Mittelmeer,  namentlich  im  südlichen  Italien  und  in  Sicilien,  sowie  an 
den  südlichen  und  nördlichen  Küsten  von  Spanien  erschienen  sind.  Aber  obwohl  dies 
lange  vor  der  Einwanderung  der  Gallier  geschah,  so  lehnt  er  doch  mit  Entschiedenheit 
den  Gedanken  ab,  dass  jemals  Ligurer  das  Innere  des  Landes  in  einer  nennenswerthen 
Ausdehnung  eingenommen  haben.  Nach  seiner  Auffassung  waren  sie  ausschliesslich  ein 
Küstenvolk  mit  maritimen  Gewohnheiten,  und  zwar  von  hjperboräischer  Herkunft,  das 
orsprünglich  an  den  Küsten  der  Nord-  und  Ostsee  Sitze  hatte.  Alte  Legenden  bringen 
sie  mit  den  Traditionen  über  den  Bemsteinhandel  in  Beziehung.  C^est  une  premiere  In- 
vasion des  Normands  (p.  241).  Aber  freilich  meint  er  dies  nur  in  Bezug  auf  ihr  Treiben; 
mit  Entschiedenheit  weist  er  die  Au^assung  von  d^Arbois  zurück,  dass  die  Ligurer 
Indo- Europäer  gewesen  seien.  Obwohl  man  bisher  noch  gar  keine  Alterthümer  kennt, 
welche  ihnen  zuzuschreiben  wären,  so  hält  er  es  doch  für  möglich,  dass  eine  gewisse  Zahl 
der  ältesten  Bronzen  durch  sie  eingeführt  sei  (p.  247).  Referent  hat  die  Frage  der  Ligurer 
und  Iberer  in  einem  Vortrage  über  die  Urbevölkerung  Europa's  (Sammlung  gemeinverst. 
wiss.  Vorträge  von  R.  Virchow  und  Fr.  v.  Holtzendorff  1874,  IX.  Serie,  Heft  193, 
S.  19, 29, 37)  erörtert  und  dem  Gedanken  Ausdruck  gegeben,  dass  die  Ligurer  ein  turani- 
scher  Stamm  gewesen  sein  könnten,  aber  er  hat  auch  hervorgehoben,  dass  dies  nur  eine 
Möglichkeit  sei  und  dass  wir  im  Grunde  recht  wenig  über  sie  wüssten.  Die  Deutung 
des  Verfassers,  wonach  die  Ligurer  nirgends  ein  eigentlicher  Inlandsstamm  gewesen  seien, 
geht  vielleicht  etwas  zu  weit.  Wenigstens  hat  Hr.  Nicolucci  Thatsachen  zusammen- 
gesteUt,  wonach  ligurische  Stämme  einstmals  im  Gebiete  des  Po  bis  zu  den  Enganeischen 
Bergen  gewohnt  haben.  Indes  könnte  daneben  immer  die  sehr  plausible  Auffassung  des 
Verfassers  stehen  bleiben,  dass  die  Ligurer  ursprünglich  nur  ein  Küstenvolk  waren.  Anders 
Hegt  die  Sache  mit  den  Iberern,  welche  der  Verfasser  im  Ganzen  etwas  stiefmütterlich 
behandelt  Von  ihnen  kann  nicht  bezweifelt  werden,  dass  sie  einmal  einen  grossen  Theil 
der  iberischen''  Halbinsel  besetzt  hatten  und  dass  sie  weit  über  die  Pjrenaeen  herüber 
bis  tief  nach  Gallien  sassen,  ja  nach  Tacitus  wären  sie  auch  im  heutigen  Wales  gewesen. 

Das  letzte  Kapitel  behandelt  die  Einwanderung  der  Gallier  auf  der  Donau- 
Strasse.  Der  Verfasser  betont,  dass  ihnen  hier  die  Sigynnen  voraufgegangen  seien, 
die  schon  seit  Jahrhunderten  den  Handel  längs  der  Donau  besorgten  und  mit  den  Ligurem 
Handel  trieben  (p.  259).  Von  den  Galliern  selbst  nimmt  er  an,  dass  sie  in  den  Völkern 
mit  enthalten  waren,  die  H  ero  dot  mit  dem  Gesammtnamen  der  Thraker  belegte.  Genaueres 
darüber  verspricht  er  in  einem  folgenden  Theile  zu  bringen. 

Den  Schluss  des  Werkes  bildet  eine  Reihe  sehr  wichtiger  Specialabhandlungen  der 
Herren  £.  Piette,  £.  Hamy,  Berthelot,  R.  CoUignon  und  S.  Reinach,  auf  welche 
wir  nicht  im  Einzelnen  eingehen  können.  Nur  wollen  vrir  auf  die  sehr  bemerkenswerthen 
Untersuchungen  des  Hm.  Piette  (p.  262)  aufmerksam  machen,  der  in  der  Grotte  des 
Mas  d'Azil  (Ost -Pyrenäen)  die  Reihenfolge  der  Schichten  aus  der  Renthierzeit  in  grösster 
Genauigkeit  erhoben  und  darin  4  verschiedene  Ablagerungszonen  (Anerochs,  Pferd,  Ren- 
thier,  Edelhirsch)  nachgewiesen  hat  Ein  besonderer  Reichthum  an  artistischen  Produkten 
Ton  grosser  Feinheit  der  Skulptur  und  der  Zeichnung  ist  in  dieser  Höhle  zu  Tage 
getreten.  Rud.  Virchow. 


236  Bespreehongeii. 

Moriz  Hoernes.     Die   Urgeschichte   des   Menschen    nach   dem   heutigen 

Stande  der  Wissenschaft.    Wien,  Pest  und  Leipzig,  A.  Hartleben,  1891. 

8.    Lieferung  1  — 12.    384  S.  mit  zahlreichen  Abbildungen  im  Text  und 

ganzseitigen  Illustrationen. 

Von  dem  auf  20  Liefeitmgen  berechneten  Werke  liegt  bis  jetzt  etwas  über  die 
Hälfte  vor.  Wir  werden  darauf  zurückkommen,  wenn  dasselbe  vollendet  ist  Für  j^^tzt 
mag  nur  hervorgehoben  werden,  dass  die  Darstellung  des  Verfassers  die  Vorzüge  eines 
eleganten  und  klaren  Styls,  die  von  ihm  bekannt  sind,  nirgends  verleugnet  Seine 
Geschicklichkeit  in  der  Anordnung  des  so  mannichfaltigen  und  bunten  Materials  wetteifert 
mit  dem  gereiften  Verständniss,  welches  er  durch  lange,  eigene  Forschungen  gewonnen 
bat.  Wie  weit  Verf.  den  Begriff  der  Urgeschichte  ausdehnen  will,  ist  aus  seinen,  viel- 
leicht für  diesen  Zweck  etwas  zu  langen  Einleitungen  nicht  ganz  deutlich  zu  entnehmen. 
Er  gebraucht  meist  die  Ausdrücke  „Urgeschichte*'  und  „Prähistorie"  als  identisch.  Dies 
entspricht  nicht  dem  gewöhnlichen  Sprachgebrauche  und  führt  in  der  That  leicht  zu  Ver- 
wirrung. In  Amerika  z.  B.  ist  fast  alles  Präcolumbische  auch  prähistorisch,  aber  sicher- 
lich nur  zum  kleinsten  Theile  urgeschichtlich,  gerade  wie  bei  uns  die  altslavischen  Sachen. 
Bei  Mykenae  ist  es  sogar  zweifelhaft,  ob  wir  es  prähistorisch  nennen  dürfen;  urgeschicht- 
lich ist  es  in  keiner  Weise.  Indes  ist  das  eine  Aeusserlichkeit,  über  die  man  leicht  hinweg- 
kommt, wenn  im  Uebrigen  die  Gruppimng  des  Stoffes  eine  bequeme  Fortbewegung  im 
geschichtlichen  Sinne  ermöglicht  Dies  scheint  im  Wesentlichen  erreicht.  Die  letzte  der 
vorliegenden  Lieferungen  führt  uns  schon  zu  der  Bronze,  was  für  das  Tempo  der 
Darstellung  einen  Maassstab  ergiebt.  Schwieriger  ist  der  Umstand,  dass  der  Verfasser 
in  seiner  Schilderung  den  regionären  Verschiedenheiten  wenig  Rechnung  trägt.  Für 
jemand,  der  erst  lernen  soll,  ist  es  etwas  schwer,  alle  Länder,  ja  die  ganze  Erde  gewiaser- 
maassen  im  Gemisch  vor  sich  vorübergeführt  zu  sehen.  Eine  strengere  Scheidong  der 
Entwickelung  in  den  einzelnen  Ländern  würde  uns  mehr  geeignet  erscheinen,  das  Ver- 
ständniss zu  sichern.  Sehen  wir  zu,  wie  sich  das  Ganze  ausnimmt,  wenn  wir  dasselbe 
vor  uns  haben  werden.  Jedenfalls  können  wir  schon  jetzt  sagen,  dass  es  ein  gedankea- 
reiches  und  fleissiges  Werk  ist^  das  uns  hier  geboten  wird.  Rud.  Virchow. 


Paul   Kohlstock.     Aerztlicher    Rathgeber    für   Ostafrika    und    tropische 
Malariagegenden.    Berlin,  H.  Peters,  1891.     12.    344  8. 

Der  Verfasser,  der  schon  bei  der  Begründung  der  deutschen  Schutxtmppe  in  0»t- 
afrika  als  Arzt  bei  derselben  eintrat  (1889)  und  die  Versorgung  der  Truppe  mit  Aimneien 
und  Verbandstoffen  zu  leiten  hatte,  nach  dem  Tode  des  Dr.  Schmelz  köpf  aber  seihet 
die  Stelle  des  Chefarztes  erhielt,  hat  die  Erfahrungen,  die  er  in  Ostafrika  macht«,  in  zweck- 
massigster  Weise  zum  allgemeinen  Nutzen  der  dort  beschäftigten  Personen,  Aente  imd 
Laien,  zusammengestellt.  Das  Buch  giebt  eine  kurze  üebersicht  nicht  bloss  der  wichügstfli 
pathologischen  Verhältnisse,  sondern  auch  der  nothwendigen  hygieinischen  and  thera> 
peutischen  Maassregeln,  natürUch  unter  besonderer  Berücksichtigung  der  Malaria -ErkrmiH 
kungen  und  der  Ruhr.  Bei  beiden  ist  es  bemerkenswerth,  dass  Verfasser  die  Lufl  ab 
Trägerin  des  Krankheitsgiftes  betrachtet  (S.  105,  143).  Sehr  eingehend  und  lehmndi 
sind  seine  Mittheilungen  über  die  Formen  der  Malaria- Erkrankungen,  ihre  Prognose  vnd 
Behandlung.  Den  Schluss  des  Werkes  bildet  eine  Zusammenstellung  der  nothwendi^c«B 
Arzneien,  Verbandmittel,  Instrumente  und  anderen  Gebrauchsgegenstände  zur  Kranken-  «ad 
Verwundetenpflege.  Das  Buch  kann  allen  nach  tropischen  Gegenden  reisenden  Perwnm 
als  ein  nützlicher  Begleiter  empfohlen  werden;  schon  für  die  Vorbereitung  zu  der  ] 
wird  es  die  besten  Dienste  leisten.  Rud.  Virchow. 


IX. 

Archäologische  Aufsätze  über  süd europäische 

Fundstücke 

von 

Dr.  INGVALD  UNDSET  in  Christiania. 

(Fortsetzung  von  Bd.  XXIII.  S.  38.) 


Herrn  Geheimen  Medicinalrath 

Professor  Dr.  Rudolf  Virohow 

widmet  der  Verfasser  diese  kleine  Abhandlung  zu  seinem  70jährigen 
Geburtstage,  den  13.  October  1891,   in  lebhafter  Anerkennung  und 
Dankbarkeit    wegen   seiner  grossen   Verdienste   auch  um   die   prä- 
historische Wissenschaft. 


VII.  Orientalisclie  Einflfisse  innerlialb  der  ältesten  europäisclieii 

CiTilisatlon. 

Seit  langer  Zeit  ist  man  darüber  klar  gewesen,  dass  die  ältesten 
civilisirenden  Einflüsse  dem  europäischen  Boden  von  Aegypten  mid  West- 
asien zugekommen  sind.  Nach  dem  allgemeinen  Gange  der  geschichtlichen 
Entwickelung  an  den  Ufern  der  innersten  Mittelmeer-Länder  war  man 
einig  darüber,  aber  die  detaillirte  Nachweisung,  wie  dies  alles  vor  sich 
gegangen  ist  und  z.  B.,  welche  Elemente  die  ältesten  europäischen  Ent- 
wickelungen  vom  Süden  und  Südosten  entlehnt  hatten,  konnte  bisher 
nicht  geliefert  werden,  weil  einschlägiges  archäologisches  Material  von 
Nordafrika  und  Westasien  bisher  nur  sehr  dürftig  vorhanden  war.  Daher 
musste  und  muss  grösstentheils  noch  jetzt  ein  genauerer  Nachweis  und  die 
Erklärung  aller  entlehnten  Elemente  der  Zukunft  vorbehalten  bleiben. 

Aber  in  dem  vorhandenen  Material  sind  schon  verschiedene  Details 
nachweisbar,  und  es  scheint  mir  geboten,  schon  jetzt  zu  fixiren,  was  man 
von  solchen  Entlehnungen  und  Einwirkungen  erkennen  kann;  dadurch 
wird  die  Aufmerksamkeit  in  der  Zukunft  mehr  wach  sein  können,  und 
nach  und  nach  wird  man  im  Stande  sein,  viel  mehr  zu  beobachten  und 
zu  fixiren,  so  dass  man  dann  besser  das  gesammte  Material  überblicken 
und  genauer  erkennen  kann,  was  die  orientalischen  Einwirkungen  der 
ältesten  Entwickelung  auf  europäischem  Boden  in  Griechenland  und  nach- 
hef  auch  in  Italien  zugeführt  haben. 

Schon   an   einigen  Punkten   in    meinen   vorangehenden  Aufsätzen   in 

Z«ittchrUt  f&T  Bthnologie.    Jahrg.  1891.  17 


238  InGVALD  ÜND8ET: 

dieser  Serie  habe  ich  auf  solche  Einwirkungen  hingewiesen.  So  habe 
ich  z.  B.  in  meinem  ersten  Capitel  (diese  Zeitschrift  1889,  S.  205  ff., 
mit  dem  Nachtrage  ebendaselbst  1890,  S.  144)  gezeigt,  wie  die  älteste 
Fibelform,  die  auf  europäischem  Boden  auftritt  (in  den  italischen  Terra- 
maren  und  im  Pfahlbau  von  Peschiera  am  Gardasee),  aus  der  uralten 
mykenischen  Culturgruppe  in  der  griechischen  Welt  unserem  ErdtheiU* 
zugeführt  sein  muss*). 

In  dem  Capitel  über  die  ältesten  Schwertformen  (diese  Zeitschrift  1890, 
S.  1  —  29)  habe  ich  nachgewiesen,  wie  die  älteste  Schwertforra,  die  in  der 
europäischen  Bronzezeit  auftritt,  der  griechischen  Welt  aus  Aegypten  zu- 
gekommen sein  muss. 

Im  Capitel  IV  (diese  Zeitschrift  1890,  S.  49—75)  über  antike  Wagen- 
Gebilde  ist  hervorgehoben  worden,  wie  die  Sitte,  eine  Nachbildung  des 
Verstorbenen  auf  seinem  Streitwagen  anzubringen  und  in  voller  Kriegs- 
rüstung in  sein  Grab  niederzulegen,  in  orientalischer  Sitte  ihr  Vorbild  findet 

Im  Capitel  V  über  italische  Gesichtsumen  (diese  Zeitschrift  1890, 
S.  109 — 145)  habe  ich  dargelegt,  wie  die  Sitte,  die  wir  auf  europäischem 
Boden  finden,  das  Gefass,  das  die  Knochen  des  Verstorbenen  birgt,  irgend- 
wie als  seine  Portrait -Darstellung  oder  überhaupt  als  das  Abbild  eines 
Menschen  zu  formen,  in  orientalischer  Sitte  wurzelt. 

Bei  genauerer  Durchforschung  und  Untersuchung  des  fremdländischen 
und  des  europäischen  Materials  wird  man  zweifelsohne  dies  alles  genauer 
erkennen  und  darstellen  können. 

Dazu  werde  ich  heute  einige  Details  fügen,  die  an  schon  jetzt  vor- 
handenem Material  zu  beobachten  sind.  Ich  ziehe  einige  Punkte  hervor, 
die  in  unserem  Material  aus  der  ältesten  italischen  Eisenzeit  sich  con- 
statiren  lassen.  In  Folgendem  nenne  ich  auch  mehrere  Fundstücke  aus 
nordalpinen  Funden,  welche  Fundstücke  aber  alle  sicher  südländischem 
Import  oder  wenigstens  directen  Beeinflussungen  zu  verdanken  sind. 

So  stellt  unsere  Fig.  1  eine  Löwenmaske  aus  getriebener  Bronze  im 
Museum  des  Louvre  dar,  welche  mit  drei  ähnlichen  aus  einem  pböniciscben 
Grabe  stammt.  Die  Masken  stellen  alle  ein  gähnendes  Löwengesicht  dar,  wo 
aus  dem  offenen  Munde  die  Zunge  heraushängt.  Das  Gesicht  ist  von  einem 
runden,  gewölbten  Wulste  mit  quergehenden,  getriebenen  Rippen  umgeben. 
Diese  getriebenen  Löwenmasken  von  Bronzeblech  waren  wahrscheinlich  als 
Decoration  an  einem  Holzsarkophage,  der  im  Grabe  gefunden  ist.  an- 
gebracht    Mit  solchen  phönicischen  Masken  sind  offenbar  die  getriebenen 


1)  Commend.  L.  Pigorini  wollte  frühor  nicht  zogeben,  dass  diese  Fibeln  so  mM  mn 
könnten,  wie  die  Terramarenzeit ;  er  sprach  aus,  dass  sie  den  etruskischen  Altorthüm^in 
angehören  mOssten,  die  öfters  oberhalb  der  Terramare-Högel  auf  der  norditalischen  Ebene 
gefanden  werden.  Jetzt  ist  auch  er  klar  darüber  j?eworden,  dass  es  sich  hier  um  uralte 
Stücke,  etwa  aas  der  mykenischen  Civilisationsepoche,  handelt  (Pigorini,  Le  p^n« 
c\ttk  deW  Italia,  pag.  15,  in  der  Zeitschrift  Nuova  Antologia  1891,  1.  April). 


Orienlaluche  Einflösse  innerhalb  der  ältest«Q  europfiisclien  CiTUisation.  239 

Masken    in  Verbindung    zu  setzen, 

die     mehrmals     in    altetrnskischen  ^K-  !• 

Kammei^äbeni  gefunden  worden 
sind,  wo  sie  die  Mitte  von  Lacu- 
naren,  Ton  Decken  der  Kaninier- 
gräber  bildeten.  Ihre  Mitte  wird 
gewöhnlich  von  solch  einer  Löwen- 
maske mit  aus  dem  offenen  Munde 
bervorgestreckter  Zunge  eingenom- 
men und  von  einem  kleinen  Kranze 
mit  quei^ehenden,  getriebenen  er- 
höhten Rippen  umgeben.  Die  Maske 
mit  der  nächsten  Umgebung  befindet 
sich  meist  in  der  Mitte  eines 
grösseren  Kreises,    der  von  einem 

erhöhten,   getriebenen  Wulste  um-  Y^ 

geben  wird.    Ansser  Löwenmasken- 

(Fig.  8)  kommen  auch  öfters  andere  Darstellungen  in  der  Mitte  des 
runden  Feldes  vor,  von  Reihen  kleiner,  quergehender,  getriebener  Rippen 
oder  von  nur  angedeuteten  solchen  umgeben.  So  trif^  man  öfters  die 
Maske  des  b&rtigen  und  mit  kleinen  Hörnern  versehenen  Dionysos 
Ebon,   wie   unsere  Fig.  3  zeigt.     Selbstverständlich   wird  es  sich  hier  um 


Fig.  2. 


Fig.  3. 


eine  oigenthümliche  .\usbildung  der  Gestalt  des  Gottes  und  am  Ver- 
schmelzung mit  orientalischen  Motiven  haudeln.  Alle  diese  abgebildeten 
Scttilde  mit  Löwenmasken  und  mit  anderen  mit  einem  behömten  und 
bärtigen    MenschenkopFe    wurden    1835    in    Grabkammem    bei    Corneto- 

IT 


240  Ihovald  Uhdsbt: 

Tarquinia  gefunden.  Natürlich  handelt  ea  sich  bei  diesem  bärtigen  und  mit 
kleinen  Hörnern  versehenen  Kopfe  nm  Yerschmelzung  mit  orientalischen 
Ideen  u.  s.  w. 

Fig.  4  stellt  einen  phönicischen  Bronzescbild  dar,  der  jetzt  im  Louvre- 
Museum  sich  befindet;  er  ist  in  einem  phönicischen  Grabe  auf  der  Insel 
Cypem    gefunden    worden').     Das    Original    ist   ziemlich    beschädigt    und 

Fig.  4. 


7. 
namentlich  an  der  einen  Seite  defeet,  wie  die  Abbildung  zeigt;  die 
Decoration  ist  jedoch  vollständig  klar  und  unzweifelhaft:  zwischen  concen- 
trischen  Kreisen,  die  durch  glatte  Bänder  getrennt  sind,  laufen  andere 
Kreise,  die  mit  einem  eigenthnmlichen  Ornamente  gefflllt  sind,  einem  regel- 
mässig geschlungenem  Bande,  das  zwischen  kleinen  Cirkelschlägen  mit 
Centralpunkten  sieb  windet.  Das  am  meisten  Eigenthümliche  bei  der  Aus- 
stattung dieses  Schildes  ist  jedoch  in  dessen  Mitte  zu  finden;  hier  sieht 
man,  wie  die  Ornamentringe  eine  winkelförmige  Einkerbung  von  der  einen 
Seite  zeigen,  die  gegen  die  Mitte  läuft,  ganz  als  ob  aus  der  einen  Seite 
der  Mittelpartie  des  Schildes  etwas  ausgehauen  wäre.  Watirsc heinlich 
ist  dieses  OmameTit-Dettiil  dadurch  entstanden,  dass  ein  etwa  durch  einen 
Hieb  entstandener  Defeet  an  einem  besonders  berühmten  Schilde  später 
an  anderen  Schilden  nur  omamental  nachgeahmt  worden  ist.     Wie  gesagt, 

1)   Ptrrot  et  Cliipiei,  Histuire  de  l'art  antiqne,  m.  pag.  80'J. 


Orientalische  Einflüsse  innerhalb  der  ältesten  europäischen  Civilisation.  241 


ist  ein  solcher  Einschnitt  nur  in  der  Mitte  angegeben,  gar  nicht  in  den 
äusseren  Kreisen  und  am  Aussenrande  des  Schildes.  Fig.  5  stellt  einen  im 
hohen  Norden  gefundenen  Bronzeschild  aus  einem  alten  Moorfunde  in 
Dänemark  dar,  der  aus  getriebenem  Bronzeblech  gearbeitet  'ist,  ent- 
schieden ein  aus  dem  Süden  importirtes  Stück.  In  der  Mitte  auch 
dieses  Schildes  sieht  man,  wie  der  Buckel  und  die  ihn  umgebenden  Kreise 
an  der  einen  Seite  eine  Einkerbung  haben,  die  an  und  für  sich  ganz 
sinnlos  erscheint,  die  aber,  wie  ich  glaube,  in  dem  so  eben  besprochenen 
und  abgebildeten  cyprischen  Exemplare  ihre  Erklärung  findet.  Wie  die 
Technik  zeigt,  ist  dieses  Stück  entschieden  ein  aus  dem  Süden  nach  dem 
Norden  importirtes  Exemplar,  und  die  genannte  Einkerbung  in  der 
Decoration  der  Mitte  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  eine  ferne  Erinne- 


Fig.  5. 


Fig.  6. 


rung  an  die  Decoration  eines  besonders  berühmten  südeuropäischen  Exem- 
plares,  wo  dieselbe  Einkerbung  ursprünglich  gewiss  eine  absichtliche 
Nachahmung  eines  technischen  Details  war,  das  ursprünglich,  als  es  das 
erste  Mal  gearbeitet  wurde,  eine  bestimmte  Absicht  und  Bedeutung  gehabt 
haben  muss,  die  wir  aber  nach  dem  einzelnen  Exemplare,  das  uns  erhalten 
^t,  kaum  herausfinden  können.  (Man  wollte  offenbar  das  Detail  eines 
besonders  berühmten  Vorbildes  wiedergeben,  oder  auch,  um  die  Mitte 
des  ganz  dünnen  Stückes  zu  verstärken^  einige  nach  dem  Centrum  zu 
laufende  Linien  in  der  Ornamentik  mitnehmen.) 

Fig.  6  zeigt  eine  kleine  Bronzefigur,  die  bei  Cometo-Tarquinia 
in  Etrurien  gefunden  worden  ist  und  jetzt  im  etruskischen  Museum  im 
Vatikan  sich  befindet.  Sie  stellt  einen  kleinen  Knaben  dar,  der  auf  dem 
Boden    sitzt    und    der    in  Etrurien    offenbar    einen    bestimmten    Namen 


tuovALn  üiroSBT: 


(Tagesnamen  oder  anderen)  gehabt  hat,  wohl  in  Folge  einer  etruskischen 
Tolksthümlichen  Tradition,  die  auch  sonst  von  dort  bekannt  ist.  Aber  das 
Bild  and  die  S^e,  die  es  illustrirt,  hängen  offenbar  mit  einer  aus  dem 
Oriente  fiberlieferten  bildlichen  Tradition  zusammen,  weil  die  cypriacbe  Ab- 
theiluDg  des  britischen  Museums  ganz  ähnliche  Terracotta- Statuen  besitzt, 
die  auf  der  Insel  Cypem  gefunden  worden  sind  und  die  beweisen,  dass  dort 
oinst  eine  solche  Sagenfigur  existirt  hat,  nach  der  die  etruskisobe  ähnliche 
Figur  gebildet  worden  ist.  Auch  andere,  ähnliche  Figuren  wären  hier  zu 
nennen,  so  ein  Knabe,  der  ebenfalls  auf  dem  Boden  sitzt  und  einen  Vogel 
in  der  Hand  hält'}.  Auch  diese  Figur  hat  ganz  ähnliche  Seitenstücke 
unter  den  cyprischen  Terracotta -Bildnissen  im  britischen  Museum. 

leb  berühre  hier  einen  Funkt,  wo  unzweifelhaft  viele  EinSfiase 
auf  die  älteste  griechische  und  später  italische  Civilisation  in  der  Orna- 
mentik und  Technik  zu  constatiren  sind,  die  aber  Torläufig  noch  gar 
nicht  hinreichend  studirt,  vorbereitet  und  aufgeklärt  sind.  In  der  ältesten 
griecbisclien  Vasenmalerei  und  in  den  eingepresaten  Figuren  auf  den  so- 
genannten dorischen  und  sicilianischen  Rothwaare  -  Thongefössen  und  auf 
den  altetraskischeu  Bucchero-Gef^ssen  werden  gewiss  bei  genauerem  Stu- 
dium mehrere  Details  zu  ooa- 


Fig.  7. 


statiren  sein,  die  vom  Orient 
entlehnt  sind,  so  z.  B.  halb- 
menschliche Kentauren  und 
andere  Figuren 'J.  Die  Figuren 
7  und  8  nach  etruskischen  Bnc- 
chero-Qefässen  werden  einige 
solche  vom  Oriente  entlehnte 
Details  zeigen ;  jeder  Beobach- 
ter wird  bei  diesen  Figuren 
einen  bestimmten  Eindruck 
von  der  orientalischen  Her- 
kunft oder  wenigstens  von 
einer  starken  Beeinflussung 
von  jener  Seite  her  erbalten. 
In  Fig.  7  bemerkt  man  vor- 
nehmlich den  halbmensch- 
lichen Kentauren,  der  einen 
Baum  trägt,  and  Darstellungen 
von  Weibern  und  Männern,  die 


1)  Vergl.  Miisco  Etmsco  Gregoriano,  I.  Tat.  XXXXIII. 

2)  Srhiin  Pmr.  Dr.  Milchhüfer  in  seinein  sDregenden  Bnche  „Deber  die  AnHiig« 
der  grirrliischoa  Knust.  Berlin  1^3-,  hat  auf  einen  iolchen  Pnokt  hiDgedeotet.  j«do«h 
ist  aut-h  er  nicht  nUicr  darauf  cinfCfgsDgrn,  ««hrscheinlich  veil  auch  ihm  die  Zeil  dasa 
uui'h  vcrTrübt  schien,  ila  lücs  Gebiet  nocli  nicht  gebührend  beacbt«!  und  atndirt  »onl«D  irt. 


Orientalische  Einflüsse  innerhalb  der  ältesten  europäischen  Civilisation.  243 

einer  sitzenden  Frau  Weihgaben  bringen,  welche  Figuren -Gruppe  einen 
bestimmt  orientalischen  Charakter  hat.  In  Fig.  8  sieht  man  ähnliche 
Gestalten,  die  sitzenden  Frauen  Gaben  darbringen;  ferner  ein  Paar  gegen 
einander  gewendete  thierisclie,  vierbeinige  und  geflügelte  Sphinx -Figuren. 
Diese  Figuren -Gruppen  sind  von,  in  Etrurien  gefundenen,  Bucchero- 
Geftssen  entnommen*).  Die  Figuren -Gruppen  wiederholen  sich  mehr- 
mals rings  um  dasselbe  Gefass,  zweifelsohne  weil  sie  auf  kleine  Gylinder 
eingegraben  waren  und  bei  Abrollung  dieser  kleinen  Gylinder  rings  um 
das  Gefäss  sich  mehrmals  identisch  nach  einander  einpressten  und  wieder- 
holten. Auf  diesen  Punkt  aber  näher  einzugehen,  ist  noch  nicht  die  Zeit 
gekommen,  und  bin  ich  auch  nicht  der  geeignete  Mann,  weil  ich  das 
einschlägige  orientalische  Material  nicht  beherrsche  und  weil  es  in 
Publicationen  oder  originalen  Stücken  mir  gar  nicht  zugänglich  ist. 

Schliesslich  nenne  ich  noch  einen  Punkt  aus  der  Ornamentik  der 
italischen  Villanova- Civilisation,  wo,  wie  ich  glaube,  ein  einst  vor- 
herrschendes  Motiv  auf  eigenartige  Umbildung  eines  ornamentalen  Motives 
hinweist,  das  in  der  alten  ägyptischen  Kunst  und  in  den  von  dort  beein- 
flussten  Stylarten  sehr  hervortritt.  Die  Sonnenscheibe,  von  Uräusschlangen 
umgeben,  ist  bekanntlich  ein  in  der  altägyptischen  Kunst  und  Ornamentik 
häufig  vorkommendes  Decorations -Element.  Fig.  9  zeigt  ein  solches 
Detail  in  Stein  gehauen,  an  einem  phönicischen  Monumente  angebracht*). 
Fig.  10  ist  die  eine  Halbseite  einer  Bronzevase  der  Villanova -Zeit,  in 
einem  alten  Brandgrabe  bei  Cometo-Tarquinia  gefunden").  Fig.  11  zeigt 
einen  Theil  eines  umlaufenden  Omamentbandes  an  einer  Bronzevase,  die 
bei  Hessin  in  Pommern  gefunden  worden  ist*).  Dies  Ornamentmotiv  ist 
offenbar  eine  Umbildung  des  gedachten  Motives,  das  so  stark  von  der 
ägyptischen  Kunst  abhängig  ist.  Fig.  12  zeigt  dasselbe  Omamentmotiv 
in    einer   anderen    Umbildung   von    einer   Bronzevase,    die    in    Dänemark 


1)  Micali,  Storia  degli  antichi  popoli  italiani,  Tav.  XX.  Fig.  18,  15. 

2)  Perrot  et  Chipiez,  Histoire  de  Tart  antique,  III.  Phenicie-Cypre,  p.  127,  F^g.  70. 

3)  Diese   Vase   ist   in   den   Notizie   degli   scavi   1882,   Tav.  XXXXI.  Fig.  14,  wieder- 
gegeben, dort  aber  leider  in  der  Ornamentik  ganz  falsch  aufgefasst  und  gezeichnet.    Kurz 
nach    dem  Erscheinen  des  betreffenden  Heftes  der  Notizie  habe  ich  in  Cometo-Tarquinia 
von  dem  Originale  die  gegebene  Zeichnung  und  die  Ornamentik  correcter  zeichnen  können 
und   nach   meiner  damals  genommenen  Zeichnung  ist  das  hier  gegebene  Bild  angefertigt 
Von   den  Cirkelgrappen   gehen   ein   oder   zwei   schlangen-  oder  vogelartige  Köpfe  in  die 
Höhe  aus,  welche  Figuren  aber  in  der  citirten  Abbildung  in  den  Notizie  ganz  falsch  auf- 
gefasst  und   wiedergegeben    worden    sind.     Offenbar    haben    wir  hier,    wie    ich   glaube, 
ein  Omamentmotiv,   das  auf  dem  citirten  und  im  Texte  abgebildeten  ägyptischen  Motive, 
der  Sonnenscheibe,   von  Uräusschlangen    umgeben,   bemht.    Dieses  Motiv  spielt  weiter  in 
der  Ornamentik  der  getriebenen  Bronzebleche  der  Villanova- Gmppe  eine  sehi*  grosse  Rollo; 
die    folgenden  Figuren  von  Ornamenten  dieser  Art,   die  alle  nördlich  der  Alpen  gefunden 
worden  sind,  werden  es  illnstriren. 

4)  Dr.  Ingvald  Undset,  Das  erste  Auftreten  des  Eisens  in  Nordeuropa,  Hamburg  1882, 
S.  239,  Taf.  XXIV.  Fig.  3.  —  Einige  der  hier  behandelten  Punkte  habe  ich  schon  in  meiner 
Abhandlong    n  den  römischen  Annali  dell'  instituto  1885  angedeutet. 


244  Imovald  TJhdsct: 

Fig.  9- 


^^•..,X- 


OrieatAlUche  EinflSsse  innerhalb  der  filteaten  enropSischen  Civiiisation.  245 

gefanden  worden  ist.  BieBe  Vase  wurde  mit  einer  anderen  ähnlichen 
Bronzevaae  in  einem  Moore  bei  Siera,  Helium  Herred,  Amt  Aalborg  in  JOt- 
lanil,  ausgegraben  und  wird  jetzt  im  Museum  von  Kopenhagen  aufbewahrt. 
Fig.  13  zeigt  dasselbe  Motiv  in  eitler  anderen  Umbildung  auf  einem 
Bronze  sc  bilde  ebenfalls  aus  getriebenem  Bronzeblech,  also  ohne  allen 
Zweifel    ein    Büdliches,    nach   dem  Norden   importirtes  Produkt.     Hier    ist 

Fig.  13. 


V. 

das  Hotiv  (Girkelgruppe  mit  nach  beiden  Seiten  ausgehenden  Schlangen- 
oder  eher  Yogelköpfen)  dreimal  wiederholt  zwischen  drei  getriebenen 
Bnckeln;  die  Vogelköpfe  sind  auch  hier  auf  beiden  Seiten  der  Girkel- 
grappe  verdoppelt  und  von  einander  gewendet,  so  dass  das  Ganze  ein 
eigenartiges  Gepräge  erhalten  hat.  So  umgebildet  kommt  dieses  Omament- 
motiv  öfters  an  getriebenen  südländischen  Bronzearbeiten  vor,  die  nach 
dem  Norden  gekommen  sind. 

Wenn  das  Material  aus  dem  sfldeuropäischen  Alterthum  und  aus  dem 
ganzen  europäischen  Bronzereiche  einmal  reichlicher  wird,  werden  ohne  allen 
Zweifel  die  hier  angedeuteten  Zeugnisse  von  orientalischen  Einwirkungen 
bedeoteod  vermehrt  werden  können.  Vorläufig  müssen  wir  uns  mit  diesen 
Andeutungen  begnügen;  eine  zukünftige  Durchforschung  des  ganzen  bronze- 
zeitlichen Materials  and  des  Alterthumsbestandes  aus  der  ältesten  eüd- 
eoropäiscben  Eisenzeit  wird  sicherlich  das  hier  nur  Angedeutete  vielfach 
vergrSssem  und  erweitem  können. 


Besprechungen. 


W.  Schnarrenborger.    Die  Pfahlbauten  des  Bodensees.    Beilage  zu  dem 
Jahresberichte  des  Grossh.  Bad.  Gymnasiums  zu  Konstanz.  1891.     46  S. 

Nach  den  Worten  der  Einleitnng  soll  die  Arbeit  im  Wesentlichen  eine  Zusammen- 
fassung der  weit  zerstreuten  Nachrichten  über  die  Pfahlbaufunde  des  Bodensees  sein  und 
das  Material,  welches  der  Verfasser  in  den  verschiedenen  Museen  selbst  studirt  hat,  vor- 
legen. Die  Behandlung  der  einzelnen  Stationen  geschieht  in  geographischer  Reihenfolge, 
Tom  Südufer  des  Ueberlinger  Sees  ausgehend,  dem  sich  Ober-  und  Untersee  ansclüiessen. 
Das  Verständnis  erleichtem  drei  Tafeln  mit  einfachen  Zeichnungen  der  wichtigsten  Fnnd- 
gegenstände,  sowie  eine  Uebersichtskarte  des  Bodensees  (und  seiner  nächsten  Umgebung), 
auf  der  die  einzelnen  Ansiedelungen  eingetragen  sind. 

In  methodischer  Weise  bemüht  sich  der  Verfasser,  ein  Bild  der  geschichtlichen  Ent-- 
wickelnng  der  einzelnen  Stationen  zu  geben,  indem  er  scharf  die  Schichten  der  Steinzeit, 
der  Bronzezeit  und  der  folgenden  Perioden  scheidet.  Als  Resultat  ergiebt  sich,  dass  eine 
von  Niederlassungen  nicht  mehr  die  Metallzeit  erlebt  hat,  andere  erst  zu  Beginn  dieser 
gegründet,  wurden  dassaber  nur  ganz  wenige  Funde  in  die  eigentliche  Eisenzeit  hinüber- 
führen. Doch  schliesst  Verfasser  auf  Grund  dieser  letzteren,  theils  der  Hallstatt-,  theils 
der  la  Tene-  und  selbst  der  Römerzeit  angehörigen  Funde,  dass  einzelne  günstig  ge- 
legene Pfahlbauten  bis  in  die  Römerzeit  hinein  bewohnt  gewesen  seien.  Letztere  Mei- 
nung findet  sich  allerdings  da  und  dort  in  einschlägigen  Schriften,  wobei  die  Vernichtung 
der  Pfahlbauansiedlungen  mit  dem  von  Strabo  berichteten  Seetreffen  des  Tiberius  gegen 
die  Vindeliker  zusammengebracht  wird.  Meines  Erachtens  ganz  mit  Unrecht  Denn  die 
dieser  späteren  Periode  angehörigen  Funde  sind  so  wenig  zahlreich  und  meist  an  solchen 
Punkten  gemacht,  dass  sie  ebensowohl  von  Anlagen  herrühren  können,  die  für  Zwecke  der 
Fischerei  und  Schiffiahrt  oder  der  militärischen  Ueberwachung  dienten  Wollte  man  den 
vereinzelten  Funden  jene  Bedeutung  beilegen,  dann  müsste  man  ja  auch  ein  Fortbestehen 
der  Pfahlbauwohnungen  bis  in  die  alamannische  Zeit  und  später  annehmen,  da  auch 
Fundgegenstände  dieser  Epoche  nicht  fehlen.  Und  ein  weiterer  Grund:  Verf.  selbst  zieht 
als  ein  Resultat  seiner  fleissigen  Untersuchung,  dass  die  Pfahlbauten  des  Bodensees  in 
Anlage  und  Fundergebnissen  (abgesehen  von  der  geringen  Anzahl  der  Bronzen)  in  allen 
Hauptsachen  vollständig  mit  denen  der  schweizerischen  übereinstimmen.  Nun  steht  aber 
für  letztere,  soweit  sie  an  den  grossen  Völker-  und  Handelsstrassen  lie^^en,  fest,  dass  sie 
die  Anfänge  der  Hallstattkultur  nicht  überdauert  haben.  Dasselbe  gilt  daher  auch  für 
den  Bodensee,  wo  dieselben  Gesichtspunkte  walten.  In  abgelegeneren  Gegenden,  an  den 
Seen  Thraciens  (Prasias)  und  sonst,  mag  sich  die  Sitte  der  Seewohnungen  immerhin  länger 
gehalten  haben  . 

Noch  auf  einen  Punkt  möchte  ich  etwas  näher  eingehen.  Die  Feststellung,  ob  in 
dem  oder  jenem  Pfahlbau  des  Bodensees  Bronze  gefunden  wurde,  ist  oft  eine  recht  miss- 
liche. Einmal  aus  dem  Grunde,  weil  sehr  viele  der  Bodenseealterthümer  in  alle  Welt 
hinausgewandert  sind.  Sodann  aber  wurde  den  vereinzelten  Funden  nicht  immer  die  ge- 
nügende Beobachtung  geschenkt,  theils  weil  die  Bodensee-Bronzen  meist  mit  einer  sehr  ent- 
stellenden Kalkkrusto  zu  Tage  kommen,  theils  weil  ja  dieselben  Gegenstände  aus  den 
Pfahlbauten  der  Schweiz  viel  schöner  und  reichlicher  bekannt  waren.  Daher  wird  noch 
Manches  durch  künftig«  Funde  rectiticirt  werden  können.  Nur  wäre  sehr  zu  wünschen, 
dass  bei  weiterer  Ausbeutung  solcher  Pfahl bauansiedelungen  die  bi«  jetzt  noch  sehr  häufige 
Art  der  Ausbaggerung  möglichst  beschränkt,  unbedingt  aber  da  untersagt  würde,  wo  bei 
niederem  Wasserstand  und  durch  Abdämmen  eine  Trockengrabung  vorgenommen  werden 
kann.    Denn  im    letzteren  Fall  last  sich    bei    vorsichtigerem  Abtragen  dünner  Horizontal- 


Besprecliungen.  247 

schichten  durch  Sachrerst&ndige  schon  beobachten,  wie  innerhalb  des  steinzeitlichen  Sta- 
diums die  Entwickelung  der  einzelnen  Typen  vor  sich  geht  und  ob  der  üebergang  zur 
Bronzezeit  ein  allmählicher  ist,  —  wie  Verf.  für  den  Bodensee  annimmt,  —  oder  ob  sich 
mit  einem  Schlage  eine  ganz  neue,  im  Besitze  der  Bronze  befindliche  Kultur  darüber 
legte.  Natürlich  haben  nur  an  rerschiedenen  Orten  gemachte  Beobachtungen  die  Gewähr 
der  Sicherheit  und  muss  vor  Allem  in  den  reicheren  Stationen  der  Schweiz  darauf  geachtet 
werden.  In  der  Ffahlbauausplünderung  ist  schon  eine  Menge  von  Resultaten  für  alle  Zeiten 
remichtet  worden.  Sehe  man  zu,  dass  den  wenigen  Stationen,  die  noch  einigermaassen 
intact  geblieben  sind,  das  abgewonnen  wird,  was  dem  jetzigen  Stande  der  Wissenschaft 
entspricht 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  noch  dem  Wunsche  Ausdruck  verleihen,  dass  einige  der 
wichtigeren  Pfahlbauansiedelungen  des  Bodensees  eine  mehr  eingehende  Darstellung  fänden. 
So  sind  in  Bodmann  im  letzten  Sommer  sehr  bedeutende  neue  Funde  gemacht  worden. 
Namentlich  ist  die  Zahl  der  Thongefässe  so  gross,  wie  in  irgend  einer  Station  der  Schweiz. 
Die  Zusammenstellung  der  Haupttypen  würde  ein  wichtiges  Yergleichsmaterial  ergeben. 

Karl  Schuhmacher. 


Alois  Raimund  Hein:  Maeander,  Kreuze,  Hakenkreuze  und  urmotivische 
Wirbelomamente  in  Amerika.  Ein  Beitrag  zur  allgemeinen  Ornament- 
gescbichte.    48   Seiten    S'*,    30    Original-Dlustrationen,   Wien.      (Alfred 

Holder).    1891. 

Das  in  erfreulicher  Weise  stetig  an  Ausdehnung  Zunehmende  Interesse  an  der  Ethno- 
logie hat  bereits  begonnen,   einige   Specialitäten   zu    zeitigen.    Die   eine   derselben,  die 
Ethnographie  des  Ornaments,  wird  erfolgreich  von  dem  Verfasser  betrieben,  dessen  Mono- 
graphie über  die  bildenden  Künste  bei  den  Dayaks  auf  Bomeo  auf  Seite  168  und  169  des 
Torigen  Jahrganges   ihre  Besprechung  gefunden   hat.    In   der  vorliegenden  Schrift   sind 
einige  „Urmotive''  aus  Amerika  zum  Gegenstande  der  Untersuchung  herausgehoben,  welche 
ihre    Analogie    in    allen   möglichen   anderen    Gebieten   unseres  Erdballes  finden.     Aber 
es  wird  versucht,  den  Nachweis  zu  führen,  dass  aus  dem  Bestände  einer  mit  Symboltypen 
der  alten  Welt  nahe  verwandten  prähistorisch-indianischen  Ornamentik   sich   die  Ueber- 
tragung  künstlerischer  Traditionen  nach  dem  Westen  noch   nicht  folgern   lässt  und   dass 
es  als  ein  müssiges  unternehmen  aufgefasst  werden  muss,   wegen   einiger  religiösen,  so- 
cialen oder  omamentalen  Analogien  das  vorcolumbische  Amerika  zu  einer  geistigen  Pro- 
vinz Europas  oder  Asiens  machen  zu  wollen.    Denn  „der  Punkt,  die  gerade  und  die  ge- 
bogene  Linie,  die  geradgebrochene  Linie   und  das  Zickzackband  in  seinen  verschieden- 
artigen Bildungen,  das  Dreieck,  das  Viereck,  der  Kreis,  die  Spirale,  —  das  sind  Elemente, 
die  in   der  Ornamentik  jedes  Volkes  vorkonmien."    „Die  Kirnst   des  Flechtens  und  des 
Webens,  die  Handhabung  der  Töpferscheibe,  das  Schnitzen  des  Holzes,  das  Hämmern  und 
Giessen  der  Metalle  mussten  die  Völker  nicht  erst  einander  abgelernt  haben.    Ein  Blick 
auf  die  Erzeugnisse  in  vollster  Abgschiedenheit  lebender  Naturvölker  überzeugt  uns,  dass 
höchst  beachtenswerthe  Leistungen  auf  den  verschiedensten  Kunstgebieten  an  Orten  ge- 
macht werden,  wo  man  vergebens  nach  einem  Lehrmeister  fragen  würde.    Die  menschlichen 
Bedürfoisse,  in  ihrer  elementaren  Ursprünglichkeit  auf  der  ganzen  Erde  voUkonmien  iden- 
tisch, mussten  natumothwendig  eine  bedeutende  Aehnlichkeit   der  zu   ihrer  Befriedigung 
hervorgebrachten  Objecto  zur  Folge  haben.    Unter  allen  Himmelsstrichen  werden  schmieg- 
same, elastische  Stoffe  zu  Körben  und  Matten  verarbeitet,  wird  die  Pflanzenfaser  gesponnen, 
gedreht,   gezwirnt,  Gefässe   geformt,  Werkzeuge   geschmiedet,   wird  Holz   gespalten,   ge- 
schnitten, geschnitzt.    Dass  die  Gebrauchsgegenstände,  unbeschadet  der  tausendjährigen 
Variation  desselben  Themas,  eine  grosse  Aehnlichkeit  besitzen,  kann  uns  nicht  befremden.** 
Aber  auch  die  Ausschmückung  dieser  Gteräthe  zeigt  uns  Decorationstypen  von  universeller 
Terbreitung,  welche  man  als  omamentale  Urmotive  bezeichnen  kann     Solchen  Urmotiven 
and  ihrer  fast  immer  mit  ihnen  verbundenen  symbolischen  Bedeutung  femer  nachzuspüren, 
ist  eine  lohnende  Aufgabe,   welche   auch   sicherlich   einst  der  Kunstgeschichte   zu  Gute 


248  Besprechungen. 

kommen  wird.  Denn  die  Wege,  welche  zu  den  Anfangsstadien  der  Kunstentwickelnng  fu- 
rückleiten,  sind  bis  jetzt  noch  fast  g&nzlich  unbetreten.  Aber  bis  die  Kunst  dasjenige 
wurde,  was  heute  ausschliesslich  den  Gegenstand  kunstwissenschaftlicher  Betrachtung  aus- 
macht, mussten  ganze  Völkergenerationen  erstehen  und  wieder  verschwinden,  und  um  von 
deren  Können  ein  richtiges  Bild  zu  gewinnen,  vermag  nur  die  vergleichende  Ethnologie 
die  nöthigen  Handhaben  herbeizuschafTen.  Max  Bartels. 


Garrick  Mallery.  Israeliten  und  Indianer.  Eine  ethnographische  Parallele. 
Aus  dem  Englischen  von  Friedrich  S.  Krauss.  Vom  Verfasser  berech- 
tigte Uebersetzung.  105  Seiten  kl.  8*.  Leipzig.  (Th.  Griebens  Verlag) 
[L.  Femau].     1891. 

Es  ist  ein  dankenswerthes  Unternehmen  von  Friedrich  S.  Krauss,  dem  gelehrten  Er- 
forscher des  südslavischen  Yolksthumes,  die  vorliegende  kleine  Schrift  des  bekannten  Ethno- 
logen einem  weiteren  Leserkreise  zugänglich  zu  machen.  Der  Titel  des  Werkchens  könnte 
zu  der  Vermuthung  Veranlassung  geben,  dass  hier  wieder  die  veraltete  Hypothese 
hervorgezogen  wäre  von  der  direkten  Abstammung  der  Indianer  von  einem  der  verlorenen 
zehn  Stämme  Israels.  Diese  eine  Zeitlang  so  bewunderte  Behauptung  wird  mit  Recht 
in  das  Gebiet  der  Fabel  verwiesen.  Aber  dennnoch  werden  uns  Seite  für  Seite  die  über- 
raschendsten Analogien  in  den  Anschauungen,  Sitten,  Gesetzen  u.  s.  w.  zwischen  den  In- 
dianern und  den  Israeliten  vorgef&hrt  Hierdurch  soll  aber  keinerlei  Yerwandschaft  be- 
wiesen werden,  sondern  dieselben  sollen  weiter  gar  nichts  darthun,  als  dass  auch  das 
israelitische  „Gesetz"  nichts  von  vornherein  Fertiges  darstellt,  sondern  dass  es  eine  lange 
Entwickelungsgeschichte  durchzumachen  hatte,  welche  sich  in  nichts  von  derjenigen  unter- 
scheidet, was  wir  bei  den  Indianern,  aber  auch  bei  allen  möglichen  anderen  Völkern 
zu  beobachten  vermögen.  Denn  das  mag  hier  gleich  angeführt  werden:  die  Indianer  sind 
hier  nur  ein  Paradigma,  für  welches  ebenso  gut  irgend  ein  anderes  der  sogenannten 
Naturvölker  hätte  gewählt  werden  können,  und  darin  liegt  der  Schwerpunkt  und  das 
Wichtige  in  Mallerj's  Abhandlung.  Sie  führt  uns  in  knapper  und  klarer  Form  die  Ent- 
wicklung in  dem  geistigen  Leben  der  Völker  vor,  sowohl  in  Bezug  auf  die  ^religiösen 
Grundvorstellungen'',  d.  h.  die  Anschauungen  über  die  Existenz  der  Götter  und  Dämonen, 
und  über  deren  Priester  und  Beschwörer,  über  das  Leben  nach  dem  Tode,  über  Träume, 
Weissagungen,  Opfer  und  Reinigungen,  über  den  Sabbath  und  die  Beschneidung,  ab 
auch  in  Bezug  auf  den  Parallelismus  der  Mythen  und  endhch  in  Bezug  auf  die  so- 
cialen Einrichtungen,  das  Clanwesen,  die  Ehegesetze,  die  Strafen  und  Freistätten,  den 
Land-  und  Grundbesitz  und  die  Adoption.  So  bietet  das  kleine  Werk  eine  Fülle  von  Be- 
lehrung und  Anregung  dar  und  versetzt  uns  in  die  Möglichkeit,  manchen  absonderlichen 
Gebrauch  eines  fremden  Volkes,  über  den  uns  die  Reisenden  Nachricht  geben,  in  richtiger 
Weise  in  seinen  Entstehungsgründen  zu  begreifen  und  zu  erklären.  Die  Uebersetzung  ist 
fliessend  und  die  Verlagsbuchhandlung  hat  es  nicht  unterlassen,  der  kleinen  Schrift  eine 
gute  Ausstattung  zu  geben.  Max  Bartels. 


Snell:     Hexenprozesse  und  Geistesstörung.  Psychiatrische  Untersuchungen. 
130  Seiten  8*.     München  (J.  F.  Lehmann)  1891. 

Eine  der  traurigsten  Perioden  menschlicher  Verirrung  und,  man  kann  wohl  hinzu- 
setzen, Verthierung  wird  uns  von  dem  Verfasser  vorgeführt.  Er  zeigt,  wie  im  18.  Jahr- 
hundert zuerst  die  blutigen  Ketzerverfolgungen  begannen,  welche  gegen  alle  diejenigen 
gerichtet  waren,  die  sich  der  geistlichen  und  weltlichen  Macht  der  Kirche  nicht  un- 
bedingt fügen  woDten,  so  z.  B.  gegen  die  Stedinger  1238,  die  dem  Erzbischof  von  Bremen 
die  Zahlung  des  Zehnten  verweigert  hatten.  Später  gingen  hieraus  die  Hexenprozesse^ hervor, 
welche  die  einmal  Angeklagten  rettungslos  zu  Grunde  richteten.    Denn'^die  Folter  presste 


Besprechungen.  249 

ihnen  das  Zugeständnis  aller  ihnen  zur  Last  gelegten  Schandthaten   aus  und   zwang   sie 
auch,  eine  Anzahl  Ton  Mitschuldigen  namhaft   zu   machen,   welche   dann   ebenfalls   dem 
peinlichen  Grerichte  und  schliesslich   einem   qualvollen  Tode   verfallen    waren.    Dass   die 
Mehrzahl  der  Geständigen  ihre  Schuld  nicht  glaubten,  weist  der  Verfasser  überzeugend 
nach.    Es  liegen  zahlreiche  Zeugnisse  ihrer  Beichtväter  vor,  welchen  sie  vor  dem  Tode 
bekannten,  dass  sie  unschuldig  seien,  mit  der  flehentlichen  Bitte   aber,  dieses  geheim  zu 
halten,  damit  sie  nicht  von  Neuem  den  Schrecknissen  der  Folter  übergeben  würden.    Die 
von  einigen  Autoren  vermuthet«  Wirkung  der  Hexensalben   weist   der   Verfasser   zurück. 
Es  ist  bekanntlich  bisweilen  behauptet  worden,  dass  sich  die  Hexen  durch  die  Einreibung 
bestimmter  narkotischer  Salben  in  einen   künstlichen  Schlaf  mit  erotischen  Träumen  ver- 
setzt und  später  ihre  im  Traum  erlebten  Teufelsbuhlschaften  als  wirkliche  Thatsachen  ange- 
sehen hätten.    Nun  kommt  aber  emerseits  den  uns  bekannten  Hexensalben,   deren  genaue 
Recepte  auf  uns  gekommen  sind,  eine  derartige  Wirkung  gar  nicht  zu,  und  andererseits 
würde,  selbst  wenn  die  Salbe  in  der  beschriebenen  Weise  wirksam  gewesen  wäre,  die  Hexe 
dem  ersten  Versuche  die  Anwendung  einer  zweiten  sicherlich   nicht  haben  folgen  lassen; 
denn  der  geschlechtliche  Verkehr  mit  dem  Teufel   wird   in  allen  Hexenprocessen,   welche 
Aussagen  darüber  enthalten,  übereinstimmend  als   ausserordentlich   unangenehm,  quälend 
und  schmerzhaft  und  nichts  weniger  als  wollüstige  Empfindungen  hervorrufend  geschildert. 
Nun  giebt  es  aber  vereinzelte  Fälle,  und  auch  dafür  werden  Beispiele  herbeigebracht,  wo 
die  Unglücklichen  sich  selbst  beschuldigten  und   es   selber   glaubten,   dass   sie   mit   dem 
Teufel  einen  Bund  geschlossen   und  allerlei  Böses  verübt  hätten.    Diese  sind  aber  nur  in 
verschwindender  Anzahl  und  das   waren  zweifellose   Geisteskranke,   Melancholiker,    deren 
Sclbstanklagen,  wie  das  bei  dieser  Art  der  geistigen  Störung  immer  der  Fall  ist,  nur  die 
zeitgemässe  Richtung   genommen   hatten.    Auch  kommen   sicherlich   noch   einige   andere 
Arten  von  Psychosen  vor.    Denn  die  Gerichtsakten  sprechen  von  eigenthümlichen  Fällen 
von  Krämpfen  und  von  Anästhesien;  auch  bezüchtigten  sich  einige  Hexen  selber  der  Teufels- 
buhlschaft mit  den  oben  bereits  erwähnten  unangenehmen   und  sogar  erheblich  schmerz- 
haften Empfindungen.    Ganz  gleiche    Fälle    von   Hallucination   eines   schmerzhaften  Ge- 
schlechtsverkehres sind  auch  heute  noch   in   unseren  Irrenhäusern   zu    finden.    Immerhin 
aber  bilden  diese  wenigen,  wirklich  Geisteskranken  an  Zahl  eine  verschwindende  Minorität 
gegen  die  Zehntausende  Gesunder,  welche  unschuldig  und  im  vollen  Bewustsein  ihrer  Un- 
schuld dem  Feuertode  überliefert  wurden. 

Es  ist  aber  im  Wesentlichen  eine  andere  schwere  Nervenerkrankung,  welche  in  den 
Hexenprocessen  eine  hervorragende  Rolle  gespielt  hat.  Das  ist  die  Hysterie.  Dieselbe  ist 
als  eine  wichtige  Ursache  der  Hexenprozesse  zu  betrachten.  Aber  nicht  die  Verklagten 
waren  die  Hysterischen,  sondern  die  hysterischen  Anfälle  anderer  Personen  wurden  als 
Besessenheit  aufgefasst  und  die  Verursachung  dieser  Besessenheit  wurde  den  Verklagten 
zur  Last  gelegt.  Für  diese  sicherlich  richtige  Annahme  führt  der  Verfasser  eine  Reihe 
von  Belegen  vor,  deren  Beweiskraft  man  sich  wohl  nicht  entziehen  kann. 

Max  Bartels. 


Heinrich  von  Wlislocki:  Märchen  und  Sagen  der  Bukowinaer  und  Sieben- 
bürger Armenitir.  Aus  eigenen  und  fremden  Sammlungen  übersetzt. 
188  Seiten  8*.    Hamburg.     1892. 

Der  Verfasser,  welchem  wir  bereits  mehrere  wichtige  Arbeiten  über  die  Zigeuner 
Siebenbürgens  verdanken,  bietet  uns  hier  eine  Sammlung  von  60  armenischen  Märchen 
und  Thierfabeln  und  von  gegen  100  Sprüchwörtem  dar,  welche,  wie  er  selber  angiebt, 
„sehr  genau,  fast  Wort  für  Wort"  übertragen  sind.  Sie  sind  um  so  wichtiger,  als  die 
armenische  Sprache  in  Siebenbürgen  immer  mehr  und  mehr  verschwindet  und  ^nur  noch 
von  der  älteren  Generation  als  ConversatiouFsprache  gebraucht,  in  den  Schulen  aber  nur 
noch  beim  Religionsunterricht**  angewendet  wird.  In  der  Thierfabel  spielt  der  Fuchs 
eine  ähnliche  Rolle,  wie  bei  uns;  nur  einmal  erscheint  er  als  überlisteter  Prahlhans.  Die 
Märchen  haben  meist  einen  versöhnlichen  Schluss  und  viele  von  ihnen  werden  gewiss  auch 


250  Besprechungen. 

von  unserer  Kinderwelt  sehr  gern  gelesen  werden.  Sie  bieten  nicht  sehen  AnUfinge  an  klassisch 
antike  oder  an  nordische  Sagen.  Was  den  Ethnologen  an  ihnen  besonders  interessirt,  sind 
mancherlei  Züge  des  auch  heute  hei  jenem  Volke  noch  gültigen  Volksglaubens,  der  hier  und  da 
zum  Vorschein  kommt;  Wlislocki  hat  es  nicht  versäumt,  auf  diese  besonders  hinxuweisen 
und  in  den  Anmerkungen  ihre  Erklärung  zu  geben.  Unter  den  Sprüchwörtem  ist  Manches, 
das  uns  fremdartig  anmuthet  Andere  Lebensbedingungen  zeitigen  eben  andere  Sprüchwörter. 
Nicht  wenige  aber  auch  bieten  im  fremden  Gewände  den  gleichen  Gedankengang,  wie  viele 
unserer  gebräuchlichsten  Sprüchwdrter  dar.  Die  Ausstattung  des  Buches  in  Bezug  auf  Dmck 
und  Papier  möge  hier  noch  rühmend  hervorgehoben  werden.  Max  Bartels. 


G.  Hellmann:  Meteorologische  Volksbücher.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte 
der  Meteorologie  und  zur  Kulturgeschichte.  Sammlung  populärer  Schriften, 
herausgegeben  von  der  Gesellschaft  Urania  zu  Berlin.  No.  8.  53  Seiten 
gross  8*.    Berlin.    (Hermann  Paetel.)     1891. 

Der  Verfasser  entrollt  ein  Stück  Kulturgeschichte  des  15.  bis  19.  Jahrhunderts, 
welches  der  Mehrzahl  der  Leser  wohl  neu  sein  dürfte.  Es  ist  geradezu  staunenswerth, 
welche  Menge  meteorologischer  Volksbücher,  gewöhnlich  mit  dem  fragwürdigsten  Inhalte, 
in  der  genannten  Zeitperiode  auf  den  Büchermarkt  kam.  So  erschienen  vor  900  Jahren 
allein  in  Deutschland  mehr  als  10  verschiedene  „Bauem-Praktiken**  im  Jahre.  Der  Zeit- 
raum von  1586—1595  brachte  deren  140,  das  Jahr  1590  allein  19  hervor.  Die  meisten 
basirten  auf  falschen  astrologischen  Voraussetzungen,  deren  Schatted  in  dem  „Hundert- 
jährigen Kalender"  bis  in  die  jüngste  Neuzeit  reichen.  Diese  Art  der  Volksliteratnr  war 
häufiger  und  gelesener,  als  selbst  die  Bibel.  Einige  der  wichtigsten  dieser  Bücher  werden 
genauer  besprochen  und  drei  seltene  Titel  sind  in  treuer  Nachbildung  wiedergegeben. 

Max  Bartels. 


Skandinavisches  Archiv.  Zeitschrift  für  Arbeiten  Skandinavischer  Ge- 
lehrter (d.  h.  Schwedens,  Norwegens,  Dänemarks  und  Finlands)  auf 
dem  Gebiete  der  Philologie,  Philosophie  und  Geschichte,  herausgegeben 
von  Edward  Theodor  Walter,  Lektor  für  deutsche  Sprache  an  der 
Universität  Lund  (Schweden).  Gleerupsche  Universitäts- Buchhandlung 
(Hjalmar  Möller)  1891.    Heft  1  und  'L 

Die  obige  Zeitschrift  soll  ein  Archiv  bilden  für  die  wissenschaftlichen  Bestrebungen 
der  Gelehrten  Schwedens,  Norwegens,  Dänemarks  und  Finlands  auf  den  gekennzeichneten 
Gebieten.  Die  Aufsätze  können,  in  einer  der  skandinarischen  Sprachen  abgefasst,  einge- 
sandt werden.  Dire  üebertragung  ins  Deutsche  erfolgt  kostenlos  unter  Verantwortung 
der  Redaktion.  Ausnahmsweise  können  in  französischer  oder  englischer  Sprache  abgefasste 
Arbeiten  in  der  Originalsprache  zur  Veröffentlichung  gelangen.  Das  Archiv  erscheint  in 
zwanglosen  Heften,  deren  4  einen  Jahrgang  von  mindestens  82  Bogen  bilden.  Der  Preb 
betrfigt  jährlich  15  Mark. 

Das  1.  und  2.  Heft  des  1.  Bandes,  welche  vorliegen,  umfassen: 
1.  Axel  Kock  (Professor  in  Gothenburg)  ^Untersuchungen  zur  ost-  und  west- 
nordischen Grammatik."  2)  Fredrik  Wulff  (Professor  in  Lund)  „Von  der  Rolle  de« 
Accents  in  der  Versbildung.  3)  Sam.  Wide  (Docent  in  Uspala)  „Bemerkungen  in  der 
spartanischen  Lykurgos-Legende.**  4)  Sven  Linde  (Docent  in  Lund)  «Ueber  das 
Carmen  Saliare.-  6)  George  Stephens  (Prof.  m  Kopenhagen)  VER  =  SPRING  (in 
englischer  Sprache).  6)  Reinhold  Geiger  (Professor  in  Uspala)  „Hermann  Lot z es  Philo- 
sopheme  über  die  Raumanschauung.  L  Von  der  inneren  Structur  der  Raumanschauung*, 
imd  endlich  eine  Uebersicht  über  die  der  Redaktion  zugegangenen  Schriften. 


BesprechuDircn.  251 

Wenn  wir  schon  vom  allgemeinen  Standpunkt  aus  mit  aufrichtiger  Theilnahme  eine 
derartige  Centralisation  der  wissenschaftlichen  Bestrehungen  des  skandinavischen  Nordens 
begrüssen,  so  macht  die  gewählte  Form  uns  selbige  doppelt  sympathisch,  indem  wir  neben 
den  internationalen  Gesichtspunkten  einen  engeren  Anschluss  an  die  deutschen  wissen- 
schaftlichen Studien  analoger  Art  darin  erblicken  und  eine  vielversprechende  Gemeinschaft 
80  zu  hoffen  steht  Bricht  doch  auch  überall  in  Ziel  und  Methode  eine  erfreuliche  Homo- 
geneität  der  Anschauung  hindurch,  wie  auch  die  behandelten  Themata  geeignet  sind,  mannich- 
fach  anzuregen.  Philologische  and  historische  Kreise  möchten  wir  besonders  auf  den  Aufsatz 
von  Linde  über  das  Carmen  Saliare  aufmerksam  machen.  Der  Verfasser  erörtert  die  Be- 
deutung desselben  in  eingehendster  Weise,  und  wenn  wir  gleich  nicht  der  Etjrmologie 
und  Deutung  des  Namens  der  Salier  als  Sancti,  „die  Heiligen",  zustimmen  können,  so  hat 
unsdestomehr  die  Erklärung  des  bisher  unverständlich  gebliebenen,  von  Varro  überlieferten 
Fragments  in  ihrer  scharfsinnigen  Weise  angesprochen.  Verf.  verwirft  alle  bisher  ver- 
suchten Herstellungsversuche  als  von  dem  falschen  Princip  der  Buchstaben-Konjektural- 
kritik  ausgehend.  Er  findet  in  der  betreffenden  Stelle  nur  eine  Zusammenstellung  von 
Wörtern  aus  den  betreffenden  Liedern,  um  gewisse  „sprachliche"  Data  und  Fakta  zu  be- 
leuchten, und  indem  er  diesem  Gedanken  nachgeht,  wirft  er  ein  ganz  neues  Licht  auf  die 
bisher  so  räthselhaft  erscheinenden  Citate  des  Varro.  —  Wir  wünschen  dem  Archiv  ge- 
deihlichen Fortgang  und  vielseitige  Verbreitung.  W.  Schwartz. 


Emil  Carthaus.    Aus  dem  Reich  von  Insulinde.     Sumatra  und  der   ma- 
laiische Archipel.    Leipzig  1891.     Wilh.  Friedrich.  8.  267  Seiten. 

Verfasser,  der  als  Geolog  während  der  Jahre  1888  und  1889  im  malaiischen  Archipel 
beschäftigt  war,  giebt  im  vorliegenden  Werke  eine  eingehende  Schilderung  der  Eindrücke 
und  Beobachtungen,  welche  er  dort  gesammelt  hat  Der  naturwissenschaftliche  Theil  der- 
selben, welcher  ausser  den  geologischen  Verhältnissen  auch  die  Flora  und  Fauna  be- 
handelt, ist,  entsprechend  dem  mehr  populären  Zweck  dieser  Publikation,  verhältnissmässig 
zusammengedrängt,  liefert  aber  ein  recht  anschauliches  Bild  der  fremdartigen  Natur. 
Ausführlicher  wird  ein  Ausflug  zu  dem  Vulkan  Kantjah,  der  nach  längerer  Ruhe  im  März 
1889  einen  neuen  Ausbruch  machte,  beschrieben  (S.  229). 

Der  grössere  TheO  der  Schrift  betrifft  ethnographische  und  nationalökon mische  Ver- 
hältnisse, mit  der  besonderen  Absicht,  europäischen  und  speciell  deutschen  Zuzüglern  eine 
Anschauung  von  den  Zuständen  und  Lebensbedingungen  zu  geben,  die  ihrer  warten.  Ob- 
wohl in  dem  Titel  des  Buches  von  Insulinde  (der  barbarische  Ausdruck  der  Holländer 
für  Indonesien)  und  von  dem  malaiischen  Archipel  im  Allgemeinen  die  Rede  ist,  so  be- 
schränkt sich  die  Darstellung  doch  vorzugsweise  auf  das  Gouvernement  „Sumatra's  West- 
küste", in  welchem  er  thätig  war.  Es  ist  derjenige  Theil  des  Landes,  der  zwischen  Atchin 
und  Benkulen  (den  Lampong^schen  Distrikten)  gelegen  ist  und  die  Padang'schen  Ober- 
und  Unterländer  nebst  Tapanuli  umfasst.  Seine  Schilderung,  obwohl  mit  mancherlei  sta- 
tistischen Angaben  durchsetzt,  würde  bei  einem  mehr  umfassenden  Studium  der  lite- 
rarischen Quellen  gewiss  sehr  gewonnen*  haben.  Immerhin  gewährt  sie  ein  lebendiges 
Bild  von  der  Lebensweise  und  den  Eigenthümlichkeiten  der  Bevölkerung,  von  den  Ein- 
wirkungen der  holländischen  Regierung  und  ihrer  Beamten,  sowie  von  den  Möglichkeiten 
der  Colonisation  und  der  wirthschaftlichen  und  industriellen  Ausnutzung  der  natürlichen 
Producte.  Der  Gesammteindruck  in  Bezug  auf  die  Betheiliguug  der  Europäer  an  den 
letsteren  Thätigkeiten  ist  ein  recht  niederschlagender;  man  muss  annehmen,  dass  der  Haupt- 
sweck der  Darstellung  der  gewesen  ist,  die  europäische  Einwanderung  in  jeder  Form  nach 
Möglichkeit  zu  beschränken.  Vielleicht  wäre  dieser  Eindruck  noch  verstärkt  worden,  wenn 
der  Verfasser  die  Einwirkung  dieses  gewaltigen  und  so  überaus  reichen  Inselbesitzes  aui 
die  Staatsfinanzen  Hollands  einer  kritischen  Prüfung  unterzogen  hätte.  Seine  Darstt'llung, 
die  leider  durch  endlose  Parenthesen  in  unbequemer  Weise  unterbrochen  wird,  dürfte  jedoch 
gerade  wegen  ihrer  verhältnissmässig  unbefangenen  und  offenen  Aussprache  für  den  auf- 
merkstamen  Leser  werthvoU  sein. 


252  Besprechungen. 

In  Betreff  der  Bevölkerung  vertritt  der  Verfasser  die  Meinung  (S.  26),  dass  vor  den 
Malaien  in  Sumatra  papuanische  Stämme  gehaust  haben.  Er  citirt  die  Angabe  des  Assi- 
stent-Residenten Kooremann,  dass  an  der  Westküste  von  Sumatra  bis  weit  über  Pa- 
dang  hinaus  an  verschiedenen  Stellen  sehr  alte  Gräber  existiren,  welche  die  Einge- 
borenen den  Orang-Rupis,  einer  nicht-malaiischen  Bevölkerung,  zuschreiben,  aber  der  erste 
und,  wie  es  scheint,  einzige  Versuch  einer  Ausgrabung  ergab  nur  arg  verwitterte  Knochen- 
reste mit  etwas  Holzkohle  und  kleinen  Thonscherben.  Verfasser  appellirt  mit  Recht  an  die 
niederländische  Regierung,  diese  Gräber  einer  genaueren  Untersuchung  unterziehen  zu  lassen. 
Lebende  Reste  von  Papuas  hat  er  nicht  getroffen.  Die  Malaien,  welche  er  als  Jüngere"  be- 
zeichnet, versetzen  ihre  Wiege  in  das  Königreich  Menang-Kabau,  das  jetzige  Gouverne- 
ment Sumatras  Westküste;  von  hier  aus  hätten  sie  später  die  Halbinsel  Malacca  be- 
völkert und  seien  dort  zum  ersten  Mal  unter  dem  Namen  Orang-Malaiou  (Wandermenschen) 
aufgetreten.   Von  da  seien  sie   nach  den  Küsten  der  Sunda-Inseln  gekommen  und  hätten, 

wie  auf  Bomeo,  die  „älteren'^  Malaien  ins  Innere  zurückgedrängt  (S.  28). 

Rud.  Virchow. 


Achelis:  Adolf  Bastian.  Sammlung  gemeinverständlicher  wissenschaft- 
licher Vorträge,  herausgegeben  von  Rud.  Virchow  und  Wilhelm  Watten- 
bach.    Heft  128.    Neue  Folge,  Sechste  Serie.     Hamburg.  1891. 

Der  eigentliche  Lebenslauf  Bastian^s  wird  in  dieser  interessanten  Schrift  auf  nur 
wenigen  Seiten  abgehandelt.  Um  so  eingehender  aber  schildert  der  Verfasser  das  durch 
endlose  Mühen  und  stets  zielbewusste  Arbeit  in  so  herrlicher,  in  der  gesammten  civilisirten 
Welt  anerkannter  Weise  aufgerichtete  Werk  des  gelehrten  Forschers:  die  Begründung  und 
den  Ausbau  der  modernen  wissenschaftlichen  Ethnologie.  Wie  Bastian  hier  mit  den  alt- 
hergebrachten, auf  haltlosen  Spekulationen  beruhenden  Hypothesen  aufgeräumt  hat,  wie 
er  bahnbrechende,  neue  Anschauungen  schuf  und  wie  er  in  das  Studium  der  Ethnologie 
die  naturwissenschaftliche  Methode  eingeführt  hat,  welche  ihre  Schlüsse  nur  aus  wirklich 
beobachteten  Thatsachen  zu  ziehen  sucht,  das  wird  uns  in  fesselnder  Weise,  oft  mit  Basti  ans 
eigenen  Worten,  vorgeführt  So  bildet  die  kleine  Schrift  gleichzeitig  einen  kurzen  Abriw? 
der  Geschichte  der  heutigen,  wissenschaftlichen  Völkerkunde.  Es  steht  zu  erwarten,  dass 
sie  sich  zahlreiche  Freunde  erwerben  wird.  Max  Bartels. 

Dierks,  Gustav:  Helgoland.  Sammlung  gemeinverständlicher  wissen- 
schaftlicher Vorträge,  heraubgegeben  von  Rud.  Virchow  und  W.  Watten- 
bach.    Heft  121.     Hamburg,  1891. 

Das  grün-roth-weisse  Nordsee-Eiland  wird  von  dem  Verfasser  in  seinen  geologischen, 
historischen  und  politischen  Verhältnissen  geschildert,  welche  sämmtlich  noch  Vielerlei 
des  Räthselhaften  und  Unaufgeklärten  enthalten.  Die  kleine,  anziehend  geschriebene 
Abhandlung  wird  sicherlich  den  vielen  Freunden  Helgolands  eine  willkommene  Gabe  sein. 

Mai  Bartels. 

Meyer,  Christian:  Eine  deutsche  Stadt  im  Zeitalter  des  Humanismus  und 
der  Renaissance.  Sammlung  gemeinverständlicher  wissenschaftlicher  Vor- 
träge. Herausgegeben  von  Rud.  Virchow  und  Wilhelm  Wattenbach. 
Heft  122.     Hamburg.     1891. 

Die  deutsche  Stadt,  welche  der  Verfasser  meint,  ist  Augsburg,  dessen  Umwandlung 
zu  der  ihr  heutigen  Tages  noch  aufgeprägten  Physiognomie  durch  den  Baumeister  Elias 
Holl  uns  vorgeführt  wird.  Aber  auch  das  geistij^^e  und  politische  Leben  auf  den  Gebieten 
der  anderen  Künste,  der  Wissenschaften  und  d»'r  tfiplichen  Gewohnheiten  wird  in  an- 
regender W«»i8e  ge^childert.  Max  Bartels. 


Verhandlungen 


der 


Berliner  GeseUschaft 


für 


Anthropologie,  Ethnologie  nnd  Urgeschichte. 


Redigirt 


Ton 


Rud.  Vircliow. 


'-»'-^■N,^-v-^       -Hj^   y^     ■ 


Jahrgang  1891. 


BERLIN. 

VERLAG  VON  A.  ASHER  &  00. 

1891. 


Berliner  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 

1891. 


Vorstand,  1.  Januar  1891. 

Dr.  Kudolf  Virohow,  Professor,  Geh.  Med.-Kath,  Vorsitzender. 


Dr.  Ernst  Beyrioh,  Professor, 

Geh.  Bergrath. 
Dr.  Wilhelm  Reiss. 


Stellvertreter  !         ^^s  Königl.  Museums  für  Völkerkunde, 

des         I         Schriftführer. 
Vorsitzenden    Dr.  med.  Max  Bartels,  Sanitätsrath,  Schrift- 
Dr.  Robert  Hartmann,  Professor,  Geh.  Med.- !         führer,  W.  Karlsbad  12/13. 

Rath,  Schriftführer.  Wilhelm   Ritter,   Bankier,    Schatzmeister, 

Dr.  Albert  Voss,  Director  der  vaterl.  Abth.  SW.  Charlottenstrasse  74/75. 


Anssoliuss,  17.  Januar  1891. 

Dr.  W.  Schwartz,  Gymnasialdirector,  Obmann. 

Dr.  A.  Bastian,  Professor,  Geh.  Reg.-Rath. '         ethnologischen   Abtheilung   des  Kgl. 
H.  Deegen,  Geh.  Ober-Regierungsrath. 


E.  Frledel,  Stadtrath. 
Dr.  G.  Fritsch,  Professor. 


Mus.  für  Völkerkunde. 
Dr.  W.  Joest,  Professor. 
Dr.  H.  Steinthal,  Professor. 


A.  Grinwedel,   Directorial-Assistent  an  der  i  Dr.  G.  Wetzstein,  Consul  a.  D. 

Ehrenmitglieder,  1.  Januar  1891. 

Don  Pedro  II.  d'Alcantara,  Kaiser  von  Brasilien,  erwählt  den  19.  Juni  1875. 

Professor  Dr.  Ludwig  LIndenschmit,  Director  j  Geh.  Medicinalrath  Professor  Dr.  SchaatT- 

des    römisch-germanischen    Central-  hausen,   Bonn,    erwählt  den  22.  Juni 

museums,  Mainz,  erwählt  d.  20.  Octo- '         1889. 

ber  1883.  !  Frau  Gräfin  UwarofT,  Präsident  der  kaiser- 

Professor  Dr.  Carl  Vogt,  Genf,  erwählt  den  i         liehen  Archäologischen  Gesellschaft  in 

22.  Juni  1889.  Moskau,    erwählt   den    21.  December 

1889. 


Correspondirende  Mitglieder,  1.  Januar  1891, 

mit  Angabe  des  Jahres  der  Ernennung. 

1.   AMrtsohin,   D.,   Professor   Dr.,     1889     2.    Aspelin,  J.  R.,  Dr.,  Staatsarchae-    1874 
Moskau.  olog,  Helsingfors,  Finland. 


w 


3.  Bahnson,  Rr.,  Dr.,  Assistent 
am  Ethnographischen  Museum, 
Kopenhagen. 

4.  Baye,  Baron  Joseph  de,  Chateuu 
Baye,  Dep.  Marne,  Prankreich. 

5.  Beddoe,  John,  M.  D.,  P.  R.  S. 
Clifton,  Glocestershire. 

6.  Beilucoi,  Giuseppe,  Prof.,  Dr., 
Perugia. 

7.  Bertrand,  Alexandre,  Director 
des  Museums  zu  St.-Germain- 
en-Laye,  Prankreich. 

8.  Bogdanow,  Anatol,  Dr.  Professor, 
Präsident  der  Raiserl.  Gesell- 
schaft der  Freunde  der  Natur, 
der  Anthropologie  und  Ethno- 
logie, Moskau. 

9.  Bonaparte,  Roland  Prinz,  Paris. 

10.  Brinton,  Daniel  G.,  Dr.  med., 
Professor  an  der  Universität  von 
Pennsylvania,  Philadelphia. 

11.  Burgess,  J.,  L.  L.  D.,  C.  I.  E., 
Director  Gen.  of  the  Archaeo- 
log.  Survey  of  India,  Edin- 
burgh. 

12.  Barmeister,  Hermann,  Professor 
Dr.,  Buenos  Aires. 

13.  Calori,  Luigi,  Prof.,  Bologna. 

14.  Calvert,  Prank,  Amer.  Consul, 
Dardanellen,  Rleinasien. 

15.  Capellini,  G.,  Prof.,  Bologna. 

16.  Cartailhac,  E.,  Toulouse. 

17.  Casteifranoo,  Pompeo,  R.  Ispet- 
tore  degli  Scavi  e  Monumenti 
d'Antichitä,  Mailand. 

18.  Chantre,  Ernest,  Professor,  Sub- 
director  des  Museums  für  Natur- 
geschichte, Lyon. 

10.  Costa,  Pereira  da,  Dr.,  Prof., 
Lissabon. 

20.  Canninghain,  Alexander,  Lieut.- 
General,  Calcutta. 

21.  Dawkins,  W.  Boyd,  Professor, 
M.  A.,  P.  R.  S.,  Woodhurst, 
Jallowfield,  Manchester. 

22.  Delgado,  Joaquim  Pilippe  Nery, 
Chef  der  Geologisch.  Landes- 
aufhahme,  Lissabon. 

23.  Dibea,  Gustaf,  Baron  von,  Pro- 
fessor, Stockholm. 


1889 


24. 

25. 


1890; 
1871  I  26. 
1881 


27. 


1877 


1878 


28. 


1885 
1886 


29. 


30. 


1887  31. 


32. 

33. 
1871 

34. 
1871  35. 
1875' 

36. 
1871  37. 
1881 
1883  38. 


1881    39. 


1872 

40. 

41. 

1875 

42. 

1877 

43. 

44. 

1881 

45. 

I 

1872 

46. 

Duhmberg,  Otto  von,  Dr.,  Staats-     1879 
rath,  Dorpat. 

Dupont,  Edouard,  Director  des    1871 
Rönigl.       naturgeschichtlichen 
Museums,  Brüssel. 

Ernat,   A.,   Dr.,   Director  des    1878 
Nationalmuseums,  Caracas,  Ve- 
nezuela. 

Evans,  John,  D.  C.  L.,  L.  L.  D..     1874 
P.  R.,  S.,  Pres.  Num.  Society 
London,    Nash   Mills,    Hemel 
Hempsted,  England. 
FelleRberg,   Edmund  von,   Dr.,    1883 
Director  der  archäolog.  und  an- 
thropologischen    Sammlungen 
Bern. 

Flex,  Oscar,  Missionär,  Ranchi,    1873 
Nagpore,  Ostindien. 
Flower,  Wüliam  Henry,   Prof.,    1879 
P.  R.  S.,  Director  des  Natural 
History  Museum,  London. 
Franks,   Augustus  W.,    M.  A.,     1872 
P.  R.  S.  London. 

Garson,  J.  G.,  M.  D.,  London.  1889 
Gemellaro,  Director  des  paläont  1883 
Museums,  Palermo. 
Gerlach,  Dr.  med.,  Hongkong.  1880 
Gross,  V.,  Dr.  med.,  Neuveville,  1880 
Schweiz. 

Gainiet,  E.,  Lyon.  1882 

Hampel,  J.,   Prof.,  Dr.,   Custos     1884 
am  Nationalmuseum,  Budapest. 
Hamy,  Ernest,  Dr.,  Conservateur    1882 
du  Musee   d'EHhnographie    du 
Trocadero,  Paris. 

Hauer,  Pranz  Ritter  von,  Dr.,     1887 
Intendant  d.  R.  R.  naturhistor. 
Hofmuseums,  Wien. 
Hazelios.  Artur,  Stockholm.  1888 

Heierii,  J.,  Secundarlehrer,  Zürich.  1 890 
Heibig, Wolfgang,  Dr.,  Professor,     1883 

ROUL 

Heldreioh,  Dr.  von,  Prof.,  Director    1 873 

des  botanischen  Gartens,  Athen. 

Herrmann,    Anton,    Dr.    phil.,     1889 

Budapest. 

Hildebrand,  Hans,  Dr.,  Reichs-    1872 

antiquar,  Stockholm. 

Hirth,  Pr ,    Prof.  Dr.,   Tamsui,     1886 

Pormosa. 


(5) 


47.  Hoffnaiiii,  W.  J.,  Dr.  med.,  Ca- 
rator  Anthropological  Society, 
Washington,  D.  C. 

48.  HoutifflhSohindler,  A.,  General  u. 
Telegraphendirector,  Teheran. 

4d.    Hnbrig,  Missionär,  Canton. 

50.  Hanfalvy,  Panl,  Professor  Dr., 
Bibliothekar  der  Akademie  der 
Wissenschaften,  Budapest. 

51.  Huxley,  Professor,  P.  R.  S., 
London. 

52.  Jacques,  Victor,  Dr.,  Secretaire 
de  la  Societe  d'Anthropologie, 
Brüssel. 

53.  Ihering,  Hermann  von,  Dr.,  Na- 
turalist d.  Museu  Nacional  von 
Rio  de  Janeiro,  Rio  Grande  do 
Sul,  Brasilien. 

54.  Kate,  H.  ten,  Dr.,  Haag,  Nieder- 
lande. 

55.  Koilaann,  J.,  Prof.  Dr.,  Basel. 

56.  Kopemloki,  Isidor,  Dr.,  Krakau. 

57.  Uosrda,  Dr.  Prof.,  Rio  de  Ja- 
neiro. 

58.  Layard,  Edgar  Leopold,  früher 
Britischer  Consul,  Para,  Bra- 
silien. 

59.  Leenaos,  Dr.,  Director,  Leiden, 
Holland. 

00.  Lepkowski,  Joseph,  Prof.  Dr., 
Director  des  archäologischen 
Cabinets,  Krakau. 

61.  Lortet,  Louis,  Prof.  Dr.,  Direc- 
tor d.  naturhist.  Museums,  Lyon. 

62.  Ubbock,  Sir  John,  Bart,  M.  P., 
High  Elms,  Famborough,  Kent, 
England. 

63.  Majer,  Prof.  Dr.,  Präsident  der 
k.  k.  Akademie,  Krakau. 

64.  MtR,  Edward  Horace,  Assistant 
Superintendent,  Port  Blair,  An- 
damanen. 

65.  Mantegazza,  Paolo,  Prof.,  Di- 
rector d.  Nationalmuseums  für 
Anthropologie,  Senator,  Flo- 
renz. 

66.  Marcbesetti,  Carlo  de,  Dr.,  Di- 
rector des  naturhist.  Museums, 
Triest. 

67.  MontellM,    Oscar,    Dr.,    erster 


1886 


1878 

1879 
1889 


1871 
1889 


1886 


68. 


69. 


70. 
71. 


72. 
73. 


1886 

1887 
1875 

1889 

i 

18711 


74. 
75. 


76. 


1 

77. 

1882 

78. 

1876 

79. 

1883 

80. 

1871 

81. 

1878 

1885 

82. 

1871 

83. 

84. 

1887 

85. 

86. 

1872 

Araanueusis  am  Königl.  histor. 
Museum,  Stockholm. 
Moreno,  Don  Francisco,  Director    1878 
des     National -Museums,     La 
Plata. 

Morse,  Edw.  S.,  Professor  Dr.,     1889 
Director  der  Peabody  Academy 
of  Science,  Salem,  Mass. 
Morselli,  Henri,  Dr.  med.,  Pro-    1881 
fessor,  Turin. 

Möller,  Baron  F.  von,  Director    1872 
des  botanischen  Gartens,  Mel- 
bourne, Australien. 
MOIIer,  Sophus,  Dr.,  Museums-    1882 
inspector,  Kopenhagen. 
Netto,  Ladisläu,   Dr.,   Director    1885 
des  National-Museums,  Rio  de 
Janeiro. 

NIoolacci,  Giustiniano,  Professor    1871 
Dr.,  Isola  di  Soni,  Neapel. 
Omsteln,   Bernhard,   Dr.  med.,     1877 
Generalarzt,  früher  Chefarzt  der 
griechischen  Armee,  Athen. 
OrsI,    Paolo,    Dr.,   Königlicher    1888 
Inspector    der    Ausgrabungen, 
Syracus. 

Penaflel,    Antonio,    Dr.,    Prof.,     1891 
Mexico. 

Petersen,  Henry,  Dr.,  Inspecteur    1889 
der  Erhaltung  der  Alterthümer, 
Kopenhagen. 

Phillppl,    Rudolf  A.,   Professor     1871 
Dr.,  Santiago,  Chile. 
Plgorinl,  Luigi,  Prof.,  Director    1871 
des  prähistorisch  -  ethnographi- 
schen Museums,  Rom. 
Pleyte,  W.,   Conservator   aan's     1890 
Rijksmuseum   van  Oudheden, 
Leiden,  Niederlande. 
Powell,   J.  W.,   Major,    Smith-    1876 
sonian  Institution,  Washington, 
D.O. 

Prosdocimi,    Cav.,    Alessandro,     1889 
Professor  Dr.,  Este,  Italien. 
Pulsky,  Franz  von,  Dr.,  Director    1876 
des  Nationalmuseums,  Budapest. 
Radde,  Gustav,  Dr.,  Director  des     1871 
kaukasischen  Museums,  Tillis. 
Radlow,  W.,   Dr.,   Akademiker,     1884 
St.  Petersburg. 


(6) 

87.  RijendralÄla   Mitra,    Bahädur,     1878  j  100.  Stieda,  Ludwig,  Professor  Dr.,     1883 
L.  L.  D.,  Calcutta.  Königsberg  i.  Pr. 

88.  Retzius,  Gustaf,  Dr.,  Professor,     1882 ,  101.  Shider,    Theophil,     Professor    1885 
Stockholm.  Dr.,  Bern. 

89.  Riedel,    Joh.    Gerard  Friedr.,     1871    102.  Toplnard,  Paul,  Professor  Dr.,     1879 
Niederländischer  Resident,  z.  Directeur  adjoint  du  Labora- 

Z.  Brüssel.  toired'anthropologiedeT^cole 

90.  Rivers,  A.  H.  Lane  Fox  Pitt,     1888  pratique    des   hautes   etudcs, 
Lieutenant-General,   F.  R.  S.,  Paris. 

Inspector   of  Ancient  Monu-  103.  Troll,  Joseph,  Dr.,  Wien.  1890 

ments  in  Great  Britain,  Rush-  104.  Tublno,    Francisco    M.,   Prof.,     1871 

more,  Salisbury,  England.  Madrid. 

105.  Turner,  Sir  William,  Prof.  der    1890 
Anatomie,  Edinburg. 


91.   Rivett-Carnac ,   J.  H.,    Bengal     1882 
Civil  Service,  Allahabäd,  Ost- 
indien. 


106.   Ujfalvy  de  Mezö-KaveMl,  Gh.  £.    1879 


92.  ROtimeyer,  Prof.  Dr.,  Basel.  1883  de,  Professor,  Paris. 

93.  Rygh,  O.,  Prof.  Dr.,  Director  1879 1 107.   ündtet,  Ingvald,  Dr.,  Museums-    1881 
d.  Sammlung  nordischer  Alter-  assistent,  Christiania. 

thümer,  Christiania.  ,  108.   Vedel,    E.,    Amtmann,    Vice-     1887 

94.  Sallnas,  Antonio,  Professor,  1883  präsident  der  Kön.  Ges.  f.  nor- 
Director  des  Nationalmuseums  \  dische  Alterthumskunde,  Sorü 
Palermo.                                                        in  Dänemark. 

95.  SchonlNirgk,  Rieh.,  Dr.,  Diroc-  1879   109.   Vllaiiova  y  Plera,  Juan,  Prof.,     1871 
tor  des  botanischen  Gartens,  i  Madrid. 

Adelaide,  Südaustralien.  jHO.   Welsbaoh,  Augustin,  Dr.,  Ober-     1871 

96.  Sermrier,  L.,  Dr.,  Director  des  1889  Stabsarzt,  Wien. 
Ethnographisch  Rijks-Museum,           'lU.   Wheeler,  George  M.,    Captain     1876 
Leiden.                                                            Corps  of  Engineers  U.  S.  Army, 

97.  Spiegelthal    F.  W.,    Schwedi-  1875,  Washington,  D.  C. 

scher  Vice-Consul,  Smyma.  112.   Wilken,  G.  A.,  Professor  Dr.,     1887 

98.  Steenstrop,  Japetus,  Professor,  1871 !  Leiden. 

Kopenhagen.  113.   Zwingmann,  Georg,  Dr.,  Medi-     1873 

99.  StefuiK  Stefano  de,  Cav.,  R.  1889  cinalinspector,  Kursk. 
Ispettore  degli  Scavi,  Verona. 

Ordentliolie  Mitglieder,  1.  Januar  1891. 

a)  Immerwährende  (nach  §  14  der  4.  Achenbaoh,  Dr.,    Exe,   Oberpräsident, 

Statuten).  Potsdam. 

1.  Ehrenretoli,  Paul,  Dr.  med.,  Berlin.  ,   5.  Adler,  E.,  Dr.  med.,  Berlin. 

2.  Hainaoer,  Oskar,  Bankier,  Berlin.  G.  Albreoht,  Paul,  Prof.  Dr.,  Hamburg. 

3.  Riegler,  C,  Director,  Heidelberg.  7.  Alba,  Dr.  med.,  Berlin. 

4.  SokokMkl,  L.,  Wreschen.  8.  AHleri,  L.,  Kaufmann,  Berlin. 
^  ,   ^   . .   ,  '9.  Alsberg,  M.,  Dr.  med.,  Cassel. 

b)  Jährlich  zahlende  (nach  J?  11   deri,^    AltbofT, Dr., Geh. Ob.-Reg.-Rath, Berlin, 

Statuten).  jj    AltricWer,      Karl,      Gerichtssecretär, 

1.  Abeklng,    Frau    Marie,    Sanitätsraths- '         Wusterhausen  a.  d.  Dosse. 

wittwe,  Charlottenburg.  12.   Aadree,  Richard,  Dr.  phil.,  Heidelberg. 

2.  Abel,  Karl,  Dr.  med.,  Berlin.  13.   Aadritii-Werbtiro.  Freih.Ferd.v..  Aussee, 

3.  Abraban,  Dr.,  Geh.  Sanitätsrath,  Berlin  Steyermurk. 


(7) 


14. 
15. 
16. 
17. 
18. 
19. 
20. 
21. 
22. 

23. 
24. 

25. 
26. 
27. 

28. 

29. 
30. 

31. 
32. 

33. 


Appel,  Karl,  Dr.  phil.,  Königsberg  i.  Pr. 
Arons,  Alb.,  Gommerzienrath,  Berlin. 
Arzruni,  Andreas,  Prof.  Dr.,  Aachen. 
Asohenborn,  Oscar,  Dr.  med.,  Berlin. 
Ascherson,  F.,  Dr.  phil.,  Berlin. 
Ascherson,  P.,  Prof.  Dr.,  Berlin. 
Asohoir,  L.,  Dr.,  Sanitätsrath,  Berlin. 
Ash,  Julius,  Fabrikant,  Berlin. 
Audouard,  A.,  Major  a.  D.,  Gharlotten- 
burg. 

Awater,  Ad.,  Dr.  med.,  Berlin. 
Bär.  Adolf,    Dr.  med..    Geh.  Sanitäts- 
rath, Berlin. 
Bärthold.  A.,  Prediger,  Halberstadt. 


49. 

50. 
51. 
52. 
53. 

54. 

55. 

56. 
57. 

58. 


34. 

35. 
36. 

37. 
38. 
39. 
40. 

41. 
42. 

43. 
44. 

45. 
46. 


47. 

48. 


Bässler,  Arthur,  Dr.  phil.,  Berlin. 
Barchewitz    Victor,    Dr.,    Hauptmann,  1 59. 
z.  D.,  Berlin.  60. 

Bardeleben,  Professor  Dr.,  Geh.  Ober-  61. 
Med.-Rath,  Berlin.  i 

Bardeleben,  Karl,  Prof.  Dr.  med.,  Jena.  62. 
Bamewitz,  Realgymnasiallehrer,  Bran-  63. 
denburg  a.  H. 

Barsohall,  Max,  Dr.,  San.-Rath,  Berlin.  64. 
Bartela,  Max,  Dr.  med.,  Sanitätsrath,  65. 
Berlin.  | 

Bastian,  A.,  Geh.  Reg.-Rath,  Professor  i  66. 
Dr.,  Director  des  K.  Mus.  f.  Völker- 
kunde, Berlin.  67. 
Behia,  Robert,  Dr.,  Kreis  wund  arzt,  68. 
Luckau.  69. 
Behn,  W.,  Maler,  Tempelhof  b.  Berlin.  70. 
Behrend,  Adolf,  Verlags-Buchhändler,  71. 
Berlin. 

Belli,  Ludwig,  Dr.  phil.,  Frankfurt  a.M.  72. 
Benda,  C,  Dr.  med.,  Berlin.  73. 

Benda,  v.,  Rittergutsbesitzer,  Berlin.    . 
Bennigsen,  R.  von,  Oberpräsident,  Exe,  74. 
Hannover.  75. 

Berendt,  G.,  Prof.  Dr.,  Berlin. 
Bergnann,   Ernst  v..    Geh.  Medicinal- 1  76. 
rath,  Prof.  Dr.,  Berlin.  j 

Bernhardt,  Prof.  Dr.  med.,  Berlin.  j  77. 
Bertram,  Alexis,  Dr.  med.,  Sanitäts-  78. 
rath,  Berlin.  79. 

Beveter,  Dr.,  Geh.  Sanitätsrath,  Berlin.  | 
Beyfm,  Gustav,  Dr.,  Officier  van  ge- '  80. 
zondheid  I  Klasse,  Malang  bei  Sura- 
baja, Java.  81. 
Beytos,  Otto,  Kaufmann,  Berlin.         j 
BeyHch,  Prof.  Dr.,  Geh.  Bergrath,  Berlin.  82. 


Bibliothek,     Grossherzogliche,     Neu- 
strelitz. 

Bibliothek,  Stadt-,  Stralsund. 
Blbliotheii,  Universitäts-,  Greifswald. 
Bindemann,  Hermann,  Dr.  med.,  Berlin. 
Binzer,  Ludwig  von,  Forstmeister  a.  D., 
Berlin. 

Blaeiue,   Wilhelm,    Prof.  Dr.,    Braun- 
schweig. 

Blell  Theodor,  Gross-Lichterfelde  bei 
Berlin. 

Blumenthal,  Dr.  med.,  San.-Rath,  Berlin. 
Boas,    Franz,    Dr.  phil.,    Worcester, 
Massachusets,  Amerika. 
BSnInger,  M.,  Rentier,  Berlin. 
Boer,  Dr.,  Königl.  Hofarzt,  Berlin. 
Borghard,  A.,  Fabrikbesitzer,  Berlin. 
Borgmeyer,    Hotelbesitzer,    Göhren   in 
Mönchgut  auf  Rtigen. 
Born,  L.,  Dr.,  Corps-Rossarzt,  Berlin. 
Bracht,  Eugen,  Landschaftsmaler,  Pro-, 
fessor,  Berlin. 

Bramann,  v.,  Dr.  med.,  Prof.,  Halle  a.  8. 
Brand,   E.  von.    Major  a.  D.,  Wutzig 
bei  Woldenbeiig  in  der  Neumark. 
Brandt,   von,   kaiserl.  deutscher   Ge- 
sandter, Peking,  China. 
Bredow,  v.,  Rittergutsbesitzer,  Berlin. 
Breelauer,  Heinrich,  Prof.  Dr.,  Berlin. 
Bröeiiie.  G.,  Dr.  med.,  Berlin. 
Bruohmann,  K.,  Dr.  phil.,  Berlin. 
Brückner  sen.,  Dr.  med.,  Rath,  Neu- 
Brandenburg. 

Briinig,  Max,  Kaufmann,  Berlin. 
Brugsch,  Heinr.,  Prof.,  Legationsrath, 
Berlin. 

Brunnemann.Karl,  Rechtsanwalt,  Stettin. 
Buchholz,  Rudolf,   Custos  des  Märki- 
schen Provinzial-Museums,  Berlin. 
Budczies,    Friedrich,     Schulvorsteher 
a.  D.,  Berlin. 

Bötow,  P.,  Dr.  jur.,  Berlin. 
BQtow,  H.,  Geh.  Rechnungsrath,  Berlin. 
Bujack,  Georg,  Dr.,  Gymnasial -Ober- 
lehrer, Königsberg  i.  Pr. 
Busch,    Dr.,    Kaiserl.  deutscher    Ge- 
sandter, Bucarest,  Rumänien. 
Buschan,  G.,  Dr.  med.  et  phil.,  Kaiserl. 
Marine-Assistenzarzt,  Wilhelmshaven. 
Cahnheim,  0.,  Dr.  med.,  Dresdep. 


(8) 


83.  Castan,  Qustay,  Berlin. 

84.  Castan,  Louis,  Besitzer  des  Panopti- 
cums,  Berlin. 

85.  Chlingensperg-Berg,  M.  von,  Rirehberg 
bei  Keichenhall. 

86.  Christeller,  P.,  Dr.  med.,  Berlin. 

87.  Cohfi,  Alexander  Meyer,  Banquier, 
Berlin. 

88.  Cordel,  Oskar,  ßchrifteteller,  Halenseo. 

89.  Corning,  Dr.  med.,  Morillon,  Genf. 

90.  Cremer,  Chr.  J.,  Redacteur,  Abgeord- 
neter, Berlin. 

91.  Croner,  Eduard,  Dr.,  Geh.  Sanitäts- 
rath,  Berlin. 

92.  Daffls,  Ludwig,  Kaufmann,  Berlin. 

93.  Danes,  W.,  Prof.  Dr.,  Berlin. 

94.  Dammami,  C.  W.,  Kew,  London,  Eng- 
land. 

95.  Davidsohn,  H.,  Dr.  med.,  Berlin. 

96.  Deegen,  Hermann,    Geh.  Ober-Reg.- 
9       Rath,  Berlin. 

97.  Degner,  Eduard,  Dr.  phil.,  Berlin. 

98.  Delorme,  D.,  Minister  der  Republik 
Haiti,  Berlin. 

99.  Dengel,  A.,  Dr.  med.,  Berlin. 

100.   Dernbnrg,    Bernhard,    Bankdirector, 

Berlin. 
lOL   Dieroiis,    Gustav,    Dr.  phil.,    Gross- 

Lichterfelde 

102.  D9nhofr-^Hedriohstein,  Graf,  Friednch- 
stein  bei  Löwenhagen,  Ostpreussen. 

103.  D5nitz,  W.,  Prof.,  Dr.  med.,  Berün. 

104.  Drawe,  Rittergutsbesitzer,  Saskozin 
bei  Praust,  Westpreussen. 

105.  Dfimiehen,  Prof.  Dr.,  Strassbnrg  im 
Elsass. 

106.  Dzieducziecky,  Graf,  Lemberg,  Galizien. 

107.  Eben,  A.,  Dr.  med.,  8an.-Rath,  Berlin. 

108.  Ehlers,  Dr.  med.,  Berlin. 

109.  Ehrenhaiis,S.,  Dr.,  Sanitätsrath,  Berlin. 

110.  Eisel,  Robert,  Gera. 

111.  Ellis,  Havelock,  London,  EIngland. 

112.  EMie,  H.,  Kön.  Baurath,  Prof.,  Berlin. 

113.  Engel,  Hermann,  Dr.  med.,  Berlin. 

114.  Eperjesy,  Albert  ?on,  K.  K.  Oesterr. 
Ranunerherr,  Rom. 

115«  Erokert,  Roderich  von,  Generallieut- 
nant  a.  D.,  Exe,  Berlin. 

1 16.  ErdmiMi,  Max,  Gymnasiallehrer,  Mün- 
chen. 


17.  Ewald,  Ernst,  Professor,  Director  des 
R.  Ronstgewerbe-Museums,  Berlin. 

18.  Ewald,  J.  W.,  Prof.  Dr.,  Mitglied  der 
Akademie  d.  Wissenschaften,  Berlin. 

19.  Eyrich.  Emil,  Maler,  Berlin. 

20.  Falb,  Rudolf,  Berlin. 

21.  Fasbender,  H.,  Prof.  Dr.  med.,  Berlin. 

22.  Felkin,  Robert  W.,  Dr.  med.,  Edin- 
burgh. 

23.  Feyerabend,  Dr.  phil.,  Görlitz. 

24.  Finciih,  Theodor,  Raufmann,  Stuttgart. 

25.  Finn,  W.,  Ron.  Translator,  Berlin. 

26.  Fischer,   Dr.,   Marinestabsarzt,   z.  Z. 
auf  Reisen. 

27.  Fischer,  Rarl,  Dr.roed.,  Lenzen a.  Elbe. 

28.  Fischer,  Wilhelm,  Dr.,  Realgymnasial- 
director  a.  D ,  Bernburg. 

29.  Fischer,  Dr.  phil.,  Berlin. 

30.  Fischer,  Louis,  Rentier,  Berlin. 

31 .  Flaeschendraeger,  Fabrikdirector,  Dem- 
min. 

32.  Flesch,  Max,  Prof.,  Dr.  med.,  Frank- 
furt a.  Main. 

33.  Fraas,  Professor  Dr.,  Stuttgart. 

34.  Fränkel,  Bernhard,  Prof.  Dr.,  Berlin. 

35.  Fränkel,  Isidor,  Dr.  med.,  Berlin. 

36.  Freund,  G.  A.,  Dr.  phil.,  Berlin. 

37.  FHedel,  Ernst,  Stadtrath,  Berlin. 

38.  Friederich,  Dr.,  Ober-Stabsarzt  a.  D., 
Dresden. 

39.  FHedländer,  Heinr.,  Dr.,  Berlin. 

40.  FHedländer,    Immanuel,    stud.  min., 
Berlin. 

41.  Friednuinn,     Paul,     Privatgelehrter, 
Berlin. 

42.  Frisch,  A.,  Druckereibesitser,  Beriin. 

43.  Fritsch,  Gustav,  Prof.,  Dr.  med.,  Berlin. 

44.  Fritsch,  R.  E.  0.,  Architect,  Berlin. 

45.  Fronhäfer,  G.,  Major  a.  D.,  Berlin. 

46.  Flirstenhein,  Ernst,  Dr.,  Sanitätsrath. 
Berlin. 

47.  Fnrtwaengler,  Dr.  phil.,  Prof.,  Berlin. 

48.  Gericke,  Wilhelm,  Dr.  med.,  Berlin. 

49.  Gesenins,  F.,   Stadtältester,    Director 
des  Berl.  Pfandbriefamts,  Berlin. 

50.  Qiebeler,  Carl,  Ingenieur,  Berlin. 

51.  Gärke,  Franz,  Raufmann,  Berlin. 

52.  Goäs,  Apotheker,  Soldin. 

53.  69tz,  Q.,  Dr.,  Obermedicinalrath,  Neu- 
strelitz. 


(9) 


154.  89tze,  Alfred,  Dr.  phU.,  Berlin.  1 185. 

155.  65tze,  Hugo,  Bürgermeister  a.  D., '  186. 
Berlin.  j  187. 

1 56.  Goidschmidt,  Leo  B.  H.,  Banquier,  Paris. '  1 88. 

157.  Goldsobmidt,  Heinr.,  Banquier,  Berlin. 

158.  Ckiidschmidt,  Lerin,   Prof.  Dr.,   Geh. 
Justizrath,  Berlin.  189. 

1 59.  6oid8tficker,  Eug.,Verlagsbuchhändler,  | 
Berlin.  190. 

160.  Goltdammer,  Ed.,  Dr.,  Geh.  San.-Kath, 
Berlin.  191. 

161.  Gottschalk, Sigi8mund,Dr.med., Berlin.   192. 

162.  Grawitz,  Paul,   Professor,   Dr.  med., 
Greifswald.  198. 

163.  Grempler,  Wilhelm,  Dr.,  Geh.  Sanitäts- 
rath,  Breslau.  194. 

164.  Grossmaim,  Adolf,  Dr.  med.,  Sanitäts- 
rath,  Berlin.  195. 

165.  Grabe,  W.,  Dr.  phil.,  Directorial-Assi-  196. 
Stent  am  Kgl.  Museum  für  Völker- 
kunde, Berlin.  197. 

166.  Grubert,  Dr.  med.,  Palkenberg,  Pom- 1 
mem.  1 198. 

167.  Gniiiwedei,  Albert,  Dr.  phil.,  Direeto- 1 199. 
rial- Assistent  am  Kgl.  Museum  für '  200. 
Völkerkunde,  Berlin.  201. 

168.  Gronow,  A.,  Buchhalter,  Berlin. 

169.  GHbitz,  Erich,  Dr.  med.,  Breslau.         202. 

170.  Gfinther,  Carl,  Photograph,  Berlin. 

171.  Gfiterbook,  Bruno,  Dr.  phü.,  Berlin.     203. 

172.  Güterbook,  Paul,  Dr.  med.,  Medicinal-  204. 
rath,  Berlin. 

173.  Güsserow,  A.,  Geh.  Med.-Rath,  Prof.  205. 
Dr.,  Berlin. 

174.  GIS80W,  Prof.,  Berlin.  206. 

175.  Gnttmanii,  S.,  Dr.  med..  Geh.  Sanitäts-  207. 
rath,  Berlin.  208. 

176.  Gymnasiimi,  Rönigl.  Luisen-,  Berlin.     209. 

177.  Haacke,  Dr.,  Sanitätsrath,  Stendal.       210. 

178.  Hagenbeok,  Karl,  Hamburg.  211. 

179.  Hahn,  Eduard,  Dr.  phil.,  Berlin. 

180.  Hahn,  Eugen,   Geh.  San.-Rath,  Prof.  212. 
Dr.,  Dir.  im  allgem.  städt.  Rranken- 
hause,  Berlin.  213. 

181.  Hahn,  Gust.,  Dr.,  Oberstabs-  u.  Regi- 
mentsarzt, Berlin.  214. 

182.  Hahn,  Dr.  med.,  Stabsarzt,  Spandau. 

183.  Hahn,  Oscar,  Fabrikant,  Berlin.  215. 

184.  Handtmann,  E.,  Prediger,  Seedorf  bei  216. 
Lenzen  a.  Elbe,  Westpriegnitz.  217. 


Hansemann,  David,    Dr.  med.,  Berlin. 
Hansemann^  Gustav,  Rentier,  Berlin. 
Harck,  F.,  Dr.  phil.,  Berlin. 
Hardenberg,  Freiherr  von,  Majorats- 
Herr  in  Schlöben  bei  Roda,  S.  Alten- 
burg. 

Harseim,  Wirkl.  Geheimer  Kriegsrath, 
Berlin.  • 

Hartmann,    Herm.,    Dr.,    Oberlehrer, 
Landsberg  a.  W. 

Hartmann,  Martin,  Professor,   Berlin. 
Hartmann,  Rob.,  Professor  Dr.,  Geh. 
Med.-Rath,  Berlin. 
Hartwich,  Karl,   Apotheker,   Tanger- 
münde. 

Haselberg,  Rudolf  von,  Dr.,  Sanitäts- 
rath, Stralsund. 

Hattwich,  Emil,  Dr.  med.,  Berlin. 
Hauohecorne,  W.,  Dr.,  Geh.  Bergrath, 
Dir.  d.  K.  Bergakademie,  Berlin. 
Heck,  Dr.,  Director  des  zoologischen 
Gartens,  Berlin. 

Heimann,  Ludwig,  Redakteur,  Berlin. 
Heintzel,  C,  Dr.,  Lüneburg. 
Heiimann,  Gustav,  Dr.  phil.,  Berlin. 
Hempel,  G.,   Fabrikbesitzer,  Pulsnitz 
bei  Dresden. 

Henning,  R.,  Prof.  Dr.,  Strassburg  im 
Elsass. 

Henooh,  Anton,  Raufmann,  Berlin. 
Hermes,  Otto,  Dr.  phil.,  Director  des 
Aquariums,  Berlin. 
Herter,  E.,  Dr.  med.,  Docent  an  der 
Universität,  Berlin,  z.  Z.  Neapel. 
Herzberg,  Ph.,  Dr.  med.,  Berlin. 
Hesselbarth,  Georg,  Dr.  med ,  Berlin. 
Heyden,  August  von,  Prof.,  Berlin. 
Hiigendorf,  F.,  Dr.  phil.,  Berlm. 
Hilie,  Dr.  med.,  Strassburg  im  Elsass. 
Hirsohberg,  Julius,  Dr.  med.,  Professor, 
Berlin. 

Hirschfeld,  Ernst,  Dr.  med.,  Oberstabs- 
und Regimentsarzt,  Berlin. 
Hitzig,   Dr.,   Prof.,    Geh.  Med.-Rath, 
Halle. 

Holder,  von,  Ober-Medicinalrath,  Dr., 
Stuttgart. 

H«ner,  F.,  Zahnkünstler,  Berlin. 
Hom,  0.,  Dr.,  Kreisphysicus,  Tondem. 
Horwitz,  Dr.,  Justizrath,  Berlin. 


(10) 


218.  Hoslus,  Prof.  Dr.,  Münster  in  West- .  258. 
falen.  ' 

219.  Humbert,  Wirkl.  Geh.  Legationsrath,  I  259. 
Berlin.  260. 

220.  Ideler,  Geh.  Sanitätsrath,  Dr.,  Wies- 
baden. 261. 

221.  Israel,  Oskar,  Dr.  med.,  Priratdocent,  262. 
Berlin.  • 

222.  Itzig,  Philipp,  Berlin.  263. 

223.  Jacob,  Georg,  Dr.  phil.,  Assistent  an 

der  königl.  Bibliothek,  Berlin.  |  264. 

224.  Jacobsthal,  E.,  Prof.,  Charlottenborg. 

225.  Jaoubowski,  Stud.  pharm.,  Berlin.  265. 

226.  Jänicke,  Ernst,  Kaufmann,, Berlin.        266. 

227.  Jaff6,  Benno,  Dr.  phil,  Berlin.  267. 

228.  Jagor,  Fedor,  Dr.,  Berlin. 

229.  Jahn,  Ulrich,  Dr.  phil.,  Berlin.  268. 

230.  Jannasoh,  R.,  Dr.  jor.  et  phil.,  Berlin.  269. 

231.  Jaqoet,  Dr.,  Geh.  Sanitätsrath,  Berlin. 

232.  Jensen,  Christian,  Lehrer,  Oevenum,  270. 
Pöhr.  271. 

233.  Jentsch, Hugo,  Dr.,  Oberlehrer,  Guben.  272. 

234.  Joest,  Ed.,  Geh.  Oommerzienrath,  Cöln. 

235.  Joest,  Wilhelm,  Prof.  Dr.,  Berlin.        273. 

236.  Jelly,  Dr.  med.,  Professor,  Berlin. 

237.  Joseph,  Max,  Dr.  med.,  Berlin.  274. 

238.  Jürgens,  Rud.,  Dr.  med.,  Berlin.  275. 

239.  Junker,  Wilhelm,  Dr.,  z.  Z.  in  Wien. ,  276. 

240.  Kahlbaun,  Dr.  med.,  Director,  Görlitz.  I 

241.  Kallsoher,  G.,  Dr.  med.,  Berün.  '  277. 

242.  Kaiifnann,    Riehard   von,    Prof.  Dr.,  278. 
Berlin.  279. 

243.  Keller,  Jean,  Weingrosshändler,  Berlin. 

244.  Keller,  Paul,  Dr.,  Berlin.  280. 

245.  Kerb,  Moriz,  Kaufmann,  Berlin.         •  281. 

246.  KlrchhofT,  Piof.  Dr.,  HaUe  a.  S.  282. 

247.  Klaar,  W.,  Raufmann,  Berlin.  ( 

248.  Knesebeck,   Baron  von   dem,   Land-  283. 
rath,  Karwe  bei  Neu-Ruppin.  284. 

249.  Kooh,  R.,  Prof.  Dr.,  Geh.  Med.-Rath,   285. 
Berlin.  286. 

250.  K9hl,  Dr.  med.,  Worms.  :  287. 

251.  Köhler,  Dr.  med.,  Posen.  288. 

252.  K5nig,  C.  A.,  Kaufmann,  Berlin.  289. 

253.  Körte,  Dr.,  Geh.  San.-Rath,  Berlin. 

254.  Kofier,  Friedrich,  Rentier,  Darmstadt.   290. 

255.  Korth,  Karl,  Hotelbesitzer,  Berlin.       > 

256.  Krause,  Aurelius,  Dr.  phil.,  Berlin.       291. 

257.  Krause,  Eduard,  Conserrator  am  K. 
Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin. 


Krause,  Hermann,  Dr.  med.,  Prof., 
Berlin. 

Krehl,  Gustar,  Kaufmann,  Berlin. 
Kroner,  Moritz,  Dr.  med.,  Sanitätsrath, 
Berlin. 

Kronthai,  Karl,  Dr.  med ,  Berlin. 
KrzyianowskI,  W.  von.   Probst,    Ka- 
mieniec  bei  Wolkowo,  Prov.  Posen. 
Kuchenbuch.  Franz,  Amtsgerichtsrath, 
Müncheberg. 

Kanne,  Karl,  Buchhändler,  Charlotten- 
burg. 

Kuhn,M.,  Dr.  phil.,  Friedenau  b.  Berlin. 
Kuntze,  Otto,  Dr.  phil.,  Kew,  London. 
Kurtz,  F.,  Prof.  Dr.,  Cordoba,  Repü- 
blica  Argentina. 
Kusohel,  Oberst  a.  D.,  Berlin. 
Kusserow,  H.  von,   Kön.  Preuss.  Ge- 
sandter, Hamburg. 
Lachmann,  Georg,  Kaufmann,  Berlin. 
Lachmann,  Louis,  Baumeister,  Berlin. 
Lachmann,   Paul,    Dr.  phil.,    Fabrik- 
besitzer, Berlin. 

Lahr,  Dr.  med..  Geh.  San.-Rath,  Prof., 
Schweizerhof  bei  Zehlendorf. 
Landau,  H.,  Bankier,  Berlin. 
Landau,  Leop.,  Dr.  med.,  Berlin. 
Landau,  W.,  Freiherr  von,  Dr.  phil., 
Berlin. 

Lange,  Henry,  Prof.  Dr.,  Berlin. 
Lange,  Julius,  Kaufmann,  Spandau. 
Langen,    Königl.  Landbau -Inspoctor, 
Berlin. 

Langen,  A.,  Captain,  Mannheim. 
Langerhans,  P.,  Dr.  med.,  Berlin. 
Langerhans,  Robert,  Dr.  med.,  Privat- 
docent,  Berlin 

Langhotr,  Eduard,  stud.  theol.,  Berlin. 
Lasard,  Ad.,  Dr.,  Director,  Berlin. 
Lassar,  O.,  Dr.  med.,  Berlin. 
Lazarus.  Moritz,  Prof.  Dr.,  Berlin. 
Le  Coq,  A.  von,  Berlin. 
Lehmann,  Karl  F.,  Dr.  phil.,  Berlin. 
Lehnebach,   Adolf,    Kais.  Oberlehrer. 
Mülhausen  i.  Elsass. 
Lehnerdt,  Dr.  med..  Geh.  Sanitätsrath, 
Berlin. 

Leiningen -Neudenau,  Graf  Emich  zu, 
Premier- Lieutnani  im  GJarde-Füs.- 
Reg.,  Berlin. 


(11) 


292.  Lenke,  Elisabeth,  Berlin.  330. 

293.  Leitz,  Freiherr  t.,  Rittmeister,  Berlin. 

294.  Leo,  F.  A.,  Professor,  Dr.,  Berlin.        331. 

295.  Lesser,   Adolf,   Dr.,    gerichtl.  Stadt-  332. 
physikus,  Breslau. 

296.  Leseer,  Robert,  Bankdirector,  Berlin,  j  333. 

297.  Leseier,  Paul,  Consul,  Dresden.  334. 

298.  Lewln,  Georg,  Prof.  Dr.,  Geh.  Med.-  j 
Rath,  Berlin.  335. 

299.  Lewin,  Leop.,  Dr.  med.,  Geh.  Sanitäts-  336. 
rath,  Berlin.  j 

300.  Lewln,  Moritz,  Dr.  phü.,  Berlin.  '  337. 

301.  Liebe,  Th.,  Professor  Dr.,  Berlin.        338. 

302.  Uebe,  Professor,  Gera.  339. 

303.  Uebenow,  W.,   Geh.  Rechnungsrath,  340. 
Berlin. 

304.  Liebemann,  F.  ron,  Dr.  med.,  Berlin.  341. 

305.  Liebemann,  B.,  Geh.  Commerzienrath, 
Berlin.  '  342. 

306.  Llebermann,  Felix,  Dr.,  Berlin.  343. 

307.  Liebemann,  Karl,  Prof.  Dr.,  Berlin. 

308.  Uebemann,  Louis,  Rentier,  Berlin.    1 344. 

309.  Liebreich,  Oscar,  Prof.  Dr.,  Berlin.     345. 

310.  Uman,   Prof.  Dr.,    Geh.  Med.-Rath, 
Berlin.  346. 

311.  Uneiie,  Rentier,  BerUn.  347. 

312.  Ueea,  Dr.  med.,  Sanitätsrath,  Berlin. !  348. 

313.  L«w,  E.,  Dr.,  Oberlehrer,  Berlin.        i  349. 

314.  LSwenbeim,  Ludw.,  Kaufmann,  Berlin. 

315.  Lücae,  Dr.  med.,  Professor  Berlin.       350. 

316.  Lfidden,  Karl,  Dr.  med..  Wollin,  Pom-  351. 
mem.  352. 

317.  LIbe,    Dr.,    Oberstabsarzt,    Königs- 
berg i.  Pr.  353. 

318.  LIbreen,  Dr.,  Generalconsul,  Odessa.   354. 

319.  Lnsoban,  F.  von,   Dr.  med.  et  phil.,  355. 
Direktorial- Assistent  am  Kgl.  Museum 

für  Völkerkunde,  Berlin.  356. 

320.  Maat,  Heinrich,  Kaufmann,  Berlin. 

321.  Maas,  Julius,  Kaufmann,  Berlin.  357. 

322.  Maase,  Karl,  Dr.  med.,  Oberstabsarzt, 
Berlin.  358. 

323.  Magnus,  P.,  Prof.  Dr.,  Berlin.  359. 

324.  Mantey,  Otto,  Dr.  med.,  Beriin.  360. 

325.  Marasee,  8.,  Dr.  phil.,  BerUn.  i361. 

326.  Marouee,  Dr.  med..  Geh.  San.-Rath,  362. 
Berlin.  363. 

327.  Maronee,  Louis,  Dr.  med.,  Berlin.        364. 

328.  Maronse.  Siegb.,  Dr.  med.,  Berlin.        365. 

329.  Maregrair,  A.,  Stadtrath,  Berlin.  366. 


Marimon  y  Tudö,  Sebastian,  Dr.  med., 
Sevilla. 

Martens,  E.  von,  Prof.  Dr.,  Berlin. 
Martbe,   Friedrich,    Dr.  phil.,   Prof., 
Berlin. 

Martin,  A.  E.,  Dr.  med.,  Berlin. 
Manila,  Karl  J.,   Prof.,   Neutitschein, 
Mähren. 

Matz,  Dr.  med.,  Stabsarzt,  Berlin. 
Meitzen,  August,  Professor  Dr.,  Geh. 
Reg.-Rath,  Berlin. 
Mendel,  E.,  Dr.  med.,  Prof.,  Berlin. 
Menger,  Henry,  Dr.  med.,  Berlin. 
Menzel,  Dr.  med.,  Charlottenburg. 
Merke,   Director  des  städt.  Kranken- 
hauses, Moabit. 

Meyer,   Dr.  med.,    Geh.  Sanitätsrath, 
Osnabrück. 

Meyer,  Adolf,  Buchhalter,  Berlin. 
Meyer,   Alfred    G.,   Dr.,   Oberlehrer, 
Berlin. 

Meyer,  Hans,  Dr.,  Leipzig. 
Meyer,   Moritz,    Dr.,    Geh.  Sanitäts- 
rath, Berlin. 

Meyer,  Richard  M.,  Dr.  phil.,  Berlin. 
Meyerhof,  Wilhelm,  Kaufmann,  Beriin. 
Miee,  Josef,  Dr.  med.,  Berlin. 
Minden.  Georg,  Dr.  jur.,  Syndikus  des 
städt.  Pfandbriefamts,  Berlin. 
Möbiüs,  Geh.Reg.-R.,Prof.Dr.,  Beriin. 
Möller,  H.,  Professor  Dr.,  Berlin. 
Moser,  Hofbuchdrucker,    Charlotten- 
burg. 

Moses,  S.,  Dr.  med.,San.-Rath.,  Berlin. 
Mooh,  Matthäus,  Dr.,  Wien. 
Mühlenbecli,  Gutsbesitzer,  Gr.- Wach* 
lin  bei  Stargard  (Pommern). 
Miibsam,  Eduard,  Dr.  med.,  Sanitäts- 
rath, Berlin. 

MQIIer,  Erich,  Regierungs-  und  Ver- 
waltungsrath  b.  d.  Kgl.  Museen,  Berlin. 
MOIIer-Beeek,  Georg,  Nagasaki,  Japan. 
Müler,  Friedrich,  Dr.  phil.,  Berlin. 
Malier,  Louis,  Dr.  phil.,  Berlin. 
MOIzel,  Gustav,  Thiermaler,  Berlia. 
Munk,  Hermann,  Prof.  Dr.,  Berlin. 
Museum,  für  Völkerkunde,  Leipzig. 
Museum,  Provinzial-,  Halle  a.  S. 
Muth,  Julius,  Lieutenant,  Berlin. 
Nathan,  Heinrich,  Kaufmann,  Berlin. 


(12) 


367.  Nathanson,  F.,  Dr.  med.,  Berlin.  400. 

368.  Nehring,  A.,  Prof.  Dr.,  Berlin. 

369.  Neuhauss,  Richard,  Dr.  med.,  Berlin.  401. 

370.  Neomayer,  G.,  Professor  Dr.,  Wirkl.  402. 
Admiralitätsrath,  Hamburg.  403. 

371.  NlendorfT,    Oscar,    Amtsgerichtsrath, 
Berlin.  404. 

372.  Nothnagel,  A.,  Prof.,  Hofmaler,  Berlin. 

373.  Oesten,    Gustav,   Oberingenieur   der  405. 
Wasserwerke,  Berlin.  406. 

374.  Olshausen,  Otto,  Dr.  phil ,  Berlin.  407. 

375.  Oppenheim,  Max  Freiherr  von,  Dr.  jur.,  408. 
Regierungsreferendar,  Berlin.  409. 

376.  Orth.  A.,  Prof.  Dr.,  Berlin.  410. 

377.  Oebome,  Wilhelm,  Rittergutsbesitzer,  411. 
Dresden. 

378.  Oeke,  Ernst,  Vereid.  Makler,  Berlin.  412. 

379.  OseowidzkI,    Dr.  med.,    Oranienburg,  413. 
Reg.-Bez.  Potsdam.  414. 

380.  Päteoh,   Johannes,   Dr.  med.,   Prof.,  415. 
Berlin.                                                 ; 

381.  Palm,  Julius,  Dr.  med.,  Berlin.  !416. 

382.  Ränder,  Dr.  phil.,  Prof.,  Hankow,  China 

383.  Pauli,  Gustav,  Berlin.  ,417. 

384.  Pflagmaoher,  E.,  Dr.  med.,  Oberstabs-  ,418. 
arzt,  Spandau.  419. 

385.  Pfuhl,  Fritz,  Dr.,  Königl.  Gymnasial- 1 420. 
Oberlehrer,  Posen. 

386.  Philipp,  Paul,  Dr.  med.,  Kreisphysikus,  421. 
Berlin.  422. 

387.  Pippow,  Dr.,  Regierungs-  und  Medi- 
cinalrath,  Erfurt.  423. 

3H8.    Polenz,  0.,  Geh.  Reg.-Rath,  Berlin.  424. 

389.  Ponfick,  Dr.  med.,  Prof.,  Geh.  Med.-  425. 
Rath,  Breslau.  426. 

390.  Pringsheim,  N.,  Prof.,  Geh.  Reg.-Rath, 

Dr.,  Berlin.  427. 

391.  Proohnow,  Apotheker,  Gardelegen.  428. 

392.  Pudll,    H.,     Baudirector,     Bilin     in  429. 
Böhmen. 

393.  Quedenfeldt,  M.,  Premierleutnant  a.  D.,  1 430. 
Berlin. 

394.  Rabl-ROckhard,  H.,   Prof.  Dr.,    Ober- 

r 

Stabsarzt,  Berlin.  431. 

395.  Raeohkow»  F.,  Dr.  med.,  Berlin. 

396.  Rarnoh,  Oberst  a.  D.,  Charlottenburg.  432. 

397.  Reioheahelm,  Ferd.,  Berlin. 

398.  Reinhardt,   Dr.,    Oberlehrer,   Rector,  433. 
Berlin. 

399.  Reite.  Wilhelm,  Dr.  phil.,  Berlin  434. 


Remak,  E.  J.,  Dr.  med.,  Privatdocent, 
Berlin. 

Richter,  Berth.,  Banquier,  Berlin. 
Richter,  Isidor,  Banquier,  Berlin. 
RIchthofen,  F.,  Freiherr  von,  Professor 
Dr.,  Berlin. 

Rieck,  Dr.  med.,  San.-Rath,  Köpenick 
bei  Berlin. 

Rieck,  R.,  Raiserl. Stallmeister,  Berlin. 
Riedel,  Bemh.,  Dr.  med.,  Berlin. 
Riedel,  Paul,  Kaufmann,  Oranienburg. 
Rizal,  Don  Jose,  Dr.  med.,  Madrid. 
Ritter,  W.,  Banquier,  Berlin. 
Rohel,  Ernst,  Dr.  phil.,  Berlin. 
RSckl,    Georg,    Regierungsrath    am 
Kaiser!.  Gesundheitsamt,  Berlin. 
Röhl,  von,  Assessor  Dr.,  Berlin. 
Rdner,  Hermann,  Senator,  Hildesheim. 
R58tel,  Hugo,  Rentier,  Berlin. 
Röwer,   Karl,    Dr.  med.,   Neustrelitz, 
z.  Z.  auf  Reisen. 

Rohlfs,  Gerh.,  Dr.,  Kaiserl.  General- 
consul,  Godesberg. 
Roeenberg,  Robert,  Kaufmann,  Berlin. 
Rosenkranz,  H.,  Dr.  med.,  Berlin. 
Roeenthal,  L.,  Dr.  med.,  Berlin. 
Roth,  Wilhelm,  Dr.  med,  Generalarzt 
Dresden. 

Rüge,  Karl,  Dr.  med.,  Berlin. 
Rage,   Max,    Dr.  phil.,    Steglitz    bei 
Berlin. 

Rüge,  Paul  Dr.  med.,  Berlin. 
RMyter,  Gustav  de,  Dr.  med.,  Beriin. 
Saawon,  Alb.,  Banquier,  Berlin. 
Sander,  Wilh.,  Dr.  med.,  Medicinal- 
rath,  Dalldorf  bei  Berlin. 
Sarasin,  Fritz.  Dr.  phil.,  Berlin. 
Saratln,  Paul,  Dr.  phil.,  Berlin. 
Sauer,  Hermann,  Dr.,  Rechtsanwalt, 
Berlin. 

Saarma-Jeltsch,  Baron  von,  Kaiser!. 
Deutscher  Gesandter,  Haag.  Nieder- 
lande. 

Schadenberg,  Alex.,  Manila,  Philip- 
pinen. 

Sohedel,  Joseph,  Apotheker,  Yoko- 
hama, Japan. 

Sohellhae,    P.,    Dr.   jur.,    Gerichts- 
Assesson  Berlin. 
Schemel,  Max,  Fabrikbesitzer,  Guben. 


»s^9mmmmmfmmß 


(13) 

435.  $chierenberg,G.A.B.,Luzern, Schweiz.  467. 

436.  Schillmann,  R.,    Dr.,   SchulYorsteher,  468. 
Berlin. 

437.  Schinz,  Hans,  Dr.,  Seefeld,  Zürich.  469. 

438.  Sohirp,  Freiherr  Fritz  von,  Berlin.  470. 

439.  Sohiesinger,  H ,  Dr.  med.,  Berlin. 

440.  SchlSssingk,  Georg,  Dr.  jur.,  Berlin.  471. 

441.  Schmidt,   Colmar,   Landschaftsmaler,  472. 
Berlin. 

442.  Scluildt,Emil,Dr.med.,  Prof.,  Leipzig.  473. 

443.  Schmidt,  Oscar,  Dr.  med.,  Berlin.  474. 

444.  Schdier,  H.,  Dr.  med.,  Prof.,  Berlin.  475. 

445.  SohSne,    Richard,   Dr.,  Wükl.  Geh. 
Ober-Reg.-Rath,  Generaldirector  der  476. 
Rönigl.  Museen,  Berlin.  477. 

446.  SohSnlanlc,  William,  General-Consul,  478. 
Berlin.  479. 

447.  Schötensacii,  0.,  Dr.,  Heidelberg.  480. 

448.  Schroter,  Dr.  med.,  Eichberg,  Rhein- 
gan.  481. 

449.  Schobert,  W.,  Kaufmann,  Berlin.  482. 

450.  Schätz,  W.,  Dr.  med.,  Prof.,  Rector  483. 
der  thierärztl.  Hochschule,  Berlin. 

451.  Schütze,  Alb.,  Academischer  Künstler,  484. 
Berlin. 

452.  Schulenbirg,   Reinhold   von,   Lieute-  485. 
nant  a.  D ,  Berlin.  486. 

453.  Schlitze,  Oscar,    Dr.  med.,    Sanitäts-  487. 
rath,  Berlin.  488. 

454.  Schlitze,  Wilhelm,  Dr.  med.,  Sanitäts-  489. 
ratk,  Stettin. 

455.  Schlitze,  Rentier,  Berlin.  490. 

456.  Schumann,  Hugo,  pract.  Arzt,  Löcknitz 

in  Pommern.  491. 

457.  Schwabacher,  Adolf,  Banquier,  Berlin.  492. 

458.  Schwartz,    Albert,    Hof- Photograph, 
Berlin.  493. 

459.  Schwartz,  W.,  Prof.  Dr.,  Gymnasial-  494. 
director,  Berlin. 

460.  Schwarzer,  Dr.,  Grubenbesitzer,  Zilms-  495. 
dorf  bei  Teuplitz,  Kr.  Sorau. 

461.  Schweinfirth,  Georg,  Prof.  Dr.,  Berlin,  496. 
z.  Z.  auf  Reisen.  497. 

462.  Schweitzer,  Dr.  med.,  Daaden,  Kreis 
Altenkirchen.  1 498. 

463.  Schwerin,  Ernst,  Dr.  med.,  Berlin. 

464.  Schwetschiie,    Ulrich,    Verlagsbuch- 1 499. 
händler,  Halle  a.  Saale. 

465.  Sebes,  Heinrich,  Berlin.  I  500. 

466.  Seier,  Eduard,  Dr.,  Steglitz  b.  Berlin. ; 


Siebold,  Heinrich  von,  Berlin. 
Siegmund,  Gustav,  Dr.  med..  Geh.  San.- 
rath,  Berlin. 

Siehe,  Dr.  med.,  Kreisphys.,  Oalau. 
Siemens,  Werner  v.,   Dr.  phil..    Geh. 
Reg.-Rath,  Charlottenburg. 
SIemering,  R.,  Prof.,  Bildhauer,  Berlin. 
Sieraiiowekl,    Graf  Adam,    Dr.  jur., 
Waplitz  bei  Altmark,  Westpreussen. 
Siesicind,  Louis  J.,  Rentier,  Berlin. 
Simon,  Th.,  Banquier,  Berlin. 
Sinogowitz,  Eugen,  Apotheker,  Ghar- 
lottenburg. 

Sökeland,  Hermann,  Berlin. 
Sommerfeld,  Sally,  Dr.  med.,  Berlin. 
Sonnenburg,  Dr.  med.,  Prof.,  Berlin. 
Souchay,  Weinhändler,  Berlin. 
Spitzly,  John  H.,  Ofßcier  van  gezond- 
heid  2.  Rl,  z.  Z.  London. 
Staudinger,  Paul,  Naturforscher,  Berl  in. 
Steohow,  Dr.,  Stabsarzt,  Berlin. 
Steinen,   Karl  von  den,   Dr.  med.  et 
phil.,  Marburg. 

Steinen,  Wilhelm  von  den,  Maler, 
Düsseldorf. 

Steinthal,  Leop.,  Banquier,  Berlin. 
Steinthal,  H.,  Prof.  Dr.,  Berlin. 
Stell,  Dr.  med.,  Zürich. 
Straosmann,  Maurermeister,  Berlin. 
Strauch,  Corvetten-Capitän,  Wilhelms- 
hafen. 

Strebel,  Hermann,  Kaufmann,  Ham- 
burg, Eilbeck. 

Strecker,  Albert,  Kreissecretär,  Soldin. 
Struck,  H.,  Dr.  med.,  Geh.  Gber.-Reg.- 
Rath,  Berlin. 

StUbei,  Alfons,  Dr.,  Dresden. 
Tappeiner,  Dr.  med.,  Schloss  Reichen- 
bach bei  Meran. 

Taubner,  Dr.  med.,  Provinzial-Irren- 
anstalt,  Neustadt,  Westpreussen. 
Teige,  Paul,  Hof-Juwelier,  Berlin. 
Teschendorff,   E.,   Prof.,    Geschichts- 
maler, Berlin. 

Thorner,  Eduard,  Dr.  med.,  Sanitäts- 
rath,  Berlin. 

Thunig,   Domänenpächter,   Kaiserhof 
bei  Dusznik,  Prov.  Posen. 
TImann,  F.,  Dr.  med.,  Oberstabsarzt, 
Potsdam. 


(1*) 


533.  Weidenlianiner,  Dr.  med.,  Marinestabs- 
arzt, WilhelmshaTen. 

534.  Waigel,   Max,   Dr.  phil.,  Direktonal- 
Assistent  am  Rgl.  Museum  fÜrVölker- 


501.  Tischler,  Otto,  Dr.,  Director  des  Pror.- 
Museums  der  physik.-ökonom.  Ge- 
sellschaft, Königsberg  i.  Pr. 

502.  THel,  Max,  Raufmann,  Berlin. 

503.  Tolmateohew,  Nicolaus,  Dr.  med.,  Pro- 1  künde,  Berlin. 

fessor,  Kasan,  Russland.  535.  Weigelt,  Gurt,  Dr.  phil.,  Berlin. 

504.  T5r5k,  Aurel  von,  Prof.  Dr.,  Director ,  536.  Weinliold,  Dr.  phil.,  Geh.  Kegierungs- 
d.  anthrop.  Museums,  Budapest.         ,  rath,  Professor,  Berlin. 

505.  Travcrs,  G.,  Kais.  Deutscher  Minister-  ,  537.  Weinitz,  Franz,  Dr.  phil.,  Berlin, 
resident  z.  D.,  Punchal,  Madeira.        538.  Weisbaoli,  Valentin,  Bankier,  Berlin. 

506.  Treichel,  A.,  Rittergutsbesitzer,  Hoch-  539.  Weise,  H.,  Professor,  Geh.  Reg.-Rath, 
Paleschken  bei  Alt-Kischau,  "Westpr.  j  Berlin. 

507.  Utile,  Max,  Dr.  phil.,  Kötzschenbroda.  1 540.  Wendeler,  Paul,  Oekonom  u.  Brauerei- 

508.  Ulrich,  R.  W.,  Dr.  med.,  Berlin.         ,  beaitzer,  Soldin. 

509.  Umlaoff,  J.  F.  G.,  Hamburg.  541.  Welssteln,  Hermann,  Reg.-Baumeister, 

510.  Unnihe-Bomst,  Freiherr  von,  Landrath, ;  Düsseldorf. 

Wollstein,  Fror.  Posen.  542.  Weneierckl-Kwilecki,   Graf,  Wrobiewo 

511.  Vater,    Moritz,    Dr.,    Oberstabsarzt,  bei  Wronke,  Pro v.  Posen. 
Spandau.                                               543.  Werner,  F.,Dr.med.,8an.-Rath,Bcrlin. 

512.  Verein,  anthropologischer,  Hamburg-  544.  Werner,  Georg,  Dr.  med.,  Unterarzt, 
Altona,  Hamburg.  Berlin. 

513.  Verein, Alterthams-,Dürkheim  vorder  545.  Wessely,  Hermann,  Dr.  med.,  Sanitäts- 
Hardt.                                                  -  rath,  Berlin. 

514.  Verein  der  Alterthumsfreunde,  Genthin. '  546.  Wetzelein,  Gottfried,  Dr.,  Oonsul  a.  D., 

515.  Verein,  historischer,  Bromberg.  Berlin. 

516.  Verein,  historischer,  der  Grafschaft  547.  Wlechel,  Hugo,  Abtheilungs-Ingenieur, 
Ruppin,  Neu-Ruppin.  Leipzig. 

517.  Verein,  Museums-,  Lüneburg.  548.  Wllke,  Theodor,  Rentier,  Guben. 

518.  Virchcw,  Hans,  Dr.  med.,  Prof.,  Berlin. '  549.  Wilmanns,    Hilmar,  Vice-Consul  der 

519.  Virchcw,  Rudolf,  Dr.  med.,  Professor,  I  ver.  Staaten  von  Mexico,  Berlin. 
Geh.  Med.-Rath,  Berlin.                      '  550.  Wilskl,   H.,   Director,   Rummelsburg 

520.  Vdbcrth,  Dr.  med.,  Sanitätsrath,  Berlin.  bei  Berlin. 

521.  Vclmer,  Dr.  med..  Geh.  Sanitätsrath,  551.  Wittgenstein,  Wilhelm  von,  Guts- 
Berlin.  besitzer,  Berlin. 

522.  Vcriänder,     H.,      Rittergutsbesitzer,  552.  Wittniack,  L.,  Prof.  Dr.,  Berlin. 
Dresden.                                               553.  Wcitf,  Max,  Dr.  med.,  Prof.,  Berlin. 

523.  Vcee,  Albert,  Dr.  med.,  Director  der  554.  WutzerH., Dr. med., San.-Rath, Berlin, 
vaterländischen  Abtheilung  des  Kgl.  555.  Zabel,  Dr.,  Gymnasiallehrer,  Guben. 
Museums  für  Völkerkunde,  Beriin.     556.  Zadek,  Ignaz,  Dr.  med.,  Berlin. 

524.  Wacker,  H.,  Oberlehrer,  Berlin.  557.  Zandt,  Walther,  Freiherr  von,  Prem.- 

525.  Wagner,  Adolf,  Fabrikant,  Berlin.  Leutnant,  Berlin. 

526.  Waiden,  R.,  Beriin.  558.  Zenker,  Wilhelm,    Dr.  med.,    Kreis- 

527.  Waideyer,  Dr.  med.,  Prof.,  Geh.  Med.-  ,  physikus  a.  D.,  Bergquell-Frauendorf 
Rath,  Beriin.  bei  Stettin. 

528.  Wanjnra,  Arthur,  Beriin.  559.  Zierold,    Rittergutsbesitzer,    Mietzel- 

529.  Wankel,  Heinrich,  Dr.  med.,  Olmütz.  felde  bei  Soldin. 

530.  Wattenliach.Wilhelm,  Prof.  Dr.,  Berlin.   560.  Zintgratf,  Eugen,   Dr.  jur.,  Detmold, 

531.  Weber,  W.,  Maler,  Beriin.  ,  z.  Z.  in  Kamerun. 

532.  Weeren,  Julius,  Prof.  Dr.,  Charlotten-  [  561.  Zilzer,  W.,  Dr.  med.,  Prof.,  Beriin. 
bürg.                                     


(15) 


Uebersicht  der  der  Gesellschaft  durch  Tausch  oder  als 
Geschenk  zugehenden  Zeitschriften.    1.  Januar  1891. 


I.   Deutschland, 

nach  Städten  alphabetisch  geordnet. 

1.  Berlin.    Amtliche  Berichte  aus  den  königlichen  Kunstsammlungen. 

2.  Veröffentlichungen  aus  dem  königlichen  Museum  für  Völkerkunde  (1  u. 

2  T.  d.  Generaldirection  der  königlichen  Museen). 

3.  Zeitschrift  für  Erdkunde. 

4.  Mittheilungen  von  Porschungsreisenden  und  Gelehrten  aus  den  deutschen 

Schutzgebieten. 

5.  Verhandinngen  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  (3—5  v.  d.  G.  f.  E.). 

6.  Jahrbuch  der  königl.  geologischen  Landesanstalt  (v.  d.  G.  L.). 

7.  Annalen  der  Hydrographie  und  maritimen  Meteorologie  (t.  d.  Hydrogra- 

phischen Amt  der  kais.  Admiralität). 

8.  Verhandlungen  der  Berliner  medicinischen  Gesellschaft  (r.  d.  B.  m.  G.). 

9.  Berliner  Missions-Berichte  (v.  Hm.  Bartels). 

10.  Nachrichten   für  und   über   Kaiser  Wilhelmsland   und   den  Bismarck- 

Archipel  (v.  d.  Neu-Guinea-Compagnie). 
11.-  Die  Flamme.    Zeitschrift   zur   Förderung  der  Feuerbestattung  im  In- 

und  Auslande  (v.  Hm.  R.  Virchow). 

1 2.  Photographische  Nachrichten  (v.  d.  Freien  Photographischen  Vereinigung). 

13.  Jahresbericht  des  Directors  des  Königl.  Geodätischen  Instituts  (t.  Hm. 

R.  Virchow). 

14.  Comptes   rendus   des  seances  de  la  commission  permanente  de  Tasso- 

ciation  geodesique  internationale  (v.  Hm.  R.  Virchow). 

15.  Mittheilungen  aus  der  historischen  Literatur. 

16.  Verwaltungsbericht    über    das    Märkische    Provinzial  -  Museum    (v.   d. 

Director). 

17.  Verhandlungen  des  deutschen  Greographentages  (r.  Hrn.  C.  Künne). 

18.  Bonn.    Jahrbücher  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  (v.  d.  V.  v.  A.). 

19.  Brandenburg  a.  d.  H.    Jahresberichte  des  Historischen  Vereins  (v.  d.  H.  V.). 

20.  Braunschweig.    Archiv    für  Anthropologie   (v.  Hm.  Friedrich  Vieweg  nnd 

Sohn). 

21.  Globus,    niustrirte  Zeitschrift   für  Länder-   und  Völkerkunde    (v.  Hrn. 

Künne). 

22.  Bremen.    Deutsche  Geographische  Blätter. 

23.  Jahresberichte   des  Vorstandes  der  Geographischen  Gesellschaft  (22  u. 

23  V.  d.  G.  G.). 

24.  Abhandlungen,  herausgegeben  von  dem  naturwissenschaftlichen  Verein. 

25.  Breslau.    Schlesiens  Vorzeit  in  Bild  und  Schrift  (v.  d.  Museum  Schlesischer 

Alterthümer). 

26.  Cassel.    Mittheilungen  an  die  Mitglieder  des  Vereins  für  Hessische  Geschichte 

und  Landeskunde. 

27.  Zeitschrift  des  Vereins  f.  H.  G.  u.  L.  (26  u.  27  v.  d.  V.  f.  H.  G.  u.  L.). 


,(16) 

28.  Colmar.     Bulletin  de  la  Societo  d'histoire  naturelle  (v.  d.  S.). 

29.  Danzig.     Bericht  über  die  Verwaltung  der  naturwissenschaftlichen,  archäologi- 

schen und  ethnologischen  Sammlungen. 

30.  Schriften  der  Naturforschenden  Gesellschaft  (29  u.  30  v.  d.  N.  G.). 

31.  Dresden.    Sitzungsberichte   und   Abhandlungen   der  Naturwissenschaftlichen 

Gesellschaft  Isis  (v.  d.  N.  G.  I.). 

32.  Emden.    Jahrbuch   der  Gesellschaft  für   bildende  Kunst   und  vaterländische 

Alterthümer  (v.  d.  G.). 

33.  Gi essen.    Mittheilungen  des  Oberhessischen  GeschichtsYcreins  (v.  d.  O.  G.). 

34.  Görlitz.    Neues   Lausitzisches   Magazin   (v.  d.  Oberlausitzischen  Gresellschaft 

der  Wissenschaften). 

35.  Jahreshefte   der  Gesellschaft   für  Anthropologie    und  Ui^schichtc   der 

Oberlausitz  (v.  d.  G.). 

36.  Gotha.     Dr.  A.  Petermann's  Mittheilungen  aus  Justus  Perthes  Geographi- 

scher Anstalt  (v.  Hrn.  Künne). 

37.  Ergänzungshefte  zu  36  (werden  angekauft). 

38.  Grcifswald.    Jahresberichte  der  Geographischen  Gesellschaft  (r.  d.  G.  G.). 

39.  Jahresberichte  der  Rügisch-Poramerschen  Abtheilung  der  Gesellschaft  für 

Pommersche  Geschichte  und  Alterthumskunde  (?.  d.  G.  f.P.  G.  u.  A.). 

40.  Halle  u.  S.    Mittheilungen  des  Vereins  für  Erdkunde  (v.  d.  V.  f.  E.). 

41.  Hamburg.     Verhandlungen   des   Vereins   für   Naturwissenschaftliche   Unter- 

haltung (v.  d.  V.  f.  N.  ü.). 

42.  Hannover.    Jahresbericht  der  Geographischen  Gesellschaft  (v.  d.  G.  G.). 

43.  Heilbronn.    Internationale  Zeitschrift  für  allgemeine  Sprachwissenschaft  (von 

Hm.  F.  Techmer). 

44.  Jena.    Mittheilungen  der  Geographischen  Gesellschaft  für  Thüringen  (v.  Hm. 

M.  Bartels). 

45.  Kiel.    Mittheilungen  des  Anthropologischen  Vereins  in  Schleswig-Holstein. 

46.  Bericht   des   Schleswig-Holsteinischen  Museums   vaterländischer  Alter- 

thümer (v.  d.  M.). 

47.  Königsberg  i.  Pr.    Sitzungsberichte  der  Altcrthumsgeselischaft  Pmssia  (v.  d. 

A.  G.  P.). 
4H.  Schriften  der  Physikalisch-Oekonomischen  Gesellschaft  (v.  d.  Ph.-Oe.  G.) 

49.  Leipzig.    Bericht  für  das  Museum  für  Völkerkunde  (v.  d.  G.  f.  V.). 

50.  Halbjahrsbericht  der  deutschen  Gesellschaft  zur  Erforschung  vaterländi- 

scher Sprache  und  Alterthümer  (v.  d.  d.  G.  z.  E.  v.  S.  u.  A.). 

51.  Lübben.    Mittheilungen  der  Niederlausitzer  Gesellschaft  für  Anthropologie  und 

Urgeschichte  (v.  d.  N.  G.  f.  A.  u.  U.). 

52.  Mannheim.     Sammlung  von  Vorträgen,  gehalten  im  Mannheimer  Alterthums- 

Verein  (v.  d.  M.  A.-V.). 

53.  Metz.    Jahresberichte  des  Vereins  für  Erdkunde  (v.  d.  V.  f.  E.). 

54.  München.     Beiträge  zur  Anthropologie  und  Urgeschichte  Bayerns  (v.  d.  G.  f. 

A.  u.  U). 

55.  Jahresberichte  der  Geographischen  Gesellschaft  (v.  d.  G.  G.). 

56.  Prähistorische  Blätter  (v.  H.  J.  Naue). 

57.  Neu- Brandenburg.    Jahresbericht   über   das  Museum   in  Neu-Brandenburg 

(v.  d.  M.). 

58.  Nürnberg.    Mittheilungen  aus  dem  Germanischen  Nationalmuseom. 

59.  Anzeiger  des  Germanischen  Nationalmuseums  (58  u.  59  v.  d.  G.  N.-M.). 


(17) 

60.  Posen.  Posener  Archäologische  Mittheilungen.  Herausgegeben  von  der  Archäo- 

logischen Comraission   der  Gesellschaft   der  Freunde  der  Wissen- 
schaften (y.  d.  G.  d.  F.  d.  W.). 

61 .  Zeitschrift  der  Historischen  Gesellschaft  für  die  Provinz  Posen  (v.  d.  H.  G.). 

62.  Schwerin.    Jahrbücher  und  Jahresberichte  des  Vereins  für  Meklenburgische 

Geschichte  und  Alterthumskunde  (herausgegeb.  v.  d.  V.  f.  M.G.  u.  A.). 

63.  Stettin.    Baltische  Studien. 

64.  Monatsblätter.    Herausgegeben   von   der  Gesellschaft   für  Pommersche 

Geschichte   und  Alterthumskunde  (63  u.  64  v.  d.  G.  f.  P.  G.  u.  A.). 

65.  Stuttgart.    Das  Ausland.    Wochenschrift  für  Länder-  und  Völkerkunde  (von 

Hm.  Künne). 

66.  Jahresbericht  des  Württemberg.  Vereins  f.  Handelsgeographie  (v.  d.  V.). 

67.  Trier.    Westdeutsche  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst. 

68.  Correspondenzblatt  für  Geschichte  und  Kunst  (67  u.  68  v.  d.  G.  f.  n.  F.). 

69.  Weimar.    Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Geographie  (v.  Hm.  J.  J.  Kettler). 

70.  Wiesbaden.    Annalen   des  Vereins   für  Nassauische   Alterthumskunde   und 

Geschichtsforschung  (v.  d.  V.  f.  N.  A.  u.  G.). 


IL   Earop&isctaes  Aasland, 

nach  Ländem  und  Städten  alphabetisch  geordnet. 

Belgien.* 

71.  Brüssel.    Bulletins   de   TAcademie  Royale  des  Sciences,   des  Lettres  et  des 

Beaux-Arts  de  Belgique. 

72.  Annuaire  de  TAcademie  Royale  des  Sciences,  des  Lettres  et  des  Beaux- 

Arts  de  Belgique  (71  u.  72  v.  d.  Ac.  R.). 

73.  Bulletin  de  la  Societe  d' Anthropologie  (v.  d.  S.  S.  d'A.). 

74.  Lüttich.    Bulletin  de  Tlnsütut  archeologique  Liegeois  (v.  d.  I.). 

Dänemark« 

75.  Kopenhagen     Memoires  de  la  Societe  Royale  des  Antiquaires  du  Nord. 

76.  Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  og  Historie. 

77.  Nordiske  Fortidsminder,  udgevne  af  det  Kgl.  Nordiske  Oldskrift  Selskab 

(75—77  V.  der  Gesellsch.). 

78.  Reykjavik  (Island).    Arbok  til  hid  Islenzka  fomleifafelag  (v.  d.  L  f.). 

« 

Finland. 

79.  Helsingfors.    Journal  de  la  Societe  Finno-Ougrienne.  (Suomalais-Ugrilaisen 

Seuran  Aikakauskiija.) 
8().  Memoires  de  la  Societe  Finno-Ougrienne.   (Suomalais-Ugrilaisen  Seuran 

Toimitukria.) 

81.  Finska  Fornminnesföreningens  Tidskrift  (79 — 81  durch  Hrn.  Aspe  1  in). 

Frankreleh. 

82.  Lyon.    Bulletin  de  la  Societe  d'Anthropologie  (v.  d.  S.  d'A.). 

83.  Archives  du  Museum  d'histoire  naturelle  (v.  d.  M.). 

84.  Paris.    L' Anthropologie.      (Materiaux    poar    Thistoire    de    l'homme,    Revue 

d' Anthropologie,  Revue  d'Ethnographie  r^unis.)  (v.  d.  Verleger). 

85.  Memoires  de  la  Societe  d^ Anthropologie. 

86.  Bulletins  de  lu  Societe  d' Anthropologie  (v.  d.  S.  d'A.). 

87.  Annales  du  Musee  Guimet. 

Verhandl.  der  Berl.  Anthropol.  Geselkchafl  18i»l.  2 


(18) 

88.  Paris.    Revue  de  Thistoire  des  religions  (87  u.  88  v.  d.  Ministöre  de  Tln- 

struction  publique). 

89.  Actes  de  la  Societe  philologique  (t.  d.  8.). 

Griechenland. 

90.  Athen.     AeKriov  rv^q  i^opooj;  x*t  e^vokoytKviq  rrcitpici;  rij^  *£XXa^o;  (t.  d.  Histori- 

schen und  Ethnologischen  Gesellschaft  von  Griechenland). 

Grossbritannien. 

91.  Edinburgh.    The  Scottish  Geographical  Magazine  (y.  d.  Sc.  G.  Society). 

92.  London.    The  Journal  of  the  Anthropological  Institute  of  Great  Britain  and 

Ireland  (v.  d.  A.  I.). 

93.  Proceedings  of  the  Royal  Geographical  Society  (v.  Hm.  C.  Kttnne). 

Italien. 

94.  Bologna.    Atti  e  Memorie  della  Reale  Depntazione  di  storia  patria  per  le 

provincie  di  Romagna  (y.  d.  R.  D.). 

95.  Memorie  della  R.  Academia  delle  Scienze. 

96.  Rendiconto   delle   sessioni   della  Reale  Accademia   delle  Scienze  del 

Istituto  di  Bologna  (v.  d.  R.  A.). 

97.  Florenz.   Archivio  per  FAntropologia  e  la  Etnologia  (v.  Hm.  F.  Mantegazza). 

98.  Bullettino  della  Sezione  Fiorentina  della  Societa  Afiicana  d'Italia  (yon 

d.  S.  A.). 

99.  BoUettino  di  Publicazione  Italiane. 

100.  Neapel.    BoUettino  della  Societa  Africana  d'Italia  (y.  d.  S.  A.). 

101.  Parma.    Bullettino  di  Paletnologia  Italiana  (y.  Hm.  L.  Pigorini  in  Rom). 

102.  Rom.    Bullettino  deiristituto,  Mittheilungen  des  Kaiserlich  Deutschen  Archäo- 

logischen Instituts  (y.  d.  D.  A.  I.). 

103.  Atti  della  Reale  Academia  dei  Lincei. 

104.  Notizie  degli  scayi  di  antichita  (103  u.  104  v.  d.  R.  A.  d.  L.). 

105.  BoUettino  deUe  opere  moderne  e  straniere. 

106.  Turin.    Gosmos  (y.  Hm.  G.  Cora). 

Niederlande. 

107.  Leiden.    Intemationales  Archiy  für  Ethnographie  (y.  Hm.  P.  W.  M.  Trap). 

Norwegen. 

108.  Kristiania.    Aarsberetoing  fra  Poreningen  til  Norske  Fortidsmindesmerkers 

beyaring. 

109.  Kunst   og  Handyerk    fra  Norges  Fortid  (108  u.  109  y.  d.  üniyersitets 

SamUng  af  nordiske  Oldsager). 

Oesterreieh-ÜDgam. 

110.  Budapest.    Mathemathische  und  natnrwissensch.  Berichte  aus  Ungarn  (y.  d. 

Akademie). 

111.  Ungarische  Reyue. 

112.  Archaeologiai   ^Irtesitö   (y.  d.  Anthropologisch -archäologischen  GeseU- 

schaft). 

113.  Ethnographische  Mittheilungen  aus  Ungarn  (y.  Hm.  A.  Hermann). 

114.  Herraannstadt.    Archiy  des  Vereins  für  Siebenbürgische  Landeskunde 

115.  Jahresbericht  des  Vereins  für  Siebenbürgische  Landeskunde  (114  and 

115y.  d.V.). 

116.  Krakau.    Anzeiger  der  Akademie  der  Wissenschaften  (y.  d.  A.)* 

117.  Laibach.    Mittheilungen  des  Museal -Vereins  für  Krain  (y.  d.  M.-V.). 


(19) 

118.  Prag.    Pamdtky  archaeologicke  a  mistopisne  (y.  d.  Museum  Kegni  Bobemiae). 

1 1 9.  Jahresbericht  der  Lese-  und  Redehalle  deutscher  Studenten  (v.  d.  L.  u. R.). 

120.  Triest.    Atti  del  Museo  civico  di  storia  naturale. 

121.  BoUettino  della  Societd  Adriatica  di  Scienze  naturali  (v.  d.  S.). 

122.  Wien.    Annalen  des  K. K. Naturhistorischen  Hofmuseums  (v.  d.M.). 

123.  Mittheilungen  der  Wiener  Anthropologischen  Gesellschaft  (v.  d.  A.  A.). 

124.  Deutsche  Rundschau  für  Geographie  und  Statistik  (v.  Hrn.  C.  Ktinne). 

125.  Mittheilungen  der  prähistorischen  Commission  der  kaiserlichen  Aka- 

demie der  Wissenschaften  (v.  d.  Pr.  C). 

Portugal« 

126.  Lissabon.    Boletim  de  la  Sociedade  de  Geographia  (y.  d.  S.). 

127.  Porto.    Rerista   de   Sciencias   Naturaes   e   Sociaes   (v.  d.  Sociedade  Carlos 

Ribeiro). 

Bnmftnien« 

128.  Bucarest.    Analele  Academiei  Romane  (t.  d.  A.). 

129.  Jassy.    Archira  d.  Societatii  ^ciinjifice  fi  Literare  (v.  d.  S.). 

Ragsland* 

130.  Dorpat.    Sitzungsberichte  der  gelehrten  Estnischen  Gesellschaft. 

131.  Verhandlungen   der   gelehrten   Estnischen   Gesellschaft  (130  und  131 

T.  d.  G.). 

132.  Moskau.    Tagebuch   der   anthropologischen   Abtheilung.    (Nachrichten    der 

kaiserlichen   Gesellschaft  der   Freunde   der  Naturwissenschaftieo.) 
(y.  Hrn.  Anutschin). 

133.  St.  Petersbucg.    Das  lebendige  Alterthum.    Periodische  Schrift  der  ethnol. 

Abtheilung  d.  k.  russ.  geogr.  Gesellschaft  (russisch.) 

134.  Sitzungsprotocolle    der    Russischen    Anthropologischen    Gesellschaft 

(russisch)  (v.  d.  G.). 

135.  Warschau.    Wisla.    M.  Geograficzno-Etnograficzny  (y.  d.  Red.). 

Schweden. 

136.  Stockholm.    Antiqyarisk  Tidskrift  for  Syerige. 

137.  Teckningar  ur  Syenska  Statens  Historiska  Museum. 

138.  Akademiens  Mänadsblad  (136 — 138  y.  d.  Kongl.  Vitterhets  Historie  og 

Antiqyitets  Akademien). 

139.  Samfundet   för  Nordiske  Museet   främjande  Meddelanden,   utgifna   af 

Artur  Hazelins. 

140.  Handlingar  angHende  nordiske  Museet  (139  u.  140  y.  Hrn.  Hazelius). 

Schweiz* 

141.  Aarau.    Fernschau  (y.  d.  Mittelschweizerischen  Geographisch -Commerziellen 

Gesellschaft;. 

142.  Hottingen-ZUrich.    Antiqua  (y.  Hm.  Forrer). 

143.  Neuchätel.    Bulletin  de  la  Societe  Neuchäteloise  de  Geographie  (y.  d.  S.). 

144.  Zürich.    Anzeiger  fOr  Schweizerische  Alterthumskunde. 

145.  Mittheilmngen  der  Antiquarischen  Gesellschaft  (y.  d.  A.  G.). 


III.  America* 

146.  Boston  (Mass.  U.  S.  A.).    Proceedings   of  the   Boston   Society   of  Natural 

History  (y.  d.  S.). 

147.  Buenos-Aires  (Argentinische  Republik).  Anales  del  Museo  Nacional  (y.d.M.). 

2» 


(20) 

148.  Caracas  (Venezuela).    Revista  cientifica  mensual  de  la  Uniyersidad  central 

de  Venezuela  (v.  Hrn.  Ernst). 

149.  Cördoba  (Argentinische  Republik).  Actas  de  la  Academia  Nacional  de  Ciencias. 

150.  Boletin  de  la  Academia  Nacional  de  Ciencias  (149  u.  150  v.  d.  A.). 

151.  Davenport  (Iowa  U.  S.  A.).    Proceedings   of  the   Davenport  Academy  of 

Natural  Sciences  (v.  d.  A.). 

152.  Halifax  (Nova  Scotia,  Canada).    Proceedings  and  Transactions  of  the  Nora 

Scotian  Institute  of  Natural  Science  (v.  d.  L). 

153.  Mexico.    Mittheilungen  des  deutschen  wissenschaftlichen  Vereins  (t.  d.  V.). 

154.  New-York.    Bulletins  of  the  American  Oeographical  Society  (t.  d.  8.). 

155.  Philadelphia  (Penn*a  ü.  S.  A.).    Proceedings   of  the  Academy   of  Natural 

Sciences  (v.  d.  A.). 

156.  Proceedings  of  the  American  Philosophical  Society  (v.  d.  S.). 

157.  Transactions  of  the  Wagner  Free  Institute  of  Sciences. 

158.  Rio  de  Janeiro  (Brasilien).    Archivos  del  Museo  Nacional  (t.  d.  M.). 

159.  Santjago  (Chile).    Verhandlungen  des  deutschen  wissenschaftlichen  Vereins 

(v.  d.  V.). 

160.  San  Jose  (Costa  Rica).    Anales  del  Museo  Nacional  (v.  d.  M.). 

161.  Toronto  (Canada).    Proceedings  of  the  Canadian  Institute. 

162.  Annual  Report  of  the  Canadian  Institute  (161  u.  162  v.  d.  C.  I.). 

163.  Washington  (D.  C.  U.  S.  A.).    Annual  Report  of  the  Smithsonian  Institution. 

164.  Report  upon  ü.  S.  Geographica!  surveys  West  of  the  100^  Meridian. 

165.  Annual  Report  of  the  Geological  Sunrey. 

166.  Report  of  the  Geological  Survey  of  the  Territories. 

167.  Bulletin  of  the  ü.  S.  Geological  and  Geographica!*  Sunrey  of  the  Terri- 

tories (163—167  T.  d.  Smithson.  L). 

168.  Annual  Report  of  the  Bureau  of  Ethnology  (y.  d.  Bureau  of  Ethnol.). 

169.  The  American  Anthropologist  (y.  d.  Anthropol.  Society  of  Washington). 

170.  Bulletin  of  the  ü.  S.  National  Museum. 

171.  Proceedings  of  the  U.  S.  National  Museum. 

IT.   Asien. 

172.  Batayia.    Tijdschrifl  yoor  Indische  Taal-,  Land-  en  Volkenkunde. 

173.  Notulen  yan  de  Algemeene  en  Bestuursyergaderingen  yan  het  Bata- 

yiaasch  Genootschap  yan  Künsten  en  Wetenschappen. 

174.  Verhandlingen    yan    het   Batayiaasch   Genootschap    yan   Künsten   en 

Wetenschappen  (172—174  y.  d.  G). 

175.  Bombay.    The  Journal  of  the  Anthropological  Society  (y.  d.  S.). 

176.  Calcntia.   Epigraphia  Indica  and  Record  of  the  Archaeological  Sunrey  of  India. 

177.  Shanghai.    Journal  of  the  China  Brauch  of  the  Royal  Asiatic  Society  (y.  d.S.}. 

178.  Tokio.    Mittheilungen   der   deutschen  Gesellschaft   fttr  Natur-  und  Völker- 

kunde Ost-Asiens  (y.  d.  G.). 

179.  Memoirs  of  the  Ldterature  College,  Uniyersity  of  Japan. 

180.  The  Calendar,  Imperial  uniyersity  of  Japan  (152  u.  153  y.  d.  L  ü.  o.  J.). 

V.  AastraUen. 

181.  Adelaide.    Report   on   the   progress   and   condition  of  the  Botanic  Garden 

(y.  Hm.  R.  Schomburgk). 

182.  Sidney.    Report  of  the  trustees  of  the  Australian  Museum. 

183.  Records  of  the  Australian  Museum  (182  u.  183  ?.  d.  M.). 


Ausserordentliche  Sitzung  rom  10.  Januar  1891. 
Vorsitzender  Hr.  Virchow. 

(1)  Vorsitzender: 

Als  ich  in  der  letzten  Sitzung  am  20.  December  in  meinem  Jahresrückblick 
die  Reihe  unserer  Ehrenmitglieder  musterte,  konnte  ich  noch  mit  hoffnungsreichem 
Blick  auf  die  Arbeiten  hinschauen,  welche  der  unermüdliche  Schi ie mann  in  dem 
gegenwärtigen  Jahre  auszuführen  gedachte.  Mit  welcher  FVende  und  mit  welchem 
Gefühl  innerer  Befriedigung  hatte  er  noch  am  14.  Dec.  mit  uns  die  neu  aufgestellte 
Schlicmann-Sammlung  durchwandert  und  seine  Wünsche  dargelegt,  wie  der  noch 
in  Athen  befindliche  grössere  Theil  der  trojanischen  Funde  nach  seinem  Tode  in 
Berlin  aufgestellt  werden  solltet  Sein  letzter  Brief  an  mich  aus  Paris  ?om  17. 
hatte  fortschreitende  Besserung  seines  Gehörs  und  die  unmittelbar  bevorstehende 
Abreise  nach  Neapel  gemeldet,  von  wo  er  zu  den  Seinen  zurückkehren  wollte. 

Wie  hinfällig  ist  der  Mensch!  wie  trügerisch  seine  Berechnungen!  Die  Seinen 
sollten  nur  seine  Leiche  wiedersehen.  Am  26.  December  machte  ein  schneller  Tod 
seinem  Sehnen  und  Hoffen,  seinem  Arbeiten  und  Forschen  auf  immer  ein  Ende. 

Meine  Nachrichten  aus  Neapel  ergeben,  dass  er  sich  dort  in  gewohnter  Weise 
und  trotz  aller  Warnungen,  ohne  Rücksicht  auf  das  rauhe  Wetter,  anhaltend  mit 
Kenntnissnahme  der  neuen  Verhältnisse  beschäftigte.  Am  25.  war  er  in  der  deutschen 
zoologischen  Station,  scheinbar  ohne  Sorge,  voll  von  Interesse  für  die  Einrichtungen 
der  Station  und  das  Leben  der  Meeresbewohner;  er  klagte  über  nichts,  als  über 
die  Empfindung,  als  sei  im  Ohr  etwas  Verstopfendes  zurückgeblieben.  Darüber 
hatte  er  schon  hier  geklagt  und  zur  Beseitigung  dieses  Zustandes  von  mir  verlangt, 
ich  solle  das  Ohr  ausräumen.  Ich  hatte  es  ablehnen  müssen,  etwas  Eingreifendes 
zu  unternehmen,  da  er  darauf  bestand,  schon  in  wenigen  Stunden  die  Reise  nach 
Paris  anzutreten.  Aber  in  Paris  hatte  er  einen  Ohrenarzt  consultirt  und  dieser 
hatte  ihm,  wie  er  mir  schrieb,  ausser  einer  grösseren  Menge  von  Jodoformpulver, 
das  er  selbst  sich  eingeblasen,  „eine  Masse^  von  Knochenstückchen  herausgeholt. 
Eb  kann  wohl  kaum  zweifelhaft  sein,  dass  schon  damals  Caries  des  Gehörganges 
bestanden  hat  Nichtsdestoweniger  blieb  er  in  Neapel  in  voller  Aktion.  Am  25., 
als  Morgens  9  Uhr  Herren  von  der  zoologischen  Station  ihn  in  seinem  Hotel  be- 
suchen wollten,  war  er  schon  ausgegangen.  Aber  an  demselben  Tage  wurde  er  am 
Ende  des  Toledo  bewusstlos  auf  der  Strasse  gefunden  und  der  Arzt,  zu  dem  man 
ihn  endlich  brachte,  constatirte  eine  halbseitige  (gekreuzte)  Lähmung  und  ausser- 
dem schwere  Bronchitis.  Auf  der  Fahrt  nach  dem  Hotel  kehrte  das  ßewusstsein 
noch  einmal  zurück:  er  wollte,  wie  immer,  den»  Kutscher  bezahlen.  Auf  seinem 
Zimmer  aber  fiel  er  wieder  in  Bewusstlosigkeit  zurück,  aus  der  er  nicht  mehr 
erwachen  sollte.  Es  wurde  noch  eine  operative  Eröffnung  des  Warzenfortsatzes 
aasgeführt,  wonach  viel  Eiter  ausfloss,  aber  auch  eine  starke  Blutung  erfolgte. 
Vei^geblich!    Der  Zustand  verschlimmerte  sich  immer  mehr.    Am  Nachmittage  des 


(22) 

folgenden  Tages  trat  der  Tod  ein.  Keiner  der  Seinigen,  kein  Freund  konnte  an 
seinem  Sterbebette  sein!  Einsam  in  der  Fremde  mosste  er  aus  dem  Leben  scheiden! 

Seitdem  ist  die  Leiche  nach  Athen  gebracht  worden  und  am  letzten  Sonntag, 
2  Tage  vor  seinem  69.  Geburtstage,  sollte  sie  bestattet  werden.  Zwei  Lorbeerkränze, 
einer  im  Namen  der  Gesellschaft,  einer  in  dem  meinigen  auf  den  Sai^  gelegt, 
werden  gezeigt  haben,  dass  alle  unsere  Gedanken  bei  den  Leidtragenden  waren. 

Der  Vorstand  unserer  Gesellschaft  hat  beschlossen,  in  einer  besonderen  Trauer- 
feier das  Gedächtniss  unseres  berühmten  Ehrenmitgliedes,  des  treuen  Freundes 
und  Genossen,  zu  erneuem.  Wir  haben  die  archäologische  Gesellschaft  und  die 
Gesellschaft  für  Erdkunde  eingeladen,  sich  mit  uns  zu  dieser  Feier  zu  vereinigen. 

Unser  correspondirendes  Mitglied,  Hr.  V.  Gross  in  Neuveville,  hat  mir  ein 
grosses,  von  ihm  aufgenommenes  photographisches  Portrait  des  Verstorbenen  über- 
sendet.   Ich  übergebe  dasselbe  zur  dauernden  Erinnerung  der  Gesellschaft 

Ebenso  ist  uns  als  Geschenk  unseres  ordentlichen  Mitgliedes,  des  Hrn.  Hof- 
photographen Schwartz,  ein  von  ihm  bei  Gelegenheit  der  Nürnberger  General- 
versammlung (1887)  aufgenommenes  photographisches  Gruppenbild  zugegangen,  auf 
welchem  sich  die  Gestalt  unseres  dahingeschiedenen  Freundes  in  besonders  ge- 
lungener Naturwahrheit  darstellt. 

Die  Herren  Germain  Bapst  zu  Paris,  Milchhöfer  in  Münster,  G.  Hirsch- 
feld in  Königsberg,  H.  Cohn  in  Breslau  haben  in  besonderen  Zuschriften  ihr  Bei- 
leid schriftlich  ausgedrückt. 

Die  athenische  S^eitschrift  To  \mJ  hat  in  einer  reich  illustrirten  Nummer  die 
Bildnisse  des  Verstorbenen  und  seiner  Gattin  nebst  einer  Uebersicht  seiner  besten 
Funde  veröffentlicht. 

In  Deutschland  ist  wohl  keine  politische  oder  literarische  Zeitung  erschienen, 
die  nicht  in  eingehender  Weise  die  Verdienste  Schliemann^s  geschildert  und 
dem  allgemeinen  Schmerle  Ausdruck  gegeben  hat 

(2)   Et.  A.  V.  Hey  den  übersendet  unter  dem  1.  Januar  folgendes  Schreiben  in 

Betreff  der 

trojanischen  Aegis-Urne. 

In  der  Sitzung  vom  25  October,  der  ich  leider  nicht  beiwohnen  konnte,  macht 
Hr.  Dr.  Krause  in  Gleiwitz  brieflich  auf  den  Fransengürtel  einer  von  Schliemann 
gefundenen  Vase  aufmerksam  und  weist  darauf  hin,  dass  dieselbe  zur  Erklärung 
der  Stelle  Ilias  2,  447  dienen  könne,  in  welcher  die  Aegis  beschrieben  wird. 
Ebenso  erkläre  die  Vase  auch  die  Stelle  Ilias  XIV,  181. 

Beide  Hinweisungen  sind  längst  bekannt.  In  den  Abhandlungen  des  archäo- 
logisch-epigraphischen Seminars  der  Universität  Wien,  herausgegeben  von  O.  Benn- 
dorf  und  E.  Bormann,  Heft  VL  1886.  L  Theil  hat  Dr.  tVanz  Studniczka  S.  121  ff. 
diese  Fransenbehänge  am  Gürtel  der  Aphrodite  und  der  Aegis  ausführlich  abge- 
handelt, auch  Schliemann's  Vasen  erwähnt  und  noch  mehr  Beweisstücke  fOr 
dieselbe  Erklärung,  welche  Hr.  Dr.  Krause  giebt,  angeftlhrt. 

Auch  in  meiner  ^Tracht  der  Kulturvölker  Europas^  beziehe  ich  mich  auf  diese 
homerischen  Franseugürtel,  also  bereits  1889.  — 

Der  Vorsitzende  dankt  für  die  interessanten  Hinweise,  glaubt  aber  die  Ori- 
ginalität der  Deutung  des  Hm.  Krause  als  zweifellos  betrachten  zu  dürfen.  Bei 
der  grossen  Fülle  der  archäologischen  Arbeiten  sei  ein  solches  üebersehen  wohl 
zu  entschuldigen. 


(23) 

(3)  Im  Anschlüsse  an  seine  frühere  Mittheilung  (Verh.  1890.  S.  473)  theilt 
das  Bureau  des  internationalen  geographischen  Congresses,  der  im  An- 
fang August  zu  Bern  stattfinden  soll  (Präsident  Dr.  Gobat,  Secretär  C.  H.  Mann), 
unter  dem  20.  December  mit,  dass  mit  dem  Congress  eine  grosse  Ausstellung  ver- 
bunden sein  soll. 

(4)  Die  Kaiserliche  Gesellschaft  der  Freunde  der  Naturwissenschaften,  der 
Anthropologie  und  Ethnographie  an  der  Universität  Moskau  erlässt,  in  Erfüllung 
eines,  auf  dem  prähistorischen  Congress  in  Paris  1889  ausgedrückten  Wunsches,  die 
Einladung  zu  einem  internationalen  Congresse  für  Anthropologie,  prä- 
historische Archäologie  und  Zoologie  in  Moskau  im  August  1892.  Als 
Präsident  des  Organisations-Comitcs  zeichnet  Hr.  Anatole  Bogdanow,  als  Präsi- 
denten der  Commission  für  wissenschaftliche  Arbeiten  die  Herren  Dmitri  Anu- 
tschin  und  Nicolas  Zograff. 

(5)  Der  Hr.  Unterrichtsminister  tibersendet  mittelst  Erlasses  vom  8.  Januar 
das  erste  Heft  des  IX.  Bandes  des  Jahrbuchs  der  Gesellschaft  für  bildende 
Kunst  und  vaterländische  Alterthümer  zu  Emden  zur  Kenntnissnahme. 
Dasselbe  enthält  unter  Anderem  einen  Bericht  des  Hrn.  Germelmann  über  die 
bei  Herstellung  der  Canalisation  der  Stadt  1885 — 87  gemachten  Funde  von  archäo- 
logischer Bedeutung,  die  freilich  sehr  spärlich  und  imbedeutend  waren. 

(6)  Der  Vorsitzende  legt  Nr.  1  der  Amtlichen  Berichte  aus  den  Königlichen 
Kunstsammlungen  vom  1.  Januar  vor,  worin  auf  S.  VI — X  eine  kurze  Uebersicht 
der  von  der  anthropologischen  Gesellschaft  an  die  vorgeschichtliche  Abtheilung 
des  Museums  für  Völkerkunde  aus  ihrer  Sammlung  abgelieferten  prähistorischen 
Gegenstände  gegeben  ist. 

(7)  Nach  einem  Bericht  der  Heidelberger  Zeitung  hat  am  28.  December  t.  J. 
zu  Heidelberg  eine  Versammlung  von  Vertretern  von  Preussen,  Bayern,  Württem- 
bei^,  Baden  imd  Hessen,  sowie  der  Akademien  von  Berlin  und  Mtlnchen  statt- 
gefunden, um,  dem  Auftrage  der  betreffenden  Regierungen  entsprechend,  für  die 
einheitliche  Erforschung  des  römischen  Grenzwalles  in  Deutschland 
Vorschläge  und  Kostenveranschlagungen  aufzustellen.  Es  wurde  die  Niedersetzung 
einer  Commission  beschlossen;  die  Leitung  der  Arbeiten  selbst  soll  zweien  Diri- 
genten, von  denen  der  eine  Archäolog  oder  Architekt,  der  andere  Militär  ist,  und 
unter  diesen  einer  Anzahl  von  Strecken-Commissaren  übertragen  werden.  Für  die 
Ausführung  der  Arbeiten  wurde  ein  Zeitraum  von  5  Jahren  in  Aussicht  genommen. 

Der  Vorsitzende  begrüsst  das,  freilich  etwas  spät  in  Angriff  genommene  Unter- 
nehmen als  ein  immerhin  sehr  dankenswerthes.  Der  Eifer,  mit  dem  überall  in 
Deutschland,  auch  ausserhalb  der  Linie  des  Limes,  die  Erforschung  der  römischen 
Reste  betrieben  wird,  bürgt  dafür,  dass  es  an  freiwilliger  Hülfe  nicht  fehlen  wird. 

(8)  Hr.  A.  Nehring  überschickt  unter  dem  2.  Januar  folgendes  Schreiben,  be- 
treffend die 

altpreussische  Wirthschaftsgeschichte. 

Beifolgend  erlaube  ich  mir,  einige  vorläufige  Bemerkungen  zu  Otto  Hein 's 
Abhandlung  über  „Altpreussische  Wirthschaftsgeschichte  bis  zur  Ordens- 
zeit", Theü  n,  abgedruckt  im  5.  Hefte  der  Zeitschrift  für  Ethnologie  1890,  8.  173  ff. 
zu  übermitteln: 


(24) 

Die  auf  Jagd,  Fischerei  und  Viehzucht  bezüglichen  Angaben  sind  ohne  alle 
Berücksichtigung  der  reichen  Fände  aus  dem  Pfahlbau  des  Szontag-Sees  (zwischen 
Lötzen  und  Lyck)  gemacht  worden.  Abgesehen  von  sonstigen  Publicationen,  welche 
von  Mitgliedern  des  Alterthums -Vereins  „Prussia*'  zu  Königsberg  herrühren,  ver- 
weise ich  auf  meinen  Aufsatz  über  „die  Fauna  eines  masurischen  Pfahl- 
baus", welcher  am  7.  October  1888  in  der  „Naturwissenschaftlichen  Wochenschrift" 
(herausgegeben  von  H.  Potonie)  erschienen  und  an  viele  Interessenten  verschickt 
worden  ist.  Ich  verweise  ferner  auf  meine  Bemerkungen  in  diesen  Verh.  1888. 
8.  342  f.  und  auf  meinen  Artikel  über  „die  Jagdthiere  eines  masurischen 
Pfahlbaus  aus  der  älteren  Bronzezeit"  in  der  hiesigen  Neuen  Deutschen 
Jagd-Zeitung  vom  22.  December  1888. 

Hinsichtlich  der  wilden  Pferde  verweise  ich  auf  meine  ausführliche  Arbeit  über 
„Fossile  Pferde  aus  deutschen  Diluvial-Ablagerungen  und  ihre  Beziehungen  zu  den 
lebenden  Pferden",  Berlin  1884,  hinsichtlich  des  Bos  primigenius  auf  meine  Mit- 
theilungen in  diesen  Verh.  1888.  8.  222  flf. 

Wunderlich  ist  die  Meinung  Hein's,  dass  sich  ausser  Bären,  Luchsen  und 
Bibern  auch  die  Hermeline  aus  Preussen  zurückgezogen  haben  sollen.  Dieses 
ist  vollkommen  unrichtig!  Wie  in  ganz  Deutschland,  so  giebt  es  auch  in  Preussen 
noch  heutzutage  zahlreiche  Hermeline  (Foetorius  erminea  R.  u.  Bl.).  — 

Der  Vorsitzende  bemerkt,  es  gäbe  auch  sonst  manche  Ursache,  an  noch 
anderen  Theilen  jener  Arbeit  Kritik  zu  üben,  so  namentlich  an  den  Ausführungen 
über  die  prähistorische  Chronologie  und  an  der  höchst  summarischen  Darstellung 
der  verschiedenen  Artefakte;  es  sei  aber  doch  als  ein  Fortschritt  anzuerkennen, 
dass  dieses  höchst  wichtige  und  in  seiner  Art  sehr  eigenartige  Gebiet  einmal  in 
zusammenhängender  Darstellung  in  Angriff  genommen  sei.  Ein  weiterer  Ausbau 
werde  sich  leicht  herstellen  lassen. 

(9)  Hr.  Richard  Andree  überreicht  in  einem  an  Hm.  Voss  gerichteten  Briefe 
aus  Heidelberg,  3 1 .  December,  aus  dem  Nachlasse  seines  Vaters  folgende  Abhandlung 
des  verstorbenen  Rath,  der  lange  in  San  Paulo  in  Brasilien  lebte,  über 

die  Begräbnisse  der  jetzt  lebenden  brasilianischen  Eingebomen. 

Die  sogenannten  Curanteiros  der  Guaycurus  legen  ihre  Todten  auf  die  blosse 
Erde  und  bedecken  sie  alsdann  mit  Zweigen,  Holz,  Rindenstücken  oder  auch  mit 
Schilfmatten.  Darüber  wird  dann  etwa  2  Fuss  hoch  Erde  geschüttet  und  auf  diese 
Erdschicht  legt  man  die  Waffen  und  das  sämmtliche  Hausgeräth  des  Todten;  dar- 
über kommt  abermals  eine  Matte  und  dann  nochmals  Erde  und  Stein.  Dieser 
Begräbnissplatz  wird  nun  nicht  wieder  besucht,  ausgenommen,  wenn  ein  neues  Be- 
gräbniss  stattfindet. 

Die  Ouaycurus  theilen  sich  in  3  Klassen:  1)  Edellcute  oder  Hauptleute,  Joage 
genannt,  2)  Krieger,  mit  den  vorigen  von  demselben  Stamm,  und  3)  Sklaven,  welche 
von  verschiedenen  Horden  abstammen,  d.  h.  aus  allen  denjenigen  Horden,  welche 
um  ihren  Jagdkreis  herum  wohnen.  Mit  diesen  mischen  sie  sich,  wie  bekannt, 
durchaus  nicht,  dazu  sind  sie  zu  stolz.  Sie  theilen  sich  in  7  Stämme  ein,  wovon 
jeder  seinen  eigenen  Namen  hat  Ihre  Namen  sind:  Chagoti'os,  Pacachodeo,  AdioiH), 
Aliadeo,  Oteo,  Landeo,  Cadioeo. 

Ihre  Hauptnahrung  ist  Fleischspeise,  sie  essen  alle  Thiere,  das  Pferd  aus- 
genommen.    Hornvieh    wird  hauptsächlich  gezogen,   die  Bullen  aber  sogleich,  wie 


(25) 

Schafböcke,   Ziegen   und  Hunde,   kastriri    Sie   ziehen  sehr  viele  Hühner,   Oänse, 
Enten,  Pavos  u.  s.  w.    Alle  diese  Thiere  werden  sehr  zahm. 

Sie  glaaben  an  einen  Schöpfer  der  Welt,  zollen  ihm  aber  keine  Art  von  An- 
betung. Sie  glauben  an  ein  anderes  Wesen,  was  sie  Nanigogigo  heissen.  Diesem 
schreiben  sie  allerlei  Fatalitäten  zu,  die  ihnen  begegnen.  Sie  haben  keine  Idee 
von  einer  Zukunft,  wo  das  Gute  vergolten  und  das  Böse  bestraft  wird,  wohl  haben 
sie  aber  einen  festen  Glauben,  dass  ihre  Anführer,  ihre  Edelleute  und  ihre  Zauberer, 
welche  sie  Onequenitos  nennen,  nach  dem  Tode  in  jene  von  allen  üraraerikanern 
geträumten  Campos  der  Freude  und  des  Vergnügens  gelangen,  während  die  Seelen 
des  Volkes  in  der  Nähe  ihrer  (der  Hauptleute)  Gräber  herumschweben  und  Wache 
halten,  wobei  sie  der  Nanigogigo  unterstützt. 

Sie  glauben,  dass  dieser  Nanigogigo  mit  den  Zauberern  und  Aerzten,  den 
Onequenitos,  im  Einverständnisse  sei.  Den  Aberglauben  unterhalten  überhaupt  bei 
allen  Völkern  der  Erde  diejenigen,  welche  sich  herausnehmen,  die  Anderen  glauben 
zu  machen,  dass  sie  mit  dem  höchsten  Wesen  in  unmittelbarer  Verbindung  stehen. 

Sie  leben  in  Frieden  mit  den  Brasilianern,  sind  kriegerisch  und  stolz.  Sie  er- 
innern an  die  in  Nordamerika  lebenden  Indianer.  Auch  sind  sie  gute  Reiter,  wie 
die  Patagonier  und  die  Nordamerikaner. 

Bei  ihren  Verheirathungen  halten  sie  grosse  Gelage  mit  Tanz  und  allen  Arten 
von  bei  ihnen  gebräuchlichen  Speisen  und  Getränken;  ganz  dasselbe  findet  bei  den 
Begräbnissen  statt.  Die  Krieger,  besonders  ihre  Anführer  und  Priester,  die  ja 
allein  Hoffnung  auf  ein  Jenseits  haben,  werden  mit  aller  Sorgfalt  geschmückt  und 
aufgeputzt:  sie  allein  bekommen  reichliche  Speisevorräthe  mit  auf  die  Reise, 
welche  ja  die  Anderen  nicht  machen,  viel  weniger  die  Weiber  und  Sklaven.  Je- 
doch werden  die  Jungfrauen  festlich  geschmückt.  — 

Die  verschiedenen  Stämme  der  Ingraegnungs,  Tabayas  oder  Botocu- 
dos  lassen  sich  durch  die  besondere  Namensendigung  kraus  oder  gez  erkennen, 
z.  B.  Capikrans,  Samekrans,  Paremekrans,  Xomokrans,  Macaumekrans  oder  Procobgez 
und  Craygez  (Tymberas  da  Canella  ftna  oder  Gamellas);  von  den  verschiedenen 
anderen  Tribus  werden  sie  jedoch  mit  ebenso  viel  verschiedenen  Namen  genannt, 
wie  Aimores,  Potentas,  Gnatacas,  Guaramomis,  Goaregoarez,  Jesara^ias,  Amani- 
paqucs,  Payeas,  Tapuyas.  Es  ist  dasjenige  Volk,  welches  als  ein  urstämmiges 
von  allen  Indianern  genannt  wird  und  das  am  meisten  gefürchtete  von  der  Ent- 
deckung an  bis  heute  war  und  ist.  Es  sind  diejenigen  Stämme,  welche  der  Kate- 
chisirung  und  Givilisation  sich  hartnäckig  entgegengestellt  haben.  Ihre  Sprache  ist 
verschieden  von  der  aller  anderen  Stämme.  Bei  den,  in  ihrem  Urzustände  ver- 
harrenden Menschen  finden  sich  auch  die  grössten  Analogien  der  uralten  Begräbniss- 
weisen mit  denen  dieses  Stammes,  obgleich  bei  vielen  anderen  Stämmen  zum  Theil 
ähnliche  Gebräuche  stattfinden.    Sie  allein  sind  wahre  freie  Menschen. 

Vasconcellos  sagt  in  seiner  Beschreibung  von  Brasilien  p.  34,  dass  die 
Portugiesen  lange  in  dem  Zweifel  beharrten,  ob  die  Tapuyas  oder  Botocudos 
wegen  ihrer  Hässlichkeit  wirkliche  Menschen  seien.  Dazu  mag  ihr  acht  cannibali- 
sches  Thun  und  Treiben  beigetragen  haben.  Sie  sind  wirklich  die  hässlichsten 
Menschen  in  Brasilien,  wozu  ihre  dunklere,  braunrothe  Hautfarbe  (Bronze),  ihre 
meist  sehr  breitgedrückte  Nase,  die  schiefstehenden  Augen,  die  breiten,  hervor- 
stehenden Backenknochen,  der  mehr  viereckige  Kopf, '[die  'über  den  Ohren  rund 
abgeschnittenen  Haare  und  die  bunte  künstliche  Färbung  von  Roth,  [Schwarz  und 
Weiss,  die  meist  kurze,  gedrungene,  breitschulterige^Figur  und  die  lauernden  Augen 
beitragen;  dazu  noch  die  gros.sen  runden  Holzpflöcke  in  Unterlippe  und  Ohren,  wobei 


(26) 

die  Zähne  des  Unterkiefers  hervorsehen,  —  das  Alles  znsammengenoroinen  lässi  frei- 
lich einen  Zweifel  aufkommen,  ob  diese  Köpfe  zum  Menschengeschlechte  gehören 
oder  nicht. 

Die  jungen  Weiber  sind  nicht  so  hässlich  in  ihren  Gesichtszügen,  wie  die 
alten,  aus  deren  Gesicht  jener  bei  allen  Stämmen  dear  Indios  in  Brasilien,  d.  h.  bei 
Mädchen  und  jungen  Weibern,  stets  beobachtete  Zug  von  Freundlichkeit  total  ver- 
schwunden ist. 

Ich  nehme  mir  nicht  heraus,  sie  in  irgend  einem  Charakterzuge  oder  in  ihren 
übrigen  Handlungen  zu  tadeln,  denn,  von  der  Ursache  ihrer  Handlungsweise  genau 
unterrichtet,  würden  wir  oft  nicht  besser  handeln,  als  sie  in  ihren  Umständen,  wie 
ich  mich  sehr  oft  überzeugt  habe. 

Bei  diesen  Individuen  zeigt  sich  das  Thierische,  das  dem  Menschen  angehört 
und  ihn  auch  nie  verlassen  wird,  selbst  in  seinem  vollkommensten  Zustande.  Ein 
solches,  die  wilden  Thiere  übertreffendes  Individuum  frisst  Weib  und  Rind,  ja 
selbst  seinen  eigenen  Vater,  wenn  es  die  Umstände  mit  sich  bringen.  Eh*  ist  der 
unversöhnlichste  Feind  seines  eigenen  Geschlechts,  hat  allen  Menschen  den  Krieg 
erklärt.  Er  ist  schlau,  heimtückisch,  grausam,  kennt  keine  Scham,  keine  Dankbar- 
keit, —  dies  zeigt  sein  brutales  Gesicht;  dagegen  ist  er  tapfer,  verwegen  und  üink, 
schwimmt  wie  ein  Fisch,  klettert  fast  wie  ein  Affe  auf  alle  Bäume.  Seine  fünf 
Sinne  sind  auf  das  vollkommenste  ausgebildet  Er  kann  wochenlang  hungern  und 
ist  dafür  im  Stande,  an  einem  Tage  für  8  Tage  zu  essen.  Wenn  er  zu  essen  hat, 
ist  er  faul,  wie  eine  vollgefressene  Schlange;  wenn  ihn  dagegen  der  Hunger  plagt, 
ist  er  unermüdlich.  Er  ist  sehr  selten  krank  und  erreicht  ein  Alter  von  100  bis 
150  Jahren. 

Dies  ist  für  Europäer  unglaublich,  aber  hier  in  Brasilien  selbst  kann  man  in 
allen  S^eitungsblättem  von  2jeit  zu  Zeit  lesen,  dass  Nachkommen  dieser  Rasse, 
welche  unter  den  sogenannten  Civilisirten  lebten  und  leben  mussten,  ein  solches 
Alter  erreichen.  Diese  Menschen  lieben  ihre  Kinder  über  Alles,  sie  haben  eine  wahre 
Affenliebe  für  sie.  Sie  leben  unter  sich  in  einer  Harmonie,  Reinlichkeit  (aus- 
genommen das  Kopfungeziefer,  welches  für  sie  eine  Delicatesse  zu  sein  scheint)  und 
Ordnung,  welche  zu  verwundem  ist.  Man  wird  fhigen,  wie  dieser  Widerspruch, 
wo  man  Vater,  Weib  und  eigenes  Kind  frisst,  sich  vertrage  mit  der  Liebe,  der 
Ordnung  und  dem  friedlichen  Zusammenleben.  Wenn  der  Vater  jedoch  so  alt  ist, 
dass  er  nicht  mehr  den  oft  aus  Noth  veranstalteten  Wanderungen,  wegen  Verfol- 
gung von  Feinden  u#  s.  w.,  folgen  kann,  so  bittet  er  selbst  darum  und  erst  nach 
vielem  Heulen  und  Wehklagen  befolgt  der  Sohn  seine  Bitte,  und  damit  sein  Körper 
nicht  ausgegraben  und  von  den  Feinden  geschändet  wird,  wird  er  mit  allen  den 
Ceremonien,  die  sie  befolgen,  gebraten  und  von  der  ganzen  Familie  und  Tribus 
unter  Heulen  und  Schreien,  Erzählung  seiner  Thaten  u.  s.  w.  aulgezehrt,  der 
Schädel  und  die  Knochen  verbrannt  und  zerschlagen,  der  Rest  mit  Waffen  und 
Geräthen  in  einen  oft  sehr  grossen  Topf  gothan  und  vergraben.  Kinder  dagegen 
werden  nur  bei  Noth  und  Gefahr  gegessen  oder  wenn  sie  sterben,  und  zwar  nur 
von  der  eigenen  Mutter;  man  glaubt  ihnen  kein  besseres  Grab  geben  zu  können, 
als  dasjenige,  worin  sie  sich  zuerst  ausgebildet  haben. 

Simao  de  Vasconcellos  sagt  in  seiner  Chronik  von  Brasilien  p.  53 — 54: 
^Ein  merkwürdiger  Fall  begab  sich  mit  einem  Tapuya  Goagtacd  (Ingraeknung). 
Dieser  hatte  einen  Erzfeind,  welcher  ein  Anführer  desselben  Tribus  war.  Dieser 
begab  sich  aber  in  eine  Mission  der  Jesuiten-Patres,  mit  welcher  sie  in  Frieden 
lebten,   da   viele   von  ihresgleichen  an  diese  verkauft  waren.    Dieser  Tapuya  ver- 


(27) 

folgte  den  Anführer  bis  dorthin;  da  hörte  er,  dass  derselbe  dort  krank  geworden 
und  darauf  gestorben  and  beerdigt  sei,  wie  es  bei  den  Jesuiten  Gebrauch  war.  Er 
hatte  keine  Ruhe,  bis  er  den  Begrabenen  ausfindig  machte.  Er  riss  ihn  aus  der 
Erde  und  zerschlug  ihm  den  Himschädel  (wie  es  Gebrauch  unter  ihnen  ist,  wenn 
sie  Rache  zu  üben  haben).  Nach  dieser  Handlung  war  er  zufrieden,  denn  seine 
Ehre  war  gerettet  und  er  hatte  sich  seinen  Ruf  als  Tapferer  wieder  verschafft." 

Die  gefangenen  Krieger  werden,  wenn  es  Alte  sind,  sogleich  verspeist;  wenn 
es  aber  junge  Leute  sind,  so  werden  sie  womöglich  erst  gemästet  und  dann  unter 
grosser  Festlichkeit  erschlagen,  gebraten  und  aufgezehrt,  ihre  Knochen  aber  auf 
Haufen  gelegt  und  der  Zeit  und  Verwesung  überlassen. 

Der  Kopf  macht  gewöhnlich  eine  Ausnahme,  das  Gehirn  wird  nicht  gegessen, 
sondern  in  das  Feuer  geworfen.  Der  Schädel  aber  wird  von  dem  Sieger  auf- 
bewahrt oft  sogar  mit  Haut  und  Haaren  zubereitet,  geräuchert  und  getrocknet;  die 
Augen-  und  Schädelhöhle  wird  mit  wohlriechenden  Kräutern  ausgestopft;,  eine 
Schlinge  durch  den  Mund  gezogen  und  so  aufgehängt.  (Vor  einigen  Jahren  wurde 
ein  Handel  mit  diesen  Köpfen  auf  Bestellung  einiger  Franzosen  getrieben,  was 
Veranlassung  zu  Morden  gab,  um  diesen  Bestellungen  gerecht  zu  werden.) 

Die  gewöhnliche  Begräbnissweise  der  Ingraeknungs  ist  folgende:  Wenn  es 
einen  der  Anführer  betrifft,  so  wird  die  Leiche  gerade  so  aufgeputzt,  wie  im  Leben, 
gemalt  und  angethan  mit  allem  Kriegsschmuck,  in  sitzende  Stellung  vermöge  Cipos 
gebracht,  und  zwar  an  der  Stelle,  wo  er  gewöhnlich  geschlafen  hat.  Um  ihn  her  wird 
all  sein  Kriegs-  und  Speisegeräth  gestellt.  Tanz,  Gesang  und  Wehklagen,  Reden  mit 
dem  Verstorbenen  und  Erinnerungen  an  die  vorangegangenen  Krieger  imd  Ver- 
wandten folgen  auf  einander,  und  dies  geschieht  so  lange,  als  noch  Vorräthe  zum  Ver- 
zehren da  sind.  Dann  wird  Alles  dtill.  Der  so  vorbereitete  Todte  wird  nun  mit  Palm- 
blättem,  dann  mit  einigen  Steinen  und  endlich  mit  von  Weitem  hergeholter  Erde 
zugedeckt;  zu  diesem  Zwecke  suchen  sie  einen  Erdabfall,  wo  sie  mit  Leichtig- 
keit die  Erde  auf  Rindenstücke,  Thierfelle  und  Körbe  bringen  können,  da  ihnen 
wirkliche  Grabewerkzeuge  fehlen.  Ist  der  Stamm  sehr  zahlreich,  so  wird  auch 
der  Hügel  proportional  anwachsen.  Ist  das  Grab  in  einer  Gesellschaftshütte, 
so  wird  diese  ohne  Weiteres  von  der  Familie  verlassen,  sei  das  Haus  noch  so 
gross.  Das  Wohnhaus  ist  fast  immer  CO — 80  Schritte  lang,  für  etwa  30—40  Fami- 
lien, mit  senkrechter  Fronte  und  nach  hinten  zu  dachförmig  von  16—18  Fuss  Höhe 
zur  Erde  laufend,  eine  Tiefe  von  18 — 24  Fuss  bildend.  Oft  in  grosser  Entfernung 
wird  sogleich  ein  neues  Haus  gebaut. 

Geringere  Personen  des  Stammes,  sowie  Weiber,  welche  nicht  in  die  Campos 
der  Freude  kommen,  bedürfen  weder  der  Speisen  noch  der  Waffen,  denn  ihre  Geister 
oder  Seelen  verweilen  nur  so  lange  in  der  Nähe,  bis  die  Körper  ganz  verwest 
sind.  Die  Geister  necken  während  dieser  Zeit  die  Lebenden,  welche  in  ihre  Nähe 
kommen.  Die  Leichen  werden  auf  ebenem  Boden  mit  Erde  bedeckt,  zuweilen  aber 
auch  in  zufällige  Vertiefungen  begraben,  oft  verbrannt  und  die  Asche  in  die  grossen 
Töpfe  gethan,  die  dann  in  der  Erde  vergraben  werden. 

Diese  grossen  Töpfe,  Igacabas  genannt,  dienten  früher  dazu,  die  berauschenden 
Getränke  darin  zu  fertigen,  welche  bei  den  Festlichkeiten  aller  Stämme  Brasiliens 
figuriren.  Dieselben  sind  2 — Sy,  Fuss  hoch,  haben  einen  kurzen  Hals,  eine  Oeffnung 
von  2 — 3,  einen  Bauch  von  3 — 4  Fuss  Weite,  einen  fast  gar  nicht  flachen  Boden, 
sondern  sind  mehr  zugespitzt.  Sie  haben  einen  Deckel  mit  Knopf,  sind  von  rothem, 
eisenhaltigem  Thon,  gut  gebrannt  und  bemalt,  d.  h  sie  haben  mehr  oder  minder 
breite  Linien,  hier  und  da  Rautenzeichnungen.  Sie  sind  sehr  glatt  und  rund  gearbeitet 


(28) 

und  haben  eine  Wanddicke  von  1 — l'/j  Zoll.  Sie  nehmen  den  Körper  eines  Men- 
schen in  der  Lage  anf,  wie  er  im  Mntterleibe  als  Foetus  lag.  Diese  Grabnmen 
findet  man  zufälligerweise  bei  Abgrabungen,  auch  habe  ich  sie  öfter  in  den  hier 
sehr  zahlreichen  Kalkhöhlen  getroffen.  Bei  Aus-  oder  Abgrabungen  gehen  sie 
meistens  ganz  in  Scherben;  in  den  Höhlen  findet  man  sie  oft  ganz  wohl  erhalten. 

An  dem  Flusse  Ribeira  do  Iquape  bei  Xirissea  fand  man  einen  viereckigen 
Sarg  aus  Thon,  gebrannt,  mit  Deckel,  und  in  dem  Innern  Knochen.  Sehr  viele 
Xirisicaner  bezeugten  mir  dies,  selbst  habe  ich  denselben  nicht  gesehen.  Er  soll 
zerschlagen  worden  sein.  Ebendaselbst  erhielt  ich  einen  kleineren  zerbrochenen 
Topf,  und  an  dem  Einfluss  des  Flusses  Jaguya  in  die  Ribeira,  bei  der  sogenannten 
Portaleger,  Eigenthum  eines  alten  Herrn  Peireira,  fand  ich  selbst  eine  solche  grosse 
Orabume  mit  einem  vollständigen  Skelet  darin,  wie  in  einigen  in  den  Höhlen 
geftmdenen.  Nur  in  einer  traf  ich  Waffen  von  Stein,  sowie  Schmuckgegen- 
stände. 

Bei  den  Logamentos  der  Botocuden  an  dem  oberen  Itajahy,  an  der  Strasse 
des  Südens  nach  Rio  Grande,  in  der  Provinz  St.  Gatharina,  giebt  es  mehrere 
grössere  Hügel,  die  ein  frischeres  Aussehen  haben  und  nicht  mit  den  grossen 
und  alten,  mit  Urwald  bewachsenen  Hügeln  zu  verwechseln  sind.  Wie  schon 
bemerkt,  haben  die  alten  einen  Graben  ringsum,  den  die  neueren  nicht  haben. 
Andere  Gräber  waren  kaum  erhabene  längliche  Vierecke,  etwas  grösser,  als  unsere 
christlichen  Gräber,  welche  neu  zugeworfen  sind.  Der  Todte  lag  auf  ebener  Erde, 
mit  einer  nicht  sehr  dicken  Schicht  Erde  zugedeckt.  Bei  einigen  fanden  sich  ver- 
faulte Bogen  und  Keulen  von  Holz,  Thier-  und  Menschenzähne,  welche  ehemals 
aufgereiht  gewesen  sein  mögen,  wie  sie  heute  noch  im  Gebrauch  sind.  Debrigens 
wurde  mir  von  ihnen  selbst  bestätigt,  dass  ihre  Anführer,  Pahys,  oft  sehr  grosse 
Hügel  bekämen,  weil  sie  zahlreich  seien. 

Der  Geschichtsschreiber  Yas  CO n cell  OS  sagt  §  148:  „Der  Anführer  dieser  In- 
graeknungs  ist  zwischen  den  anderen  wohl  zu  erkennen,  denn  er  trägt  sein  Haar 
so  geschoren,  dass  es  eine  Krone  bildet  (d.  h.  es  bleibt  ein  Theil  der  Haare  auf 
dem  Oberkopfe  in  der  Art  stehen,  dass  rings  um  den  Kopf  über  den  Ohren  das 
Haar  erhalten,  unterwärts  aber  alles  geschoren  wird;  zu  jetziger  Zeit  haben  alle 
Männer  diese  Haartracht).  Was  ihn  mehr  auszeichnet,  ist,  dass  er  allein  die  Nägel 
des  Daumens  sehr  lang  wachsen  lassen  darf,  während  die  ersten  und  älteren  Krieger 
und  Verwandte  nur  die  Nägel  der  anderen  Finger  wachsen  lassen  durften.  Ihre 
Kinder  beiderlei  Geschlechts  sollen  nach  9  Wochen  schon  laufen,  sowie  sie  eben- 
falls schon  schwimmen  lernen,  worin  die  Tapuyas  Meister  sind,  wenngleich  ein 
Reisender  das  Gegentheil  behauptete.  Sie  werden  älter,  als  die  Angehörigen  aller 
anderen  Stämme.  Die  Alten  werden  unter  ihnen  in  grössten  Ehren  gehalten,  sie 
gelten  als  Orakel;  dennoch  werden  sie  bei  Noth  aufgezehrt.  — 

Die  Begräbnissweise  der  Aroaquis,  Parasis,  Bacahiris,  Banibas,  Puris 
und  der  unter  vielen  Namen  in  Brasilien  und  dem  französischen,  holländischen  und 
englischen  Guyana  lebenden  Ureinwohner  von  sehr  bildungsfähigem  Charakter  ist 
folgende,  von  der  ich  selbst  Augenzeuge  war;  sie  gleicht  übrigens  den  anderen  in 
ihrem  Aeusseren.  Bei  Todesfällen,  und  zwar  eines  Mannes,  ist  das  Erste,  dass  der 
nächste  männliche  Verwandte  den  Weibern  die  Haare  so  glatt  als  möglich  von  dem 
Kopfe  schneidet,  was  oft  eine  harte  Operation  ist,  da  dies  mit  Feuersteinen,  scharfen 
Muscheln  oder  Fischknochen  geschieht,  wenn  sie  noch  keine  Scheere  oder  Messer 
besitzen.  Hierauf  überlassen  sich  die  Weiber  ihrem  Schmerze,  schreien  und  weh- 
klagen, während  sie  den  Körper  des  Todten  waschen.     Bei  dieser  Arbeit  sprechen 


(29) 

sie  mit  ihm,  erimiern  ihn  an  Mancherlei  und  geben  ihm  Aafträge  an  längst 
geschiedene  Verwandte  u.  s.  w.  mit  in  das  Jenseits.  Je  nach  seinem  Range 
geben  sie  sich  die  grösste  Mühe,  ihn  zu  bemalen,  ihm  die  Bart-  und  anderen 
Haare  auszuraufen,  ausgenommen  die  Kopfhaare,  wie  es  im  Leben  Sitte  ist. 
Hierauf  wird  demselben  aller  Staat  angelegt,  welcher  den  Krieger  oder  Anführer 
auszeichnet,  wenn  er  auf  seinen  Kriegs-  und  Siegesfesten  ist.  Dann  reiben  sie 
ihn  sorgfältig  mit  Copaiva-  oder  Mamoca-Oel  ein.  Ist  diese  Todtentoilette  fertig, 
so  gehen  sie  erst  an  ihre  eigene.  Während  der  Schmückung  des  Leichnams 
sind  bereits  die  Verwandten  und  Freunde  gekommen,  um  denselben  zu  em- 
pfangen. Sie  bringen  ihn  in  eine  sitzende  Stellung,  so  dass  die  Ellenbogen  auf 
den  Oberschenkeln  und  der  Kopf  in  den  Händen  zu  ruhen  kommen.  Damit  aber  der 
Körf^er  in  dieser  Stellung  verbleibe,  wickeln  oder  binden  sie  ihn  mit  Bast  oder 
Gipos  fest,  Glied  an  Glied.  An  den  Füssen,  dem  Hals  und  den  Handgelenken  werden 
Rlappergeräthe,  welche  aus  Muscheln,  Knochen,  Nüssen,  Samenschalen,  Hufen  oder 
Klauen  gemacht  sind,  angebracht,  und  zum  ßeschluss  putzt  man  den  Oberkopf 
mit  dem  Federschmuck,  wenn  der  Betreifende  hierzu  im  Leben  berechtigt  war; 
wenn  nicht,  so  klebt  man  ihm  blos  einige  Federn  in  das  Haar  und  Gesicht 

Der  Todte  wird,  solchergestalt  rorbereitet,  nun  da  aufgestellt,  wo  er  gewöhn- 
lich zu  essen  pflegte;  vor  ihn  hin  stellt  man  alle  Gefässe,  aus  denen  er  ass  und  trank. 
Dies  letztere  geschieht  von  den  Weibern  xmter  den  gebräuchlichen  Ceremonien, 
Schreien  und  Wehklagen.  Unterdessen  bringen  die  Söhne  oder  die  nächsten  männ- 
lichen Verwandten  alle  seine  Waffen,  Jagd'  und  Fischereigeräthe,  legen  sie  neben 
den  Todten  und  empfehlen  ihm  bei  jedem  Stück,  es  ja  wohl  zu  gebrauchen  und 
ohne  Fehlstreich  die  ihm  begegnenden  Feinde  zu  bekämpfen.  So  geschieht  es  bei 
allen  Geräthen,  je  nach  Gebrauch  und  Zweck.  Nach  dieser  Ceremonie  treten  die 
ältesten  Krieger  auf,  um  wechselweise  alle  Thaten  des  Todten,  seine  Geschicklich- 
keiten aller  Art  hervorzuheben.  Dies  geschieht  in  einem  Vortrage,  der  am  Ende 
in  ein  Geheul  ausiirtet. 

Einige  Reisende  gaben  an,  dass  die  Indianer  diese  Reden  in  einer  Art  von 
Gesang  in  Reimen  vortragen,  allein  dies  ist  durchaus  nicht  der  Fall,  wie  ich  gar  zu 
oft  bemerkte.  Allerdings  improvisiren  sie  und  dies  geht  in  eine  monotone  Sprech- 
weise über,  welche  so  klingt,  als  wären  es  Verse,  da  alles  gleichsam  frageweise 
vorgetragen  wird  und  am  Ende  immer  eine  Pause  entsteht.  Der  Irrthum  entstand 
aus  der  Unkenntniss  der  Sprache  Seitens  der  Reisenden. 

Endlich  bringt  die  Wittwe  mit  den  anderen  Frauen  unter  Weinen  eine  Art  von 
Danksagung  den  Männern  dar  für  ihre  Theilnahme  und  Hülfe,  und  fordert  sie 
im  Namen  des  Geschiedenen  auf,  einen  Abschiedstrunk  zu  nehmen,  damit  der 
Verstorbene  seine  Reise  alsobald  antrete,  da  er  unmöglich  scheiden  könne,  so 
lange  seine  Freunde  bei  ihm  weilen.  Sie  kredenzt  jedem  der  Männer  eine  Oala- 
basse  voll  Baivas;  haben  die  Männer  getrunken,  so  trinken  die  Weiber  und  Kinder 
ebenfalls.  Das  grosse  Gefäss  mit  dem  gegohrenen  Getränke  ans  Mandioca,  dem 
Baivar,  wird  nun  in  die  Mitte  gestellt,  aber  in  die  Nähe  des  Verstorbenen.  Es 
dauert  nicht  lange  Zeit,  so  ist  alle  Trauer  verschwunden.  Tanz,  Gesang,  Reden 
zur  Ehre  des  Verstorbenen,  Nachahmung  seiner  Tänze  u.  s.  w.  steigern  sich  bis 
zum  Tumult. 

Mit  der  Abenddämmerung,  die  sich  hier  schnell  in  Nacht  verwandelt,  ziehen 
die  Männer  ab  und  nur  die  Weiber  bleiben  bei  der  Leiche,  welcher  sie  Lecker- 
bissen vorsetzen.  Tanz,  Essen  und  Trinken  beginnt  mit  dem  frühen  Morgen  und 
dauert  bis  Abends  und  zwar  so  lange,  als  der  Verstorbene  dazu  Lebensmittel  hinter- 
lassen hat 


(30) 

War  der  Verstorbene  ein  Anführer,  so  wird  er  in  seine  Hängematte  eingenäht; 
da,  wo  er  gewöhnlich  geschlafen,  wird  ein  Loch  gemacht,  der  Todte  hineingesetzt, 
Waffen,  Geräthe  und  Lebensmittel  rings  um  ihn  gestellt  und  zuletzt  ihm  seine 
volle  Trinkschale  (aus  einer  Ktirbisart)  auf  den  Kopf  gesetzt.  Palmzweige  decken 
denselben  und  dann  erst  wird  Erde  aufgeworfen. 

War  der  Todte  ein  Jüngling  und  besass  er  einen  genügend  grossen  Topf 
(Igacaba),  so  wird  er  hineingesetzt  mit  Allem,  was  sein  war. 

Die  Weiber  bleiben  so  lange  im  Hause,  bis  der  nächste  Verwandte  die  Wittwe, 
welche  nun  sein  Erbe  ist,  sowie  die  kleineren  Kinder  abholt;  alsdann  wird  die 
Hütte  verschlossen  und  dem  Verfall  überlassen. 

Hat  jedoch  der  Verstorbene  Anpflanzungen  hinterlassen,  so  geht  der  Todten> 
schmaus  bei  der  Ernte  wieder  los,  bis  nichts  von  ihm  ererbtes  Essbare  mehr  vor- 
handen ist. 

Auf  ihren  Reisen  machen  sie  für  einen  verstorbenen  Anführer  einen  kleinen 
Hügel  von  Erde  über  ihn,  d.  h.  die  Leiche  wird  auf  flachem  Boden  mit  Erde 
bedeckt,  wie  es  bei  den  meisten  Ureinwohnern  Sitte  ist.  Hin  und  wieder  sollen 
sie  auch  Leichen  verbrennen  und  die  Knochen  und  Asche  vergraben;  die  Ursache 
des  Unterschiedes  konnte  ich  nie  erfahren. 

Auch  haben  einige  dieser  Tribus  die  Gewohnheit,  sich  bei  diesen  Todtenfesten 
die  Waden  gegenseitig  unter  Tanz  und  Gesang  mit  dreitheiligen  Peitschen  zu 
bearbeiten,  und  zwar  so,  dass  das  Blut  herabströmt. 

Von  den  Coroados  oder  Tapes-lndier,  welche  in  der  Nähe  der  Campos 
Quarapuavas  hausten  (Prov.  Parana),  sah  ich  einen  ziemlich  grossen  Hügel,  worin 
der  sehr  berühmte  Anführer  Condofe  begraben  liegt;  obwohl  er  sich  von  dem 
Pater  Chagus  1818 — 20  taufen  Hess,  glaubte  er  an  keinen  Christengott  und  machte 
dem  Pater  sehr  viel  zu  schaffen,  er  wollte  Beweise  haben  u.  s.  w.  Der  Hügel  hat 
keinen  Graben  und  nicht  die  Grösse  der  uralten  Hügel. 

(10)  Hr.  Virchow  zeigt  eine,  ihm  ohne  Adresse  durch  die  Post  zugegangene 
Blechbüchse  mit  einem  grossen 

Fruchtkuchen  aas  Salta,  Argentinien. 

Der  etwa  18  rwi  im  Durchmesser  haltende  und  4 — 5  cm  dicke  Kuchen  hat  un- 
gefähr die  Form  und  Farbe  eines  Miniatur-Schweizerkäses  und  einen  recht  nahr- 
haften Geruch.  Die  Substanz  ist  ganz  trocken,  etwas  kömig  und  brüchig.  Zu- 
fälligerweise hatte  ich  Gelegenheit,  das  Präparat  einem  Sachkenner  vorzulegen. 
Der  zufällig  in  Berlin  anwesende  Hr.  Prof.  Ludw.  Brackebusch  aus  Cordoba  er- 
kannte darin  einen  sogenannten  Patai.  Dieser  wird  aus  dem  Hehl  der  Samen 
der  Algarrobo  negro  (einer  Prosopis-Art)  heimstellt  und  dient  im  nördlichen 
Argentinien  auf  Reisen  als  gewöhnliches  Nahrungsmittel.  Der  sehr  grosse,  wild- 
wachsende Baam  trägt  unzählige  Schoten,  die  im  Herbst  abfallen;  dann  zieht  die 
ganze  Bevölkerung  in  den  Wald  und  lebt  fast  allein  von  diesen  Samen. 

(11)  Hr.  Virchow  zeigt  ein  frisches,  mikroskopisches  Präparat  von 

Distomom  haematobiom,  einem  afrikanischen  Parasiten. 

Ein  aus  Südafrika  zurückgekehrter  Knabe,  der  Sohn  eines  Missionärs,  leidet 
häufig  an  Haematurie.  Li  den  Blutgerinnseln  finden  sich,  wie  zuerst  einer  meiner 
Zuhörer,  Hr.  Wendland,  beobachtet  hat,  zahlreiche  Eier  eines  Parasiten,  der  zu- 
erst in  Aegypten  gefanden  wurde,  aber  weithin  durch  Afrika  und  auch  andere 
tropische  und  subtropischen  Gebiete  verbreitet  ist,  des  Distomum  haematobiom  oder 


(31) 

der  ßilharzia.  In  diesem  Falle  sind  lebende  Embryonen  in  den  Eiern  nicht  selten. 
Der  Brader  des  Knaben  hat  polypöse  Auswüchse  der  Blase  gehabt,  von  denen  er 
durch  eine  Operation  mit  Erfolg  befreit  worden  ist. 

(12)  Das  correspondirende  Mitglied,  Hr.  de  Marchesetti,  berichtet  in  einem 
an  Hm.  Virchow  gerichteten  Briefe  aus  Triest,  23.  December  pr.,  über  seine 

Ansgrabiingeii  in  S.  Lucia  und  Istrien,  namentlich  über  die  Aufflndang  von 

Umenharz. 

„Ich  habe  in  diesem  Sommer  weitere  520  Gräber  in  S.  Lucia  geöffnet,  wo- 
durch die  Summe  von  2631  erreicht  wurde.  Ausser  den  gewöhnlichen  Sachen 
wurden  mehrere  Neuigkeiten  gefunden,  so  z.  B.  ein  partiell  Bestatteter,  dem  der 
obere  Theil  des  Körpers  fehlte  und  der  mit  einer  Bronzesitula,  2  Schlangenfibeln, 
einer  Lanze  u.  s.  w.  ausgestattet  war.  Auch  heuer  gewann  ich  eine  grosse  Aschenume 
in  Form  einer  Amphore  (ähnlich  derjenigen,  deren  Exhumirung  Sie  vor  2  Jahren 
theilweise  beiwohnten),  die,  ausser  der  Situla  und  mehreren  Beigaben,  2  prächtige 
Glasgefässe  enthielt.  Noch  ein  drittes  Olasgefass  kam  in  den  diesjährigen  Grabun- 
gen zum  Vorscheine,  so  dass  ich  bereits  5  dieser  in  der  Hallstattzeit  so  seltenen 
erfasse  Ton  S.  Lucia  besitze.  Interessant  scheint  mir  noch  die  Auffindung  eines 
Pferdes,  dessen  Kopf  nebst  dem  Zaume  mit  zahlreichen,  ehemals  auf  Riemen  be- 
festigten eisernen  Beschlägen  (Borchien)  und  Ringen  sehr  zierlich  geschmückt  war. 
An  seinem  Halse  hing  ausserdem  eine  grosse  bronzene  Bulle. 

„In  mehreren  der  Bronzegefässe  fand  man  eine  gelbliche  harzige  Substanz,  die 
ich  nicht  bestimmen  kann  und  die  exotischer  Herkunft  zu  sein  scheint.  Ich  er- 
laube mir,  Ihnen  davon  eine  kleine  Probe  zu  schicken,  in  der  Hoffnung,  dass  es 
Ihnen  gelingen  wird,  ihre  Natur  zu  erkennen. 

„Weitere  Grabungen  habe  ich  in  Caporetto  (Karfreit)  gemacht,  wo  ich  wieder 
141  Gräber  öffnete,  die  manche  Neuigkeiten  lieferten.  Es  ist  mir  auch  gelungen, 
zwei  neue,  der  Hallstattperiode  angehörende  Grabfelder  zu  entdecken,  wovon  eines 
ebenfalls  im  Idriathale  bei  St.  Veits berg,  das  andere  nicht  weit  von  Triest  liegt. 

„Bei  Begehung  einiger  südistrianischen  Castellieri  traf  ich  eine  Menge 
von  Hügelgräbern,  die  ich  nächstes  Jahr  zu  eröffnen  gedenke.  Vielleicht  werden 
sie  die  Lücke  der  bei  uns  noch  nicht  constatirten  reinen  Bronzeperiode  ausfüllen. 

„Weiter  wurde  die  Durchforschung  der  Höhlen  von  Gabrovizza  und  von 
St.  Canzian  fortgesetzt  und  dabei  mehrere  schöne  Bernde,  besonders  aus  der  Stein- 
zeit, gemacht. 

„Der  Harzprobe  von  S.  Lucia  lege  ich  noch  eine  Probe  von  Karfreit  bei,  die 
mir  identisch  zu  sein  scheint."  — 

Hr.  Salkowski,  dem  die  eingesendeten  Proben  von  Hrn.  Virchow  zu  ge- 
nauerer Bestimmung  übergeben  wurden,  fasst  das  Ergebniss  seiner  Untersuchung 
folgendermaassen  zusammen: 

I.  Die  zur  Untersuchung  übergebene  Substanz,  bezeichnet  „S.  Lucia,  Grab  2151 
in  einer  Situla",  bildet  ein  bräunlich-graues,  zum  Theil  ziemlich  feines,  zum  Theil 
zu  grösseren  und  kleineren  rundlichen  Ballen  vereinigtes,  eigenthümlich  klebriges 
Pulver.  Dieselbe  schmilzt  beim  Erhitzen  auf  dem  Platinblech  unter  Verbreitung 
aromatisch  riechender  Dämpfe  und  verbrennt  mit  leuchtender  Flamme  unter  Hinter- 
lassung dunkelgeförbter  Asche.  Beim  Erhitzen  im  Glasrohr  schmilzt  die  Substanz, 
bläht  sich  stark  auf  und  giebt  ein  halb  öliges,   nach  Juchten  riechendes  Destillat. 


(32) 

Löst  man  dasselbe  in  Aether  und  verdunstet  die  Lösung,  so  bleibt  ein  röthlich- 
gelbes,  klebriges,  allmählich  fester  werdendes  Harz  zurtlek. 

In  heissem  Alkohol,  sowie  in  Aether  löst  sich  nur  verhältnissmässig  wenig  von 
der  Substanz,  und  zwar  mit  gelber  Farbe.  Die  ätherische  Lösung  hinterlässt  ein  hell- 
gelbes, sprödes  Harz.  Aus  dem  beim  Behandeln  mit  Aether  gebliebenen  Rückstand 
nimmt  Chloroform  noch  reichlich  Substanz  mit  brauner  Farbe  auf.  Die  Chloroform- 
lösung hinterlässt  beim  Verdunsten  ein  Anfangs  weiches,  dann  hart  und  spröde 
werdendes  dunkelgefärbtes  Harz. 

Das  von  Chloroform  nicht  Gelöste  erscheint  nach  dem  Auswaschen  mit  Chloro- 
form und  Trocknen  an  der  Luft  als  lockeres,  gelbliches  Pulver.  Dasselbe  ver- 
glimmt beim  Erhitzen  auf  dem  Platinblech  unter  Hinterlassung  einer  schwarz  ge- 
färbten, kupferhaltigen  Asche.  Bei  genauerer  Durchmusterung  des  von  Chloroform 
nicht  Gelösten  findet  man  darin  auch  kleine  Stückchen  oxydirter  Bronze,  die  wohl 
zufällig  in  Folge  des  Zusammenliegens  mit  Bronze  hineingelangt  sind. 

Nach  diesem  Befunde  ist  die  Aehnlichkeit  mit  dem  von  Heintzel  (S^eitschr.  f. 
Ethnol.,  1880.  Verhandl.  d.  anthropol.  Gesellsch.,  S.  377)  beschriebenen  Umenharz 
unverkennbar,  jedoch  deutet  in  dem  vorliegenden  Falle  nichts  auf  die  Beimischung 
von  Wachs  hin,  die  Heintzel  in  seinem  Falle  fand,  namentlich  entwickelte  sich 
bei  der  trocknen  Destillation  des  Umenharzes  durchaus  nicht  der  Geruch,  welchen 
Wachs  giebt,  wenn  man  es  dieser  Operation  unterwirft. 

n.  Das  äusserlich  ganz  gleiche  Pulver,  bezeichnet  „Caporetto  Grab  208  in 
einer  Zonenume,  1887,  Juni,  verhielt  sich  beim  Erhitzen  auf  dem  Platinblech,  bei 
der  trocknen  Destillation,  sowie  gegen  die  oben  angegebenen  Lösungsmittel  n.  s.  w. 
genau  so,  wie  I ,  so  dass  an  der  Identität  dieser  beiden  Substanzen  wohl  nicht  zu 
zweifeln  ist. 

(13)   Hr.  Vater  berichtet  über  eine 

dreiköpfige  Figor  in  Brixen. 

Ich  bitte,  nur  auf  wenige  Augenblicke  mir  Ihre  Aufmerksamkeit  zu  schenken, 
um  Ihnen  Mittheilung  machen  zu  können  von  einem  höchst  eigenthümlichen  Bild- 
werk, das  ich  im  vorigen  Herbst  zu  sehen  Gelegenheit  hatte,  ohne  dass  es  mir  ge- 
lungen wäre,  die  Bedeutung  desselben  aufzuklären. 

Es  war  in  Brixen  in  Südtyrol,  dem  uralten  Fürstbischofssitz,  jetzt  einem  eng 
gebauten  Landstädtchen  mit  ungefähr  5000  Einwohnern.  Dasselbe  zeigt  dieselbe 
Bauart,  wie  die  Städte  in  Ober-Italien,  mit  schmalen  Gassen,  deren  unterstes 
Stockwerk  meist  von  den  sogenannten  Lauben  eingenommen  wird.  Diese,  meist 
sehr  wenig  vom  Tageslicht  erhellten  Bogengänge,  in  denen  man  die  Strassen  durch- 
schreitet, verhindern  den  Ausblick  auf  die  gegenüberliegende  Strassenfront  und  nur 
so  kann  ich  es  mir  erklären,  dass  bisher  nirgends  der  eigenthümlichen  Figur  Er- 
wähnung geschehen  ist,  die  ich  auf  einem  meiner  Spaziergänge  plötzlich  ganz  zu- 
fällig an  der  Ek^ke  zweier  der  Hauptstrassen,  der  Stadtgasse,  in  der  sich  das  Rath- 
haus  befindet,  und  der  Schlossergasse,  entdeckte: 

Die  abgestumpfte  E^cke  des  einen  Eckhauses  trägt  nehmlich  im  ersten  Stock- 
werk, offenbar  aus  einem  Eichenstamm  zugehauen  und  geschnitzt,  auf  schmalem 
Consol  stehend,  eine  etwa  3  m  hohe  männliche  Figur,  die  zunächst  täuschend  den 
Eindruck  eines  Christophoros  macht.  Ich  hielt  sie  auch  dafür,  bis  ich  entdeckte, 
dass  die  gänzlich  nackte,  sehr  haarige,  nur  mit  einem  Blätterschurz  um  die  Hüften 
bedeckte,  kräftige  Mannesgestalt  aus  der  oberen  Brustöffnung  3  Hälse  mit  3  voll- 
ständig gesonderten  und  verschiedenen  Köpfen  hervorwachsen  lässt,  die  nach  den 


(33) 

rerschiedenen  Strassen  ausschauen.  Die  Oestalt  stützt  sich  mit  der  rechten  Hand 
auf  einen  langen  Schürbaum,  den  sie  senkrecht  an  Körper  und  Arm  lehnt.  Der 
linke  Arm  fehlt  ganz,  wahrscheinlich  durch  Alter  verwittert,  wie  auch  die  ganze 
Figur  Spuren  der  fortgeschrittensten  Verwitterung,  aber  auch  grosser  technischer 
Kunstfertigkeit  und  eines  gewissen  künstlerischen  Geschmacks  zeigt,  mit  denen  sie 
einst  angefertigt  worden  ist. 

So  ist  z.  B.  der  mittlere,  geradeaus  schauende  Kopf,  der  ganz  den  Typus  eines 
Cbristuskopfes  trägt,  noch  jetzt  recht  wohl  erhalten  und  sehr  schön,  Bart  und  Haare 
von  soi^altiger  Schnitzarbeit.  Dem  auf  der  linken  Schulter  sitzenden  Kopf  möchte 
ich  einen  entschieden  semitischen  Typus  zuerkennen,  während  der  auf  der  rechten 
Schulter  genau  so  aussieht,  wie  die  Bildnisse  alter  römischer  Krieger,  die  ja  so 
zahlreich  in  Denkmälern  aufgefunden  sind. 

Was  hat  das  Ganze  nun  zu  bedeuten?  Denn  ein  so  wunderbares  Phantasie- 
gebilde, in  solcher  Grösse  und  mit  solcher  Mühe  und  Kunst  hergestellt,  muss  doch 
aus  irgend  einem  Grund  oder  zu  irgend  einem  Zweck  an  einem  der  auffallendsten 
Plätze  der  Stadt  angebracht  und  daselbst  Jahrhunderte  lang  erhalten  sein!  So 
dachte  ich  und  suchte  mir  bei  allen  städtischen  Behörden,  wie  bei  den  Eigen- 
thümem  des  uralten  Hauses  und  denen  der  benachbarten  Häuser  Auskunft  zu  er- 
holen. Aber  leider  erfuhr  ich  nichts,  auch  nicht  das  Geringste.  Selbst  über  das 
Alter  des  Hauses  konnten  mir  auf  dem  Kathhaus  und  dem  Katasteramt  nicht  an- 
nähernde Mittheilungen  gemacht  werden,  nur  dass  wohl  immer  in  dem  Hause  eine 
Weinschenke  gewesen  sei,  schien  man  annähernd  bestimmt  versichern  zu  können. 
Als  einfaches  Wirthshauszeichen  kann  man  einen  dreiköpfigen  Mann  aber  doch 
nicht  deuten,  wenn  nicht  irgend  eine  Legende  mit  dem  Hause  oder  dem  Mann 
selbst  verknüpft  ist,  die  als  bekannt  voraussetzt,  wie  dieser  zu  den  drei  Köpfen 
gekommen  ist 

Ob  nun  eine  solche  Legende  in  dieser  Gegend  existirt,  davon  habe  ich  trotz 
eifrigsten  Forschens  nichts  erfahren  können  und  möchte  ich  daher  die  sagenkun- 
digen Herren  unter  unseren  verehrten  Mitgliedern  hiermit  herzlich  bitten,  in  ihren 
Quellen  einmal  nachzuforschen,  ob  sich  nicht  eine  Spur  auffinden  lässt,  auf  der 
man  die  Sache  weiter  verfolgen  kann. 

Ich  habe  die  Figur  photographiren  lassen  und  beehre  mich,  hiermit  der  Ge- 
sellschaft ein  Abbild  derselben  zu  überreichen. 

Das  Einzige,  was  ich  noch  über  den  dreiköpfigen  Mann  in  der  übrigens  sehr 
gleichgültigen  Einwohnerschaft  erfahren  konnte,  ist  der  Scherz,  dass  die  kleinen 
Rinder  mit  der  Täuschung  geneckt  werden,  die  Figur  speie  am  „stillen  Freitag", 
Mittags,  wenn  die  Glocken  geläutet  werden,  Gold.  Es  soll  dann  den  betreffenden 
Eltern  viel  Vergnügen  bereiten,  zu  sehen,  wie  die  bethörten  Kleinen  am  stillen 
Freitag  vergebens  auf  das  Ertönen  der  Glocken  warten.  — 

Hr.  W.  Schwartz  weist  darauf  hin,  dass  der  dreiköpfige  Mann  an  einen  alten 
slavischen  Götzen  erinnere.  — 

Hr.  Virchow  erinnert  daran,  dass  der  Name  des  Triglav  noch  an  einer  der 
höchsten  Bergspitzen  der  julischen  Alpen  haftet. 

(14)  Hr.  Bässler  hat  eine  grosse  Reihe  von  Photographien  aus  Java 
aasgestellt. 

Verhandl.  der  Berl.  Antbropol.  GeselUchaft    1891.  3 


(34) 

(15)  Der  Vorsitzende  begrüsst  den  in  der  Sitzung  als  Gast  anwesenden  Hm. 
Max  Ohnefalsch-Richter,  der  eben  nach  jahrelangen  Ausgrabungen  in  Cypem 
in  das  Vaterland  zurückgekehrt  ist.  Letzterer  hält  einen,  durch  eine  reiche  Aus- 
wahl alter  und  neuer  Gegenstände  erläuterten  Vortrag  über 

Parallelen  in  den  Gebräuchen  der  alten  und  der  jetzigen  Bevölkerung  von 

Cypem, 

Vergleiche  aus  dem  Culturleben  der  alten  Kyprier  und  der  heutigen  Cyprioten 
erregen  aus  verschiedenen  Gründen  ein  aussergewöhnliches  Interesse.  Wie  aus  den 
heutigen  kurzen  Mittheilungen  gleich  klar  werden  wird,  haben  wir  es  mit  einer 
Fundgrube  zu  thun,  aus  welcher  der  Archäologe,  wie  der  Anthropologe  und  Ethno- 
graph, unendlich  viel  Neues  hervorziehen  kann. 

Wir  sehen,  wie  sich  aus  den  verschiedenen  Schichten  des  Alterthums,  den 
verschiedenen  Pundschichten  der  Ausgrabungen  gewisse  antike  Formen,  Decorations- 
weisen, technische  Verfahren,  Motive,  Sitten,  Gebräuche,  Hauseinrichtungen,  ja 
ganz  eigenthü milche  Gebrauchsgegenstände  von  Generation  auf  Generation  bis  auf 
den  heutigen  Tag  in  merkwürdiger  Reinheit  erhalten  haben  und  noch  heute  im  Volke 
leben  Ja  bei  vielen  hochwichtigen  Dingen  greifen  wir  einfach  zurück  in  die 
Uranfänge  einer  Cultur,  die  zeitlich  mit  den  Culturanfängen  von  üissarlik,  Meso- 
potamien und  selbst  Aegypten  zusammenfallen.  Sachlich  sind  dabei  die  Verwandt- 
schaften, zumal  mit  Hissarlik-Troja  einerseits  und  der  prähistorischen  Zeit  Ungarns 
andererseits,  höchst  auffällige  und  sehr  weitgehende. 

Die  Consequenzen  solcher  vergleichender  Studien  liefern  noch  andere  hoch- 
wichtige Resultate.  Sie  lösen  nehmlich  viele  noch  schwebende  Fragen  über  den 
Ursprung  gewisser  technischer  Verfahren  und  Decorationselemente,  Geräthe,  Waffen 
und  dergleichen.  Sie  geben  ein  für  allemal  den  Schlüssel  für  die  richtige  Erklä- 
rung gewisser,  bisher  falsch  gedeuteter  oder  überhaupt  noch  nicht  gedeuteter  Gegen- 
stände, die  im  täglichen  Leben  der  Alten  eine  hervorragende  Rolle  spielten. 

An  der  Hand  der  hier  ausgestellten  alten  und  modernen  Gegenstände  aus 
Cypem  liefere  ich  Ihnen  den  besten  Beweis  für  die  überzeugende  Wahrheit  der 
hier  kurz  vorangestellten  Forschungsresultate,  die  sich  auf  einen  Zeitraum  von 
12  Jahren  Studirens  auf  der  Insel  Cypern  ausdehnen. 

Ich  beginne  mit  den  Gefässen  und  Geräthen  aus  Flaschenkürbis. 

In  Figur  1  habe  ich  eine  jener  gewöhnlichen  Kürbisflaschen  abgebildet,  die 
sich  Hirt  oder  Bauer  heute  selbst  am  Schöpfbrunnen  oder  Dorfbach  von  der  Kürbis- 
ranke abzuschneiden  pflegen. 

Die  grosse  Masse  der  Kürbisflaschen  ist  nicht  decorirt.  Die  Prunkstücke 
aber  werden  in  den  Mussestunden,  besonders  gern  vom  Hirten  auf  der  Weide, 
wenn  er  sich  satt  geflötet  hat,  mit  eingeschnittenen  Mustern  verziert,  die  mit 
Schiesspulver  oder  Holzkohle  ausgerieben  werden. 

Die  Kürbisflasche  dieser  Form  und  Grösse,  —  denn  unser  Exemplar  ist  29  cm 
hoch,  —  ist  die  beliebteste  Weinflasche,  so  dass  man  das  Maass  des  Trinkens  nach 
der  Zahl  der  geleerten  Kürbisflaachen  bemissi  „Wir  tranken  so  und  so  viel 
Kürbise  Wein",  —  heisst  es. 

Figur  2  repräsentirt  einen  der  allerältesten  Vasentypen,  der  schon  in  sehr  frühen 
Kupfer- Bronzezeit -Grabschichten  auftaucht,  lange  vor  jedem  semitischen,  lange 
vor  jedem  babylonisch-assyrischen  Einfluss.  Er  entstand  in  jener  frühen  Cultur, 
die  sicher  keinem  semitischen  Volke,  sondern  einem  wahrscheinlich  arisch-indo- 
germanischen zuzuschreiben  ist. 

Die   gewöhnliche  Grösse  dieser  handgemachten,    stets  henkellosen  Thonvasen, 


(35) 

stets  mit  zwei  Löchern  aa  der  verbreiterten  Mündang  des  gerade  aufsteigeDdeD 
HaUes,  beträgt  etwa  14  em.  Wir  sehen  auf  den  ersten  Blick,  dass  hier  in  Form 
und  Technik  eine  KUrbisflasche  nachgeahmt  wurde.  Füllt  der  Cypriot  heute  die  ein- 
geschnittenen und  geritzten  Ornamente  der  zuerat  ziemlich  hellgelben,  glänzenden 
Flaschenkürbisse  mit  Schwarz  aus,  so  dunkeln  durch  Alter,  Luft  und  Wind  lang- 
gebrauchte Kürbisse  und  werden  förmlich  braunroth.  In  die  Vertiefungen  setzt 
sich  oft  weisser  Staub  und  dann,  etwa  nach  4U — 50  Jahren,  hoben  sich  weisse  und 
graae  Ornamente  rom  rothbraunen,  wie  glänzend  polirten  Grunde  ab.  Schöpf- 
kellen, Trinkscbalen,  wie  Weinflaschen,  aus  Kürbissen  geschnitten,  werden  zur  Er- 
höhung der  Haltbarkeit  und  Feuchtigkeitsdichligkeit  mit  schwarzem  Pech  aus- 
gegossen. Als  nun  der  alte  Kyprier  im  dritten,  vierten  Jahrtausend  vor  Christi 
oder  noch  früher  sich  daran  machte,  die  Technik  der  verzierten  KUrblsgefässe 
nachzuahmen  und  zu  vervollkommnen,  überzog  er  den  rohen  ungefärbten  Thon- 
körper  mit  feiner  geschlemmtem  und  künstlich  roth  gefärbtem  Tbon;  dann  polirte 
er  sorgrältig  das  Gefäss  nnd  oft  füllte  er  mit  weisser  Erde,  Kalk  oder  Kreide  die 
vertieft  angebrachten  Ornamente  aus.  Ja,  bald  ahmte  er  bei  Thongerässen  dann 
aach  noch  die  ausgepichte  schwarze  Innenseite  der  KUrbtsgefasse  dnrch  Farbe 
nach.  Daher  kommt  es,  dass  viele  der  halbkugelförmigen  Trinkschalen  aussen  roth 
und  innen  schwarz  sind.  Dasselbe  Princip  übertrug  man  als  eine  constante  Regel 
anf  die  in  Figur  2  abgebildete  Tbonflasche.  Boden  und  Bauch  sind  stets  roth  ge- 
färbt; von  der  Halsmündung  nach  nnten  slels  dieselbe  schwarze,  in  das  Roth  un- 
regcl massig  verschwimmende  Farbe. 

Fignr  3. 
Figur  1.  Figur  2. 


Eine  Vase,  ganz  wie  die  hier  abgebildete,  wurde  z.  B.  in  der  ersten  Hälfte  des 
August  1885  von  mir  in  einem  Erdgrabe  zu  Hagia  Paraskevi  bei  Nicosia  in  Grab 
Nr.  2  (S.  6 — 7  meines  Ausgrabejoumales)  in  einer  Gräbersohicht  ausgegraben,  in 
der  noch  alle  mit  Farbe  bemalten  Gefässe  ganz  fehlten  und  in  der  jeder  auch 
noch  HO  frühe  Einfluss  von  Mesopotamien,  Syrien  oder  Aegypten  ausgeschlossen 
war.  Diese  Vasengattung  hat  als  Regel  nie  einen  Henkel,  dagegen  stets  die  zwei 
Durch  bohrnngen  an  der  Halsmündung,  ganz  so  wie  die  moderne  Kürbis  Hasche. 

Wir  besprechen  jetzt  die  in  den  Figuren  3—5  abgebildeten  Gefiisse.  In 
Vig.  3  haben  Sie  das  moderne  Kürbisgeföss,  in  Fig.  4  und  5  zwei  antike  Tbon- 
gefäase,  wie  sie  ebenfaUs  noch  in  der  ersten  Hälfte  der  Kupfer- Bronzezeit  vor  Ein- 
führung der  mit  Farbe  aufgemalten  Decorationen  in  Menge  fabricirt  wurden. 


(36) 

Figur  6. 


In  Fig.  3  sehen  Sie  ein  22  cm  hohDS  Palrerhorn  oder  eine  Palverflaschc  uaa 
Kürbis  abgebildet-  So  lieferteo  Spielereien  der  Natnr,  die  ja  bei  der  Ktlrbisrrucht- 
bildnng  so  zahlreich  sind  and  denen  auch  heute  die  Cyprioten  künstlich  nachheiren, 
das  Uotiv  zu  der  in  Fig.  4  abgebildeten,  eigenthUmlich  gebauten,  ebenralls  uralten 
cyprischen  Thongerässgattung  mit  einer  Fülle  verschiedener  Varianten.  Sie  sehen 
auf  den  ersten  Blick,  wie  verwandt  damit  gewisse  von  Schliemann  in  Hissarlik 
constatirtc  Typen  sind. 

Hier  bei  der  Pnkerilasche  ist  der  hölzerne  Pfropfen  durch  Ledcrriemchen  an 
der  Uebergangsstellc  vom  Vasentaals  zur  Vasenscbultcr  befestigt.  Durch  die  Ver- 
knüpfung der  Riemenenden  entsteht  eine  Gabelung.  Statt  Riemchen  sind  Strick* 
chen,  ßindlüden,  SchnUre.  wie  ja  auch  in  Fig.  I  und  dann  wieder  in  Fig.  ti  zu 
sehen,  beliebt.  Man  versteht  nun  leicht,  wie  der  kurze,  eine  Schnur  nachahmende 
Henkel  an  der  Thonvasc  Fig.  4  entstehen  konnte.  Ja,  oft  gabelt  sich  der  Vasen- 
hcnkel  oder  die  Vasenstütze  am  antiken  GeRiss,  wie  die  Riemchen  bei  unserer 
Pnlverflasche.  Diese  Gabelung  sieht  man  in  anderer  Weise  bei  der  grossen,  in 
Fig.  7  abgebildeten,  alten  Milchschale  über  dem  Ausgiesser. 

Figur  7.  Figur  8. 


Vasen,  wie  Fig.  4.  kommen  in  verschiedenen  Dimensionen  vor,  erreichen  jedoch 
nie  die  Höhe  der  stattlichen  Wasserkmgart,  von  der  ich  unter  Fig.  A  ein  gutes 
Exempliir  abgebiJdel  habe.  Das  Mittel  für  diese  Wasserkrüge  liegt  bei  ungeßihr 
50  !■"•  Höhe.    Die  Riemchen  und  Schnüre,  die  der  Cyprier  an  seinen  Rlirbisflascheo 


(37) 

theils  zum  Befestigen  des  Pfropfens  oder  Deckels,  theils  znm  Aufhängen,  endlich 
als  Zierde  anwendete,  führte  den  Töpfer  zur  Relieftechnik.  Zuerst  brachte  er 
auf  demselben  Gefässe  neben  den  vertieften  Ornamenten  erhöhte  an,  wie  der 
Kttrbisgefasstechniker.  Allmählich  Hess  er  die  Ornamente  in  Relief  vorwalten  oder 
ganz  herrschen.  Das  führte  zu  der  ebenfalls  schon  sehr  alten  Reliefgefässtechnik. 
Die  älteste  Sorte,  stets  handgemacht  und  als  Regel  roth  polirt,  entsteht  ebenfalls 
noch  in  der  ersten  Hälfte  der- Kupfer-Bronzezeit  vor  der  Elrftndung  aufgemalter 
Decorationen.  Dafür  ist  nun  Fig.  5  ein  recht  typisches  Beispiel.  Man  sieht,  wie 
Riemchen  um  den  Hals  und  den  Henkel  des  Gefässes  gebunden  und  wie  gewun- 
dene Schnürchen  um  den  Vasenbauch  gelegt  gedacht  sind.  Ja,  der  auf  der  Vasen- 
schulter aufgesetzt  gedachte  Holzsteg,  durch  den  eines  der  Schnürchen  gezogen 
erscheint,  erinnert  weiter  an  die  Nachahmung  der  Holztechnik  in  Thon,  von  der 
noch  unten  zu  reden  ist.  Auch  diesen  Krug  grub  ich  in  einem  Erdgrabe  zu  Hagia 
Paraskevi  1885  aus.  Der  Grabgrundplan  wich  jedoch  schon  wesentlich  von  dem 
oben  als  Grab  2  bezeichneten  Grabe  mit  einer  Vase,  wie  Fig.  2,  ab.  Dort  eine  ein- 
fache Grube  mit  ünterhöhlung,  ohne  darüber  gebaute  Steine.  Hier  in  eigeuthtlm- 
licher  Weise  Steinplatten,  über  den  Beigaben  aufgebaut  nach  Art  der  Kartenhäus- 
chen, wie  sie  bei  Kindern  beliebt  sind.  Ich  habe  im  Journal  of  Cyprian  Studies 
Taf.  H,  11  und  12  b,  links  die  Vase  und  rechts  unter  11  Grundriss  und  Durch- 
schnitt des  Grabes  mit  den  Steinen  und  Beigaben  abgebildet. 

Die  Gefässe  Figuren  6  und  8  beschliessen  für  heute  unsere  erste  Betrach- 
tung über  die  Kürbisgefässe  und  deren  irdene  Nachbildungen.  Das  Kürbisgefäss 
Fig.  6,  heute  bereits  in  der  ethnographischen  Sammlung  des  K.  K.  Naturhistorischen 
Hof-Museums  zu  Wien,  wurde  von  mir  in  einem  Bauernhause  zu  Rizokarpaso  ')>  an 
einer  Säule  hängend,  vorgefunden.  Es  diente  in  der  Wirthschaft  als  Behälter  für 
den  Sauerteig,  der  beim  jedesmaligen  Brodbacken  für  das  nächste  Mal  aufbewahrt 
wurde.   Zuweilen  hat  man  hölzerne  oder  lederne 

Deckel  mit  zwei  oder  vier  Löchern,  ganz  wie  die  Figur^ 9.  Figur^. 

antiken  thönemen,  die  ich  in  Fig.  9  und  10  ab- 
bilde. Die  Sitte,  alle  möglichen  Flaschen,  Ge- 
fässe, Krüge  an  den  Wänden  aufzuhängen,  ist 
noch  heute  allgemein  durch  die  Insel  verbreitet. 

Die  antike  Dreifussvase  Fig.  8  zeigt  (denkt 
man  sich  den  später  darunter  componirten  Drei- 
fuss  weg)  eine  ganze  ähnliche  Form,  wie  unsere  Kürbisschale.  Man  versteht  nun 
sofort,  warum  häufig  diese  antiken  Gefässe  über  die  Halbkugel  hinausgehen  und 
nach  oben  dann  eingezogen  erscheinen.  Der  Kugel  bauch  des  Kürbis  ist  weit  über 
der  Mitte  abgeschnitten  und  das  ist  in  Thon  nachgeahmt'-^). 

Entsprechend  dem  modernen  Kürbisgefäss  dienten  die  4  Löcher  zum  Auf- 
hängen der  antiken  Vase,  wie  zum  Zuschnüren  des  Deckels.  Der  in  Fig.  9  ab- 
gebildete Deckel  mit  2  Löchern  wurde  in  diesem  Falle  in  situ  auf  der  Vasen- 
mündung ausgegraben.  Die  Vase  war  mit  grauschwarzem  Thon  überzogen,  der 
Deckel  nicht.  Im  Journal  of  Cyprian  Studies  habe  ich  auf  Taf.  TL  unter  Nr.  14 
den  Durchschnitt  und  Grundplan  des  zu  Hagia  Paraskevi  im  December  1884 
ausgegrabenen  Felsgrabes,    sowie    ebenda   den   gesammten  Grabinhalt   dargestellt. 

1)  das  nordöstlichste  grosse  Dorf  der  Insel  auf  der  Landzunge  Karpas. 

2)  Schliemann  hat  in  seinem  Ilios  am  Anfange  unter  den  ersten  Abbildungen  eine 
aus  der  untersten  Stadt  stammende  Dreifussvase.  die  zu  der  unserigen  eines  der  merk- 
würdigsten Analoga  bildet. 


(38) 

Nr.  I4w  zeigt  den  in  demselben  Grabe  Rua^grabenen  steinernGn  Keilschriftcylinder, 
den  zuerst  C.  Bezold  in  der  Zeitachrirt  TUr  Keilschriftrorschung  publicirt,  aber 
nicht  datirt  hat.  Bezold  sah  nicht  das  Original,  sondern  erhielt  nur  von  mir  einen 
Siegel abdruck.  A.  B.  Sayce  studirtc  das  im  Cypms  Museum  befindliche  Origimd 
und  meint,  es  sei  nicht  jünger  als  2PÜ0  v.  Chr.  anzusetzen.  Ich  habe  eine  Illu- 
Htration  des  abgerollten  Siegelbildes  in  Originalgrösse  im  Journal  of  Cyprian  Studies 
Taf.  I  Nr.  13  geliefert. 

Zu  dem  Decorations System  eingeschnittener  Ornamente  sei  hier  noch  auf  die 
iu  Fig.  3  der  modernen  Puherflaschc  aas  Kürbis  und  der  antiken  Vase  Fig.  4  an- 
gebrachten Oniamente  von  Halbkreisen  und  Kreisen,  die  von  Linien  durchschnitten 
sind,  hingewiesen,  dasselbe  heute  wie  damals.  Dabei  kann  man  nicht  sagen,  die 
modernen  Kürbisdeco rateure  seien  von  antiken  Mustern  beeinflnast. 

Nachzutragen  ist  ferner  noch,  dass,  wie  bei  dem  Rohrrocken  Pig.  '24,  so  bei  der 
Kürbisflasche  Fig.  3  helle  grünblaue  Perlen  eingelegt  sind. 

In  meinem  Besitze  beHndet  sich  eine  zu  Hagia  Faraskevi  in  einem  Felsgrabe 
gefundene  Dreifussvase  der  Kupfer-Bronzezeit.  Selbige  ist  mit  achwuzen  geome- 
trischen Mustern  bemalt;  ausserdem  sind  grünblaue  Agalmatolitb-Perlen  in  den 
weichen  Thon  vor  dem  Brennen  gedrückt.  Mithin  ist  selbst  diese  moderne  Ferien- 
Decoration  stechnik  dem  Alterthume  entlehnt:  von  Kttrbis  und  Kohr  wanderte  sie 
in  die  Keramik.  — 

Figur  11. 


Die  Figuren  11 — 14  führen  uns  zur  zweiten  Gruppe  der  heute  zu  beleuch- 
tenden technischen  Verfahren,  den  Flechtarbeiten. 

Neuerdings  ist  Keknli-  wieder  vor  der  Archäologischen  Gesellschall  dieser 
Frage  ausführlich  näher  getreten;  durch  seine  Ausführungen  bin  ich  weiter  ange- 
regt worden.  Gerade  unsere  Abbildungen  zeigen  ja,  wie  schlagend  die  voi^oftihrten 
Repräsentanten  nach  diese  Seite  beleuchten.  Aber  alle  oder  überhaupt  nur  die 
meisten  antiken  Formen  und  Decorationen  auf  Flechtarbeiten  und  geflochtene  Ge- 
fiiase  zurückfuhren  zu  wollen,  dürflc  kaum  möglich  sein.  Bereits  sahen  wir,  wie 
für  viele  Formen  technische  und  stylistische  Einzelheilen  aus  der  Kürbisgeräss- 
technik  hervorgingen.  Natürlichl  Ehe  man  irgend  welchen  Gegenstand  ans  Rohr, 
Blättern,  Binsen,  Stroh  n.  e.  w.  flechten  kmU\  brach  man  den  Flaschenkürbis, 
benutzte  ihn  im  Alltagsleben,  lernte  ihn  auch  roh  dccoriren,  und  ahmte  auch  diese 
Geflissart  zuerst  in  Thon  nach. 

In  Fig.  11  bilde  ich  eine  11,2  <■»■  hohe  Schachtel  ab.     Sie  ist  aus  Blatttheilen 


der  Dattelpalme  geflochten.  Eid  ebenfalls  geflochtener  Deckel  ist  zum  Auf-  und 
ZaschnUren  eingerichtet;  die  dabei  dienenden  Schnüre  sind  aus  demselben  Palmen- 
blattmateriale  angefertigt. 

Fig.  13  ist  eines  jener  fass-  oder  eiförmigen  Thongefässe  der  Kupfer-Bronze- 
zeit, die  offenbar  einfach  aolchen  Palmen  blattschachteln,  wie  Kig.  11,  nachgemacht 
sind.  Es  ist  wieder  der  polirte  Thon  und  sind  die  Vertiefungen  mit  weisser  Kreide 
ausgefüllt.  Ein  ganz  entsprechendes  Thongeniss,  das  auch  F.  DUmmler  auf 
Beilage  II,  U  der  Mittheilungen  des  deutschen  Archäolog.  Institutes  zu  Athen 
Band  XI  abgebildet  hat,  wurde  in  derselben  Ausgrabung  August  1885  zu  Hagia 
Paraskevi  im  Erdgrabe  Nr.  4  von  mir  gefanden,  während  Grab  Nr.  2  eine  henkel- 
lose  Thonflasehe,  wie  unsere  Fig.  2,  lieferte.  Man  sieht  bei  diesen  Gefassen  sofort, 
dass  sie  geflochtenen  nachgebildet  sind ;  die  horizontalen  Schichten  und  die  sich 
in  schrägen  Winkeln  kreuzenden  parallelen  Liniensegment-Gruppen  beweisen  auf 
das  Klarste  die  Nachahmung  geflochtener  Schachteln,  wozu  unsere  Palmenblatt- 
schachtel  Fig.  11  das  überzeugende  Vorbild  abgicbt.  Selbst  entsprechende  ge- 
flochtene Deckel  sehen  wir  hier  in  Thon  nachgeahmt.  Der  in  Fig.  15  abgebildete 
Deckel  ohne  Durchbohrung,  mit  mutzen-  oder  hornartigem  Grifl',  gehörte  zu  den 
von  F.  Dümraler  reproducirten  Stücken.  Ich  bilde  ihn  der  Vollständigkeit  halber 
mit  ab  und  weil  er  uns  wieder  an  ähnliche  Deckel  von  Hissarlik  erinnert. 

Fig.  13  ist  ein  modemer  Strohtcller  von  39  cm  Durchmesser,  Fig.  14  ein  an- 
tiker, 24  cm  Durchmesser  haltender  Thonteller,  welcher  wieder  in  deutlichster 
Weise  einen  antiken  Strohteller  nachahmt,  ebenfalls  Handarbeit  ohne  Töpferscheibe 
and  von  mir  188.5  in  einem  Kapfer-Bronzezeitgrabe  ausgegraben.  —  Der  moderne 
Strohteller  ist  flacher,  als  der  stärker  gewölbte  antike  aus  Thon.  Beim  modernen 
ein  Henkel,  der  beim  antiken  fehlt.  Dabei  zeigt  der  moderne  8  troh  teil  erben  kel, 
wie  gewisse  Schneppenhenkel  an  Kupfer-Bronzezeit-Schalen  und  graecophönikischen 
Eisenzeit-Teilern  solchen  Strohtellerhenkeln  nachgebildet  sind').  — 

Nächst  der  RUrbisgerässtcchnik  haben  Holzarbeiten,  Gefa^se  aas  Holz,  rohe 
Tischlerarbeiten  und  Holzdrechalorarbeiten  sowohl  gewisse  technische 
Verfahren  in  der  Keramik,  wie  in  der  Metall technik,   beeinfluasl. 

In  Fig.  7  bilde  ich  ein  Frachtstück  unter  den  keramischen  Erzeugnissen  der 
Kupfer- Bronzezeit  ab,  welches  ich  1H89  für  die  Kgl.  Berliner  Museen  zu  Tamassos 
Grab  20  Sect  V  im  Lamberti- Hügel  ausgrub  und  welches  sich  jetzt  im  Antiquarium 
befindet.   Diese  mächtige,  wohl  etwa  W  cm  im  Durchmesser  haltende  Schale  wurde 

1)  F.  D9mmler  in  d.  MitUieilung<>n  m  Athen,  Beilage  II  Fig.  12.  Journal  of  Cypriaii 
Stadies  Taf.  I.  iS;  H,  28c  und  16a. 


(40) 


in  Stücken  zerbrochen  ausgegraben.  Der  schlecht  gebrannte  Thon  ist  der  Grund, 
dass  nicht  schon  mehr  Schalen  derselben  Gattung  von  Anderen  und  mir  in  die 
Sammlungen  gelangten.  Uebrigens  enthielten  auch  mehrere  Gräber  in  derselben 
Section  V  entsprechende  Schüsseln.  Erst  durch  diesen  Fund  verstehe  ich  Frag- 
mente von  entsprechenden  Exemplaren,  die  theils  aufgelesen  (Psemmatismeno  18^5), 
theils  ausgegraben  wurden  (Hagia  Paraskevi  1885). 

Wir  haben  es  also  durchaus  nicht  mit  einer  Abnormität  oder  der  Schrulle 
eines  reichen  Arbeitgebers,  sondern  mit  einem,  für  den  gewöhnlichen,  wenn  auch 
besseren  Markt  fabricirten  Typus  zu  thun.  In  vier  Abständen  sind  an  und  unter 
dem  Schalenrande  angebracht  ein  grosser  Ausgiesser  und  drei  Henkel,  davon  zwei 
von  gleicher  Grösse  und  Form.  Um  den  Rand  läuft  in  Zickzacken  ein  erhaben  in 
Relief  gebildetes  Bund;  dazwischen  und  darunter  viele  concentrische  Kreise  mit 
Centralpunkt,  die  hineingestempelt  sind.  Das  ganze  Gefäss,  die  massiven  Henkel, 
die  dicken  Thonwandungen,  vor  allem .  die  Ornamente  und  deren  Ausführung  lassen 
auf  ein  hölzernes  Vorbild  schliessen. 

Ich  bilde  in  Fig.  16  das  Stück  der  Lehne  eines  modernen  cyprischen  Bauem- 
stuhles  ab.     Auch  hier  liefert  der  Vergleich  die  beste  Controle.  — 

Neben  den  Holzarbeiten  laufen  die  Rohrarbeiten  ohne  Flechten  her.  Die 
Betrachtung  der  modernen  cyprischen  Spindeln  und  Rocken  (Kunkeln)  geben  uns 
da  wieder  neue  und  überraschende  Gesichtspunkte,  gewisse  antike  Gegenstände 
aus  Thon,  Stein,  Kupfer  oder  schwach  zinnhaltiger  Bronze  besser  zu  verstehen  und 
ihren  Gebrauchszweck  festzustellen. 

In  Fig.  17  sehen  Sie  die  gewöhnliche  cyprische  Handspindel,  die  ohne  das 
oben  aufsitzende  eiserne  Häkchen  22,5  cm  lang  ist.  Sie  besteht  aus  dem  Wirtel, 
oft  mit  roth  und  schwarzen  (oder  roth  und  grünen)  Streifen  bemalt,  und  der  im 
Wirtel  steckenden  Spindel  von  Nadel-  oder  Bolzenform. 

Figur  20. 
Figur  17.  Figur  18.        Figur  19. 


Figur  1«. 


In  Fig.  IH  haben  Sie  die  schwach  zinnhaltige  bronzene  oder  überhaupt  kupferne 
Bronzenadel,  die  in  dem  thönernen  Spinnwirtel  so  steckte,  wie  es  Fig.  19  zeigt 
Beide  Stücke  grub  ich  1885  zu  Hagia  Paraskevi  im  Grabe  4  mit  dem  Fassgeföss 
vom   Typus,    wie   hier   Fig.  12,    aus.     Die    Bronzespindel,    15  mi    lang,    und   den 


(«) 

Thonspinnwirtel  flnden  Sie  auch  im  Joarnul  oF  Cyprian  Stadiea  Taf.  II,  3d  und  e 
abgebildet,  ebenda  unter  3  Grab-Grnndriss  und  Durchschnitt. 

Fig.  20  zeigt  Ihnen  stärker  verkleinert  einen  jener  mächtigen,  ohne  den  eisernen 
Qaken  39  cm  hohen  und  schweren  Spinnwirtel,  mit  dem  die  zottige,  weniger  Teine, 
aber  starke  und  schwer  glatt  und  gerade  zn  spannende  Schafwolle  und  das  Ziegen- 
haar gesponnen  werden.  Die  kleine,  in  Fig.  17  abgebildete  Handspindel  ist  nur 
für  Baumwolle  und  Elanf.  Auch  hier  steckt  der  grosse  Bolzen  in  dem  nicht 
weniger  als  etwa  8  cm  langen,  schweren  Spinnwirtel.  Abwechselnd  schwarze  und 
rothe  Horizontal  streifen  laufen  in  paralleler  Anordnung  hemm. 

Nun  versteht  man  aach,  dass  in  der  That  alle  die  grossen  schweren,  bald  ein- 
fach kegelförmigen,  bald  doppelkegeirörmigen,  bald  mehr  abgeplatteten  oder  ab- 
gerundeten Gegenstände  ans  Tbon  und  Stein,  die  Viele  ihrer  Schwere  nnd  Grösse 
wegen  nicht  als  Spinnwirtel  gelten  lassen  wollten,  dennoch  Spinnwirtel  sind. 

Freilich  Fig.  21  ist  gleich  wieder  ein  Irappantes  Beispiel,  dass  man  überall,  so 
auch  hier,  mit  dergleichen  allgemeinen  Gesichtspunkten  vorsichtig  sein  muss.  Hier 
steckt  ein  thönemer  antiker  Gegenstand  an  einer  bronzenen  oder  kupfernen  Nadel. 
Pig.  22  und  23,    Exemplare    des 

Figur  24. 

Figur  23. 


Figur  25. 


heutigen  Spinnrockens,  beweisen, 
dass  wir  es  anch  bei  Pig.  31  mit 
einem    antiken  Spinnrocken  und 
nicht    mit    der    Handspindel    zu        '^"^ 
thun  haben.  ^fc 

In  Fig.  23  ist  der  in  Karpaso-  WihJ 
Dörfern,  besonders  im  Dorfe  Gia-  w^M 
lussa  tlbliche,  mit  eingeritzten  gnC 
Ornamenten  (die  mit  Pulver  ge-  ^'^/(ß 
schwärzt     sind)     und     hineinge-  " 

pressten  bunten  Glasperlen  ge- 
schmückte Rocken  sichtbar.  Hier 
sind  auf  dem  Rohrcylinder  nur  Figur  22. 
zwei  (acher^chtfSrmige  Kugeln 
dicht  übereinander  dadurch  er- 
zeugt, dass  fein  geschnittene 
Rohrstäbchen  gegen  einander  um 
den  Rohrcylinder  gestellt  wurden. 

In  Pig.  22  ist.  der  Rocken 
der  Bäuerinnen  von  Pera  (bei 
Tamaasos)  abgebildet.  Ohne  wei- 
tere VerziemDgen  sieht  man  drei 
Kugeln  über  einander  an  und  um 
den  Rohrcylinder  gestellt.  Diese  Rohrrocken  oder  Rohrkunkeln  sind  ausser- 
ordentlich leicht  und  praktisch,  weil  viel  Baumwolle,  Hanf  oder  Wolle  daran  haften 
kann.  Die  Spinnerin  hält  den  Rocken  entweder  mit  der  Linken  oder  steckt  ihn 
sich  in  den  Busen,  während  sie  mit  der  Rechten  den  Paden  spinnt  und  die  Spindel 
auf  dem  Rüie  abschlägt. 

A.  V.  Gohausen  hat  im  XV.  Bande  der  Annalen  für  die  Nassaoische  Alter- 
thumskunde  nnd  Geschichtsforschung  S.  24—27  Über  das  Spinnen  bei  den  Alten 
gehandelt  und  auch  Taf.  II  Fig.  1—4  und  Fig.  15  Spindeln,  Rocken  und  Spinne- 
rinnen  nach  ägyptischen  und  griechischen  Bildern  abgebildet.    Anch  er  weist  be- 


(42) 

reite  darauf  hin,  dass  die  grösseren  und  schwereren  Wirtel  auf  gröbere  Wolle  und 
dickeren  Faden  schliessen  lassen. 

Zu  dem  grossen,  in  Fig.  20  abgebildeten  hölzernen  Spinnwirtel  für  Wollefaden 
gehört  der  grosse  hölzerne,  in  Fig.  24  abgebildete,  gleich  grosse,  hölzerne  Spinn- 
rocken. Er  ist  mit  grünen  und  rothen  Farbstreifen  decorirt  und  die  sauber  ge- 
drechselte Form  entbehrt  trotz  aller  Einfachheit  nicht  einer  gewissen  Eleganz. 

Der  in  Fig.  25  abgebildete,  einem  Kupfer- Bronzezeit- Felsgrabe  zu  Hagia 
Paraskeri  bei  Nicosia  entnommene,  schwach  zinnhaltige,  13,5  cm  lange  Bronze- 
gegenstand, den  ich  mir  selbst  Jahre  lang  nicht  erklären  konnte,  wird  uns  nun  auf 
einmal  verständlich.  Es  ist  ein  antiker  Spinnrocken.  Bohrspindeln,  wie  die  von 
Pera  und  Gialussa,  gedrechselte  Holzspindeln,  wie  die  vom  Drechsler  in  Nicosia 
gekaufte  (Fig.  24),  wurden  vom  Metall techniker  zugleich  benutzt  und  zu  einer 
Form  combinirt.  Oben  haben  wir  eine  Fächerfrucht  ganz  wie  der  Rohrrocken- 
kopf, darunter  die  Riefen  und  vorspringenden  Ringe,  wie  bei  dem  Holzrocken. 

Zwei  von  Schliemann  in  Hissarlik  gefundene  Gegenstände  aus  Silber,  mit 
einer   ähnlichen  Fächerfrucht  oder  Rohrquirl  am  Ende,   können  Spinnrocken  sein. 

Wie  die  vorgeführten  modernen  Gegenstände  aus  Kürbis,  Flechtwerk,  Rohr, 
Holz  merkwürdige  Parallelen  zu  den  entsprechenden  Gegenständen  im  Alterthume 
lieferten  und  so  ein  Stückchen  Hausindustrie  und  Sittenleben  illustrirten,  so  gilt 
nun  dasselbe  für  die  ganze  Einrichtung  der  Häuser  und  deren  Bauart: 

Ich  verspare  mir  die  Abbildungen  von  modernen  Fenstern,  Thüren,  Riegeln, 
von  Säulen  aus  Holz  und  Stein,  von  Säulenhallen  und  Hausinterieurs  auf  die  Ver- 
öiTentlichung  meiner  vorjährigen,  für  die  Königl.  Berliner  Museen  gewonnenen  Aus- 
grabungsresultate. Selbige  werden  demnächst  in  meinem,  in  Buchform  mit  einem 
unserer  ersten  Verleger  herauszugebendem  „Journal  of  Cyprian  and  Oriental  Studies" 
erscheinen.  Es  ist  mir  nehmlich  geglückt,  in  einem  zweikammerigen  graeco-phöni- 
kischen  Königs-  oder  Fürstengrabe  aus  dem  6.  vorchr.  Jahrhundert  die  Nachahmung 
eines  antiken  Holzbaues  aufzufinden,  wie  bisher  nicht  einmal  annähernd  Aehnliches 
bekannt  war,  selbst  die  lykischen  Gräber  mit  eingerechnet.  Der  Vorbau  hat  ein 
horizontales  Dach  und  wird  durch  Wandpfeiler  getragen,  denen  protoionische 
Capitelle  oder  ionisirende  capitellartige  Voluten  als  Krönung  dienen.  Die  Kammern 
selbst  haben  spitze  Balkendächer.  An  den  nicht  mit  Thüren  versehenen  Seiten 
der  Hauptkammer  sind  mit  Riegeln  von  Innen  geschlossen  gedachte  blinde  Thüren 
angebracht.    Die  Verriegelung  in  Stein  ist  dieselbe,  wie  die  heutige  aus  Holz. 

lieber  den  Thüren  sind  Fensternischen  mit  reich  durchbrochener  Holzschnitz- 
arbeit an  den  niedrigen  Brüstungen  in  Stein  dargestellt.  Ganz  entsprechende 
Fenster  ähnlicher  Form,  heute  aus  Holz,  finden  sich  bei  den  Cjrprischen  Bauern. 
Auch  für  jene  Säulen  aus  Holz  und  Stein,  die  sowohl  in  der  Stylistik,  wie  in  der 
Anordnung  und  Bauweise  an  den  Vorbau  unseres  Fürstengrabes  erinnern,  ja  die 
für  die  Profilstellung  der  antiken  Pfeiler  den  Schlüssel  liefern,  habe  ich  in  cypri- 
schen  Bauerhäusem,  besonders  wieder  im  Karpas,  die  Erklärung  gefunden. 

An  der  Innenseite  der  Thüren  der  drei  steinernen,  von  mir  1889  zu  Tamassos 
ausgegrabenen  Fürstengräber  sind  femer  hölzerne  Schlösser  in  Stein  angegeben. 
Diese  Schlösser  konnten  nur  dadurch  geöffnet  werden,  dass  man  durch  ein  rundes, 
in  der  Thür  oder  Wand  befindliches  Loch,  gross  genug  den  Arm  aufzunehmen, 
mit  dem  Arm  hineinfuhr  und  so  den  Schlüssel  innen  in  das  Schloss  stecken  und 
die  Schliessvorrichtung  emporheben  und  auf  diese  Weise  öffnen  konnte. 

Das,  was  wieder  unser  rühmlichst  bekannter  Forscher  A.  von  Cohausen  im 
Bande  XIU    der  Annalen   des  Vereins    für  Nassauische  Alterthumskunde  und  Ge- 


(43) 


Schichtsforschung  Taf.  X  Fig.  2    an   der  Hofthür  des  Szekler  Hauses  1873  auf  der 

Wiener  Weltausstellung  beobachtete,  dasselbe  ist  auf  Cypern  bei  den  meisten  aller 

jener  von  den  Dörfern  fem  gelegenen  Hirtenhäuser  und  Sommerwirthschaftshäuser 

der  Brauch.    Man   fährt   mit  Schlüssel,    Hand   und  Arm    durch    ein   rundes  Loch 

hinein  und  öffnet  von  innen. 

Figur  26. 


In  Fig.  26  lege  ich  Ihnen  wenigstens  noch  das  cyprische  Holzschloss  vor.  Es 
giebt  noch  ganze  Dörfer,  in  denen  kein  einziges  eisernes  Schloss  aufzutreiben 
wäre. 

Sie  sehen,  Alles  ist  aus  Holz,  während  in  Syrien,  drüben  in  Beirut  und  Tripolis, 
ein  ähnliches  Holzschloss  bei  Magazinen  im  Gebrauch  ist;  doch  ist  dabei  der 
Schlüssel  von  Eisen.  Aehnliche  Holzschlösser,  wie  auf  Cypern,  sollen  in  anderen 
orientalischen  Ländern,  auch  in  Nordafrika  in  Brauch  sein. 

V.  Cohausen  bildet  auf  derselben  Tafel  X  Fig.  5  ein  Holzschloss  ab,  wie  es 
auf  dem  Hundsrück  und  auf  dem  Westerwald  noch  üblich  sein  soll.  Dieses 
zeigt  in  der  That  mit  dem  cyprischen  die  grössten  Verwandtschaften.  Bei  dem 
deutschen  Schlosse  sind  nur  3  auf-  und  absteigende  Fallriegel,  die  in  den  grossen 
Schlossriegel  ein-  imd  ausheben.  Bei  dem  cyprischen  kommt  ein  vierter  Fallriegel 
hinzu,  der  sich  wieder  aus  3  schmalen  Riegeln  zusammensetzt.  Da  diese  letzten 
3  Riegelchen  von  xmgleichem  Ausschnitt  sind,  muss  das  Holzschlüsselende  dem 
entsprechend  gezähnelt  sein,  um  mit  seinen  Zahnschnitten  in  die  entsprechenden 
Zahnschnitte  der  letzten  3  Fallriegelchen  eingreifen  zu  können. 

Die  Abbildung  zeigt  den  Schlüssel  im  Schlosse,  die  Fallriegel  vermittelst  ihrer 
Schwere  hinuntergefallen  in  die  Zahnausschnitte  des  Hauptriegels  und  des  Schlüssels. 
Zieht  man  den  Schlüssel  heraus,  bleibt  das  Schloss  geschlossen.  Hebt  man  den 
Schlüssel  in  vertikaler  Richtung  nach  oben,  kann  der  Hauptriegel  zur  Seite  ge- 
schoben und  die  Thür  demnach  geöffnet  werden. 

Ich  glaube  diese  wenigen  Mittheilungen  genügen,  auf  die  Wichtigkeit  cypri- 
scher  Studien  in  der  von  mir  zum  ersten  Male  betretenen  Weise  hinzuweisen. 
Anthropologie,  Ethnographie,  Archäologie  und  Culturgeschichte  überhaupt  ziehen 
daraus  gleich  grossen  Nutzen.  — 


(44) 

(16)    Hr.  Virchow  macht  Mittheilungen 

SEHT  Anthropologie  der  WestaMkaner,  besonders  der  Togo-Stämme. 

Hr.  Dr.  von  Danckelman  hat  mir,  wie  schon  erwähnt  (Verh.  1890.  S.  608), 
aus  dem  Nachlasse  des  Stabsarztes  Dr.  Ludwig  Wo  1  f  3  Notizbücher  mit  anthropo- 
logischen Aufnahmen  zugehen  lassen.  Nicht  ohne  Rührung  habe  ich  daraus  von 
Neuem  ersehen,  mit  welchem  Ernst  der  Verstorbene  die  ihm  vorliegenden  Auf- 
gaben ins  Auge  gefasst  und  mit  welcher  Sorgfalt  er  die  Mittel  zu  ihrer  Lösung 
vorbereitet  hatte. 

Die  Bücher  sind  in  bequemem  Taschenformat  zugeschnitten.  Die  beiden 
ersten,  welche  in  Leder  gebunden  sind  und  äusserlich  die  eingepresste  Bezeich- 
nung F.  St.  T.  A.  1  und  A.  2  tragen,  enthalten  im  Abklatsch  nach  geschriebener 
Vorlage  wörtliche  Copien  des  von  mir  entworfenen  Schemas  zu  anthropologischen 
Aufnahmen,  in  der  Art,  dass  jedesmal  zwei  Seiten  für  die  Beschreibung,  zwei  andere 
für  die  Messungen  vorbehalten  sind.  Das  dritte  ist  ein  gewöhnliches  Notizbuch, 
in  Wachsleinwand  geheftet;  es  beginnt  mit  einem  Auszuge  meines  Artikels  in 
Neumayer' s  Anleitung  zu  wissenschaftlichen  Beobachtungen  auf  Reisen.  II. 
S.  317,  und  giebt  nach  einer  Aufzählung  der  Messinstrumente  eine  Aufführung  zu- 
nächst der  bei  der  mindesten  Anforderung  verlangten  Maasse,  dann  der  Maasse 
„wenn  mehr  Zeit".  Um  die  ersteren  nicht  zu  übersehen,  sind  in  dem  zweiten  der 
ledergebundenen  Bücher  im  Voraus  von  vom  bis  hinten  die  ^nothwendigen"  Maasse 
auf  jeder  Seite  roth  angestrichen. 

Unverkennbar  ist  dieses  Verfahren  ein  sehr  praktisches  und  in  mehreren  Be- 
ziehungen ein  besonders  empfehlenswerthes.  Dem  Verlust  einzelner  loser  Blätter 
ist  sicher  vorgebeugt,  die  Mitnahme  erleichtert  und  die  Möglichkeit  jederzeitigen 
Beginns  der  Aufnahmen,  wenn  auch  vielleicht  nur  der  beschreibenden,  gegeben,  — 
Vorzüge,  welche  namentlich  auf  einer  mit  grösseren  äusseren  Schwierigkeiten  um- 
gebenen Reise  nicht  gering  zu  veranschlagen  sind. 

Die  Durchsicht  der  Bücher  zeigt  aber  auch,  dass  die  Aufgabe,  im  Umher- 
ziehen anthropologische  Messungen  zu  veranstalten,  selbst  für  einen  so  gut  vor- 
bereiteten, so  eifrigen  und  so  hingebenden  Reisenden,  wie  Ludwig  Wolf  es  war, 
nur  in  einer  gewissen  Beschränkung  durchführbar  ist  Man  kann  deutlich  verfolgen, 
wie  mit  jedem  Tage  vorwärts  die  Neigung  zu  Reduktionen  der  festzustellenden 
Nummern  zunimmt;  von  Zeit  zu  Zeit  kommt  wieder  eine  Selbstaufmunterung,  die 
Zahl  der  ausgefüllten  Nummern  wächst,  —  aber  es  dauert  nicht  lange,  dann  ver- 
sagt die  Kraft.  Leider  ist  gerade  die  erste  beschreibende  Nummer  der  Listen  (Ort 
und  Tag  der  Aufnahme)  nur  in  folgenden  Fällen  ausgefüllt:  Die  erste  Aufnahme 
ist  vom  14.  October  1888  in  Adeli;  dann  folgen  in  dem  Buche  A.  1  28  Aufnahmen, 
von  denen  nur  eine  (Nr.  16)  Ort  und  Zeit:  Bismarckburg,  G.  11.  89,  angiebt;  bei 
einer  zweiten  (Nr.  14)  steht  als  Ort  „Station",  also  wohl  auch  Bismarckburg,  bei 
einer  ilritten  (Nr.  22)  das  Datum  18.  October  1888.  Das  Bändchen  A.  2  enthält 
überhaupt  nur  3  Aufnahmen;  davon  sind  die  ersten  beiden  auf  der  Station  am 
16.  März  1889  gemacht,  die  dritte  auf  den  October  1888  ohne  Ortsangabe,  offenbar 
erst  später,  eingetragen.  Man  darf  wohl  annehmen,  dass  alle  drei  Uebungsaufhahmen 
waren,  denn  Nr.  2  betrifft  den  uns  bekannten  Diener  Wolfs,  den  Wakussu  Sao- 
kuru,  und  Nr.  3  einen  anderen  Diener,  den  Muluba  Kalala,  beide  aus  dem  Congo- 
Gebiet.  Letzterer  erscheint  übrigens  noch  einmal  unter  dem  15.  März  1889  unter 
den  Aufnahmen  des  Notizbuches  (Nr.  11).  Auch  das  Buch  A.  1  beginnt  mit  der 
Aufnahme  eines  Haussa,  wo  ausdrücklich  das  Wort  „Beispiel^  übergeschrieben  ist; 
trotzdem  fehlt  auch  hier  die  Angabe  über  Zeit  und  Ort. 


(45) 

Diese  Omissiooen  sind  um  so  mehr  zu  bedaaern,  als  sie  uns  sogar  der  fVende 
berauben,  den  Reisenden  gleichsam  an  der  Arbeit  zn  sehen.  Aber  sie  entziehen 
auch  der  Kritik  wichtige  Anhaltspunkte,  denn  es  ist  klar,  dass  Messungen  in  der 
Ruhe  der  „Station^  ungleich  höheren  Anspruch  auf  Correktheit  haben,  als  solche 
auf  der  Reise.  Da  einzelne  Eintragungen,  wie  Nr.  16  in  A.  1  und  Nr.  3  in  A.  2, 
erst  nachträglich  gemacht  sein  müssen,  so  lässt  sich  nicht  einmal  aus  der  Reihen- 
folge der  Nummern  ein  Schluss  auf  Zeit  und  Ort  der  Aufnahmen  machen. 

Glücklicherweise  fehlt  nirgends  die  Angabe  des  Stammes.  Wir  erfahren  so, 
dass,  abgesehen  von  dem  Haussa  und  den  beiden  Congo-Leuten,  aufgenommen  sind 

19  Wei  2  Aposso 

1  Mende  13  Kebu 

3  Mandingo  4  Adeli 

23  19 

im  Oanzen  42  Leute.  Darunter  waren,  abgesehen  von  der  wahrscheinlich  irrthtim- 
lichen  Eintragung  eines  Wei  (A.  1  Nr.  11),  nur  4  Weiber,  sämmtlich  Rebu  (Taschen- 
buch Nr.  1—4). 

Die  zuerst  genannten  23  Personen  gehörten  benachbarten  oder  etwas  entfern- 
teren westafrikanischen  Stämmen  an,  von  denen  einzelne,  wie  die  Mandingo,  an- 
thropologisch wenig  studirt  sind.  Für  das  Togo-Gebiet  selbst  haben  jedoch  nur  die 
zweiten  19  Personen  Bedeutung:  die  Aposso  wohnen  in  geringerer  Ekitfemung  von 
der  Küste;  wenn  er  ihr  Land  passirt  hat,  gelangt  der  Reisende  zu  den  Kebu  und 
dann  zu  den  Adeli,  in  deren  Lande  die  Station  Bismarckburg  errichtet  ist.  Es 
sind  dies  Inlandsstämme,  über  welche  Genaueres  zu  erfahren,  sehr  wichtig  ist. 
Aber  es  ist  sehr  zu  beklagen,  dass  von  den  weiteren  Reisen  des  Dr.  Wolf  und 
namentlich  von  seiner  letzten  auch  nicht  eine  einzige  Aufzeichnung  vorhanden  ist. 

In  dem  Taschenbuch  findet  sich  ausserdem  das  sorgfältig  ausgearbeitete  Gerüst 
eines  Vokabulars,  aber  leider  ohne  eine  einzige  Angabe.  Nur  ein  eingelegtes  loses 
Blatt  enthält  eine  kleine  Reihe  von  Namen  für  ethnographische  Gegenstände  und 
Bekleidungsstücke,  das  am  Schlüsse  mitgetheilt  werden  wird.  Auch  sind  einige 
Farbenbezeichnungen  und  Angaben  .  über  die  Unterscheidung  von  Blau  und  Grün 
unter  den  beschreibenden  Notizen  aufgeführt.  Eine  einzige  zusammenhängende 
Darstellung  steht  in  dem  Taschenbuch :  sie  betrifft  Gegenstände  der  Religion  oder 
des  Aberglaubens. 

Unter  den  Maassangaben  verschwindet  am  frühesten  die  „Ohr höhe".  Sie  ist 
nur  bei  6  Personen  (1  Haussa,  2  Wei  und  3  Mandingo)  genommen.  Diese  Omission 
ist  leicht  verständlich,  da  die  Messung  für  die  Leute  peinlich  ist  und  höchst  un- 
gern zugelassen  wird.  Sehr  viel  vollständiger  sind  die  Angaben  über  Körper- 
höhe und  Klafter  weite:  die  erstere  fehlt  nur  einmal  (bei  einem  Adeli  Nr.  27); 
die  letztere  dagegen  22  mal,  darunter,  was  schwer  verständlich  ist,  bei  sämmtlichen 
Kebu.  Die  Differenzen  beider  Maasse  sind  stellenweise  so  stark,  dass  man  an  Irr- 
thümer  denken  muss.  So  beträgt  die  Differenz  bei  einem  Wei  (Nr.  15)  203,  bei 
einem  anderen  (Nr.  2)  189  mm.  Gesichtshöhe  und  Gesichtsbreite  sind  nur 
bei  den  Kebu  vollständig  aufgeführt;  unter  den  anderen  lässt  sich  der  Gesichts- 
index nur  8  mal  berechnen  (1  Haussa,  4  Wei  und  3  Mandingo).  Am  schlimmsten 
steht  es  mit  den  so  wichtigen  Nasenmaassen:  ein  Index  ist  nur  4  mal  (bei  dem 
Haussa  und  den  3  Mandingo)  zu  berechnen.  Hier  liegt  der  Mangel  jedoch  weniger 
in  der  Omission,  obwohl  sie  häufig  genug  vorkommt,  sondern  viel  mehr  in  einer 
augenscheinlichen  Irrung.  In  meinem  Schema  sind  die  Höhe  und  die  Länge  der 
Nase  unterschieden  und  Dr.  Wolf  hat  in  seinen  Vorbemerkungen  auch  ausdrück- 
lich die  Nasenhöhe  definirt  als  die  „gerade  Entfernung  der  Nasenwurzel  von  dem 


(46) 

Ansätze  der  Nasenscheidewand  an  der  Oberlippe".  Er  setzt  auch,  meiner  Instruk- 
tion entsprechend,  hinzu:  „Abstand  der  Nasenspitze  von  dem  Ansätze  der  Nasen- 
scheidewand =  Elevation".  Offenbar  hat  er  aber  alsbald  Höhe  und  Elevation  ver- 
wechselt, denn  schon  bei  Nr.  2  giebt  er  als  Maass  der  Höhe  18,  bei  Nr.  3  15  ww, 
was  nur  für  die  Elevation  passt.  Was  er  unter  Nasenlänge  (nach  meiner  Aus- 
drucksweise „Länge  des  Nasen  rücke  ns**)  verstanden  hat,  ist  nicht  zu  ersehen; 
möglicherweise  hat  er  mit  diesem  Ausdruck  die  Nasenhöhe  bezeichnen  wollen. 
Uebrigens  hören  die  Angaben  über  die  Nasenmaasse  sehr  bald  ganz  auf;  nur  bei 
den  Kebu  ist  die  „Höhe"  aufgeführt,  aber  nicht  mehr  die  Breite. 

Eine  tabellarische  Ucbersicht  sämmtlicher  vorhandener  Maassangaben  wird  am 
Schlüsse  vorgelegt  werden.  Bevor  ich  die  Hauptresultate  zusammenfasse,  will  ich 
nur  noch  ein  Paar  Beispiele  anführen,  um  zu  zeigen,  wie  selbst  in  der  Hand  eines 
so  gut  geschulten  Arztes  das  Messen  sich  als  eine  recht  schwierige  Kunst  erweist 
Wie  schon  erwähnt,  kommt  der  Muluba-Diener  Ralala  zweimal  vor.  Er  wurde 
im  October  1888  (A.  2,  Nr.  3)  und  am  15.  März  1889  (Taschenbuch  Nr.  11)  ge- 
messen.    Die  verzeichneten  Maasse  lauten  folgendermaassen: 

1888  1889 

Körperhöhe 1538,0  mm  1551  vi>u 

Grösste  Länge  des  Kopfes 179,2   „  180   „ 

.        Breite    „         „  142,0    „  129    „ 

Höhe  des  Gesichts  (Nasenwurzel  bis  Kinn)     108,0    .,  109    „ 

Jochbreite 127,0   „  129    „ 

Malarbreite 121,0   „  120    „ 

Maxillarbreitc 106,0    „  108    „ 

Nasenhöhe 18,5    „  (44?)  46    „ 

Obwohl  Kalala  noch  ein  Junge  im  Alter  von  13—14  Jahren  war,  so  kann 
doch  nicht  angenommen  werden,  dass  seine  Kopf  breite  in  einem  halben  Jahre  um 
13  mm  kleiner  geworden  ist.  Es  würde  sonst  zugestanden  werden  müssen,  dass 
sein  Schädelindex  im  Jahre  1888  79,3,  also  fast  brachycephal  und  ein  halbes  Jahr 
später  71,6,  also  ausgemacht  dolichocephal  gewesen  wäre.  Dieser  Fehler,  vielleicht 
nur  ein  Schreibfehler,  ist  um  so  mehr  bedauerlich,  als  alle  anderen  Maasse  er- 
träglich stimmen,  selbst  die  Nasenhöhe,  wenn  man  im  Jahre  1888  statt  der  „Ele- 
vation" die  „Nasenlänge"  (44)  einsetzt. 

Von  besonderem  Interesse  waren  mir  die  Angaben  über  Sankuru.  Ich  habe 
denselben  im  Jahre  1883  (Verh.  S.  511)  mit  Hrn.  Wolf  zusammen  gemessen,  gerade 
um  diesen  noch  einmal  im  Messen  zu  controliren  und  zu  instruiren.  Damals 
wurde  der  kleine  Bursche  auf  11 — 12  Jahre  geschätzt.  Seitdem  waren  mindestens 
57^  Jahre  verstrichen  und  Dr.  Wolf  nahm  ganz  entsprechend  am  16.  März  1889 
ein  Alter  von  etwa  16  Jahren  an.     Die  parallelen  Maasse  stellen  sich  nun  so: 


Körperhöhe 

Grösste  Länge  des  Schädels 

Gesichtshöhe  B 

Gesichtsbreite  a  (jugal)  .     . 

b  (malar)  .     . 

c  (maxillar)  . 
Hier  erhellt  sofort,    dass    bei  dem  Malar-Durchmcsser  (Entfernung  der  beiden 

1)  Hr.  Wolf  bemerkt,  dass  er  im  October  18S8  dasselbe  Maass  gefanden  habe. 


erbst  1883 

Frühjahr  1889 

1449  mm 

1609  mm') 

192  , 

198  „ 

139  „ 

137  , 

HO  , 

114  , 

12G  „ 

135  , 

«1  r 

130  ^ 

95  , 

115  . 

(47) 

Tuberositates  von  einander)  ein  Trrthum  im  Messen  stattgefunden  haben  ranss. 
Denn,  ganz  abgesehen  davon,  dass  dieser  Durchmesser  in  5 — 6  Jahren  nicht  um 
49  mm  zugenommen  haben  kann,  so  ist  auch  die  für  1889  angegebene  Zahl  ganz 
unmöglich.  Und  doch  definirt  Dr.  Wolf  „die  obere  Breite  des  Gesichts"  ganz 
richtig  als  die  Entfernung  „von  dem  unteren  Rande  (Höcker)  des  einen  Wangen- 
beines bis  zu  demselben  Punkte  des  anderen".  Auch  die  Distanz  der  Unterkiefer- 
winkel zeigt  eine  Dififerenz  von  20  mm^  die  kaum  als  richtig  zugestanden  werden 
kann.  Bei  der  Ropfbreite  findet  sich,  wie  bei  Kalala,  dass  das  frühere  Maass 
grösser  ist,  als  das  spätere.  Daraus  folgt,  dass  der  Schädelindex  von  72,3  in  1883 
auf  69,2  herabgesunken  sein  müsste,  beides  freilich  dolichocephale  Maasse,  aber 
doch  nicht  wohl  zulässig.  Dagegen  ist  es  möglich,  dass  in  mehr  als  5  Jahren  die 
Körperhöhe  um  160,  die  Kopflänge  um  6,  die  Gesichtshöhe  um  4,  die  Jochbreite 
um  9  mm  zugenommen  haben.  (Man  vergleiche  übrigens  meine  Mittheilung  in  den 
Verh.  1889.  S.  784.  Fig.  1—2.). 

Es  liegt  mir  fem,  aus  dieser  Nachprüfung  Vorwürfe  gegen  die  Messungen  des 
Dr.  Wolf  überhaupt  erheben  zu  wollen.  Nur  das  wollte  ich  darthun,  dass  die 
Reisenden  bei  derartigen  Untersuchungen  die  äusserste  Vorsicht  an- 
wenden und,  wenn  möglich,  die  Messungen  mehrmals  hintereinander 
vornehmen  müssen,  bis  sie  constante  Resultate  erhalten.  Auch  ist  es 
vielleicht  am  Platze,  auf  die  beschränkte  Bedeutung  vereinzelter  Messungen  für 
die  Bestimmung  der  Rassentypen  hinzuweisen;  gerade  bei  solchen  Verhältnissen 
haben  die  Mittelzahlen  aus  grösseren  Beobachtungsreihen  eine  grosse  Bedeutung. 
Sehen  wir  uns  nun  die  einzelnen  Stämme  etwas  genauer  an.  Da  sind  in 
erster  Linie  die  Kebu  zu  erwähnen,  nicht  bloss  weil  von  ihnen  eine  grössere  Zahl, 
auch  Weiber,  gemessen  sind,  sondern  weil  wir  Schädel  von  ihnen  besitzen.  Ich 
habe  solche  in  der  Sitzung  vom  21.  December  1889  (Verh.  S.  768.  Taf.  VI)  be- 
schrieben.   Aus   den  Messzahlen   des  Dr.  Wolf  berechnen  sich  folgende  Indices: 

Geschlecht      Schädelindex     Gesichtsindex 

Nr.  1 $  75,0  75,4 

„2 $  70,4  70,9 

„3 $  74,4  71,0 

„4 ?  73,0  80,1 

„5 $  73,1  78,1 

„6 Z  72,9  79,2 

«7 5  71,7  78,6 

„8 S  72,5  79,1 

n    9 $  72,5  72,4 

„10 Z  72,5  78,5 

„12 S  71,9  76,4 

„13 $  71,4  80,1 

«U $  75,1  74,8 

Die  Indices  bieten  eine  überraschende  Uebereinstimmung:  alle  13  Schädel 
(das  kleine  Mehr  von  0,1  bei  Nr.  14  ungerechnet)  sind  dolichocephal  und 
chamaeprosop.  Das  Mittel  der  Schädelindices  bei  den  Weibern  beträgt  73,2, 
bei  den  Männern  73,7,  das  Gesammtmittel  73,5.  Etwas  weniger  übereinstimmend 
sind  die  Gesichtsindices,  wenn  man  sie  genauer  analysirt.  Hier  treffen  wir  auf  indivi- 
duelle Differenzen  von  70,9  (Nr.  2)  und  71,0  (Nr.  3)  einerseits  und  von  80,1  (Nr.  4 
und  Nr.  13)  andererseits,  also  von  9,1  bis  9,2.  Auch  ist  der  gemittelte  Gesichts- 
index der  Weiber  (74,3)  ungleich  kleiner,  als  der  der  Männer  (77,4).  Das  Ge- 
sammtmittel beträgt  76,5.    Es  könnte  von  Bedeutung  erscheinen,    dass  der  grösste 


(48) 

Mann  (Nr.  13,  Körperhöhe  1714  ww)  auch  den  grössten  Gesichtsindex  (80 J)  hat, 
aber  ein  Weib  (Nr.  4),  dessen  Alter  Dr.  Wolf  auf  etwa  35  Jahre  schätzte  und  das 
nur  1582  mm  hoch  war,  zeigi;  denselben  Index. 

Vergleicht  man  sodann  die  Schädelmaasse  (Verh.  1889.  8.  784),  so  ei^ebt  sieb 
für  den  Gesichtsindex  gleichfalls  eine  chamaeprosope  Zahl.  Die  Schädelindices 
waren  mehr  verscbieden,  indem  der  eine  76,5,  der  zweite  73,4,  der  dritte  75,9  be- 
trug, indess  bemerkte  ich  schon  damals  (S.  772),  dass  freilich  2  von  den  Schädeln 
Mesocephalie,  nur  einer  Dolichocephalie  zeigen,  dass  jedoch  diese  Mesocephalie 
ziemlich  niedrig  sei,  ja  bei  dem  letzten  Schädel  der  Dolichocephalie  ziemlich  nahe 
stehe.  Man  wird  daher  gegenwärtig  die  Rebu  wohl  generell  zu  den  Dolichocephalen 
und  Chamaeprosopen  rechnen  dürfen. 

Was  ihre  Grösse  anbetrifft,  so  ergeben  die  Messungen  des  Dr.  Wolf,  dass  die 
gemittelte  Körperhöhe  der  Männer  1649,  die  der  Weiber  1535  mm  beträgt.  Die 
letzteren  waren  sämmtlich  über  die  Pubertät  hinaus:  2  (Nr.  2  und  3)  wurden  auf 
16—18,  eine  (Nr.  1)  auf  25—28,  eine  (Nr.  4)  auf  etwa  35  Jahre  geschätzt,  und 
doch  maass  auch  die  letztere  nur  1582  mm  in  der  Höhe.  Bei  den  Männern  be- 
trugen die  Maximalzahlen  1714  (Nr.  13,  etwa  20  Jahre),  1685  (Nr.  12,  18— 20  Jahre) 
und  1682  (Nr.  5,  20  Jahre);  die  Minimalzahl  war  1589  (Nr.  9,  18  Jahre). 

In  Betreff  der  übrigen  Körpermerkmale  giebt  Dr.  Wolf  an,  dass  der  Er- 
nährungszustand der  Leute  gut,  zum  Theil  sehr  gut  war  und  dass  die  Männer 
muskulös  erschienen.  Die  Hautfarbe  auf  der  Brust  variirte  in  der  Radde'schen 
Scala  nur  zwischen  3  b  und  3f,  ohne  dass  die  Geschlechter  merkbare  Unterschiede 
wahrnehmen  liessen.  Bei  den  Weibern  sind  Tätto wirungen  angegeben,  und 
zwar  kurze  senkrechte  Striche,  wie  es  scheint,  zu  je  3  an  Stirn,  Schläfen,  Hals 
und  Brust,  sowie  radiär  gestellte  Striche  um  den  Nabel.  Iris  durchweg  dunkel- 
braun. Die  Lippen  bei  einigen  der  Weiber  (Nr.  3  und  4)  bläulich  schwarz.  Das 
Kopfhaar  kraus,  spiralgelockt,  bei  den  Männern  ausgestreckt  1 — 1,5  ctn,  auch  bei 
den  Weibern  nur  etwa  2  cm  lang.  Bei  einigen  der  Männer  ist  ein  spärlicher  Voll- 
bart (Nr.  7  und  10,  beide  30 — 35  Jahre  alt),  bei  einem  (Nr.  13,  etwa  20  Jahre) 
ein  spärlicher  Bart  an  der  Oberlippe  und  am  Kinn,  hier  bis  etwa  2  cm  lang,  er- 
wähnt. 

Blau  und  Grün  wurden  durchweg  unterschieden:  ersteres  hiess  couatzi  (in 
Adeli  gara),  letzteres  sakke.  — 

Die  anderen  beiden  Stämme  des  Togo-Landes  bieten  folgende  Schädelindices: 

Aposso,  Nr.  22 .    .     .    .     75,6 

79,3 


n 

» 

24 

Adeli, 

ji 

23 

n 

n 

25 

» 

ti 

26 

n 

Ji 

27 

sich   ein 

»e 

wisi 

1' 


im  Mittel  77,4 


78,5 
76,9 
74,5 
74,3 


i  im  Mittel  76,0 


Hier  zeigt  sich  ein  gewisser  Gegensatz  zu  den  Kebu.  Die  Mittelzahlen  er- 
geben sowohl  für  die  Aposso,  als  für  die  Adeli  mesocephale  Maasse. 
Nun  sind  freilich  nur  wenige  Individuen  gemessen  und  unter  den  4  Adeli  haben 
2  dolichocephale  Indiccs,  indess  ist  das  Hervortreten  grösserer  Breiten,  gegenüber 
der  allgemeinen  Dolichocephalie  der  Kebu  (die  nur  an  den  Schädeln  Ausnahmen 
erleidet)  bemerkenswerth.  Am  meisten  gilt  dies  von  dem  einen  Aposso  (Nr.  24), 
der  ganz  hart  an  der  Grenze  der  Brachycephalie  steht. 

Die  Adeli  waren  verhältnissmässig  gross  und  Dr.  Wolf  notirt  speciell  die  gute 
Entwickelung  ihrer  Waden.  Von  den  Adeli  war  der  eine  (Nr.  25,  20 — 25  Jahre 
alt)  17'26,   der   andere  (Nr.  23,    ein  Fetisch priester   von  25—30  Jahren)  1652,   ein 


(49) 

dritter  (Nr.  26,  20  Jahre  alt)  1641  mm  hoch.  Dagegen  hatte  Wapa,  der  Häuptling 
der  Aposso  (Nr.  22,  25—30  Jahre  alt),  nur  1602,  und  ein  anderer  Mann  (Nr.  24, 
30 — 35  Jahre)  1588  mm.  Indess  wird  auch  bei  ihm  die  stärkere  Ausbildung  der 
Waden  bezeugt. 

Die  Hautfarbe  wurde  nach  Broca  und  zwar  am  Oberarm  bestimmt.  Bei 
2  Adeli  fand  Wolf  28—41,  bei  dem  Priester  der  Aposso  43,  bei  dem  anderen 
Mann  28.  Iris  durchweg  dunkelbraun.  Haupthaar  schwarz  und  spiralgerollt;  der 
Fetischpriester  hatte  fingerlange  Locken  und  einen  spärlichen  Rinnbart;  der  Aposso 
Nr.  24  trug  das  Haar  kurz  geschoren.  Auch  der  Häuptling  hatte  einen  spärlichen 
Kinnbart    Tättowirung  wird  nicht  erwähnt. 

Da  die  Aposso  der  Rüste  näher  wohnen,  so  will  ich  wenigstens  beiläufig  an 
den  von  Hm.  Rund  mitgebrachten  Anehö  aus  Klein  Povo  erinnern,  den  ich  früher 
beschrieben  habe  (Verh.  1889.  S.  541.  Fig.  2).  Er  erwies  sich  als  dolichocephal 
und  chamaeprosop.  Ich  darf  daher  jetzt  wohl  noch  mehr,  als  vor  einem  Jahre 
(Verii.  1889.  S.  773),  betonen,  dass  ein  bestimmter,  mehr  facialer  Typus  bei  diesen 
Negern  hervortritt.  — 

An  die  Togo-Leute  reihen  sich  nach  den  anthropologischen  Merkmalen,  welche 
Dr.  Wolf  verzeichnet  hat,  am  nächsten  die  Mandingo.  Auf  ihre  genauere  Auf- 
nahme hat  unser  verstorbener  Freund  besondere  Anstrengung  verwendet.  Leider 
waren  es  nur  3.  Von  zweien  (Nr.  14  u.  16)  wird  angegeben,  dass  sie  in  Bismarck- 
burg  untersucht  wurden;  beide  waren  aus  Baki-ema  gebürtig,  der  erste  18,  der 
andere  20 — 25  Jahre  alt.  Der  dritte,  aus  Tene,  hatte  20  Jahre.  Für  die  Be- 
sprechtmg  füge  ich  den  einzigen  Mende  (Nr.  8,  etwa  18  Jahre  alt)  hinzu. 


Schädel- 

Ohrhöhen- 

Oesichts- 

Nasen- 

index 

index 

index 

index 

Mandingo,  Nr.  14  . 

.     73,3 

66,0 

84,6 

97,6 

,    16. 

.     71,8 

61,0 

82,8 

110,2? 

„    28. 

.    75,5 

67,6 

82,9 

95,6 

Mende,         „     8  . 

.     75,7 

— 

— 

— 

Damach  waren  die  2  Mandingo  aus  Baki-ema  dolichocephal,  dagegen 
reichen  der  dritte  aus  Tene  und  der  Mende  eben  in  das  Gebiet  der  Mesocephalie 
hinein.  Dem  Ohrhöhenindex  nach  dürften  2  Mandingo  als  hypsi-,  einer  als  ortho- 
cephal  bezeichnet  werden  können,  doch  sind  die  Höhenindices  nicht  ebenso  ver- 
theilt,  wie  die  Breitenindices.  Zugleich  sind  sämmtliche  Mandingo  chamae- 
prosop, wie  die  Rebu,  eine  Art  von  weiblicher  Bildung,  für  die  ich  auch  sonst 
Nachweise  in  Westafrika  geliefert  habe.  Zur  Vervollständigung  des  Breiteneindrucks 
trägt  die  beträchtliche  Stimbreite  von  108—116  mm  gewiss  nicht  wenig  bei,  während 
die  geringe  Rieferwinkeldistanz  von  91 — 97  mm  dem  Unteigesicht  eine  mehr  keil- 
förmige Gestalt  verleihen  muss.  Die  Nase  ist  leider  bei  keinem  der  Leute  be- 
schrieben worden;  nach  den  Indices  muss  sie  ausgemacht  platyrrhin  sein.  Ob 
das  ganz  extreme  Maass  von  110,2  correkt  ist,  mag  dahingestellt  bleiben. 

Die  geschilderten  Mandingo  gehörten  zu  den  längsten  Leuten,  deren  Grösse 
Dr.  Wolf  bestimmt  hat  Er  giebt  Zahlen  von  1730,  1666  und  1629  für  ihre  Höhe 
an,  wobei  constant  noch  sehr  viel  grössere  für  die  Rlafterweite  vorkommen  (bezw. 
1860,  1734  und  1735).  Der  Mende  dagegen  hatte  nur  Zahlen  von  1550  und  1645, 
dagegen  wird  auch  ihm  eine  gute  Ausbildung  der  Waden  bezeugt. 

Die  Hautfarbe  wird  auch  für  die  Mandingo  auf  analoge  Weise  bezeichnet, 
wie  bei  den  Adeli  und  Aposso.  Bei  Nr.  16  fand  Wolf  an  Stirn  und  Oberarm 
(nach  Broca)  41,  für  Wange  und  Brust  27—28;  bei  Nr.  16  an  Stirn  und  Oberarm 
28-41,  für  die  Wange  28—29,  für  die  Brust  28;  bei  Nr.  28  für  Stmi  und  Brust  28, 

Verband!,  der  Berl.  Antbrupol.  Ge«eLUchftft  18^1.  4 


IM 


(50) 

Wange  28 — 29,  Oberarm  28—35.  Iris  durchweg  dunkelbraun.  Haar  sebwars, 
spiralgelockt,  nur  bei  Nr.  28  einfach  kraus.  Bei  letzterem  werden  zugleich  spär- 
licher Bart,  eine  gerade  Stirn,  ein  schmales  Gesicht  mit  angelegten  Wangenbeinen, 
bei  allen  volle  Lippen  angegeben.  Auch  der  Mende  zeigte  an  Stirn  und  Oberarm 
eine  Farbe  von  28  Broca  und  schwarzes  spiralgelocktes  Haar. 

Von  dem  Mende  heisst  es  ausserdem,  dass  er  Blau  mit  lufonno,  Grün  mit 
jänji  bezeichnete.  — 

Ich  erwähne  dann  noch  den  einzigen  Haussa,  der  in  dem  Buche  A.  1  auf- 
geführt ist.  Er  wird  als  Lederarbeiter  bezeichnet.  Haar  lockig,  kraus,  nicht 
spiralgelockt.  Iris  dunkelbraun,  Lidspalte  wagerecht.  Kopf  lang,  Gesicht  oval, 
Wangenbeine  vortretend.  Körperhöhe  1785,  Rlafterweite  1845  mm.  Breitenindex 
des  Kopfes  74,6,  Ohrhöhenindex  62,9,  also  orthodolichocephal.  Gesichtsindex 
77,6,  chamaeprosop.     Nasenindex  93,0,  platyrrhin.  — 

Es  erübrigen  jetzt  noch  die  Wei.  Von  ihnen  liegen  19  Aufnahmen  vor.  Auf 
der  einen  (Nr.  11)  ist  das  Individuum  als  weiblich  bezeichnet;  ich  vermuthe  jedoch, 
nur  irrthümlicherweise,  da  der  Name  George  angegeben  ist.  Die  beschreibenden 
Aufzeichnungen  sind  sehr  spärlich:  es  finden  sich  fast  nur  Angaben  über  Haut- 
farbe, Iris  und  Kopfhaar.  Die  Hautfarbe  ist  meist  an  Stirn  und  Oberarm  be- 
stimmt, jedoch  stets  mit  derselben  Nummer  der  Farbentafel:  11  mal  mit  Broca  28, 
4  mal  mit  41,  1  mal  mit  43;  in  2  FäUen  (A.  1  Nr.  27  und  A.  2  Nr.  1)  Ut  Radde  3e 
angegeben.  Iris  stets  dunkelbraun.  Das  Kopfhaar  stets  schwarz,  12 mal  spiral- 
gelockt, 4  mal  bloss  kraus.  In  3  Fällen  wird  „spärlicher  Kinnbart^  aufgeführt 
Mehrmals  zeigten  sich  die  Lippen  voll  und  vortretend.  Tättowirung  wird  nirgends 
erwähnt 

Unter  den  Maassangaben  steht  obenan  die  Körperhöhe.    Es  maassen 

1  Wei  bis  1550  mm 
5  .  n  1600  „ 
ö  n  «  1650  „ 
4  „  «  1700  „ 
3  n  V  1750  „ 
1      „     über    1750    „ 

Das  kleinste  Maass  (1526  mm)  hatte  ein  18jähriger  Bursche  (Nr.  19),  dessen 
Klafterweite  auf  1655  angegeben  wird.  Das  grösste  Maass  (1795  mm)  erreichte  ein 
Mann,  dessen  Klafterweite  1865  betrug.  Die  Differenz  im  ersten  Falle  war  also 
129,  im  zweiten  nur  70  mm;  es  ist  also  sehr  wahrscheinlich,  dass  bei  Nr.  19  ein 
Fehler  untergelaufen  ist.  Im  Ganzen  liegt  die  Mehrzahl  der  Fälle  zwischen  1550 
und  1700  mm^  was  einer  Mittelgrösse  entsprechen  würde.  Das  drückt  auch  die 
gemittelte  Zahl  von  1649  mm  aus,  —  genau  dasselbe  Maass,  das  wir  vorher  für 
die  Kebu-Männer  geftmden  hatten. 

Von  den  berechneten  Breitenindices  sind  5  meso-  und  14  dolichocephal. 
Unter  den  ersteren  erreicht  einer  (Nr.  18)  den  hohen  Index  von  79,1;  das  Mittel 
der  Mesocephalen  beträgt  jedoch  nur  76,6.  Unter  den  14  Dolichocephalen  ist  ein 
hyperdolichocephaler  (Nr.  1,  Index  68,4).  Das  Mittel  beträgt  72,6.  Mittelt  man 
sämmtliche  Fälle,  so  erhält  man  die  Zahl  73,7. 

Der  Ohrhöhenindex  konnte  nur  in  2  Fällen  (Nr.  1  u.  2)  berechnet  werden; 
er  beträgt  63,1  und  63,5,  —  orthocephale  Maasse. 

Der  Gesichtsindex  lässt  sich  in  5  Fällen  berechnen:- 

A.  1     ....     Nr.    1     hat    94,5 
A.  1     .     .     .     .      „      2       „      94,4 

A.    1       .      .      .      .        n     ^         n       85,8 


(51) 
AI     ....    Nr.  29    hat    82,4? 

Das  eiig:iebt  3  chamae-  und  2  leptoprosope  Fälle.  Dabei  ist  zu  bemerken, 
dass  in  keiner  der  hier  aufgeführten  anderen  Messungen  der  Reisende  sonst 
Leptoprosopie  gefänden  hat 

Das  ist  das,  was  sich  aus  den  Aufzeichnungen  des  Dr.  Wolf  über  die  Wei 
zunächst  zusammenstellen  lässt.  Ich  will  nur  noch  erwähnen,  dass  er  einmal 
(A.  2.  1)  auch  die  Parbenbezeichnung  für  Blau  =  fadifima  und  für  Grün  =  lufonno 
notirt  hat  Das  letztere  Wort  wurde  ihm  von  dem  Mende  firf  Blau  angegeben, 
so  dass  die  Farbenbezeichnung  doch  wohl  nicht  so  ganz  sicher  ist,  als  es  Dr.  Wolf 
annahm. 

Zur  Vei^leichung  mit  den  vorliegenden  Messungen  stehen  die  von  Hm.  Zint- 
graff  (Verh.  1889.  S.  85)  an  40  Wei-Negem  angestellten  zur  Verfügung,  die  sich 
jedoch  nur  auf  den  Kopf  bezogen: 

Unter  den  Breitenindices  (ebendas.  S.  92)  fanden  sich  16  dolicho-,  20  meso- 
und  4  brachycephale.  Da  aus  den  Messungen  des  Dr.  Wolf  sich  14  dolicho-  und 
nur  5  mesocephale,  dagegen  kein  einziger  brachycephaler  eichen,  so  tritt  hier 
ein  nicht  geringer  Unterschied  hervor.  Meine  eigene  Messung  an  iem  Wei-Knaben 
des  Grafen' J.  Pfeil  (ebendas.  S.  764.  Fig.  1 — 2)  brachte  einen  dolichocephalen  Index. 
Das  ergäbe  ftlr  60  Wei  31  dolicho-,  25  meso-  und  4  brachycephale  Köpfe.  Ich 
habe  aber  schon  früher  darauf  hingewiesen,  dass  nach  den  Messungen  des  Herrn 
Zintgraff  auch  unter  seinen  Mesocephalen  die  mehr  langen  Formen  bei  Weitem 
vorherrschen  (15  gegen  5),  und  man  wird  daher  jetzt  wohl  um  so  mehr  berechtigt 
sein,  den  Wei-Negem«  im  Ganzen  eine  lange  Schädelform  zuzuschreiben. 

Der  Ohrhöhenindex  berechnete  sich  nach  den  Zahlen  des  Hm.  Zintgraff 
in  der  Weise,  dass  unter  seinen  40  Fällen  entfielen  auf  diesen  Index 

unter  60     .    .    .      9  Fälle  (chamaecephal), 
60—64,9 ...    22      „      (orthocephal), 
65 — 69,9 .    .     .      7      „      (hypsicephal), 
über  70     .    .    .      2      „      (hyperhypsicephal). 

Da  die  genaue  Rlassirung  der  an  Lebenden  gewonnenen  Ohrhöhenindices  im 
Yerhältniss  zu  den  am  Schädel  berechneten  nicht  ganz  sicher  ist,  so  müssen  diese 
Zahlen  mit  einiger  Reserve  beurtheilt  werden.  Immerhin  ist  unverkennlich  die 
Zahl  der  orthocephalen  und  chamaecephalen  überwiegend.  Dabei  ist  bemerkens- 
werth,  dass  nur  einer  der  hypsicephalen  Köpfe  Dolichocephalie  zeigte.  Von  den 
8  anderen  Hypsicephalen  waren  2  brachy-,  6  mesocephal.  Der  eine  Hyperhypsi- 
cephale  hatte  einen  Ohrhöhenindex  von  70,9  und  einen  Breitenindex  von  81,9, 
der  andere  72,7  und  76,5. 

Da  ich  aus  den  2iahlen  des  Dr.  Wolf,  die  leider  nur  für  2  Leute  vorhanden 
sind,  und  ebenso  aus  den  von  mir  an  dem  Wei-Knaben  gefundenen  einen  ortho- 
cephalen Index  berechnete,  so  verstärkt  sich  das  Gewicht  dieser  Kategorie.  Wir 
linden  dann  unter  43  Wei-Negem  25  orthocephale,  9  chamaecephale  und  eben  so 
viele  hypsicephale.  Somit  darf  als  typisches  Maass  das  orthocephale  an- 
genommen werden. 

Der  Gesichtsindex  ist  aus  den  Messungen  des  Hm.  Zintgraff  bisher  nicht 
berechnet  worden;  ich  gebe  daher  nachträglich  die  Indexzahlen  mit  den  Nummem 
der  einzelnen  Fälle: 

Nr.  1 74,3  Nr.  4*.    .    .    .    .    75,4 

n    2 87,5  „5 77,8 

«3 86,2  „6 87,8 

4* 


(52) 


Nr. 


n 


» 


» 


n 


» 


7  .  .  . 

.  82,8 

8  .  .  . 

.  80,7 

9  .  .  , 

.  78,6 

10  .  .  . 

.*  80,1 

11  .  .  . 

.  87,1 

12  .  .  . 

.  .  75,8 

13  .  . 

.  .  80,0 

14  .  . 

.  .  76,2 

\h    .  . 

.  .  80,5 

16  .  . 

.  .  79,9 

17  .  . 

.  .  81,0 

18  .  . 

.  .  76,0 

19  .  . 

.  .  81,5 

20  .  . 

.  .  .  81,8 

21  .  . 

.  .  82,4 

22  .  . 

.  .  77,9 

23  .  . 

.  .  79,6 

[r.  24 

•    • 

90,5 

»  25 

•   • 

75,7 

»  26 

•   « 

71,6 

„  27 

•    • 

79,9 

„  28 

•   « 

78,4 

n  29 

■ 

72,7 

»  30 

• 

67,2 

„  31 

•   1 

74,6 

„  32 

• 

73,4 

»  33 

• 

75,3 

„  34 

• 

79,0 

„  35 

•    1 

74,9 

»  36 

• 

79,6 

n  37 

• 

78,7 

n  38 

• 

73,6 

»  39 

• 

80,7 

r,     40 

• 

78,0 

einziger  1 

ieptop 

rosoper,  Nr.  24, 

Unter  den  40  Köpfen  war  also  nur  ein  ein  einziger 
von  dem  Hr.  Zintgraff  (a.  a.  0.  S.  88)  ausdrücklich  das  „lange  (Jesicht**  hervor- 
hebt. Im  Uebrigen  erwiesen  sich  sämmtliche  aufgeführte  Personen  als 
chamaeprosop.  Diesen  Index  zeigte  auch  mein  Wei-Knabe.  Dagegen  hat  Dr. 
Wolf  unter  5  Fällen  2  leptoprosope.  Vielleicht  ist  es  nicht  ohne  Bedeutung,  dass 
gerade  diese  beiden  sich  durch  besonders  grosse  Rörpermaasse  auszeichneten: 
Nr.  1  hatte  eine  Höhe  von  1795  und  eine  Klaflerweite  voivl865  mm^  Nr.  2  1746 
und  1935  mm.  Im  Gegensatz  dazu  stehen  die  ungewöhnlich  niedrigen  Indexzahlen 
vieler  der  von  Hrn.  Zintgraff  gemessenen  Leute:  es  sind  darunter  8,  die  man 
geradezu  als  ultrachamaeprosop  bezeichnen  kann,  da  ihre  Indices  unter  75 
liegen.  Am  niedrigsten  ist  der  Index  von  Nr.  30  =  67,2;  den  entsprechenden 
Mann  bezeichnet  Hr.  Zintgraff  ausdrücklich  als  „sehr  klein*^.  Auch  Nr.  32  wird 
„klein"  und  Nr.  29  „zart"  genannt  Nur  von  Nr.  31  heisst  es,  dass  er  „lang"  ge- 
wesen sei.  Es  dürfte  daher  ein  gewisser  Zusammenhang  zwischen  Körperhöhe 
und  Gesichtsindex  wohl  nicht  wegzuleugnen  sein. 

Hr.  Zintgraff  hat  durchweg  auch  die  Hautfarbe  bestimm!  Nach  seinen 
Angaben,  die  auf  die  Pariser  Farben tafel  zu  beziehen  sind,  hat  er  15  mal  die  Nr.  42, 
je  10  mal  42  und  28,  4  mal  29  und  einmal  27  gefunden.  Dies  stinunt  ziemlich 
gut  mit  den  Angaben  des  Dr.  Wolf,  der  nur  in  etwas  grösserer  Häufigkeit  die 
Nr.  28  aufführt.  — 

Wir  sind  aber  jetzt  in  der  guten  Lage,  die  Maassverhältnisse  der  Wei  an 
einer  ganz  neuen  Erwerbung  prüfen  zu  können.  Unter  dem  30.  October  erhielt 
ich  von  dem  Reisegefährten  des  Dr.  Wolf,  dem  Hm.  Hauptmann  Kling,  ans 
Ludwigsburg  in  Württemberg  die  Nachricht,  dass  er  bei  seiner  Abreise  aus  Afrika 
den  Techniker  Bugslag  beauftragt  habe,  das  Gerippe  eines  Wei-Negers,  der 
an  Dysenterie  gestorben  und  in  der  Nähe  der  Station  beerdigt  war,  auszugraben 
und  nach  Europa  zu  bringen.  Dieser  Auftrag  ist  von  Bugslag,  dem  früheren 
Reisegefährten  Wissmann^s  und  des  Dr.  Wolf  im  Congo-Gobiet,  sorgfältig  aus- 
geführt worden.  Das  Skelet  hat  Hr.  v.  Danckelman  am  Ende  des  November  an 
mich  ausgeliefert. 

Eis   fehlen    daran   manche   Theile,    namentlich    einzelne   Wirbelkörper'),   der 


V  Dafür  sind  einige  andere  kleinere  Knocheo,   namenthch  ein  Wirbel  und  ein  Kahn> 


(53) 

grössere  Theil  des  Brustbeins,  die  meisten  der  kleinen  Knochen  an  Händen  und 
Füssen,  indess  das  Meiste  ist  erhalten  und  wir  müssen  um  so  mehr  Werth  daranf 
legen,  als  dies  wohl  das  erste  Skelet  eines  Wei  ist,  das  nach  Eoropa  gelangt.  Ich 
statte  daher  gern  den  Herren  Kling  und  Bugs  lag  unseren  Dank  ab. 

Der  Schädel  hat  die  für  Westafrikaner  ziemlich  zutreffende  Capacität  von 
1350  ccm.  Sein  Horizontalumfang  beträgt  507,  der  Sagittalbogen  367  mm;  von 
letzterem  entfallen  33,2  pCt.  auf  das  Stirnbein,  36,7  auf  die  Parietalia  und  nur 
29,2  auf  das  Occipitale.  Da  auch  der  Hinterhauptsindex  nur  27,8  pCt.  der  Gesammt- 
länge  ergiebt,  so  darf  man  die  Entwickelung  als  eine  vorzugsweise  parietale 
bezeichnen.  Die  Form  ist  orthodolichocephal  (Breitenindex  72,2,  Höhenindex 
72,7).  Die  etwas  schräg  stehende  Stirn  ist  schmal  (89  mm)  und  niedrig,  mit  einem 
massigen  Nasenwulst,  dagegen  fast  ohne  Orbital wülste;  Glabella  yorhanden,  Tubera 
schwach,  über  denselben  sofort  eine  starke  Umbiegiüig  der  Scheitelcurve;  letztere 
steigt  noch  bis  zu  der  parietalen  Tuberallinie  .und  macht  von  da  ab  einen  schnellen 
Abfall.  Die  Parietalia  lang,  mit  starken  Tubera.  Das  Hinterhaupt  voll,  zumal  die 
Oberschnppe;  Lambdawinkel  sehr  stumpf,  die  Naht  wenig  gezackt,  keine  Protu- 
berantia  ext,  dafür  ein  breiter,  jedoch  niedriger  Wulst;  Facies  muscularis  stark 
▼ertieft.  Die  Nähte  im  Allgemeinen  wenig  gezackt;  die  Coronaria  unregelmässig, 
links  am  Stephanion  mit  kurzer  Synostose,  rechts  mit  einem  starken  Einsprung  an 
gleicher  Stelle.  Sagittalis  in  der  Mitte  einfach,  keine  deutlichen  Emissarien.  Alae 
sphenoideales  unten  breit,  oben  in  schmale  Enden  ausgehend;  daneben  die  Sut.  squa- 
mosa  links  uneben,  mit  weit  ausgreifenden  Zacken,  und  mit  Abplattung  der  Schuppe, 
rechts  mit  einem  starken  Eindruck  der  Schläfe  und  einem  kleinen  Intercalarknochen 
an  der  Schuppe.  Ohrlöcher  gross.  Warzenfortsätze  dick  und  zugespitzt.  Das 
Foramen  magnum  gross,  3b  mm  lang,  34  breit,  Index  97,1.  Gelenkhöcker  stark 
und  vortretend.  Apophysis  bstsil.  fast  horizontal.  —  Das  Gesicht  leptoprosop 
(Index  91,3),  hoch  und  schmal.  Jochbogen  angelegt.  Orbitae  gross,  in  der  Dia- 
gonale ausgeweitet,  von  schwermüthigem  Ausdruck,  hypsikonch  (90,0).  Nasen- 
beine oben  sehr  schmal,  fast  sichelförmig,  eingedrückt,  unten  in  die  Höhe  ge- 
bogen; der  Nasenrücken  stark  eingebogen,  die  Spitze  vortretend,  die  Apertur  läng- 
lich; Index  mesorrhin  (50,0).  Gesichtswinkel  70°.  Fossae  caninae  massig  ver- 
tieft. Alveolarfortsatz  stark  prognath,  Zähne  gross  und  vorstehend.  Molares  UI 
noch  gut  erhalten.  Gaumen  tief,  lang  und  schmal,  ultraleptostaphylin  (56,1). 
Unterkiefer  stark,  mit  breiten  Aesten  (41  mm)  und  grosser  Incisur;  Proc.  coronoides 
in  senkrechter  Richtung  63  mm  hoch.  Kieferwinkeldistanz  gering  (85).  Sehr 
grosse  Foram.  mentalia  ext. 

Am  Becken  ist  das  Bandstück  der  Cristae  ilium  nur  unvollkommen  angewachsen. 
In  der  Sacralgegend  eine  Spina  bifida  (wahrscheinlich  occulta):  die  Proc.  spi- 
nosi  unvollständig  und  nicht  geschlossen.  Insbesondere  sieht  man  an  der  Vert.  sacra- 
lis  I  die  Bogen  sich  von  beiden  Seiten  her  nähern,  jedoch  nicht  zusammenfliessen, 
während  darüber  und  darunter  eine  grosse  Oeffnung  in  den  Wirbelkanal  führt.  Die 
nächst  tieferen  2  Proc.  spinosi  sind  ausgebildet  und  der  Wirbelkanal  hier  geschlossen; 
darunter  aber  ist  Alles  offen.  Vom  Steissbein  ist  nur  der  I.  Wirbel  vorhanden, 
der  links,  mit  dem  Kreuzbein  verwachsen  ist.  Vom  am  Schambein  neben  der 
Symphyse  ein  starker  Muskelfortsatz.  Am  absteigenden  Ast,  an  der  Verbindung  mit 
dem  aufsteigenden  Aste  des  Sitzbeins,  ein  starker  Absatz.    Die  Darmbeinschaufeln 


bein  vorhanden,  die  nicht  zu  diesem  Skelet  gehören.  Vielleicht  stammen  sie  von  einem 
Mandingo,  der  nach  der  Mittheilung  des  Hm.  Kling  gleichfalls  an  Dysenterie  gestorben 
und  dort  begraben  war. 


(54) 

steil.  An  den  unteren  Lombalwirbeln  sehr  lange,  rippenartige  Querfort- 
sätze. 

Im  Uebrigen  ist  das  Skelet  ziemlich  regelmässig  gebaut,  jedoch  erscheinen 
alle  Knochen  verhältnissmässig  zart.  Die  gesammte  Höhe  des  Skelets  (nach  un- 
gefährer Ausfüllung  der  Lücken  in  der  Wirbelsäule)  beträgt  1612,  die  Schulterhöho 
1348,  die  Höhe  der  Crista  ilium  999  mm.  Dem  gegenüber  beträgt  die  Höhe  des 
Oberschenkels  (Spitze  des  Trochanter  bis  zum  unteren  Bande  des  Condylus  ex- 
temus)  443,  die  der  Tibia  (vom  oberen  Bande  der  Tibia  bis  zur  Spitze  des 
Malleolus  internus)  394,  zusammen  837  mm.  Daraus  geht  die  unverhältnissmässige 
Länge  der  ünterextreraitäten  hervor:  zieht  man  von  der  Schulterhöhe  die  Höhe 
der  Unterextremitäten  (ohne  Fuss)  ab,  so  bleibt  1348  —  837  =  511  mm.  Die  Ober- 
extremitäten sind  verhältnissmässig  viel  kürzer:  Oberarm  vom  oberen  Umfang  des 
Kopfes  bis  zum  Gondylus  extern  us  295,  Badius  von  der  oberen  Fläche  des  Köpf- 
chens bis  zur  Spitze  des  Proc.  styloides  263,  zusammen  558  mm.  Dabei  sind  die 
Ossa  humeri  an  ihrem  unteren  Ende  nicht  durchbohrt;  oben  ein  tiefer  Sulcus 
intertubercularis.  An  den  Ossa  femoris  die  Colla  kurz  und  mehr  horizontal  ge- 
stellt, die  Diaphysen  an  ihren  uuteren  Enden  stärker  nach  rückwärts  gebogen,  so 
dass  die  Condylen  stark  nach  hinten  gerichtet  sind;  der  untere  Theil  der  Diaphyse 
hinten  abgeplattet.    Die  Tibiae  nicht  abgeplattet,  wenngleich  zart. 

Es  zeigt  sich  an  diesem  Skelet  wieder  einmal  die  schon  öfter  hervorgehobene 
Erscheinung,  dass  gerade  bei  Wilden  verhältnissmässig  grosse  Anomalien 
im  Knochenbau  hervortreten,  und  zwar  häufiger,  als  wir  es  an  Gerippen  civili- 
sirter  Nationen  antreffen.  Die  Anomalien  am  Becken,  welche  ich  erwähnt  habe, 
gehören  zu  den  ganz  ungewöhnlichen  Vorkommnissen  bei  Erwachsenen. 

Vergleichen  wir  die  Verhältnisse  an  den  macerirten  Knochen  mit  den  an 
Lebenden  festgestellten,  so  fiaden  wir  in  Bezug  auf  die  Kopfform  grosse  Ueber- 
einstimmung:  sie  ist  orthodolichocephal.  Dabei  erscheint  es  in  Bezug  auf  die 
Vergleichung  nicht  unwichtig  zu  erwägen,  dass  an  dem  nackten  Schädel  der  ordi- 
näre Höhenindex  von  72,7  ein  orthocephales  Maass  darstellt,  während  der  Ohr- 
höhenindex von  59,8  nach  der  obigen  Klassiruiig  eigentlich  schon  chamaeoephal 
ist,  wenngleich  er  hart  an  der  Grenze  zur  Orthocephalie  steht 

Dem  leptoprosopen  Gesichtsindex  des  Schädels  entspricht,  wie  dai^gelegt, 
nur  die  kleinere  Hälfte  der  von  Dr.  Wolf  gemessenen  Wei-Neger  und  unter  den 
40  Fällen  des  Hru.  Zintgraff  nur  ein  einziger.  Die  Verhältnisse  der  einzelnen 
Gesichtstheile  sind  mit  dem  Gesammtverhältniss  im  Einklänge:  der  hypsikonchc 
Orbital-  und  der  mesorrhine  Nasalindex  stehen  in  einer  gewissen  Harmonie.  Trotz- 
dem werden  wir  bei  der  starken  Mehrheit  chamaeprosoper  Formen  unter  den 
Lebenden  eine  relativ  vollkommnere  Ausbildung  der  Gesichtsknochen  an  den 
Schädeln  annehmen  dürfen. 

Die  Körperhöhe  des  Skelets  entspricht  der  Hauptkategorie  der  an  Lebenden 
ermittelten  Zahlen. 

Eine  weitere  Veigleichung  ist  wenig  lohnend,  da  Dr.  Wolf  nur  wenige  Messun- 
gen einzelner  Körpertheile  vorgenommen  hat  Nur  bei  2  Wei-Negem  (Nr.  1  u.  2) 
hat  er  die  Höhe  der  Schulter,  des  Darmbeinrandes,  des  Ellenbogens  und  Hand- 
gelenks bestimmt;  Messungen  an  den  Unterextremitäten  sind,  mit  Ausnahme  des 
Fatellarrandes,  überhaupt  nicht  von  ihm  gemacht  worden.  Zur  Vergleichung  stehen 
die  in  analoger  Weise  ausgeführten  Messungen  an  3  Mandingo,  bei  denen  aber 
auch  die  Höhe  der  Crista  ilium  fehlt  Leider  zeigen  sich  überall  gewisse  Wider- 
sprüche, die  wohl  auf  irrthümliche  Aufzeichnungen  zu  beziehen  sind.  Berechnet 
man   z.  B.  aus   der   Differenz   der   Schulter-   und    Ellenbogenhöhe  die  Länge   des 


(55) 

Oberarms  und  aus  der  Differenz  der  Höhe  des  Ellenbogens  und  des  Handgelenks 
die  Länge  des  Vorderarms,  so  erhält  man 

Oberarm  Vorderarm          zusammen 

Wei  Nr.  1  .     .     .     390  mm  296  mm               686  mm 

jf  jf  Z       ,  ,  ,  d09  yj  Zoo  yj  Ol  7  ^ 

Mandingo   Nr.  U    308    „  262    „  570   „ 

„    16    308    „  214    „  522    „ 

„  „28    353    „  289    „  642    „ 

Es  ist  schwer  glaublich,  dass  bei  gleicher  Länge  des  Oberarms  der  Vorderarm 
der  beiden  ersten  Mandingo  um  48  mm  differirt  haben  sollte,  so  wenig  es  wahr- 
scheinlich ist,  dass  der  Wei  Nr.  2,  dessen  Vorderarm  nur  um  1  mm  kürzer  ist,  als 
der 'des  letzten  Mandingo,  einen  um  36  mm  längeren  Oberarm  gehabt  haben  sollte. 
Jedenfalls  ei^ebt  sich  durchweg  eine  nur  massige  Länge  des  Vorderarms, 
wie  sie  auch  an  dem  Skelet  ersichtlich  ist.  — 

Hr.  Hauptman  Kling  hat  noch  einen  anderen  Schädel  mitgebracht,  der  in  dieser 
Umgebung  ein  besonderes  Interesse  darbietet,  den  eines  Yoruba.  Er  schreibt 
ipir  darüber:  „Derselbe  stammt  von  einem  unserer  Lagos-Leute,  der  bei  einem 
Ueberfall  in  Rebu  (17.  Jan.  1889)  hinterlistig  erschossen  wurde.  Die  Feinde  gruben 
nachher  seine  Leiche  aus,  schnitten  ihm  Herz,  Leber  und  Lunge  für  Fetischzwecke 
heraus  und  den  Kopf  ab.  Ich  fand  die  Eingeweide  in  dem  von  uns  zerstörten 
Kebudorf  Pellawe  zum  Trocknen  angehängt  später  vor,  während  der  Schädel, 
dessen  Kinnlade  schon  entfernt  und  präparirt  war,  —  sie  benutzen  letztere  in 
Aschanti,  Dahome  und  Togo  als  Schmuck  für  die  elfenbeinernen  Kriegshömer,  — 
während  der  Friedensunterhandlungen  ausgeliefert  wurde. ^ 

Der  sehr  vollständige,  noch  sehr  jugendliche  Schädel  hat  ein  böses,  entschieden 
an  einen  Gorilla  erinnerndes  Gesicht.  Er  ist  ausgemacht  plagiocephal,  indem 
fast  die  ganze  linke  Hälfte  der  Coronaria  synostotisch  ist.  Die  linke 
Hälfte  des  Schädeldaches  ist  schmäler  und  zugleich  höher,  als  die  rechte,  während 
eine  Verkürzung  vorn  weniger  bemerkbar  ist  und  auch  hinten  nicht  gerade  auffällig 
hervortritt  Ein  kleines  Stück  der  linken  Coronaria  dicht  über  der  Schläfe  ist 
noch  erhalten:  hier  sieht  man  eine  ballonartige  Auftreibung  dicht  über  dem  Stepha- 
nion. Umgekehrt  zeigt  sich  eine  beschränkte  Synostose  an  der  rechten  Coronaria 
and  zwar  gerade  an  der  Kreuzungsstelle  der  Linea  temporalis;  darunter  ist  die 
Nahtgegend  und  der  ganze  Schläfenfortsatz  des  Stirnbeins  aufgetrieben.  Die  übrigen 
Nähte  etwas  unregelmässig.  An  der  Sagittalis  zwischen  den  sehr  verkleinerten 
Emissarien  eine  daumenstarke  Vertiefung.  —  Die  Capacität  massig,  1380  ccm. 
Horizontalumfang  506,  Sagittalumfang  375  mm.  Von  letzterem  enfallen  auf  das 
.Stirnbein  35,4,  auf  die  Parietalia  33,3,  auf  das  Occipitale  31,2  pCt.,  so  dass  also 
in  diesem  Falle  die  frontale  Entwickelung  dominirt.  Immerhin  beträgt  der  Hinter- 
hauptsindex noch  31,3  pCt.  der  Gesammtlänge.  Die  Stirn  ist  etwas  reclinirt,  gross 
und  breit  (106  mm),  ihre  Mittellinie  ein  wenig  vorgewölbt,  der  rechte  Theil  etwas 
niedriger  liegend.  Der  Nasenfortsatz  massig  voll,  aber  breit,  Orbitalwülste  und 
Tubera  fehlend,  der  hintere  Theil  des  Stirnbeins  hoch.  Die  grösste  Breite  an  den 
Schläfenschuppen.  Das  Hinterhaupt  voll,  namentlich  die  Oberschuppe  stark  ge- 
bogen, keine  Protub.  ext.,  ünterschuppe  mit  tiefen  Einzeichnungen.  Warzenfort- 
sätze gross,  Gehörgänge  etwas  eng.  Foramen  nygnum  lang,  32  auf  25  inm,  also 
Index  von  75,9.  Die  Gelenkhöcker  vortretend,  abgeplattet,  ihr  Rand  nach  hinten 
scharf  vorspringend.  Apophysis  fast  horizontal.  Noch  offene  Synchondrosis 
spheno-occipitalis.  —Das  Gesicht  trotz  colossaler  Oberkiefer  wegen  der  enormen 


(56) 

Jochbreite  (141  mm)  chamaeprosop:  Index  84,3.  Der  Alveolarfortsatz  ist  leider 
stark  verletzt,  so  dass  an  ihm  keine  medianen  Maasse  genommen  werden  können. 
Wangenbeine  vortretend :  untere  Distanz  103  mm,  Orbitae  niedrig  und  mehr  breit, 
medialwärts  enger,  fast  eckig:  Index  mesokonch  (81,1).  Nase  fast  katarrhin, 
abgeflacht,  die  Nasenbeine  kurz  und  breit,  nach  oben  an  der  Naht  vorspringend, 
seitlich  eingedrückt,  der  Rücken  fast  gerade  und  im  Querschnitt  gewölbt,  die 
Apertur  gross,  hoch  und  breit,  mit  Pränasalfurchen;  Index  platyrrhin  (75,7). 
Gesichtswinkel  73°.  Die  ganze  Gesichtsfläche  der  Oberkiefer  ^chräg  gestellt,  die 
Possae  caninae  voll,  der  Alveolartheil  stark  prognath.  Zähne  gross.  Molares  III 
noch  mit  frischen  Kronen.  Gaumen  breit,  aber  vom  verletzt.  Zahncurve  elliptisch. 
—  Der  Unterkiefer  stark  und  gleichfalls  mit  alveolarem  Prognathismus.  Das  drei- 
eckige Rinn  kräftig,  innen  doppelte  Spina  mentalis.  Die  Aeste  breit  (39  mm)  und 
steil,  fast  senkrecht,  aber  von  innen  nach  aussen  auf  der  Fläche  etwas  ausgebogen. 
Proc.  coronoides  70  mm  hoch,  Incisur  massig.  Die  Winkel  nach  innen  gewendet 
und  am  unteren  Rande  mit  einem  Absätze  (Andeutung  von  Proc.  lemur.);  die 
Distanz  der  Winkel  sehr  klein,  nur  83  tum  betragend.  Die  unteren  Zahn- 
reihen in  ihren  hinteren  Theilen  fast  gerade  und  parallel. 

Auch  dieser  Schädel  erläutert  die  Richtigkeit  des  Satzes  von  der  verhältniss- 
mässig  grossen  Häufigkeit  erheblicher  Rnochenanomalien  bei  den  Wilden.  Die 
halbseitige  Synostose  der  Rranznaht  ist  in  Europa  eine  seltene  Erscheinung. 
Hier  ist  sie  um  so  mehr  bemerkenswerth,  als  der  Yoruba  noch  sehr  jung  war: 
die  offenen  Rnorpelfugen  am  Schädelgrunde  und  die  Beschaffenheit  der  Zähne 
lassen  darüber  keinen  Zweifel.  Gewöhnlich  entwickelt  sich  aus  dieser  Synostose 
eine  starke  Verkürzung  und  nicht  selten  eine  Erniedrigung  der  entsprechenden 
Schädelhälfte  (vgl.  meine  Gesammelten  Abhandl.  zur  wiss.  Medicin  S.  911.  Fig.  23 
bis  27);  hier  dominirt  sonderbarerweise  die  Verschmälerung  und  Erhöhung  der- 
selben, obwohl  die  Verkürzung  nicht  ganz  fehlt.  So  ist  es  geschehen,  dass,  ab- 
gesehen von  einigen  kleineren  compensatorischen  Ausweitungen,  die  Schädelform 
orthodolichocephal  geblieben  ist,  wie  sie  wahrscheinlich  auch  im  Normal- 
zustande sich  berechnet  haben  würde. 

Das  Wenige,  was  man  über  Yoruba-Schädel  weiss,  habe  ich  in  der  Sitzung 
vom  21.  December  1889  (Verh.  S.  781)  mitgetheilt.  Es  waren  überhaupt  nur  5  sol- 
cher Schädel,  und  zwar  ausschliesslich  weibliche,  bekannt  und  von  diesen  waren 
4  dolichocephal  und  1  mesocephal.  Ich  habe  aber  damals  darauf  aufmerksam  ge- 
macht, dass  ein  Schädel  unserer  Sammlung,  der  von  Flegel  aus  dem  Lagos-Gebiet 
mitgebracht  und  einem  Jabu  zugeschrieben  ist,  wahrscheinlich  in  dieselbe  Reihe  ge- 
hört. Sonderbarerweise  ist  es  auch  ein  weiblicher,  wenigstens  halte  ich  ihn  dafür. 
E3r  hat  durch  seine  Dolichocephalie,  Chamaeprosopie,  Platyrrhinie  und  Prognathie 
viel  Aehnlichkeit  mit  unserem  Yoruba. 

Das  Verhältniss  der  beiden  neuen  Schädel  zu  einander  wird  sich  am  leichte- 
sten in  einer  zusammenfassenden  Tabelle  übersehen  lassen. 


Togoland 


L  Kopftnaasse. 

Capacität 

Qnlsste  horiiontale  Länge 

„       Breite 


Wei  Yoruba 


1850  1380 

187  182 

13öt      I  ItVIt 


(57) 


Togoland 


Gerade  Höhe 

Ohrhöhe   

Hinterhauptslänge 

Uorizontalumfang 

Sagittalumfang  des  Stirnbeins    .... 

j,  der  Parietalia    .... 

der  Hinterhauptsschuppe 

Ganzer  Sagittalbogen 

Stimbreite ' 

Gesicht,  Höhe  A 

»  »B 

„        Breite  a 

»  V       b 

»  »       c 

Orbita,  Höhe 

y,        Breite 

Nase,  Höhe 

y,      Breite 

Gaumen,  Länge 

„  Breite 

Gesichtswinkel       


n.  Berechnete  Indices. 


Längenbreitenindex 
Längenhöhenindex 
Ohrhöhenindex  .  . 
Hinterhauptsindex 
Gesichtsindex  .  . 
Orbitalindex .  .  . 
Nasenindex  .  .  . 
Gaumenindex    .    . 


Wei 

s 

Yoruba 

136 

136 

112 

117 

52 

57 

507 

506 

122 

133 

135 

125 

110 

117 

367 

375 

89 

106 

116 

119 

68 

73? 

127 

141 

89 

103 

86 

83 

36 

31 

40 

38 

52 

52 

26 

29 

57 

32 

40 

70° 

73° 

o«t  cor.  sin. 
nf.  part 

8ynost.  cor.  sin 

72,2 

73,6 

72,7 

74,7 

59,8    1 

64,3 

27,8    1 

31,3 

91,3 

84,8 

90,0 

81,5 

50,0 

55,7 

56,1 

— 

Schon  in  der  December-Sitzung  von  1889  (Verband!.  S.  780)  habe  ich  einen 
Gesammtüberblick  über  die  Craniologie  der  Guinea -Küste  gegeben.  Damals 
habe  ich  dargethan,  dass  auf  diesem  grossen  Gebiet  Brachycephalen  eigent- 
lich ganz  fehlen.  Die  gegenwärtige  Untersuchung  hat  dies  in  ToUem  Maasse 
bestätigt.  Ja,  sie  hat  sogar  gelehrt,  dass  selbst  unter  den  Wei,  deren  jetzige 
Wohnsitze  über  Liberia  hinaus  hegen,  die  Brachycephalie  nur  sporadisch  vor- 
kommt. In  Beziehung  auf  die  Bildung  der  Schädelkapsel  dürfte  also  kaum  ein 
durchgreifender  Unterschied  unter  den  betreffenden  Stämmen  bestehen. 

Was  das  Gesicht  betrifft,  so  haben  leider  die  Messungen  des  Dr.  Wolf  nur 
sehr  vereinzelte  Verhältnisse  betroffen  und  auch  diese  nicht  in  genügender  Häufig- 
keit Scheinbar  hat  sich  ein  gewisser  Gegensatz  zwischen  den  Köpfen  und  Schädeln 
einzelner  Stämme   herausgestellt,   indem   neben  der  herrschenden  Chamaeprosopie 


(58) 

hier  und  da  Leptoprosopen  vorkommen.  Indess  dasselbe  hatte  ich  schon  früher 
gefunden  und  zugleich  war  mir  die  Thatsache  entgegengetreten  (ebendas.  S.  780), 
dass  es  hauptsächlich  Männerschädel  waren,  an  denen  diese  Eigenschaft  bemerkbar 
wurde.  Die  gegenwärtige  Untersuchung  hat  dies  bestätigt.  Daraus  geht  hervor, 
dass  ich  nicht  Unrecht  hatte,  wenn  ich  schon  früher  bei  mehreren  Oelegenheiten 
betonte,  dass,  wenn  nicht  der  Gesichtsindex  überhaupt,  so  doch  jedenfalls  die  jetzige 
Eintheilung  desselben  in  ethnologischem  Sinne  ungenügend  ist  Es  fehlt  offenbar 
ein  mittleres  Maass,  eine  Mesoprosopie,  welche  genauer  zu  fixiren,  eine  Auf- 
gabe der  nächsten  Zeit  sein  muss.  Aber  es  ist  kaum  zu  bezweifeln,  dass  auch 
mit  einer  solchen  Einschiebung  der  von  mir  wiederholt  nachgewiesene  Einfluss 
der  Sexualität  bestehen  bleibt,  nicht  bloss  in  dem  Sinne,  dass  die  Weiber  mehr 
zur  Chamae-,  die  Männer  mehr  zur  Leptoprosopie  neigen,  sondern  auch  in  der 
Weise,  dass  gewisse  Stämme  im  Grossen,  auch  bei  den  Männern,  einen 
mehr  weiblichen  Gesichtstypus  zeigen.  Dahin  gehören  von  den  hier  be- 
handelten Stämmen  vorzugsweise  die  Wei  und  die  Kebu,  letztere  vielleicht  in 
höherem  Maasse.  Diese  Stämme  besitzen,  dem  entsprechend,  auch  mildere  Formen 
der  Gesichtsbildung,  namentlich  geringere  Prognathie  und  weniger  häufig  Platyr- 
rhinie.  — 


Wie  ich  schon  vorher  (S.  45)  anführte,  hat  Dr.  Wolf  in  seinem  Notizbuche 
einen  Passus  über  die  religiösen  Gewohnheiten  der  Togo-Leute  nieder- 
geschrieben.   Derselbe  lautet  folgendermaassen: 

^Die  Togo-Eingebomen  glauben  an  einen  Gott,  den  sie  Maue  nennen,  der  überall 
ist  und  Alles  sieht.  401  kleine  Götter  und  Göttinnen,  gute  und  böse,  dienen  als 
Mittelspersonen  zwischen  Maue  und  den  Menschen.  Zu  ihnen  gehören  unter  anderen 
in  Popo  der  Donner  als  Gott  und  der  Blitz  als  Göttin.  Die  Priester  und  Prieste- 
rinnen des  Donners  haben  als  Abzeichen  einen  Kreis  von  Punkten  etwa  in  der 
Magengegend  um  den  Körper,  die  des  ßlitzes  so,  dass  hinten  auf  dem  Rücken 
die  Schlusslinien  der  ßogen  nach  oben  dem  Nacken  zu  gehen. 


Messungen  des  Dr.  Wolf 


Haussa 


Bnch^A.  1 

1  2      ■' 

Wci     I    Wei 

i 

$         5 


3 
Wei 


5 
Wei 


20—25  etwa  20 
Jahre  i  Jahre 


L  Kopftnaasse. 


Gr58ste  Länge 

,        Breite 

Ohrhöhe     

Stimbreite 

Gesichtshöhe  A  (Ilaarrand)  .    .    .    . 
^  B  (Nasenwurzel)  .    .    . 

Mittelgesicht 

(iiesichtsbreite  a  (Jochbogen)     .    .    . 

^  b  (Wangenbeinhöcker) 

„  c  (Kieferwinkel) .    .    . 

Distanz  der  inneren  Augenwinkel .    . 

-    ..  äusseren    «     .  . 


197 
147 
124 
120 
162 
108 

72 
189 
140 
128 

85 
100 


206 
141 
130 

85 
193 
121 

85 
128 
128 
116 

42 
105 


197 
144 
125 

62 
190 
119 

69 
126 
125 
115 

87 
105 


194 
148 


197 
144 


(59) 

„Die  Götter  Adeli's,  Neyo,  Prikko  gehören  ebenfalls  zn  den  401  und  sind  weit 
und  breit  als  besonders  mächtig  bekannt;  sie  haben  in  Adeli  ihren  Wohnsitz  auf- 
geschlagen. 

„In  Jege  (Adeli),  wie  auch  in  anderen  Ortschaften,  befindet  sich  eine  unförm- 
liche grosse  Lehmftgur  in  sitzender  Stellung  mit  Kauri-Augen  unter  einem  Schutz- 
dach. Diese  stellt  den  Teufel  vor  und  heisst  Elegba.  Morgens  gleich  nach  dem 
Aufstehen  pflegt  der  Eingebome  sich  zu  Elegba  zu  begeben,  vor  derselben  mit  den 
Füssen  auf  dem  Boden  zu  scharren  und  zu  bitten,  alles  Böse  an  diesem  Tage  an 
ihm  vorübergehen  zu  lassen. 

„Seelenwanderung  in  Klein-Popo.  Wird  ein  Kind  geboren,  so  befragen 
die  Eltern  das  Orakel  Ifa  mit  16  Palmenkernen,  ob  in  das  neugeborne  Kind  eine 
Seele  von  mütterlicher  oder  väterlicher  Seite  und  welche  bestimmte  übergegangen 
sei.  Von  der  Antwort  des  Orakels  hängt  die  Benennung  des  Kindes  ab,  welches 
den  Namen  des  oder  der  Verstorbenen  erhält,  dessen  oder  deren  Seele  in  dasselbe 
übergegangen  ist.  Der  Glaube  an  ein  Fortleben  nach  dein  Tode  ist  vorhanden, 
jedoch  giebt  es  dieses  nur  für  die  guten  Menschen.  Die  Seelen  der  Guten  gehen 
zu  Maue,  die  Seelen  der  Schlechten  dagegen  sterben  mit  dem  Körper." 


Das  leider  sehr  kleine  Vocabular  lautet: 


Nun-proe,  Unterkleid. 

Ffonchokolo,  Hose. 

Owu-chyon,  Umhang. 

Godo,  Lendentuch  eines  Mannes  (von 

Jalus). 
Dovo,  Armband. 
Aga-vo,  Ueberkleid  einer  Frau. 
Hun,  Trommel  (Ganchya). 


Kpo-ge,  Singstab. 
Vilgure,  Hängekorb. 
Pitterke,  Webeschifl". 
Pabaru,  Ledertasche. 
Mabbirgil  benbel,  Urnen. 
Gurma,    Zierplatte  für  die  Unterlippe  der 
Frauen. 


Nasenring  (.  .  .  insky). 
Zum  Schlüsse   gebe   ich   aus   den  Einzel-Aufnahmen   des  Dr.  Wolf  eine  Zu- 
sammenstellung seiner  Aufzeichnungen: 


7 

8 

9 

Buch 
10 

A.  1 

13 

14 

6 

11 

12 

15 

Wei 

Wei 

Mende 

Wei 

Wei     1     Wei 

Wei 

Wei 

Man- 
dingo 

Wei 

$ 

s 

$ 

S 

■    s        ?? 

$ 

s 

s 

$ 

20 

20 

etwa  18 

25 

i      20      i  20-25 

18 

25-28 

18 

20-25 

Jahre 

Jahre 

Jahre 

Jahre 

Jahre       Jahre 

Jahre 

Jahre 

Jahre 

Jahre 

1 

[.  Kopfmaasse. 

202 

192 

189 

199 

179     1     191 

195 

'     203 

191 

1% 

147 

142 



143 

148 

136 

.148 

142 

154 

140 
126 
116 
168 
110 

145,2 

0 

— 

— 

— 

■^— » 

— 

, 

69 

130 

121 

97 

35 

— 



— 

— 

. 

— 



94 

— 

(60) 


Messungen  des  Dr.  Wolf 


Uaussa 


Nase,  Höhe 

n      L&nge 

„      Breite 

Mund,  Länge 

Ohr,  Höhe 

Entfernung  des  Ohrloches  von  der  Xasenwursel 
Horizontalumfang 


43 
46 
40 
57 
57 
124 
670 


n.  Ktfrpermaasse. 


Ganze  Höhe 

Klafterweite 

Höhe,  Kinn 

^      Schulter     .... 

„      Ellenbogen     .    .    . 

y,      Handgelenk    .    .    . 

,,      Mittelfinger    .    .    . 

„      Nabel 

,,      Crista  ilium    .    .    . 

„      Symphysis  pubis 

j,  Trochanter  .  .  . 
Patelia,  oberer  Rand 

„      Malleolus  extemus . 

Schulterbreite 

Brustumfang 


Hand,  Länge 

„      Breite 

Fuss,  Länge 

„     Breite 

Grösster  Umfang  des  Oberschenkels  . 

der  Wade  .... 


1785 

1845 

1562 

1519 

1156 

806 

688 

952 

1020 

927 

908 

508 

81 

4nO 

885 

191 

86 

265 

161 

495 

856 


1 
Wei 


Buch  k,Jl 

2      ! 
Wei    I 


49     ,      42 
52  44 

(lief.)  18   (II.  t)  15 
57  56 

62  55 


670 


1795 

1865 

1537 
1147 
851 
665 
1076 
1026 


1746 
1935 

1482 
1093 
805 
601 
1098 
1082 


539 


812 


852 


3 
Wei 


5 
Wei 


20—26  etwa  20 
Jahre     Jahre 


555         — 


1700   1    1633 
1770   :     — 


699   I     —     I     _ 


825        836 


Buch  A.  1 


Messungen  des  Dr.  Wolf 


Grösste  Länge 
Breite 


16 
Man- 
dingo 

s 

20-25 
Jahre 


I.  Kopftnaasse. 

195 


17 
Wei 

i 

18 
Jahre 


18 
Wei 


19 
Wei 


25-80       ä 
Jahre  *  Jahre 


140 


186 
189 


187 
148 


185 
188 


20 

Wei 


Jahre 
146 


(61) 


Buch 

A.  1 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

14 

15 

Wei 

$ 
20 

Jahre 

Wei 
Jahre 

Mende 

etwa  18 
Jahre 

Wei 

1 

Jahre 

Wei 

1 

Jahre 

Wei 

$? 
20—25 
Jahre 

Wei 
Jahre 

Wei 

s 

25—28 
Jahre 

Man- 
dingo 

Jahre 

Wei 

20—26 
Jahre 

43 

40 

42 

45 

129 

108 

545 


n.  Körpermaasse. 


1594 


1687 
1810 


1550 
1645 


1701 
1835 


790 


820 


820 


830 


1567 
1720 


1589 
1685 


1603 
1705 


805 


775 


795 


1631 
1730 


1629 

1735 

1425 

1348 

1040 

778 

591 

981 


820 


760 


1732 
1935 


Sö5 


Buch  A.  1 

27 

1 
1 

29      ] 

Buch  A.2 

21 

22 

23    ; 

24 

25            26 

28 

1 

Wei 

Aposso 

Adeli    I 

Aposso      Adeli       Adeli 

AdeH 

Man- 
dingo    , 

Wei    : 

Wei 

25-30 
Jahre 

25-30 
Jahre 

25-30 
Jahre 

S    1    $        s 

30    35     20    25        20 

Jahre       Jahre       Jahre 

1               1 

s 

etwa  14 
Jahre 

20 
Jahre 

S 

20-24 
Jahre 

25-30 
Jahre 

I.  Kopfmaasse. 

190 

193 

191 

184 

195     '      192 

187 

188 

192 

199 

142 

146 

150 

146 

150 

148 

139 

142 

136 

140 

(62) 


Messungen  des  Dr.  Wolf 


Ohrhöhe       

Stimbreite 

Gesichtfihöhe  A  (Haarrand) 

„  B  (Nasenwurzel) 

Mittelgesicht 

Gesichtsbreite  a  (Jochbogen) 

„  b  (Wangenbeinhöcker)     .    .    . 

„  c  (Kieferwinkel) 

Distanz  der  inneren  Augenwinkel 

„         „    äusseren         „  

Nase,  Höhe 

«      Lange 

„      Breite 

Mund,  Länge 

Ohr,  Höhe 

Entfernung  des  Ohrloches  von  der  Nasenwurzel 
Horizontalumfang 


16 
Man- 
dingo 

$ 
20—25 

Jahre 


119 

112 

182 

106 

62 

128 

128 

91 

38 

130 

39 

37 

43 

52 

60 

114 

665 


n.  Körpermaasse. 


Ganze  Höhe 

Klafterweite 

Höhe,  Kinn 

„      Schulter     .... 

„      Ellenbogen     .    .    . 

.,      Handgelenk    . 

„      Mittelfinger    .    .    . 

„      Nabel 

„      Patella 

Brustumfang 

Hand,  Länge 

,       Breite 

Fuss,  Länge 

„     Breit« 

Grösster  Umfang  der  Wade 


17 
Wei 

18 


Buch  A.  1 

18 
Wei 


19 
Wei 


26-30 


Jahre    l  Jahre     Jahre 


20 
Wei 

Jahre 


^■^ 

115 

1 
* 

134 

— 

116 

«■^ 

98 

49 


1666,2 

1666 

1634 

1626 

1668 

1734 

1725 

1738 

1665 

1730 

1436 

— 

__  1 

— 

— 

1383 

— 

— 

— 

— 

1075 

— 

— 

— 

— 

821 

— 

— 

• 

— 

633 

— 

— 

— 

1009 

-- 

— 

— 

— 

490 

-- 

— 

— 

— 

798 

780 

sr/) 

786 

812 

172 

— 

— 

— 

— 

254 

_ 

1  ^~ 

.^ 

102 

— 

— 

— 

— 

345 

^— 

... 

.^— 

^_ 

(63) 


■ 

Buch  A.  1 

Bich  A.  2 

21 

22 

23 

24 

25            26 

27 

28 

29 

1 

Wei 

s 

25-30 
Jahre 



Aposso 

s 

25-30 
Jahre 

AdeH 

$ 
25    30 

Jahre 

Aposso 

s 

30—85 
Jahre 

Adeli 

s 

20-25 
Jahre 

Adeli 
Jahre 

Adeli 
Jahre 

Man- 
dingo 

20 
Jahre 

127 

Wei 

s 

20-24 
Jahre 

Wei 

$ 
25—30 

Jahre 

— 

1 
1 

•  

108 
186 
112 
73 
185 

113 

122 

~~ 

_ 

— > 

— . 

_- 

137 

146 

^^^ 

— 

— 

t 

1 

— 

122 

135 

137 

— 

— 

*"" 

— 

97 
28 

% 

113 









— 

— 

~ 

91 
46 
45 
44 
49 
66 

44 



46 

— 

__ 

— 

— 

— 

1 

— 

— 

^"^^ 

•^^ 

— 

— 

119 
535 



— 

n. 

1 

Körpermaasse 

1. 

1633 

1602 

1652 

1588 

1726 

1641 

-— 

1780 

1687 

1750 

1785 

"~~ 

~"^ 
^■^ 

(V,)  930 

1509 

1421 

1068 

779 

596 

1012 

525 

780 

190 

86 

■ 

— 

780 

«HB» 

._ 



_M_ 

__ 

__ 



■ 

__ 

■"^ 

— 

278 

107 
277 



— 

(64) 


Messungen  des  Dr.  Wolf 


Kebn  (Taschenbuch) 


1 
Ossua 

? 
25-28 

Jahre 


2 

Alossn 

$ 
16-18 

Jahre 


Dobosse     Elle  Ni 


5 

16-18 
Jahre 


etwa  ti5 
Jahre 


Aufrechte  Höhe 

Grösste  horizontale  Länge    .    .    . 
^       Breite  des  Schädels.    .    . 

Höhe  des  Gesichts  B 

Obere  (malare)  Breite  des  Gesichts 
Untere  (maxillare)  Breite.    .    .    . 

Jochbreite 

Nasenhöhe 


1543 

1557 

1459 

1582 

192 

186  ' 

176 

178 

144 

1 

131 

131 

130 

107 

95 

91 

105 

183  1 

124 

118 

121 

108 

107 

100 

10*2 

142 

134 

128 

131 

48 

40 

36 

41 

III.  Berechnete  Indices. 


Berechnungen  von  Virchow 

Längenbreitenindex 

Ohrhöhenindex 

Gesichtsindex 

Nasenindex 

Längenbreitenindex 

Ohrhöhenindex 

Gesichtsindex 

Nasenindez 

Längenbreitenindex 

Gesichtsindex 


Haussa  i     Wei 

I 


2 
Wei 


3 
Wei 


74,6 

68,4 

73,1 

73,7 

62,9 

63,1 

63,5 

— 

77,6 

94,5 

94,4 

— 

93,0 

— 

— 

19 

20 

21 

29  . 

Wei 

Wei 

Wei 

Wei 

5 
Wei 


73,1 


74,6         70,1     !    74,7 


85,8    i      — 


.A,2.  1 
Wei 

70,8        70,4 

I 
^_     I      ^_ 

82,4  ?      83,5 


12  3 

Kebu$      Kebu2      Kebu? 


75,0 
75,4 


70,4 
70,9 


74,4 
71,0 


4 

Kebu$ 

73,(» 
80,1 


(17)    Hr.  Hob.  Hart  mann  hält  einen  Vortrag  tibcr  die 


Amazonen  des  Königs  von  Dahome. 

Ich  beabsichtige  heute  keineswegs  noch  weiter  tibor  jene  Art  von  Amazonen 
zu  sprechen,  welche  jetzt  im  Gas  tan' sehen  Panopticum  durch  ihre  drallen  Ge- 
stalten, sowie  durch  ihre  mit  grosser  Verve  und  Correctheit  ausgeführten  militäri- 
schen Wendungen  Aufsehen  erregen.  Sie  haben  diese  schwarzen  Personen  wohl 
selbst,    theils   an    Ort   und  Stelle,    oder   auch    hier,    in   der   Sitzung,    hinlänglich 


(65) 


Keba  (Taschenbuch) 


5        {        6 
Ifibeso   !  Akparra 


Jiüire 


Jahre 


Aradschi 

s 

30-35 
Jahre 


8 
Osnssn 

$ 
20—25 

Jahre 


9 
Odunna 

t  „ 

etwa  18 
Jahre 


10 

Nenne 

30-35 
Jahre 


12 
N'Dassu 

$ 
18—20 

Jahre 


13 
Jamissi 

5 

20    25 
Jahre 


1_. 


14 
Oujabba 

20-25 
Jahre 


1682 

1607 

197 

192 

144 

140 

111 

103 

129 

120 

105 

102 

142 

130 

45 

43 

1653 
187 
184 
107 
120 
107 
136 
45 


1642 
189 
137,5 
106 
103 
102 
134 
44 


1589 
193 
140 
105 
127 
118 
145 
44 


1629 
193 
140 
110 
127 
106 
140 
46 


1685 
192 
138 
107 
124 
105 
140 
41 


1714 
185 
132 
105 
125 

96 
131 

43 


1637 
189 
142 
104 
180 
105 
139 
40 


m.  Berechnete  Indices. 


6 
Wei 

7 
Wei 

9 
Wei 

'       10 
Wei 

11 
Wei 

1      12 

Wei 

1 

13 
Wei 

15 
Wei 

17 
Wei 

75,1 

18 
Wei 

72,7 

74,0 

74,4 

76,0 

77,5 

72,8 

75,8 

74,0 

79,1 

— 

•        ^^^^ 

— 

"" 

— 

— 

— 

— 

8 

Mende 

1 

14 
Man- 
dingo 

16 
Man- 

dingo 

28 
Man- 
dingo 

22 

Aposso 

1 

24 
ApoE 

79, 

\80 

23 
AdeH 

25 
AdeH 

26 
AdeH 

27 
AdeH 

75,7 

73,3 

71,8 

75,5 

75,6 

1                      1 

3          78,5         76,9 

74,5 

74,3 

— 

66,0 

61,0 

67,6 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

84,6 

82,8         82,9 

— 

1 

—            — 

— 

— 

97,6 

110,2? 

95,6 

— 

— 

— 

• 

— 

5 

Keba 

6 
Keba 

7 

Kehl 

1 

1 

8 
Keba 

72,5 

9 
Keba 

72,5 

10 
Keba 

72,5 

12             13 
Keba       Keba 

14 
Keba 

73,1 

72,9 

71,1 

71,9 

71,4 

75,1 

78,1 

79,2 

78,C 

* 
) 

79 

,1 

7 

2,4 

78,5 

76,4 

80,1 

1 

74,8 

beobachtet  nnd  auch  die  hübschen,  von  unserem  Mitgliede,  Hm.  Franz  Görke,  auf- 
genommenen Photographien  jener  Damen  gesehen. 

Obwohl  nun  die  Caat an' sehen  Amazonen  schwerlich  je  die  Zeribah  oder 
Boma  des  Herrschers  von  Dahome  betreten  haben  werden,  so  können  wir  dennoch, 
glaube  ich,  dem  Aussteller  und  dem  Impresario  für  die  Gewährung  solcher  immer- 
hin recht  interessanten  westafrikanischen  Typen,  wohl  theüs  Kroomen  oder  Wei's, 
theils  Yorubaner,  Dank  wissen. 

Von  einigen  Mitgliedern  dazu  animirt,  will  ich  heut  die  wirklichen^  ächten 

Verbandl.  der  BerL  Anthrop.  OeseUsehaft  1891.  5 


(66) 

Amazonen  des  Königs  in  Dahome  nach  verschiedenen  Vorlagen  besprechen,  jene 
vor  Blutdurst  und  kriegerischem  Eifer  halbtollen  Megären,  welche  inmitten  der 
sonst  so  gutherzigen  und  mildsinnigen  nigritischen  Weiberwelt  wie  ein  entsetzliches, 
psychologisches  Käthsel  auftauchen! 

Vorher  zeige  ich  Ihnen  noch  käufliche  Photographien  der  Castan' sehen 
Amazonen,  sowie  Holzschnitte  aus  dem  Yoruba-Lande.  Letztere  sind  der  einzige 
Schmuck  verschiedener  Bände  der  Missionary  Church  Intelligencer.  Ich  hatte 
diese  Zeitschrift  aus  dem  Nachlasse  des  frommen  Prof.  Lepsius  für  theures  Greld 
und  mit  der  sicheren  Hoffnung  erworben,  darin  reichliche  Belehrung  über  Länder- 
und Völkerkunde  zu  finden.  Da  ich  aber  leider  in  den  Bänden  fast  nur  Expectora- 
tionen  über  hochkirchliche  Askese  und  andere  mir  uninteressante  und  unverständ- 
liche Dinge  angetroffen,  so  habe  ich  sie  der  immerhin  recht  hübschen  xylographi- 
schen  Beilagen   entledigt,    von  denen  Ihnen  eine  Reihe  vorliegt 

Zugleich  mache  ich  auf  die  sehr  beachtenswerthe  ethnographische  Ausstellung 
aus  Dahome  und  aus  den  Nachbarländern  aufmerksam,  welche  Hr.  Gas  tan  jun. 
heute  hier  veranstaltet  hat.  Ich  komme  dann  zu  unserem  eigentlichen  Gegenstände. 

Dahome,  von  H.  Zoll  er  nicht  mit  Unrecht  ein  Wachtthurm  uralter  afrikani- 
scher Barbarei,  ein  wahrhaftes  Schreckensreich  genannt,  erstreckt  sich  längs  eines 
Theiles  der  Sklavenküste  und  nach  dem  Innern,  östlich  durch  den  Rüstenstaat 
Porto  Novo  und  durch  Yoruba,  westlich  durch  das  Küstengebiet  von  Gross  Popo 
und  das  Reich  Aschänti  begrenzt.  Das  Reich  mag  zwischen  175 — 185  geographische 
Quadratmeilen  gross  sein.  Dasselbe  wird  von  einigen  Flüssen  durchströmt  und 
ist  im  Ganzen  fruchtbar,  auch  bevölkert.  Im  Küstengebiet  finden  sich  die  Häfen 
Kotonü  und  Wyda  (Hvida  oder  Ajuda),  letzterer  der  reichste  des  Landes,  in  einer 
sumpfigen  Umgebung.  Die  etwa  180000  Individuen  zählenden  Bewohner  Dahomes 
treiben  Ackerbau  und  Handel.  Ihre  Religion  besteht  im  ausgesprochensten  Fetisch- 
dienst. 

Die  Regierung  von  Dahome  hat  es  bis  jetzt  hartnäckig  verweigert,  die  um 
Wyda  herumliegenden  Sümpfe  trocken  legen  oder  wenigstens  durch  hindurch- 
gezogene Dämme  zugänglicher  zu  machen.  Es  entspricht  dies  der  Abschliessungs- 
politik  eines  Landes,  das,  obwohl  im  Ganzen  im  Verfalle  begriffen,  nach  Zöller  in 
seiner  Regierung  und  Verwaltung  neben  aller  Grausamkeit  doch  noch  mehr  Leben, 
Thatkraft  und  Weisheit  entwickelt,  als  die  ganze  englische  Goldküsten-Rolonie. 

Dahome  bringt  weder  Gold,  noch  Silber  hervor.  Allein  die  dortigen  Gold- 
schmiede wissen  aus  Piastern  und  Dublonen  recht  geschmackvolle  Schmuckgegen- 
stände zu  verfertigen.  Man  hatte  zwar  in  den  öfters  recht  gut  gearbeiteten  Töpfer- 
waaren  des  Landes  goldhaltigen  Thon  erkennen  wollen,  allein  das  Material  dazu 
besteht  nach  Bosset  nur  aus  glimmerhaltiger  Masse. 

Der  König  des  Landes,  der  Ahäsu,  ist  vollkommener  Despot.  Unter  ihm 
stehen  zunächst  die  Fetischpriester  und  die  Häuptlinge.  Diese  duldeten  früher 
keinen  Besuch  des  Königs  an  der  Meeresküste.  Jede  ungeziemende  Aeussemng 
oder  Bewegung  Seitens  des  Volkes  dem  Landesoberhaupt  gegenüber  wurde  und 
wird  noch  jetzt  mit  einem  martervollen  Tode  bestraft.  Spionirerei  und  Angeberei 
dienten  den  Machthabem  zur  Stütze  ihrer  Gewalt 

Hauptstadt  ist  Aböme,  A'gbome.  Sie  zählt  (nach  unsicheren  Angaben)  nur 
10  000— 12  0(K)  Einwohner.  Der  Ort  wird  von  breiten  Gräben  und  von  domigem 
Buschwerk  umgeben.  Eline  neuere  französische  Arbeit  schreibt  Aböme  monu- 
mentale Thore  zu  (Les  colonies  frantjaises,  Paris  1890,  vol.  VI,  p.  227). 

Alljährlich  unternimmt  der  König  Kriegszüge  in  die  Nachbarländer,  nament- 
lich die  yorubanischen,  überfüllt  hier,  womöglich  in  Mondscheinnächten,  die  nichts 


(67) 

ahnenden  Ortschafken,    brennt  sie    nieder  und    macht   dabei   möglichst   viel   Ge- 
fangene,   die   dann    als  männliche  (Kalia)  und  als  weibliche  (Kir)  Sklaven  dienen 
müssen.    Früher,  als  noch  der  Sklavenhandel  der  Europäer  blühte,  wurde  nur  ein 
Theil  der  Gefangenen  bei  den  Festlichkeiten,  bei  der  sogenannten  „grossen  Sitte" 
vor    den    Augen    der    Menge    abgeschlachtet.      Gegenwärtig    betreibt    man    diese 
Metzeleien  in  kolossalem  Maassstabe.    Die  grosse  Sitte  wird  meist  im  Januar  und 
Februar  gefeiert.    Es   giebt   dabei  Trink-   und  Essgelage,  Paraden,    Gesänge  und 
Tänze,   sowie   jene  Massenopfer,    bei    welchen   eine  beispiellose  Grausamkeit  ent- 
wickelt zu  werden  pflegt.    Diese  Opfer  scheinen    nach  dem  ürtheile  Mancher  mit 
einem  tief  eingewurzelten  Unsterblichkeitsglauben  zusammenzuhängen.   Man  denkt, 
die  Geschlachteten    führten   im  Jenseits    ein  gutes  Leben.     Grosse  Menschenopfer 
werden  hier,  wie  dies  ja  auch  unter  den  Aschanti  und  unter  anderen  afrikanischen 
Barbarenstämmen   geschieht,    bei    den   Bestattungsfestlichkeiten   eines  Ahasu   dar- 
gebracht   Man  sendet  nehmlich  dem  abgeschiedenen  Könige  die  Dienerschaft  ins 
Grab  nach.     Wenn  der  regierende  König  eine  Botschaft  an  den  Geist  eines  seiner 
Vorfahren  auszurichten  gedenkt,    so  vertraut  er  dieselbe  einem  beliebigen  Sklaven 
an  und  stösst  diesen  entweder  sofort  höchst  eigenhändig  nieder  oder  lässt  ihn  vor 
seinen  Augen   von  Anderen   tödten.    Man   wirft  bei  Gelegenheit  der  grossen  Sitte 
unglückliche,  in  Körbe  gepackte  Kriegsgefangene  von  einer  Platform  herab  mitten 
unter  die  Menschenhaufen,  die  dann  über  diese  Opfer  herfallen  und  sie  in  scheuss- 
licher  Weise  zerstückeln.    Andere  werden  vom  officiellen  Schlächter,  dem  Mingän, 
auch  vom  Grossschlächter,  Gram'  Mingän  (vom  Portugies,  gräo),  mit  einem  Riesen- 
schwerte   geköpft.    Das  Blut   wird    in   kupfernen  Pfannen   gesammelt.    Ich  zeige 
Ihnen  hier  die  Holzschnittabbildung  eines  zum  Opfertode  bestimmten  Individuums. 
Dasselbe,    in    eine   weiss-   und  blaugestreifte  Tunica  gehüllt  und  mit  einer  weiss- 
und  rothgestreiften  Baumwollenkappe  bedeckt,    ist  an    einen  Pfahl   gefesselt   (Aus 
der  Pariser  Illustration,    1852  er  Jahrgang).    Eine    von    mir   angefertigte   Aquarell- 
darstellang   betrifft   den  sein  Amt  verwaltenden  Gram'  Mingän,    nach  einem  Holz- 
schnitt  des  Dr.  Repin  (Le  Tour  du  Monde,    1863).    Ich    habe   letzteres  Bild   in 
starker   Vergrösserung    copirt   und   demselben   etwas    „afrikanische   Färbung"    zu 
verleihen  gesucht. 

Ausser  Menschen  opfert  man  bei  der  grossen  Sitte  allerhand  Thiere  auf  ebenso 
kannibalische  Weise,  wie  jene. 

Der  Ahasu  stützt  sich  auf  ein  gut  geübtes,  stets  schlagfertiges  Heer.    Darunter 
ßnden  sich  auch  die  berühmten  und  berüchtigten  Amazonen.    Es  sind  dies  unter 
dem  gegenwärtigen  Könige  etwa  6000  Mädchen.  Einer  unserer  jüngeren  Mitbürger, 
Hr.  Schlicke,    der   als  Kaufmann   an   der  Sklavenküste  gelebt  hat,    erzählte  mir, 
das   gegenwärtige  Regime   dulde   als  Amazonen   nur   sehr  junge  Personen   von 
15 — 19  Jahren,   kräftige  Negerinnen,    darunter   manche   nicht  anmuthlose  Erschei- 
nung.  Aehnliches  haben  schon  Repin  und  Porbes  erwähnt.    Gerade  solche  ganz 
junge  Wesen  sollen  den  grössten  Muth  und  die  grösste  Bestialität  entwickeln.   Der 
bekannte,    alle  Nigritier   auf  das  Absurdeste   carrikirende  Afrikareisende  Richard 
Burton  hat  eine  dahomeische  Amazone  dargestellt,  ein  wahres  Zerrbild  von  lächer- 
licher Fratzenhafligkeit,    eine   physisch-anthropologische  Unmöglichkeit  (A  mission 
to  Gelele,    King   of  Dahome.    London    1864.    Vol.  I,    Titelbild).    Repin    hat   an 
seinem  Amazonenbilde  insofern  übertrieben,   als   er  zwei  solcher  Weiber  in  völlig 
unausführbarer  Stellung   abbildet.     Eine    derselben    schiesst   nehmlich    im  tollsten 
Laufe  den  Bogen  ab,  die  andere  dagegen  hält  im  Laufen  mit  beiden  Händen  zwei 
abgeschlagene,   schwere  Nigritierköpfe    mit  höhnender  Geberde  steil  empor.    Der- 
gleichen Kunststücke  soll  mir  erst  einmal  Jemand  vormachen !   Am  Besten  ist  noch 


(68) 

das  Amazonenbild  bei  Forbes  gerathen.  Das  hält  sich  ganz  im  Bereiche  des 
Verständlichen. 

Ich  habe  nach  solchen  älteren  Vorlagen  ein  Gooachebild  von  Amazonen  in 
ruhiger  Stellung  gezeichnet,  vom  die  Rriegstrompete  von  Messing  und  Elfen- 
bein, sowie  die  mit  menschlichen  Schädeln  und  Rinnbacken  gamirte  Rriegs- 
pauke.  Daneben  abgehauene  Köpfe,  Arme  und  FHisse,  weiterhin  das  Gadaver  einer 
geköpften  Frau,  die  bei  solchen  Schlächtereien  unvermeidlichen  Aasgeier  (Gyps), 
im  Hintergrunde  eine  niedere,  z.  Th.  mit  abgesäbelten  Köpfen  besetzte  Garten- 
mauer. Sie  sehen,  diese  meine  Darstellungsweise  hat  viel  Derbes,  aber  Gouache 
hat  für  solche  skizzenhaften,  ethnologischen  Bilder  ihr  sehr  Gutes,  namentlich 
wenn  der  Darsteller  derselben,  bei  sonstigem  Mangel  an  Müsse,  in  kurzer  Zeit 
einen  gewissen  realistischen  Effect  zu  erzielen  beabsichtigt 

Die  Amazonen,  sagt  Aug.  Bouet  (im  Jahre  1852),  sind  fast  immer  Töchter  der 
Häuptlinge,  welche  von  diesen,  im  Alter  von  8 — 9  Jahren,  dem  Könige  zum  Ge- 
schenk gemacht  werden.  Wenn  letzterer  die  Mädchen  gnädigst  angenommen  hat, 
so  verlassen  sie  den  königlichen  Palast  nicht  mehr  anders,  als  um  ins  Feld  zu 
rücken.  Ihre  Abrichtung  behält  nur  das  einzige  Ziel  im  Auge,  alle  männlichen 
Krieger  Dahomes  an  Hingebung  und  Tapferkeit  zu  übertreffen.  In  allen  Kriegen 
des  Königs  Gezo  haben  die  Amazonen  stets  den  tollktlhnsten  Muth  bewährt  Wenn 
zur  Zeit  des  eben  erwähnten  Despoten  eine  Amazone  den  Palast  verliess,  so  ward 
sie  stets  von  einem  Eunuchen  begleitet,  welcher  das  auf  der  Strasse  befindliche 
Volk  durch  den  Ton  einer  Klingel  von  dannen  scheuchen  musste.  Denn  eine 
auch  rein  zufällige  Begegnung  mit  der  Amazone  wurde  vom  Könige  stets  mit  dem 
Tode  bestraft.  Er  wählte  aus  dem  Corps  einzelne  Mädchen  aus,  welche  ihres 
kriegerischen  Amtes  entkleidet  und  der  enormen  Zahl  seiner  Beischläferinnen  hinzu- 
gesellt wurden.  So  kommt  es,  dass  die  ächte  Amazone  männliche  physische  Bil- 
dung nur  an  solchen  Individuen  kennen  lernt,  welche  von  ihr  im  Kampfe  tödtlich 
niedergestreckt  worden  sind.  Eine  durch  einen  männlichen  Feind  gefangene  Ama- 
zone würde  sich  aber  lieber  selbst  entleiben,  als  eines  solchen  Mannes  Hausfrau 
werden  (Ulllustration,  1852,  No.  491).  Um  sich  einen  weiteren  Begriff  von  dem 
unbeugsamen  Sinne  dieser  kriegerischen  Megären  machen  zu  können,  diene  die 
Erzählung,  dass  zwei,  1851  bei  dem  vergeblichen  Sturme  auf  Abbeoküta  durch  die 
Egba  gefangene  Amazonen  diejenigen  Leute  getödtet  haben,  von  denen  sie  mit 
Nahrung  versorgt  werden  sollten. 

J.  Bayol,  auch  bei  uns  bekannt  durch  sein  Werk:  Voyage  en  Senegambie, 
Paris  1888,  hat  im  November  und  December  1889  am  Hofe  zu  Abome  während 
der  grossen  Sitte  den  verstorbenen  Könige  Glegle  oder  Gelele  täglich  etwa 
280  Leute  schlachten  sehen.  Den  zur  Execution  Verurtheilten  wird  jetzt  europäi- 
sche Kleidung  angezogen  und  man  stellt  ihnen,  noch  zum  Hohn,  einen  Sonnen- 
schirm zwischen  die  Beine.  Von  den  Amazonen  mit  den  lebhaftesten  und  wilde- 
sten Bocksprüngen  umtanzt,  werden  die  Unglücklichen  dann  auf  ein  Zeichen  des 
Königs  abgethan.  In  der  Pariser  „Illustration^  vom  15.  März  1890  ist  eine  der- 
artige Scene  recht  anschaulich  dargestellt  worden. 

Die  Amozoncneinrichtung  ist  in  Dahome  nicht  neu.  Schon  frühere  Bericht- 
erstatter, wie  Bosman,  erwähnen  solcher  Kriegerinnen.  Nach  Burton  heissen 
sie  Ahii'si,  des  Königs  niedere  Weiber,  oder  auch  Mino,  unsere  Mütter  (Mutter 
heisst  Nöe,  Nödschi).  Sie  sind  in  eine  Art  von  Regimentern  abgetheilt.  Ihre  OfR- 
ciere  sind  ebenfalls  Weiber.  Als  Kleidung  dienen  ihnen  kurz-  oder  ohnärmligc 
Tuniken,  deren  Farbe  je  nach  den  verschiedenen  Heeresabtheilungen  variirt  Dar- 
unter hängen  ein  kurzgeschürzter  Rock  von  verschiedenfarbigem  yombaner  Baum- 


(69) 

wollenstotf,  auch  wohl  kurze  Hosen.  Charakteristisch  bleibt  die  weisse  Bamn- 
wollenkappe  mit  eingestickter  schwarzer  oder  indigoblauer  Figur  eines  Rrokodiles, 
eines  der  Hauptfetische  des  Landes  (Lö),  neben  welchem  allerdings  auch  der 
schöne,  wehrhafte  Leopard  (Gbö)  und  verschiedene,  nicht  giftige  Schlangen  in 
Ehren  stehen.  Auf  dem  Gipfelpunkt  der  Rappe  sitzt  ein  kleiner,  schwarzer  oder 
dunkelblauer  Knopf  oder  Fuschel.  Die  Officiere  pflegen  ein  Pellkäppchen  mit  an- 
gehefteten polirten  Antilopenhörnern  und  einigen  Raurischnecken  anzulegen.  Die 
Bewaffnung  der  Amazonen  bestand  früher  nur  in  Bögen  (Dägbo),  Spiessen  (Adschi), 
Schwertern  (Ohoi)  und  Streitäxten.  Gegenwärtig  verfügen  sie  durchgängig  über 
Musketen  (So),  meist  noch  mit  Peuerschloss,  alte  (in  Europa  ausrangirte)  Schiess- 
prtigel,  deren  Munition  in  Pulverhömem,  in  Reihen  von  Patronenhülsen  und  in 
Cartouchen  verschiedenster  Porm  und  Farbe  getragen  wird.  Schwerter  und  Messer 
von  allerhand  Porm  und  Behang  dürfen  nicht  fehlen:  dienen  sie  doch  ganz  beson- 
ders dazu,  den  niedergestreckten  Feinden  die  Köpfe  vom  Bumpfe  zu  trennen,  um 
diese  als  Siegeszeichen  forttragen  zu  können. 

H.  Zoll  er  hat  beim  Schacha,  dem  portugiesisch  gemischten  Civilstatthalter  de 
Souza  zu  Whyda,  einer  Vorstellung  der  hier  nur  zum  Prunk  gehaltenen  60  Ama- 
zonen, früheren  Kriegerinnen  von  Abome  und  im  Alter  von  18 — 25  Jahren  be^ 
findlich,  beigewohnt  „Man  denke  sich  60  junge,  schlanke  und  ausgesucht  kräf- 
tige Pi-auen,  die,  ohne  unweiblich  zu  werden,  dennoch  einen  unbezweifelt  krie- 
gerischen Eindruck  hervorrufen.  Diese  Vereinigung  des  Weiblichen  und  des  Krie- 
gerischen würde  bei  Europäerinnen  kaum  denkbar  sein,  sie  erklärt  sich  durch 
die  eigenthümliche  Bildung  des  Knochenbaues  imd  besonders  durch  die  Schmal- 
heit des  weiblichen  Negerbeckens.  Negerinnen  von  unvermischtem  Blut  (bei 
Mulattinnen  ist  es  gerade  umgekehrt)  haben  nur  selten  üppige  Formen  und  ähneln 
in  Bezug  auf  den  Knochenbau  auffällig  den  Männern.  Man  muss  sich  daher  die 
Amazonen  ungefähr  so  vorstellen,  als  ob  die  erwachsenen  Zöglinge  eines  deutschen 
Mädchenpensionates  turnten  oder  kriegerische  Spiele  veranstalteten"  (Die  deutsche 
Kolonie  Kamerun,  I.  Theil,  S.  43). 

Keine  Begebenheit  dürfte  übrigens  besser  dazu  dienen,  die  wilde  Tapferkeit 
dieser  Megären  zu  erläutern,  als  der  im  Jahre  1851  stattgehabte  vergebliche  An- 
schlag des  dahomeschen  Heeres  auf  Abbeoküta.  Dieser  Ort  gehört  dem  intelli- 
genten und  fleissigen  Egba-Stamme  der  Yorubaner  an.  Im  Jahre  1825  versteckten 
sich  nehmlich  an  einem  am  Ogunflusse  gelegenen,  zerklüfteten  Porphyrfelsen 
(Olumo)  eine  Anzahl  vor  den  Sklavenräubern  geflohener  Schwarzen.  Diese  suchten 
Unterhalt  durch  Ackerbau,  erhielten  später  Zuzug  und  vertheilten  sich  in  verschie- 
dene Gemeinden,  deren  jede  über  eigene  Häuptlinge  und  Satzungen  verfügte.  Eines 
der  Oberhäupter,  voll  Energie  nnd  praktischen  Sinues,  Namens  Schodeke,  schuf 
eine  einheitliche  Verfassung,  welche  die  Leute  in  den  Stand  setzte,  den  ganzen 
Verkehr  des  Ortes  zu  erweitem  und  ihm  Wohlhabenheit  zu  schaffen.  So  entstand 
Abbeoküta,  in  welchem  allmählich  christliche  Missionäre  Fuss  fassten  und  wahre 
Wunderdinge  der  Bekehrung  vollzogen.  Unter  Schodeke's  Nachfolger  Sagbua  wuchs 
der  Ort  noch  mehr.  Auch  englische  Spekulanten  fanden  allmählich  dort  Eingang. 
Die  steigende  Blüthe  Abbeoküta^s  aber  erregte  den  Neid  und  den  Hass  des  da- 
maligen blutdürstigen  Königs  von  Dahome,  des  Gezo,  sowie  seines  barbarischen 
Volkes. 

Im  Jahre  i850  gab  es  wieder  „grosse  Sitte"  zu  Abome.  Die  dabei  auf- 
marschirenden  (angeblich  von  brasilianischen  Officieren  ganz  besonders  einexer- 
cirten)  Amazonen  zogen  vor  G^ezo  und  kreischten  ihm  voll  Uebermuth  zu:  „Wir 
haben   die  Stadt  Attapäm   zerstört  und  Okedän  in  einen  Schutthaufen  verwandelt, 


(70) 

überlass   uns   nun   auch  Abbeoküta!     Deine  Söhne  (Pisönu),    d.  h.  Soldaten,   sind 
feige   vor  Attapäm  geflohen,    Deine  Töchter  (Fijunu),    d.  h.  die  Amazonen,    wollen 
sich  lieber  die  Köpfe  abhacken  lassen,  als  Abbeoküta  nicht  erobern.    Wir  wollen 
seine  Einwohner   wie  Gras    hinmähen,    wir   sind    die  Finger   des  Königs"  u.  s.  w. 
fm  Februar  und  März  1851    rückten  denn  auch  10  (KH)  männliche  und  6(XK)  weib- 
liche Krioger  Gezos  gegen  die  Stadt  heran.    Unterwegs  schlössen  sie  einen  Bundes- 
vertrag  mit  Isagga,    einem    etliche  Meilen  von  Abbeoküta  gelegenen  Yoruba-Orte. 
Die  Bewohner  Isagga's    aber  gaben  den  Truppen  von  Dahöme  den  falschen  Rath, 
Abbeoküta  bei  Tage  und  an  seiner  festesten  Stelle  anzugreifen.    In  der  Nacht  aber 
sendeten  sie  Boten  zur  Nachbarstadt  mit  geheimen  Warnungen.     Man  rüstete  sich 
hier  denn  auch  zur  Gegenwehr.     Die  zur  Zeit  dort  anwesenden  Missionäre  Crow- 
ther,  Townsend,  Smith  und  Bowen  feuerten  die  Vertheidiger,  etwa  H(KM>  Wehr- 
fähige,   auch  die  Weiber,    dazu  an,    ihr  Möglichstes  zu  wagen.     Am  3.  März  Vor- 
mittags   erfolgte  der  Angriff  auf  die  Stadt.     Es  müssen  damals  furchtbare  Stunden 
für  die  dort  hausenden  Europäer  und    für  die  verständigeren  schwarzen  Bewohner 
gewesen  sein,    als    die  Dahomeer  in  langen,  geschlossenen  Linien  deployirten  und 
unter    fortwährenden  Salven  und  gellendem  Kriegsgeheul  herbeistürmten.     Auf  sie 
herab    krachten    die  Schüsse  der  Abbeokutaner,    auf  sie  herab  zischten  brennende 
Balken,    Kübel    siedenden  Wassers    und  heissen  Palmöles,    auf  sie  flogen  sausend 
schwere    Steine    hernieder.     Nach    stundenlangem,    heissem    Kampfe    wandte    sich 
Grezo's  Heer,    trotz    aller  vorheriger  Grosssprecherei,    zur  Flucht     Bei  Isagga  von 
den    Yorubanern    noch    einmal    geschlagen,    überschritten    sie    die    Grenzen    ihres 
Landes.   Unterwegs  nahmen  sie  aber  noch  beinahe  100  Egba-Landleuten  die  Köpfe 
ab,    um    diese  als  Trophäen  nach  Hanse  zu  bringen.     Als  Bischof  Crowther  am 
4.  März  den  Kampfplatz  vor  der  Stadt  betrat,  zählte  er  80  Leichen  von  Dahomr-orn 
im  Umfange    von    wenig  Ellen,    von    denen    alle,    ausser    fünf,    Amazonen    waren. 
Qvzo   hatte  hier  etwa    1S(K)  Todte  gelassen.     Seitdem  ist  Abbeoküta  verschont  ge- 
blieben. 

Manche  glauben  schon,  es  habe  mit  der  Herrlichkeit  der  Amazonen  überhaupt 
ein  Ende.  Neuere  Berichte  stimmen  aber  damit  nicht  überein.  Diese  wunder- 
same Institution  wird  erst  mit  einer  gänzlichen  Aenderung  der  Sitten  in  Dahöme 
eingehen  und  vielleicht  dann  selbst  noch  in  unverfänglicherer  Form  für  abseh- 
bare Zeiten  fortleben. 

Der  Weisse,  der  Europäer,  gilt  gegenwärtig  dem  Dahomeer  als  die  reine  Bete 
noire  Daher  auch  die  oben  beschriebene  höhnische  Verwendung  der  europäischen 
Kleidung  bei  den  Abschlachtungen.  Früher  war  der  Hass  nicht  so  gross.  Damals 
blühte  der  Sklavenhandel  und  der  Schnaps  verkaufende  und  Sklaven  kaufende 
europäische  Krämer  war  im  Reiche  nicht  ungern  gesehen.  Seit  Unterdrückung 
des  Sklavenhandels  hat  sich  alles  dies  wesentlich  geändert. 

Neuerdings  ist  ein  blutit^er  Conflikt  zwischen  Frankreich  und  Dahöme  aus- 
gebrochen, bei  welcher  Gelegenheit  ersterer  Staat  dem  letzteren  gegenüber  mit 
Recht  Vertragsverletzungen  zu  beklagen  gehabt.  Da  auch  in  diesem  Streite  Aller 
Augen  auf  die  Amazonen  gerichtot  waren,  so  ziemt  es  wohl,  von  der  ganzen 
Angelegenheit  Notiz  zu  nehmen.  Ueber  die  neuerdings  so  viel  besprochenen 
Anrechte  Fninkreiehs  tin  Dah»  nie  hat  der  Unterstaatssekretär  Herr  Etienne  Fol- 
gendes geäussert:  Nach  den  IHVH  bestätigten  Verträgen  hatte  der  König  von  Dah<*me 
der  Französischen  Republik  das  Gebiet  von  Kotouii  und  jenes  Land^ück  abgetreten, 
auf  welchem  das  Fort  von  Whyda  erbaut  worden  ist  Die  Stadt  Whyda  gehört 
dagegen  den  Franzo>en  nicht.  Antiererseits  hat  der  König  von  Porto  Novo  das 
französische    Protektorat    angenommen.      Nun    hat    aber   der    zeitige    König   (von 


(Yl) 

t)ahöme)  die  durch  seinen  Vater  abgeschlossenen  Verträge  verworfen  und  den  Ver- 
such gemacht,  die  Ausländer  aus  Rotonü  zu  vertreiben,  sowie  den  König  Porto 
Novo's  zu  nöthigen,  dem  Protektorate  zu  entsagen.  Aus  jenen  Gründen  unter- 
nahmen denn  auch  die  Dahomeer  ihre  Angriffe  auf  Kotonö,  die  noch  rechtzeitig 
von  den  durch  Gommandant  Terrillon  befehligten,  senegalischen  Tirailleurs  zurück- 
gewiesen wurden.  Man  glaubt,  dass  der  König  damit  seine  Anstrengungen  gegen 
Frankreich  vorläufig  erschöpft  habe. 

Der  Feldzug  hatte  mit  Wegführung  der  whydaer  Faktoreiagenten  Bontemps, 
Leyrand,  Pietri,  Chaudouin,  Thoris  und  Dorgere  Seitens  dahomischer 
Häuptlinge  begonnen.  Diese  französischen  Beamten  hatten,  trotz  Bayol's  War- 
nung, zu  passender  Zeit  nach  Kotonü  zu  flüchten,  auf  ihrem  Posten  ausgehalten 
und  waren,  augenscheinlich  durch  den  Verrath  eines  Händlers,  den  wilden  Schwarzen 
in  die  Hände  gespielt  worden.  Gegenwärtig  siedeln  sich  die  Franzosen  in  Porto 
Novo,  Kotonü  imd  Whyda  an. 

Kriegerische  Weiber  hat  es  zu  allen  Zeiten  und  in  verschiedenen  afrikanischen 
Greländen  gegeben.  Berüchtigt  sind  u.  A.  die  Königinnen  Tem-Ban-Dumba  und 
Anna  Xinga  in  Angola  zur  Zeit  der  Begründung  der  portugiesischen  Herrschaft. 
Amazonen  hielt  sich  auch  Mtesa,  der  berüchtigte  König  von  Uganda.  Stanley 
bildet  sogar  eine  Parade  derselben  vor  dem  erwähnten  Monarchen  ab  (Durch  den 
dunklen  Welttheil,  I,  S.  434).  — 

Die  weitere  Besprechung  des  Gegenstandes  wird  vertagt. 

(18)   Hr.  Voss  spricht  unter  Vorzeigung  von  Fundstücken  über 

die  Steinzeit  der  Lausitz  und  ihre  Beziehungen  zu  der  Steinzeit  anderer 
Länder  Europas,  insbesondere  über  die  homförmigen  durchbohrten  Henkel 

und  das  Lochomament. 

Hr.  Degner  hat  bei  Gelegenheit  seines  höchst  interessanten  Vortrages  in  der 
Sitzung  vom  20.  December  1890  über  einige  Gräberfelder  der  Niederlausitz  auch 
einige  Funde  aus  der  Steinzeit,  bestehend  in  Scherben  von  Thongefässen  mit  un- 
zweifelhafter Schnurverzierung,  aus  der  Nähe  von  Freiwalde  im  Kreise  Luckau, 
vorgelegt.  Das  Kgl.  Museum  besitzt  schon  seit  längerer  Zeit  eine  nicht  unbedeutende 
Anzahl  grösserer  Feuersteingeräthe  aus  den  Kreisen  Calau  und  Luckau.  Aus  der 
Gegend  von  Geissen,  ebenfalls  Kr.  Luckau,  sind  ausserdem  schon  seit  Jahrzehnten 
einige  Feuersteinwerkstätten  durch  die  Publicationen  des  verstorbenen  Apothekers 
Schumann  in  Geissen  bekannt. 

Ausserdem  kommen  hier  noch  einige  sehr  eigenthümliche  Funde  in  Betracht, 
welche  das  Kgl.  Museum  der  Güte  des  Hm.  Dr.  Behla  zu  Luckau  verdankt.  Die- 
selben bestehen  zunächst  aus  einem  anscheinend  nasenähnlich  geformten,  an  der 
Grundfläche  wagerecht  durchbohrten  Henkel  eines  Thongefässes,  bei  Kahnsdorf  in 
der  Nähe  von  Luckau  gefanden  (Katalog  L  5650).  Das  Vorkommen  dieser  Henkel- 
form war  mir  aus  den  grossen  Ansiedelungsfunden  von  Tordos  bei  Broos  in  Sieben- 
bürgen, welche  zum  grössten  Theil  der  Steinzeit  angehören,  bekannt.  Durch  die 
grosse  Güte  seiner  hochherzigen  Gönnerin,  des  Frl.  von  Torma  zu  Broos,  besitzt 
das  Königliche  Museum  eine  grosse  Sammlung  von  dieser  Fundstelle  und  zahl- 
reiche Henkel  von  dieser  Form.  Indess  erschien  es  mir  zu  gewagt,  auf  einen  so 
vereinzelten  Ftmd  hin  an  irgend  welche  Beziehungen  zwischen  zwei  so  entfernten 
Fundstellen  zu  denken. 

Elinige  Zeit   später   war  Hr.  Dr.  Behla  wiederum  so  glücklich,   einen  ähnlich 


(?2) 

geformten  Thongefässhenkel  zu  finden  und  zwar  in  der  Nähe  des  Dorfes  Fresdorf^ 
welches  gleichfalls  in  der  Gegend  von  Luckan  belegen  ist.  Dieser  Henkel  (Fig.  1 ; 
Katal.  I.  f.  2518)  war  reich  verziert  und  bot  für  die  Zeitbestimmung  einen  sicheren 
Anhalt.  Das  an  ihm  sichtbare  Ornament  besteht  nehmlich  in  reihenweise  geord- 
neten, mit  einem  meisselförmig  geschärften  Stäbchen  eingedrückten  kurzen  Strichen, 
welche  zu  beiden  Seiten  des  Henkels  je  vier  senkrechte  Parallellinien  bilden.  Auf 
dem  Rücken  des  Henkels  sind  dieselben  quergestellt  und  bilden  ein  senkrecht 
herablaufendes  quergestricheltes  Band.  Ausserdem  sind  noch  die  Anfänge  von  ähn- 
lichen quergestrichelten,  wagerecht  verlaufenden  Bändern  sichtbar. 

Dasselbe  Ornament  fand  ich  auf  einem  Scherben,  welchen  ich  in  einem  Riesen- 
bette bei  Klemmen,  Kr.  Cammin  in  Pommerti,  im  Jahre  1877  ausgegraben  habe 
(Fig.  2;  Verhandl.  1877.  S.  307  ff.).  Ich  habe  in  meinem  Bericht  über  diese  Aus- 
grabungen nachgewiesen,  dass  diese  Verzierungs weise  mit  dem  viel  mehr  ver- 
breiteten und  besser  gekannten  Schnuromament  zusammen  vorkommt  und  jedenfalls 
gleichzeitig  mit  demselben  ist 

Hierdurch  ist  nun  festgestellt,  dass  auch  der  Henkel  von  Fresdorf  der  Steinzeit 
angehört,  woftlr  sich  auch  noch  eine  weitere  Unterstützung  findet.  Ich  stiess  nehm- 
lich bei  Gelegenheit  unseres  Museumsumzuges  auf  ein  ganz  bestaubtes  und  längst 
vergessenes  Packet  mit  Thonscherben,  welche  bereits  vor  Jahrzehnten  in  das 
Museum  gelangt  waren  und  aus  der  Nähe  von  Waltersdorf,  Kr.  Teltow,  zwischen 
Köpenick  und  Königs-Wusterhausen,  stammten  (Katal.  I.  4084).  Dieselben  waren 
meist  sehr  roh  aus  grober  Masse  und  dickwandig  und  bestanden  aus  Wandstücken 
mit  sehr  starken  Henkeln,  einigen  Randstücken  und  mehreren  Stücken  mit  Hen- 
keln von  der  oben  beschriebenen  eigenthümlichen  nasen-  oder  vielmehr  homähn- 
lichen  Form  (Fig.  3  und  3  a,  Seiten-  und  Vorderansicht).  Besonders  merkwürdig 
war  unter  den  Randstücken  ein  Exemplar  mit  einer  Reihe  von  runden,  gleich- 
grossen  Löchern,  welche  in  gleichen  Abständen  nahe  dem  Rande  und  parallel  mit 
demselben  in  den  noch  weichen  Tbon  eingestochen  waren  (Fig.  4). 

Anfangs  war  ich  zweifelhaft,  ob  diese  Löcher  einem  praktischen  Zweck  dienen 
sollten,  wie  jene  vereinzelt  oder  paarweise  in  den  Rand  des  fertig  gebrannten  Thon- 
gefasses  nachträglich  eingebohrten,  welche  zum  Aufhängen  und  Tragen  des  Ge- 
fässes  bestimmt  sind.  Bei  weiterem  Nachforschen  fand  ich  aber,  dass  diese  Löcher 
lediglich  zur  Verzierung  dienen  und  nur  zum  Theil  vielleicht  eine  praktische  Be- 
stimmung haben. 

Es  giebt  nehmlich  eine  Verzierungsweise,  welche  darin  besteht,  dass  dicht 
unterhalb  des  Randes  in  regelmässigen  Abständen  Vertiefungen  angebracht  sind. 
Letztere  sind  auf  verschiedene  Weise  hergestellt:  sie  sind  entweder  mit  der  Finger- 
spitze und  dann  auch  noch  in  verschiedener  Weise,  oder  mit  Instrumenten  und 
zwar  runden  Stäbchen,  die  zuweilen  hohl  waren,  eingedrückt,  manchmal  bis  zu 
einer  Tiefe,  dass  nur  wenig  an  der  vollständigen  Durchbohrung  der  (Jefass- 
wand  fehlt  Die  Form  dieser  Eindrücke  ist  demnach  auch  sehr  verschieden.  Bei 
den  Fingereindrücken  wurde  entweder  nur  die  Fingerkuppe  ganz  leicht  eingedrückt 
oder  es  wurde  die  ganze  Spitze  des  Fingers  so  stark  in  den  Tfaon  gepresst,  dass 
auch  noch  der  Nagel  seinen  Abdruck  hinterliess.  Bei  den  mit  einem  Rundstäbchen 
gemachten  Eindrücken  kam  es  auf  die  Haltung  desselben  an,  ob  derselbe  auf  die 
Gefässwand  senkrecht  aufgesetzt  oder  schräg  gegen  dieselbe  geführt  wurde.  In 
erstercm  Falle  gab  es  eine  einfache,  fast  kreisrunde  Vertiefung,  in  letzterem  eine 
längliche,  bogenförmige.  Gewöhnlich  wurde  das  Stäbchen  von  unten  her  senkrecht 
gegen  den  Rand  geführt,  so  dass  der  lang  ausgezogene  Bogen  nach  unten  ge- 
richtet ist.   Die  dem  Gefassrande  zugewendete  Basis  des  Bogens  ist  entweder  gerad- 


(73) 

linig  oder  ebenfalls  bogenrsmiig  gekiHmmt,  je  nachdem  der  Bundstab  massir  oder 
hohl  war.  Die  beiden  in  Fig.  5  und  ti  abgebildeten  Randstücke,  ebenfalls  ans  den 
Riesenbetten  von  Klemmen  stanunend,  zeigen  dergleichen  Verzierongen. 

Warde  das  Rnndstäbchen  senkrecht  auf  die  Gefasswand  gesetzt  und  etwas 
kräftiger  angedrückt,  so  entstund  eine  vollständige  Dnrchbofarung  und  statt  der  Ver- 
tiefungen bUdeten  runde  Löcher  die  Verzierung  des  Bandes  (Fig.  4). 


Figur  1. 


Figur  2 


Figur  3. 


Wir  haben  hier  also  zwei  grosse  Grappen  von  Verzterungs weisen,  die  ich  der 
Kurze  wegen  als  Grtibenornament  und  als  Lochornament  bezeichnen  will. 
Sie  sind,  wie  weiter  unten  ansfuhrlicher  mitgetheiit  werden  soll,  früher  auch  be- 
reits ron  Hm.  Virchow  besprochen  und  unter  der  gemeinsamen  Benennung  „Locb- 
oroament"  zusammengefasst.  Beide  Gruppen  kommen  neben  einander  in  denselben 
Fandstellen  vor  und  wechseln  mit  einander  ab.  Am  häufigsten  finden  sie  sich  mit 
Schnuromament  gleichzeitig  vor. 

Zur  Erläuterung  will  ich  einige  Beispiele  anführen.  Zunächst  habe  ich 
wiedenim  die  oben  erwähnte  Fundstelle,  die  Riesenbetten  von  Klemmen,  Kreis 
Cammin  in  Pommern,  hier  zu  nennen.  Unter  den  daselbst  gel\indenen 'Scherben 
findet  sich  ausser  den  beiden  schon  erwähnten  RandstUckon,  welche  mit  Gmben- 
omament  verziert  sind  (Fig.  5  und  6),  ein  solches,  bei 
welchem  die  Vertiefungen  mit  der  Spitze  des  Daumens 
durch  wiederholtes  Eindrücken  auf  derselben  Stelle 
helgestellt  sind  und  die  Spuren  des  langen  und  kräfti- 
gen Daumennagels  sich  noch  deutlich  erkennen  lassen 
(Pig.  7).  Besonders  interessant  ist  ein  Stück,  welches 
in  dem  Photograph.  Album  der  prähistor.  Anstellung 
zu  Berlin  (Voss  und  Günther,  Berlin  1880)  Sect.  I, 
Taf  4  Nr.  162  abgebildet  ist.  Dnsselbe  stammt  von 
der  ron  Berendt  (Schritten  der  Phys.-Oekon.  Ges.  z. 

Königsberg  1875)  und  Tischler  (ebendas.  1882)  beschriebenen  Fundstelle  von 
Wirthschansabfällen  de»  Steinzeit  bei  Tolkemit  am  frischen  HafF  /wischen  Etbing 
and  Fninenbnrg  und  weist  gleichzeitig  Schnnrrerzicrung  und  zwei  Reihen  Gmben- 
verzierungen  auf,  welche  beide  mit  einem  massiven  Rundstäbchen  hergestellt  sind. 
Die  obere  Reihe  derselben  besieht  aus  kreisrunden  Gruben,  welche  bis  zu  einer  sehr 


Figur  7. 


erheblichen  Tiefe  in  die  Gefässwand  eingedrückt  sind,  so  dass  nicht  viel  an  der 
vollständigen  Darchbohrong  der  Gefässwand  fehlt;  die  untere  Reihe  ist  aus  bogen- 
förmigen Gruben  gebildet,  ähnlich  den  in  Fig.  5  dargestellten. 

Hier  ist  also  auf  das  Deutlichste  bewiesen,  dass  diese  beiden  Arien  von 
Grubenverzierungen  gleichzeitig  mit  dem  Schnuroniament  vorkommen,  also  der 
Steinzeit  angehören. 

In  Ostpreussen  kommen  aber  ausserdem  auch  wirkliche  Lochverzierungen  vor, 
bei  Gefässresten  aus  einem  Pfahlbau  des  Arys-Sees,  in  welchem  Anfangs  nur  Stein- 
geräthe,  später  aber  auch  bronzene  und  Eisengeräthe  gefunden  wurden.  Die  Funde 
sind  in  dem  Katalog  des  Prussia-Museums  zu  Königsberg,  herausgegeben  von  Prof. 
Dr.  Bujack  (Königsberg  1884)  S.  14  unter  Nr.  157—198  verzeichnet;  unter  Nr.  1(>8 
sind  „Wandungen  von  Gefässen  mit  künstlich  hergestellten  Löchern  am  Rande*^ 
aufgeführt.  Die  Abbildung  eines  solchen  Scherbens  giebt  Munro  in  seinem  vortreff- 
lichen Werke  über  die  Pfahlbauten  Europas  (The  Lake  Dwellings  of  Europe, 
Cassel  u.  C,  London,  Paris  und  Melbourne  1890  p.  327,  Fig.  99,  10). 

Die  Zeitstellung  der  ostpreussischen  Pfahlbauten  ist  mehrfach  Gegenstand  der 
Erörterung  gewesen,  ob  dieselben  wirklich  bis  in  die  Steinzeit  hinaufreichen  oder, 
wie  die  übrigen  Pfahlbauten  Norddeutschlands,  einer  späteren  Zeit  angehören.  Im 
Jahre  1877  hat  Hr.  Virchow  über  die  Pfahlbauten  des  Arys-Sees  bereits  in  den 
Verhandlungen  der  Berl.  anthropol.  Ges.  berichtet  (Bd.  9.  S.  434  ff.)  und  dieselben 
zwar  der  grossen  slavolettischen  Pfahlbautengruppe  zugezählt,  sie  aber  von  den 
eigentlich  slavischen,  denen  zwischen  Elbe  und  Weichsel,  unterschieden.  Herr 
Virchow  erwähnt  bei  dieser  Gelegenheit  auch  bereits  sehr  grosse  Gefässe  mit 
Löchern  am  Rande  und  die  verhältnissmässig  einfache  Ornamentik,  welche  u.  A. 
in  Nageleindrücken  besteht,  die  in  horizontalen  und  schrägen  Linien,  zuweilen 
guirlandcnförmig  angeordnet  sind.  Hr.  Prof.  Hey  deck  hat  dann  später  nochmals 
in  den  Sitzungsberichten  der  Prussia  (1882 — 1883,  S.  155)  über  neue  Pfahlbao- 
untersuchungen  im  Kock-See  und  Probkcn-Sce  berichtet  und  die  ostpreussischen 
Pfahlbauten  in  Bezug  auf  ihre  Construction  und  Fundobjekte  denen  der  Schweiz 
und  anderer  Länder,  abgesehen  von  einzelnen,  durch  Art  und  Klima  bedingten 
Specialitäten,  gleichgestellt.  Mit  Bezug  darauf  hat  dann  Hr.  Virchow  die  Zeit- 
stellung dieser  Pfahlbautengruppe  nochmals  erörtert  (Verh.  1884,  S.  561)  und  sich 
dahin  ausgesprochen,  dass  auf  Grund  des  fast  gänzlichen  Mangels  an  Funden  von 
charakteristischen  Steinwaffen,  des  dagegen  constatirten  Vorkommens  von  Eisen 
und  Glas,  die  preussischen  Pfahlbauten  wahrscheinlich  der  Eisenzeit  angehören 
dürften,  dass  sie  sich  von  denen  der  Schweiz  und  anderer  mehr  südlicher  Länder 
wesentlich  unterschieden,  dagegen  eine  Art  Verbindungsglied  zwischen  den  Pfahl- 
bauten Pommerns,  der  Mark  und  Posens  einerseits  und  denen  Livlands  anderer- 
seits bildeten.  Eine  weitere  recht  genaue  und  umfassende  Erforschung  sei  sehr  zu 
wünschen. 

Ich  selbst  kenne  die  Funde  aus  den  ostpreussischen  Pfahlbauten  nur  von  der 
prähistorischen  Ausstellung  hierselbst  (Katal.  d.  Ausstellung  S.  432  und  433)  und 
von  einem  kurzen  Besuche  des  Prussia-Museums  in  Königsberg,  bin  aber  nicht  in 
der  Lage,  daraufhin  jetzt  noch  aus  dem  Gedächtniss  ein  bestimmtes  ürtheil  über 
dieselben  abzugeben,  glaube  aber,  dass  es  nicht  ausgeschlossen  ist,  dass  diese  Pfahl- 
bauten bis  in  die  Steinzeit  hinaufreichen,  da  diese  Lochverzierungen  auch  noch  in 
anderen  Ansiedelungen  vorkommen,  welche  entweder  der  Steinzeit  angehören  oder 
bis  in  dieselbe  hinaufreichen.  Die  Reste  einer  solchen  Ansiedelung  sehen  wir 
z.  B.  in  den  Küchenabfällen  auf  der  Insel  Hesselö  im  Kattegat,  südlich  der  Insel 
Anholt.     Die   nordischen  Forscher   setzen   diese  Fundstätte    in  die  Uebei^gangsseit 


(75) 

ron  der  älteren  zur  jüngeren  Bronzezeit.  Eine  kurze  Beschreibung  von  derselben 
findet  man  bei  Sträle,  Grafkärl  funna  i  Svensk  jord,  Stockholm  1873  S.  18  u.  19, 
wo  unter  Fig.  3a  ein  dreimal  durchlochtes  Randstück  abgebildet  ist.  Zugleich  ist 
unter  Pig.  3d  ein  anderes  Randstück  von  derselben  Fundstelle  abgebildet,  welches 
mit  Schnurornament  verziert  zu  sein  scheint. 

Eine  andere,  sehr  wichtige  Fundstelle  ist  der  grosse  Brucksberg  bei  Königsaue 
in  der  Gegend  von  Aschersleben,  von  Hrn.  Pastor  Becker,  jetzt  zu  Lindau  in 
Anhalt,  1884  bereits  ausführlicher  beschrieben  (Verh.  1884,  S.  360  ff.  und  in  der 
Zeitschrift  des  Harzvereins  Jahrg.  1888,  S.  7  und  auf  Taf.  I,  Fig.  14  abgebildet). 
Die  dort  gefundenen  Gegenstände  hat  Hr.  Becker  dem  Königlichen  Museum  mit 
seiner  übrigen  Sammlung  als  Geschenk  verehrt;  sie  konnten  von  mir  einer  directen 
vergleichenden  Prüfung  unterzogen  werden.  Damach  besteht  kein  Zweifel  dar- 
über, dass  ein  Theil  derselben  der  neolithischen  Zeit  zugeschrieben  werden  muss. 
Ich  verweise  ausser  verschiedenen  anderen,  in  der  Sammlung  enthaltenen 
Stücken  nur  auf  die  a.  a.  0.  S.  361  abgebildeten  Fig.  2,  3  u.  5.  Unter  den  zahlreichen, 
von  Hm.  Becker  dem  Museum  geschenkten  Scherben  befinden  sich  nun  auch  nicht 
wenige  durchlochte.  Einige  haben  in  den  gebrannten  Thon  gebohrte,  konische 
Löcher,  andere  dagegen  weisen  die  charakteristische  Form  der  Lochverzierung  auf. 
Unter  denselben  ist  auch  ein  Stück  vorhanden,  von  Hm.  Becker  a.  a.  0.  in  Fig.  6 
abgebildet,  welches  mit  zwei  Reihen  von  Löchem  verziert  ist.  Es  ist  ein  sehr  wenig 
gekrümmtes  Randstück,  welches  einem  sehr  weiten  und  flachen  Gefässe  entstammt. 
Das  Stück  ist  besonders  beachtenswerth,  weil  es  einigen  Exemplaren  entspricht, 
die  Hr.  Virchow  Jahrg.  1877,  Taf.  XVIII,  Fig.  3  und  5  abgebildet  und  Verhandl. 
S.  403  besprochen  hat.  Letztere  stammen  von  dem  Rinnehügel  oder  Rinnekaln, 
am  Burtnecksee  in  Livland,  einem  Muschelhügel,  welcher  von  Hrn.  Virchow  der 
Steinzeit  zugeschrieben  wird.  Uebereinstimmend  ist  hier  wesentlich  die  Anordnung 
der  nmden  Gruben,  welche  bis  zu  einer  solchen  Tiefe  in  die  Wand  eingedrückt 
sind,  dass  sie  von  Hm.  Virchow  als  „Lochornament"  bezeichnet  werden  (a.  a.  0. 
S.  403  und  406)  und  demnach  die  grösste  Aehnlichkeit  mit  dem  ostpreussischen 
Ornament  zeigen.  Neben  diesen  unvollkommenen  Durchbohrungen  kommen  auch 
wirkliche  Löcher  vor  (a.  a.  0.  Taf.  XVUl,  Fig.  4). 

Die  Fundstelle  auf  dem  grossen  Brucksberge  bei  Königsaue  hat  ihre  Lage  auf 
einem  Hügel  in  dem  Bette  des  ehemaligen  Sees,  welcher  im  vorigen  Jahrhundert 
abgelassen  wurde.  Es  wäre  nicht  unmöglich,  dass  am  Rande  des  Hügels  sich  auch 
noch  Pfahlbautenreste  befinden. 

Dies  Thongeräth  von  dem  grossen  Brucksbei^e  hat  auch  sonst  noch  Aehnlich- 
keit mit  jenem  von  Waltersdorf  insofern,  als  sehr  starke  Henkel  und  eigenthüm- 
liche,  nach  oben  gerichtete,  zungenförmige  Henkelansätze,  welche  an  die  hora- 
ibrmigen  Henkel  erinnern,  daselbst  häufig  vorkommen.  Auch  ist  ein  Randstück  dar- 
unter, welches  mit  einem  meisselförmigen  Stäbchen  eingedrückte  Verzierungen,  in 
Gestidt  eines  quergestrichelten  horizontalen  Bandes,  aufweist,  ähnlich  wie  auf  dem 
von  Tischler  (Beiträge  zur  Kenntniss  der  Steinzeit,  Schriften  der  phys.-öcon.  Ges. 
Königsber  1882.  S.  20)  abgebildeten  Stück.  Bei  dem  Scherben  von  Fresdorf  (Fig.  1) 
sind  solche  Bänder  ebenfalls,  aber  nur  in  ihren  Endigungen  erhalten. 

Die  Loch-  und  Gruben vorzierangen  kommen  dann  noch  an  Gefässen  der  Schweizer 
Pfahlbauten  vor.  Keller  bildet  ein  solches  ab  (I.  Bericht,  Taf.  III,  Fig.  3).  Auf 
der  Zeichnung  erscheinen  die  Gruben  so  stark  vertieft,  dass  sie  das  Aussehen  von 
Löchem  haben.  Das  Gefäss  ist  henkellos,  hat  eine  sehr  weite  Mündung  und  nur 
eine  geringe  Auskehlung.  Es  ist  in  dem  der  Steinzeit  angehörigen  Pfahlbau  von 
Meilen   gefunden   worden,    wo  auch    ein    Schnurornament-Gefäss   gehoben   wurde 


(76) 

(Keller  a.  a.  0.  Taf.  III,  Fig.  1).  Das  Königliche  Maseum  besitzt  ausserdem  von 
der  Station  Robenhansen  ein  Stück  mit  flachem,  rundem  Grubenomament  (Kat  I. 
2378),  ebenso  von  der  Station  Wangen  am  Bodensee,  mit  etwas  grösseren  and 
tieferen,  gleichfalls  runden  Gruben  (Kat.  I.  2267).  Diese  beiden  Stationen  gehören 
gleichfalls  der  Steinzeit  an,  und  in  der  von  Robenhausen  ist  auch  das  Schnur- 
ornament vertreten.  Femer  befindet  sich  im  Kgl.  Museum  ein  Scherben  von  einem 
grossen  dickwandigen  Gefäss  aus  grober  Masse,  ähnlich  wie  die  beiden  vorher- 
gehenden mit  der  Fundortsangabe  Bodensee,  mit  achtem  Lochomament  (Katal.  Nr.  L 
2270),  sowie  ein  ähnlicher,  gleichfalls  bezeichnet:  Bodensee,  mit  eingestochenem 
Grubenomament  (Katal.  I.  2271). 

Sodann  zeigen  auch  einige  Scherben  von  Tordos  das  Grubenomament,  be- 
stehend in  kleinen,  ziemlich  dicht  an  einander  gereihten,  randen  flachen  Gruben 
sehr  nahe  dem  Rande  (Katal.  l.  4805;.  Wenngleich  hier  der  Verzierungsweise 
noch  dasselbe  Motiv  zu  Grande  liegt,  so  ist  doch  die  Anwendung  desselben  etwas 
verschieden.  Wie  mir  Hr.  Olshausen  freundlichst  mitgetheilt  hat,  sind  auch  in 
Italien,  in  der  Provinz  Bologna  bei  Castel  dei  Britti  auf  einer  alten  Wohnstätte, 
wo  auch  Feuersteinartefakte  gefunden  wurden,  Reste  von  groben  Thongefässen 
gesammelt  worden,  welche  nicht  auf  der  Scheibe  gedreht,  aber  längs  des  Randes 
mit  eingepressten  Grübchen  verziert  waren. 

Schliesslich  muss  ich  noch  einige  Thongeräthe  erwähnen,  über  welche  ebenfalls 
bereits  in  dieser  Gesellschaft  von  unserem  Hrn.  Vorsitzenden  berichtet  ist,  nehmlich 
durchlochte  Thonstücke  vom  Hanai  Tepeh  in  der  Troas.  Dieselben  wurden  von 
BÜTi.  Frank  Calvert  ausgegraben  und  als  Kochöfen  gedeutet  (Verh.  1884,  S.  306, 
Fig.  1 — 6).  Es  sind  sehr  dickwandige  Thonstücke  mit  verbreiterter  Basis,  welche 
sich  zu  einem  an  einer  Stelle  offenen  Ringe  zusammensetzen  lassen.  Die  Dar- 
stellung des  Hrn.  Frank  Calvert  scheint  zweifellos  richtig  zu  sein  Indess  befindet 
sich  in  der  Schliemann-Sammlung  ein  grösserer  Scherben,  welcher  zwar  sehr  stark- 
wandig  ist,  aber  möglicherweise  doch  wohl  von  einem  Gefäss  herstammen  kann, 
da  er  nicht  nach  der  Basis  zu  sich  verdickt  und  es  ist  um  so  mehr  zu  vermuthen, 
dass  in  dem  Hanai  Tepeh  auch  Gefässe  mit  Lochverzierung  vertreten  sein  mögen, 
als  dort  auch  hornförmige,  durchbohrte  Henkel  gefunden  sind.  Schliemann  (Ilios, 
S.  787  Nr.  1546  und  1547)  bildet  einen  solchen  ab,  wahrscheinlich  dasselbe  Exem- 
plar, welches  in  seiner  Sammlung  aufgestellt  ist  (Katal.  Nr.  5154).  Auf  den  Abbil- 
dungen sind  die  höckerigen  Unebenheiten  etwas  zu  kräftig  dargestellt,  die  Ober- 
fläche ist  glatter,  nicht  eigentlich  höckerig,  sondern  nur  wellenförmig  geschwungen. 
Es  würde  hier  also,  selbst  wenn  das  in  der  hiesigen  Sammlung  befindliche  durch- 
lochte Randstück  nicht  von  einem  Gefäss,  sondern  von  einem  solchen  Kochofen 
herstammen  sollte,  wegen  der  horaförmigen  Henkel  eine  immerhin  sehr  beachtens- 
werthe  Aehnlichkeit  mit  den  Funden  von  Waltersdorf  vorliegen. 

Durch  die  Fundstücke  vom  Hanai  Tepeh,  welche  Frank  Calvert  als  Koch- 
öfen deutet,  könnte  meine  Annahme,  dass  die  Durchlochung  der  Gefässränder 
nicht  zu  praktischen,  sondern  nur  zu  omamentalen  Zwecken  gedient  haben  sollte, 
etwas  gewagt  erscheinen,  um  so  mehr,  als  auch  Hr.  Becker  (Verh.  1884,  8.  361  ff.) 
berichtet,  dass  die  Marktfrauen  in  Aschersleben  sich  jetzt  noch  thönemer  Kohlen- 
becken bedienen,  auf  welche  ein  aus  Blech  angefertigter  durchlöcherter  Rand  auf- 
gesetzt wird,  und  annimmt,  dass  die  Thongefässe  mit  durchlochten  Rändern  eben- 
falls als  Feuerbecken  gedient  haben.  Ich  glaube  aber,  dass  es  nicht  möglich 
war,  in  einem  tiefen  Thongefäss  mittelst  dieser  Löcher  ein  Kohlenfeuer  zu  unter- 
halten, da  dieselben  zu  klein  und  zu  nahe  dem  Rande  angebracht  sind,  nament- 
lich   scheint   mir   ein  solches  Gefäss,    wie  jenes   mit  zwei  Lochreihen,    von  wel- 


(77) 

chem  Becker  (Verh.  1884,  S.  361,  Pig.  6)  eine  Abbildung  giebt,  wegen  seiner 
grossen  Flachheit  nicht  recht  geeignet  zu  einem  Kohlenbecken  zu  sein,  vielmehr 
nach  einem  im  Kgl.  Museum  befindlichen,  ganz  erhaltenen  Exemplare  von  Stass- 
furt,  mit  zwei  Doppelreihen  von  Löchern,  die  eine  nahe  dem  Rande,  die  andere 
nahe  dem  Boden  (Katal.  Nr.  I.  3955),  eine  Art  Stürze  oder  Sturzdeckel. 

Ich  glaube  nun,  dass  die  Sache  so  zu  erklären  ist,  dass  das  Lochomament  ent- 
weder auf  einer  durch  technische  Gründe  bedingten  Form  der  Qefässwandung  beruht, 
dass  aber  später  durch  eine  neue  Erfindung  die  Verwendung  derartig  geformter 
Gelasse  überflüssig  und  die  Durchlochung  der  Gefässwandung  aus  alter  Gewohn- 
heit noch  als  Ornament  beibehalten,  oder  dass  dasselbe  von  einem  anderen 
Geräth,  z.  B.  den  Kochöfen  vom  Hanai  Tepeh,  auf  die  Gefösse  tibertragen  wurde. 
Altmählich  ging  die  ursprüngliche  Bedeutung  der  Durchbohrung  ganz  verloren  und 
es  erhielt  sich  nur  noch  in  dem  Grubenomament  eine  sehr  verblasste  Erinnerung 
an  dieselbe.  Letzteres  ist  aber  nicht  zu  verwechseln  mit  dem  sehr  ähnlichen 
Tupfenomament  der  Metallzeit,  welches  dadurch  entstanden  ist,  dass  man  auf  die 
Gefässwand  zunächst  eine  erhabene  schmale  Leiste  auflegte,  welche  man  dann 
mit  den  Fingerspitzen  fest  andrückte.  Allerdings  finden  sich  diese  stark  erhabenen 
und  viel  wirkungsvolleren  Tupfenomamente  gleichfalls  meist  am  Gefässhalse,  nicht 
weit  unterhalb  des  Randes  und  gewöhnlich  auch  an  grossen  dickwandigen,  einfach 
bauchigen  Töpfen,  man  kann  aber  nicht  ohne  Weiteres  annehmen,  dass  das  er- 
habene Tupfenornament  die  directe  Fortsetzung  des  Grubenomaments  sei. 

Unsere  vergleichenden  Betrachtungen  über  das  Lochomament  hatten  uns  über 
Europa  hinaus  bis  nach  Klein-Asien  in  die  trojanische  Ebene  geführt.  Augenblick- 
lich fehlt  es  allerdings  noch  sehr  an  Yergleichsmaterial,  um  genau  übersehen  zu 
können,  wie  weit  die  slavolettischen  Pfahlbauten  mit  Funden  an  der  Küste  der 
dänischen  Kattegatinsel  Hesselö,  mit  den  Funden  in  der  Provinz  Sachsen,  in  den 
Schweizer  Pfahlbauten  und  in  Sieben büi^en  im  Zusammenhange  stehen,  ob  wir  in 
den  lochverzierten  Stücken  Funde  vor  uns  haben,  welche  ihre  Aehnlichkeit  der 
Ausbreitung  eines  einzelnen  Volkes  oder  nur  der  Verbreitung  einer  technischen 
Vorrichtung  oder  eines  Ornamentes  auf  dem  Wege  der  üebertragung  von  Volk  zu 
Volk  verdanken.  Zur  Zeit  können  wir  nur  constatiren,  dass  das  Lochomament 
der  Steinzeit  angehört,  in  Ostpreussen,  vielleicht  auch  in  Dänemark  und  in  den 
schweizer  Pfahlbauten  in  nächster  Beziehung  zu  dem  Schnuroraament  steht  und 
können  allenfalls  die  Vermuthung  aussprechen,  dass  es,  mit  Rücksicht  auf  die 
grobe  Masse,  die  Rohheit  der  Form  und  der  Ausführung  der  betreffenden  Gefäss- 
stücke,  namentlich  in  den  slavolettischen  Pfahlbauten,  vielleicht  älter  als  das 
Schnuromamcnt  ist.  Wir  dürfen  sodann  annehmen,  dass  zwischen  den  Funden 
von  Waltersdorf  und  jenen  aus  der,  Hanai  Tepeh  genannten  Ansiedelungsstätte  in 
der  Troas  ebenfalls  ein  Zusammenhang  besteht,  der  durch  Zwischenfunde  in  der 
Provinz  Sachsen,  durch  ein  Gefässfragment  mit  horaförmigem,  undurchbohrtem 
Henkel  von  Stöckners  Berg  bei  Merseburg,  in  Mähren  durch  einen  senkrecht  durch- 
bohrten Henkel  dieser  Art  an  der  von  Wankel  als  Opferstätte  angesprochenen 
Fundstelle  (Mitth.  der  anthrop.  Ges.  m  Wien  1873,  Heft  4,  Taf.  HI,  Fig.  1 1),  in 
Siebenbürgen  durch  die  zahlreichen  Funde  von  Tordos  vermittelt  wird.  Auf  einen 
Verkehr  in  alter  Zeit  zwischen  Ungarn  und  der  Troas  weisen  schon  gewisse,  der 
Bronzezeit  wahrscheinlich  angehörige  Goldfunde,  welche  Herr  Olshausen  vor 
längerer  Zeit  erwähnt  hat.  Aber  noch  ältere  Parallelen  zeigen  sich  in  den  ge- 
henkelten Stürzdeckeln  von  Hissarlik  und  von  Lengyel  in  Süd-Ungarn,  Comitat 
Tolna  (Wosinszky,  Das  prähistorische  Schanz  werk  von  Lengyel,  Budapest  1889/90), 
die  in  dem  bei  Kirchheim  a.  Eck  nahe  bei  Dürkheim  a.  H.  in  der  Rheinpfalz  ge- 


(78) 

fundenen   und   in   der  Vereinssammlung   zu  Dürkheim  a.  H.  aufbewahrten  Exem- 
plare bisher  ihre  westlichste  Vertretung  erreicht  haben. 

Sonderbarerweise  befindet  sich  auch  unter  den  zur  Schliemann-Sammlung  ge- 
hörigen ägyptischen  Oefässen  aus  Rumah  ein  kugüges  Exemplar  von  gelblicher  Farbe 
mit  reicher  rother  Bemalung  (Kat.  Nr.  9151),  welches  sehr  gut  erhalten,  ausserordent- 
lich regelmässig,  aber  mit  der  Hand  geformt,  und  mit  4  horizontal  durchbohrten 
Henkeln  versehen  ist.  Letztere  haben  in  ihrer  Form  grosse  Ä^ehnlichkeit  mit  denen 
von  Tordos,  sind  aber  kleiner  und  zierlicher.  Man  ersieht  an  diesem  Gefäss,  wie 
die  oben  beschriebenen  hom förmigen  Henkel,  welche  zum  Theil  mehr  an  Nasen,  als 
an  Hörner  erinnern,  am  Gefässkörper  angebracht  waren,  dass  dieselben  mit  der 
Spitze  nach  oben  (also  homartig)  und  nicht  nach  unten  (nasenartig)  gerichtet  waren. 
Weitere  Schlüsse  wird  man  wohl  aus  diesem  vereinzelten  Funde,  über  dessen  nähere 
umstände,  namentlich  Zeitstellung,  nichts  bekannt  ist,  nicht  herleiten  dürfen. 

Vielleicht  finden  sich  später  noch  einmal  Anhaltspunkte,  welche  es  mit  grösserer 
Sicherheit  darthun,  dass  es  zu  Anfang  der  neolithischen  Periode  eine  Zeit  gab,  in 
welcher   em   grosser  Theil  Ost-   und  Mittel-Europas   bis  nach  Rlein-Asien   hinein 
von  einer  spärlich  gesäeten,  gleichartigen  Bevölkerung  bewohnt  war,   die  vorzugs- 
weise an  Fluss-  und  Seegestaden  hauste.   Einstweilen  können  wir  nur  unser  Augen- 
merk auf  diesen  Punkt  gerichtet  halten.    Ich  glaube,  dass  es  bei  der  Beurtheilang 
der  Steinzeitfunde  von  besonderer  Wichtigkeit  ist,  zunächst  noch  mehr  leitende  Ge- 
sichtspunkte herauszufinden.   Das  Hauptroaterial  liefert  die  Keramik.  Bisher  hat  man 
in   derselben   aber  mehr  Gewicht  gelegt  auf  die  Unterschiede  in  der  Technik  der 
Ornamentirung  (Schnurornament,  Strichornament,  Schnittornament  u.  s.  w.),  sowie  auf 
die  einzelnen  Elemente  der  Verzierung,  als  auf  die  Gruppirung  derselben  zu  Mustern. 
Man   wird    deshalb    die  einzelnen  Verzierungsweisen  mehr  nach  ihren  besonderen 
Motiven,  Schachbrettmuster,  Zickzackbänder,  Spiral biindcr,  Zweig-  und  Grähtenoma- 
mente.   Horizontal bänder,    senkrechte   Streifen    und  Rechteckfelder  u.  s.  w.  unter- 
scheiden und  gruppiren  müssen,  um  zu  sehen,  welche  Motive  hauptsächlich  in  dieser 
oder  jener  Technik  ausgeführt  sind  und  welche  Verzierungs weisen  üebergangs-  oder 
Mischformen  sind.     Noch  wichtiger  aber,  als  die  Unterscheidung  der  Verzierungs- 
weise,   erscheint  mir  die  Beachtung  der  Formen  der  Thongeräthe,  namentlich  der 
Form   des  Gefässbodens,    der  Zahl    und  Form    der  Henkel    und    der  Bildung   des 
Halses   und    der  Mündung     Als  Beispiel    führe    ich   hier  das  Schnnromameot  an. 
Dasselbe  ist  verbreitet  von  Perm  durch  Norddeutschland,   Dänemark,  Holland  und 
Frankreich    bis    nach  England,    südlich    bis    in    die  Schweiz,    Böhmen    und  Nord- 
ungarn (Verh.  1877,  S.  307  ff.).   Es  ist  vorläufig  nicht  zu  gewoisen,  dass  dieses  weite 
Gebiet   in    neolithischer  Zeit  von  einem  einzigen  zusammengehörigen  V^olksstamm 
bewohnt  war,  vielmehr  werden  wir  zunächst  annehmen  müssen,  dass  in  diesen  Län- 
dern ein  gleich  massiger  Culturzustand,  welcher  sich  von  einem  Gebiet  auf  das  andere 
fortgepflanzt  hatte,  zu  dieser  Zeit  herrschte,  dass  die  Bewohner  dieser  Gebiete  das- 
selbe Material  und  dieselbe  Technik  besassen,  um  Schnüre  anzufertigen,  mit  welchen 
man  dergleichen  Ornamente  auf  dem  weichen  Thon  herstellen  konnte.   Ein  Blick  auf 
die  grosse  Verschiedenartigkeit  der  Formen  des  Thongeräthes  beweist  nach  meiner 
Meinung  zur  Genüge,   dass   auch  die  Menschen   dieser  Zeit   schon    verschiedenen 
Stämmen  angehörten.  Man  vergleiche  z.  B.  die  plumpen  topflormigen  Urnen  Englands, 
mit  dem  weiten  umgekrempten  Rande  (W. Greenwell,  British  Marrows  Oxford  IHTT, 
p.  67  Fig.  54;  p.  Hl  Fig.  72  u.  a.  m.;  Kemble,  Horae  ferales,  London  186:i,  PI.  XXK 
Fig.  4  u.  ">)    mit  den  ausserordentlich  gefälligen,    flaschen-  und  amphoreniormigen 
Thongefässen  Thüringens  und  Sachsens,  wie  sie  Klopfleisch  z.  B.  in  seinem,  diese 
Fragen    sehr   eingehend    behandelnden  Werke  (Vorgeschichtliche  Alterthümer   der 


^ b. 


(79) 

ProY.  Sachsen  u.  s.  w.,  Halle)  abbildet  und  welche  sonst  auch  hinreichend  be- 
kannt sind. 

Wenn  nun  die  einseitige  Betrachtung  der  Verzierungsweise  nicht  ausreicht  zu 
ethnologischen  Bestimmungen,  so  ist  doch  auch  die  Form  der  Gefässe  nicht  immer 
maassgebend,  da  gewisse  Formengebungen  durch  den  Gebrauch  bedingt,  andere 
aber  so  einfach  sind,  dass  sie  überall  erfunden  werden  können.  Indess  giebt  es 
auch  hier  ein  Beispiel,  welches  durch  seine  ausserordentlich  weite  Verbreitung 
zeigt,  dass  in  dieser  Beziehung  üebertragungen  von  Volk  zu  Volk  stattfanden. 
Ich  meine  die  geschweiften  Becher,  welche  sich  in  Sicilien,  Branowitz  in  Mähren, 
Ungarn,  Mitteldeutschland,  Westfrankreich,  England  und  Norddeutschland  bis  nach 
Dänemark  hinauf  finden.  Wir  werden  daher,  ausser  den  sehr  selten  erhaltenen 
Skeletresten,  auch  noch  andere  Begleiterscheinungen  zu  Rathe  ziehen  müssen, 
namentlich  die  Verbreitung  der  Formen  der  Steingeräthe.  Ich  habe  früher  bereits 
(Verh.  1877,  S.  309  und  Voss  und  Stimming,  Vorgeschichtliche  Alterthümer  der 
Prov.  Brandenburg,  Brandenburg  a.  H.  1887,  Einleitung)  auf  die  Verbreitung  ge- 
wisser Formen  hingewiesen  und  die  Meinung  ausgesprochen,  dass  auch  in  jenen 
entfernten  Zeiten  schon  ausgedehnte  Handelsbeziehungen  existirt  hätten.  Um  dies 
näher  zu  begründen,  werden  genaue  mineralogische  Bestimmungen  des  verwen- 
deten Gesteins  angestellt  werden  müssen,  um  zu  ermitteln,  woher  dasselbe  stammt. 

Hoffentlich  wird  in  der  nächsten  Zeit  das  Forschungsraaterial  wesentlich  be- 
reichert werden  und  werden  vor  Allem  auch  Skeletfunde  in  grösserer  Zahl  zu 
ethnologischen  Bestimmungen  verwerthet  werden  können.  Besonders  in  Mittel-  und 
Süddeutschland,  sowie  in  Oesterreich-Üngarn  ist  sicherlich  noch  mancher  Fund  zu 
heben,  wenn  dieser  Sache  nur  die  richtige  Würdigung  zu  Theil  wird  und  sich  mehr 
sachkundige  Personen  finden,  welche  die  Mühe  nicht  scheuen,  von  den  in  diesen 
Landesgebieten  an  vielen  Flussläufen  so  zahlreich  vorkommenden  Resten  uralter 
Ansiedelungen  die  allerdings  sehr  unscheinbaren  Thonscherben  zu  sammeln.  Man 
wird  zwischen  den  Scherben  hin  und  wieder  auch  interessante  Geräthe  finden  und 
schliesslich,  wenn  man  erst  den  Ueberblick  über  ein  grösseres  Material  bat,  auch 
mit  Erfolg  Schlüsse  aus  letzterem  ziehen  können. 

(19)  Hr.  Voss  legt  vor  einen  zierlich  geflochtenen 

Haarzopf  ans  einem  römischen  Bleisarkophag. 

Der  Sarkophag  wurde  bei  dem  Bau  des  neuen  Centralbahnhofes  in  Cöln  a.  Rh. 
gefunden  und  von  der  Königl.  Eisenbahn-Di rection  zu  Cöln  (Linksrheinisch)  dem 
Kgl.  Museum  für  Völkerkunde  zu  Berlin  überwiesen,  wofür  der  verbindlichste  Dank 
hiermit  ausgesprochen  wird.  Er  ist  1,25  in  lang,  0,35  m  breit,  0,40  m  hoch  und  nicht 
verziert.  In  demselben  fanden  sich  ausser  den  Resten  der  Bestatteten,  wahr- 
scheinlich eines  noch  sehr  jungen  Mädchens,  zwei  zierliche  Glasbecher.  Die  Farbe 
des  Haares  ist  ein  ziemlich  helles  Blond  mit  einem  Stich  ins  Bräunliche.  Es  ist 
wohl  anzunehmen,  dass  es  ursprünglich  braun  war  und  durch  die  umgebende 
Masse  gebleicht  ist. 

(20)  Hr.  Voss  zeigt  einen 

Bronzefnnd  von  Tangendorf,  West-Priegnitz. 

Derselbe  besteht  aus  8  sehr  kräftig  quergerippten,  schön  patinirten  Arm- 
ringen und  zwei  Bruchstücken  von  solchen,  und  lag  etwa  1  m  tief  unter  einem 
grossen  Steinblock.  Die  Ringe  haben  grosse  Aehnlichkeit  mit  dem  bei  v.  Tröltsch, 


(80) 

Fandstatistik  (Stnti^rt  1884)  S.  16,  Fig.  34  abgebildeten  Exemplar,  sind  jedoch 
bedeutend  kräftiger  geformt. 

(21)  Hr.  Voss  legt  einige 

Bronzenachgüsse  aas  den  Httncheberger  Gnssformen, 

sowie  den  Abguss  eines  Hohlceltes  vor.  Die  Stücke  gehören  dem  Gewerbe-Museum 
zu  Magdeburg,  welchem  sie  geschenkt  sind;  sie  sollen  angeblich  aus  Holstein 
stammen.  Sämmtliche  Stücke  stimmen  jedoch  in  Form,  Technik  und  Material  n^it 
den  von  Hm.  Krause  im  Jahre  1887  hier  vorgelegten  aus  dem  Museum  zu  Marien- 
werder auf  das  Genaueste  überein  und  sind  wohl  mit  Sicherheit,  ebenso  wie  jene 
und  die  Runenspeerspitze  des  Hm.  Blell  (Verhandl.  1887,  S.  179;  1890,  8.85),  als 
Fabrikate  des  verstorbenen  Literaten  Rubehn  zu  Wrietzen  zu  betrachten. 

(22)  Hr.  Voss  bespricht  das  neu  erschienene  Werk  des  bekannten  schottischen 
Alterthumsforschers  Robert  Munro,  The  Lake  Dwellings  of  Europe,  bei  Gassei 
u.  Co.  in  London,  Paris  und  Melbourne  1890.  Dasselbe  giebt  eine  Uebersicht  über 
alle  bisher  bekannten  Pfahlbauten  und  ähnliche  Ansiedelungen  in  Sümpfen  und 
Mooren,  Terremaren,  Terpen,  Warthen,  Crannogs  u.  s.  w.  in  ganz  Eluropa,  welche 
in  gedrängter  Kürze  alles  Wissenswerthe  über  sämmtliche  Fundplätze  in  präcisester 
Weise  enthält.  Zahlreiche  Illustrationen  dienen  zur  Erläuterung.  Hr.  Munro  hat 
die  wichtigsten  hier  in  Betracht  kommenden  Sammlungen  selbst  besucht,  das 
Material  an  Ort  tmd  Stelle  studirt  und  auf  diese  Weise  ein  Werk  geschaffen,  wel- 
ches sich  durch  Zuverlässigkeit  und  Oebersichtlichkeit  auszeichnet  und  gewisser- 
maassen  als  ein  Handbuch  der  Pfahlbautenkunde  dem  Anfänger  als  ein  sicherer 
Führer  und  dem  Forscher  als  ein  unentbehrliches  Nachschlagebuch  angelegentlichst 
zu  empfehlen  ist. 

(23)  Eingegangene  Schriften. 

1.  Wittmack,  L.,  Führer  durch  die  vegetabilische  Abtheilung  des  Museums  der 

Kgl.  landwirthschaftl.  Hochschule  in  Berlin.     Berlin  1886.    Gesch.  d.  Verf. 

2.  von  Mueller,  F.,   Inaugural   address.     (Extr.  Trans.  Australas.  Ass.  Advance- 

ment  of  Sc.)    Melbourne  1890. 

3.  Derselbe,   Brief  report   on   the  Papuan  Highland  Plauts,   gathered  during  Sir 

William  Macgregor's  expedition  in  May  and  June  1889. 
Nr  2  und  3  Gesch.  d.  Verf. 

4.  Borsari,  F.,   Le  zone  colonizzabili  dell'  Eritrea  e  delle  finitime  regioni  etio- 

piche.     No.  1.     Napoli  1890.     Gcsch   d.  Verf. 

5.  Wilson,  Th.,   A  study  of  prehistoric  anthropology.    (Smiths.  Inst  Rep.  Nat- 

Mus.  1887—88.)     Washington  1890. 

6.  Derselbe,  Results  of  an  inquiry  as  to  the  existence  of  man  in  North  America 

during   the   paleolithic  period  of  the  stone  age.     (Smiths.  Inst.  Rep.  Nat- 
Mus.  1887—88.)     Washington  1890. 

7.  Lucas,  F.  A.,  The  expedition  to  the  Funk  Island,  with  observations  upon  the 

history   and   anatomy   of  the    Great   Auk.     (Smiths.  Inst.  Rep.  Nat  Mus. 
1887-88.)     Washington  1890. 

Nr.  5 — 7  Gesch.  d.  Smithsonian  Institution. 


[ 


Sitzang  vom  17.  Januar  1891 
Vorsitzender  Hr.  Virchow. 

(1)  Die  Wahl  der  Mitglieder  des  Ausschusses  für  1891  erfolgt  gemäss 
den  Vorschriften  des  §  30  der  Statuten.  Es  erhalten  die  meisten  Stimmen  die 
Herren  W.  Schwartz,  Bastian,  Priedel,  G.  Fritsch,  Grünwedel,  Deegen, 
W.  Joest,  Wetzstein  und  Steinthal. 

(2)  Gestorben  ist  das  ordentliche  Mitglied,  Dr.  Lilien  fei  d,  ein  lange  Zeit  in 
Südafrika  thätig  gewesener  praktischer  Arzt,  dem  die  Gesellschaft  einen  Buschmann- 
Schädel  verdankt. 

Als  neue  Mitglieder  werden  angemeldet: 
Hr.  Gustav  Pauli,  Berlin. 
„   Dr.  0.  Schoetensack,  Heidelberg. 
„   Sanitätsrath  Dr.  Lissa,  Berlin. 

(3)  Die  Gedächtnissfeier  für  Schliemann  ist  auf  den  I.März  angesetzt. 
Hr.  Dörpfeld  hat  mitgetheilt,  dass  die  Kränze  der  Gesellschaft  und  des  Hm. 

Virchow  auf  den  Sarg  des  Verblichenen  niedei^elegt  sind. 

(4)  Hr.  Virchow  zeigt  einen 

verzierten  Nephrit-Ring  von  Erbil,  Mesopotamien. 

In  der  Sitzung  vom  16.  Juli  1887  (Verh.  S.  457)  legte  ich  der  Gesellschaft 
eine  Reihe  assyrischer  Fundstücke  vor,  welche  ich  dem  freundlichen  Entgegen- 
kommen des  früheren  türkischen  Militärarztes,  Hm.  Otto  Blas,  verdankte.  Dar- 
unter befanden  sich  ein  Paar  Nephritbeilchen  und  ein,  seinem  Alter  nach  zweifel- 
haftes Amulet  aus  Nephrit,  gefunden  bei  Erbil  (dem  alten  Arbela). 

So  werthvoll  diese  Stücke,  von  denen  unsere  Sammlungen  bis  jetzt  nichts 
Aehnliches  besitzen,  auch  waren,  so  werden  sie  doch  bei  Weitem  übertrofFen  durch 
ein  neues  Geschenk  des  Hrn.  Blas,  das  mir  ftiit  einem  Briefe  desselben  aus  Strass- 
burg  i.  Eis.  vom  15.  d.  M.  so  eben  zugegangen  ist.  Es  ist  ein  Ring  aus  Nephrit, 
der  gleichfalls  aus  der  Umgegend  von  Erbil  bei  Mossul  herstammt.  Nach  der  An- 
gabe des  gütigen  Gebers  hat  er  ihn  im  Jahre  1884  zu  Erbil  von  einer  Frau  ge- 
kauft, die  erzählte,  derselbe  stamme  von  einem  benachbarten  Landgute  und  sei  seit 
alter  Zeit  als  Schmuckgegenstand  und  Kinderspielzeug  im  Besitze  ihrer  Familie  ge- 
wesen, lieber  Zeit  und  Ort  des  ersten  Erwerbes  wusste  sie  nichts.  Nach  Ansicht 
des  Hm.  Blas  habe  der  Ring  vielleicht  zum  Spannen  der  Bogensehne  gedient. 

Das  schöne  Stück  besteht  aus  ziemlich  klarem,  durchscheinendem,  im  Grossen 
dunkelgrünem,  im  durchfallenden  Licht  hellgrünem  Nephrit,  dessen  breite  Aussen- 
fläche  durchweg  mit  einem  einfachen,  ziemlich  gross  ausgeführten  erhabenen  Blatt- 
omament  verziert  ist.  Der  Ring  hat  eine  obere,  genau  runde  Oeffnung  von  23  mm 
lichter  Weite.  Die  Seitentheile  sind  15  mm  hoch,  innen  und  aussen  schwach  ge- 
wölbt, in  der  Mitte  5  mm  dick,  am  oberen  und  unteren  Rande  stark  verjüngt  und 
mit   einer  fortlaufenden  Leiste  versehen.    Hinten  beträgt  die  Höhe  18  mw,   indem 

Verbaotil.  der  Bcrl.  Autbropol.  Geiieliachart  lbi»l.  6 


die  Mitte  des  unteren  Randes  in  eine  stumpfe  Spitze  aasgezogen  ist.  Nach  vom 
schiebt  sich  eine  30  mm  lange,  abschüssige  Fläche  vor,  nelcher  innen  eine  ähn- 
hche,  flachgewölbte  Fläche  entspricht.  Der  dadurch  gebildete,  dachförinige  Vor- 
spning  hat  in  seiner  Uittc  eine  Dicke  von  14  mm.    Die  untere  OeDnung  bildet  ein 

FiKor  2. 


grosses  O^al  von  45  auf  30  mm  lichter  Weite.  So  entsteht  ein  Ring,  gerade  gross 
genug,  dass  ich  ihn  auf  meinen  (etwas  schlanken)  Daumen  stecken  kann,  wo  der 
gedachte  Vorsprang  eine  Art  von  Schutzdach  Über  das  Metacarpo-Pbatangeal-Gelenk 
bildet.  (Fig.  1  Seitenansicht,  Fig.  2  Oberansicht,  Fig.  3  aufgerolltes  Ornament,  links 
die  hintere  Figur,  rechta  der  Mittettheil  mit  den  beiden  Seiten  zweigen.  Alle 
3  Figuren  auf  Vi  redncirt.)  Auf  der  linken  Seite  gebt  ein  nahezu  senkrechter 
Sprung  von  oben  nach  unten  durch  den  Ring,  ungefähr  da,  wo  der  dünnere  Seiten- 
theil  sich  dem  dickeren  Vordach  anschliesst. 

Da  das  Stück  ersichtlich  nicht  einen  einfachen  Fingerring  darstellt,  so  wUrde 
allenfalls  die  Frage  aufgeworfen  werden  können,  ob  es  sich  nicht  um  einen  jener 
Zehenringc  handelt,  wie  sie  noch  jetzt  in  den  mannich faltigsten  Formen  in  Indien 
gebräachlich  sind.  ludeas  hat  die  Deutung  des  Hm.  Blas  gewiss  viel  für  sich, 
znmal  da  eine  üppige  Phantasie  sich  leicht  dazu  einen  königlichen  Bogenschützen 
ans  der  Schlacht  von  Arbela  hinzudenken  kann.   — 

Hr.  Bartels  hält  es  für  zweifellos,  dass  der  Ring  den  Zweck  gehabt  habe, 
die  Hand  vor  der  Verletzung  zu  schützen,  welche  beim  Spannen  des  Bogens  durch 
den  Rückschlag  der  Sehne  leicht  entstehen  kann.  — 

Die  Herren  Ehrenreich  und  G.  Fritsch  äussern  sich  in  ähnlichem  Sinne.  — 

Hr.  Herrn.  Weiss  beruft  sich  wegen  des  Gebrauches  derartiger  Ringe  auf 
frühere  Angaben.  „So  aus  G.  Klemm,  Werkzeuge  und  Waffen-  Leipzig  I8M. 
8.  313  (mit  Abbildung):  „Perser,  Turkomanen  und  Chinesen  bewehren  den  Danmen 
der  rechten  Hand  mit  einem  Ringe  aus  Hirschhorn,  Elfenbein,  Knochen,  Jade  oder 
Carneol,  der  die  Iimenscite  des  Fingers  schirmt  und  auf  welchem  die  Sehne  um 
so  besser  abgleiten  kann.  Dieser  Ring  gehört  zu  jedem  vollständigen  Schiesszeug. 
Die  Vorderseite  ist  abgerundet  und  einen  halben  Zoll  breit."  Gleichfalls  die  Ab- 
bildung eines  solchen  Ringes  und  den  Hinweis,  dass  er  ein  Rüstzeug  morgenländi- 
Bcher  Bogenschützen  bildet,  enthalt:  J.  A.  Hansard,  The  book  of  orchcry  being 
the  complete  hislory  and  practice  of  the  art,  ancient  and  modern.  London  1841' 
(Taf.  VIII,  '.!). 


CÖ3) 

(5)  Hr.  Grünwedel  überreicht  einen  Brief  des  Hm.  H.  H.  Risley,  Pres. 
Chota  Nägpore,  Bengal  Civil  Service,  aus  Calcutta,  21.  December  1890,  worin  der- 
selbe, im  Anschlüsse  an  seine  Mittheilung  in  der  Sitzung  vom  15.  März  1890 
(Verh.  S.  254),  ein  von  ihm  an  den  Secretär  des  Finanz-Departements  der  Regie- 
rung von  Bengalen  unter  dem  12.  November  gerichtetes  Schreiben  zur  Kenntniss 
bringt,  betreffend  die 

Förderung  der  ethnologischen  üntersachungen  in  Indien. 

1.  With  reference  to  the  Resolution  of  the  Government  of  Bengal,  dated  the 
1  st  May,  1885,  sanctioning  certain  arrangements  for  the  prosecution  of  ethnographic 
researches  in  the  territories  subject  to  the  Lieutenant  Govemor  of  Bengal,  I  have 
the  honour  to  submit  for  the  consideration  of  His  Honour  the  Lieutenant  Govemor 
the  outlines  of  a  scheme  for  continuing  similar  researches  in  the  Lower  Provinces, 
and  for  extending  them  to  other  parts  of  India. 

2.  It  will  be  remembered  that  in  1885,  and  the  two  following  years,  a  series 
of  questions,  based  for  the  most  part  upon  the  heads  of  inquiry  drawn  up  in  1874 
by  a  Committee  of  the  Anthropological  Institute  of  Great  Britain  and  Ireland,  and 
framed  so  as  to  adapt  to  Indian  conditions  the  methods  of  research  sanctioned  by 
European  men  of  science,  were  circulated  with  the  authority  of  the  Government, 
and  that  answers  were  collected  by  a  voluntary  agency  working  under  my  super- 
vision  in  every  district  of  Bengal.  Of  the  data  procured  by  this  method  of  inquiry 
portions  have  been  published  in  the  Contemporary  and  the  Asiatic  Quarterly 
Reviews,  the  Journal  of  the  Anthropological  Institute,  and  the  Zeitschrift  für 
Ethnologie,  and  in  the  form  of  Papers  read  before  the  British  Association,  the 
Anthropological  Institute  of  Great  Britain  and  Irelaud,  and  the  Anthropological 
Society  of  Berlin.  A  proof  copy  of  two  out  of  the  four  volumes  in  which  the  results 
have  been  compiled  for  the  Government  of  Bengal  has  also  been  laid  before  the 
Board  of  Biology  and  the  Board  of  Oriental  Studies  in  the  University  of  Cambridge, 
both  of  which  bodies  take  considerable  interest  in  the  study  of  Indian  ethnography. 

3.  Although  the  inquiry  extended  only  to  the  Lower  Provinces  of  Bengal, 
and  the  record  of  the  results,  however  complete  for  ordinary  administrative  pur- 
poses,  must  be  regarded  as  incomplete  from  the  scientific  point  of  view,  still 
enough  has  been  done  to  demonstrate  the  remarkable  facilities  which  India  offers 
for  collecting  ethnographic  data  on  a  large  scale,  and,  what  is  even  more  important, 
for  testing  these  data  by  repetition  and  comparison.  The  reason  for  this  is  clear.  In 
India  a  highly  organised  administrative  body  of  the  most  modem  type  carries  on 
the  work  of  Government  in  constant  and  close  contact  with  people  whose  beliefs 
and  observances  present  examples  of  all  stages  and  varieties  of  primitive  culture, 
and  who,  nevertheless,  show  no  signs  either  of  dying  out  themselves  or  of  parting 
with  their  most  characteristic  usages  and  superstitions.  This  State  of  things  offers 
peculiarly  favourable  opportunities  for  the  formation  ol  a  trostworthy  record  of 
primitive  custom  and  tradition. 

4.  It  is  unnecessary  for  me  to  lay  stress  upon  the  high  value  which  the 
customary  law,  the  social  observances,  the  folk  lore  and  traditions,  the  superstitions, 
ritual,  and  religion  of  the  people  of  India  possess  for  all  students  of  the  early 
history  of  institutions.  The  field  is  comparatively  untried,  but  the  results  obtained 
in  Bengal  seem  to  show  that  it  is  one  of  remarkable  richness  and  variety.  The 
data  already  collected,  imperfect  as  they  are,  throw  considerable  light  upon  the 
early  history  of  marriage  and  the  family,  the  various  forms  of  the  custom  of 
exogamy,  the  comparative  prevalence  and  distribution  of  male  and  female  kinship, 


(84) 

ihe  phenomena  of  totemism,  and  the  deyelopment  of  different  stages  of  religious 
belief.  It  is  believed  that  they  will  also  tend  to  facUitate  and  cheapen  the  Opera- 
tions of  the  Indian  census  and  to  enhance  its  accuracy,  that  they  embody  valaable 
inforraation  concerning  infant  marriage  and  the  prohibition  of  widow  maniage,  and 
that  by  extending  onr  knowledge  of  the  customs  and  habits  of  the  people,  they 
will  indirectly  raise  the  general  Standard  of  administration  in  India. 

5.  This  being  so,  it  seems,  k)  me  desirable  to  eontinne  in  Bengal  and  to 
initiale  in  other  Provinces  of  the  Indian  Empire,  the  methods  of  investigation  which 
haye  yielded  such  valaable  resolts.  I  believe  that  this  may  be  done  without 
incnrring  large  expenditure  and  without  pntting  an  undue  strain  on  the  regnlar 
administratire  staff. 

6.  The  Bengal  inqniries  hare  shown  that  in  all  grades  of  the  administration 
offtcers,  both  European  and  Native,  are  to  be  found,  who  take  a  genuine  intere«t 
in  the  investigation  of  social  phenomena,  and  who  would  be  prepared  to  assist 
actively  in  collecting  ethnographic  data  in  addition  to  their  regulär  official  duties. 
All  that  is  needed  is  that  the  work  should  be  set  on  foot  under  the  general  coun- 
tenance  and  authonty  of  the  GoTemment,  that  it  should  be  organized  on  a  regulär 
System,  that  the  current  expenses  of  postage  and  stationery  should  be  met,  that 
some  clerical  assistance  should  be  given,  and  that  the  results  should  be  published 
from  time  to  time  in  a  form  somewhat  resembling  that  already  adopted  in  Bengal. 

7.  The  followiug  are  the  main  features  of  the  scheme  which  seems  to  me 
best  calculated  to  carry  out  the  objects  in  view: 

a)  That  unpaid  Provincial  Directors  of  Ethnographic  inquiries  should  be 
appointed  by  the  Government  in  each  of  the  large  Provinces  of  India.  It  is  believed 
that  several  of  the  higher  ofAcials  will  be  ready  to  untertake  this  work  in  addition 
to  their  ordinary  duties. 

b)  That  each  Provincial  Director  should  be  provided  by  the  Goverment  with 
a  Clerk  to  carry  on  correspondence,  and  should  be  given  an  allowance  for  postage, 
stationery,  etc. 

c)  That  a  series  of  Ethnographic  questions  should  be  drawn  up,  printed,  and 
circulated  by  the  authority  of  Government.  I  think  it  probable  that  the  set  of 
questions  fraraed  by  Mr.  J.  G.  Frazer,  of  Trinity  College,  Cambridge,  would  answer 
this  purpose  if  modified  to  suit  Indian  conditions,  and  amplifted  with  reference  to 
the  questions  used  in  Bengal.  Mr.  Frazer  has  been  good  enough  to  offer  to  assist 
in  carrying  out  the  necessary  alterations. 

d)  That  the  Provincial  Directors,  working  through  the  District  Ofßcers,  and 
the  heads  of  departments,  and  in  such  other  ways  as  they  may  find  suitable, 
should  enlist  a  number  of  correspondents  in  each  Province,  should  supply  them 
with  copies  of  the  questions  and  such  further  Instructions  as  may  be  necessary, 
and  should  arrangc  with  them  the  subjects  to  be  taken  up  for  inquiry,  mnch 
in  the  same  way  as  was  done  in  Bengal. 

e)  That  the  Provincial  Director,  or  correspondents  selected  by  him,  should 
from  time  to  time  draw  up  monographs  on  the  Ethnography  of  different  castes, 
tribes,  or  social  groups,  or  on  different  branches  of  custom  and  folk  lore. 

f)  That  these  monographs  should  be  printed  h^  the  Government  in  such  form 
as  may  be  found  convenient,  and  distributed  to  leamed  Societies  in  Europe  and 
elsewhere  in  the  same  manner  as  the  publications  of  the  United  States  Bureau  of 
Ethnology  are  now  circulated. 

8.  I  submit  that  this  plan  offers  a  reasonable  prospect  of  collecting  at  com* 
paratively  small  cost  a  mass  of  Information  of  great  scientific  valne,  which  would 


(85) 

at  the  same  time  be  of  use  to  the  Goyernment  of  Tndia  in  dealing  with  the  large 
class  of  administrative  and  legislative  questions  which  directly  or  indirectly  affect 
the  social  and  religious  iife  of  the  people.  I  would  ask  with  reference  to  the 
Resolution  already  cited,  and  connected  correspondence,  that  the  Lieutenant  Goveraor 
may  be  moved  to  take  the  subject  into  consideration,  and  to  submit  this  letter  with 
a  favourable  recommendation  to  the  Government  of  India.  — 

Der  Vorsitzende  spricht  Namens  der  Gesellschaft  die  herzliche  Sympathie 
derselben  für  das  wichtige  Unternehmen  aus.  Er  erinnert  an  dasjenige,  was  er 
in  der  Sitzung  vom  15.  März  vorigen  Jahres  (S.  256)  gesagt  hat,  und  fügt  hinzu, 
dass  die  Gesellschaft  und  die  einzelnen  Mitglieder  derselben  gern  bereit  sein 
werden,  nach  Kräften  die  Förderung  des  grossen  Werkes  zu  unterstützen.  Sollte 
unsere  Mitwirkung  bei  Aufstellung  des  Schemas  für  die  Untersuchung  gewünscht 
werden,  so  werden  wir  um  so  lieber  darauf  eingehen,  als  es  in  hohem  Maasse  er- 
wünscht sein  würde,  wenn  eine  gewisse  üebereinstimmung  in  Bezug  auf  die  zu 
beantwortenden  Fragen  Seitens  der  verschiedenen  Nationen  herbeigeführt  werden 
könnte.  Jedenfalls  erscheine  es  aber  passend,  die  Anträge  des  Hm.  Risley  durch 
eine  förmliche  Erklärung  bei  der  indischen  Regierung  zu  befürworten. 

Die  Geseilschaft  ertheilt  dazu  ihre  Zustimmung. 

(6)  Hr.  Felix  Milleker  in  Werschetz,  Ungarn,  tibersendet  mittelst  Schreibens 
vom  26.  October  v.  J.  eine  Abhandlung,  betreffend  eine 

Ansiedelung  der  Steinzeit  im  Gebiete  der  Stadt  Werschetz. 

Zwecks  wirksamer  Ableitung  der  Markovaczer  und  Kudritzer  Wässer  durch 
den  „Kleinen"  oder  „Werschetzer  Ried",  wurde  1888  im  Werschetzer  Territorium, 
westlich  von  der  Stadt,  durch  die  „Temes-Bega-Regulirungs-Gesellschaft"  ein  Kanal 
gezogen,  der,  weil  er  die  Flur  „Ludosch"  durchzieht,  auch  Ludosch-Kanal  ge- 
nannt wird.  Bei  dieser  Gelegenheit  wurden  besonders  in  dem  von  der  Temesvarer 
Reichsstrasse  gegen  Südwest  ziehenden  Segmente  des  Kanals  viele  interessante 
Zeugen  längst  vergangener  Zeiten  zu  Tage  gefordert.  Hier  durchschneidet  nehmlich 
der  Kanal  eine  Gegend,  die  etwas  höher  liegt,  als  der  Kleine  Ried,  und  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  auch  als  Wasserscheide  zwischen  diesem  und  dem  „Grossen 
Riede"  angesehen  werden  kann.  Schon  beiläufig  250  m  nördlich  von  der  Temes- 
varer Strasse  kamen  einzelne  Funde  vor,  die  sich  in  der,  zwischen  dieser  Strasse 
und  der  südlich  davon  gegen  Nordwest  führenden  Fahrstrasse  sich  ausbreitenden 
Gegend  häuften. 

Am  ergiebigsten  erwies  sich  jener  Theil,  welcher  von  dem  zuletzt  erwähnten 
Fahrwege,  beziehungsweise  der  dort  über  den  Kanal  führenden  Brücke,  bis  zu 
dem  vom  „Werschetzer  Kanal"  gegen  Nordwest  ziehenden  Feldwege  reicht  und 
700 — 800  tn  lang  ist.  Hier  durchschnitt  man  die  Ueberreste  einer  alten  Ansiede- 
limg.  Die  meisten  Funde  kamen  in  der  Mitte  dieses  Theiles  und  unterhalb  der- 
selben in  der  Länge  von  250 — 300  m  vor.  Dieser  Punkt  ist  beinahe  unmittelbar 
unter  dem  dort  beginnenden  Plateau  und  wird  im  imteren  Theile  auch  von  der 
„Römerschanze"  durchschnitten.  Hier  ist  die  Humusschicht,  eine  fette  schwarze 
Erde,  0,9  m  dick.  Unter  dieser  beginnt  die  Schicht  mit  den  üeberresten  von 
FeuersteUen  und  Begräbnissstätten,  Thongefässscherben  und  Küchenabfällen.  Die- 
selbe wird  von  einem  licht  graulichgelben  Thone  gebildet,  in  dessen  oberster  Lage, 
knapp  unter  der  Ackererdeschicht,  die  meisten  Funde  vorkommen.  Die  grösste 
Tiefe,  aus  welcher  wir  Funde  erhielten,  betrug  3,5  m. 

Genauere  Angaben   über   die  Menge   der  Fundstücke   selbst  lassen  sich  nicht 


machen,  du  die  Gegenstände  zaeret  eben  durch  Zofall  bekannt  worden  und  die 
Fnndstelle  nicht  systematisch  durchforscht  worden  ist.  Ich  selbst  habe  den  Ort 
Umal,  und  zwar  am  17.,  19,,  21-,  24.,  26.,  2a.  Mai  und  am  1.,  2.,  10.,  14.,  16., 
19.,  23.  und  26.  .loni  in  Gesellschaft  Eduard  Rittinger's,  welcher  dort  Artefakte 
sammelte,  besucht. 

Ueber  die  Anzahl  und  Grösse  der  Feuerstellen  konnte  ich  wenig  in  Erfahntn^ 
bringen,  da  der  Kanal  die  Gegend  nur  in  einer  Breite  von  12  m  durchzieht  und 
die  Arbeiter,  besonders  Anfangs,  als  sie  noch  nicht  auf  den  Neben Terdienst  durch 
den  Verkauf  der  Funde  nnfmerksam  gemacht  waren,  ohne  alles  Vcratändnisa  für  die 
Sache  deren  Spuren  unbeachtet  zcrstdrten  und  wegräumten.  Von  einer  Feoerbank, 
welche  aus  schön  roth  gebi'anotem  Estrich  bestand,  konnte  ich  constatiren,  daas 
dieselbe  beiläufig  l,d  m  im  Durchmesser  breit  und  bei  30  cm  dick  war. 

Bei  den  Fenerstellen  lagen  selbstverständlich  die  meisten  Fundobjekte.  Dort 
waren  die  meisten  Thonsch erben  und  Rüchen abrälle.  Letztere  bestehen  vor- 
wi^end  aus  Kinds-  und  Hirsch knochen.  Zuerst  lallt  das  Hom  des  Bos  priscns 
ine  Auge.  Dann  Rindshömer  von  gedrungener  Gestalt,  höchstens  30  cm  lang,  den 
BUCTelhömem  ähnlich.  Das  Geweih  des  Cervus  elaphus  war  durch  einige  recht 
stattUche  Bruchstücke  vertreten.  Auch  Pferdezähne  snh  ich.  Einmal  constatirle  ich 
den  Hauer  eines  Wildschweines,  während  einige  Knochen  von  mittleren  Hausthicrcn, 
wie  Schafen  und  Ziegen,  herzustammen  schienen.  Auch  die  Schale  der  grossen 
Teicbmuschel  (Anadonta  cygncu)  traf  ich  unter  den  Ucberrcstcn.  Die  Knochen 
fanden  sich  oft  neben  den  Feuerstellen  separat  gesammelt,  wie  in  Nestern  gebettet. 
Viele  davon  waren,  um  das  Mark  daraus  zu  gewinnen,  der  Länge  nach  gespalten. 

Die  Gera th Schäften,  Waffen  und  auch  Schmuckgegenstände,  sind  theils  aus 
Thon  oder  Stein,  theils  ans  Knochen  oder  Hom  verfertigt.  Gegenstände  aus  Hctull 
fanden  sich  im  Verhältniss  nur  sehr  wenige  vor. 

Das  Material,  woraus  das  Gros  der  Thongefasse  verfertigt  war,  ist  nicht  das 
beste  zu  nennen.  Selten  erscheint  der  Thon  etwas  gereinigt,  meistens  ungeschlemmt, 
mit  Kiesel-Sandkömchen  vermischt,  wie  ihn  die  Gegend  der  Ansiedelung  eben  bot. 
Figur  1. 


>  c 


<C3^ 


Die    Formen   der  Thongefasse  (Fig.  1)   bieten    wenig  Abwechselung.    Am 
häufigsten  kam  die  topfartige  Gestalt  vor,  und  zwar  in  der  Grösse  bis  zu  20  Liter 


(87) 

Rauminhalt  Eine  Urne  hatte  gar  einen  Rauminhalt  von  45 — 50  Liter.  Nicht 
selten  ist  die  Rein-  und  Schtlsselform.  Ein  Fragment  stammte  von  einer  runden 
Schüssel,  die  30  cm  Bodendurchmesser,  12  cm  Wandhöhe  und  1  cm  Wanddicke 
hatte.  Einige  Scherben  gehörten  zu  viereckigen  Schüsseln.  Auch  die  Tassenform 
kam  vor.  Ein  Bruchstück  Hess  auf  ein  kahnförmiges,  sau9eschalenartiges  Gefäss 
schliessen.  Runde,  schalenartige  Gefässe  fanden  sich  auch  mehrere,  dieselben  sind 
beinahe  halbkugelförmig.  Eines  hatte  einen  Bodendurchmesser  von  4  cm,  Höhe 
von  5  und  eine  innere  Weite  der  OefTnung  von  11  cm.  Von  den  kleinen  Doppel- 
gefässen  mit  übereinander  befindlichen  Räumen  fanden  sich  3  Stück,  freilich  auch 
beschädigt. 

Gebrannt  waren  die  mit  freier  Hand  verfertigten  Gefässe  meistens  nicht  be- 
sonders. Eine  schöne  rothe  Farbe  fand  ich  nur  ein-  oder  zweimal.  Schwarz, 
schwarzgrau  und  dunkel-fahlgelb  waren  die  vorherrschenden  Farben.  Auch  hier 
konnte  man  bei  einigen  constatiren,  dass  sie  aussen  fahlroth  und  innen  schwarz 
waren. 

Die  Dicke  der  Gefässwände  variirte  zwischen  6  und  26  mm ;  dickere  oder 
dünnere  Wände  gab  es  selten. 

Die  grösseren  Gefässe  waren  zumeist  ohne  Verzierungen;  ein  einziges  Bruch- 
stück zeigte  4  wagerecht  und  parallel  um  den  Bauch  laufende,  mit  den  Fingern 
eingedrückte  Linien.  Die  grossen  urnenartigen  Gefässe  hatten  oft  aussen  an  der 
Ausbauchung  Knöpfe  (Fig.  1  A),  die* ein-  oder  zweimal  sogar  in  herabhängende 
Zipfel  übergingen.  Diese  Knöpfe  waren  nicht  selten  durchbohrt.  Interessant  ist 
es  zu  beobachten,  wie  aus  diesen  durchbohrten  nussgrossen  Knöpfen  schliesslich 
der  Henkel  entstand,  dessen  kleinere,  gedrungenere  Form  auch  zu  constatiren  ist. 
Selten  mögen  aber  wohl  jene  zwei  üeberreste  einer  grossen  Urne  sein,  an  deren 
äusseren  Bauchseiten  nussgrosse  Knöpfe  mit  4  mm  weiten  Bohrlöchern  waren, 
denen  im  Innern  des  Gefässes  kleine  Uenkelchen  genau  verkehrt  gegenüber  standen. 
Eine  Rein  besass  Füsse.  , 

Von  den  kleineren  Gefässen  mögen  die  bemerkenswertheren  hier  folgen: 

1)  Becher  (Fig.  1,  «);  8  cm  hoch,  cylinderförmig,  mit  5  cm  Oeffnungsweite, 
verziert  mit  einem  einzigen  Knopfe  an  der  äusseren  Seite,  von  sehr  primitiver  Aus- 
führung und  an  der  Sonne  getrocknet;  vollkommen. 

2)  Becher  (Fig.  1,  a);  8  cm  hoch,  unter  dem  OefiTnungsrande  je  2  kleine  Löcher 
einander  gegenüber,  halb  ausgebrannt;  vollkommen. 

3)  Mörserförmiges  Gefäss  (Fig.  1 ,  rf),  mit  2  winzigen  Henkelchen,  6  cm  hoch, 
an  der  Sonne  getrocknet;  vollkommen. 

4)  Kleines  Gefäss.  Höhe  3  cm^  Oeffnungsweite  3  cm,  Wanddicke  5  mm,  an 
der  Sonne  getrocknet;  fragmentirt. 

5)  Kleines  Gefäss.  Höhe  4  cm,  Oeffnungsweite  4  cm,  an  der  Sonne  getrocknet; 
vollkommen. 

6)  Kleines  Gefäss.  Höhe  4  cm,  Oeffnungsweite  2  cm,  an  der  Sonne  getrocknet; 
vollkommen. 

7)  Kleines  Gefäss.  Höhe  5  cm,  Oeffnungsdurchmesser  4,5  cjn,  halb  ausgebrannt; 
lädirt. 

Bei  Nr.  3 — 7  scheinen  wir  es  mehr  mit  Spielereien  zu  thun  zu  haben.  Uebri- 
gens  sind  die  oben  angeführten  Stücke  von  sehr  plumper  Ausführung,  mit  den  An- 
fängen der  Töpferkunst  vergleichbar.  Dieselben  wurden  aber  auch  alle  in  einer 
Tiefe  von  2 — 3  m  gefunden  und  waren  von  Feuersteingeräthen  begleitet. 

8)  Töpfchen.  Höhe  9  cm  (7,5  cm  der  Bauch  und  1,5  cm  der  senkrechte  Hals). 
Dasselbe  ist  aas  ungeschlemmtem  Thone,  der  mit  verkohlten  Theilchen  vermischt 


(88) 


war,    schwarz   gebrannt  und   hatte   an    dem  Bauche  einen  Ansatz  zur  Einpassung 
eines  Stieles. 

9)  Schale  (Fig.  1,  «7).  Höhe  5  cm,  Oeffnung  10  cm,  Boden  2,5  cm.  Reines  Material, 
schwarz,  geglättet,  auf  dem  Bauche  mit  Strichelchen  verziert,  mit  über  den  Rand 
der  Oeffnung  hinaufgebogenem  Henkel;  hübsches,  wohlerhaltenes  Ebcemplar. 

10)  Schale.  Höhe  15  cm  (3  an  Bauch  und  2  cm  Hals);  Material  und  Ausführung 
wie  Nr.  9,  mit  um  den  Bauch  parallel  laufenden  Linien;  Fragment. 

11)  Henkelkrug.  Niedrig;  Höhe  vom  Boden  bis  zum  Halse  4  cm,  Boden- 
durchmesser 4  cm,  Bauchdurchmesser  9  cm.  Glatt,  schwarz  gebrannt,  unverziert; 
Hals  und  Henkel,  deren  Spuren  sichtbar  sind,  fehlen. 

12)  Krug.  Höhe  11  cm,  Oeffnung  8  cm,  Bauchdurchmesser  12  cm.  Auf  dem 
Bauche  und  an  der  Basis  des  Halses  je  ein  Kranz  von  Dreiecken  und  Strichelchen 
um  das  ganze  Gefass  laufend.    Glatt  und  schwarz.    Lädirt;  der  Henkel  fehlt. 

13)  Krug  mit  Henkel  (Fig.  1,  f),  Höhe  8,5  cm  (Bauch  5  cm,  Hals  3,5  cm),  Wohl- 
erhalten.    Fahl  gebrannt. 

14)  Grosse  Henkelschale  (Fig.  1,  h).  Höhe  8  cm,  Oeffnung  1  cm,  Bauchdurch- 
messer 1 1  cm,  Boden  4,5  cm,  Bauch  mit  regelmässig  nebeneinander  angebrachten 
Wülsten  verziert,  zwischen  welchen  immer  mehrere  senkrechte  Striche  zu  sehen 
sind.    Henkel  fehlt. 

15)  Kleiner  Krug.  Höhe  7  cm,  Oeffnung  7  cm,  Bauchdurchmesser  7  cm  und 
Bodendurchmesser  3  cm.    Verziert  wie  Nr.  14.    Henkel  fehlt 

16)  Schliesslich  ist  noch  ein  wohlerhaltener  kleiner  netter  Hafendeckel  zu 
erwähnen,  der  kreisrund  von  Gestalt,  9  cm  im  Durchmesser  und  oben  in  der 
Mitte  einen  winzigen  Henkel  hat    Dieser  Deckel  war  röthlich  gebrannt 

Sonst  wurden  von  kleineren  Gefassen,  die  aus  mehr  gereinigtem  Material  her- 
gestellt und  nicht  nur  schwarz  gebrannt,  sondern  auch  —  vermuthlich  auf  mechani- 
schem Wege  —  geglättet  und  manchmal  mit  eingekratzten  parallelen  Strichelchen 
verziert  waren,  unter  der  grossen  Menge  von  keramischen  Ueberresten  nur  sehr 
wenige  Bruchstücke  gefunden. 

Bei  den  Feuerstellen  fanden  sich 
auch  die  aus  Thon  gebrannten  „Feuere 
hunde"  (Fig.  2,  a,  c,  d),  Bemerkenswerth 
unter  diesen  war  ein  Exemplar,  das  schön 
roth  gebrannt,  aber  beschädigt  war.  Dieses 
war  pyramidenfönnig,  viereckig  in  der 
Basis  und  in  der  Spitze.  Die  Höhe  be- 
trug 22  cm  und  hatte  dasselbe  unter  der 
Spitze  ein  Loch.  Die  übrigen  waren  be- 
deutend kleiner  und  kegelförmig,  und  zwar 
hatte  ein  Exemplar  von  diesen  9,5  cm  in 
der  Höhe,  zwei  andere  waren  je  8  ctn,  eines 
6,5  cm  und  eines  gar  nur  4  cm  hoch;  ein 
Fragment  stammte  von  einem  8  cm  hohen 
Exemplare.  Nur  das  von  den  kegeUbnni- 
gen  zuerst  angeführte  war  schlecht  gebrannt  und  hatte  kein  Loch. 

Unter  den  Gegenständen  aus  gebranntem  Thon  kamen,  der  Anzahl  nach,  nach 
den  Gefassen  meistens  roth  gebrannte  Kugeln  im  Durchmesser  von  1 — 6  cm  am 
häufigsten  vor,  denn  ich  zählte  deren  92  Stück.  Dieselben  mögen  als  Schleuder- 
steine gedient  haben. 

Hiemach  erwähne  ich  Perlen  von  verschiedener  Grösse:   3  ganze  und  1  cer- 


Figur  2. 


tTMl* 


(89) 


brochene,  deren  Durchmesser  4 — 5  cm  betrug,  mögen  als  Spinn wirtel  gedient 
haben;  10  ganze  und  6  zerbrochene  aber,  deren  Durehmesser  zwischen  5 — 11  cvi 
yariirte  und  deren  Gestalt  theils  kugelrund,  theils  plattgedrückt,  scheibenförmig  war, 
waren  Termuthlich  beim  Fischfange  als  Netzbeschwerer  in  Verwendung  (Fig.  2,  b). 
Ein  Fragment  stammte  von  einem  Discus,  der  in  der  Mitte  durchlöchert,  1  cm 
dick  war  und  im  Durchmesser  beiläufig  15  cw  maass.  3  Perlen  endlich  können  nur 
als  Schmuck  gedient  haben.  Eine  davon  war  cylinderförmig,  weiss  gebrannt  und 
hatte  an  der  Aussenseite  3  einander  gegenüberstehende  Knöpfe.  Die  anderen 
2  waren  roth  gebrannt  und  hatten  an  der  einen,  dickeren  Hälfte  je  2  Knöpfe,  wo- 
durch sie  beinahe  eine  Kreuzesform  erhielten. 

Höchst  interessant  sind  3  Nachbildungen  des  menschlichen  Fusses. 
2  davon  sind  schwarzblau  gebrannt.  Das  erste  Exemplar  davon  hat  eine  Länge 
von  der  Ferse  bis  zum  Knie  von  9  c/w,  während  die  Fusssohle  4,5  cm  lang  ist; 
das  zweite  davon  hat  eine  3,5  cm  lange  Fusssohle  und  das  ßeinfragment  misst 
4  cm.  Die  Ausführung  ist  höchst  primitiv.  Besser  ausgeführt  ist  das  dritte  Stück, 
dessen  Länge  vom  Knie  bis  zur  Ferse  10  cm  beträgt.  Dieses  ist  schön  roth  gebrannt 
und  zeigt  deutlich  das  Knie,  die  Ferse  und  die  beiden  Knöchel;  der  vordere  Theil 
des  Fasses  mit  den  Zehen  ist  abgebrochen.  Nach  den  Bruchflächen  am  Knie  zu 
schliessen,  stammen  diese  Bruchstücke  von  ganzen  menschlichen  Figuren. 

Figur  r>. 
d 

Q 


Von  den  Steinfunden  (Fig.  3)  sind  in  erster  Linie  jene  zu  erwähnen,  welche 
vorwiegend  in  den  tieferen  Lagen  mit  den  wenigen  Erzeugnissen  der  primitiven 
Töpferkunst  vorkamen.  Es  sind  dies  jene  Artefakte,  welche  durch  Schlagen  aus 
härterem  Material  erzeugt  wurden.  Gefärbte  Quarze  und  Feuersteine  (Flint)  bilden 
das  vorherrschende  Material,  dazwischen  finden  sich  einzelne  Stücke  aus  Obsidian, 
Jaspis,  Wachsopal,  Weintopas  und  Homstein.  Im  Besitze  des  Hrn.  E.  Rittinge r 
zählte  ich  aus  diesen  Stoffen  30  Steinkerne  (Nuclei),  102  Splitter,  6  Pfeilspitzen, 
2  Lanzenspitzen,  108  Messerklingen,  11  Sägen  und  8  Beile;  aber  leider  alles  frag- 
mentirt 

Die  übrigen  Steinsachen  wurden  aus  weicherem  Stoffe  erzeugt  und  sind  polirt. 
Viele  halten  diese  für  jünger;  einige  behaupten  sogar,  dass  die  schönen  Hämmer 
und  Beile  mit  den  hübsch  gebohrten  StieUöchern  erst  in  der  Metallzeit  verfertigt 
worden  seien.  Die  polirten  Werkzeuge  unserer  Ansiedelung  wurden  nur  in  höheren, 
der  Erdoberfläche  näheren  Schichten  aufgefunden,  welcher  umstand  für  die  letzt- 
erwähnte Ansicht  sprechen  würde. 


(90) 

In  diese  zweite  Kategorie  gehört  in  erster  Reihe  ein  Beilhammer  ans  Trachyt 
(Fig.  3,  a)  von  12  cm  Länge:  ein  hübsches,  rein  gearbeitetes  Exemplar.  Ein  zweites 
kleines  Beil  (Fig.  3,  6),  9,5  cm  lang,  aus  Grünstein  (Diabas)  verfertigt  und  von 
etwas  eigenthümlicher  Form,  ist  auch  sehr  schön  erhalten.  Hämmer  sind  nur  im 
fragmentirten  Zustande  vertreten,  imd  zwar  sind  dieselben  vorwiegend  schlanker, 
länglicher  Gestalt.  Solche  Hammerbruchstücke  zählte  ich  6  aus  Serpentin,  4  aus 
Grünstein  und  2  aus  Kalkstein.  Von  den  Fragmenten  aus  Serpentin  hatte  eines 
die  Spuren  zweier  Stiellöcher,  was  sich  so  erklären  lässt,  dass  der  Hammer  nach 
dem  ersten  Bruche  durch  ein  neues  zweites  Loch  nochmals  brauchbar  gemacht 
worden  ist.  Ein  Fragment  wieder  stammte  von  einem  beinahe  kugelrunden,  ein 
anderes  von  einem  länghchrunden  schweren  Hammer;  letzteres  Stück  (Fig.  3,  ««) 
zeigt  in  interessanter  Weise  den  Versuch  der  Stielbohrung. 

Meissel,  hauptsächlich  Breitmeissel,  kamen  in  grosser  Anzahl  vor  (Fig.  3,  ^,  // — /). 
Ich  zählte  66  theils  ganze,  theils  zerbrochene  Stücke.  Der  kleinste  misst  5,5  tn. 
Einige  sind  bis  zu  1 2  cm  lang,  haben  noch  eine  schöne  Schneide  und  dienten,  wie  dies 
der  zugespitzte  Griff  zeigt,  wahrscheinlich  auch  als  Beile.  Ihr  Stoff  ist  überwiegend 
Kalkstein  und  Kalkmergel ;  ein  Fragment  stammte  von  einem  Exemplar  aus  reinem 
weissem  Marmor.  Ein  \0  cm  langer  Meissel  ist  aus  einem  geeigneten  Geröllstück 
(Sandstein)  mit  wenig  Mühe  zugerichtet  worden.  Drei  Exemplare  sind  aus  Chlorit- 
schiefer  und  eines  aus  Serpentin  verfertigt  worden.  Ein  aus  schiefrigem  Kalkmergel 
verfertigter  Meissel  mit  viereckigem  prismatischem  Körper  gehört  in  jene  Kategorie 
von  Steinwerkzeugen,  welche  „Steinhobel  **  genannt  werden.  Schmalmeissel  sah  ich 
nur  drei.  Einer  davon,  aus  Serpentin,  mit  walzenförmigem  Körper,  12  cm  lang, 
ist  ein  sehr  schönes  Exemplar;  die  anderen  2  kleineren,  die  in  Bruchstücken  vor- 
handen sind,  waren  aus  Kalkstein. 

Von  den  übrigen  Steinstücken  mit  Spuren  von  Bearbeitung  seien  hier  ange- 
führt: ein  Kalkmergelstück,  rinnenartig  ausgeschliffen  (Fig.  3,  c),  also  ein  Schleif- 
stein, und  ein  viereckiges,  plattenartig  zugeschliffenes  Stück  aus  Lydit  Prisma- 
tische Steinkerne  aus  Kalkstein  und  Kalkmergel  in  der  Länge  von  8 — 19  cm  sah 
ich  7  Stück  (Fig.  3,  /",  g);  dieselben  waren  offenkundig  zur  Meisselerzeugung  bestimmt 
Fragmente  solcher  Kerne,  die  vermuthlich  während  der  Werkzeugfabrikation  ent- 
standen, zählte  ich  ausserdem  12  Stück. 

Interessant  sind  endlich  die  Bruchstücke  von  mehreren  (9)  concav  ausgehöhlten 
Mahlsteinen,  auf  welchen  die  ürbewohner  mit  Hülfe  runder  apfelgrosser  Steine 
Getreide  und  Hirse  zerrieben.  Ich  fand  Fragmente,  die  auf  ganze  Exemplare  von 
30  cm  Durchmesser  schliessen  liessen.  Das  Material,  woraus  dieselben  verfertigt 
sind,  ist  Quarzit,  Quarzsandstein,  Granit,  Gneiss  und  Glimmerschiefer. 

üeberraschend  häufig  fanden  sich  Steine  von  kugelrunder  Gestalt,  4 — 10  cm 
im  Durchmesser.  Hr.  Kittinger  sammelte  48  ganze  und  27  zerbrochene.  Die- 
selben sind  vorwiegend  aus  Quarz,  nur  einer  ist  aus  Granit,  einer  aus  Hornblende 
und  2  aus  Feuerstein.  Einige  davon  sind  stark  abgeschliffen,  so  dass  ihre  Gestalt 
in  den  Würfel  übergeht:  diese  scheinen  zum  Zermalmen  des  Getreides  gedient  zu 
haben.  Andere  Exemplare,  wie  die  beiden  aus  Feuerstein,  waren  gewiss  Behau- 
oder  Klopfsteine,  womit  die  Steinwerkzeuge  verfertigt  wurden.  Etliche  mögen  aber 
auch,  da  diese  Art  von  Steinen  gar  so  häufig  erscheint,  als  Schleudersteine  benutzt 
worden  sein,  um  so  eher,  da  auch  viele  derartige  Kugeln  aus  gebranntem  Thon 
gefunden  wurden.  — 

Aus  Knochen  und  Hirschhorn  verfertigte  Geräthe  fanden  sich  eben* 
falls  in  bemerkenswerther  Zahl.  Aus  Knochen  kamen  12  Stück  Pfriemen  (5 — 13  cm 
lang;   Fig.  4,  h)  vor,  darunter  1—2  so  wohl  erhaltene,  dass  man  sie  heute  noch  ver- 


(91) 

wenden  könnte.    Femer  fand  Figur  4. 

man   3  GläUbeine  (Fig.  4,  f) 

I  Meiasel  ans  Hom  {Vi  and 
17  cm  lang),  2  Hauen  mit  hori- 
zontaler Schneide  (Fig.  4,  a)  zur 
Bearbeitung  des  Bodens  (20 
und  30  em  lang),  2  Hämmer 
(11  und  14  em  lang!  und  noch 

II  FVagmente  von  Hauen  nnd 
Hummern;  ein  Beüfragment 
mit  verticaler  Schneide.  Alle 
Hauen,  Hämmer  und  das  Beil 
hatten  schöne  Stiellöcher,  die 
je  nach  dem  Material  entweder 
unter  dem  Geweih  ansalze 
(„Rose"),  oder  bei  der  Ver- 
üstang  seitlich  gebohrt  sind.  Ein  Äststück  war  so  zugerichtet,  dass  der  dickere 
Theil  auf  einem  Stiel  berestigt  werden  und  der  aas  dem  dickeren  Theilc  aeitwärls 
wegstehende  Zacken  ^Is  Grabe-  und  Scharrinstrument  dienen  konnte  (Fig,  4,  c). 
Von  Waffen  sah  ich  4  Dolche,  von  denen  3  aus  Knochen  und  einer  aus  Hirsch- 
horn erzeugt  war  (Fig.  4,  g).  2  beiläufig  20  cnt  lange  Rindshörner  waren  seitlich 
du i-ch löchert,  vermuthüch  zum  Tragen  aneinem  Bindfaden.  Zu  was  diese  dienen 
mochten  und  ob  dieselben  ein  Schmuck  waren,  läsat  sich  nicht  erniren.  22  Zacken 
von  Hirschgeweih  hatten  geglättete  Spitzen  (Fig.  4,  d,  e)),  wozu  diese  dienen  mochten, 
ist  mir  auch  unbekannt.  Schliesslich  erwähne  ich  noch  4  Geweihstücke,  welche 
interessante  Spuren  von  Bearbeitung,  nehmlich  Glätten  und  Schneiden,  bezw.  Sagen 
zeigten.  Besonders  ein  Äatstück  (Fig.  4,  b)  ist  hübsch;  es  zeigt,  wie  man  dasselbe 
durch  Absägen  der  kleineren  Seitenästc  zu  einem  Hammer  oder  Beil  umgestalten 
wollte.  — 

Es  wird  als  eine  ausgemachte  Thatsache  betrachtet,  dass  der  Mensch  zuerst 
Stein-  und  Knochen  werk  zeuge  benutzte  und  erst  später  die  Metalle  zur  Herstellung 
seiner  Geräthscbaften  verwendete.  Dieses  geben  selbst  die  Gegner  der  Dreitheilung 
der  ältesten  Zeit  in  eine  Stein-,  eine  Bronze-  und  eine  Eisenzeit  zu.  Diejenigen 
Metalle,  mit  welchen  der  Mensch  zuerst  bekannt  wurde,  sind  das  Gold  und  das 
Kupfer,  denn  diese  kommen  oft  in  reinem  Zustande  in  der  Natur  vor.  Auch  die 
schon  bekannten  Funde  bezeugen  dies,  da  Gold  nnd  Gegenstände  aus  Kupfer 
meistens  mit  Steinsachen  zusammen  vorkommen,  wie  dieses  unter  Anderem  auch 
die  Deschanfalvaer  Ansiedelung  bei  Werschetz,  wo  4  Kupferbeile  in 
QeseUscbaft  von  Steingeräthen  vorkamen,  erst  vor  Kurzem  bewies. 

Am  8.  Juli  wurden  etwas  nördlich  von  der  Römerschanze,  in  einer  Tiefe  von 
etwas   unter  1  nt,   2   ans  reinem 

Waschgolde    gegossene     Gold-  Figur  5. 

ringe  gefunden,  von  welchen  der 
eine  (Fig.  5,  f)  17,7  g  schwer,  ein- 
mal gewunden  und  an  dem  einen 
Ende  zurOckgebogen  war;  ein  ähn- 
liches Exemplar  ist  im  Atlas  zum 
II.  Bande  der  „Archeologiai  Kdzle- 
menyek"  auf  der  Tafel  I  der 
Läpujtöer  Antiquitäten   unter  1  a, 


(92) 

b,  c  und  d  abgebildet.  Der  zweite  Ring  (Fig.  5,  g)  war  12,5  g  schwer  und  glich  toU- 
kommcn  dem  auf  der  XL VIII.  Tafel  in  Dr.  Josef  HampeTs  ^Die  Denkmäler  der 
Bronzezeit  in  Ungarn"  mitgetheilten,  im  Budapester  National-Museum  aufbewahrten 
Ringe. 

Diese  Ringe  werden  theils  als  Schmuck  betrachtet,  theils  aber  auch  als  das 
erste  Wertbzeichen,  weshalb  sie  auch  „Ringgeld"  genannt  werden.  Dieselben 
kommen  in  Ungarn  nicht  selten  vor  und  werden  theils  einzeln,  theils  in  einander 
als  Rette  verbunden  gefunden.  So  wurde  1883  nordwestlich  Ton  der  hier  be- 
sprochenen Ansiedelung  auf  dem  Plateau  gegen  die  Obradovits'schen  Weingärten, 
also  in  der  Congruenz  der  Ansiedelung,  ein  dem  kleineren  Ringe  ähnlicher  ge* 
funden,  der  ebenfalls  12,5^  wog.  Ferner  sah  ich  am  2(».  September  1889  einen 
vierten  Goldring,  welcher  ebenfalls  aus  der  Gegend  unserer  Ansiedelung  zu  stammen 
schien.  Derselbe  wog  15,2  <;,  hatte  dieselbe  Form,  wie  die  übrigen,  nur  besass  er 
am  Corpus  keine  Kanten. 

Aus  reinem  Kupfer  fand  man  am  14.  Juni  in  einer  Tiefe  von  beiläufig  2  m 
ein  2,5  cm  langes  und  6  mm  dickes  formloses  Stückchen  (Fig.  4,  e). 

Später,  als  die  Menschen  die  Metalle  legiren  konnten,  erzeugten  sie  Bronze. 
Auch    unsere   Fundstelle   lieferte   einige  Bronzegegenstände.     So   wurden   am 

17.  Mai  unterhalb  der  Temesvarer  Strasse,  in  einer  Tiefe  von  1,8  */i,  3  Fragmente 
einer  schön  patinirten  Bronzenadel  (Fig.  4,  a),  welche  zusammen  42  cm  lang  waren, 
gefunden.  Die  Nadel  ist  1 1,5  cm  unter  dem,  1  an  im  Durchmesser  haltenden,  scheiben- 
förmigen Kopfe  mit  eingegrabener  Linearverzierung  versehen.    Gleich  darauf,   am 

18.  desselb.  M.,  fand  man  in  derselben  Gegend,  in  derselben  Schicht,  ein  11  cm  langes 
Säge-Fragment  (Fig.  4,  d%  ein  Stück  eines  zu  einem  Ringe  gewundenen  Drahtes 
und  zwei  10  ctii  lange  Bruchstücke  einer  zweiten  Nadel  aus  Bronze.  Anfangs  Jmii 
förderte  man  dortselbst  einen  schön  erhaltenen  Schaftmeissel  (Paalstab),  12  cm 
lang,  zu  Tage  (Fig.  4,  c).  Am  20.  Juni  endlich  wurde  im  Gebiete  der  Ansiedelung, 
1,5  an  tief,  ein  Sichelbruchstück  (Fig.  4,  b)  gefunden. 

Zu  den  zuletzt  angeführten  Bernden  sind  auch  2  Steingeräthe  zu  rechnen. 
Beide  sind  Schleifsteine  zum  Schärfen  der  Bronzewerkzeuge.  Der  eine  davon 
(Fig.  3,  (i)  ist  7  cm  lang,  1  cm  dick  und  oben,  wo  derselbe  ein  Loch  zum  Auffädeln 
besitzt,  1,5  an,  unten  2  cm  breit  Der  andere  (Fig.  3,  c),  ein  6  cm  langes,  3  cm 
breites  und  2  cm  dickes  Bruchstück,  mit  einer  vom  Schleifen  herrührenden  Rinne. 
Beide  Werkzeuge  bestehen  aus  feinkörnigem  Sandsteine.  — 

Nun  bleibt  uns  noch  übrig,  die  Zeit,  aus  welcher  die  Gegenstände  stammen, 
und  die  Culturstufe  des  Menschen  in  derselben  zu  bestimmen.  3 — 3,5  m  unter 
der  Erdoberfläche  fanden  sich  die  ersten  Funde:  Feuersteingeräthe,  Knochen  aus- 
gestorbener Thiere  und  die  Anfänge  der  Töpferei,  vertreten  durch  einige  kleine 
Gefässe  primitivster  Ausführung.  Die  Existenz  des  Menschen  in  der  Paläolith- 
periode,  das  ist  in  der  Zeit  der  unpolirten  Steinwerkzeuge,  halte  ich  deshalb  für 
die  Werschetzer  Gegend  für  wahrscheinlich.  Die  eigentliche  Ansiedelung  jedoch 
blühte  in  der  Neolithperiode,  nehmlich  in  der  Zeit  des  polirten  Steines,  um  erst  in 
der  Bronzezeit,  also  in  der  Zeit,  als  der  Mensch  schon  die  Metalle  zu  gewinnen 
und  zu  verarbeiten  verstand,  aufzuhören. 

Den  Culturzustand  der  Ansiedler  der  Neolithperiode  führen  uns  die  Fund- 
gegenstände lebhaft  vor  Augen.  Die  Feuerstellen  bezeichnen  die  Stellen  der 
Wohnungen,  die,  wie  es  Funde  an  anderen  Orten  bezeugen,  in  aus  Fachwerk  ge- 
bauten Hütten  bestanden.  An  den  Feuerstellen  kochten  die  Bewohner  ihr  fhigalet 
Mahl  und  brannten  sie  ihre  einfachen  Geschirre  aus  Thon.  Die  Beschäftigung 
der  Bewohner   war  Jagd,    Fischfang  und  sogar  Landwirthschaft     Die  Werkzeuge, 


(93) 

welche  der  Mensch  brauchte,  waren  aus  Stein:  Breit-  und  Schmalmeissel,  wovon 
die  ersteren  oft  als  Beile  verwendet  wurden,  Beile,  Hamraerbeile  und  Hämmer  mit 
Stiellöchem,  wozu  sie  sich  das  Material  aus  dem  Banater  Erzgebirge  beschafften, 
und  die  sie  sich,  wie  wir  oben  sahen,  selbst  verfertigten.  Dazu  kamen  noch 
Beile,  Sägen  und  Messer  aus  geschlagenem  Material.  Behau-  und  Schleifsteine 
dienten  zur  Herstellung  der  Werkzeuge.  Aus  Knochen  führen  wir  Pfriemen, 
Hämmer  und  Beile  an.  Zum  Feldbaue  dienten  Hauen  aus  Hirschhorn,  das  die 
Egge  und  den  Rechen  ersetzende  Instrament,  während  die  Produkte  der  Land- 
wirthschaft  auf  den  concaven  Mahlsteinen  mit  den  runden  Reibsteinen  zerrieben 
wurden.  Netzbeschwerer  bezeugen  den  Fischfang,  und  die  Waffen  —  Pfeil-  und 
Lanzenspitzen  aus  Stein,  Dolchklingen  aus  Hom  und  Knochen,  sowie  Schleuder- 
steine —  weisen  auf  die  Jagd  hin,  deren  Beute  wir  in  den  Küchenabfällen  consta- 
tiron  können,  üeber  die  Kleidung  können  wir  das  Wenigste  angeben;  vermuthlich 
bestand  dieselbe  vorherrschend  aus  Thierfellen,  bei  deren  Verarbeitung  die  Glätt- 
beine und  Pfriemen  eine  Rolle  gespielt  haben  mögen.  Schmuck  zeigt  sich  auch 
schon,  vertreten  durch  Perlen  aus  Thon. 

Da  die  Bewohner  unserer  Ansiedelung  das  Material  zu  ihren  Steinwerkzeugen 
nicht  an  Ort  und  Stelle  vorfanden,  sondern  sich  dasselbe  aus  dem  nahen  Erz- 
gebirge verschaffen  mussten,  so  muss  sich  auch  schon  ein  localer  Handelsverkehr 
entwickelt  haben,  in  welchem  später  das  Ringgeld  aus  Gold  als  erstes  Werth- 
zeichen  auftritt. 

Die  Begräbnissart  der  Steinzeit  wurde  auch  bei  uns  constatirt.  Am  9.  Juni 
wurde  in  meiner  Gegenwart,  knapp  unter  jenem  Punkte,  wo  die  Römerschanze 
den  Kanal  kreuzt,  ein  Grab  geöffnet,  das  1,5  m  tief  war.  Das  Skelct  ~  es  war  das 
einer  noch  jungen,  unvollkommen  ausgewachsenen  Person,  —  lag  mit  dem  Kopfe 
nach  West  und  hatte  die  Füsse  so  eingezogen,  dass  das  Knie  in  die  Nähe  des 
Kopfes  kam.  Dieser  Umstand  erinnert  lebhaft  an  die  hockenden  Skelette  der  Stein- 
zeit.   Die  Erdschicht  zeigte,    dass  dieses  Grab  ein  sogenanntes  „Kesselgrab"  war. 

Aus  der  Bronzezeit,  in  welche  hinein  unsere  Ansiedelung  reichte,  haben 
wir  zu  Vorstehendem  nur  noch  weniges  hinzuzufügen,  da  sich  in  derselben  die 
Lebensverhältnisse  nicht  viel  anders  gestaltet  haben  mögen.  Jedoch  ist  ein  be- 
deutender Fortschritt  in  der  aDgemeinen  Cultur  entschieden  anzunehmen.  Die 
besseren  Produkte  der  Töpferei  unseres  Fundes  gehören  bestimmt  der  Bronzezeit 
an.  Die  Metall  Werkzeuge  sind  besser  und  dauerhafter.  Die  Bestattungsweise  der 
Todten  ist  eine  ganz  andere.  Die  Leichname  wurden  nehmlich  verbrannt  und  die 
Reste  in  grossen  Urnen  beigesetzt.  Eine  solche  Graburne,  in  welcher  sich  Asche 
und  verkohlte  Knochen  mit  Erde  untermengt  befanden,  maass  in  der  Höhe  21  cm^ 
in  der  Oeffnung  10  cm,  im  Bauchdurchmesser  20  cm  und  im  Bodendurchmesser 
10  cm.  Die  Wand  des  schlecht  gebrannten,  un verzierten  Gefässes  war  1  cm  dick 
und  befanden  sich  an  der  Aussen  sei  te  des  Bauches  einander  gegenüberstehend 
2  kleine  Henkel.  Anfangs  Mai  1890  fand  man  gelegentlich  einer  Erdaushebung 
bei  der  südlich  von  der  Temesvarer  Strasse  über  den  Kanal  führenden  Brücke 
des  nach  Nordwest  führenden  Seitenfahrweges  ein  zweites  Umengrab.  Ausser  den 
Resten  lag  in  der  Urne  noch  ein  kleines  Gefäss;  als  Deckel  der  Urne  diente  eine 
Schüssel.  Die  Urne  (Fig.  1,  k)  war  36  cm  hoch,  einfach,  aber  hübsch  geformt. 
Die  Schüssel  schön  verziert,  mit  Kalkeinlagen  in  den  Ritzen  der  Verziening. 
Das  kleine  Gefäss  war  schwarz,  geglättet,  und  besass  einen  Ansa  lunata-Henkel. 
Dieses  Umengrab  hat  seine  Analogie  im  Urnenfriedhof  der  „Ludosch"-Flur. 

Auch  die  Anfänge  der  Kunst  kannten  die  Bewohner  unserer  Ansiedelung. 
Abgesehen   von   der  Form   und  Verzierung  der  Thongefässe,  sei  hier  nur  auf  die 


(94) 

schon  beschriebenen  Nachbild angen  des  menschlichen  Fusses  in  Thon  hingewiesen. 
Dieselben  zeugen,  wenn  auch  primitiv  ausgeführt,  schon  von  einer  entschiedenen 
Entwickelung  des  bildnerischen  Sinnes.  Wie  die  Bruchspuren  es  wahrscheinlich 
machen,  stammen  diese  Fragmente  von  ganzen,  30 — 40  cm  hohen  menschlichen 
Figuren  her,  die  möglicherweise  als  Götzenbilder  gedient  haben,  und  so  hätten  wir 
auch  Beweise  für  ein  religiöses  Leben  unserer  Uransiedler. 

(7)   Hr.  Milleker  überschickt  femer  einen  Bericht  über 

die  alte  Ansiedelung  in  der  Flnr  Lndoneh  der  Gremarkung  der  Stadt 

Werschetz. 

Im  November  1888  wurde  beim  Graben  des  „Gross -Szredistye-Werschetzer 
Kanals"  in  der  „Ludosch"  abermals  eine  fiir  die  Vergangenheit  der  Werschetzer 
Gegend  wichtige  Entdeckung  gemacht.  In  der  nordöstlichen  Ecke  der  zur  Gemar- 
kung der  Stadt  Werschetz  gehörigen  „Ludosch"-Flur,  unfern  des  v.  Lazarovics'schen 
Meierhofes,  2200  m  von  der  über  die  alte  Bega  führenden  Brücke  der  Gross- 
Szredistye-Klein  Zsämer  Fahrstrasse,  erhebt  sich  der  den  „Kleinen  Ried"  von  West 
begrenzende  Plateaurand  hügelartig  bis  zu  10  m.  Diese  Bodenerhebung,  von  der  man 
über  das  Wasser  des  Riedes  hin  eine  schöne  Aussicht  auf  die  gegenüberliegenden 
bewaldeten  Berge  des  Werschetzer  Gebirges  geniesst,  war  in  der  Vorzeit  allem 
Anscheine  nach  von  einer  beträchtlichen  Ansiedelung  bedeckt,  die  in  zwei  Zeit- 
epochen blühte.  2200  m  von  der  erwähnten  Brücke  angefangen,  gegen  Süd,  fand 
man  nehmlich  in  einer  Länge  von  1  km  üeberreste  von  Begräbnissstätten  zweierlei 
Perioden. 

Am  13.  November  1888  war  ich  in  Gesellschaft  E.  Rittinger's  trotz  Schnee 
und  —8°  R.  draussen  an  Oi-t  und  Stelle,  die  wir  von  der  Stadt  aus  mit  Wagen  in 
1  '/4  Stunden  erreicht  hatten.  Eben  hatte  man  4  Graburnen  zu  Tage  gefordert  Da 
konnte  ich  auch  constatiren,  dass  sich  der  Kern  der  Begräbnissstätte  am  östlichen 
Fusse  der  Erhöhung  in  einer  Länge  von  beiläufig  150  m  hinzog.  Der  Kanal  streift 
deren  östlichen,  an  das  Wasser  des  Kleinen  Riedes  grenzenden  Rand,  denn  das 
Gros  der  Urnen  kam  an  der  westlichen  Böschung  des  Kanalbettes  vor,  somit  ist 
anzunehmen,  dass  sich  der  Urnen friedhof  auf  dem  Abhänge  befand. 

Da  ich  selbst  ausser  jenem  einzigen  Male  in  Folge  Zeitmangels,  der  grossen 
Entfernung  und  der  ungünstigen  Jahreszeit  nicht  mehr  zur  Fundstätte  hinaus- 
gekommen bin,  so  konnte  ich  leider  nur  verhältnissmässig  wenig  über  die  Pund- 
umstände  erfahren.  Das  Meiste  verdanke  ich  Daniel  Mihailovits,  Kontrollor  bei 
den  Kanal bauarbeiten,  welcher  von  dort  eine  ganze  Collection  Gefässe  erwarb. 

1,1  m  unter  der  Erdoberfläche  kamen  etliche  menschliche  Skelette  vor,  die  in 
hockender  Stellung  sich  befanden.  Bei  einem  war  eine  grosse  Schale,  die  ich  zer- 
brochen im  Besitze  Mihailovits'  sah;  dieselbe  war  8  cm  hoch,  hatte  einen  Durch- 
messer in  der  Oeffnung  von  14  cm  und  am  Boden  von  8  cm.  Sie  war  schwarz 
gebrannt  und  hatte  oben  am  Rande  zwei  einander  gegenüberstehende  Henkel.  Die 
grössere  Tiefe,  in  welcher  die  Skelette  vorkamen,  sowie  der  Umstand,  dass  in  der- 
selben Schicht  zerstreut  auch  Stein-  und  Homsachen  gefunden  i^iirden,  weisen 
diese  Gräber  in  die  Steinperiode.  Ob  dieselben  sogenannte  Kesselgräber  waren, 
wie  ich  ein  solches  bei  der  anderen,  in  den  unteren  Theil  dieses  Kanals  fallenden 
Ansiedelung  fand,  konnte  ich  nicht  ermitteln. 

Ueber  den  Skeletgräbem  kamen  Urnen  vor,  auf  die  man  70 — 80  cm  unter 
der  Erdoberfläche  stiess.  Es  mögen  über  100  solche  Gräber  aufgerührt  worden 
sein.    Die  meisten  derselben  wurden  zerstört,  du  der  grosse  Frost  die  Elrde  bein* 


(95) 

hart  gemacht  hatt«.  Die  [Jmen  atanden  0,5 — 1  m  weit  von  einander  entfernt, 
einzeln,  and  war  in  den  meisten  nnr  ein  Leichnam,  bezw.  dessen  Reste  bestattet; 
in  einer  nur  sah  ich  Knochen  von  zwei  Personen.  In  der  MUndun^^  der  Urne  befand 
sich  ein  kleines  Qeläss-  Einmal  sah  ich  eine  grosse  Schale  dieselbe  verschliesseu  and 
in  dieser  lag  wieder  ein  gehenkeltes  Töpfchen.  In  3  Urnen  waren  auf  den  Knochen 
Ueberreste  von  Bronzesachen :  in  zweien  Blech fra gm entc,  in  einer  Bruchstticke  von 
langen  Nadeln.  Die  meisten  Urnen  hatten  überdies  ein  weidlingartiges  Gefass  als 
Deckel;  anf  eine  war  ein  flacher  Stein  gelegt. 

Einmal  fand  man,  wie  mir  MihailoTite  mittheiUc,  an  einer  Stelle  4— 5  kleine 
gehenkelte  Geräsae  im  Kreise  aufgoHtellt  und  mit  einem  grossen  Weidling  zuge- 
deckt.   Sollte  dieses  ein  Todtenopfer  gewesen  sein? 

Die  am  13.  November  und  an  den  kommenden  Tagen  von  E.  Rittingcr  er- 
worbenen Gegenstände  ans  Thon  sind  folgende: 

1)  Grabome.  Dieselbe  hatte  40  cm  Höhe  nnd  50  cm  Bauchdarch messe r,  der 
Durchmesser  des  Bodens  betmg  bis  12  cm  und  der  des  Halses  war  ebenso  gross. 
In  der  runden  MUndnng  mit  herabgebogenem  Rande  lag  ein  seh üssel artiges  GefHss 
und  in  diesem  wieder  ein  gehenkeltes  Töpfchen.  Die  Urne  war  mit  kleinen  Oehren 
am  Bauche  und  mit  Tupfen  und  Strichen  verziert. 

2)  Grabnme.  Einfacher  als  die  erster«,  ohne  Verzierung;  34  na  hoch,  der 
Durchmesser  des  Bauches  28  cm,  der  des  Halses  10  cm.  Diese  Urne  war  mit  einem 
einfachen  Weidling  zugedeckt. 

Fignr  2.  Figur  I. 


Figur  3.  Figur  4, 

3)  Vier  kleine  gehenkelte  üerässe  Mm  «— lUcm  Höhe,  theils  golblichroth, 
theils  schwärzlich  gebrannt,  an  dem  Bauche  geschmückt  mit  niedrigen,  breiten 
Tupfen. 

4)  Fragment  einer  schwarzgebrannten  Schüssel  mit  eingeritzten  Verzierungen, 
die  ans  Linien  nnd  Punkten  bestanden  und  in  deren  Uctailzeichnung  Kreise  und 
Spiralen  vnrkamen. 

Daniel  Mihnilovits  zeigte  mir  die  nachstehenden  Stücke  aus  Thon: 
I)   Grabume,  deren  Obertheil  fehlt.  Umfang  des  Banches  1,1  m.   Dieselbe  hat 
an  der  Halsbasis  2  einander  gegenüberstehende  längliche,  röhrenartige  Oehren. 


(96) 

2)  Graborne  (Fig.  3),  deren  Halstheil  ebenfalls  zerbroeben,  jedoch  in  Stücken 
Torhanden  ist.  Höhe  40  cm,  Durchmesser  des  Bodens  10  cm,  des  Halses  14  cm  nnd 
der  Mündung  20  cm.  Der  Bauchumfang  misst  1,02  m.  Hübsches  Exemplar.  Hat 
am  Bauche  4,  am  Halse  aber  2  einander  gegenüberstehende  Oehren,  ausserdem  am 
Bauche  symmetrisch  angebrachte  Tupfengruppen  und  aus  eingedrückten  breiten 
Streifen  bestehende  Verzierungen. 

3)  Graburne,  wohlerhalten;  Höhe  35  cm^  Durchmesser  des  Bodens  10  cm^  des 
Halses  14  cm^  der  Mündung  22  cm.  Der  Bauchumfang  beträgt  88  cm.  Am  Bauche 
waren  4  Oehren,  4  Tupfen  und  mit  dem  Pinger  eingedrückte  Punktreihen. 

4)  Grabume  von  Mörsergestalt  (Fig.  4),  zerbrochen;  Höhe  31  cm^  Durchmesser 
des  Bodens  12  cm^  der  der  Mündung  28  cm.  Beiläuüg  10  cm  unter  der  Mündung 
ging  ein  Wulstring  um  das  Geföss,  das  überdies  noch  mit  4  Tupfen  versehen,  sonst 
aber  aus  sehr  schlechtem  Material  war. 

5)  Schale  (Fig.  2);  Höhe  8  cm^  Mündung  14  cm,  Boden  5  cni.  Am  niedrigen 
Halse  ein  kleines  Oehr,  schwarz,  schön  yerziert  mit  eingeritzten  Linien  nnd  Punkt- 
reihen, die  stellenweise  Spiralen  und  Kreise  bilden. 

6)  Schale;  Höhe  8  cm^  Mündung  15  cm,  Boden  5  cm.  Ein  Oehr  und  ein  Tupfen 
einander  gegenüber. 

7)  Schüssel;  zerbrochen.    Höhe  9  cm,  Mündung  15,  Boden  5  cm. 

8)  Kleines  Henkelgefäss,  rothgebrannt,  fand  sich  in  Nr.  2  oder  3;  Henkel  ab- 
gebrochen; mit  4  Tupfen  verziert. 

9)  Kleines  Henkelgefäss,  grau,  ohne  Zierrath,  zerbrochen. 

10)  Kleine  Schale,  grau,  zerbrochen. 
10        n  V        roth,  „ 

12)  Grosse  Schüssel,  roth,  schön  verziert  (Fig.  1);  Höhe  beiläufig  15  cm,  Mün- 
dung 40  cmy  am  kurzen  Halse  2  kleine  Henkel;  die  Ritzen  der  Verzierung  mit 
Kalkmasse  ausgefüllt;  in  Trümmern. 

13)  Kleiner,  niedriger  Topf,  schwarz,  zerbrochen;  ein  Stiel  und  3  Tupfen;  ein- 
gedrückte Punktreihen.  *% 

14)  Hübscher  schlanker  Becher,  grau  gebrannt;  Höhe  9  cm\  zerbrochen. 

15)  Henkelgefäss,  klein,  rothschwarz  gebrannt,  zerbrochen. 

16)  „  roth,  schön,  ganz. 

17)  „  schwarz,  schön,  ganz. 

19)  Kleines  Gefäss,  mit  2  Henkeln,  schwarz,  schön,  ganz. 

Nr.  16—19  gehören  zu  jenen  kleinen  Gefässen,  welche  im  Kreise  aufgestellt 
nnd  mit  einem  grossen  Weidling  zugedeckt  waren. 

20)  Lange,  kahnartige  Schale'},  schwarz  gebrannt,  ganz;  Länge  15,  Breitein 
der  Mitte  6,  Höhe  3,5  cm. 

21)  Deckel;  roth,  ganz;  Durchmesser  5  cm. 

22)  Töpfchen,  zerbrochen:  Mündung  7,  Boden  5,  Höhe  7  cm, 

23)  Fragment  einer  schwarzgebrannten  Schüssel  von  mittlerer  Grösse,  mit 
Zeichnung  wie  Nr.  12. 

Das  Material  der  Thonsachen  ist  überwiegend  rein;  nur  wenige  Stücke  sind 
aus  grobsandigem  Thon.  Die  Farbe  der  Gefässe  ist  schwarzgrau,  schwarz  oder 
^Iblichroth.  Die  Technik  befindet  sich  auf  einer  ziemlich  hohen  Stufe:  Nr.  2  des 
Mihailovits  ist  eine  Urne  von  so  schöner  edler  Form  und  mit  solch'  geschmack- 

l )  Analoge  Gefässe  kamen  in  der  AnsieHelang  am  unteren  Theile  des  neuen  Kanals 
und  in  den  Kesten  der  Ansiedelung  vor  der  «Postklinge*'  vor. 


(Ö7) 

voller  Verzierung,  dass  sie  selbst  heute  noch  als  Salonzierde  dienen  könnte.  Von 
80  elegantem  Aussehen  muss  auch  die  grosse  Schüssel  Nr.  12  gewesen  sein.  Auch 
die  kleineren  Oefässe  weisen  einige  hübsch  ausgeführte  Exemplare  auf,  so  z.  B. 
Nr.  16 — 19.  Nur  wenige,  wie  die  Graburne  Nr.  4,  \y eiche  Mörserform  hat,  lassen, 
was  Material  und  Ausführung  anbelangt,  zu  wünschen  übrig. 

Von  Steinsachen  kamen  Yor,  und  zwar  vereinzelt,  ohne  nähere  Angaben: 

4  bearbeitete  Feuersteine  (Bruchstücke  von  Messern?); 

eine  zerbrochene  Perle  von  länglicher  Gestalt  aus  gelbem,  quarzartigem  Gestein; 

ein  Steinkern  aus  Serpentin,  der  Form  nach  für  einen  Hammer  bestimmt. 

Aus  Hirschhorn  verfertigte  Gegenstände  gab  es  wenige  und  auch  diese  kamen 
vereinzelt  — ^  niemals  in  Urnen  —  vor.  In  erster  Linie  ist  von  diesen  zu  er- 
wähnen eine  lange  Nadel  mit  abgebrochener  Spitze.  Kopf  und  Schaft  sind  8,5  cm 
lang.  Aus  einem  Hörnende  geschliffen,  ist  der  Kopf  cylinderförmig,  schön  polirt 
und  mit  parallel  um  den  Mantel  laufenden,  streifenbildenden  Linearverzierungen 
versehen.  Die  Verzierungen  sind  eingeritzt  und  gleichen  vollkommen  jenen,  welche 
wir  auf  den  Armbändern  der  Bronzezeit  sehen.  Weiter  fanden  sich  noch  zwei 
Hörnenden  (13  und  18  cm  lang),  welche  gerade  abgeschnitten  und  deren  Spitzen 
schön  geglättet  sind. 

Die  gefundenen  Bronzesachen  lagen  in  Graburnen.  Ausser  Resten  von  Bronze- 
blech^  die  ich  in  zwei  Urnen  sah,  fand  man  in  einer,  auf  die  menschlichen 
Reste  gelegt,  vier  Fragmente  einer  Nadel,  28  cm  lang,  aus  viereckigem  gewun- 
denem Draht;  vier  Fragmente  einer  zweiten  Nadel,  12  cm  lang,  ebenfalls  aus  vier- 
eckigem gewundenem  Draht,  und  ein  Drahtfragment,  12  cm  lang,  mit  Blechresten. 

Während  die  in  hockender  Stellung  vorgefundenen  Skelette  die  Annahme  ge- 
statten, dass  dort  in  jener  Gegend,  vermuthlich  auf  der  Erhöhung,  der  Mensch 
der  Steinzeit  ein  Heim  hatte,  weist  der  ürnenfriedhof  —  denn  so  lassen  sich 
füglich  die  vielen  Urnengräber  nennen,  —  in  die  Blüthezeit  der  Bronzeperiode,  wo 
jene  Anhöhe  neuerdings  eine  Ansiedelung  trug.  Das  im  Besitze  E.  Rittinger's 
befindliche,  verzierte  Schüsselfragment,  dann  die  derartigen  Bruchstücke,  welche 
ich  beiD.  Mihailovits  (oben  tmter  Nr.  12 — 23  erwähnt)  sah,  weisen  die  charakte- 
ristischen Zeichenmuster  der  Bronzezeit:  die  Spirale  und  den  Kreis,  auf.  Auf  der 
Schüssel  Nr.  12  ziehen  sich  vom  Halse  zum  Boden  3 — 4  cm  breite  Streifen,  welche 
den  Verzierungen  auf  den  Schwertklingen  der  Bronzezeit  ganz  ähnlich  sind.  Ueber- 
haupt  ist  der  Schmuck,  bestehend  aus  Linien  und  Punktreihen,  die  mit  einem 
spitzen  Werkzeuge  eingeritzt  sind,   bis  zu  einem  Grade  geschmackvoll  zu  nennen. 

(8)  Hr.  Georg  Busch  an  sendet  aus  Wilhelmshaven  unter  dem  14.  Januar 
folgende  ZusammensteUung 

anir  Vorgeschichte  der  Obstarten  der  alten  Welt. 

Von  den  verschiedenen  Culturgewächsen  erfreuen  sich  die  Obstarten  der  aus- 
gedehntesten Verbreitung  und  der  grössten  Mannichfaltigkeit  auf  unserem  Erdball. 
Während  z.  B.  die  Zahl  der  gewöhnlich  als  Cerealien  bezeichneten  Arten  nur  etwa 
den  vierten  Theil  vom  Hundert  ausmacht,  erreicht  die  Menge  der  Obstpflanzen, 
wie  Hock*)  berechnet  hat,  praeter  propter  die  Ziffer  115.  —  Auch  die  Anzahl  der 
Familien,  denen  die  letzteren  angehören,  ist  im  Vergleich  zu  denen  der  Getreide- 


1)  F.  HGck,   ursprüngliche  Verbreitung  der  Obstpflanzen  und  deren  Einflnss  auf  die 
Cultur  der  Menschheit.    Natur.    188D.    Nr.  35. 

Verhaiidl.  dw  B«rl.  Anthropol.  Geiellfohaft  1891.  7 


(98) 

pflanzen  eine  bei  weitem  grössere.     Denn  während  diese  aus  etwa   4—5  Familien 
entstammen,  liefern  mehr  als  30  Pflanzen familien  Obstsorten. 

Vergegenwärtigen  wir  uns  mit  Hock  die  ursprüngliche  Ausbreitung  der 
Getreide-  und  Obstpflanzen  in  der  alten  Welt,  so  constatiren  wir  die  auffällige  Er- 
scheinung, dass  diejenigen  Gebiete,  welche  die  meisten  Pflanzen  mit  mehlreichen 
Samen  hervorbringen,  auch  mit  obsttragenden  Gewächsen  am  reichlichsten  gesegnet 
sind.  Das  grösste  Contingent  für  beide  Pflanzengruppen  stellt  in  Asien  das  indi-  § 
sehe  Florenreich,  in  Europa  und  Afrika  das  mediterrane  Gebiet.  Was  speciell  die 
Obstsorten  anbetrifft,  so  besassen  ursprünglich  die  Mittelmeerländer  etwa  30  Arten, 
die  übrigen  Landstrecken  der  genannten  Continente  dagegen  nur  etwa  den  dritten 
Theil.    Natürlicherweise  hat  seitdem  ein  gegenseitiger  Ausgleich  stattgefunden. 

Obenan  stehen  somit  die  das  Mittelmeer  umgürtenden  Ländercomplexe,  wohin 
die  neueren  Urgeschichtsforscher  die  Anfänge  der  Cultur  zu  verlegen  geneigt  sind. 

Dieser  Reichthum  an  Obst  spendenden  Gewächsen  reizte  ohne  Zweifel  den 
Menschen  sehr  frühzeitig,  ihren  Nahrungswerth  zu  erproben.  Obst  bildete  daher, 
abgesehen  von  der  Fleischnahrung,  das  ursprünglichste  Nahrungsmittel  der  anfäng- 
lich nomadisirenden  Menschen.  Beweise  für  dieses  hohe  Alter  der  Obstpflanzen 
besitzen  wir  in  den  ältesten  Funden  der  jüngeren  Steinzeit  Europas.  Anbau  und 
Pflege  waren  anfänglich  nicht  nöthig,  da  die  gütige  Mutter  Natur  dem  Menschen 
ohne  sein  Zuthun  den  Tisch  deckte.  Durch  glücklichen  Zufall  mag  er  später  bei 
einer  Gelegenheit  dazu  geführt  worden  sein,  den  betreffenden  ßaum  in  Pflege  zu 
nehmen.  Freilich  fielen  diese  ersten  Züchtungsversuche  anfangs  noch  sehr  primitiv 
aus;  selbst  bei  den  schon  auf  ziemlich  hoher  Culturstufe  stehenden  Pfahltmuem 
ist  noch  kein  rechter  Fortschritt  zu  ersehen.  Der  Anbau  der  Cerealien  dagegen, 
deren  grösserer  Nährwerth  dem  Menschen  schon  sehr  frühzeitig  zum  ßewusstsein 
kam,  wurde  mit  mehr  Erfolg  in  Angriff  genommen.  Die  Getreidearten  der  Pfahl- 
bauem  tragen  schon  Spuren  einer  gewissen  Mannichfaltigkeit  und  Veredlung 
an  sich. 

Es  ist  ein  überaus  interessantes  Gebiet  in  der  Culturgeschichte,  den  ersten 
Anfängen  der  Nutzpflanzen  und  ihrer  Verbreitung  nachzuspüren.  Ueber  das  Alter 
der  Cerealien  habe  ich  mich  schon  an  anderer  Stelle '),  wenn  auch  nur  in  flüchtigen 
Umrissen,  ausgelassen.  Der  vorliegende  Aufsatz  soll  sich  mit  der  anderen  grossen 
Gnippe  von  Culturpflanzen :  den  Obstarten,  beschäftigen.  Vorausschicken  möchte 
ich  noch,  duss  ich  unter  dieser  Bezeichnung  nicht  nur  jene  Pflanzen  verstehe,  die 
im  landläufigen  Sinne  als  Obst  aufgefasst  werden,  sondern  überhaupt  alle  Ge- 
wächse, die  eine  geniessbare  fleischige  Frucht  besitzen.  Dieselben  sollen  indess 
nur  soweit  in  Betracht  gezogen  werden,  als  sie  der  vorgeschichtlichen  Flora  der 
alten  Welt  angehören. 

Beginnen  wir  zunächst  mit  den  Gewächsen  der  gemässigten  Landstriche,  von 
denen  wiederum  die  Mitglieder  der  Familie  der  Rosaceen  die  wichtigste  Rolle  im 
Haushalt  der  Menschheit  spielen.  Denn  diese  Familie  liefert  uns  die  eigentlichen 
Obstsorten,  das  sogenannte  Stein-  oder  Kernobst,  als  da  sind:  die  Kirsche,  die 
Birne,  der  Apfel,  die  Pflaume,  die  Aprikose  u.  a.  m. 

Von  diesen  Früchten  geniesst  der  Apfel  (Pirus  malus  L.)  unstreitig  die  wei- 
teste Verbreitung.  Nach  Roth')  liegen  sprachliche  Beweise  vor,  dass  Apfelbäume 
in  Aegypten    schon    zur  Zeit   der   XIX.  Dynastie,   also  ungefähr  um  das  14.  Jahr- 

1)  Die  Heimftth  und  das  Alter  der  europäischen  Culturpflanzen.  Corresp-Bl.  der 
deutsch,  anthrop.  Gesellschaft  1S90.    Nr.  10.   S.  128—184. 

2)  Dr.  E.  Roth,  Die  Pflansen  des  alten  Aegypten.    Zeitschr.  Uomboldt  18W.  8.  81  ff. 


(99) 

hundert  r.  Chr.,  angepflanzt  worden.  Handgreifliche  Reweise  für  diese  Behauptung 
in  Gestalt  von  üeberresten  aus  ägyptischen  Grabkammern  fehlen  uns  leider  zur 
Zeit  noch.  —  Dagegen  lehren  uns  die  Funde  der  schweizerischen  Pfahlbauten, 
dass  ihre  Bewohner  in  den  Aepfeln  schon  ein  Nahrungsmittel  besassen.  Wie 
bekannt,  ist  uns  aus  diesen  Niederlassungen  eine  Menge  derartiger  verkohlter 
Früchte  überkommen,  die  sich  so  schön  erhalten  haben,  dass  wir  an  ihnen  noch 
deutlich  Kelch-  und  Kerngehäuse,  fleischige  Partien  und  Schale  zu  unterscheiden 
vermögen.  Fast  alle  Aepfel  sind  zerschnitten,  entweder  halbirt  oder  dreigetheilt, 
offenbar,  um  sie  besser  rösten  zu  können  Vollständig  erhaltene  Exemplare  kommen 
auch  vor,  jedoch  sind  es  nur  die  kleineren  Früchte.  Die  grosse  Anzahl,  in  der 
diese  Apfelspalten  zum  Vorschein  kamen,  lässt  vermuthen,  dass  der  Apfelbaum 
eine  grosse  Verbreitung  in  den  dortigen  Gebieten  besass,  und  dass  seine  Frucht 
sich  einer  grossen  Beliebtheit  erfreute.  Freilich  dürfte  dieselbe  unserem  ver- 
wöhnten Graumen  nicht  gemundet  haben.  Denn  sie  stammte  ohne  Zweifel  von 
dem  wilden  Apfelbaum  ab,  der  nur  saure  Früchte  zeitigt.  Heer')  schloss  dies 
einerseits  aus  der  auffallenden  Uebereinstimmung  des  inneren  Baues  des  Kern- 
gehäuses mit  dem  beim  Wildapfel  unserer  Wälder,  andererseits  aber  besonders  aus 
der  Kleinheit  der  Fundstücke  (15 — 24  mm  Durchmesser),  die  sie  gewaltig  von  den 
Gulturäpfeln  unterscheidet.  Freilich  liess  sich  auch  eine  Anzahl  grösserer  Exem- 
plare (29 — 32  mm  Höhendurchmesser  und  bis  36  mm  Querdurchmesser)  heraus- 
finden, bei  denen  auch  das  Fleisch  im  Vergleich  zu  der  kleineren  Sorte  stärker 
entwickelt  war,  so  dass  Heer  der  Vermuthung  Raum  gab,  es  könnte  sich  in  diesen 
Fällen  um  die  Früchte  einer  schon  veredelten  Sorte  handeln,  die  vielleicht  durch 
Züchtung  aus  jener  hervorging.  Von  anderer,  und  zwar  landwirthschaftlicher  Seite ^) 
ist  neuerdings  gegen  diese  Annahme  eingewendet  worden,  dass  es  in  unseren 
Wäldern  ziemlich  grosse  Wildäpfel  noch  gäbe.  —  Die  kleinere  Sorte  kommt  nach 
Heer  in  den  Pfahlbauten  von  Wangen,  Robenhausen,  Moosseedorf  und  Concise  vor. 
Weniger  zahlreich  sind  sie  nach  Much  im  Pfahlbau  Mondsee'),  desgleichen  nach 
Deschmann*)  im  Laibacher  Moor  vorhanden.  Auch  im  Pfahlbau  von  Lagozza*) 
fanden  sich  zwei  Hälften,  die  einer  kleinen  (17  :  19  mrn  Durchmesser  der  Länge 
zur  Breite)  und  einer  etwas  grösseren  (19  :  27  mm)  Sorte  angehören.  Im  Pfahlbau 
von  Bardello*)  (Torfmoor  bei  Varese)  gehören  Aepfel  zu  den  häufigeren  Vorkomm- 
nissen; einzelne  bilden  darunter  Uebergänge  vom  Typus  des  wilden  Holzapfels  zu 
solchen  von  einer  gewissen  Veredlung.  Ich  selbst  konnte  einige  wenige  Kerne  im 
steinzeitlichen  Hüttenbewurf  von  Ettersberg  (Thüringen)  feststellen. 

Gegenüber  dieser  hochwichtigen  Frucht,  dem  Apfel,  tritt  eine  andere,  heut- 
zutage völlig  ebenbürtige,  in  der  Vorzeit  sehr  zurück:  die  Birne  (Pirus  communis  L.). 
Denn  in  den  vorgeschichtlichen  Funden  tritt  sie  uns  nur  sehr  sporadisch  ent- 
gegen. Die  wenigen  Exemplare  aus  den  schweizerischen  Pfahlbauten  stammen 
aus  den  Niederlassungen  von  Wangen  und  Robenhausen').    Dieselben  sind  eben- 


1)  Heer,   Pflanzen  der  Pfahlbauten.    Schriften  d.  naturf.  Gesellsch.  von  Zürich.  1866. 
LXVra.  Stück.  S  24ff. 

2)  nach  Staub. 

3)  MittheiL  der  Wiener  anthrop.  Gesellschaft.  IV.  S.  806. 

4)  V.  Sacken,  Der  Pfahlbau  im  Laibacher  Moor.    K.  Deschmann,  Bericht  über  die 
Pfahlbauaufdecknngen  im  Laibacher  Moor.    Wien  1877. 

5)  F.  Sordelli,  SuUe  plante  della  torbiera  et  della  stazione  preistorica  della  Lagozza. 
Atti  della  societii  Ital.  di  seien,  nat  Vol.  23.    Milano  1880. 

6)  Bevue  d'authropologie.    Tome  XVII,  ÖSi.    Schöne  Bronzezeit 

7)  Heer,  a.a.O.  S.  26. 

7* 


(100) 

falls  nur  in  halbirten  Stücken  erhalten;  sie  stimmen  nach  Heer  in  ihrem  sehr 
grossen  gekörnten  Oriebsch  und  in  der  geringen  Entwickelung  der  fleischigen 
Partien  mit  der  wilden  Holzbirne  unserer  Wälder,  im  Besonderen  mit  der  Species 
Achras  (Basis  der  Frucht  länglich  zulaufend)  überein.  Sonst  ist  das  Vorkommen 
der  Birne  nur  nachgewiesen  in  dem  Pfahlbau  von  ßaradello;  das  Exemplar  soll 
demselben  Typus,  wie  oben  beschrieben,  angehört  haben  (Länge  25,  Breite  16  mm 
im  Durchmesser).  Der  Pund  im  Pfahlbau  von  Casale*)  ist  zweifelhafter  Be- 
stimmung. 

Neben  Apfel  und  Birne  kehrt  unter  den  vorgeschichtlichen  Funden  noch  eine 
Pirus-Art  mehrmals  wieder:  der  Mehlbeerbaum  (Pirus  aria  L.;.  Einige  Kerne 
aus  Wangen  und  Robenhausen  ^)  machen  es  wahrscheinlich,  dass  auch  diese  Frucht 
zur  Nahrung  der  Pfahlbaubewohner  gehörte.  Das  Vorkommen  des  Mehlbeerbaumes 
breitete  sich  damals  bis  nach  Oberitalien  hin  aus;  denn  im  Torfmoor  Sofßa  bei 
Caldiero  (Uebergang  von  Steinzeit  in  Bronzezeit)  und  im  Pfahlbau  Fontanellato') 
(Eisenzeit)  sind  üeberreste  dieses  Baumes  nachgewiesen. 

Die  geschilderten  Gewächse  der  Gattung  Pirus  gehören  sämmtlich  der  Flora 
des  temperirten  Europa  an.  Der  Ursprung  des  Apfelbaumes  speciell  scheint  bis  in 
unsere  Gegenden  hinauf  zu  reichen.  Das  vereinzelte  Vorkommen  der  Birne  im 
Vergleich  zu  dem  überaus  häufigeren  ihrer  Schwesterfrucht,  des  Apfels,  giebt  der 
Vermuthung  Raum,  dass  jene  in  der  Urzeit  noch  nicht  so  allgemeine  Verbreitung 
fand,  als  dieser.  Möglicherweise  hatte  sich  der  Birnbaum  in  den  Gebieten  der 
bekannten  mitteleuropäischen  Niederlassungen  damals  noch  nicht  eingebürgert; 
denn  seine  Heimath  dürfte  etwas  östlicher  zu  suchen  sein.  In  Nordgriechenland 
wenigstens  scheint  der  Birnbaum  auf  ein  hohes  Alter  zurückzublicken.  Sprach- 
liche Gründe  machen  es  nach  Hoernes*)  wahrscheinlich,  dass  das  albanesische 
Wort  für  Birne,  darda,  sich  in  einer  Anzahl  von  Namen,  wie  Dardoni,  Dardania 
und  ähnlichen  noch  nachweisen  lässt.  Vielleicht  gestattet  auch  die  Bezeichnung 
„Bim baumer  Wald'*  einen  Schluss  auf  das  dortige  häußge  Vorkommen  der  Wild- 
bime  in  weit  zurückliegender  Zeit. 

Eine  andere  Unterabtheilung  der  Familie  der  Rosaceen,  die  (Gattung  Prunus, 
liefert  uns  ebenfalls  mehrere  Repräsentanten  für  die  Torgescbicbtliche  Culturflora. 
Der  Wichtigkeit  und  Häufigkeit  nach  verdient  hiervon  in  erster  Linie  die  Kirsche 
genannt  zu  werden.  In  den  Terramaren  der  Provinz  Parma  wurden  Kirschkerne 
von  Pigorini  und  Strobel  recht  häufig  gefunden.  In  den  schweizerischen  und 
österreichischen  Pfahlbauten  fehlen  sie  ebensowenig.  Man  kennt  sie  hier  aus 
Robenhausen*),  Bleiche- Arbon *),  Petit-Cortaillard 0  (Neuchateier  See)  und  dem 
Mondsee'').  Den  meisten  Autoren  zu  Folge  scheint  die  Süss-  oder  Vogelkirsche 
(Prunus  avium  L.)  derjenige  Baum  zu  sein,  von  dem  die  vorgeschichtlichen  Funde 
herstammen*);  die  Sauerkirsche  (Prunus  cerasus  L.)  ist  bisher  unter  diesen  noch 
nicht  nachgewiesen. 

Die   vorgeschichtlichen  Kirschsteine   weichen   in   ihrer  Grösse  nur  wenig  von 

1)  Bullettino  di  Paletnologia  Italiaoa    1^<S6.  p.  54.  55.    Birne? 

2)  Heer,  s.  a.  0.  8.26. 

8)  L.  Pigorini,  Le  abitaz.  palustre  di  Fontanellato  dellVpoca  del  ferro.   Parma  1865. 

4)  MittheiL  der  Wien,  anthropolog.  Gesellschaft  IH88.  8.  217. 

5)  Heer,  a.  a.  0.  S.  26. 

6)  Antiqua  1885,  S.  155.    Ausland  1885,  S.  KXM. 

7)  Anzeiger  für  Schweiz.  Alterthumsknnde  Bd.  V.  S  40. 

8)  Mach  in  Mitth.  d.  Wien,  anthrop  Gesellschaft  a.  a.  0. 

9)  Bei  einigen  Funden  fehlt  die  diesbezügliche  Angabe,  ob  Süss-  oder  Sauerkirtcbe. 


(101) 

den  caltivirten  Sorten  ab.  Die  Robenhausencr  z.  B.  sind  nach  Heer  nur  um  ein 
geringes  kleiner,  als  diese  letzteren.  An  ihnen  lassen  sich  schon  zwei  Varietäten 
unterscheiden:  die  einen  fast  kugelrund,  mit  7,5 — 8  mm  Durchmesser,  die  anderen 
kurz  eiförmig  mit  8— 10  mm  Längs-  und  6 — 7,5  mm  Querdurchmesser.  Auch  die 
ans  dem  Pfahlbau  zu  Lagozza^)  stammenden  Kirschkerne  sollen  dieselbe  Form 
und  Grösse  wie  die  cultivirten  Kerne  besitzen,  weshalb  Sordelli  ihrem  hohen 
Alter  Zweifel  entgegenbrachte.  Aus  demselben  Grunde  spricht  Wittmack*)  den 
Steinen  aus  der  Höhle  von  Mentone  ihre  Aechtheit  ab.  Da  aber  alle  diese  Funde 
uns  eine  tibereinstimmende  Anschauung  von  der  Grösse  und  Form  der  Kirschen 
der  Vorzeit  geben,  so  trage  ich  kein  Bedenken,  ihr  hohes  Alter  anzuerkennen. 
Für  eine  Anzahl  von  Kirschkernen,  die  aus  einer  Urne  (Lausitzer  Typus)  des 
Gräberfeldes  zu  Kreuzburg,  Oberschlesien,  stammten,  fand  ich  ebenfalls  den  heutigen 
Formen  annähernde  Maasse:  9 — 10  mm  Längen-  und  7—8  mm  Querdurch raesser. 

Einer  weit  verbreiteten  Annahme  zufolge  soll  Lucullus  ums  Jahr  64  v.  Chr. 
den  Kirschbaum  aus  Cerasunt  am  Pontus  nach  Italien  verpflanzt  haben.  Als 
Gewährsmann  für  dieselbe  wird  Plinius  angeftthil,  bei  dem  sich  eine  Stelle')  des 
Inhaltes  findet,  dass  es  vor  dem  Siege  des  genannten  Feldherrn  über  Mithridates 
in  Italien  noch  keine  Kirschen  gegeben  habe.  Die  vorgeschichtlichen  Funde  nun 
scheinen  dieser  Nachricht  zu  widersprechen.  Dies  ist  aber  nicht  der  Fall,  wenn 
wir  die  angeführte  Stelle  in  dem  Sinne  auslegen,  als  habe  Plinius  sagen  wollen, 
dass  zur  Zeit  des  Lucullus  eine  veredelte  Sorte  ihren  Einzug  in  Italien  gehalten 
habe.  Vielleicht  ist  sie  auch  so  zu  deuten,  dass  Lucullus  die  saure  Kirsche  vom 
Pontus  her  mitgebracht  habe.  Die  letztere  Erklärung  scheint  mir  wenigstens  die 
annehmbarere  zu  sein.  Denn  wie  die  vorgeschichtlichen  Funde  lehren,  war  da- 
mals höchst  wahrscheinlich  nur  die  Süsskirsche  bekannt.  Möglicherweise  war  sie 
auch  noch  zur  Zeit  der  römischen  Republik  die  einzige  Kii-schensorto,  welche  in 
Italien  gezüchtet  wurde. 

Die  pflanzengeographischen  Forschungen  verlegen  das  Vaterland  der  Sauer- 
kirsche in  die  Gebiete  vom  kaspischen  Meer  bis  nach  Kleinasien  hinein,  das  der 
Süsskirsche  dagegen  nach  Europa.  Die  ubiquäre  Verbreitung  der  letzteren  in  Mittel- 
und  Nordeuropa  ist  bekannt.  Nach  Schübeier')  trifft  man  hier  und  da  im  süd- 
lichen Theil  Norwegens  einzelne  Bäume  an,  von  denen  sich  nicht  mehr  sagen 
lässt,  ob  sie  wildwachsend  sind  oder  nicht.  Im  Kirchspiel  Urnaes  im  Stifte  Bergen 
befindet  sich  ein  förmlicher  Wald  von  diesen  Bäumen,  der  ungefähr  V*  Meile 
lang  ist. 

Pflaumen  (Prunus  insiticia  L.)  und  Schlehen  (Prunus  spinosa  L.)  gehören 
ebenfalls  zur  vorgeschichtlichen  Flora.  Heer*)  bestimmte  Pflaumensteine  unter 
den  Speiseresten  der  Pfahlbauern  der  Schweiz  (Robenhausen),  und  zwar  eine  Sorte, 
die  der  Form  nach  der  sogenannten  Haferschlehe  (Prunus  insit.  avenaria  Tab.) 
verwandt  erscheint.  Pflaumenkerne  fanden  sich  femer  in  den  Pfahlbauten  von 
Weyeregg*)  und  CasaleO  (Steinzeit),  Mercurago")  (Bronzezeit)  und  Paladru*)  (Isere, 


1)  Sordelli,  1.  c. 

2)  Vorhandl.  d.  Berl.  anthrop.  Gesellschaft  1883,  S.  404. 

3)  Historia  natural.  XV.  c.  30. 

4)  Schab eler,  Die  Pflanzen  Norwegens.    Christiania.    S.  131. 
6)  Heer,  a.a.O.  S.  27. 

6)  Wejreregg  im  Attersee     Mittheilungen   der  Wiener  anthrop.  Gesellsch   II,   S.  267. 

7)  Casale  1.  c.  siehe  oben. 

8)  Pigorini,  Le  abit.  di  Fontanellato  1.  c.  siehe  oben. 

9)  E.  Chantre,   Les  palafittes  da  lac  de  Paladru.    Materiaux  2«ie  s^rie  187ü,  p.  177. 


(102) 

Eisenzeit).  —  Oeller  kehren  Schlehen  unter  den  Funden  wieder.  Das  häufige 
Vorkommen  von  solchen  Steinen  in  den  Pfahlbauniederlassungen  Ton  Wangen, 
Robenhausen,  Moosseedorf,  Greing*),  Bleiche-Arbon*),  Casale  und  Isola  Virginia*) 
(tiefste  Schicht)  lassen  auf  eine  grosse  Verbreitung  dieser  FVucht  seh  Hessen.  Ihr 
sehr  herber  Geschmack  mag  sie  freilich  nicht  besonders  wohlschmeckend  gemacht 
haben.  Parazzi*)  vermuthet  daher,  dass  nur  die  Steine  benutzt  wurden,  und 
zwar  zur  Herstellung  eines  Getränkes,  wie  es  heute  noch  in  Italien  unter  dem 
Namen  vino  di  prugnola  (^Schlehenwein)  genossen  wird,  ähnlich  dem  ungarischen 
Slivowitz.  — 

Auf  Früchte  des  Zwetschgenbaumes  (Prunus  domestica  L.)  ist  man  bisher  in 
prähistorischen  Niederhissungen  meines  Wissens  noch  nicht  gestossen.  Es  ist 
daher  höchst  wahrscheinlich,  dass  dieser  Baum  zur  damaligen  Zeit  in  Eui'opa  noch 
nicht  bekannt  war  und  sich  erst  seit  höchstens  2000  Jahren  daselbst  halbwegs 
naturalisirt  hat.  Nach  de  C  an  doli  e^)  ist  seine  Heimath  im  Orient,  Anatolien, 
Süden  des  Kaukasus  und  Nordpersien  zu  suchen.  —  Die  alten  Griechen  unter- 
schieden die  coccumelea  ihres  Landes  von  denen  Syriens  (um  Damaskus  wild 
wachsend)*)  und  verstanden  unter  letzterer  wohl  die  Zwetschge,  unter  ersterer  da- 
gegen die  Pflaume,  die  ihre  heutigen  Nachkommen  nach  v.  Held  reich')  noch  als 
coromeleia  bezeichnen. 

Auch  die  Früchte  der  Traubenkirsche  (Prunus  Padus  L.)  scheinen  in  der 
Vorzeit  als  Nahiungsmittcl  eingesammelt  worden  zu  sein.  Wie  noch  heutzutage, 
traten  sie  nach  Heer^)  schon  damals  in  zwei  Formen  auf:  in  runden,  fast  kugligen 
Steinen  und  in  solchen,  die  an  einem  Ende  zugespitzt  sind.  Jene  Sorte  ist  bei 
weitem  häufiger;  in  Roben  hausen,  Wangen,  Moosseedorf  und  Greing*)  trifft  man 
sie  in  Unmasse  an.  Diese  dagegen  ist  seltener;  ihr  Vorkommen  beschränkt  sich 
auf  die  Pfahlbauten  von  Robenhausen  und  die  im  Neuchateier  See.  Ohne  Zweifel 
gehört  auch  die  Tmubenkirsche  der  mitteleuropäischen  Flora  an. 

Das  Vorkommen  der  Felsenkirsche')  (Prunus  Mahaleb  L.)  in  der  Pfahl- 
baute Robenhausen  und  in  den  Terramaren  Parmas  ist  noch  nicht  sicher  erwiesen. 

In  viel  jüngerer  Zeit,  als  die  bisher  erwähnten  Prunus-Arten  erscheint  in 
Europa  zum  ersten  Male  der  Pfirsichbaum  (Prunus  Persica  Bentham  u.  Hooker). 
Aus  vorgeschichtlichen  Niederhissungen  kennen  wir  ihn  gar  nicht.  Die  sporadi- 
schen Funde  von  Pfirsichsteinen  aus  den  Pfahlbauten  von  Bor  bei  Pacengo  '^)  und 
bei  Paladru*')  gehören  zweifellos  einer  sehr  späten  Zeit  an;  die  Niederlassung 
von  Paladru  wird  sogar  der  Merovingerperiode  zugeschrieben.  Zeitlich  genau  be- 
stimmt   sind    nur   zwei  Funde    aus    spätrömischer   Zeit.     Pater  de  la  Croix   ent- 

1)  Heer,  a.a.O.  8.27. 

2)  Antiqua  18S5,  S.  155. 

8)  Rcgazzoai,   Dei   nuovi   scavi   nelF  Isola  Virginia   in  Riv.  Arch.  della  provinc.  <li 
Como.    Die.  187y.  p.  1—12. 

4)  Bullettino  di  Paletnolog.  Ital   1886.  p.  54. 

5)  A.  de  CandoUe,   Der  Ursprung   der  Culturpllanzen.    Uebersetzt   von  E.  Götze. 
Leipzig  1884.    S  5.58. 

6)  Dioscorides,  Materia  medic.  I,  1.  179. 

7)  Th.  V.  Heldreich,  Die  Nutzpflanzen  Griechenlands.    S.  G8. 

8)  Heer,  a.  a.  0.  S.  27. 

9)  Heer,  a.  a,  0.  S.  2S. 

10)  A.  Goiran,   Alcune   notizie  veronesi  di  botanica  archeolojnca.  Estratto  dal  Nuovo 
Giomale  Botanico  Italiauo.  Vol.  XXIf.  1890     p.  27. 
11;  Chantre,  1.  c. 


(103) 

deckte  einen  kleinen  Pfirsichkern  beim  Dorfe  Sanxay*)  in  Poitou  an  einer  römi- 
schen Mauer,  die  um  das  2. —  5.  Jahrhundert,  p.  Chr.  errichtet  wurde;  Stefano 
dl  Stefani  machte  einen  ähnlichen  Fund  zwischen  römischen  Hau srcsten  der  Villa 
Sospirogna')  in  der  Gemeinde  Casaleone. 

Wie  de  Candolle')  überzeugend  nachgewiesen  hat,  stammt  der  Pfirsichbaum 
aus  China.  Hier  geht  seine  Cultur  in  die  ältesten  Zeiten  zurück;  die  Bewohner 
des  Reiches  der  Mitte  haben  seit  Tausenden  von  Jahren  bereits  verschiedene  Alien 
des  gemeinen  Pfirsichs  gezüchtet.  —  Die  Griechen  und  Römer  erhielten  den 
Pfirsichbaum  ungefähr  zu  Beginn  unserer  Zeitrechnung.  Die  älteste  bildliche  Dar- 
stellung kennen  wir  aus  den  pompejanischen  Wandgemälden*).  Thcophrast  (um 
322  V.  Chr.)  gedenkt  seiner  als  einer  persischen  Frucht.  Offenbar  gelangte  die- 
selbe aus  ihrer  ursprünglichen  Heimath  über  die  centralasiatischcn  Gebirge  nach 
Kaschmir,  der  Bucharei  und  auch  nach  Persion.  Die  römischen  Bezeichnungen 
Persica  und  Malum  persicum  deuten  darauf  hin,  dass  Italien  von  dem  letztgenannten 
Lande  aus  mit  der  Pfirsich  frucht  beschenkt  wurde. 

Im  Anschlüsse  an  die  ObstpQanzen  aus  der  Klasse  der  Rosaceen  sei  noch 
eine  Steinfrucht  angeführt,  die  zwar  nicht  zur  genannten  Klasse  gehört,  deren 
Früchte  aber,  wie  man  aus  dem  überaus  zahlreichen  Vorkommen  von  Kernen 
schliessen  kann,  ebenfalls  in  der  vorgeschichtlichen  Zeit  eingesammelt  und  wahr- 
scheinlich auch  genossen  wurden.  Es  ist  dies  die  Cornelkirsche  (Cornus  mas  L.). 
Man  trifft  Steine  dieser  Frucht  sehr  häufig,  zuweilen  in  dicken  Schichten  in  ver- 
schiedenen steinzeitlichen  Niederlassungen  an:  in  den  Pfahlbauten  von  Casale*), 
Lagozza'),  denen  im  Lago  di  Fimon')  und  di  Varano"),  von  Sabbione*),  Bodio*) 
und  Pozzolo*)  im  Lago  di  Monate,  Arquä-Petrarca »*)  und  im  Laibacher  Moor, 
sowie  in  den  bronzezeitlichen  Terramaren  von  St.  Ambrogio,  Castione")  und 
Gorzano**)  (ob  römisch?).  Selbst  in  den  Niederlassungen  aus  der  späteren  Bronze- 
und  Eisenzeit,  so  in  den  Pfahlbauten  im  Garda-  und  Varese-See,  sind  solche  Kerne 
nachgewiesen  worden.  Cornus  succisa  kam  im  Pfahlbau  Weyeregg  vor.  —  Ver- 
gegenwärtigen wir  uns  die  geographische  Verbreitung  der  Kornelkirsche  in  der 
Vorzeit,  so  finden  wir  die  interessante  Erscheinung,  dass  dieselbe  sich  auf  Ober- 
italien und  Oesterreich  beschränkt.    In  den  Niederlassungen  der  Schweiz  fehlt  sie 


1)  BuUettino  del  Naturalista.    Anno  VIH.    Siena  18F8.    No.  12.  p.  167. 

2)  A.  Goiran,  1.  c.  p.  28. 

3)  A.  de  Candolle,  Der  Ursprung  der  Culturpftanzen.  Uebersetzt  von  E.Götze. 
Leipzig  1884.    S.  278  ff. 

4)  Or.  Comes,  Illnstrazione  delle  piante  rappresentale  nei  dipinti  pompejani,  aus  dem 
Werk:  Porapei  e  la  rogione  sotterrata  dal  Vesuvio.  Memorie  publicato  delP  nfficio  tecnico 
degli  scavi  delle  provincie  meridionali.    Kapoli  1879.    p.  14. 

5;  BuUettino  di  Paletnologia  Italiana  1882.    p.  69. 

6)  Sordelli,  I.e. 

7)  Paolo  Lioj,  Le  abitazione  lacustri  della  eta  della  pietra  nel  Lago  di  Fimon,  in 
Atti  dell'  Istituto  Ven.  di  scienze,  lett.  ed  arti     Venezia  1864/65. 

8)  Castelfranco,  Le  stazione  lacustri  di  Laghi  di  Monate  e  di  Yarano.  Atti  della 
Societa  Ital.  dei  scienze  natnr.  Vol.  XXI.    Milano  1878. 

9)  Cam.  Marin oni,  Le  abitazione  lacustri  e  gli  avanzi  di  nmana  industiia  in  Lom- 
bardia,  in  Memorie  della  8oc.  It.  di  scienze  nat    Tom.  IV.    Milano  1868. 

10)  Bullett.  di  Paletn.  Ital.  1888.    p.  120. 

11)  Terramare  di  Castione  dei  Marchesi,  in  Atti  della  R.  Accademia  dei  J^incei.  Gl. 
delle  scienz.  mor.  3  serie  YIII.    Roma  1888. 

12)  G.  Coppi,  Monografia  ed  iconografia  della  Terramare  di  Gorzano.  Modena  1871 
und  1874. 


(104) 

vollständig.  Es  berechtigt  uns  diese  Thatsache  zu  dem  Schlosse,  dass  dieser 
Baum  zur  Stein-  und  Bronzezeit  in  der  Schweiz  noch  nicht  zur  einheimischen  Flora 
gehörte.  Noch  heutzutage  ist  die  Komelkirsche  in  Italien  sehr  verbreitet ;'*[denn 
ihre  Kerne  werden  von  der  heutigen  Bevölkerung  roh  gegessen.  Eäne  gleiche 
Sitte  mag  m  der  Vorzeit  bestanden  haben.  Vielleicht  dienten  sie  auch,  wie 
Parazzi  aus  einer  ähnlichen  Verwendung  in  der  Neuzeit  schliesst,  im  g^ohrenen 
Zustande  zur  Bereitung  eines  sauren  Weines. 

Nachdem  wir  bisher  das  Stein-  und  Kernobst  der  vorgeschichtlichen  Gultur- 
flora  Europas  kennen  gelernt  haben,  wenden  wir  uns  nunmehr  zum  sogenannten 
Beerenobst.  Die  schmackhaftesten  Früchte  aus  dieser  Kategorie  von  Obstpflanzen 
sind  offenbar  die  Himbeere  (Rubus  idaeus  L.)  und  die  Brombeere  (Rubus  fhiti- 
cosus  L.).  Beide  Sorten  treffen  wir  auch  schon  bei  den  steinzeitlichen  Pfahlbauem 
an.  Himbeersamen  besonders  lieferten  die  Niederlassungen  von  Robenhausen, 
Wangen,  Moosscedorf,  Greinig*),  Bleiche-Arbon '),  Schussenried "),  Laibach*),  im 
See  Fimon^)  und  die  Terramaren  Oberitaliens.  Mitunter  treten  sie  so  massenhaft 
auf,  dass  sie  ganze  Schichten  bilden.  Da  diese  Samen  stets  im  unverkohlten  Zu- 
stande angetroffen  werden,  so  vermuthet  Heer,  dass  sie  bereits  den  Darmkanal 
passirt  haben  mögen  und  mit  den  Abfallstoffen  beseitigt  wurden.  Es  hat  diese 
Erklärung  mehr  Wahrscheinlichkeit,  als  die  von  Dorn*),  wonach  diese  Samen  von 
getrockneten  Himbeeren  herrühren  sollen,  die,  wie  noch  heute  in  Russland  üblich, 
in  jeder  Hütte  zu  Heilzwecken  vorräthig  gehalten  wurden.  —  Die  Heimath  der 
Himbeere  ist  Europa. 

Erdbeeren  (Fragaria  vesca  L.)  und  Heidelbeeren  (Vaccinium  myrtillns  L.)  sind 
bis  jetzt  äusserst  selten,  und  zwar  nur  in  der  Pfahlbaute  Robenhausen ^),  nach- 
gewiesen worden.  Preisseibeeren  (Vaccinium  vitis  idaea  L.)  traf  man  dagegen 
noch  nirgends  an.    Wahrscheinlich  wurden  sie  nicht  eingesammelt. 

Dagegen  scheinen  die  Hagebutten  (Rosa  canina  L.),  wie  noch  heute  von  den 
Kindern,  so  von  den  Pfahlbauem  gesammelt  und  genossen  worden  zu  sein.  Zu 
Robenhausen  und  Moosseedorf  constatirte  Heer')  ihr  Vorkommen  unter  den  Speise- 
resten; desgleichen  Much  in  grösseren  Mengen  im  Mondsee *").  Derselbe  Autor 
erinnert  an  die  in  mancher  Haushaltung  Oesterreichs  noch  gebräachliche  Sitte,  aus 
Hagebutten  eine  Wildbrettsauce  zu  bereiten.  Es  sei  nicht  unwahrscheinlich,  dass 
die  Pfahlbauem  diese  Samen  in  ähnlicher  Weise  in  der  Küche  verwertheten. 

Im  Pfahlbau  Mondsee  ^)  und  zu  Robenhausen *^)  fanden  sich  noch  Beeren  der 
Eberesche  (Sorbus  aucuparia  L.).  Dieselben  sollen  in  den  dortigen  Gegenden  noch 
heutigen  Tages  theils  als  Futter  für  das  Vieh,  theils  zur  Erzeugung  von  Brannt- 
wein benutzt  werden*).     In  Schleswig-Holstein  geniesst  man  sie  als  Gompot"). 

Mit  den  besprochenen  Pflanzen  dürften  wir  die  Reihe  der  Obstsorten  aus  der 

1)  Heer,  a.a.O.  S.  28. 

2)  Antiqua  a.  a.  O. 

3)  Correspondenzblatt  d.  deutsrh.  Qesellschaft  f.  Anthropologie  u.  s.  w.  1877.   S.  162. 

4)  Deschmann,  a.  a.  O. 
6)  P.  Lioy  l.  c. 

6)  Württembergische  Jahreshefte  1877.    Februar-Sitxnog. 

7)  Heer,  a.a.O.  S.  29. 

8)  Mittheilungeu  der  Wiener  anthropoL  Gesellschafl,  Bd.  VI,  S.  188. 

9)  Ebendaselbst  Bd.  IV,  8.  306. 

10)  Heer,  a.a.O.  S.  41. 

11)  F.  Hock,  K&hrpflanxen    Mitteleuropas,  ihre   Heimath,  Einführung  u.  i.  w.    Stutt- 
gart 18J0.    S.  öl. 


(105) 

Torgeschichtlichen  Flora  Europas  erschöpft  haben.  Da  wir  uns  aber  zur  Aufgabe 
dieser  unserer  Abhandlang  gestellt  haben,  die  Prähistorie  nicht  bloss  der  Obst- 
pflanzen unseres  Continentes,  sondern  überhaupt  derer  der  ganzen  alten  Welt  kennen 
zu  lernen,  d.  h.  soweit  sie  für  die  Entwickelung  der  Cultur  in  den  Mittelmeer- 
ländem  Ton  Belang  waren,  so  liegt  es  uns  jetzt  ob,  noch  einige  Pflanzen  zu  behan- 
deln, deren  Verbreitung  und  Pflege  sich  in  der  Vorzeit  im  Grossen  und  Ganzen 
auf  die  alten  aussereuropäischen  Culturstaaten  am  Mittelmeere  beschränkte. 

Beginnen  wir  mit  dem  Oelbaum  (Olea  europaea  L.),  dessen  Frucht  im  Süden 
unseres  Continerites  noch  heute  allenthalben  ein  beliebtes  Nahrungsmittel  bildet. 
In  Europa  ist  das  Vorkommen  dieser  Pflanze  unter  den  vorgeschichtlichen  Funden 
noch  nicht  sicher  nachgewiesen.  Es  ist  zwar  eine  Anzahl  von  Olivenkernen 
in  einer  Höhle  bei  Mentone*),  deren  Alter  bis  auf  die  ältere  (?)  Steinzeit  von 
einigen  Autoren  zurückgeführt  wird,  gefunden  worden;  desgleichen  unter  den  Terra- 
marenresten  von  Gorzano').  Beide  Funde  sind  aber  zweifelhafter  Natur.  Denn 
einmal  ist  es  noch  nicht  sicher  erwiesen,  dass  die  betreffenden  Culturschichten 
wirklich  ein  so  hohes  Alter  besitzen,  wie  von  einigen  angenommen  wird,  —  die 
Schichten  von  Gorzano  sollen  sogar  römischen  Ursprunges  sein,  —  zum  anderen  ist 
es  fraglich,  ob  diese  Olivenkerne  nicht  später  und  zwar  zufällig  durch  Thiere  hinein- 
geschleppt worden  sind.  Möglicherweise  sind  es  aber  überhaupt  keine  Olivenkeme, 
sondern  die  Samen  entpuppen  sich  bei  fachgemässer  Untersuchung')  als  solche 
der  Comelkirsche,  wie  es  bei  dem  Funde  im  Pfahlbau  von  Peschiera  der  Fall  war, 
wo  die  anfänglich  als  Olivenkeme  bestimmten  Samen  sich  später  als  Steine  der 
Komelkirsche  herausstellten.  Untersuchungen  neueren  Datums*)  haben  allerdings 
ergeben,  dass  einige  im  Torfe  des  Gardasees  aufgefundene  Blätter  dem  Oelbaum 
entstammen.  Goiran,  der  Gewährsmann  hierfür  ist,  hat  auch  Oelbanmblätter  aus 
dem  Pfahlbau  Bor  bei  Pacengo  nachgewiesen.  Beide  Funde  gehören  aber  er- 
wiesenermaassen  der  Eisenzeit  an.  Es  ist  wohl  möglich,  dass  um  diese  Zeit 
herum  in  Folge  der  ausgedehnten  Verkehrsbeziehungen  mit  den  östlichen  Mittel- 
meerländem  die  Olive  in  Italien  ihren  Einzug  gehalten  hat.  Dieser  Zeitpunkt 
ihrer  Einwanderung  dürfte  mit  der  Angabe  des  Plinius^)  ziemlich  übereinstimmen, 
der  zufolge  Tarquinius  Priscus  im  Jahre  173  der  römischen  Zeitrechnung  (d.  h. 
ungefähr  um  das  Jahr  627  vor  Christi)  den  Oelbaum  aus  Griechenland  nach 
Italien  verpflanzen  Hess.  Auf  der  griechischen  Halbinsel*)  wuchs  von  jeher 
der  nur  seines  Holzes  wegen  geschätzte  wilde  Oelbaum  (Olea  europaea  var. 
Oleaster  L.),  der  als  die  Mutterpflanze  des  edlen  Olivenbaumes  angesehen  werden 
darf.  Auf  attischem  Boden  fand  die  Kenntniss  von  der  Olivenzucht  indessen  erst 
verhältnissmässig  spät  Eingang.  Wenn  auch  der  Sänger  der  homerischen  Epen 
das  Olivenöl  uns  als  ein  auf  dem  griechischen  Festlande  sowohl,  als  auch  auf  dem 
Archipel  weit  verbreitetes  Lebensbedürfniss  schildert,  so  dürfte  es  trotzdem  frag- 
lich sein,  ob  dasselbe  in  jenen  Gebieten  schon  Landesproduct  gewesen  ist  oder  ob 
es  nicht  vielmehr  einen  Importartikel  bildete.  Nach  den  Schilderungen  der  Alten 
war  das  Klima  Griechenlands  ursprünglich  für  den  Anbau  der  immergrünen  Olive 
viel   zu   rauh.    In  Hesiod's  Gedichten   findet   sich    auch   noch  keine  Andeutung 

1)  YerhandL  der  Berlin,  anthrop.  Gesellschaft  1888.    S.  404. 

2)  Coppi,  Monografia  etc. 

3)  Die   fachmännische  Untersuchung  der  Kerne  von  Mentone  findet  sich  unmittelbar 
vor  der  von  Hrn.  Busch  an  citirten  Stelle,  S.  403.  Red. 

4)  Goiran,  Alcune  notizie  etc.  p.  26. 

5)  Histor.  natur.  I,  15.  c.  1. 

6)  V.  Heldreich  a.  a.  0. 


(106) 

von  attischer  Olivenzucht.  Wenn  wir  Herodot  Glauben  schenken,  wurde  der 
griechische  Pestlandsboden  erst  zur  Zeit  Solons*)  mit  dem  Geschenk  der  zahmen 
Olive  bedacht.  Auf  dem  Archipel  dagegen  muss  die  Einführung  dieser  Frucht 
schon  beträchtlich  früher  stattgefunden  haben.  Denn  zur  Zeit  des  Philosophen 
Thaies,  der  ein  Zeitgenosse  der  solonischen  Verfassung  war,  gedieh  die  Oliven- 
cultur  auf  den  Inseln  Milet  und  Chios  schon  recht  ergiebig. 

Dagegen  bildete  das  Olivenöl  in  den  östlichen  und  südöstlichen  Mittelroeer- 
ländem,  speciell  in  Palästina  und  Aegypten,  schon  seit  undenklichen  Zeiten  ein 
nicht  unbedeutendes  Landesproduct.  In  den  ältesten  hebräischen  Schriften  ge- 
schieht des  Oelbaumes  unter  der  Bezeichnurtg  Sait  oder  Zeit*)  Erwähnung.  Die 
Uebereinstimraung  der  betreffenden  Benennungen  im  Neupersischen  (Seitun),  im 
Arabischen  (Zeitun,  Sjetun),  sowie  im  Türkischen  und  Tartarischen  (Seitun)*)  iässt 
die  Entstehung  des  semitischen  Wortes  in  weit  zurückliegenden  Zeiten  vermuthen. 
Den  Kindern  Israel  wird  die  Olive  als  die  Frucht  des  verheissenen  Landes  ge- 
priesen; unzählige  andere  Stellen  der  ältesten  Theile  des  alten  Testamentes  ge- 
denken des  Olivenöls  als  Speisezusatz,  Brennmaterial  für  Lampen,  Salböl  u.  a.  m. 
Speciell  über  den  Anbau  der  zahmen  Olive  im  Pharaonenlande  haben  uns  die 
Schriftsteller  der  Alten  mehrfach  ausführliche  Nachrichten  hinterlassen.  Ausserden: 
besitzen  wir  aber  handgreifliche  Beweise  dafür  in  einer  Anzahl  ägyptischer  Grab- 
funde. Strabo*)  berichtet  von  einer  ausgedehnten  Oelbaumzucht  im  arsinoitischen 
Nomos  (dem  heutigen  Fajüm)  und  in  den  Gärten  von  Alexandria;  Theophra.st^) 
von  dem  Vorkommen  des  Oelbaumes  in  den  Oasen  der  lybischen  Wüste  im  the- 
banischen  Nomos,  ungefähr  30 — 35  km  vom  Nil  landeinwärts;  Diodor  endlich  be- 
zeichnet den  Osiris  als  den  Entdecker  und  Züchter  der  Olive.  —  Wann  die  Cultur 
dieser  PQanze  in  den  Nilländem  ihren  Anfang  nahm,  darüber  besitzen  wir  keine 
Anhaltspunkte.  Victor  Loret®)  nimmt  die  Periode  der  XVIII.  Dynastie,  also  un- 
gefähr das  15.  Jahrhundert  v.Chr.  als  Zeitpunkt  der  Einführung  an.  Schwein- 
furth')  seinerseits  vermuthet,  dass  vor  der  griechischen  Epoche  die  Olive  im  alten 
Reiche  unbekannt  gewesen  sei.  Er  beruft  sich  hierbei  auf  das  Fehlen  von  dies- 
bezüglichen üeberresten  in  den  Funden  vor  der  XX.  Dynastie.  Dagegen  schlägt 
Maspero  das  Alter  des  Oelbaumes  in  Aegypten  viel  höher  an.  Der  Name  dafür 
findet  sich  nehmlich  schon  in  den  Texten  der  VIJJ.  Dynastie.  Dieses  Wort  Tat 
das  mit  der  semitischen  Bezeichnung  nicht  den  geringsten  Zusammenhang  hau 
bedeutete  in  der  ägyptischen  Sprache  sowohl  die  Pflanze,  als  das  aus  ihr  gewonnene 
Product. 

Wie  schon  hervorgehoben,  gehören  Olivenüberreste  zu  den  häufigen  Vor- 
kommnissen in  ägyptischen  Königsgräbern.  Der  älteste  Fund  geht  jedoch  nicht 
über  die  XX.  Dynastie  zurück.  Zumeist  sind  es  ganze  Aeste  oder  an  einander  ge- 
reihte Blätter,  die  das  Hauptmaterial  für  die  Todtenkränze  und  Sargguirlanden 
lieferten.  Denn  Olivenblätter  waren  ein  Symbol  der  Rechtfertigung  des  Abgeschie- 
denen  vor  dem  Richterstuhl  des  Osiris.     Schiaparelli  entdeckte  Olivenkeme  in 

1)  Schwendener,  Aus  der  Geschichte  u.  s.  w.  S.  iJO. 

2)  Rosenmüller,  Handbuch  der  biblischen  Altertimmskunde.    IV,  S.  258. 

3)  de  Candolle,  Ursprung  u.  s.  w.  S.  305. 

4)  XVIL  §  293. 

ö)  Hist  plant.  IV.  2   9. 

6)  V.  Lore t,  La  flore  pbaraoniqne  d'apres  les  documents  hieroglyphiques  et  les  sp^ 
cimens  dans  les  tombes.    Paris  1887. 

7)  G.  Schweinfurth,  Die  letzten  botanisohen  Entdeckungen  in  den  ^iräbem  Aegyp- 
tens,  in  Engl  er 's  botanischen  Jahrbüchern  IHbi      Ö.  7. 


(107) 

Sarkophagen,  die  während  der  XX.  und  XXVI.  Periode  beigesetzt  waren.  An 
ihnen  lassen  sich  zwei  Formen  unterscheiden,  von  denen  die  eine  an  beiden  Seiten 
spitzig  oder  ein  wenig  spindelförmig  zusammengezogen  verläuft,  die  andere  da- 
gegen länglich  und  an  den  Enden  abgerundet  erscheint. 

Die  ursprüngliche  Heimath  des  Oclbaumcs  scheint  sich,  de  CandoUe')  zu- 
folge, von  Syrien  bis  nach  Griechenland  erstreckt  zu  haben.  — 

Eine  andere,  in  der  prähistorischen  Zeit  ebenfalls  nur  auf  die  afrikanischen 
Küsten  des  Mittelmeers  verbreitet  gewesene  Obstfrucht  tritt  uns  in  der  Dattel- 
palme (Phoenix  dactylifera  L)  entgegen.  Auf  älteren  und  jüngeren  Monumenten 
finden  sich  vielfach  Darstellungen  dieses  für  das  wirthschaftliche  Leben  der  alten 
Aegypter  so  überaus  wichtigen  Baumes.  Acgypten  wird  in  dem  Turiner  Todten- 
buche  das  Land  des  Bakbaumes,  das  Palmenland,  genannt^).  Ueberaus  zahlreiche 
üeberbleibsel  dieser  Pflanze,  darunter  Kerne  und  ganze  Früchte,  haben  sich  aus 
den  Grabdenkmälern  erhalten.  Schweinfurth')  sammelte  sie  z.  B.  in  den  Sarko- 
phagen aus  der  XV III. — XXI.  Dynastie. 

In  Europa  war  die  Dattelpalme  noch  ziemlich  unbekannt,  als  sie  in  den  Nil- 
ländern bereits  zu  hoher  Cultur  gelangt  war.  Der  Sänger  der  Odyssee  gedenkt 
ihrer  auf  der  Insel  Delos  mit  Worten,  die,  wie  Seh  wendener*)  betont,  keinen 
Zweifel  lassen,  dass  es  sich  hierbei  um  eine  für  den  griechischen  Archipel  neue 
Erscheinung  aus  der  Pflanzenwelt  handelte.  Auf  dem  Festlande  scheint  der  Baum 
sich  noch  später  eingebürgert  zu  haben,  in  Attika  und  Korinth  vielleicht  ums 
Jahr  700  v.  Chr.  In  Italien  endlich  lässt  sich  die  Dattelpalme  nicht  vor  dem 
dritten  Jahrhundert  nachweisen.  Fundstücke  aus  Gräbern,  Niederlassungen  u.  s.  w. 
fehlen  uns  hier  vollständig. 

Anknüpfend  an  die  Dattelpalme  wollen  wir  noch  zweier  Palmengewächse  ge- 
denken, deren  Vorkommen  im  alten  Aegypten  ebenfalls  durch  Funde  belegt  ist. 
Dieselben  scheinen  jedoch  bei  weitem  nicht  die  Rolle,  wie  jene,  gespielt  zu  haben. 
Es  sind  dies  Hyphaene  theba'ica  Mart.  (der  Dum)  und  Medemia  Argura 
P.  W.  Württ.0 

Dagegen  lernen  wir  in  der  Feige  eine  der  Dattel  ziemlich  ebenbürtige  Frucht 
des  Pharaonenlandes  kennen.  Wie  die  Gräberfunde  beweisen,  bildete  besonders 
das  Fruchtfleisch  der  Sykomore  oder  Eselsfeige  (Ficus  sycomorus  L)  ein  sehr 
geschätztes  Nahrungsmittel.  Diese  Flüchte  zeigen  schon  ehemals  dieselben  Ein- 
schnitte, wie  sie  heutzutage  die  Bevölkerung  an  der  Sykomoren feige  zu  macheu 
pflegt,  um  die  Entwickelung  der  Blastophagen  zu  hindern*).  Nach  Unger')  bildete 
die  Sykomore   unter  den  einheimischen  Bäumen  der  Nilländer  den  ursprünglichen 


1)  de  Candolle,  ürspning  u.  s.  w.  S.  354. 

2)  E.  ünger,  Botanische  Streifzüge  auf  dem  Gebiete  der  Cultiirgeschichte.  IV.  Die 
Pflanzen  des  alten  Aegypten,  in  Sitzungsber.  d.  math  -naturw.  Akademie  d.  Wissenschaften. 
Bd.  38.    1859.    S.  104. 

3)  G.  Schwein furth.  Neue  Funde  aus  dem  Gebiete  der  Flora  des  alten  Aegypten, 
in  Engler^s  botanischen  Jahrbüchern  1884.  S.  189.  ^ 

4)  S.  S^^wendener,  Aus  der  Geschichte  der  Cidturpflanzen.  2  Vorträge.  Basel 
1872.    S  25. 

6)  Unger,  Streifzüge  a.  a.  0.  S.  106  und  107:  AI.  Braun,  üeber  die  Pflanzenreste  des 
ägyptischen  Museums  in  Berlin.  1871.  Sep.-Abdr.  S.  9;  Schweinfurth,  Neue  Funde  u.  s.  w. 
8. 198  (XIL  Dynastie). 

6}  Schweinfurth,  Die  letzten  botan.  Entdeckungen  a.  a.  0. 

7)  ünger,  Streifzüge  u.  s.  w.  a.  a.  0.  S  110. 


(108) 

Waldbestand.  Ihr  Holz  fand,  wie  Abbildungen  and  Funde  vielfach  lehren,  nicht 
nur  zum  Häuser-  und  Schiffsbau  Verwerthung,  sondern  auch  zur  Anfertigung  von 
allerlei  Kunst-  und  Industriegegenständen.  Fast  alle  Holzschnitzereien,  sowie  der 
grösste  Theil  der  Sarkophage  ist  aus  Sykomorenholz  gearbeitet.  —  Auch  in  der 
religiösen  Verehrung  spielte  die  Eselsfeige  eine  bedeutungsvolle  Rolle.  —  Was 
schliesslich  die  Heimath  der  Sykomoro  anbetrifft,  so  versetzt  Graf  Solms-Lau- 
bach*)  ihren  Ursprung  in  das  tropische  Afrika.  Als  Mutterpflanze  des  heutigen 
Culturgewächses  ist  diesem  Autor  zu  Folge  vielleicht  Sycomorus  trachyphylla  Miq. 
anzusehen. 

Die  gewöhnliche  B^eige  (Ficus  carica  L.)  fand  ebenfalls  schon  frühzeitig, 
wenn  auch  später  als  die  vorige  Art,  in  den  Nilländem  Eingang.  Wir  kennen 
selbst  zwar  nur  einige  wenige  Exemplare  dieser  Frucht  aus  den  ägyptischen 
Funden »)  (XII.  Dynastie  d.  h.  um  2200—2400  v.  Chr.),  dafür  finden  wir  aber  diesen 
Baum  auf  einem  alten  Wandgemälde  von  Beni-Hassan*)  (Feigenemte)  naturgetreu 
dargestellt.  Die  fünflappigen  Blätter  und  die  flaschenförmigen  Früchte  charakten- 
siren  ihn  auf  diesem  Bilde  ganz  genau.  Das  altägyptische  Wort  für  die  Feige 
hiess  Teb^).  Nach  den  Angaben  des  Grafen  Solms-Laubach  scheint  die  Feige 
zuerst  auf  der  arabischen  Halbinsel  in  Cultur  genommen  zu  sein.  Es  dürfte  wohl 
für  erwiesen  gelten,  ilass  die  veredelte  süsse  Frucht  sich  aus  der  wilden  Art  ent- 
wickelt hat.  Zur  Zeit  des  trojanischen  Krieges  scheint  die  cultivirte  Sorte  noch 
unbekannt  gewesen  zu  sein^).  Sykos  benannten  sie  die  Griechen  später;  En'neos 
hiess  bei  ihnen  dagegen  der  wilde  Feigenbaum.  Dieser  mag  ursprünglich  auf  dem 
griechischen  Archipel  und  Kleinasien  einheimisch  gewesen  sein*).  Homer  er- 
wähnt ein  Exemplar  dieses  Baumes,  das  in  der  Umgebung  von  Ilios  stand.  Die 
veredelte  Feige  hingegen  tritt  uns  erst  in  der  Odyssee  entgegen,  und  zwar  hier 
zum  ersten  Male  unter  der  Bezeichnung  S]^kos.  Indessen  sollen  die  betreffenden 
Stellen  nachträglich  eingefügt  worden  sein^).  Auch  Hesiod  spricht  noch  nicht 
von  der  Feige*);  zum  ersten  Male  erscheint  sie  literarisch  belegt  ums  Jahr  700 
vor  Christo  bei  Archilochos,  der  Feigenbäume  unter  den  Gewächsen  seiner  Hei- 
math Faros  anführt. 

Ob  wir  unter  dem  Feigenbaume,  an  dem  der  Sage  nach  eine  Wölfin  die  beiden 
Gründer  des  römischen  Weltreiches  säugte,  einen  wilden  oder  zahmen  Baum  zu 
verstehen  haben,  ist  schwer  zu  entscheiden.  Wahrscheinlich  handelte  es  sich  um 
die  erstere  Sorte,  die  vnr  dem  zufolge  auch  als  einheimisch  in  Mittelitalien  gelten 
lassen  müssen.  — 

Als  letzte  der  ägyptischen  Obstpflanzen  ist  der  Granatapfelbaum  (Punica 
granatum  L.)  zu  verzeichnen.  Seine  Einführung  in  diesen  Landen  blickt  auf  ein 
ziemlich  hohes  Alter  zurück.  Granatäpfel  bestimmte  man  unter  den  Funden 
aus  der  XII.  Dynastie  (um  2400  v.  Chr.)').  Zur  Zeit  der  XVII.  Dynastie  scheinen 
sie  sich  vollends  eingebürgert  zu  haben.  Unter  den  Opfergaben  der  Mumien  finden 
wir  Granatäpfel    mehrfach  vertreten.     Auch    besitzen    wir   zahlreiche  Abbildungen, 


1)  H.  Graf  zu  Solms-Laubach,  Die  Herkunft^  Domestication  und  Verbreitung  des 
gewöhnlichen  Feigenbaumes.  Abhandlungen  der  kgl.  Qesellsch.  d.  Wissen^ch.  in  Göttiogen. 
Bd.  28. 

2)  Schweinfurth,  Neue  Funde  aus  dem  Gebiete  der  Flora  des  alten  Aegypten,  in 
Engler's  botan.  Jahrbüchern.  1884.  S.  198. 

8)  Unger,  a.  a.  0. 

4)  de  Candolle,  Der  Ursprung  n.  s.  w.  S.  871. 

5)  S.  Schwendener,  Aus  der  Geschichte  der  (^nlturpflanxen.    Basel  1872.    8.  18. 
ti)  de  Candolle,  a.  a  O.  S.  372. 


(109) 

die  keinen  Zweifel  über  die  Bestimmung  lassen.  Die  in  den  Gräbern  gefundenen 
sind  durchweg  kleiner,  als  die  jetzigen  Sorten.  Braun*)  macht  auf  einen  weiteren 
Unterschied  aufmerksam,  der  darin  besteht,  dass  die  prähistorische  Frucht  nur 
4 — 6  Fächer  im  Gegensatz  zu  der  heutigen  (6—8)  besitzt. 

Granatbäume  gehörten  zu  den  Fruchtbäumen  des  den  Juden  verheissenen 
Landes.  Mehrere  Male  werden  sie  im  alten  Testamente  unter  dem  Namen  Kimmon ") 
erwähnt.  Persien,  Afghanistan  und  Beludschistan  scheinen  nach  de  CandoUe^) 
ihre  Heimath  zu  sein,  nicht  Africa,    wie  aus  mehrfachen  Gründen  hervorgeht. 

Homer  kannte  den  Granatapfel  schon;  denn  zweimal  gedenkt  er  seiner  in  der 
Odyssee  als  eines  Baumes  in  den  Gärten  der  Könige  von  Phäakia  und  Phrygien. 
—  In  Rom  scheint  sich  diese  Frucht  erst  später,  vielleicht  mit  der  Olive  zusammen, 
eingebüi^ert  zu  haben*).  — 

Halten  wir  unter  den  Obstpflanzen  Umschau,  die  unsere  heutige  Kost  und 
Nahrung  ausmachen,  so  constatiren  wir  die  interessante  Thatsache,  dass  die  An- 
zahl der  Arten,  abgesehen  von  einigen  wenigen  Früchten,  mit  denen  uns  die  neu 
entdeckten  Erdtheile  beschenkten,  ziemlich  die  nämliche  geblieben  ist,  wie  sie  es 
ehemals  war.  Dieselben  Früchte,  an  denen  sich  die  alten  Aegypter  oder  die  Pfahl- 
bauem  bereits  vor  3 — 4000  Jahren  delectirten,  geniesst  der  Afrikaner  und  Euro- 
päer noch  heutigen  Tages.  Der  Fortschritt  der  Oultur  besteht  allein  darin,  dass 
ans  den  meisten  dieser  ursprünglich  wild  wachsenden  Pflanzen  durch  stetige  Züch- 
tung und  Veredelung  mehr  und  mehr  Abarten  und  wohlschmeckendere  Formen  er- 
zielt worden  sind,  deren  Menge  fast  unzählbar  ist. 

Die  Uranfänge  dieser  Züchtung  liegen  weit  zurück.  Aegypter  sowohl,  als 
Griechen  und  Römer,  wie  überhaupt  alle  alten  Culturvölker,  waren,  bezw.  ge- 
langten sehr  bald,  soweit  wir  im  Stande  sind,  ihre  Prähistorie  zu  verfolgen,  bereits 
bei  ihrem  Eintreten  in  die  Vorgeschichte  in  den  Besitz  des  Geheimnisses  der 
Obstzüchterei ;  sie  hatten  es  nicht  mehr  nöthig,  sich  mit  mühevollen  Cultur- 
versuchen  an  wilden  Formen  abzuquälen,  da  dieser  grossartige  Gedanke  schon  vor 
ihnen  im  Gehirn  einer  älteren  Generation  aufgeblitzt  war,  von  denen  sie  schon  die 
fertige  Kunst,  bezw.  veredelte  Gewächse  übernahmen.  Auch  die  Pfahlbauem 
scheinen  den  Gedanken  einer  Veredelung  der  Früchte  nicht  aus  sich  selbst  heraus 
entwickelt  zu  haben,  sondern  erhielten  ihre  Directiven  indirect  über  die  südeuro- 
päischen Länder  von  jenem  uralten  Culturvolke  her.  Wer  dasselbe  war  und  wo 
wir  es  zu  suchen  haben,  ist  ein  dunkler  Punkt  in  der  Vorgeschichte  der  Mensch- 
heit. Vermuthen  können  wir  nur,  dass  sein  Sitz  in  den  östlichen  Gebieten  des 
Mittelmeeres  zu  suchen  ist.  Nachdem  die  alte  Theorie  von  einem  centralasiati- 
schen  Ursprünge  eines  indogermanischen  Gesammtvolkes  abgethan  ist,  stehen  wir 
jetzt  vorläufig  wieder  vor  einem  Ignorabimus. 

(9)   Hr.  Virchow   theilt  in  Bezug  auf  den  in  der  letzten  Sitzung  vorgelegten 

Algorrobe-Kuchen  von  Salta 

mit,  dass  ihm  inzwischen  ein  Brief  des  Hrn.  Fernando  Kramer  aus  Salta,  Argen- 
tinien, vom  20.  November  zugegangen  ist,  wonach  diese  Art  von  „Fruchtkuchen" 
von   den  Indianern   häufig  gegen  Syphilis    angewendet   wird.    Man  nehme  davon 


1)  AI.  Braun,  a.  a.  0.  S.  19. 

2)  Bosenmüller,  a.  a.  0.  I,  27B. 

3)  de  Candolle,  Ursprung  a.  a.  0.  S.  299  und  559. 

4)  Schwendener,  a.  a.  0.  8.  25. 


(110) 

jeden  Tag  3mal,  immer  vor  dem  Essen  16  .7,  in  30 — 40  g  Wasser  aufgelöst.  Die 
Pracht  selbst,  die  erst  im  Februar  reife,  habe  noch  bessere  Wirkungen.  Man 
giesse  auf  500  g  derselben  1  Liter  bis  auf  60°  R.  erwärmtes  Wasser,  lasse  dieses 
einen  Tag  lang  stehen  und  gebe  dann  dem  Kranken  3 — 4 mal  des  Tages  eine  Tasse 
voll  zu  trinken.  Die  Heilung  gehe  schnell  von  statten.  Gleichzeitig  sei  das  Mittel 
auch  ein  Prophylacticum. 

Hr.  Virchow  hat  den  Kuchen  Um.  0.  Liebreich  zur  Prüfung  übergeben. 

(10)  Hr.  Ai-thur  Baessler  hat  eine  zweite  Abtheilung  seiner  javanischen 
Photographien  ausgestellt. 

(11)  Zu  der  in  der  vorigen  Sitzung  (S.  71)  vorbehaltenen  Diskussion  nimmt 
Hr.  Mies  das  Wort.    Er  spricht  über 

die  Höhenzahl  des  Körpergewichts  der  sogenannten  Amazonen  and  Krieger 

des  Königs  von  Dahome. 

Durch  die  wohlwollende  Vermittelung  des  Herrn  Virchow  und  des  Herrn 
Görke  und  mit  der  gütigen  Erlanbniss  der  Herren  Castan  und  Pinkus,  wofür 
ich  diesen  Herren  verbindlichst  danke,  habe  ich  an  den  sogenannten  Amazonen 
und  Kriegern  des  Königs  von  Dahome  Messungen  und  Wiegungen  angestellt,  über 
deren  Ergebnisse  ich  hier  kurz  berichten  will. 

Um  die  bei  dieser  Truppe  bestimmten  Höhenzahlen  des  Körpergewichts 
verständlich  zu  machen,  muss  ich  einiges  aus  einer  vorläufigen  Mittheilung  von 
mir  anführen,  welche  unter  dem  Titel  „Ueber  die  Höhe  und  Höhenzahl  des  Ge- 
wichts und  des  Volumens  von  Menschen  und  Thieren**  in  Virchow's  Archiv  för 
pathologische  Anatomie  (1891,  Heft  1,  S.  188 — 193)  erschienen  ist.  Dort  habe  ich 
nehmlich  Gewicht  und  Volumen  von  Menschen  und  Thieren  auf  einen  und  den- 
selben Körper,  nehmlich  auf  destillirtes  Wasser  bei  4°  C.  in  einem  Gefässe  be- 
zogen, dessen  innerer  Querschnitt  überall  ein  Quadrat  von  10  ein  Seitenlänge  bildet 
Von  der  in  einem  solchen  Gefässe  befindlichen  Wassersäule  wiegt  jeder  Millimeter 
10.7,  weil  100  mm  derselben  (oder  ein  Kubik-Decimeter  Wasser)  \  kg  =  1000 .7 
schwer  sind.  Auf  dieser  Vergleichseinheit  beruht  die  Höhenzahl  des  Körper- 
gewichts eines  Menschen  oder  Thiercs,  d.  h.  diejenige  Zahl,  welche  angiebt,  wie 
viel  Mal  die  ganze  Körperlänge  kleiner  oder  grösser  ist,  als  eine  gleich  schwere 
Wassermasse  in  einem  Gefässe  von  der  vorhin  beschriebenen  Gestalt.  Um  diese 
Zahl  zu  erhalten,  dividirt  man  die  in  Millimetern  angegebene  ganze  Körperlänge 
durch  den  zehnten  Theil  der  Anzahl  von  Grammen,  welche  der  Körper  wiegt,  d.  h 
durch  das  mittelst  Dekagramm  bezeichnete  Körpergewicht. 

Wie  in  der  genannten  Mittheilung^  fand  ich  auch  bei  den  Amazonen  und  Krie- 
gern, dass  die  Höhenzahl  des  Gewichts  mit  steigendem  Körpergewichte 
abnimmt.  Denn  für  die  Amazonen  beträgt  dieselbe  bei  einem  mittleren  Körper- 
gewichte von  48  324  g    (5  Fälle)    0,343—0,300, 

54  300  „     (5      „    )    0,297—0,280, 

59  813  „     (7      „    )    0,272—0,257, 

6G  250  „     (2      „    )    0,248  und  0,236. 
Femer  finden  wir  bei  den  Kriegern,  welche  im  Mittel  wiegen 

51  470  g     (1  FaU),     0,303, 

63  023  ,     (3  Fälle),    0,266—0,255, 

70  780  „     i3      „    ),     0,244—0,224, 

78  300  ^      (1  Fall),     0,218, 


(111) 

als  Höhenzahlen  des  Körpergewichts,  üebrigens  wiegen  die  Amazonen,  unter  Aus- 
schluss der  9  jährigen*),  29  570//  schweren  Titi,  durchschnittlich  56  016//,  die 
Krieger,  ohne  den  16  jährigen,  41250.7  schweren  Royma,  im  Mittel  66397//. 
Die  Amazonen  hatten  nur  eine  Art  von  leichtem  Badekleid,  die  Krieger  eine  Bade- 
hose an,  als  sie  gewogen  wurden. 

Was  die  ganze  Körperlänge  betrifft,  welche  bei  den  19  erwachsenen  Amazonen 
im  Mittel  1573  mm^  bei  den  8  erwachsenen  Kriegern  durchschnittlich  1654  mm  be- 
trägt, so  nimmt  in  gleicher  Weise,  wie  ich  in  meiner  vorläufigen  Mittheilung 
gezeigt  habe,  auch  bei  dieser  afrikanischen  Truppe  mit  Zunahme  der  ganzen 
Körperlänge  die  Höhenzahl  des  Gewichtes  ab.  Denn  diese  Zahl  beträgt 
bei  Amazonen,  welche  gross  sind 

unter  150  cm     (1   Fall    mit  1489  mm)    0,343, 

150—154    „      (4  Fälle    „        1511—1524     „)    0,297, 

155—159    „      (9      „       „        1548—15^3     „)    0,281, 

160—164    „      (2      „       „     1632,5—1644     „  )    0,276, 

165  m  und  darüber  (3      „       „     1646,5-1680     „)    0,257. 

Ebenso  beläuft  sie  sich  bei  den  Kriegern,  welche  eine  Körperlänge  haben  von 
unter  160  cm    (2  Fälle  mit  1557  und  1592  mm)  auf  0,284, 
165—169    „     (3      „       „  1653—1666     „)     „    0,250, 

170    „      (3      „       „  1698—1704     „  )     „     0,233. 

Auch  die  Verkleinerung  der  Höhenzahl  des  Gewichts  mitzunehmen- 
dem Alter  lässt  sich  bei  den  Amazonen  und  Kriegern  erkennen.  Denn  die 
9  jährige  Titi  hat  eine  Höhenzahl  des  Gewichts  von  0,424,  während  die  grösste 
Höhenzahl  des  Gewichts  der  übrigen  Amazonen  nur  0,343  ist.  Und  bei  dem 
16  jährigen  Boyraa  übertrifft  die  Höhenzahl  des  Gewichts,  0,370,  noch  bedeutend 
die  grösste  Höhenzuhl,  0,303,  seiner  Genossen. 

um  den  Einfluss  der  Rasse  auf  die  Höhenzahl  des  Gewichts  zu  zeigen, 
habe  ich  aus  Gocke's  Dissertation  „über  die  Gewichtsverhältnisse  normaler 
menschlicher  Organe"  (München  1883)  die  mittleren  Höhenzahlen  des  Gewichts  von 
7  verunglückten  Männern  und  einem  verunglückten  Mädchen,  sowie  von  4  an 
akuten  Krankheiten  gestorbenen  Männern  und  12  ebenso  zu  Grunde  gegangenen 
Weibern  berechnet,  welche  dasselbe  Alter  und  dieselbe  Körperlänge  hatten,  wie 
die  Krieger  und  Amazonen.  Hierbei  stellte  es  sich  heraus,  dass  die  mittlere  Höhen- 
zahl des  Gewichts  dieser  an  akuten  Krankheiten  gestorbenen  Männer  0,311  und 
dieser  verunglückten  Männer  0,279  betrug,  während  unsere  Krieger  eine  mittlere 
Höhenzahl  des  Gewichts  von  nur  0,249  haben.  Auch  die  mittlere  Höhenzahl,  0,2.Sl, 
des  Gewichts  der  Amazonen  ist  bedeutend  geringer,  als  diejenige  der  an  akuten 
Krankheiten  gestorbenen  Weiber  =  0,323;  sie  liegt  ebenfalls  unter  der  Höhenzahl, 
0,299,  jenes  verunglückten  Mädchens.  Das  Körpergewicht  ist  also  bei  diesen 
Negern  weniger  auf  die  Körperlänge  und  mehr  auf  die  Breiten-  und  Tiefendurch- 
messer des  Körpers  vertheilt,  als  bei  den  oben  herangezogenen  Personen,  welche 
im  pathologischen  Institut  zu  München  secirt  wurden. 

Was  zum  Schlüsse  den  Einfluss  des  Geschlechtes  auf  die  Höhenzahl  des 
Gewichts  betrifft,  so  scheint  er  auch  bei  dieser  Negertruppe  ein  sehr  geringer  zu 
sein.  Die  Amazonen  haben  zwar  eine  mittlere  Höhenzahl  des  Gewichts  von  0,281, 
die  Krieger  eine  solche  von  0,249,  was  einen  Unterschied  von  0,032  ergiebt.  Aber 
die  mittlere  Körperlänge  der  Amazonen  beträgt  nur  1 573  wm,  die  der  Krieger  da- 


1)  Alter  und  Namen  nach  Angaben  des  Hm.  Pinkus,  des  Impresario  dieser  Gesell- 
schaft. 


(112) 


gegen  1B54  mm,  und  mit  zunehmender  Rörperlänge  verkleinert  sich,  wie  wir  sahen, 
die  Höhenzabl  des  Gewichts.  Ganz  andere  Ergebnisse  erhalten  wir,  wenn  wir 
Krieger  und  Amazonen  von  ähnlicher  Rörperlänge  zusammenstellen.  Denn  bei 
einer  Rörperlänge  von  1G5 — 169  cm  beträgt  die  mittlere  Höhenzahl  des  Gewichts 
von  3  Rriegem  0,250,  von  3  Amazonen  0,257;  sie  ist  also  bei  den  ersteren  nur  um 
0,007  kleiner,  als  bei  den  letzteren,  und  bei  einer  Rörperlänge  von  155^159  cm 
finden  wir  diesen  Unterschied  bloss  0,003  gross  und  (vielleicht  wegen  der  un- 
gleichen Zahl  der  verglichenen  Fälle)  sogar  zu  Gunsten  der  Amazonen,  indem  die 
mittlere  Höhenzahl  des  Rörpergewichts  dieser  9  Amazonen  0,281  und  die  der 
beiden  gleich  grossen  Rrieger  0,284  beträgt. 


1. 

2. 

3. 

4. 

5. 

6. 

7. 

8. 

9. 
10. 
U. 
12. 
13. 
14. 
16. 
16. 
17. 
18. 
19. 
20. 


Guthu. 
Gumma 
Fengere 
Mamuna 

MUBSQ. 

Jenne  . 
Messjr . 
Bathu. 
Bondobo 
Gassa  . 
Kemma 
Foma  . 
Jemma 
Sombo 
Maima 
Gathj  . 
Fatu    . 
Haua  . 
Samba 
Titi.    . 


1.  Alfa     . 

2.  Schobj 

3.  Gebbas 

4.  Qnaku. 

5.  Bakbo. 

6.  Jambo 

7.  Waki  . 

8.  Tio.    . 

9.  Boyma 


Namen 


Alter     !  Rörperlänge 


m 
Jahren 


m 
Millimetern 


Körner- 
gewicnt  in 
Grammen 


Höheosahl 
des  Körper- 
gewichts 


I. 


U 


Amazonen. 

• 

28   1 

1560 

66000 

0,236 

21 

1646,5 

66500 

0,248 

24 

1680 

66270 

0,257 

21 

1644 

62850 

0,262 

23 

1652 

61800 

0,267 

22 

1554 

57  650 

0,270 

25 

1559 

57  500 

0,271 

18 

1583 

58120 

0,272 

18 

1511 

55500 

0,272 

19 

1514 

54200 

0,280 

25 

1548 

55300 

0,280 

20 

1682,5 

56150 

0,291 

22 

1574 

53650 

0,298 

19 

1550 

52200 

0,297 

25 

1565 

52200 

0,300 

26 

1593 

50  800 

0314 

23 

1524 

48  220 

0,316 

26 

1513 

46950 

0,822 

22 

1489 

43450 

0,343 

9 

1255 

29570 

0,424 

.  Rriegi 

er. 

25 

1704 

78300 

0,218 

20 

1701 

75120 

'   0,226 

2*» 

1666 

68920 

0,242 

22 

1664 

68300 

0,244 

20 

1698 

66  700 

0,355 

21 

1653 

62500 

0,264 

19 

1592 

59870 

0,866 

19 

1557 

51470 

0,808 

16 

1527 

41250 

,   0,870 

(113) 

Hr.  Virchow  zeigt  Photographien  von  Negern,  Männern  und  "Weibern,  welche 
im  Jahre  1887  als  „Einwohner  des  Negerreiches  Aschanti  und  der  Negerrepublik 
Liberia*  von  dem  Impresario  Mr.  Hood  in  Berlin  vorgeführt  wurden.  Sowohl  in 
dem  Aussehen,  als  in  der  Haartracht,  dem  Schmuck  u.  s.  w.  bieten  dieselben  so 
viel  Aehnlichkeit  mit  jetzt  gezeigten  Personen,  dass  die  Frage  erlaubt  scheine, 
ob  nicht  manche  Personen  in  beiden  Truppen  identisch  seien;  jedenfalls  dürfe  man 
annehmen,  dass  die  jetzigen  nahe  Verwandte  von  der  Gold-  oder  Sklavenküste 
seien.  Das  schliesse  jedoch  nicht  aus,  dass  auch  anderes  Gemisch  „von  der 
Negerrepublik  Liberia"  darunter  sei.  Der  sehr  erfahrene  Afrika-Reisende  Herr 
Baumann  habe  ihm  mitgetheilt,  dass  er  sich  mit  verschiedenen  der  Leute  in  der 
Wei-Sprache  unterhalten  konnte. 

Er  verliest  sodann  aus  einem  aus  Magdeburg,  17.  October  1890,  an  die  Ge- 
sellschail;  gerichteten  Briefe  des  Hm.  Emil  Blumenthal  folgende  Stelle:  „Der 
Zufall  wollte  es,  dass  ich  im  Sommer  d.  J.  bei  der  Landung  der  Truppe,  —  sie 
kam  mit  dem  englischen  Dampfer  Winnebah,  —  am  Sonntag  Nachmittag  in  Ham- 
burg war,  und  da  ich  mit  den  dortigen  Schiffen,  welche  aus  Afrika  kommen,  viel 
zu  thun  habe,  wurden  mir  vom  Of&cier  die  Mädchen  gleich  gezeigt.  Ich  kann  die 
Versicherung  geben,  dass  die  Mädchen  alle  aus  Serlion  (Westküste)  stammen, 
ein  schönes  reines  Englisch  sprechen,  und  jedenfalls  keine  Ahnung  haben,  dass 
sie  mit  einem  Mal  zu  Amazonen  eines  Sultans  ernannt  worden  sind.  In  ihrem 
Leben  haben  sie  keine  Ahnung  von  einem  Gewehr  oder  Säbel  gehabt,  sondern 
sind  meines  Wissens  von  ihrem  Impresario  in  Hamburg  ungefähr  wie  unsere 
Rekruten  gedrillt  worden.  Was  den  Schmuck  anbelangt,  bezw.  die  Muscheln,  so 
giebt  es  in  Hamburg  zwei  Geschäfte,  wo  man  derartige  Sachen  gut  haben  kann. 
In  ihrer  Heimath  leben  die  Leute  vom  Schiffeentladen  oder  Kohlentragen." 

üebrigens  hatte  schon  in  einem  Briefe  vom  12.  October  v.  J.  Hr.  E.  Fried el 
Folgendes  mitgetheilt:  „Unser  Mitglied,  der  Tourist  Louis  Fischer,  giebt  mir  den 
sicheren  Schlüssel  für  die  sogen.  Dahomeyer.  Er  hält  sie  für  Togo-Leute,  bat 
mich  aber,  heut  zu  seinem  Freunde,  Hm.  Raufmann  Schmidt,  zu  kommen,  der 
seit   13  Jahren   in  Lagos   wohne   und  mir  die  Sache  vollständig  aufklären  werde. 

„Hr.  Schmidt  hat  längere  Zeit  einen  dahomeyschen  Boy  gehabt,  der  die  hier 
anwesenden  sogen.  Amazonen  zum  Theil  bei  Namen  kennt.  Damach  sind  die 
Frauenzimmer  in  der  Hauptsache  von  3  Punkten:  a)  von  Little  Pop6,  deutsche 
Ünterthaninnen,  leicht  an  einer  eigenartigen  Tättowirang  kenntlich,  die  sie  unter 
den  Augen  haben;  b)  von  Whydah,  c)  von  Porto  Novo,  beide  an  der  Dahomey- 
Küste.  Von  letzteren  kann  man  also  allerdings  sagen,  dass  sie  Unterthanen  des 
Königs  von  Dahomey  seien.  Keineswegs  sind  sie  aber  aus  dem  Innern  von  Dahomey; 
sie  kennen  die  eigentliche  Dahomey-Sprache  nicht  und  haben  mit  den  Amazonen 
des  Sultans  von  Dahomey  absolut  nichts  zu  thun. 

„Hr.  Beck  in  Hamburg,  von  der  renommirten  Firma  Beck  &  Co.  daselbst, 
der  längere  Zeit  beim  König  von  Dahomey  in  Abomey  gewesen  ist,  bestätigt  das, 
was  Hr.  Schmidt  sagt,  und  hat  bei  der  Vorstellung,  dass  der  König  von  Dahomey 
von  seinen  Kriegerinnen  irgend  welche  beurlauben  werde,  herzlich  gelacht."  — 

Hr.  Louis  Fischer  erklärt,  dass  auch  ein  aus  Lagos  stammender  Diener  des 
Hm.  Hönigsb erger  mehrere  der  sogenannten  Amazonen  persönlich  kenne  und  sie 
als  Angehörige  der  Küste  bezeichnet  habe.  — 

Hr.  G.  Fritsch  hebt  hervor,  dass  die  Dressur  der  Amazonen  im  Bäjonet- 
fechten  u.  dgl.  ganz  nach  europäischem  Muster  durchgeführt  sei.  — 

YerhandL  der  Berl.  AnthropoL  GMeUichaft  1891.  g 


(114) 

Hr.  Vir c ho w  erkennt  dies  an  und  glaubt,  dass  Beweise  genug  beigebracht 
seien,  um  die  Herkunft  der  Personen  aas  der  an  sieh  sehr  gemischten  Rüsten- 
bevölkerung  darzuthun.  Indess  findet  er  eine  Milderung  darin,  dass  es  sich  nicht 
um  eine  eigentlich  anthropologische  Vorstellung,  sondern  um  ein  Schauspiel  für 
die  Masse  gehandelt  habe;  dafür  genüge  es,  dass  die  Dressur  der  Frauenzimmer 
im  Gebrauch  der  WafTen,  wie  allgemein  zugestanden  werde,  eine  vorzügliche  sei 
und  dass  die  Personen  selbst  gute  westafrikanische  Typen  darstellten,  nicht,  wie 
man  eine  Zeit  lang  vermuthet  habe,  nur  eine  Sammlung  von  Antillen-Negern. 

(12)  Hr.  Virchow  zeigt  bei  dieser  Gelegenheit  in  einer  älteren  grossen  Pho- 
tographie die 

sechsflngrige  Hand  eines  Antillen-Negers. 

In  der  Sitzung  vom  16.  November  1889  (Verh.  S.  650)  wurde  im  Namen  de» 
Hm.  W.  Joest  die  Photographie  der  rechten  Hand  eines,  gegenwärtig  in  Süd- 
deutschland angestellten  Negers  vorgelegt,  welche  durch  eine  recht  merkwürdige 
Verdoppelung  des  Kleinfingers  ausgezeichnet  ist.  Ich  erinnerte  mich,  diesen  Mann 
früher  selbst  gesehen  und  untersucht  zu  haben,  konnte  aber  die  Notiz  lange  nicht 
auffinden.  Erst  jetzt,  als  ich  nach  den  Photographien  der  „Ashanti"  suchte,  kam 
die  Photographie  der  Negerhand  mir  wieder  vor  Augen  und  damit  auch  die  be- 
treffende Notiz. 

Es  handelte  sich  damals  um  eine  beträchtliche  Anzahl  von  Schwarzen,  welche 
im  December  1886  im  Eden-Theater  vorgeführt  wurden.  Der  Angabe  nach  stammten 
sie  von  der  dänischen  Insel  St.  Croix.  Unter  ihnen  befanden  sich  ein  Paar 
„Zwillinge",  Daniel  und  David,  von  denen  der  erstere  eine  Körperhöhe  von  1710  bei 
einer  Klafterweite  von  1860  mm,  der  zweite»  eine  Höhe  von  nur  1559  bei  einer 
Klafterweite  von  1655  min  hatte.  Die  Hautfarbe  bei  Daniel  entsprach  ungefähr 
3  h  Radde,  die  von  Daniel  3  f,  im  Gesicht  4  h.  Der  Schädelindex  von  Daniel  be- 
trug 80,3,  der  von  David  76,4;  ersterer  war  also  brachy-,  letzterer  roesocephal. 
David,  der  kleinere,  hatte  an  der  rechten  Hand  6  Pinger,  so  zwar,  dass  dem  An- 
schein nach  die  erste  Phalanx  des  Kleinfingers  getheilt  und  an  jedes  Theilglied 
eine  zweite  und  dritte  Phalanx  angesetzt  waren,  —  also  eine  ziemlich  ungewöhn- 
liche Combination,  die  auch  in  der  Abbildung  von  1889  erträglich  wiedei^egeben 
ist.  Die  Hand  war  dem  entsprechend  breit:  sie  maass  unter  den  Ansätzen  der  4 
(oder  eigentlich  5)  Pinger  95,  unter  dem  Ansätze  des  Daumens  114  wim,  bei  einer 
Länge  von  der  Falte  am  Handgelenk  bis  zur  Spitze  des  Mittelfingers  von  175  mm. 

(13)   Hr.  Ed.  Sei  er  spricht  über 

altniexikanischen  Federsclunnck  und  militärische  Rangabzeichen. 

In  dem  XXI.  Bande  dieser  Zeitschrift,  S.  63—85  habe  ich  eine  Abhandlung 
veröffentlicht,  in  welcher  ich  die  Hauptformen  der  Federschmucke,  die  von  den 
mexikanischen  Kriegern  als  auszeichnender  Schmuck,  gewissermaassen  als  Ab- 
zeichen eines  bestimmten  militärischen  Banges,  getragen  wurden,  besprach  und  die 
ihnen  zukommenden  Namen  festzustellen  sachte.  Meine  Hauptquellen  waren  dabei 
einerseits  die  in  der  Tributliste  des  Codex  Mendoza  abgebildeten  Büstungen  ge- 
wesen, andererseits  ein  Kapitel  des  Geschichtswerkes  des  P.  Sahagun,  in  welchem 
„die  Schmucke,  welche  die  Fürston  im  Kriege  trugen**,  aufgezählt  werden.  Ich 
kannte  damalig  nur  den  spanischen  Text  dos  Sahagun.  Seither  aber  habe  ich 
Veranlassung  genommen,    den   in   aztekischer  Sprache  geschriebenen  Originaltext 


(115) 

unseres  Werkes,  der  in  zwei  Bibliotheken  in  Madrid  aufbewahrt  wird,  zu  studiren. 
Dabei  stellte  sich  heraus,  dass  nicht  nur  der  aztekische  Text  viel  reicher  und  voll- 
ständiger ist,  als  die  spanische  üebersetzung,  sondern  auch,  dass  der  P.  Sahagun 
dasjenige,  was  ihm  die  Indianer  in  ihrer  Sprache  mittheilten,  zum  Theil  gründ- 
lich missverstanden,  oder  auch  vielleicht  —  was  bei  einem  Manne  seines  Alters 
nicht  Wunder  nehmen  kann,  —  in  Momenten  grösserer  Abspannung  nicht  richtig 
oder  unvollständig  übersetzt  hat.  Da  nun  aber  die  Unrichtigkeiten  der  spanischen 
Sahagun-Üebersetzung  auch  meine  in  der  oben  erwähnten  Abhandlung  gegebene 
Darstellung  stark  beeinllusst  und  mich  zu  positiv  unrichtigen  Angaben  verleitet 
haben*),  so  will  ich  in  dem  Folgenden  die  Sache  richtig  zu  stellen  und  dasjenige, 
was  mir  das  reiche  Material  des  aztekischen  Originaltextes  über  diesen  Gegen- 
stand ergiebt,  kurz  zusammenzufassen  suchen. 

Der  mexikanische  Krieger  zog  in  die  Schlacht,  bekleidet  mit  seinem  wattirten 
Rock  (ichca-uipilli),  der  als  Panzer  diente,  und  bewaffnet  mit  dem  aus  Bambu 
geflochtenen  Schild  (chimalli),  mit  dem  an  zwei  Seiten  mit  scharfen  Obsidian- 
splittem  besetzten  Eichenknittel  (maquauitl)  und  wohl  noch  einer  Hand  voll 
Speere  (tlatzontectli),  mit  deren  Abschleuderung  —  ganz  wie  bei  der  altrömi- 
sehen  Kriegführung,  —  der  Kampf  eröffnet  wurde.  Die  Rüstungen  und  Abzeichen, 
die  ich  in  dem  Folgenden  zu  besprechen  gedenke,  zu  tragen,  war  nur  den  aus- 
gezeichneten Kriegern  gestattet.  Sie  bestanden  in  verschiedenfarbigen  Wämsern 
(euatl),  die  über  dem  Wattenpanzer  getragen  wurden,  in  Kopfbedeckungen  und 
in  sehr  verschieden  gestalteten  und  eigenartigen  Abzeichen,  die  an  einem  beson- 
deren leiterartigen  Gestell,  einer  Art  Kraxe  (cacaxtli)  befestigt,  auf  dem  Rücken 
getragen  wurden.  Diese  Wämser  sowohl,  wie  die  auf  dem  Kopf  und  dem  Rücken 
getragenen  Abzeichen  waren  Federarbeit-  In  das  Wams  wurden  die  Federn  wohl 
eingewebt,  in  der  Weise,  wie  es  uns  die  Gewebereste  der  peruanischen  Gräber 
zeigen.  Für  die  Banner  und  sonstigen  Abzeichen  wurde  ein  Gestell  aus  Bambu 
geflochten  und  die  Federn  darauf,  ebenfalls  an  Bambustäben  mit  Zwirn  befestigt, 
eingefügt.  Die  Fläche  der  Schilde  und  so  auch  wohl  grössere  Flächen  auf  den  ver- 
schiedenen Abzeichen  waren  Federmosaik  (iuitlacuilolli).  Auf  einem  papierartigen 
Stoff  wurden  die  zerschnittenen  Federn  aufgeklebt,  und  in  dieser  Weise  verschieden- 
farbige Muster  hergestellt,  richtige  Gemälde,  deren  einzelne  Theile,  ganz  wie  es 
die  Technik  der  eigentlichen  Malerei  mit  sich  brachte,  durch  schwarze  Contoureu 
gegen  einander  abgesetzt  waren').  Bei  den  Unterhäuptlingen  und  den  Kriegern 
niederen  Ranges  (quauhtli  „Adler",  quauhtli-ocelotl  „Adler  und  Tiger"   oder 

1)  Als  Beleg  dafür  sei  mir  gestattet,  folgenden  eiuen  Fall  zu  erwähnen.  Auf  der 
ersten  Seite  meiner  oben  erwähnten  Abhandlung  sagte  ich,  dass  nach  Sahagun  das 
tlauhquecholtzontli  von  den  Königen  beim  Tanzen  auf  dem  Rücken  getragen  wurde. 
Die  betreffenden  Worte  Sahagun's  lauten  auch  in  der  That:  —  „y  traian  un  plumage 
rico  acuestas,  que  se  Uamaba  tlauhquecholtzontli  muj  curioso."  Im  aztekischen  Text 
heisdt  es  dagegen  an  der  betreffenden  Stelle:  —  „das  quetzalpatzactli,  das  mit  Gold 
veraerte,  trägt  er  auf  dem  Rücken.  Das  tlauhquecholzontli,  das  kostbare,  mit  dem 
wallenden  Quetzalfederbusch.  Sein  Genosse  ist  die  vergoldete  Trommel,  die  Devise,  die 
er  beim  Tanz  auf  dem  Rücken  trägt.^  Hier  hat  also  Sahagun  das  ynquimama.  ^wel- 
ches er  auf  dem  Rücken  trägt",  das  zu  dem  vorhergehenden  quetzalpatzactli  gehört, 
fälschlich  auf  das  folgende  tlauhquecholtzontli  bezogen. 

1)  Die  Art  und  Weise  dieser  Technik  ist  in  einigen  Kapiteln  des  aztekischen  Original- 
textes des  P.  Sahagun  genau  beschrieben,  die  aber  in  der  spanischen  üebersetzung  fehlen. 
Ich  gedenke  dieselben  in  den  Comptes  rendus  der  Vni.  Sitzung  des  Congres  international 
des  Am^ricanistes  zu  publiciren. 

8* 


(116) 

tiacauh,  „der  den  Anderen  vorangeht"  genannt),  waren  diese  Ausrüstungsstücke 
aus  den  gemeineren  einheimischen  Federn  hergestellt.  Bei  den  Häuptlingen  hohen 
Ranges  dagegen,  tlätoani,  „der  das  Wort  führt",  oder  pilli  „Kind",  „Prinz"  (Tgl. 
spanisch  „hijo  d'algo")  genannt,  wurden  dieselben  aus  den  kostbaren  und  prächtig 
gefärbten  Federn,  die  man  aus  der  Tierra  caliente  importirte,  gefertigt  Letztere 
repräsentirten  einen  hohen  Werth.  Aber  auch  die  Abzeichen  der  niederen  Häuptlinge 
waren  von  solchem  Werth,  dass  man  billig  fragen  muss,  zu  welchem  Zwecke  solche 
Kostbarkeiten  in  den  Krieg,  in  die  männermordende  Schlacht,  genommen  wurden. 

Zum  Theü  mag  ja  das  seinen  Grund  in  einer  gewissen  Prachtliebe  haben, 
die  der  kriegerischen  Männlichkeit  zu  allen  Zeiten  und  unter  allen  Völkern  an- 
gehaftet hat,  imd  deren  Wurzeln  man  versucht  ist,  bis  in  das  Thierreich  hinab- 
zuführen. Der  Hauptgrund  ist  aber  jedenfalls  ein  anderer.  Der  Krieger  bemalt 
sich  imd  putzt  sich  phantastisch  auf,  um  auf  diese  Weise  dem  Feinde  in  irgend 
einer  Schreckgestalt  zu  erscheinen.  Ja  ich  glaube,  wir  können  sogar  einen  Schritt 
weiter  gehen  und  sagen:  der  Krieger  steckt  sich  in  die  Livree  irgend  einer  Schreck- 
gestalt, um  auf  diese  Weise  die  Krafk  derselben  in  sich  übergehen  zu  machen. 
Der  seelische  Vorgang,  den  wir  dabei  anzunehmen  haben,  ist  der  gleiche,  wie 
wenn  bei  Zaubereien  das  Wort  die  Sache,  eine  an  dem  Bilde  oder  symbolisch 
vorgenommene  Handlung,  an  dem  Gegenstande  selbst  und  in  Wirklichkeit  herbei- 
zuftLhren  bestimmt  ist.  Dass  nun  eine  solche  Anschauung  auch  für  die  Ver- 
kleidungen maassgebend  war,  in  die  sich  der  mexikanische  Krieger  steckte, 
geht  aus  verschiedenen  Angaben  mit  Sicherheit  hervor.  Als  der  ältere  Mote- 
cuh^oma  seinen  Kriegszug  gegen  die  Mixteca  ins  Werk  zu  setzen  sich  an- 
schickte, be6ehlt  er  alles  für  den  Krieg  Nöthige  in  Bereitschaft  zu  halten:  die  mit 
scharfen  Obsidiansplittem  besetzten  Eichenknittel,  die  Muschelhömer,  mit  denen 
das  Signal  zur  Schlacht  gegeben  wurde,  die  Tiger-,  Löwen-,  Adler-  und  Schlangen- 
häute, „um  den  Feinden  Schrecken  einzujagen"  (para  poner  terror  y  espanto  a 
les  enemigos)*)-  Und  den  Kriegern,  denen  vor  der  Schlacht  ihre  Führer  Mulh 
einsprechen,  wird  gesagt,  dass  die  Feinde  keine  wirklichen  Dämonen,  Spukerschei- 
nungen, Tiger,  Löwen,  Adler,  tzitzimitl  (Todesdämonen),  dass  sie  von  Fleisch 
und  Blut  und  mit  Waffen,  ähnlich  den  ihren,  ausgerüstet  seien').  Wir  werden 
in  der  That  in  dem  Folgenden  sehen,  dass  eine  gleiche  oder  ähnliche  Vorstellung 
all  den  verschiedenen  Kriegertrachten  und  -Abzeichen  zu  Grunde  liegt.  Daher 
auch  die  von  den  Schriftstellern  der  Conquista  übereinstimmend  berichtete  That- 
sache,  dass  der  Fall  des  Führers  die  Flucht  des  ganzen  Heeres  zur  Folge  hatte. 
Der  Führer  in  seinem  Federschmuck  repräsentirte  eine  bestimmte  mythische  oder 
göttliche,  siegverheissende  Gestalt.  Fiel  er,  so  hiess  das,  die  nationale  Gottheit 
ist  unterlegen,  auf  Sieg  nicht  mehr  zu  bauen. 

Die  gewöhnlichsten  Verkleidungen  waren  die  als  Tiger,  Löwe,  Adler,  die  auch 
in  der  angeführten  Stelle  des  Tezozomoc  genannt  werden. 

Der  Tiger  (ocelotl)  wird  unter  den  Rüstungen  der  Tributliste  häuüg  ange- 
troffen. Der  runde  Katzenkopf  und  das  geQeckte  Fell  sind  sehr  kennzeichnend 
(Fig.  1).  Als  Farben  kommen  in  der  Tributliste  gelb  (braun),  weiss,  blau  und  roth 
vor,  wohl  den  Farben  der  vier  Himmelsrichtungen  (Osten,  Norden,  Westen,  Süden) 
entsprechend.  Der  Kopf  des  Tigers  wurde,  und  so  auch  die  der  folgenden  Thierc, 
als  Helmmaske  getragen,  d.  h.  das  Gesicht  des  Kriegers  blickte  aus  dem  geöffneten 
Rachen   des  Tigers   heraus.    Vgl.  Fig.  3.     In    dem  Trachtenkapitel    des  Sahagno 


1)  Tezozomoc,  Oronica  Mexicana,  cap.  33. 
*2    Tezozomoc,  ebend.,  cap.  2H. 


(117) 

kommt  der  Tiger  merkwürdigerweise  uicht  vor,  wenigstens  nicht  als  gewöhnliche 
Rriegertracht.  Der  ocelo-totec  oder,  wie  richtiger  zu  sein  scheint,  ocelo-tontec, 
der  genannt  wird,  hat  eine  besondere  Bedeutung. 

Mit  dem  Namen  „Löwe"  scheint  in  der  spanischen  Uebersetzung  nicht  der 
Puma  (miztli),  sondern  der  Coyote  (coyotl)  bezeichnet  werden  zu  sollen.  Die 
angefleckten  Thierverkleidungen  der  Tributliste  zeigen  deutlich  einen  länglichen 
Kopf  (Fig.  2),  der  von  dem  runden  Tigerkopf  sich  merklich  unterscheidet.  Und 
in  dem  Trachtenkapitel  des  aztekischen  Sahagun  sind  diese  ungefleckten  Thier- 
verkleidungen direct  als  coyotl  bezeichnet.  In  der  Tributliste  ist  die  gewöhn- 
lichste Farbe  gelb.  Daneben  kommt  einmal  Both  vor.  In  dem  Trachtenkapitel 
des  aztekischen  Sahagun  wird  ausser  dem  toz-coyotl,  dem  gelben  Coyote 
(Pig.  3),  noch  ein  weisser  iztac-coyotl,  ein  blauer  xiuh-coyotl,  ein  roth violetter 
chamol-coyotl  unter  den  Trachtabzeichen  der  Häuptlinge,  und  ein  feuerfarbener 
tle-coyotl,  ein  weissgefleckter  citlal-coyotl,  ein  schwarzer  tliltic-coyotl,  ein 
rother  tlapal -coyotl  unter  den  Trachtabzeichen  der  niederen  Häuptlinge  genannt 
und  abgebildet.  Auch  hier  scheinen  die  verschiedenen  Farben  jedesmal  den  vier 
genannten  Himmelsrichtungen  zu  entsprechen. 

Der  Adler  (quauhtli)  fehlt  merkwürdigerweise,  sowohl  in  der  Tributliste, 
wie  in  dem  Trachtenkapitel  des  Ssjiagun.  Sollen  wir  aber  den  Abbildungen  im 
Atlas  zu  Durän  glauben,  so  wäre  dies  eine  der  häufigsten  Kriegerverkleidungen 
gewesen.  Auch  in  der  Cronica  des  Tezozomoc  wird  der  Adler  immer  neben 
dem  Tiger  und  dem  Löwen  genannt.  Quauhtli  „Adler"  oder  quauhtli-ocelotl, 
„Adler  und  Tiger",  sind  bekannte  Bezeichnungen  für  den  tapferen  Krieger,  und 
bei  dem  blutigen  Kampfspiel  amTlacaxipeualiztli  rücken  Adler  und  Tiger  gegen 
den  auf  dem  Steine  temalacatl  mit  einem  Fusse  festgebundenen  Gefangenen  an. 

Eine  vierte  Rüstung  besteht  aus  einem  Todtenkopf  als  Helmmaske,  verbunden 
mit  einem  Federwams,  auf  dem  quer  über  die  Brust  ein  Schnitt  markirt  ist  (Fig.  5). 
Dieser  Rüstung  kommt,  wie  ich  schon  in  meiner  früheren  Arbeit  vermuthete,  wie 
ich  aber  jetzt  in  dem  aztekischen  Sahagun  direct  angegeben  finde,  der  Name 
tzitzimitl  zu. 

In  der  Tributliste  sind  diese  Rüstungen  in  den  vier  Farben  gelb,  weiss, 
blau,  roth  angegeben.  Das  Trachtenkapitel  des  Sahagun  nennt  nur  drei:  den 
gelben  toztzitzimitl,  den  blauen  xoxouhquitzitzimitl  und  den  weissen 
iztactzitzimitl.  Mit  dem  Namen  Tzitzimime,  —  eine  Pluralform,  aus  der 
die  Singularform  tzitzimitl  erst  abgeleitet  ist,  —  wurden  bei  den  Mexikanern 
gewisse  in  der  Luft  hausende  Dämonen  bezeichnet,  von  denen  man  annahm, 
dass  sie  beim  Weltuntergang  vom  Himmel  herabkommen  und  der  ganzen  Mensch- 
heit den  Garaus  machen  würden.  In  Wahrheit  haben  diese  Dämonen  aber 
eine  harmlosere  Bedeutung.  Nach  einer  Angabe  in  der  Cronica  Mexicana  des 
Tezozomoc  sind  es  die  Dämonen  der  Luft,  die  den  Regen,  den  Donner  und  den 
Blitz  herabsenden.  In  der  That  ist  das  Wort  Tzitzimime  nur  die  mexikanisch 
gebildete  Pluralform  des  Wortes  tzimin,  das  in  den  Maya-Sprachen  „Tapir"  be- 
deutet. Mit  dem  Tapir  aber  wurde  bei  den  Maya -Völkern  der  Regen-  und  Ge- 
wittergott Chac  identificirt.  Immerhin  ist  dieser  Chac,  gleich  seinem  mexikani- 
schen Vetter  TIaloc,  eine  todbringende  Gewalt,  und  auf  dem  Wege  aus  dem 
Maya-Land  nach  Mexico  mochte  diese  Gestalt  wohl  noch  eine  unheimlichere,  phan- 
tastischere Bedeutung  erlangt  haben,  die  eines  Schreckgespenstes,  die  seine  Ver- 
wendung als  Verkleidung  für  den  in  die  Schlacht  ziehenden  Krieger  ganz  beson- 
ders rechtfertigen. 

Als   letzte   unter   den    häufigeren  Formen  der  Rüstungen  oder  Verkleidungen 


im  eagci-en  Sinne  wäre  dann  noeh  der  cnextecatl,  die  uaxtekische  spitze  Mutze 
(Fig.  6,  8,  9),  nnd  seine  Nebenform,  der  iztac-teocnitla-copilli  und  coztic- 
teocuitla-CDpilli,  die  silberne  nnd  goldene  Mütze  (Fig.  10),  zn  nennen.  Das  isL 
wie  ich  schon  in  meiner  früheren  Arbeit  ausgeftihrt  habe,  die  Tracht  der  Diener 
der  Tetcoinnan  oder  Toci,  der  attcn  Erdgöttin,  die  gleichzeitig  auch  als  Eid- 
bebengöltin  und  als  „Mutter  des  Krieges"  (madre  de  In  discordia)  galt.  Der  Name 
cnextecall  wird  bei  der  Beschreibung  des  Festos  der  Göttin  als  der  Name  ihrer 
Diener  genannt.  Und  die  hier  gezeichneten  Rüstungen  Figg.  6,  8 — lü  erweisen 
ihre  Beziehung  zur  Teteoinnan  hauptsächlich  durch  drei  Stücke,  die  alle  drei 
bekannte  charakteristische  Stücke  des  AuspntzPs  dieser  Göttin  sind  (vergi.  Pig.  1 1 
das  Bild  der  Tetcoinnan  aus  Codex  Tolleriano  Remensis  II.  9):  die  halbmond- 
förmige goldene  Flutte  fcozlic-tcocnitla-yaca-mctztli),  die  in  der  durchbohrten 
Nasenscheidewand  hängt;  das  goldene,  bis  auf  die  Schultern  herabfallende  Ohr- 
gehänge (coztic-teocuitla-pipilolli;  und  die  eingestockten  Spindeln  (imama 
lacaquelzal),  die  in  den  Abbildungen  allerdings  nur  bei  der  Fig.  10  angegeben 
sind,    im  Text  aber  auch  bei  den  Mützen  cuextccatt,    welchen  die  Figg.  ti,  8,  V 


(119) 

im  üebrigen  genau  entsprechen,  aufgeführt  sind.  Die  Angabe  der  spanischen  Ueber- 
setzung  des  Sahagnn,  dass  diese  Ohrgehänge  Maiskolben  ähnlich  waren,  ist  nur 
ein  Einfall  Sahagun's.  Im  aztekischen  Text  steht  nichts  davon.  Sie  sollen  viel- 
mehr die  ungesponnene  Baumwolle  wiedergeben,  das  Merkmal  weiblicher  Thätig- 
keit,  die  in  dem  Bilde  der  Erdgöttin  das  Material  für  ihr  Ohrgehänge,  ebenso  wie 
für  ihre  Kopfbinde,  abgiebt. 

Der  cuextecatl,  die  uaxtekische  spitze  Mütze,  ist  die  einzige  von  den  eigent- 
lichen Rüstungen  oder  Verkleidungen,  die  in  dem  historischen  Theil  des  Codex 
Telleriano  Remensis  und  Vaticanus  A.  bei  den  Figuren  der  mexikanischen  Krieger, 
und  zwar  wenigstens  an  drei  Stellen,  angegeben  ist  (Pig.  6).  Unter  den  Figuren  der 
Tributliste  zeichnet  sich  der  cuextecatl  (Fig.  8)  durch  die  schwarzen  Querstreifen 
aus,  mit  denen  das  zugehörige  Wams  bedeckt  ist.  Ausserdem  ist  bei  diesen  Rüstun- 
gen noch  der  besondere  Schild  Fig.  7  u.  1 5  angegeben.  Von  Farben  kommen  in  der 
Tributliste  wiederum  die  vier  schon  oben  genannten  vor.  Das  Trachtenkapitel  des 
Sahagun  nennt  nur  drei:  den  gelben  coztic  cuextecatl,  den  weissen  iztac 
cuextecatl  und  den  blau  und  gelben  chictlapanqui  cuextecatl. 

Der  cuextecatl  scheint  übrigens  keine  besonders  kostbare  Devise  gewesen 
zu  sein.  Am  Feste  Ochpaniztli,  wird  erzählt,  kommen  zum  Schluss  die  Krieger 
und  Häuptlinge  im  Tempel  Atempan  zusammen,  und  der  König  Motecuh(^oma  ver- 
theilt  an  sie  Schmuckgegenstände  und  kostbare  Rüstungen.  Die  grossen  Häupt- 
linge (ueucy  tiacauan),  heisst  es  daselbst  im  aztekischen  Text  des  Sahagun, 
erhielten  kostbare  Gegenstände  zum  Geschenk.  Die  übrigen,  die  darnach  kommen, 
erhielten  die  Devise  cuextecatl,  —  auh  yye  yxquich  9atlacuitlapiloa  yeuatl 
ynquimomaca  cuextecatl  tlauiztli  (Sah.  Ms.  Bibl.  Palacio). 

Das  sind  die  Rüstungen  im  engeren  Sinne,  d.  h.  die  mit  einer  üelmmaske 
oder  Kopfbedeckung  versehenen  Verkleidungen,  die  in  der  Tributliste  abgebil- 
det sind.  Sahagun  nennt  und  zeichnet  noch  einige  andere,  die  aber  augen- 
scheinlich weniger  häufige  Formen  darstellen.  So  die  goldene  Haube  (coztic- 
tcocuitla-quacalalatli),  die  er  als  mit  zwei  Hörnern  aus  Quetzalfedem  be- 
schreibt, und  die  ohne  Zweifel  mit  der  Devise  Fig.  13  identisch  ist,  die  in  dem 
aztekischen  Text  des  Sahagun  an  einer  anderen  Stelle  unter  dem  Namen  quetzal- 
quaquauitl,  „Hörner  aus  Quetzal  federn",  beschrieben  und  abgebildet  ist.  Ferner 
die  silberne  Haube  (iztac-teocuitla-quacalalatli),  die  aber  im  Text  sehr  un- 
genau beschrieben  ist  und  die  möglicherweise  mit  der  Fig.  14  identisch  ist,  welche 
an  der  anderen  Stelle  des  Sahagun-Manuskripts  unter  dem  Namen  ananacaztli, 
„das  Wasserohr",  abgebildet  ist.  Beide  scheinen  bestimmt  zu  sein,  die  Träger  in 
die  Gestalt  der  Xochiquetzal  zu  stecken,  der  jugendlichen  Erdgöttin,  der  Jung- 
frau, die  die  Genossin  der  Krieger  des  Telpochcalli,  die  ältere  Schwester 
Uitzilopochtli's  ist,  und  die  ebenfalls  regelmässig  mit  zwei  homartig  aufragen- 
den Quetzalfederbüscheln  auf  dem  Kopfe  ausgerüstet  ist.  Als  Wams  wurde  zu 
diesen  Hauben  das  gelbe  Papageienfederwams  (toz-euatl)  getragen. 

Femer  sind  noch  zu  erwähnen  die  Federkronen  (tzontli),  die  aber  auch 
augenscheinlich  sehr  seltene  Formen  des  Kriegerfederschmucks  sind.  Sie  kommen 
im  Allgemeinen  nur  den  Idolen  zu.  In  dem  Trachtenkapitel  des  Sahagun  (Buch  8 
Cap.  12)  ist  ein  (jacuan tzontli,  eine  Krone  aus  den  goldgelben  Federn  des 
(^acuan,  genannt.  Es  wurde  dazu  ebenfalls  das  gelbe  Papageienfederwams  ge- 
tragen. Femer  ein  quetzalaztatzontli,  das  aus  Reiherfedem  mit  einzeln  ein- 
gefügten Quetzal  federn  bestand.  Und  in  einem  anderen  Kapitel  des  Sahagun- 
Manuskripts  der  Academia  de  la  historia,  welches  in  die  spanischen  Uebersetzung 
nicht   aufgenommen   ist,  wird  unter  einer  Reihe   verschiedenartiger  Devisen  auch 


(120) 

die  Vig.  12  abgebildet,  mit  der  Bezeichaung  qaetzal-qxia-tlainoayaoalti,  d.  h. 
ein  wirr  durcheinander  fallender  Kopfschmuck  ans  QnetzalfederQ- 

Die  Federkronea  tlaahqnecholtzontli  und  xiuhtototzontii  bilden  Be- 
slandtheile  besonderer  Verkleidungen,  die  ich  unten  noch  zu  beschreiben  haben 
werde. 

Endlich  nenne  ich  noch  den  qaetzaltoto-icpac-xochiti,  den  „Quetzat- 
Togelkopfschmnck",  von  Sahagnn  mit  den  Worten  beschrieben:  Tarobien  traian 
por  gnirnatdas  una  ave  de  plamas  ricas  hecha,  quc  traia  la  cabeza  y  el  pico  im 
la  t^nte,  y  la  cola  äcia  el  cogote,  con  onas  plnmaa  mny  ricas  y  lärgas:  las  älai 
de  esta  ave,  venian  äcia  las  sienes  como  caemos  hechos  de  plumas  ncas').  — 
Dieser  Schmnck  gehörte  aber  nicht  znr  KriegerrUatnng,  sondern  wird  anter  den 
TanzkosttUnen  der  Fürsten  genannt.  Beim  TanzkostUm  scheinen  Überhaupt  die 
Stimbinden  (icpacxochiti)')  eine  Rolle  gespielt  zn  haben.  Sie  werden  neben 
den  qnetzalli,  neben  Oberarm-  und  Handgelenkringen  (machoncotl,  mateme- 
catl),  Fächern  (ecaccuaztli)  und  Handfahnen  (macparoiti)  unter  den  zum  Tanz 
benöthigten  Gegenständen  genannt.  Daneben  aber  waren  die  icpacxochiti  Ab- 
zeichen der  königlichen  Würde.  Uit  „Corona  real"  ist  im  Molina  das  Wort 
teocuitla-icpBC-sochitI,  „die  goldene  Stirnbinde"  übersetzt.  Eine  solche  war 
nnn  allerdings  das  Bangabzeicfaen  der  mexikanischen  Könige  nicht.    Die  letzteren 


^ 


trogen  (vgl.  Fig.  18,  das  Bild  des  Königs  Itzcoatl  aus  dem  Sahagnn  Hs.  der  Aca- 
demia  de  la  htatoria)  einen  Kopfreif  mit  erhöhtem  dreieckigem  Stimblatt  ans 
Türkismosaik,  der  xiuh-nitzolli*)  genannt  ward.  Aber  aus  der  Mixteca  nnd  dem 
Zapotek engebiet  kamen  goldene  Stimreife  und  Diademe  ans  Gold  mit  erhöhtem 
Stimblatt  (vgl.  Figg.  20  u.  19,  die  der  IVibutliste  des  Codes  Hendoza  entnommen 
sind).  Und  in  mixtekischen  Bilderschriften  sehen  wir  auch  di<!  KriegshänpÜlnge 
mit  diesem  goldenen  Diadem  geschmttckt.  Vergl.  die  Fig.  21,  die  einer  mixtcki- 
schen  Handschritl  entnommen  ist,  die  sich  im  Besitz  des  Hm.  Cktnsnl  Dorenberg 
in  Puebla  befindet. 

1]  Der  Ictite  Sati  ist  wipdenim  ciae  unrichtig«  Hiniufägtmg.  Ueon  mit  dem  im  Ted 
folgenden  quetialqnaquauitl  ist  ein  b«s<inilprer  Knpfschniuck  gemeint. 

2]  Remi  Simeon,  Dictionnaire  de  la  langiit'  Nahuatl.  übersetzt;  ,c(inronne  de  Heim 
puuT  la  tetc".  Dus  [et  fslsfh.  Icpac-xochitl  hei-'»t  weiter  nichts.  uU  .der  auf  dem 
Kopfe  getrag-ene  Schmuck",  .die  Kopfbinde".  Vergl.  die  Worte  irhca-iochitl.  tUcol- 
lochit!,  eca-iorhill  in  Seler.  .Ein  Kapitel  aus  dem  Ge^rhichtswork  des  F.  Sahapan". 
Veröffentl.  kSu.  llw.  f.  VOlkerknnde  I.  p.  148.  16«.  174. 

8)  Da«  ist  fler  richtig.'  Name,  and  nicht  copilli.  wie  ClsTigero  sogietit. 


(121) 

Ich  komme  mm  zu  den  Devisen,  die  an  einem  leiterartigen  Gestell  (cacaxtli) 
befestigt  getragen  wurden,  das  der  Krieger  sieh  auf  den  Kücken  schnallte.  Hier 
sind  in  erster  Linie  die  verschiedenen  Fahnen,  pamitl  oder  pantli,  zu  nennen.  Sie 
sind  das  natürlichste  und  wohl  auch  ursprünglichste  Abzeichen  des  Führers  in  der 
Schlacht,  und  sind  auch  in  dem  historischen  Theil  des  Codex  Telleriano  Bemensis 
und  Yaticanus  A.  am  häufigsten  an  den  Rriegerfiguren  zu  sehen.  „Das  quach- 
pamitl,  das  coztic  teocuitlapamitl,  das  quetzalpamitl,  die  geben  im  Kriege 
das  Zeichen  an"  —  heisst  es  im  Sahagun-Manuskript  -  „wenn  die  Leute  sehen, 
jetzt  werden  die  Banner  (qua ch pamitl)  hochgehoben,  so  brechen  die  Krieger 
zum  Kampfe  auf^^.  Und  vom  quetzalpamitl  heisst  es  im  Text  tlacochcal- 
cayotl,  d.h.  es  ist  das  Abzeichen  des  tlacochcalcatl,  des  Obergenerals.  Doch 
sind  auch  diese  Standarten  nicht  bloss  das  ragende  Abzeichen,  welches  die  Stelle 
anzeigt,  wo  der  Obergeneral  sich  befindet.  Auch  sie  haben  ihre  bestimmte  reprä- 
sentative Bedeutung.  Der  KriegsfUhrer  Tezcatlipoca  und  der  Kriegsführer 
Uitzilopochtli  werden  im  Codex  Telleriano  Bemensis  und  Yaticanus  A.  mit  dem 
Banner  auf  dem  Bücken  dargestellt.  Panquetzaliztli,  das  „Hochheben  der 
Banner",  heisst  das  Fest  Uitzilopochtli' s.  Im  Codex  Telleriano  Bemensis  und 
Yaticanus  A.  sehen  wir  diesen  Gott  abgebildet  mit  einem  quachpamitl  in  der 
hoch  erhobenen  Bechten.  Und  sein  Yertreter  oder  Vorläufer  Painal  trägt  das 
teocuitlapamitl,  das  Goldbanner,  in  der  Hand.  Wenn  diese  Götter  dadurch  als 
Führer  im  Kriege  gekennzeichnet  sind,  so  sollen  doch  umgekehrt  unzweifelhaft  die 
Kriegsführer,  die  in  gleicher  Tracht  erscheinen,  als  Bepräsentanten  des  Gottes,  der 
der  Führer  im  Kriege  ist, .  sich  darstellen.  —  Als  besondere  Arten  von  Bannern 
werden  genannt: 

1)  Das  quachpamitl,  das  „Banner  aus  gewebtem  Stoff^^*  Dieses  scheint 
von  gewissen  Kriegerfiguren  des  Codex  Telleriano  Bemensis  getragen  zu  werden 
(Fig.  23).  Ausserdem  scheint,  nach  der  oben  angeführten  Stelle  des  Sahagun, 
angenommen  werden  zu  müssen,  dass  es  den  Alten  vorzugsweise  als  Handbanner 
(macpamitl)  diente.  So  scheint  auch  das  Banner,  das  der  Kriegsführer  Uitzi- 
lopochtli in  der  Hand  hält  (Cod.  Teil.  Bem.  und  Yat.  A.),  zu  dieser  Klasse  von 
Bannern  gehört  zu  haben. 

2)  Das  iztac-teocuitla-pamitl,  das  „Banner  aus  Silberblech"  und  das 
coztic-teocuitla-pamitl,  das  „Banner  aus  Goldblech".  Beide  wurden  in  der 
Begel  paarweise  getragen.  So  giebt  es  Sahagun  an.  Und  so  sehen  wir  es  in 
der  Fig.  22,   die   dem    Codex  Telleriano  Bemensis  lY.  20   entnommen   ist.    Die- 


1)  Sahagun,  im  spanischen  Text,  spricht  von  Bannern,  die  in  der  Hand  gehalten 
werden,  und  die,  hochgehalten,  das  Zeichen  zur  Schlacht  gaben.  Das  ist,  wie  man  sieht, 
im  axtekischen  Text  nicht  direct  gesagt.  Die  Sache  scheint  aber  richtig  zu  sein.  Denn 
der  Kriegsführer  Uitzilopochtli  und  sein  Stellvertreter  Painal  werden  mit  hoch  er- 
hobenem Banner  in  der  Hand  dargestellt. 

2)  Frau  Nuttall  in  ihrem  Aufsatz  über  den  Federschmuck  des  Wiener  Museum, 
nimmt  quachpamitl  f&lschlich  als  generellen  Ausdruck  und  macht  die  etwas  ungeheuer- 
liche Coignnctnr,  dass  quachtli,  „der  gewebte  StoflT"  (blanket)  und  quachpamitl,  „das 
Banner'',  beide  von  quechtli,  „der  Nacken**  (el  cuello,  el  pescuezo)  abzuleiten  seien. 
Denn  beide  würden  „auf  den  Schultern^  getragen!  Quechpan  wird  allerdings  ^en 
los  hombros"  (auf  den  Schultern)  übersetzt.  Aber  die  Banner  und  sonstigen  Abzeichen 
wurden  liicht  „en  los  hombros^,  sondern  „acuestas*',  „auf  dem  Rücken**  getragen. 
Inqnimama,  „er  trägt  es  (wie  eine  Last,  einen  Korb  u.  s.  w.)  auf  dem  Rücken**  —  heisst 
es  immer  in  dem  aztekischen  Text,  und  quachtli  (d.  i.  kuatä-tli)  und  quechtli  (d.  i. 
ketS-tli)  kann  doch  eine  vorsichtige  Sprachvergleichung  nicht  gut  zusanmienbringen. 


(122) 

selbe  stimmt  nahezu  genau  mit  dem  Bilde  des  Tlacoehcaleatl  im  Codex  Hen- 
doza  68.  21. 

3)  Das  quetzalpamitl,  die  „Fahne  aus  Quetzalfedern".  Im  Sahagun  Ms. 
der  Aeademia  de  la  Historia  ist  unter  diesem  Namen  ein  Banner  abgebildet,  das 
in  Farbe  und  Zeichnung  genau  dem  entspricht,  welches  die  hier  gezeichnete  Fig.  24 
des  Codex  Telleriano  Remensis  auf  dem  Rücken  trägt.  Im  Text  ist  es  als  aas 
zwei  Schichten  verschieden  farbiger  Quetzal  federn  gebildet  beschrieben. 

4)  Das  (jaquan-pamitl  (Sahagun,  Ms.  Acad.  Hist.),  eine  Fahne,  deren 
Fläche  aus  den  goldgelben  Federn  des  Qaquan-Vogels  gearbeitet  war. 

2)  Das  macuil-pamitl  (Sahagun,  Ms.  Acad.  Hist.),  eine  Gruppe  von  fünf 
mit  Federbusch  an  der  Spitze  versehenen  Fahnen. 

6)  Das  ixtlapal-pamitl  (Sahagun,  Ms.  Acad.  Hist),  das  Querbanner,  bei 
dem,  nach  Art  unserer  eigentlichen  sogenannten  „Banner",  auf  der  Spitze  des  IVag- 
gestells  ein  Querstock  angebracht  war,  von  dem  das  aus  Federn  gearbeitete  Banner 
herabhing. 

Eine  zweite  Gruppe  von  auf  dem  Rücken  getragenen  Devisen  wurde  mit  dem 
allgemeinen  Namen  patzactli,  d.  h.  „das  Angepresste",  bezeichnet.  Sie  bestanden 
aus  einem  in  Gestalt  eines  Kopfes  gearbeiteten  Gestell,  das  mit  Federmosaik  belegt 
wurde,  und  von  dem  man  auf  beiden  Seiten  einen  kurzen  Federabhang  herabfallen 
liess,  und  einer  Doppelreihe  aufrecht  eingefügter  Federn,  die  vom  Scheitel  des 
künstlichen  Kopfes  über  den  Hinterkopf  desselben  weit  hinabreichen  *).  Das  sind 
die  Devisen  Figg.  26 — 31.  Die  ersteren  derselben  (Fig.  26,  27)  habe  ich  in  meiner 
früheren  Arbeit  fälschlich  als  Federkronen  gedeutet.  Ich  wurde  dazu  verleitet 
durch  den  Umstand,  dass  sie  im  Codex  Mendoza  ohne  Traggestell  gezeichnet  sind, 
das  übrigens  im  Codex  Mendoza  auch  der  Rückendevise  quaxolotl  fehlt.  — 
Im  aztekischen  Sahagun  aber  sind  diese  Devisen  ausnahmslos  mit  dem  leiter- 
artigen Traggestell  (cacaxtli)  gezeichnet.  Vgl.  Fig.  28.  Und  im  Text  werden  sie 
ausdrücklich  als  auf  dem  Rücken  getragene  Devise  bezeichnet  (quetzalpatzactli 
coztic  teocuitlayo  inquimama). 

Die  vornehmste  dieser  Devisen  ist  das  quetzalpatzactli 0  (Fig.  26),  bei  dem 
die  kammartig  gestellte  Doppelreihe  aus  schönen,  grünen,  wallenden  Federn,  den 
Schwungfedern  des  Phacromerus  mocinno,  hergestellt  ist.  In  dem  Sahagun-Mann- 
skript  der  Aeademia  de  la  Historia  sehen  wir  mit  diesem  Schmuck  den  ersten  der 
drei  dort  in  kriegerischem  Schmuck  gezeichneten  Oberhäuptlinge  (tlätoani  pilli) 
bekleidet  (Fig.  25).  Derselbe  trägt  dazu  ein  Wams,  aus  den  Federn  des  türkis- 
farbenen  Vogels,  des  blauen  Kotinga,  gefertigt  (xiuhtotoeuatl),  und  den  kostbaren 
quetzaUxical-coliuhqui  chimalli  (Fig.  4).  In  dem  Kriegertrachtenkapitel  (8.  12) 
des  Sahagun  wird  diese  Devise  ebenfalls  als  zusammen  mit  dem  xiuhtotoeuatl') 
getragen  bezeichnet.   Aber  als  Schild  ist  dazu  der  teocuitla-xapo-chimalli,  übri- 

1)  Im  Sahagun  Ms.  der  Aeademia  de  la  Historia  wird  z.B.  der  qaetsalpatiartli 
mit  folgenden  Worten  beschrieben:  jnic  tlacbiahtli  colotli  tlatlalili  nepapan  ivitl 
ynic  tlatzacutli  ocampa.  mixuamiqai  yn  quetzali  yn  icpac  tlavipautli  <:ain 
motquitica  quetzali,  ..wird  folgendermaassen  gefertigt:  es  wird  ein  Gestell  (in  (Jedalt 
eines  Kopfes)  gemacht,  das  mit  verschiedenartigen  Federn  auf  beiden  Seiten  bedeckt  winl. 
Darauf  werden,  einander  gegenübergestellt,  Quetzalfedem  in  Reihen  geordnet,  imd  zwar 
ausschliesslich  Quetzalfedem".  —  Die  in  Klammer  gesetzten  Worte  «in  Gestalt  ein« 
Kopfes**  habe  ich  nach  der  Beschreibung  der  anderen  Arten  patzactli  ergänzt. 

2)  In  meiner  früheren  Arbeit  habe  ich  diese  Devise  mit  dem  xiuhtototzontli  (vgl. 
unten)  verwechselt 

n\)  Im  spanischen  Text  fälsch  als  ..chamarra  de  plumas  verdös"  bezeichnet. 


(123) 


geas  ein  nicht  minder  kostbarer  Schild,  angegeben.  Auch  unter  den  Tanzkostümen 
der  Könige  ist  der  quetzalpatzactii  mit  an  erster  Stelle  genannt. 

Neben  dem  qnetzalpatznctli  scheint  das  cne[;alpatztictli  besonders  häufig 
getragen  worden  zu  sein,  das  aus  den  brennend  rothen  Federn  des  alo,  des  rothen 
Gnacuniayo  (Sittace  Uacao),  gefertigt  wird.  Vgl.  Fig.  3^,  die  dem  Sahagnn  Ms. 
der  Academia  de  la  Historia  entnommen  ist.  Die  Guacumayo federn  sind  in  diesem 
Manuskript  regelmässig  dnrch  Zinnoberfarbe,  an  Stelle  des  für  andere  rothe  Federn 
verwendeten  Carmins,  gekennzeichnet.  Hierzu  gehören  wohl  auch  die  rothen  Feder- 
schmucke Fig.  27  der  Tributliste  des  Codex  Mendoza.  Femer  werden  im  Sahngun- 
Mannskript  der  Academia  de  la  Bistoria  noch  ein  cacalpatzactli  genannt,  aus 
schwarzen  Rabenfedern  gefertigt,  ein  tlacochpatzuctli  (Fig.  29),  bei  dem  die 
kammartig  gestellten  Federn   durch   befiederte  Speerschälle   ersetzt  sind,   endlich 


(124) 

ein  aztapatzactli  aus  weissen  Reihorfedern  gefertigt  mit  einzeln  eingesteckten 
und  lang  heraas  ragenden  grünen  (Quetzal-)  Federn.  Diese  sämmtlichen  vier 
Devisen  werden  nicht  als  Trachtabzeichen  von  Oberhäuptlingen  aufgeführt,  sondern 
nur  von  Rottenführern  (t  i  a  c  a  u  a  n)  oder  ausgezeichneteren  Kriegern  (q  u  a q  u  a  u  h  ti  n). 

Die  Fig.  30—31  der  Tributliste  des  Codex  Mendoza  scheint  der  Farbengebung 
nach  als  tlauhquechol-patzactli,  d.h.  ein  derartiger,  aber  aus  den  Federn  des 
rothen  Löffelreihers  gefertigter  Schmuck,  angesprochen  werden  zu  müssen.  Während 
das  quetzalpatzactli  und  das  cuei^alpatzactli  im  Codex  Mendoza  ohne  Trag- 
gestell gezeichnet  sind,  —  das  aber,  ich  wiederhole  es,  hier  nur  ausgelassen  ist, 
ähnlich  wie  es  bei  dem  quaxolotl  (unten  Fig.  43)  derselben  Handschrift  ausge- 
lassen ist,  —  ist  bei  den  Figg.  30,  31  das  Traggestell  regelmässig  gezeichnet.  Auch 
sieht  bei  den  letzteren  Devisen  das  kopfartige  Gestell,  welchem  die  Federreihe 
aufsitzt,  etwas  anders  aus,  doch  liegt  ihm  augenscheinlich  dieselbe  Idee  zu  Grunde. 

Die  kammartig  gestellte,  weit  hinabreichende  Reihe  von  Federn  ist  charakte- 
ristisch für  ein  Abzeichen,  das  in  den  Bilderschriften  und  im  Sahagun  den  Göttern 
Uitzilopochtli  und  Xiuhtecutli,  dem  Feuergott,  zugeschrieben  wird,  und  das 
diese  Götter,  in  derselben  Weise,  wie  die  Riiegor  das  quetzalpatzactli  auf  dem 
Rücken  tragen.  Das  ist  der  xiuhcoatl,  das  himmlische  Feuer,  die  Feuerschlange, 
der  Komet.  Vgl.  Fig.  40,  die  dem  Uitzilopochtli-Bilde  des  Sahagun-Manuskripts 
der  Biblioteca  del  Palacio,  und  Fig.  41,  die  dem  Bilde  des  Feuergottes  im  Codex 
Telleriano  Remensis  II.  entnommen  ist.  Es  ist  ein  Symbol  des  Feuers,  das  ge- 
legentlich auch  als  blosser  Federkamm  erscheint.  So  in  dem  Bilde  des  alten 
Hiromelsgottes  Tonacatecutli  in  der  zapotekischen  Wiener  Handschrift  (Fig.  42). 
Die  p atz actli- Devisen  stimmen  mit  diesem  Abzeichen  überein,  indem  auch  sie 
aus  einem  Kopf  und  einer  kammartig  gestellten  Federreihe  darauf  bestehen. 

Auf  den  Feuergott  weist  auch  das  Material  der  gemeineren  Abarten  dieses 
Schmucks  hin.  Die  rothen  Guacamayofedern  und  die  schwarzen  Rabenfedem 
werden  überall  in  den  Devisen  verwendet,  wo  die  Idee  des  Feuers  erweckt  werden 
soll,  z.  B.  bei  dem  tlecoyotl,  der  „Feuer-Coyoterüstung''  (Sahagun,  Ml.  Acad. 
Hist)  und  der  Devise  tlecocomoctli,  das  „flackernde  Feuer^  (veiigl.  unten).  Und 
das  tlacochtzontli,  die  „Krone  aus  Speerschäften ^*  ist  ein  bekannter  Bestandtheil 
des  Kopfschmuckes  des  Feuergottes')* 

Der  Feuergott  ist  der  Schlachtengott  —  „avvocato  della  guerra"*,  wie  der  Inter- 
pret des  Codex  Vaticanus  A.  angiebt  Denn  der  Blitz  ist  sein  Symbol,  und  Mord 
und  Brand  —  teoatl  tlachinolli  —  associirt  nicht  nur  der  Mexikaner,  sie  sind 
zu  allen  Zeiten  und  bei  allen  Völkern  Bezeichnung  für  den  Krieg  gewesen.  Ich 
glaube  also,  dass  der  Krieger,  der  die  patz  actli- Devise  trug,  dadurch  sich  als 
Diener  des  Feuergottes,  des  in  der  Schlacht  mächtigen,  gewissermaassen  als  der 
verkleidete  Feuergott,  kundgeben  wollte.  —  Die  Reiherfedem,  aus  denen  das  azta- 
patzactli gefertigt  ist,  haben  allerdings  mit  dem  Feuergott  direct  nichts  zu  thun. 
Sie  sind  Abzeichen  der  Berg-,  Regen-  und  Pulquegöttor.  Doch  auch  diese,  die 
den  Blitz  in  den  Händen  tragen,  sind  ihrem  Wesen  nach  nur  Emanationen,  Boten« 
Diener  des  grossen  Himmelsgottes,  des  Feuergottes.  Die  tlauhquechol-Fedem 
endlich  sind  der  auszeichnende  Schmuck  Xipe's.  Ihnen,  sowie  dem  Gott,  der  lie 
trägt,  werden  wir  weiterhin  noch  begegnen.  Der  Gott  ist  der  verkörperte  Schlachten- 
gott. Und  in  seiner  Tracht  erscheint  der  Obergeneral  der  Mexikaner,  der  tlacate- 
catl,  der  König  selbst. 

1)  Seier,  Ein  Kapitel  aus  dem  GeschichUwerk  des  P.  Sahagun.  VerGffentl.  kfinigl 
Mua,  f.  Völkerkunde  I.  Heft  4.  S.  143. 


(125) 

Eine  Abart  von  Feldabzeichen  dieser  Klasse  habe  ich  bisher  noch  nicht  ge- 
nannt, das  ist  das  xiloxochipatzactli,  das  in  dem  Rriegertrachtenkapitel  (Saha- 
gun  8  cap.  12)  zum  Schlass  genannt  wird.  Der  spanische  Text  beschreibt  die- 
selbe: „hechas  ä  manera  de  almete,  con  mnchos  penachos,  y  dos  ojos  de  oro^, 
d.  h.  „eine  Art  Helm,  mit  vielen  Federbüschen  und  zwei  goldenen  Augen".  Im 
aztekischen  Text  heisst  es:  „mit  Blättern  aus  Quetzalfedern  und  Steinmessem  aus 
Gold  und  an  den  Schläfen  goldene  Scheiben".  Ich  glaube,  dass  hiermit  eine 
Ropftracht  beschrieben  ist,  die  man  an  Steinbildnissen  häufig  sieht,  und  deren 
Grundform  die  Helmmaske  Macuilxochitrs  ist^* 

Ich  komme  nun  noch  einmal  auf  die  vornehmste  Abart  von  Devisen  dieser 
Klasse,  das  quetzalpatzactli  zurück.  Es  ist  nehmlioh  schon  mehrfach  bemerkt 
worden,  dass  mit  dem  quetzalpatzactli,  sowie  dasselbe  z.  B.  in  der  Fig.  26  ge- 
zeichnet ist,  ein  Schmuck  die  grösste  Aehnlichkeit  hat,  der  im  Atlas  zu  Durdn, 
aber  auf  dem  Kopf  der  dort  in  der  Schlacht  vorangehenden  mexikanischen  Könige, 
zu  sehen  ist  (Fig.  32).  Ferner,  wenn  auch  nicht  ganz  so  frappant,  der  Schmuck, 
den  die  zweite  der  in  dem  Codex  Vaticanus  A.  in  Tracht  abgebildeten  Häuptlinge 
anscheinend  auf  dem  Kopfe  trägt  (Fig.  34).  Die  Gestalt  der  kamraartig  gestellten, 
weit  hinabreichenden  Federreihe,  die  in  so  merkwürdigerweise  an  den  Aufputz 
nordamerikanischer  Prairie-Indianer  erinnert,  ist  zu  charakteristisch,  als  dass  hier 
Verwechselungen  vorliegen  sollten.  Soll  man  nun  annehmen,  dass  ein  solcher 
Schmuck,  bald  als  eine  Art  von  Helm  auf  dem  Kopfe,  bald  an  einem  Traggestell 
befestigt,  auf  dem  Rücken  getragen  worden  sei?  Ich  glaube  nicht.  Die  Zeichnungen 
und  die  Angaben  der  Sahagun-Manuskripte  —  das  authentischste  Material,  das  wir 
in  dieser  Frage  haben,  —  sind  zu  präcis.  Und  auch  der  Ursprung,  den  ich  der 
ganzen  Devise  zuschreiben  zu  müssen  glaube,  dass  sie  nehmlich  gewissermaassen 
eine  Abbreviatur  des  xiuhcoatl,  der  Rückendevise  des  Feuergottes,  sei,  spricht 
gegen  die  Verwendung  derselben  als  Helm.  Zieht  man  Bilder  in  Betracht,  wie 
die  Fig.  25,  die  dem  Sahagun-Manuskript  der  Academia  de  la  Historia  entnommen 
ist,  wo  man  diese  Devise  noch  deutlich  als  auf  einem  Rückentraggestell  befestigt, 
aber  unmittelbar  hinter  dem  Kopfe  des  Kriegers  angegeben  findet,  so  begreift  man, 
wie  ein  flüchtiger  und  ununterrichteter  spanischer  Zeichner  dieselbe  als  Kopf- 
schmuck aufiTassen  und  wiedergeben  konnte-).  Und  ein  solcher  war  ohne  Zweifel 
der  Illustrator  der  Geschichte  Durdn's.  Ja,  ein  solcher  war  auch  der  Zeichner 
des  Codex  Vaticanus  A.,  denn  dieser  Codex  ist,  wie  männiglich  bekannt,  nur  eine 
ziemlich  lüderliche  Copie  des  Telleriano  Remensis  mit  einigen  anderweitigen  Zu- 
thaten.  Ich  habe  in  den  Figg.  33—35  die  Köpfe  der  drei  Häuptlinge  wiedergegeben, 
die  auf  Blatt  81 — 83  des  Codex  Vaticanus  A.  mit  dem  cuechin')  bekleidet,  d.  h. 

1)  Seier,  £in  Kapitel  aus  dem  Geschichtswerk  des  P.  Sahagun  S.  163  und  Fig.  100. 
S.  173. 

2)  An  einer  Stelle  ist  im  Atlas  zu  Dur  an  dieser  Schmuck  auch  deutlich  hinter  dem 
Kopf  gezeichnet.  Das  ist  in  der  das  Cap.  40  begleitenden  Zeichnung  (Tratado  I.  Lam.  13. 
unten).  Der  Zeichner  von  Frau  Kutt  all  hat  aber  das  Kopf  haar,  das  in  allen  Exemplaren, 
die  ich  einsehen  konnte,  deutlich  als  solches  und  mit  Druckerschwärze  gemacht  ist,  blau 
gemalt.  Vgl.  PI.  III.  Fig.  3  der  englischen  und  Taf.  III.  Fig.  3  der  deutschen  Ausgabe.  — 
Wenn  die  kleinen  Figürchen  Fig.  37,  die  ich  einer  Darstellung  des  Festes  Ochpaniztli 
im  Sahagun-Manuskript  der  Biblioteca  del  Palacio  entnommen  habe,  diesen  Schmuck  an- 
scheinend ebenfalls  als  Kopfputz  tragen,  so  erklärt  sich  das  durch  die  Kleinheit  und  die 
dadurch  bedingte  Ungenauigkeit  der  Figuren.  Auch  an  der  Fig.  36,  die  an  derselben  Stelle 
steht,  sieht  es  aus,  als  ob  die  Devise  quaxolotl,  die  hier  der  Krieger  trägt,  auf  dem 
Kopfe  getragen  wurde.    Und  doch  ist  das  zweifellos  eine  Rückeudevise. 

8)  Seier  a.  a.  O.  S.  166. 


(IM) 

j 


in  Tanztracht,  dargostelll  sind.  Wenn  mich  nicht  Alles  tiiuscht,  so  liegt  hier  ■>..  B. 
der  Pig.  35  einfach  die  fiestalt  eines  Kriegers  zu  (irundc,  der  eine  Fahne,  eine 
quachpamiti,  auf  dem  Bücken  bereatigt  trägt.  Und  so  meine  ich  auch  die  Pig.  3-), 
Bo  deutlich  sie  anscheinend  gezeichnet  tat,  als  unreratandene  Bildung  bezeichnen 
zu  müssen  und  auch  hier  das  quctzalpatzactli  zu  erkennen,  dessen  wahre 
Form  nnd  dessen  richtige  Tragweiae  nach  dem  Sabagon-Manuskript,  das  die  Aos- 
aagen  and  die  Zeichnungen  der  Indianer  seibat  enthält,  beurtheilt  werden  muaa- 

Das  qnetzalpatzactli  glaube  ich  endlich  aber  ancb  in  der  Devise  zu  er- 
kennen, die  aaf  dem  grossen  Sonnenatein  des  Museo  Naciünal  de  Mexico  hinter 
dem  Kopfe  des  Königs  Ti(;oc  za  suchen  ist.  Der  König  führt  dort  eine  Reihe 
von  Kriegern  an,  die,  gleich  ihm,  in  der  Tracht  Tezcatlipoca-Uitzilopochtli'a 
and  mit  der  Brustplalte  des  Feuergottes  bekleidet  dargestellt  eind,  und  die  eine  Art 
von  religiösem  Tanz  aulTühren,  durch  «eichen  der  Sieg  der  nationalen  Gottheil  Über 
verschiedene  Feinde  zum  Ausdruck  gebracht  wird.  Die  Krieger  (Pig.  38)  tragen 
eine  Stirnbinde,  die  vorn  mit  einem  Vogelkopf  versehen  ist.  In  den  Bilderschrinen 
ist  mit  einer  solchen  der  Sonnengott  gezeichnet.  Violleicht  ist  das  das  tototla- 
manalli,  was  nach  dem  Sah agun- Manuskript  der  Biblioteca  del  Palacio  die  tla- 
manime,  d.  h.  die  Krieger,  die  einen  Gefangenen  heimgebracht  haben,  beim  Tanze 
auf  dem  Kopfe  tragen.  An  diese  Stimbinde  schliesst  sich  eine  steife  Krone  aus 
Adlerfedern  ((jauhtzontli)  und  aus  letzterer  ragt  ein  langer  Schwanz  von  Quetzal- 
fedem.  Der  König  aber  (Fig.  :S9)  trägt  einen  Adlerkopf  als  Bclmmaske,  d.  h.  sein 
Gesicht  achaut  aus  dem  geöffneten  Rachen  des  Adlers,  dessen  Ober-  und  ünter- 
xchnabet  deutlich  gezeichnet  ist,  heraus.  Hinter  diesem  Adlerkopf  aber  sieht  man 
einen  mächtigen  Federschmuck,  der  zweifellos  mit  dem  quetzalpatzactli  des 
Kriegertrachtenkapitel  identisch  iat.  Xichts  hindert  unii,  anzunehmen,  dass  auch 
hier  dieser  Schmuck  in  derselben  Weise  getragen  gedacht  ist,  wie  es  die  Fig.  25 
des  Sahagun-Manuskripts  der  Academiu  de  In  Historia  uns  vor  Augen  Fuhrt,  d.  h. 
auf  einem   am  Rtieken  befestigten  Gestell').  —  Beiläufig  möchte  ich  auf  den  be- 

1)  Dir  wpitgchPnJeu  RchlQssp,  welche  FVau  Nuttall  auf  ilicse  —  öbrigens  Bof  ihrfn 
Taffln  rerlit  srhlc.lit  wiedergegebrne  —  Figur  iurbsul,  werden  nichtig,  sobald  nirht  mit 
Sicherheit  nnchgcwicEcn  nerdeo  kann,  dais  dieser  Srliniuck  in  d«r  That,  irie  sie  umunnil. 
ein  Kiipfäfhinnck  ist.  Ich  wcrdp  unten  der  Fragt-  des  Wiener  Srhmackes  D&her  tr*!*« 
and  hoffe,  il<>ii  Roireiä  liefern  zu  kSonen,  dass  er  alu  nine  Safhe  sui  generii  oiigMebeii 
werden  mnss. 


(127) 

mcrkenswerthen  Umstand  aufmerksam  machen,  dass  hier  weder  die  mexikanischen, 
noch  die  fremden  Krieger  die  übliche  Waffe,  das  raaqfuauitl,  in  den  Händen  haben. 
Bei  den  ersteren  ist  es  begreiflich,  denn  sie  sind  in  der  Tiacht  des  Gottes  dar- 
gestellt, dessen  besondere  Waffe  das  Wurfbrett  (atlatl)  und  das  Speerbündel  ist. 
Beide  Waffen  sind  daher  auch  hier,  zusammen  mit  Schild  und  Papieifahne  (ama- 
pamitl),  in  der  rechten  Hand  der  Krieger  zu  sehen.  Aber  auch  die  am  Schopf 
gefassten  —  nach  Art  der  zum  Sacrificio  gladiatorio  bestimmten  Gefangenen  fri- 
sirten  —  fremden  Krieger  sind  nicht,  wie  in  den  ähnlichen  Darstellungen  des 
Codex  Mcndoza  65,  66,  mit  Schild  und  maquauitl  bewaffnet,  sondern  halten  mit 
der  linken  Hand  das  Bündel  Speere  hinter  sich  und  reichen  mit  der  rechten  das 
Wurfbrett  (atlail)  dem  Sieger  hin. 

Eine  weitere  Gruppe  von  auf  dem  Rücken  getragenen  Kriegerabzeichen  wird 
mit  dem  generellen  Namen  quaxolotl  bezeichnet,  d.  h.  „der  auf  dem  Kopf  ge- 
tragene xolotl".  Das  ist  die  Devise,  die  der  tlacatecatl  Fig.  43  (Codex  Men- 
doza  68,  20)  trägt.  Ich  habe  dieselben  schon  in  meiner  früheren  Arbeit  auf  diesen 
Namen  bezogen,  und  diese  Beziehung  nunmehr  in  dem  aztekischen  Sahagun- 
Manuskript  bestätigt  gefunden.  Diese  Abzeichen  bestehen  aus  einem  halbkugligen 
Gestell  (colotli  tlatlalilli  yaualtic),  das  mit  Federmosaik  belegt  wird  und  von 
dessen  unterem  Rande  ein  Pederbehang  herabfällt.  Auf  dem  Scheitel  der  Wöl- 
bung ist  in  den  Bildern  des  Codex  Mendoza  ein  Thierkopf  angebracht,  der  genau 
dem  Kopf  entspricht,  durch  welchen  in  demselben  Codex  die  Stadt  Xolotlan 
hieroglyphisch  bezeichnet  wird.  Im  Sahagun-Manuskript  der  Academia  de  la  Historia 
ist  statt  des  Xolotl- Kopfes  ein  Todtenschädel  gezeichnet  (Fig.  44).  Gleich  den 
im  Anfang  besprochenen  Rüstungen  (ocelotl,  coyotl,  tzitzimitl),  kommen  auch 
diese  Devisen  in  den  vier  Farben  vor:  der  gelbe  toz quaxolotl,  der  blaue 
xoxouhqui  quaxolotl,  der  weisse  iztac  quaxolotl,  der  rothe  chichiltic  s. 
tlapal-quaxolotl,  —  wiederum  vermuthlich  entsprechend  den  Farben  der  vier 
Himmelsrichtungen. 

Dabei  haben  Devise  und  Federwams  in  der  Regel  dieselbe  Farbe.  So  in 
den  Bildern  der  Tributliste  und  nach  den  Angaben  in  dem  Kriegertrachtencapitel 
des  Sahagun  (8.  cap.  12).  Nur  der  tlacatecatl  Codex  Mendoza  (»8  trägt  zu  dem 
gelben  tozquaxolotl  das  rothe  Federwams  (tlapal-iui-euatl).  Und  so  auch 
der  Häuptling,  der  im  Sahagun-Manuskript  der  Academia  de  la  Historia  mit  dieser 
Devise  bekleidet  dargestellt  ist.  In  den  Abbildungen  der  Tributliste  ist  mit  dem 
quaxolotl  ausnahmslos  noch  der  yacametztli,  die  halbmondförmige  Nasenplatte, 
verbunden.  Und  so  trägt  ihn  auch  im  Sahagun-Manuskript  der  Academia  de  la 
Historia  der  mit  dem  tozquaxolotl  ausgerüstete  Häuptling.  Nur  dem  tlacate- 
catl (Fig.  43)  des  Codex  Mendoza  fehlt  merkwürdigerweise  dieser  Schmuck,  da- 
gegen stimmen  beide  Figuren,  der  tlacatecatl  des  Codex  Mendoza  und  der  Häupt- 
ling des  Sahai^un-Manuskripts,  darin  überein,  dass  sie  zum  tozquaxolotl  den 
teocuitlaxapo  chimalli,  den  mit  Federmosaik  bedeckten  und  in  der  Mitte  mit 
einem  Goldreifen  geschmückten  Schild,  tragen. 

Xolotl  ist  eine  merkwürdige  Figur,  deren  Ursprung  wohl  in  südlicheren 
Regionen  zu  suchen  ist.  Im  Kalender  ist  unter  diesem  Mamen,  als  Regent  des 
einen  Zeichens,  ein  Gott  in  Gestalt  eines  Hundes  (mit  abgeschnittenen  Ohren)  ge- 
zeichnet, von  Symbolen  der  vier  Himmelsrichtungen  umgeben.  Und  als  „Hünd- 
chen" wird  auch  überall  der  Xolotl-Kopf,  der  auf  dem  Scheitel  der  vorliegenden 
Devise  zu  sehen  ist,  erklärt.  Der  Hund  war  bei  den  Maya-Stämmen  das  Blitzthier, 
der  Diener  des  Regengottes,  des  Chac.  Vgl.  Fig.  Fig.  45,  den  vom  Himmel  stürzen- 
den,  das  Feuer  in  den  Händen  tragenden  Hund  (aus  der  Dresdener  Handschrift). 


(128) 


Wenn  die  Duvisi'  patzHclli  den  Kopf  und  den  Fcdurkuinm  der  Kcuerscbluntcv 
(xiuhcoati  vgl.  Vii[.  40.  41)  zam  Ansdruck  bringen  za  sollen  schien,  so  scheint 
diu  Devise  i|Uaxolotl  bestimmt  zu  sein,  den  weiten  Himmel  nnd  dug  BlJtzthier 
vor  Aogen  zu  führen.  Beiden  liegt  also  dieselbe  Idee  zu  Grunde.  Der  Krieger 
kleidet  sich  in  die  Tracht  des  mit  dem  Blitze  tödtenden  Gottes.  Aber  der  zinh* 
eoall  lind  dio  patziiutli-DcTJee  sind  gewisHermiDissen  nationaleren  Urspranges. 
Der  quaxolotl  von  exotischem,  Tierra  calienle-Chamkter.  Daher  aueh  die  halb- 
mondrörinigc  Nasenplatte  und  der  teocnitlaxHpo  chimalli,  —  bekannle  Aus- 
rüstungsstücke der  Küstcnleute  und  der  Göttin,  die  im  KUstenlande  heimisch 
gedacht  wurde,  der  grossen  Erdmutter  Teteoinnan. 

Eine   weitere   grosse  Gmppc  von  Kriegerabzeichen  sind  die  an  einem  Gestell 


(129) 

auf  dem  Rücken  getragenen  Schmetterlinge  aus  Federwerk  (papalotl).    Es  giebt 
verschiedene    Arten    derselben.      In    dem    Kriegertrachtenkapitel    des    Sahagan 
(8.  cap.  12)   werden    ein   quetzalpapalotl,    ein   itzpapalotl   und   ein   xochi- 
quetzalpapalotl  genannt,  alle  drei  aus  kostbarem  Federwerk  gearbeitet.   In  dem 
besonderen  Kapitel  des  Sahagun-Manuskripts  der  Academia  de  la  Historia,  welches 
die  verschiedenen  Devisen  der  Oberhäuptlinge  und  der  Häuptlinge  niederen  Ranges 
aulführt,  werden  ein  quetzalpapalotl,  aus  Quetzalfedern  gefertigt,    ein  xolopa- 
palotl,  aus  grünen  Papageienfedem,  und  ein  (^aquanpapalotl,  aus  den  goldgelben 
raquan -Federn,    als  Rangabzeichen  von  Oberhäuptlingen,    ein  tlilpapalotl,  aus 
schwarzen  Rabenfedem  gefertigt,  und  ein  itzpapalotl  aus  Kupferblech  (Fig.  47), 
als  Abzeichen    der  Krieger   niederen  Ranges  genannt.     Sämmtliche   genannte   und 
so  auch  die  Schmetterlingsdevisen,  die  in  der  Tributliste  des  Codex  Mendoza  abge- 
bildet wurden,  sind  zweifarbig  gemalt  (vgl.  Fig.  46),  und  in  der  Tributliste  ist  diesen 
Devisen    ein    besonderer    Schild    beigegeben,    der    quauhteteponyo    chimalli 
(Fig.  48),  der  auf  der,  ebenfalls  in  zwei  Farben  (roth  und  weiss)  gemalten  Fläche 
das  Bild   eines  Adlerfusses   zeigt.    Eine   besondere  Rolle   spielt   diese  Devise  an 
dem  Feste  Xocotl  uetzi,  an  welchem  das  Abbild  Xocotl's,  d.  i.,  wie  ich  nach- 
gewiesen habe*),    Otontecutli's,    des  Königs  und  Stammvaters  der  Otomi,   vom 
Baume   heruntergeholt   ward.    Diese  Devise    tragen    daselbst  die  Krieger,   welche 
einen  Gefangenen   gemacht  haben   und   denselben  zu  Ehren  des  Gottes  lebend  in 
das  Feuer   zu   werfen    sich    anschicken.    Und   zwar  ist  es  ein  Schmetterling,    aus 
rothen  Guacumayofedern  gefertigt,  ein  cuec^alpapalotl,  den  diese  Krieger  tragen. 
Und   wiederum    ist   hier   mit  dieser  Devise  der  tetepontli  chimalli  verbunden, 
der  Schild,    auf  dessen  Fläche  ein  Adler-  oder  Tigerfuss  gemalt  ist.    Die  Krieger 
selbst  sind  gelb  und  im  Gesichte  roth  bemalt. 

unter  dem  Namen  Itzpapalotl  wird  im  Kalender  als  Regent  eines  der  zwanzig 
Zeichen  ein  Dämon  genannt,  der  mit  Schmetterlingsflügeln  und  Steinmessern  und  mit 
einem  Steinmesser  in  der  Hand,  sowie  mit  Füssen,  die  Tigerflecken  und  Adlerkralle 
zeigen,  abgebildet  wird.    Letzteres  deshalb,  giebt  der  Interpret  an,  weil  er  oftrnals 
den  Menschen  erscheine,  und  man  sähe  nichts  von  ihm,  als  Füsse  wie  von  einem 
Adler.     Dieser  Dämon   wird   von   dem  Interpreten  ausserdem  in  einer  Reihe  von 
Gottheiten  oder  Dämonen  genannt,  die  in  der  Luft  hausen  und  Verderben  bringend 
vom  Himmel  herunterkommen.  Er  wird  in  weiblicher  Gestalt  gedacht  und  ist  augen- 
scheinlich identisch  mit  den  Frauen,  die,  nach  dem  Glauben  der  Mexikaner,  in  Adler- 
gestalt vom  Himmel  herunterkommen,  Hass,  Zwietracht,  Streit,  Kampflust  unter  den 
Menschen  entzündend.    Die  papalotl -Devise   steht   somit  in  engster  Verbindung 
mit  den    tzitzimitl -Rüstungen   und   auch  mit  den  quaxolotl-   und  patzactli- 
Devisen.    Der  Krieger,  der  sie  trug,  gab  sich  dadurch  als  Abbild  dieser  Dämonen 
kund.     Es   ist  übrigens  eine  chichimekische  Gestalt,    dieser  Dämon,   und  er  steht, 
wie  ich  an  anderer  Stelle  nachgewiesen  habe,  in  nahen  Beziehungen  zur  Erdgöttin. 
Als  die  aus  der  Stadt  Mexico  herausgeworfenen  Spanier  auf  der  einzig  gang- 
baren Strasse,  d.  h.  in  nördlicher  Richtung,  das  Thal  von  Mexico  verliessen,  stellte 
sich    ihnen  in  der  Ebene  von  Otumba  ein  feindliches  Heer  entgegen,  das  die  von 
Wunden  erschöpften,  durch  Hunger  und  Sonnengluht  gepeinigten  Spanier  ernsthaft 
bedrohte.    Hier  soll  Cortes  die  Schlacht  entschieden  haben,   indem  er,  mitten  in 
den  feindlichen  Haufen  hineinreitend,   den  auf  einem  Hügel  haltenden  feindlichen 
General  zu  Fall  brachte.    Die  Fahne,    welche  dieser  General  auf  den  Rücken  ge- 
schnallt trug,  beschreibt  Gl avigero  als  „un  rete  d'oro,  fissa  nella  punta  d'un'asta, 


1)  Ein  Kapitel  aus  dem  Geschichtswerk  des  P.  Sahagan  a.  a.  0.  S.  137. 

Veriuuidl.  der  Berl.   AnthropoL  QeMÜacbaft  1891.  9 


(130) 

la  fjualc  avea  fortemente  legata  sulla  schiena,  e  s'innalzava  dieci  palmi  in  circ» 
Sulla  testa  di  lui"^,  und  er  bemerkt  dazu,  dass  Standarten  dieser  Art  von  den  Mexi- 
kanern tlauiz-matla-xopilli*)  genannt  worden  seien.  Ich  weiss  nicht,  welcher 
Quelle  Clavigoro  diese  Angabc  entnommen  hat.  Weder  Sahagun,  noch  Durän, 
noch  der  Codex  Ramirez  nennen  und  beschreiben  dieses  Banner,  ebensowenig 
ist  in  dem  Bericht  des  Cortos,  noch  in  dem  des  Bernal  Diaz,  noch  in  Gomera 
etwas  darüber  zu  finden.  Ich  weiss  also  nicht,  ob  hier  eine  authentische  Angabe 
vorliegt  oder  nicht.  Dass  es  aber  Abzeichen  dieses  Namens  gegeben  hat,  und  dass 
diesen  die  Beschreibung  des  Clavigero  ungeriihr  entspricht,  ist  zweifellos.  In 
dem  Kriegertrachtenkapitel  (8.  cap.  12)  nennt  Sahagun  eine  Devise  quetzal- 
xopilli,  die  mit  Goldschmuck  versehen  war;  es  sei  das  gelbe  Papageienfeder- 
wams  dazu  getragen  worden.  Es  ist  das  diejenige  Devise,  die  er  im  spanischen 
Text  als  „hechas  con  plumas  verdes  que  sc  llaman  qnetzal,  amanerade 
chosa,  y  en  todas  las  orillas  tenia  unas  Üocaduras  de  plnma  rica  y  con  oro*^  be- 
schreibt'). Ich  hatte  schon  in  meiner  früheren  Arbeit  die  Devise  „a  manera  de 
chosa"  auf  die  Fig.  51  bezogen.  Ich  werde  demnach  auch  den  Namen  quctzal- 
xopilli  auf  diese  Figur  beziehen  müssen  und  komme  hier  in  Uebereinstimmung 
mit  Frau  Nuttall,  die  das  von  Clavigero  erwähnte  Banner  tiauiz-matla- 
xopilli  auf  die  Devise  Fig.  51  bezieht,  wegen  des  goldenen  Netzes,  das  in  letzterer, 
im  Centrum  der  Devise,  zu  sehen  ist.  Frau  Nuttall  aber  emendirt,  wie  ich  meine, 
offenbar  mit  Unrecht,  tiauiz-matla-topilli.  Ich  finde  gerade  in  dem  Namen 
xopilli,  „Zehe**  eine  Stütze  für  die  von  mir  und  ihr  angenommene  Beziehung. 
Bei  dem  im  Sahagun-Manuskript  der  Biblioteca  del  Palacio  abgebildeten  Gotte 
Macuiltochtli  (Fig.  52)  ist  im  Text  als  sein  Halsband  ein  xopil-cozcatl  ge- 
nannt. Die  Abbildung  zeigt  den  Hals  dieses  Gottes,  umgeben  von  einer  ge- 
schwungenen, doppelt  contourirten  Linie,  die  ziemlich  genau  die  Form  wiedergiebt, 
die  uns  die  Devise  Fig.  51  vorführt.  Wie  diese  Form  dazu  kommt,  mit  dem 
Worte  xopilli,  „Zehe"  bezeichnet  zu  werden,  ist  mir  freilich  noch  nicht  klar. 

Wenn  wir  annehmen,  dass  die  in  der  Tributliste  des  Codex  Mendoza  abgebil- 
deten Devisen  die  häufigeren  Formen  darstellen,  so  wären  mit  dem  Obigen 
die  häufigeren  Formen  derselben  erschöpft.  Es  wäre  höchstens  noch  die  Pig  50 
zu  nennen,  die  einmal  in  der  Tril>utliste  vorkommt  Ich  habe  schon  in  meiner 
früheren  Arbeit  auf  diese  Devise  den  Namen  tozcocolli  bezogen,  „das  gelbe 
Hinundhergekrümmte",  der  in  der  Cronica  mexicana  des  Tezozomoc  für  eine 
Devise  angegeben  sich  findet,  die  daselbst  mit  den  Worten  „como  rio  corriente, 
el  rio  de  oro  6  dorado"  beschrieben  wird.  Ich  finde  diese  Angabe  bestätigt,  indem 
im  Sahagun-Manuskript  der  Academia  de  la  Historia  unter  dem  etwas  vanirten 
Namen  tozcololli,  der  aber  dasselbe  bedeutet,  die  Devise  Fig.  49  gezeichnet  ist. 
—  Die  ganze  Form  dieser  Devise  erinnert  an  die  Art,  wie  in  den  Bilderschriften 
und  auf  Gerasson  die  abgezogene  Menschenhaut,  in  die  gekleidet  Xipe  einher- 
geht,   gezeichnet    und    gemalt    ist.     Und    es    erscheint  mir  nicht  unwahrscheinlich. 


1)  Di«'  ganz  willkürliche  Conjectur  der  Frau  Nuttall.  da>>  tlauiz-iiiatla-topilli 
zu  lo^jpn  sei,  habe  ich  schon  in  uieiuem  früheren  Aufsatz  zurückgewiesen.  In  dein  Folgen- 
den ist  aus  deui  aztekischen  Sahagun  der  Nachweis  erbracht,  dass  es  Devisen  gegeben 
hat,  die  den  Namen  xopilli,  „Zehe**  führten. 

*J,  Da«s  diese  Beschreibung  des  spanischen  Textes  auf  die  Devise  quetimlx^^pilli 
zu  beziehen  i.st,  foljrt  aus  der  Ueilienfidjre  der  Beschreibungen,  die  im  spanischen  Text 
streng  ib-r  Keihenfolge  ^le^  a^trki^ehen  Text«*<  folgt. 


(131) 

dass    das    tozcocolli    oder  tozcololli  einen  Streifen  abgezogener  Menschenhaut 
zur  Anschauung  zu  bringen  bestimmt  war. 

Von  den  übrigen  Devisen  möchte  ich  hier  an  erster  Stelle  das  bannerartige 
Abzeichen  erwähnen,  das  der  Krieger  des  Oelbildchens  der  Bilimck'schen  Samm- 
lung*) auf  einem  sonderbaren,  von  Hochstetter  als  Haus  gedeuteten  Gestell  auf 
dem  Kücken  trägt.  Ich  habe  das  Urbild  dieses  Kriegers  in  einer  aztekisch  ge- 
schriebenen Handschrift  der  früher  Aubin'schen  Sammlung  gesehen,  und  zwar  als 
das  Bild  dis  Königs  Axayacatl,  der,  in  Wehr  und  Waffen  und  mit  dieser  Devise 
auf  dem  Rücken,  zum  Kampf  gegen  die  treulose  Nachbarstadt  Tlaltelolco  ausrückt. 
Die  Erklärung  der  Frau  Nuttall,  die  in  dem  Abzeichen  des  Bilimek'schen  Krie- 
gers drei  Worte  herausliest,  Calmecaua  Tlacochcalcatl  Quetzalapanecatl, 
die  Namen,  Rang  und  Vaterland  eines  bestimmten  hypothetischen  Kriegers  wieder- 
geben sollen,  fällt  damit  von  selbst. 

In  dem  Kriegertrachtenkapitel  des  Sahagun  (8.  cap.  12)  werden  als  „aderezos 
que  usaban  los  senores  en  la  guerra"  noch  ein  quetzal-tonatiuh,  eine  goldene 
Sonne  mit  einer  Scheibe  Quetzalfedem  in  der  Mitte,  und  ein  ocelo-tlachic- 
comitl,  ein  Pulquetopf,  erwähnt,  bei  dem  das  herausschäumende  Getränk  durch 
Reiherfedern  mit  einzeln  eingesteckten  Quetzal  federn  zum  Ausdruck  gebracht  ist. 
An  Stelle  der  ersteren  Devise  finden  wir  in  dem  Kapitel  des  Sahagun-Manuskripts 
der  Academia  de  la  Historia,  welches  die  Abzeichen  der  oberen  und  niederen 
Häuptlinge  und  ihre  Anfertigung  erzählt,  einen  ^aquantonatiuh  beschrieben 
(Fig.  55),  aus  den  goldgelben  ^aquan-Federn  gefertigt.  Und  an  Stelle  des  ocelo- 
tlachic-comitl  ein  ometoch-tlauiztli,  d.  h.  „Devise  der  Pulquegötter"  (Fig.  53). 
Es  ist  ebenfalls  ein  Topf,  welcher  übrigens  in  der  Form  mit  demjenigen  überein- 
stimmt, der  auf  den  Mänteln  ometoch-tecomayo-tilmatli  gezeichnet  ist'),  und 
das  herausschäumende  Getränk  ist  wiederum  durch  Reiherfedern  mit  einzeln  ein- 
gesteckten Quetzal  federn  zum  Ausdruck  gebracht.  Beide  Abzeichen  sind  auch  hier 
als  Trachtstücke  von  Oberhäuptlingen  angegeben.  Den  Pulquetopf  sehen  wir  augen- 
scheinlich auch  in  der  Fig.  54  des  Codex  Vaticanus  A.  137  als  Devise  auf  dem 
Rücken  getragen. 

Von  den  sonderbaren  und  vielgestaltigen  Abzeichen,  die  ausserdem  noch  in  dem 
letzterwähnten  Kapitel  des  Sahagun-Manuskripts  der  Academia  de  la  Historia  ab- 
gebildet und  beschrieben  sind,  erwähne  ich  zunächst  die  Fig.  5G,  die  raexayaca- 
tlauiztli  genannt  wird  und  ein  bekanntes  Bild  vor  Augen  führt,  das  in  dem 
Kalender  unter  dem  Namen  Itztlacoliuhqui,  „Gottheit  der  Kälte,  der  Verblen- 
dung, der  Sünde"^  genannt  wird,  und  der  eigentlich  Gottheit  des  Steins  und  Sohn 
der  grossen  Erdmutter  Teteoinnan  oder  Toci  ist').  An  dem  Ochpaniztli,  dem 
Feste  der  Toci,  wurde  dem  zu  Ehren  der  Göttin  geschlachteten,  die  Göttin  reprä- 
sentirenden  Opfer  die  Haut  abgezogen  und  vom  Schenkel  desselben  ein  Stück  Haut 
entnommen,  das  zu  einer  Maske  verarbeitet  wurde,  die  mexayacatl,  gleich  der 
hier  erwähnten  Devise,  genannt  und  mit  dem  gekrümmten  und  mit  Zackenkamm 
versehenen  Hute  itztlacoliuhqui  verbunden  getragen  ward.  Zum  Schluss  der 
Feier  wurde   diese  Maske   von  erlesenen  Kriegern  übernommen,    die  dieselbe  im 


1)  Ferd.  von   Hochstetter,    „Mexikanische   Reliquien   aus    der   Zeit  Montezuma's.'* 
Denkschriften  der  Philos.-histor.  Klasse  d.  Kais.  Akademie  d.  Wicsensch  Wien.   Bd.  XXXV. 

2)  Vgl.  8eler,  Ein  Kapitel  ans  dem  Geschichtswerk  des  P.  Sahagun  a.  a.  0.  S.  169. 
Fig.  60. 

3)  Vergl.  Seier,    Das    Tonalamail    der    Aubin'schen    Sammlung.      Comptes    rendus 
Vn  Session  Congres  international  des  Am^ricanistes.    Berlin  188S.  p.  643— G49. 

9* 


(132) 

Lauf  an   die    nächste  Grenze    brachten    und    dort   auf  feindlichem  Gebiete  depo- 

nirten. 

Wir  haben  oben  die  Devise  cuextecatl  kennen  gelernt,  die  aus  einer  spitzen 
Mütze  (copilli)  niit  Quaste  am  Ende  bestand,  welche,  wie  wir  nach  den  Abbil- 
dungen des  Codex  Telleriano  Remensis  schliessen  müssen,  auf  den  Kopf  gesetzt 
wurde  (vergl.  oben  Fig.  (>).  Dieselben  spitzen  Mützen,  nur  mit  einem  reicheren 
Federbehang  versehen  und  ohne  den  bei  dem  cuextecatl  angegebenen  Gold- 
schmuck (Ohrgehänge  und  Nasenplatte),  finden  wir  nun  in  dem  genannten  Kapitel 
des  Sahagun-Manuskripts  als  Rückendevise  gezeichnet,  und  zwar  ein  quetzal 
copilli  (Fig.  57)  mit  Mosaik  von  Quetzalfedern  belegt,  als  Trachtabzeichen  von 
Oberhäuptlingen,  ein  aztacopilli,  aus  weissen  Reiherfcdem  gefertigt,  als  Tracht- 
abzeichen von  ünterhäuptlingen.  In  einem  aztekischen  Manuskript,  das  sich  in 
der  Bibliothek  zu  Florenz  befindet  und  von  welchem  Frau  Nuttall  photographi- 
sche Copien  aufgenommen  hat,  sind  auch  Kriegerfiguren  mit  dieser  Devise  auf  dem 
Rücken  abgebildet. 

Eine  Devise  tlecocomoctli,  „flackerndes  Feuer^  genannt,  aus  rothen  Guacu- 
mayofedem  gefertigt,  giebt  das  Bild  eines  brennenden  Feuers.  Zwei  andere,  eine 
rothe  und  eine  weisse,  tlapal-iui-telolotli  und  iztac-iui-telolotli  genannt 
(Fig.  62),  stellen  wirre  Ballen  von  Federn  dar.  Eine  dritte,  das  tlapal-itz-raitl 
(Fig.  60),  giebt  das  Bild  einer  Pfeilspitze.  Merkwürdig  sind  die  Devisen  in  Hans- 
form. Ein  xacalli,  „Haus  mit  Strohdach"  wird  genannt  (Fig.  5JS),  ein  <;acacalli, 
„aus  Gras  geflochten**  und  der  Beschreibung  nach  in  Gestalt  eines  Käfigs  gefertigt, 
endlich  ein  caltzaqualli,  ein  mit  Stufenpyramide  versehenes  Steinhaus.  Der 
Quetzal vogel  (quetzaltototl)  und  der  Truthahn  (uexolotl)  werden,  auf  eine 
Stange  gesteckt,  als  Abzeichen  auf  dem  Rücken  getragen,  ersterer  von  Oberhäupt- 
lingen, letzterer  von  ünterhäuptlingen.  Die  goldene  Trommel  (teocuitla-ueuetl) 
Fig.  61  werde  ich  gleich  noch  zu  erwähnen  haben.  Eine  Devise,  tlaquimilolli 
genannt,  sieht  wie  ein  mit  Stricken  umschnürtes  Bündel  aus.  Fig.  59  zeigt  ein 
Kind,  ein  Baby  (tzipitl  oder  tzipiton),  aus  Holz  geschnitten,  der  Beschreibung 
nach  ^ein  schmutziges  Baby  mit  seinem  Schmutz  in  der  Hand^  (quauitl  tlaxintli 
yuhquin  piltontli  tlatzatlauilli  ymacca  ytlamatzoval).  Auch  ein  Schild 
mit  einem  darauf  gemalten  üngeheuergesicht  (chimallauiztli)  wird  als  Ab- 
zeichen anf  dem  Rücken  getragen. 

Was  für  eine  besondere  Bedeutung  all'  diesen  Abzeichen  innewohnt,  darüber 
bin  ich  zur  Zeit  noch  nicht  im  Stande,  mich  mit  Bestimmtheit  zu  äussern,  nr.d 
eine  Erörterung  von  Möglichkeiten  würde  mich  zu  weit  führen.  Nur  möchte  ich 
betonen,  dass  ein  Wirken  von  Laune  oder  Zufall  ausgeschlossen  erscheint,  .dass 
alle  diese  Abzeichen  ohne  Zweifel  in  Beziehung  zu  einer  bestimmten  mythischen 
oder  göttlichen  Persönlichkeit  standen,  dass  der  mit  diesen  Abzeichen  bekleidete 
Krieger  dadurch  als  Repräsentant  dieser  Persönlichkeit  sich  darzustellen  beab- 
sichtigte. 

Das  letztere  Verhältniss  liegt  klar  zu  Tage  in  einer  Anzahl  von  Rüstungen^ 
die  ich  bisher  unbesprochen  Hess,  weil  sie  keine  Gegenstände  gemeinen  (Gebrauchs 
waren,  sondern,  wie  es  scheint,  ausschliesslich  dem  obersten  Kriegshäuptling  der 
Mexikaner,  dem  König,  reservirt  waren.  Das  sind  die  Rüstungen  tlauhquechol- 
tzontli,  xiuhtototzontli  und  ocelototec,  welche  Sahagun  in  dem  Kapitel 
(H.  cap.  \2i  „de  los  aderezos  que  usaban  los  Senores  en  la  guerra"  an  erster  Stelle 
nennt,  und  die  auch  in  der  Cronica  mexicana  des  Tezozomoc  an  verschiedenen 
Stellen  als  Krio^erschmuck  des  mexikanischen  Königs  aufgeführt  werden.  Alle 
drei    sind    keine    einzelnen    Tn^chtabzeichen,    sondern    ganze  Kostüme,    und    zwar 


(133) 

Kostüme  eines  und  desselben  bestimmten  Gottes,  des  Gottes  Xipe,  des  „Geschun- 
denen", der  auch  Tlatlauhqui  Tezcatl,  „der  rothe  Spiegel",  oder  Tlatlauhqui 
Tezcatlipoca,  „der  rothe  rauchende  Spiegel",  oder  Totec  genannt  wird,  ein 
Name,  der  ja  auch  in  dem  Namen  der  einen  dieser  drei  Rüstungen,  in  dem  ocelo- 
totec,  deutlich  ausgesprochen  ist. 

Ich  möchte  hier  zunächst  erwähnen,  dass,  wenn  im  Tezozomoc  Gap.  91 
„una  divisa  de  oro  llamada  teocuitla  tontec  con  una  ave  encima  de  el  tlauh- 
quechol"  als  Rüstung  des  Königs  Axayacatl  genannt  und  weiterhin  (cap.  84)  tlauh- 
quechol-tontec  als  die  Devise  erwähnt  wird,  in  welcher  der  die  Otomi  von 
Nopalla  und  Icpactepcc  bekriegende  Motecuh^oma  erscheint,  darin  nicht,  wie  ich 
in  meiner  früheren  Arbeit  annahm,  eine  Verderbniss  vorliegt,  sondern  dass  viel- 
mehr tontec  die  richtigere  —  oder  genauer  gesagt  —  die  klassische  Form  für  das 
provinciale  totec  ist.  Denn  Totec,  als  Name  des  genannten  Gottes,  bedeutet 
nicht,  wie  gewöhnlich  angenommen  wird,  „unser  Herr"  =  totecuyo,  sondern  ist 
Ton-tec  zu  lesen  und  mit  „Herr  der  Sonne,  der  Glüht,  der  'Pein"  zu  übersetzen. 
Vergl.  tona  „hacer  calor",  toneua,  onitoneuac  „padecer  dolor,  escocimiento  o 
aflicion",  toneua,  onitetoneua  atormentar  6  afligir  6  otro".  Das  geht  aus  der 
Uebersetzung  hervor,  die  der  Interpret  des  Codex  Telleriano  Remensis  von  einem 
der  Namen  des  Gottes,  dem  Namen  Iztapaltotec,  giebt:  „pedemal  ensangrentado 
del  dolorido",  —  eine  Uebersetzung,  die  sofort  zu  verstehen  ist,  wenn  wir  statt 
des  provincialen,  dialektischen  Iz-tapal-totec  die  richtigere  (klassische)  aztekische 
Form:  Itz-tlapal-tontec  setzen,  wo  itz-tli  das  Stein messer  (pedemal),  tlapal-li 
(ensangrentado)  und  tontec-tli  der  Gepeinigte  (el  dolorido)  bedeutet. 

üeber  die  Tracht  und  den  Aasputz  dieses  Gottes  habe  ich  an  anderer  Stelle 
ausführlich  gesprochen*).  Die  drei  genannten  Rüstungen  charakterisiren  sich  als 
Kostüme  Xipe's  hauptsächlich  durch  den  Umstand,  dass  bei  allen  dreien  der 
tzapocueitl,  das  kurze  Röckchen  aus  Zapoteblättern,  angegeben  ist,  welches  Xipe 
um  die  Hüften  trägt,  und  dass  zu  allen  dreien  als  Rückendevise  die  Trommel 
(ueuetl)  getragen  wird,  die  an  anderen  Stellen  als  yopiueuetl,  die  Yopi-Trommel, 
die  Trommel  Xipe's,  bezeichnet  wird.  Auch  der  anauayo  chimallli,  der  bei 
dem  tlauhquecholtzontli,  und  das  tlacanaualli,  das  bei  dem  xiuhtoto- 
tzontli    angegeben  wird,    sind  charakteristische  Bestandtheile  der  Tracht  Xipe's. 

Das  tlauhquecholtzontli  besteht  aus  einer  Krone  aus  den  schönen  karmoisin- 
rothen  Federn  des  rothen  Löffelreihers  (Platalea  ajaja  L.),  die  mit  Gold  besetzt 
ist  und  aus  der  ein  Busch  von  Quetzal  federn  herausragt.  Dazu  wird  ein  Wams 
getragen,  das  aus  denselben  rothen  Löffelreiherfedern  gefertigt  imd  am  unteren 
Rande  mit  goldenen  Anhängen  in  Gestalt  von  Steinmessern  besetzt  ist  (coztic 
teocuitlatl  initetecpayo),  ferner  das  grüne,  aus  Quetzalfedem  gefertigte  Zapote- 
röckchen  und  als  Rückendevise  (tlamamalli)  die  goldene  (mit  Gold  beschlagene 
oder  vergoldete)  Trommel.  Zu  dem  Wams  ein  Halsband  aus  grossen  Grünstein- 
oder Türkisperlen,  und  der  aus  getriebenem  Gold  gefertigte  anauayo  chimalli. 
Das  ebenfalls  aus  getriebenem  Golde  gefertigte  tlaca  naualli  Xipe's,  eine 
grosse  glänzende  Scheibe,  die  auf  der  Brust  getragen  wurde,  ist  hier  imSahagun 
bei  der  Beschreibung  des  tlauhquecholtzontli  nicht  genannt,  aber  in  der  oben 
citirten  Stelle  des  Tezozomoc,  wo  die  Rüstung  des  Königs  Axayacatl  genannt 
wird,  ist  darauf  hingedeutet,  indem  diese  als  „una  divisa  de  oro  llamada 
teocuitla   tontec   con   iina  ave  encima  de  el  tlauhquechol"  beschrieben  wird. 


1)  „Das  Tonalamatl  der  Aubin'schen  Saramlmig"  a.  a.  0.  S.  657 — 669  und  «Ein  Kapitel 
aus  dem  Geschichtswerk  des  P.  Sahagun"  a.  a.  0.  S.  145—147. 


(134) 

Und  beim  xinhtototzontli  ist,  wie  wir  gleich  sehen  werden,  auch  im  Sahagun 
das  tlacanaualli  ausdrücklich  angegeben. 

Das  xiuhtototzontli  war,  wie  der  Name  besagt,  aus  den  türkisfarbenen 
Federn')  des  xiuhtototl,  des  blauen  Kotinga,  gefertigt,  mit  Gold  verziert  und 
mit  einem  wallenden  Busch  von  Quetzalfedern  versehen.  Es  war,  wie  hier  im  Text 
ausdrücklich  gesagt  ist,  eine  Krone,  die  auf  den  Kopf  gesetzt  wurde.  Es  wurde  dazu 
ein  Wams,  aus  denselben  hellblauen  Federn  gefertigt,  getragen  (xiuhtotoeuatl), 
das  am  unteren  Rande  ebenfalls  mit  goldenen  Steinmessern  besetzt  war.  Ferner 
das  Zapoteröckcben  und  das  goldene  tlacanaualli.  Als  Rückendevise  wurde  dazu 
eine  hellblau  angestrichene  und  mit  Gold  verzierte  Trommel  (xoxouhqui  ueuetl 
coztic  teocuitlayo)  getragen. 

Der  ocelototec  endlich  bestand  aus  einem  Tigerfell  (mit  zugehörigem  Kopfe), 
unten  ebenfalls  mit  goldenen  Steinmessern  besetzt.  Dazu  wurde  das  Zapoteröck- 
cben getragen  und  als  Rückendevise  eine  mit  Tigerfell  beschlagene  Trommel.  Als 
Schild  wurde  hierzu  —  und  vielleicht  ebenso  zu  dem  xiuhtototzontli,  —  ein 
teocuitlaxapo  chimalli  getragen,  d.h. 'ein  Schild,  dessen  Fläche  mit  einem 
Mosaik  aus  den  Federn  des  türkisfarbenen  Vogels  (xiuhtototl)  bedeckt  war,  mit 
einem  breiten  Goldreif  in  der  Mitte. 

Xipe  ist  die  nationale  Gottheit  der  Yopi,  einer  den  Zapoteken  und  Mixteken 
verwandten  Nation,  die  im  Gebiete  des  heutigen  Staates  Guerrero,  den  mexikanisch 
redenden  Couixca*)  benachbart,  wohnten.  Sie  wurden  auch  Tlapaneca,  ^di«' 
von  der  rothen  Farbe"  oder  „Bewohner  des  Rothlandes",  genannt,  weil  sie  sich 
roth  schminkten  und  ihre  Priester  und  ihr  Gott  roth  geschminkt  und  roth  gt»- 
kleidet  gingen.  Die  tIauhquecholtzontli-Devise,  die  rothe  Federkrone  und  das 
rothe  Federwams,  bilden  daher  das  eigentlichste  Kostüm  des  Gottes,  der  ja  auch 
„der  rothe  Tezcatlipoca"  genannt  ward.  Aber  die  mexikanischen  Gottheiten 
haben  alle  ein  doppeltes  Gesicht.  Der  rothe  Gott  ist  der  Feuergott,  der  oberste 
Himmelsgott.  Als  solcher  repräsentirt  er  nur  die  eine  Seite  des  Wesens  der  Gott- 
heit. Der  Gott  lässt  sich  auch  zur  Erde  hinab,  um  die  Erde  zu  befmchten.  Dann 
ist  er  der  „in  der  Wasserherberge  hausende",  der  in  Wolken  gehüllte,  der  in  d<T 
Luft  sein  Wesen  hat,  der  dunkle,  nächtige.  Daher  das  blaue  xiuhtototzonili 
und  das  xiuhtotoeuatl,    das  andere  Gewand,  das  dem  Gotte  ebenfalls  zu  Recht 


1)  In  dorn  spanisohon  Text  ist  fälschlich  von  ..plumas  verdes  cn  In^ar  de  caballera* 
die  Rede.  Xinitl  ist  der  Türkis,  dessen  mexikanische  Varietäten  (Calait)  allerdings  ein 
ins  Grünliche  ziehendes  helles  Hlan  aufweisen.  So  bedeutet  auch  xoionhqui  nicht,  vie 
fifcwöhnlich  angej^eben  wird,  «grün**,  sondern  ein  ins  Grünliche  ziehendes  helles  Blau. 
Xoxoctic  wird  im  Codex  Raniirez  als  Farbe  des  Gewandes  der  Wassergöttin  Chal- 
chiuhtlirue  angegeben,  das  man  in  Bilderschriften  ausnahmslos  hellblau  oder  mit  hell- 
blauen Wellenlinien  angegeben  findet.  Und  xoxouhqui  ist  die  helle  Farbe  des  HimmeR 
Der  xiuhtototl  endlich  ist.  wie  die  Beschreibung  dieses  Vogels  im  Bach  Sabagnn's 
erkennen  lässt,  der  blaue  Kotinga,  de>sen  Federn  Hr.  von  Hochstetter  ja  auch  in  dem 
Wiener  mexikanischen  Schmuck  eonstatirt  hat.  Die  unp'naue  Angabe  Sahagnn's,  der 
hier  von  ..pluma^  verdes  en  lugar  de  caballera"  spricht  und  auch  die  als  Rückendevise 
getragene  Trommel  als  .tambien  verde"  bezeichnet,  hat  mich  in  meiner  früheren  Arbeit 
verleitet,  die  (|uetzalpatzactli- Devise  mit  diesem  xiuhtototzontli  za  confnndiren. 
An  anderer  Stelle  übersetzt  Sahagun  das  Wort  xoxouhqui  richtig  mit  .axul**  (blau). 

2]  Couixca  selbst  ist  ein  zapotekisches  Wort,  wie  die  Vorsylbe  co,  die  im  Zapoteki- 
schen  ein  nomen  agentis  bezeichnet,  kundj^ebt.  In  Juan  de  Cordoba's  zapotekiscbeni 
Vocabular  findet  man  peni -hnijchi,  peni  -  cohuijchi  Mexirjino;  quela  -  huijrhi. 
quela-cuhuijch  i  lengua  o  babla  Mexirana. 


C1S5) 

L  f 


iiJlich        /    * 

:5  00 


yukammt.  Der  Galt  steigt  endlich 
auch  7U  den  Todten  hinab, 
Sonnenlmll  vorachwindet  hinter  (i 
Bergen,  dus  Licht  i 
Erdß  verschluckt  Dann  ist  der  Golt 
der  Tiger,  das  Thicr  der  Höhlen, 
der  in  der  Nacht  auf  Raub  ausgehl, 
derlnbcgrilT  todbringenderGewaltcn. 
Die  Tigorrüslung,  der  ocelotolcc, 
iüt  dnhor  die  dritic  der  Verkleidun- 
gen, in  der  die  Goltheil  erscheint 
Im  Himmel,  auf  der  Erde  und  in 
der  Unterwelt  hiit  Teiccatlipoca 
sein  Wesen,  berichten  die  Chro- 
nisten. Und  iils  Nachttt^r  sehen  wir 
ihn  im  Codex  Telleriano  Rcmcnsis 
H.  31  derErdgottin  Xochiquet/iil 
({egcntil)cr  diirgestellt. 

Als  um  die  Mitte  des  l").  Jahr- 
handcrts  das  mexikanische  Ge- 
meindewesen  unter  enei^ischeu 
Häuptlingen,  dem  alteren  Moteeuh- 
t;oma  und  AxayacatI,  sich'fester  zu- 

sammcnschloss,  die  Nachbarstadt  Tlaltclolco  angegliedert  und  der  Bund  zwischen 
den  drei  Stämmen  des  Vallc  de  Mexico,  den  Mexikanern,  den  Acolhua  und  den 
Tepanecii,  begründet  ward,  machte  sich  die  Kraft  des  Gemeinwesens  auch  nach 
ansäen  dnrch  weit  nach  dem  Osten  und  dem  Süden  gerührte  kriegerische  Expedi- 
tionen bemerkbar.  Tziuhcoue  und  Cuctiaxtlan  wurden  unterworfen,  das  im  Norden 
und  Süden  des  Toto nakeninn des  belegene  Gebiet  der  Goirküste.  Und  das  Gebiet 
der  Tinihuica  ond  (Touixca,  der  Landstreifen,  der  von  den  Bergen  im  Süden  des 
Thals  Ton  Mexico  hinab  zur  paciRschen  Küste  zieht,  wurde  unterthnn  gemacht. 
In  diese  Zeit  Hillt  auch,  wie  aas  einer  Angabe  im  Tezozomoc  mit  Bestimmtheit 
zu   entnehmen  ist,   die  Einführung  des  Cultus  Xipe's   oder  wenigstens  seine  all- 


(136) 

gemeinere,   staatliche  Verehrung.    Das  Wappen  Xipe's  —  d.  h.  sein  Schild   und 
seine  Handfahne  —  ist   daher   auch   auf  dem  Chimalii  =  Stein   von  Cuemavaca 
dargestellt  (Fig.  65),  der,  wie  ich  nachgewiesen  habe,  das  Datum  des  Regierungs- 
antrittes  des  Königs  Axayacatl   enthält*}.    Seit   der  Zeit   finden   sich  auch  in  der 
mexikanischen  Chronik  verschiedene  Angaben,  welche  beweisen,  dass  der  mexika- 
nische König  in  der  Schlacht  im  Kostüm  Xipe's  im  tlauhquechol-tontec,  mit 
der  Pederkrone   tlauhquecholtzontli   bekleidet,   erschien.    Und   wie   oben   er- 
wähnt,  wird    diese  Devise   im  Kapitel  91    auch  als  die  Rüstung  erwähnt,   welche 
ehemals  der  König  Axayacatl  trug.     Fig.  66  aus  Codex  Vaticanus  A.  128  zeigt  uns 
den  König  Motecuhi^oma  den  Jüngeren,    in  die  Tracht  Xipe's   gekleidet  und  mit 
der  Trommel  als  Rückendevise,  als  Sieger  über  Toluca  (im  Jahr  9  calli  =  A.  8. 1501). 
Als  Motecuh(joma   ist   diese  Figur   durch  die  Hieroglyphe  gekennzeichnet,   die  an 
dem  Kopfe  derselben  zu  sehen  ist,  —  eine  Königskrone  (xiuhuitzolli),  die  auch 
anderwärts  in  Hieroglyphen  den  Lautwerth  tecutli,  „König,  Fürst",  bezeichnet 

Der  Gott  Xipe  ist  in  der  Form,  in  welcher  er  in  der  Stadt  Mexico  gefeiert 
ward,  insbesondere  der  Repräsentant  des  Kampfes  und  des  Triumpfes  über  den 
Feind.  Die  erlesensten  und  tapfersten  unter  den  feindlichen  Kriegern  wurden  ihm 
geopfert,  das  Opfer  selbst  unter  Vorführung  eines  Kampfes  (Sacrificio  gladiatorio) 
vollzogen.  Es  ist  der  Feuergott  und  Schlachtengott  der  Tierra  caliente,  wohl  iden- 
tisch mit  dem  Cit-chac-coh  der  Maya,  dem  die  Krieger  Yucatan's  das  Pest  der 
Trommel  (pax)  feierten,  und  auch  in  den  Maya-Handschriften  erkennbar  in  der 
Figur  eines  in  gleicher  Weise,  wie  Xipe,  im  Gesicht  gezeichneten  Gottes,  dessen 
Hieroglyphe  von  Todessymbolen  und  von  dem  Bilde  des  Löwen  (des  Blitzthieres) 
und  des  Adlers  begleitet  erscheint.  Es  war  somit  eine  besondere  Schreckgestalt, 
die  der  König  annahm,  die  Verkleidung  eines  in  der  Schlacht  besonders  mächtigen 
Gottes,  wenn  der  mexikanische  König  und  Obei^eneral  in  der  Tracht  Xipe's  er- 
schien. Und  wenn  die  mexikanischen  Schaaren  zum  Angriff  vorgehen,  so  über- 
nimmt der  in  das  tlauhquecholtontec,  d.  h.  als  Xipe  gekleidete  Köuig  die 
Führung.  Er  lässt  das  „atamborcillo  dorado"  erklingen,  die  Trommel  Xipe's,  und 
schüttelt  von  Zeit  zu  Zeit  das  chicauaztli,  den  Rasselstab  Xipe's,  seine  Schaaren 
anfeuernd.  Und  diese  „gewinnen  dadurch  solchen  Muth,  dass  sie  gleich  Blitz- 
strahlen auf  die  Feinde  fallen  und  Alles  erschlagen.  Alte  und  Junge,  Männer  und 
Weiber  und  die  kleinen  Kinder,  die  Häuser  verbrennen  und  zum  Schluss  den 
Tempel,  so  dass  die  eroberte  Stadt  dem  Rauche  gleicht,  der  von  dem  Gipfel  des 
Vulkans  aufsteigt*)".  In  dieser  Stelle  des  Chronisten  ist  die  Bedeutung  dieser 
Verkleidung  und  der  Kriegerverkleidungen  überhaupt  aufs  Klarste  ausgesprochen. 
Es  war  ein  sehr  reeller  Zweck,  den  der  Krieger  verfolgte,  wenn  er  die  Gestalt 
dieses  und  jenes  Schreckbildes,  dieses  und  jenes  schlachtengewaltigen  Gottes  an- 
nahm. Und  dass  an  die  Wirksamkeit  dieser  Verkleidungen,  sowohl  hüben  wie 
drüben,  auf  mexikanischer,  wie  auf  feindlicher  Seite,  auf  das  Ernsthafteste  geglaubt 
wurde,  darüber  kann  nicht  der  geringste  Zweifel  bestehen. 

Das  „atamborcillo  dorado**  (coztic  teocuitla-ueuetl),  die  veiigoldete  Trommel, 
wurde  übrigens  nicht  bloss  zu  den  Xipe-Rüstuogen  getragen.  Ich  habe  oben 
schon  angeführt,  dass  sie  im  Sahagun-Manuskript  der  Academia  de  la  Historia  mit 
unter  den  Trachtstücken  von  Oberhäuptlingen  aufgeführt  ist  (oben  Fig.  61).  Und 
in  dem  Giro  del  mundo  von  Gemelli  Carreri  ist  der  König  Ne<^aualcoyotl  von 
Tetzcoco   abgebildet,    mit   dem   ueueti   als  Rückendevise,   aber  der  Kopf  ist  be- 

1)  Tonalamatl  der  Aubin'schen  Sammlung  1.  r.  p.  6G7. 

2)  Tezozomoc,  Crönico  mexicana  cap.  84. 


(137) 

kleidet  mit  einer  Art  Kappe,   in   der   zwei  '  - 

SpiDdeln  stecken,  und  der  Schild  enthalt 
eine  längliche  Figur,  wie  den  LängsachlilT 
einer  Muschel,  mit  einer  Vertiefung  in  der 
Mitte  (Pig.  C7).  Obwohl  dieses  Bild  späteren 
Ursprunges  ist,  liegt  ihm  doch  wohl  eine 
beslimnite  Tradition  zu  Grunde.  Gemelli 
Carreri  erhielt  sein  Material  yon  D.  Carlos 
Sigucnza  y  Gongora,  und  dieser  wieder 
hatte  seine  Papiere  und  Manuskripte  von 
den  Älvit  [xtlilxochitl,  den  Abkömmlingen 
der  tetzkokani sehen  Künigc,  geerbt.  Ist 
also  dieses  Bild  in  gewisser  Weise  als  authen- 
tisch zu  betrachten,  so  wUrde  daraus  folgen, 
dass  die  tetzkokani  sehen  RriegshüaptliDge 
die  auf  dem  Rtlcken  getragene  Trommel  mit 
Abzeichen  vereinten,  die  sie  als  in  die  Tracht 
der  Erdgöttin,  der  Teteoinnan  oder  Toci, 
gekleidet  erscheinen  liessen. 

Zqt  Vcr\-o II stand igung  des  oben  Auf- 
geführten erwähne  ich  noch  einige  Namen,  die  im  S ah agun- Manuskript  für  die 
Schilde  angegeben  werden,  welche  zu  den  oben  näher  eharukterisirten  Rüstungen 
getragen  wurden.  In  der  Tribntlislc  des  Codex  Mendoza  sind  hauptsächlich  zwei 
Arten  von  Schilden  gezeichnet:  die  Pig.  4,  welche  im  Sahagun  a.  a,  0.  als  quetzal- 
xlcalcoliahqui  chimalli  benannt  und  als  Trachtstück  von  Oberhäuptlingen  an- 
gegeben wird.  Und  die  Pig.  16,  die  im  Sahagun-Manuskript  der  Acudemia  de  la 
Historia  als  quetzalcuexyo  chimalli,  der  aus  Quetzalfedem  gefertigte  Schild 
von  Cuextlan,  d.  h.  wie  ihn  die  Cuexteca,  die  Uaxtekcn,  tragen,  bezeichnet  und 
ebenfalls  als  Trachtstück  von  Oberhäuptlingcn  angegeben  wird.  Zu  den  ersteren 
gehört  der  eine  der  beiden  Pedermosaikschilde  des  Stuttgarter  Museums  (t.  Hoch- 
stetter.  Altmexikanische  Reliquien.  Tafel  IV.  Pig.  2).  Und  eine  Abart  derselben 
(Pig.  68)  ist  im  Sahagun-Manuskript  der  Academia  de  ta  Historia  unter  dem  Namen 
ixcoliuhqui  chimalli,  als  TrachtslUck  von  Unterhäuptlingen,  angegeben.  Zu  ihnen 
gehört  vielleicht  der  andere  der  beiden  Pedermosaikschilde  des  Stuttgarter  Museums 
(v.  Hochstetter,  Altmexikanische  Reliquien.  Tafel  IV.  Pig.  I).  Eine  Abai-t  des 
quetzalcuexyo  chimalli  zeigt  die  Fig.  IT,  die  der  Tributliste  des  Codex  Men- 
doza entnommen  ist.  Bei  diesem  Schilde,  welcher  der  Rtistung  mit  der  silbernen 
Kappe  (Iztac-teocuitla-copilli)  beigegeben  ist,  sind  die  goldenen  Halbmonde 
des  quetzalcuexyo  chimalli  durch  Halbmonde  aus  Wasserlinien  ersetzt.  PUr 
den  Schild  Pig.  7  und  15,  der  in  der  Tributliste  als  Begleiter  der  cuextecatl- 
Devise  nnd  des  teocuitla-copilli  gezeichnet  ist,  Andc  ich  keinen  Namen  an- 
gegeben. Er  kommt  aber  in  dem  historischen  Theil  des  Codex  Telleriano  Remensis 
öfters  vor  und  ist,  da  er  ähnliche  dunkle  Streifen  zeigt,  wie  das  zum  cuextecatl 
getragene  Wams,  vielleicht  als  cuexteca  chimalli  zu  bezeichnen. 

Der  quauhtetepoyyo  (oder  quauhpacbiubqui)  chimalli,  Pig.  i6,  ist  im 
Sahagun-Manuskript  der  Academia  de  la  Historia  in  der  Pig.  69  gezeichnet.  Und 
sein  Genosse  ist  der  ocelo  tetepoyyo  chimalli  (Pig.  70).  Beide  werden  als 
Trachtstucke  von  Oberhäuptlingen  angegeben.  Der  teocuitlaxapo  chimalli 
(Fig.  75  und  Pig.  43),  ans  Federmosaik  bestehend,  mit  einem  breiten  Goldreif  (oder 
einer   durchbohrten  Goldscheibe)  In  der  Mitte,   scheint   dem  anauayo   chimalli 


(138) 


Xipe's  verwandt  zu  sein.  Er  wird  ebenfalls  als  Trachtstück  vob  Obcrhäuptlin^n 
angegeben.  Gemeinere  Abarten  desselben  sind  der  tlilxapo,  tlapalxapo  und 
texoxapo  eh i mall i  (Fig.  7G),  d.  h.  Schilde  mit  einer  schwarzen,  rothen  oder 
blauen  durchbohrten  Scheibe  in  der  Mitte.  Endlich  sind  noch  als  Trachtstticke 
von  Oberhäuptlingen  zu  nennen:  der  tozmiquizyo  chimalli  (Fig.  71)  mit  einem 
weissen  Todtenschädel  in  gelbem  Felde;  der  teocuitla-teteyo  chimalli  (Fig.  72) 
und  der  zweifarbige  quetzalpoztecqui  chimalli  (Fig.  73).  Letzterer  scheint, 
nach  dem  Codex  Tclleriano  Remensis  zu  ui*theilen,  von  den  Kriegern  von  Uexotzinco 
mit  Vorliebe  getragen  worden  zu  sein.  Der  iuiteteyo  chimalli  Uitzilopochtli's 
Ist  hier  merkwürdigerweise  unter  den  Trachtstücken  der  Untei  häuptlinge  aufgeführt, 
allerdings  ohne  Federbehang  am  unteren  Rande  (Fig.  77).  Sonst  sind  noch  als 
Trachtstücke  von  Unterhäuptlingen  der  weisse  texaxacallo  chimalli  (Fig.  7<h) 
genannt,  der  zu  dem  weissen  aztaeuatl  und  dem  aztapatzactii  getragen  winl, 
der  citlallo  chimalli  (Fig.  74\  der  iuitezc^ouhqui  chimalli  (Fig.  71)\  der 
macpal lo  chimalli  (Fig.  HO),  der  ohne  Zweifel  mit  dem  Schilde  identisch  ist, 
welchen  der  Krieger  des  Oelbildchens  der  Hilimek'schen  Sammlung  am  Arme  trägt: 
der  tez(;acanecuillo  chimalli  (Fig.  Ml),  der  auf  seiner  Fläche  das  Bild  des 
hauerartig  gekiümmten,  aus  einem  Meerschneckengehäuse  geschliffenen  Krie^er- 
lippenpflocks  (tezc^acanecuilli)  trägt.  Endlich  der  tlaauitectli  chimalli,  dessen 
Fläche  einfach  weiss  getüncht  erscheint. 

Ich  komme  nun  noch  einmal  auf  das  „Prachtstück  altmexikanischer  Feder- 
arbeit aus  der  Zeit  Montezuma's"  zurück,  das  im  Jahre  lH7s  von  dem  vei*storbonen 
Ferd.  von  Hochstetter  in  der  Ambraser  Sammlung  entdeckt  wurde,  und  da*, 
sorgsam  restaurirt,  gegenwärtig  eine  Hauptzierde  des  k.k.  Xaturhistorischen  Museums 
zu  Wien  bildet.  Hr.  von  Hochstetter  hatte  diesen  Schmuck  seiner  Zeit  al.s 
Banner  gedeutet,  ähnlich  der  oben  beschriebenen  Devise  des  Oelbildchens  der 
Bilimekschen  Sammlung.  In  neuerer  Zeit  aber  hat  Frau  Nuttall')  mit  grossem 
Eifer  eine  entgegengesetzte  Theorie  verfochten,  der  zufolge  der  genannte  Schmuck 
als  Kopfschmuck  anzusehen  sei.  Ich  hatte  in  meiner  früheren  Arbeit  insofern 
Stellung  zu  dieser  Frage  genommen,  als  ich.  ohne  mich  für  das  eine  oder  das 
andere  zu  entscheiden,  doch  die  Gründe,  auf  welche  Frau  Nuttall  ihre  Theorie 
stützte,  zurückweisen  zu  müssen  glaubte. 

Ich  bin  Frau  Nuttall  zunächst  eine  Rechtfertigung  schuldig.  In  meiner  Be- 
sprechung erwähnte  ich  den  Schmuck,  den  im  Atlas  zu  Du  ran  der  Gott  Uemac, 
das  ist  der  Quetzalcoatl  der  Mythen  von  Tollan,  auf  dem  Kopfe  trägt  (Fig.  Üt)^ 
und  fuhr  fort:  „dieser  Schmuck  scheint  in  der  That  über  der  Stirn  etwas  erhöht 
zu  sein,  ohne  dass  indess  der  mittlere  Theil  sich  irgendwie  an  den  Seiten  abs«»t/ie. 


1    Abhandlungen  des  K.  Zoolog,  u.  Anthropol.-Ethnol.  Mus.  Dresden  1H86.H7. 


(139) 

and  auch  ohne  die  Trennung,  die  der  Zeichner  der  Frau  Nuttall  in  dem  oberen 
Theile  zwischen  den  Fetlera  über  der  Stim  und  den  seithch  darnach  folgenden 
andeutet."  —  Ich  habe  selbstverständlich  diesen  Fehler  nur  nls  ein  Versehen  des 
Zeichners  aurgerasst  und  habe  mich  nachmalen  überzeugt,  das»  in  der  englischen 
Ausgabe')  dieser  Kopfschmuck  richtig,  d.  h.  ohne  Trennung  des  mittleren  Theils, 
gezeichnet  ist.  Fcnier  sagte  ich;  „In  Wirklichkeit  ist  ein  Kopfschmuck,  wie  ihn 
Frau  Nuttall  sich  vorstellt  (d.  h.  mit  besonders  abgesetztem  mittlerem  Thcil),  im 
Uehrigen  in  den  Bildermalercien  und  in  den  Illustrationen  der  Historiker,  und 
auch  in  dem  Auspntz  der  FigUrchen  nicht  zu  finden.''  Hier  habe  ich  zu  viel  ge- 
sagt. Frau  Nuttall  hat,  bei  der  vorjährigen  Tagung  des  internationalen  Ämeri- 
kanistencongresscs,  die  in  Paris  stattfand,  ans  einem  asttekischen  Manuskript,  das 
in  der  Bibliothek  zu  Florenz  aufbewahrt  wird,  ein  Bild  des  Oottes  Uitzilopochtli 
beigebracht,  bei  welchem  der  kroncnaitigc  Kopfschmuck  einen  besonders  abf;e- 
setzten  und  erhöhten  mittleren  Theil  erkennen  lässt,  genau  in  der  Art,  wie  es  uns 
iler  Wiener  Schmuck  vor  Augen  führt  (Vgl,  Pig,  83). 

Ferner  hat  Frau  Nnttnil  die  Muthmaassung  aufgestellt,  dnss  der  Federschmuck, 
den  in  der  Fig.  Hi  der  Gott  Ucmac  auf  dem  Kopfe  tragt,  als  quetKalspane- 
cayotl  zu  bezeichnen  sei,  —  ein  Name,  der  für  die  Fedcrarbeiton  der  Tolteken 
angegeben  wird.  Ich  hatte  in  meiner  früheren  Arbeit  diese  Bestimmung,  als  ein- 
fache und  auf  nichts  basirte  Muthmaassung,  zunächst  zurückweisen  zu  müssen  ge- 
glaubt und  es  für  unzulässig  erklärt,  -diese  Conjektur  als  Fundament  für  weitere 
Schlüsse  zu  benutzen.  Ich  muss  noch  heute  aufrecht  erhalten,  dass  Frau  Nuttall's 
Annahme  falsch  ist,  dass  apanccayotl  „der  allgemeine  Ausdruck  für  Insignien, 
mit  welchem  ihre  Trtiger  bekleidet  wurden  oder  welche  sie  in  irgend  einer  Weise 


umgaben",  gewesen  sei,  und  ebenso  muss  ich  ihre  Ableitung  des  Wortes  apa'necn- 
yotl  ron  dem  Zeitworte  apana,  „umbinden,  gürten",  für  unrichtig  erklären.  Aber 
ich  finde,  dass  der  Name  apanecayotl.  den  ich  als  Name  eines  bestimmten 
S  chmuckcs  fasse,  vielleicht  doch  auf  den  Schmuck  der  Pig.  8:!  anzuwenden  ist, 
weil  ich  in  den  Anales  de  Quauhtitlan  dieses  Wort  nls  Nume  für  den  Schmuck 
QuetzalcoatTs,  des  Priesterkönigs  der  Tolteken,  angegeben  finde.  Und  von 
diesem  Grunde  aus  ist  es  mir  auch  möglich,  der  Theorie  der  Frau  Xuttall,  dnss 


l)  Archapological  and  ethnnlogical  papprs  of  thf  Penlioily  yfnuf 
Bitj)  Vol.  I.  No.  I.    Cambridge  Mass.  1888. 


n  (Harvard  L'ui 


(140) 

die  Hieroglyphe  Fig.  84,  die  den  Namen  Apanecatl  wiedergiebt,  das  Element 
apanecayotl  enthalte,  in  gewisser  Weise  näher  zu  treten. 

Als  der  aus  seinem  Reiche  Tolhin  vertriebene  Quetzal  coatl,  —  so  wird  in 
den  Anales  de  Quauhtitlan  erzählt,  —  „an  den  Rand  des  Meeres"  (teo-a-pan 
ilhuiea-a-ten-co)  gelangte,  fing  er  an  zu  weinen  und  legte  das  Kostüm  ab,  mit 
welchem  er  bisher  geschmückt  war,  sein  apanecayotl  und  die  Türkismaske 
(xiuh-xayacatl),  um  sich  dann  an  dem  Orte,  „der  Tlatlayan  (Verbrennungs- 
stätte)  genannt  ward,  ins  Feuer  zu  stürzen". 

Hier  ist  also  apanecayotl  in  Verbindung  mit  einer  Türkismaske  als  Schmuck 
(itlatqui  mochichiuh)  Quetzalcoatl's  genannt.  Das  muss  uns  an  die  Be- 
schreibung erinnern,  die  im  letzten  Buche  des  Sahagun  von  den  Trachtstücken 
gegeben  wird,  welche  der  König  Motecuhcoma  dem  nahenden  Cortos,  den  er  als 
den  wiederkehrenden  Quetzalcoatl  betrachtete,  entgegenschickt,  —  „los  atavios 
sacerdotales  que  a  el  convienen:  —  primeramente  una  mäscara  labrada  de  musaico 
de  turquesas,  tenia  esta  labmda  de  las  mismas  piedras  una  culebra  doblada  y 
retorcida  cuyo  doblez  era  el  pico  de  la  nariz,  luego  se  dividia  la  cola  de  la  cabeza, 
y  la  cabeza  con  parte  del  cuerpo  iba  por  sobre  el  un  ojo  de  manera  que  hacia 
ceja,  y  la  cola  con  parte  del  cuerpo  iba  por  sobre  otro  ojo,  y  hacia  otra  ceja.  — 
Estaba  esta  mascara  engerida  en  una  Corona  alta  y  grande,  llena  de  plumas  ricas, 
largas  y  muy  hermosas,  de  manera  que,  poniendose  la  Corona  sobre  la  cabeza  se 
ponia  la  mascara  en  la  cara.  Wenn  wir  hier  in  der  aus  Türkismosaik  gearbeiteten 
Maske,  welche  ein  aus  den  Windungen  einer  Schlange  gebildetes  Gesicht  darstellt, 
den  oben  genannten  xiuhxayayatl  QuetzalcoatPs  zu  erkennen  haben,  so  ist 
es  in  der  That  das  Natürlichste,  anzunehmen,  dass  mit  dem  Worte  apaneca- 
yotl die  „Corona  alta  y  grande,  llena  de  plumas  ricas,  largas  y  muy  hermosas" 
bezeichnet  worden  sei,  die  an  dieser  Maske  befestigt  war,  mit  anderen  Worten,  dass 
apanecayotl  oder  quetzalapanecayotl  in  der  That  den  hohen  und  reichen 
Federkopfschmuck  des  Quetzalcoatl  von  Tula  bezeichnete.  Und  zu  dieser  An- 
nahme stimmt,  dass  im  ersten  Buch  des  Sahagun  das  quetzalapanecayotl  als 
Trachtstück  PainaTs  angegeben  ist,  und  zwar  in  Verbindung  mit  dem  Zeitworte 
on-tlalia  (contlaliticac,  „er  hat  es  angelegt"*,  „er  hat  es  aufgesetzt"),  das,  wenn 
es  auch  nicht  mit  Noth wendigkeit  „auf  den  Kopf  setzen"  bedeutet,  doch  sehr 
häufig  in  diesem  Sinne  gebraucht  wird. 

Was  für  eine  Art  von  Kopfschmuck  war  nun  aber  das  apanecayotl?  Eine 
gewisse  Wahrscheinlichkeit  spricht  dafür,  dass  es  ein  Kopfschmuck  gewesen  ist, 
ähnlich  dem,  welchen  die  Fig.  82  des  Atlas  zu  Du  ran  trägt.  Denn  er  entspricht 
ungefähr  der  vagen  Beschreibung,  die  in  der  eben  angeführten  Stelle  aus  Sahagun 
von  dem  mit  der  Türkismaske  verbundenen  Schmucke  Quetzal coatTs  gegeben 
wird,  üeberzeugende  Gründe  dafür  lassen  sich  aber  schwer  beibringen.  Die 
Fig.  S'2  ist  das  einzige  sicher  bezeugte  Bild  des  Gottes  üemac  oder  Quetzal- 
coatl von  Tula.  Die  Interpreten  identificiren  mit  dem  Quetzalcoatl  von  Tula 
einen  Gott  in  Coyotegestalt,  der  dem  vierten  der  zwanzig  Zeichen  des  Tonalamatl 
präsidirt.  Dieser  Gott  trägt  aber  in  den  Kalendern  des  Codex  Telleriano  Remonsis 
und  Vaticanus  A  nur  eine  einfache  Federkrone.  Nur  im  Codex  Borgia  ist  er  mit 
einem  eigenartigen  Federkopfschmuck  dargestellt  (vgl.  Fig.  85),  der  aber  mit  dem 
Schmuck  der  Figur  Duran's  wenig  Aehnlichkeit  hat,  vielmehr  Kopf  und  Schwanz 
des  rothen  Guacamayo  vorstellt. 

Das  Wort  apanecayotl  ist  nach  Art  der  Worte  mexicayotl,  anauaca- 
yotl  u.  A.  gebildet  und  bedeutet,  „was  den  Apaneca  eigenthümlich  ist",  d.  i.  den 
Leuten,  welche  äpan,   „an"  oder  „auf  dem  Wasser",  wohnen.    Dass  dieses  Wort 


(141) 

dosxb'lbc  bedeutet,  wie  Anauaque,  und  die  Bcwuhncr  der  KUslc  bezeichnet:  \ns- 
besondere  die  Maya-Bevölkernng  der  GolfkUste,  ist  mir  zweifeUos.  Denn  auch  der 
QuetzBlcoatl  von  Toltim  und  die  Tolteken  selbst  sind  an  der  Golfküste  zu 
Hause-  Die  letzteren  sind  Tielleichl  nur  ein  Namo  für  die  CultureinßUsse,  die  von 
der  konst-  und  gewerbreichen  Maya-Berölbcmng  der  Küste  ausgingen.  Nonoualca 
tepec,  d.  h.  „die  Stadt  der  Maya",  wird' in  den  Anales  de  Quauhtitlan  als  Ter- 
sammlungsort  der  Tolteken  ^nannt.  Wenn  ulso  irgendwo  eine  Urform  des  apa- 
necayotl  vorhanden  ist,  so  haben  wir  dieselbe  unter  den  Maya-Bewohnem  der 
Ktlste  ZD  suchen. 

E^  ist  eine  vielTach  wiederholte  Angabe,  dass  der  Gott,  den  die  Mexikaner 
unter  dem  Namen  Quetzalcontl  verehrten  und  dessen  Wiederkommen  von  Osten 
sie  erwarteten,  bei  den  Maya  Rukulcan  geheissen  habe.  Ich  glaube  das  Bild  des 
letzteren  Gottes  an  zwei  Stellen  der  Dresdener  Hondschrirt  und  an  einem  Paar  an- 
derer des  Codex  Tro  nachweisen  zu  können.  Interessant  ist  die  Fig.  88  aus  Codex 
Dresden  12,  in  der  nian  über  dem  Gesicht  des  Gottes,  als  Haske,  das  Gesicht  des 
Regengottes  sieht.  Denn  auch  die  oben  beschriebene  TUrkismaske  Qaetzalcoatl's 
ist  eine  Tlnloc-Maske.  Die  Pig.  87  aus  (Dodex  Dresden  4  zeigt  über  der  Stirn 
des  Gottes  einen  Edelstein  (Türkis)  und  von  demselben  weit  über  Nacken  und 
Rücken   herabrallend  einen  mächtigen  Federschmuck.    An  keiner  St4>lte  aber  sind 


diese  Figuren  mit  einem  Schmnck  bekleidet,  der  etwa  dem  der  Fiif.  83  gliche. 
öeberhaupt  sucht  man  anch  in  den  Maya  Handschriften  nach  einem  Kopfschmuck 
dieser  Form    vergebens.     Der  Schmuck    des  KricgHgottes  Fig.  89    bietet    nur    eine 


(142) 


sfhiiinbiiri'  A(.'hnlichkeit.  Denn  hier  ist  nur  mit  ciniT  i'iii Tuchen  Kedt-rkronc  tin 
hi-sondcrcr  Stirnschniack  verbunden,  ähnlich  dem,  welchen  in  Fig.  >iti  (aus  Codex 
Borgi»)  der  Feuergott  triijit.  Das  zeigt  die  Fig.  91  desüelliun  Kriepigottcs,  wo, 
slalt  der  Federkronc,  eine  Helnimuske  mit  diesem  Stiraschmuek  verbunden  )!>l. 
Dagegen  scheint  unter  den  Thonfiguren.  soweit  ich  Ans  Mnierial  bis  jetzt  zu  übci^ 
sehen  im  Stunde  hin,  eine  gunze  An/uhl  sich  zu  befinden,  deren  Koprschmvct. 
nach  dem  Schema  der  Fig.  82  gebildet  ist.  Ja  es  seheinen  in  der  Masse  der 
l^eTundenen  Sachen  Figuren,  die  mit  solchem  Sckmuck  bekleidet  sind,  besonders 
hiiuhg  XU  sein-  Fig.  1>3 — 96  sind  Figoren  der  Yucutan-^Hnuniung  des  Kgl  Maseurti» 
für  Völkerkunde.  Xumenllich  Fig.  9a  und  95  erinnern  sehr  an  den  Schmurk 
Fig.  82— ö'l.  Duss  aber  auch  die  anderen  in  dieses  Schemii  gehören,  wird  durch 
mancherlei  Uebergangsrormen  bewiesen.  Fij;.  93,  die  einem  Kelief  des  sogenannten 
Hallspielsaals  von  Chichen  itza  entnommen  ist,  zeigt  den  Midellheil  zwar  wenig 
erhöhl  und  sehwach  von  den  Seilenlheilen  abgesetzt,  dagegen  stimm!  die  ganze 
Form  des  Schmuckes  um  so  besser  mit  der  Fig.  82. 

Wenn  die  Fii:-  112  beweist,  dass  Schmucke  in  der  Art  der  Fig.  «2  im  Kflslcn- 
hinde  oder  von  den  Ciollern  des  Küstenlandes  getragen  wurden,  so  lassen  sich, 
glaube  ich,  auch  gewisse  Urilnde  anfuhren,  die  es  wahmcheinlich  machen,  dass 
genide  dem  Kukulcan  oder  dem  QuetzalcoatI  von  Tula  solche  Schmacki- 
zukamen.  Uekunnt  sind  die  Bilder  der  eingerollten  und  in  verschiedener  Weise 
mit  der  Figur  eines  Menschen  in  Uebireinslimmung  gebrachten  Schlange,  deren 
ganze  Oberfläche  mit  Federn  bedeckt  ist  und  aus  deren  geöfTnetem  Rachen  ein 
Mcngchcngestcht   hervorsichl.    Dass  diese  Ililder  Qnelzalcoat)  vorstellen  sollen. 


(Ud) 

ist  wohl  zweifellos.  Denn  verschiedentlich  erkennt  man  an  diesen  Bildern  das 
Ohrgehänge  und  den  Brustschmuck  des  Windgottes.  Schon  an  den  Steinbildern 
der  Federschlange  ist  ein  besonderer  Pederbusch  auf  dem  Scheitel  oder  auf  den 
Nüstern  der  Schlange  deutlich  erkennbar.  Klarer  ist  das  in  den  Bilderschriften 
zu  sehen.  Ich  möchte  nun  die  Figg.  94—96  für  homolog  halten.  Alle  drei  stellen 
männliche  Figuren  dar.  Fig.  95  und  96  haben  beide  in  der  linken  Hand  den 
Beutel  für  Räucherwerk.  Fig.  96  ausserdem  in  der  Rechten  ein  Steinmesser.  Also 
priesterliches  Handwerkzeug.  Bei  Fig.  94 — 96  ist  ein  Reptilrachen  als  Helmmaske 
deutlich  erkennbar.  Bei  Fig.  95  ist  ein  Rachen  nicht  erkennbar,  dafür  erinnert 
aber  der  längs  des  ganzen  Körpers  hinabziehende  Federschmuck  um  so  mehr  an 
die  Befiederung  der  Pederschlange.  Ich  möchte  den  in  der  Mitte  aufragenden 
Busch  als  demjenigen  entsprechend  ansehen,  der  von  dem  Scheitel  oder  den  Nüstern 
der  Federschlange  aufragt,  vlie  Seitentheile  für  Homologa  kammartig  den  Rücken 
hinabziehender  Federreihen. 

Wenn  alle  diese  Dinge  mehr  oder  minder  hypothetisch  bleiben,  so  wird  doch 
soviel  daraus  hervorgehen,  dass  ich  mich  aus  dem  Bereich  des  Möglichen  und 
Wahrscheinlichen  nicht  entferne,  wenn  ich  den  für  den  Federschmuck  des  Quetzal- 
coatl  von  Tula  angegebenen  Namen  apanecayotl  gerade  mit  dem  Schmuck  der 
Fig.  82  in  Zusammenhang  bringe.  Und  wiederum  stimmt  dazu,  dass  einerseits  im 
ersten  Buch  des  Sahagun  bei  Painal,  dem  Stellvertreter  und  Genossen  üitzilo- 
pochtli^s,  das  Wort  quetzalapanecayotl,  wie  es  scheint,  für  den  Kopfschmuck 
dieses  Gottes  angegeben  ist,  —  an  Stelle  des  sonst  für  diesen  Gott,  wie  für 
Uitzilopochtli  angegebenen  tozpolli,  —  andererseits  Frau  Nuttall  aus  dem 
Florentiner  aztekischen  Manuskript  das  Bild  Fig.  83  beibringt,  wo  der  Gott  Uitzi- 
lopochtli einen  Federschmuck  trägt,  der  unleugbare  Aehnlichkeit  mit  denen  der 
Fig.  82  und  92  hat.  —  Beiläufig  bemerke  ich,  dass  in  der  Fig.  83  der  Mitteltheil 
auf  seiner  Fläche  weisse  Kreise  in  blauem  Felde  zeigt,  ähnlich  wie  beim  citlallo 
chimalli,  Fig.  74,  so  dass  er  also,  wie  es  scheint,  dazu  bestimmt  ist,  das  Bild 
des  Himmels  wiederzugeben. 

Wenn  ich  nun  mit  Frau  Nuttall  darin  übereinstimme,  dass  auch  ich  den 
Namen  apanecayotl  auf  den  Schmuck  der  Fig.  8^,  den  Kopfschmuck  üemac- 
QuetzalcoatTs,  anwende,  so  muss  ich  doch  sehr  energisch  dagegen  Verwahrung 
einlegen,  dass  man  denselben  mit  der  Kolibri-Helmmaske  (uitzitzil-naualli) 
Uitzilopochtli's  und  Painal's,  mit  der  quetzalpatzactIi-Devise,  wie  sie 
der  tlatöani  pilli  des  Sahagun-Manuskripts  und  der  König  Ticoc  des  grossen 
Sonnensteins  auf  dem  Rücken  trägt,  und  der  rothen  Löffelreiherfederkrone  Xipe's, 
der  Kriegstracht  der  mexikanischen  Könige,  in  einen  Topf  werfe.  Wie  ich  den 
Namen  apanecayotl  nicht  als  generellen  Ausdruck,  sondern  als  Name  eines 
bestimmten  Schmuckes  fasse,  so  muss  ich  auch  den  Federschmuck  Uemac- 
Quetzalcoatrs  als  sui  generis  betrachten,  der  zwar  unter  umständen  von  den 
Göttern  Painal  und  Uitzilopochtli  getragen  wurde,  der  aber  deshalb  nicht 
mit  anderen,  auch  von  diesen  Göttern  getragenen  Devisen,  insbesondere  nicht  mit 
der  Kolibri-Helmmaske  (uitzitzil-naualli)  identisch  war. 

Wie  steht  es  nun  mit  dem  Wiener  Schmuck?  —  Dass  derselbe  in  der  Form 
Aehnlichkeit  hat  mit  dem  Kopfschmuck  der  Fig.  82,  dem  apanecayotl  (wie  ich 
mit  Frau  Nuttall  annehme),  wird  Niemand  leugnen.  Und  dass  die  All  der  Ver- 
steifungen vielleicht  dafür  spricht,  dass  er  als  Kopfschmuck  getragen  wurde,  will 
ich  meiner  verehrten  Collegin  gern  zugeben.  Auch  darin  mag  Frau  Nuttall  Recht 
haben,  dass  der  Wiener  Schmuck,  wenn  es  ein  Kopfschmuck  war,  der  aus  dem 
Valle  de  Mexico  stammte,    füglich  nur  von  dem  Idol  Uitzilopochtli's  oder  von 


(144) 

dem  lebenden  Stellvertreter  und  Nachfolger  desselben,  dem  mexikanischen  König, 
getragen  sein  konnte.  Trotzdem  mnss  ich  auch  heute  noch  aufrecht  erhalten, 
dass  mir  vor  der  Hand  die  alte  Deutung  als  Banner  noch  ebenso  berechtigt 
erscheint,  wie  die  neue  der  Prau  Nuttall.  Denn  das  Bilimek'sche  Bildchen  be- 
steht zu  Recht.  Sein  Urbild  liegt  in  dem  Manuskript  der  Aubin'schen  Samm- 
lung vor. 

Die  Herkunft  des  Wiener  Schmuckes  ist  dunkel  und  in  zerstörtem  Zustande 
liegt  er  vor.  Vielleicht  bringt  die  Folgezeit  noch  Thatsachen  ans  Licht,  die  es 
mir  ermöglichen,  mich  ganz  und  ungetheilt  zur  Ansicht  der  Prau  Nuttall  zu  be- 
kehren. Doch  sei  es  nun  ein  „mörischer  Hut",  sei  es  eine  Standarte,  jedenfalls 
hat  Pi'au  Nuttall  das  Verdienst,  eine  wichtige  Frage  angeregt  und  neue  That- 
sachen ans  Licht  gezogen  zu  haben.  Und  dass  der  Verlauf  der  Diskussion  nicht 
ganz  fruchtlos  geblieben  ist,  wird  ein  aufmerksamer  Leser  unserer  beiderseitigen 
Arbeiten  wohl  erkennen.  — 

Hr.  M.  Uhle  macht  folgende  Mittheilungen 

zur  Deutung  des  in  Wien  verwahrten  altmexikanischen  Feder8chmacke^i. 

Nachdem  Frau  Nuttall  1887  in  den  Abhandlungen  und  Berichten  des  K.  Zool. 
und  Anthrop.-Ethnogr.  Museums  zu  Dresden  Nr.  7*)  der  Neudeutung  des  be- 
rühmten Stückes  durch  F.  v.  Hochstettcr')  als  Standarte  entgegengetreten  war 
und  die  durch  die  älteste  Inventar-Aufnahme*)  als  „möhrischer*)  Huet"  gegebene 
Bestimmung  als  Kopfputz  (welche  nur  der  gelehrte  und  gewissenhafte  v  Sacken 
seitdem  —  1855  —  gebührend  wieder  geachtet)  durch  tiefere  wissenschaftliche 
Gründe  neu  zu  befestigen  gesucht  hatte,  hat  sich  Hr.  Sei  er  durch  eine  an  der  Arbeit 
der  Frau  Nuttall  geübte  Kritik  in  der  Sitzung  der  Gesellschaft  vom  19.  Januar 
1889  (Verhandl.  S.  63)  auf  die  Seite  von  Hochstetter's  gestellt  Nach  Herrn 
Sei  er' 8  scharf  geäusserter  Ansicht  (ebendas.  S.  69)  erscheint  ihm  durch  Frau 
NuttalTs  Ausführungen  v.  Hochstetter's  Deutung  gestützt,  statt  widerlegt  zu 
sein.  Prau  Nuttall  würde  also  durch  ihre  fleissige  Arbeit  das  Gegentheil  von 
dem  erreicht  haben,  was  sie  erreichen  wollte,  v.  Hochstetter's  an  sich  schon 
für  naive  Denker  verwunderliche  Deutung  gestützt,  statt  beseitigt  haben,  und  wenn 
ein  Forscher  von  der  Bedeutung  Hm.  Seler's  sein  Schwergewicht  zu  Gunsten 
einer,  wenn  auch  verwunderlichen  Deutung  mit  einsetzte,  so  konnte  angenommen 
werden,  dass  wohl  v.  Hochstetter  und  nicht  Frau  Nuttall  in  der  Deutung  Recht 
habe,  dass  die  kostbare  Reliquie  im  Wiener  Museum  trotz  der,  F.  v.  Hochstetter 
gegenüber  überlegenen  Kenntniss  mexikanischer  Dinge  auf  Seiten  der  Frau  NuttalL 
so  sonderbar  auch  dann  die  Form  des  Gegenstandes  erscheinen  musste,  eine 
Standarte  und  kein  Kopfputz  sei. 

Es  erschien  mir  unter  solchen  Umständen  nur  als  ein  Akt  der  Gerechtig- 
keit, wenn  ich  Fi-au  NuttalTs  Darlegungen  unabhängig  ftlr  mich  prüfte,  und  da 
diese    Prüfung   mich   zwang,    in   dem    wesentlichen  Ei^bniss,    dass   der  Wiener 

1)  Das  Prachtstück  altmexikanischer  Federarbeit  aus  der  Zeit  Mont«iQma's  im  Wiener 
Museum  von  Zelia  Nuttall. 

2)  F.  v.  Hochstetter,  üeber  mexikanische  Reliquien  aus  der  Zeit  Montesuma^B,  to 
Denkschriften  der  k.  k.  Acadeinie  der  Wissenschaften  zu  Wien,  Phil.-hisior.  Klasse  1884, 
Bd.  XXXV. 

3)  in  dem  Inventar  der  ehemaligen  Ambraser  Sammlung  vom  Jahre  15%. 

4,  .,Möliriöch''  in  den  ältesten  Katalogen  aller  Sammlungen  bei  Angaben  ans  diMcr 
Zeit  fast  immer  statt  ..indianisch''. 


(U5) 

Grcgenstand  eiöen  Kopfputz  darstellt,  mich  wieder  auf  Seite  der  Frau  Nuttall  zu 
stellen,  so  möchte  ich  mir  erlauben,  auch  Tor  der  Gesellschaft  unter  Vorlegung 
der  Gründe  diesen  Standpunkt  einzunehmen. 

Ferdinand  von  Hochstetter  hatte  in  einer  ausführlichen  Beschreibung  des 
Gegenstandes  gebührend  angegeben,  dass  an  der  Rückseite  des  Gegenstandes  ein 
Netz  sich  befunden  habe,  dessen  sackartige  Oeffnung  gerade  gross  genug  war,  um 
einen  Kopf  aufzunehmen.  Lassen  wir  v.  Hoch  stet  ter's  bedenklichen,  weil  nur 
zu  leicht  umzukehrenden  Schluss,  dass  die  „kapuzenartige  Oefifnung"  irrthtimlich 
die  AufiTassung  als  Kopfschmuck  herbeigeführt  habe,  bei  Seite,  so  hätte,  selbst 
ohne  auf  die  an  das  Vorhandene  knüpf  baren  Schlüsse  Rücksicht  zu  nehmen,  Herr 
Sei  er  (S.  63)  nicht  äussern  sollen,  dass  von  der  Befestigung  keine  Spur  mehr  vor- 
handen ist,  welche  bei  der  Entscheidung  der  Frage  über  die  Bestimmung  des 
Gegenstandes  mit  behülflich  sein  könnte.  Die  „kapuzenartige  Oeffnung,  gross 
genug,  um  einen  Kopf  aufzunehmen**,  bildet  ein  Moment  in  den  thatsächlichen 
Verhältnissen  des  Gegenstandes,  auf  welches  für  die  Ausdeutung  des  Gegenstandes 
Rücksicht  zu  nehmen,  Frau  Nuttall  sehr  wohl  berechtigt,  ja  verpflichtet  war. 
Gäbe  es  nicht  noch  gewichtigere  Gründe,  so  bildete  dieser  schon  einen  der  ge- 
wichtigsten^ den  Gegenstand  als  Kopfputz  anzusehen,  und  es  muss  als  unberechtigt 
angesehen  werden,  der  Schlussrichtung  v.  Hochstetter's  folgend,  einem  so  wich- 
tigen Umstände,  weder  für,  noch  wider,  eine  Beachtung  zu  schenken. 

Der  Auffassung  der  Frau  Nuttall,  dass  das  (vollständig  genau  nach  dem  Original 
hergestellte!)  Modell  vorzüglich  als  Kopfputz  dem  Kopf  sich  anpassen  lasse,  steht 
der  Befund  v.  Hochstetter*s,  welchen  Hr.  Seier  S.  64  erwähnt,  dass  der  Schmuck 
wegen  der  an  der  Rückseite  befindlichen  Versteifungen  nicht  als  Hut  zu  brauchen 
sei,    gegenüber.     Wer  kann    ermessen,   ob    von   Hochstetter   das   Experiment 
des  Anpassens   in  richtiger  Weise  angestellt  hat!     Wenn  er  nicht  sagte,   dass  die 
Versteifungen   hinderten,    so    müsste  angenommen  werden,    dass   der  Mangel   der 
Versteifungen  (weil  sie  nehmlich    am  Original  gebrochen  sind)    das  Gelingen    des 
Experiments   verwehrte.    Die  Versteifungen   selbst  aber  können,    in  mit  dem  Ge- 
lingen des  Experiments  durch  Frau  Nutt all  übereinstimmender  Weise,  wenn  man 
ihre  Wirkungen   theoretisch    prüft,    bei  recht   angestelltem  Experiment  nicht  wohl 
hinderlich   gewesen    sein.    Ausser   einer   dreitheiligen,    die  Mitte  sichernden  Ver- 
ästelung (Frau  Nuttall,  Taf.  I.  Fig.  Ib)    und   zwei    tangential   an    den  halbkreis- 
förmigen Ausschnitt  angeschmiegten,    nach  der  Mitte  zu  die  schmalen  Seitentheile 
des  Fächers  nicht  verlassenden  Querstäbchen,  besteht  die  Versteifung  ausschliess- 
lich aus  radial  gestellten  Stäben,  worin  der  Beweis  zu  finden  ist,  dass  der  Gegen- 
stand bestimmt  war,  in  seiner  Fläche  seitlich  gebogen  gebraucht  zu  werden.    Die 
radialen  Stäbe  schützten  nur  vor  einem  Zusammenklappen  der  inneren  Theile  mit 
den  äusseren.     Die  tangentialen  Stäbe  konnten,  da  sie  keine  den  inneren  Rand  in 
eine  bestimmte  Richtung  zwängende  Stützen  waren,    die  willkürliche,    einer  Kopf- 
rundung  entsprechende   Biegung    des    inneren   Randes   nicht   wohl   hindern.    Im 
Ganzen  begünstigten  sie  die  Abbiegung  der  schmäler  gebildeten  Seitentheile  nach 
hinten,  und  konnten  höchstens  die  Wirkung  äussern,  wenn  der  Gegenstand  einem 
Kopf  umgelegt   wurde,    die   der  Mitte   des  Fächers   nächst  gelegenen  Theile  der 
schmäleren  Seitenstücke   an   ihren    oberen  Enden   nach  aussen  zu  drängen,    dafür 
die  endigenden  äusseren  oberen  Ecken  der  Seitenstücke  um  so  mehr  einwärts  über- 
fallen zu  lassen,  wie  es  unter  Umständen  für  einen  derartigen  Kopfputz  besonders 
zweckmässig  gefunden  werden  konnte.    Es  scheint  demnach,   dass  auch  die  Ver- 
steifungen   in   der  Frage,    wozu   der  Gegenstand  gebraucht  worden  sein  kann,    in 
ganz    bestimmter  Weise   zu  Gunsten   der  Verwendung   als  Kopfputz   auszudeuten 

Verbandl.  der  Berl.  AnUirop.  Gesellscbaft  18:^1.  10 


(146) 

sind.  EUngegen  bedürfte  es  zur  Annahme  der  Standartendentung  nach  dem  Be- 
fand der  Versteifungen  einer  Anzahl  hypothetischer  besonderer  Voraussetzangen 
über  die  Art,  wie  der  Gegenstand  getragen  nnd  befestigt  worden  sein  könnte,  um 
diese  denkbar  erscheinen  zu  lassen. 

Einen  bindenden  Beweis  für  den  Werth  des  Wiener  Federschmuckes  als  Kopf- 
putz hatte  Frau  Nuttall  in  der  einem  aztekischen  Wanderer  Apanecatl  zugeschrie- 
benen Hieroglyphe  des  Ms.  Boturini  (bei  Frau  Nuttall  a  a.  0.  Taf.  I.  Fig.  9,  bei 
Hrn.  Sei  er  S.  64.  Fig.  1)  zu  erkennen  geglaubt,  —  einer  Hieroglyphe,  deren  Aehn- 
lichkeit  in  einem  Bestandtheil  mit  dem  Wiener  Federschmuck  erkannt  zu  haben, 
auch  Herr  Seier  der  Verfasserin  als  entschiedenes  Verdienst  angerechnet  hat 
(S.  67).  Folgerte  Frau  Nuttall  aus  der  Existenz  dieser  Hieroglyphe  auf  den 
Werth  des  Wiener  Federschmuckes  als  Kopfputz,  so  umgekehrt  Hr.  Sei  er  gerade 
auf  die  Geltung  als  Standarte.  Einige  der  von  Hrn.  Sei  er  vorgebrachten  Ein- 
würfe haben  sich  inzwischen  durch  neu  von  Frau  Nuttall  gefundene  Thatsachen 
selbst  widerlegt. 

Frau  Nuttall  schloss  aus  der  Kopfputzform  (halbkreisförmiger  Ausschnitt!  vgl. 
auch  die  Abbildung  des  Copilli  bei  Frau  Nuttal  1  Taf.  I.  Fig.  2)  in  dem  oberen 
Bestandtheil  genannter  Hieroglyphe  auf  Kopfputzwerth.  Mehrere  Stellen  in  Fra 
Bernardino  de  Sahagun's  Historia,  in  welchen  von  gewissen  Abzeichen  („Divisas") 
„Apanecayotl"  neben  Schilden  die  Rede  ist,  gaben  Frau  Nuttall  Veranlassung,  in 
diesen  Abzeichen  Kopfbedeckungen  zu  sehen  und  dieselben  mit  dem  oberen  Theil 
der  dem  Ausdruck  des  Namens  „Apanecatl"  dienenden  Hieroglyphe  in  Vorbindung 
zu  bringen.  Eüergegen  hatte  Hr.  Sei  er  1.  sachliche,  2.  hieroglyphisch-formale 
Gründe.  Das  Sachliche  hat  sich  durch  Frau  NuttalTs  und  auch  Hrn.  Seler^s 
neuere  Erfahrungen  schon  widerlegt.  Das  sachliche  Bedenken  war  folgendes:  Da 
die  Abzeichen  „Divisas"  „Apanecayotl"  bei  Sahagun  den  Schilden  gegenüber- 
gestellt sind,  sei  es  falsch,  in  ihnen  Kopfbedeckungen  und  nicht  die  den  Schilden 
als  Abzeichen  gegenüberstehenden  ganzen  Rüstungen  zu  sehen.  Wäre  der  Ein- 
wurf richtig,  so  wäre  die  Annahme  der  Frau  Nuttall,  der  obere  Theil  der  Hiero- 
glyphe drücke  einen  Kopfputz  aus,  unbegründet  gewesen.  Nun  hat  aber  schon 
Frau  Nuttall  in  einer  Mittheilung,  welche  sie  dem  Pariser  Congress  der  Ameri- 
kanisten 1890  übersandte,  darauf  hingewiesen,  dass  in  der  That  unter  den  Ge- 
schenken, welche  Montezuma  Cortes  übersandte,  eine  Corona  sich  befand,  welcher 
der  Name  „Apanecayotl"  zukam  (spanischer  und  dazu  correspondirender  Nahna- 
Text  von  Sahagun's  Historia  9.  Buch).  Andererseits  hat  Hr.  Seier  in  Veröffentl. 
aus  dem  Königl.  Museum  f.  Völkerkunde  1890,  I.  Heft  4  („Ein  Kapitel  aus  dem 
Geschichtswerk  des  Sahagun**)  S.  124  selbst  den  Ausspruch  gethan,  dass  „Quetzal- 
apanecayotl  Ausdruck  für  den  Kopfputz  des  Gottes  (Huitzilipochtli)  zu  sein  scheine". 
Ob  das  Recht,  Apanecayotl,  wie  Frau  Nuttall  thut,  als  einen  generellen  Ausdruck 
für  Federkopfschmuck  überhaupt  anzusehen,  erwiesen  ist,  kann  man  mit  Hm.  Sei  er 
(8.  68)  bezweifeln.  Doch  dies  ist  unwesentlich.  Es  berührt  nicht  die  Frage,  ob 
ein  einzelner  Kopfschmuck  unter  Umständen  als  ein  „Apanecayotl*^  angesprochen 
werden  darf. 

Es  bleiben  die  hieroglyphisch-formalen  Bedenken,  auf  welche  heute,  wie  1889, 
Hr.  Seier  Gewicht  legte. 

Es  ist  Hrn.  Sei  er  zuzugeben,  dass  die  Deutung,  nach  welcher  die  angeführte 
Hieroglyphe  des  Codex  Boturini  im  oberen  Theil  ein  Apanecayotl  aufweist,  womit 
der  ganze  Name  Apanecatl  genügend  zum  Ausdruck  gebracht  erscheinen  m&sste, 
nur  unter  der  Annahme  möglich  ist,  dass  das  untergeschriebene  „Atl*",  Wasser, 
keinen   selbständig   in    dem  Laut  der  Hieroglyphe  zum  Ausdruck  kommenden  Be- 


CU7) 

deutungswerth  hat,  also  als  ein  reines  Ergänzungszeichen  wirkt.  Nun  bestreite 
Hr.  Sei  er  (8.  68)  das  Vorkommen  der  Ergänzungszeichen  nicht  schlechthin.  Er 
erklärt  sie  nur  für  so  vereinzelt,  dass  sie  keiner  weit  hergeholten  und  yiele  un- 
sichere Elemente  aufweisenden  Erklärung  als  Stütze  dienen  könnten.  Er  bestreitet 
der  Deutung  blos  die  „besondere  Wahrscheinlichkeit",  keineswegs  die  Möglichkeit, 
alles  dies  aber  unter  der  Voraussetzung,  dass  der  Bedeutungswerth :  Kopfschmuck 
für  Apanecayotl  nicht  blos  ein  unsicherer,  sondern  sogar  anzuzweifelnder  sei. 
Durch  die  Festigung,  dass  Apanecayotl  wirklich  Ausdruck  für  Ropfschmucke  ist, 
erscheint  aber  die  &klärung  der  Hieroglyphe  mit  Zugrundelegung  von  „Apanecayotl" 
für  den  oberen  Theil  durchaus  nicht  mehr  so  weit  hergeholt  und  so  viele  un- 
sichere Elemente  aufweisend.  Dfe  Sicherheit,  mit  welcher  Hr.  Seier  ein  von 
FVau  Nuttall  angeführtes  Beispiel  ähnlicher  Anwendung  eines  Ergänzungszeichens 
(Acolhnacan,  dargestellt  durch  „Acolli",  Schulter,  und  „Atl",  Wasser,  a.  a.  0.  S.  64 
Pig.  10)  anders  deutet,  ist  jedenfalls  keine  grössere:  Acolhuacan  scheint  ihm,  wie 
atl,  mit  langem  An fangs-a  gesprochen,  und  dieser  Unterschied  gegenüber  „Acolli", 
Schulter,  mit  kurzem  Anfangs-a  (Accent  saltillo)  scheint  ihm  in  der  Hieroglyphe 
zum  Ausdruck  gebracht.  Also  auch  die  Beweise  gegen  die  Wirkung  von  Atl, 
Wasser,  in  der  Hieroglyphe  als  Ergänzungszeichen  sind  doch  recht  unsichere. 
Eine  Berechtigung,  ein  Zeichen  als  Ergänzungszeichen  für  eine  supponirte  Deutung 
in  Anspruch  zu  nehmen,  in  der  Weise,  wie  es  Frau  Nuttall  gethan  hat,  besteht 
also  zur  Zeit  und  ist  noch  nicht  genügend  angezweifelt  worden  *); 

Neben  die  Gründe  geilen  die  Deutung  der  Hieroglyphe  des  Codex  Boturini 
mit  dem  Werth  „Apanecayotl"  im  oberen  Theil,  stellte  Hr.  Sei  er  Gründe  für  eine 
Deutung  mit  Annahme  des  Werthes  pan  (also  Standarte,  pantli)  im  oberen  Theil. 
Er  schloss  (S.  67)  aus  dem  Parallelismus  der  Boturini  -  Hieroglyphe  mit  einer 
Hierogl3rphe  des  Ms.  Aubin  (1-  c.  S.  64  Fig.  2),  welche  beide  dem  Ausdruck  des 
Namens  „Apanecatl"  dienen,  beide  das  Zeichen  ätl,  Wasser,  untergeschrieben 
zeigen,  und  nur  von  einander  dadurch  abweichen,  dass  das  eine  den  bekannten 
iacherförmigen  Zierrath,  das  andere  die  Fahne  (pantli,  Banner,  also  ä-pan:  Apane- 
catl)  oben  zeigt,  —  dass  auch  der  Fächer  in  der  Boturini-Hieroglyphe  nur  ein  Banner, 
pantli  (A-pan:  Apanecatl),  natürlicher  Annahme  nach  darstelle. 

Allein  dieser  Schluss  hat  keine  hohe  Berechtigung.  Die  mexikanischen  Hiero- 
glyphen bieten  so  zahlreiche  Varianten  für  gleiche  Namen,  dass  ein  Recht,  aus 
ähnlicher  Constitution  zweier  Zeichen,  welche  Gleiches  ausdrücken,  auf  lautliche 
und  sachliche  Identität  auch  aller  ihrer  Bestandtheile  zu  schliessen,  stracks  zu 
leugnen  ist.  Es  wäre  tiberflüssig,  dafür  noch  Beispiele  bringen  zu  wollen.  Nur 
gegen  die  psychologische  Harmonie  der  beiden  Hieroglyphenschreiber,  dessen  des 
Codex  Boturini   und   dessen   des  Ms.  Aubin,   in   der  Wiedergabe   der  Namen  der 


1)  In  interessanter  Weise  fungirt  ätl,  Wasser,  wenn  nicht  überhaupt,  so  mindestens 
durch  seinen  Stellungswerth  als  Ergänzungszeichen  in  der  Hieroglyphe  für  Acolman,  wenn 
man  die  Hieroglyphe  für  Acolhuacan  daneben  betrachtet  (Hr.  Penafiel,  Nombres  geo- 
grÄficos  de  Mexico  1885  p.  46,  Atlas  Taf.  II).  Das  Zeichen  für  Atl,  Wasser,  das  bei 
„Acolhuacan"  (siehe  Verh.  1889,  S.  64,  Fig.  10)  der  Schulter  übergeschrieben  ist,  halbirt 
hier  den  dargestellten  Arm,  um  neben  „Schulter"  Acolli  auch  die  Hand  „maitl"  als  lautende 
Bestandtheile  des  Zeichens  zu  markiren. 

üebrigens  wird  „Atl",  Wasser,  als  lautlich  wirkender  Bestandtheil  in  den  Hieroglyphen 
für  „Acolhuacan"  und  „Acolman"  dadurch  unsicher,  dass  in  der  Hieroglyphe  fur-,Acol- 
nahnaC  (bei  Hm.  Penafiel  1.  c),  wo  in  dem  Zeichen  für  „um-herum"  ein  auf  die 
Schulter  („Acolli- ;  hinweisendes  Zeichen  schon  genügend  gegeben  ist,  auch  das  als  ä 
dehnend  angesehene  Zeichen  »Atl"  weggeblieben  ist. 

10* 


(U8) 

zusammenhängenden  Ileihe  der  4  aztekischen  Wanderer,  Quauhcouatl,  Apanecail, 
Tezcacoatl,  Chimalman,  aus  welcher  Hr.  Sei  er  auch  einen  Beweis  für  die  Wahr- 
scheinlichkeit des  Lautwerthes  „pantli",  Banner,  im  oberen  Theile  der  Boturini- 
Hieroglyphe  zu  schöpfen  scheint,  sei  entgegnet.  Hr.  Seier  sagt,  die  Hieroglyphen 
stimmten  in  beiden  Codices  für  den  1 .,  3.  und  4.  Namen  (also  wahrscheinlich  auch 
ftlr  den  2.).  Jedoch  die  angenommene  Harmonie  fehlt  auch  bei  dem  ersten  der 
Namen.  Der  Codex  Boturini  drückt  Quanhcoatl  durch  eine  „adler-(quauh"-)köpfige 
Schlange  („Coatl"),  das  Ms.  Aubin  durch  einen  schlangen-(„coatl"-)beköpften  Holz- 
klotz („quauitP)  aus.  Uebrigens  ist  das  Ms.  Aubin  jünger,  als  das  Ms.  Boturini, 
in  seinen  Hieroglyphen  auch  sonst  vereinzelt  brachylogischer,  selbst  die  Aus- 
führung der  Zeichen  darin  nicht  sehr  schön.  I^elleicht  steht  die  Hieroglyphe  de« 
Codex  Boturini  mit  ^Apanecayotl",  für  „ApanecatI",  an  inhaltlicher  Genauigkeit 
ähnlich  über  der  Hieroglyphe  des  Ms.  Aubin  „Apan"  für  „ApanecatI".  Jedenfalls 
hat  die  Fahne  „pantli"  in  der  Hieroglyphe  des  Ms.  Aubin  nichts  Verbindendes 
für  die  Annahme,  dass  auch  in  der  entsprechenden  Hieroglyphe  des  Codex  Boturini 
der  abweichend  dargestellte  und  in  keiner  Weise  unmittelbar  als  Banner  an- 
zusprechende obere  Theil  der  Hierogl3^he  ein  Banner  veiTgegenwärtigt.  Dazu 
kommt  nun  noch  folgende  Erwägung.  Die  verschiedenen  ßannerabzeichen  hatten, 
wie  wir  z.  B.  aus  Sahagun  wissen,  verschiedene  Namen.  Das  einfache  Banner, 
dessen  Bild  darum  auch  gut  für  den  generellen  Ausdruck  für  Banner  stehen  kann, 
ist  die  Fahne  pantli.  Sie  ist  ein  so  einfaches  Zeichen  und  gezeichnet  frei  von 
der  Gefahr  der  Missverständlichkeit,  dass  nie  und  in  keiner  Weise  für  einen 
mexikanischen  Hieroglyphenschreiber  ein  Grund  vorliegen  konnte,  beliebig,  also 
nach  Laune,  nach  einem  anderen,  ein  Banner  unter  Umständen  vergegenwärtigenden 
Zeichen  zu  greifen,  um  den  Laut  des  einfachen  Banners  „pantli"  zu  erzeugen. 
Ein  ungewöhnliches  Banner,  wie  das  in  der  Hieroglyphe  des  Codex  Boturini  ver- 
suchter Annahme  nach  vorliegende,  würde  sicher  einen  abweichenden,  in  die 
Hieroglyphe  darum  nicht  passenden  Laut  erzeugt  haben,  ganz  abgesehen  davon, 
dass  es  unter  Umständen,  wie  das  in  der  Boturini-Hieroglyphe  vorliegende,  miss- 
verständlich werden  konnte.  Gerade  der  Umstand,  dass  der  obere  Theil  in  der 
Boturini-Hieroglyphe  nicht  mit  der  gewöhnlich  und  regelmässig  für  die  Silbe  ^pan** 
angewandten  Form  eines  Banners  ., pantli"  stimmt,  berechtigt  und  muss  bestimmen, 
einen  anderen,  nicht  mit  dem  Begriff  „Banner'^  zusammenhängenden  Lautwerth  fOr 
diesen  Theil  des  Zeichens  aufzusuchen,  in  der  Weise,  wie  es  durch  Frau  Nuttall 
geschehen  ist.  So  weist  also  die  Hieroglyphe,  trotz  Hm.  Seler's  18K9  geäusserter 
Ansicht,  selbst  darauf  hin,  in  ihrem  oberen  Theile  einen  anderen  Ausdruck,  als 
einen  für  „Banner^,  zu  vermuthcn.  Dass  dies  dann  einer  für  Kopfputz  (gemäss 
dem  halbkreisrörmigen  Ausschnitt  und  dem  Vorkommen  des  Lautwerthes  „Apanc- 
cayotl"  für  Kopfzierden),  also  der  Laut  „Apanecayotl"  sein  muss,  scheint  mir 
zweifellos.  Gegen  die  Hypothese  von  Frau  Nuttall,  der  obere  Theil  der  Boturini- 
Hieroglyphe  stolh  ein  Apanecayotl,  einen  Kopfschinuck,  dar,  scheint  sich  darnach 
nichts  Begründetes  einwenden  zu  lassen. 

Was  F.  V.  Hochstetter  veranlasste,  den  Wiener  Federschmuck  als  Standarte 
anzusprechen,  war  das  ihm  unter  die  Hände  gerathene,  nach  seiner  eigenen  Auf- 
fassung etwa  zwischen  IBsO  und  17.'U)  (also  160— 200  Jahre  nach  der  Entdeckung!) 
entstandene  Bild  der  nach  Wien  gelangten  Biliraekschen  Sammlung  (Denkschriften 
a.  a.  0.  Taf.,  Frau  Nuttall  1.  c.  Taf.  I,  Fig.  r>),  auf  welchem  in  ganz  vereinzelter  Weise 
ein  derartiger  Fächer  standartenartig  angejreben  ist.  Die  Begründung  F.  v.  Hoch- 
stetter's  für  seine  Deutung  im  Anschluss  an  dieses  Bild  war  eine  wenig  ein- 
gehende.    Dem  Beweise   aus   diesem  Bilde   hatte  Hr.  Sei  er   den   aus  der  Hiero- 


(149) 

glyphe  des  Codex  Boturini  neu  geschöpften  zug:efügt,  welcher,  wie  wir  gesehen, 
nicht  stichhaltig  ist.  Dem  Biliraek'schen  Bilde  hatte  Hr.  Seier  wegen  seines 
augenscheinlich  späten  Ursprungs  nur  beschränkte  Beweiskraft  zugemessen  (Verh. 
S.  68).  Heute  theiltc  er  allerdings  mit,  dass  es  ihm  vor  Kurzem  bei  einer  An- 
wesenheit in  Paris  gelungen  sei,  zu  dem  Bilimek'schen  Bilde  das  ältere  Original 
desselben  (welches  einen  höheren  Beweiswerth  wohl  besitzen  könnte)  aufzufinden. 
Allein  dieses  Original  liegt  •öfiTentlich,  durch  Hm.  Sei  er' s  Bemühung,  noch  nicht 
vor.  So  lange  es  noch  nicht  vorliegt,  nicht  einmal  näher  beschrieben,  bloss  als 
existirend  behauptet  ist,  wird  man  zweifeln  dürfen,  dass  es  diejenigen  Stützen 
dem  zur  Zeit  allein  vorliegenden  Bilimek'schen  Bilde  gewährt,  durch  welche  dieses 
an  seinen  schwachen  Punkten  für  die  vorliegende  Frage  beweiskräftiger  würde. 

Frau  Nuttall  hatte  das  Bilimek  sehe  Bild  als  Beweis  standartenartigen  Gebrauches 
des  Wiener  Federschmuckes  in  der  Form  zu  entkräften  gesucht,  dass  sie  die  hinter 
dem  Kopf  des  Kriegers  sichtbare  Standarte  sinnbildlich,  als  Hieroglyphe,  erklärte. 
Hm.  Sei  er  pflichte  ich  unumwunden  bei  darin,  dass  er  die  Berechtigung,  diesen 
Gegenstand  nur  sinnbildlich  zu  nehmen,  bestreitet.  Denn  ich  trete  ihm  darin 
bei,  dass  die  sinnbildliche  Deutung  der  hinter  dem  Krieger  sichtbaren  Gegen- 
stände in  dieser  Art  dem  widerstreitet,  was  über  die  Verwendung  hieroglyphischer 
Bilder  bekannt  ist.  Aber  mit  dem  Zugeständniss  an  Hm.  Sei  er,  dass  der  fächer- 
förmige Gegenstand  in  dem  Bilimek'schen  Bild  kein  blosses  hieroglyphisches  Sinn- 
bild ist,  sondern  eine  Standarte  sein  soll,  ist  noch  nicht  gesagt,  dass  diese  Dar- 
stellung einer  Standarte  eine  auch  für  Annahme  des  Vorkommens  ähnlicher  Standarten 
hinreichend  glaubwürdige  ist.  Sowohl  F.  v.  Hochstetter,  wie  Frau  Nuttall, 
haben  den  am  Kücken  des  Kriegers  sichtbaren  parallelepipedischen  Gegenstand  für 
ein  Haus  angesehen.  Dieser  ist  eine  Art  Kasten,  an  welchem  dunkle,  unterschied- 
liche Thür-  und  Fensterausschnitte  deutlich  wahrzunehmen  sind.  Anstatt  sich, 
was  richtig  gewesen  wäre,  von  so  charakteristischen  Merkmalen  zur  Annahme  der 
Darstellung  eines  wirklichen  Hauses  leiten  zu  lassen,  leitete  Hr.  Sei  er  umgekehrt 
aus  der,  dem  gegenüber  nebensächlichen  Thatsache,  dass  „in  den  Bilderschriften 
und  noch  in  späten,  verderbten  Copien  das  Haus  in  übereinstimmender,  aber  anderer 
Weise"  wiedergegeben  wird,  ab,  dass  der  Gegenstand  nur  vermeintlich  ein  Haus 
und  aller  Wahrscheinlichkeit  nichts  weiter  sei,  als  eine  Art  Rückengestell,  welches 
zur  Befestigung  der  Standarte  diente.  Dass  der  Fertiger  des  Bildes  ein  Haus 
darzustellen  dachte,  ergiebt  auch  der  rothe  Fries  am  Hause,  welcher  rothen  fries- 
artigen Linien  an  zahlreichen  Hausbildcm  der  Bilderschriften  (vergl.  Frau  Nuttall 
Taf.  1  Fig.  10,  Pe  na  fiel,  1.  c.  Taf.  14:  „Huitznahuac^,  u.  a.)  entspricht.  Die 
Darstellung  des  Hauses  darf  also  in  dem  Gegenstand  nicht  bezweifelt  werden. 
Zugleich  aber  müsste  das  Haus  hier  der  Standarte  als  Traggestell  dienen.  Dieses 
Haus  als  Standartengestell  wäre  aber  das  einzige  Vorkommniss  der  Art  in  der  ge- 
sammten  bilderschriftlichen  Literatur  der  Mexicaner.  Vergleicht  man  die  sonstigen 
abbildlichen,  rost-  oder  gitterförmigen  Traggestelle  von  Standarten  (mehrere  Bei- 
spiele bei  Frau  Nuttall  Taf.  H  Fig.  8,  12,  23,  25,  27),  so  muss  man  sich  sagen, 
dass  auch  die  Hausform,  motivisch  auf  derartige  Standartentraggestelle  angewendet, 
bei  den  alten  Mexikanem  auf  jeden  Fall  höchst  widersinnig  erschienen  sein  müsste. 
Wie  das  Haus  als  Standartengestell  auf  den  Kücken  des  Kriegers  gekommen  ist, 
braucht  den  Kritiker  nicht  weiter  zu  beschäftigen.  Die  Thatsache,  dass  es  vorliegt, 
stempelt  aber  das  Bild  zu  einer  Erscheinung,  welches  des  Beimessens  irgend  einer 
Beweiskraft  in  kritischen  Fragen  so  unwürdig  ist,  dass  man  sich  mit  den  näheren 
Umständen  der  abgebildeten  Standarten  noch  näher  zu  beschäftigen  eigentlich  nicht 
nöthig    hätte.    Thatsache  ist  jedoch,   dass  die  Standarte  des  Bilimek*schen  Bildes 


(150) 

nach  dem  ungefähr  für  sie  anzunehmenden  Flächenraume  eine  der  grössten  ror- 
gekommenen  gewesen  sein  würde,  dabei  zugleich  wahrscheinlich  die  einzige,  welche 
mit  ihrer  breiten  gestreckten  Fläche  gerade  nach  vom  gekehrt  getragen  worden 
wäre.  Krieger,  welche  im  Kampf  stehen,  dürfen,  wenn  sie,  wie  es  bei  den 
Mexikanern  der  Fall  war,  ihr  Banner  selbst  führen,  keine  durch  seine  Grösse  oder 
Tragweise  im  Kampf  hinderliches  Banner  führen.  Dieser  praktische  Gesichtspunkt 
wäre  an  keinem  der  sonst  abbildlich  bekannten  Banner  allem  Anschein  nach  so 
wenig  beiücksichtigt,  als  an  dem  Banner  des  Bilimek'schen  Bildes. 

Das  Bild  kann  also  als  ernster  Beachtung  werthe  Instanz  für  standartenartigen 
Gebrauch  des  Wiener  Federschmuckes  kaum  weiter  betrachtet  werden. 

Die  Kritik  des  Hrn.  Sei  er  an  den  Darlegungen  Ton  Frau  Nuttall  war  eine 
rein  formale.  Es  wäre  aber  doch  wohl  berechtigt  gewesen,  mit  in  Erwägung  zu 
ziehen,  dass  ein  Gregenstand  fächerartiger  Form  mit  wesentlich  radialen  Ver- 
steifungen, die  dazu  so  dünn  sind,  dass  sie  sicheren  Widerstand  starkem  Wind 
nicht  entgegensetzen  konnten,  derartig  getragen,  wie  es  nach  dem  Bilimek'schen 
Bilde  der  Fall  sein  würde,  in  keiner  Weise  gedacht  werden  kann. 

Eigenthümlich  verwickelt  haben  sich  die  Beziehungen  zu  den  helroartigen 
Zierrathen  der  Tributlisten  dadurch  gestaltet,  dass  Hr.  Seier  seine  Auffassung  von 
letzteren  seit  seinen  Entgegnungen  vom  Jahre  188^,  wo  er  ihre  Aehnlichkeit  mit 
dem  Wiener  Federschmuck  nicht  anerkannte,  in  die  als  Standarten  verändert  hat, 
bei  welcher  ihm  die  Anerkennung  ihrer  Aehnlichkeit  mit  dem  Wiener  Feder- 
schmuck von  seinem  Standpunkt  aus  eigentlich  dienlich  sein  mUsste. 

Nach  Hrn.  Seier  (Verh.  1889,  S.  65)  hatte  der  Wiener  Gegenstand  mit  den 
helmartigen  Zierrathen  der  Tributlisten  des  Codex  Mendoza  (siehe  bei  Frau  Nuttall 
Taf.  II,  Fig.  7,  9,  10,  bei  Hrn.  Sei  er  S.  70,  Fig.  12  a,  b)  nichts  zu  thun,  da  diesen 
letzteren  der  stutzartige  Theil,  welcher  bei  ersterem  ein  so  wesentliches  Kenn- 
zeichen bildet,  abging.  Allein  Hr.  Seier  gab  sich  hier  den  Anschein,  als  habe  er 
in  einem  Kennzeichen,  welches  eigentlich  nur  die  Behauptung  der  Ranggleichheit 
der  Abzeichen  zu  treffen  geeignet  ist,  das  Mittel  gefunden,  die  Behauptung  auch 
der  allgemeinen  constructiven  Gleichheit  zu  widerlegen.  Der  Stutz  hat  für  die 
Frage  Wichtigkeit,  ob  der  Putz  von  einem  König  getragen  worden  ist,  nicht  jedoch 
für  die  Frage,  ob  der  Gegenstand  ein  Kopfputz  ist.  Sein  Vorhandensein  bertlhrt 
nicht  die  principieile  Construction  des  Gegenstandes.  Sieht  man  aber  auf  diese, 
also  auf  die  allgemeine  Form  ohne  den  Stutz,  so  ist  eine  engere  Uebereinstimmung, 
als  zwischen  dem  Wiener  Gregenstand  und  den  helmartigen  Zierden  der  Tribut- 
listen besteht,  kaum  denkbar.  Es  scheint  ein  hinreichender  Grund  darin  zu  liegen, 
diese  constructiv  homologen  Gegenstände  auch  ihrer  allgemeinen  Verwendungsart 
nach  für  gleichartig  zu  erklären. 

Das  Fehlen  der  Kappe,  welche  Hr.  Sei  er  für  die  helmartigen  Zierden  der 
Tributlisten  annahm,  genügt  nicht  als  Einwand  gegen  den  Gi^brauch  des  Wiener 
Federschmuckes  als  Kopfputz,  da  dieser  Gebrauch  auch  ohne  Vorhandensein  einer 
Kappe  denkbar  wäre,  oder  die  Kappe  auch  früher  vorhanden  gewesen  sein  könnte. 

Nun  hat  aber  Hr.  Sei  er  neuerdings  die  bisher  für  Helme  angesehenen  Zier- 
rathen der  Tributlisten  des  Codex  Mendoza  als  Banner  erklärt.  Nach  seiner  Auf- 
fassung sind  an  diesen  die  Standartengestelle  durch  eine  —  an  sich  ja  vielleicht 
denkbare  —  Willkür  der  Zeichner  nur  zufällig  weggelassen  worden.  Er  setzt 
diese  Helme  den  helmartigen  Standarten,  welche  in  einigen  Abbildungen  in  un- 
publicirten  Theilen  von  Handschriften  vorkommen  (siehe  z.  B.  den  3.  Krieger  in 
Fig.  2),  gleich,  was  natürlich  richtig  ist;  schreibt  ihnen  den  Namen  ^Quetzalpatzactli*^ 
oder  ^Patzactli^  zu,  wozu  auch  Wahrscheinlichkeitsgründe  vorliegen  dürften;   und 


(151) 

schreibt  dieaen  Zierrathen  auch  die  Bczeichnong  „Tzontli",  Haare,  zu  (man  ver- 
gleiche tlanhqDechol  tzontli  bei  Tezozomoc  und  Sahagan,  xiahtototzontU  und 
andere  mehr  bei  Sahagun),  womit  bei  Tezozomoc  ausdrücklich  an  einer 
Stelle  ein  Standarten  artig  getragener  Schmuck  gemeint  ist.  Die  dagegen 
sprechenden  Zeugnisse  des  Codes  Vaticanus  A  und  des  Atlas  von  Dnrän,  in 
welchen  derartige  Zierrathe  auf  Köpfen  von  Königen  erscheinen,  erklärt  er  als 
irrevalent,  weil  diese  Bilderwerke  ihres  immerhin  jüngeren  Entstehens  wegen  eine 
geringere  Anerkennung  verdienten. 

Da  ist  jedoch  gleich  einzuwenden,  ob  mnn  denn  mit  solcher  Leichtigkeit  in 
einem  solchen  Falle  über  die  in  anderen  Dingen  doch  immer  noch  werthvollen 
Autoritäten  dos  Atlas  von  Durän  und  des  Codex  Vaticanus  A  weggehen  darf! 
Aber  zugegeben,  es  bestünde  eine  solche  Berechtigung,  deren  nähere  Erörterung 
an  vorliegender  Stelle  zu  weit  abfiihren  wtii-dc,  so  scheint  gerade  der  Änsdmck 
„zontli",  „Haare",  welchen  Hr.  Seier  selbst  anf  die  „patzactli"  bezieht,  darauf 
hinzuweisen,  dasa  solche  Gegenstände  auch  als  Kopfschmuck  gebraucht  wurden, 
weil  man  sich  nur  unter  dieser  Voraussetzung  recht  erklaren  kann,  wie  der  Aus- 
druck „Haare"  (also  Scheinhaopthaare,  von  Federn  des  Tlauquechol,  des  Xiuhtototl) 
auf  einen  Gegenstand  anwendbar  war,  dessen  bannerartiger  Gebrauch  mit  den 
„Haaren"  des  Uenschen  gar  nichts  zu  thnn  gehabt  hätte  Hr.  Seier  hatte  früher 
(Verh.  1889,  S.  63)  selbst  den  Standpunkt  vertreten,  dass  die  einzelnen  Devisen 
bald  als  Kopfschmuck,  bald  als  Banner  gebraucht  wurden,  und  man  darf  ihm 
gern  auf  denselben  folgen '). 

Derselbe  erlaubt  die  Annahme,  dass  die  helmartigen  Zierden  der  Tributlisten 
ausser  als  Banner  auch  als  Kopfzietden  getragen  wurden.  Ja,  wenn  man  Figur  1 
bis  a  aus  der  Handschrift  dos  Sahagnn  (nach  gütiger  Mittheilung  von  Frau 
Nuttall)  betrachtet,  wo  ein  Gegenstand  einmal  (vom  1'.  Krieger,  Fig.  I)  als  Banner, 
das  andere  Mal  (vom  'i.  Krieger,  Fig.  2)  als  Kopfbedeckung,   Mütze,   getragen  ist, 

Ftgur  1.  Fignr  2.  Figur  8. 


und  nichts  anderes  zu  schliessen  ist,  als  dass  der  Gegenstand  eigentlich  eine 
Mütze  ist,  welche  daneben  auch  bannerartig  getragen  werden  konnte  (man  ver- 
gleiche  auch   breite  Hüte  in  Codex  Mendoza  Taf.  23  als  Kopfbedeckung,  Taf.  68 

1)  Wenn  man  auch  das  von  ihm  dufür  zuzweit  vurgebrachfe  Beispiel  (Vügul  ab 
Standarten-  und  als  Kopfachmuck-llniblpiii)  als  nicht  herpassend  ablehnen  musü.  Der 
Vogel  als  Slaadarlp  ist  ein  wirklicher  ausgestopfter  Vogel  (Teioiomnc),  der  Vojfel 
als  Kriegeranzug  ein  in  der  Form  eines  Krtegeraninges  nachgemachter. 


(152) 

Fig.  29,  bannerartig  getragen),  so  wird  man  es  für  möglich  zn  halten  haben,  daas 
abbildlich  und  nach  Angaben  Ton  Schriftstellern  Gegenstände  nor  als  Standarten 
vorliegen,  welche  eigentlich  keine  Standarten,  sondern  Kopfbedeckungen  sind,  und 
als  Standarten  nur  in  einem  bei  ihnen  vorkommenden  Nebengebrauche  vorkommen. 

Das  Vorkommen  von  gewissen  Gegenständen  nur  als  Standarten  schliesst  nicht 
aus,  dass  sie  unter  gewissen  Umstünden  das  Gegentheil  von  dem  sind,  was  sie 
zu  sein  scheinen,  dass  sie  Kopfbedeckungen  und  nicht  Standarten  sind.  Das  Bei- 
spiel der  Mützen  beweist  nehmlich  zugleich,  dass  man  es  bei  einer  Entscheidung 
über  die  begriffliche  Natur  gewisser  Gegenstände,  welche  in  zwei  Functionen,  als 
Kopfschmuck  und  als  Standarten,  erscheinen,  nicht  in  der  Unbestimmtheit  zu  lassen 
braucht,  welche  aus  dem  Vorkommen  in  zwei  Functionen  an  und  für  sich  viel- 
leicht hervorgehen  könnte.  Bieten  also  die  Erwähnungen  und  Abbildungen  der  helm- 
artigen Zierrathen  der  Tributlistcn  als  Standarten  keine  hinreichende  Garantie  dafür, 
dass  sie  nicht  vielleicht  doch  eigentlich  Kopfbedeckungen  darstellen,  und  enthält  die 
Bezeichnung  „Tzontli"  vielleicht  sogar  etwas  der  Deutung  als  Staudarten  Wider- 
sprechendes, so  sind  anscheinend  auch  die  Abbildungen  der  helmartigen  Zierrathen 
in  den  Tributlisten  nicht  frei  von  Hinweisen  darauf,  dass  sie  vielleicht  doch  besser 
als  llelme  angesehen  werden,  denn  als  Banner. 

Dass  die  bisher  als  Helme  angesehenen  Zierrathe  der  Tributlisten  und  kreis- 
theilförmige  Banner  in  denselben  grosse  allgemeine  Aehnlichkeit  mit  einander 
haben,  ist  jederzeit  anerkannt  worden.  Die  Kappe  ist  etwas  anders  geformt  bei 
den  „Helmen**,  als  bei  den  ^Standarten".  Darin  besteht  nicht  der  ganze  Unter- 
schied. Die  „Helme"  zeigen  durchgehend  einen  breiten  äusseren  Kranz  langer  frei- 
wallender Endfedern  an  einem  inneren  festen  Theile,  welcher  nur  die  halbe  radiale 
Breite  der  ganzen  radialen  Breite  des  Schmuckes  einnimmt  Die  entsprechenden 
Standarten  zeigen  jedoch  eine  fast  durch  den  ganzen  Schmuck  durchgehende  feste 
Wand.  Nur  eine  Anzahl  ganz  kurzer  Randfedcm  sind  dieser  Wand  peripherisch 
aufgesetzt.  Die  „Helme"  zeigen  in  den  lang  wallenden  peripherischen  Aussen- 
fedem  Uebereinstimmung  mit  zahlreichen  kronenartigen  Zierrathen  der  Bilder- 
schriften (man  vergleiche  bei  Frau  Nuttall  z.  B.:  Taf.  II,  Fig.  1,  19,  20,  ganz 
abgesehen  von  den  Helmabbildungen  des  Codex  Vaticanus  A  und  des  Atlas  von 
Dur  an).  Analoge  Uebereinstimmungen  der  kreistheilformigen  Banner  mit  kronen- 
artigen Zierrathen  fehlen.  Der  Umstand,  dass  gerade  die  Uebereinstimmung  vor- 
handen ist  bei  Gegenständen,  welche  auch  schon  wegen  des  Fehlens  der  Standarten- 
gestelle nur  mit  Znhülfenahme  besonderer  Voraussetzungen  für  Standarten  angesehen 
werden  könnten,  während  die  Standartengestelle  vorhanden  sind  bei  Gegenständen, 
welche,  auch  schon  ihrer  augenscheinlichen  sonstigen  Constrnction  nach,  im  Rahmen 
der  allgemeinen  mexikanischen  Erscheinungen  nicht  wohl  für  Kopfzierden  ge- 
halten werden  könnten,  scheint  darauf  hinzudeuten,  dass  jene  auch  wesentlich  etwas 
anderes  sind,  als  diese,  —  jene  in  der  That,  worauf  die  Art  der  Zeichnung  zu 
deuten  scheint,  Helme,  diese  Standarten. 

Aus  diesen  Gründen  würde  man  wohl  die  weitere  Entwicklung  der  Frage, 
ob  die  helmartigen  Zierrathe  der  Tributlisten  durchaus  Banner  sein  müssen,  ab- 
zuwarten haben,  ehe  man  genöthigt  werden  könnte,  auf  die  Unterstützung,  welche 
sie  der  Deutung  des  Wiener  Federschmuckes  als  Kopfschmuck  gewähren,  zu  ver- 
zichten. 

Uobrigens  ist  die  kreisviertelartige  Form  der  Standarten,  seien  nun  die  mit 
Standartengestellen  abgebildeten  (siehe  bei  Frau  Nuttall  Taf.  II  Fig.  8,  12,  23) 
allein,  oder  auch  die  ohne  Standartengestelle  abgebildeten  helmartigen  Zierden 
solche,    nach    der  Abnormität    dieser  Form   für  Standarten    und  ihrer  Aehnlichkeit 


(153) 

mit  Ropfsierden  im  Allgemeinen,  jedenfalls  auf  keiner  f^reien  Erfindung  dieser 
Form  für  Standarien  beruhend,  sondern  eine  aus  einer  Ropfschmuckform  abgeleitete. 
Damit  wtlrde  auch  das  Vorhandensein  der  ron  Hrn.  Sei  er  für  die  helmai-tigen 
Zierden  angenommenen  Rappe  stimmen.  Die  Beziehung  dieser  Form  auf  Kopf- 
zierden wird  man  daher  in  keiner  Weise  ganz  zu  beseitigen  im  Stande  sein. 
Dem  Anschein  nach  sind  die  helmartigen  Zierden  der  Tributlisten  ächte  Ropf- 
bedeckungen;  der  üebergang  der  reinen  Ropfschmuckform  in  die  reine  Standarten- 
form wäre  dagegen  am  deutlichsten  bei  der  Standarte  erkennbar,  welche  von  Frau 
Nuttall  Taf.  II  Fig.  23,  von  Hrn.  Sei  er  S.  76  abgebildet  ist,  da  hier  neben  der 
ausgeprägten  kreisviertelartigen  Ropfschmuckform  der  reine,  den  Gebrauch  als 
Ropfputz  vollständig  ausschliessende  Standartencharakter  am  klarsten  ersichtlich  ist. 

Sehen  wir  nun  in  den  verglichenen  helmartigen  Zierrathen  der  Tributlisten 
ihrer  wesentlichen  Natur  nach  Ropfzierden,  dem  praktischen  Gebrauche  nach  Gegen- 
stände, welche  sowohl  auf  dem  Ropfe,  wie  standartenartig  getragen  werden  konnten, 
so  braucht  doch  für  den  Wiener  Federschmuck,  wenn  wir  ihn  der  Analogie  nach 
für  einen  Ropfschmuck  halten,  nicht  auch, zugleich  zu  folgen,  dass  auch  er  stan- 
dartenartig getragen  irgendwo  vorkommen  musste.  Denn  der  Stutz  kennzeichnet 
ihn  als  das  Abzeichen  eines  besonderen  Amtes,  für  welches  erst  noch  in  be- 
sonderer Weise  nachgewiesen  werden  müsste,  dass  auch  seine  Verwalter  eventuell 
in  die  Lage  kamen,  ihr  Ropfputzabzeichen  als  Standarte  hinter  sich  tragen  zu 
müssen.  Gesetzt  aber  den  Fall,  der  Wiener  Federschmuck  wäre  als  Ropfputz 
auch  in  die  Lage  gekommen,  als  Standarte  getragen  zu  werden,  so  würde  er  nach 
allen  Analogien  der  standartenartig  getragenen  Helme,  und  der  aus  ihnen  ent- 
wickelten festen  kreisviertelartigen  Standarten  nicht  halbkreisförmig  entfaltet,  wie 
es  das  Bilimek'sche  Bild  andeutet,  sondern  kopfputzartig  (also  doppelt,  kreisviertel- 
artig)  zusammengefaltet  getragen  worden  sein.  Das  Bilimek'sche  Bild  behielte 
also  selbst  dann  nicht  Recht,  wenn  man  auch  nur  die  Möglichkeit  des  Tragens 
eines  Ropfschmuckes,  wie  des  Wiener,  in  der  Art  des  Bilimek'schen  Bildes  ins 
Auge  fassen  wollte. 

Es  ist  ja  recht  verdienstlich,  dass  Hr.  Sei  er  auf  die  Aehnlichkeit  der  Ropf- 
bekleidung  an  der  Abbildung  eines  am  Xocotl  (Hist.  de  la  Indias  de  N.  Esp.  1867, 
Atlas:  Trat.  2  lam  8  cap.  12  fig.  b)  hingewiesen  hat.  Nur  sollte  er  bemerkt  haben, 
dass  es  sich  in  der  Abbildung  nicht  um  eine  Vogel-,  sondern  um  eine  Fledermaus- 
Verkleidung  handelt,  welche  ja  nach  dem  Texte  Dur  an 's  (1.  c.  II  168)  an  diesem 
Feste  neben  der  Vogelverkleidung  üblich  war,  und  speciell  in  der  Abbildung  an 
den  Ohren  (bei  Hrn.  Sei  er  auch  an  den  Zähnen)  und  den  Flughäuten  des  Thieres 
(unter  den  Armen  des  Tänzers)  sichtbar  ist.  Ob  die,  in  der  von  Hrn.  Sei  er  an- 
geführten Sahagun-Stelle  angedeuteten,  vogelartigen  Bekleidungen  der  Röpfe  von 
tanzenden  Rönigen  (S.  65)  dem  Wiener  Federschmuck  in  bedeutsamer  Weise 
ähnlich  waren,  muss  deshalb  als  fraglich  erscheinen,  weil  daran  die  Schwanzfedern 
des  Vogels  herabhängend,  die  Flügel  aber  hörnerartig  aufragend  geschildert  sind, 
was  beides  mit  dem  Wiener  Ropfschmuck  nicht  stimmen  würde. 

Gesetzt  aber,  der  Wiener  Federschmuck  wäre  eine  derartige  Vogelmaske,  was 
Hr.  Sei  er  zulassen  würde,  um  daraus  zu  folgern,  dass  der  Gegenstand  kein  Ropf- 
putz sei,  wohl  aber  als  Maske  auch  bannerartig  gebraucht  sein  könne,  so  ist  ein- 
zuwenden, dass  damit  dennoch  die  specifische  Natur  des  Gegenstandes  als  Ropf- 
bedeckung  von  Hm.  Sei  er  selbst  aufgestellt  wäre,  wogegen  die  angenommene 
gelegentliche  Verwendung  als  Banner  dabei  wieder  streitig  wäre.  Denn  es  fehlt 
an  hinreichenden  Beweisen  dafür,  dass  wirkliche  Masken  emblemartig  am  Nacken 


(154) 

getragen  wurden,  wie  auch  das  Vorkommen  ähnlicher  Masken,  bannerartig  am 
Rücken  getragen,  durchaus  hypothetisch  wäre. 

Die  vorausgehenden  Erörterungen  zeitigen  das  Ergebniss,  dass  die  Hieroglyphe 
des  Ms.  Boturini  für  den  Namen  Apanecatl  als  Unterstützung  für  den  Gebrauch 
des  Wiener  Federschmuckes  als  Kopfschmuck  in  Anspruch  genommen  werden 
darf,  dass  das  Bilimek'sche  Bild  als  Beweis  für  standartenartigen  Gebrauch  des 
Wiener  Federschmuckes  keines  hinreichenden  Vertrauens  würdig  ist,  dass  die 
helmartigen  Zierden  der  Tributlisten  trotz  des  Einspruches  ron  Hm.  Sei  er  ver- 
muthlich  doch  Helme,  nicht  Banner  sind,  und  als  Unterstützung  für  den  kopfputz- 
artigen Gebrauch  des  Wiener  Federschmuckes  ihrer  constructiven  Analogie  wegen 
wohl  noch  niemals  in  Anspruch  genommen  werden  dürfen,  und  dass  in  gewissen 
maskenartigen  Verkleidungen  wohl  einige  vergleichbare  Aehnlichkeiten  vorgekommen 
zu  sein  scheinen,  nicht  jedoch  hinreichende,  um  den  Wiener  Federschmuck  selbst 
als  Maske  bestimmen  zu  müssen,  ganz  abgesehen  davon,  dass  er  selbst  dann  als 
Kopfbedeckung,  statt  als  standartenartigen  Charakters  er\i'iesen  wäre. 

In  der  ersten  Hauptfrage,  ob  der  Wiener  Federschmuck  als  Kopfbedeckung 
oder  als  Standarte  anzusehen  sei,  dürfte  demnach  Frau  Nuttall  im  Rechte  sein, 
gegenüber  F.  v.  Hochstctter  und  dem  Vertheidiger  seiner  Ansicht,  Hm.  Sei  er. 
Der  Wiener  Federschmuck  ist  ein  Kopfschmuck,  keine  Standarte,  seiner  con- 
structiven Natur  und  Verwendung  nach  (siehe  Fig.  3). 

Es  darf  nicht  verschwiegen  werden,  dass  die  Stützen,  welche  Frau  Nuttall 
dann  für  ihre  Ansicht  vorbrachte,  der  Kopfputz  sei  von  Montezuma,  als  Kriegsfürst 
und  als  Hohepriester  Huitzilipochtli's,  selbst  getragen  worden,  auch  mir  nicht  als 
zwingende  erschienen  sind.  Der  Vogelschnabel  erscheint  auf  dem  Tizoc-Steine 
auch  an  den  Kopfzierden  der  Krieger,  der  den  König  Tizoc  begleitenden  Krieger, 
ebenso  führt  ihn  die  Göttin  Xochiquetzal  (bei  Frau  Nuttall  Taf.  II  Fig.  19)  an 
ihrem  Hauptschmuck;  der  Stutz  wird  als  Abzeichen  der  königlichen  Kriegshelme, 
wenn  je,  vielleicht  nur  mit  grosser  Mühe  nachgewiesen  werden  können;  dass  der 
König  Montezuma  in  der  Schlacht  den  Gott  Huitzilipochtli  durch  seine  Tracht 
zu  verkörpern  gesucht  habe,  dürfte  kaum  je  zureichend  begründet  werden  können, 
und  ob  ihm  ausser  der  Schlacht,  eventuell  in  gottesdienstlichen  Handlungen,  das 
Recht  zustand,  in  der  Tracht  diesen  Gott  zu  verkörpern,  könnte  vielleicht  einmal 
nachgewiesen  werden,  —  es  wäre  in  jeder  Hinsicht  interessant,  wenn  es  Frau 
Nuttall  gelänge,  —  jedenfalls  ist  es  zureichend  von  ihr  noch  nicht  erwiesen.  Von 
hohem  Interesse,  und  als  möglicherweise  vollständig  richtig,  erscheinen  ihre  An- 
führangen  für  die  Geltung  des  blau-rothen  Streifes  an  Kopfzierden  als  Abzeichen- 
farbe der  Könige  oder  überhaupt  höchstgestellter  Personen.  Anzunehmen  aber, 
dass  darnach  ausser  den  Königen  nicht  auch  z.  B.  verschiedene  Götter  und  deren 
Hohenpriester  mit  dem  blau-rothen  Streifen  am  Kopfputz  geehrt  worden  sein 
könnten,  scheint  mir  gleichfalls  unberechtigt.  Jedoch  alle  solche  Bedenken,  welche 
man  gegenüber  den  Ausführungen  der  Frau  Nattall  über  den  Rangwerth  des  Wiener 
Federschmuckes  haben  könnte,  haben  sich  durch  Frau  NuttalTs  hohes  eigenes 
Verdienst  erledigt,  indem  es  ihr  gelungen  ist,  in  dem  von  ihr  neogefundenen  Codex 
anonimo  der  Florentiner  Bibliothek  (dessen  Herausgabe  auch  ihrem  hochschätzens- 
werthen  wissenschaftlichen  Eifer  verdankt  werden  soll)  eine  Abbildung  des  GotU*s 
Huitzilipochtli  aufzufinden,  welche  einen  in  Constraction,  Form  und  Farben  (nur 
abzüglich  des  hier  fehlenden  Vogelschnabels)  genau  mit  dem  Wiener  Kopfpntx 
stimmenden  Kopfschmuck  zeigt  (Fig.  4).  In  der  schon  einmal  erwähnten  Mit- 
theilnng  an  den  Congress  der  Amerikanisten  zu  Paris  ist  dieser  Fund  von  Frau 
Nuttall    bekannt   gemacht   und    schon    verwerthet  worden.     Frau  Nuttall  l>ehiklt 


(156) 

sei  vollständig  verkehrt.  Und  Was  die  angezogene  Hieroglyphe  apanecatl  betreffe, 
so  sei  es  eine  blosse,  auf  keiner  Thatsache  basirte  Mathmaassang  von  Seiten  der 
Frau  Nuttall  gewesen,  dass  der  Federschmuck,  dessen  Zeichnung  in  der  Hiero- 
glyphe zu  erkennen  sei,  mit  dem  Worte  apanecayotl  bezeichnet  worden  sei.  Und 
wenn  das  zutreffe,  wofür  der  Redner  selbst,  auf  Grund  anderer  Erwägungen, 
Belege  beigebracht  habe,  was  in  aller  Welt  hätte  dann  das  Element  ätl,  „Wasser" 
in  dieser  Hieroglyghe  zu  thun?  Bei  der  Hieroglyphe  Acolhuacan  könne  man 
annehmen,  dass  auch  das  Element  ätl  das  lange  ä  von  Acolhuacan,  welches  in 
dem  Elemente  acolli,  „Schulter"  nicht  enthalten  sei,  zum  Ausdruck  gebracht 
worden  sei.  Apanecayotl  enthalte  aber  schon  das  lange  ä,  denn  das  Wort  be- 
deute: „der  Schmuck  der  Leute,  welche  ä-pan  (am  Wasser)  wohnen".  Hier  gebe 
es  also  nichts  mehr  zu  determiniren.  Von  einer  determinativen  Vemvendung 
von  hieroglyphischen  Elementen,  im  Sinne  der  ägyptischen  Hieroglyphik  oder  der 
chinesischen  Rlassenzeichen,  sei  überhaupt  in  der  mexikanischen  BilderschriA  nir- 
gends eine  Spur  zu  finden.  Höchstens  könne  man,  und  das  treffe  vielleicht  auch 
für  die  in  Rede  stehenden  Hieroglyphen  zu,  an  eine  pleon astische  Verwendung 
hieroglyphischer  Elemente  denken. 

(14)  Hr.  Ed.  Sei  er  giebt  Beiträge 

zur  mexikaDischen  Chronologie  mit  besonderer  Berttcksichtigung  des 

zapotekanischen  Kalenders. 

Diese  Abhandlung  wird  in  der  Zeitschrift  für  Ethnologie  veröffentlicht  werden. 

(15)  Eingegangene  Schriften. 

1.  Goode,  G.  B.,   Report  upon  the  condition  and  progress  of  the  U.  S.  National 

Museum  during  the  year,  ending  June  30.  1888.   (Smiths,  fnst.  Rep.  Smiths.- 
Inst.  1887—88.)    Washington  1890. 

2.  Adler,  G.,  Report  on  the  section  of  oriental  antiquities  in  the  U.  S.  National 

Museum    1888.     (Smiths.  Inst.  Rep.  Smiths.-Inst.  1887'-88.)     Washington 
1890. 
<i.   Watkins,  J.  E,   Report   on   the  section  of  transportation  and  engineering  in 
the  U.  S.  National  Museum  1888.    (Smiths.  Inst.  Rep.  Nat.  Mus.  1887—88.) 
Washington  1890. 

4.  Hippisley,  A.  E.,    A  catalogue  of  the  Hippisley  collection  of  Chinese  porce- 

lains,  with  a  sketch  of  the  history  of  ceramic  art  in  China.  (Smiths.  Inst. 
Rep.  Nat.  Mus.  1887—88.)    Washington  1890. 

5.  Jouy,  P.  L.,   The  collection  of  Korean  mortuary  pottery  in  the  United  States 

National-Museum.     (Smiths.  Inst.  Rep.  Nat.  Mus.  1887 — 88.)     Washington 
1890. 

6.  Hough,  W.,    Firc-making   apparatus   in  the  United  States  National  Museum. 

(Smiths.  Inst.  Rep.  Nat  Mus.  1887—88.)     Washington  1890. 

7.  Niblack,  A.  P.,  The  Coast  Indians  of  Southern  Alaska  and  Northern  British 

Columbia.    (Smiths.  Inst.  Rep.  Nat.  Mus.  1887—88.)     Washington  1890. 
Nr.  1 — 7  Gesch.  d.  Smithsonian  Institution. 

8.  Polakowsky,  H.,  Antigüedades  de  Costa  Rica.  San  Jose  1890.  Gesch.  d.  Verf. 

9.  Schreiner,  W.,  Das  Militärdiplom  von  Eining.    (Aus  den  Sitzungsber.  d.  kgl. 

bayer.  Akad.  d.  Wissensch.  1890.  Bd.  U.  Heft  lU.)  München  1890.   Gesch. 
d.  Verf. 


:  1  :, 

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Ausserordentliche  Sitzung  am  14.  Februar  1891. 
Vorsitzender  Hr.  Virehow. 

(1)  Vorstand  und  Ausschuss  haben  Hrn.  Antonio  Penafiel  in  Mexico  zum 
correspondirenden  Mitgliede  der  Gesellschaft  erwählt. 

(2)  Als  neue  Mitglieder  werden  angemeldet: 
Hr.  Arthur  Wanjura,  Berlin. 

„  Professor  Dr.  JoUy,  Berlin. 

„  Stud.  theol.  E.  Langhoff,  Berlin. 

„  Ingenieur  Carl  Giebel  er,  Berlin. 

„  Chr.  Jensen,  Lehrer  im  Oevenum,  Holstein. 

(3)  Das  correspondirende  Mitglied,  Hr.  Ladislau  Netto,  ist  nach  einem,  unter 
dem  13.  Januar  an  den  Vorsitzenden  gerichteten  Schreiben  nach  Rio  de  Janeiro 
zurückgekehrt  und  hat  daselbst  sein  Amt  als  Generaldirector  des  Museu  Nacional 
wieder  übernommen.  Die  Regierung  der  Republik  hat  ihm  zur  Erwerbung  der 
nächstgelegenen  Privathäuser  die  Summe  von  fast  1  Mill.  Francs  (350  Contos  de 
Reis)  bewilligt,  damit  die  erforderliche  EJrweiteruug  des  Museums  bewirkt  werden 
könne.  Die  Sammlungen,  besonders  die  zoologischen,  versprechen  eine  grosse 
Bntwickelung. 

(4)  Der  verdiente  Polarforscher  und  Entdecker  noch  lebender  CliCT-Dwellers, 
Fr.  Schwatka,  ist  zu  Mason  City,  Iowa,  in  Folge  eines  Sturzes  von  der  Treppe, 
verstorben.  Er  war  1849  in  Gallena^  Illinois,  geboren  und  in  der  Militärakademie 
zu  West-Point  ausgebildet.  Wir  erinnern  uns  mit  besonderer  Anerkennung  der 
lebhaften  Schilderung  seiner  schaurigen  Reise  in  den  arktischen  Regionen  zur 
Aufsuchung  der  Reste  der  Franklin'schen  Expedition,  die  er  vor  mehreren  Jahren 
hier  in  der  geographischen  Gesellschaft  vortrug. 

(5)  Der  Hr.  Unterrichtsminister  übersendet  mittelst  Erlasses  vom  31.  Janaar 
für  die  Bibliothek  der  Gesellschaft  ein  Exemplar  des  18.  Jahresberichtes  des 
Westfälischen  Provinzialvereins  für  Wissenschaft  und  Kunst. 

(6)  Der  Hr.  Unterrichtsminister  iiberschickt  zur  Mittheilung  einen  Bericht 
des  Conservators  Hrn.  Fr.  Tewcs  über: 

Aasgrabungen  und  Untersnchnngen  bei  Ehestorf,  Kr.  Zeven,  und  bei  Ander- 

üngeD,  Kr.  Bremervörde,  in  der  ProT.  Hannover. 

In  einem  Moor  nördlich  von  Ehest orf  befand  sich  unter  3  nahe  bei  einander 
liegenden  Hügeln  ein  grösserer,  abgesehen  von  einigen  oberflächlichen«  Grabungen, 
noch  ganz  unversehrter.    Er  mauss  14  m  in  der  Länge,  12  in  der, Breite  und  etwa 


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(168) 

[)  der  Höhe.  Schon  in  einer  Tiere  von  1  m  stiess  man  &ut  eine  Steinse 
en  Ränder  von  grossen  Steinblöcken  bis  zu  1  m  Länge  nnd  30  cm  Stärl 
let  waren.  Zwischen  den  Steinen  Tiind  sich  alsbnid  ein  ßronzcmesser, 
;  nnd  nn  der  Schneide  4  cm  breit,  sowie  überull  zerstroQt  Rohlcnslücke.    % 

kam  ein  24  cm  langes  Bronzedolchblntt  mit  4  ßronzenietcn  am  Grit 
»  20  cm  lange  Speerspitze  ans  Bronze  zu  Tage,  welche,  ebenso  wie  ein: 
deckter  Celt,  mit  Resten  von  Leder  umhüllt  waren.  Letzterer  Cell 
i  cm  lang  und  hntte  eine  Schneidenbrctlc  von  4,5  cm\  an  ihm  sassen  noch 
es  hülzcrnon  GriTres.  Ausserdem  wnrde  noch  eine  Speerspitze 
aerstein  mit  vorzüglich  gezähnten  Schneiden  nnd  ein  etwa  6  cm  langer  Bn 
ken  gewonnen.  Hr.  Tevves  setzt  diesen  Hügel  in  den  Anfang  der  Hügelg 
■,  wo  schon  Verbrennung  der  Leichen   stattrand. 

Etwa  lOlH)  Schritte  weiter  nördlich  auf  dem  Gebiete  von  Niendorf  li 
erer  schöner  Hügel  mitten  zwischen  mehreren,  leider  schon  zerstörten. 
le  hatte  l'2  w  im  Durchmesser  bei  einer  Höhe  von  3  m.  Auch  bei  ihm 
der  Mitte  eine  Steinsetzung  freigelegt,  jedoch  bestand  sie  aus  viel  klei 
:nen.  Metall  wurde  nicht  gefunden,  dagegen  die  Hülfte  eines,  vielleicht  zi 
sehen  die  Steine  gemthenen  Polirstcines  (20  cw  lang,  l'!  breit,  7  dick 
Innern,  an  drr  Stelle  einer  stark  mit  Kohle  durchsetzten  aschenhaltigen  S( 

scböngeschliffcner,  durchbohrter  Steinhammer  von  16  cm  Lang 
n  Seh  neiden  breite,  sowie  ein  einfaches,  vier-,  bezw.  fünfkuntiges  Hesse 
aerstein,  12  cm  lang  nnd  dem  breit.  Hr.  Tewes  verleibt  dieses  Grab 
)crgangBzeit  zwischen  der  Periode  der  Hügelgräber  und  der  der  Steingrät 

Von  einem,  durch  frühere  Angaben  bezeichneten  Burgwall  bei  Burg 
'f  konnte  keine  Spur  aufgefnnden  werden. 

Bei  Änderungen  licsscn  sich  die  Kesto  eines  sputen  rrnenfricdl 
hweisen,  doch  war  uusser  Scherben  zertrümmerter  Thongefasse  und  Reste 
chcnbrand  nichts  zu  erkennen.  Nur  einmal  soll  ein  ganzes  Getäss,  in  de 
nes  Beigefuss  steckte,  gefunden  sein. 

(7)  Der  Hr.  Unterrichtsminiater  Übersendet  zur  Kenntniss nähme  c 
lem  Auftmge  durch  Hrn.  Hartwich  in  Tungermünde  besorgte  Sammlung 
:raphischer    Aufnahmen    von    megalithischen    Denkmälern    der 


(8)  Vom  1.— 10.  September  1891  tagt  der  neunte  internationale  0 
istencongress  zu  London.  Derselbe  wird  besondere  Sektionen  für  Aeg 
ica  nnd  die  malayischen  und  poiynesischen  Gebiete  organisiren. 

(9)  In  Washington  wird  am  2i;.  Angust  18UI  der  fünfte  internatii 
ologencongrosa  eröffnet.  In  der  Woche  vorher  werden  daselbst  die  i 
lische  Association  für  den  Fortschritt  der  Wissenschaften  und  die  amerikai 
ilogische  Gesellachaft  Sitzungen  abhalten. 

(10)  Hr.  Franz  Boas  berichtet  in  einem  Briefe  an  den  Vorsitzender 
ircester  in  Massachusetts  vom  Januar  über  seine  letzte 

Reise  an  die  paciHscbe  Küste. 
Ich    komme  jetzt    allmählich    dazu,    die  Resultate    meiner    letzten  Reii 
:iHBcben  Küste    übersehen   zu  können.     Ich  besuchte  letzten  Sommer  die 


(160) 

[ommen  anch  recht  deatlich  bei  der  Messung  von  Skeletten  zum  Ausdr 
inaes  3ö  derselben  und  Tand  Bt«ts  die  Länge  der  Beine  klein  im  Verhall 
f  der  Arme.  Wollte  man  nach  den  üblichen  Procentsätzen  die  Köq)erlär 
en  Beinlängen  berechnen,  so  würde  man  Werthe  erhalten,  die  schlecht 
lessangeD  an  Lebenden  übereinstimmen. 

lieht  man  die  Indianer  des  nördlichen  Colambiens  allein,  so  wird  man 
I  an  ostasiatische  Typen  erinnert.  Farbe,  Haar,  Körperbau,  Auge  (besom 
ist  stets  vorhandene  Epicnnthus)  tragen  daza  bei.  Sieht  man  aber  beide 
en,  so  tritt  sofort  der  grosse  Unterschied  scharf  hervor.  Ich  reiste  lel 
ler  Kufällig  anf  einem  Schiffo,  auf  dem  etwa  30  japanische  Arbeiter,  ( 
nesen  und  90  Indianer  von  verschiedenen  Stämmen  des  nördlichen  Brit 
ibiens   waren.    Die  Japaner   und  Indianer  trugen  gleichartige  Kleidung. 

denn  sofort  die  grobe,  breite  Nase,  das  grössere  Ange  mit  viel  schwäch 
interna,   das  grössere  Gesicht,   besonders  die  grosse  Breite  des  Unterkie 
ler  volle  Mund,   sowie  endlich  das  braunere  Haar  als  unterscheidende  M 
klar  in  die  Augen. 
Tnler    anderen  Merkmalen    ßel    mir  besonders  die  grosse  Häufigkeit  von 

Hypertrichose,  besonders  an  Slim  und  Nacken,  unf.  Vor  allem  das  w 
Geschlecht  scheint  dazu  zu  neigen.  Ich  traf  eine  ganze  Reihe  von  Individi 
—3  rm  lange  Haare  auf  der  Stirn  hatten,  so  dass  nur  die  kleine  dreiecl 
c  auf  der  Glabella  frei  blieb.  Rechl  eigenihllmlich  wirkt  die  Oberlippe, 
einend  ohne  begleitenden  Prognathismus,  so  voll  und  lang  ist,  dass  sie  i 
rttcken  panillel  läuft   oder  ihn  in  seiner  Verlängerung  nach  unten  schnei 

.nthropo logisch  von  Interesse  dürfte  auch  der  Stammbaum  der  letzten  10  Gi 
en  einer  Hau ptlingsfiimilie  sein,  welcher  recht  schön  die  Art  der  Vermisch 
tamme   durch  Heii-uthen   zeigt,   die   nicht   so   ausgedehnt   ist,   wie   ich 


II)   Hr.  Boas  bespricht  gleichzeitig  eine 

FelsenzeichoDDg  von  Vancouver  Island. 
}ie  beifolgende  Felsen  Zeichnung  flndet  sich  am  Ostufer  von  Sproat  Lake,  r 
(1  stldlichem  Ausflüsse.    Sproat  Lake   liegt   etwa  IQ  km  nördlich  vom  ob< 

des  Albemi-Pjords,  welcher  tief  in  das  Innere  von  Vanconver  Island 
idet.  In  früheren  Zeiten  war  diese  Gegend,  die  auch  heute  noch  nicht 
;n  ist,  das  Gebiet  dei'  Höpetschisä'th,  eines  Stammes  der  N'ootka  oder 
och  jetzt  ein  Dorf  einige  Meilen  unterhalb  des  Sees,  an  dem  Einfluss 
I  River  in  den  Hauptfluss,  haben.  Der  Aussage  älterer  Mitglieder  des  Stam 
■e,  war  derselbe  ein  Zweig  der  Cowitchin,  welche  die  üstseite  von  Vancoi 
I,  wenige  Kilomeier  nordöstlich  vom  oberen  Ende  des  Albcrni- Fjordes,  i 
.  Noch  die  Grossväter  meiner  Gewährsmänner  sollen  ausschliesslich 
chin-Sprache    gesprochen    haben.     Demnach    müsste    der  Sprachwechsel 

110  Jahren  vor  sich  gegangen  sein.  Damals  sollen  die  Ts'eschä'ath, 
i;r  Stamm  der  Nootka,  den  Fjord  hinaufgezogen  sein  und  sich  mit 
schisfi'lh  vermisch!  haben.    Die  heutigen  Bewohner  des  Gebietes  wissen  ni 

den  Ursprung    der  Felsenzeichnong    mitzatheilen.     Nach   ihrer  Sage  soll 

auf  dem  dieselbe  eingegraben  ist,  einsl  du«  Haus  Kwötiatb's  gewesen  f 
uth  ist  die  wandernde  Gottheit  in  der  Xootka-Hythologic  und  entspricht  I 
Raben  der  Tlingit  und  Haida,  dem  Qäls  der  Cowitchin.    Die  Zeichnong  B 


(161) 


sich  an 
von  etwa 
den  See  a 
die  Copie 
Der  FelsE 
breiten,  si 
den  Spalti 
welche  Tl 
heraus^  fi 
Uch  der  F 
an,  doch 
Partien, 
sind  flach 
breit  und 
wittert,  di 
sind.  Un: 
das  Geatei 
sich  keim 
eher  Art. 
ben  Anord 
sie  sich  ! 
die  rechts 
allen  and 
des  Felse: 
diesen  Fe 
Scenes  ar 
p.  269.  D 
offenbar  ' 
Die  mittli 
dürfte  ein 
vorderes  El 

(12)  ] 
einige 
Die  f( 
im  Sonune 
sten  Stam 
Kutonä'qa) 
Die  Sagen 
Leuten  erz 
zösischen  l 
Namen,  de 
rin  verheir 


Es  wa 
mit  Sehne« 
einst  auf  < 
eines   gros 


(162) 

loee.  Dil'  Spuren  waren  so  zuhlreich,  dass  sie  aassahen,  wie  ein  breiter  A 
rHase  dachte:  wahrscheinlich  gehen  die  Elenthiere  m  einer  Rathaversamm) 
I  beachloss  sie  zu  verfolf^en.  Kr  ging  heim,  um  sich  ein  Paar  Schneesc) 
machen.  Als  die  Leute  (d.  h.  die  Thiere)  hörten,  dass  Spuren  von  ElenÜii 
unden  waren,  machten  sie  sich  fertig  und  gingen  ans,  sie  zu  verfolgen. 
iere,  der  Wolf,  der  Bür  und  ilic  Vögel  waren  auf  der  Jagd  begriffen.  Die  I 
I  Hasen,  ein  kleioer  rother  Vogel,  hiitte  kurz  zuvor  ihren  Mann  verlassen, 
te  mit  dem  rothen  Habicht,  der  ein  guter  Juger  war.  Die  Thiere  waren  st 
ei  Tage  auf  Jagd;  nur  der  Hase  war  noch  zu  Hause,  damit  beschäftigt 
meeschuhe  zu  machen.  Sein  Kind  und  ein  alter  Uann,  der  Frosch,  lebten 
(I  zusammen.  Nachdem  er  zurückgekehrt  war  und  den  Thieren  erzählt  h 
IS  er  Spuren  von  Eicnthicrcii  gefunden  habe,  war  er  wieder  in  den  Wald 
Igen,  um  sich  Holz  zu  holen,  aus  dem  er  Schneeschuhe  machen  wollte.  Drau 
Walde  fand  er  eine  schöne,  junge  Hindin.  Er  sprang  auf  sie  zu  und  rief: 
Ist  meine  Frau  werden.'^  Sie  aber  wollte  ihn  nicht  zum  Manne  haben, 
g  er  betrübt  nach  Hause  zurllcb  und  sprach  zum  Frosch:  „Grossvuter!  ich 
lassen  eine  schöne,  junge  Hindin,  die  ich  heirathen  wollte;  sie  wollte  mich 
ht  zum  Manne  haben."  Der  Frosch  versetzte:  „Das  war  Deine  Schwc 
he   nochmals    za    ihr    und    lade    sie    ein  herzukomraen  und  mit  ans  zu  let 

folgte  dem  Rathc.  Das  Mädchen  kam  und  lebte  fortan  bei  ihnen,  ohne 
end  Jemand  darum  wusste.  Der  Hase  hatte  Holz  für  seine  Schneeschuhe 
iden,  er  hatte  dieselben  fertig  gemacht  und  bereitete  sich  vor,  auf  die  Jag 
ncn.  Ehe  er  ging,  sagte  der  Frosch:  „Höre,  mein  Enkel,  gebrauche  nicht  E 
lineeschuhe,  sondern  ziehe  ein  Fiiar  Fausthandschuhe  an  Deine  Fusüe.  1 
rat  Du  nicht  in  den  Schnee  einsinken  und  die  Elenthiere  überholen.'* 

Der  Hase  legte  zunächst  aber  seine  Schneeschuhe  an  und  folgte  den  aad 
fern,  die  einen  Vorsprung  von  zwei  Tagen  hatten.  Bald  traf  er  den  Uäupl 
n  Raben,  welcher  aaf  dem  Rückwege  begriffen  war  und  dem  viele  Jäger  fol, 
rsetbe  sprach:  „Wohin  willst  Du':*  siehst  Du  nicht,  dass  alle  Jüger  mit  l( 
nden  zurückkommen?  Glaubst  Du,  dass  Du  besseren  Erfolg  haben  wi 
d  er  trampelte  auf  des  armen  Hasen  Rücken  herum.  Derselbe  liess  sich 
;ht  abschrecken,  sundem  wanderte  ruhig  weiter.  Bald  traf  er  den  Specht 
äscn  Söhne,  die  mit  leeren  Händen  von  der  Jagd  zurückkehrten.  „Armse 
ise",  so  sprachen  sie,  „was  willst  Du  Ihun?  siehst  Du  nicht,  dass  wir  mit  1( 
inden  zurückkommen;"-  und  traten  ihn  mit  Füssen.  Bald  traf  er  den  Tai: 
nen  Schwimmvogel)  und  dessen  Söhne,  die  mit  leeren  Händen  von  der 
rückkehrten.  „Armseliger  Hiise",  so  sprachen  sie,  „was  willst  Du  thun? 
d  meine  Sühne  können  fliegen  und  haben  die  Elenthiere  nicht  einholen  köi 
aubstDu,  Du  könnest  mehr  als  wir"  und  sie  warfen  ihn  mit  Schnee.  Bald 
den  Wolf  und  dessen  Söhne.  Dieser  sprach:  Kehre  um,  Hase!  Du  wir» 
eren".  Er  aber  ging  unbekümmert  seines  Weges.  Bald  erreichte  er  die  S 
I  die  Jäger  die  erste  Nacht  ihr  Lager  aufgeschlagen  hatten.  Er  aber  lief  wi 
ne  sich  aufzuhalten.  Bald  Inif  er  den  Habicht  und  dessen  Fraa.  die  ihn 
Dtteteu  and  mit  Schnee  bewarfen.  Alle  Jäger  ausser  dreien,  dem  Wiesel, 
ichs  und  dem  jungen  Wolfe,  wan-n  nun  zurückgekehrt.     Am  nächsten  Tage 

auch  sie.  Alle  hatten  die  Jagd  aufgegeben.  Der  junge  Wolf,  den  er  zi 
if  und  der  bei  weitem  der  beste  Jüger  war,  sprach  zu  Ihm:  .Ich  hin  g» 
igekehrt.  Es  ist  ganz  unmöglich,  die  Elenthiere  zu  erreichen.'*  Der  Hase 
er  dennoch  weitiT. 

Als  er  wnsste,  dass  er  an  allen  Jägern  vorbei  war  und  Xieraund  mehr  li 


(163) 


würde,  nahm  er  seine  Schneeschuhe  ab,  zog  die  Fausthandschuhe  an  die  Püsse 
und  flog  über  d^  Schnefe  hin.  Nach  kurzer  Zeit  sah  er  die  Elenthiere.  Er  hatte 
zwei  Pfeile  mit.  Mit  einem  derselben  durchschoss  er  die  eine  Hälfte  der  Elen- 
thiere, mit  dem  zweiten  die  andere  Hälfte.  Er  schnitt  sie  auf,  zog  ihnen  die  Haut 
ab  und  schnitt  das  Fett  heraus,  welches  er  schüttelte,  bis  es  nur  einen  ganz  kleinen 
Raum  einnahm.  Er  schnitt  die  Mägen  heraus,  füllte  sie  mit  Blut  und  häufte  sie 
auf  einander.  Er  sagte  zu  den  Mägen:  „Wenn  Jemand  Euch  trägt,  platzt  und  be- 
giesst  ihn  mit  Blut."  Er  Hess  sie  im  Walde  liegen  und  nahm  das  Fett  auf  den 
Rücken.  Obwohl  es  schwer  war,  konnte  er  es  mit  Leichtigkeit  tragen,  da  die 
Handschuhe,  die  er  an  den  Füssen  trug,  ihm  halfen.  Dann  lief  er  rasch  nach 
Hause.  Dort  schüttelte  er  das  Fett  wieder,  und  es  ward  so  viel,  wie  es  vorher 
gewesen  war.  Er  röstete  ein  kleines  Stück  am  Feuer  und  gab  es  seinem  Kinde. 
Dann  dachte  er:  „Ich  will  meinen  Bruder  Ente  wissen  lassen,  dass  ich  reichliche 
Vorräthe  habe",  und  er  warf  ein  wenig  Fett  ins  Feuer,  damit  die  Ente  es  riechen 
sollte.  Sein  Bruder  kam  sogleich  herbei  und  beide  hatten  vollauf  zu  essen,  wäh- 
rend die  anderen  Leute  fast  verhungerten.  Dann  sandte  er  seinen  Bruder  ins 
Dorf  und  Hess  den  Leuten  sagen,  dass  er  die  Elenthiere  getödtet  habe,  sie  könnten 
sich  das  Fleisch  holen.  Er  dachte:  „Ich  wollte,  der  Habicht  wählte  die  Mägen!" 
Die  Felle  bestimmte  er  für  den  Frosch.  Ente  nahm  etwas  Fett  für  ihre  Kinder 
mit  nach  Hause  und  richtete  den  Auftrag  des  Hasen  aus.  Da  sagte  der  graue 
Bär:  „Ich  will  die  Rippen  haben."  Der  Wolf  rief:  „Ich  will  die  Beine  haben". 
Der  Rabe  wollte  die  Augen  haben,  und  ein  Jeder  sagte,  was  er  am  liebsten  hatte. 
Sie  gingen  in  den  Wald,  um  das  Fleisch  zu  holen,  und  es  geschah,  wie  der  Hase 
gewünscht  hatte.  Der  Habicht  nahm  die  Mägen  und  gab  sie  seiner  Frau  zu  tragen. 
Der  Hase  folgte  ihr  und  machte  unbemerkt  mit  einem  spitzen  Stocke  Löcher  in 
dieselben.  Dann  trat  er  von  hinten  auf  ihre  Schneeschuhe,  so  dass  sie  fiel.  Das 
Blut  floss  über  sie  und  sie  erfror. 

Die  Felle  wurden  in  das  Haus  des  Frosches  getragen.  Jedermann  wusste, 
dass  der  Frosch  zu  alt  war,  um  zu  arbeiten,  aber  nichtsdestoweniger  waren  die 
Felle  nach  wenigen  Tagen  fertig  zubereitet.  Die  Leute  begannen  nun,  sein  Haus 
zu  beobachten,  und  fanden  dann  die  Spuren  eines  Mädchens,  aber  Niemand  wusste, 
wer  sie  war.  Nachdem  alle  Thiere  vergeblich  aufgepasst  hatten,  versuchte  der 
Wildkater  ausfindig  zu  machen,  wer  für  den  Frosch  arbeite.  Viele  Tage  passte  er 
vergeblich  auf,  ohne  Jemand  zu  sehen.  Er  suchte  sorgfältig  nach  Spuren  rings 
um  das  Haus  und  fand  endlich  die  Stelle,  an  der  das  Mädchen  ihr  Wasser  abzu- 
schlagen pflegte.  Er  bemerkte,  dass  sie  versucht  hatte,  die  Spuren  zu  verbergen, 
aber  nichtsdestoweniger  entdeckte  er  dieselben.  Er  riss  sich  vier  Haare  aus,  legte 
sie  auf  die  Erde  und  sagte  zu  ihnen:  „Kriecht  in  die  Scheide  des  Mädchens, 
wenn  sie  hierherkommt  und  ihr  Wasser  abschlägt."  Dann  ging  er  jagen.  Als  das 
Mädchen  kam,  krochen  die  Haare  in  ihre  Scheide.  Nach  wenigen  Stunden  gebar 
sie  ein  Kind.  Die  Leute  hörten  es  weinen  und  entdeckten  nun  die  Hindin  in  des 
Frosches  Haus.  Niemand  wusste,  wer  des  Kindes  Vater  war.  Der  Frosch  liess 
die  Männer  nach  einander  das  Kind  auf  den  Arm  nehmen,  da  er  dachte,  dass  es 
aufhören  würde,  zu  weinen,  wenn  sein  Vater  es  aufnähme.  Der  Prairiewolf  ver- 
suchte, das  Kind  zu  beruhigen,  doch  es  gelang  ihm  nicht.  Der  alte  Rabe  dachte: 
„Gewiss  ist  mein  Sohn  der  Vater  des  Kindes",  und  sandte  denselben  hin.  Es 
hörte  aber  nicht  auf,  zu  weinen.  Alle  Leute  kamen,  aber  keiner  konnte  es  be- 
ruhigen. Mittlerweile  war  der  Wildkater  von  der  Jagd  zurückgekommen.  In  der 
Nähe  des  Dorfes  nahm  er  seine  guten  Kleider  ab  und  begrub  sie  unter  Steinen. 
Er   nahm   auch    den  Feuerstein,   den  er  zum  Feuermachen  benutzte  und  im  Ohre 

11* 


[ 


a«4) 

[Ig,  und  legte  ihn  zu  den  Kleidem,  Dann  ging  er  ins  Dorf.  AIb  die  Leat 
immeD  sahen,  sagten  sie:  „Da  kommt  der  Wildkater".  Kamn  hatten  si 
'orte  ausgesprochen,  als  das  Kind  begann,  sich  zu  beruhigen,  und  als  der 
.  aar  die  Arme  nahm,  wurde  es  ganz  rnhig.  Da  wuaaten  die  Leute,  dae 
'ildkater  des  Kindes  Vater  sei.  Noch  während  er  es  hielt,  rissen  sie  ihi 
leider  vom  Leibe  *nd  zerrissen  sie.  Sie  Terliessen  ihn,  die  Hindin  and  das 
sehten  alle  Feuer  ans,  nahmen  ihre  Vorräthe  mit  und  Überliessen  sie 
nngertode. 

Als  die  Leute  Tortgegaugcn  waren,  TUhrte  der  Wildkater  sein  Weib  und 
ich  dem  Platze,  wo  er  seine  Kleider,  das  Feuerzeug  und  Proviant  versteckt 
r  öffnete  das  Versteck  und  sie  bauten  sich  eine  HUtte.  Das  Kind  wuchs 
id  wurde  ein  guter  Jäger,  wie  sein  Vater,  so  dass  sie  immer  reichlich  zu 
itten.  Nach  einiger  Zeit  gebar  die  Hindin  einen  zweiten  Sohn.  Während  si 
abmng  in  Hülle  und  Fülle  hatten,  htten  die  Leute,  welche  sie  verlassen  1: 
-OBse  Noth.  Unter  ihnen  war  die  Grossmutter  des  Katers,  die  Elster, 
tchte:  „Ich  will  doch  sehen,  was  aus  meinem  Enkel  geworden  ist."  Wie 
ar  ihr  Elrstaunen,  als  sie  fand,  dass  es  ihnen  so  gut  ging.  Der  Kater  gi 
lieblich  zu  essen,  verbot  ihr  aber,  den  anderen  Lenten  etwas  abzugeben.  E! 
1  Sommer,  verhess  der  Kater  seine  Faroilie,  um  Lachse  zu  Aschen.  Er  n 
n  Wehr,  liess  den  Fluss  oberhalb  desselben  sich  aurslanen,  und  liess  dan 
Nasser  wieder  ab,  wenn  das  Wehr  voller  Lachse  war.  Aur  diese  Weise  t 
ele  Lachse.  Die  Matter  und  ihre  zwei  Söhne  waren  allein  zurttckgebl 
ines  Tages  sagte  sie  zu  den  jungen  Männern:  „Wisst  Ihr,  dass  die  Leub 
imit  beschSltigt  sind,  die  Sonne  zu  macheny  Geht  hin  und  versnobt,  ( 
Lcht  die  Sonne  werden  könnt.  Ihr  werdet  an  der  Stelle  vorbei  kommen,  w( 
ater  Ascht;  sagt  ihm,  was  Ihr  zu  thnn  gedenkt."  Die  Söhne  rüsteten  sii 
«ise,  nahmen  Abschied  von  ihrer  Mutter,  und  als  sie  einige  Tage  gew 
aren,  traren  sie  ihren  Vater.  Dieser  erkannte  sie  zuerst  nicht,  aber  sie  api 
1  ihm;  „Wir  sind  Deine  Söhne  und  gehen  zn  dem  Platze,  wo  die  Leute  die 
a  machen  versuchen.  Wenn  es  uns  gelingt,  wirst  Du  ans  nicht  wieder 
inst  kommen  wir  bald  zurück."  Sie  wanderten  weiter  und  gelangten  endl 
em  Platze,  wo  die  Leute  die  Sonne  zu  machen  versuchten.  Als  sie  anb 
'ar  der  Rabe  die  Sonne.  Schwere,  schwarze  Wolken  bedeckten  den  Himme 
i  war  sehr  kalt.  Die  Leute  riefen  den  Raben  zurück  and  hiessen  den  P 
'olf  seinea  Platz  eiimebmeo.  Derselbe  lief  fort,  und  nach  kurzer  Zeit  sah 
in  hinter  den  Bergen  aufsteigen.  Sogleich  wurde  es  schönes  Wetter  und  so 
ass  die  Leute  ins  Wasser  springen  mussten,  um  der  Hitze  zu  entgehen.  Na< 
er  Prairiewolf  eine  kurze  Zeit  am  Himmel  gewesen  war,  sah  er  Leute  W 
raten.  Da  rief  er:  „Hailob!  esst  nicht  alles  auf,  was  Ihr  gekocht  habt.  Ic 
ach  etwas  ab  haben,"  und  eilte  zurück.  Daher  war  der  Tag  sehr  kurz,  i 
rzählte  er  alles  wieder,  was  er  auf  Erden  gesehen  hatte.  Da  sagten  die 
Du  sprichst  zu  viel;  Do  kannst  nicht  die  Sonne  sein".  Dann  rief  der  Hat 
lit  lauter  Stimme:  „Lasst  die  beiden  Fremdlinge,  die  eben  angekommen  au 
llück  versuchen,  der  ältere  zuerstl"  Dieser  ging  nun  hinter  den  Borg,  unc 
ingsam  empor.  Da  sahen  die  Lcalc  die  Sonne  erscheinen,  gerade  wie  \ 
eute  sehen.  Es  war  nicht  zu  warm  und  nicht  zu  kalt.  Mittags  stand  si( 
0  hoch,  dass  gar  kein  Schatten  Ael,  und  der  Tag  hatte  die  richtige  l^jigt 
r  Abends  zurückkam,  frag  der  Ukuptliog:  ,Was  haltet  Ihr  von  ihm'y  ur 
?hiere  priesen  ihn.  Er  wurde  daher  als  Sonne  angenommen.  Der  Häuptlin 
ort:  qWir  müssen  aber  auch  eine  Sonne  für  die  Nacht  haben;  lagst  den  ju 


(165) 


Bruder  versachen,  ob  er  es  werden  kann^.  Dieser  ging  hinter  den  Berg,  stieg  in 
die  Höhe,  und  die  Leute  sahen,  dass  er  wunderschön  hell  war.  Daher  nahmen 
sie  auch  ihn  an.  Die  Söhne  des  Wildkaters  waren  also  Sonne  und  Mond  ge- 
worden. Der  Prairiewolf  war  aber  neidisch  auf  sie,  da  er  seinen  Platz  nicht  hatte 
behalten  können,  und  beschloss,  die  Sonne  zu  tödten.  Er  ging  zum  Platze  des 
Sonnenaufgangs,  aber  die  Sonne  blendete  ihn  so,  dass  er  sie  verfehlte,  als  er  nach 
ihr  schoss.  Vier  Mal  versuchte  er  vergeblich,  sie  zu  tödten.  Beim  letzten  Ver- 
suche verbrannte  einer  seiner  Pfeile,  fiel  ins  Gras  und  entzündete  es.  So  ver- 
ursachte er  das  erste  Prairiefeuer. 

2.    Wie  die  Thiere  den  Himmel  erstiegen. 

Der  Vater  der  Moschusratte  hatte  zwei  Frauen.  Als  er  gestorben  war,  wollte 
die  Moschusratte  seine  zweite  Frau  heirathen,  doch  diese  nahm  seine  Werbung 
nicht  an.  Da  ging  die  Moschusratte  in  den  Wald  und  machte  sich  einen  neuen 
Pfeil,  so  dass  Niemand,  der  ihn  fand,  wissen  konnte,  wem  er  gehörte.  Mit  diesem 
erschoss  sie  ihre  Stiefmutter.  Dann  zerschnitt  sie  ihr  Gesicht  und  legte  sich  ins 
Bett,  als  sei  sie  krank.  Niemand  wusste,  wessen  Pfeil  die  Frau  getödtet  hatte. 
Sie  zeigten  denselben  einem  Jeden,  aber  der  Eigenthümer  war  nicht  zu  finden. 
Schliesslich  nahmen  sie  ihn  zur  Moschusratte  und  frugen  diese:  „Kennst  Du  diesen 
Pfeil ?^  Sie  roch  daran  und  sagte:  „Der  kam  vom  Himmel.'^  Da  beschlossen  die 
Thiere,  den  Himmel  zu  ersteigen  und  den  Missethäter  zu  bestrafen.  Sie  wollten 
eine  Kette  aus  Pfeilen  machen,  um  daran  hinaufzuklimmen.  Der  Prairiewolf 
schoss  zuerst  einen  Pfeil  gen  Himmel,  doch  dieser  fiel  zurück,  ohne  sein  Ziel  er- 
reicht zu  haben.  Ein  Thier  nach  dem  anderen  versuchte,  den  Himmel  zu  treffen, 
aber  keinem  gelang  es.  Schliesslich  schössen  zwei  Habichte,  welche  schon  früher 
einmal  den  Himmel  besucht  hatten,  und  die  als  gute  Schützen  bekannt  waren,  ihre 
Pfeile  ab.  Einen  Tag  und  eine  Nacht  sausten  dieselben  durch  die  Luft,  und  dann 
hörten  die  Thiere,  wie  sie  in  den  Himmel  einschlugen.  Dann  fuhren  sie  fort  zu 
schiessen.  Der  zweite  Pfeil  traf  die  Kerbe  des  ersten,  und  so  fuhren  sie  fort,  bis 
sie  eine  Kette  gemacht  hatten,  die  fast  bis  auf  die  Erde  herab  reichte.  Da  gingen 
ihnen  die  Pfeile  aus.  Um  die  Kette  zu  vervollständigen,  steckte  der  Rabe  seinen 
Schnabel  in  die  Kerbe  des  letzten  Pfeiles,  und  stemmte  seine  Füsse  gegen  die 
Erde.  Da  konnten  die  Thiere  hinaufklettern.  Der  Vielfrass  sagte:  „Wartet  einen 
Augenblick!  ich  muss  noch  nach  meinen  Fallen  sehen.  Dann  Mrill  ich  mitgehen^. 
Doch  als  er  zurückkam,  waren  alle  Thiere  schon  fort.  Darob  wurde  er  so  zornig, 
dass  er  die  Pfeile  herunterriss,  und  sie  über  das  ganze  Land  verstreute.  So  ent- 
stand das  Feidengebirge.  Noch  ehe  die  Thiere  oben  angekommen  waren,  war  die 
Moschusratte  an  ihrem  Schwänze  in  den  Himmel  hinaufgeklettert.  Dort  zauberte 
sie  eine  Anzahl  Häuser  an  einem  Seeufer  hervor  und  erwartete  die  Ankunft  der 
Thiere.  Ihre  Häuser  waren  sehr  schmutzig.  Als  die  Thiere  ankamen,  schoss  sie 
von  den  Häusern  aus  nach  ihnen.  Sobald  sie  einen  Pfeil  von  einem  Hause  ab- 
geschossen hatte,  lief  sie  durch  ihren  Gang  ins  Wasser  und  kam  im  nächsten 
heraus,  von  dem  aus  sie  dann  schoss.  So  machte  sie  sie  glauben,  dass  viele  Leute 
dort  wohnten.  Endlich  entdeckte  der  Specht,  dass  nur  die  Moschusratte  in  jenen 
Häusern  lebte.    Er  passte  an  ihrem  Loche  auf  und  tödtete  sie,  als  sie  herauskam. 

Als  die  Thiere  so  den  Tod  der  Frau  gerächt  hatten,  machten  sie  sich  auf  den 
Rückweg.  Wie  gross  war  ihr  Erstaunen,  als  sie  die  Kette,  an  der  sie  herauf- 
gestiegen waren,  nicht  mehr  fanden.  Der  Häuptling  sprach:  „Lasst  uns  eine 
Schlinge  machen  und  den  Donnervogel  fangen,  seine  Federn  uns  anstecken  luid 
mit   deren  Hülfe   hinunterfliegen. **    Kurz   darauf  sahen   sie  einen  Blitzstrahl  und 


' 


(166) 

hurten  den  Donnerrogel  kommen.  Sie  dngen  ihn  in  einer  Schlinge  und  i 
ihm  die  Federn  aus.  Die  beateu  Federn  nahm  der  Adler:  die  anderen  « 
vertheill,  reichten  aber  nicht  riir  alle  Thiere  aus.  Alle,  die  Federn  bekoi 
hatten,  flogen  hinunter  und  wurden  Vögel;  die  anderen  sprangen  hinunte 
wurden  Fische  und  Landthiore.  Der  Prairiewolf  gebrauchte  seinen  Schwai 
Steuer  und  hei  deshalb  sanft  zur  Erde.  Der  „Sucker"  (ein  Fisch)  hei  auf 
Felsen  und  brach  sich  die  Knochen.  Er  mnsste  sich  ron  allen  Thieren 
leihen  und  ist  seither  voller  Grähten. 

■i.  Der  Prairiewolf. 
Der  Prniricwolf  hatte  einen  Freund,  den  Weidenbaum  (tlak'atlanak'oxomal 
Der  Adler,  welcher  iu  einem  Dorfe  an  der  anderen  Seite  des  Flusses  wi 
sandte  zum  Wi.'idenbaume  und  bot  ihm  seine  Tochter  zur  Frau  an.  Ah 
Prairiewoir  dies  hörte,  spnich  er:  .,Das  ist  schön!  Gehe  hin  und  hcirntho 
Insgeheim  aber  dachte  er:  „Ich  will  sie  selbst  heirathen",  und  beschlosa,  s 
Freund  zu  todten.  Er  begleitete  den  Weidenbaum  zum  Dorfe  des  Adlers. 
dem  Wege  doilhin  wohnte  ein  alter  Mann,  welcher  eine  Fallgrube  fUr  Hi 
hatte.  Der  Prairiewolf  kannte  diese  Grube,  und  als  sie  damn  vorbei  kamen, 
er  zn  seinem  Freunde:  „Tritt  ein  wenig  zur  Seitel"  und  als  jener  es  that, 
er  ihn  an,  so  duss  er  in  die  Grube  hol.  Der  Weidenbaum  trug  einen  kl 
Vogel  auf  seinem  Kopfe.  Der  Prairiewolf,  der  am  Runde  der  Grube  stand 
sich  den  Anschein,  ihm  heraushelfen  zu  wollen,  und  sprach:  „GiebmirdenV 
Der  Weidenbaum  that  es.  Dann  sagte  der  Prairiewolf:  ,Gieb  mir  Deinen  t 
und  Deinen  Speichel!"  Den  letzteren  wollte  er  hüben,  um  ebenso  wie  der  Wi 
bäum  zu  riechen.  Als  der  Weidenbaum  ihm  alles  gegeben,  was  er  rcrlangt 
warf  er  sieh  den  Mantel  um,  nahm  den  Speichel  in  den  Mund,  setzte  den 
auf  den  Kopf  und  Torliess  ihn.  Er  ging  Jn  das  Dorf  des  Adlers,  und  a 
Leute  ihn  kommen  sahen,  riefen  sie:  „Der  Weidenbaum  kommt!"  Sic  ginge 
entgegen  und  luden  ihn  ein,  in  das  Haus  des  Häuptlings  zu  kommen.  Er  c 
den  Platz  neben  dem  Mädchen  angewiesen  und  heirathetc  sie.  Mittlerweile 
der  Weidenbaum  die  Gestalt  eines  Säuglings  angenommen  und  lag  weinend  i 
Grube.  Als  der  alte  Mann  nach  seiner  Grube  sah,  fand  er  ihn.  Er  ging  zu  si 
Weibe  zurück  und  sagte:  „Ein  kleines  Kind  liegt  in  meiner  Grube.  [<as 
sehen,  wer  es  haben  soll !  Ich  will  auf  der  einen  Seite  der  Grube  hinuntergr 
grabe  Du  auf  der  anderen!  Wer  es  zuerst  erreicht,  der  soll  es  haben."  A 
anfingen  zu  graben,  machte  der  Weidenbaum,  dass  die  Erde  an  der  Seite,  w 
Mann  gru>>,  hart  war.  Dort  wo  die  Frau  grub,  machte  er  sie  lose.  Dahi 
reichte  sie  ihn  zuerst.  Sie  pllegte  das  Kind  und  zog  es  auf.  Als  der  Knabe  i 
Jahn'  alt  war,  bat  er  den  Alten  um  eine  Schlhige,  mit  der  er  Vögel  fangen  « 
Der  Alte  war  schlechter  I^une  und  schlug  ihm  seine  Bitte  ab.  Allein  die 
erfüllte  seinen  Wunsch.  Er  legte  die  Schlinge,  bewegte  seine  Hände  und 
war  sie  voller  Vögel.  Da  freute  sich  der  Alte.  Nach  einiger  Zeit  bat  ih 
Knabe  um  ein  RülTclkalbfell.  Der  Alte  rcrweigerte  es  ihm  ebenso,  wie  frühf 
Schlinge,  doch  die  Fniu  crrüllte  seinen  Wunsch.  Er  schnitt  Riemen  aus 
Felle  und  machte  einen  Reifen  aus  Weidenzweigen,  über  den  er  die  Ri 
spannte,  wie  das  Netzwerk  in  einem  Schneeschuhe.  Er  ÜlTncte  die  Thün 
Hütte  und  sagte,  indem  er  hinaus  ging:  „Legt  Euch  nieder  und  rührt  Euch  n 
Dann  rollte  er  den  Reifen  gegen  die  Hüite  und  rief:  ..Nehmt  Euch  in  Acht 
da  drinnen!"  Als  der  Reif  an  die  ThUre  kam,  verwandelte  er  sich  in  ein  gl 
Büffelkalb    mit  Hurnern,    »elches  nach  dem  alten  Manne  stiess.   der  zu  entfl 


(167) 


sachte.  Dann  schoss  der  Weideabaum  das  Kalb  mit  seinen  Pfeilen.  Er  nahm  die 
Eingeweide  und  Exkremente  heraus,  und  gab  sie  der  Frau  zum  Aufbewahren.  Als 
sie  am  nächsten  Tage  danach  sahen,  fanden  sie,  dass  sie  sich  in  getrocknetes 
Fleisch  verwandelt  hatten.    Die  Frau  machte  starke  Riemen  aus  dem  Felle. 

Nach  einiger  Zeit  bat  der  Jtlngling  um  das  Fell  eines  einjährigen  Büfifels. 
Er  machte  sich  wieder  einen  Reif  aus  Weidenzweigen,  band  Riemen  darüber  und 
rollte  ihn  gegen  die  Hütte,  wo  er  ein  Jährling  wurde,  der  den  alten  Mann  stiess. 
Der  Weidenbaum  tödtete  den  Jährling.  Schliesslich  bat  er  um  die  üaut  eines 
alten  Büffels  imd  machte  einen  Reifen,  den  er  gegen  die  Hütte  rollte.  Dieser  ver- 
wandelte sich  sogleich  in  einen  grossen  Büffel,  der  den  Alten  stiess  und  welchen 
er  tödtete.     So  waren  sie  reichlich  mit  Nahrungsmitteln  versorgt. 

Eines  Tages  sagte  er  zu  den  alten  Leuten:  „Ihr  wisst  nicht,  wer  ich  bin.  Ich 
bin  der  Weidenbaum.  Ich  will  jetzt  ausziehen  und  die  Tochter  des  Adlers  hei- 
rathen."  Er  nahm  seinen  Becher  und  trank  unbemerkt  aus  dem  Flusse,  an  dem 
des  Adlers  Dorf  stand.  Dort  traf  er  die  jüngere  Tochter  des  Adlers  und  heirathete 
sie.  Nach  einiger  Zeit  zeigte  er  sich  öffentlich  im  Dorfe.  Als  die  Leute  ihn 
sahen,  wussten  sie,  dass  er  der  rechte  Weidenbaum  war,  und  dass  der  Prairiewolf 
sie  betrogen  hatte.  Letzterer  schämte  sich  sehr.  Unter  dem  Volke  des  Adlers 
herrschte  zar  Zeit  eine  Hungersnoth,  da  sich  keine  Büffel  sehen  Hessen.  In  der 
Nähe  des  Dorfes  war  eine  steile  Klippe,  zu  der  die  Jäger  die  Büffel  zu  treiben 
pflegten.  Der  Weidenbaum  sagte:  „Stellt  Euch  in  der  Nähe  der  Klippe  aufl  Bald 
wird  eine  Heerde  Büffel  erscheinen."  Dann  ging  er  fort,  und  überall  wo  er  Büffel- 
dünger fand,  stiess  er  daran.  Derselbe  wurde  dann  sogleich  in  einen  Büffel  ver- 
wandelt. Diese  trieb  er  nach  der  Klippe,  wo  die  Jäger  auf  der  Lauer  lagen  und 
sie  über  den  Absturz  hinab  trieben.  Es  waren  so  viele,  dass  auf  jeden  Jäger  zwei 
kamen.  Der  Weidenbaum  nahm  nur  einen,  den  ältesten  und  magersten  für  sich 
selbst  Eines  Tages  sagte  er  zu  seinem  Weibe:  „Schlage  unseren  Hund  nicht!" 
Der  Prairiewolf  hörte  dies  und  gab  seiner  Frau  denselben  Befehl.  Da  geschah  es, 
dass  die  Frau  des  Weidenbaumes  den  Befehl  ihres  Mannes  vergass  und  ihren  Hund 
schlag.  Derselbe  fiel  augenblicklich  todt  zur  Erde.  Darauf  befahl  der  Weiden- 
baam  ihr,  den  Kopf  des  Hundes  zu  schlagen,  der  dann  wieder  lebendig  wurde. 
Der  Prairiewolf  hatte  dem  allen  zugesehen.  Er  Hess  seine  Frau  ihren  Hund  tödten 
und  dann  den  Kopf  desselben  schlagen.  Er  wurde  ab  nicht  wieder  lebendig.  Als 
der  Weidenbaum  aber  der  Frau  befahl,  den  Hund  auf  den  Kopf  zu  schlagen,  wurde 
er  lebendig.  Darauf  nahm  der  Weidenbaum  einen  Knüppel  und  sagte  zum  Prairie- 
wolf: „Erinnerst  Du  Dich  noch,  wie  Du  mich  in  die  Grube  geworfen?"  Dabei 
gab  er  ihm  einen  solchen  Schlag,  dass  der  Prairiewolf  davon  rannte  und  nie  wieder- 
kehrte. 

4.   Der  Prairiewolf  und  die  Sonne. 

Der  Prairiewolf  und  sein  Weib,  die  Hündin,  lebten  in  einem  Thale.  Einst- 
mals, zur  Winterzeit,  ging  die  Hündin  in  den  Wald,  Holz  zu  sammeln,  und  traf 
daselbst  einen  Hirsch.  Sie  j)ackte  ihn  und  schickte  ihre  Tochter  zurück,  um  den 
Prairiewolf  herbeizurufen,  damit  er  ihn  tödte.  Das  Mädchen  gehorchte;  doch  ihr 
Vater  hatte  zur  i&eit  keine  Pfeile  und  musste  sich  erst  zwei  machen.  Dann  stieg 
er  den  Berg  hinauf,  kam  aber  nur  langsam  voran,  da  der  Schnee  sehr  tief  war. 
Als  er  zu  der  Stelle  kam,  wo  seine  Frau  den  Hirsch  hielt,  sprach  er:  „Lass  ihn 
los!  ich  will  ihn  schiessen,  wenn  er  hier  vorbei  läuft."  Die  Hündin  that,  wie  ihr 
Mann  geheissen  hatte;  der  Prairiewolf  aber  schoss  vorbei.  Er  sagte:  Ich  will  den 
Hirsch  verfolgen.  Komme  Du  mir  mit  den  Kindern  und  der  Hütte  nach."  Er 
legte  seine  Schneeschuhe  an,  und  verfolgte  den  Hirsch,  während  seine  Frau  nach 


(168) 

Hütte  zurückging.  Sie  packte  die  Rohrmatten  uod  Stangen  zusammen, 
fl«  ihrem  Hanne.  Als  der  Prairiewolf  eine  Zeit  lang  gelauren  war,  ftlhl 
:s  seine  Schneeschuhe  immer  schwerer  und  schwerer  wurden,  und  als  er  hio 
;kte,  sab  er,  dass  Uäuse  darinnen  waren.  Er  nahm  sie  heraus  und  bn< 
1.  Die  Htlndin  und  ihre  Kinder  sahen  den  B,auch  aufsteigen,  und  die  Tc 
te:  „Seht  dorthin!  gewiss  hat  Vater  den  Hirsch  geschossen,  and  brät  ihn 

sie  aber  ankamen,  sahen  sie,  dass  er  nichts  ais  zwei  Haufen  gebratener  B 
te.     Einen  derselben  gab  er  seiner  Frau  und  Tochter,  während  er  den  an 

sich  und  seinen  Sohn  behielt.  Die  Hündin  war  böse,  dass  er  den  Hirsch 
kommen  lassen,  und  verliess  ihn  mit  ihrer  Tochter.  Sie  gingen  zur  S 
che  das  Hädchcn  zum  Weibe  nahm.  Der  Prairiewolf  sagte  zu  seinem  Si 
Dtter  wird  schou  bald  genug  zurückkommen,  wenn  sie  nichts  mehr  zu 
."  Damit  nahm  er  seinen  Sohn  auf  den  Rücken  und  ging  auf  Biberjagd 
a  an  eine  Stelle,  wo  viele  todtc  Biber  am  Ufer  des  Flusses  lagen,  während 
ge  Biber  sich  im  Wasser  tummelten.  Die  letzleren  fing  er  and  band  sie  st 
ine  als  Schmuck  für  die  Ohren  an.  Die  todten  Biber  schleppte  er  alle  auf 
ifen  zusammen  und  ging  fort  um  Holz  für  ein  Feuer  zu  holen,  an  dem  e 
«n  wollte.  Kaum  war  er  fort  da  wurden  die  Biber  alle  wieder  lebe 
mgen  in  den  Fluss  und  als  er  zarUckkam,  fand  er  seinen  Sohn  im  Kampl 

jungen  Bibern,  die  an  seine  Ohren  gebunden  waren  und  ihn  ins  Wassi 
len  versuchten.    Er  tödletc  dieselben  und  sie  assen  sie. 

Als  der  Schnee  geschmolzen  war,  ging  der  Prairiewolf  mit  seinem  Sohl 
ai  Seen,  die  durch  einen  kleinen  Fluss  Tcrbunden  waren.    Er  baute  eine  1 

Ufer  des  Flusses.  Auf  den  Seen  fand  sich  eine  Menge  Enten.  Der  Pr 
If  setzte  sich  vor  seine  Hütte    und   weinte.     Als  die  Enten  das  hörten,    sai 

zwei  Boten  itus,    um    ausßndig    zu  machen,    wer    den  Lärm  verursache, 
irten  sie  mit  der  Botschaft  zurück,  dass  der  Prairiewolf  den  Häuptling  der  I 
sehen  wünsche.     Daraufhin  schwammen  alle  Enten  hin,  ihn  zu  sehen.     AI 
iie  Nähe  der  Hütte  kamen,  sagte  der  Prairiewolf:   „Ich  und  mein  Sohn  k 
z  allein  hierher.     Meine  Frau    ist  todt."     Die  Enten  antworteten:    „Bleibe 

und  Bcbliesse  Dich  uns  an."  Er  begleitete  sie  nach  dem  See  und  sie  spi 
ämmen.  Sie  tauchten  unter  und  blichen  so  lange  unter  Wasser,  dass  der  Pr 
f  und  sein  Sohn    beinahe  ertranken  wären.     N'achts    fingen  die  Enten  plöl 

ein  Geschrei   zu   erheben,    flogen  auf  und  liessen  sich  wieder  in  dem  at 

nieder.  Sie  liesen  den  Prairiewolf  und  seinen  Sohn  zurück-  Da  wurde  d 
c,  da  die  Enten  ihm  so  Übel  mitgespielt  hatten,  und  dachte  auf  Rache. 
;  zu  seiner  KüCto  zurück  und  machte  eine  Falle,    Er  spaltete  einen  Baums) 

legte  ihn  in  den  Fluss.  Er  spreizte  die  Hälften  auseinander,  so  dass  aii 
imenschlagcn  musston,  sobald  Jemand  dazwischen  durchging.  Dann  achw 
nit  seinem  Sohne  in  den  Fluss  hinaus  und  sprach  zu  den  Enten:  „Warum 
jeden  Abend  von  einem  See  xum  anderen^  Ihr  könntet  doch  ebenso  gut 
is  herunter  schwimmen."  Die  Enten  fanden  seinen  Rath  gut,  und  so  gei 
dass  er  jeden  Abend  einige  fing,  wenn  sie  den  Fluss  hinab  schwammen, 
lerkten  bald,  dass  ihre  Zahl  sich  verminderte,  und  trugen  einigen  auf,  die  Dn 
ergründen.    Sie  fanden  die  Kalle  und  von  nun  an  flogen  sie  wieder  von  e 

zum  anderen.  Auf  der  anderen  Seite  des  Sees  stand  die  Hütte  des  Wildki 
^clbe  roch  die  Federn,  welche  der  Prairiewolf  verbrannte,  der  seine  I 
i  Dn  ging  er  hinüber,  schläferte  den  Prairiewolf  ein  und  stahl  ihm  alle  E 
jener  sich  gebraten  hatte.  Dann  zog  er  ihn  an  der  N'ase,  den  Beinen  unc 
len,  die  seither  so  lang  sind,  wie  heute.     Als  der  junge  Prairiewolf  aufwi 


(169) 

und  seinen  Vater  sah,    lachte   er   ihn   ans.    Er  wusste  nicht,    dass   seine  eigenen 
Arme,  Beine  und  Nase   so  lang  geworden  waren,    wie    die  seines  Vaters.     Dieser 
lachte,  als  er  seinen  Sohn  erblickte.     Als  es  ihnen  aber  klar  wurde,  dass  sie  beide 
verunstaltet   waren,   und    dass  der  Wildkater  es  gethan  hatte,   dachte  der  Prairie- 
wolf  auf  Rache.     Er  ging  zu  des  Raters  Hütte,  schläferte  ihn  ein,  und  stahl  ihm 
alles  Fleisch,  mit  dem  seine  Yorrathskammern  angefüllt  waren.     Dann  machte  er 
sein  Gesicht  platt  und  breit,  brach  seinen  Schwanz  in  Stücke  und  band  ein  Stück 
Kohle  daran.     Als  der  Wildkater  aufwachte  und  sich  besah,  erschrak  er  so,    dass 
er  ins  Gebirge  flüchtete.    Nun  dachte  der  Prairiewolf  an  seine  Frau  und  sagte  zu 
seinem  Sohne:  „Passe  Du  auf  unser  Haus  auf.  Ich  will  Deine  Mutter  suchen."  Er 
wanderte  gen  Osten,   und  als  er  die  Berge  übertiegen  hatte,    sah  er  viele  Häuser. 
Das  war  das  Dorf,  in  dem  die  Sonne  lebte.    Als  die  Bewohner  ihn  kommen  sahen, 
sprachen  sie:    „Suchst  Du  Dein  Weib,    Prairiewolf?    Hier  lebt  sie",    und  zeigten 
ihm   ihr  Haus.    Er   ging  hinein,   und  sah   seine  Frau  und  seine  Tochter,    welche 
letztere  wunderschön  geworden  war,   und   ein   hässliches  Kind   auf  dem  Schosse 
trug.    Seine  Frau  begrüsste  ihn  und  gab  ihm  einen  schönen  Mantel  aus  Büffelfell. 
Er  dachte:  „Wie  hässlich  doch  das  Kind  ist!"     Des  Kind  wusste  sogleich,  was  er 
gedacht  hatte,  und  sagte  zu  seiner  Mutter:  „Der  Prairiewolf  denkt,  dass  Du  schön 
bist,  und  dass  ich  sehr  hässlich  bin."     Dann  dachte  der  Prairiewolf:  „Ich  möchte 
dem  Kind  in  den  Bauch    treten,   so  dass  er  platzt";   und  das  Kind  erneth  augen- 
blicklich   seine  Gedanken   und  sagte  sie  seiner  Mutter  wieder.    Darauf  sagte  die 
Frau  des  Prairiewolfs   zu    ihm:     „Das    ist  Deine  Enkelin."     Sie   fuhr  fort:    „Wir 
werden  jetzt  ein  Feuer  anzünden,  da  die  Jäger  bald  zurückkommen  werben.    Das 
Kind  wird   sich  gleich  bewegen    und  dadurch  einen  Sturm  heraufbeschwören,  der 
unsere  Feuer  anfachen  wird."  Als  die  Feuer  hell  brannten,  kamen  die  Jäger  zurück. 
Jeder   brachte   einen  Hirsch  mit,   den   die  Frau  briet.     Als  das  Essen   fertig  war, 
mussten   alle  Frauen  die  Hütte  verlassen,    ehe  die  Jäger  zu   essen  anfingen.    Die 
Frau  des  Prairiewolfes  sagte  ihm:     „Du   musst   auch   hinausgehen,    da   die  Jäger 
immer  allein  essen."     Er  ging  aber  nicht,  sondern  blieb  in  der  Nähe  sitzen.    Die 
Kinder,    welche    ein-  und  ausgingen,    beschmutzten  seinen  neuen  Büffelmantel  mit 
Suppe  und  Wasser,    und  die  Jäger  boten  ihm  nichts  zu  essen  an.    Als  alle  Jäger 
wieder  fortgegangen  waren,  kam  seine  Frau  in  die  Hütte  wieder  zurück  und  sagte : 
„Warum  bist  Du  mir  nicht  gefolgt?  Ich  wusste,  dass  sie  Dir  nichts  geben  würden." 
Sie  kochte  ihm  etwas  Essen  und  gab  ihm  einen  neuen  Mantel  aus  Büffelfell.    Der 
Schwiegersohn   des  Prairiewolfs,    die  Sonne,    war  blind.     Vier  Mal  versuchte   der 
Wolf,  die  Augen  derselben  zu  öffnen.    Endlich  gelang  es  ihm  und  die  Sonne  war 
sehend. 

Am  nächsten  Tage  schloss  der  Prairiewolf  sich  den  Jägern  an.  Ein  jeder  der- 
selben trug  eine  Fackel  aus  Fichtenholz.  Der  Prairiewolf  nahm  aber  keine  mit. 
Nachdem  sie  eine  Strecke  gegangen  waren,  machten  sie  Halt,  und  der  Häuptling 
frug:  „Wer  ist  der  beste  Läufer?"  Er  Hess  immer  zwei  Männer  zur  Zeit  in  ent- 
gegengesetzter Richtung  um  einen  Kreis  laufen,  um  ihre  Schnelligkeit  zu  ver- 
gleichen. Dann  fmg  er  den  Prairiewolf,  warum  er  keine  Fackel  mitgebracht  habe. 
Dieser  sagte:  „Ich  habe  eine,"  nahm  ein  Paar  Federn  aus  seinem  Hute  und  steckte 
sie  an  seine  Schneeschuhe.  Als  er  zu  laufen  anfing,  stob  Feuer  aus  den  Federn 
und  erleuchtete  seinen  Pfad.  Er  war  bei  weitem  der  raschste  Läufer,  und  als  sie 
zu  jagen  anfingen,  tödtete  er  sieben  graue  Bären  und  zwei  grosse  Hirsche.  Die 
Jäger  warnten  ihn  und  sagten:  „Du  musst  alles,  was  Du  tödtest,  selbst  nach  Hause 
tragen."  Er  hörte  aber  nicht  auf,  zu  jagen.  Als  die  Jäger  sich  auf  den  Heimweg 
begaben,  schüttelten  sie  ihr  Wild,  welches  dann  so  klein  wurde,  dass  es  leicht  zu 


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(170) 

1  WUT.  Dor  Prairiewolf  wnsste  nicht,  wie  er  seine  nenn  groBsen  Thiere  r 
:  tragen  sollte.  Wenn  er  einmal  nicht  wusate,  was  ei  thun  sollte,  pfleglt 
miaer  auf  den  Hintern  za  schlugen,  und  dann  llogcn  Exkremente  heraus, 
i  Rath  fmg.  Als  er  das  that,  sprachen  sie:  ^Blasc  aur  Deine  Beate,  il 
sie  znaammcnschmnipren.''     Er  Tolgte  dem  Kuthe  und  die  Tbiere  wanlci 

tlass  er  sie  an  seinen  Gürtel  hängen  konnte.  Er  lier  nach  Hause,  und 
die  Jäger  ein  gutes  Stück  voran  waren,  überholte  er  sie  bald  und  kam  la 
tinen  nach  Hause  zurück.  Er  warf  seine  Bente  in  der  Hütte  nieder 
ch  nahmen  die  Thiere  ihre  frühere  Grösse  wieder  an,  so  dass  die  Hütte  ^ 
far.     Als  die  Jiiger    sich  zum  Mahle  niedersetzten,    glaubte  er,  er  müsse 

wieder    verlassen.     Seine  Frau    erklärte  ihm  aber,    dass    er    auch    mite: 
da  er  dies  Mal  mitgcjugt   habe.     Von  nun  an  jagte  er  jeden  Tag  mit 
cn  Jägern, 

ein  Schwiegersohn  hatte  eine  ewig  brennende  Fackel,  die  der  Prairiewolf  ^ 
t  hätte.  Eines  Tages  sagte  er  zu  seiner  Fran:  „Moigen  werde  ich  Euch 
,  um  meinen  Sohn  zn  besuchen,"  und  ehe  noch  Jemand  erwachte,  stuh 
ickel  und  lief  davon.  Als  er  eine  Strecke  gegangen  war,  legte  er  sich  nie 
1  schlafen.  Als  er  aufwachte,  fand  er  sich  wieder  im  Hanse  der  Sonne. 
1  war  noch  unter  seinem  Mantel  verborgen  und  so  wusste  ein  Jeder,  das 
bsicht  gehabt  hätte,  sie  zu  stehlen. 

Ir  schämte  sich  sehr,  konnte  aber  deswegen  doch  nicht  der  Versnchnng  wii 
i,  noch  einen  Versuch  zu  machen,  die  Fackel  zu  jttehlen.    Die  folgende  N'i 

er  ^ie  wieder  fort,  and  lief  noch  weiter,  che  er  sich  zum  Schlafen  nici 
Als  er  aafwachlc,  fand  er  sich  wiederum  im  Hause  der  Sonne,  und  mu 
[ickel  ihrem  Eigenthüincr  zurückgeben.  Die  dritte  Nacht  gelang  es  ihm  n 
Du  sagte  sein  Schwiegersohn:  „Du  durfst  meine  Puckel  nehmen,  d 
dass  Du  drei  Tage  und  diei  Nächte  hindurch  laufen  musst,  ohne  ar 
Die  vierte  Nacht  darfst  Du  Dich  zum  Schlafen  niederlegen  und  die  Fai 
;ine  Seite  legen.     Dann  wird    sie    nicht    mehr  zurückkommen.''     Und  so 

es.  Der  Prairiewolf  kam  zu  seinem  Sohne  zurück,  und  erzählte  ihm  al 
r  im  Lande  der  Sonne  gesehen  und  gehört  hatte. 

r>.  Der  Nerz, 
ler  Nerz  hatte  drei  Hrüder.  Er  unterhielt  mit  der  Fruu  des  grauen  Iti 
liebes verhältniss.  Als  der  Bär  das  erfuhr,  wollte  er  den  Nerz  und  si 
r  lödten.  Eines  Tages,  als  sie  gerade  auf  den  Bergen  Beeren  sammel 
•r  auf  sie  za  und  gab  ihnen  einen  Korb  Beeren,  indem  er  sagte:  „Xe 
Beeren  und  esst  sie,  wenn  ihr  nach  Bause  kommt     Aber  seht  nicht  in 

ehe  ihr  heim  kommt"  Sobald  der  Bär  fort  war,  öffneten  der  Nerz 
Brüder  den  Korb  und  fanden,  dass  er  keine  Beeren,  sondern  nur  Haare 

erhielt,  mit  denen  er  sie  vergiften  wollte.  Sie  warfen  sie  sogleich  I 
lär  hatte  auf  der  Lauer  gelegen,  um  zu  sehen,  was  der  Nerz  und  si 
r  thun  wUrden.     Da  sie  nun  das  Gift  nicht  assen,  stürzte  er  ans  seinem  ^ 

hervor  und  verfolgte  sie.  Er  holte  die  Brüder  ein,  der  Nerz  selbst  t 
1.  Er  weinte  nnd  trauerte  um  seine  Brüder.  Dann  dachte  er  darüber  ni 
r  Rache  nehmen  könne      Er  machte    znnächst    eine    kleine  Grube  und  i 

Ureck  hinein-    Nach  kurser  Zeit  hörte  er  etwas  in  der  Grube  weinen. 
:hsah,  fand  er  ein  kleines  Mitdchen.     Er  wollte  es  nicht  haben   nnd  war 
mbe  hinaus.     Dann  warf  er    wieder  etwas  Dreck   in  die  Grube,    nnd  all 
r'ieder  ein  leises  Weinen  hörte  und  nachsah,    fand  er  einen  kleinen  Knal 


(171) 


Er  nahm  ihn  als  sein  Kind  an  and  reiste  weiter.  Nach  einiger  Zeit  sah  er  den 
Bären,  der  seine  Brüder  getödtet  hatte,  an  der  anderen  Seite  eines  Flusses.  Er 
hiess  den  Knaben  sich  ruhig  verhalten  und  sprang  ins  Wasser,  wo  er^umher 
schwamm,  um  die  Aufmerksamkeit  des  Bären  auf  sich  zu  lenken.  Dieser  wurde 
neugierig.  Er  machte  sich  ein  Floss,  und  Hess  es  auf  den  Nerz  zutreiben.  Er 
sass  in  solcher  Stellung  darauf,  dass  seine  Hoden  ins  Wasser  hinab  hingen.  Als 
er  nun  zur  Stelle  kam,  wo  der  Nerz  umher  schwamm,  nahm  dieser  sein  Messer 
und  schnitt  die  Hoden  des  Bären  ab.     So  tödtete  er  ihn. 

Er  wanderte  weiter  und  traf  nach  einiger  Zeit  den  Bruder  des  Bären.  Er  ver- 
wandelte sich  in  eine  Fliege  und  flog  um  den  Kopf  desselben  herum.  Dieser  sah 
ihn  und  schnappte  nach  ihm.  Dann  kehrte  er  zu  seinem  Sohne  zurück.  Dieser 
sagte:  „Du  warst  zu  gross.  Wenn  Du  willst  dass  der  Bär  Dich  nicht  sehen  soll, 
musst  Du  viel  kleiner  sein.**  Da  wurde  der  Nei-z  eine  Sandfliege  und  der  Bär  ver- 
schluckte ihn,  ohne  es  zu  merken.  Als  er  glücklich  im  Magen  des  Bären  an- 
gekommen war,  nahm  er  sein  Messer,  schnitt  ihn  auf  und  tödte  ihn  so. 

Dann  reiste  er  weiter  und  kam  endlich  nach  Bonney's  Perry,  wo  viele  Leute 
(Thiere)  lebten.  Er  wollte  sich  dort  niederlassen  und  baute  sich  ein  Lachswehr 
unter  einem  überhangenden  Felsen.  Die  Wehre  waren  immer  voller  Fische.  Nach 
einiger  Zeit  bemerkten  die  Leute,  dass  ihre  Wehre  immer  leer  waren.  Nur  das 
des  Nerzes  war  eben  so  voll,  wie  früher.  Sie  legten  sich  auf  die  Lauer  und  sahen 
nun  eine  Feuerkugel  vom  Himmel  herabsteigen.  Jemand  heraus  kommen,  der  alle 
Wehre  leerte,  ausser  dem  des  Nerzes,  welches  durch  den  überhangenden  Felsen 
verdeckt  war.  Da  beschlossen  die  Leute,  sich  die  nächste  Nacht  in  Hinterhalt  zu 
legen  und  die  Feuerkugel  mit  ihren  Pfeilen  zu  tödten.  Die  Wildkatze  und  die 
Eule,  die  gute  Schützen  waren,  sollten  zuerst  schiessen.  In  der  folgenden  Nacht 
kam  die  Feuerkugel  wieder.  Die  Diebe  stiegen  heraus,  leerten  die  Wehre,  und 
als  sie  sich  mit  den  Fischen  beladen  hatten,  sprachen  sie  zu  einander:  «.Lasst  uns 
zurückeilen?**  Da  nahm  die  Eule  die  Wildkatze  auf  den  Rücken  und  flog  mit  ihr 
zu  der  Feuerkugel.  Sie  sahen  nun,  dass  dieselbe  ein  grosser  Korb  war,  der  an 
einer  Schlange  hing  und  so  aus  dem  Himmel  herabgelassen  war.  Als  die  Diebe 
in  den  Himmel  zurückkehren  wollten,  rief  die  Eule:  „Ich  bin  hier  mit  meinem 
Sohne,  der  Wildkatze,**  und  schnitt  die  Schlange,  an  der  der  Korb  hing,  durch.  Der 
Korb  fiel  zur  Erde  und  sie  sahen  nun,  dass  lauter  Thiere  darin  waren.  Sie  tödteten 
alle,  ausser  einem  Büffel,  einer  Bergziege,  einem  Frosch  und  einer  Schildkröte. 
Der  Büffel  spmng  in  den  Fluss  und  zeigte  nur  seinen  Kopf;  die  Bergziege  sprang 
gleichfalls  in  den  Fluss  und  zeigte  nur  ihr  Gesäss.  Beide  wurden  in  Felsen  ver- 
wandelt, die  noch  heute  zu  sehen  sind.  Die  Leute  versuchten,  den  Frosch  zu 
tödten,  indem  sie  ihm  mit  Stöcken  auf  den  Bauch  schlugen.  Sie  konnten  ihm  aber 
nichts  anhaben.  Seither  heisst  dieser  Platz  Tsemäköwü'm  (=  Streng  Belly).  Die 
Schildkröte  wurde  gleichfalls  in  einen  Felsen  verwandelt,    der   am  Flussufer  liegt. 

6.   Der  Riese. 

Eine  Frau  war  einstmals  ausgegangen.  Beeren  zu  suchen.  Ihr  Kind  schlief 
neben  ihr  im  Grase.  Auf  einmal  trat  ein  Riese  auf  das  Kind  zu,  sah  es  an  und 
sprach:  „0,  mein  Sohn,  wie  weiss  Du  geworden  bist,  seit  ich  Dich  verloren 
habe.**  Die  Frau  war  sehr  erschrocken.  Nach  kurzer  Zeit  sah  der  Riese  auf  sie 
herab  und  sprach:  „Mutter,  wie  hast  Du  es  zu  Stande  gebracht,  meinen  Bruder  so 
schön  weiss  zu  machen?**  Sie  antwortete:  „Ich  habe  ihn  geröstet.**  Da  sagte  der 
Riese:  „Ich  möchte  auch  so  schön  weiss  und  rein  sein.  Röste  mich  auch.**  Die 
Frau  sagte:    „Gut.   Grabe  ein  tiefes  Loch  und  sammle  einen  Haufen  Steine.  Dann 


(172) 

'  trocknes  Holz,  wirf  es  in  die  Qnibe,  thue  die  Steine  darauf  nnd  1 
mit  Gras."  Er  that,  wie  sie  gesagt  hatte.  Dann  liuss  sie  ihn  sich  dI 
leinen  niederlegen  uad  deckte  ihn  mit  Gras,  Erde  und  Steinen  zu.   Dt 

das  Holz  an  und  sprach  zu  dem  Riesen:     „Rühre  Dich  nicht!    Wt 

aasgebrannt  ist,  wirst  Du  weiss  und  rein  sein."  Als  das  Feuer  anä 
mnen,   versuchte  er  aufzasprin^en,   konnte  es  aber  nicht,   da  die  8te 

die  sie  auf  ihn  gehäuft  hatte,  zu  schwer  waren.  Uie  Frau  hörte  se 
d  sein  Herz  platzen.  Dann  nahm  sie  ihr  Kind,  ging  nach  Hause  v 
len  Leuten:  „Seht  doch  die  Wurzeln  an,  die  ich  unten  am  Flusse  , 
i.'    Sie   gingen   hinab,   öffneten   die  Grube  und  fanden   den  gekoch 

des  Biesen.  

Tages  sahen  einige  junge  Manner,  die  in  ihrem  Boote  zum  Fischen  a 
waren,  einen  Riesen  am  Flussufer  sitzen  und  ftschen.  Er  sab,  dass 
r  Bäume  sich  bewegten,  und  glaubte,  ein  Boot  käme.    Da  aber  alles  s 

er  Niemand  sah,  setzte  er  sich  wieder  mhig  nieder.  So  kamen 
>nner  unbemerkt  heran.  Sie  schössen  ihn  von  hinten.  Er  fiel  nie 
dteten  ihn  rollends,  ehe  er  sich  wieder  erheben  konnte. 

ie  Menschen  erschaffen  wurden,  erhoben  sie  sich,  ehe  sie  ganz  Tei 
e  fingen  an,  zu  tanzen,  und  tanzten,  bis  sie  todt  niederfielen.  Dt 
tue  Menschen  geschaffen,  die  unsere  Ahnen  wurden.   — 

ier  wiedererzählten  Sagen  zeigen  recht  enge  Beziehungen  zu  denen  < 
r  nordpaci fischen  Küste.  Die  Prairiewoif-Sagen  gehören  zu  einem  Cyci 
ber  die  Hochebenen  von  Britiscb-Colurabien,  Washington  nnd  Ore^ 
ist.  Besonders  eng  sind  die  Beziehungen  zwischen  den  Sagen  i 
und  Köotenay.  Die  Beziehungen  zu  den  Sagen  der  KUstenvölker 
ientlich  in  der  Einverleibung  gewisser  ZUge  in  Sagen,  denen  sie  siel 
;h  fremd  waren.  So  kehrt  der  Passus  in  der  ersten  Sage,  als  der  Va 
iuf  den  Arm  nimmt  und  es  beruhigt,  das  nachberige  Verlnssen  dcssell 
leSDch  der  Grossmutter,  in  unzähligen  Sagen  uiid  Verbindungen  an  i 
ier.  Ebenso  spielt  die  Pfeilketti:  der  zweiten  Sage  daselbst  eine  groi 
le  Erzählung  vom  Nerz  und  dem  Bären  kennen  wir  aus  Alaska,  wo  i 
Bären  auf  gleiche  Weise  tödiei.  Ebenso  gehört  es  zu  den  Fähigkei 
I,  mit  seinen  Exkrementen  Rath  zu  pflegen  nnd  namentlich  Wesen  i 
der  anderen  Gegenständen  zu  machen. 

Elr.  Otto  Herz,  welcher  im  Auftrage  eines  russischen  Grossfürsten  e 
e  Reise  durch  Nordsibirien  nnd  Kamtschaiku  ausgeführt  bat,  ist  i 
how  wegen  zweier  Aleuten-Skelelle  in  Verhandlung  getreten,  die 
3ehrings-lnael  mitgebracht  bat.  Dieselben  sind  aus  Mitteln  der  Rud 
tiftung  erworben  worden.  Hr.  Virchow  behalt  sich  vor,  darüber  and 
berichten. 

Von  Hm.  Vaughon  Stevens  ist  eine  neue  Sendung  ethnologischer  Geg< 
.  Malacca  eingetroffen,  über  welche  später  weitere  Hittheilung  erfolg 


M 


(173) 

(15)  Hr.  Prof.  Karl  J.  Maska  zu  Neutitschein  in  Mähren  übersendet  unter  dem 
12.  Febmar  folgende  Mittheilung 

zur  Aechtheit  der  mährischen  Diluvialfunde. 

1. 

Das  Heft  />  der  Verhandlungen  von  1890  enthält  auf  S.  404  eine  Notiz  des 
Hrn.  Virchow,  betreffend  ein  Schreiben  des  Hm.  Salomon  Keinach,  Directions- 
attache  bei  dem  National-Museuro  in  Saint  Germain-en-Laye,  worin  gewisse  Be- 
denken über  die  Aechtheit  der  von  mir  und  Hrn.  Dr.  Ktiz  erörterten  archäologi- 
schen Funde  aus  der  Diiuvialzeit  Mährens  zum  Ausdruck  gelangen.  Obzwar  Herr 
Virchow  in  der  folgenden  Bemerkung  nur  die  Funde  des  Hrn.  KH'z,  welche 
beim  Wiener  Congress  im  Jahre  1889  einer  besonderen  Commission  behufs  Aeusse- 
rung  vorgelegt  wurden,  in  Betracht  zieht,  so  musste  ich  dennoch,  da  sonst  keine 
Abbildungen  von  Artefakten  aus  der  Diluvialzeit  Mährens  vorliegen  und  ohne  solche 
jedwedes  Urtheil  unmöglich  ist,  obige  Notiz  in  erster  Linie  auf  die  in  meiner 
Schrift:  „Der  diluviale  Mensch  in  Mähren"  besprochenen  und  abgebildeten  Fund- 
objekte beziehen. 

Bestrebt,  so  rasch  als  möglich  volle  Klarheit  in  die  Angelegenheit  zu  bringen, 
wandte  ich  mich  direkt  an  Hm.  Reinach  in  St.  Germain  mit  dem  Ersuchen,  seine 
Hm.  Virchow  gegenüber  nur  allgemein  angedeuteten  Bedenken  näher  zu  formu- 
Uren.  Hr.  Rein  ach  hatte  die  Güte,  in  einem  ausführlichen  Schreiben  die  ihm  ver- 
dächtig erscheinenden  Gegenstände  zu  bezeichnen  und  zugleich  zu  bemerken,  dass 
seine  Bedenken  namentlich  durch  den  Umstand  hervorgemfen  und  genährt  wurden, 
dass  die  betreffenden  Objekte,  verglichen  mit  anderweitigen  Funden  aus  der  Ren- 
thierzeit,  einen  wesentlich  abweichenden  Charakter  zeigen  und  dass  beim  Wiener 
Congress  die  niedergesetzte  Commission  eines  der  vorgelegten  Artefakte  als  unächt 
erklärt  hatte. 

Ohne  mich  hier  in  eine  nähere  Erörterang  der  letzteren  Angelegenheit  ein- 
zulassen, bemerke  ich  nur,  dass  meines  Wissens  keineswegs  eines  der  vorgelegten 
Artefakte  als  „unächt",  sondern  bloss  als  „zweifelhaft"  bezeichnet  wurde,  und  gehe 
zu  den  von  mir  selbst  besprochenen  Funden  über.  Ich  war  auf  Grund  des  Schrei- 
bens im  Stande,  die  geäusserten  Bedenken  in  Bezug  auf  ihre  Stichhaltigkeit  näher 
zu  prüfen,  sowie  verschiedene  Auskünfte  bezüglich  der  Fundverhältnisse  bei  den 
einzelnen  Stücken  zu  geben,  wodurch  an  und  für  sich  schon  mancher  Verdachts- 
grund gänzlich  beseitigt  oder  dessen  Berechtigung  auf  das  richtige  Maass  zurück- 
geführt werden  konnte.  Nachdem  ich  mich  noch  vorsichtshalber  mit  Herrn  Dr. 
Wankel  in  Verbindung  gesetzt  habe,  legte  ich  meinen  Standpunkt  gegenüber  den 
vorgebrachten  Bedenken  in  einer  längeren  Erklärung  dar,  deren  wesentlicher  Theil 
den  Inhalt  der  folgenden  Zeilen  bildet.  Ich  fühle  mich  verpflichtet,  diese  Erklä- 
rund  der  Oeffentlichkeit  vorzulegen,  um  fürderhin  weiteren  Bedenken  zu  begegnen, 
sowie  den  guten  Ruf  der  mährischen  Funde  zu  wahren. 

Bezüglich  meiner  Abhandlung:  „Der  diluviale  Mensch  in  Mähren,  Neutitschein 
1886",  auf  deren  Abbildungen  ich  mich  in  der  Folge  gleich  Hm.  Reinach  be- 
ziehen werde,  sei  mir  zuvor  gestattet,  beizufügen,  dass  ich  bei  der  Herausgabe 
derselben  hauptsächlich  bestrebt  war,  eine  gedrängte  Uebersicht  aller  damals  be- 
kannten Diluvialfunde  in  Mähren  zu  liefem,  ohne  auf  erschöpfende  und  detaillirte 
Besprechung  der  einzelnen  Funde  eingehen  zu  wollen,  diese  sowie  eine  kritisch 
vergleichende  Erörterung  aller  Vorkommnisse  auf  einen  späteren  Zeitpunkt  ver- 
schiebend, beziehungsweise  den  verschiedenen  Forschern  und  Findern  selbst  über- 
lassend.   Mein  Urtheil  stützte  sich  zumeist  auf  Autopsie,   sowohl  was  die  Locali- 


074) 

tUen,  als  auch  was  die  Funde  selbst  betrifft.  Was  aber  die  Abbildungen  anit 
:o  war  ich  ans  naheliegenden  Gründen  gezwungen,  mehrere,  bereits  anderwärt« 
lutüte  Cliches  zu  verwenden,  wenn  ich  auch  mit  der  Art  und  Weise  der  ] 
tellung  oder  der  Auswahl  der  Gegenstände  nicht  immer  einverstanden  war. 
liese  Weise  kam  es,  dass  einzelne  Abbildungen  mit  dem  wissenschaftlich  ge 
enen  Texte  nicht  im  Einklang  stehen  und  dass  die  Uebemahme  der  vollen  B 
ehafl  für  die  Tadellosigkeit  und  Provenienz  der  abgebildeten  Gegenstände  mei 
eits  in  einzelnen  Fällen  abgelehnt  und  den  betreffenden  Antoren  überlassen  wei 
Quss.  Zu  diesem  Bchure  führte  ich  schon  damals  überall  die  Quelle  der  Entna 
[er  Abbildungen  gewissenhaft  an. 

Zur  Sache  übergehend  führe  ich  an,  dasB  Hr.  Reinach  im  Ganzen  •<.  ne 
ich  die  auf  S.  31,  93D,  E  und  P,  d9  und  101  abgebildeten  Gegenstände  als  n 
»der  woniger   verdachtig  bezeichnete.    Ich  werde  sie  der  Reihe  nach  besprec 

1)  Auf  S.  Hl  ist  in  zwei  Ansichten  ein  Scbieferstück  ans  der  Höhle  Kosli 
.bgehildet,  dessen  Oberfläche  auf  beiden  Seiten  eingeritzte  Striche,  zumeisi 
ymmetrischer  Anordnung,  aufweist.  Bezüglich  dieses  omamentirten  ScbieferstUi 
rkläre  ich,  dass  ich  nicht  Gelegenheit  hatte,  dasselbe  näher  zu  untersuchen, 
lin  also  ausser  Stande,  ein  endgültiges  Urtheil,  die  Aechtheit  oder  Ünächtheit 
elben  betreffend,  abzugeben.  Der  Gegenstand  und  die  Zeichung  bieten  mit 
olche  keinen  Anlass,  an  der  Aechtheit  des  Stückes  zu  zweifeln,  da  ähnlich 
ormte,  mitunter  auch  bekratzte  SohieferstUckchen  wiederholt  in  mährischen  I 
ialstatinnen  vorgefunden  wurden  und  die  Verzierung  keineswegs  gar  so  abson 
ich  isi  ^er  Umstand,  dass  die  Einritzung  —  soweit  man  ans  der  Abbild 
rsehen  kann  —  zum  Theil  auch  nnler  dem  oberflächlichen  Knlküberzuge  fortli 
praehe  sogar  direkt  für  die  Aechtheit  des  Stückes.  Bedenklich  aber  ist, 
i'heil  wenigstens,  der  Umstand,  dass  das  Stück  von  einem  Dilettanten  vorgewii 
rnrdc,  während  andere  bewährte  Erforscher  dieser  Hohle  kein  ahnliches  Stttcl 
^ige  brachten.  Ich  räume  ein,  dass  es  dringend  wUnschenswerth  wäre,  das 
inal  einer  eingehenden  Untersuchung  zu  unterziehen,  um  die  Sache  nach  s 
leiten  hin  klar  zu  legen.  Die 'Abbildungen  wurden  den  Mitlheilungen  der  anth 
■esellschan  in  Wien,  XI,  Band,  1K83  entnommen.  Ob  die  damalige  Redsc 
as  Original  gesehen  nnd  untersucht  hat,  ist  mir  nicht  bekannt. 

2)  Die  Abbildung  D  auf  S.  93  repnisentirt  ein  Renthiergeweihfragment 
'l-edmost,  in  welchem  ein  Feuersteinmesser  steckt.  Hierzu  erkläre  ich,  dass 
eiden  Gegenstände  nicht  in  der  angegebenen  Verbindung  vorgefunden  wni 
nd  überhanpl  nicht  zusammengehören.  Die  Vereinigung  beider  Stücke  in 
,bbildung  erfolgte  nach  Aussage  des  Finders,  Hrn.  Wunkel,  lediglich  in  der 
icht,  um  ein  vollständig  adjustirtes  Feuerstein  werk  zeug  zu  Teranschnnlichen 
lenthiergcweih  ist  an  und  für  sich  acht  und  weist  auf  der  Oberfläche  zwei  Bei 
ich  kreuzender  eingeritzter  Striche,  die  indessen  in  der  Zeichnung  nicht 
fiedergepeben  sind.  Hauptsächlich  wegen  dieser  Omamentirung  wurde  das  Gew 
ragment  zur  Abbildung  gewählt.  In  diesem  Falle  stimme  ich  Hm.  Reinach 
'enn  er  ein  derartig  zusammengestelltes  Werkzeug  als  unmöglich  bezeichnet; 
Icnthieigeweib  hatte  gewiss  eine  andere  Bestimmung. 

3)  In  der  Figur  E  auf  S.  93  ist  ein  Elfen bcinkegel  aus  Predmost  abgebi 
nd  nach  Wankel  als  ^Ahle"  bezeichnet.  Dieser  Kegel  ist  vollständig  Seht 
ietet  mir  in  seiner  Eigenschaft  als  einfach  zugespitztes,  bezw.  abgerundetes  El 
cinartefabt  in  keiner  Hinsicht  irgend  welche  Veranlassung,  an  seiner  kil 
chen  Herstellung  in  der  Diluviulzeit  zu  zweifeln,  um  so  weniger,  als  ich  s£ 
hnliche  Exemplare  in  viel  grösserer  Vollendung  und  Zartbeil  an  derselben  Fi 


(175) 

Stätte  in  Pfedmost  geAinden  habe.  Hier  liegt  also  für  irgend  ein  Bedenken  kein 
Ghnind  vor. 

4)  Auch  der  25  cm  lange  und  7  cni  dicke  Elfen  bei  ncy  linder  mit  Oehr  aus 
Pfedmost,  Figur  F  auf  S.  93,  welchen  Hr.  Reinach  als  Unmöglichkeit  zu  be- 
zeichnen geneigt  war,  ist  seiner  Substanz  und  ganzen  Form  nach  acht  und  jedweder 
Zweifel  bezüglich  dessen  unzulässig.  Hr.  Dr.  Wanke  1  fand  ihn  persönlich  in  der 
diluTialen  Culturschicht  und  zwar,  wie  ich  einer  freundlichen  Mittheilung  desselben 
entnehme,  mit  vollständig  unversehrtem  Oehr.  Gegenwärtig  ist  letzteres  allerdings 
beschädigt,  indem  anlässlich  eines  Transportes  der  obere  Theil  des  Bogens  ein- 
gedrtlckt  wurde;  doch  sind  die  beiderseitigen  Ansätze  noch  in  hinreichender  Aus- 
dehnung erhalten,  um  die  Authenticität  der  Abbildung  zu  bekunden.  Ich  habe 
diesen  Elfen beincylinder  wiederholt  besichtigt  und  stehe  gleichfalls  für  dessen 
Aechtheit  ein.  Massive  Elfenbeincylinder  und  Aushöhlungen  von  Elfenbein  wurden 
auch  von  mir  in  Piredmost,  erstere  in  den  Höhlen  bei  Krakau  und  in  der  mähri- 
schen Höhle  K II Ina  bei  Sloup  gefunden.  Steht  nun  die  Aechttheit  des  tadellos 
vollendeten  Exemplars  aus  Predmost  xmanfechtbar  fest,  so  lässt  sich  allerdings 
über  die  Art  seiner  Verwendung  streiten.  Ihn,  nebenbei  gesagt,  als  lassoähnliches 
Wurfgewicht  zu  deuten,  wie  es  Hr.  Wankel  thut,  scheint  mir  mit  Rücksicht  auf 
die  verhältnissmässige  Zartheit  des  durchlöcherten  Endzapfens  nicht  zutreffend. 

5  und  6)  Die  grössten  Bedenken  scheinen  Hrn.  Reinach  die  beiden  auf 
S.  99  und  101  abgebildeten  Mammuthrippen-Pragmente  mit  eingeritzten  geometri- 
schen Ornamenten  eingeflösst  zu  haben,  da  die  Zeichnungen  zu  jenen  gehören,  die 
sehr  leicht  selbst  in  einen  mürben  Knochen  eingeritzt  werden  können  und  ihr 
streng  geometrischer  Charakter  von  den  bisher  bekannten  Proben  der  Renthierjäger- 
Kunst  stark  abweicht.  Dem  gegenüber  erkläre  ich  ausdrücklich,  dass  die  beiden 
Exemplare  von  mir  eigenhändig  aus  der  unversehrten  Culturschicht  in  Predmost 
gehoben  und  eigenhändig  gereinigt  wurden.  Ich  stehe  für  deren  Aechtheit  in  jeder 
Beziehung  persönlich  ein.  Die  Beschaffenheit  der  gravirten  Oberfläche  ist  übrigens, 
wie  schon  den  nach  Photographien  hergestellten  Zinkographien  entnommen  werden 
kann^  eine  derartige,  dass  beim  blossen  Anblick  derselben  auch  der  leiseste  Zweifel 
schwinden  muss. 

Zum  üeberfluss  bemerke  ich  noch,  dass  ausser  den  zwei  abgebildeten  Mamrauth- 
rippen  noch  mehrere  andere  in  Predmost  und  zwar  sowohl  von  mir,  als  auch  von 
anderen  Forschem  ausgegraben  wurden.  Die  Oberfläche  dieser  Exemplare  ist  ent- 
weder bloss  durch  wiederholtes  Schaben  mit  einem  Feuersteinwerkzeug  geglättet, 
oder  mit  eingeritzten  Strichen  in  verschiedener  Anordnung  bedeckt;  ich  bildete  im 
Jahre  1886  eben  die  beiden  schönsten  Exemplare  von  der  Fundstätte  ab. 

Ausser  solchen  zugerichteten,  minder  regelmässig  oder  unvollständig  omamen- 
tirten  Mammuthrippen  fand  ich  im  vorigen  Jahre  in  Pfedmost  ein  neues  Pracht- 
exemplar von  33  cm  Länge,  auf  dessen  einer  Breitfläche  eine  siebenmal  gebogene 
Wellenlinie,  umgeben  von  sonstigen  Strichreihen,  eingeritzt  erscheint.  Diese 
Mammuthrippe,  welche  ich  gleichfalls  eigenhändig  gehoben  und  gereinigt  habe, 
steht  hinsichtlich  der  Ausführung  der  Zeichnung  gleichfalls  einzig  da  und  bekxuidet 
im  Zusammenhange  mit  den  anderen  Gegenständen  von  derselben  Fundstätte  aber- 
mals die  hohe  Wichtigkeit  dieser  hervorragenden  Station,  welche,  wie  kaum  eine 
andere,  zur  Aufhellung  der  diluvialen  Verhältnisse  in  Mitteleuropa  beizutragen 
vermag.  Angesichts  der  ungewöhnlichen  Reichhaltigkeit  und  grossen  Mannich- 
faltigkeit  der  Funde  in  Piredmost  darf  es  uns  nicht  wundem,  wenn  unter  den  vor- 
kommenden Gegenständen  auch  einige  neue  Erscheinungen  auftreten,  um  so  weniger, 
als  namentlich  die  Anzahl  der  grawten  Artefakte  in  unseren  Ländern  bisher  eine 


(176) 

geringe  igt,  ao  dass  vorlänftg  von  VergleichuDg  derBelbea  noch  abget 
ien  muss.  Eine  volle  Ue berein sfim man g  dieser,  doch  nor  von  der  individi 
if^e  des  Künstlers  abhängigen,  an  kein  Vorbild  sich  anlehnenden  Erzeag 
den  westeuropäischen  Gravirangen  kann  man  schon  mit  Rflcksicht  an 
oliche  Entrernung  nicht  erwarten;  meines  Erachtens  mUsste  eine  solche  : 
Taschen,  als  die  vorhandene  Unabhängigkeit  gewisser  mährischer  Konstleistu 
den  französischen  and  belgischen.  Uebrigens  glaube  ich  Anklänge  ai 
fische  diluviale  ( >rnamentirung  auch  bei  französischen  Exemplaren  vorznfi 
verweise  in  dieser  Richtung  insbesondere  auf  die  mit  Einritzungen  verzi 
!kte  aus  Laugerie-Basse  in  der  Dordogne,  wie  sie  in  Cartailbac,  La  Fi 
istorique,  Paris  1889,  p.  '25  abgebildet  sind. 

Um  schliesslich  noch  die  Funde  des  Hm.  Dr.  KH£  kurz  zu  erwähnen,  wi 
I  Änthropologen-Gongress  in  Wien  zur  Sprache  kamen,  so  bemerke  ich, 
alle  diese  Objekte  aus  Autopsie  genau  bekannt  sind  und  daas  ich  troti 
Hrn.  Szombathy  bezüglich  eines  Stückes  angeregten  Bedenken  an 
itheit  zu  zweifeln  keinen  Grund  aufzufinden  vermochte.  Die  Torgebra( 
jnken  waren  so  wenig  berechtigt,  dass  nur  die  Eile,  mit  der  die  Prüfung 
anstände  in  Anbetracht  des  notorischen  Zeitmangels  vor;genomnien  we 
äte,  daran  die  Schuld  tragen  dürfte,  dass  auch  dieses  Stück  nicht  gleicJ 
:tändig  als  acht,  sondern  in  Hinsicht  der  Provenienz  der  GinritzuDgeo 
felhafl  erklärt  wurde.  Aber  selbst  zugegeben,  dass  diesmal  Hr.  KUi 
n  Arbeiter  hintei^ngen  worden  wäre,  so  könnte  dieser  einzelne  Fall  mit 
Ten  mährischen  und  namentlich  Pi-edmoster  Funden  in  keinerlei  Bezie 
acht  werden.  Dieselben  stehen  vielmehr  makelloss  da  und  namentlic 
r  Zweifel  an  der  Aechlheit  der  von  mir  aufgefundenen  verzierten  Marnn 
;n  ausgeschlossen. 

In  der  vorstehenden  Darlegung  war  ich  bestrebt,  die  Seitens  des  Hm.  Reir 
ebracbten  Bedenken  nach  Möglichkeit  zu  zerstreuen  oder  anfzaklären, 
be  ich  dargelhan  zu  haben,  dass  ein  ausgesprochenes  Falsnm  unter  den  m 
n  Diluvialartefakten  nicht  erwiesen  ist.  Hr.  Reinach  war  so  freundlich 
m  weiteren  Schreiben  seinen  gegenwärtigen  Standpunkt  zu  präcisiren.  E 
rttcklich  wünscht,  das  Schreiben  nur  vollständig  zu  veröffentlichen,  so  erl 
nir,  hier  den  Wortlaut  im  Original  folgen  zu  lassen. 

Chäteau  de  St.  Germain- en-Laye,  le  7  Fevrier  1^91. 
Monsienr  te  Professeur, 
„J'ai  re^u  et  In  avcc  gmnde  attention  la  lettre  que  vous  m'avez  fait  l'hon 
i'ecrire,  en  rcpoose  ä  Celle  oü,  sur  votre  demande,  j'avais  precise  les  d( 
m'inspiraient  quelques  objets  ornes  de  gravures,  pubties  dans  votre  tivre . 
iale  Mensch  in  Mähren". 

„La  gravnre  qui  me  semblait,  et  mc  semble  encore  la  plus  singuliere,  est 
1  page  31  (fragraent  d'urdoise).  Cr,  voua  me  dites  precisömcnt  qne  von 
ez  pas  repondre  personeliement  de  son  authenticite.  11  faudmit  que  l'orii 
loumis  H  l'examcn  dune  socirtc  d'anthropologic;  pour  le  momcnt,  je  cont 
doutes,  motives  par  l'analogie  de  ces  dessina  sans  caractere  avcc  ceux  qu 
inbtics  antrefois  parBronillet  etMeillet  (Epoques  antediluvieime  et  celt 
'oitou,  Poitiers  et  Paris  1864)  et  qne  Ton  a  montrös  avoir  ete  fabriques 
llet. 

,En  ce  qui  conceroe  les  gravures  de  la  page  93,  votre  lettre  confont 
que  mes  doutes  snr  la  Dgure  D.  Je  considorais  comme  inadmissible  l'inw 
i   pointe   en   silex   dans  nn  manche  en  bois  de  renne  de  cette  forme  et 


(177) 


m^obligeait  ä  considerer  le  tout  comme  suspect.  Vous  me  dites  que  ]a  pointe  en 
silex  a  ^ie  inseree  dans  Ic  manche,  ,,Qm  ein  vollständig  adjustirtes  Feuersteinwerk- 
zeag  za  veranschaulichen^;  cette  explicaiion  me  suffit. 

„Le  cylindre  en  ivoire  avec  oreillette  de  snspension  (p.  93,  F)  me  semblait 
aussi  inadmissible;  vous  me  dites  qae  le  Dr.  Wankel  Fa  tronve  de  sa  propre  main 
dans  la  couche  quatemaire  et  quMl  en  existe  d'autres  analogues  trouves  par  vous 
a  Pfedmost     Je  m'incline  devant  cette  double  affirmation. 

„Pour  les  deux  cötes  de  mammouth  reproduites  aux  pages  99  et  101,  vous 
me  dites  que  vous  les  avez  decouvertes  vous-meme  dans  des  couches  vierges. 
Comme  vous  Fecrivez,  tout  doute  sur  Fauthenticitc  dos  gravures  doit  ceder  devant 
une  assertion  aussi  formelle.  Vous  ajoutez  d^ailleurs  que  la  Station  de  Pfedmost 
vous  a  fourni  des  objets  de  types  tout  u  fait  nouveaux.  C'est  le  caractere  de 
nouveaute  qui  avait  eveille  mes  soup^ons  et  il  est  fort  desirable,  dans  Finteret  de 
la  science,  que  toutes  vos  decouvertes  soient  soumises  a  quelque  commission  com- 
petente  avant  d'avoir  ete  completement  nettoyees.  Sans  cela,  les  doutes  que  je 
vous  ai  exprimcs  seront  renouveles  par  d'autres,  qui  connaissent  YSige  du  renne 
par  les  recherches  faites  dans  FEurope  occidentale,  oü  les  types  d'objets  en  os  et 
en  corne  presentent  un  caractere  reraarquable  d'uniformite. 

„Je  vous  autorise,  Monsieur  le  Professeur,  a  faire  de  la  presente  lettre  Fusage 
que  vous  croirez  convenable,  mais  je  vous  prie  de  ne  la  publier  qu'integrale- 
ment.''  — 

Dem  Schreiben  ist  zu  entnehmen,  dass  die  ehemals  vorhandenen  Zweifel  des 
Hm.  Sal.  Bei  nach  in  der  Hauptsache  gehoben  sind;  ich  verarge  es  ihm  nicht, 
wenn  er  bezüglich  des  omamentirten  Schieferstückes  bei  seiner  ursprünglichen  An- 
sicht verbleibt,  xmd  verweise  den  Leser  in  diesem  Punkte  auf  meine  obige  Erklä- 
rung. Was  jedoch  die  Prüfung  meiner  sämmtlichen  Funde  von  Pfedmost  durch 
eine  competente  Commission  betrifft,  so  erlaube  ich  mir  hervorzuheben,  dass  die 
wichtigsten  Ergebnisse  der  Ausgrabungen  bis  zum  Jahre  1889  in  einer  sehr  be- 
deutenden Auswahl  bereits  dem  Anthropologen-Congress  in  Wien  vorgelegen  haben, 
bei  welchem  Anlasse  ich  Gelegenheit  hatte,  namentlich  die  verzierten  Mammuth- 
rippen,  sowie  andere  Artefakte  von  Elfenbein,  Knochen  oder  Stein  nebst  auf- 
geschlagenen Mammuthknochen  und  sonstigen  Belegen  der  Fauna  den  anwesenden 
Celebritäten  aus  Deutschland  und  Oesterreich-Ungarn  persönlich  vorzuzeigen. 

Eine  neuerliche  Vorlage  der  gesammten  Funde  erscheint  mir  derzeit  weder 
erforderlich,  noch  zweckdienlich;  deren  Ausführung  wäre  auch  mit  Schwierigkeiten 
verbunden,  denn  abgesehen  von  dem  Transport  der  zahlreichen,  mitunter  volumi- 
nösen oder  gebrechlichen  Fundstücke  ist  die  Zusammensetzung  einer  competenten 
Commission  aus  Kennern  diluvialer  Funde  nicht  immer  leicht  zu  bewerkstelligen. 
Gern  bin  ich  hingegen  bereit,  die  wichtigsten  Artefakte  und  insbesondere  die  geo- 
metrischen Ornamente  auf  Mammuthrippen  bei  passender  Gelegenheit  den  Fach- 
genossen zur  Beurtheilung  vorzulegen.  Vorläufig  befindet  sich  das  gesamrote  von 
mir  gewonnene  Material  von  Pfedmost  geordnet  in  meiner  Sammlung  in  Neu- 
tiischein  (Mähren)  und  kann  von  Jedermann  besichtigt  werden. 


V 


ß 


IL 
Die  günstige  Gelegenheit,  welche  es  mir  ermöglichte,  die  diluvialen  Funde 
Mährens  einer  näheren  Besprechung  an  dieser  Stelle  zu  unterziehen,  kann  ich  nicht 
vorübergehen  lassen,  ohne  noch  in  einer  anderen  Richtung  eine  Richtigstellung 
zu  versuchen.  Dieselbe  bezieht  sich  auf  das  bekannte  diluviale  menschliche 
Unterkieferfragment   aus  der  Sipkahöhle,  gewöhnlich  Sipkakiefer  genannt.     In  der 


Vertaaadl.  der  Berl.  Authropol.  Gesclltchafl  1S9I. 


12 


(178) 

rechung  des  Werkes  „Anthropologie"  von  Dr.  Alsberg  (Zeitschrift  für  E 

1t(88,  S.  '250)  verweist  Hr.  Virchow  auch  aar  die  Darstellung  des  i 
rs  and  macht  dabei  die  Bemerkung,  „dass  es  bei  demselben  nachg 
Folhaft  geworden  ist,  ob  er  überhaupt  ein  diluviales  Stück  ist"-    Diese  B' 

veranlasste  mich,  an  Hrn.  Virchow  die  höfliebe  Anfrage  zu  richten,  w 
ide  ihn  bewogen  hätten,  von  seiner  ursprünglichen  Ansicht  abzugeben  ui 
^ossihtät  des  Kieferslückea  zu  zwcirchi.  Hr.  Virchow  hatte  die  beso 
,  mir  umgehend  bekannt  zu  geben,  dass  die  citirte  Bemerkung  auf  einer 
iing  beruhe,  welche  ihm  Prof.  Woldrich  bei  Gelegenheit  des  hygienischen 
les  in  Wien  gemacht  hätte.  Dieser  habe  ihm  gesagt,  die  Lage  des  K 
:es  in  der  Höhle  mache  es  zweifelhaft,  ob  dasselbe  zu  dem  diluvialen  Ii 
letzteren  gehöre.  Zugleich  ermächtigte  juich  Hr,  Virchow  von  seiner  Ai 
auch  zu  machen,  da  er  keinen  Grund  hätte,  die  ihm  gerauchte  Mittheilm 

verb'aulicbe  anzusehen.  Ich  achrieb  also  Hm.  Weidlich  in  Wien  nr 
te  ihn  um  Aufklärung,  doch  bekam  ich  nur  ausweichendo  Antworten.  D 
)etheiligteu  Kreise  über  den  wahren  Sachverhalt  au^uklären  vermochte, 
igte  ich  nicht,  die  Angelegenheit  an  die  OefTentlichkeit  zu  tragen  und  hat 
e  Sache  auf  sich  berahen  lassen,  wenn  nicht  später  und  sogar  in  neueste 
mala  bedenken  gegen  das  diluviale  Alter  des  Sipkakicfers  laut  geworden  v 
sich  wahrscheinlich  auf  den  oben  citirten  Ausspruch  des  Hm.  Vircho' 
m  dürften.  Ich  sehe  mich  in  Folge  dessen  bemüssigt,  ein  für  allcma 
drücklichst   zu   erklären,   daas  seit  der  Auffindung  des  Sipkakicfers  im 

keine  neuen  Momente  bebannt  geworden  sind,  welche  in  irgend  welcher 

zu  einem  Zweifel  an  der  Fossilität  des  StUckea  berechtigen  würden. 
Ich  halte  es  für  überflüssig,  hier  noch  eine  Lanze  für  den  acht  diln 
akter  des  Stpkakiefers  zu  brechen.  Derselbe  wurde  von  allen  Forschen 
untersucht  oder  auch  nur  gesehen  haben,  ausdrücklich  anerkannt.  Äugst 
nnten  Stelle  ist  mir  auch  in  der  Literatur  kein  einziger  Fall  bekannt,  wo  i 
md  an  der  Fossilität  des  Stückes  gezweifelt  hätte.  Ich  hebe  nur  bezi 
;r  Lagerung  in  der  Sipkahöhle  hervor,  dass  er  in  einem  Theilc  derselUer 
iden    wurde,    welcher   vor  Beginn   der  neolitbiscben  Zeit  eingestürzt  wa 

die  TrUmmer  der  Höhlendecke  an  allen  Stellen  unmittelbar  auf  oder  in 
ialen  Böhlenlehm  lagerten.  Das  Kiefersttick  stammt  aus  der  unterstei 
ten  Culturschicht   und   wurde   in  der  Nähe  einer  Feuerstätte  mitten  zwi 

Resten  altdiluvialer  Thiere  und  Qu arzit Werkzeugen  vom  Type  Mous 
nden-  Dasselbe  gebärt  zu  den  ältesten  diluvialen  Funden  in  Oesterreich-U 

überragt  an  Alter  bedeutend  namentlich  die  Pnndc  von  der  Mammoth 
e  in  Ptedmost- 

(16)  Hr.  A.  Treichel  schickt  nebst  Brief  vom  11,  Jannar  aus  Hoch-Pale» 
jndcn  Bericht  über 

westprensBische  Schlossberge  and  BorgwftUe. 

1.  Schlossberg  von  Ralhsdorf. 
Neulich  nahm  ich  Gelegenheit,  den  Burg  wall  von  Rathsdorf  im  I 
Stargardt  zu  besuchen.  Er  liegt  unweit  von  der  Chaussee  Hoch-StUblaa- 
t  und  ist  es  von  dem  Gute  Miradaa  aus  auf  dum  von  der  Schule  nach  RatI 
enden  Schulsteige  etwa  '2  Minuten  zu  gehen.  Dieser  Steig  führt  von  Plak 
^u,  welche  durch  eine  Senkung  unterbrochen  sind,  in  deren  Kessel  zwei 
m,  rechts  der  tiefere,  weil  mit  abschüssigen  Ufern  begabte  Radaune-Sce,  au 


(L  St.  M.  Hochstüblaii  Mühle.  Mir.  HiraiUii.  S.  Schule  (tod  da  Act  KchuUteit;)-  Fr.  St.  Preuss. 
Stargardt.    R.  1).  Rathsdfirf.     Path.  S.  Patheo-See.    Gr.  Graben.    Rad  S.  Kadaunen  ■  See. 


E.  Kingang.    It.  Bude.    K.  Kessel  (mit  4  Schritt  AbsHeg).    Umg.  Umgang. 

chem  ein  Graben  das  Wasser  in  den  tiefer  gelegenen,  mehr  morastigen  linken  Puthen- 
See  bringt  von  welchem  ein  Bach  die  Abflüsse  zur  Pischnica  nibrt.  Am  Fusse  dieses 
Pathensees,  welcher  daher  seinen  Namen  führt,  dass  er  einmal  als  Patheiigescbenk 
fortgegeben  wurde,  liegt  auf  der  Gegen  übe  rseito  der  Schlossbcrg,  wie  er  auch  im 
Volksmnnde  heisst,  beide  zum  Gate  Ruthadorf  als  dessen  nördlichsten  Stücke 
gehörig.  Nach  der  Generalstabskarte  hat  der  Pathensee  104  m,  der  höchste  Punkt 
am  Radaunesee  aber  132  in.  Somit  mag  die  Höhe  des  ßergabfalls  etwa  20 — 35  m 
an  dieser  Stelle  betragen.  Die  innere  Gestaltung  ist  durch  angelegte  Gänge  neu- 
zeitlieh »erändert,  lässt  sich  aber  immerhin  erkennen.  Der  jetzt  gewählte  Eingang 
wird  wahrscheinlich  an  der  Stelle  angelegt  sein,  wo  schon  vordem  ein  solcher  vor- 
handen war.  Eine  an  der  breitesten  Stelle  8  Schritte  Durchm.  haltende  Wallkrone  um- 
giebt  den  Wall ;  sie  ist  links  vom  Eingänge  etwa  "25  Schritte,  rechts  Über  75  Schritte 
lang.  Im  inneren  Raum  zeigt  der  Wall  bei  34  Schritten  Abstieg  eine  Haupikesselung 
und  noch  zwej  weniger  liefe  (4  and  5  Schritte  im  Durchm.)  Kessel,  auserdem  noch 
manche  kulenartige  Vertiefung,  überall  ausgefüllt  von  einer  starken  Humusschicht 

12* 


(180) 

rselben  brachte  der  TouchciA- Lehm  herauf^,  sowie  von  dem  LaubralU 
ind  die  Ansicht  erschwerenden  Baumbestand  es  an  Riefern,  Kothbnchcn 
Birken,  Der  Abfall  geht  halbkreiardrmig  zum  PatKenBee.  In  früherer 
jr  Wall  za  ländlichen  Somraer-Vergntigungen  fUr  die  Bewohner  der 
enutzt,  ehe  sich  solch  Stelldichein  in  die  Oberförsterei  Wirthy  verzog;  d 
e,  daher  eine  bedachte  Bnde  am  Ufer  des  Sees,  iiuf  welchem  Boote 
iaher  vielleicht  manche  andere  Veränderung.  Die  Wallkrone  bilde 
aten  Stelle  einen  grösseren,  mehr  runden  Punkt  von  14  Schritten  Um 
ngeebnet,  etwa  zum  Zwecke  einer  Aussicht.  Von  der  Landseite  aut 
efindet  sich  links  vor  dem  Walle  ein  etwa  50  Puss  tiefer  Graben,  l 
;  Schlehdorn  bewuchert,  freilich  die  beste  Abwehr;  eine  solche  Vorth 
It  rechtsseitig,  scheint  auch  nicht  so  nöthig,  weil  hier  der  Abfall  zu  e 
he  ein  bedeutenderer  ist,  wie  linksseitig,  wo  ebenfalls  ein  Thall 
n  ist.  Zwischen  beiden  Bruchkesseln  geht  nnn  der  Zugang,  we 
auf  den  breiten  Auagnck  fuhrt,  indessen  nur  eine  schlechte  und  schw 
ignng  abgiebt.  Dies  ist  das  Ergebniss  einer  spät  nach  mittäglichen  V 
im  November.  Funde  habe  ich  nicht  gemacht,  noch  von  solchen  ge 
e  sonst  sich  anschliessende  Sage  fällt  ganz  fort,  trotz  der  Umfrage,  wi 
erPox  in  Miradau,  mein  Weiser  und  Begleiter  zum  Walle,  darüber  h 
Dagegen  erzählte  derselbe  mir  von  einem  seltsamen  Funde  von  1»8)< 
ichte  eines  Schnlknaben.  Dieser  hatte  auf  dem  Schulsteige  in  dieser  Ge 
dförmigen  Gegenstand  von  etwa  ti  ciu  Durchmesser,  schwärzlichen 
mit  Speichen  versehen,  nur  dass  eine  fehlte,  gefunden,  dcnselbei 
lin  gehalten  und  also  („was  sollte  ich  damit?")  in  den  nahen  See  gewc 
le,  das  bestimmt  beschriebene  Aussehen  der  Form,  ja  die  fehlende  Spi 
es  sehr  wahrscheinlich,  dass  es  das  Rad  eines  kleinen  Wagens  und 
nze  gewesen  sei.  Ist  dies  Stück  auf  dem  Auswurf  des  Grabens  gefui 
lottnung  vorhanden,  dass  die  angeregte  weitere  Suche  ein  nähere: 
bringt. 

s  nnn  die  Literatur  dieses  Walles  betrifft,  so  führt  ihn  Dr.  L.  B 
ihichtl.  Rnndwälle  S.  190)  nach  J.  N.  Pawlowski  (Prov.  West-Pr.  ! 
erg  Miradau  ist  identisch  mit  dem  von  Rathsdorf)  knrz  an;  er  bezei 
Dt.  Lissaner  (Prähistorische  Denkmäler  f.  West-Pr.  S.  19-i).  im  I 
I  Schwarz  Wasser,  Weichsel  and  Ferse  als  den  einzigen  anf  den  G 
en  Ufers  des  Scbwarzwassers  nach  Untersuchung  und  Bericht  voi 
irdt,  der  ihn  Buigberg  nennt  (Sitz.  d.  anthropol.  Section  zu  Danzig 
■•  1877,  Sehr.  d.  naturf.  Ges.  Bd.  IV.  H.  3.  S.  14).  Das  Plateau  gie 
an,  den  Aufstieg  des  Wulles  auf  lä  m.  Er  fand  viele  Scherben  vom  1 
s  und  Holzkohlen.  Aber  schon  Dr.  B.  Stadie  (Landräthl.  Kreis  Stat 
iricht  läli9  von  den  mächtigen  Wällen  eines  früheren  Castmm,  das  ' 
b  dos  Schloss  Radzons  war,  in  welchem  1270  Herzog  Histwin  II. 
Bruder  Wrutislav  II.  überfallen  wurde      Rathsdorf,  vor  14*>'  Radzii 

war  aber  das  ursprün gliche  (Rcdzk?  oder)  Radeow  oder  Radzons 
em    nahen    Niradowe  (Mirudau)    1305    von   Peter  Swenza    von    N 

den  deutschen  Orden  verkauft  ward.  Mag  auch  das  Ketz  zwi 
und  Konitz  Radeow  oder  Radzons  geheissen  haben,  so  darf  Atta  voi 
k's  verkaufte  Radzons  nicht,  wie  Toppen,  Hirsch  und  Quandt  w 
bezogen  werden;  vielmehr  muss  man  es,  schon  wegen  der  Näh< 
e,   anf  dies  Stargordter  Radziejewo,   heute  Rathsdorf,   deuten,     Aue 


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(181) 

alte  Name  des  hier  gelegenen  Sees,  Radaune,  über  dessen  Vorkommen  gerade 
hier  man  sich  bei  der  weiten  Entfernung  des  Radaaneflnsses  wwidem  müsste, 
spricht  durchaus  dafür.  Ja,  ich  bringe  auch  den  Namen  Miradau  damit  in  Verbin- 
dung, alt  Niradowe,  also  wohl  nicht  von  „mir"  =  Friede  abzuleiten,  sondern  viel- 
leicht den  Gegensatz  von  Radeow  bezeichnend,  das  hier  seine  Grenze  hatte,  da 
früher  selbst  der  Fathensee  dazu  gehörte.  Unannehmbar  ist  dagegen  die  von  Dr. 
Stadi^  vorgeschlagene  Ableitung  dieses  Namens  von  r^d,  r^dz,  r^dzina  =  fetter 
Boden,  Morast,  Torfbruch,  Sumpfwasser,  ganz  verschiedene  Begriffe  bezeichnet, 
wenn  sie  auch  auf  den  Ort  passen  mögen.  Ebenso  giebt's  im  selben  Kreise 
(näher  Dirschau)  ein  Rathstube,  ursprünglich  Radostowe,  o.  Anklingende  Orts- 
namen, zum  Theile  germanisirt,  findet  man  häufiger,  wie  Radawnitz  bei  Flatow, 
Radowno  bei  Loebau,  Radowisk  bei  Strassburg,  Raduhn  bei  Dt.  Krone  und  im 
Kr.  Bereut,  Radagosz  oder  Radegast  in  Kreise  Stai^gardt;  wie  auf  der  Insel  Usedom 
Redzow  und  Redesso  w,  im  Kreise  Lauen  bürg  Reddestow;  wie  sonst  Raddow, 
Radekow,  Radewitz,  Radlow,  Rathebuhr  und  Ratzebuhr  in  Pommern.  Ich  selbst 
leite  es  ab  von  rad,  gern  oder  radda,  radzca,  Rath,  radziö,  rathen;  es  ist  das  nicht 
blos  der  Sinn  des  verdeutschten  Rathsdorf,  sondern  steht  auch  eher  in  Verbindung 
mit  dem  Burgwalle,  weil  auf  ihm  etwa  Rath  gehalten  wurde. 

2.   Der  Burgwall  von  Borkau-Grabau. 

Im  westpreussischen  Kreise  Preuss.  Stargardt  giebt  Dr.  Behla  in  Vorgeschichtl. 
Rundwälle  S.  190  einen  Burgwall  von  Grabau  als  verzeichnet  auf  der  prähistorischen 
Karte  der  Provinz  Westpreussen  von  Lis sauer  kurz  an,  den  auch  ich  ihm  nach 
meinem  Gewährsmanne  Hr.  Peter  von  Gzarlinski  für  seine  Zusammenstellung 
gemeldet  hatte.  Dr.  Lissauer  führt  ihn  nach  Ossowski  Carte  arch.  p.  9,  Nr.  31 
an  als  am  Ufer  eines  kleinen  Sees  gelegen,  nicht  weit  vom  Borkauer  Wäldchen,  und 
als  halb  zerstört.  Seine  genauere  Untersuchung  konnte  von  mir  erst  im  Frühjahr  1890 
erfolgen,  wobei  mir  Herr  Besitzer  Kantak  getreulich  zur  Seite  stand.  Ueberall 
wird  er  als  der  Wall  von  Grabau  bezeichnet;  da  er  aber  wunderbarer  Weise 
halb  zum  Gute  Borkau  und  halb  zur  Gemeinde  Grabau  gehört,  woher  der 
Eigenthümer  Jeschke  das  ihm  gehörige  Viertel  vor  einigen  Jahren  auf  seine  Län- 
dereien oder  Wiesen  zur  Cultivirung  verfahren  hat,  so  dass  der  Grabausche  Antheil 
als  Wall  nicht  mehr  besteht,  so  ist  es  wohl  gerechtfertigt,  ihn  den  von  Borkau- 
Grabau  zu  nennen.  An  den  Namen  (Neu-)  Grabau,  Kreis  Bereut  (Grab  =  Weiss- 
buche) knüpft  sich  bereits  (Sitz.-Ber.  'l%,  Jan.  1878  und  Verhandl.  1884  S.  73)  ein 
Bericht  über  einen  anderen  Burgwall.  Sonst,  meine  ich,  hätte  der  Name  weiter 
nichts  mit  der  Existenz  von  ßurgwällen  zu  thun.  Die  Weissbuche  mag  ja  früher 
die  Signatur  dieses  breiten  Landstriches  zwischen  Schwarzwasser  (alt-pomerellisch 
Wda),  Weichsel  und  Ferse  gewesen  sein,  heutzutage  herrscht  aber  links  von  der 
Weichsel,  wie  sonst  überall,  die  Kiefer  vor.  Der  Name  des  Walles  ist  im  Volks- 
munde nicht  Schwedenschanze,  obschon  ihn  die  Generalstabskarte  so  nennt,  sondern 
Zomkowisko,  also  Schlösschen.  Ein  solches  hat  aber  niemals  darauf  gestanden  und 
würde  auch  der  Platz  dazu  nicht  ausgereicht  haben.  Es  ist  der  Volksmund,  der 
solche  Vorstellungen  weiter  trägt.  Durch  seine  Form  und  Kleinheit  hat  der  WaU, 
mehr  ein  Ringwall,  Aehnlichkeit  mit  dem  von  Fustpetershütte,  Kreis  Carthaus. 
In  Bezug  auf  den  letzteren  möchte  ich  mich  gegen  die  Annahme  verwahren 
(Lissauer  S.  193),  als  ob  ich  darin  Ziegelstücke  gefunden  hätte.  Es  waren  viel- 
mehr nach  Art  und  Farbe  (aber  nicht  nach  Form)  der  Ziegel  gebrannte  Lehm- 
klumpen,   so   dass  mir  die  Versetzung  des  Walles  in  eine  historische  Zeit  ausge- 


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(182) 

schlosaen  eracheint.  Solche  durch  Brand  gorcstigte  uod  gefärbte  Stücke,  abi 
miiiiroaUter  Grösse,  Tand  ich  auch  durch  das  ganze  Erdreich  der  Watlkront 
reich  vorhanden.  Rechts  von  Grabau  nach  Borkaa  zu  erstreckt  sich  nord 
bis  südwestlich  ein  Rucken  von  uii beträchtlicher  Höhe  (die  umliegenden  1 
zeigen  9(1,  68,  »1,  72,  ül,  65  m  Über  der  Ostseeßäche)  in  eine  vor  Zeiten  gai 
Sampf  und  Wasser  umgebene  Ebene  hinein,  deren  Entwässerung  durch  Se 
schon  die  Vorbesitzer  von  Borkau,  Diebisch  (um  1790)  nnd  Plehn,  za  G 
ihrer  Ländetcien  in  Ausführung  gebracht  haben.  Dadurch  sind  ringsum  heut 
moorige  Wiesen  und  uns^enlcm  ein  tieferer  Wasserspiegel  als  Seechen  entsl 
und  Übriggeblieben,  in  der  Angren7.ung  als  Torfstich  benutzt.  Die  ganze  A 
der  Gegend  hat  sich  mithin  verändert.  Mehr  Wasser  und  grösserer  Wald  sol 
vor  20— 30  Jahren  vorhanden  gewesen  sein.  So  bat  dieser  Ringwall  damals 
im  Walde  gelegen.  Heule  erreicht  man  ihn  wegen  der  moorigen  Umgebung  nu 
Borkauer  Wäldchen,  weit  dieses  an  das  ihn  tragende  Platcuu  anslösst,  über  si 
ist  er  auf  der  Seite  der  Ebene  lange  Zeit,  wenn  man  die  Strasse  Grabau  übei 
hausen  nach  Kehrwalde  ,im  Volksmunde  Kerwaul)  einschlägt,  so  dass  eigcntlicl 
bereits  eingeübter  Kutscher  August  ("l")  schon  mich  auf  ihn  aufmerksam  tu 
konnte,  während  ich 'ihn  gemäss  der  kartographischen  Zeichnung  mitten  im  ' 
gelegen  wähnte.  Er  sieht  wie  ein  Teig,  von  Menschenhand  geformt,  aus.  Solt 
ständlich  ist  er  aufgetragen,  Mergel  und  Muscheln  (Hclix  fniticum)  im  Erdre 
der  Wallkrone  lassen  unschwer  erkennen,  woher  das  Erdreich  genommen. 
Krone  misst  1.^6  Schritte  im  Umgange,  der  Aufstieg  von  aussen  *24  Schritt 
Niederstieg  16  Schritte.  Das  abgefahrene  Viertel  berechne  ich  auf  26  Sc 
Nahe  diesem  fehlenden  Viertel  ist  jetzt  noch  ein  deutlich  zu  erkennender 
von  <>  Schritten  Länge  nnd  'S  Schrillen  Breite  ganz  mit  Steinen  gefüllt,  wi 
die  Leute  mit  Brunnen  bezeichnen.  Als  ich  einen  alten  Grabaucr  Ackersmar 
seine  Meinung  Über  den  Burgwall  ansprach,  erzählte  mir  dessen  Kmu,  d; 
ihrer  Jugendzeit  noch  die  Hütejungen  vergeblich  die  Zügel  ihrer  Pferde  zusun 
gebunden  hätten,  um  die  Tiefe  des  Brunnens  zu  ermessen,  obschoa  dersclbi 
?ich  durch  die  Bubtraction  der  Muasszuhlen  ergiebt,  bis  zu  seinem  inneren  W 
Stande  kaum  tiefer  als  10  Puss  gewesen  sein  kann.  Wenn  auch  erzählt  v 
CS  seien  früher  Treppen  sichtbar  gcnoscn,  so  wird  sich  das  wohl  auf  tem 
Rundgange  znrUckführen  lassen.  Bei  24  Schritten  Aufstieg  bedurfte  es 
nicht.  Die  Sage  fügt  endlich  hinzu,  eine  Jungfrau  hole  dort  Wasser.  Abt 
Brunnen  war  ja  vorhanden  nnd  dessen  Wasser  wird  kaum  mehr  gcniesabi 
wesen  sein,  als  das  der  uraDiessenden  Wassermasse.  Vor  Zeiten  kann  ni 
schmaler  Zugang  bestanden  haben  und  befremdete  es  mich  nur,  dass,  wovon 
nichts  zu  bemerken,  dessen  Endschacht  nicht  durch  einen  ausgehobenen  Zugg 
^kennzeichnet  war.  Nahe  Bergkuppen  sind  viel  höher.  Daher  erscheint  g 
jic  Auswahl  dieses  durch  die  Wasserumgebung  gesicherten  Platzes,  der  wie 
geformte  Torte  aussieht,  nur  für  den  wunderbar,  der  nicht  an  eine  fenerwafft 
Seit  nnd  an  das  Uesircben  der  alten  Bewohner  denkt,  sich  mitten  im  8um| 
Ferrain  einen  festen  Platz  zu  sichern.  Heute  baut  eine  ortsarme  Wittwt 
ItartofTcIn,  wogegen  ganz  frische  Banmhiebe  für  wenige  Jahre  vorher  das  E 
'on  im  Grunde  2  Pubs  starken  Kiefern  beweisen.  Die  heule  wenigen  Nussb 
nagen  frUher  daneben  zahlreicher  gewesen  sein,  da  ich  den  ganzen  unsserei 
lang  mit  den  Schalen  dieser  Früchte  bestreut  fand.  Ein  einziger  Krenzdor 
ler  Wallkronc  versetzte  mich  in  alte  Zeilen  zurück,  wo  man  deren  zur 
■ung    bmuchle.     Der    höchste    und    breiti-ste   Thcil   der   Krone   liegl   im 


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(183) 

Osten,  weil  hier  der  einzige  Zugang  möglich  ist  Ganz  im  Norden  findet  sich  eine 
Einsattelung  der  Krone  und  daran  anschliessend  im  Aeusseren  der  Aufhöhung  eine 
schräge,  nahtartige  Gonnivenz  der  Erdmassen.  Im  Nordosten  zeigt  sich  eine  schwarze 
Stelle,  der  Uebeirest  kulinarischer  Genüsse,  über  1  m  tief,  ohne  dass  bei  Gra- 
bungen etwas  Anderes  als  Steine,  die  Feuer  gekostet  hatten,  zu  Tage  trat. 
Sonstige  Funde  waren  Kohle,  äusserst  wenige  Schälber,  zahlreiche,  im  Feuer  gehär- 
tete Lehmpartikelchen,  Zähne  von  Schweinen;  an  keramischen  Objekten  fand  sich 
ein  Bruchstück  (dickwandig,  grobgrandig  durchsetzt,  schwarzthonig)  und  ein  Rand^ 
stück  (feiner  gehalten,  grauer)  von  Gefässen,  die  man  ja  auch  Urnen  nennen  kann, 
beide  ohne  Ornament.  Vielfach  calcinirte  Conchylien  beweisen  die  Hernähme  des 
Erdreichs  aus  bruchigem  Boden.  Die  nahen  Berge  führen  zwar  auch  Mei^gel,  aber 
keine  Muscheln.  Ganz  aus  der  Nähe  stammen  viele  Steinhämmer  in  den  Museen 
zu  Thorn,  Marienwerder  und  Danzig,  z.  B.  aus  Grabau,  Pillaraühle,  Lipiagora 
(Fiindenberg),  Barloschno,  Mirotken.  Auch  hier  sind  sie  nur  in  den  Wiesen  ge- 
funden, selbst  unvollendet  (Lipiagora),  so  dass  weitere  Ausbeute  zu  erwarten 
steht.  Elr.  Gutsbesitzer  Kantak  .wird  sich  für  weitere  Funde  im  pro vincialen  Inter- 
esse alle  Mühe  gehen.  Im  (Jebrigen  verweise  ich  auf  meine  Auslassung  gelegent- 
lich des  Burgwalles  von  St.  Johann  im  Sitz.-Ber.  vom  17.  Novemb.  1888  (S.  498), 
wonach  gemäss  der  ^  Quand tischen  Districtseintheilung  für  Pomerellen  (in 
ßalt.  Stud.  XVI)  dieser  Bürgst  all  der  von  Scossow  ist,  den  er  mit  der  Jagd- 
liebhaberei der  pomerellischen  Herzöge  in  Verbindung  bringt.  Dieser  Name  lebt 
heute  nicht  mehr  im  Gedächtnisse  und  auf  der  Zunge  der  Umwohner.  Entlehnt 
war  der  Ausdruck  von  Qu  an  dt  den  ihm  bekannten  ältesten  Urkunden,  wie  sie 
das  Pom.  Urk.-Buch  auf  S.  210—215  bringt  (1274.  Januar  2.  Schwetz),  wo  es  sich 
um  Documente  handelt  (acht  scheinende  und  Interpolationen),  in  denen  Herzog 
Mestwin  dem  Cistercienserorden  zur  Gründung  eines  neuen  Klostei's  einen  Land- 
strich im  Lande  Thymau  zwischen  den  Flüssen  Jonka,  Wangermuze  und  Ferse 
schenkt.  Für  dessen  Abgrenzung  wird  als  Ausgangspunkt  (errori  cauto)  „explanirt" 
ein  locus  castri  qui  vocatur  Scossow,  mit  den  Namen  Chonotope  (Pferdetränke), 
Mylcicha,  Brezeke,  Gribene  und  Glost  (Ghost)  für  die  umliegenden  Sümpfe  (paludes, 
stagna). 

Mit  Bezug  auf  das  von  mir  (a.  a.  O.)  Gesagte  will  ich  noch  zur  Aufklärung 
zweierlei  hinzufügen:  erstens,  dass  das  kaum  eine  Meile  westlich  von  Bobau, 
bezw.  Borkau  gelegene  Dorf  Wiesenwald  (Anathema  der  Verdeutschung  im  Inter- 
esse der  Forschung I)  früher  Wissoka  hiess,  dessen  Existenz  ich  damals  be- 
streiten musste;  zweitens,  dass  ;iur  Auswahl  mit  dem  allerdings  ebenso  ge- 
nannten Oonradstein  bei  Stargardt  ein  östlich  von  Bobau  und  jenseits  der  Weichsel 
gelegener  Ort  Namens  Kurstein  gelegen  ist.  Soweit  für  diejenigen,  die  nach  mir 
kommen  werden. 

3)   Der  Schlossberg  bei  Lippusch  Papiermühle. 

Zu  der  im  Westen  des  Kreises  Bereut  gelegenen  Ortschaft  Lippusch  Papier- 
mühle, jetzt  nur  eine  Mahl-  und  Schneidemühle  (Besitzer  Erdmann),  gehörtauch 
der  dicht  dabei  nordwestlich  gelegene  Erdrücken,  welcher  sich  in  gleicher  Rich- 
tung in  den  Lubieschewo-See  hinein  erstreckt,  an  dessen  linker  Seite  sich  das 
Schwarzwasser  sein  Bett  gegraben  hat,  wogegen  die  rechteckartige  östliche  Seite 
eine  mehrmals  im  Jahre  unter  Wasser  stehende  und  daher  niemals  ganz  trockene 
Wiese  bildet.  Der  See  ist  im  Durchschnitt  ungefähr  8  Fuss  tief.  Dieser  Erd- 
rücken hat  bei  entsprechender  Breite  über  KHK)  Schritte  Länge.  Bei  seinem  Be- 
ginne erhebt  sich  ein  80  Fuss  hohes  Plateau,  mit  Kiefern  bestanden.    Nach  reich- 


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(184) 

0  Schritten  Entfemnng,  im  zweiten  Drittel  darch  eine  darcbgehendc 
quer  unterbrochen,  triflt  man  aur  einen  anderen  Ber^,  etwa  SO  Si 
tO  Schritte  lang,  mit  einem  steilen  Abfalle  von  50  Fass  in  den  Se 
pnnkt  des  Erdrückens.  Diese  Kuppe  hörte  ich  als  Scbtossberg  bczei 
}ser  Ausdruck  reranlasste  mich  zu  seiner  Untersuchung.  Leider  sollt« 
Hoffnung,  in  ihm  einen  slavischen  üurgwall  zu  finden,  eine  eitle  bl 
er  nach  Aussage  des  Eigenthümers,  noch  durch  eigene  Untersuchunj 
riugste  vorfand,  was  ir;gendwie  dafür  hätte  sprechen  können.  Der 
des  Erdrückens  ist  mergeliger  Qrand  und  nur  natürliche  Bildung 
Beigen  zu  ersehen.  Der  Hügel  hat  darin  Aehnlichkeit  mit  der  bed< 
m  Stolinka  im  Garczino-See  (vei^t.  Sitz.-Ber.  v.  26.  Mai  1888,  8.  260; 
höchstens  vielleicht  (in  einer  der  beiden  verschieden  hohen  Kuppe 
rg  oder  Signalbcix  anzusprechen  sein,  da  der  volksthümliche  Name  Sc 
imerhin  aufTällig  ist;  er  könnte  mit  den  räumlich  etna  1—2  Meilen  nö 
cn  Bergen  der  Stolinka  und  des  Blocksberges  oder  des  Zomkowisl 
ic  (ebendas.  S.  257  ff.)  in  Beziehung  gestanden  haben,  tm  Westei 
bcrges  hat  sich  ein  niedriges  Vorland  durch  Allurion  gebildet 
ch  die  Volkssage  hat  sich  des  Schioasberges  bemächtigt.  Nachts  lasse 
Menschen  in  ritterlichen  Rüstungen  sehen,  welcbä^ort  ihr  Wesen  li 
anchmal  kämpfen.  Auch  ist  dort  stets  ein  bellender  Hund  zu  I 
jte  glauben  dort  einen  Schatz  verborgen  und  den  Hund  wohl  als  d 
r.  Ein  Paar  beherzte  Kerle  haben  einmal  des  Nachts  dort  nach  dem  S( 
n,  sind  aber  davon  gelaufen,  als  sie  das  drohende  Gebelt  des  Hundei 
Das  Ijoch  aber  ist  noch  jetzt  dort  zu  sehen.  Andererseits  wird 
unbefugt  nach  grossen  Eichenstubben  gegraben,  die  aber  ebenfalls  L 
:hen.  Jetzt  sind  die  Abhänge  mit  vielem  Hasel^esträurh  bestanden,  w( 
chliche  und  blumige  Grasnarbe  beschallet. 

4)    Nachtrag  zum  Burgwall  von  Sobiensitz  (Zarnowitz). 
-    fälschlich    Schlossbci^    von    Zarnowitz  (Kr.  Neustadt,  West-Preussei 

weil  an  dem  See  von  Zarnowitz  gelegene,  Burgwall  muss  als  dei 
ilz  bemchnet  werden,  weil  er  auf  Grund  und  Boden  dieser  Ortschaft 

er  sich  in  foratRskaliachem  Besitze  beHudet.  Als  Burgwall  (von  Z 
irch  mich  bei  Dr.  Behla,  Voi^eschichtl-  Rundwälle  8.  lifO,  gemeide 
aer  von  Dr.  Taubner  untersucht  und  in  den  Verh.  1888,  S.  504  besi 
rden.     Da    ich   ihn    1800   ebenfalls    beging,    muss  ich   folgende  Nach 

Grossen  und  Ganzen  hat  er  in  seiner  Ausdehnung,  Ungefügigkcit  und 
iste  Aehnlichkeit  mit  dem  Schlossberg  von  Carthaos  (Verh.  \$HB.  S. 
m  von  Gr.  Ruhnow  in  Ostpommeni,  worüber  ich  am  '22-  Juni  188! 
Er  lii^  auf  dem  höchsten  Ausläufer  eines  Bergrückens  und  hat 
iten  äusserst  steile  Abhänge,  an  deren  oberem  Rande  rundum  s 
ungen  sind,  mir  eine  ganz  neue  Weise  der  Vertheidigung,  stall  der 
len  reinen  Terrussongunge.  Der  Umgang  der  Krone  betrug  330  U 
die  Breite  der  Wullkrone  i'2  Fuss,  der  Aufstieg  eu  ihr  im  Wi 
tte.  Im  Innern  sind  4  Vertiefungen  zu  bemerken,  deren  eine  vom  A 
inen  bezeichnet  wird.  In  seiner  Nähe  rdrdertc  ein  Einstich  in  3 
ihlreich  kiefcme  Kohlcnslücke  zu  Tage.  Drei  Vertiefungen  Uegeu  n 
CS   sichtbaren  (juerwalles.    etwa    in  der  Mitte  der  ganzen  Kesselung. 


(185) 


Hauptsache   erwähne   ich   in  der  Nähe   des  sogen.  Brunnens   einen  grossen  vier- 
kantigen Stein.    Von  dem  Baumbestande  hat  sich  viel  Blätterhumus  gebildet. 

Ein  bei  Restaurirung  der  Kirche  zu  Zarnowitz  beschäftigter  Bauführer  Berger 
soll  diesen  Burgwall  kartographisch  aufgenommen,  auch  Auszüge  darüber  aus  den 
alten  Kirchenbüchern  von  Zarnowitz  gemacht  und  dann  die  ganze  Beschreibung 
bei  den  Kirchenakten  depouirt  haben.  Doch  ist  davon  dem  zeitigen  Pfarrer  nichts 
bekannt 

Es  giebt  aber  auch  mancherlei  ihm  anhaftende  Sagen: 

Der  Schlossberg  scheint  bald  auf  der  Erde,  bald  im  See  (von  Zarnowitz)  zu 
liegen.  Es  muss  also  zeitweilig  eine  Spiegelung  eintreten.  Das  Schloss,  wel- 
ches dort  stand,  soll  wegen  Uebelthat  der  Besitzer  versunken  sein.  Es  herrschten 
dort  nehmlich  vor  Zeiten  Raubritter;  die  hatten  imten  im  See  ihr  Boot  und  be- 
raubten die  Leute,  welche  am  Seeufer  einherzogen  oder  ihre  Waaren  zu  Schiffe 
ins  Land  brachten.  Es  war  damals  nehmlich  noch  der  Zarnowitz-See  eine  Bucht 
der  Ostsee  und  erfüllte  das  ganze,  jetzt  zwischengelagerte  Niederland,  das  grosse, 
von  der  Piasnitz  träge  durchflossene  Moor  von  Wierschutzin.  Alle  diese  Wiesen 
waren  vordem  See.  Seitdem  aber  das  Schloss  mit  Getöse  versunken  ist,  kommt 
aus  dem  Berge  zu  gewissen  Zeiten  eine  Prinzessin.  Noch  zuletzt  kam  sie  und 
gab  einem  Manne  ein  weisses  Schnupfluch;  das  sollte  er  ins  (Nonnen-)  Kloster  zu 
Zarnowitz  tragen  und  jedem  Wesen  einen  Kuss  geben,  das  er  auf  der  Strasse 
träfe.  So  geschah  es  auch,  bis  fast  zuletzt  ihm  eine  Schorfpogge  begegnete.  Da 
schämte  er  sich  doch  davor.  Da  ging  aber  das  eben  aufgetauchte  Schloss  wieder 
in  den  Grund  und  die  ebenfalls  verschwindende  Prinzessin  hörte  man  noch  klagen, 
dass  sie  bis  zu  ihrer  Erlösung  jetzt  wieder  hundert  Jahre  warten  müsse. 

Eine  andere  Sage  vom  Schlossberg  Zarnowitz  besagt  Folgendes:  Die  Gräfin  des 
Schlosses  fuhr  von  der  Kirche  aus  Zarnowitz  nach  Hause  und  fragte  unterwegs 
ihren  Kutscher,  ob  es  noch  eine  Schönere  gäbe,  als  sie;  wenn  das  der  Fall  sei,  so 
wollte  sie,  dass  ihr  Schloss  in  Grund  und  Boden  sinken  möge.  Der  Kutscher  aber 
antwortete  ihr:  ja,  das  sei  die  Mutter  Gottes  im  Kloster  zu  Zarnowitz.  ihr  Schloss 
aber  sank  in  Ghrund  und  Boden. 

Viel  lauschiger  ist  eine  dritte  Sage  vom  Schlossberg,  die  zugleich  über  die 
Entstehung  vom  Kloster  Zarnowitz  Aufschluss  giebt,  freilich  im  Anschlüsse 
an  die  Etymologie: 

Auf  dem  Schlosse  des  Schlossberges  von  Sobiensitz  waren  die  Gebieter  eine 
Mutter  und  ihr  Sohn.  Der  Sohn  wurde  mit  der  Zeit  liederlich  und  ging  von  der 
Mutter  weg.  Das  schmerzte  sie  sehr.  Sie  hatte  aber  ein  Rehkalb;  dem  Hess  sie 
um  den  Hals  einen  verschliessbaren  Ring  machen  und  Hess  es  in  Freiheit  laufen, 
nachdem  sie  ihm  den  Schlüssel  um  das  Gehörn  gehangen.  Sie  hatte  dabei  im 
Geheimen  die  Hoffnung,  dass,  wenn  das  Reh  gefunden  würde,  auch  ihr  Sohn  sich 
wiederfinden  möchte,  und  sie  that  das  Gelübde,  alsdann  an  jener  SteUe  ein  Kloster 
zu  errichten.  Da  ereignete  es  sich  nach  Jahren,  dass  die  Leute  auf  der  moorigen 
Niederung,  die  sich  von  dem  abfallenden  Endrücken  des  uraHsch-baltischen  Höhen- 
zuges bis  zur  Ostsee  erstreckt,  beim  Heuwerben  beschäftigt  waren,  und  dass 
sich  zu  ihnen  das  zum  Reh  gewordene  Kalb  gesellte;  dasselbe  wurde  ergriffen, 
erkannt  und  zur  Mutter  gebracht,  in  deren  Herz  jetzt  wieder  Freude  einzog. 
Bald  fand  sich  ihr  Sohn  auch  wieder  ein.  Die  Mutter  aber,  eingedenk  ihres 
Gelübdes,  Hess  auf  jener  Stelle  das  Kloster  bauen,  das  nach  zama,  Reh,  den 
Namen  Zarnowitz  empfing.  Es  wurde  aber,  weil  im  Moore  gelegen,  auf  ge- 
schlagenen Pfählen    mit  gespundeten  Bohlen  errichtet.     Deshalb  prangt  auch  noch 


t 


*j 


(186) 

tenaltare  ein  Bild,   worauf  ein  Reh   mit  Schlüssel  anT 
Es   war  aber  ein  Nonnenkloster   und  wurde  um  1840 
ben  noch  drei  Nonnen,  von  welchen  die  letzte,  eine  „dam 
Dr-  Maronski  leitet  den  Namen  ab  von  ziarno,  Rom. 

el  berichtet  zugleich  Über 

irnamentirte  Urnen  von  Hochstäblan. 

Kr.  Pr,  Stargardt,  wurde  auf  dem  Pfarracker  gleich  hintei 

90  durch  Pfiügen  eine  Steinkiste  blossgelegt,  welche  5  V 

ganz  erhalten  geblieben  and  hat  sie  Hr.  Dekan  Pfarrer 
ligl.  Museum  in  Berlin  zugedacht.    Ihre  Ornamentik  zeigi 

hoch,  hat  an  der  Stehfläche  10  cm  Durchmesser  und  b 
Deiderscita  Ohrenansätze  (kleine  Knastchen)   gehabt   hat, 

ist  an  cirkelninden  Stellen  auf  der  Glättung  zu  sehen. 


!  nnregel massige  Marmorirong,  die  vielleicht  durch  Pflai 
sein  mag.  Ihr  Inhalt  bestand  aus  Leichenbrand,  Knoc 
e,  die  bisher  nicht  durchsiebt  ist  und  noch  BronzestUck 
ben  dieser  und  einer  anderen  Urne  lag  zu  Füssen  ein  De 
e,  von  schwärzerem  Thonc,  gut  geglättet.  Da  er  erhaltei 
if  die  Mündung  der  üme.  Er  ist  6  cm  hoch,  oben  mit 
;n   und   zeigt   in  der  Verbreiterung  zwei  Absätze,   beidt 


(187) 

tlos  eingeritzter  ZcichDang.  Meine  Abbildung  giebt  ihn  platten  förmig.  Im 
Iren  Felde  ist  er  an  einer  Stelle  abgeachälbert,  so  dass  es  leicht  5,  statt 
gezeichneten  4,  Syaterae  sein  können. 

Von  diesem  Hünengrab  crliielt  ich  durch  Hrn.  Vicar  StuJzyaaki  Tolgende 
ureibnug  und  Zeichnung  (Pig.  3):  Die  Lage  des  Deckels  deutet  auf  dessen 
hörigkeit  nur  Urne  Nr.  V,  welche  allein  deckelloa  ist.  Indeaaen  ist  der  Deckel 
ind  gut  erhalten,  während  die  Urne  mit  S^ind-  und  Knochen Tullung  zu  einer 
losen  Masse  erweicht  war. 

Umgekehrt  ist  Nr.  I  sehr  gut  erhalten,  der  darauf  liegende  Deckel  aber  ver- 
und  seine  (weichen)  Scherben  umschlicsscn  theils  den  Hnta,  theils  liegen  aic 
r  Urne.  Ba  iat  dies  die  grösste  und  einzig  ganz  erhaltene  Urne. 
St.  1),  Deckel,  ganz  vorgerunden,  zerbrach  bei  der  Uertlhrung  und  aank  ein.  Mit 
icht  gelang  ea,  die  grössere  Hälfte  der  Urne  /.usammen zuhalten  und  zu  trocknen. 
Sr.  III  und  IV'  hüben  die  Form  von  Nr.  I,  simi  aber  kleiner,  und  zerfielen  bei 
ÜerUhrung. 

\l\e  Urnen  waren  mit  Knochensplittern  (Kalktheüen,  Einzelnes  als  zum  mensch- 
1  Knochengerüst  gehörig  noch  gut  zu  erkennen)  und  feinem  Staub  (Äsclie?), 
land  Tcrmiacht,  angefüllt;  doch  wahrscheinlich  nicht  ganz  voll,  worauf  die 
iweg  eingesunkenen  Deckel  oder  Urnenhülae  hindeuten.  Der  übrige  Raum 
Irabea  war  mit  Kies  fest  gefüllt.  Die  Wände  uwd  Decke  bildeten  rohe  Flutten 
othem  Sandstein,  ftodenplatto  oder  sonstige  Unterlage  war  nicht  vorhanden, 
leidet  war  das  Grab  noch  mit  einer  starken  Lage  kleinerer  Granitsteine.  Bei- 
I  nicht  vorhanden. 

n  der  Umgebung  worden  mehrere  unregelmässige  Steinhaufen,  zum  Theil  mit 
irzen  Brandresten,  ausgegraben. 

iJeuerlich  hat  der  Besitzer,  Hr.  v.  Knczkowski,  an  einer  anderen  Stelle  seines 
es,  jenseits  des  FlUaschens  Nicdaczck  (weil  aus  dem  Nieda6see  kommend), 
Pisznicu,  auf  kürzlich  gekaultem  Lande  meist  sehr  sandiger  Art  viele  nicht 
lentirte  Scherben  uufgefunden,  so  dass  auch  dort  Urnensetzungen  vorgekommen 
lerstärt  aein  mllaaen. 

n  Miradan  auf  dem  Schulacker  fand  1884  Hr.  Lehrer  Fox  einige  Münzen, 
r  älteren  branden bni^ischen  eine  sehr  gut  erhaltene  De ulscbordens münze. 

IS)' Hr.  Treichcl  schickt  nachstehende 
eilnngen  über 

weatpreussische  Hanser. 
1)   Haua  in  Werbelin,  Kr.  Putzig. 
)ie   Aufzeichnung    zeigt    ein    bäuerliches 
in    Werbelin,    Kreis   Putzig.      Vor    dem 
lu   war  die  rechte  Hälfte  zum  Wohnraum  ^ 

richtet.  In  der  linken,  leeren  Seite  führte 
rhUre  in  das  Wohnhaus.  Der  linke  Pfosten 
seinen  Halt  auf  einem  Steine.  Zur  gröaae- 
laltbarkeit  hatte  man  den  linken  mit  dem 
ren  Pfosten  im  oberen  Erstfünftel  (man 
e  bequem  unten  durchgehen)  mit  einem 
n   verbunden   und   durch  ihn  vom  ersten 

;l  des  letzten  Oberbnikens  aus  zwei  quere       -   —  ~-~. 

landtrSger  gezogen. 


ftM) 

)  GiebelrerzJerungen  aas  WestprensBen. 
'ziemDgen  im  Dorfe  Darslub,  Kr.  Patzig,  scheinen  mir  nich 
I,  obschon  bei  recht  baaßilli^m  Zustande.  Die  meisten  sia 
lern  Firstende  rorgenagelte  Brettchen,  häuRg  mit  Untersat 
«urern  der  Giebelbretter  scheint  mehr  der  Zahn  der  Zeit,  ti 
,  zu  einer  Figur  rerholfen  zu  haben.  Nicht  bloss  Stallnngeri 
ngen  sind  damit  begabt.  Viele  Häuser  haben  aber  nichta  ' 
die  häufige  Verschiedenheit  der  Figuren  bei  demselben  Ge 


it  die  Form  des  Kreuzes  tot,  neben  allerlei  Verbindung 
B.  Sehr  wenige  sind  fein  ausgearbeitet  und  bei  diesen  I 
nicht  an  eine  Nacbbildung  de»  buigundiachen  und  des  Fatrii 


(189) 

zes  gedacht.  Hierher  gehören  die  ersten  24  Nummern, 
clkau  (etymologisch  herzuleiten  von  Wt^licowice,  Kohle 
Cengiirdlo  und  Konarczin,  Nr.  35—37  nach  ScharshUtt 
einebnde,  letztere  beide  Dörfer  mit  rein  deutscher  Bevi 
Preise  Berent  gelegen.  Nr.  3»  und  39  gehören  zo  Ställe 
une,  die  meisten  anderen  zu  Wohnhänsern.  Von  darchbr 
1,  28,  53,  38,  39. 


(13)   Herr  Hans  Virchow  spricht  über 

die  Uandstand-Kilnstlerin  Eugenie  Petree 

egt  Photographien  derselben  vor,  welche  durch  Herrn  C.  GU 
I.  Ueber  die  Specialität  der  Artistin  ist  Folgendes  zu  fa 
grössten  Theil  ihres  Programmes  im  Handstande  aus. 
«ns  eine  Stellang  im  Zahnstande,  d.  h.  sie  halt  sich,  n 
isen,  an  einer  mit  Leder  überzogenen  Metallplatte,  nachden 
ong  des  Rumpfes  die  Rückseite  des  Kreuzes  auf  den  S 
1);  dabei  können  Arme  und  Beine   in  andere  Lagen  gt 


Figur  1. 


ipf  dagegen  nicht.  Uus  würde  wohl  »uch  über  das  Mensc 
n,    denn  sonst  mttsste  der  ganze  Körper   durch  die  Kralt 

Kopf  aus  bewegt  werden.  Für  den  Zahnstand,  ebenso  ' 
1  stand  Stellungen,  wird  drittens  in  hohem  Maasse  „Kautschi 

ungewöhnliche  Biegsamkeit  in  einzelnen  Abschnitten  dei 
ens  führt  die  Artistin  auch  Saltomortole  aus,  d.  h.  sie  üb 
i  in  der  Luft  Hierzu  ist  zu  bemerken,  dass  an  sie: 
schuk  in  einem  gewissen  Gegensätze  stehen,  denn  Kaulsch 
iger  Nachgiebigkeit;  solche  ist  jedoch  bei  Saltomortale  ] 
plötzlichen  und  ruckartigen  {Bewegungen  leicht  Beschädig 
Wirbelsänte  eintreten  können,  wenn  der  Rumpf  nicht  g« 
Ebenso  steht  aber  auch  Uandstand  und  Kautschuk  in  ein 
,  denn  Kautschuk  beruht,  wie  gesagt,  auf  grosser  Nachgi 
gen  erfordert,  wie  sich  im  Verlaufe  der  Untersuchung  he 


(190) 

I  die  Artistin,  sowie  ihr  Lehrer,  ihr  eigener  Vater,  ^nau  wissen,  eine 
fewöhniiche  Festigkeit  in  den  Armen  und  Schultern.  Die  Artistin  rer 
Entgegengesetztes  and  ist  n)it  Umsicht  »nsgebildet. 

II.  Anamnese.  —  Der  Vntor  (Rumäne)  hat  in  verschiedenen  Special 
beitet,  zuletzt  als  Dreifpckturner,  die  Mutter  (Dentsche),  nach  welche 
iter   in    der  körperliehen  Erscheinung  geartet  ist,  war    TrUher  Zahnkünsl 

jetzt  Ißjährigc  Müdchen  ist  von  seinem  sechsten  Jahre  an  vom  Vater 
tig  ausgebildet,  zum  TheJl  nach  den  feststehenden  Regeln  der  Gymnastik, 
il  nach  einem  eigen  ersonnenen  Plane,  und  zwar  für  die  Specialität  des  I 
Jes.  Es  wurde  dabei  auch  bis  zu  einem  gewissen  Grade  auT  „Kautschuk 
t  genommen,  Iheils  weil  es  für  die  besonderen  Leistungen  nöthig  war,  thei 
Programm  zu  bereichern;  doch  musste  sorgfältig  darauf  geachtet  werden, 
t  in  unerwünschter  und  schädlicher  Weise  Dehnungen  von  Muskeln  in  gev 
itungen  und  damit  Schwächungen  gewisser  Stellungen  stattfanden.    Auch 

die  Ausbildung  vom  Vater  tiberwacht  und  weitergeführt.  Beginn  der  Ausbi 
dem  sechsten  Jahre  hält  der  letztere  für  ungeeignet,  weil  der  Körper  noi 
h  und  auch  zu  kraftlos  sei  und  daher  leicht  verdorben  werden  ki 
mtlich  späteren  Beginn  hält  er  gleichfalls  für  ungeeignet,  weil  sonst  nict 
ige  Anpassung  des  Körpera  an  seine  besonderen  Aufgaben  erreicht  wi 
le.  Ueble  Kolgen  der  Ausbildung  sind  bisher  nicht  hervorgetreten,  insbeso 
it  die  Artistin  nicht  an  Circulations-  oder  Rcspirationsbesch werden, 
len,  abgesehen  von  einem  ersten  P'rühstüek,  zwei  Mahlzeiten  genommen 
ir  und  um  12  Uhr  Xachts,  beide  reichlich:  bestimmte  Nahrung  ist  nicht 
hrieben.  Die  Artistin  trägt  ein  Corsel,  jedoch  ein  loses. 
Als  Grund  einer  Verdickung  an  der  Articulatio  phalangea  prima  des  re 
Hßngers  wird  angegeben,  dass  eine  .seitlirhe  Luxation"  vorhanden  ge\ 
dadurch  entstanden,  dass  die  Artistin  beim  Handstande  auf  einem  zu  we 
pich  stolperte;  die  Produktionen  wurden  dadurch  nicht  unterbrochen. 
Auch  an   dem   linken  Ellenbogen   sind  Spuren   eines  Trauma   zn   beme 

sechs  Jahren  erlitt  sie  nehmlich  an  diesem  eine  Luxation;  über  den 
ichts  angegeben.  Der  Vater  bekämpfte  zunächst  den  Schaden  seibat  t 
lage,  dann  wurde  das  Kind  der  Behandlung  in  einem  hiesigen  Krni 
c  unterzogen,  und  hier  der  Arm  so  bandagirl,  dass  der  Unlerarm  in  B 
img  horizontal  vor  dem  Rumpfe  stand.  Die  Polgen  äusserten  sich 
gen  Tagen  in  einer  völligen  Unbe weglieh keit  des  Vorderarmes.  Der  1 
Tgt,  dass  der  Arm  seine  Funktionsfuhigkeit  einbüssen  möchte,  nahm  dii 
Inng  selbst  in  die  Hund  und  »teilte  durch  passive  Bewegangen  und  i 
üren  die  Beweglichkeit  wieder  her,  zwar  nicht  innerhalb  der  normalen, 
.  innerhalb  ausreichender  Grenzen.  Die  Beweglichkeil  ist  vollkommen  wi 
>nnen,  jedoch  ist  der  linke  Ellenbogen  in  den  Bändern  etwas  fester.     Il 

kein  Nachtheil,  sondern  ein  Vortheil:  der  Vater  , fürchtet"  für  diesen 
;8,  während  der  rechte  durch  die  starke  Belastung  beim  Handspreizstand t 
te  Durchbiegung  zeigt,  die  zur  Vorsicht  mahnen  muss.  Auch  zeigt 
nng,  bei  Hand  spreizstand,  sowie  bei  „Säule"  (Pig.  ^),  den  Körper  etwas 
I  tiberhängen  zn  lassen,  d.  h.  den  linken  Arm  starker  zu  belasten.  (Uebi 
rschiede  beider  Ellenbogen  in  Bezug  auf  Beugung  und  Streckung  b.  S. 

TU.  Körperbeschaffenheit.  A.  Kurze  Angabe.  —  Das  16jährige  Mä( 
iclit  groBB,  1437  Hirn.    Sieht  man  es  bekleidet,   so   möchte   man  eher  an 


(191) 


schwächlicbe  Entwicklung  denken,  wie  man  ja  denselben  Eindruck  so  häu6g  von 
guten  Turaern  orhält.  Der  Körper  zeigt  mehr  kindlichen  Habitus.  Das  Fettpolster 
ist  überall  wohl  entwickelt,  so  dass  bei  ruhender  Haltung  scharfe  oder  eckige 
Muskelformen  nicht  hervortreten;  jedoch  fehlen  gänzlich  die  specifisch  weiblichen 
Fettnnsammlungen  im  Oberschenkel  und  in  den  Füssen. 

Folgende  Züge  möchten  wohl  in  der  Erscheinung  des  ruhenden  Körpers  be- 
sonders auffällig  sein: 

1)  kräftiger  Hals,  besonders  Nacken; 

2)  starke  Ausprägung  der  langen  Rückenmuskeln,  insofern  diese  sowohl  weit 
nach  hinten  Yorspringen,  als  weit  nach  oben  hin  sichtbar  sind; 

3)  starker  Deltamuskel  an  der  Schulter; 

4)  Störung  der  Symmetrie  am  Thorax,  bedingt  erstens  durch  eine  Skoliose, 
zweitens  durch  stärkere  Wölbung  des  imteren  vorderen  Thorax- Abschnittes 
auf  der  linken  Seite; 

5)  Breite  der  unteren  Thoraxhälfte; 

6)  nach  hinten  und  ebenso  seitwärts  weit  abstehende,  unsymmetrisch  ge- 
stellte Schulterblätter; 

7)  schöngestaltete  schlanke  Beine  von  knabenhaftem  Habitus; 

8)  Verdickungen  der  unteren  Enden  der  Vorderarme; 

9)  breite  feste  Hände; 

10)  verhältnissmässig  kurze  konische  Finger. 

B.  Genauere  Ausführung.  1.  Muskulatur.  —  Am  Halse  ist  eine  kräftige 
Entwicklung  der  Mm.  stemocleidomastoidei  bemerkbar;  noch  mehr  aber  fällt  die 
Stärke  der  Nackenmuskeln  und  unter  ihnen  besonders  die  der  Riemenmuskeln 
(Mm.  splenii)  auf.  Der  Nacken  erhält  dadurch  eine  ungewöhnliche  Gestalt:  es 
fehlt  ihm  nehmlich  die  kegelförmige  Verjüngimg  dort,  wo  er  sich  an  den  Kopf 
ansetzt,  und  es  fehlen  ihm  ebenso  die  durch  die  Mm.  digastrici  und  complexi 
majores  gebildeten,  durch  eine  Rinne  getrennten  Wülste;  er  ist  vielmehr  gleich- 
massig  cylindrisch  und  dick,  wodurch  er  auch  relativ  kurz  erscheint.  —  Die 
Schulter  erhält  durch  massige  Entwicklung  des  Deltamuskels  Fülle;  sonst  treten 
bei  herabhängenden  Armen  besondere  Muskel profile  nicht  hervor,  dagegen 
überraschen  bei  gebeugten  Armen  und  gespannten  Muskeln  die  männlichen,  dem 
Athletischen  zustrebenden  Formen,  besonders  des  M.  biceps  brachii.  Im  üebrigen 
behalten  im  Allgemeinen  noch,  trotz  eines  nirgends  stark  aufliegenden  Fettpolsters, 
die  weicheren  Formen  des  kindlichen  Körpers  ihre  Geltung;  doch  zeigt  sich 
während  der  Action,  dass  sämmtliche  Muskeln  wohl,  ja  die  Muskeln  des  Ober- 
körpers und  Armes  weit  über  das  Maass  hinaus,  entwickelt  sind,  mehr  als  das 
bei  typischen  „Schlangenmenschen^  sonst  der  Fall  zu  sein  pflegt.  Die  Ausbildung 
der  Handmuskeln,  speciell  auch  des  M.  adductor  pollicis,  ist  auffallender  Weise 
nicht  bedeutend,  der  Druck  der  Hände  verhältnissmässig  schwach;  auch  wird  von 
der  Mutter  der  Artistin  bemerkt,  dass  „die  Handkraft  gering^  sei.  Die  langen 
Rückenmuskeln  zeichnen  sich  als  deutliche  Wülste  schon  bei  aufrechter  Stellung  aus, 
und  die  mediane  Rückenrinne  ist  daher  schärfer  als  gewöhnlich  vertieft  und  in 
grosser  Ausdehnung  sichtbar;  besonders  aber  treten  die  Rücken wülste  bei  Bogen- 
stellungen  sehr  scharf  hervor,  und  sie  sind  dann,  z.  B.  bei  der  in  Fig.  10  wieder- 
gegebenen Stellung,  bis  in  den  Bereich  des  Sehnenspiegels  der  Mm.  cucullares 
hinein  sichtbar.  An  den  Beinen  lässt  die  schöne  ebenmässige  Gestalt  auf  har- 
monische Entwicklung  der  Muskulatur  schliessen.  Die  Kaumuskeln  endlich 
(Masseter,  Temporaiis)  zeichnen  sich  zwar  beim  Zusammenbeissen  durch  bedeutende 


(192) 

Härte  ans,  indessen  ist  ein  solcher  Zustand  bei  gewöhnlichen  Men 
auch  vorhanden  in  Folge  der  täglichen  Uebung  beim  Ranen. 

2)  Kopf.  —  Lange  der  Htmd8p»)te  45  mtit.  An  die  Hand« 
Bchliesst  sich  jederseits  eine  snbepitheliale  Narbe  an  von  der  Art 
man  als  „SchwaDgerschartsnarben"  am  Bauche  kennt;  diese  Narbei 
laufen  ab-  und  seitwärts  und  haben  eine  Länge  von  5—6  mm. 

Von  Zähnen  sind  ptombirt  der  linke  obere  mediane  Schneid) 
und  ausserdem  zwei  Backenzähne. 
Ueber  die  Kaumuskeln  8.  oben. 

.H)  Hals.  —  Ueber  Gestalt  und  Muskulatur  s.  oben;  über  M 
an  demselben  bei  aufrechter  Haltung  und  bei  Biegungen  s.  8.  19(i 
4)  Rucken.  —  Der  Rücken  erscheint  flach,  die  ConTexitat 
selben  ist  wenig  ausgeprägt.  Die  nebenstehende  Kurve  (Pig,  2), 
Bleidraht  abgenommen,  mag  ein  Bild  seiner  Krtimmung  geben 
reicht  von  der  Protuberantia  occip.  est.  bis  zum  Domfortsatze 
I.  Sacral wirbeis,  und  die  Stellen  der  Dornfortsätze  des  L  dorsalen 
des  L  lumbalen  Wirbels  sind  auf  ihr  durch  Marken  bezeichnet, 
näherer  Cbarakterisimng  der  Ruckenform  mag  auch  noch  Folgt 
dienen :  Wenn  man  bei  natürlicher  aufrechter  Stellung  einen  Lothl 
an  den  Domfortsatz  des  VH.  Halswirbels  anlegt,  so  verlässt  d 
die  Haut  schon  bei  den  obersten  Dorsalwirbeln  und  trifft  sie  w 
etwa  bei  S.  U;  am  weitesten,  nehmlich  27  mm,  entfernt  ist  er  voi 
Haut  bei  D.  X  und  D.  XL 

Geber  die  langen  Rückenmnskeln  und  die  RUckenrinne  s.  ( 
über  die  Dornfortsätze  B-  S.  '206  und  das  hier  Folgende. 

Am  Rücken  ist  nun  ferner  eine  Skoliose  bemerkbar,  und  ' 
stellt  nicht  das  einzige  Zeichen  von  Asymmetrie  am  Rumpfe  vor, 
dern  es  kommen  dazu  andere  in  der  Stellung  der  Schulterblätter 
des  unteren  Thorasabschnittes.  Diese  Züge  von  Asymmetrie  a 
hier  mit  einander  besprochen  werden. 

5.   Abweichungen    von    der    Symmetrie    am    Rumpfe 

A.  Skoliose.     Um  eine  genaue  Aufnahme  machen  zu  können,    n 

bei  anIVechter  natürlicher  Haltung  ein  Ijoth  von  dem  Domfortsatzt 

VU.  Halswirbels   herabgelassen,   und   eine   leichte   Schiefstellung 

Beckens,   welche  offenbar  eine  compensirende  Bedeutung   hatte, 

so  dass  nun  das  Loth  den  Domfortsatz  des  L  Sacralwirbels  traf; 

e  Lothlinie  auf  die  Rückenhant   aufgezeichnet   und   darauf  ebenso 

der  Dornfortsätze  verbindende  Linie.     Nun   zeigte  sich,    dass  die 

lusschliesslich   nach   rechts   von   der  Lothlinie   stattfindet;    höchster 

oben,   im  Bereiche   des   L  und   H.  dorsalen  Wirbels,   eine  solche 

1  Seite    bis    zu    einem  Betrage  von  '2  mm  vorhanden.      Die    grösste 

]H  mm    lictragend.    flndet    sich    beim  Domfortsatz    des  IX.  Brustwii 

egung  stellt  sich  Jedoch   nicht   unter  dera  Bilde   einer  gleichmäsaif 

Linie  dar,  sondern  erstens  ist  die  Krümmung  am  stärksten  vom  I 

des  VXl.    bis   zn    dem    des  XI.  Brustwirbels,    oben    und    unten  dag 

;  zweitens  ist  sie  nicht  im  Ganzen  nach  rechts  convex,   sondern   si 

setzt  sich  also  zusammen  ans  einem  oberen  nach  links  coDvexen  8 

bis  D  VI  reichend,  einem   mittleren  nach  rechts  convexen  Stücke, 

LI   reichend,   und   einem   unteren   nach    links   convexen  Stücke, 

I  rfichujid. 


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(193) 

Eine  andere  Bestimttiung  der  Skoliose,  die  vor  dieser  gemacht  wurde,  hatte 
scheinbar  ein  anderes  Ergebniss,  nehmlich  folgendes:  Die  „Mittellinie^,  d.  h.  die 
Linie,  welche  die  Spitzen  der  Dornfortsäizc  verbindet,  ist  zuerst  nach  links,  dann 
nach  rechts,  dann  wieder  nach  links  von  der  Lothlinie  ausgebogen;  die  erste  Aus* 
biegung  hat  ihren  Scheitel  mit  einem  Abstände  von  4  mm  bei  D II  und  D  III;  das 
Loth  schneidet  dann  die  „Mittellinie"  wieder  zwischen  D  V  und  DVI;  die  grösste 
Ausbiegung  nach  rechts  liegt  bei  D  X  und  beträgt  7  mm ;  das  Loth  schneidet  die 
Rückenlinie  dann  wieder  bei  LI;  es  erreicht  bis  LIII  einen  Abstand  von  4mm 
von  der  Mittellinie  und  bleibt  in  diesem  bis  zum  Kreuzbein.  In  dieser  Bestimmung 
ist  die  „natürliche"  Haltung  des  Körpers  in  keiner  Weise  beeinflusst,  aber  es  ist 
eine  leichte  (compensirte)  Schiefstellung  des  Beckens  vorhanden,  und  deswegen 
ist  die  andere  Stellung  besser  geeignet,  die  Verbiegung  der  Wirbelsäule  rein  zu 
zeigen. 

Die  Mittellinie,  d.  h.  die  Linie,  welche  die  Spitzen  der  Domfortsätze  ver- 
bindet, entspricht  nicht  an  allen  Stellen  genau  dem  Grunde  der  „Rückenrinne",  d.  h. 
der  Rinne,  welche  zwischen  den  durch  die  langen  Rückenmuskeln  gebildeten  Wülsten 
herabläuft;  vielmehr  ist  an  der  Stelle  der  stärksten  Krümmung,  also  in  der  Oegend 
des  Domfortsatzes  des  IX.  und  XI.  Brastwirbels,  die  „Mittellinie"  noch  stärker 
verbogen,  als  die  Rückenrinne,  so  dass  an  dieser  Stelle  die  Spitzen  der  Dom- 
fortsätze von  dem  medialen  Rande  des  rechten  Rückenwulstes  zugedeckt  werden. 
Dieser  scheinbar  geringfügige  Mangel  an  Parallelismus  ist  doch  von  Bedeutung,  weil 
er  zeigt,  dass  die  langen  Rückenmuskeln  bestrebt  sind,  ihren  geradlinigen  Verlauf 
trotz  der  am  Skelet  vorhandenen  Verbiegung  einzuhalten. 

Die  Spitzen  der  Dornfortsätze  sind,  wie  ich  zu  fühlen  glaubte,  an  der  Stelle 
der  stärksten  Krümmung  nicht  genau  nach  hinten  gerichtet,  sondem  etwas  seitlich 
abgebogen. 

Als  Ursache  für  die  geschilderte  Skoliose  wird  von  dem  Vater  mit  gtosser 
Bestimmtheit  eine  fehlerhafte  Ausfühmng  des  linkseinseitigen  Handstandes')  an- 
geschuldigt, nehmlich  der  Umstand,  dass  nicht,  wie  beim  rechtseinseitigen  Hand-  [IX  p 
Stande,  der  Unterrumpf  mit  den  Beinen  frei  schwebend  erhalten,  sondern  scharf  '  Sr   . 
geknickt  wird,   und   dass   dadurch   den   mechanischen    Hemmungen   zu   viel  auf- 
gebürdet wird.    Photographien,  welche  Herr  Zettnow  gemacht  hat,  zeigen  diesen 
UnterscJiied  zwischen  rechts  und  links  deutlich,  und  es  ist  durchaus  wahrscheinlich,  d^. 
dass  die  gegebene  Erklärang  die  richtige  ist,  d.  h.  es  ist  wahrscheinlich,  dass  diese  \* 
durch  Jahre  hindurch  fortgesetzte  fehlerhafte  Haltung   zu   einer  Veränderung   des 
Skelets  geführt  hat    Ob  der  angegebene  Grund  zur  Erklämng  ausreicht,  oder  ob 
nicht,  nachdem  auf  diesem  Wege  die  rechtsseitige  Skoliose  eingeleitet  war,  sie 
sich  durch  die  RUckwärtsbiegungen  steigerte,  muss  dahingestellt  bleiben. 

B.  Stellung  der  Schulterblätter  bei  natürlicher  aufrechter  Haltung. 
Bei  der  Betrachtung  des  Rückens  in  natürlicher  aufrechter  Haltung  bemerkt  man, 
dass  die  Schulterblätter  weit  von  einander  abstehen;  ausserdem,  dass  die  rechte 
Scapula  weiter  nach  hinten  hervorragt,  als  die  linke,  und  dass  sie  der  Wirbelsäule 
näher  steht  Um  eine  genauere  Bestimmung  machen  zu  können,  wurden  einerseits 
die  beiden  erwähnten,  auf  den  Rücken  aufgezeichneten  Linien,  die  Ijothlinie  und 
die  verbogene  „Mittellinie",  benutzt,  andererseits  zwei  die  medialen  Ränder  der 
Schulterblätter  bezeichnende  Linien;   diese   wurden   gleichfalls   auf  die  Haut  auf- 


1)  Die  so  beseichnete  Stelluni;  besteht  darin,  dass  der  Körper  auf  einem  Anne  allein, 
und  iwar  hier  auf  dem  linken, 'ruht.  Bei  einer  der  Prodoctionen  kommt  diese  SteUung 
in  ausgiebiger  Weise  zur  Verwendung.  ;   ^ 

T«rhuidl.  dtr  B«rL  AnthropoL  OMellachaft  1S91.  13  [':'/'- 


*« 


V. 


:♦ 


(IM) 

und  daran  zwei  Punkte  an^gcben:  einer  dort,  wo  die  Spina  BCf 
1  trifft,  und  einer  etwiis  oberhalb  des  unteren  Winkels.  Es  muss  j 
werden,  dass  diese  Linien  und  Punkte  keinen  absolut  (genauen  ' 
inmal  weil  die  Stellung  der  Schulterblätter  Teründerlicli  ist,  und 
E,and  schwer  genau  zu  fühlen  war  wegeta  der  starken,  an  die  & 
Muskeln,  Rhomboidcs  und  namentlich  Teres  major.  Es  sei  ni 
Lbstand"  bezeichnet  die  Entreraung  derjenigen  Stelle,  an  welcher  die 
I  triin,  von  der  Lothlinie  oder  „Mittellinie";  als  „unterer  Abstand"  di' 
]es  dicht  über  dem  unteren  Winkel  der  Scapnia  treiegenen  Punktes  vc 
oder  „Mittellinie".  Gemessen  wurde  Jedesmal  in  einer  horizontalen 
:  nicht  schief,  sondern  in  Projektion  auf  eine  frontale  Ebene. 
ErgebnisH  war  das  folgende: 

oberer  Abstand  von  der  „Mittellinie"    rechts  67,    links  b8, 
unterer      »  „      „  »  „       54,      „     83. 

re  Abstand  ist  also  rechts  und  links  gleich  (denn  der  Unterschie 
It  in  die  Fehlergrenze);  der  'untere  dagegen  differirt  um  29  mm. 
jrschiedenheit  kommt  grossentheils  auf  Rechnung  der  Verbiegun 
lie".  Nimmt  man  nehmlich  den  unteren  Abstand  nicht  ron  dieser. 
der  Lothlinie,  so  crgicbt  sich: 

unterer  Abstand  ron  der  Lothlinie  rechts  65,  links  7'J. 
jrschied  beträgt  also  nunmehr  nur  7  mm,  d.  h.  nicht  mehr,  als  die  i 
ausmachen  können.  Man  wird  daher  das  Verhältniss  richtiger  j 
,  dass  die  Wirbelsäule  sich  der  rechten  Scapula,  und  nicht  die 
ier  Wirbelsänle,  genähert  hat,  und  dass  die  Scapnlae  trotz  der  Abwei 
lelsÄule  ihre  richtige  Lage  festzuhalten  bestrebt  sind,  sowie  das  C 
1  den  langen  Riickenmuskeln  gesagt  wurde.  Es  darf  aber  doch  nie 
bleiben,  dass  für  die  zwischen  Domfortsützen  und  Scapulae  ansgesp 
(Cucullaris,  Rhomboidcs)  die  mechanischen  Verhältnisse  durch  di 
e  Abänderung  erleiden. 

Unterer  Thoraxabschnitt  —  Bei  der  Betrachtung  des  unteren  T 
.es   von   vorn   fällt   auf,   duBs  die  linke  Seite  stärker  gewälbt  ist,   i 
Um   diesen  Unterschied   genauer   zu   bestimmen  und  zur  Anschaut 
bringen,  wurde  mit  Hülfe  von  Bli 
"l^'  die  äussere  Form  abgenommen  v 

Papier  übertragen.  Die  beisb 
Fig.  3  giebt  diesen  Querschnitt  i 
Um  mit  grösserer  Sicherheit  die  C 
sowohl  für  die  Umrisszeichnon 
auch  rUr  die  Haasse  festzuhalten, 
auch  hier  wieder  zuerst  die  Lii 
die  Haut  aulgczeichnet;  die  Liu 
sprach  rom  der  Spitze  des  Prc 
ensiformis,  hinten  ging  aie  wenif 
halb  des  X.  Brustwirbels  vorbei. 
Linie  hat  in  unserem  Falle  do 
sonderen  Werth,  da  sie  zuglei 
der  ^liirkaten  Biegsamkeit  an  der  Wirbelsäule  schneidet  (S.  201)  u 
dem  Scheitel  der  Rechtsskoliose  entspricht  (S.  192);  vom  Unit  sie 
b  der  noch  schwach  entwickelten  Brüste,   so  dass  durch  letztere  ki 


(19«) 

Q  achon  bemerkt,  die  „Handkraft  gering".  Das  ZusammendTtlckei 
ird  Bch merzhart  empfunden.  Eb  acheint  sich  bei  den  Leistnngei 
weit  sie  fOr  den  Handstand  in  Betracht  kommen,  mehr  Um  eine  ge 
ad  Unnachgicbigkeit  der  bindegewebigen  Theile  (Haut,  Faaciapali 
ia  intermetacarpea)  zn  handeln. 

Finger  erscheinen  verhältniss massig  knrz  und  konisch  vcrjUngt. 
lei  auch  die  Schwielenbildung  an  der  Hand  erwähnt.  Die  Hand  ist 
Bsig  schwielig,  sondern  man  findet  eine  hintere  und  eine  rordere  Seh 
:re  Schwiele  nimmt  die  an  einander  stehenden  Theile  des  Danmenb 
ifingerballeuH  ein,  ohne  durch  die  zwischen  diesen  gelegene  EWche  i 
zu  werden;  sie  hat  ihre  grössle  Ausdehnung  in  qaerer  Richtung. 
Schwiele  entspricht  an  der  rechten  Hand  hauptaachlich  dem  Köpfche 
ly.,  an  der  linken  dem  des  IV.  Mittel handknochens,  wozu  aber  i 
I  ein  schwieliger  Streifen  tritt,  welcher  zwischen  der  Uonatslinie  nnd 
igen  ist. 

tf  aasse.  —  Der  Uebersichtlichkeit  halber  seien  hier  alle  Maasse  zusan 
sowohl  solche,  welche  an  anderen  Stellen  dieser  Mittheilung  Verwer 
haben,  als  auch  andere.  Die  letzteren  erklären  sich  z.  Th.  selbst,  : 
gen  sie  so  zu  sagen  als  Rohmaterial  hier  abgelagert  werden,  welcl 
ZusammenhängeD,  fUr  den  Vergleich  mit  anderen  Artisten  oder  m 
en  Menschen  oder  für  weitere  analytische  Betrachtungen  unserer  A 
lg  gewinnen  kann.  Die  Haasse  sind  in  Millimetern  angegeben.  Vas 
nehrfach  nachgeprUR. 
Körperiänge  =  1437. 
Mnndspalte  =  ib. 

Am  Halse. 
Umfang  in  der  Höhe  des  oberen  Randes  des  Kchildknorjiels  =  .311. 
Entfernung   des  Kinnes   vom  oberen  Rande  des  Brustbeines  hei  gc^ 
lieber  Stellung  (Horizontalhaltong  des  Kopfes)  =  76. 
dieselbe   bei   stärkster   aktiver  Hinten Ubenieigung  des  Kopfes  s=  18 
Luftlinie  gemessen). 

liänge  des  (linken)  M.  stemocieidomastoideus  (am  vorderen  Rand' 
Muskels  gemessen)  =  162  {mit  Taslerzirkel),  bezw.  167  (mit  anliege 
Bandmaasa). 

dieselbe  bei  extrem  hintenüber  geneigtem  Kopfe  =  164  (mit  anliegt 
Randmaasse). 

Abstand   der   vorderen  Ränder  beider  Mm.  slcrnocleidomastoidei  in 
des  oberen  Schildknorpelrandes  bei  gewöhnlicher  anfrechter  Stellung 
(mit  Tasterzirkel  gemessen), 
derselbe  bei  Zahnstand  (Fig.  I)  =  110  (Taaterzirkel) '}■ 

Ad  der  Wirbelsäule. 
Breite   der  Spitze   des  Domfortaatzes   am   1.  dors.  Wirbel  =  17  od« 
am  la  lumbalen  =  Itj. 


e  Musjie  6—9  leigen  in  inUressaDtcr  Weise  die  Beziehungen  der  Steram 
IQ   den   übrigen  Theilen   dea  H&leee.    Was   vor  sich  geht,  bum  ea  beu 

bei  Hinten  überleben  des  Kopfes,  nsmentlicb  bei  Zkhnstand,  wo  die  Uslna 

arbeiten  habßn,  gleiten  die  —  übrigen»  stark  gespannten  —  Mm.  Bt«racM 
am  Habe  geit^  und  rückwkits:    oder,  anders  antgedrürkt:   der  stark  g«l 

ebt  lieh  iwischen  den  Um.  Btenucleidomaetuidei  nach  vom. 


Am  Bnifl 

11.  Länge  des  I 

12.  Länge  desl 
IS.   Bnistumfanj 

14.  Derselbe  be; 

15.  Antero-postc 

16.  Qaerdnrchm 

17.  Antero-poBt« 
143,  nach  a 

18.  Antero  -  poB 
Füssen  =  1 

19.  Antero-posh 

20.  Grfisster  AI 
Bogen  (Pig. 

Am  Baal 

21.  Breite  der  1 
32.  Länge  der 

kiirpers  bei 
23.  Dieselbe  be 
34.   Dieselbe  be 

25.  Dieselbe  be 

26.  Dieselbe  be 

27.  Dieselbe  be: 

28.  Abstand  dei 
gewöhnliche 


1)  Ueber  die  Stell 

2)  Dieses  Haasa  fai 
!i  Bonstigen  Kerracl 
lecht  anafDhrt.  Eil 
utschukk&nstler  Soll 

3)  Eine  Differenz 
ht  in  Entannen  ee 
und  dem  des  XI.  Bi 
derer  Hesepunkt  br 
iche  bleibt  von  der 

4}  Als  „Bogenetell 
le)  Stellung  beieicl 
Jen  ale  die  Handflft« 
Itatien  TertheUt.  » 
ihen  Bogen  und  dei 

ArtiBtin  dar;  in  d 
le  Beschwerden.  D 
mfortsatz  des  III. 
;  dem  Torhergehend 

5)  Unter  „Slule" 
standen,  d.  h.  diejei 

F&sse  genau  suh 
aas. 

6)  Die  Stelle  der 
rnfortsati  des  X.  oc 


(198) 

Derselbe  bei  Bogengtellung  anf  Händen  und  Füssen  =  138 '). 

Am  Schulterblatt')- 
Abstand   beider  Scbnltorblätter   von  einander  bei  gewöhnlicher  aufVe 
Stellung:   n)  oben  =  140,   b)  unten  =  126'). 
Abstand  bei  „festem  Handstand"  (F4g.  10)  =  165. 
Abstand  bei  „Sünle":   a)  oben  =  105,   b)  unten  =  258. 
Oberer  Abstand  der  Scapula  von  der  Wirbelsäule  rechts  =  67,  links  = 
Unterer  Abstand  der  Sc.  von  der  W.  rechts  =  64,  links  =  83, 
l'nterer  Abstand  der  Sc.  von  der  Mittellinie  rechts  =  65,  links  =  Ti 
Länge    des  unteren  Randes  des  M.  rhomboides  bei  grösster  passiver 
femung  der  Scupula  von  der  Wirbelsäule  rechts  <=  160,  links  »  tl>] 
Grösster  Abstand  einer  auf  die  Schulterblätter  gelegten  Tangente  roi 
Wirbelsäule  bei  „tiefem  Handstand"  (Fig.  11  und  12)  =  fw»). 
Abstand  einer  auf  die  Schulterblätter  gelegten  Tangente  von  der  Wi 
sänle  bei  gewöhnlicher  aufrechter  Stellung:  a)  an  gleicher  Stelle  gerne 
wie  bei  37  =  16;  grösster  Abstand  =  33'). 

Am  Arm. 
Dicke  des  Deltarauskels  =  170 'j. 
Länge  des  Annes  =  583,  rechts  ebenso  wie  links*). 
Umfang  des  rechten  Oberarmes  in  der  Mitte  ohne  Muskel  spann  nng  =  '2 


3  Ist  Überraschend,  dass  dieses  Haass  eich  bei  Bogenstelinng  vermindert,  ai 
'ergrOBsem.  Vielleicht  ist  es  vor  allem  der  M.  ohüqnns  abdominis  eitemns, 
I  der  Spreituig  des  Braslkorbes  wjdenetxt. 

ie  Messungen  am  Schulterblatt  können  auf  grosse  Oensoigkeit  keinen  Ans 
Ixoti  der  duauf  verwendeten  Sorgfalt,  weil  hier  iwej  Fehlerquellen  zusan 
erstens  tat  das  Scbulterbbtt  in  seiner  Stellung  so  labil,  dass  es  dem  Hess' 
1  Hftnden  fortgebt,  zweitens  erschweren  die  ansetzenden  und  bedeckenden  st 
das  Auffinden  von  Knochenpnnkten;  bei  solchen  Stellungen,  bei  denen  die  Mn 
k  spannen,  wird  eine  Abgrenzung  derselben  gegen  den  Knochen,  insbeso 
n  unteren  Winkel  (Angulus  sopulae)  zur  UnmögUcbkeit> 
Is  .obere'  Ist  hier  diejenige  Stelle  bezeichnet,  wo  die  Spina  sc.  d*n  mei 
II,  als  fUnten"  eine  Stelle  des  medialen  Randes  dicht  Ober  dem  unteren  W 
ie  unter  83 — S6  gegebenen  Haasse  finden  ihre  Erkl&rung  in  anderem  Ziisan 
,  194). 

ie  unter  87  und  S8  mitgetfaeilten  Haasse  finden  ihre  Erkl&ruDg  in  anderen 
ange  (S.  318).    Die  Stelle  des  grössten  Abstandea  liegt  bei  87  in  der  MU 

ie  Stelle  des  grössten  Abstandes  liegt  in  der  Nihe  des  unteren  Winkels, 
iwonnen,  indem  mit  dem  Bandmaass  über  die  ftnisere  FlAche  der  Schulte 
I  des  vorderen  lur  Mitte  des  hinteren  Randes  des  Deltamaskels  gemessen  n 
IS  bat  einen  geringen  Worth,  denn  erstens  giebt  es  bei  der  kegelförmigen  0 
eis  in  weit  geringerem  Maasse  einen  Ausdruck  seiner  Dicke,  wie  es  bei  i 
nnigen  Muskel  möglich  ist:  zweitens  muss  bei  der  kegelförmigen  Oestal 
tchon  eine  geringe  Verschiebung  der  Hesspnnkte,  namentlich  am  hinteren  (we 
rcn)  Rande,  das  Maass  sehr  Andern. 

SS  Maass  ist  gewonnen,  indem  bei  aufrechter  Stellung  am  horizontal  seit 
n  Arm  der  Abstand  vom  lateralen  Rande  des  Acromion  bis  zur  Spitze  des  II 
'emessen   wurde.    Die  I.&nge   ist    also   zu   kurz   angegeben,   und   es  mftwtt 

eingeführt  «erden. 
m  die  unter  41  nnd  43  grgeliencn  Maass«  ganz  genau  auf  einander  beziehi 
rurde  vor  dem  Mi'üseu  eine  Linie  um  den  Ami  gezeichnet. 


(200) 


egen   des  Beckens   (Extension   des  Oberschenkels)   n 

hes, 

tolation)  nichts  Un^wöhnliches, 

^n    des  Beckens  (Klexion  des  Oberach enkels)    eine  d 

leweglichkeit,    dass    die  Voi-derüäche    des  Rumpfes  ai 

der  gestreckten  anteren  Extremitäten  angelegt  werden 

les  Beines  eine  derart  gesteigerte  Beweglichkeit,  doss 
ng  ajigenominen  werden  kann,  welche  in  der  Spracht 
igat"  heisst,   d.  h.  die  Stellung,   bei  welcher  die  medi 
Beine  auf  dem  Boden  aufliegen. 
Wirbelsäule: 

oraion)  nichts  Ungewöhnliches; 
gung  ebenso, 
:h  vorn  ebenso, 

:h  hinten  gesteigerte  Beweglichkeit, 
scheidt-'n    die  Biegung    im  Ualstbeile    oiiü   die  im  unl 


(SOS) 

Die   Bewegungen    des   Oberarmes    im   Schultergeleak    sind    ctwaa 

>r,  als  bei  t^wöhnlichen  Menschen,  und  zwar  bei  Rebung  des  Oben 

:n,  wie  nach  hinten. 

im  Ellbogengelenk  ist 

die  Streckung  die  gewöhnliche,  d.  h.  sie  geht  bis  zu  180°; 

die  Bengung  ist  bemerkbar  eingeschriinkt- 

[m  Handgelenk  bleibt  sowohl 

die  seitliche  Bewe^gung,  besonders  die  gegen  die  radiale  Seite,  wie 

die  Bewegung  gegen  die  dorsale  und  volare  Seite  etwas  ge^en  die 

zurück. 
\a  den  Fingergelenken  ist  die  Beweglichkeit  normal. 

B.  ÄusTUhrlichere  Angaben, 
Lu  Hüftgelenk.  —  Um  das  VornUbemeigen  des  Rumpfes  bis  zu 
n,  wird  als  „Hülfe"  das  Umfassen  der  Unterschenkel  mit  den  Anne 
g.  5);  ein  weiteres  Vorneigen  (natürlich  bei  gespreizten  Beinen)  ist  mö 
Is  Hülfe  die  Arme  zwischen  den  Beinen  hin  durchgeführt  und  die  t 
en  her  unter  die  lateralen  Fussränder  gelegt  werden.  Eine  durch  1 
I  angefertigte  Photographie  giebt  diese  Stellung  wieder.  Es  ist  ab 
1,  dass  diese  Bewegung  beschränkt  ist,  und  dass  unsere  Artistin 
inem  Seh  lange  nkSn  stier  zurückbleibt,  den  Hr.  Ammon  in  Kajlsnihi 
phiren  lassen. 

lU  Wirbelsäule.  —  Die  in  der  Fig.  C  dargestellte  Biegung  des  Rü 
en,  wenn  man  sie  mit  dcijenigen  Bogenstt 
vergleicht,  bei  welcher  in  dem  Heranfgi 
der  Hände  an  den  Beinen  eine  „Hülfe"  ge 
wird  (Fig.  H).  In  diese  Stellung  gelang 
Artist  so,  dass  unter  rückwärts  wippendei 
wegungen  des  Rumpfes  die  Hände  obcrbal 
Knöchel  an  den  Untei-schenkeln  angreifen 
sich  dann  an  den  Beinen  bis  über  die 
hinaafflngem.  Diese  Aktion  gebort  zu 
Gewöhnt icbsten,  was  man  bei  Schlangen^ 
lern  sehen  kann,  wie  überhaupt  derartige  i 
unbedeutendere,  z.  Th.  aber  auch  gewaltsi 
„Hülfen"  eine  grosse  Rolle  in  den  Uebu 
namenilicb  den  Vorübungen  der  Schloi 
kUnstler  spielen,  wovon  ich  früher  scho 
legentlich  gesprochen  habe  (Sitz.  v.  21.  Fe 
tSyt),  Verh.  S.  IH'i).  In  unserem  Falle  ii 
treme  Ausbildung  auf  „Kautschuk"  nichi 
gestrebt  worden  (S.  ISO;,  und  thatsächlich  m 
auch  die  eben  geschilderte  Uebung  einen  ' 
ungeübten,  seh werTäll  igen  Eindruck.  Es  U 
der  Fall,  obwohl  wie  gesagt,  die  Bie^a 
des  Rückens  von  ungewöhnlicher  Voller 
ist.  Aber  der  höchste  Grad  der  Biegung 
bei  der  in  Fig.  8  dargestellten  Stellung  i 
drr  HandhUlfe  gar  nicht  erreicht;  das  liegt  i 
lieh  nicht  am  Rücken,  sondern  an  andere 


h  besser  gewürdigt  ^ 
Fiitur  8. 


;;e^D  bleiben  die  Belegungen  des  Änneg  in  der  Schulter  hinter  der 

wie  folgende  Bemericungen  zeigen  mögen.  Erstens:  Die  Ellbogen  kj 
cht  gebeugten  Vorderarmen)  piissiv  nicht  auf  dem  ROcken  bis  zu 
genähert  werden;  da  ich  letzteres  bei  mir  selbst,  ohne  je  darauf 
,  mit  Leichtigkeit  Hnsführen  lassen  kann,  so  sehe  ich  darin,  dass  t 
so   jugendlichen    und    so   geübten  Körper    nicht    m{%Iich  ist  (es  bleil 

Ton  130  mm),  eine  ungewöhnlich  geringe  Nachgiebigkeit.  Zweitens: 
1  kann  seitwärts  aktir  nur  bis  zu  senkrechter  Stellung  erhoben  and  [ 
icht  viel  weiter  bewegt  werden;  die  rechte  Hand  kann  daher  nicht  I 
ipfe  vorbei  den  linken  Uuudwinkel,  und  ebensowenig  kann  die  linke 
:hten  Mundwinkel  erreichen.  Die  Artiatin  bleibt  in  diesem  Punkte 
gewöhnlichen  Menschen  zurück  und  kann  noch  weniger  mit  dem  Kanta 

Solbrig  (Verh.  1886.  S.  173)  oder  gar  den  sogen.  „Qrotesk mensche 
^  treten. 

Zu  Ellbogen.  —  Die  Streckung  kann  links  in  der  gewöhnlichen  ^ 
hrt  werden,  rechts  tritt  eine  ganz  leichte  Hyperextension,  aber  nur  eb< 
ing  einer  solchen  herror.  Eine  solche  wird  z.  B.  auf  der  Fhotographi 
reizstandes  bemerkbar,  und  es  könnte  die  Befürchtung  entstehen,   das 

dem  enormen  Druck  auf  die  Daner  nicht  gewachsen  sein  mOchl«, 
ötzliche  Verletzung  oder  eine  allmähliche  Deformining  entstehen  ki 
iasere  Festigkeit  des  linken  Gelenkes  wird  von  dem  Vater  auf  die  F 
)r  6  Jahren  erlittenen  Lusation  zurückgeführt  (8.  190). 
L  für  die  Beugung  ein  Maass  zu  finden,  wurde  der  Oberarm  etwa  in 
sllnng  gebracht,  die  Articnlatio  clavicnlo-acromialis  durch  einen  Stric 
•,  nun  der  Vorderarm  in  die  stärkste  mögliche  Beugnng  gebracht  an 
7on  der  Vorderseite  des  Handgelenkes  zu  dem  Strich  gemessen.     I 

betrug  rechts  123,  links  172;  er  ist  also  links  bedeutend  grösser  als  r 

ist  auch  rechts  ungewöhnlich  gross.    Die  Biegung  ist  also  hnks  bede 
ukt,  aber  sie  ist  auch  rechts  beschränkt. 
Zu  Handgelenk,  —  Passive  Bewegungen,   die   mit  den  Händen  gei 

lieferten  folgendes  Ergebniss:  rolarwärts  kann  die  rechte  Hand  bis  zi 
e  bis  zu  90°  bewegt  werden,    dorsalwärts  die  rechte  bis  zu  80°,  die 

Volarwärts    ist    also    die    linke  Hend    in  normaler  Weise  beweglich 

lagegen  beschränkt;  dorsalwärts  ist  an  beiden  die  Bewedichkeit  jede 

rweitert   (es    kann    daran    erinnert   werden,    dass  viele  Personen  gera 

Lichtung  eine  grosse  Beweglichkeit  haben),  eher  etwas  eingeengt.   Diej 

also,    welche    beim  Handstande  angenommen  wird,    und  welche  me 

Abbildungen  zeigen,  stellt  ein  Extrem  vor,  welches  nur  durch  die  i 
lg  passiv  erreichbar  ist;  aber  eben  daraus  erwächst  die  Festigkei 
\^,  welche  dem  Bundstande  zu  Gute  kommt. 

Zu  Finger.  —  Die  Spreizung  der  Finger,  insbesondere  die  Abduktio 
I  ist  keine  ungewöhnlich  grosse,  eher  eine  etwas  beschränkte.  Die  Fig.  4 
risse   der  beiden  Hände  in  Spreizstellung  wieder.    Die  passive  Bcwe 

icapuUe  in  Medianlini«.  Der  Kumpf  nird  vom  Srholtergürtel  aus  getrag« 
irch  die  Hm.  atcmocleidomostoidd,  rhomboidrs,  levatores  srap.,  inhtlere  und 
er  Cucullar^s  und  obere  Partie  der  Serrati  antici.  Der  Kopf  ist  jedoch  bew 
d  tum  Balancement  verwerthet,  wie  Petrescu  spontan  bemerkte.  Uie  j 
ingen  trod  ihrer  hinausgeschobcut'n  Stellung  nicht  ala  scharfe  Ecken  hem 
;Br  schwer  fOhlbar,  weil  die  Bngrenieni)>'n  unil  Oberdeck  enden  Uusksln  {St 
Teres  m^oi,  Latissimas)  durch  Zu&unnieaiiehung  gani  hart  siad. 


(206) 

len  anzusehen,  aU  man  nicht  gezwungen  ist,  Abweichungen  von  der 
ennen.  Duss  der  Körper  im  vorliegenden  Falle  von  Haaac  hus  al 
;  sei,  wird  bei  der  Betrachtung  und  Untersaehnng  desselben  ganz  hin 
len   einen   wohlgestalteten  Körper   vor  uns,   der  sich  in  nichts  von  > 

□nterscheidet,  abgesehen  von  gewissen  Hypertrophien  und  gewisse' 
gen,  welche  durch  die  Arbeit  erworben  sind.  Dass  es  sieh  etwa  um 
use  aus  ungewöhnlich  „gelenkigen"  Körper  handle,  wird  schoi 
inriil%,  duss  sich  die  gesteigerte  Beweglichkeii  auf  gewisse  Körperabsc 
ünkt,  und  dass  daneben  in  anderen  normale,  in  noch  anderen 
chränkle  Beweglichkeit   besteht.    Aber   unter   diesen   erworbenen  I 

ist   nichts,    was   als  eine  tiefgreirendo  Abänderung  von  der  Nor 

werden  könnte. 

Besonderen  habe  ich  meine  Aufmerksamkeit  auf  die  Domfortsütze  geri 
irt  gelegentlich,  dass  die  Dornfortsätze  bei  den  RautschukkUnstleni 
len  oder  doch  auf  den  Bang  kurzer  Stümpfchen  herabgesunken  s 
ulTassung  ist  schon  an  sich  ganz  unwahrscheinlich.  An  den  Domforti 
lahlreiche  und  mächtige  Muskelgiuppen  ihre  Stütze  (H.  cuculluris,  latis 
lomboides,  serratus  posticus  superior,  inferior,  splcnius,  longissimus,  sp: 
lalis,  multiDdos,  rotatores),  und  bei  diesen  handelt  es  sich,  wie  bei 
ipparaten,  um  streng  mechanische  Verhältnisse  in  Länge  der  Hebel 
tung  u.  s.  w.  Es  ist  gar  nicht  einzusehen,  wo  diese  Muskeln  sollten  I 
tfundcn  haben,  und  wie  sie  sollten  wirken  können  bei  so  sturk  abgei 
ingungen.  Es  hat  sich  ober  auch  in  unserem  besonderen  Falle  bei  dt 
und  Sorgfalt  vorgenommenen  Untersuchung  der  Wirbelsäule  gezeigt, 
che  Domfortsätze  kräftig  entwiclielt  waren:  der  des  1.  Brustwirbels  I 
er  „Spitze"  eine  Breite  von  17  (18)  mm,  der  des  III.  Li'ndenwirbelt 
von  IH  iiiiii.  E)s  scheint  mir  dies  fUr  einen  Körper  von  den  vorlieg 
onen  eher  eine  ungewöhnliche  Entwickeinng  in  der  Breite.  Ob  da: 
wisse  Verkürzung  in  senkrechter  Richtung  vorliegt,  muss  ich  dahing 
sen,  jedenfalls  hat  die  Untersuchung  nichts  derartiges  gezeigt. 

bei  Untersuchungen  Über  gesteigerte  und  rerminderte  Beweglichkeit 
Inseitigen  Betrachtung    anheimzufallen,    muss  man  sich  die  Gesamm 
en  Bedingungen  gegenwärtig  halten,  auf  denen  gesteigerte  oder  »erniii 
chkeit  beruhen  kann. 
iteigerte  Beweglichkeit  kann  beruhen: 

auf  Veränderungen  der  mechanischen  Apparate  CVerringemng  von  Kno 
Igen?),  Verringerung  von  Bänderhemmangen ; 
auf  Veränderungen  der  muskulösen  Apparate, 

a)  Steigerung  der  bewegenden  Kräfte, 

b)  Verminderung  der  Widerstände  von  Antagonisten, 
■minderte  Beweglichkeit  kann  beruhen: 

auf  Veränderungen   der   mechanischen  Apparate  (Steigernng  der  Kno 
Igen?),  Steigerung  von  Bänderhcmmungen; 
auf  Veränderungen  der  muskulösen  Apparate, 

a)  Steigerung  der  antagonistischen  Widerstände, 

b)  Termebrung  der  Huakelmassen. 

'  letztere  Gesichtspunkt  trat  mir  zum  ersten  Male  entg^en  bei  I 
des  .iKrafttumers"  Bohlig,  welcher  nicht  im  Stande  war,  eine  ausg 
on  auszuführen.  Die  am  Vorderarme  lagernden  Muskelmassen  verhim 
be,  d.  b.  als  passive  Massen,  eine  normale  freie  Beweglichkeit.   Ein  an 


(808) 

en  Verden  können,  so  Tcrmindern  sich  in  demHelben  Grade  die  Widerst 
3  einer  RUckbiegung  im  Wege  stehen. 

ier   lässt   nan   der  Vergleich  unseres  Falles  mit  dem  von  mir  Trüber  i 

n  Schlangenmenschen  Marinelli   einen  Schritt  von  dem  Reiche  des 

ihen,    Dednctiven    gegen  das  Gebiet  des  Thatsächlichen  thun,    und  zwa 

dasB   die  Untersnchnng  eine  wcaentlichi  Verschiedenheit  zwischen  b 

heraosstelite.  Bei  Marinelli  ist  alles  das,  was  so  eben  als  begünstigen 
rärlsbiegung  theoretisch   angegeben  wurde,  —  weite  Spreiznng  der  Ri 

Verliingemng  der  Mm.  recti  abdominis,  vor  allem  aber  Einbi^^ng 
nknorpcl  und  starke  Abflachnng  der  vorderen  RumpISvand,  Anoähcmni 
en  an  die  Wirbelsäule,  > —  vorhanden;  bei  ihm  bemerkt  man  schon  be 
nlichcn  aufrechten  Stellung  eine  Abflachnng  der  Baucbgegend  und  Kür2< 
-posterioren  Durchmesser,  und  bei  BogensteUung  eine  bedeutende  Ännähi 
irderen  ßaoehwand  an  die  Wirbelsäule  unter  starker  Einbiegung  der  Ri 
Dgenie  Petrescn  dagegen  fehlen  so  anagesprochene  Zeichen  derAufhf 
nistischer  Kräfte:  bei  aufrechter  Haltung  ist  eine  harmonische  Gesta 
leren  Baucbgegend  vorhanden,  und  bei  BogensteUung  tritt  zwar  auch  £ 
der  Rippen  und  Verlängerung  der  Mm.  recti  ein,  aber  die  Abflachnnj 
■ea   Bsuchgcgend    und    ein   compenaatorisches   HerTorqaellen   der   We 

dies  alles,  obwohl  —  wie  oben  gesagt  —  der  „Bogen"  mit  unfibertrol 
idnng  ausgeführt  wird,  [liese  Beobachtungen  lassen  vermuthen,  dass  es 
lem  Falle  weniger,  als  in  jenem,  um  Verringerung  gewohnter  Widerstä 
;n   mehr,   als  in  jenem,    um  Verstärkung  der  biegenden  Kräfte  hu 

steht  das  Oesammtbild  der  Leistungen  dieser  Artistin  darchaus  in  U 
imung,  denn  bei  der  Mehrzahl  ihrer  Haltungen  zeigt  sich,  dass  wir  es  hi 
m  Grade  mit  Kraft leistungen  zu  thun  haben,  wie  das  bei  den  typischen  I 
ncnschen  der  Fall  zu  sein  pflegt,  —  ein  Ergebnias,  welches  auf  der  sorgfäl 
irstandnissTollen,  durch  Jahre  hindurch  fortgesetzten  Ausbildung  beruht, 
uns  veranlassen,  diesen  aktiven  Kräften  unsere  besondere  Aufmerksai 
enden,  d.  h.  den  langen  Rückenmuskeln.  Diese  Muskeln  Helen  schoi 
nlicher   aufrechter   Stellung  als   ungewöhnlich   stark    hervortretende  W 

der  medianen  RUckenrinne  auf,  und  es  zeigte  sich  dabei  nocb  besoi 
lachtnng  werth  (s.  oben),  dass  diese  Muskeln  auf  der  rechten  Seite  nich 
die  Skoliose  bedingte  Krümmung  mitmachen,  sondern  fast  gerade  veria 
)genstellnng  im  Handstande,  und  zwar  bei  solchen  Stellungen,  bei  denei 
ft^i  erhoben  gehalten  werden  (Fig.  10),  treten  nun  diese  Mnskelwttlste  h< 
die  am  oberen  Ende  des  Thorax  bcAndlicbe  AbQachung,  welche  dei 
nslOHSendcn  Sehnenapicgeln  der  Kappenmuskeln  entspricht,  machen  sich 

die  tlbcrlagemden  Theile,  die  Mm.  trapezius,  rhomboides,  serratus  poi 
tr,  splenius,  hindurch  bemerkbar.  Man  kann  bei  solchen  Stellungen  i 
In  vergleichen  der  Sehne  eines  Bogens,  mit  dem  Unterschiede,  doss  sie 
wischen  den  beiden  Endpunkten  des  Bogens  befestigt  sind,  sondern  an 
len  Wirbel  und  Rippen  Ansätze  abgeben.  Aber  ihr  starkes  Vorspringen 
arke  Wirkung  lässt  doch  die  F>age  entstehen,  ob  nicht  an  den  langen  Rflt 
In  eine  Veränderung  vor  sich  gegangen  sei  in  dem  Sinne,  daas  an  den 

Zacken,  insbesondere  des  Ileocostalis  die  muskulösen  Abachnitte  sie 
ihnen  entlang  weiter  nach  vom  entwickelt  haben,  so  dass  ihre  Oontn 
grösseren  Ausschlag  als  gewilhnlich  giebt.  Eine  solche  Fortbildung 
In  würde  nach  dem,  was  man  gelegentlich  als  Varietät  bei  anderen  Mm 
it,  nichts  AutTallendes  sein;   und   ntr  die  langen  Rackenmnskeln  im  6< 


(209) 

1  liegt  iils  Analogie  ein  ßofund  vor,  welchen  Ronx 
1883)  bei  einem  SkoHotischen  erhob,  bei  dem  allerdir 
i  die  sehnigen  Abachnitte  der  Zacken  der  langen  E. 
D,  doch  wie  Roux  meint,  genau  so,  wie  es  sich  als 
ori  ergeben  wUrde. 

Dass  aber  der  höchste  Grad  der  erreichbaren  6ie| 
angcn  RUckenniaBkeln  überhaupt  nicht  erzwungen  wei 
InsufRcienz  eine  absolute  oder  relative  war,  d.  h. 
weiter  kontrabiren  oder  dass  sie  die  entgegenstehe 
überwinden  konnten,  das  liess  sich  in  der  in  Fig. 
ich  erkennen,  indem  bei  vorwärts  oder  auch  aufwärt 
irkopr  etwas  von  dem  Kreuz  entfernt  blieb,  während 
nen  Armen  (wie  auf  dem  Bilde)  berührte.  Das  Gewicl 
iie  Artistin  selbst  bemerkte,  hinzukommen,  um  den  hö 
lande  zu  bringen. 

:il.  Schulter  und  Arm.  —  1)  Für  die  Einschränku 
ichulter  darf  die  Gelenkkapsel  bei  ihrer  bekannten 
in  Anspruch  genommen  werden,  vielmehr  glaube  ich, 
)2)  angegebenen  Richtungen  die  Ursache  eine  mus 
es  beide  Male  der  M.  deltoides  war,  auf  den  die  S 
dener  Weise,  nchmlich: 

i)  bei  seitlicher  Hebung  des  Armes  verhinderte  c 
eis  durch  ihre  Vorlagerung  die  weitere  Erhebung; 
))  bei  Hebung  des  Armes  nach  hinten  dagegen  v 
i  durch  ihre  Spannung  die  weitere  Bewegung.  Es  vi 
auch  an  den  Pect,  major  zu  denken,  doch  war  dieser 
ides-  Es  ist  endlich  auch  möglich,  an  den  H.  subsca] 
ihn  lasst  sich  bei  seiner  versteckten  Lage  nichts  ansE 
I)  Für  die  behinderte  Beugung  im  Bllbogengclen 
eihtnderung  vorliegen,  und  zwar  entweder  seitens  de 
lus  durch  Vorlagerung,  wie  dies  ju  thatsächlich  (s.  ob 
s  des  Triccps  durch  Hemmung.  Ersteres  licss  sieb 
ssen,  da  immer  noch  zwischen  den  Bicops  und  den 
inger  eingelegt  werden  konnte;  letzteres  konnte  auch 
■r  Triceps  bei  passiven  Bewegungen  keine  derartige  S 
hätte  imnehmen  dürfen,  ihn  bis  zu  seiner  Elasticitütsgr 
ieb  also  nur  übrig  zu  glauben,  dass  hier  Bünderhemn 
gcrte  Straffheit  des  Lig.  ucceas  mediale.  Für  Bänder 
Jicse  Hemmung  ziemlich  plötzlich,  ruckweise  eintrat, 
früher  beschädigten  Gelenke,  dem  linken  (S.  liK)),  frU 
)  Zur  Erklärung  der  Hemmung  im  Handgelenk  e 
iter  Anhaltspunkt  in  dem  Auftreten  eines  Wulstes,  wi 
lalb  des  Radius  hervorquoll.  Dieser  Wulst  fiel  alk 
ch  auf  einer  ganzen  Anzahl  der  aufgenommenen  Phot< 
tn  Figuren  zeigt  ihn  Fig.  9.  Wenn  man  die  Entstehu 
3her  aktiver  oder  passiver  Flexion  der  Hand  gegen 
e,  so  ergab  sich,  diiss  Anfangs  eine  weiche  Ansehe 
ass  diese  mit  zunehmender  Flexion  grösser  und  vor  i 
idlich  Knochenhart*.'  erlangte.  Wiederholte  Untersuch 
len  noch  Sehnen  die  Veranlassung  daron  waren,   soni 


<210) 

nte  OelenkkupKel  des  Handgelenkes  vorlag.  Ich  kann  daher  nur  annehme 
innerhalb  der  Gclenbspaltcn  der  Handwurzel  die  Synovia  vermehrt  war,  ui 
bei  den  Eiewcgongen  dicae  zwischen  den  Knochen  hervorgcprcsst  warde  ui 
Kapsel  in  Spannung  versetzte,  und  zwar  allseitig,  eo  Hags  hierdnrch  eil 
imnng  weiterer  Bewegungen  eintrat.  Die  Einschränkung  der  Excursionen  blii 
gleiche,  gleichviel  welche  Stellungen  des  Vorderarmes  gegen  den  Oberarm  g 
It  wurden. 

Fasse  ich  das  in  diesem  Abschnitt  Gesagte  zusammen,  so  ist  es  das  Folgend 
Ursachen  für  die  Vermehrung  der  Beweglichkeit  an  verschiedenen  Körpc 
cn  sind  nicht  gleichartig,  und  ebenso  wenig  sind  es  die  UrBBchen  für  die  Vc 
Icrung  der  Beweglichkeit.  PUr  Vermehrung  kommen  in  Betracht:  Steigemi 
biegenden,  Verminderung  der  antagonistischen  Muskelkräfte,  vielleicht  ani 
minderung  der  Spajmang  in  Bandapparaten  (Zwischenbandscheiben);  Vir  Vt: 
derung  der  Beweglichkeit  kommen  in  Betracht:  grössere  Unnachgicbigkeit  vi 
igonistischen  Muskeln,  ebenso  von  Bändern,  sowie  Zunahme  der  Sjrnovia. 

Vt.    Art  des  Problems;  Synergie. 

Ich  habe  in  den  vorhergehenden  Abschnitten  von  dem  Bau  und  den  Bewegung 
^lichkeiten  dieses  Körpers  dasjenige  geschildert,  was  mir  bei  meiner  VnU 
inng  aufgefallen  ist;  und  ich  habe  die  Ursachen  für  die  Abändemngen  d 
leglichkeit  mit  demjenigen  Grade  von  Sicherheit  angegeben,  welcher  sich,  w 
glaube,  durch  die  Untersuchung  am  Lebenden  erreichen  lässt.    Es  würde  si' 

der  zweite  Haupttheil  der  Untersuchung  anschliessen  müssen,  nehmlich  d 
lyse  der  Leistungen,  welche  in  den  einzelnen,  besonders  bemerkenswerthi 
lungen  enthalten  sind.  Dazu  müssten  zunächst  die  Lagen  der  Knochen,  d 
en  und  Längen  der  Muskeln  festgestellt  werden,  um  die  Grundlagen  für  ei 
cchnung  zu  gewinnen.  Indessen  diese  Untersacbang  würde  weit  mehr  Z< 
nspruchen,  als  sie  mir  zur  Verfügung  stand,  und  ich  muss  dafanr  vor  dies 
gäbe  Halt  machen.  Ich  könnte  also  meine  Mittheilung  hier  abschliessen.  I 
aen  will  ich  doch  zum  Schlüsse  die  Bedeutung  der  Untersuchung  derartig 
isten  hervorheben,  —  die  Bedeutung,  welche  wenigstens  ich  solchen  Untcrsuchn 

beilege.  Dies  ausdrücklieh  zu  thun,  ist  wohl  nicht  überflüssig,  denn  im  A 
leinen  acheinen  nicht  nur  von  Laien  und  Aerzten,  sondern  auch  von  Anatom' 
,  Physiologen  die  Leistungen  der  Artisten  wesentlich  als  Cnriositäten  angeseh 

werden.  Ich  betrachte  sie  in  einem  geiadeswegs  entgegengesetzten  Sinn 
stungen,  zu  denen  der  Körper  mit  so  viel  Ausdauer  und  Conseqnenz  dur 
re  hindurch  erzogen  ist,  denen  so  viel  Uebericgung  und  feine  Empfindung 
inde  liegt,  wie  das  bei  den  besseren  Artisten  der  Fall  ist,  stellen  ein  klassisch 
terial  vor  für  denjenigen,  welcher  den  Bewegungsapparat  kennen  lernen  w: 
weder  ist  der  Bau  des  Körpers  verändert  unter  dem  Einfluas  der  Uebung,  da 
len  wir  vortreffliche  Beispiele  der  „funktionellen  Anpassung"  vor  uns;  oder 
nicht  verändert  —  und  er  ist  in  der  That  viel  weniger  verändert,  uls  man  na 
n  ersten  Blick  erwarten  sollte  — ,  dann  lernen  wir  die  Leistungsfähigkeit  d 
nschiichen  Körpers  viel  besser  verstehen,  als  wir  es  durch  die  Betrachtung  c 
äglichen,  stark  eingeschränkten  Aktionen  des  gewöhnlichen  Mensehen  köuii 
1  wir  erweitem  dadurch  unsere  Auffassang.  Dies  würde  allein  genllgea,  um  i 
dinm  solcher  Probleme  erwünscht  zu  machen.  Aber  der  Nutzen  derartiger  l 
^htungen  ist  noch  ein  anderer,  so  zu  sagen  mehr  unmittelbarer,  und  di« 
rden  wir  um  so  mehr  fühlen,  je  mehr  wir  uns  gewohnen,  die  Aufgaben  ( 
wegungslehre  als  das  zu  betrachten,  was  sie  ja  natu^miiss  sind,  als  analy 


e  Aufgaben,  je  mehr  wir  an 
he  bis  jetzt,  insbesondere  in  ] 
waren,  die  annlytischc  Bch 
sse,  als  die  Genauigkeit  der  E 
nammcn  hat,  als  die  Mittel 
in,  als  die  Gewöhnung  an  anal 
haupt  gewachsen  ist,  hat  m 
ings-  and  Haltungs-Prabiemi 
in  man  diese  analyairen  vil 
ongen  der  Muskeln  einzogebei 
onen,  die  Gruppen,  von  einan( 
rcn  Fall  einige  Bemerkungen 
n  orientirenden  Werth  haben. 
Zwei  Gruppen  von  Aktionen  k 
in  Betracht:  die,  welche  de 
oratio n  dienen.  Auf  diese  e 
Respiration  immer  die  Circal 
sie  Beachtung  linden.  Ausc 
ncen  der  Bandstandstellung  hir 
nkt  werden,  weil  ron  ihnen  au 
die  Art  der  Probleme,  die  bt 
I  Körperhaltungen  in  Betracl 
illt 

ind.   —  Von   de 

benden  Handatand 

eh  die  in  Fig.  1 

„sicheren    Hand 

;r  Fig.  11  von  d€ 

,  12  von  vom  dai 

en  Handstand"  bE 

irste    ist    diejenig 

itande,  welche  to 

ihrem  Lehrer  al 

tresteste"  bezeichnet  wird;  dies 

ung   kann  ziemlich  lange  ohn 

:h  werde     eingehalten     werden 

ihr  geht  die  Ärtistio  in  ander 

ungen  ttber,   in  ihr  athmet  si 

^  und  frei,  spricht  ohne  sondei 

Anstrengung  und  wendet  ohn 

ndere    Aufforderung    den    Ro): 

lin   und   dorthin.     Die   ander 

nog  ist  dadurch  gekenn  zeich  nei 

der  Oberkörper  tief  steht,  das 

Ewischen    den    Schulterblätter! 

bgelassen    ist.       Zur    nähere 

itnisagabe  mögen  einige  Brläu 

Igen  nebst  Zahlen  dienen,  sowi 

n  Fig.  13  und  14  wiedergegebc 

Umrisszeichnungen ,      welch 


(213) 


Querschnitte  durch  den  Körper  darstellen,  mit  Hülfe  von  Bleidraht  gewonnen. 
Fig.  10  zeigt  den  Brustkorb  in  horizontaler  Lage,  Becken  und  Beine  erhoben  und 
gegen  den  Kopf  herübergelegt,  jedoch  frei  getragen;  die  Schwerlinie  geht  hinter 
der  Verbindungslinie  der  Oberarmköpfe  in  die  Höhe;  der  Kopf  ist  gegen  den 
Nacken  gehoben,  jedoch  kann  derselbe  frei  bewegt,  d.  h.  gehoben,  gesenkt,  seitlich 
bewegt,  gedreht  werden,  woraus  hervorgeht,  dass  die  von  Kopf  und  Hals  zum 
Schultergürtel  gehenden  Muskeln  (oberer  Theil  des  Cucullaris,  Stemocleidomastoi- 
deus,  Levator  scapulae)  noch  frei  verfügbar  bleiben.  Die  langen  Rückenmuskeln 
springen  als  Wülste  bis  in  den  Sehnenspiegel  der  Oucullares  hinein  vor.  Der  Ab- 
stand der  Schulterblätter  von  einander  beträgt  165  fnm,  ist  also  bedeutend  (vergl. 
die  Maasse  auf  S.  198).  In  Fig.  11  wird  der  Brustkorb  auch  horizontal  gehalten, 
wenn  auch  nicht  genau  in  der  gleichen  Stellung,  wie  in  Fig.  10,  Becken  und 
Beine  aber  sind  weit  mehr  herübergelegt,  die  Schwerlinie  dürfte  durch  die  Ver- 
bindungslinie der  Oberarmköpfe  gehen,  der  Kopf  ist  auch  hier  frei  beweglich 
(Fig.  12  zeigt  ihn  gesenkt,  damit  die  Stellung  der  Schulterblätter  sichtbar  werde). 
Die  Schulterblätter  sind  einander  genähert  bis  zur  Berührung,  und  der  Thorax  ist 
unter  dieselben  so  tief  hinabgesunken,  dass  eine  auf  die  Schulterblattgegend  auf- 
gelegt Tangente  55  mm  von  den  Domfortsätzen  absteht,  gegen  16  mm  an  der 
gleichen  Stelle  bei  gewöhnlicher  aufrechter  Stellung  (vgl.  die  Maasse  auf  S.  198)  0- 
Ich  habe  diese  beiden  Stellungen  aus  bestimmten  Gründen  der  Aufmerksam- 
keit für  werth  gehalten;  die  erste,  weil  es  die  festeste  ist,  die  zweite,  weil  bei  ihr 
der  Rumpf  am  tiefsten  steht,  weil  daher  bei  ihr,  wie  man  nach  deductiver  Be- 
trachtung glauben  sollte,  am  wenigsten  Muskelarbeit  aufgewendet  werden  muss. 
Was  bei  letzterer  geschieht,  ist  scheinbar  Folgendes:  durch  den  Druck  der  auf- 
gestemmten Arme  werden  die  Schulterblätter  nach  oben  (hinten)  gedrängt,  und  da 
die  Schlüsselbeine  in  den  Articulationes  stemoclaviculares  mit  dem  Rumpfe  zu- 
sammenhängen, so  werden  die  Schulterblätter  gegen  die  Mitte  des  Rückens  zu- 
sammengedrängt; der  Thorax  hängt  nun  in  den  Mm.  serrati  magni,  „wie  in  einem 


1)  Bei  der  Betrachtung  der  in  Fig.  18  u.  14  wiedergegebenen  Kurven  möge  Folgendes 
berücksichtigt  werden.  Es  wurden  2  Stücke  Bleidraht  angelegt,  ein  vorderes  (unteres)  und 
ein  hinteres  (oberes).  Vor  dem  Anlegen  behufs  Gewinnung  der  Fig.  13  war  sowohl  die 
IJnie  auf  die  Haut  gezeichnet,  als  vier  Marken,  letztere  die  ^Mittellinie*'  des  Rückens, 
die  Mitte  des  Brustbeins,  die  medialen  Schulterblätterränder  bezeichnend;  diese  4  Marken 
wurden  dann  an  dem  Bleidraht  bemerkt  Die  Linie  schneidet  das  Brustbein  75  mm  unter- 
halb seines  oberen  Randes,  die  Wirbelsäule  am  Domfortsatze  des  VIII.  Brustwirbels,  sie 
geht  durch  die  Aiillarlinie  dicht  am  Ansätze  des  Armes  und  über  die  Schulterblätter  nahe 
den  unteren  Winkeln.  Vom  erfährt  sie  einen  Auftrag  durch  die  Brüste,  hinten  prägt  sich 
die  Skoliose  aus,  das  Schulterblatt  macht  sich  nur  durch  seinen  medialen  Rand  bemerkbar, 
der  Rand  des  Pectoralis,  sowie  der  des  Latissimus,  fallen  nicht  auf.  Die  leichten  Asymme- 
trien von  rechts  und  links  dürfen  für  Schlüsse  nicht  verwerthct  werden,  da  bei  der  un- 
sicheren Haltung  ein  festes  Andrücken  des  Bleidraht«s  nicht  gestattet  war. 

Die  Fig.  14  (tiefer  Handstand)  darf  auf  Einzelheiten  nicht  betrachtet  werden,  denn 
obwohl  sich  bei  der  Abnahme  derselben  4  geschickte  Personen  in  die  Hände  arbeiteten, 
so  kann  doch  bei  einer  so  unsicheren  Stellung  absolute  Genauigkeit  nicht  erreicht  werden. 
Leider  hat  die  Kurve  keine  Marke  erhalten,  um  die  Lage  der  Domfortsätze  zu  bestimmen, 
und  die  Höhe  des  vorderen  Schnittpunktes  wurde  nicht  festgestellt;  eine  Wiederholung, 
die  diesen  Mängeln  abhelfen  sollte,  missrieth.  Man  betrachte  nur  den  hinteren  Theil  der 
Kurve,  um  den  Tiefstand  der  Wirbelsäule  zu  ermessen :  doch  entspricht  die  Stellung  nicht 
genau  der  von  Fig.  11  und  12.  Auch  hier  haben  die  Mammae  eine  Auftragung  bedingt. 
Bei  der  Benrtheilnng  sei  noch  berücksichti^rt,  dass  Fig.  14  nicht  von  der  gleichen  Ebene 
gewonnen  ist,  wie  Fig.  18. 


(211) 

die  VcrhHltnisse  der  vorderen  Extremitäten  ron  Vierfi 
nischc  Diagnostik  der  äusaeren  Krankheiten  der  Baosi 
».1).  Die  Errahrung  zeigt  jedoch,  daas  diese  ansch« 
am  den  Ansdruck  der  herrschenden  Richlnng  zu  gebm 
iing  von  der  Artistin  nicht,  wenigstens  bei  dem  ^ 
r  Anabildnng  nicht  als  die  sicherste  nnd  leichteste 
n  die  andere,  bei  welcher  die  Schulterblätter  weiter  roi 
rax  nicht  so  tief  gesunken  ist,  alle  Maskeln  in  einem  hc 
enommen  sind.  Aehnliche  Unterschiede  zwischen  dem 
le  Haltungen  sind,  and  was  uns  die  dcdnctive  Richtui 
mal"  unfredcn  möchte,  ßnden  sich  bei  allen  Stellungen, 
:ewöhnltchün  imfrechten  Stellung.  Dumit  will  ich  nfil 
n  das,   was  hier  am  Handstande  gefunden  wird,   unreri 

Stehen  Übertragen  kann,  sondern  ich  will  Folgendes  i 
rpers,  bezw.  eine  Lage  von  Körperthellcn  zu  einander 
rieler  Einflüsse,  von  denen  das  Bestreben,  an  Arbeit  ii 

Lage  direkt  nnterstellt  ist,  zu  sparen,  nur  einer  isl 
igslehre  aber  ist  es,  alle  diese  Einflüsse  zu  bemessen 
mg  eines  so  complicirtcn  Verhältnisses  schwierig  ist,  n 
zu  Tage  liegt,  welche  Arten  von  Faktoren  in  der  Gesi 
ist  es  vorerst  nlltzlich  und  gerathen,  möglichst  viel 
tige  Probleme  zu  prüfen,  denn  es  wird  sieh  wohl  z 
irt  der  andere  Einfluss  deutlicher  zu  Tage  tritt,  so  dasi 
isen  lernt.  In  unserem  Falle  nun  möchte  man  an  Ver 
,  dass  beim  „tiefen  Handstande"  durch  das  Znsammcndi 
c  Haut  hinten  gedrückt,  über  der  Brust  aber  gedehnt 
D  und  selbst  sehmerahafte  Sensationen  entstehen,  v 
cement  eingreifen,  da  dieses  ja  an  die  feinen  BmpBnd 
j,    dass  gewisse  Spannungen  in  Uuskeln,    bezw.  Sehnec 

das  (unbewusste)  Urtheil   Ober   die  Lage   der  Theile 

gewisse  Muskeln  (Rhoroboides,  Oucntlaris}  in  tingünstif 
werden,  welche  bei  der  anderen  („sicheren")  Haltan) 
werden  können.  Eine  sichere  Entscheidung  wird  si 
lassen;  jedesfalls  aber  mnss  man  die  Aeusserung  des  ^ 
htigen,  dass  eine  Einübung  der  in  Fig.  11  u.  12  dargesi 
-wUnscht  sei,  weil  dadurch  eine  Nachgiebigkeit  der  Mi 
:,    welche   fUr  die  Festigkeil  und  Sicherheit  des  Haudsl 

und  Respiration,  a)  Circulation.  —  Die  Circv 
em  Falle  in  drei  Hinsichten  anter  ungünstigen  Bedingn 
starken  Dehnungen  und  Drehungen  Bindemisse  für  die 

gesetzt;  2)  wird  bei  den  Stellangen,  bei  denen  die 
opf  nach  unten  gerichtet  ist,  die  Noth wendigkeit  gescl 
ilicher  Weise  der  Schwere  entgegen  zu  heben;  3)  wird 

freien  Athmung  der  RückOuss  des  Blutes  in  die  Brust 
le  daher  wohl  daran  denken,  dass  hier  dauernde  8tdr 
rzcn  sich  eine  Arbeitshypertrophie  geltend  macht  Die 
horax  in  der  Herzgegend  (S.  19-1)  lüast  auch  danin  dt 
he  Untersuchung  (Hr.  Ooldseheider)  nichts  Aofftülig 
erdings  bei  gewissen  Stellungen  eine  starke  Zyanose  d( 


(21 

ts  auftreten,  doch  schwindet  diese  ! 
QDg,  und  sie  tritt  überhaupt  auch  bei 
wofern  nur  die  Athmnng  frei  ron  St 
b)  Respiration.  —  Anch  hier  hai 
lung  (Hr.  Ooldscheider)  nichts  tq 
piration  ist  aber  nicht  nur  von  die. 
resse,  sondern  es  ist  auch  —  und  d 
Hauptinteresse  —  von  Bcdenta 
iratorischcn  Bewegungen  innerhalb  de 
ehmen.  Es  wnixlc  so  eben  duniuf  hii 
die  Circnlation  ist,  dass  die  Kcspira' 
aber  auch  mit  der  üenunum;  der  Atb 
ser  Nutzen  verbunden.  Schon  wenn 
eist  der  Schultern  oder  Hände  auf  dii 
Stellung  des  Thorax  in  Inspirations 
stischc  Anatomie  S.  137)  mit  Recht 
per  auf  den  Armen  ruht  und  vom  T 
egt  werden.  Hier  muss  sich  das  Bea 
rax  in  eine  feste  Combination  und  d 
nehr  geltend  machen,  da  ja  das  Skc 
et  raht  (in  der  Articulatio  sternoci.), 
piration  zu  Oute  kommen  könnten, 
^n  Körpers  in  Dienst  gestellt  sind. 
läast  sich  a  priori  annehmen  und  win 
rseits  der  Lehrer  (der  Vater)  beständi 
assen,  well  nur  dann  die  Hundstellung 
irerseits  zeigt  sich  aber  auch  und  tril 
bei  freiem  Atbmen  Schwankungen 
leidlich  sind;  und  die  Artiatin,  die  dai 
kigraphiren  für  kurze  Zeit  den  Athen 
Stellung  des  Thorax  und  die  freie  . 
jedes  doch  in  seiner  Weise  vorthc 
^be  so,  dass  ein  Compromiss  gesi 
ih  Erfahrung,  Uebung,  Ueberlegung 
e  Combination  verwandeln  und  wai 
b;  oder  —  noch  richtiger  ausgedrül 
I  Combination  herstellen  oder  sie  losi 
-Schaft  über  den  Bewegungs-Apparat 
er  Artistin  möglich  ist,  ihre  Ahtionei 
ufuhren,  also  über  einem  in  steter  G 
re  Rumpfhälfte,  Beine  und  Kopf  zu 
ide  Aktionen  voraussetzt,  sei  es  in 
llen.  Von  dieser  Betrachtung  aus  r 
n  Bewegungen  ihren  Platz  innerhalt 
äisen,  aber  diese  Präge  ist  freilich  t 
die  Passung  des  Problems  beschränki 
Abweichungen  der  Respirations-Orgi 
ichc  Untersuchung  (Hr.  Goldscheii 
ung  verändern  sich  die  perkutorische] 
bei    extremer  Bogenstellung,    v..  B.  im 


(216) 

i  zu  urwarten.  Eine  regelmüaai^  and  ausgiebig«  inspiratorische  ui 
rische  bewnsste  Erweiterung  und  Verengerung  bringt  die  Artistin  trota 
en  Herrschaft  über  den  Bewcgangsap parat  nicht  zn  Stande-  Endlii 
wähnt,  dass  bei  Bogenstellung  auf  Händen  und  FUssen,  wobei  eine  ei 
ing  der  unteren  Bippen  und  passive  Spannung  der  zwischen  ihnen  g 
rischenrippenmuskeln  stattfindet,  in  den  Intorcoslalräumen  die  Verachi 
ngengrenzen  deutlich  sichtbar  wird.  Nachdem  durch  Striche  die 
itorische)  und  obere  (esspira torische)  Grenze  bezeichnet  war,  ei^t 
ibzühlen,  dass  in  der  Axillarlinic  die  untere  Grenze  etwas  unterhu' 
Randes  der  X.  Rippe  und  die  obere  Grenze  in  der  Mitte  der  VIII. 
lie  Perkussion  bestätigte  völlig  den  Befund  der  Inspektion- 
Balancement.  —  Die  auf  Glcichgewichterhaltang  gerichteten  Ak 
bei  den  Betrachtungen  Über  Haltungen  und  Stellungen  in  der  Kegel 
Blassen.  Es  ist  das  z.  ß.  der  Fall  bei  den  Lehren  der  Brüder  Webe 
von  E.  V.  Meyer  Über  die  aurrecbte  Stellung.  Ed.  und  W.  Weber  s 
leduktiv)  die  Theile  des  Körpers  so  über  einiuider  auf,  dass  immer 
gleich  viel  von  dem  Gewicht  jedes  Rörperabschnittes  vor  und  hinl 
linie  fiel,  so  dass  der  Körper  mit  einem  Minimum  von  Muskelarbeit  ai 
konnte.  Gegen  diese  Betrachtung  kann  eingewendet  werden  (Meyer) 
seste  Bewegung,  ja  die  Circulation  und  Respiration  genügen  würdet 
'  labil  aufgestellte  Combination  zu  Falle  zu  bringen.  Meyer  legte  des 
teres  Princip  seiner  Deduktion  zu  Grunde;  er  onentirte  nehmlich  die  K 
Icr  Schwerlinie  gegenüber  so,  dass  möglichst  an  allen  Bandappuraten, 
die  übereinanderliegenden  SkeletstUcke  verbunden  sind,  Spannungei 
mussteu,  durch  welche  je  zwei  benachbarte  Abschnitte  unler  einan< 
tfsten  Combination  verbunden  wurden.  Obwohl  das  Weber'sche  P 
türliche  Grundlage  darstellt,  auf  welche  jede  mechanische  Betrachtt 
Linie  bezogen  werden  mnss,  und  obwohl  in  dem  Meyer'schen  Princ 
['heil  von  Realität  steckt,  so  können  wir  doch,  wenn  wir  zu  völlig 
itung  durchdringen  wollen,  weder  das  eine,  noch  das  andere  Princi 
en  Grundlage  unserer  Betrachtungen  machen,  sondern  wir  müssen 
dass  die  wirklichen  Stellungen  and  Haltungen  durch  eine  Reihe  voi 
bestimmt  sind,  die  wir  in  ihrer  Tragweite  allmählich  wollen  vcn 
Wenn  wir  nnter  diesen  Einflüssen  ßir  einen  Augenblick  das  Ualanc 
greifen,  und  danach  die  zur  Beobachtung  gelangenden  Stellungen  ordm 
wir  eine  Reihe  erhalten,  an  deren  einem  Ende  diejenigen  Stellnngei 
bei  denen  in  Beziehung  auf  Balanccmcnt  viel  gefordert  wird.  Ich 
bei  früherer  Gelegenheit  die  militärische  Stellung  als  eine  solche  na 
t,  welche  unter  dem  angegebenen  Gesichtspunkte  unsere  volle  Aufraer 
rdient;  die  militärische  Stellung  ist  nicht  nnter  diesem  Gesichtspunkte 
achten,  aber  er  ist  einer  der  interessantesten.  Am  anderen  Ende  der 
(vir  dagegen  diejenigen  Stellungen,  bei  denen  die  Aufgabe  des  Balan 
lissmässig  zurllcktritt,  z.  B.  dadurch,  dass  die  Unterst ützongsflächc 
,  ist,  wie  beim  brettbeinigen  Stehen,  oder  dadurch,  dass  durch  Spai 
adem  odtr  bindegewebigen  Theilen  feste  Combinationen  erzeugt  w< 
der  hängenden  Stellung,  oder  dadurch,  dass  durch  gleichzeitige  Ansf»! 
istischer  Muskeln  relativ  feste  Combinationen  hergestellt  werden,  —  ei 
mkt,  der  hei  der  Beurtheilung  der  militärischen  Stellang  neben  dem 
bcnen  Beachtung  vordient.  Zwischen  diesen  beiden  Enden  der  Reihe  o 
nn  die  übrigen  Stellungen. 


Von  well 
dieoenden  Ak 
sondere  Mu8k< 
za  tban  hätte 
69  sind  diese! 
nnd  selbst  w 
liebi^en  Ange 
welcher  Bracl 
ist  so  schwiej 
wir  ons  vorst 
wir  auch  da 
wohl  kanm  a 
die  behufs  de 
Gleichgewichl 
artige  Fälle  b 
sich  Bchärrere 
möchte  ich  at 
ihn  mittheile 
BeobachtnngE 

Für  nnsi 
der  Arttstin  i 
Oberrampf  u 
rümpf  nebst 
Theile;  im  1 
Betracht,  und 
lerin  aeitwärl 
»ach  vorn  gel 
Bild  zD  gebei 
Aktionen  woh 
Ter  wendet  nai 
in  entspreche 
„Saale"  bezei 
gegeben,  dase 
anch  der  ObE 
selnd  vor  onc 
Und  endlich 
nommen,  dei 
bemerkte,  so 
oA  hervor, 
noch  ganz  l: 
diejenige  Hai 
flacher  Unterl 
knickt,  dass 
Winkel  bildei 
zweiten  nnd 
werden  dadu 
Stützes  gewii 
wie  mit  der 
auf  welcher 
abgehoben  isl 


(218) 

Itzungsfläche  liegen,  und  zwar  dadurch,  daaa  die  Hände  nar  big  za  90°  dorsal 
irts  flectirt  werden  können  (S.  204),  duas  ulso,  wenn  diese  Stellung  erreicht  wirt 
e  Hand  mit  dem  Vorderarm  eine  feste  Combination  eingeht.  Es  bleibt,  sowei 
lotographien  und  Beobachtung  schliessen  lassen,  eine  gewisse  Freiheit  der  Bc 
•gungen  in  den  Articulstiones  interphntangeae  primae  und  Articulationes  mett 
rpo-phalangeae  übrig,  und  diese  kann,  wie  icb  glaube  behaupten  zu  könnet 
ch  noch  für  Aas  Balanccment  verwendet  werden.  Fügen  wir  dasjenige  bei,  wa 
;h  bei  den  Stellungen  auf  den  Füssen  beobachten  Hess,  also  bei  Stellungen,  wi 
!  in  den  Figuren  5,  ü,  7  und  S  dai^estellt  sind,  so  wurden  dabei  balancirend 
iwegungen  bemerkbar,  bei  denen  sich  die  Unterschenkel  in  den  Fussgelenko: 
gen  die  Füsse  bewegten ;  d.  h.  der  ganze  Körper  von  den  Fussgelonkcn  an  anl 
trts  war  in  eine  feste  Combination  verwandelt,  und  konnte  also  nur  an  diese 
len  Stelle  balancirt  werden. 

Aus  dem  Gesagten  möchte  ich  zwei  Satze  ableiten  und  als  Gesichtspunkte  fü 
!  Beobachtung  empfehlen:  zum  Balancemcnt,  d.  h.  zar  Herstellung  des  gestörten 
zw.  des  bedrohten  Gleichgewichtes  werden  erstens  Körpertheile  verwendet,  di' 
igUchst  weit  von  der  Schwerlinic  entfernt  sind;  zweitens  Körpertheile,  die  nicb 
dem  gegebenen  Augenblick  in  festen  Gombinationen  oder  durch  bestimmte  Auf 
ben  in  Anspruch  genommen  sind. 

VII.  Scblussbemerkong. 
Wenn  ich  natürlich  im  Vontusgeh enden  die  wisscnschafllicbe  Analyse  ver 
gt  habe,  so  will  ich  doch  hier  anch  mit  einigen  Warten  den  Standpunkt  dei 
tistcn  kennzeichnen.  bHlr  die  wissenschaftliche  Analyse  Hegt  natürlich  d»s  Inter 
te  ganz  oder  doch  zum  grossen  Theilc  wo  andere,  wie  für  das  unterhaltungs 
dürftige  Publikum  und  auch  für  den  Artisten  selbst,  der  ja  dem  BedUjfniss  dei 
blikums  Rechnung  tragen  muss.  FUr  das  Publikum  kommt  es  darauf  an,  ctwai 
Ige  wohnlich  es,  etwas  Uebcrraschendes  zu  sehen,  und  dem  kommt  der  Artist  ent 
^n,  indem  er  etwas  noch  nicht  Dagewesenes,  etwas  womöglich  „Unglaubliches' 
ngt.  Hier  ist  das  Ungewöbnlichc  die  Ausbildung  auf  den  Handatand,  die  Ge 
hnung,  auf  den  Händen  zu  stehen  und  zu  gehen.  Das  ist  nun  noch  nichts  Un 
wohnliches,  denn  zahlreiche  Kinder  sind  darin  geübt  und  zahlreiche  gute  Turaei 
nnen  auf  den  Händen  gehen  und  stehen.  Aber  es  wird  in  demselben  Huassi 
etwas  Ungewöhnlichem,  als  erstens  die  Dauer  eine  ungewöhnliche  isl,  um 
eitens  die  Mann  ich  faltigkeit  der  Bewegungen  sich  steigert;  wenn  zu  dem  Gcbci 
d  Stehen  auf  den  Händen  sich  Laufen,  Springen,  Steigen,  Tanzen  hinzugesellt 
d  wenn  vor  allem  ein  bedeutender  Wechsel  in  der  Rumpfhaltung  schnell  unc 
her  vorgeführt  werden  kann.  Es  kann  dann  eine  Illusion  bei  dem  Publikun 
:eugt  werden,  als  seien  diese  Arme  Beine;  und  nichts  kann  wirksamer  den  Eiu' 
ick  des  Ueberrasch enden  hervorrufen,  als  diese  Illusion.  In  unserem  Falle  ent- 
ht  sie  thatsächlich,  namentlich  bei  den  Tanzbewegungen,  also  bei  Aktionen,  «< 
jenUber  der  Schnelligkeit  der  Aktionen  und  der  Aenderung  der  Stellungen  dei 
bewusst    analysirende  Blick    die  Herrschaft    über  die  Vorg^inge  verlier!     Durcti 

■  Verdickung  der  Vorderarme  über  den  Handgelenken  (S.  ISO)  und  den  bei 
>rsalllection  der  Hand  auftrelenden  Wulst  (S.  209)  wird  der  Eindi-uck  zwer^hollei 
inchen  vermehrt,   und  Beschauer  äusserten  sich,   dass  während  des  Haniltanzet 

■  Arme  der  Artistin  halb  verkümmerten  menschlichen  Beinen,  halb  den  Beiner 
)  Schwimmvögeln  ähnlich  sähen.  Das  Entgegengesetzte  trafen  wir  hei  ilem 
sskünstler  Unthan,  dessen  Füsse  bei  gewissen  Aktionen,  namentlich  Iwini 
ilonblasen.    die  Illusion    von  Hunden    erweckten.     Es    ist  schwer  zu  sagen,    um 


11' 


(219) 

welchen  Quellen  diese  Illasionen  stammen,  nehmlich  wie  weit  diese  Arme  der 
Ellgenie  Petrescu  und  diese  Ftisse  des  Unthan  eine  Aehnlichkeit  in  der  Aktion 
angenommen  haben  mit  den  Extremitäten,  deren  Rechte  sie  sich  angemaasst  haben ; 
and  wie  weit  der  Beschauer  unbewusst  solche  Füsse,  welche  längere  Zeit  vor 
seinen  Augen  feine  Thätigkeiten  austlben,  wie  Karten  mischen,  Piston  handhaben, 
Violine  spielen,  schliesslich  für  Hände,  wie  weit  er  Arme,  welche  vor  ihm  springen 
und  tanzen,  für  Beine  nimmt.  Jcdesfalls  wird  die  Illusion  erst  nach  einiger  Zeit 
vollkommen. 

(20)  Hr.  Paul  Ehrenreich  legt  eine  indianische  Kriegskeule  von  vor- 
trefflicher Arbeit  vor.  Sie  wurde  von  Dr.  Leite  Moraes  in  Salb  Paulo,  der  als 
Präsident  von  Goyaz  im  Jahre  1882  die  Reise  auf  dem  Arajuaza  nach  Para  unter- 
nahm, von  dem  Caraya-Häuptling  Ambura  (IV,  Dorf  der  Sambioa)  erworben  und 
nebst  einem  kleineren  ähnlichen  Exemplar  dem  Ref.  in  Austausch  gegen  Photo- 
graphien von  Landschafts-  und  Völkertypen  jener  Gegenden  überlassen.  Es  dürften 
auf  ähnliche  Weise  sich  noch  manche  werth volle  Stücke  aus  Privatsammlungen 
erwerben  lassen. 

Die  Reule  ist  flach,  schau felförmig,  1,65  m  lang,  aus  hartem  Tecomaholz. 
Die  Handhabe,  von  deren  Knauf  zwei  schwarze  mit  Schneckenschalen  verzierte 
Quasten  herabhängen,  ist  mit  zierlichem  Flechtwerk  im  Rautenmuster  umhüllt 
Das  nach  unten  sich  verbreiternde,  vierseitig  prismatische  Blatt  mit  scharfen 
Kanten  läuft  in  eine  lanzettförmige  Spitze  aus. 

Referent  fand  auf  seiner  Reise  bei  den  Caraya  nur  stabförmige  Keulen  im 
Gebrauch,  während  früher  die  flachen  Formen  häufiger  gewesen  zu  sein  scheinen. 
Eine  um  so  werthvollere  Erscheinung  jener  Sammlung  liefern  daher  die  beiden 
von  Dr.  Leite  Moraes  gütigst  zur  Verfügung  gestellten  Stücke. 

(21)  Hr.  Olshausen  spricht  über 

Radsporen  auf  Siegeln,  im  Grabe  Bemharts  von  Italien  und  auf  einem 

Relief  am  Dom  zu  Alonza. 

Hr.  V.  Hey  den  hatte  die  Güte,  mir  in  Veranlassung  meiner  Arbeit  über  den 
Rciterspom  einige  Bemerkungen  über  das  erste  Auttreten  des  Spornrades  zu- 
gehen zu  lassen.  Auf  die  Autorität  des  Hm.  Blell  hin  gab  ich  in  diesen  Ver- 
handlungen 1890,  S.  185  an,  dass  die  Einführung  desselben  gegen  die  Mitte  des 
13.  Jahrh.  fiel,  nachdem  ich  mich  überzeugt  hatte,  dass  diese  Angabe  ungefähr 
richtig  sein  müsse.  Hr.  v.  Hey  den  aber  konnte  mir  nachweisen,  dass  wenigstens 
in  Frankreich  bereits  auf  einer  bildlichen  Darstellung  vom  Jahre  1211  der  Rad- 
sporn erscheint,  nämlich  auf  dem  Siegel  des  Jean  de  Boury.  Andere  Siegel  von 
1225,  1228,  1237,  1246  u.  s.  w.  zeigen  das  Geräth  ebenfalls  (G.  Demay,  Le 
costume  au  moyen  äge  d'apres  les  sceaux,  Paris  1880,  p.  145  ff.).  Man  wird  hier- 
nach die  erste  Einführung  des  Radsporns  etwa  bis  1200  hinaufrücken  müssen. 
Allerdings  lässt  sich  gegen  die  Beweiskraft  der  Siegel  im  Allgemeinen  einwenden, 
dass  so  kleine  Einzelheiten  auf  denselben  meist  nicht  gut  zum  Ausdruck  kommen; 
aber  diese  Schwierigkeit  war  Demay  natürlich  wohl  bekannt  (p.  146)  und  er 
führte  unter  den  Radsporen  nur  solche  als  Beläge  an,  bei  denen  das  Rad  sehr 
gross  und  also  deutlich  war,  und  das  trifft  namentlich  auch  für  jenes  Siegel  von 
1211  (Fig.  140)  zu.  Auch  scheint  es  sich  hier  wirklich  um  ein  Siegel,  das  ver- 
muthlich  durch  die  Urkunde,  der  es  beigefügt,  datirbar  ist,  nicht  um  den  Stempel 
zu  handeln.    Stempel    allerdings   könnten   später  nachgeschnitten   und  dabei  ver- 


f'l 


(220) 

ändert  (moUernisirt)  sein;  aber  Deniay  unterscheidet  scharr  zwischen  den  Sicffelo 
(sceaux)  und  den  Stempeln  (matrices),  ao  Husa  hier  nicht  wohl  ein  Zweifel  be- 
stehen kann.  (Die  Bedenken,  welche  Zschille  und  Forrer  in  ihrem  inzwischen 
erschienenen  Werke  „Der  Sporn",  Berlin  Ia91,  S.  13  1  Sole  1  gegen  die  Beweis- 
kraft der  Siegel  geltend  miichen,  knnn  ich  in  dieser  Allgenieinbcit  nicht  theilen  ) 

Dagegen  waren  mir  zwei  weitere  Angaben,  nach  denen  der  Radspom  schon 
um  4,  ja  sogar  um  ti  Jahrhunderte  früher  bekannt  gewesen  sein  sollte,  von  vornherein 
ganz  unglaublich.  Der  erste  Fall  betrifft  nach  W.  Böheim,  Waffenkunde,  Leipzig 
139U,  S.  224  ein  Paar  Sporen  aus  dem  iingeblichen  Grabe  Bernhurts,  Kiinig}. 
von  Itfdien,  f  818  (nicht  811).  Dieser,  der  Sohn  Pippins  (Karlmanns)  und  Knkel 
Karls  des  Grossen,  war  an  einer  Verschwörung  gegen  Kaiser  Ludwig  den  Frommen 
beiheiligt,  wurde  gefangen  genommen,  in  Aachen  geblendet  und  sturb  einige  Tage 
darauf.  Die  Leiche  scheint  nach  Mailand  gebracht  zu  sein.  ~  Böheim  entnahm, 
wie  eine  Aufrage  Hrn.  v.  Heydens  feststellte,  die  Nachricht  über  die  Sporen 
V.  Gay's  Gloasaire  arcbeologiquc  da  moyen  äge  et  de  la  renaissance,  Tome  1. 
Paris  1887,  Artikel  eperon,  und  dieser  wiederum  berief  sich  auf  J.  Quicheral, 
Histoire  du  costume  cn  France,  Paris  1875,  p.  Ilü.  Die  letzte  Qnellc  für  den 
liericht  aber  ist  J.  P.  Puricelli,  Ambrosianac  Mediolani  Basilicae  nc  Monasterii 
Monumenta,  I,  Mediolani  164.'),  p.  62  IT.  —  Puricelli  wohnte  1(i38  (nicht  39)  der 
Eröffnung  des  dem  Bembart  zugeschriebenen  Grabes  bei  und  beschreibt  p.  71 
genau  die  aus  vergoldetem  Kupfer  gefertigten,  mit  kleinem,  durch  4  sehr  kurze 
Stacheln  geschärftem  Bade  versehenen  Sporen,  sowie  deren  Rtemcnwcrk.  Allein 
das  fragliche  Grab  ist  entweder  nicht  das  des  Königs 'Bernhart  oder 
enthielt  die  Ausstattung  desselben  nicht  mehr  im  ucsprünglichen  Zu- 
stande. Zwar  ist  ein  marmorner  Grabstein  zu  St.  Ambro siua  durch  eine  Inschrift 
als  derjenige  des  Königs  bezeichnet;  aber  die  Inschrift  enthalt  eine  Unrichtigkeil 
im  Datum  und  wird  deshalb  von  Einigen  als  unücht  angesehen,  während  Andere 
freilich  sie  nichtsdeslt weniger  für  üchl  halten  und  nur  einen  FlUchtigkeilsfehler 
annehmen.  (Vgl.  B.  Simson,  Jahrbücher  des  fränkischen  Reiches  unter  Lndwig 
dem  Frommen,  I,  Leipzig  1874,  8.  125,  Note  6;  B.  Mulfntli,  Bcmardo  Re  d'Italia. 
Firenze  1876,  p.  47;  auf  beide  Werke  wies  Hr.  Prof.  Wattenbach  mich  gütigst 
hin.)  Aber  selbst  wenn  die  Inschrin  nicht  zu  beanstanden  wäre,  roüsste  mindestens 
ein  Theil  der  Ausstatlnng  des  Grabes  dennoch  als  jünger  gellen.  Jener  Stein  kam 
zuerst  bei  baulichen  Veränderungen  des  Klosteii  im  Jahre  149b  wieder  zum  Vor- 
schein, ohne  duss  indess  auch  von  der  gleichzeitigen  Wiederaufllnitung  des  Grabes 
berichtet  wird.  Erst  1638  öffnete  man  einen  murmornen  Sarkophag,  den  man  zu 
der  vorhandenen  Grabplatte  in  Beziehung  brachte.  Man  fand  in  ihm  einen  Soi^ 
aus  starken  Eichcnplanken,  mit  Nägeln  zusammengezimmert  und  mit  Pech  ge- 
dichtet, aber  in  demselben  zwei  Leichen,  die  eines  Fürsten  und  die  eines  Bischofs. 
Letzteren  hielt  Puricelli  für  den  Ei-zbischof  Anselm,  Freund  und  Mit  verschwore- 
nen des  Königs,  der  mit  Absetzung  und  Einsperrang  ins  Kloster  bestraft  wurde 
und  zu  St.  Ambrosius  beigesetzt  zusein  scheint.  Puricelli  behauptet,  dass  uuter 
den  Mönchen  ein  dunkles  Gerücht  verbreitet  gewesen  sei.  wonach  der  Erzbischof 
mit  dem  Könige  in  demselben  Grabe  ruhe;  eine  andere  Grab^itätte  desselben  ist 
auch  nicht  bekannt.  Aber  schon  G.  Giulini  erhob  in  Memorie  di  Milano,  I, 
Milano  1760,  p.  121  IT.  mehrere  Einwendungen  gegen  die  Zuverliissigkcit  des  Grab- 
fundes. Die  Milra,  mit  welcher  das  Haupt  des  Bischofs  bedeckt  war,  passt  nicht  in 
das  9.  Jahrb..  sondern  ist  jünger  (vgl.  die  Wiedergabe  des  nach  Eröffnung  des  Grabes 
von  den  Mönchen  gemalten  Bildes,  zu  p.  I2:i;.  Es  ist  ferner  der  Grabstein,  welcher 
als  Deckel   des  Sarkophags   diente,   nicht  au.«  dem  gleichen  Material  wie  letzterer 


(221) 


selbst  gefertigt  und  passt  auch  seiner  Grösse  nach  nicht  genau  dazu,  ist  etwas  zu 
klein.  Endlich  trägt  der  Sarkophag  das  Wappen  einer  Familie,  der  besonders 
mehrere  Aebte  des  14.  Jahrh.  entstammen.  (All  dies  ausführlich  auch  bei  Mal- 
fatti.)  Dass  femer  die  Kleidung  des  Königs  eine  ungewöhnliche  war,  fiel 
Quicherat  wohl  auf,  doch  legte  er  kein  Gewicht  darauf.  —  Nach  alle  dem  aber 
erscheint  das  Grab  im  höchsten  Grade  verdächtig  und  die  Radsporen  sind  uns  ein 
neuer  Beweis  ftlr  eine  spätere  Veränderung  seines  Inhaltes,  wofern  es  sich  hier 
überhaupt  um  die  Leiche  des  Königs  Bernhart  handelt.  (Zschille  und  Forrer 
haben  seit  meinem  Vortrage  ähnliche  Ansichten  geäussert,  a.  a.  0.  S.  12 — 13.)  — 

Der  zweite  Fall,  nach  welchem  der  Radsporn  schon  um  600,  oder  wenigstens 
im  7.  Jahrh.  in  Oberitalien  bekannt  gewesen  wäre,  betrifft  ein  Basrelief  über 
dem  Haupteingange  des  Domes  zu  Monza.  Diese  Kirche  (S.  Giovanni  in 
fönte)  wurde  zuerst  von  der  langobardischen  Königin  Theo  delinde  590  begonnen 
und  595  vollendet.  Nach  Mothes,  Die  Baukunst  des  Mittelalters  in  Italien,  Bd.  1, 
Jena  1884,  8.234  wäre  sie  dann  im  9.  Jahrh.  verändert,  nach  1311  von  Matteo 
Visconti  bedeutend  vergrössert  (vgl.  S.  485)  und  zu  Ende  des  14.  Jahrh.  an  der 
Fa<^e  mit  Marmor  bekleidet.  Eine  von  G.  Cordero  de  S.  Quintino,  DelV 
italiana  architettura  durante  la  dominazione  longobarda,  Brescia  1829,  p.  198  be- 
hauptete (erste)  an  den  Capitälen  noch  erkennbare  Veränderung  im  11.  oder 
12.  Jahrh.  wäre  nach  Mothes  „ohne  Beleg",  doch  nimmt  auch  R.  Cattaneo, 
L^architettura  in  Italia  dal  secolo  VI  ad  mille  circa,  Venezia  1888,  p.  44 — 46,  wegen 
des  Styls  der  Capitäle  einen  vollständigen  Neubau  im  12.  Jahrh.  an.  —  Nach  einer 
weit  verbreiteten,  aber  meist  nicht  näher  begründeten  Ansicht  soll  nun  jenes  Relief 
ans  dem  ersten  Bau  in  den  jetzt  noch  vorhandenen  übernommen  sein  und  also 
der  Zeit  Theodelindes  angehören.  Man  vergleiche:  Schnaase,  Geschichte  der 
bildenden  Künste,  2.  Aufl.,  Bd.  3,  Düsseldorf  1869,  S.  577.  --  Gsell-Fels,  Ober- 
Italien,  2.  Aufl.,  Leipzig  und  Hildburghausen  1874,  S.  719.  —  Stacke,  Deutsche 
Geschichte  I,  1880,  8.  136.  —  Mothes,  a.  a.  0.  S.  235.  —  Strzygowski,  Icono- 
graphie  der  Taufe  Christi,  München  1885,  S.  35—36  und  Taf.  8,  1.  —  v.  Hey  den. 
Die  Tracht  der  Kulturvölker  Europas,  Leipzig  1889,  S.  60—61.  —  Lebhaft  wider- 
sprach indess  dieser  Aufl'assung  Cattaneo,  dessen  Arbeit  ich  erst  während  des 
Niederschreibens  dieser  Zeilen  durch  gütige  Vermittelung  des  Hm.  Prof.  Dobbert 
von  der  technischen  Hochschule  in  Charlottenburg  kennen  lernte.  Nach  Cattaneo 
wäre  von  dem  ersten  Bau  nichts  erhalten,  als  vielleicht  ein  anderes  Relief  mit 
dem  Monogramm  Christi. 

Unser  Relief  nun  mit  den  Sporen  bildet  ein  rundbogiges  Feld  (eine  Ltinette) 
und  zerfällt  in  3  Zonen,  deren  unterste,  aus  einem  schmalen  Fries  gebildete  indess 
hier  nicht  in  Betracht  kommt.  Die  zweite  zeigt  in  der  Mitte  die  Taufe  Christi, 
rechts  und  links  Apostel  und  Maria;  die  oberste  aber  Theodelinde  mit  ihrer  Familie, 
dem  Patron  der  Kirche,  Johannes  dem  Täufer,  eine  Weihekrone  überreichend. 
Die  Figur  links  am  Ende  in  dieser  oberen  Zone  ist  ein  knieender  Fürst  (wie  meist 
angenommen  wird,  der  zweite  Gemahl  der  Königin,  Agilulf)  mit  Sporen  an  den 
Füssen.  Stacke  giebt  diese  obere  Zone  nach  einer  Zeichnung  von  Knackfuss 
wieder  und  die  Sporen  mit  Rädern.  Eine  Photographie  des  ganzen  Reliefs, 
welche  Hr.  v.  Hey  den  der  grösseren  Sicherheit  wegen  in  Monza  anfertigen  Hess, 
scheint,  wenngleich  der  sehr  kleine  Maassstab  diese  Einzelheit  nur  undeutlich  er- 
kennen lässt,  doch  die  Richtigkeit  jener  Zeichnung  zu  bestätigen,  —  für  mich 
Beweis  genug,  dass  das  Relief  auch  nicht  angenähert  jener  alten  Zeit  zugeschrieben 
werden  kann.  Cattaneo  spricht  sich  über  dasselbe  etwa  folgend ermaassen  aus: 
,Die  Figuren  zeigen  alle  Charaktere  der  Zeit,   in    welcher  die  Kirche  wieder  her- 


i 


!' 


)ii 


illt  ward,  d.h.  des  l'2.  Jahrh.  oder  des  folgenden.    Dieses  Urlheil  itüU 

HQf  den  Vergleich  mit  den  elenden  Skalpturen,  die  wir  in  Ravennit,  den 
ilpunkt  des  Exnrchals  (d.  h.  des  dem  griechischen  Kaiser  nnterstellten  Gebiete 
alien)  ausgcruhrt  sehen  und  die  den  Jahren  angehören,  in  welchen  Theodc 
:  ihre  Kirche  errichtete,  und  wird  bestätigt  darch  den  Umstand,  duss  auf  der 
i(  die  Königin  und  ihr  Gemahl  dargestellt  sind  mit  der  Krone  auf  den 
)te,  während,  90  viel  man  weiss,  diese  bei  den  longo  bardischen  Königen  nich 
ebraach  war". 
Hr.  Prof.  Springer  in  Leipzig,   welchem   die  Photographic  des  Reliefs  durcl 

T.  Heyden  Ubersandt  worden,  bringt  dasselbe  ebenfalls  mit  dem  Neubau  ir 
ahrh.  in  Verbindong,  da  einerseits  die  viel  grössere  Rohheil  der  spärliche 
Itenen  Reste  Inngo  bardisch  er  Arbeiten  die  Zeit  Theodeiindes  ansschliesst 
rerseits  die  Composition  der  Taufe  Christi  noch  vollständig  auf  die  altchristlich 
ntinischc  Weise  zurückgehe  und  in  dieser  Art  nach  dem  12.  Jahrh.  nicht  meh 
efUhrt  sein  würde.  Die  Behandlung  des  Nackten  und  der  Gewandfalten  Sprech 
tine  Kunstperiode,  in  welcher  Elfenbein  arbeiten  als  Muster  für  grössere  Stein 
iten  dienten.  Das  Relief  mache  den  Eindruck  der  Uebertragung  einer  kleine 
ibeintafel  in  ein  gröberes  Material  und  in  grössere  Formen. 
Hr.  Prof  Schmarsow  in  Breslau,  welcher  theils  nach  der  Erinnerung,  theil 
der  nur  die  obere  Zone  des  Reliefs  gebenden  Abbildung  bei  Stacke  an< 
atb  mit  allem  Vorbehalte  urtheill,  knUpft  an  die  von  Visconti  in  der  erste: 
le  des  14.  Jahrh.  vorfcenommene  Erweitemng  der  Kirche  an,  da  Kostüm  um 
it  ihm  sicher  ins  14.  Jahrh.  zu  gehören  scheinen,  andererseits  aber  das  Relie 
:  wohl  zu  der  von  Matteo  da  Camplione  erbaul«n  Faijade  ans  der  2.  HSItl 
!s  Jahrhunderts  stimmt,  auch  sehr  viel  befangener  und  alterthtlmlicher  aussieh 
das  Kanzelrelief  mit  der  Krönung  Karls  IV.  in  demselben  Dome  und  wahi 
inlich  ebenfallH  von  Matteo  da  Camplione,  vielleicht  aus  dem  letzten  Dritt« 
Jahrhunderts.  — 

Bei  Beartheilimg  des  Reliefs  möchte  übrigens  wohl  auf  etwaige  Reparatnre 
dabei  erfolgte  Modcrnisirung  einzelner  Theile  desselben  zu  achten  sein,  wh 
rlich    nur  durch   eine   Untersuchung   des  Originals  geschehen   könnte.    Her 

Heyden  denkt  auch  an  die  Möglichkeit  der  Ausführung  des  Reliefs  zu  vei 
■denen  Zelten.  In  der  That,  betrachtet  man  die  Photographie,  so  scheint  siel 
rgeben,  dass  die  mittlere  Zone  aus  3  Platten,  die  obere  aus  4  zusammengeseti 
(0  dass  einzelne  derselben  iilter,  andere  jünger  sein  könnten,  und  Hr.  Springe 
irt  für  diesen  Fall  den  Theil  mit  der  Taufe,  auf  welchen  er  seine  Zeitbestim 
f  im  Wesentlichen  grtlndetc,  als  den  ältesten.  Die  Ansicht  des  Herr 
marsow  liesse  sich  hiermit  wohl  vereinigen,  da  sie  sich  nur  auf  die  oben 
nach  jttngerc  Zone  stützt.  Indessen  widerspricht  der  Annahme  nnglcichei 
■B  der  einzelnen  Theile  des  Reliefs  eine  Thatsache  gimz  entschieden.  Bin 
»e  nohmlich,  über  dem  Haupte  Christi,  welche  uns  der  Höhe  herubOiegend  eii 
SS  im  Schnabel  hält  und  aus  demselben  eine  Flüssigkeit  ergiesst,  gehört  un 
felhaft   zu   der   in  der  mittleren  Zone  dargestellten  Tanfe  und  doch  Ist  sie  ii 

oberen  Zone  links  von  Theodelinde  angebracht.  Von  einer  nachträgliehe. 
ufUgung  der  Taube  kann  aber  nicht  die  Rede  sein,  da  der  freie  Raum  nebe' 
Königin  sonst  zu  gross  sein  würde.  Wegen  anderer  ähnlicher  Darslellunge 
>  Strzygowski,  S.  M  und  Taf.  8,  3  (Taufe  Christi  nach  einer  Elfenbeintoft 
eriin)  und  Taf  8,  4  (Taufe  Chlodwigs  nach  einer  ebensolchen  Tafel  der  Bamm 
Rigollot  zu  Ainiens),  Strzygowski,  welcher  in  Fig.  t  nur  die  Tauf 
res  Reliefs  wiedergiebt  und  die  obere  Zone  sonst  unberücksichtigt  läast,  uichni 


doch  gtmz  richtijr  die  T 
kfitcn  die  Datirnng  de 
),^nct;  was  die  Durste 
Hrn.  Springer  in  gorad 
der  in  ihr  Anklänge  an  . 
dnrch  die  eigen thUmlic 
Welle  bis  aber  die  Scba 
Dos  Relief  ist  aber  wer 
Gleiche  dUrlte  gelten  fU 
ein  Reiter  einen  Sporn 
bogen  Nr.  108,  Leipzig 
ist  nicht  genau  zu  erker 
und  daran fgesetzter  Spit 

Das  Uonzaer  Portal 
geeignet,  die  Zeit  des  ei 
vielmehr  selbst  durch 
aus  dem  12.  Jahrh.  sein, 
zur  Zeil  Thcodelindos  i 
hjibf  ich  in  meiner  erst 
Radsporn  aber  cracheini 
so  weiss  John  Hewitt 
London  1855,  p.  298) 
Der  Radsporn  findet  i 
Botiler's  Grabstein  zu  St 
Allgemein  aber  wird 
14.  Jahrh.  und  ersterer 
denklich  machen,  ein  1 
dasselbe  alle  die  andere 
von  Le  Botiler  ist  von  i 

Das  kleine  unschei 
die  eigentlich  ganz  ausa 
Führer  erwiesen  und  f 
p  fohlen.  — 

Hr.  V.  Hcyden  seh 
kanm  vor  das  Jahr  90( 
fehlt,  zu  setzen.  Erwä 
Papst  Leo  IX.  dem  Ei 
Romana  mitra  caput  t 
astreis  ofßoiis  Romano  i 
vielleicht  eine  Mitra  get 
falls  aber  der  Genosse 
Real-Encyclop.  der  kircl 
ist  also  schon  an  sich  e 

(22)   Hr.  Olshansc 
die  im  KUstengebi« 

Im  Verfolg  meiner 
in  diesen  Terhandl.  189( 


(224) 

die  Bedeutung  der  nordischen  Funde  ülterer  Münzen  zu  prilfcn.  Die  Zahl  der  ai 
geblichen  Funde  von  MUnzen  »us  tler  Zeit  vor  Kaiser  Augnstas  im  KUstcngebii 
der  Ostsee  ist  nicht  ganz  gering,  aber  diese  Fände  sind  fast  aämmtlich  in  älterer  Ze 
gemacht  vorden,  z.  Th.  im  vorigen  Jahrhundert  Obachon  dieser  Umstand  zur  Voi 
sieht  hätte  mahnen  sollen,  wurden  sie  dennoch  oft  zur  Beweisfühning  bezüglich  all« 
Handelsverbindungen  zwischen  Süden  und  Norden  benutzt,  theils  ganz  im  AUgi 
meinen  (so  von  Müllenhoff,  Deutsche  Alterthumsk.  I,  1870,  8.  IV),  theils  m 
besonderem  Bezug  auf  den  Bemsteinhandel  nach  Oatpreuaaen  (von  Heibig  i 
seiner  Abhandlang:  Sopra  il  commercio  dell'  ambra,  Roma  1877,  Memor.  Accai 
dei  Lincei,  p.  3;  dann  von  Genthe  und  noch  ganz  neuerdings  von  Stoppan 
L'ambra,  Milano  1886,  p.  173,  und  von  Lissaner,  Prähist  Denkmäler  der  Proi 
Westpreussen,  Leipzig  1887,  S.  56 — ö8}.  Allein  einer  genaueren  Prüfung  halte 
diese  Funde  beinahe  ansnahmslos  nicht  Stand;  ihren  Werth  auf  das  richtige  Haai 
zurückzuführen,  ist  der  Zweck  nachstehender  Hittheilung.  — 

Wiberg  gab  in  seinem  Werk:  „Der  Einflnss  der  klassischen  Völker  anf  de 
Norden  durch  den  Handelsverkehr,  Hamburg  1867,  ans  dem  Schwedischen  nac 
der  ersten  AuH.  von  1867",  S.  94 — 95  eine  Zusammenstellung  „ altgriechischer  Fund 
an  der  südöstlichen  KUslu  der  Ostsee'*;  ebenso  in  der  2.  scbwed.  Aufl.  „De  klassisk 
Folkens  Pörbindelsc  med  Norden  .  ,  .«,  Stockholm  1868,  S,  27  und  28.  —  Juliu 
Priedländcr  stellte  dann  1872  unter  Benutzung  beider  Ausgaben  von  Wiber 
„Funde  römischer  (richtiger  antiker)  Münzen  im  nordöstlichen  (richtiger  nördlicher 
Deutschland"  zusammen  (Zeitschr.  f.  Ethnol.  4,  S.  162—68),  aber  nur  „die  noc 
nicht  bekannten  und  einige,  welche  Berichtigungen  enthalten"-  —  Grewingk  bt 
handelte  livländische  und  schwedische  Münzfunde  im  Archiv  f.  Anthrop.  7  (1874 
S.  95—96  und  10  (1878)  S.  315.  —  Genthe  besprach  die  betrertenden  preussischo 
und  livländischen  Vorkommen  in  den  „Verhandlungen  deutscher  Philologen  un 
Schulmänner  zu  Kariaruhe  1882"  (Leipzig  1883)  8.  23,  und  seine  Angaben  «urde 
wieder  abgedruckt  dnrch  Lissauer  (a.  a.  O.  S.  57 — 58),  der  übrigens  schon  frühe 
selbständig  über  westpreussische  Münzen  berichtet  hatte,  so  im  Corresp.-Blatt  t 
D.  anthrop.  Ges.,  Versammlung  zu  Dresden  1874,  8.  41.  Allen  diesen  Znsammer 
Stellungen  lagen,  soweit  sie  Ostpreussen  und  Livland  betreffen.  Fr.  Krusc's  Necrc 
livonica  zu  Grunde,  deren  zweite,  mit  Nachtrag  versehene  Auflage,  1859  in  Leipzi, 
erschien.  Nur  vereinzelt  wurde  auf  allere  Originalarbeiten  zurückgegriffen,  uehni 
lieh  auf  Thcophilus  Sigefrid  Bayer,  De  nuramo  Rhodio  in  agro  Sambiensi  repert« 
Regioraontii  1723  (auch  in  Opnscula  ad  hisloriam  anliquam  spectantia,  Halae  177( 
p.  492  IT.  und  Taf  ü  oben  rechts)  und  Johann  Sevcrin  Vater,  Die  Sprache  de 
alten  Preussen,  Braunschweig  1821,  S.  XXXVI- XXXVII  Note'.  Man  vergleich 
ferner  Baltische  Studien  XII,  1,  S.  5— 6  und  Schafarib,  Slavische  Alterthümer  1 
Leipzig  1843,  S.  519.  — 

Wiberg's  Buch,  welches  so  vielfach  benutzt  worden  ist,  leidet  in  hoher 
Grade  an  Un  Zuverlässigkeit,  indem  nicht  nur  die  Citate  recht  fehlerhaft  sind,  son 
dem  eine  grosse  Anzahl  von  Funden  doppelt,  ja  einer  sogar  3  mal  uotcr  rerschif 
denen  Namen  aufgeführt  wurde.  Friedländer  wies  schon  auf  mehrere  derartig 
Fälle  hin,  denen  ich  weitere  hinzufügen  kann.  Stellt  man  alles  dies  richtig,  » 
schrumpft   die  Zahl   der  überhaupt  zur  Discuasion  stehenden  Funde  erheblich  zu 


Aus  Bayer,  Vater,  Kruse  ergeben  sich  nun  für  Livhmd  und  Oslprenaaen  di 
folgenden  Funde: 

I)  Livland.  a)  Arenshurg  auf  Insel  Uesel,  eine  Bronzeraünze  von  Panor 
mos  (Palermo),   älterer   Fund;   Secroliv.  Generalberichl  S.  li  und  Reila^  D  S.  i 


Taf.56,  2;  Wi 
nicht  anrühren, 
Pundamatände  v 
Genthe,  Lisst 
Krase  selbst  f 
einigen  Schriftzt 
19,51  Btei);  Ne( 
Genthe  and  Li 
figar  bezeichni 
Alcxandricn  gep 
in  Betracht  kom 
2)  Ostpre 
griechiche  Silbei 
ge(.  Mittheiinng 
Kaufmann  Will 
ülyricnm  2;  Nee 
geführt.  —  b)  C 
münze  von  Atht 
sleingraben,  an; 
an  einem  behofi 
bleib  unbekannt, 
Genthe,  Lisa: 
Neapolia  in  Cai 
Kruse,  Wiberi 
darauf  anftnerki 
wird  sie  dort  so 
und  Samogitien, 
Samogitiea  ansst 
ist  irrthümlich  d 
Gr.  Hubnicken), 
früher  in  der  Sa 
Dr.  Tischler   l 


]}  Ein  Fund  i 
Wihcrg  S.95,  Q 
selben  enthaltene 
noch  dnrrh  ander 
ständen)  an  Bewi 
diesen  Fond  dop| 
und  Ewar  in  Folg 
lagA  in  Göttingei 
Aufutz  über  Ar: 
d.  Wisa.  München 
nicht,  dasB  die  Mi 
sehen  Meeibus 

2]  Mit  der  Mi 
D  S.  1,  auch  Wil 
1H21  gcfnudea  sei 
die  von  Bubnickt 
(das  Original  befi 
sische  Münzen. 


(226) 

linet  zu  Konigaberg;  auch  in  Berlin  scheint  ea  nicht  zu  sein.  —  d)  Dcatsch 
a  bei  HeiUgenbeÜ,  eine  römische  Consularmünze,  also  ans  republikanische 
iTolir.. Nachtrag  8.  24;  Fundnmstände  nicht  erwähnt;  bei  Wiberg,  Genthc 
iT  nicht  anfgeführt. 

Tischler  weist  mich  Terner  hin  anf:  e)  Angerbnrg,  silberner  Denar  de 
k,  abgebildet  bei  Th.  S.  Bayer,  De  nummis  Bomanis  in  agro  Pmssic 
LipBiae  172-2,  Taf.  1,  3,  p.  21;  Tgl.  G.  A.  Helwing,  Lithographia  Angci 
I,  Regiomonti  1717,  p.  94;  wie  ea  scheint,  aoagepflUgt.  Anch  kaufte  da 
erger  Provinzialmuseum  1889  von  einem  herumziehenden  Schaubuden 
eine  Ptolemäermünze,  deren  Provenlenz  aber  natürlich  ganz  ungewisi 
rigen   gehören    die    ältesten   sicher   in   Ostprenssen   gefundenen   MOnze 

in  den  russischen  Ostseeprorinzen  seit  Kruse's  PnblicatioQ  Nenes  hinzu 
en,  konnte  ich  nicht  ermitteln;  die  mir  zugängliche  Literatnr  scheint  nicht 
:u  enthalten  (z.  ß.  „die  Münzen  des  vaterländ.  Mus.  zu  Dorpat",  Verband 
rten  estn.  Gea.  zu  Dorpat  VI,  3  und  4,  1871,  8.  172—198)  und  die  durc: 
servator  d.  gelehrt,  estn.  Ges.,  Herrn  r.  Hofmann  gUtigst  in  Aussicht  ge 
ittheilnng  des  speciellen  Conaerratora  der  Münzsammlung  war  nicht  zu  et 

nn  wir  nun  das  rorgefuhrle  Material,  2  MUnzen  aus  LiTland,  5  ans  Oal 
I,  betrachten,  so  ergiebt  sich,  dass  schon  dJe  Anzahl  der  E^dstflcke  z 
t,  um  ii^ndwie  lebhaftere  Handelsbeziehnngen  zwischen  dem  SOden  un 
m  in  der  Zeit  vor  Augostns  darznthun.  Auch  werden  die  ältesten  diese 
kaum  über  daa  Jahr  300  vor  Chr.  hinaufgehen  und  die  jOngeren  känne 
:fat  erst  zur  Zeit  des  Kaiserthums  nach  dem  Norden  gekommen  sein.  Da 
iste  aber  ist,  dass  die  Funde  selbst  wenig  vertrauenerweckend  sind;  in  de 
Fahrzehnten,  seit  die  Kritik  mehr  geschärft,  ist  nichts  mehr  zum  Vorscbei 
en,  trotzdem  nie  mit  solchem  Eifer  gesammelt  wurde,  wie  jetzt,  nnd  i 
'geführten  Fällen   sind   die  Fundomalände   fest  stets   unsicher  oder  nnlx 

r  wenden  uns  jetzt  den  anderen  Ostseeländern  zu. 

Westpreussen.  Genthe  (ebenso  Liasaner,  Denkmäler  S.  57  und  10( 
dresdener  Versammlung  S.  41)  fuhrt  an:  St  Albrecht,  8.  von  Danzig,  am 
n  vom  Lehrer  Pawlowski:  a)  am  Fusse  des  Kapellenbergea,  ftlr  sie 
a  Waldboden,  eine  silberne  barbarische  Nachbildung  eines  makedonische 
«rs  des  4.Jahrh.Tor  Chr.,  nach  Prof.MUller  in  Kopenhagen  „gallisch 
^em  „Alexander",  nach  Dr.  Menadter  vom  hiesigen  K.  Mttnzcabinet  all 
r  „keltisch"  nnd  vom  Typus  des  „Philippus  II."  (360—336).  Ans  weicht 
Nachbildung  stammt,  dürfte  fraglich  bleiben;  Abbildung  derselben  Dresdenc 
41  Fig.  1.  —  b)  an  anderer  Stelle  des  Kapellenberges  eine  griechisch 
£c  von  Phlius  in  Achaja  etwa  vom  Jahre  200  und  3  kupferne  Ftolemäc 
:ypten  aus  dem  Ende  des  3.  Jahrh.  vor  Chr.  —  Auch  eine  athenisch 
nzc,  „wohl  noch  vor  Christo",  soU  Pawlowski  anf  dem  Kapellenbcrg 
aben  haben;  Wolsborn  in  Altprcussische  MonaUschrift  23  (1886)  S.  ^8 
Nr.  22,  und  Lissauer,  Denkmäler  S.  159.  —  Hr.  Dr.  Mcnadier  ncnr 
ner  eine  Bronzemttnzc  von  Hiero  von  Syracus,  3.  Jahrh.  vor  Chr.,  häi 
o  Fundumstände   (auf  dem  Gymnoaialhof  von  Braunaberg!)   für  ganz  oe 

ilich  finde  ich  erwähnt:  4  griechische  Kupfermünzen  von  Briesco 
lochan,  mit  vielen  römischen,  meist  der  Kaiserzeit  angehörigen  Utlnzen  zu 


(227) 

sammen  ausgepflügt.  Der  Fundort  wird  Balt.  Studien  IV,  1,  143  und  Wiberg 
S.  96  Bresen  genannt  und  Balt  Stud.  VII,  1,  225  Note  nach  Pommern  verlegt;  die 
Pundnotizen  und  die  Münzen  selbst  kamen  aber  aus  Bütow  ins  Stettiner  Museum 
und  gemeint  ist  offenbar  Briesen,  dicht  an  der  pommerschen  Grenze  zwischen 
Rummelsburg  und  Bütow,  aber  auf  westpreussischem  Gebiet.  Li  s  sau  er  führt 
den  Fund  nicht  auf.  Die  griechischen  Münzen  sind,  wie  Hr.  Dir.  Lemcke 
mir  schreibt,  jetzt  in  Stettin  nicht  mehr  vorhanden;  für  uns  wären  sie  auch  ohne 
Bedeutung,  da  sie  jedenfalls  spät  ins  Land  kamen;  auch  können  sie  der  römischen 
Raiserzeit  angehören.  —  Es  handelt  sich  für  Westpreussen  demnach  nur  um  die 
Funde  von  St.  Albrecht;  die  Aechtheit  der  betreffenden  Stücke  steht  fest,  die  Fund- 
angaben begegnen  aber  fast  allgemein  entschiedenem  Misstrauen,  obgleich  Wols- 
born  für  die  Richtigkeit  auch  dieser  eintritt. 

4)  Pommern.  Kühne  besprach  Balt.  Studien  27  (1877)  203  ff.  die  pommer- 
schen Funde.  Nach  S.  203  Note,  S.  210—11  und  S.  222—24  wäre  nur  zu  erwähnen: 
Rügen  mit  einer  Silbermünze  der  Republik  (Mekl.  Jahrb.  38,  Quartalber.  4,  S.  8; 
Museum  zu  Stralsund).  Denn  eine  bei  Stettin  (nach  Kühne  S.  203  auf  Chaussee- 
steinen) gefundene  griechische  Kupfermünze  scheint  unsicher  (vgl.  Balt.  Stud.  V,  1, 
S.  153)  und  eine  griechische  Bronzemünze  von  Berytus  (Beirut),  gef.  auf  Rügen, 
jetzt  im  K.  Münzcabinet  Berlin,  kommt  nicht  in  Betracht,  weil  sie  mit  arabischen 
Bronzemünzen  zusammengelegen  haben  soll  und  also  spät  nach  dem  Norden  ge- 
kommen sein  wird;  ist  diese  Fundangabe  aber  unrichtig,  so  verliert  das  Ganze 
überhaupt  anWerth  (Friedländer  S.  166).  —  Seit  Kühne's  Mittheilung  hat  sich 
nach  gefälliger  Auskunft  der  Herren  Prof.  Lemcke  und  Dr.  Bai  er  in  Stettin  und 
Stralsund  nichts  geändert.  Auch  die  Pogge'sche  Sammlung,  jetzt  in  Stralsund, 
die  Kühne  seiner  Zeit  nicht  prüfen  konnte,  enthält  keine  im  Lande  geftmdenen 
Münzen  aus  der  Zeit  vor  Christo. 

5)  Meklenburg  lieferte  nach  brieflicher  Auskunft  des  Bxn.  Dr.  Beltz  keine 
der  in  Frage  stehenden  Münzen. 

6)  Schleswig-Holstein.  Nach  Handelmann's  Veröffentlichungen  ist  nur 
eine  keltische  Silbermünze,  einzeln  gefunden  bei  Pinneberg  in  Holstein,  zu  er- 
wähnen; denn  eine  aus  Husum  von  Philipp  HL  Arrhidaeus  von  Makedonien  (f  317), 
einen  Ptolemäer  von  Plön  und  eine  altgriechische  Kupfermünze  von  Klethkamp, 
Kr.  Plön,  hält  Handelmann  alle  3  nicht  für  ganz  sicher  (Zeitschrift  d.  Ges.  f. 
Schlesw-Holst-Lauenb.  Geschichte  II  (1872)  64,  III  435  Note,  XVI  (1886)  388; 
diese  Verhandl.  1880,  128;  Kieler  Münzcatalog,  Heft  4,  Kiel  1887,  S.  1—4).  Neues 
ist  laut  gef.  briefl.  Mittheilung  nicht  hinzugekommen. 

7)  Dänemark.  Nach  Montelius'  „Frän  jemäldem*'  oder  „Remains  from 
the  Iron  Age  of  Scandinavia^,  Stockholm  1869,  Theil  I  p.  1  kannte  man  damals 
keine  derartigen  Münzen  aus  Dänemark.  Bei  dem  Ausbleiben  einer  Antwort  auf 
meine  Anfrage  in  Kopenhagen  darf  ich  wohl  voraussetzen,  dass  auch  seitdem  sich 
in  dieser  Beziehung  nichts  geändert  hat. 

8)  Schweden.  Montelius  veröffentlichte  in  seinem  Werke  „Frin  jemäl- 
dem"  Theil  I  p.  1  folgende,  angeblich  in  Schweden  gefundene  Münzen:  a)  von 
Gotland:  1  griechische  Kupfermünze  von  Panormos  (jetzt  Palermo)  auf  Sicilien; 
2  Silbermünzen  Philipp's  IL  von  Makedonien  (360 — 336);  9  römische  Familien- 
münzen aus  der  Zeit  der  Republik.  —  b)  aus  Nerike  oder  Ostergötland,  etwa 
vor  100  Jahren  gefunden,  3  römische  Familienmünzen  der  Republik.  —  Das  sind 
zusammen  15  Münzen  aus  der  Zeit  vor  Augustus.  In  einem  Nachtrag  zu  Mon- 
telius' Arbeit,  Stockholmer  MInadsblad  1872,  S.  84  kam  nichts  derart  hinzu  und 
in  anderen  späteren  Veröffentlichungen   erwähnt  der  Verf.  die  12  Familienmünzen 

lö* 


drückt  er  sich  bezüglich  der  makedonischen  und  griechische 
Itur  Schwedens",  Berlin  1885,  rorsichtig  aoB,  was  den  Fnnii 
Grewingk,  Archiv  f.  Anthropologie  7  8.96,  angiebt,  dai 
!T  griechische  MUnzen  aus  Schonen  berichte,  so  ist  da 
agt  dieser  a.  a.  O.  ausdrücklich :  „no  othcr  greek  coin  from  th 
is  round  in  Scandinavia";  dennoch  ist  Grewingk's  Angab 
sauer  wiederholt.  — 
höchst  auffallend,  dass  von  jenen  15  Münzen  nicht  wenigei 

3  aus  einer  anderen  Privataammlung  stammen;  sie  solle 
inde  vertheilen,  aber  die  Zusammengehörigkeit  der  einzelne 
so  unbekannt,  wie  die  näheren  Fnndumstände  es  sind.  E 
;e  werden,  dass  die  Pundortsangabcn  nicht  richtig  sind,  ot 

in  der  Bronzezeit  ziembch  bevölkert  war  (Congres  Stock 
513).  Eine  diesbezügliche  Anfrage  brachte  mir  die  folgend 
telius:  , Irgend  neue  Funde  von  Münzen  aus  der  Zeit  vc 
aus  8chwed(n  nicht.  Die  in  den  „Remains"  aulgezählte 
bestimmte  Angaben  vorlagen.  Ich  kann  sie,  was  die  Fund 
it  für  sicher  halten,  bevor  nicht  neue  Funde  hinzukommen 
:h  mich  entsinne,  auch  niemals  als  BcweiastOckc  angewendet' 
die  sämmtUchen  schwedischen  Funde  ans. 
id  annahm,  dass  die  Slatere  Philipp's  II.  von  Makedoniei 
fachbildungen  schon  etwa  300  vor  Chr.  in  Scandinavien  ge 
da  eine  Figur  auf  einem  Bronzegcfässe  „dem  Kutscher  de 
sn  nachgebildet  sei",  so  wird  man  nach  Obigem  solche 
1  zustimmen  können  (diese  Verhandl.  1874,  93;  Congres  di 
)■- 

Derer  Untersuchung  ist,  dass  die  Münzen  für  den  Nacbwei: 
leren  Verkehrs   zwischen  Nord  und  Süd  vor  Christi  Gebnr 

sind.   Wo  ein  solcher  bestand,  mnss  er  demnach  auf  ander 

g  übersandte,  durch  die  Tagesordnung  der  heutigen  Sitzung 
»lung  über  18  Stück  vorvarianische  Münzen,  6  silberne  um 
,  Lippe-Detmold,  und  wies  auf  die  Funde  von  Barcnai 
on  Osnabrück,  hin,  die  Th.  Mommsen  in  seiner  Schrift 
arusschlacht,  Berlin  1885,  benutzt«.  Für  den  von  mir  be 
kommen  diese  Münzen  aber  nicht  in  Betracht,  weil  sie  wede 
irUcksiohtigte  Gebiet  fallen,  noch  auch  für  alte  Handels 
twas  beweisen. 

lingcr  spricht  über  die 
BeTfilkemng  der  HansBa-LäDder. 

nenstaaten  im  Innern  Afrika's  nimmt  der  des  Haussarolkes 
isdchnung,  als  auch  durch  die  Intelligenz  der  Bewohner,  mi 
teile  ein.  Unter  dem  Namen  „Haussaliinder"  versteht  mai 
er  den  Sultanen  von  Sokoto  und  Gandu  stehenden  Gebiete 
]  Sinne  das  Reich  Adamaua  kommt.  Da  nun  die  regieren 
auch  die  meisten  Prorinzkönige  aus  der  Fulbedynastii 
ic  Nachkommen   des   letzteren  Volkes   noch  vielfach  einet 


(229) 


herrschenden  Einfluss  ausüben,  so  ist  wohl  die  richtigste  Bezeichnung  für  das  Land : 
das  Reich  der  Haussa-Fulbe. 

Um  nun  in  groben  Zügen  die  geographischen  Grenzen  zu  zeichnen,  kann  man 
angeben,  dass  das  Land  sich  nordwärts  bis  zur  Sahara,  etwa  beim  14°  nördl.  Breite, 
und  südlich  an  das  sogenannte  Hinterland  von  Kamerun,  bis  zum  6°  oder  7°  nördl. 
Breite,  erstreckt;  westlich  ragt  es  mit  dem  äussersten  Zipfel  der  Provinz  Saberma 
bis  zum  Grade  von  Greenwich  und  zieht  sich  von  da  hinunter  bis  zum  3°  östl. 
Länge,  während  die  äusserste  östliche  Grenze  ungefähr  beim  8°  Längengrad  an 
die  Bornuprovinz  Sinder  herangeht.  Das  ganze  Gebiet  mag  ungefähr  18 — 
20  000  Quadratmeilen  umfassen;  jedoch  ist  dabei  zu  berücksichtigen,  dass  ver- 
schiedene Provinzen  in  einem  sehr  lockeren  Zusammenhange  stehen  und  sich  auch 
im  Innern  noch  eine  Anzahl  unabhängiger  kleiner  Stämme  befinden. 

Als  Nachbarn  sind  zu  nennen:  Im  Osten  und  Südosten:  das  Reich  Bomu  und 
das  zu  Bagirmi  gehörige  Musgu;  im  Süden:  eine  Anzahl  noch  unerforschter  Neger- 
gemeinden; im  Südwesten:  die  von  Grandu  unabhängigen  Theile  von  Yoruba.  Im 
Westen  befindet  sich  noch  wenig  durchforschtes  Terrain,  während  im  Norden  das 
Chaos  der  Bevölkerung  der  alten  Sonrhayländer  und  des  Reiches  Male,  also  Neger, 
Tuaregg  und  Fulbe,  sowie  die  stammverwandten  wilden  Gobirri  wohnen. 

Zwei  grosse  Ströme  begrenzen  und  durchfliessen  das  Reich,  der  gewaltige 
Niger  und  sein  mächtigster  Nebenfluss,  der  Benue. 

Der  geographischen  Beschaffenheit  nach  ist  das  eigentliche  Haussaland  ein, 
von  einem  massigen  Gebirge  durchzogenes,  niedriges  Hochplateau  von  5 — 600  m 
Erhebung,  das  sich  nach  dem  Niger  und  noch  mehr  nach  dem  Benue  zu  ab- 
dacht. Wenden  wir  uns  nun  zu  der  Bevölkerung  und  zunächst  zu  den  eigentlichen 
Haussa,  um  sie  auf  ihre  Abstammung  hin  zu  untersuchen,  so  kommen  wir  leider 
zu  dem  Resultate,  dass  sich  gegenwärtig  kaum  noch  der  genaue  Ursprung  fest- 
setzen lassen  wird,  theils  weil  schon  eine  zu  starke  und  lange  Vermischung  mit 
allen  möglichen  Neger-  und  Nicht-Negervölkem  stattgefunden  hat,  theils,  weil  man, 
um  es  offen  zu  gestehen,  zur  Zeit  noch  nicht  die  nöthigen  Hülfswissenschaften  zur 
j^nauen  Trennung  der  Unterrassen  besitzt.  Mit  der  Linguistik  konmit  man  gerade 
hier  kaum  zu  einem  sicheren  Ziele,  denn  es  sind  viele  Beispiele  bekannt,  wo  zwei 
anthropologisch  sehr  verschiedene  Völker  die  gegenseitigen  Sprachen  angenommen 
haben.  Wichtiger  sind  schon  historisch-ethnographische  Forschungen  und  in  sehr 
grossem  Maassstabe  angestellte  genaue  anthropologische  Aufnahmen  und  Messungen, 
doch  bis  es  dahin  in  Afrika  kommt,  um  ein  annäherndes  Vergleichsmaterial  zu 
gewinnen,  mag  so  mancher  Rest  eines  eigenartigen  Volksstammes  untergegan- 
gen sein. 

Von  den  Haussa  steht  indessen  das  eine  wohl  fest,  dass  sie  vom  Norden 
oder  Nordosten  aUmählich  nach  dem  Süden  bis  in  ihre  jetzigen  Wohnsitze  vor- 
gedrungen sind.  Zu  welcher  Zeit  dies  geschehen  ist,  kann  wohl  kaum  noch  nach- 
gewiesen werden.  Wahrscheinlich  ist  bei  ihrem  Verstoss  das  Volk  der  Nupe 
einige  Grade  südwestlicher  gedrängt  worden,  denn  der  Reisende  Gl ap perton 
konnte  noch  Anfang  dieses  Jahrhunderts  Ueberlieferungen  erfahren,  wonach  das 
Volk  von  Nupe  früher  seinen  Sitz  in  Katschena,  einer  nördlichen  Provinz  des 
jetzigen  Haussareiches,  hatte.  Ebenso  fand  er  noch  bei  einigen  Völkern  eine  Sage 
von  ihrer  Abstammung  von  Bomu  verbreitet.  Bei  den  grossen  Völkerverschiebungen 
im  Sudan  darf  man  nicht  unberücksichtigt  lassen,  dass  vor  Jahrhunderten  und  Jahr- 
tausenden Bewegungen  von  Norden  nach  Süden  und  auch  einige  Male  umgekehrt 
stattgeftmden  haben.  Araber-  und  Berberstämme  sind  über  die  Sahara  hinaus  in 
die  Negerländer   eingedrungen   und   haben    sich  thoilweise   dort  sesshaft  gemacht, 


(230) 

üt  sehr  wahrscheinlich  seiner  Zeit  ein  starkes  Bindringen  asiatischer' Völker 
n  in  Afrika  stattgefunden. 

ligen  Aufschluss  Aber  die  Haussa  verdanken  wir  unserem  hochrerdientei 
lann  Barth.  In  der  Oase  Asbin,  die  jetzt  ron  Tnareggstämmcn,  bez« 
tümmen  zwischen  ihnen  und  der  alten  BeTölkerang,  bewohnt  wird,  könnt 
1  Haassa-Sp räche  und  -Einüuss  bis  Agades  festsetzen.  Nun  war  aber  de 
^te  Stamm  unter  den  seiner  Zeit  nach  Norden  vordringenden  Völkern,  de 
,  von  dem  die  Haussa  ihre  Sprache  haben,  die  Gobini  oder  Goberaoa,  am 
iese  hat  Barth  seiner  Zeit  noch  Ueberliefemngen  voi^efiindeD,  wonach  di 
<'amilien  der  Goberana  von  Kopten  oder  Berbern  abstammen  sollten.  Icl 
:e  dazu,  dass  es  jetzt  auch  noch  ein  Köuigthum  Gobir  giebt,  welches  ante 

steht.  Der  Herrscher  besitzt  aber  wenig  mehr,  als  den  Titel  und  eine  einzig 
Die  jetzigen  Gobirri  sind  mit  die  erbittertsten  Feinde  des  Hauasareiches  um 
-cn  durch  ihre  Einfalle  oft  die  Gebiete  ihrer  früheren  Stammesgenosscr 
mute  allerdings  festsetzen,  dass  gerade  in  den  Provinzen,  welche  an  da 
der  Gobirri  grenzen,  das  sind  Samfara  und  Katschena,  die  Haussasprach 
u  reinsten  gesprochen  wird. 

IS  nun  durch  Verdrängung  oder  Unterjochung  der  Ureinwohner  gefestigt 
reich  mag  schon  damals  eine  gewisse  Industrie  und  Coltur  besessen  hnber 
es  wohl  im  Westen  von  den  Sonrhayländem  und  im  Osten  durch  Born 
asst  worden  ist.  Grosse  Städte  bestanden  bereits.  So  finden  wir  auf  200  Jah 
Larten  Namen  von  Städten,  die  noch  heute  bestehen,  wie  z.  B.  Kano,  Kat 
,  Segseg-Saria,  Gobir  u.  s.  w.  Da  kam  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  ci 
wung  in  die  Verhältnisse. 

hon  seit  längerer  Zeit  waren  die  Fhilbe  nach  den  Haussaländem  gekommei 
vielleicht  gleich  hier  am  Platze,  etwas  über  dies  räthsolhallc  Volk,  welche 
n  Haussa  Fullam  oder  Fillani,  sonst  aber  noch  Fullan,  Fellani,  Pulde,  Fallt 
,  Pul,  Pulla,  Fnta  Dschallon,  P.  Banda,  F.  Torro  genannt  wird,  zu  sagei 
die  Herkunft  tappen  wir  noch  im  Dunkeln.  -Nach  den  Haussaländem  möge 
jUeicht  schon  vor  einigen  100  Jahren  eingewandert  sein,  und  zwar  käme 
nals  aus  dem  Hinterlande  von  Sierra  Leone  und  Senegambien.    Noch  heul 

kann  man  sogar  an  der  KUsle  in  Freetown  Fnibe  sehen,  die  dorthin  de 
Is  wegen  gelangen,  aber  wollte  man  nach  diesen  Leuten  das  ganze  Vol 
äilen,  so  würde  man  sehr  irren,  denn  man  hat  es  hier  mit  meistens  gan 
chten  Individuen  zu  thun.  Auch  in  den  Haussaländem  haben  sich  nur  wenig 
Inen  rein  gehalten.  Die  Herrsch erfamilien  sind  mit  Gobirriblnt  vermisch 
iner  der  Hauptstämme  der  eingewanderten  Pulbe,  die  Torobe,  waren  sei: 
mit  Dscholoff-Negeni  durchsetzt.  Am  reinsten  haben  sich  die  Fulbe  noc 
I  Hanssalandern  als  Rinderhirtcn  gehalten,  nur  selten  kommen  von  diese 
,  die  Fillani  genannt  werden,  die  Hanner  in  die  Stadt,  und  die  Weibe 
nur  stundenweise,  um  Milch  und  Butter  zn  verkaufen.  Diese  Fulbe  habe 
lelle  Hautfarbe,  bcllröthlich-bräunlicb,  von  Gestalt  sind  sie  schlanker  un 
^htiger,  als  die  grossen,  oft  zur  Wohlbeleibtbeit  neigenden  Haussa,  das  Qcaüi 
licht  so  steil  hervor,  Prognathismus  ist  bei  einigen  Exemplaren  kam 
Qcrken,  die  Nase  ist  schmalwandig,  von  häufig  aqoiliner  Form,  die  Lippe 
lic  Augen    mandelförmig   mit  einem  bald  schwärmerischen,   bald  tauemdei 

Bliebe;  die  tVanon  flechten  ihr  Haar  in  lange  Zopfe  und  sind  in  de 
I  oft  von  grosser  Schönheit 

ezüglich  der  Hautfarbe  bemerke  ich  noch,  dass  es  auch  .Völkerschafleo  m 
prochenem  Ni'gerlypus  giebt,  welche  sehr  hell  sind,  allerdings  ist  der  Färbet 


(231) 

ton  dann  hänftg  mehr  ein  lehmfarbener.  Die  schwäraesteD  Leote  in  Afrika,  wel 
ich  gesehen  habe,  waren  nicht  reine  Neger,  sondern  Mischlinge  berberischen  Bin 

Zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  befanden  sich  die  Fnibe  als  Hirten  Über 
ganze  Land  zerstreut,  ein  Theil  ron  ihnen  hatte  sich  aber  auch  schon  als  IIa 
werker  und  Schriftgelehrte  niedergelassen.  Sie  worden  von  der  herrschenden 
völkerung '  gedrückt  und  verspottet,  waren  aber  zugleich  strenge  Muhammeda 
während  die  grpsBe  Hasse  der  Baassa  damals  noch  dem  FetJachdienst  znnei 
Einem  bei  Sokoto  lebenden  Scheich,  Othman  dan  Fodie  oder  Schehn  Bonif 
mit  Namen,  gelang  es,  seine  Landslente  durch  begeisterte  Reden  und  Gesänge 
einem  Aufstand  gegen  die  ungläubigen  Unterdrücker  zu  begeistern.  Der  Ver 
des  nun  begonnenen  Krieges  ist  wohl  beispielloa  in  der  Geschichte  Afrikas. 

Im  Stnrm  eroberten  die  Fnlbe  das  Land.  Eine  Art  von  Lähmung  hatte  : 
ihrer  Gegner  bemächtigt,  denn  selbst  das  damals  schon  mächtige  Kano  öfTj 
seine  Thore  ohne  G^nwehr.  Dabei  ist  noch  zu  bemerken,  dass  die  Haussa  il 
Gegnern  in  Bezug  anf  Zahl  und  Bewaffnung  überlegen  waren  nnd  in  befestif 
Städten  wohnten.  Nur  in  Sana  unterwarf  sich  der  König  nicht  den  Eindringlinj 
sondern  wandte  sich  mit  seinen  Getreuen  nach  SUden,  wo  er  unter  den  Abuds 
Negern  ein  neaes  ßeich  grQndete.  Sein  Nachkomme  ist  noch  heute  ein  Feind 
jetzigen  Dynastie  und  nennt  sich  auch  noch  König  von  Sana. 

Othman  dan  Fodie  nahm  nun  für  sich  und  sein  Geschlecht  Besitz  von 
bestehenden  Thronen  und  gründete  eine  neue  Dynastie.  Allmählich  erlahmte  i 
der  Kriegsdrang  der  Fulbe,  die  noch  das  Reich  Nupe,  sowie  Theile  von  Yoi 
eroberten,  und  in  den  Städten  verloren  sie  bald  die  Eigenart  ihres  Wesens. 
Tcnnischten  sich  mit  den  Haussa  uud  bUsaten  dabei  in  den  meisten  Fällen 
eigenen  Sitten  und  Sprache  ein,  In  Sana,  was  zur  Zeit  des  Besuches 
Clapperton  noch  überwiegend  eine  Fulbcstadt  gewesen  zn  aein  scheint,  koi 
man  zur  Zeit  meines  Beauchca  kaum  noch  Spuren  davon  entdecken.  Mit  i 
nähme  einiger  kleiner  Städte  im  Norden,  ist  überall  jetzt  das  Hanssa-Eiement 
weitem  vorwiegend. 

Ungefähr  in  der  gleichen  Zeitepoche  des  Fulbekrieges  wurde  auch  von  B( 
aus  das  Reich  Fnmbina  oder  Adamana  begründet,  wobei  die  Fulbe  bis  in 
Küstengebiet  von  Kamerun  vordrangen.  Nach  den  wenigen  Städten,  die  ich 
besuchte,  zn  ortheüen,  scheint  sich  das  Fulbe-Element  ebenfalls  sehr  mit  dem 
eingebornen  Bevölkerung  vermischt  zu  haben,  doch  hat  sich  dort  die  Fulbe-Spn 
als  herrschend  erhalten. 

Noch  stetig  wird  aber  jetzt  das  Völkergewirr  vergrössert  durch  die  Anfsang 
kleinerer  Stämme  und  den  Import  von  Sklaven  aus  dem  Hinterlande  von  Adam 

Man  kann  jetzt  die  Bevälkenmg  der  Uaussaländer  in  folgende  Hanpigrui 
eintheilen: 

1)  Die  eigentlichen  HauBsa,  welche  durch  Sprache,  Zahl  u.  s.  w.  domini 
3)  die  Fulbe,  welche  sich  nur  noch  an  wenigen  Stellen  rein  gehalten  haben,  i 
im  Besitze  der  Throne  von  Sokoto,  Gandn  und  Adamana  sind;  3)  die  Fnlhe-Mi 
Stämme;  4)  die  zahlreichen  noch  im  Lande  zerstreut  lebenden  Heidenatäm 
5)  die  Nupe  nnd  Yomba,  sowie  6)  die  Bewohner  der  westlichen  Provinzen 
Gandureiches,  die  von  verschiedcntlichen  Völkern  des  alten  Sonrhaylandes  bewi 
werden. 

Ich  gehe  nnn  schnell  eine  Aufzählung  der  wichtigsten  Provinzen  oder  Ur 
königreiche,  nnd  zwar  nur  der  jetzt  bestehenden,  ohne  ana  Zeitmangel  auf 
alte  interessante  Eintheilung  einzugehen.  Zu  Sokoto  gehört  jetzt:  Erstens  die  1 
vinz  Sokoto   selbst,    femer  Samfara,   Katschena,   Keuio,    Bautschi,   Sario,   Goi 


(232) 

e   letztere  Provinz,   welche   direct   unter   dem  Thronfolger  ron^Tassani 

anch  ünterkönigreiche  jenseits  des  Bcnne  in  Dsctubbn  und  IbL  —  Aa< 
I  Rorrorofa  tat  schon  beinahe  ganz  von  Haussa  abhängig.  Zd  Saria,  am 
r  Sekselv  genannt,  gehören  KeHI  und  Anassarawa.  In  einem  gewissen  A 
itsverhältniss  soll  auch  das  Volk  der  Asbenana  (Imorschah)  stehen,  do< 
en  diese  sieb  wohl  aar  zeitweise  freiwillig,  wenn  sie  des  Salzhande 
e  Städte  besuchen, 
r  dem  Emir  von  Gandu  befindet  sich  ein  Theit  von  Kebbi.  Hanri,  Sabenn 

Gnrma  scheinen  jetzt  sehr  wenig  abhängig  zu  sein.  Hingegen  zahlt  d( 
Königreich  Nupe,  sowie  ein  Theil  von  Yomba  mit  der  bedeutenden  Stai 
loray)  an  Gandu  Tribut. 

laraaua  stehen  unter  dem  mächtigen  Sultan  von  Jola  Oasska,  Baguio,  Tibai 
■e. 

Sultan  von  Sokoto  ist  als  sseriki-n-musolmin,  d.  i.  Beherrscher  d 
1,  der  Oberherr  aller  Haussa.  Jährlich  einmal  finden  sich  die  direct  unb 
:epter  lebenden  Könige  ein,  um  Tribut  zu  zahlen,  den  er  auch  manehm 
er  Zeit  erhebt.  Er  kann  Könige  ab-  und  einsetzen.  Das  Hofleben  i 
entwickelt.  Jeder  grosse  Konig  hat  seine  Minister,  Generale,  CeremonJei 
ftichter,  Priester,  Schreiber. 

König  ist  die  höchste  Instanz  tili  die  Kechtsprechung,  die  sonst  vo 
oder  OrtSTorBtand  ausgeübt  wird.  Der  Religion  nach  bekennen  sich  d 
um  Islam,  welche  Glaubeuslehre  in  Westafrika,  sogar  oft  da,  wo  sie,  w 
lUste,  mit  dem  Christenthum  coucurrirt,  beständig  mehr  Anhänger  g 
lie  gebildeteren  Haussa  sind  zwar  fromm,  aber  nicht  fanatische  Mohomm 
ler  jedoch  die  Pnlbe,  welche  auch  von  strengeren  Sitten  sind.  Die  g 
;n  Leute  besitzen  nur  einige  Aeusserlichkeiten  der  Religion  und  sir 
m  sie  eine  Sure  des  Koran  herplappem  können, 
len  und  Priester  giebt  es  in  allen  Städten, 
rerei,  eine  uralte  Sitte  bei  den  meisten  rohen  nnd  Halbcnlturrölkem,  bestel 

den  Haussa,  doch  tritt  sie  hier  in  einer  sehr  milden  Form  auf.  Der  Sklai 
ins  nicht  rechtlos,  die  Behandlung  eine  sehr  gute.  Er  kann  zu  hohen  Ehrci 
>wie  zu  einer  gewissen  Selbständigkeit  kommen,  seine  Rinder  bleiben  jedot 
u  Herrn  hörig.  Verwerflich  sind  eigentlich  nur  die  aus  Beuteinst  imte 
n  Jagden.  Man  mnss  das  Haussaland  in  seinem  nördlichen  Theile  a 
ölkert  bezeichnen.  Bei  Tagesmärschen  von  6—10  Stunden  passirtcn  w 
rs  3—10  Städte  und  Dörfer.  Die  Hauptorte,  wie  Keffi,  Sana,  Bautscb 
klschena,  Sokoto,  Wumu,  wären  selbst  nach  unseren  Begriffen  schon  Mitte 
1    nennen.     Kano,    die  reichste  und  volles chrittenste  Stadt,    mag  wohl  t 

Einwohner  haben.  Annähernd  so  gross  ist  Jacoba-n-Bautschi.  Zu 
vor  feindlichen  Uebcrfällen  sind  die  Städte  mit  einem  Graben  und  mel 
liger  hohen  Mauern  umgeben  und  gewähren  von  aussen  einen  beinal 
fliehen  Eindruck,  nur  dass  die  höheren  Thürroe  fehlen.  Die  Thoreingäni 
rmartig  befestigt.  Die  Thilren  werden  thcilweise  durch  die  bekannte 
isscr  geschlossen,  zu  denen  ein  Oherwächter  den  ScblUssel  hat 
Form  der  Lehmhäuser  ist  die  runde,  mit  spitzem,  kegligem  Dache.  I 
1  gehört  eine  Anzahl  von  Häascm  zu  einem  Gehöft,  das  mit  einer  Mani 
m  Zaun  umgeben  ist.  Der  Eingang  geht  durch  ein  offenes  Durchgangsbau 
üs  Versammlungsort  oder  Oastherbe^  benutzt  wird. 
en  Städten  gicbt  es  jedoch  auch  schon  grössere,  rechtwinklige  Hänser  m 


(233) 


zwei  Stockwerken,  während  man  in  Rönigspalästen  and  einigen  Moscheen  schon 
Hallen  mit  kuppelförmigen  Decken  findet 

Die  redegewandten,  intriguenhaften  und  verschmitzten  Haassa  sind  geborne 
Ranfleute  und  besitzen  ein  ganz  herrorragendes  Handelstalcnt.  Handeln  und 
Schachern  ist  neben  Schwatzen  und  Schlafen  ihre  Lieblingsunterhaltung.  Grössere 
Rarawanenzüge  von  kleineren  Leuten  oder  reichen  Händlern,  die  für  weite 
Reisen  einen  Führer  oder  Madugu  wählen,  werden  von  den  Haussa  nach 
Adamaua  zur  Erlangung  von  Elfenbein  und  Sklaven  und  nach  Fanti,  dem 
Hinterlande  von  Accra  und  Togo,  zum  Einkauf  der  Goro  oder  Rolanüsse  unter- 
nommen. Die  Rolanüsse  sind  das  beliebteste  Genussmittel,  welches  vom  Rönigc 
bis  zum  Träger  hinab  gekaut  wird.  Nirgends  jedoch  liabe  ich  die  Rolanuss  als 
Anregungsmittel  bei  Strapazen  angewandt  gesehen.  Der  Preis  einer  Goro  schwankt 
in  den  Haussaländem  zwischen  50 — 400  Rauri.  (Mit  2—400  Rauh  kann  sich 
schon  ein  Mann  pro  Tag  ernähren.)  Die  Raurischnecken  bilden  den  Werthmesser, 
auf  den  Alles  zurückgeführt  wird.  Ein  Sack  enthält  20  000  Stück.  Grössere  Gegen- 
stände werden  indessen  auch  mit  Gewändern  und  Sklaven  bezahlt. 

An  den  Hauptstrassen  der  Stadt  sitzen,  ebenso  wie  an  den  Rnotenpunkten  der 
Landstrassen,  Händlerinnen,  welche  Lebensmittel  und  Getränke  verkaufen.  Das 
Haupttreiben  entwickelt  sich  indessen  auf  dem  Markte.  Dieser  ist  gleichsam  der 
Sammelpunkt  für  das  gesammte  Erwerbsleben  der  Stadt.  Hier  gehen  aber  auch 
Leute  hin,  um  Neuigkeiten  auszutauschen  und  zu  plaudern.  Ebenso  werden  wich- 
tige Bekanntmachungen  des  Rönigs  hier  ausgerufen.  Die  Stände  für  die  verschie- 
denen Arten  von  Waaren  sind  getrennt.  Rurzwaaren  und  Tuche  werden  von 
fliegenden  Händlern  auf  dem  Ropfe  zur  Schau  herumgetragen.  Auch  die  Handels- 
vermittler, als  Commissionäre  und  Makler,  fehlen  nicht;  ihnen  steht  eine  be- 
stimmte Provision  zu. 

Sehr  entwickelt  ist  aber  auch  in  den  Haussaländem  die  Industrie.  Diese  setzt 
die  Einwohner  in  Stand,  nicht  allein  alle  ihre  Bedürfnissartikel,  sondern  auch 
Luxusgegenstände  selbst  herzustellen.  Im  Anfang  war  ich  der  Meinung,  dass  die 
Araber  einen  grossen  Einfluss  auf  die  Entwicklung  des  Handwerkes  und  den 
Geschmack  der  Haussa  ausgeübt  hätten.  Ich  kam  aber  später  zu  der  Ansicht, 
dass  dies  nicht  im  wesentlichen  Maasse  der  Fall  gewesen  ist,  dass  vielmehr  wohl 
die  Fulbe  und  die  Berber,  soweit  es  sich  nicht  um  eine  eigene  autochthone  afri- 
kanische Runst  handelt,  belehrend  gewirkt  haben.  Hervorzuheben  ist  vor  allem 
die  Textilindustrie.  Vorzügliche  Baumwolle  wird  im  Lande  gebaut.  Pleissige 
Weiber  zupfen  sie  mit  einem  Bogen  und  spinnen  sie  mit  Wirtein,  deren  be- 
schwerende Thonkugeln  oft  bunt  bemalt  sind,  zu  Fäden,  die  sie  dann  später  bis 
zur  ziemlichen  Feinheit  drehen.  Auf  einem  einfachen  Webstuhl  stellt  der  Weber 
dann  5—6  cm  schmale  Streifen  her,  welche  darauf  zu  einem  breiten  Stück  zu- 
sammengenäht werden. 

Die  Färbung  geschieht  entweder  im  Faden  oder,  wie  bei  den  tief  blauschwarzen 
Gewändern,  im  Stück.  Man  muss  den  Geschmack  der  Leute  bewundem,  denn 
keine  schreiende  Farbenzusaroraen Stellung  beleidigt  das  Auge.  Das  Hauptfärbe- 
mittel  ist  Indigo,  der  hier  in  sehr  guter  Qualität  gewonnen  wird. 

Die  Färberei,  die  ebenso  wie  die  Weberei  ein  Männerhandwei;k  ist,  steht  in 
der  Ranogegend  in  der  höchsten  Blüthe;  dort  werden  namentlich  die  tief  blau- 
schwarzen Gewänder,  denen  man  durch  Rlopfen  einen  appreturartigen  Glanz  ver- 
leiht, als  EIxportartikel  hergestellt.  Zum  Rothfärben  nimmt  man  verschiedene 
Pflanzen,  eine  Sorghumari,  sowie  Baphia  nitida.  Endlich  sah  ich  noch  ocker- 
artige,   sowie   violette  Färbungen,   letztere   aber  selten.    Sehr  beliebt  ist  eine  Art 


li 


r 
\ 


*.' 


(234) 

ir  weisser  Gewänder  mit  rothem  Unterbesatz,  ich  bemerke  aber  gleich,  daea  dan 
feinsten  Qualitäten  in  Nupc  und  in  der  Yombastadt  Ilorin  (Elorny)  angererti 
len.    Ferner  giebt  es  gitterartig  weiss  und  blau  gestreifle,   ganz  bunte  u.  h. 

Ein  Schneider  besorgt  das  Zusammennähen  des  langen  Haussage  wand  es,  de 
:nannten  sudanesischen  Hemde,  das  sogar  von  Arabern  getragen  wird.  Zu 
en  der  Gewiinder  benutzt  man  einen  stärkeren  Zwirn,  von  der  Seide  ein 
rniden.  Uehrigens  kommt  auch  schon  europäische  Seide  auf  dem  W^c  d 
ichenhandels.  ins    Land.    .Besonders    geschickte  Leute    versehen   den  Bnistli 

weisser,  blauer,  namentlich  aber  grüner  Stickerei  von  eigenartigem  Mast« 
ISO  die  engen  Enden  der  weiten  Hosen.  Natürlich  machen  billige  enropäiscl 
indwaarcn  schon  erhebliche  Concurrcnz,  doch  können  sie  an  Haltbarkeit  nie 

den   einheimischen  Stoffen  concnrriren.    Der  Preis  eines  Gewandes  schwan 

8000—100000  Kauri.  Beraerkenswerlh  ist,  dass  Haussa-  und  Nnpegewänd 
u  starken  Exportartikel  nach  den  Tuare^lündem  bilden,  sie  gehen  aber  am 
nach  Bornu,  Mnrzuk,  dem  Hinlerlande  von  Accra  und  Togo,  sowie  nach  Lage 

sie  von  frommen  Gläubigen  mit  2 — 10  Pfd.  Sterl.  pro-  Stück  bezahlt  werde 
rend  man  dort  schon  europäische  Anzüge  fUr  1  Pfd.  Sterl.  erhält.  Sogar  nai 
lilien  sollen  Hanssa-Stoffe  ansgeftthrt  werden. 

Nächst  der  Weberei  ist  die  Lederindustrie  entwickelt.  Auch  hier  sind  die  g 
□ackvollen  Huster,  welche  theils  durch  Zusammensetzung  von  bunten  Stücke 
la  durch  Radiren  von  Flächen  oder  Einpressen  von  Linien  erzeugt  werde 
t  bemerkenswerth.  Hergestellt  werden:  Sandalen,  Pantoffeln,  Schuhe,  Stiefi 
er  Sattel-  und  Zaumzeug,  Taschen,  Gebetbuchdeckel  u.  a.  w. 

Sandalen,  sowie  Oel-  und  Buttergefässe,  Spiegelbüchsen  und  andere  kleii 
älter  werden  ans  Fell  und  Haut,  die  übrigen  Sachen  ans  gegerbtem  Leder  g 
ht.  Ziegcnleder  und  Schafleder  wendet  man  für  feinere  Sachen  an.  Getär 
I  das  Leder  roth,  schwarz,  gelb,  grün.  Grünes  Leder  wird  indessen  auch  v< 
lins  eingeführt.    Gelbe  und  rothc  Haassa-Panloffel   findet  man  weit  Tcrbreiti 

Als  ein  hauptsächlich  es  Handwerk  nenne  ich  noch  die  Schmiedekunst,  die 
i   afrikanische  Völker,   vielleicht  schon  seit  Jahrtausenden,  kennen.    Die  Gfi 

heigeslellten  Sachen  hängt  natürlich  sehr  von  der  Geschicklichkeit  der  ei 
en  Person  ab.  Mit  einem  einzigen  Hammer  und  Ambos  kann  ein  geschickt 
nied  schon  viel  leisten,  indessen  besitzen  die  Hanssa-Scbmiede  bereits  Hammt 
ms,  Zange,  Blechscheere,  Feile,  Blasebalg  und  Holzkohlen.  Natürlich  könni 
Werkzeuge  sich  nicht  mit  earopäischen  messen,  aber  sie  genügen  doch  w 
rührung  zierlicher  und  brauchbarer  Sachen.  So  brachte  ich  z.  B.  ein  ärztlich' 
scr  von  ziemlicher  Feinheit  der  Schneide  mit-  Die  Schmiedekunst  stellt  a] 
enstände  dar,  die  zum  Haushalt,  Ackerbau,  Zaumzeug,  Bewaffnung  n.  s.  w.  g 
icht  werden.  Die  Klingen  der  grossen  Hau ssa-Sch werter  bestehen  jedoch  meiste] 

eingeführtem  Material.  Zu  den  Arbeiten  der  feineren  Schmiede  gehOren  aui 
1  die  eines  Gclbgiessers  und  Gürtlers.  Von  einem  besonders  gescliickt4 
mied  erhielt  ich  sogar  silberne  Broschen  von  eigenartiger  Form.  Die  Stellm 
Schmiede  ist  hier  nicht  untergeordnet,  wie  bei  manchen  afrikanischen  Völker 

Die  übrigen  Handwerke  streife  ich  nur  flüchtig. 

Die  Korbflechterei  liefert  schöne  Matten  mit  interessanten  Mustern,  Schüssel 
kel  zu  Calabassen  u.  s.  w.  Auch  hier  zeigt  sich  guter  Geschmack.  Ich  b 
ke  indessen,  doas  auch  sehr  schöne  Matten  bei  den  tiefer  stehenden  Egbin 
em  am  Benue  hergestellt  werden.  Tischlerei  cxistirt,  hauptsächlich  wohl 
^  des  Mangels  an  brauchbarem  Holze,  nicht   Aus  Holz  geschnitzt  werden  d 


(235) 

kleinen  Schemel  für  die  Weiber,  grosse  Essgefässe,  Mörser  u.  s.  w.  Doch  leisten 
in  der  Schnitzerei  tiefer  stehende  Negervölker  ebenso  Gutes.  Viele  Gefässe  für 
den  Hanshalt  liefert  die  Schale  des  Kürbis  (sogenannte  Galabassen),  die  entweder 
durch  Schnitzereien  oder  Bemal ungen  verziert  werden.  Kleinere  Gefässe  stammen 
von  den  Früchten  einer  Strychnacee.  Die  Töpferei  versorgt  den  Haushalt  mit 
Wasser-  und  Kochgcfassen,  Lampen,  Krügen,  Pfeifenköpfen  u.  s.  w.  Bemerken 
will  ich  bei  den  Pfeifenköpfen,  dass  die  gebildeten  Haussa  wohl  in  Folge  des 
puritanischen  Einflusses  der  Fulbe  nicht  rauchen;  nur  einige  Leute  aus  dem  Volke, 
namentlich  aber  die  noch  unabhängigen  Heiden  rauchen  mit  Vorliebe.  Hingegen 
kauen  die  Haussa  gern  Tabak  mit  etwas  Natron  vermischt,  wenn  ihnen  Goronüsse 
fehlen.  Nicht  unerwähnt  lasse  ich  die  Einlegearbeiten  bei  der  Herstellung 
von  Armringen,  wobei  Messing  in  hartes  Holz  tauschirt  wird.  Die  Assbins 
legen  Messing  in  Eisen  ein.  Die  Nupe  besitzen  sogar  eine  Art  Glasindustrie, 
indem  sie  buntgefärbte  Armringe  aus  dem  Glase  von  europäischen  Flaschen 
schmelzen. 

Ich  nenne  nun  noch  einige  Gewerbe.  In  grossen  Städten  giebt  es  eigene 
Fleischer.  Fahrende  Gaukler  und  Musikanten  findet  man  im  ganzen  Lande  zer- 
streut. Einige  Herrscher  halten  sich  Kapellen  von  Singe-  und  Spielweibem,  welche 
keine  legitime  Ehe  eingehen  dürfen. 

Die  Heifkunst  steht  noch  auf  einer  verhältnissmässig  niedrigen  Stufe.  Sic 
wird  erstens  ausgeübt  von  Priestern  und  klugen  Leuten  durch  Besprechen,  Be- 
speien, Aufschreiben  von  Koransprüchen.  Amulette,  die  unverwundbar  machen 
sollen,  sind  ebenfalls  dort  zu  haben.  Femer  giebt  es  eine  Anzahl  ron  Hausmitteln, 
unter  denen  manches  Brauchbare  sein  mag.  Ein  recht  harmloses  Mittel  ist  Butter. 
Thees  gegen  Husten,  Pillen  gegen  verdorbenen  Magen  bringen  die  Tuaregghändler. 
Herumziehende  Barbiere  setzen  auf  Verlangen  Schröpfköpfe.  Bei  einem  solchen 
Doctor  fand  ich  ein  interessantes  Besteck,  welches  ich  erworben  habe.  Es  ent- 
hielt Rasirmesser,  Hom  und  Messer  zum  Schröpfen,  Zahnzange  und  ein  etwas 
complicirtes  Instrument,  welches  zum  Herausholen  einer  weissen  Masse  aus  dem 
Kehlkopf  dienen  sollte;  namentlich  Kinder  leiden  nach  der  Beschreibung  an  dieser 
Krankheit,  die  vielleicht  der  Bräune  ähnlich  ist.  Pincetten  zum  Herausziehen  von 
Domen  aus  den  Füssen  sind  ebenfalls  bekannt.  Es  giebt  auch  Medicinen  für  die 
Pferde,  und  Schmiede  besorgen  das  Ausbrennen  von  eiternden  Drackstellen. 

Bei  dem  Thema  Krankheiten  erwähne  ich  noch,  dass  auch  diese  Gegenden  nicht 
frei  von  Malaria  sind  und  selbst  die  Haussa  an  Fieber  leiden  und  einen  eigenen 
Namen  dafür  haben.  Hier  kann  wohl  das  Mitschleppen  der  Krankheitskeime  aus 
einer  inficirten  Gegend  nicht  ins  Gewicht  fallen,  denn  Keisende,  die  von  Nordafrika 
kamen,  sowie  die  in  Folge  ihrer  häufigeren  Vermischung  mit  Negerblut  widerstands- 
fähigeren Araber  sind  hier  ebenfalls  erkrankt  und  gestorben.  Eine  Erhebung  von 
1500— 2000  Fuss  über  dem  Meeresspiegel  hat  meiner  Ansicht  nach  nichts  für  eine 
Besserang  zu  besagen.  Auch  in  den  von  mir  besuchten  Orten  der  Westküste  tritt 
die  Malaria  mit  ihren  Folgeerkrankungen  in  einer  besonders  heftigen  Form  auf, 
und  wenn  auch  durch  hygieinische  Verbesserungen  die  Zahl  der  Todesfälle  unter 
den  Europäern  sehr  verringert  werden  kann,  so  wird  das  Klima  doch  stets  Opfer 
fordern  und  nur  einen  bedingungsweisen  Aufenthalt  gestatten.  Aussätzige,  Blinde, 
Krüppel  sieht  man  häufig  bettelnd  an  den  Strassen  sitzend.  Albinos  habe  ich  in 
einem  Falle  beobachtet,  partielle  Färbung  der  Haut  häufiger.  Elephantiasis  konnte 
ich  im  Innern  nicht  constatiren,  wohl  aber  häufig  am  Benue  und  einen  Fall 
an  der  Küste.     Am  Benue  und  Niger   kommen   noch  Erkrankungen  am  Guinea- 


(236) 

Jen  häufig  an  Dysenterie.  Während  meiner  Re 
ünner  zu  Gesicht. 

h  wegen  der  Kürze  der  Zeit  nicht  eingehen.  I 
ghnni,  Penicillaria  und  Erdntisso,  daneben  Rt 
i,  Manihot,  Colocosieii  und  anderes  mehr.   \Vei2 

solche  getrieben  wird,  liegt  in  den  Händen  < 
1,  der  Esel,  das  Buckelrind,  das  Schaar,  die  Zi^ 
re  sehr  selten).  Ferner  das  Huhn,  die  Ente,  t 
m  in  wenigen  Exemplaren  das  Dromedar  nnd  i 
i  der  Regenzeit  schlecht. 

ic  Kleidung.  Alle  männlichen  Uaussa  b^gen  ( 
ogcnes   Schamtnch.     Die   halbwegs   vennägend 

das  hemdnrtige  Gewand.  Das  geschorene  Elai 
ipe,  Turban  oder  Strohhat  bedeckt.  Könige  u 
ichleier.  Von  Arabern  eingeführt  ist  der  Run 
ie  Träger  auf  dem  Marsche  lassen  das  eine  oti 
ort.  Ganz  arme  Sklaven  haben  auch  wohl  m 
:h.  In  Samfaro  traf  ich  bei  der  Landbevölkero 
t  die  Männer  nicht  baiTuss  laufen,  gebrauchen  1 
Reiten  Schuhe  mit  Sporen  oder  höbe  Stiefel.     I 

Wattepan zerre iter.  Mädchen,  sowie  arme  Frau 
über  die  Knie  gehendes  Unischlagetucb.  Vcrh< 
n  längeres,  welches  von  den  Achselhöhlen  bis 
aen  tragen  darüber  noch  ein  Tuch.  In  Kauo  s 
hemdartige  Gewänder, 
lussaländern  eine  geachtete  Stellung  und  zieralic 

Ringen  um  den  Oberarm  und  behängen  sieb  n 
m  sich  die  Augenrändcr  mit  Bleiglanz,  sowie  c: 
iVauen  die  Fingernägel  mit  Henna,  die  Haare  d 
[ilz  und  die  Zähne  mit  einer  Art  Kolanuss.  E 
t>,    die    Arme    und  Beine  PerlenschnUre,    Spange 

es  ganz  bestimmte  Moden.   Ohrringe,  Fingerring 

eben  fall  a. 

iiden,  welche  sich  in  das  Gebirge  anf  Felsen  oder 
1  haben,  gehen  die  Frauen  ganz  nackt  oder  trag 
gsstück,  welches  aus  zwei  Lappen  von  der  Gros 
Diese  Lnppen  werden  vermittelst  einer  Schnur  : 
ben  nur  eine  Lederschnur  um  den  Leib  gebundt 

Blätter  oder  Gras  gesteckt  werden.  Die  Kort 
und  Unterlippe  und  fügen  ein  rundes  Holz-,  GIü 

welche  die  Haussaländer  berühren,  nenne  ich  I)  d 
dels  wegen  in  einer  Anzahl  von  (M)— lüü  Peraou< 
iM  in  anderen  Hanplsädten  auf  oder  durchziehe 
höfcn  schmarotzend,  das  Land.  Von  den  fromm< 
1  Scherif  beehrt  In  weit  grösserer  Anzahl  komm< 
id  Berbervölker,  um  Uus  Salz  aus  den  Sebchaa  d 


Teda,  sowie  Strai 
Getreide  und  Skli 
wo  weder  Araber 
Vieh,  Yoruba-  ui 
liagoa  durchziehe 
Bald  Werder 
denn  an  den  Uf 
Pactorcien.  Auch 
dort  ohne  den  B 
die  wirihschaRlic 
die  Ans  fahr  aus 
hättnisamässig  ai 
Deutsche  auch  I 
thcitigen.  — 

Hr.  Bartma 
Länder  anzutrefTi 
rühmten  entspret 
jenen  westlichen 
tion  sei.  — 

Hr.  Staadin 
wird  vielfach  eini 

(24)  Hr.  Ehi 

(25)  Hr.  EU! 


(■26)  Hr.  G.. 
aammlung  in  B 
Hommaen  in  Bi 

(27)  Hr.  tVit 
Mittheilungen  (V. 

vopge 
„Meinem  Ve 
Höhlenproducte  z 
begreiflich  und 
damals  höher  gc 
und  dass  da  wc 
Zeitperiode  fiel. 
Thaynger,  an  Ort 

1)  öftere  U( 

2)  Einsch' 
Schönei 

Sämmtliche  P 
G^eod   weithin 


rheil  nach  dfr  Karte  Siegfried  (i 
ert,  &bo  1  :  5OO0O).  A  B&disi 
ave  ßüsingeii,  S.  W.  Scbaffhsn 
1,  1  Hexenlhnl,  2,  2  Holdem 
9sweg,  4  RohleDgrabeii,  5  Weg  n, 
ffhauseo  und  Ulin,  6  Oenoersbrn 


tO  m  nnd  mehr  hohe  Flnhwand  ä 
Fwanner  grossen  Felsenhöhle, 
iciehnet  von  der  Bahngtation. 


üren).  Dass  bei  solchen  Cult 
z  andere,  als  eine  Wohnbedi 
ganz  abgesehen  von  der  me 
I,  wie  des  Aensseren.  Letzte 
tindc-  and  Staatszweckc 

sich  Weiler  bestätigen,  zei; 
[i'ciscn  in  grösserem  Haasssts 

wie  ira  Kichtclgebirge  und 
lle:  einen  im   Solothnmcr  Jd 


ch  in  anderen  Ländern  heute  ni 
n  Alpen,  uls  Käse-  und  AlpeDböt 
len,  go^pnaber  dem  EinfloM  i 
rtahel  eingerichtet  mitThfirfii  i 


Kattenbild  nach  Dufonr  (verkleinert,  daher 
1  :  200000),  —  KantoDBgrenze  zwischen 
Bern  and  Neuenbnrg.  B.  S.  Bieter  See.  8. 
Spitiberg.  1  Partier,  2  Siesse,  3  Lamboing, 
4TTaniiberg,6HDhlen,  fiPreles,  TWeiden, 
8  Ligoiere,  9  Monlin  blanc,  10  NeuTeville, 
U  Ligen,  12  Twann,  18  Gaicht,  I  Schalen- 
stein, jetzt  im  englischen  Gaften  zu  Neuen- 
bürg, II  Schalen  stein,  Jetzt  im  Antiquarium 
lu  Bern  (Darstellung  des  Tessenhergs  und 
des  Landes  bis  und  mit  Biel),  III  Scbalen- 
stein,  IT  Stein  in  der  Hohle,  «ahiechein- 
lich  Schalenstein,  V  Grosser  Wackelstein 
mit  einer  ansgedehnteu  Fl&che.  s  Grosse 
Höhle  in  der  Tranner  Bachschlucht. 


Nr.  76  der  Thajnger  Höhlenfunde,  natflrl. 
Grösse.    Knochen  plfittcheo. 


A\ 


Sartenbil 
I  Klettga 
IV  Höhg 
Waldhut 
öschingei 
7  StflUii 
10  Epfen 
13  ßlnm« 
honen,  If 
hofen,  IS 
Stoffeb, ! 
twiel,  25 
krähen,  E 
31  Tha; 
34  Rande 
meuthal, 
■  39  Ober- 
42  Hasl» 

48  Eglisa 

ten,  52  A 

54  Bassdi 

57 


T.  Für  heute  sende  ich  Ihnen  zar  E^ilnznng 
thaler  Höhle  (das  Ten  felsloch)  liei  Schaffhauae 
wie  ich  eolche  skizzirte  trotz  Wald  und  Gestrüpp  ( 
Kehr  wohl,  trotzdem  ich  nur  einige  Hauptmerkmi 
ist  die  Figur  A  der  Höhlengeographie  and  Ä  der  a 
Sie  sind  viel  ähnlicher,  als  das  A  ans  der  K 
Bxactbeit  der  nrgeschichtlichen  Feldmesser,  i 
Niian9en  wiedergaben,  ist  mir  schon  oft  aufgefall 
sende,  sind  meinerseits  nie  ganz  mathemathlse 


(240) 

Ic  Zeit  mangelte,  da  ich  aie  Dar  gelcgcnilich,  bei  Esporlisen  u.  s. 

I  Aagnst  dieses  Jahres  nahm  ieh  aach  einmal,  aber  ganz  flüchtig  o 
I,  da  ich  nur  eine  fernere  Bestätigung  suchh;,  den  oberen  Thei)  d 
ihic  ob  Twann  and  Ligcrz  (der  Bicler  Insel  gegenüber)  aaf  (Pig. ' 
da:  auch  hier  tritt  nach  dem  Kartenbild  (Fig.  5,  Dafour  1  :  lOOCM. 
zu  verkennende  Aehnüchkeit  auf,  die  bei  einer  photographiach 
genauen  Zeichnung  ganz  schlagend  wird. 

ihle  liegt  mehr  als  thormhoch  nördlich  ob  dem  Städtchen  Twann 
ialen  Felscngruppc.  Der  Ort  hatte  oder  hat  auch  einen  Kephaloid  be 
aber  sehr  verwittert;  davor  im  See  war  ein  Prahlbau.  Die  Höhle 
und  iicigt  Steinbearbeitung  roher  Art.  Man  spricht  von  einer  Kan: 
In  der  Mitte  befindet  sich  ein  grösserer  Stein  von  Katktuff  (Fig.  !>,  l\ 
lila  ein  Zeichen-  oder  Schalenstein  ist  (wenn  er  erst  abgeklopft  b» 
',  Edm.  V.  Fellenberg  hat  ihn  schon  einmal  beschrieben  im  Zllrct 
)  Diese  Gegend  ist  sehr  reich  an  vorgeschichtlichen  Dingen,  neb 
Buten,  Interessant  ist  der  mächtige  Hohl-  oder  Wackelstein  in  Gai( 
der  aber  nicht  mehr  wackelt,  weil  er  seine  Ralkunterlage  abgcdrU< 
ler  Höhle  aus  und  vom  genannten  Stein  besonders  hat  man  eine  groi 
icht  über  See,  Hügel  und  Alpenschweiz. 

sin  von  Lamboing,  den  Hr.  v.  Fcllenberg  anf  meine  Veranlassung  na 
en  liess,  ist  der,  welcher  die  Stadt  Biel  im  Grundriss  enthält,  gs 
teren  Karten.  Ist  dies  möglich?  werden  Sie  fragen,  —  es  ist  so. 
Übersichtskarte  über  den  sogenannten  Dcssenberg  (Diesse),  in  vi 
her,  römischer  and  mittelalterlicher  Zeit  eine  berUhmtc  Verkehrsac 
;nbarg-Genr). 

an  zu  den  beiden  Knochenblättchen,  welche  in  der  Thayng 
unden  wurden  und  von  denen  eines  im  Schaffhauser,  eines  im  Gonstiui: 
gt  (in  Merk'a  Buch  betr.  Grabung  Nr.  TG  und  77).  Nach  Analogie  meii 
I  fand  ich  beifolgende  Kartenbilder  dazu.  Die  Blättchen  sind  kein  es  wc 
wie  man  annahm,  sondern  bilden  offenbar  eine  Abgrenzung  im  Umri 
(Fig.  ü):  das  Strasscngebiet  durch  die  wahrscheinlich  von  gleich 
cwohntcn  Thäler  und  Höhen,  welche  heute  noch  existiren.  So  crkl 
Ige  das  Dörfchen  Heramenthal  (erste  Linie  von  links,  Nr.  36  in  Fig. 
teste  Ortschaft  im  Kanton  Schaffhausen  und  der  Kirchhaldor  Bu 
ak,  die  Spitze,  Höhe)  ist  eine  weitschauende  Erd-  und  Felsenburg  t 
les  Rimdcns  (Nr.  3.)  in  Fig.  7).  Es  war  die  urültcstc  Strasse  von  Oal 
in  und  Nordwesten  von  Thayngen  her,  an  den  3  Höhlen  und  den  „d 
"  (Pantli)  vorüber.  Man  kann  manchmal  ganz  gut  mit  dem  Zirkel  na( 
>chr  sprechend  sind  die  beiden  Schalen.  Eine  bezeichnet  Dörflingen  (ö 
:  noch  ein  wichtiger  Verkehrspunkt  (Nr  bii  in  Fig.  7);  dann  aber  ist  si 
und  Ubereinätimmend  der  westliche  King  (I  in  Fig.  7),  der  die  heute  no 
de  liegenden  Haupturtc  des  Klettgaues  bezeichnet,  das  wabruheinli 
lebict  der  Thayngcr  gehörte.  Das  Kletigna  ist  die  Schraalzgrabe  c 
huffhausen,  wie  überhaupt  der  Schweiz,  von  unerschöpflicher  Fmchtb: 
überhaupt  die  Gegend  kennt  (ich  habe  dort  2  Jahre  gelebt),  der  erkei 
ledeutung  des  Blütlclien.s  Es  sind  die  Hauptstnissen,  von  denen  heute  nc 
I  gehen,  wie  II  nach  dem  Norden  (Ilcmmenihul  ist  vergangen  und  dm 
Neukirch  ersetzt),  IV  nach  Stuttgart  imd  Ulm,  V  von  Uieaenhofen  na 
über  Feuerthalen,  ebenso  Rbeinan  ebendahin.    Uebcr  Ralz  nach  Zun 


südlich,  westlich  nach  Kais 
keltisch).  Durchs  Klettgau 
bozcichnet,  oder  galt  hierfl 
Nr.  77  (Pig.  8)  scheint 
sichtskartG  über  den  entfe 
damaligen  Höh-  imd  Klett^ 
Rciatcr  zu  sein.  Das  K 
ziemlich  die  Geschichte  dei 
Gebend').  Aach  hier  läs: 
dem  Zirkel  vergleichen 
nuiigen,  und  selbst  der  B< 
Zorall,  sondern  ist  nach  ei: 
und  mittelst  Zirkels  o 
Punkt  ■}■  (Fig.  9)  zwischen 
rum)  und  Bülach  aus,  a] 
blosser  Zufall  oder  Berechr 
Vergleiche  c 


Nach  einer  alten  Karte  von  F 

1  Speier,  2  Sinsheim,  3  Oo 
gart,  8  Karlsrnhe,  9  Pfor»» 
U  Böblingen,  löRottweil,  ! 
'JO  V\m,  31  Ellwangen,  22  fl 
26  Thajngen,  27  Eadolfzel 
31  Bregenz,  32  Wtddsee,  33 
hauaen,  38  Thoni),  39  Epii 
44  Säckingen,  45  Waldshnt, 
Züricher  See),  60  Bula 

1)  Ednard  im  Tharn  ss« 
Herrschaft  am  Oberrhein  solle 
gewohnt  haben  (vgl.  Ring,  Ni 

VtrIiiadU  üei  BetL  AuUKopnl.  G 


0 

schichte  darf  man  jedoch  tIdI  annehm 
ese  beiden  Blättchen  sind  sehr  originc 
doch  in  unseren  Tagen  ganz  Aehnlich 
^enersbrllnste  in  der  Nacht;  ja  sogar  <J 
isebeg) eitern  nnd   AfBchen   sehen  ga 

ser  Richtung  mÜBBCD  sich  nun  anch  d 
und  die  Werke  von  Caraac  (Prankreic 
sich  daranf  verlegen  könnte.  — 

Hrn.  Rödiger   haben   gewiss   riel  Vi 

Reihe  von  Mittheilungen  über  ähnlic 

welche  die  aufgeworfene  Frage  unser 

baicbtigt,  das  Ganze  in  einem  grösser 

die  Gelegenheit  zu  einer  veigleichend 

wird  sich  dann  herausstellen,   dass  H( 

t  und  dasa  die  Gleichzeitigkeit  der  Hi 

en  werden  kann,  aber  man  wird  nicht  ui 

hin  können,  zozngestehen,  dass  hier  e 

ernsthaftes  Problem   vorliegt,   welch 

neue  Gesichtspunkte  in  grösserer  Za 

eröffnet  — 

(28)  Hr.  Voss  legt  ein  nach  sein' 
Angaben  angefertigtes  Instrument  v< 
welches  bei  Ansgrabnugen  fDr  die  sn 
tilen  Arbeiten,  vollständige  Preilegui 
und  Herausnehmen  der  Fundgege 
stände  selbst,  zn  welcher  Schaufel  ui 
Spaten  zu  ungeschickt  sind,  Verwc 
diuig  Anden  soll.  Dasselbe  ist  aus  stt 
kern  Eisenblech  gebogen,  20  cm  la 
und  an  der  breitesten  Stelle  b  cmbn 
Es  besteht,  wie  die  Abbildung  zeij 
aus  einem  hakenfönnig  umgebogene 
and  einem  löffclförmig  gestalteten  En 
theile,  welche  beide  durch  einen  röhre 
rörmig  zusaramcngebogcnen  Mittelthi 
mit  einander  verbunden  sind,  und  v< 
einigt,  wie  leicht  ersichtlich,  eine  klcL 
Hacke  nnd  einen  spitzen  löffeirdrmig 
Spaten  in  sich  zn  einem  Ganzea  I 
hat  den  grossen  Vorzug,  dass  es  b 
quem  zu  tragen  ist,  mit  geringem  G 
wicht  den  Voraug  grosser  Festigki 
und  Dauerhaftigkeit  verbindet  und  d 

Dd«liciern  geschieden,  welche  im  Blbg. 
-h  hauaten.    (Augsburg  wu  bekanntlich  li 


(243) 

Ausrüstung  zur  Ausgrabung  yereinfacht.  Bei  dem  in  der  Abbildung  gezeichneten 
Exemplar  ist  der  Spalt  des  mittleren  Theiles  noch  etwas  zu  breit,  welches  den 
Uebelstand  hat,  dass  empfindliche  Hände  durch  die  etwas  steil  gestellten  Ränder 
leicht  etwas  gedrückt  werden.  Ich  habe  diesen  Mangel  bei  den  neuerdings  ange- 
fertigten Exemplaren  dadurch  beseitigen  lassen,  dass  der  Mitteltheil  zu  einer  fast 
ganz  geschlossenen  Röhre  zusammengebogen  ist  und  in  dieser  Gestalt  einen  be- 
quemen Handgriff  bildet.  Das  Instrument  ist  leicht  von  jedem  tüchtigen  Schlosser 
herzustellen  und  hat  somit  auch  den  Vorzug  der  Billigkeit.  Ich  bin  übrigens  sehr 
gern  bereit,  falls  jemand  ein  solches  Instrument  zu  besitzen  wünscht,  bei  dem 
Schlosser  Winter  hierselbst,  welcher  diese  Grabeeisen  für  mich  hergestellt  hat, 
solche  zu  bestellen.    Der  Preis  stellt  sich  auf  1  Mark  für  das  Stück. 


(29)  Hr,  Bartels  stellt  eine 

bärtige  Dame, 

die  Esau-Lady  Miss  Annie  Jones,  vor.  Er  macht  darauf  aufmerksam,  dass  die 
bei  dem  weiblichen  Geschlechte  auftretende  Bartbildung  nicht  in  allen  Fällen 
gleichwerthig  ist,  sondern  dass  man  vier  verschiedene  Arten  der  Weiberbärte  zu 
unterscheiden  vermag.  Die  erste  Art  ist  das  sogenannte  Bärtchen,  wie  man  es  bei 
jungen  Damen,  namentlich  mit  dunkler  Haarfarbe,  nicht  selten  sieht.  Es  handelt 
sich  hier  um  eine  etwas  dichtere  Entwickelung  und  eine  stärkere  Pigmentirung 
der  Wollhaare,  so  dass  namentlich  auf  der  Oberlippe,  aber  bisweilen  auch  dicht 
vor  dem  Ohre  in  der  obersten  Backenbartregion  ein  leichter  Flaum  hervorsprosst. 
Die  zweite  Bartform  findet  sich  bei  älteren  Frauen,  mit  wenigen  Ausnahmen  ecst 
nach  den  Wechseljahren.  Hier  entwickeln  sich  an  der  mittleren  Kinnpartie  und 
an  den  seitlichen  Abschnitten  der  Oberlippe  dünngesäete,  aber  an  sich  dicke, 
borstenähnliche  Haare.  Bei  einem  Manne  würde  man  eine  derartige  Haarbildung 
kaum  mit  dem  Namen  Bart  bezeichnen.  Dieser  Zustand  steht  auf  gleicher  Linie 
mit  dem  bei  alten  Hühnern  öfter  beobachteten  Auftreten  der  Hahnenfedrigkeit, 
d.  h.  der  Entwickelung  von  Sichelfedem  und  eines  Kammes,  sowie  einer  tieferen, 
dem  Hahne  ähnlichen  Stinmie.  Auch  bei  den  betreffenden  alten  Frauen  nimmt  die 
Stimme  sehr  häufig  eine  mehr  männliche  Klangfarbe  an.  Eine  dritte  Art  des  Bartes 

0 

zeigen  weibliche  Wesen,  welche  an  Hypertrichosis  universalis  leiden.  Es  sind 
dieses  die  gewöhnlich  als  Hundemenschen,  Affenmenschen  oder  Haarmenschen  be- 
zeichneten, aber  nur  in  seltenen  Fällen  beobachteten  Monstra. 

Die  Esau-Lady  zeigt  uns  ein  Beispiel  der  vierten  Art  des  Weiberbartes.  Hier 
handelt  es  sich  um  eine  ächte  Heterogenie  der  Behaarung,  d.  h.  um  das  Auftreten 
der  männlichen  Geschlechtscharaktere  in  Bezug  auf  die  Art  und  die  Anordnung 
des  Haarwuchses  bei  jungen  weiblichen  Individuen.  Für  diese  Form  ist  Miss 
Annie  Jones,  wie  die  vom  Redner  ausgestellten  Abbildungen  von  8  anderen  bär- 
tigen Frauen  und  Mädchen  zeigen,  ein  ganz  besonders  vortreffliches  Beispiek  Ihr 
Bart  ist  lang  imd  dunkel  pigmentirt,  schwarzbraun,  die  Haare  sind  dicht  stehend, 
wie  bei  einem  guten  Männerbarte;  der  Schnurrbart  ist  stark  entwickelt  und  lässt 
keine  Stelle  der  Oberlippe  frei;  seine  Spitzen  reichen  ungefähr  bis  zu  dem  unteren 
Rande  des  Unterkiefers  herab. 

Der  lange,  dichte  Backenbart  bedeckt  die  ganze  hintere  Seitenpartie  der 
Wangen  (die  Masseteren-Gegend)  und  lässt  die  eigentliche  Wange  frei,  wie  das 
auch  bei  Männern  das  Ueberwiegende  ist.  Er  geht  ununterbrochen  in  den  Kinn- 
bart über.  Dieser  ist  ebenfalls  dicht;  er  besteht  aus  langen,  schwarzen,  leicht 
gewellten  Haaren,   welche   bis  ungefähr  zu  der  dritten  Rippe  herabreichen.    Das 

16  • 


(244) 

KiDD  ist  Tollständig  bewachBen  tmd  der  HaarvnichB  erstreckt  sich  aach  fiber  dii 
ganze  Unterlippe  bis  zu  der  Grenze  ihres  Lippenroths.  Hebt  man  den  Kinnbai 
etwas  in  die  Höhe,  so  überzeugt  man  eich,  dass  die  oberste  Halsgegend  dich 
unterhalb  des  Kieferwinkels,  die  Regio  Babmaxitlaris,  keinen  Haarwuchs  trägt.  Da 
stärt  aber  nicht  den  männlichen  Typna  der  Behaarung,  denn  diese  Stelle  erweis 
sich  ancb  bei  sehr  vielen  Männern  als  haarlos. 


Die  Augenbrauen  sind  dicht  und  lang,  anf  der  Nasenwurzel  leicht  confloircnd 
Das  dichte,  weiche  Kopfhaar,  von  d an kelbrannsch warzer  Karbe,  reicht  der  Hisi 
Jones  bis  zu  den  Fersen  herab. 

Die  Heterogenie  der  Behaarung  kann  man  auch  an  den  Armen  und  an  dei 
Händen  erkennen.  Die  Vorderarme  zeigen  eine  relativ  dichte  Bedeckung  toi 
kurzen  schwarzen  Haaren  in  ganz  männlicher  Weise  und  auch  besonders  die  Streck 
Seiten  der  Grundglieder  der  Finger  sind,  wie  das  bei  Männern  das  Oewöhnlich« 
ist,  ziemlich  dicht  und  lang  behaart.  So  erweist  sich  Miss  Annie  Jones  als  eit 
ganz  besonders  vortreffliches  Beispiel  einer  bärtigen  Dame. 


(246) 

n  ist,  80  würde  es  TorzngsweiBe  wichtig  sein,  zi 
[e  und  mit  ihr  das  Rttckenmark  in  ihrem  nntcrei 
Jt  sind.  Ich  hatte  mich  schon  das  vorige  Ma 
^n  in  seiner  ganzen  Erstrecknng  zu  betasten:  di< 
,cn  Versncbe  ein  solcheg  Geschrei,  dass  der  Vato 
.  Nichtsdestoweniger  mnsste  man  annehmen,  das 
otz  der  innigen  Vereinignng  der  Lenden-  und  Krenz 
1hl  und  Bewegung  in  allen  Theilen  nnterhalb  dc: 
{etrennt  sind.  Auch  diesmal  bin  ich  nicht  wesent 
iDg,  die  Entblüssung  der  nnterea  Rückengegend  zi 
ndcr  Weise  meine  Hand  über  dieselbe  hinabgicitci 
Tortsätze  zn  verrolgen,  begann  der  alte  Widerstani 
2her  "Weise  siegreich. 

r  diesmalige  Besuch  ergab,  war  die  Bekanntschal 
eren  Bruder.  Die  Mutter,  eine  durch  ihre  Pruchl 
luste  und  gut  genährte  Person,  hat  wenig  Achnlich 
laben,  die  Tielraehr  dem  Typus  des  Vaters,  eine 
es  mit  schwarzem  Kopfhaar,  folgen.  Uisabildnngei 
lie,  auch  den  jüngeren  Kindern,  werden  bestimm 
iwesende  Bruder  ist  ein  dicker,  etwas  untersetzte 
eben.  Der  „Doppelknabe"  ist  also,  mich  wie  voi 
ler  Familie  geblieben. 

riften. 

NuGvo  Mnndo  pabl.  con  notaa  dc  Marcos  Jiro<'ne 
)  1.    SeTilla  1890.    Gesch  d.  Heransgcbers. 
:hen    Dolmen    auf  dem    Mont    Davon.     (ßep.-Abdi 
88. 

olmens.    Geneve  1888. 
ienuvG  1888. 
Ferf. 

3,  Tel.,  El  poeblo  Eoakalduna.  Estudio  de  antrapo 
1889.    Gesch.  d.  Verf. 

:  vorgeschichtlichen  Forschungen  des  historischei 
</89.     lieft  I  and  II.    Bayreuth  IKdII. 

si  decisinni  ale  Aeademiei  Romüne  1890.     Uucn 

i  Romäni.     Studiü  istorico-ctnograncü  compnrativn 

d.  Aeademiei  Romi'me. 

de!  arte  Mexicano  antigno.  Rcrün  ISiKl.  3  Itünde 
[cxic.  Regierung. 

Jer   Frau   San.-Rath  Schlemm  (Tcrgl.Vorh.18M 

?.  Deutsch  in  den  Vcrsmnosscn  der  Urschrifl  voi 
izig  ISÜl/ül    3  Bünde. 

en  Versmaassen  der  L'rschrilt  von  4.  J.  C.  Donner 
ile  in  1  Band. 


Sitzung  vom  21.  Februar  1891. 
Vorsitzender  Hr.  Virchow. 

(1)  Der  Ausschuss  hat  sich  constituirt  und  Hrn.  W.  Schwartz  zum  Obmann 
erwählt. 

(2)  Die  Gedächtnissfeier  für  H.  Schliemann  wird,  unter  freundlicher 
Mitwirkung  der  städtischen  Behörden,  am  I.März  im  Berlinischen  Kathhause  statt- 
finden. 

(3)  Hr.  M.  Qu  e  den  fei  dt  zeigt  unter  dem  18.  an,  dass  er  am  19.  eine  etwa 
5  monatliche  Reise  in  die  asiatische  Türkei  antrete. 


(4)  Der  Vorsitzende  verliest  folgenden,  aus  Santiago,  31.  October  1890  datirten 
Brief  des  Hm.  R.  A.  Philippi  über 

Coca  und  KartofTeln. 

„Erlauben  Sie  mir  eine  kleine  Berichtigung  einer  Angabe  in  dem  Vortrage, 
welchen  Hr.  K.  Hartmann  über  das  peruanische  Kartoffelpräparat  Chuiiu  in  der 
Sitzung  des  Vereins  vom  19.  April  d.  J.  gehalten  hat.  Es  heisst  S.  301  der  Ver- 
handlungen: „Goca-Blätter  waren,  mit  Thon  zugleich  gekaut,  seit  uralten  Zeiten 
ein  Analepticum  der  peruanischen  Indianer."  Die  Coca-Blätter  werden  nicht  mit 
Thon,  sondern  mit  Asche  gekaut,  welche  mit  wenig  Wasser  zu  einem  Teig  ge- 
macht i(hd  in  Form  verschieden  gestalteter  Brödchen  gebracht  wird.  Dieselben 
heissen  Uucta  oder  Llucta,  und  es  sind  zwei  solcher  Uuctas  auf  Tafel  27  des 
zweiten  Theiles  des  Werkes  „Cultur  und  Industrie  südamerikanischer  Völker  u.  s.  w. 
von  Stübel,  Keiss  und  Koppel.  Text  und  Beschreibung  von  Max  ühle"  ab- 
gebildet. Die  Uuctas,  welche  mein  Sohn  von  seiner  Reise  nach  der  Provinz  Tara- 
paca  von  Pica  mitgebracht  hat,  sind  von  ovaler  Gestalt  und  beiderseits  flach;  sie 
messen  1 1  cm  in  der  Länge,  7 — 7,5  cm  in  der  Breite  und  fast  1  cw  in  der  Dicke. 
Ihre  Farbe  ist  die  graue  Farbe  der  Asche.  Zerreibt  man  ein  Stückchen  und  übcr- 
giesst  das  Zerriebene  mit  Wasser,  so  färbt  sich  ein  hineingehaltener  Streifen  rothes 
Lakmuspapier  sogleich  blau,  und  giesst  man  eine  Säure  zu  der  Flüssigkeit,  so  ent- 
steht ein  lebhaftes  Aufbrausen;  die  Zunge  spürt  nur  einen  ganz  schwachen  laugen- 
hafken  Geschmack.  Unter  der  Lupe  sieht  man  eine  Menge  weisser  Punkte  in 
dunklem  grauem  Grunde. 

„Was  die  auf  der  Hochebene  Boliviens  gebauten  Kartofl*eln  anbetrifl*t,  so  ist  zu 
bemerken,  dass  es  mehrere  verschiedene  Sorten,  vielleicht  Species  sind,  von  denen 
jede  ihren  besonderen  Namen  hat.  Mein  Sohn  hat  eine  Anzahl  derselben,  die  er 
von  einem  hier  Medicin  studirenden  Bolivianer  aus  La  Paz  erhalten  hatte,  cultivirt. 
Alle  wuchsen  sehr  ins  Kraut  und  fast  alle  gelangten  zur  Blüthe,  aber  sie  setzten 
wenig  Knollen   an,   so   dass   nur  ein  Paar  Sorten  eine  so  reichliche  Ernte  gaben^ 


(248) 

!ui  einige  Knollen  kochen  und  versuchen  konnte.  Bb  war  nichts  Besonderes, 
standen  zum  Theil  den  gewöhnlichen  Kartoffeln  im  Geschmack  nach.  Im 
en  Jahre  war  der  Ertrag  noch  geringer,  mehrere  Arten  setzten  gar  keine 
i  an.  Offenbar  war  den  Kartoffeln  von  der  Hochebene  das  Klima  von  Sant- 
warm,  es  ging  ihnen  wie  dem  Tropaeolum  tuberosum  und  der  Oca  (Oxalis 
hi),  die  auch  prachtvoll  ins  Kraut  treiben,  aber  wenige  oder  gar  keine 
L  ansetzen,  und  wie  es  ähnlich  ja  auch  den  mitteleuropäischen  Obstarten 
renn  man  sie  nach  den  warmen  Tropenländom  bringt;  sie  wachsen  sehr 
bringen  aber  gar  keine  oder  nur  schlechte  Früchte.  Leider  hat  mein  Sohn 
>r  genauen  botanischen  Untersuchung  der  erwähnten  Solanumformcn  von 
rra  noch  keine  Zeit  gefunden.  Die  schöne  und  vortrefflich  schmeckende, 
fast  dottergi^lbe  peruanische  Kartoffel  wuchst,  so  viel  ich  weiss,  nicht  auf 
>chland,  auf  der  Sierra,  wo  es  selbst  im  Sommer  fast  jede  Nacht  friert, 
1  in  den  niedrigeren  Gebirgen."  — 

.B.  Hartmann  erwidert,  daas  seine  .Angabe,  beim  Goca-Kauen  werde  von 
gebomen  Pemanem  zugleich  mit  den  Blättern  auch  Thon  angewendet,  auf 
gaben  eines  Bolivianers,  Don  Kuiz  Gisneros  (während  der  Pariser  Weit- 
ung 1867),  beruhe.  Nach  E.  Poeppig  wird  fein  gemahlener  Kalk  zuge- 
n  nördlichen  Peru  werden  nie  die  Pflanzenaschen  benutzt,  welche  Martina 

(Reise  in  Brasilien  III,  1169,  1180).  Unfehlbar,  sagt  Pocppig,  verderbe 
k  die  Zähne,  und  deshalb  hätten  die  peruanischen  Goqueros  ein  abschreckend 
les    und    cariöses  Gebiss    (Reise    in  Ghile,    Peru    und  auf  dem  Amazonen- 

li,  S.  2.V2  ff.).     Nach  Tschudi    tragen    die  peruanischen  Indianer  die  zum 

bestimmten  Cocablatter  in  einer  Ledertaache,  Huallqui  oder  Chnspa,  mit 
n  einem  kleinen,  oR  zierlich  geschnitzten  Flaschenkürbis,   Ischcupum,   be- 

sie  den  bei  der  Mastication  des  Analepticums  bestimmten,  pulverisirten, 
ischten  Kalk  auf.  Im  Cerro  de  Pasco,  weit  mehr  aber  noch  im  Süden, 
n  sich  die  Indianer  der  scharfen  Asche  derQueüna  (Ghenopodium  quinua), 
als  Llucta  oder  Llipla,  in  Fladen  geknetet,  mit  sich  führen.  In  einigen  ge- 
I  Walddiatricten  verfertigten  die  ladianer  ihre  Asche  aus  Wurzeln  von 
en  (Reiseskizzen  aus  Peru,  II,  8.  302).  Nach  Weddell  wird  die  Llj^la,  also 
izende  Zusatz  beim  Kauen  der  Coca,  aus  Quenna-  oder  aus  gewdhnlicher 
he,    in   einigen  Theilen   Amerikas   aber  auch   aus  Kalk   bereitet   (Voyage 

nord  de  la  Bolivie  etc.  p.  526).    Brackebusch  bemerkt,   dass  die  Llipta 
ler  Asche    von  Salzpflanzen    oder    aus    gebranntem   Kalk    hergestellt  werde 
1.  Gesellsch.  f.  Erdk.  zu  Berlin,  IH91,  S.  63). 
s  allen  diesen  Angaben  scheint  sich  zu  ci^cben,  dass  man  in  verschiedenen 

Südamerikas  auch  verschiedene  Substanzen  beim  Coca-Kauen  verwendet, 
tllein  Thon,  noch  bloss  Kalk,  oder  bloss  Asche. 

LS  nun  die  zur  G hu nu-Be reitung  benutzten  Kartoffeln  anbelangt,  so  sei  Nie- 
1,    am    wenigsten    ihm  (Hm.  H,)  selbst,    eingefallen,    deren  Heimath  in  der 

Sierra  zu  suchen.  Er  habe  von  Huumatnnga,  mehr  als  2<i00in  über  dem 
[nach  Tschudi),  als  Heimath  der  besten,  gelben  Perukartoffel  und  von  der 
la  (Schlucht,  Thal)  von  Hnarochin  gesprochen.  Uebrigens  erinnere  er 
>ch,  dass,  der  Erzählung  von  Augenzeugen  zufolge,  nach  den  blutigen 
ien  bei  Ghorillos  und  Miraflores,  an  den  gegen  die  Chiieüoa  gefallenen 
sehen  Soldaten  neben  verschösse iion  Pntrontaschon  auch  zierlich  gestickte 
len  mit  Resten  von  Gocu  und  von  ungelöschtem  Kalk   aufgefunden  worden 


1 


(249) 

(5)  Der  Direktor  der  prähistorischen  Abtheilung  des  Museums  für  Völker- 
kunde, Hr.  Voss,  übersendet  unter  dem  19.  im  Auftrage  des  Hm.  Unterricht s- 
mi nisters  eine  Schrift  des  Dr.  Schuchhardt  in  Hannover  (Sep.-Abdr.  aus  Bd.  XV 
der  Mitth.  des  historischen  Vereins  zu  Osnabrück.  1890)  über 

Ausgrabungen  anf  der  Wittekindsburg  bei  Rulle. 

Hr.  Virchow  macht  folgende  Mittheilung  darüber:  Auf  der  sogen.  Wittekinds- 
burg bei  Rulle,  nördlich  von  Osnabrück,  sind  schon  früher  gelegentlich  Mauer- 
reste in  dem,  jetzt  hauptsächlich  zu  Tage  tretenden  Erd walle  bemerkt  worden,  so 
von  Gobelinus  Persona  und  von  dem  Rector  Meyer,  der  1851  einige  Aus- 
grabungen veranstaltete.  Hr.  v.  Stoltzenberg  (Luttmersen)  hat  dann  1889  an 
zwei  Stellen  im  Wall  Mauerwerk  nachgewiesen,  welches  durch  den.  zur  Verbin- 
dung der  Kalksteine  augewendeten  Mörtel  auffiel,  so  dass  er  die  Anlage  für  eine 
römische  erklärte.  In  Folge  dessen  sind  die  neuen  Ausgrabungen  unternommen 
worden.  Diese  lassen  keinen  Zweifel  darüber,  dass  durchweg  in  den  Wällen,  so- 
wohl der  eigentlichen  Hauptburg,  als  der  sich  daran  anschliessenden  Vorburgen, 
regelmässige  Mauern  aus  Bruchsteinen  stecken,  die  früher  senkrecht  nach  aussen 
abfielen  und  vermuthlich  über  die  Höhe  des  Erdwalles  hinausreichten.  An  einer 
der  Ecken  ist  überdies  das  Fundament  eines  runden,  an  der  diagonal  entgegen- 
gesetzten die  Anlage  eines  viereckigen  Thurmes  blossgelegt;  auch  konnten  an 
dem  nördlichen  Eingange  die  Grandmauern  eines  festen  Thores  nachgewiesen 
werden.  Charakteristische  Fundstücke  wurden  nirgends  entdeckt  Den  halbrunden 
Henkel  und  einige  Scherben  eines  Gefässes,  die  in  dem  runden  Thurm  gesammelt 
wurden,  hält  Hr.  Schuchhardt  für  prähistorisch;  im  Innern  des  Kastells  kamen 
nur  rothgebrannte  Kalksteine,  einzelne  Knochen  und  eine  Elisenschlacke  zu  Tage.  Da 
nach  einer  Urkunde  von  1243  damals  in  Castro  regis  Wedekindi  ein  Bauernhaus 
stand,  so  sind  diese  Funde  begreiflicherweise  werthlos.  Auch  die  Angabe  von  der 
prähistorischen  ßeschalTenheit  der  Thonscherben  aus  dem  runden  Thurme,  die  durch 
keine  genaueren  Angaben  gestützt  ist,  darf  wohl  vorläufig  als  zweifelhaft  bezeichnet 
werden.  Man  wird  daher  zugestehen  können,  dass  diese  Anlage  keine  altgermani- 
sche gewesen  ist,  da  noch  nirgend,  weder  aus  jener,  noch  aus  sächsischer  Zeit,  alt- 
germanische Steinmauern  mit  Mörtel  bekannt  geworden  sind.  Die  Anführung  aus 
einem  Manuskript  von  1140,  welches  auf  eine  ältere  Chronik  zurückgehen  soll, 
dass  der  Sachsenfürst  nach  seiner  Niederlage  durch  Karl  den  Grossen  an  der 
Hase  nach  dem  Castrum  Widekindsborch  geflohen  sei,  mag  immerhin  auf  dieses 
Kastell  bezogen  werden  können,  und  es  dürfte  auch  wohl  nichts  der  Annahme 
entgegenstehen,  dass  ein  ursprünglich  römisches  Kastell  Jahrhunderte  später  von 
den  Sachsen  benutzt  worden  ist.  Es  würde  aber  etwas  ungewöhnlich  sein,  wenn 
weder  aus  der  römischen,  noch  aus  der  sächsischen  Zeit  irgend  welche  charakte- 
ristischen Objekte  vorhanden  sein  sollten,  und  es  darf  daher  wohl  der  Wunsch 
ausgesprochen  werden,  dass  die  Nachforschungen  wieder  aufgenommen  und  mit 
grösster  Sorgfalt,  gerade  mit  Rücksicht  auf  derartige  Objekte,  fortgesetzt  werden 
möchten. 

Hr.  Schuchhardt  spricht  sich  sehr  vorsichtig  über  die  Frage  aus,  wenngleich 
seine  Argumente  sichtlich  der  Annuhmc  eines  römischen  Ursprunges  der  Anlage 
zuneigen.  Er  erwähnt  speciell,  dass  auch  in  solchen  Befestigungen,  die  allgemein 
für  sächsische  gehalten  werden,  z.  B.  auf  dem  Tönsberg  bei  Oerlinghausen,  auf 
Kirch-Borchen  und  auf  der  Iburg  bei  Driburg,  Mauern  vorkommen,  dass  aber  diese 
jedesmal  Kemmauem  waren,  d.  h.  in  der  Mitte  des  Walles  steckten  und  denselben 
krönten,   statt   ihn,    wie   hier,    auf  der  Seite  nach  dem  Graben  hin  zu  verkleiden 


(250) 

Im.  T.  Oppermann  beatimmt  zurück,   dass  dii 
lischeu  Biogwiill  auf  der  Porta  als  Glied  eine 


über  den 

idlanfa,  die  Depotftinde  n.  A.  in  Island. 

ttzten  Sitzung  gehaltenen  Vortrag  des  Hm.  Han: 
mthümlich  entwickelte  Körpergewandtheit  de 
•n  sogen.  Handlauf  in  Island  hiaweiaen.  G 
Deutschland  Radschlagen  nennen,  dort  als  eim 
nen  geübt  und  zu  einer  grossen  Fertigkeit  ent 
iten,  so  eben  veröffentlichten  Volkssagen  Island 
len  darüber  folgende  Schilderungen').  S.  I8l 
idur:  „Er  sah,  dass  die  Strecke  zwischen  seinej 

war  und  dass  es  so  nicht  weiter  gehen  dürfe 
af"  über  und  kam  ihnen  weit  Tomoa.  Als  dii 
n  ihn  zwei  von  ihnen  mittelst  des  „Handlaafs° 
1  anderes  Mal,  beisst  es  S.  193,  verfolgten  ihi 
idte  den  „Handlauf"  an,  und  sie  kamen  wedc 
li.  die  Distanz  blieb  dieselbe).  Die  Pferde  de 
pfe  stecken,  der  mitten  auf  der  Hochebene  isl 
Verfolgern. "  S.  184  heisst  es  sogar  von  ihm 
ut,  dass  er  das  flinkste  Pferd  überholte." 
dazu  die  Anmerkung,  dass  die  erwähnte  Kunst 
!rdc  und  mancher  weite  Strecken  auf  diese  At 
Ansführungen  klingt  die  ganze  Sache  doch  abe 
I  so  habe  ich  die  Dame  um  weitere  AosfUhmng 
m,  worauf  sie  mir  auch  bei  ihren  literarische! 
nerchen  zugesagt  hat,  von  denen  ich  seiner  Zei 
rollte  zunächst  nur  überhaupt  die  Aufmerksam 
uf  lenken. 

n  Sagen  erwähnte,  möchte  ich  noch  auf  ein  Paa 
essante  Züge  hinweisen,  die  in  denselben  vor 
solche  kleinen  Sicheln  erwähnt,  wie  wir  si< 
Hnden.  Sie  werden  an  einen  ScbaR  gebundei 
Kleinheit  geht  aus  einer  Stelle  im  ersten  Thei 
crvor,  wo  eine  Eibin  einem  Manne  eine  solcbi 
n  hat,  und  ihm  das  Blatt  ^unter  den  Sattel"  legi 
»en,  dass  die  Leichen  von  Ost  nach  West  liegen 
die,  welche  sie  unrichtig  bestattet  haben.  Jetz 
lug  man  die  Todten  in  ein  Tuch,  in  alter  Zei 
j  ein.  Diese  letztere  Zeit  knüpft  wohl  noch  ai 
itc  Besiodelnng  Islands  in  derselben  an,  jeden 

der  noch  meist  geübt  wird,   wenn  Jemand  an 

rzühlung   noch    eine  Bemerkung    in  BetrelT  de 

Sammlnng  von  Jüd  'AroBson,  stugewKblt  and  8b«] 
■lin  1K91.    (Nene  Folge.) 


(251 

80g.  Depotfunde,  für  die  man  noch  immer 
Mögliche  in  denselben  Bndct.  Die  Protokc 
dea  Qcsammtvereina  der  deutschen  6cschi< 
wieder  eiaen  Beweis  davon  Ich  habe  schoi 
fundes  von  Mellenau,  welcher  in  einem  U 
lieh  einst  in  einem  alten  Wasserloch  veraf 
derartiges  Versenken  in  prähistorisch  er  Zeit 
einem  „plötzlichen  Ueberfall"  seine  wenig* 
Situationen  waren  in  jenen  Zeiten  eben  die 
Verhältnissen  und  mehr  regelrechter  Krieg 
zeitig  sein  Geld  zn  vergraben  oder  in  andc 
solche  Sitnation,  wie  ich  bei  dem  Melleue 
Topf  ein  ganzer  Bronzeschatz  versenkt  war 
vorkommender  Zug  höchst  anschaulich,  j 
fallen  wurde,  hcisst  esi  „Er  besann  sich  i 
verschiedene  andere  Geräthe  und  vei 
(die  Verfolger)  sie  nicht  fanden,  und  dam 
gcnossenschaft"  u.  s.  w.  Ich  kann  zur  Be 
eine  Stelle  aas  Helmold,  2,  13  aDfUhren, 
der  alten  Zeit  ausgesprochen  wird,  wodnr 
erhält:  „Quotics  autem  bellicus  tmnultus  i: 
orgentnm  et  preciosa  qnaeque  „fossi: 
nibus  vel  silvis  contutant."  Man  muss  ebc 
Zeilen  immer  zuerst  die  Verhältnisse  erwi 
Hypothesen  macht,  —  ich  erinnere  an  den 
sogen.  Gesichts  um  en  angestellten  Betrachtn 
realen  Bedingungen  und  Beziehungen  meial 
Hioteignind  der  ganzen  Prähistorie  ist  übe 

(T)   Hr.  Kurt  Taabner   übersendet  w 
12.  febmor  und  19.  März  folgendes  Manosl 

ZOT  Landkorteni 

(Hierzn  1 
„Ja,  einige  waren  prosaisch  genng 
früheren  Civilisation  zu  erklären",  sagt  der 
steine"  in  den  „lllustrated  London  News" 
einige  Abbildungen  von  Steinen  in  Bnglan 
concentrische  Kreise  zeigen,  welche  dnreh 
neuen  positiven  Beitrag  zu  „topographisci 
A.  Ernst  (Caracas,  Venezuela)  in  der  Zeitacl 
leicht  sind  nachstehende  AnsfUhmngen  gee 
tcte  Frage  wiederum  ein  Kleines  zu  forde: 
beigebrachten  Argumenten  den  Beiklang  de 
Die  umstehende,  etwas  sonderbar  ansa 
„Im  dunkelsten  Afrika."  Deutsche  Ausgabe, 
entnommen.  Sie  ist  nach  der  Anschaaunj 
Nillaufs  von  seinem  Ursprünge  am  Mon( 
ugyptcn  hin.    Es  hcisst  bei  ihm  wörtlich  (E 


ZiilltkT.f.  Bthnel.  (Vtrh.  d.   A«lkr«p.  Gti.)  Bd.  XXIII.  iSgi.  Ta/l!  I. 


l 


JT 


(253) 

7  cm  breit  sind.  Es  sind  aber  nur  4  Pinger  zu  zählen.  Der  dem  Ballen 
der  Hand  entsprechende  Theil  ist  tief  ausgearbeitet  und  bildet  eigent- 
lich auch  eine  grössere  Schale,  während  die  fingerförmigen  Ansätze 
nur  flach  ausgehauen  sind.  Zwischen  den  handähnlichen  Figuren  sind  noch 
2  Figuren,  nehmlich  ein  12  cw  Durchmesser  zeigender  Kreis,  der  durch  zwei  sich 
kreuzende  Striche  in  4  Theile  getheilt  ist;  rechts  davon  eine  napfförmige  Ver- 
tiefung, welche  von  einer  ganz  flach  audgearbeiteten  und  13  cwi  im  Durchmesser 
haltenden  kreisförmigen  Vertiefung  umgeben  ist.  Etwa  in  der  Mitte,  aber  weiter 
nach  dem  westlichen  Rande  hin,  finden  sich  2  grössere  Figuren,  welche  als 
F'üsse  bezeichnet  werden,  23,  bezw.  21  an  lang  und  6,5 — 7  cm  breit.  Diese 
sind  wenig  vertieft;  dicht  an  der  Westseite  des  nördlichen  Pusses  sind 
Andeutungen  von  Strahlen  gleich  den  „Hände"  genannten  Figuren*'.  Der  eben 
beschriebene  Stein  befindet  sich  in  Bunsoh,  Kirchspiel  Albersdorf.  Letzteres  ist 
eine  Eisenbahnstation  zwischen  Heide  und  Neumünster  (Holstein). 

Die  am  meisten  überraschenden  Analoga  beider  vorstehenden  Beschrei- 
bungen sind  jedenfalls  die  beiden  runden  Seen  mit  den  einmündenden 
5  Flüssen  und  die  handähnlichen  Figuren,  aber  mit  je  nur  4  Fingern.  Von 
nicht  weniger  überraschender  Analogie  sind  femerauch  wohl  noch  bei  der  Nil- 
darstellung die  A^erbindung  der  beiden  runden  Seen  mit  dem  grossenSee 
durch  gerade  Striche  und  auf  dem  Bunsoher  Stein  „die  am  östlichen 
Rande  befindlichen  grösseren  Näpfchen,  welche  theilweise  durch  flach 
ausgearbeitete  Rinnen  mit  einander  verbunden  sind".  Ein  Blick  aber 
auf  die  Umgebung  von  Bunsoh  zeigt  ausserdem  eine  grössere,  theil- 
weise verbundene  Seenplatte  —  im  Osten,  bezw.  Norden.  Endlich  ist 
die  ganze  Umgebung  von  Bunsoh  von  Wasser  reichlich  umgeben,  das  heute  aller- 
dings vielfach  nur  noch  als  „Moor"  vorhanden  ist.  Es  könnte  noch  darauf  hin- 
gewiesen werden,  dass  hart  bei  Bunsoh,  östlich  anfangend,  4  südliche  Nebenflüsse 
der  Eider  sich  befinden  und  dass  die  Karte  die  Eider  hier  mit  ausgedehnter  Niede- 
rung (Moor)  bezeichnet,  doch  kann  der  Mangel  eines  getreuen  Abbildes  des  Bun- 
soher Steines  ein  weiteres  Eingehen  auf  die  Details  nicht  gestatten.  Soviel  wird 
aber  wohl  ein  Jeder  zugeben,  dass  nunmehr  der  Bunsoher  Schalen-  und  Näpfchen- 
stein als  „topographische  Darstellung"  recht  gut  erklärt  werden  kann '). 

Noch  ehe  das  Stanley' sehe  Werk  dem  Verfasser  in  die  Hand  kam,  hatte 
er  versucht,  die  eine  der  von  Hm.  A.  Ernst  in  Caracas  gegebenen,  vermuthlich 
topographischen  Darstellungen  zu  deuten;  die  oben  gegebene  Nilkarte  wird  seiner 
Meinung  von  der  aufgestellten  Deutung  eine  nicht  unwesentliche  Stütze  sein. 
—  Hr.  A.  Ernst  fand  die  in  Fig.  2  wiedergegebene  Zeichnung  auf  einer  genau 
südlich  orientirten  Kalksteinwand  in  den  sogenannten  „Cerritos"  von 
San  Sebastian,  einem  Orte,  der  ungefähr  40  km  südlich  von  La  Victoria 
liegt.  Unfern  der  Stelle  befanden  sich  die  Eingänge  zu  einigen  ausgedehnten 
Höhlen  im  Kalkgebirge  (letztere  wohl  ehemals  als  Wohnstätten  benutzt).  EUernach 
rechtfertigt  sich  die  den  nachfolgenden  Zeichnungen  gegebene  Orientirung.  Fig.  3 
stellt  im  Wesentlichen  den  Lauf  des  Rio  Chico  (Caracas)  dar  und  ist  entnommen 
8.  92  des  Richard  Andree'schen  Allgemeinen  Handatlas  (1881).  Die  als  correspon- 
dirend  angenommenen  Partien  beider  Zeichnungen  sind  durch  gleiche  Zeichen  an- 

1)  Gregor,'  der  Geschichtsschreiber  der  Franken  tadelt,  dass  letztere  nicht  den  wahren 
Gott  verehren,  sondern  formas  silvarum  atque  aqnarum  (Darstellungen  von  Wald- 
gebirgen und  Wasserläufen  sich  machen),  avium  bestiarmnque  et  aliorum  quoque  ele- 
mentorum  fingere  easque  ut  deum  colere  eisque  sacrificia  deliberare.  Zeit- 
sehr.  f.  Ethnol.  XIV.  1882.    Verh  S.  50  (nach  Dr.  Behla). 


^deatet.  Das  Gebir^ 
birgszUgc)  ist  schräg 
strichelt  angcgcbeo. 
A.  Ernst  Tand  seine 
stelloDg  in  den  sogenas 
„Cerritos",  d.h.  den  kh 
Bei^n,  und  betrachtet 
Fig.  3,  so  sieht  man  ii 
That,  daas,  während 
eigentliche  Thalkesscl 
des  Rio  Chico  ein  ein: 
zuaaramen  hängendes  j 
ses  Gebirge  bildet,  süi 
davon  einzelne  kl  ei 
Bergzüge  liegen. 

Die  grossen  zusam) 
hängenden  Gebiigsztige 
in  Fig.  2  ala  eine  anr 
massige  wellenformigel 
daigestcllt,  die  aafrechl 
hend  gedacht  «erden  i 
und  dann  einfach  die  ' 
toaren  wiedergiebt,  wii 
Zeichner  dieselben  siel 
gen  den  Himmel  abh 
sah.  Das  Uondgebirge 
Nilkarte ,  schön  syn 
trisch  geordnet,  ist 
derselben  Idee  darget 
Die  zwei  grossen  Scei 
Ursprung  und  Ende 
Rio  Chico  erscheinen 
Kreise,  ganz  ebenso, 
bei  der  Nildarstcllung. 
Strich  zwischen  beidei 

,     der  Pluss  selbst.  DieZs 

4—6  in  Fig.  3,  entaprecl 

den  gekrümmten    Pan 

Bei^e.     Aehnliche    „pan 

se  der  Neustädter  Stein.  I 
zu  beachten.     Sie  findet 

er  Xildarstcllung.    Recht  t 

f  Winkel,  den  das  Ufer  A 

inong  der  Fig.  2  ein?  Si 
iche  Meilen  in  die  Länge 

n  bat,  wenn  es  gelingt,  n 
e  topographische  Darstcllai 
Tstellen: 


(255) 


1)  Der  Ort,  wo  ein  solcher  Stein  liegt  (vorausgesetzt,  dass  es  sein  ursprüng- 
licher ist),  war  ein  Ort  von  wichtiger  Bedeutung,  vielleicht  ein  Versammlungsort. 

2)  Die  topographische  Darstellung  gewährt  die  Möglichkeit,  gewisse  alte 
Grenzen  festzustellen. 

3)  Es  ist  in  gewisser  Weise  möglich,  nachzuweisen,  wie  sich  die  Beschaffen- 
heit der  Umgebung  verändert  hat,  z.  B.  den  Uebergang  von  See  in  Moor,  veränderte 
Flussläufe  XL  s.  w. 

Figur  I,  A  auf  Taf.  I  (745  der  natilrlichen  Grösse)  ist  die  Zeichnung  auf  einem 
Steinblocke  (die  Contouren  des  Blockes  sind  mitgezeichnet)  des  alten  indianischen 
Begräbnissplatzes  bei  Palmano,  am  linken  Ufer  des  Orinoco,  etwa  50  km  unterhalb 
Garicara.  „Dieselbe  scheint  zu  den  „topographischen"  Darstellungen  zu  gehören, 
worüber  vielleicht  eine  genaue  Aufnahme  der  Umgegend  Aufschluss  geben  könnte"  —y 
sagt  Hr.  Dr.  A.  Ernst  (Caracas,  Venezuela)  weiter.  In  Figur  I,  B  ist  ein  Theil 
der  Umgegend  des  Punktes,  der  etwa  50  km  unterhalb  Garicara  liegt,  nach  Blatt  92 
des  Richard  Andree'schen  Allgemeinen  Handatlas  (1881)  wiedergegeben. ^  Es  muss 
hier  noch  erwähnt  werden,  dass  Figur  I,  A  das  Spiegelbild  der  von  Hm.  A.  Ernst 
gegebenen  Zeichnung  ist.  Eine  Orientirung  ist  im  Text  nehmlich  nicht  mitgetheilt 
Es  wird  hier  angenommen,  dass  die  ursprüngliche  Zeichnung  sich  auf  der  nach  Nor- 
den gelegenen  Fläche  des  Steins  befindet;  —  es  wird  dies  zugleich  eine  kleine  Probe 
auf  das  Exempel  sein.  Das  Spiegelbild,  auf  der  südlichen  Fläche  gedacht, 
ändert  nichts  an  der  Richtung  und  harmonirt  mit  der  Anschauung  der  modernen 
Karte.  —  Die  als  correspondirend  angenommenen  Stellen  sind  wiederum  mit 
gleichen  Zeichen  angedeutet  Es  seien  in  erster  Linie  A,  B,  G  betrachtet.  A  in 
Figur  I,  B  ist  der  ansehnliche  Fluss  Orinoco,  gewiss  für  einen  Platz  am  Orinoco 
die  wichtigste  „Verkehrsader"  und  hauptsächlichste  „Landmarke".  Beim  Vergleichen 
der  beiden  A  fällt  speciell  das  Knie  xy  auf.  Es  wird  zugegeben  werden  müssen, 
dass  für  das  eine  sowohl,  wie  für  das  andere  dieselbe  Vorlage  dagewesen  sein 
kann.  Noch  wahrscheinlicher  wird  diese  Annahme  durch  das  Vorhandensein  einer 
unregelmässigen  Linie,  die  in  beiden  Figuren  von  oben  her  auf  das  Knie  (y)  zuläuft. 
Rechts  und  links  vom  Orinoco  sieht  man  in  Figur  I,  B  einen  Gebirgsstock,  welcher 
Flüsse  nach  dem  Orinoco  hinabschickt;  in  Figur  I,  A  befindet  sich  oberhalb  und 
unterhalb  der  unregelmässigen  Linie  je  ein  doppeltcontourirter  Kreis,  der  auf  der 
einen  Seite  (bei  G)  direct  durch  eine  unregelmässige  Linie  angeschlossen  ist,  auf  der 
anderen  (bei  B)  indirect,  indem  sich  noch  ein  Viereck  um  denselben  erstreckt  Vom 
Gebirgsstock  B  in  Figur  I,  B  entspringen  zahlreiche  Flüsse,  speciell  4  dicht  neben- 
einander ziemlich  in  der  Mitte;  vom  Gebirgsstock  G  kommt  nach  Osten  vom 
Knie  xy  nur  einer.  Eine  auffällige  Uebereinstimmung  der  Partieen  B  und  G  in 
Figur  I,  A  mit  dem  eben  Geschilderten  springt  in  die  Augen.  Mit  Ausnahme  eines 
einzigen  Winkels  ist  überall  bei  B  in  Figur  I,  B  die  getupft  schattirte  Stelle  theils 
als  unregelmässige  Linie,  theils  als  kleine  kreisrunde  Fläche  (Quellsee),  theils 
als  beides  letzteres  combinirt  vorhanden.  Die  näheren  Details  sind  durch  gleiche 
Zahlen  markirt. 

Aus  Vorstehendem  ergiebt  sich  als  neu,  wenigstens  für  die  Ernst' sehen 
Darstellungen,  dass  der  doppeltcontourirte  Kreis  Erhebungen  über  das  Niveau 
bedeutet,  wahrscheinlich  isolirte  Kegel.  Ein  doppeltcontourirter  Kreis  findet  sich 
nehmlich   auch   in  Figur  4   der  Ernst' sehen  Darstellungen,   und   die   correspon- 


1)  In  der  Zeichnong  bedeutet  A  0  den  Orinoco,  der  Ponkt  A  am  unteren  Orinoco  ist 
Angostora,  Ca  am  oberen  Orinoco  Garicara,  das  darunter  stehende  -h  bezeichnet  die  Stelle, 
IjO  km  unterhalb  Garicara,  wo  sich  die  Felszeichnung  befindet. 


(256) 

Ic  moderne  Karle  zeigt  an  derselben  Stelle  die  mit  2782'  als  höchste  Spitze 
■ebene  Partie  des  Gebirgszuges  am  linken  Ufer  des  Bio  Chice.  Die  Aus- 
ing  wiedemm  des  Gebiets  in  Figar  I,  B  entspricht  angerähr  einem  Recht- 
das  4U  geographische  Meilen  in  der  einen,  3h  in  der  anderen  Richtung 
(hierbei  vird  angenommen,  dass  nur  eine  Fläche  des  beschriebenen  Steins 
Gn  aufweist).  In  Figur  2  der  Abbildungen  des  Um.  Dr.  A.  Krnst  fallen 
t  'i  Zerrbild  artige  Darstellungen  menschlicher  Gesichter  auf,  welche  neben 
I  Thterbilde  und  zwei  Menschengestalten  fast  ausschliesslich  die  Zeichnungen 
^r  I  ausmachen.  Die  LectUre  s(ld  amerikanisch  er  Reiseberichte,  z.  B.  dei 
en  Xingn-Expedition  in  Brasilien  (diese  Zeitschrift  1890  S.  82  IT.),  legt  den 
nkcn  nahe,  dass  es  sich  hier  um  Abbildungen  der  in  so  ausgedehnter  Weise 
endeten  Tanzraasken  handelt,  so  dass  Figur  1  wohl  die  Darstellung  eines 
m  Tanzes  ist.  In  Figur  1  finden  sich  aber  noch  einige  besondere  Zeichen, 
,0  wiederum  in  Figur  2  die  Darstellungen  der  angenommenen  Tanzmaskcs 
khl  übertreffen.  In  Figur  2  rechter  Hand  befinden  sich  annähernd  in  dci 
zwei  kreis-ovale  Darstellungen,  schrüg  parallel  gestrichelt;  sie  nähern  sich  an 
3n  den  einfachen  Kreisen  (See).  Zwischen  ihnen  sieht  man  eine  gezackte  Linie 
eradcr  Ausdehnung;  an  dem  einen  Ende  derselben  Qals  und  Kopf  eines  hirsch- 
n  Thieres  (Darstellung  eines  Flusses,  in  dem  ein  hirscbartiges  Thier  sich 
let).  Von  dem  unteren  Kreis-Oval  geht  ein  doppeltcontourirter  rechter  Winkel 
eine  doppeltcontourirte  Spirallinie  ab.  Unter  dem  ersten  Winkel  be- 
sieh endltch  noch  ein  anderer  gleicher  und  zwischen  beiden  eine  nnregel- 
ge  Line,  die  gewissermaassen  von  der  Doppel spirale  „entspringt".  Sieht  mar 
^Ber  un regelmässigen  Linie  wiederum  die  Darstellung  eines  Flusses,  so  ge- 
es  grosse  Waljrscheinliebkeit,  dass  die  Spirale  die  Darstellung  eines  spiralig 
ndenen  Weges  einen  hohen  Berg  hinauf  ist  odet  Überhaupt  eines  llerges, 
n  Spitze  nur  in  spiralförmig  gewundenem  Wege  (zum  Fahren)  erreicht  werden 
Eine  gewisse  Bestätigung  hierfür  dürften  die  Figuren  ö  und  6  von  HerrT 
>.  Ernst  liefern.  Sie  sind  nach  Steinzeichnunge'n  entworfen,  die  sich  in  der 
itos  de  Cuchivero",  den  „kleinen  (einzelnen)  Bergen  in  der  Nähe  des  Flusses 
ivero"  (linken  NcbcnOusscs  des  Orinoco),  befinden.  Sie  können  nach  den  letzten 
ihmngen  ihrerseits  wieder  kaum  etwas  anderes  sein,  als  Darstcl langen  dei 
Ten  den  Berge  selbst. 

ioide  Zeichnungen  bestehen  nchmlich  entweder  aus  Spiralen  allein  oder  aus 
tUcontourirton  Kreisen,  crstere  theilweise  rechtwinklig.  Ja,  Spirale  und  doppell- 
urirten  Kreis  dem  Korne  nach  gleich  setzen  zu  können,  dazu  liefert  das  ver- 
Zeichen rechts  auf  Figur  •>  eine  Handhabe.  Es  ist  nchmlich  halb  doppelt 
urirter  Kreis,  halb  Spirale.  Vom  naturalistisch  erklärenden  Standpunkte  uu! 
rer  wohl  die  Spirale  als  das  primäre,  der  doppeltconlourirle  Kreis  als  das  dar- 
bgeleitete  anzn.sehen,  falls  die  eine  und  der  andere  nicht  DilTcrenzcn  hinsichl- 
ier  Höhe  nml  Grosse  markircn  sollen. 

Spiralen  und  doppelt  oder  mehrfach  contourlrle  Kreise  finden  sich  unter  anderer 
en  auch  auf  den  englischen  und  skandinarischen  Schalen-  und  Näpfchen- 
in    und  Felsenzeichnungen');    sie    haben    auf   denselben    dieselbe  Bedeutung 

)  Krklärung  der  Flg.  II-IV  auf  Taf.  L 

Fig.  11.   A.  BaldurstHn  bfi  Fatköpia^  (nach  „Tuisko-l^nd",  von  Dr.Emat  KrBu«< 
((.'»rus  Sterne),  GloK»n  IKLH,  S.  ilTd). 
B,  Kartenbild  nach   Rieh.  Andrec's   Allg.  Haml-Atlaa  (IRSI),  S.  G9 
WO  West-Ost.     K  Kattogat.     We  S    Wenem-See   a.    Wettem-Scc 
F.  FHlk<>pini.'. 


(257) 

wie   auf  den   südamerikanischen   topographischen   Darstellungen.     Diese  Behaup- 
tung plausibel  zu  machen,   giebt  es  nur  ein  Mittel,  —  yei^leichende  Beispiele*). 
Es   folgen   davon   im   Nachstehenden  drei;    das   eine   ein  Monolith,   das   andere 
eine  Felsenzeichnung,   das   dritte  von   einem  Grabdienkmal  (Dolmen).    Bei   allen 
dreien  ist  in    der  angegebenen  Quelle  die  Orientirung  nicht  vermerkt    Alle  drei 
enthalten   einmal   in   verschiedenen  Exemplaren   das  Radomament,   —   in   einer 
Geraden   verlaufend.    Vergleicht  man  in  Bezug   auf  letzteres  Ornament  die  Dar- 
stellung   des   Weltbildes    des   Rosmas    aus    dem    6.   Jahrhundert   xmserer    Zeit- 
rechnung,   so   scheint  die  Erklärung   des  Ornaments   als  Orientirungszeichen,   — 
Bild    der   aufgehenden  und  imtergehenden  Sonne,  —  Ost  und  West,   —  gerecht- 
fertigt.   Die   übrigen  Zeichen  mit  Ausnahme   der  Menschen,   Thier-  und  Schiffs- 
darstellungen und  des  Abdruckes  zweier  Füsse  sind  insgesammt  orohydrographisch, 
—  See,   Pluss,   Berg   (Gebirge),   üfercontour,   Insel.    Namentlich   in  üfercontour, 
Insel  und  gewxmdenem  Flusslauf  lösen  sich  scheinbar  ganz  mysteriöse  Darstellungen 
auf,  die  unter  anderen  auch  mehrfach  Aehnlichkeit  mit  Zahlen  und  Buchstaben  haben. 
Figur  II,  A  (entsprechend  der  Figur  ET,  B)  ist  theilweise  ein  kleines  Beispiel  für  die 
Behauptung  des  Hm.  Rödiger,  dass  die  Gontouren  des  Steins  selber  in  einzelnen 
Fällen   mit   als  Darstellungen  zu  betrachten  sind.    In  Figur  HL,  A   ist  interessant 
die  Darstellung  der  Fusssohlen.    Hierbei  hat  neben  rein  naturalistischer  Auffassung 
und  Wiedei^be   noch   die  Anschauung  des  Kontrastes  von  +  und  —  vorgewaltet 
Es  gilt  den  daneben  gemalten  Zeichen,  die  als  Inseln  charaktensirt  werden  sollen. 
Zwischen  letzteren  und   den  Fusssohlen   ist   eine   Zone,   wo   sich  Fussabdrücke 
auf  der  Erdoberfläche   nicht  herstellen   lassen,    —    Wasser.    In  Figur  IH,  A   bei 
B,  speciell  in  Figur  IV,  A   bei  A  und  B  macht   sich  die  Tendenz  bemerkbar,  bei 
ausgedehnteren  Darstellungen  von  der  Peripherie  (diese  als  der  Weg  gedacht,  den 
der  Zeichner  ging)  nach  dem  Centrum  abzuweichen.   Dies  erklärt  sich  sehr  einfach, 
wenn  man  bedenkt,  dass  bei  Zugrundelegung  des  Augenmaasses  bei  der  Skizzirung 
dieser  Landschaft  die  Gegenstände  am  Horizont  zusammenrücken,   wofür  das  ein- 
fachste Beispiel   eine   grosse  Allee  ist,   die   am  Horizont  in   einen  spitzen  Winkel 
zusammenzulaufen  scheint. 

Aus  Figur  II,  A,  HI,  A  und  IV,  A  ergiebt  sich  übereinstimmend,  dass  der  ein- 
fache Kreis  (die  Schale)  oder  das  Oval  eine  begrenzte  Wasserfläche,  der  mehrfach 
kontourirte  Kreis  (die  Spirale)  eine  grössere  Terrainerhebung  andeutet.  Von  charak- 
teristischen üfercontouren  sind  in  Figur  IV,  A  (IV,  B)  namentlich  die  mit  1,  2,  3,  4,  5 
bezeichneten  Bilder  hervorzuheben.  Von  charakteristischen  Berg-  und  Fluss- 
darstellungen ebendaselbst  7,  8,  9  und  10,  11,  12. 

Ueberschlägt  man  endlich  noch  die  annähernde  Grösse  der  berücksichtigten 
Fläche,  so  ergeben  sich  in  Figur  II,  A  und  B  für  die  eine  Rechteckseite  30,  für 
die  andere  25  geographische  Meilen;  in  Figur  HI,  A  und  B  analog  35  und  25;  in 
Figur  IV,  A  und  B  40  und  20.  Abermals  also  eine  auffallige  annähernde  üeber- 
einstimmung.  — 

Fig.  IH.  A.  Felsenbilder  von  Qoille-H&rad  (Bohuslän)  (nach  „Tuisko-Land''  u.s.w. 
S.  49). 
B.  Kartenbild  nach  Rieh.  Andree's   Allg.   Hand-Atlas   (1881)   S.  69. 
WO  West-Ost.    ö  Oeland.    G  Gotland.    OS  Ostsee. 
Fig.  IV.    A.  Stein  vom  Grabdenkmal  vom  „Aspatria-Platz«  bei  Carlisle,  England. 
C  Carlisle. 
B.  H.  Lange's  Volksschul-AÜas  (1880)  S.  24.    C  Carlisle. 
1)  Vergl.  Simpson,  Keller,  Desor  (die   einschlägigen  Werke)   und  F.  Rödiger, 
Solotbom,  Correspondenz-Blatt  d.  Deutsch.  Anthr.  Ges ,  XIX.  Jahrg.,  Nr.  1,  Januar  1888. 

Verhandl.  der  Berl.  ▲ntbropol.  Qetelltetaaft  1891.  17 


(268) 

Hr.  Virchow:  Daa  von  den  Herren  Rödiger  und  Taubner  so  eirrig  stn- 
dirte  Gebiet  der  Fels*  and  Steinzeichnungen  hat  eine  grosse  Ansdehnong  (Iher 
alle  möglichen  Theile  der  Erde,  nnd  es  bietet  zngleich  der  Phantasie  ho  bequeme 
Angrilbpunkie,  dass  es  etwas  schwer  ist,  dem  Gedanken  Ranm  zd  geben,  daas 
diese  Zeichnungen  überall  eine  topographische  Bedeutnag  haben  sollten.  Unser  ab- 
wesender Freund  Bastian  hat,  wie  Hr.  EI.  Krause  mir  in  die  Erinnerung  zorilck- 
gcrufen  hat,  schon  vor  Jahren  bei  Gelegenheit  einer  Beschreibung  der  Zcichen- 
Telsen  Columbiens  (Zeitsuhr.  d.  Gesellsch.  f.  Erdkunde  zu  Berlin,  Bd.  XIII}  eine 
weit  umfassende,  wenngleich  auch  für  jene  Zeit  nicht  erschöpfende  Uebersicht  der 
bekannten  Petroglyphen  gegeben.  Seitdem  hat  jedes  Jahr  neue  Beobschtangen 
gebracht,  und  wenn  nun  auch  die  Schalen-  und  Näpfchensteine  sich  derselben  Be- 
trachtung unterordnen  müssen,  so  darf  man  sagen,  dass  die  Zahl  der  in  Fragt; 
kommenden  Zeichen  und  Zeichnungen  Legion  wird.  Hr.  Bastian  bemerkte  schon, 
dass  in  den  Petroglyphen  Columbiens  das  Ghibcha-Zeichen  für  Dorfansiedelung  an 
Poithen  „so  vielfoch  in  derartigen,  Beziehungen  zu  HUgelreihen  andeutenden  Er> 
höhnngen  wiederkehrt,  dass  der  Zusammenhang  des  Ganzen,  an  solchen  Passage- 
steilen  der  Fltisse,  den  Eindruck  macht,  als  ob  eine  topographische  Orientirung 
beabsichtigt  sein  könnte".  Von  einer  Art  Wegweiser  auch  im  alten  Mexico  hat 
Dupaix  gesprochen,  indem  die  auf  Steinen  angebrachten  Fusseindrilcke  zur  An- 
gabe der  Richtung  gedient  hätten.  Nachdem  nun,  wie  ich  schon  in  der  vorigen 
Sitzung  (8.  242)  angeführt  habe,  Hr.  Rödiger  diese  „wegweisenden"  Petroglyphen 
bis  in  das  Herz  Ton  Deutschland  verfolgt  hat  und  Hr.  Taubner  die  an  sich  nahe 
liegende  Erörterung  der  skandinavischen  Hällristningur  faiHzufUgt,  wird  es  gewiss 
angezeigt  sein,  der  Dntersnchung  Raum  zu  geben.  Indcsa  darf  doch  wohl  auch 
daran  erinnert  werden,  dass  nicht  alle  solche  Zeichnungen  topographische  Bedeu- 
tung haben  dtirften,  und  vor  Allem  daran,  dass  sie  sehr  verschiedenen  Zeiten  an- 
gehören. Hr.  Rieh.  Andree  (Daa  Ausland  1890.  Nr.  27.  8.539)  hat  erst  letzthin 
die  Aufmerksamkeit  auf  die  von  Hm.  Bonnct  (Revue  d' Ethnographie  VIII.  I.Vt) 
geschilderten  Felszeichnnngen  im  Süden  der  Provinz  Gran  und  in  den  Oasen  der 
Sahara  hingelenkt,  wo  scheinbar  ganz  weit  ausoinanderliegende  Zeitperioden  durch 
solche  Marken  charakterisirt  werden.  Hr.  Bastian  erinnerte  an  eine  Beobachtung 
von  Sir  Robert  Schomburgk,  der  am  Rio  Negro  Felsabbildnngen  einer  spanischen 
Galeote  fand.  Wamm  sollten  nicht  ähnliche  Erfahrungen,  wie  man  sie  an  den 
Pictographien  auf  Thierhäuten  und  Holzbrettem  der  nord amerikanischen  Indianer 
gemacht  hat,  anch  bei  den  Petroglyphen  zutreffen?  Die  grösste  Vorsicht  in  der 
Interpretation  wird  daher  um  so  mehr  geboten  sein,  je  unvollkommener  die  Zeich- 
nungen sind,  die  man  interpretiren  will,  denn  es  liegt  auf  der  Hand,  dass  gerade 
die  UnvoUkommenheit  einer  Zeichnung  das  Versländnias  der  beabsichtigten  Dar- 
stellung in  hohem  Maasse  erschwert  und  der  Willkür  des  Interpreten  ein  weites 
Feld  eröffnet.  Es  ist  mit  den  Zeichnungen  der  Menschen,  wie  mit  den  Wolken, 
in  denen  eine  erregte  Phantasie  alle  möglichen  Thier-  und  Menschengestalten  er- 
blicken kann.  Möge  diese  Warnung  nicht  ungchört  verhallen!  Möge  sie  aber 
auch  nicht  so  aufgefasst  werden,  als  wollte  sie  von  einer  weiteren  Verfolgung  des 
jetzt  betretenen  Weges  abschrecken!  Im  Gegentheil.  möge  die  Untersuchung  fort- 
gehen, aber  in  der  kritischen  Weise,  die  jeder  einzelnen  Erscheinung  ihr  be- 
sonderes Recht  vorbehält! 

(8)  Hr.  Anton  Hermann  hat  Nr.  I  einer  Anzeige  über  das  neu  erSffhetc 
Museum  für  Völkerkunde  in  Budapest  eingeschickt. 

(9)  Hr.  H.  Bartels  zeigt  Lieferung  1  einer  neuen  Auflage  des  von  ihm  bear- 
beiteten Ploss'achen  Werkes  über  das  Weib. 


(259) 


(10)  Hr.  R.  Bachholz  legt  die  Protokolle  der  Generalversammlung  des  Ge- 
sammtvereins  der  deutschen  Geschichts-  und  Alterthumsvereine  zu  Schwerin  1890 
Tor  und  lenkt  die  Aufmerksamkeit  auf  seine  darin  (S.  172)  enthaltenen  Mittheilungen 
über  die 

Durchlässigkeit  vorgeschichtlicher  Thongefässe  und  deren  hauswirthschaft- 

liehe  Verwendbarlieit. 

In  neuerer  Zeit  ist  die  Verwendbarkeit  der  antiken  und  vorgeschichtlichen 
Thongefässe  für  hauswirthschafiliche  Zwecke  wegen  der  beobachteten  starken 
Durchlässigkeit  bestritten  worden,  um  die  Ansicht  zu  begründen,  dass  sie  aus- 
schliesslich für  Zwecke  der  Todtenbestattung  gefertigt  seien  und  ihr  Yorkommen 
deshalb  auch  eine  Nekropole  andeute. 

Von  jener  Durchlässigkeit  habe  auch  ich  mich  durch  genaue  Versuche  im 
Märkischen  Provincial-Museum  überzeugt  Ein  römisches,  drei  römisch-rheinische, 
sechs  altgermanische,  ein  fränkisches  und  ein  wendisches  Thongefass  wurden  nach 
Feststellung  der  Tara  mit  abgewogenem  Wasser  gefüllt,  mit  Papier  verdeckt  und 
unter  gleichen  Ruhe-,  Temperatur-  und  Luftveiiiältnissen  (allerdings  in  einem  sehr 
lufttrockenen  Zimmer)  7  Tage  lang  stehen  gelassen.  Dann  wurden  die  Gefässe 
wieder,  zunächst  brutto,  dann  tara,  gewogen  und  aus  dem  Vergleich  der  gewonne- 
nen Oewichtszahlen  die  durch  die  Gefässwandung,  zum  geringen  Theil  auch  wohl 
durch  die  Pflanzenpapierdecke,  verdunstete  Wassermenge  berechnet. 

Das  Ergebniss  war  zwar  ein  für  die  verschiedenen  Gefässe  sehr  abweichendes, 
es  bestätigte  aber  im  Allgemeinen,  dass  alle  jene  Gefässe  wirklich  sehr  durch- 
lässig sind. 

Das  römische  Gefäss  hatte  75  pGt.  Wasser  verloren,  die  römisch-rheinischen 
100,  bezw.  95  und  75  pCt.,  die  altgermanischen  83,  bezw.  74,  61,  58  imd  37  pCt., 
das  fränkische  62,  das  wendische  52  pCt.  In  Vergleich  hatte  ich  zwei  klin- 
gend gebrannte  mittelalterliche  Töpfe,  einen  glasirten  Steingutkrug  und  ein 
Porzellangefäss  gebracht,  von  denen  die  beiden  erstgedachten  7,  bezw.  5  pGt.,  die 
die  beiden  letzteren  nur  eine  auf  rund  Vi  pCH.  anzunehmende  Spur  Wasser  ver- 
loren hatten. 

Nach  meiner  Erfahrung  bin  ich  überzeugt,  dass  jeder  weitere  Versuch  unter 
gleichen  Verhältnissen  mit  anderen  vorgeschichtlichen  Thongefassen  immer  dasselbe 
Resultat,  d.  h.  immer  einen  Wasserverlust  von  33  bis  95  pCt.  ergeben  wird,  und 
es  ist  deshalb  eine  starke  Durchlässigkeit  als  erwiesen  zu  betrachten. 

Es  fragt  sich  indess,  ob  die  so  constatirte  Durchlässigkeit  wirklich  gegen  die 
ursprüngliche  Tauglichkeit  der  Gefässe  zu  Wirthschaftsz wecken,  insbesondere  ztun 
Transport  und  zum  Aufbewahren  von  Flüssigkeiten,  erfolgreich  ins  Feld  geführt 
werden  kann. 

Die  Gefässe  haben  mehr  als  1000,  ja  2000  bis  3000  Jahre  und  oft  länger,  in 
der  Erde  gelegen  und  sind  dort  dem  Einüuss  des  Grundwassers  und  der  Tage- 
wasser ausgesetzt  gewesen.  Liegt  da  eine  Veränderung  der  Wandungsdichtigkeit 
ausser  der  Möglichkeit?  Wären  die  Gefässe  aus  reinem  Thon  und  hätten  sie  jenen 
scharfen  Brand  erhalten,  der  sie  klingend  und  im  Bruch  gleichförmig  und  glasig 
macht,  dann  könnte  höchstens  eine  ganz  unwesentliche  Dichtigkeitsveränderung  an- 
genommen werden.    Aber  beides  ist  nicht  der  Fall. 

Der  Thon  hatte  meistens  eine  Beimischung  erfahren,  um  das  Bersten  der  Ge- 
fässe beim  Trocknen  zu  verhindern;  in  der  Regel  hatte  man  Granit  durch  Er- 
hitzen bröcklig  gemacht,  dann  zerkleinert  und  mit  dem  Thon  vermengt.  Hier- 
durch  waren  neue  Elemente  genug  in  den  Thon  gelangt,   um  unter  dein  Einfluss 

17  • 


(260) 

er  Erdfenchtigkeit  eine  auT  physikalisch-chemischen  GeBetKcn  bernhendc  Cm- 
etznn^  zu  bedingen,  welche  im  Laufe  der  Zeit  die  DichÜgkeil  in  hohem  Grade 
leeinträchtigen  moBBtc.  Die  Undichtigkeit,  welche  heate  constatirt  wird,  kann  des- 
lalb  erst  im  Laufe  der  vielen  Jahrhunderte  entstanden  sein,  sie  scKliessl  die  ur- 
prtüigliche  Dichtigkeit,  wenigstens  die  Annahme  einer  erbeblich  geringeren 
iorchlässigkeil,  nicht  ans. 

Auch  die  mangelnde  Schärfe  des  Brandes  kann  eine  durch  die  Bewegung  des 
ji-nndwassers  oder  durch  den  Einfluss  der  Tagewasser  hervorgerufene  mechaniBchc 
iTeränderong  in  der  Lage  der  Thoupartik eichen  beg^Ilnstigt  haben.  Klingend  scharf 
gebrannte  Oefässe  oder  auch  nur  Scherben  kommen  aber  aus  vorgeachichtl icher 
Seit  nur  höchst  selten  vor  und  wenn  sie  gefiinden  wurden,  so  Hess  sich  der  schar- 
ere  Brand  als  ein  nachträglich,  durch  Zufall  entstandener  in  der  Regel  erklären. 
3ie  Brenntechnik  war  noch  nicht  auf  den  Standpunkt  gelangt,  eine  auf  die  zu 
>reniienden  Gefässe  gleichmassig  vertheilte  Hitze  zu  erzeugen,  welche  eine  gc- 
ffisae  Verglasung  bewirkte;  der  Brand  war  immer  nur  ein  relativ  schwacher. 

Wenn  es  hiemach  zugegeben  werden  mnss,  dass  die  heute  als  sehr  durch- 
ässig  erscheinenden  Gefasse  ursprünglich  viel  weniger  durchlässig  gewesen  sein 
lönnen,  so  ist  es  ferner  Thatsache,  dass  alle  an  den  unbestrittenen  Wohnstälten 
|-efundenen  Thongefässe  von  den  Grabgefässen  derselben  Landschaft  gar  nicht  vcr> 
tchieden  sind,  dass  sie  also  heute  von  derselben  starken  Dnrchtäasigkeit  sind  und 
lennoch  als  hauswirthschallliche  Gefasae  offenbar  gedient  haben. 

An  allen,  als  solche  constatirten  Wohnstätten  Deutschlands,  z.  B.  Pfahlbauten, 
Burgbergen,   Bui^wällen,   an   den   in   der  Nähe   von  Gräberfeldern  aufgefundenen 
Vohnplätzen,    ist   eine  Töpferwaare    von    solcher  Beschaffenheit,    dass  sie  Wasser 
[licht  oder  weniger  durchlässt,  als  die  Grabgefässe,  noch  nicht  beobachtet  worden, 
höchstens   vereinzelte  Stticke,   welche   zufällig   später   noch    zum  zweiten  Male  in 
einen  Brand  geriethen  und  dadurch  mehr  oder  weniger  verschlackt  wurden. 
Wenn  es  überhaupt  keine  undurchlässigen  Gefässe  gab, 
wenn    andererseits    wohl    kaum    bestritten  werden  kann,    dass  Thongefässe  in 
erster  Linie    und  ursprunglich    fUr  den  haus wirtb schaftlichen  Gebranch  ge- 
fertigt und  erst  später  nebenher  beim  Bestattungscnltus  Verwendung  fanden, 
so  muss  doch  wohl  dieselbe,  heute  so  porös  erscheinende  Poterie  auch  zum  kurzen 
Transport  und  zum  Aufbewahren  von  Flüssigkeiten,  insbesondere  von  Wasser,  ge- 
braucht worden  sein. 

Geringer  ist,  wie  schon  oben  erklärt,  die  Durchlässigkeit  gewiss  gewesen,  wie 
sie  heute  erscheint.  Eine  massige  Durchlässigkeit  war  aber  für  die  damals  be- 
nöthigte  Gebrauchsweise  gar  nicht  von  Nachtheil,  im  G^entheil,  eine  schwache 
Verdunstung  durch  die  Gefasswandung  war  zugleich  das  Mittel,  den  übrigen  Inhalt 
kühl  zu  halten.  Eine  Veranlassung  zu  langer  Aufbewahrung  des  Wassers  gab  es 
nicht,  denn  länger  als  1  bis  2  Tage  blieb  es  doch  nicht  geniessbar,  und  ftlr  eine 
so  kurze  Zeit  berechnet  sich  der  Verlust  nur  auf  ä  bis  10  pGt.  Bei  Bereitung  von 
Getränken  durch  Oährung  oder  durch  Erhitzen  am  Feuer  ist  der  in  Folge  der 
Durchlässigkeit  entstehende  Verlust  nicht  grösser,  als  der  durch  Verdampfen  nach 
oben,  und  er  musste  vertragen  worden,  da  besseres  Gefassmaterial  nicht  zur  Ver- 
fügung stand.  Die  Holzgefässe  jener  Zeit  sind  zweifellos  auch  nicht  dichter  ge- 
wesen, und  Uetallgefässe  waren  bei  den  votgeschichtlichen  Völkern  noch  zu  selten, 
als  dass  diese  hier  in  Rechnung  kommen  können.  Gel  dringt  selbst  durch  fest- 
gebrannte  Gefasse,  man  musste  sich  einen  kleinen  Verlust  am  Vorrath  gefallen 
lassen,    ebenso    wie    bei    den    zu  längerer  Aufbewahrung  bestimmten,    gegohrencn 


oder  gekochte 
'  hat,  wie  sie  t 
Weder  ai 
cultm^geschich 
g:eschichtliche 
mebr  erscbeio 
Durchlässig 
FlUsstgkeite 
brauch  war< 

Hr.  Virc 
jährigen  Besut 
gleiche  Frage 
habe,  v eiche 
man  solche  V 
ansehen,  so  v 
Anfbewahrong 
sein  kann.  Dt 
durch  die  Bod< 
mOrben,  brüoh 
ond  kleinen  (h 
nnd  welche  di 
Theilc  für  Wb 
eben  so  verhall 
Ländern  des  8l 
Durchlässigkeit 
Poren  durch  PI 

Hr.  Olshai 
auch  an  ander« 
Flüssigkeit  entfa 


Ha 

Im  October 
Mann  ans  Strasi 
alt,  Tor,  der  ein 
Geburt  ein  Dei 
kleine  Beamtensi 
schliesslich  das 
wohnlich,  zieml 
der  Schnurrbart 
aber  nicht  die 
sehen.  Dagegen 
die  unteren  Absi 
mit  einem  ganz 
ansetzende  und  ; 
der  Uann  ist  dal 
Hals  geschlnnger 


denes  Tnch  und  verbirgt  das  Ganze  anter  den  Kleidern.  Die  Haare  sind 
□kelbrano,  durchweg  sehr  stark,  fast  wie  Franenhaar,  meist  glatt,  nur  rereinzell 
ih  nnd  etwas  gekräuselt.  Nicht  selten  finden  sich  im  Lanre  einzelner  Haare 
[gliche  Spalten,  hier  und  da  am  Ende,  jedoch  vorzugsweise  in  der  Continuität, 
dass  jenseits  der  Spalte  das  einfache  Haar  noch  30—40  cm  Tortgeht.  Die  gute 
ege  hat  sicherlich  sehr  viel  zu  der  Erzielung  des  ErMges  beigetragen.  Ära 
rigen  Körper  bat  das  Haar  keinerlei  Abweichung. 

(tä)   Hr.  Ed.  Krause  berichtet  über 

Hilgelgrftber  zu  Rehrberg,  Kreta  Oatpri«gnitz. 

I.   Äufgrabnngen  im  Oktober  1887. 

Die  im  Juli  1887  vorgenommenen  Änfgrabungen  in  den  Htlgelgräbem  zu 
ams,  Kreis  Ostpriegnitz,  veranlassten  den  Sohn  des  BittergutspSchters  Herrn 
ichim  Langhoff  auf  Kefarberg,  den  damaligen  Obersekn adaner,  jetzigen  Stud. 
!ol.  Eduard  Langhoff  einen  der  auf  Kchrberger  Feldmark  gelegenen,  denen  zu 
ams  ähnlichen  Htigel  aufzudecken.  Bei  dieser  Gelegenheit  wurden  einige  Gc^se, 
zw.  Oefässreste  gefunden,  weshalb  Hr.  Langhoff  dem  Amtavorsteher,  sein 
hn  der  Generalrerwaltung  der  Königlichen  Museen  Anzeige  von  dem  Funde 
ichte. 

Die  Ergebnisse  der  von  mir  am  6.  bis  8.  Oktober  1887  vorgenommenen  vor- 
[figen  Cntersnchnngcn  waren  folgende: 

Anf  der  Feldmark  des  Gutes  befinden  sich,  soweit  damals  festgestellt  werden 
ante,  drei  Gruppen  von  Hügelgräbern,  deren  erste  Gruppe  A  (Fig.  1),  aus  jetzt 
ch  erkennbaren  5  Hügeln  bestehend,  1,5  tm  NW.  vom  Dorfe  liegt  Diese 
SUgel  liegen  auf  einer  Bodenerhebung,  die  nach  Süden  am  stärksten,  nach 
en  anderen  Richtungen  sehr  schwach,  am  schwächsten  nach  Norden  ablällL 
>n  dieser  Hügeigmppe  wurden  die  in  der  Situationsskizze  Fig.  1  mit  I,  II  nnd  111 
ECichneten  Hügel  behufs  ihrer  Untersuchung  geöffnet.  Von  der  GetTnung  der 
rigen  beiden  nahm  ich  Abstand,  da  auf  einem,  Nr.  IV,  eine  starke  Kiefer  steht, 
t  noch  nicht  gerällt  werden  sollte,  der  Hügel  V  aber  an  der  Südseite  eine  Gin- 
ikung  zeigte,  die  vermutben  liess,  dass  hier  bereits  früher,  vielleicht  schon  in 
er  Zeit,  ein  Eingriff  stattgefunden  halte. 

Hügel  I  (Fig.  1—3).  Der  erat«  von  mir  untersuchte  Hügel  li^  an  dem  SO. 
de  einer  42  m  langen  Stein  sc  huttung,  anf  der  auch  die  Hügel  II  und  III  errichtet 
d.  Er  hat  7  m  Basisdnrchm csser  bei  1  m  Höhe.  Es  wurde  ein  etwa  2,5  n 
»ler  Graben  von  SO.  in  den  Hügel  eingetrieben.  Der  Hügel  bestand  bis  auf 
1  oberen,  fast  nur  aus  flachen  Steinen  gebildeten  Theil  durchweg  aus  Roll- 
inen von  0,15  bis  0,30  m  Durchmesser.  1,25  m  vom  Rande  süessen  wir  auf 
le  Steinkiste,  hergestellt  aus  aufrecht  gestellten,  flachen  Geachiebestücken,  die 
i  zu  0,80  in  lang,  0,40  m  breit  und  0,30  m  dick  waren.  Dreizehn  solcher  Steine, 
t  ihren  flachsten  Seiten  nach  innen  gestellt,  umstanden  und  bildeten  einen 
'5  in  im  Lichten  weiten  Raum,  an  dessen  Westseite  Umenscherben  mit  einigen 
sten  gebrannter  Knochen,  hauptsächlich  vom  Schädel,  niedergelegt  waren,  während 
lere  Knochenreste  in  dem  ganzen  geödeten  Tbeil  dea  Hügels  zwischen  den 
tinen  verstreut  lagen.  Die  Steinkiste  war  mit  flachen  Steinen  in  mehreren 
(lichten  überwölbt,  wie  dies  in  Fig.  2  dargestellt  ist.  Das  Qewdibe  war  in 
gender  Weise  hergestellt:   Auf  einen  (oder  zwei  neben  einander  übende)  Steine 

des  Steinkreises  der  Kiste  war  ein  flacher  Stein  b  derartig  aufgelegt,  dass  die 
^inere  Uülfle  nach  unten  und  aussen  überragte;  an  diesen  Stein  waren,  in  gleicher 


(263) 


HüKcIgiuppe  A.    3  ;  4000. 


Hügel  I.    GniDdriss.    3  ;  400. 


H&nei  I.    Querscbnitt.    B  :  400. 

Weise  auf  'lie  Seitensleine  aar^legt,  hart  an  b  anatossende  andere  flache  Steine 
gefti^,  Bo  dass  sie  zusammen  einen  (i^schlossenen  Ring  bildeten.  Anf  die 
unten  überhitn^ndcn  Enden,  die  ^^n  die  Ristenwand  hin  mit  Rollsteinen  unter- 
fUllt  waren,  waren  ron  aussen  her  wieder  Dache  Steine  c  gelegt,  gegen  welche,  noch 
der  Mitte  zu,  die  Schicht  d  stiess,  deren  Zusammenstoss  mit  c  die  Schichten  e  und  f 
Überdeckten.  Oben,  fast  genau  in  der  Mitte  des  Gewölbes,  fand  sich  als  Schlnssstein 
ein  flacher  Mahlstein  aus  Granit  g,  der  sich  jetzt  im  Museum  für  Völkerktinde  be- 
flndel,  mit  der  flach  ausgehöhlten  Gebrauch sfläche  nach  unten  gekehrt.  Diese  Stein- 
kiste war  mit  Sand  geftillt,  in  dem  die  Scherben,  als  solche  beigesetzt,  und  Knochen 
enthalten  waren.  Die  Herstellung  eines  derartigen  gewölbeartigen  Baues  ist  nur 
möglich,  wenn  der  ganze  Raum  darunter  mit  Sand  angemilt  ist,  da  daa  Gewölbe 
sich  nicht  tragen  kann  und  ohne  Unterstützung  einstürzen  wttrde.  Die  Steinkiste 
war  in  den  Seitenwänden  0,40  m,  in  der  Mitte  0,75  m  im  Lichten  hoch.  Ihr  Boden 
war  mit  flachen  Steinen  gepflastert,  die  nach  Ausräumung  der  sonst  nur  mit  Sand 
and  einigen  kleinen  Steinen  gefüllten  Kiste  ebenfalls  entfernt  wurden;  doch  fand 
sich  unter  ihnen  bis  zu  1,25  m  Tiefe  nichts  Ton  Alterthümern  vor. 

Bttgel  II,  tMg.  4,  lag  8,5  m  vom  Rande  des  HUgels  I  ungefähr  auf  der  Mitte 
der  Steinschtlttung,  deren  beide  Enden  die  Hügel  I  nnd  UI  bilden.  Diese  Stein- 
schfittung  erhebt  sich  nur  wenig,  0,30  bis  0,50  m  Aber  die  umliegende  Ackerfläche 
und  ist  augenacheinlich  nicht  mehr  nnbertlhrt,  da  bereits  früher  Feldsteine  von 
ihr  abgefahren,  andere,  von  dem  umliegenden  Felde  aufgelesen,  wieder  hinzugethan 
sind.  Dennoch  hielt  ich  die  kaum  als  kleine  Erhöhung  bemerkbare  Stelle,  welche  der 
Hügel  II  einnahm,  Tür  nnberührt.    Die  Oeflnung  des  Grabes  beslütigte  die  Richtig- 


^- 


HQgel  III.    Gnindriu.    8  :  400. 

Figur  G. 


Engel  in.    Qnerechnitt    9  :  400. 


ment  (Fig.  9),  anscheinend  durch  den  Brand 
bei  der  Bestattung  geschmolzene  Bronze,  ge- 
funden. Bei  d  traf  ich  Scherben  eines  sehr 
dickwandigen  GefSases,  doch  nichts  Zusammen- 
hängendeB.Tietmehr  lagen  die  einzelnen  Scherben, 
sowohl  in  horizontaler,  wie  in  vertikaler  Rich- 
tung, weit  auseinander.  Dnrch  die  ganze  Brand- 
schicht Terstrent  wurden  einzelne  KnochenstUcke 
und  grössere  Kohleobrocken  gefimden;  letztere 
zeigten  die  Structnr  des  Eichenbolzes.  Ein  von 
Nordwesten  her  eingetriebener  Graben  konnte 
der  TorgerUckten  Tageszeit  wegen  nicht  bis  zum 


Figuf  '■      Figur  8. 


der  natürlichen  OrOesc, 


(267) 


Figur  12.    "/^ 


Figur  14, 


Figur  18. 


Vi«  der  natürlichen  Grösse. 

Langhoff  den  Hügel  nur  von  oben  her  geöffnet  hatte,  und  die  Steinkiste  noch 
nicht  ganz  geleert  war,  so  liess  ich  wiedemm  einen  Graben  eintreiben  und  zwar 
von  der  Ostseite  her.  Die  Steinkiste  (Fig.  11)  stand  etwas  südlich  von  der  Mitte, 
war  ans  im  Querschnitt  mehr  rundlichen  Steinen  aufgebaut,  „oben  über^,  wie  Herr 
Langhoff  berichtet,  „ein  flacher  Stein  wagerecht  gelegt,  und  um  diesen  mehrere 
andere".  Einen  grossen  Theil  dieser  üeberwölbung  fand  ich  noch  in  seiner  ursprüng- 
lichen Lage  Tor.  Ehe  wir  an  die  Steinkiste  gelangten,  wurden  wiederum  zwischen 
den  Steinen  Scherben  und  Knochensplitter  gefunden.  Die  Kiste  war  1,10?»  lang, 
0,80  m  breit  und  0,50  m  in  den  Wänden  hoch;  ihr  Boden  war  0,60  m  über  Terrain- 
höhe in  Lehm  gebettet.  Unter  den  durch  Hrn.  Langhoff  entfernten  flachen  Deck- 
steinen fand  sich  wiederum  ein  grosses  Fragment  eines  Mahlsteines  aus  weiss  ge- 
bändertem  Syenit  oder  Diorit.  In  dem  in  der  Kiste  befindlichen  Sande  wurden 
noch  Scherben  der  früher  ausgegrabenen  Gefässe,  sowie  die  grösseren  Fragmente 
eines  neu  gefundenen  Gefässes  ausgegraben.  Die  in  diesem  Hügel  gefundenen 
Alterthümer  sind  folgende:  Fig.  13  ein  kleiner  einhenkliger  Topf  von  hellgrauer 
Färbung;  er  ist  6  cm  hoch,  hat  9,5  an  oberen,  3,5  cm  Bodendurchmesser.  Unter 
der  weitesten  Stelle  (10,8  cm)  befinden  sich  3,  darüber  4  wagerechte  flache 
Furchen  und  über  und  unter  diesen  je  eine  Reihe  kleiner  flacher  Grübchen.  Der 
kleine  Topf  stand  in  dem  in  Fig.  14  dargestellten  aufrecht,  beide  mit  Sand  gefüllt. 
Fig.  14  einhenkliger  Napf,  17 — 19  cm  hoch,  bei  35  cm  oberem,  11  et«  Bodendurch- 


Pigur  15. 


Figur  IG. 


/ 


7i6  der  nat&rlichen  Grösse. 


messer.  Er  ist  dunkelgrau,  an  einigen  Stellen  fast  schwarz,  seine  Oberfläche  gut 
geglättet.  Fig.  15  Urne  ohne  Henkel,  16 — 19  cm  hoch,  24  cm  oberer,  28  cm  grösster 
Durchmesser  und  9,6  cm  Boden  weite.  Fig.  16  Urne  von  gleichem  Typus,  wie  Fig.  15, 
doch  gerade;  19  cm  hoch,  25  Cfn  oberer,  30  cm  grösster,  11,5  cm  Bodendurchmesser. 


Platze  stand,  nährend  der  obere  Theil  nach  Westen  hin  rerschobea  war.  Der 
Sand  in  der  Steinkiste,  sowie  die  Scherben  waren  ganz  von  Regenwasaer  durch- 
näast,  so  doss  von  der  stark  zerdrückten  Urne  nur  einige  Scherben  gehoben  werden 
konnten,  während  alles  Andere  zu  Krümchen  zerbröckelte,  wozu  auch  der  starke 
Regen  während  der  Arbeit  beitrug.  In  der  SandfUlinng  lag  über  der  Urne  in  der 
Höhe  der  Oberkanl«  der  Seitenwandsteine  ein  flacher,  0,30  m  breiter  Stein. 

Hügel  IX,   6ffl  Basisdnrchmesser  und    t,10tn   hoch,   konnte   der  Kürze  der 
Zeit  wegen  nicht  gcöfAiet  werden,  durfte  aber  ebenfalls  ein  Grab  enthalten. 

Pigni  20. 


HSgel  X.    Qoetschnitt.    9  :  400. 
Figur  21. 

.        o  ^ 

\\ 

n  ^^J  0 

rj  0 


o^ 


„'fi 


Hügel  X.    Grundriss.    3  :  400. 

Gruppe  C,  920  m  Nordosten  gegen  Norden  Ton  Gruppe  B.  bei  dem  Gehölz 
„die  Staarbucht"  oder  die  „Staarbuchtschen  Tannen".  Die  Gruppe  besteht  heute 
noch  aus  den  4  erkennbaren  Hügeln  X,  XI,  XII  und  XIII. 

Hügel  X  (Fig.  20,  21  und  24)  hat  10,5  m  Basisdurchmesser  und  1,60  m  Höhe. 
Oben   in   der  Mitte  lag  ein  grösserer  Stein,   der  über  die  umliegenden  um  0,30  m 


(270) 

^.  0,5  m  gegen  Ostnordost  von  diesem  Mittelstein  (Fig.  21)  lag  i 
•  oberen  Sieinschichl  zwischen  einigea  flachen  Steinen  ein  Häuriein  Rnoc 
fen  Thonscherben  umgeben.  0,5  m  Ton  der  Mitte  nach  Bttdwesten  fat 
einer  Tiefe  von  0,20  m  Scherben  eines  Thongefässes  und  0,30  m  n 
undstclle  eine  Steinsetzung  (Fig.  21)  und  darin  die  mit  Knochen  get 
ig.  22)   nebst  Deckel  (Vig.  23).    Diese  Urne   ist  17,5  cm  hoch,   bei  21 


Figur  29. 


'/,,  der  n»türlicfaen  Grili 


31  cm  weitestem  and  11,5  cm  Bodendnrchmesser.  Die  nntere  Baachili 
\\  ein  Gitterwerk  von  wagerechteu  und  radialen  Strichen  verziert 
hale  (Fig.  23)  weist  eine  ähnliche,  wenn  ancb  nicht  so  regelmässige  ' 
;tar;  ihr  Henkel,  von  dem  die  Ansätze  noch  zn  sehen,  wurde  nicht  getan 
Je  ist  8,5  cm  hoch  und  hat  31,8  cm  oberen,  II  cm  Boden durchmesser.  U 
1  Hügel  krönenden  Stein  lagen  2  Fenersteinspähne  mit  Spuren  von 
',.  um  den  Hügel  zog  sich  in  einem  Abstände  von  1  m  von  der  Peripl 
z  grösserer  Steine,  während  der  ziemlich  grosse  Hügel  in  dem  bi 
bten  Theile  auffallender  Weise  fast  nur  aus  sehr  kleinen  Steinen  von  Fi 
nd  etwas  darüber  zusammengesetzt  war. 
[el  XI  und  XÜ  liegen  auf  einer  Steinschüttung  von  18,5  m  Länge  (Pig. 

hier  ebenfalls  nur  die  ReschafTeobeit  des  Hügels  XI  festgestellt  wer 
wurde  er  der  Kürze  wegen,  wie  auch  mit  HUgel  X  geschehen,  von  ( 
fnet,  da  die  vielen  flachen  Steine  an  der  Oberfläche  ihn  als  bereits  frl 
erscheinen  Hessen.  Der  Hügel  hat  4  in  Basisdurchmesser  bei  0,30  m  H 
räumen  der  zweiten  Schicht  wurden  einige  Scherben,  zum  Theil  veix 
I,  so  dass  der  Hügel  ebenfalls  als  ein  Grabhügel  zu  betrachten  sein  dfl 
el  XU  and  XIH  masste  ich  unberührt  lassen,  da  mein  Urlaub  ablief. 
;el  XII  hat  8,5  m  Durchmesser  and  ist  1,25  m  hoch, 
■el  XUI   ist  der  imposanteste   aller  von  mir  besichtigten  Hügel.    Er 

m  nordwestlich  vom  Hügel  XU,  an  einer  sehr  aasgezeichnelea  8t 
1  auf  einer  Art  Torgebirge  (Pig.  24),  das  nach  Nordwesten,  Norden 
n  hin  abfällt;  namentlich  ist  der  Abfall  nach  Nordwesten  bedeat 
nach  dieser  Richtung  hin  schliesst  sich  ein  Thal  an,  dessen  Grand 
md  ein  Wasser  einnehmen.  Dieser  grdsste  von  allen  Kehrberger  Hll 
1  Basisdurchmeaser  und  ist  2,3  m  hoch.  Da  er  nicht  nur  durch  ■ 
sondern  auch  durch  seine  hervortretende  Lage  besonders  aosgeceiclmel 
I  vermathen,  dass  er  zum  Denkmal  für  eine  besonders  hervorragende 
nt  oder  Familie  errichtet  ist,  and  es  dürfte  deshalb  seine  üntersachaof 
!  der  Wissenschaft  sehr  zu  empfehlen  sein. 

hier  beschriebenen  Arbeiten  an  den  verschiedenen  Hügeln  sind,  da  n 
T  Zeil  ausgeführt   werden  muasten,    keineswe.gs  erschöpfend,   und  ddi 


(272) 
FiguT  26. 


OL  ■;      ;   .- 


;z2: 


■W^Ux. 


Hügelgrnppe  D.    8  :  4000. 

Ezo  dieser  Gruppe.  Diese  Hflf;el^rä 
vom  Gute,  etwa  700  m  westlich  von  der 
nitten  des  genannten  Waldstückes.  Dil 
r  bei  0,60  bis  1,10  m  Höhe;  sie  sind  i 
ten  nach  Südosten  gnippirt,  derartig,  das 
an  den  Enden  liegen.  Ihre  Oberfläct 
!  liegenden,  da  die  Zwischenräume  z^ 
and  gefüllt  sind,  als  dies  bei  den  ttbrigt 
aach  die  Oberfläche  mit  einer  Gras-  i 
im  Felde  liegenden  nur  zum  Theil  der 
;in  runder  HUgel  yon  7,5  m  Basisdurchn 
en  sich  wiedemm  in  einer  gewölbeartig 
er  ich  noch  einige  Steine  der  Umfassun 
Es  waren  ziemlich  flache  Steine,  welch 
nden.  Die  darüberl legenden,  eine  Art 
m.  E.  Langhoff  entfernt  worden.  Der 
lohle  etwas  über  Teirainhähe;  die  Zwis 
;n  mit  Lehm  aasgefUlIt,  welcher  in  der 
pe  nicht  ansteht,  also  absichtlich  herbe 
lg,  der  zum  grossen  Theil  noch  in  urs] 
le  ausgehoben,  doch  bis  zur  Tiefe  toi 
n.  Darauf  wurde  ein  Graben  von  8l 
len,  aber  bis  znr  Uitte  des  Hügels  nur 
te.  W^en  Arbeitermangela  und  wegen 
on  eingehenderer  Untersuchung  abstehet 
I  von  dieser  Ilügelgruppe,  etwas  gegen  N 
'  Umgebaog  der  Hügelgruppe  D  zwei  8t< 
t  schmalen  „Riesenbetten"  haben.    Wei 


kleiner  siiid, 
nnterlasseii,  d 
ihre  Entatehm 
lange  Betten 
iannen  gegen 
breit;  die  sc! 
anft^cht  stehe 
eine  3,5  m  la 
zerstörten  Gn 
gleichfalls  ein 
Steine  fehlt.  , 
raun  eine  17 
und  15  m  sfld 
Nordwesten  t 
durcbmesaer. 
liegt  ein  groi 
Steinen,  welcl 
einer  eingestti 
und  mit  letzte 
und  16  »1  när 
gegen  Südost« 

östlich  vom  V 
schuttung  mil 
Gründen  nicht 
aufkommen  I: 
der  aus  kleir 
gröascrer,  zun 
regelmässig,  o 
unter  den  Stc 
nächst  der  U 
ihnen  bemerk 
langen  Steinsc 
Hüaenbettcn  i 
Grenzsteine  r< 
Breite  sehr  wi 
thun  hat,  welc 
wobei  die  gri) 
neben  dem  Fi 
Ausser  d( 
Kehrberg  nah 
kleinen  AnbÖh 
9  Hügeln  (Fi^ 
durch  Sandwel 
verschwommei 
Dache  Steinscl 
samen  Onind{ 
Sprungs  und  t 
gelegener  Hüg 
■leinen  bestas 


(274) 
Pigtir  36. 


>• 

xyF    ,-yxc 

xkiti  ■;.) 

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YJIV-                     /';'0 

■'■.^,!XIX       ,-,; 

-m  o  ,, 
2szr   ^™ 

HögelgTDppe  B.    3  :  4000. 

ige)  XIX  (Fig.  27)  Würde  zuerst  antersnchL  Er  war  rund,  hatte  5,5  n 
rchmesser  and  0,70  m  Höhe.  24  an  der  Peripherie  spitz  gestellte  Steine, 
)ch  nnr  wenig  Über  die  Oberfläche  des  HUgeU  herrorragteü,  bildeten  einen 
im  den  Hügel.  Es  wurde  Ton  Osten  her  ein  2  m  breiter  Graben  in  den  HOgel 
n.  Nächst  der  Oberfläche  stiess  man  zunächst  auT  eine  25 — 30  an  starke 
kleinerer  Steine,  zwischen  denen  etwas  Östlich  von  der  Mitte  einige  Knochen- 
and  etwas  Kohle  gefunden  wnrden.   Unter  dieser  Sleinschicht  lagen  grössere 

In  der  Mitte  des  Hügels  wurde  nichts  von  AlterthUmem  gcrunden,  wohl 
n  westlich  Ton  der  Mitte  eine  Steinsetznng  und  darin  eine  zerdrückte  ITme 
cinirten  Knochen,  welche  mit  auf  den  Gntahof  genommen  wurden.  Nach 
ocknen  fand  ich  beim  Sieben  der  Knochen  mit  einem  feinen  Siebe  ein 
en  einer  Bronzenadel,  sowie  zwei  StUcke  eines  eisernen  Messers  (Fig.  2H). 

die  Urne  stehenden  und  über  dieselbe  gedeckten  Steine  (Fig.  27)  waren  bis 
n  lang  and  bis  38  cm  breit  und  dick.  Die  Umenscherben  waren  durch  den 
der  Steine  leider  in  solcher  Beschaffenheit,  dass  trotz  soigfältigsten  Anf- 
tller  Stucke  die  Ume  nicht  zusammengesetzt  werden  konnte. 

mir  wegen  der  Ernte  nur  zwei  Leute  zu  Verfügung  standen,  musste 
\  der  Untersuchung  grüsscrer  Hügel  Abstand  nehmen;  ich  wählte  des- 
i  nächsten  den  Hügel  XXV  (Fig.  29  bis  32),  welcher  nnr  etwa  70—75  em 
■rrain  hervorragte,  während  sein  Basisnmfang  auf  der  oben  erwähnten 
amen  Steinachüttung  nicht  genau  festzustellen  war.  unter  einer  etwa 
itarken  Schicht  kleinerer  Steine  von  etwa  10  em  Durchmesser  fand  ich 
s  flachen  Steinen  zusammengesetzte  Steinkiste  (Pig-  30  and  31),  welche 
I  durch  die  Lost  der  darüber  ruhenden  Steine,  wie  durch  andere  Ein- 
zerdrückt  nnd  verschoben  war,  in  der  Weise,  wie  Fig.  30  Qnenchnitt, 
'.  31  Gmndriss  zeigen.  Die  Vandsleine  waren  nicht  nur  oben  nach  innen 
t,  sondern  anch  in  ihrer  horizontalen  Lage  verrückt;  der  Bodenstein  war 
nach  Westen  geneigt    Auf  letzterem  stand  eine  zerdrückte  Urne  mit  cal- 

Knochen,  zwischen  denen  beim  Aussieben  nach  dem  Trocknen  ein  Bnich- 
m  einer  Bronzenadel  gefunden  wurde,  sowie  ein  weisser  Kiesclalein  6  cm 
an  breit,  2  cm  dick.  Die  Scherben  konnten  leider  ebenfalls  nur  zum  Theii 
engesetzt  werden.  In  der  nordwestlichen  Ecke  der  Steinkiste  fanden  sich, 
über  als  die  Urne  gelegen,  Scherben  eines  kleinen  zierlichen  Gefässes  ans 
Thon  mit  Verzierungen,  8,3  «n  hoch,    4,4  cm  im  Boden,  9  cm  oben,    11  i« 

weitesten  Stelle  breit,  welches  wieder  zusammengesetzt  werden  konnte 
).  Die  Steinkiste  war  nicht  mit  einem  oder  mehreren  Steinen  bedeckt,  wie 


(276) 

Tigra  34.  dringen  wnrde   ösUich  von  der  1887  ge- 

rnndenen  Steinkiste  (Fig.  20,  32,  23)  in 
gleicher  Höhe  eine  Steinidfite  gleicher  Con- 
Btmction,  doch  sehr  zerdrttckt,  gefunden, 
und  in  dieser  eine  Urne  mit  QuerßUte- 
lung  und  Deckel,  welche  im  Unseum  zu- 
sammengesetzt worden.  Die  Urne  (Pig.  34) 
ist  27,5  em  hoch,  11  cm  im  Boden,  Iti  m 
oben,  29  cm  im  Bauche  breit  und  hat 
zwei  kleine  Henkel.  Der  Deckel  (Fig.  34a) 
6  an  hoch,  17,5  cm  oben  weit,  ist  als 
Deckel  für  diese  Urne  besonders  ange- 
fertigt, wie  seine  Form  zeigt,  da  er  gensn 
Aber  den  Hals  greift  und  ausserdem  keine 
^  Standfläche  hat,  also  nicht  als  Schale  ge> 

dient  haben  kann.  In  der  Urne  wurden 
zwischen  den  Knochen  drei  schwarze  sand- 
steinartige Stücke  gefunden,  die  anschei- 
nend mit  organischen  Stoffen  durchsetzt 
7ig  (Hügel  X)  waren.  Eine  in  der  Flamme  erhitzte  Probe 

hielt  als  Stück  zusammen,  brannte  nicht, 
roch  aber  nach  BirkeDthecröl  (Jachten).  Es  dürften  deshalb  diese  Stucke  als  ein  mit 
Birkentheer  oder  Birkenharz  durchsetzter  sandiger  Lehm  anzusehen  sein.  Nahe  der 
Mitte  des  Hügels  wurden  bis  zu  1  m  von  der  Oberfläche  desselben  an  mehreren 
Stellen  einzelne  Scherben,  Feuersteine  und  Feuersteinsplittcr  mit  Schlagmarken,  ge- 
brannte Knochen  und  KohlenstUckchen,  anscheinend  von  Kiefern  und  Eichen,  gefun- 
den. Von  weiterer  Anfgrabung  des  Hugels,  die  bei  seiner  Grösse  sehr  zeitraubend 
gewesen  wäre,  musste  ich  abstehen  und  schritt  desshalb  zur  Probeaufgrabnng  des 
HUgels  Xll.  Dieser  HUgel  hat  8,5  w  Durchmesser  und  1,25  v,  Höhe.  Ein  von  Süd- 
osten her  eingetriebener  Graben  stiess  1  m  südöstlich  von  der  Hitte,  etwa  2b  cm  unter 
der  Oberfläche,  auf  ein  Häufchen  Scherben  und  Knochen, 
Figur  35.  yon  ersteren  einige,   und   zwar  Fragmente  einer  Urne  und 

einer  Schale,  in  gleicher  Weise  verziert,  wie  die  Fig.  £2 
und  2'6  des  ersten  Berichtes.  Sodann  wurden  in  der  Hitte 
von  0,5  bis  1,25  m  Tiefe,  regellos  zwischen  den  Steinen 
verstreut,  Knochen  und  Scherben  gefimden,  darunter  stark- 
profllirte  B:andstücke,  zwei  Stücke  ron  Henkeln,  Bauch- 
'I   m-    I  TTT^  theile  verschiedener  Gefässe,  auch  sehr  dünnwandige  Scher- 

'•        ^  bell   eines   kleinen,   hübseh   verzierten   Gef^ses  (Fig.  35), 

Durch  diese  Funde  ist  auch  Hügel  XH  als  Grabhügel  gekennzeichnet. 

Ausser  den  bis  jetzt  fcslgestellten  5  Hügelgruppen  sah  ich  auf  kehrbergcr 
Feldmarii  noch  mehrere  Einzelhügel  am  Westabhange  des  Kiebitz-Beiges,  2  ha 
nordnordöstlich  vom  Gute  Kehrberg,  sowie  einen  zwischen  den  Gruppen  C  und  E, 
doch  konnte  ich  bisher  noch  keinen  derselben  untersuchen. 

(13)   Hr.  Ed.  Krause  überreicht  einen  Bericht  über  ein 

Gräberfeld  nnd  HUgelgrab  zn  Milow,  Kreis  WestpriegnitE. 

In  Seddin  erhielt  ich  im  Juli  1888  von  dem  Oensdarm  Schlei  ans  Perieberg 


lie  Nachriebt,  daas  der  Qastwirth  1 
ein  aeaeg  Gräberfeld  entdeckt  an 
nnd  aufbewahre,  weshalb  ich  mict 
ron  Milow  liegt  dicht  beim  Dorfe 
länger«  Zeit  bekannte  Gräberfeld, 
und  Altertbtlmer  gefonden  worden 
Prediger  Handtmann,  Seedorf  bi 
uithropologischen  Oegellschaft,  181 
Berliner  anthropologischen  Gesell« 
II.Angnst  1886  veranstaltete  Ansai 
sehr  interessante  Pandstttcke  von  Mi 
Hohlkoopf,  welche  dem  Röniglichf 
Berrn  Dberprediger  Paschke  in 
S.  4M  mid  430).  —  Die  Pnnde  die: 
der  darauf  folgenden  römischen  2 
mich  auf  der  Fahrt  nach  Hilow. 
diesem  Frlihjahr  beim  Kiesgraben  ( 
^fässe,  sowie  eine  Keibe  von  Beig 
Pibel,  Glasproben,  Bronze-Ohrbomi 
Art,  sowie  eine  Anzahl  eiserner  G 
mit  broneenem  Uohlknopf,  der  ini 
Riemen verziemngen  haben  die  in  der  i 
stehenden  Zeichnung  wiedergegebene 
Dieselben  waren,  wie  zwei  durch  C 
tion  zusammengefrittete  Exemplar 
weisen,  in  nebenstehender  Anor 
Ein  einander  gereiht.  Diese  Altert 
erhielt  ich  von  Herrn  HadauBS  a! 
schenk  fUr  das  Museitm. 

Die  Besichtigung  des  Gräberfeli 
Dach  im  Erdboden,  so  daas  die  mei 
zerstört  sind.  Der  Boden  des  Gräb< 
und  grösseren  Steinen  durchsetzt, 
Sonde  unmöglich  ist,  das  AufSndi 
mnaa.  Wir  gruben  am  Bande  eine 
funden  wurde,  dessen  Oberflüche 
mit  einigen  schmalen  senkrecht  t 
sehen  iat.  In  den  Leichenbrandrei 
Fragmente  einer  eisernen  Nadel, 
femt,  war  ganz  zerbröckelt. 

Hügelgrab  bei  Hilow.  Hr. 
an  der  anderen  Seite  der  Fahrstras 
100  Schritt  Ton  diesem  entfernt,  fri 
vor  ungefähr  30  Jahren  der  Steine  ' 
in  einer  gewölbeartigen  Steinkiste 
Bronzesachen,  damnter,  seiner  Er 
Schwert,  ein  Hohicelt,  ein  Halssct 
and  eine  Nadel,  sowie  mehrere  ^ 
zerschlagen  worden,  die  Bronzen  a 


(278) 

'14)  Hr.  W.  Schwartz  zeigte  einige  phantastische  Thenfigaren  t 
!Oem  Höhe  ror,  die  menschliche  Körper  in  sitzender  Stellung  mit  Thie 
en  nnd  meist  tiber  der  Brust  verschränkten  Armen  darstellten  und  in  grel! 
e  mit  den  verschiedensten  Farben  betnptl  nnd  bemalt  waren.  Hr.  Schwär 
te  daranf  anfmerksam,  ilass,  wenn  man  nicht  die  Heimath  der  betreffend 
en  wisse,  nnd  sie  nicht  „berücksichtige",  man  die  mit  Eberköpfen  ti 
len  für  Darstellung  der  bekannten  Eber-Inkarnation  des  indischen  Wisch 
n  könne,  von  dem  es  ebensolche  Figuren  gäbe.    80  seien  sie  aber  aas  Tc 

nnd  wenn  man  den  Rücken  ansähe,  bemerke  man,  dass  es  etwas  kolosw 
in  för  Kinder  seien.  Es  sei  wieder  ein  Beispiel  eigenthflmlicher  Volksindustr 
lie   dort  noch   zu  Weihnachten   gepflegt  werde.    Er  werde   die  F%nren  an 

hiesigen  Trachtenrnnaenm  überweisen.  Dieselben  worden  bis  auf  die  An 
irmen  gegossen.  Jene  anzusetzen,  sei  Sache  der  Lehrjungen,  and  so  sprec 
denn  auch  in  den  verschiedenen  Stellnngen  derselben  bei  den  einzeln 
«D  ein  indiridueller  Humor  aus. 

|15)  Hr.  Bartels  legt  Photographien  der  mittelamerikanischen  Micr 
alen  vor,  welche  unter  der  Bezeichnung 

Azteken 

;rholentlich  in  Enropa  gezeigt  worden  nnd  welche  jetzt  in  Caatan's  Panoptici 
stellt  sind.  Sie  sind  von  Carl  Gtlnther  photograpbisch  anrgenommi 
mo  steht  im  Anfange  der  .'iOer,  Bartola  am  Ende  der  40er  Jahre.  E»  si 
Ihen,  welche  bereits  im  Jahre  18Ö5  in  BerUn  u.  s.  w.  gezeigt  und  damals  v 
.  Carus  besprochen  and  abgebildet  worden  sind  (Berichte  Über  die  Vi 
langen  der  Rgl.  Sächsischen  Gesellseh.  d.  Wissenschaften  zu  Leipzig,  Mathe 
Glasse  I.  Leipzig  1856). 
tfan  hat  nnn  also  die  Gelegenheit,  sich  von  den  körperlichen  Veranden 
zu   flherzeugen,  welche   sich   hei   ihnen  im  Laufe   der  Jahre   heransgestt 


9r.  B..  Hartmann:  Die  sogenannten  Azteken  lassen  sich  schon  seit  eit 
e  von  Jahren  an  verschiedenen  Plätzen  der  civilisirten  Welt  sehen,  umwob 

einem    Dunst   der    eretaunltchsten    nnd    unglaab würdigsten    Sagen.      Letzt4 

bereits  za  Beginn  der  IS.Wer  Jahre  in  einem,  Sr.  Hobelt  dem  Prinz 
■t  gewidmeten  Klei noctav bändchen  niedergelegt,  welches  den  Titel  Hifa 
itrirte  Denkschrift  einer  wichtigen  Expedition  in  Centralamerika,  aas  ( 
Entdeckung  der  Götzenstadt  Iximaya  in  ciaer  ganz  unbekannten  Gc^ 
iigeht"  u.  s.  w.  In  dieser  schlecht  ilJuatrirten  Broschüre  wurde  unter  eini 
gen   Wust    der    allcrgröbsten    und    langweiligsten    Lügen  berichte  ^angegcb 

die  als  Azteken  gezeigten  „  lili  putisch  en"  Wesen,  Maximo  der  Mann,  u 
ila  das  Weib,   als   letzte  Sprossen   eines   halberloschenon,  —  natürlich   el 

ans  semitischer  Gegend,  aus  Assyrien,  nach  Centralamerica  (San  Salradi 
^wanderten  —  Stammes  in  dem  fabolösen  Izimaya  vom  Volke  in  Lit 
Verehrung  gehalten  worden  sein.  Die  kleine  Statur  der  Lilipuler  solle  t 
ich  in  Folge  einer  körperlichen  Degeneration,  bei  stetiger  Schliessung  v 
'andtschaftsehen,  sich  heraosgcbildct  haben.  Eine  ans  Mexicanem  and  Tankt 
nmengesetzte  Gesellscliaft  Desperados  soll  nun  Iximaya  in  aller  seiner  V 
theit  entdeckt,   die  Lilipater  Maximo   nnd  Bartola  unter  vielen  Gefahren  1 


oken  in  sein  Panopticom  einladel 
en  Indiridnen  im  Jahre  1866  onter- 
1  der  ßiteiing  der  Qesellschafl  Tom 


lüde  TOD  Kamemn. 

Auf  einer  Expedition,  welche 
Hr.  Lieat.  Morgen  in  das  Ober- 
land hinter  Kamemn  aosltlhrle 
nnd  bei  welcher  er  den  Ubam- 
Flara  entdeckte,  kam  er  aach  za 
einem  Häuptling  Ngila.  Der  hier 
anwesende  Knabe,  Tongo  mit 
Namen,  iat  angeblich  ein  Neffe 
dieses  Häuptlings.  Er  wnrde  so 
seiner  Emebong  nach  Berlin  ge- 
bracht nnd  befindet  sich  gegen- 
wärtig hier  unter  der  Obhnt  des 
Hm.  W.  Wesscl,  der  die  GDte 
gehabt  hat,  ihn  mir  Enznltthren 
und  auf  meinen  Wunsch  durch 
Herrn  Carl  Günther  Photogra- 
phien von  ihm  aufnehmen  sn 
lassen.  Dieselben  werden  in 
autotypischcr  Verkleinerung  hier 
wiedergegeben. 

Der  auf  12  Jahre  geschützt« 
Rnabe  bat  im  Allgemeinen  die  uns 
bekannten  Eigenschaften  der 
Dnalla,  zeigt  aber  manche  Eigen- 
Ihtlmbchkeiten,  von  denen  es  da- 
hingestellt sein  mnss,  ob  sie  nur 
individueller  Natur  sind,  oder  ob 
sie  eine  locale  Variation  des  dor- 
tigen Stammes  ausdrücken. 

Besonders  auHallig  sind  die 
entschieden  gelben,  genaner 
orangefkrbenen  Töne,  welche  in 
seiner  Hautfarbe  herrortrcten.  Er 
zeigt  an  der  Wange  äh  Rodde, 
in  der  Mitto  der  Wangen  sogar  51 ; 
die  sehr  blassen  Läppen  haben  5c. 
Der  Hals  ist  sehr  dunkel,  mehr 
grau,  33  g,  ebenso  die  Hand  33  i,  k 
und  der  Ann  33  i,  k,  jedoch  tritt 
auch  hier  überall  beim  Anziehen 
der  Haut  ein  gelber  Cntergnu») 
hervor. 


veranschlagen  dttrfen.  Jedenßüls  winl  man  die  Doalta,  im  Gegensätze 
.  nördlicheren  Nachbarn  an  der  Westküste,  nicht  zu  den  Dolicbocepba 
len  dürfen.  —  Hypsicephalie  scheint  die  Regel  bei  ihnen  za  sein. 
Was  den  Qesichtsindex  betrÜTt,  so  hat  nur  Tür  4  and  der  männliche  Schä 
1  leptoprosopcn  Index  eigebcn;  im  üebrigen  ist  Chamaeprosopie  Regel-  1 
ihteindex  ron  Tongo  (74,0)  stimmt  ziemlich  genaa  mit  dem  seines  Alte 
ssen  Änju  (75,0). 

Crrössere  Differenzen  treten  bei  dem  Nasenindex  hervor.  Derselbe  ist  hyp 
rrhin  bei  den  beiden  eben  genannten  Knaben:  107,3  bei  Tongo,  111,4 
.  Ihnen  steht  der  weibliche  Schädel  (Verb.  1887.  8.  333)  am  nSchsten.  Jcd< 
cht  der  Index  anch  bei  dem  19Jährigen  N'Gangc  (Nr.  2)  97,6  nnd  bei  d 
irigen  Ssopi  (Nr.  3)  93,7.  Wie  es  scheint,  ist  die  kindliche  Nase  mehr  ni 
liebem  Typus  gebaut. 


Dnalla 


Horiiontalnmfang 

GrSsflte  boriiontale  Länge 

,       Breite 

Ohrhöhe 

üehörgang  bis  Naaenwurael 

„    NasenaoBBlE 

,  ,    Vorspning  der  Oberlippe 

Stirobreite 

Gesicht,  Höhe  A 


Breite  a 


OrbiUliÜGtsnz  inoen  , 


Nase,  Hübe  . 

,       Breite 
.      Klevaliur 
Miinil,  Länge 
Ühr,  Hshc    . 


KörperlSofe . 
Klafterweite  . 


n.    Berechoete  ladices. 


Llngenbreil«mDdei  -  . 
Lfingen-OhrhShenindei  . 
Oerichtiindei  .  .  .  . 
Naseniadei 


74,0 
107,3 


(284) 

chtsbildnng  ist  niiTerkennbar,  indess  ist  dieselbe  nicht  so  gross,  da&s  sie  o1 
«res    zu    der  Annahme  einer  rerechicdenGn  Abstammung  führen  mdsste. 
Der  kleine  Bursche   ist  inzwischen  von  seiner  Krankheit  genesen,   sieht  a 

angegriffen  und  hinfällig  aus.  Seine  Hautfarbe  ist  viel  heller,  als  man 
en  sollte,  und  sein  etwas  hageres  Gesicht,  gleichwie  die  Nase,  hat  eine  m 
liehe  Form.    Immerhin  tritt  bei  seiner  Betrachtung  eine  gewisse  Analogie 

Dualla-Knaben  hervor  nud  man  begrelR,  dass  viele  Beobachter  die  \ 
idenheit  der  Helanesier  und  der  Afrikaner  geradezu  in  Abrede  stellen. 
Leider  ist  die  Herkunll  des  Knaben  bis  jetzt  nicht  festzustellen  geiFesen. 
it  hat  nur  zu  erzählen  gewusst,  dass  sein  heimisches  Dorf  eines  Tages  du 
de  Eingeborne,  die  in  einem  Ganoc  gekommen,  ttberfallen  und  zerstört,  sc 
'n  und  Verwandten  getädtct  seien,  und  er  selbst  weithin  Ufaer  das  Heer  a 
Britannien  verschle[)[)t  worden  sei,  wo  er  unter  Anderem  an  einem  Bchma 
Menschen  II  ei  seh  habe  tbeÜnebmen  müssen.  Wo  seine  heimathliche  Insel  li 
wie  sie  hcisst,  weiss  er  nicht  anzugehen.  Auch  die  Hissionärc,  welche  8( 
hinng  für  wahr  halten,  haben  keinen  Anhaltspunkt  ffir  die  geographische 
nong  seiner  Heimath  gefunden. 

Es  ist  ein  Umstand  vorhanden,  der  eine  Art  Ton  Hinweis  enthalten  köni 
T  seinem  dichten,  spiralgelockten  Haar  fOMt  man  eine  so  ungewöhnliche  . 
ang  und  Steilheit  des  Hinterhauptes,  dass  man,  meiner  Meinung  nach,  auf  t 
stiiche  Deformation  zu  schliessea  berechtigt  ist.  Die  natUrLche  Wölbi 
Hinterhauptsschnppe  ist  fast  voUständig  verschwunden.  Nun  ist  klinstit 
innation  an  sich  keine  häufige  Sitte  unter  den  Insulanern  der  melanesischen  i 
nesischen  Welt.  Ich  habe  bei  einer  Mheren  Gelegenheit,  in  der  Sitzung  i 
^ebruar  1884  (Verh.  S.  153),  darüber  gesprochen  und  die  beiden  Hauptformen 
irniation,  welche  dort  vorkommen,  eingehend  geschildert.  Die  eine  derselt 
he  der  peruanischen  Vertängerung  des  Kopfes  mit  Znrttckdrängung  der  S 
iricht,  ist  eigentlich  nur  von  HallicoUo  auf  den  Neu-Uebriden  bekannt;  sie  ist 
reu  Fall  unbrauchbar.  Die  andere,  bestehend  in  hinterer  Abplattung,  wird 
ntlich  von  Bamard  Davis  (Thesanr.  craniomm  p.  311)  von  Tanna,  Nen-Hebrii 
einmal  (p.  308)  von  Neu-Caledonicn  erwähnt;  er  hält  sie  jedoch  (Ur  mehr 
l,  als  Folge  zu  langen  Drucks  beim  Liegen.  Ich  selbst  konnte  eine  zweite 
ititchc  Deformation  dieser  Art  von  Niue  (Savagc-Island)  zeigen.  Aber  alle 
>tcn  Inseln  sind  so  weit  von  Neu-Britannien  entfernt,  dass  nicht  daran 
:cn  ist,  dass  ein  Canoe  aus  unserem  Schutzgebiet  eine  Fahrt  bis  dahin  h 
mehmcn  können.  Wohin  sollen  wir  also  unsere  Blicke  wenden? 
Unsere  Sammlungen  sind  ungemein  reich  an  neubri tan ni sehen  Schädeln.  A 
::rinnere  mich  nicht,  auch  nur  einen  einzigen  mit  hinterer  Abplattung  dami 
heu  zu  haben.  Es  scheint  daher,  dass  wir  auf  irgend  eine  der  noch  weni 
jmlen  Nachbargmppen  hingewiesen  sind.  Zur  Noth  kannte  man  an 
mons-Inseln  oder  noch  eher  an  Neu-Irland  (Ncu-Meklenbniy)  denken,  jed 
von  der  ersteren  bvtz  der  grässcron  Häufigkeit  von  dort  stammender  Schi 
europäischen  Sammlungen  nichts  Analoges  bekannt  und  die  Kraniologie 
Irland  ist  erst  zu  machon.  — 

Hr.  Joachim  Graf  Pfeil:  Da  uns  Thatsachcn  ttbcr  die. Herkunll  des 
befindlichen    Knaben    nicht    vorliegen,    so    sei    es    mir   gestattet,    einige  '^ 

lungen  auszusprechen,  auf  welche  mich  Hautfarbe,  Haarwuchs  und  Geud 
hinführen. 


in  der  Beme 
neigen,  dass  die  SaJomor 
ort  des  Knaben  nicht  ai 
Der  Knabe  soll  aul 
eine  lange  Seefahrt  iht 
aber  mit  den  Bingeborer 
die  Salomons-Inseln  sine 
grade),  dass  hierdorch  c 
Bewohnerii  ansgeschloss 
könnten  nie  eine  bo  gr< 
wegten  Ocean  amfUhren 
Die  Einwohner  der 
sind,  soweit  wir  sie  k 
färbe;  ihr  Haar  ist  nii 
glänzend,  locker,  fast  sei 
eingedrückt,  die  Lippen 
mns,  die  Backenknochei 
entwickelt. 

Abgesehen  von  alk 
Entfernung  der  Salomon 
geraubt  worden  sei. 

Anders  liegen  die  V 
nicht  BO  weit  ron  Neu- 
zwischen  den  Inseln  sta 
[rliindischen  Ganoea,  gern 
Hanoes  ans  Neu-Pommei 
^  doch  thnn,  nehmen 
Ivanen  bnrg". 

Ana  dem  Theile  Ne 
licht  stammen.  Wir  ken 
leinen  ganz  rerschieden. 
Aber  auch  die  Einv 
ind  andersgeartet,  als  d 
i*rolUe  sind  schärfer,  ch 
brmationen  des  Schädel 
ler  mnthmaaas liehen  Lebe 
lach  diesem  Ende  Neu-Irl 
in  Lande  bekannt  gewori 
Wollen  wir,  aof  Gnu 
eine  lange  Seereise  ihn 
lieh  ebenfalls  in  das  Bi 
lerechtignng  habe,  als  un 
nbekannt  sind.  Ich  will 
an  den  Admiralitätsinsel 
Mieden  an  den  Typns  d 
Wenngleich  ich  diese 
errorheben,  was  mir  das 
ilbst  fahren  die  Einwohnt 
e  sich  in  ihren  Ganoes  an 


wir  EWRr  nichts  PositiveB  über  die  Einwohner  NeD-Pommerns, 
denen,  welche  die  Qazellenhalbinsel  berölkern,  allein  die  flficl 
\,  welche  wir  hie  und  da  in  anderen  Theilen  mit  ihnen  angeko 
nna,  daaa  sich  die  Bewohner  ans  den  Terschiedensten  Eleme 
len. 

re,  die  mit  ihren  Booten  lange  Fahrten  längs  der  Küate  nntemahi 
m  sie  in  der  Nähe  der  Henry  Reed  Bay  anr  Eingeborene  sehr  hi 
atossen  seien  nnd  mit  diesen  freondHchaftlichen  Verkehr  angekn 
einem  späteren  Beaache  sollen  die  Dörfer  niedergebrannt  und 
ner  dunkleren  Berölkening  in  Besitz  genommen  gewesen  sein, 
inr  noch  dunkeirarbige  Leute  dort  getroffen. 
r  glaube  ich,  dass,  wenn  wir  davon  absehen,  dass  die  in  der  Erinnei 
gehwebende  lange  Seereise  ihn  über  den  offenen  Ocean  habe  fOl 
Wahrscheinlichkeit  sehr  nahe  liegt,  dass  er  auf  einem  Kriegsi 
iT  der  QaEellenhalbinsel  gegen  die  Leute  auf  der  weBtUcheo  f 
ibert,  oder,  was  noch  wahrscheinlicher  ist,  auf  einem  solchen  gi 
r  in  der  Nähe  der  Henry  Reed  Bay  erbeutet  worden  isi  Auch 
iineg  Schädels  spricht  nicht  gegen  diese  Annahme,  da  wir  ja  t 
sine  künstliche  Verunstaltung  desselben  unter  jenen  VOlken  i 
I  wird.  Qesichtsschnitt,  Hautfarbe,  Haarwuchs,  Alles  deutet  so 
gekannte  Bevölkerung  Neu-Pommems,  dass  ich  mich  zu  der  Anna 
1  Heimathsort  sei  auf  dieser  Insel  zu  suchen,  was  ihn  dann  su  ei 
DU  uns  stempeln  wUrde.  — 

hauss  hält  dafür,  dass  der  Knabe  auch  an  Neu-Caledonien,  nan 
Forfolk-  oder  Pine-Insel,  erinnern  könnte.    Gegen  eine  solche  Herli 
ch  die  weite  Entfernung  der  Gruppen  von  einander.  — 
chow  hebt  noch  einmal  hervor,   dass   ein  so  stai^  defonniiter  K 
be   ihn   zeigt,   noch  nie  auf  Neu-Pommem  gefunden  worden  sei 

Olshausen  macht  eine 
ttheünng  Über  den  alten  Berosteüihandel  und  die  Goldftud 

te,  in  nachstehender  Arbeit  angeftihrte  Literatur;  gespei 

Gedrucktes  ist  Stichwort  für  Citate. 
1,  mikroskopische  Beschaffenheit  and  Schwefelgehalt  des  Berast 
I  d.  naturf.  Ges.  in  Danzig,  N.  F.  VI,  3,  209;  sicilianischer 
Bernstein,  ebenda  V,  1—2,  293,  V,  3,  8  nnd  Ualpighia,  am 
i,  suir  ambra  di  Sicilia,  Sonderabzug  p.  1 — 6;  Rnm^t,  Schrinen 
>  Znsammensetzung  des  Ostsee bemsteina,  Schriften  V,  3,  9;  Apenni 
3,  1 1 ;  Bernstein  aus  Neeropolcn  Oberitaliens  und  den  Prorinzen 
nnd  Ascoli  Ficeno,  V,  3,  14;  Bernstein  aus  mykenischen  Gräbern 
ei  Schliemann,  Tiryns,  Leipzig  1886,  426—432;  Succinit  und 
Harze,  Schriften  VII,  4;  Methode  der  Bemsteinsäurebestimmung  d 
tillation,  Schriften  IV,  3,  214;  V,  1—2,  294;  V,  3,  13  und  nan 
38.  —  A.  B.  Meyer,  Gurina,  Dresden  1885,  8.  78  ff.  —  Stopp 
1  Btoria  c  nella  geologia,  Milano  1886.  —  O.  Schneider,  Zur  G 
iresdcn  1887  (aus  desselben  Naturwiss.  Beitrüge  zur  Geographie 
;hte).  —  H.  Oonwentz,  Monographie  der  baltischen  Benw 
[ig  ]»»0,    Einleitung;    Ueber    die  Verbreitung  des  Succinits, 


(287) 


sonders  in  Schweden  und  Dänemark  (mit  Karte),  aus  Danziger  Schriften  N.  F.  VII, 
3  (1890).  —  Rlebs,  Bemsteinschmnck  der  Steinzeit,  Königsberg  1882.  —  Lissaner, 
Prähisi  Denkmäler  Westprenssens,  Leipzig  1887.  —  Schnlten  der  phys.  ök.  Oes. 
Königsberg  (Abhandlungen  und  Berichte).  —  de  Rongemont,  L'äge  du  bronze 
ou  les  S^mites  en  ocddent,  Paris  1866.  —  Müllenhoff,  Deutsche  Alterthumsk., 
Berlin,  I  1870,  II  1887.  —  0.  Schrader,  Sprachvergleichung  und  Uigeschichte, 
2.  Aufl.,  Jena  1890.  —  de  Bonstetten,  Recueil  d'antiquit^s  Suisses,  Beme  1855; 
Suppl.  I  u.  n,  Lausanne  1860  u.  1867.  —  Gross,  Protohelyetes,   Berlin  1883. 

—  Heierli,  Der  Pfahlbau  Wollishofen,  Zürich  1886.  —  Much,  Prähist  Atlas, 
Wien  1889.  —  Westdeutsche  Zeitschrift  f.  Gesch.  u.  Kunst,  Trier.  —  Gompte 
rendu  Gongr^s  intemation.  prähisi  Gopenhague  1869;  Bologna  1871;  Stock- 
holm 1874;  Budapest  1876.  — •  W.  Heibig,  Osservazioni  sopra  il  commercio 
dbll'ambra,  Memorie  dei  Lincei  Ser.  3,  vol.  I,  Roma  1876/77,  p  415 — 435  (Sonder- 
abzug p.  1 — 21);  Die  Italiker  in  der  Po-Ebne,  Leipzig  1879;  Das  homerische  Epos 
aus  den  Denkmälern  erläutert,  2.  Aufl.,  Leipzig  1887;  Sopra  la  provenienza  degii 
Etruschi,   in  Annali  deir  Institute  di  corrisp.  archeol.,   Roma  1884,  p.  108 — 188. 

—  0.  Montelius,  Spännen  Iran  bronsäldem,  in  Antiqvarisk  Tidskrift  för 
Syerige  6  (1880—1882)  Nr.  3,  namentüch  S.  105—113,  123—126,  146-180; 
Tidsbestämning  inom  bronsäldem,  Stockholm  1885  (als  Bd.  30  der  K.  V.  H. 
och  A.  Akad.  Handlingar),  namentlich  S.  144  IT.  u.  196.  —  Brizio,  Monu- 
menti  archeologici  della  provincia  di  Bologna,  in  L'Appennino  Bolognese  1881, 
Publication  des  Glub  Alpine  Italiano,  p.  200  ff.  —  J.  Undset,  L'antichissima 
necropoli  tarquiniese,  in  Annali  deir  Inst.  1885,  p.  5—104.  —  Munro,  The 
Lake-dwellings  of  Europe,  London  1890.  —  Bullettino  delT  Instituto  di  corrisp. 
archeol.,  Roma.  —  Bullettino  di  paletnologia  italiana,  Parma  oder  Reggio 
delPEmilia.  —  Perrot  et  Ghipiez,  Histoire  de  Fart  dans  Tantiquite,  Vol.  I  Egypte 
II  Ghald^e  et  Assyrie;  III  Phenicie-Gypre;  IV  Judce,  Sardaigne,  Syrie,  Gappadoce 
V  Perse,  Phrygie,  Lydie  et  Garie,  Lycic;  Paris  1882,  1884,  1885,  1887,  1890 
Vol.  I  auch  deutsch  von  Pietschmann,  Leipzig  1884,  mit  werth vollen  Anmerkungen. 

In  meiner  ersten  Arbeit  über  den  Bemsteinhandel,  in  diesen  Verhandlungen 
1890,  S.  270  ff.,  konnte  ich,  weil  dieselbe  ohnehin  schon  ziemlich  umfangreich  ge- 
worden war,  manche  Verhältnisse  nicht  berühren,  deren  eingehende  Erörterung, 
namentlich  im  Hinblick  auf  die  für  dieses  Jahr  zu  Königsberg  in  Aussicht 
stehende  Anthropologen- Versammlung,  wünschens werth  erscheint  Ich  komme  da- 
her hier  nochmals  auf  den  Gegenstand  zurück. 

1)  Die  Ghemie  und  die  Bernsteinfrage. 
Da  allseitig  anerkannt  ist,  dass  der  Name  „Bemstcin^^  fossilem  Harze  zukommt, 
welches  im  ostpreussischen  Samlande  gegraben  oder  an  dessen  Küste  vom  Meer 
ausgeworfen  wird,  so  müssen  wir  zunächst  feststellen,  welche  Eligenschaflen  dieses 
Produkt  charakterisiren.  Hier  stossen  wir  aber  gleich  auf  Schwierigkeiten;  denn 
nach  den  Untersuchungen  von  Helm  in  Danzig  und  Anderen  liefert  das  Samland 
Yerschiedene  solche  Harze.  Die  Hauptmasse  derselben,  welche  auch  von 
Altera  her  vorwiegend  in  der  Kunstindustrie  Verwendung  fand,  bezeichnete  Helm 
als  Bernstein;  ausserdem  führte  er  noch  an:  Gedanit,  Kranzit,  Gopal,  Glessit 
und  ein  schwarzes,  unbenanntes  Mineral  (Danziger  Schriften  5,  1 — 2,  292;  dem 
Vorkommen  schwarzen  Harzes  an  der  Ostsee  wird  allerdings  Malpighia  I,  p.  2 
widersprochen);  femer  beschrieb  Gonwentz  Stantienit  und  Beckerit  (Mono- 
graphie S.  2).  Da  nun  mehrere  dieser  letztgenannten  Harze  dem  Hauptprodukte 
äusserlich  ähnlich  sind,  so  lässt  es  sich  nicht  vermeiden,  dass  der  Name  „Bern- 
stein*^ auch  auf  sie  übertragen   wird;   chemisch   und  z.  Th.  auch  physikalisch  be- 


ll 

i 


en  ihnen  wesentliche  Unterachiede  nnd  somit  retlieit  d. 
lein"  ihre  wissenschaltliche  Bedeutong-  Bezüglich  des  Vo 
nde  kann  man  sagen:  „Bernstein  ist  ein  CollecÜTname  fl 
ad  Gummiharze  ans  einer  bestimmten  geologischen  Schichi 
—  Gonwentz  und  Helm  bezeichnen  deshalb  seit  1886  d 
samländischen  fossilen  Harzes  als  Snccinit,  nachdem  mt 
itin  im  weiteren  Sinuc  so  benannt  nnd  Brogniart  denselbc 
mmtes  Harz  der  Kreidefonnation  gebraucht  hatte  (Honogr.  3.  '. 
c.  S.  1;  Halpighin  I.  c.  p.  5;  Stoppani  p.  338). 
Qsgezeichnet  dnrch  einen  erheblichen  Gehalt  an  Bernsteil 
li  Helm's  Ermittelungen  beträgt  derselbe  3 — 8,  meist  5—6  pCi 
en  Anstand,  auch  solches  Material,  das  etwas  weniger  Säni 
,  Snccinit  identisch  anzusehen,  so  solches  ans  Gräbem  zu  S 
mit  nnr  2,7  pCt  und  Rohmaterial  von  Löbschtttz,  Sachsen,  m 
II  n.  82).  —  Der  Gehalt  an  anorganischer  Substanz  (Asch 
Ikerde  und  Eisenoxyd)  ist  im  frischen  Material  äusserst  gerii 
teigt  aber  dnrch  Infiltration  bei  der  Verwitterung  bisweik 
wefelgehalt,  speciflsches  Gewicht,  Häi1c  und  Farbe  komme 
ht,  doch  sei  hier  auf  Conwentz'  Charakterisimng  des  Min« 
b,  verwiesen.  —  Die  Bäume,  welche  den  Snccinit  ausschiedei 
[ich  dem  unteren  Tertiär,  dem  Eocen,  an;  gefonden  aber  wii 

nordwestlichen  Samlande  auf  secnndärer  Lagerstätte,  in  d< 
Erde,  einer  Lage  glaukonitischen  Sandes  des  Unteroligocei 
flngeren  Schicht  der  Tertiärformation.  Die  blaue  Erde  lie) 
ir  Spiegel  der  Ostsee,  und  wird  daher  vom  Meere  ansgewaachei 

auch  bergmännisch  ab;  in  ihr  finden  sich  auch  die  anderei 
nsteine.  Uebrigens  ist  der  Snccinit  in  Nordeoropa  sehr  we 
i  wohl,  weil  das  succinitf Uhrende  Tertiär  früher  eine  grOnei 
uccinithaltiger  Grünsand  bei  Eberswalde  n.  s.  w.),  z.  Th.  ab 
ansport  mittelst  des  Eises.  Er  verbreitet  sich  daher  auch  i 
ten  als  Geschiebe  so  weit,  wie  die  nordischen  Geschiebe  tlbei 
□zufolge  zu  den  charakteristischen  Bestandtheilen  des  Geschieb« 
seinem  ganzen  Gebiet.  Westlich  fand  man  ihn  an  der  KUsI 
ichen  England  imd  nach  Evans  Bronze  Implements,  Londo 
lab  südlich  der  Themse,  sowie  bei  Scheveningen  in  HoUam 
m  den  Abhang  der  mitteldeutschen  Gebirge  (Schlesien,  Könij 
ich  wahrscheinlich  bis  nach  Raltschedansk  unfern  und  ö« 
rg  am  Ostsbhange  des  Ural,  also  sehr  weit  östlich  (nicbt  sOt 
□  tz  sagt),  nördlich  bis  nach  Finnland.  Da  aber  die  ältesl 
:h  ausgiebigste  Lsgerstätto  sich  an  der  Ostsee  findet,  so  nannl 
TrUhcr  „Ostseebem stein".  Will  man  jetzt  alle  hierher  gehörigej 
ropa  gefandenen  Harze  zosammenfassen,  so  möchte  es  ai 
eher  Bernstein"  zu  sagen;  denn,  wie  Snccinit,  trifft  man  auc 
lem  Gebiet  ausserhalb  des  Samlandes,  so  Glessit  an  der  Son 
rnts  („Verbreitung"  S.  3  Note'  6)  and  ein  noch  nicht  vollsländi 
1  Eocen  des  Londoner  Beckens  (ebenda  S.  4).  Diese  andere 
iden  Übrigens  quantitativ  alle  gegen  den  Snccinit  Sic  untei 
ihm  wesentfich  durch  den  Mangel  an  Bernsteinsäur« 
'heil   auch    sonst  völlig  ab;    am  äbnltchsten  dem  Succinit  sin 


(289) 


Es  finden  sich  nun  dem  Snccinit  änsserlich  ähnliche,  fossile  Harze  in  Europa 
auch  noch  an  vielen  Orten  ansserhalb  des  nordischen  Bereichs  und  in  anderen 
geologischen  Schichten,  ebenso  auch  ansserhalb  Europas;  man  kann  daher  mit 
Conwentz,  Monogr.  8.  1,  noch  allgemeiner,  als  oben  geschehen,  deftniren:  „Bern- 
stein omfasst  eine  grosse  Menge  von  fossilen  Harzen  und  harzähnlichen  Körpern, 
welche  nach  ihrer  Abstammung  und  Bildung,  sowie  nach  ihrem  chemischen  und 
physikalischen  Verhalten  verschieden  sind.**  — 

Pur  die  Archäologie  von  besonderer  Wichtigkeit  sind  die  Vorkommen  in 
Italien,  sowohl  an  den  nordöstlichen  Ausläufern  des  Apennin  von  Keggio  und  Bologna 
bis  an^s  adriatische  Meer  bei  Kimini,  als  auch  auf  Sicilien,  wo  es  zahlreiche  Fund- 
orte giebt,  theils  auf  fester  Lagerstätte,  theils  im  Qeröll  der  Flüsse  (so  des  Simeto) 
und  sogar  an  der  Meeresküste,  namentlich  bei  Catania.  Capellini  sprach  nun 
die  Ansicht  aus,  gestützt  auf  äusserliche  Aehnlichkeit,  dass  in  den  ältesten  Zeiten 
in  Italien  nur  einheimischer  Bernstein  verarbeitet  worden  sei  (so  auch  zu  Villa- 
nova, ja  sogar  noch  zu  Marzabotto);  erst  später  habe  man,  der  Nachfrage  zu  ge- 
nügen, auch  nordisches  Material  bezogen  (in  diesen  Verhandl.  16.  Dez  1871  und 
15.  Juni  1872;  Congres  Stockholm  p.  799—800,  807—809).  Die  Richtigkeit  dieser 
Vermuthung  konnte  nur  durch  genauen  Veigleich  des  Materials  der  Gräber  mit 
den  natürlichen  Bernsteinen  verschiedener  Herkunft  geprüft  werden.  Helm  hat 
sich  dieser  Aufgabe  mit  grosser  Ausdauer  gewidmet;  die  Tragweite  seiner  Unter- 
suchungen zu  ermessen,  ist  es  nothwendig,  etwas  naher  auf  die  chemische  Seite 
der  Frage  einzugehen. 

Nach  Helm:  Notizen  über  die  chemische  und  physikalische  Beschaffenheit  des 
Bernsteins,  Archiv  der  Pharmacie  1877  Bd.  VIII  (Bd.  211  der  ganzen  Reihe)  ist 
die  Bernsieinsäure  im  Succinit  fertig  gebildet  (denn  sie  kann  ihm  mit  alkoholischem 
Natron  entzogen  werden),  aber  nicht  frei  (da  Succinit  im  Allgemeinen  nicht  sauer 
reagirt)*),  sondern  gebunden  und  zwar  an  organische  Substanz,  weil  ja  mine- 
ralische Basen  nur  in  Spuren  vorhanden  sind  (S.  238  und  242).  Mit  alkoholischem 
Natron,  also  auf  nassem  Wege,  erhält  man  aus  dem  Fossil  3,2 — 8,2  pCi  Säure 
(wasserfrei  gedacht,  C,H4  0,)  =  3,7—9,4  (richtiger  9,6)  Hydrat  G.E^O,  (S.  239); 
die  trockene  Destillation  des  Harzes  liefert  3 — 5  pCt.  Hydrat  oder,  nach  späteren 
Angaben  Helm's,  3 — 8  pOt.  Hiemach  scheint  es  nicht,  als  ob  bei  der  Destillation 
selbst  noch  ein  Theil  Säure  gebildet  werde.  Döpping  glaubte,  durch  Oxydation 
des  Succinits  mittelst  Salpetersäure  die  grösste  Ausbeute  an  Bemsteinsäure  zu  er- 
halten, Annalen  Chem.  Pharm.  49,  350;  er  erzielte  8,33  pCt.  und,  da,  nach  Helm 
S.  240,  nur  verwittertes  Fossil  die  von  ihm  angegebenen  höchsten  Ausbeuten 
lieferte,  frischeres  aber  geringere,  so  scheint  es  in  der  That,  als  ob  beim  Behandeln 
mit  Salpetersäure  gewisse  Bestandtheile  des  Harzes  erst  in  Bernsteinsäure  um- 
gewandelt würden.  Indess  sind  zur  Sicherung  dieser  theoretisch  wichtigen  Beob- 
achtung doch  noch  eingehendere  Versuche  nöthig.  Wenn  sie  richtig  wäre,  würde 
man  die  Zunahme  des  Gehalts  an  Bernsteinsäure  bei  der  Verwitterung  ebenfalls  auf 
eine  Oxydation  gewisser  Harzbestand theile  zurückführen  können.  Helm  denkt  aber 
auch  an  die  Möglichkeit  einer  Fortführung  der  säureärmeren  Bestandtheile 
bei  der  Verwitterung,    so    dass   die  Zunahme   der  Säure   im  Rückstande  nur  eine 


1)  Nor  einzelne  Sorten  andorcbsichtigen  Bernsteins  (sog.  Knochens)  zeigen,  gepulvert, 
saare  Keaction,  von  einer  ganz  geringen  Menge  freier  Bemsteinsäure  und  etwas  Schwefel- 
sftore  herrührend,  welche  letztere  durch  Oxydation  des  im  Succinit  vorhandenen  Schwefels 
entstanden  ist.  Nach  Helm  S.  238  enthält  die  mit  Wasser  wieder  gefällte  alkoholische 
Lösnng  des  Harzes  ^eine  Spur  freie  Bemsteinsäure*". 

Verhuidl.  der  B«>rl.  Anthropol.  QeMlUchaft  1891-  19 


(290) 

-  Beachtenswertb  ist  ferner,  dass  bei  sehr  starker  V 
it  bedeutender  Infiltration  von  basischen  Äachenbestai 
n  Sänre    bei  trockener  Destillntian    wieder  abnimmt,    wf 

Ton  Schwerelsäure  (bis  zu  5  pCk)  die  an  diese  Basen  g 
vorher  frei  macht  (Qurina  S.  84).   Dies  beobachtete  He 

aus  mykenischen  Qräbem  untersucht«,  mit  einem  Äachi 
Die  Beatimmang   des  Säuregehaltes  fuhrt  Helm  fast  st 

tiuu   aas,   da  die   mit  alkoholischem  Natron   sn  nmstäi 

■deuropäischen  Bernsteinen  nun  Ueferten  nur  ein  galiziscl 
e  ähnliche  Menge  Säure,  wie  der  Sncdnit,  nehmlich  eratei 
-,  nach  Helm's  neuesten  Bestimmungen,  vier  Terschiedei 
,2  pGt.    Dieser  mmäniscbe  ist  von  allen  fossilen  Harzen  di 

doch  weicht  er  in  seinen  physikalischen  Eigenschafl 
na  ihn  bestimmt  davon  zu  unterscheiden;  Uelm  bcnci 
ilizien  lässt  Helm  die  Frage,  ob  dort  echter  Sncciuit  vi 
aänrehaltige  Material  findet  sich  bei  Lemberg.  In  beid 
^ens  auch  säurefreie  Bernsteine,  so  in  Rumänien  schwärzt 
iccinit  stellte  sich  femer  heraus  Bernstein  aus  Bähmi 
:h,  Oberitalien  (4  Proben  von  3  ü^dorten  der  Elmili 
lanien,   desgleichen   solcher  vom  Libanon  (bei  Saida,  di 

alles  weitere  Rohmaterial,  das  bisher  zur  Untersuchu 
.  enthielten  entweder  garkeine  Säure,  oder  nur  gcriii 
che  z.  B.,  der  durch  seine  Farbe  nnd  Fluorescenc  aus^ 
leim  nach  dem  FInsse  Simeto  „Simetit"  benannt  wur 
e  bei  S  verschiedenen  Proben  5  mal  keine  Bemsteinsäu 
1,15  pGt.  und  1  mal  0,4  pCt.,  bei  einem  Aschengehalt  v 
much  lässt  sich  bestimmt  sagen:  wenn  unter  prähistoi 
it  gefunden   wird,   so  muBS  derselbe,   yon  Qalizi 

-  Herkunft  sein.  Es  bleibt  dann  nur  noch  zu  e; 
lile  des  nordischen  Gebietes  er  angehört;  das  ist  at 
hem  Wege  nicht  möglich,   sondern  höchstens   auf  archi 

umgebehrt  ein  in  den  südlichen  Ländern  gefundec 
m  oder  -armem  Bernstein,  so  ist  dieser  vielleic 
Solche  Fälle  sind  jedoch  äusserst  selten;  nur  ein 
m;  aber  hier  bandelt  es  sich  nm  ein  römischeB,  al 
ia,  Prov.  Parma;  Gnrina')  8.  61  o.  83),  das  fllr  Cape 
weist.  Und  völlig  ausgeschlossen  ist  selbst  hier  die  n< 
ovenienz   nicht,   da  ja  derartige  Harze  auch  im  Samlan 

Nordsee  vorkommen  und  sich  neben  dem  stbirebaltig 
und  Rumänien  finden.  —  In  allen  anderen  Fällen  liefert 
chen  and  historischen  Fundstellen  Material,   das  mehr  i 

tzt  auch  nurdiBcher  Sncciuit  verwendet  nnd  verkanft  wird,  i 
lüde  durch  Helm  bogt&tigt  Wenn  Sehneider,  S.  196  Note  * 
1  Kom  berichtet,  dus  ein  Import  von  Bernstein  in  Siciüen  nie 
dfm  eine  briefliche  Hittheüung  Helm's,  wonach  er  aut  d 
n<:iger  Kaufmanns  das  ü«gentheil  nachweisen  könnt«. 
'  iwar  nnr  prlhistorischen,  nicht  rSmiscbea  Bernstein  in  Betrat 
1),  doch  entstammt  sowohl  der  von  Bedonia,  ah  dar  von  Hon 
lull,  di  |ial.  18IJ6,  p.  44  Note  4  und  p.  46). 


(291) 

>,4  pCt.  Säure,  d.  h.  mehr  als  den  Maximalgel 
lieaer  Grenze  allerdings  noch  ein  StUck  ans  ( 
1er  älteren  Gräber  sa  Bologna  mit  0,85  pCL 
mmerhin  als  zweifelhaft  betrachten;  die  Ul: 
ind  wenn  Strobel,  Bull,  di  pal.  1886,  46  am 
ler  bronzezeitlichen  Terramare  von  Gustion 
llonticelli,  beide  in  der  Prov.  Panna  (Gurtn 
licht  als  nordisch  ansehen  will,  weil  sie  untei 
ileiben,  so  ist  doch  der  Abstand  von  dem  ita: 
)beritalisGhen  mit  nur  Spnren  Säure,  noch  t 
Uebrigen  ergaben  StHcke  aus  ober-  und  mitte 
ind  der  späteren  etniriachen  Epoche  (s.  Cap.  i 
ange  Tergeblich  gesuchte  Bernstein  aus  Orä 
;A.  B.  Meyer  in  Bull,  di  pal.  1887,  23);  eine 
lu  Mykenae,  mit  Schwefelsäure  destiliirt,  6  pCt 
lell  nnd  hart,  wie  dies  nur  bei  Succinit  vi 
3räbem  der  Österreich  lachen  Länder  lieferten 
lach  wUrde  man  also  annehmen  dürfen,  da: 
lahmen,  der  Etematein  der  alten  Fondstätten 
dessen  Charakteriairung  ein  hoher  Gehalt  ai 
ftber  gerade  bezOglich  des  Materials  ans  Qräl 
Heyer.  Wenn  im  Succinit  die  Menge  de 
wird,  nach  Döpping's  Versuchen  durch  oi 
and  nach  Helm  unter  Aulbahme  von  Sauerste 
seitigem  Verlust  von  Kohlenstoff,  Wasserstol 
V,  3,  9),  so  liegt  es  nahe,  auch  hei  saureari: 
bei  der  Verwitternng  zu  vermuthen.  Der  freii 
über  den  fossilen  Lagurslätten  würde  denaell 
Meyer  an  LembergerRohbemstein,  welchei 
einen  wesentlich  höheren  Säuregehalt  annehm 
mehr  Inflabschliessendem  Thon  sich  fand  (( 
bedürfen  indeas  noch  der  Bestätigung,  Uel 
genügend  aufgeklärt,  und  ob  man  eine  beim 
allgemeinem  nnd  ohne  Weiteres  namentlich  a 
darf,  iat  ohnedies  fraglich.  Anch  gelang  es  I 
Bemsteinsäure  im  Laboratorium  so  zu  oxydi 
Säure  entstand  (Gnrina  S.  82  n.  84;  Bull,  di 
noch  wichtiger  halte,  Apenninen-Rohbernste 
ganz  in's  Innere  hinein  verwittert  war 
als  anderer  von  ebenda  in  besserer  Brhaltu 
Nr.  2  u.  3).  während  umgekehrt  nach  Stoppa 
Funden  Italiens  reich  an  Säure  ist,  selbst  t 
und  durchsichtig  ist  —  Mit  der  Verschiedenh 
endlich  bat  es  eine  eigene  Bewandniss.  Me 
Dr.  Weitz  in  Aachen;  für  den  Bernstein  aus 
Helm  aber  5,01  pCt.,  während  die  Reaultati 
ans  Sandstein  gut  übereinstimmten  (3,45  pGt. 
hält  nnn  im  ersteren  Falle  die  Weitz'sche  Ai 
Es  iat  aber  auffallend,  daaa  Weitz  anch  sonst 
beuten  erzielt«,  als  Helm;  so  fand  er  für  pri 


1,55  pGt.  nnd  Itir  Kohbemstein  von  Berlin  3  pCt,  Helm  dagegen  4,8  und  4,9  pCt., 
ganz  ZQ  schweigen  von  einigen  anderen  Fällen,  in  denen  Weitz  einen  niedrigen 
Stiuregeholt  feststellte  [HradiBcht  bei  Stradonic  0,8  pCt.;  Lommatscb  9,2  pCt), 
während  Beim,  laut  brieflicher  Mittheilung  mangels  hinreichenden  Uaterials  nnr 
nach  dem  Aeusseren  nrtheilend,  die  Proben  fUr  „baltixch"  erklärte.  Auch  ein 
Mnfiter  Leipziger  Rohbemsteina,  das  Helm  nicht  vorlag,  enthielt  nach  Weitz 
nnr  1,2  pCt.,  and  doch  gehört  es  nach  Oredner  einer  Formation  an,  welche 
Pommern  und  Meklenboiy  in  sich  schliesst  (Ourina  S.  82  Note  1),  d.  h.  nach 
Helm  und  Conwentz  dem  grossen,  baltischen  (oder nordischen)  Qebiet,  aus  dem 
andere,  Bcmsteinsüure  haltende  Tossile  Harze,  neben  dem  Succinit,  nicht  nachge- 
wiesen sind  (Danziger  Schririen  VI,  2,  234—235;  Monographie  8.  4).  Auch  scheint 
das  Leipziger  Mineral  physikalisch  von  Snccinit  nicht  verschieden  zu  sein.  Die 
vcrhältnissmässig  geringen  Ausbeuten  aus  Material  von  Castione  und  Monticelli 
endlich  (oben  S.  291)  sind  ebenfalls  das  Ergebniss  der  Untersuchnng  durch  Weitz. 
Das  Material  ron  Carpineto  rührte  bei  beiden  Analysen  von  Hm.  Helm  her; 
auf  Anfrage  theilte  derselbe  mir  indess  mit,  dass  die  Proben  nicht  identisch 
waren.  Die  Dilferenz  des  Resultates  kann  also  hierauf  beruhen;  unerklärt  bleiben 
aber  die  Unterschiede  bei  Lembeig  nnd  Berlin,  sowie  der  niedrige  Geholt  bei 
Leipzig  (Castione  und  Monticelli).  Es  fragt  sich  demnach,  ob  nicht  in  der 
Methode  der  Analyse  Elemente  der  Unsicherheit  li^en,  welche  die  Vergleichung 
der  Resultate  verschiedener  Chemiker  erschweren.  Eigene  Erfahrungen  stehen 
mir  auf  diesem  Gebiete  nicht  zur  Seite;  indess  ist  trockene  Destillation  im 
Allgemeinen  fUr  analytische  Operationen  nicht  besonders  geeignet,  und  mun 
wird  gewisse  Schwankungen  dabei  ohne  weiteres  zugestehen  mllssen ;  dieselben 
können  sich  aber  leicht  steigern,  wenn,  wie  hier,  oft  mit  sehr  kleinen  Mengen 
gearbeitet  wird;  vergl.  auch  Helm  im  Archiv  d.  Pharm.  S.  239.  Auch  die  wegen 
anhaltenden  Oeles  nöthige  Reinigung  der  rohen  Säure  mnss  auf  die  Oonstanz  der 
Resultate  nachtheilig  einwirken.  Endlich  ist  bei  starker  Verwitterung  der  Einfluss 
des  Aschengehaltes  auf  die  Ausbeute  zu  beachten.  Zwar  war  Hrn.  Meyer,  als 
er  Ourina  schrieb,  Helms  Arbeit  Über  den  Mykcnae-Bernatein,  nnd  also  auch 
dessen  Methode,  bei  hohem  Aschengehalt  mit  Schwefelsäure  zu  destilliren,  schon 
bekannt  (S.  79),  wir  werden  aber  nicht  darüber  unterrichtet,  ob  Weitz  letztere 
zur  Anwendung  brachte;  und  doch  heiast  e»  ron  der  Hradischt- Probe  ausdrücklich 
„sehr  verwittert".  UnzweifclhaR  wird  man  aber  Überhaupt  nur  bei  grosser  Material- 
kenntniss  im  Stande  aein,  nach  dem  Aeusscm  zu  entscheiden,  ob  ein  Schwefel- 
sftureznsatz  erforderlich  ist  oder  nicht.  Daher  ist  meines  Erachtens  zu  verlangen, 
dass  Überall,  wo  nicht  ganz  frische  Substanz  vorliegt,  also  namenUich  bei  Material 
aus  Gräbern,  anter  Zusatz  von  Schwefelsäure  destillirt  werde.  —  Zu  erwägen 
bleibt  femer,  ob  nicht  in  wichtigen  Fällen  die  Analyse  auf  nassem  Wege,  mittels 
alcohol-  Natrons,  trotz  ihrer  Umständlichkeit,  vorzuziehen  wäre.  ^  Endlich  möchte 
ich  empfehlen,  mit  einer  gröaaeren,  in  sich  gleichartigen  Menge  von  Succinit,  deren 
Gehalt  an  Säure  durch  Destillation  und  durch  alkoholisches  Natron  genau  bestimmt 
ist,  Oxydattons versuche  anzustellen,  am  die  Beobachtung  Döppings  zu  prüfen.  — 
Wie  aber  beute  die  Sache  liegt,  wo  eine  Bildung  von  Bernsteinsüure  durch  Ver- 
witterung säurefreier  oder  -armer  Harze  eine  J)losse  Vermuthung  ist,  wird  man 
nicht  umiünkönnen,  alles  Material  aus  alten  Fundstellen  mit  einem  (durch  trockene 
Destillation  festgestellten)  Säuregehalt,  selbst  hinab  bis  zu  nur  I  pOt.  als  Succinit 
oder  vielleicht  als  rumänisches  oder  galizisches  Harz  anzuerkennen,  da  ja  die 
sämmtlichcn  anderen  Rohbemsteine  im  Maximum  nnr  0,4  pCL  ergaben,  meist 
aber  erheblich  weniger  oder  garkeinen.     Auch  beschränkt  Helm  sich  ja  nicht  auf 


(293) 

die  Bestimmung  der  Säure,  sondern  berücksichtigt  nach  Möglichkeit  auch  die 
physikalischen  Eigenschaften,  so  z.  B.  bei  dem  Mykenae-ßemstein.  —  Strobel 
fordert  auch  eine  Untersuchung  der  organischen  Einschlüsse  (Bull,  di  pall. 
1886,  p.  47  ff.;  1887,  p.  24),  doch  möchte  diese  wohl  nur  in  sehr  wenigen  Fällen 
durchführbar  sein.  —  Dass  die  Farbe  des  Materials  keinen  sicheren  Anhalt 
gewährt,  sagte  schon  Virchow,  Congres  Stockholm,  p.  797,  und  wurde  durch 
'  Stoppani  p.  182 — 184  ausführlich  erläutert. 

Wenn  übrigens  in  vereinzelten  Fällen  in  den  Mittelmeerländem  auch  ein- 
heimischer Bernstein  verwendet  wurde,  so  ist  dies  für  den  Gegenstand,  den  wir 
hier  im  Auge  haben,  nehmlich  Material  und  Wege  des  Welthandels,  ganz  ohne 
Bedeutung.  Nach  Helbig's  Ausführungen,  Commercio  p.  1 — 7,  kann  solche  Ver- 
wendung in  Italien  eine  erhebliche  Ausdehnung  nicht  gehabt  haben,  auch  ganz 
abgesehen  von  dem  erst  später  durch  Helm  erbrachten  Nachweis,  dass  der 
italienische  Rohbemstein  kein  Succinit  ist.  Derselben  Meinung  ist  Stoppani 
p.  163 — 167.  —  Rumänisches  und  galizisches  Material  sind  aber  für  die  hier 
vorliegende  Frage  unwesentlich,  weil  überhaupt  gegrabener  Bernstein  nicht  in 
Betracht  kommt.  Die  Grabungen  beruhen  ja,  wie  Stolpe  richtig  ausführte, 
(Congres  Stockholm,  p.  777 — 778),  meist  auf  moderner  Industrie,  Bauten  u.  dergl., 
sowie  auf  wissenschafklichen  Forschungen;  das  Alterthum  spricht  fast  stets  nur  von 
ausgeworfenem  Meeresprodukt. 

2)    Verarbeiteter  Bernstein  in  den  südlichen  Ländern. 

A.   Das  früheste  Erscheinen  des  Succinits  im  Süden. 

a)  Der  Orient:  Perrot  und  Chipiez  sagen  in  ihrer  Histoire  de  l'art, 
1  840:  Quant  ä  Fambre,  on  n^en  a  pas  trouve  de  traces  enEgypte;  il  n'a,  disent  les 
cgyptologues,  pas  de  nom  dans  la  langue.  Desgleichen  heisst  es  II  768:  On  n^a 
pas  encore  trouve  d'ambre  en  Mesopotamie;  cette  substance,  dont  les  riverains  de 
la  Mediterranee  faisaient  dejä  un  grand  usage  des  le  Xe  siede  avant  notre  ere, 
ne  parait  pas  avoir  eto  port^e  par  le  commerce  dans  Tinterieur  de  TAsie.  Endlich 
III  854:  La  rösine  fossile  connue  sous  le  nom  d^ambre  ou  de  succin  est  demeuree 
pour  ainsi  dire  inconnue  ä  la  vieille  civilisation  Orientale;  nous  ne  Tavons  trouvec 
ni  en  Egypte  ni  en  Assyrie.  Les  Pheniciens  orientaux  n^ont  fait  de  Tambre  qu^un 
usage  assez  restreint;  .  .  .  on  n'a  rien  retrouve  de  pareil  en  Syrie,  ni  ä  Cypre.  — 

Hiermit  stimmt  im  Allgemeinen  überein,  was  ich  sonst  feststellen  konnte; 
Nachrichten  über  Funde  von  Bemsteinartefacten  sind  äusserst  spärlich  und  meist 
sehr  unbestimmt.  Aegypten  anlangend,  äusserte  sich  Lepsius  in  seiner  Arbeit 
„Die  Metalle  in  den  ägyptischen  Inschriften",  Abhandlungen  der  Berliner  Akademie 
1871  S.  141,  wie  folgt:  Im  alten  Aegypten  hat  der  Bernstein  bisher  noch  nicht 
nachgewiesen  werden  können,  obwohl  uns  von  Plinius  (37,36)  berichtet  wird, 
dass  er  von  den  Aegyptern  sacal  genannt  werde  0?  ^^  <ui  den  gleichfalls  von 
Plinius  (37,40)  überlieferten  scythischen  Namen  sacrium  erinnert  und  es  wahr- 
scheinlich macht,  dass  die  Aegypter  den  fremden  Namen  beibehielten  (vergl. 
Rougemont  p.  128—129;  Müllenhoff  I  480,  Note).  —  Nun  aber  macht  mich 
Hr.  Dr.  G.  Steindorff  auf  eine  Stelle  in  Pietschmanns  üebersetzung  von 
Perrot  et  Chipiez,  S.  890  aufmerksam,  wo  in  einer  Note  zu  S.  772  auf  3  Stücke 
der  Berliner  Sammlung  hingewiesen  wird,  nehmlich  auf  2  Scarabäen  tmd  einen 
Cylinder.    Letzterer,   Nr.  6809,   vielleicht   eine  tonnenförmige  Perle,   mit  ziemlich 


1)  Genauer:  in  Aegypto  nasci  ac  vocari  sacal;  welches  einheimische  Harz  hier  etwa 
gemeint  sein  könnte,  weiss  ich  nicht.        0. 


C2M) 

[lg,  iat  ganz  frisch  und  wachsgelb,  seine  Herkunft  onbekannt; 
imang  fehlt  es  an  jedem  Anhalt;  dies  Stück  kommt  also  nicht 
re  die  Scarabäen,  Nr.  6807— 680S,  welche  auf  der  onteren, 
2t  allerding«  sehr  andentlich  gewordene  Inschriften  in  Hiero- 
id  nach  Professor  Erman  wahrscheinlich  ins  nene  Reich  (14. 
Chr.)  zu  setzen  sind;  sie  stammen  aus  der  Sammlung  Passa- 
m  angeblich  in  Theben  gefunden.  J.  Passalacqaa  beiteichnei 
^e  raisonn^  et  bistorique,  Paris  1826,  p.  2,  Nr.  27  a.  28,  die 
bäen  als  Bitamen.  Lepsins  Spruch  von  bernsteinähnlichem 
:ten  Ptthrer  der  Abtheilung  d.  ägypL  Alterthflmer  im  Kgl.  llus., 
5,  8.  63  Nr.  358—359.  In  der  fi.  Aufl.  unter  dem  Namen  „Ver- 
pt.  Allerth.  u  Gipsabgüsse"  1886,  S.  72  Nr.  358—359,  endlich 
Is  Harz  bezeichnet.  Nach  meiner  Ansicht  kann  die  sehr  ge- 
E,  mit  einer  gelblichen  Verwittenngsk raste  überzogene  Hasse 
it  sein.  Leider  lässt  sich  eine  chemische  Untersuchung  nicht 
Objekte  eine  Probenahme  nicht  gestatten.  —  Uebrigens  erwfibnt 
cologie  Egyptienne,  Paris  18*^7,  p.  235,  Bernstein  unter  den 
mdeten  Mineralien  und  zwar  oRenbar  nicht  nach  literamchen 
nach  dem  Inhalt  der  Sammlangen.  Näheres  wird  jedoch  nicht 
;ine  chemische  Untersuchung  liegt  gewiss  anch  nicht  vor.  Ea 
1  besonderem  Interesse,  durch  Hm.  Professor  H.  Brugsch  aus 
l)gebildele  Perle  zu  erhalten,  welche  sein  Bruder  Emil  vor 
1  Jahren  mit  mehreren  anderen  neben  Humieoaberresten  im 
lande  eines  zerslärten  Grabes  fand,  das  „unbestreitbar  in  die 
Spoche  der  11.  oder  12.  Dynastie  fällt  (mithin  etwa  41)00  Jahre 
It  ist)  und  auf  dem  südlichen  Theile  der  Nekrapolis  Ton 
laqqarah  (in  der  Nähe  der  Teta-Pyramide)  gelc^n  ist".  Herr 
Smil  Brugsch-Bey  hatte  die  Güte,  mir  dieses  äusserst  kost- 
lare  Stück  su  schenken;  ich  sandte  es,  nach  Herstellung  einer 
jeichnung,  an  Hm.  Helm,  welcher  mir  über  das  Resultat  seiner 
Jntersuchung  Folgendes  schreibt:  „Die  Perle  hat  ein  absolute« 
■  g;  ihr  speciRsches  Gewicht  betrügt  1,238.  Aensserlicb  hat  sie 
)the  FWbc,  ebenso  im  Innern,  wo  sie  nur  ein  wenig  heller  isi  Ich 
Ton  der  Perle  Theilchen  im  Gewicht  von  0,052  7  ab,  wobei  ich 

dieselbe   durch   und    dnrch   verwittert   und    mit  feinen  Rissen 

dass  sich  leicht  kleine  Stückchen  ablösen  Hessen ').  Ich  erhitzte 
Abgeschabten  auf  einem  Platinblech,  um  den  Gcmch  des  Ver- 
üeu.  Derselbe  war  stark  aromatisch,  die  Schleimhäute  der  Nase 
8  ein  wenig  zum  Husten  reizend.  Ausgeschlossen  war  durch 
e,  dass  Copal  oder  ein  Baumharz  der  Jetztzeit  Torlicgt.  0er 
m  des  verdampfenden  Succinits,  war  jedoch  weniger  streng  nnd 
tnd.     Den    Hauptbeweis,    ob    Succinit    vorliegt,    die    quantitative 

vorhandener  Bernstein  saure,  nahm  ich  mit  0,04  17  des  Ab- 
legen der  geringen  Menge  fertigte  ich  mir  eine  eigene  kleine 
m,  mit  langauBgezogenem  Halse,  den  ich  in  ein  schmales  Reagenz- 

destillirte   bis   zur  Verkohlung  des  Harzes.    Es  gingen  hierbei 

t  keine  Spur  einer  „Verwittenuigsknute',  wie  an  den  Scarattian,  Tor- 
ten Tielnifhr  fBr  den  I.aien,  von  dei  Nachdnnklung  abgesehen,  «in 
hiung  nttt  noch  ein  Rest  dei  Fadens.       0. 


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(295) 


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ein  branngefarbtes  brenzliches  Oel  ron  eigenthtimlichem  aromatischem  Geruch  und 
wasserhaltige  Dämpfe  über,  die  sich  im  ßetortenhalse  und  in  der  Vorlage  ver- 
dichteten. Ich  behandelte  die  Destillationsprodukte  mit  heissem  destillirtcm  Wasser, 
ftltrirtc,  dunstete  ein,  reinigte  den  Rückstand  und  verfuhr  so,  wie  früher  mit- 
getheilt.  Ich  erhielt  schliesslich  aus  dem  Destillate  keinen  krystallinischen  Rück- 
stand. Die  Perle  enthält  somit  keine  Bernsteinsäure,  und  es  ist  aus- 
geschlossen, dass  sie  aus  Succinit  gefertigt  wurde.  Dagegen  liegt  ein  anderes 
fossiles  Harz  vor,  welches  sich  hauptsächlich  durch  sein  hohes  specifisches  Gewicht 
characterisirt.  Succinit  besitzt  ein  specifisches  Gewicht  von  höchstens  1,100.  Es 
giebt  jedoch  fossile  Harze  von  höherem  speciftschem  Gewicht.  Als  am  nächsten  dem 
hier  vorliegenden  bezeichne  ich  ein  im  Libanon  gefundenes  braunrothes  fossiles 
Harz,  welches  nach  Brönner  ein  specifisches  Gewicht  von  1,118  besitzt  und  in 
welchem   derselbe  neben  Ameisensäure   auch  ein  wenig  Bemsteinsäure  nachwies.  |J 

Im   Libanon    kommen    verschiedene    fossile   Harze   vor,    welche   von   Brönner,  J 

Lebert,   John   und   mir  untersucht  wurden.    Gewöhnlich   werden   sie  in  stark  ; 

verwittertem   Zustande  gefunden,   selten   gut  erhalten  und  bearbeitungsfahig.    Es  th 

ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  das  hier  vorliegende  fossile  Harz  ebenfalls  seinen  7 

Ursprung  von  dort  herleitet^  —  Nach   alle   dem   wird  man  höchstens  eine  unter-  $ 

geordnete  Verwendung  des  Succinits  in  Aegypten  annehmen  dürfen.  Scarabäen  aus 
Bernstein  sind  freilich  ausserhalb  Aegyptens  noch  mehrfach  gefunden,  nehmlich  zu 
Cometo  und  Orvieto  in  Italien,  aber  ohne  Inschriften  (Heibig,  Commercio  p.  5, 
Note  5). 

Landberg  behauptet  das  Vorkommen  von  Bernstein  in  „kanaanitischen^  Gräbern 
auf  den  Inseln  Bahrein  (a.  d.  Westküste  des  persischen  Meerbusens),  ebenso  wie 
in  Syrien  (Congres  Stockholm  p.  816);  aber  handelt  es  sich  hier  um  Succinit?  — 
Aus  Cypern  fehlt  Bernstein  auch  jetzt  noch,  doch  wird  Hr.  Ohnefalsch -Richter 
etwaigem  Vorkommen  desselben  fortan  erhöhte  Aufmerksamkeit  zuwenden.  —  In 
Troja  fand  Schliemann  das  Material  nicht.  —  Wir  müssen  aber  hier  des  zuerst  V 

von  Virchow  nachgewiesenen  Bernsteins  aus  Gräbern  des  Raukasus,  zu  Roban  ^  f^ 

und  Samthawro,  gedenken  (diese  Verhandl.  1881,  427;  1882,  472;  Zeitschr.  f.  Ethn. 
1882,  110.  Das  Gräberfeld  von  Roban,  Berlin  1883,  S.  100.  —  Fr.  Bayern,  diese 
Verhandl.  1883,  205.  —  E.  Chantre,  Le  Caucase  II,  Texte,  Paris  1886,  p.  82 
und  106  Nr.  4).  Bayern  deutete  zwar  auf  natürliches  Vorkommen  im  Raukasus 
hin  (diese  Verhandl.  1882,  353),  aber  Chantre  zeigte  a.  a.  0  p.  83—84,  dass  der 
Bernstein  aus  den  Gräbern  ziemlich  reichlich  Säure  liefert,  so  dass  Virchow s 
ursprüngliche  Vermuthung,  das  Material  sei  nordisches,  gesichert  scheint,  wenn 
dasselbe  vielleicht  auch  auf  westlichem  Wege  an  Ort  und  Stelle  gelangte;  denn  l> 

nach  dem  Westen  weisen  wohl  auch  die  Fibeln.  Es  handelt  sich  hier  übrigens 
um  eine  verhältnissmässig  späte  Zeit,  da  die  betreffenden  Gräber  der  Hallstatt- 
periode Europas  entsprechen.  Ausserdem  ist  die  Menge  der  Bemsteinobjekt«  in 
ihnen  sehr  gering  und  es  steht  demnach  fest,  dass  der  Bernstein  in  alter  Zeit 
im  ganzen  Orient  keinenfalls  eine  wesentliche  Rolle  gespielt  hat.  Jules 
Oppert  glaubte  bekanntlich  in  der  Inschrift  eines  Obelisken  von  950  einen  Hinweis 
auf  nordischen  Bernstein  zu  finden,  welcher  Auffassung  namentlich  Schrader 
widersprach  (der  übrigens  jene  Inschrift  dem  Rönige  Assumasirabal,  885 — 60, 
zoscbrieb);    veigl.   Materiaux    pour   Thistoire   de   Thomme    15,   582;    Virchow,  ^ 

Roban  S.  102;  diese  Verhandl.  1885,  65,  307  und  372;  Jacob,  in  Zeitschr.  d. 
deutschen  morgenländ.  Ges.  43,  Leipzig  1889,  353.  Das  Resultat  unserer  Unter- 
suchung, besonders  das  Fehlen  des  Materials  in  Assyrien,  ist  Oppert' s  Auslegung 
ebenfalls  nicht  günstig. 


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96) 

-länder:  Die  ältesten  Gräber  mit  Snccinit 
,  welche  Heibig,  Epos  S.  71,  im  letzte 
etzt,  Undaet  Doch  etwas  höher  hinaar- 
i:thnologic  1S90,  11),  Furtwängler  and 
hrh.  beginnen  iasaen  (Mykeniscbe  Vasen, 
Funde  mykeniacher  Vasen  za  Gurob  im 
itütigt  worden  (Joamal  of  Uellenic  Studies 
leol.  Ges.,  Januar  1891).  Die  Scbacht- 
Uykenaezeit  an;  in  ihnen  tritt  das  Material 
es  damals  gewiss  nicht  etwas  ganz  Neaes 
ersten  Grabe  „eine  grosse  Masse"  Perlen 
Grabe  „eine  sehr  grosse  Menge"  Perlen 
n  bei  einem  Skelett  mehr  als  400  Perlen 
ähnliche  Anzahl  (Hykenae,  Leipzig  187H, 
lio  sind  jetzt  in  Berlin,  Mos.  (.  Völkerk. 
"nchatUcke.  —  Ans  Gräbern  der  jüngeren 
it:  MenidiinÄttika,  „Kuppel"-(Thölos-) 
darin  a.  a.  „etwas  Bernstein";  Furt- 
uplia  im  Peloponnes,  Grabkammem  mit 
;i8T9)  Tafel,  Fig-  7;  Furtwängler  und 
des,  Grabkaouner,  worin  mehrere  Stücke 
■te,  Fnrtwängler  nnd  Löschke,  Taf.  B. 
istumpfuDgsflächen  Taf.  B  12;  siehe  S.  11, 

nzlich  zur  neoUthischen  Zeit,  vertreten 
loren  und  Teirumaren,  theila  in  Höhlen  nnd 
ni  p.  43,  45,  65ff.,  72—73');  Munro  p.  227, 
05;  Hclbig,  Italiker  S.  48-49,  117—18), 
äkelelgräbern  (Ball,  di  pal.  1884,  p.  43—46). 
1  mehreren  Pfahlbaaten  des  Lago  di  Vareac, 
ppani  p.  69ff.,  73  fr.,  76;Manrop.  1H7(T.), 
ttincio  bei  Peschiera  am  Gardaaee  herror- 
;eigcn  sich  die  ersten  Spuren  von  Bernstein, 
li  Varese  and  zwei  Perlen  von  Peschiera. 
.e  Älter  des  enteren  (p.  43  und  91)  nnd 
jre  Boimischung  (p.  90).  Das  Material  ist 
Menge,  sicher  nachweisbar  in  der  reinen 
maren    und    gleichaltrigen    Stationen    und 

länger  bekannter  Pfahlbau  bei  Peschiera 
amsdeln  mit  je  einer  aufgesteckten  Perle, 

S.  «1  Fig.  15;  Munro  p.  222  Fig.  9 
der  jüngsten  zn  nennen,  die  der  jüngeren, 
Hykenaezeit  entspricht,  nehmlich  die  tod 
s  diesem  Material  gefanden  sind  (Bull,  di 
;ht  kommen  aber  auch  noch  andere  Stellen 

Modena,  älteren  Charakters  (Bull,  di  pol. 

1  w&hrend  iler  Steinieit  blieben  Stoppsni 
' — 17  ge)^nQber  Mi  auf  die  knne  Znssmmen- 
ewn  Verbandl.  1890,  271  C  »erwiesen.  — 


(297) 

1877,  28—38;  Manro  p.  275;  Stoppani  p.  87).  —  Fe 
delle  Marmore  bei  Terni  (Congrcs  Stockholm  p.  812;  . 
1876,  58;  Stoppani  p.  88).  —  In  don  gleichzeitigen  B 
nur  eine  kleine  Perle  zn  Orespellano,  beinahe  eifön 
bohrt,  mit  3  horizontalen  vertieften  Linien  rentiert  „nr 
bank  gemacht"  (Bull,  di  pal.  16,  31);  aas  dem  ttberwi 
Grabroldc  zu  Povegliano,  Verona,  erwähnt  Stoppn 
Bernstein,  meint  aber,  sie  gehörten  den  Jüngeren  der  ( 

In  Suditalien  Bndet  sich  Bernstein  in  den  alt 
deren  Inhalt  den  Character  der  homerischen  Kunst 
Sachen  zu  Kyme  (Comae)  in  Gampanien,  der  ersti 
Italien,  nach  Hclbig,  Gpos.  S.  88—89  und  430— 33, 
Urthei!  Undaet'a,  Necropoli  p.  89,  um  730  »or  Chr.  o 

In  den  durch  die  Herren  Siret  untersuchten  8| 
Bernstein   nicht  beobachtet  zu   sein   (Les  premiers  ägi 

B.   Die  Verwendung  des  Bernsteins  bei  Gri 

Wir  verdanken  Heibig,  Commercio  p.  10—18, 
bezüglich  der  Verwendung  des  Bernsteins  im  Kunstgf 
In  der  vorklasaischen,  homerischen  Zeit,  d.  h.  so  lange 
asiatischem  Einfluss  ■)  stand,  war  das  Material  belie! 
dagegen  wurde  es  ans  ästhetischen  Gründen  im  Bore 
nicht  (oder  nach  BlUmner,  Technologie  und  Tem 
Römer  Bd.  2,  381  ff-,  nur  ganz  vereinzelt)  benutzt, 
dürfte  auch  das  kriegerische  Aurirctcn  der  Koloniei 
Gegensatz  zu  den  mehr  Handel  treibenden  und  friedli 
spielen;  der  Verkehr  nach  dem  Norden  wurde  dadi 
klassischen  Zeit  fehlte  daher  der  Bernstein  in  den  Grä 
seiner  Oolonien,  obgleich  er  nach  den  Zeugnissen  d 
vor  Chr.  allgemein  bekannt  war.  Erst  mit  dem  Verfal 
wieder  Verwendung  und  zwar  von  den  letzten  Zeiten 
in  steigendem  Maasse,  bis  ca  in  der  Kaiserzeit  wied« 
den  italiBchen  Völkern  war  die  Verwendung  des  Mat 
dem  der  griechische  Einfluss  zurücktrat  oder  überw 
Betrachtung  alles  aus,  was  nördlich  des  Po  gefunden 
weise  nicht  den  eigentlichen  „Italikem"  und  den  E 
vieUeicht  keltischen  Völkern  zugeschrieben  werden  1 
gcndes:  üestlieb  des  Apennin  lieferten  die  unmittell 
folgenden  Necropolen,  im  Anschluss  an  diese  letzt 
Bisraäntova,  Pro.  Rcggio  (Spännen  S.  132  Note  2). 
enthalten  in  den  oberitalischen  Grabstätten  der  nächstj 
novazeit,  d.  h.  in  den  ältesten  Necropolen  von  Bologna 
in  den  Gräberfeldern  Benacci  and  Arnoaldi  zu  Bo1o( 
An  diesen  Orten  spielt  der  Bernstein  nach  Elelbig,   n 

1}  Nach  dem,  was  wir  S.  293—95  gesehen  haben,  ist  i 
fluBS,  gerade  besüglich  des  Bernsteins,  direkt  von  Asien  am 
ja  dort  wenig  benntit  lu  sein  scheint.  Wenn  sich  daher  cu 
Gebrsacb  des  Renuteiiia  ein  atArker  orientalischer  Einflos 
gestellt,  duBS  sich  beide  gleirhieitig  finden,  ohne  dass  ei 
ist  Wie  weit  hinauf  aber  vielleicht  die  Einwirkung  der 
fahrenden  PbSnicier  reicht,  lasse  ich  dahingestellL  — 


(298) 


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kommens  anlangt,  anter  den  zur  Decoration  verwendeten  Materialien  mit  dem 
Glase  die  erste  Rolle.  Auch  in  der  auf  die  Villanova-  oder  beginnende  Elisenzeit 
folgenden  reinen  Eisenzeit  mit  sicher  etrurischen  (Arabern  aus  dem  5.,  sowie 
dem  Anfang  des  4.  Jahrh.  (d.  h.  in  der  nach  einem  Gräberfelde  des  etrurischeu 
Bologna,  des  alten  Felsina,  benannten  Certosazeit)  ist  Bernstein  nicht  selten, 
obwohl  die  edlen  Metalle  ihm  erhebliche  Concurrenz  machen.  In  diesen  von 
Marzabotto  im  Kenothal  abgesehen,  wahrscheinlich  mit  der  Eroberung  Felsinas 
durch  die  bojischen  Gallier,  Anfang  des  4.  Jahrb.,  abschliessenden')  Necropolen 
machte  sich  griechischer  Einfluss  wohl  geltend,  wie  aus  importirten  griechischen 
Vasen  hervorgeht,  er  war  aber  zu  schwach,  die  Anwendung  des  Bernsteins  zu 
hindern  (Italiker  S.  119—122;  Epos  S.  42;  vergl.  Necropoü  p.  90).  -  Mit  den 
Angaben  Heibig* s  bezüglich  des  reichlichen  Auftretens  des  Materials  in  den 
vorgenannten  Necropolen  stimmt  übrigens  nicht,  was  A.  B.  Meyer,  Gurina  S.  79 
bis  80  sagt;  es  handelt  sich  aber  wohl  nur  darum,  was  man  „reichlich**  nennt; 
denn  andere  Beobachter  sprechen  sich  doch  auch  im  Sinne  Hei  big*  s  aus  (Deutsch, 
anthropol.  Corresp.  1879,  44  und  51;  Stoppani  p.  149,  151—55;  Gapellini, 
Congres  Budapest  p.  449). 

Westlich  des  Apennin,  im  eigentlichen  Etrurien,  Latium,  Campanien,  sind 
die  Verhältnisse  wesentlich  andere.  Es  fehlt  dort  der  Bernstein  in  der  Villanova- 
Benacci-Zeit  theils  noch  ganz  (Poggio  Renzo  bei  Chiusi,  dem  alten  Clusium,  in 
Etrurien,  Spännen  S.  148,  Necropoli  p.  41;  Rom-Esquilin,  Spännen  S.  164,  Ne- 
cropoli  p.  50),  theils  ist  er  sehr  selten  (Albano  =  Alba  longa  (?),  zerstört  um  650; 
Spännen  S.  165—173,  Necropoli  p.  48  49).  Erst  später  überschreitet  er  das 
Gebirge  und  tritt  dann  eine  Zeit  lang  bei  Etruskern  und  Lateinern  sehr  reichlich 
auf  in  Gräbern,  die  zugleich  phönicische  oder  carthagische  Sachen  ent- 
halten: zu  Chiusi  in  den  „tombe  a  ziro**.  Spännen  S.  149;  zu  Corneto  (Tar- 
quinii)  und  Cervetri  (Caere)  in  den  sogenannten  „ägyptischen"  Gräbern  etwa 
von  650—550  (Epos.  8.  67);  namentlich  sei  erwähnt  von  Corneto  die  berühmte 
«tomba  del  guerriero*^  des  Berliner  Museums  mit  Bernstein  als  Halsperlen,  sowie 
an  einem  Messergriff  und  an  3  Fibeln  (Mon.  inediti  dell  Inst.  Roma.'  Vol.  X, 
Tav.  X— Xd  und  Ann.  dell  Instit.  1874,  249—66),  und  von  Cervetri  das  überaus 
reiche,  durch  die  Herren  Regulin!  und  Galassi  aufgedeckte  Grab  des  7. —  6.  Jahrh. 
(Epos  8.  30,  Spännen  S.  161—63);  zu  Veji;  zu  Palestrina-St  Rocco  (6.  Jahrh. 
Epos  S.  31,  Spännen  S.  163  —  64).  Vergleiche  zu  diesen  Gräbern  noch  Necropoli 
p.  26 f.;  es  fehlen  in  ihnen  Beweise  griechischen  Einflusses.  —  Dagegen  wird 
Bernstein  wieder  sehr  selten  oder  fehlt  ganz  in  jüngeren  Gräbern  mit  griechischen 
schwarzen  „bucchero^-Gefässen,  z.  Th.  in  Relief,  und  schwarz-  und  rothfignrigen 
Vasen,  so  in  Grabkamroem  des  5.  und  4.  Jahrh.  zu  Orvieto-Volsinii,  Spännen 
S.  151 — 55;  femer  in  Capua,  in  Corneto  (Spännen  S.  161,  Necropoli  p.  8  und  19), 
sowie  in  Gräbern  des  3.  und  2  Jahrb.,  ohne  jene  griechischen  Thongefösse,  aber 
in  Ijatium  mit  gravirtcn  Bronzecisten  (Palestrina  =  Praeneste)  und  im  eigentlichen 
Etrurien  mit  gravirten  Bronzespiegeln  und  Vasen  einheimischer  Arbeit,  die  mit 
Figuren  bemalt  sind,  sowie  mit  den  späteren  Reliefnmen.  Auch  erwähnen  die 
gleichzeitigen  lateinischen  Schriftsteller  (Plautus,  Cato  der  ältere,  Terenz)  den 
Bernstein  nicht.  — 

Der  Bernstein  fehlt  also  in  der  Zeit  griechischen  Importes  und  des  starken 
Einflusses  der  griechischen  Kolonien  Siciliens  und  der  Westküste  Italiens,  nam«it- 


1)   Zu   beachten   ist  indess,  was  Brizio  Monnmenü  p.  235— 37  über  das  Yerhiltnin 
der  Gallier  zu  den  Etruskern  in  der  Gegend  Bolognas  sagt 


(299) 

lieh  Ryme's,  auf  die  einheimische  Bevölkerung,  vom  Ende  des  5.  bis  in  das  2.  Jahrh. 
Später,  mit  dem  Verfall  der  Kunst,  kommt  er  wieder  in  Aufnahme  und  erfreut 
sich  grosser  Beliebtheit  zur  Raiserzeit.  —  Bei  den  barbarischen  Völkern  Mittel- 
europas dagegen  und  den  halbbarbarischen  Norditaliens  hielt  Geschmack  am  und 
Handel  mit  Bernstein  ununterbrochen  an,  wie  es  für  Oberitalien  der  Befund  in 
den  Necropolen,  sowie  die  Berichte  der  Alten  ergeben.  Denn  auch  während  der 
klassischen  Zeit  wird  über  ausgiebige  Verwendung  des  Fossils  in  Norditalien  be- 
richtet, so  von  Timaeus  (bei  Diodor)  in  den  ersten  Decennien  des  3.  Jahrh. 
(Commercio  p.  19 — 20.)  Als  daher,  namentlich  unter  Nero,  der  Handel  sich  neu 
belebte,  thaten  die  Römer  nichts,  als  an  die  früheren  Beziehungen  wieder  an- 
knüpfen, indem  sie  den  alten  Weg  wieder  benutzten,  auf  dem  das  Fossil  zu  den 
Italikern  auch  am  Beginn  ihrer  Entwickelung  gelangt  war  (Commercio  p.  19  ff.).  — 
Soweit  Hei  big.  Indess  wäre  nach  persönlich  geäusserter  Ansicht  des  Herrn 
Professor  Furtwängler  für  die  angedeutete  Erscheinung  vielleicht  noch  eine 
andere  Erklärung  zulässig:  diejenigen  Gräber,  welche  Bernstein  enthalten,  sind 
überhaupt  die  reicher  ausgestatteten  (vergl.  Necropoli  p.  83,   Note  1 ),   und  Gräber  f 

wurden   am   ausgiebigsten   bedacht   eben   zur  Zeit   des   phönicisch  -  carthagischen  | 

Einflusses,    woraus   aber   noch   nicht   nothwendig   folgt,   dass  letzterer  sich  grade  l 

auch   auf  Verwendung   des  Bernsteins   erstreckte.    Hr.  Furtwängler  glaubt   die  ! 

Benutzung  dieses  Materials  von  Seiten  der  Griechen  der  klassischen  Zeit  mehrfach 
nachweisen   zu  können,   so   an  mehreren  Mohrenköpfen  in  Goldfassung,  etwa  aus  ^ 

dem  4.  Jahrb.,  im  Lonvre  zu  Paris,  und,  wenn  auch  selten,  in  den  südrussischen 
Goldfunden  des  4. — 3.  Jahrh.  —  Dass  die  Phönicier  des  westlichen  Mittel- 
raeeres  übrigens  ebenfalls  den  Bernstein  verwendeten,  lehren  die  Funde  auf 
Sardinien,  wo  namentlich  in  der  punischen  Necropole  von  Tharros  (an  der 
Westküste)  Ringe,  Perlen,  Gehänge,  z.  Th.  eicheiförmig  und  in  Gold  gefasst,  vor- 
kamen (Bullettino  archeologico  sardo,  Cagliari  1859,  p.  175—76;  1884  p.  150  Note 
168),  neben  zahlreichen  Scarabäen  vom  Ende  des  6.  und  namentlich  aus  dem 
5.  Jahrh.  —  Auch  in  mehreren  GiessereiAmden  kam  Bernstein  vor,  so  zu  Forraxi 
Nioi  (dabei  auch  Eisen)  und  zu  Perda  e  Floris  bei  Lanusei  im  Osten  der  Insel, 
an  ersterer  Stelle  ein  Rädchen  mit  kleinem  Loch  in  der  Mitte  (Wirtel?)  und  eine 
Eichel,  an  letzterer  ein  doppelter  Conus  und  eine  facettirte  Pyramide  mit  seitlichen 
Hervorragungen,  beide  durchbohrt  (Bull,  sardo  1884,  p.  151)  Note  168  und  p.  180 
Nr.  11,  auch  Notizie  degli  scavi,  Roma  1883,  357).  Zu  Teti,  District  Lanusei, 
fand  sich  ebenfalls  eine  Masse,  die  man  für  Bernstein  hielt  (Bull,  sardo,  1884 
p.  150  Note  168).  — 

3)  Die  Wege  des  Bernstein-Welthandels. 

Müllen  hoff  sagt  im  Vorwort  zu  seiner  Alterthumsk.  I  S.  IV:  „Ich  glaube  es 
erreicht  zu  haben,  dass  hinfort  nicht  mehr  davon  die  Rede  sein  kann,  ob  die  Phoe- 
nicier  oder  Griechen  den  Bernstein  aus  der  Ostsee  geholt  haben,  oder  dass  seinet- 
halben  ein  stetiger,  direkter  Verkehr  von  Pontus  oder  Adria  aus  dahin  vor  dem 
ersten  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung  bestand.^  —  Der  älteste  Bemsteinhandel 
hatte  eben  nach  Müllenhof f 's,  mit  der  unserigen  übereinstimmenden  Ansicht 
das  an  der  Westküste  der  cimbrischen  (oder  nach  Alterthumsk.  II  S.  289  und 
302 — 303  richtiger  der  teutonischen)  Halbinsel  gewonnene  Fossil  zur  Grundlage. 
Allein  Müllen  hoff  s  Erwartung  erfüllte  sich  nicht  Zunächst  trat  Hei  big,  Com- 
mercio p.  8 — 10  und  18  fr.,  für  alte,  direkte  Beziehungen  Italiens  zu  Preussen 
ein;  dabei  stützte  er  sich  freilich  auf  die  schon  in  meiner  ersten  Arbeit  erwähnte 
Sprachgleichung:   ausum  «=  ausis  =  Qold^   die   ich  jedoch,   wie   unten   ausgeftlhrt 


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(300) 

werden  soll,  jetzt  nicht  mehr  für  beweisend  ansehe,  and  ferner  auf  Münzfnnde, 
die  aber  ebenfalls,  wie  ich  in  diesen  Verhandlungen  1H91,  S.  223,  zeigte,  fort- 
fallen. Richtig  bleibt  jedoch  an  Heibig' s  Erörterungen,  dass  nach  Plinius  37,  45 
und  nach  anderen  Zeugnissen  der  Bemsteinhandel  durch  Pannonien  (richtiger  viel- 
leicht Noricum)  an's  adriatische  Meer  sehr  alt  war;  nur  führte  er,  wie  sich  später 
ergeben  wird,  in  frühester  Zeit  nicht  nach  Preussen.  Des  Weiteren  hielt  H.  Kothe 
in  seinem  Aufsatz  „Die  Bemsteininseln  bei  Timaios",  Neue  Jahrbücher  für  Philo- 
logie und  Pädagogik,  Bd.  141,  Leipzig  1890,  S.  184—186,  am  Samlande  als  der 
Quelle  des  Bernsteins  auch  in  älterer  Zeit  fest.  Im  Wesentlichen  handelt  es  sich 
bei  seinen  Erörterungen  um  die  Auslegung  der  betreffenden  Stellen  bei  Plinius 
und  man  überzeugt  sich  leicht,  dass  mit  der  rein  philologischen  Forschung  die  be- 
züglichen Fragen  niemals  gelöst  werden  können.  Auf  einen  Punkt  der  Kot  be- 
sehen Arbeit  müssen  wir  hier  jedoch  näher  eingehen,  ßedslob  schon  hatte  an- 
genommen (Thule,  Leipzig  1855,  8.  23  ff.),  dass  der  Vertrieb  des  samländischen 
Bernsteins  nach  dem  Mittelmeere  Ton  Schleswig-Holstein  aus  stattgefunden 
habe.  Kothe  vertritt  dieselbe  Auffassung,  wennschon  er  daneben  noch  einen 
zweiten  direkten  Ueberlandweg  zur  Adria  voraussetzt  Es  giebt  indess  gewichtige 
Gründe  gegen  die  Annahme  einer  frühen  regelmässigen  Verbindung  des  Sam- 
landes  mit  Schleswig-Holstein.  Denn  die  von  Tischler  nachgewiesene  Verschieden- 
heit des  ostbaltischen  und  des  westbaltischen  Bernsteingebietes  zur  neolithischcn 
Zeit  dauert  ja,  vrie  ich  an  den  Goldspiralen  II G  gezeigt  habe,  auch  in  der  Bronze- 
zeit fort.  Freilich  finden  sich  alte  Bronzen  (der  mittleren  Bronzezeit  nach  Tischler, 
oder  der  Perioden  2  und  3  nach  Montelius)  in  Ost-  und  Westpreussen,  die  ebenso 
auch  im  Westbalticum  auftreten*);  es  ist  aber  doch  fraglich,  ob  die  Ausbreitung 
gleichartiger  Bronzen  die  Folge  von  West  nach  Ost,  vielleicht  auch  von  Ost  nach 
West  gerichteten  Handelsverkehrs  ist,  oder  nicht  vielmehr  einer  schon  früher 
gleichzeitig  im  Osten  und  im  Westen  aufgetretenen  Kulturströmung  zugeschrieben 
werden  muss.  Denn  die  alten  Bronzen  können  in  beiden  Ländern  selbst  gefertigt 
sein,  da  wir  in  jener  Zeit  auch  Formen  begegnen,  die  wahrscheinlich  rein  localc 
sind,  so  z.  B.  im  Ostbalticnm  den  Randcelten,  Phys.  ök.  Ber.  1888,  S.  7,  Fig.  l, 
und  den  Nadeln  mit  gewaltigen  platten  Spiralköpfen,  Phys.  ök.  Ber.  1887,  13,  Ab- 
handlungen 1890  S.  95;  Bujack,  Katalog  I  des  Prussia  Mus.,  1884,  Nr.  141.  Der 
vermuthete  direkte  Verkehr  vom  Samland  nach  Schleswig-Holstein  lässt  sich  da- 
her nicht  beweisen. 

Für  den  Handel  mit  dem  Material  der  cimbrischen  Halbinsel  und  der 
angrenzenden  Gebiete  kommen  3  Wege  in  Frage,  wenn  wir  von  einigen  mög- 
lichen Nebenlinien  des  Verkehrs  absehen,  nehmlich  der  Ocean,  die  Rheinlinic 
und  der  El b weg.  Alle  drei  hatte  schon  Rouge mont  in  Betracht  gezogen,  p.  138 
u.  147,  p.  133 — 138,  140,  p.  145  u.  147.  Am  ältesten  ist  nach  seiner  Meinung  der 
Ueberlandweg  den  Rhein  hinauf. 


--1 


1)  Dem  Osten  und  Westen  gemeinsame  Formen  sind:  1)  Axtbämmer,  wie  Worsaae 
Nord.  Olds.  110;  Phys.  ök.  Her.  1887,  S.  12,  Abbildung;  vergl.  Ber.  1888,  8,  1890,  Zu- 
wachs des  Prov.-Mus.  S.  3  n.  Abhandl.  1890,  95—96.  —  2)  Mit  Harz  ausgelegte  Doppel* 
knöpfe,  wie  Montelius  Antiq.  Sued.  199,  TidsbestÄmning  Fig.  66,  Ber.  1887,  la  — 
3)  Kef^elförmige  Knöpfe  mit  einer  Oehse  an  der  Unterseite,  Antiq.  SuM.  112,  Tids- 
bestÄmning 38,  39,  Ber.  1887,  13,  1890,  Zuwachs  S.S.  —  4)  Doppelknöpfe  mit  hoch 
emporragender  Stange,  Antiq.  Sued.  197,  Tidsbest  65,  95;  Ber.  1890,  Zuwachs  S.  4; 
Bujack  Katal.  I  Nr.  141.  —  5)  Messer,  wie  Ber.  1890,  Zuw.  8.  S,  Fig.  2  (diese  auch  tm 
Sfiden  vorkommend).  —  6)  Absatzcelte,  ähnlich  Antiq.  Su6d.  117:  LIssaner  8.  110, 
T.  m  22;  Phys.  ök.  Ber.  1890,  Zuw.  S.  4.    Vgl  noch  Lis sauer  8.55—56, 


a)  Der  We 
rn stein  sei  in 
stlichen  Uitti 
ienus  (i.  Hi 
laailin  geschr 
Icher  sich  a 
er  Zeit,  wo  ( 
lere  waren  (i 
CD  Schriltstell 
rhültnissen  e 
Hämplt.     Die 

sie  vom  Ool 
imien  an'g  Mi 

b)  Die  Rh 
d  führte  dann 
[^h  Ligurien  ( 
;athe  in  Pi 
«rthamak.  II, 
tndet,  aber  < 
■usae  rur  de 
knapfnng  dei 
.  §  32  bei  A 
reite  Häirtc  d 
'  Localisirung 
e  Trilheste  1 
ler  sich  ci^e: 
[iweiae  aar  R 
p  Alter  der 
n  jüngeren  N 
)  V.  Chr.),  be 
r  Timaeua, 

i  4.  Jahr.),  ei 
Theophra; 
•n  sich  finde, 
graben  wcrc 
Tcio  p.  4,  üb 
icrdings  an 
in  gekannt  1 
sste  Capelii 
)  Apennin  (in 
snao  Stoppa 
Eieren  Oegent 
■iW  bei  The 
tracht.  —  Di 
sileia  nach 
:h  dem  Mittel 
)ugemontin 
leln  ist,  wie  i 
ich  lagen  sein, 
:h  dem  SUdei 


(302) 

f  der  Rhonestrasse;  aber  ganz  auBgeschloBsen  bleibt  auch  nicht  d 
Lont  selbst  skizzirtc  Weg  von  der  Weser  an  die  Mittelelbe.  —  Nai 
>,  2  giebt  es  bei  den  Ligurera  qViel  Lingyrion,  welches  Einij 
len".  Diese  Stelle  und  die  weite  Verbreitung  des  Namens  Lingyrii 
r  Bezeichnungen,  die  als  ron  Ligurien  al^leitet  betrachtet  werde 
lammlung  reichlicher  Bernstein  mengen  in  Ligurien  durch  den  Hände 
luthlich  durch  Vermittelung  der  Rheinstrasse,   wahrscheinlich,  da 

Thoophrast  in  Ligurien  selbst  nur  sparsam  gefonden  wird.  Alle 
ich  Helbig's  Erörterungen  die  Identität  vou  Lingyrion  und  El  ekln 
it,  trotz  der  Angaben  Strabo's  und  Anderer.  Ueber  das  Ltogyrie 
D  Theophrast  (§  :28)  ebenfalls  als  Natnrproduct  erwähnte  und 
icbt  dem  E^lcktron  verglich,  in  anderer  aber  deutlich  von  ihm  nntc 
<  viel  gefaselt,  dass  es  schwer  hält,  eine  allseitig  befriedigende _E 
iden.  Heibig,  Gommercio  p-  5 — 7,  ist  geneigt,  darin  den  Namen  : 
,  welchem  ursprünglich  nur  der  einheimische  Bernstein  Lignrie 
e,  der  dann  später  auch  auf  den  importirten,  äusaerlich  davon  nie 
denden  Succinit  Überging  (Schneider,  Zur  Bemsteinfrage  S.  ii 
letit).  Man  wird  hiemach  den  Rhein-Rhone- Weg  für  den  Bemstei 
1  lassen  müssen,  doch  handelt  es  sich  bei  allen  den  citirten  Scbri 
ine  späte  Zeit. 

stellte  Funde  von  Bronzen  und  Gold  in  den  Alpen  und  nördlich  d< 
men  und  brachte  sie  mit  dem  Bernstein  in  unmittelbare  Verbindnn 
>n  sie  streng  genommen  nnr  einen  Handel  im  Allgemeinen.  Dies 
Qenthe  namentlich  vom  7.  bis  in'a  3.  Jahrhundert  belebt  gewes 
itte  der  Verkehr  hier  ganz  aufgehört  und  sei  erst  nach  Cäsar  wied 
,  wobei  auch  eine  kurze  Neubelebung  des  Bemsteinhandels,  wie  i 
heiTorgeht,  eingetreten  sei;  doch  zu  Plinius'  Zeit  habe  dersel 
eslanden.  Verfolgt  man  nun  das  Auftreten  des  Bernsteins  selbst  i 
ic,  so  ergiebt  sich,  dass  Stücke  fehlen,  für  die  ihrer  Form  na 
in  Import  vom  Norden  her  in  verarbeitetem  Zustande  angenomm 
e.  Meist  handelt  es  sich  um  kugelige,  mehr  oder  weniger  nbgcplatt« 
itutzungsflächen  an  den  Polen  versehene  Ferien,  seltener  anch  i 
(der  fassIÖrmige.  „Mittel stücke"  dagegen  oder  röhrenförmige  Perl 
men  hier  meines  Wissens  nicht  vor;  wohl  aber  wird  t>ei  manch 
'kehrt  eine  Znfuhr  vom  Süden  her  vorauszusetzen  sein  (Oenthe  S. ' 
Pfahlbauten  der  Schweiz  igt  Bernstein  zur  Steinzeit  äusse 
^eich  er  nicht,  wie  Stoppani  p.  43  meint,  ganz  zn  fehlen  scheii 
r  nachweisen  2  oder  3  „sehr  gut  gearbeitete  Perlen",  deren  Foi 
icn  ist,  von  Satz  im  Bielersee,  allerdings  dem  Ende  der  Periode  i 
albauber.  7,  27;  ,9,  69;  Protobelvctes  p.  lö);  femer  Tielleicht  ei 
gc  von  Obcrmeilen  am  Zürichsee  (Steinzeit,  wenige  Bronzen;   l 

3ti;  Her.  ^,  49);  dann  eine  abgeplattete  knglige  Perle  von  Maars 
:er  See,  Baden  (Her.  6,  242,  Berliner  Ausstellungs-Katolog  IftSO,  61 
41;  Steinzeit,  4  Rapfcräxtc}.  Da  in  den  oberitalischcn  stein» 
liedelungen  Bernstein  fohlt  (S.  29f)},  so  wird  man  diese  wenig 
en  Stücke  als  direkt  von  Norden  her  eingeführt  ansehen  könnt 
einen  östlichen  Import  spricht  der  Mangel  an  Bernstein  in  den  bi 
isterreich ischen  steinzeitlichen  Pfahlbauten  (s.  unten  8.  309).  —  At 

Bronzezeit  ist  das  Material  in  der  Schweiz  nicht  häufig;  kugel 
m  und  T.  18;    Pfahlbauber,  b,  T.  16,   II    von  Hörigen    nnd    18  * 


(303) 

Cortaillod;  7  T.  2,  16  von  St  Anbin  und  23  von  Mörigen;  cylindrisch  und  fass- 
förmig:  Protohelv.  T.  18,  23  u.  24,  25  u.  26;  Ber.  6  T.  5,  25  von  Montellier; 
ähnlich,  aber  mit  nahezu  dreieckigem  Querschnitt  Wollishofen,  T.  3,  18;  ab- 
weichender noch  Ber.  8  T.  4,  20  von  Bstayayer.  —  Auch  in  einem  Skeletgrabe 
bei  Auvernier  am  Neuen  burger  See,  das  zu  den  daselbst  aufgefundenen  Pfahl- 
bauten in  Beziehung  gesetzt  wird,  traf  man  eine  ellipsoidische  Bernsteinperle,  Ber. 
7  T.  22,  8,  neben  den  Bronzen  Fig.  9,  10,  13  zu  p.  36  ff.  —  An  sonstigen  Gräbern 
der  Schweiz  seien  erwähnt  aus  der  späten  flallstatt-  oder  Frühlatenezeit: 
5  zusammengesetzte  kugelige  Nadelköpfe  (Bonstetten,  Recueil  p.  30  u.  T.  6,  14) 
bei  einem  Frauenskelet  zu  Murzelen,  Ct.  Bern,  neben  einem  goldenen  Ohrring 
und  einem  kleinen  Bronzeringe  (Fig.  8  u.  9);  vgl.  Westdeutsche  Zeitschrift  V,  197. 
Ebensolche  Nadelköpfe  bei  Trüllikon,  Ct.  Zürich,  Züricher  antiq.  Mittheilungen 
III  2,  S.  14  u.  T.  1,  r.  Ünter-Lunkhofen,  Ct.  Aargau,  2  Bemsteinringe  mit 
weiten  Bohrungen  (Wirtel?)  neben  einer  Frühlatenefibel  u.  s.  w.  aus  einem  Brand- 
grabe; Archaeologia  Vol.  47,  London  1882,  p.  131—134  u.  Taf.  5,  22.  Femer  aus 
der  Tenezeit:  Skeletgrab  zu  Spietz,  Ct.  Bern,  mit  32  rohen,  rundlichen  Perlen 
(Recueil  p.  28  u.  T.  5,  4)  neben  Broilzen  (Fig.  3  u.  5—9);  Bikingen,  Ct.  Bern, 
eine  kleine  Perle  (Rec.  Suppl^m.  I  p.  11  u.  T.  5,  3)  mit  Glasarmbändem  (Fig.  1 
u.  2)  und  einer  Bronzekette,  wie  Recueil  T.  27,  1;  Schär  loch,  Ct.  Bern,  6  Perlen 
(Rec  Suppl.  I  p.  11  u.  T.  6,1)  mit  Glasarmband  (T.  5,  4),  einer  Fibel  (T.  6,  4) 
und  anderen  Sachen  bei  Skeletten.  —  Rheinabwärts  sollen  ebenfalls  nur  einige 
wichtigere  Funde  hier  besprochen  werden;  im  Uebrigen  venveise  ich  auf  die  Zu- 
sammenstellung bei  V.  Tröltsch,  Fundstatistik,  1884,  Nr.  118,  S.  82-83.  — 
Baden:  Hügelsheim  bei  Rastatt,  eine  Perle  (Wagner,  Hügelgräber,  Karlsruhe 
1885,  S.  31  u.  T.  4,  28)  nüt  einem  goldenen  Armring  (T.  4,  29)  und  2  Schlangen- 
fibeln (T.  4,  27),  also  aus  der  Hallstattzeit  (Corresp.  d.  Deutschen  anthrop.  Ges. 
1881,  124;  Westd.  Zeitschr.  5,  191).  —  Sinsheim  im  Neckargebiet,  nur  eine 
Perle  in  den  dortigen  Frtthlatenegräbem  (Wilhelmi,  Vierzehn  Todtenhügel,  1830, 
8.  47  u.  151,  T,  2,  16).  —  Kreenheinstetten,  westsüdwestlich  Sigmaringen,  eine 
Perle  (Lindenschmit,  Hohenzollemsche  Sammlungen,  Mainz  1860,  S.  135  u.  214, 
T.  19,  15).  —  HohenzoUern:  Inneringen,  ein  dreigetheilter  Nadelkopf,  wie  die 
von  Murzelen,  bei  einer  Schlangenfibel  (Lindenschmit,  Hohenzollemsche  Samm- 
lungen S.  135  u.  213,  T.  18,  11).  —  Rothenlachen,  südwestsüdlich  von  Sig- 
maringen, eine  Perle  (Lindenschmit,  Hohenz.  S.  135  u.  206,  T.  12,  3).  —  Würt- 
temberg, Donaukreis,  Hundersingen,  Nadeln  mit  dreigetheilten  Bemstein- 
köpfen,  Westd.  Zeitschr.  5,  197.  —  In  dem  Hügel  Beile-Remise  bei  Ludwigsburg, 
in  einem  der  berühmten  Fürstengräber  der  jüngeren  Hallstattzeit,  Gehänge  von 
Bernstein  (Corresp.  d.  d.  anthr.  (Jes.  1881,  51).  — -  Bayrische  Rheinpfalz: 
Dürkheim,  flache  Bemsteinringe  in  dem  berühmten  Funde  mit  dem  Dreifuss, 
(Lindenschmit,  Heidn.  Vorzeit,  11  2,  Text  zu  T.  2.  —  Weisskirchen,  ost- 
südöstlich Saarburg,  Bernstein  an  einem  Ornament  aus  Goldblech  (Heidn.  Vorzeit 
II,  2,  T.  1,  6).  —  Dies  möge  genügen;  weitere  Funde  bei  Genthe  S.  8,  9,  15. 
Im  Allgemeinen  scheinen  im  Rheingebiet  die  Bemsteinfunde  der  Hallstatt-  und 
Tenezeit  anzugehören. 

In  Westfarlen  kann  ich  allerdings  durch  die  Güte  des  Herrn  Dr.  A.  Götze 
Bernstein  aus  einem  steinzeitlichen  Grabe  der  Gegend  von  Beckum  nachweisen, 
zu  Westerschulte,  Bauerschaft  Dalmer  (Verhandl.  d.  naturhist  Ver.  d.  preuss. 
Rheinlande  und  Westfalens,  27  (Bonn  1870)  Sitzungsber.  S.  39;  Deutsche  anthr. 
Corresp.  1871,  1);  die  Perlen  sind  leider  verloren,  ihre  Form  ist  nicht  bekannt. 
Daran   schliessen   sich   dünn   im   hannoverschen  Binnenlande   wohl  andere  Funde 


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*    ^ 


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(304) 

VoTzeH,    Hannover  188S,   S.  31  Fig.  31,   flache  Perle  ans   ei 
retesch,  Landkr.  Osnabrück):  aber  diese  Pondstellen  liegen  i 
noch  zu  nahe,  aU  dass  sie  wesentlich  in  Betracht  kämen, 
reg.     Als    zweiten,    ebenfalls    sehr  alten  Ueberlandweg  bezc 

den  von  der  Elbe  durch  Böhmen  und  Pannonien  ans  adr 
Interlauf  der  Elbe  achloss  er  übrigens  aus  und  liess  den  B 
tfriesischen  Inseln  die  "Weaer  hinauf  und  nach  Halle  o.  d.  S 
i^rst  von  dem  mittleren  Lauf  der  Elbe  hinllber  nach  der  Do 
;h  nicht  die  Elbe,  sondern  die  Donaa  als  Eridanas,  da  er  nie 
tiabe    sich   die  Donau  hinab  ans  schwarze  Meer  gesogen.     > 

aber  Tällt  der  ganze  Lauf  der  Elbe  von  seiner  Uündung  bis 
l   diesem  letzteren  Flusse,    in  das  Gebiet    des  Kordsee bernsl 

in  jeder  Beziehung  am  besten  zur  ältesten,  ernstlich  in  Betr 
luting   des  Eridanus')    bei  Herodot  im  5.  Jahrb.,   wobei   ■■ 

dass  schon  etwa  3  Jahrhunderte  früher,  um  776,  Hesiod 
f   dem  Eibwege  vollzog  sich  der  erste  sicher  nachweisbare 

Bedeutung.  Hierzu  sei  jedoch  bemerkt,  dass  ich  unter 
and  zwischen  Weser-Aller  einerseits  und  Oder  andererseits 
,  Wesentlichen  durch  die  Verbreitung  der  Goldspiralen  11  G 
Vorkommen  derselben  Spiralen  auf  Bomholm,  den  anderen  c 
1  Schweden  iüsst  auf  sehr  frühes  BinUbengreifen  des  Verkehrs 
)  .und  meklenburgischen  Küste  über  die  Ostsee  schliessen 
aramen  mit  den  schon  in  der  Steinzeit  hier  durch  die  doppel 
^n  Berns teinperlen  nachweisbaren  Beziehungen,  sei  es  d' 
urch  Gemeinsamkeit  der  Abstammung  oder  Cultur.  Kach  B 
t'crden  die  Perlen  durch  den  Handel  gelangt  sein,   da  au  se 

Bernstein  äusserst  selten  ist.    (Vedul,  Bornholms  Oldtidsnvir 

S.  12;  Conwentz,  Verbreitung  d.  Suce,  8.  (i  und  9.)  Dagi 
ler  Küste  Schönens  und  in  geringer  Menge  auch  auf  den  mei 
(Werlauff  in  Nenes  staatsbürgerliches  Magazin  10,  Schlei 
ergl.  die  Karte  bei  Conwentz).  Dass  aber  auch  ohne  dies 
on   der  cimbrischen  Halbinsel  her  sich  zunächst  vorwiegend 

in  der  ersten  Arbeit  S.  281  bemerkt,  hat  schon  Werl  &u  ff  andenti 
.^n  Kridsnus  bezeichnet;  von  Hs&ck  war  ea  vielleicht,  der  dies  i 
at  (Zeitscbr.  d.  Ües.  f.  Erdkunile  UerUu  3  (ISü«)  8.  17—27);  aber 
t  sich  wesentlich  auf  die  Stelle  PausBoiaa  I  11,  die,  als  dem  2.  Ji 
;,  kaum  in  Betracht  kommt  und  KU  ijereu  Erklttrung  Haack  »a 
[lüthese  braucht,  dass  Eugland  von  Frankreich  erat  etwa  iiu  b.  Ji 
Jaoal  abgetrennt  wurde!  Vgl.  Zeit^chr.  t.  allgemeini^  Erdknnde  N. 
id  1». 
ugleich  das  Gebiet,   welches  bei  Scbrader,   S.  61tl-21,   ab  8t« 

skiixirt  ist  (wcsenilich  nach  Hüllenhofr),  nur  dwts  hier  da*  . 
Weichsel  nut  hinzugezogen  wird. 

.  glaubte  aoa  einer  Keihe  von  Broniefunden  auf  einen  directen  Beroj 
ügun   nach   deui   Brenner  schliessen  tu   können  (p.  143,  14T- 
n,  dass    die  Küste  VurpouimemH  frühzeitig  einen,  vi<-lleiebt  auci 
mniRnb&nt'euden  Verkehr  zwischen  Nord    und  Süd  vermittelte. 
ort  di'd  Succinits  vou  den  sächsischen  Landen  her  durch  Bajem 

unwulirecheinlich  (siehf  unten  S.310),  aber  schon  Hejer  sprach 
i,  K^S^u  <1*^  ■"■  ^^'^  Operiren  mit  dem  BegrilT  .Bemst«lnstras8e* 


(306) 

fehlen  leider),  und  zu  Zehren  bei  Meiasen  traf  man  Bernstein  perlen  mit  eine 
offenen,  ovalen,  masaiven  ßronzeringe  einer  Art,  wie  sie  auch  zn  Jessen  vorkam 

Für  meine  Anschaaungen  besonders  wichtige  Thatsachen  liegen  aber  vor  ui 
Böhmen;  sie  beweisen,  dass  hier  gemde  an  der  von  mir  bezeichneten  Strasse  b 
Teils  in  früher  Bronzezeit  der  Bernstein  ansi;tebig  als  Schmuck  benatzt  wnrd 
Die  wichtigsten  FWde  dieser  Art  stammen  ans  dem  Gräberfelde  mit  liegend« 
Ifockem  von  Unetice  (Uhnjetitz)  bei  Rostock  an  der  Moldan  (unterhalb  Prag 
dessen  Noppenringe  und  Säbelnadeln  ich  in  meiner  Arbeit  über  Spiralringe  au 
führlich  besprochen  habe  (Verh.  1886,  433  ff.,  namentlich  483—88).  Nach  der  B 
Schreibung  dieses  Gräberfeldes  (Pamätky  archaeologicke  a  mistopisne  Bd  11,  Pn 
1341,  zn  Taf.  Vi — 16)  handelt  es  sich  hier  um  folgende  Bern  stein  Sachen:  Serie 
Grab  10,  p.  295  n.  906,  Baisschmuck  Taf.  13,  1,  bestehend  aus  2  PerlschnDro 
die  durch  ein  grösseres  flaches  „Mittclstttck"  und  2  kleinere  „Doppelperlen "  n 
einander  verbunden  sind,  zusammen  enthaltend  92  einfache  Perlen,  meist  rundlii 
abgeplattet,  z.  Th.  kur^e  Cylindcr.  Das  Grab  enthielt  sonst  weiter  nichts,  als  noi 
eine  Anzahl  längliche,  runde.  Dache  und  cylindrische  Perlen  ans  einem  „Harz  od' 
Bernstein".  Die  „Doppelperlen" :  2  durch  einen  kurzen  Arm  mit  einander  verbu 
denc  KUgelchen,  wie  „Hanteln";  ebensolche  kenne  ich  sonst  nicht,  doch  sind  s 
gewissermaassen  veigleichhar  den  hammerförmigen  Perlen  der  Steinzeit,  die  ab 
fast  stets  nur  eine  Bohrung  (in  der  Mitte)  haben,  während  hier  beide  Endkuge 
durchlocht  sind.  2  V-Bohmngen  hat  allerdings,  aber  auch  an  der  Mittelparti 
eine  solche  hammerfürmige  Perle  Kopcnh.  Mus.  A  5858,  Aarböger  f  N.  0.  1888,  29 
die  ich  seiner  Zeit  bei  Aufzählung  der  V-gebohrten  Stücke  (Verhandl.  1890,  28: 
Übersah.  Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  dos  Dache  „MittelstUck",  ganz  cn 
sprechend  den  nordischen,  namentlich  im  Westbolticum  vorkommenden.  —  Gral 
Stätte  I  17,  p.  299  und  306,  2  Gräber  enthaltend,  in  dem  ersten:  2  ringförmig  g 
bogene  einfache  Drohte  T.  lü,  18  und  eine  Säbelnadcl  wie  T.  14,  22,  alles  ai 
Bronze;  in  dem  zweiten:  Bruchstück  eines  Dachen  Bernstein ringcs  (?)  mit  ein« 
Bohrung,  T.  13,  2.  -  Es  enthielten  ferner  die  Gräber  I  I,  8,  12,  15  ühnlicl 
Perlen,  wie  der  Halsschmuck,  und  l  1  noch  einen  Bemateinring.  ~  Serie  II 
p.  35f>  und  366:  Brustschmuck  T.  15,  1  aus  4  grossen,  flachen,  je  1  mal  gclocbU 
rohen  Stücken  und  2  einfach  durchbohrten  Doppolperlen  (ohne  verbindenden  Arm 
dazu  gehörig  dünne  Röhren  aus  gewundenem  Bronzedraht;  femer  dabei  Röhrch< 
aus  Blech  (T.  16,  28),  die  Säbelnadel  T.  16,  12  und  mehr  als  4  Noppenringe,  w 
T.  15,  ß.  —  Grab  n  6,  p.  358  und  365:  Schnur  aus  94  BemsteJnperlen  T.  15, 
dabei  aus  Bronze  2  Spiralarmbänder  aus  einfachem  Draht,  9—10  Windung« 
(15,  3)  und  eine  Nadel,  ähnlich  16,  12.  —  Grab  U  25:  ein  flacher  Ring  mit  Ixk 
(ähnlich  T.  13,  2)  T.  16,  10.  —  Auch  die  Gräber  U  3,  5,  15  enthielten  Bemsteii 
perlen.  —  Die  charakteristischen  Säbelnadeln  fanden  sich  in  I  1,  4,  5,  13,  14,  I 
17,  27—29;  U  3,  5,  6,  8,  28;  an  Gold  traf  man  nnr  den  einfachen  Pingerre 
T.  13,  8,  ans  einem  schmalen  Bande.  —  Hm.  Brctislav  Jeh'oek  in  Prag  ui 
Hrn.  Prof  Brückner  in  Berlin  bin  ich  fUr  gütige  Beihttlfe  bei  ller«tcllang  diesi 
Auszuges  aus  dem  Pundbericht  zu  Dank  verbunden. 

Hr.  Heinrich  Rtchly  in  Neuhaus  und  Prag,  Correspondent  der  K.K.  Centra 
commission  zu  Wien,  schreibt  mir:  „Ausser  zn  Unetice  ist  dos  Erscheinen  d< 
Bernsteins  auch  in  Grabhdgelstättcn  der  guten  Bronzezeit  eine  Seltenheit;  so  hat 
ich  denselben  z.  B.  in  der  Necropole  Hroby,  welche  dieser  Periode  angehört,  h 
Durchgrabung  von  2i>  Grabhügeln  nie  gefanden;  dasselbe  gilt  auch  von  andere 
Gnibstellen,  welche  der  Bronzezeit  angehören.  In  den  Depotfunden  Böhmen 
welche  der  guten  Bronzezeit  angehören  und  deren  mir  42  genau  bekannt  sind,  i: 


(307) 

auch  nicht  ein  einziges  Mal  Bernsteip  mitgefonden  worden^.  Nichtsdestoweniger 
sind  unter  den  nachstehend  verzeichneten  Funden,  welche  ich  durch  die  Herren 
Richly  und  Dr.  M.  Much  in  "Wien  kennen  lernte,  noch  einige,  die  der  Bronze- 
zeit zugeschriehen  werden  können,  während  die  meisten  wohl  der  Hallstattzeit  an- 
gehören. 

Es  giebt  hauptsächlich  zwei  Punkte,  in  deren  entfernterer  Umgegend  sich  diese 
Funde  concentriren,  Schlau  im  nordwestlichen  und  Pilsen  im  südwestlichen 
Böhmen.  Aus  der  Gegend  von  Schlau  ist  zunächst  anzuführen:  Zlonitz,  halb 
sitzendes  Skelet,  dabei  Bronzenadel  (nicht  abgebildet),  ein  Armband  aus  12  kugligen 
oder  cylindnschen  Bernstein-  und  2  röhrenförmigen  Ralksteinperlen,  Reste  noch 
vieler  anderer  Bernsteinperlen,  sowie  2  goldene  Noppenringe  (wohl  IIP');  Mit- 
theilungen d.  K.K.  Centralcomm.  zur  Erforschung  der  Runstdenkmale  1880,  N.  F. 
Bd.  6,  S.  CXXI,  Nr.  53  und  Fig.  1  =  Much,  Atlas  S.  165,  Fig.  6;  Kön.  Böhm.  Mus. 
—  Femer  gehören  der  Zeit  nach  vielleicht  hierher:  Ledec  =  Ledce,  1  Stunde 
südwestlich  von  Schlau,  Steinkistengräber  mit  „liegenden  Hockern",  dabei  Stein- 
keil, Armringe,  3  Goldspiralen  aus  Doppeldraht,  3  Ringe  aus  dünnem  Draht,  künst- 
lich zusammengerollt  (also  wohl  Noppenringe),  Nadeln  u.  s.  w.,  und  40  Bernstein- 
perlen verschiedener  Grösse;  Pamatky  arch.  14  Sp.  315.  —  Risuty,  1  Stunde 
südwestlich  von  Schlau^  1  m  unter  Tage  1  Schädel  mit  4  „Ohrringen"  aus  Gold- 
draht, Bruchstück  eines  Bronzedrahts,  Bronzenadeln,  gerippte  Fussringe,  Bernstein- 
perlen;  Pamätky  14  Sp.  262.  —  Endlich  sei  erwähnt,  mehr  nach  der  Moldaumün- 
dung zu,  2  Stunden  nordöstlich  von  Welwam,  Ml^echvost;  Thongefäss  mit  einer 
grossen  Menge  von  Bemsteinringen  verschiedener  Grösse,  von  1,5 — 5  cm  Durch- 
messer; von  dem  Funde  ist  nichts  erhalten.  Mit  dem  Bernsteinhandel  mag  er 
zusammenhängen,  seine  Zeitstellung  bleibt  aber  fraglich;  Pamatky  14  Sp.  52.  — 

Die  Schilderung  der  Funde  bei  Pilsen  lehnt  sich  zweckmässig  an  einen  Be- 
richt Szombathy^s  über  Tumuli  und  Ansiedelungen  im  Gebiete  des  Uslavaflusses 
(Gegend  von  Stiahlau  und  Biowitz,  südöstlich  von  Pilsen),  Annalen  des  R.K.  natur- 
hist.  Hofmuseums  EI,  Wien  1888,  Notizen  S.  130-36.  Hier  giebt  es  Hügel  der 
Bronze-  und  der  Hallstattzeit,  erstere  aus  Stein  und  Erde  und  gross,  letztere  klein ; 
manchmal  beide  Arten  von  Hügeln  in  derselben  Gruppe;  Hallstattgräber  auch  öfters 
nachträglich  in  Bronzehügeln  angelegt.  In  der  Bronzezeit  nur  Skeletgräber, 
kein  Brand.  Hier  bei  den  Männern  u.  A.  „goldene  Platten,  deren  Verzierung 
Aehnlichkeit  mit  solchen  aus  Mykenae  hat'';  sonst  heisst  es  allerdings:  „Gold  ist 
ist  hier  ein  sehr  seltenes  Metall.  Nur  in  einem  Tumulus  auf  der  Hurka  bei  Sedlec 
fand  Franc  noch  16  Stück  Golddrahtrollen''  (welcher  Art?).  In  den  Frauengräbern 
„fehlten  auch  Bernsteinperlen  nicht".  —  Eine  der  hier  in  Betracht  kommenden 
Necropolen  ist  die  auf  der  Flur  Chyliny  bei  Biowitz,  früher  falschlich  Flur 
Hladomfi  genannt,  Pamdtky  12  Sp.  7,  von  wo  ich  in  diesen  Verh.  1886,  457  einen 
goldenen  Spiralring  II  oo  G  erwähnte,  der  also  noch  zu  obigen  hinzukäme  (aus 
Hügel  Nr.  3,  Taf.  1,  9).  In  Hügel  6  fand  sich  der  halbkogligc  Bemsteinknopf 
Taf.  1,  19,  33^  schwer,  6,5  ct»  Durchmesser;  dies  Grab  erscheint  allerdings  jünger, 
während  Nr.  4  (ohne  Bernstein)  alt  ist.  Ein  Hügel  bei  Ryschitz,  östlich  von 
PUsen,  aus  grossen  Steinen  errichtet,  mit  Leichen b ran d,  Thtingefassscherben, 
Bronzeknopf,  Henkel  eines  Bronzegefässes  und  Bernsteinring  gehört  wohl  der 
Hallstattzcit  an;  Pamatky  12,  298.  Ebenso  wohl  Hügelgräber  auf  der  Anhöhe 
„Babka"  bei  Birasy,  2  Stunden  südlich  von  Rokycan,  in  deren  einem  ein  Bronze- 
ring, Zange,  Bruchstücke  eines  Ressels,  Goldgewinde,  Urnen  und  Bernsteinperlen,  . 
während  sich  sonst  auch  Eisen  in  dieser  Gruppe  fand;  Pamdtky  5  S.  373  links; 
Wocel,  Pravek  zeme  ßeske  (^'^orzeit  des  böhmischen  Landes)  S.  60. 

20* 


(308) 

[ehr  vereiiizelt  liegt,  nördlich  zwischen  Pilsen  und  Saatz,  '/,  Stande  ro 
itz,  Chotioschan  (Ghotclor);  der  dort  gemachte  Fudd  wird  nach  als  Peter 
r  bezeichnet  (Petersburg  nordnord westlich  von  Jechnitz) ;  Famitky  7,  323— 

2  enthielt  neben  verschiedenen  Bronzen,  Annspiralen  u.  s.  w.  36  Bemsteii 
;  Spuren  von  Knochen.  Hr.  K  ichly  setzt  denselben  nicht  in  die  Bronzezeit.  - 
iehen  wir  an  die  rechte  Holdanaeite  hinüber,  so  haben  wir  weit  im  Siidei 
ch  von  Budweis,  Kosteletz,  MiUh.  d.  anthrop.  Oes.  Wien  13,  S.  161 
Igel  1  scheint  mir  das  Hauptgrab  nicht  gefunden  und  die  Bemstcioperlc  eini 
üglich  beigesetzten  Oberflächenurne  anzugehören;  aber  Hügel  3  mit  Sleii 
and  innerem  Stcinkegel  enthielt  „einige  kleine  Bemsteinperlen"  neben  zlemlic 
lUmlichcn  Bronzen,  nehmjtch  dem  Dolch  T.  1,10,  dem  Messer  T.  1,11  an 
rmringen    1,13    and    14;    allerdings    wird    Über  Leichenbrand  berichtet.  - 

sehr  weit  nördlich  von  Kosteletz:  Dezinky  bei  Bechin  an  der  Laschnit 
stlieh  Tabor,  Hügelgräber:  in  einem  derselben  neben  Kohle,  Bronzenade 
litze,  Armringen  auch  ßemsteinpcrlen ;  Pam.  9,  133  (Hallslattzeit ?).  -—  Weiti 
ch,  nord nordöstlich  von  Prag,  nahe  der  Elbe,  bei  Kojetitz,  enthielt  ein  Hilg< 

kleinen  Bronzen  28  Bern  stein  perlen  in  der  Grösse  von  Zuckererbsen;  Pan 
.  (Hallstattzeit?).  —  Jenseit  der  Elbe  endlich  sei  erwähnt  Skalsko,  2  S 
h  von  Belä,  Jnnghunzlau,   woselbst  Skcletgräbcr,  in  Fels  gehauen  und  übei 

Thongerasse   auf  der  Scheibe  verfertigt,   Golddrahtge winde  und  Bemsteii 
;   Pravök  525 
n    Böhmen   sei   hier  gleich   angeschlossen   Mähren:   Höhle   im  Stierreise 

skäla),  I  Stunde  südlich  von  Blansko,  nordöstlich  Brunn;  Hallstattzei 
:el,  Bilder  aus  der  mährischen  Schweiz,  Wien  1882,  8.393.  Nach  ge 
Mitth  d.  Hm  Wankcl  nahezu  1000  Bernstein  perlen  verschiedener  b'onnci 
Uiltelstücke  und  ein  Ring;  Mittclstückc  auch  in  Knochen,  a.  a.  Ü.  S.  392.  - 
ist  noch  Hm.  Wankel's  Kenntniss  der  einzige  einigermaossen  alte  Fun 
ernstein  in  Mähren;  denn  ein  Ring  von  Ptin  ^Pteny),  westsUd westlich  vo 
z  (Sammlung  Wunkel  in  Wien)  scheint  spät  zu  sein.  — 
wischen  Böhmen  und  den  sächsischen  Landen  sind  übrigens  sehr  fhihe  lit 
Igen  auch  noch  anders,  als  durch  den  Bernstein  nachweisbar,  nehmlich  durc 
Säbelnadcln"   und    „Noppenringe "    zu   Leubingen,   Kuhdamm,   Thierschnec 

1886,  468-70,  487-88;  1890,  282).  Auch  jene  an  die  Henkelformen  d< 
«fasse  italischer  Terramaren  erinnernden  Bildungen,  die  sich  in  Böhme 
ich  nachweisen  lassen  (Verh  1886,  488  von  Unetice  oder  Bostok;  1887,  47 
i  von  Cöslau;  nach  Dr.  Gölzo's  gut.  Mitth.  auch  zu  Zaiynice  bei  Prag 
cn  in  Thüringen  nicht  ganz  zu  Teblen  (Vcrbandl.  188ti,  488);  jedenfalls  finde 
refiisse  in  gleichartiger  Form  und  mit  GritTen  in  Gestalt  von  Üoppelzuprei 
I  Unetice  (Pamätky  11,  T.  14,  28),  nach  Zeichnungen  des  Hm.  Götze  auc 
icrschneck  bei  Camburg  und  zu  Süsscnbom  bei  Weimar, 
er  Weg,  den  der  Bernstein  von  Böhmen  aus  nach  dem  Süden  gcnommei 
{ich  noch  nicht  genau  verfolgen.  Das  Material  fehlt  nehmlich  fast  ganz  i 
tcren  ungarischen  Funden,  üampel's  Trouvailles  de  l'iigc  du  bronze  e 
le,  CongroB  Budapest  Vol.  H  2  kann  ich  nur  die  folgenden  spärlichen  An 
entnehmen:  p.  28,  No.  24  Collier  aus  Gold  und  Bernstein,  „etrurischen  Ui 
s";  No.  26  Schnur  aus  Glas-,  Thon-  und  Bcmstcinperlen ;  beides  von  einei 
Ide  bei  Piün,  C.  Nögräd  (nord nordöstlich  von  Budapest);  die  Fondnncb 
1  sind  ungenügend.  —  p.  104,  Schatzfund  von  Toicsva,  Com.  ZempUn,  ii 
ttcn  des  Landes,  mit  Bern  stein  perlen  eines  Collier  (No.  41.  —  Hr.  Profeafto 
lel   hatte  die  GUIe,    Mitte  Februar  in  den  Archaedogiai  Ertesitö  1891,  p.  9 


ei  neu  Auf  ruf 
lasBcn,  der  al 
„Ich  kenne  i 
Staates  keinei 
zeit  Gin^roih 
Uarch,  das  d 
ebenso  in  de 
Auch  in  unser 
sec  in  Ungar 

Dies  Feh 
ausser  Böhmi 
60  starke  8ei 
die  Frage  aul 
kehr  seit  wärt: 
Enns  aus,  äh 
meinen  sogen 
die  Völker  z 
Hallstatt  selb 
Ringe  und  t 
Wien  1868,  1 
lugen  etwa  4i 
man  ihn  mit 
hervor,  dass  i 
und  nicht  ei 
iiusgestattete 
leicht  gelingt 
auch  das  ven 
Aufmerksiimk 

Bayern. 
1<^enen  Alpei 
schein  kommt 
—  Hier  lierer 
bcrgcr)  Sees 
eine  Bernate: 
achtungen  de 
fehlen  und  b( 
etwa  um  80i 
nur  eine  kle 
(Hügelgräber 
S.  71,  134,  » 
häufiger  werd 
aber  hat  Hr. 
der  älteren 
Perlen  und  i 
Skelet  der  Uli 
geführt  anzni 
HittelstUck  z 
aus   der  Hall 

1)  Aach  n 


(310) 

sich  im  Gebiete  der  Cslava  naden,  bo  könnea  die  bayrischen  Stücke  wohl  a 
Böhmen  gekommen  sein,  mit  oder  ohne  Vennittelong  der  Alpenländcr.  Ich  m 
jedoch  gerne  zngeben,  daas  man  auch  an  directe  Verbindungen  Oberbayems  i 
den  sächsischen  Landen  denken  kann  (siehe  oben  S.  304  Note  3);  eine  solche  wtti 
übrigens  der  AulTassung  der  Elbe  als  Eridanns  dnrchaos  nicht  entgegenstehen;  i 
Abzweigung  des  Verkehrs  würde  eben  nur  Tür  Bayern  vom  Hittellaar  dieses  Flnas 
für  die  östlicheren  Länder  vom  Oberlauf  desselben  stattgefunden  haben. 

Vielleicht  ist  daher  die  Aeusserung  des  Plinins,  dasa  der  Bemsteinbani 
Über  Pannonien  ging,  nur  für  die  römische  Zeit  streng  gültig,  während  er  friil 
dnrch  das  Gebii^,  also  durch  Noricum,  seinen  Weg  nahm.  Diese  Frage  w 
erst  durch  weitere  Porscbmigen  an  Ort  und  Stelle  ihre  Lösnng  finden  können. 

4.   Preussen. 

In  meiner  ersten  Hittheilung  habe  ich  die  PundTerhältnisse  in  den  Pi 
vinzen  Preusscn  nur  bezüglich  des  Goldes  (S.  283— 284)  tind  die  absolote  Gbron 
logie  des  samländisohen  Bemsteinhandels  gor  nicht  berücksichtigt.  Ich  will  ( 
hier  nachholen. 

a)  Die  FundverbältnisBc.  Tischler'a  Arbeiten  haben  Über  die  Verbi 
nisae  zur  Steinzeit  Licht  verbreitet  (s.  bei  Klebs,  Bernsteinschmuck;  femer  Ph 
ök.  Abhandl.  1882,  17-40;  1883,  89-120);  über  Westprenssen  wäre  noch  zu  v 
gleichen  Lissauer  S.  22.  Uns  berührt  indess  mehr  die  Bronze-  and  Hallsta 
zeit,  für  welche  sich  Folgendes  ergiebt:  In  den  ältesten  Qräbcm  dieser  Pcric 
in  Ostpreassen  (aus  Tischlers  mittlerer  Bronzezeit  oder  Peccatcl er  Periode,  Mo 
telius'  Periode  2—4)  mit  Skeletten  in  3  Hügeln  zu  Rantan  im  Samlande  fa 
sich  eine  Menge  bearbeiteter  Bemsteinstücke  verschiedener  Form,  aber  in  eini 
HUgel  zu  Alknicken,  Kreis  Fischhausen,  nur  ein  One  hcyl  in  drisch  er  Knopf  n 
zu  Slaszen,  Kr.  Memel,  wie  es  scheint,  gar  kein  Bernstein  (Phys.  ök.  Ber.  1$: 
12;  1890,  Zuwachs  S.  4;  Bnjack,  Katalog  d.  Pmssia  Mus.  I  (1884)  Nr.  Ul).  V 
den  Bügehi  der  üallstattzeit  hcisst  es  zwar  Phys.  ök.  Abhandl.  188l>,  146:  „m 
findet  oft  rohen  Bernstein,  manchmal  in  ganz  bedeutenden  Quantitäten,  bearbeJi 
Stücke  seltener"  und  ebenso  S.  163:  „roher  Bernstein,  wie  häufig  in  diesen  Hügeln  . 
doch  finde  ich  bei  der  Einzelbcschreibung  Bernstein  nur  wenig  hervortretei 
nehmlich  aus  dem  Kreise  Fisch  hausen  zu  Birkcnhof  (S.  127,  129,  130),  Warsc 
ken  (S.  156,  157),  Mollehnen  (S.  164)  Gmal  Je  1  bearbeitetes,  1  mal  eines  u 
1  mal  b  unbearbeitete  Stücke.  Dies  si^heint  für  die  grosse  Zahl  der  Brandgräl 
der  betreffenden  Hügelgruppen  keineswegs  erheblich,  zumal  andere  Gruppen  { 
nichts  lieferten  (Phys.  ök.  Abhandl.  I88H,  100—133;  1890,  1—36).  Man  köni 
demnach  wohl  schliessen,  dass  im  Ostbalticnm  in  der  Bronze-  und  Hallstatti 
bezüglich  des  Bernsteins  in  den  Gräbern  ähnliche  Verhältaisse  obwalteten,  wie 
Westbalticum ;  und  dies  scheint  dnrch  das  Fehlen  des  Bernsteins  in  den  bron 
zeitlichen  Gräbern  von  Warszenko,  Kr.  Carthans,  Westpr.  (Phys.  ök.  Ber.  18' 
Zuwachs  8.4;  Lissauer  S.  56,  110),  sowie  durch  Lissauer's  sonstige  Anga^ 
bestätigt  zu  werden.  Denn  wenn  bei  ihm  auch  S.  61  Bernstein  als  Bcstandth 
der  Ohrringe  an  den  Gesichtsurnen  der  Hallstattzcit  aufgeführt  wird,  so  hei 
es  doch  S.  60  allgemein:  „Der  Export  des  Bernsteins  ist  jedenfalls  in  dieser  Gpo< 
viel  grösser  gewesen,  als  die  heimiache  Verwerthung  zu  Schmucksachen,  umgeke 
wie  in  der  Steinzeit".  Im  Ganzen  aber  erscheint  die  Zahl  der  Funde  ans  c 
reinen  Bronzezeit  in  Prenssen  zu  gering  und  ist  auch  das  mir  zugängliche  Malei 
fUr  die  Hallstattzcit  zu  spärlich,  als  dass  ich  grosses  Gewicht  auf  die  milgeUieill 
Zahlen  legen  möchte. 


(311) 

Es  fehlt  für  den  Bernsteinhandel  Preussens  an  einem  Leitobjekt,  wie  es  im 
Wcstbalticnm  die  Goldspiralen  waren ;  denn  die  Bronzen  können  nur  einen  Handel 
im  Allgemeinen  beweisen  und  zum  Theil  müssen  wir  für  sie  auch  in  der  Hallstatt- 
zeit einheimische  Herstellung  annehmen  (Phys.  ök.  Abhandl.  1886,  176;  1890,  96; 
Bujack  I  Nr.  124);  die  allerdings  sicher  importirten  Schnecken  südlicher  Meere 
(die  Kauri,  Cypraea  moneta  und  Oypraea  annulus,  Zeitschrift  f.  Ethn.  1872,  65), 
welche  sich  namentlich  bei  Gesichtsurnen  finden  (Lissauer  S.  67),  sind  doch  zu 
selten,  als  dass  sich  auf  ihre  Verbreitung  weitere  Schlüsse  bauen  liessen.  Nur  ist 
beachtenswerth,  dass  sie  nicht  in  Ostpreussen  und  wohl  wesentlich  links  der 
Weichsel  erscheinen,  wie  nach  Lissauer  überhaupt  die  Reste  der  Hallstattcultur 
in  Westpreussen  und,  namentlich  auch  die  Gesichtsumen,  hauptsächlich  auf  dem 
linken  Weichselufer  vorkommen  (S.  68—69,  117).  Die  beiden  bei  Oliva  gefun- 
denen goldenen  Eidringe  (meine  erste  Mitth.  S.  284,  295)  würde  man  yielleicht  zu 
dem  Bemsteinhandel  in  direkte  Beziehung  bringen  dürfen  —  Auf  dem  rechten 
Ufer  des  Flusses  sind  Ueberreste  dieser  Zeit  yornehmlich  an  der  Stelle  der  grossen 
Biegung  des  Stromes  nach  Westen  hin,  zwischen  Thorn,  Graudenz  und  Strassburg, 
aufgefunden,  d.  h.  ungefähr  in  dem  Gebiet,  das  Müllenhoff  11,  S.  4 — 5,  19,  77, 
den  Gothen,  den  einzigen  rechts  der  Weichsel  ansässigen  Germanen,  nach  Berichten 
des  Tacitns  um  lOl)  nach  Chr.,  des  Ptolemäus  in  der  1.  Hälfte  des  2.  Jahrhunderts 
und  des  Jordanes  im  6.  Jahrhundert,  zuweist,  während  freilich  SchraderS.  620  die 
Sitze  der  Gothen  und  verwandter  Stämme  bis  zu  den  Ostseeprovinzen  ausdehnt. 

b)  Der  preussische  Handel  und  die  Sprachforschung.  In  meiner 
ersten  Arbeit  erwähnte  ich  S.  284  Note  die  für  das  ältere  Lateinische,  das  Preussi- 
sche und  Littauische  geltende  Sprachgleichung:  (Gold  =)  ausum  =  ausis  =  auksas. 
Ausis  findet  sich  in  dem  ältesten  uns  erhaltenen  sprachlichen  Denkmal  der  Preussen, 
nehmlich  in  dem  dentsch-preussischen  Vocabular  von  Peter  Ho Iczw escher,  1868 
zu  Königsberg  herausgegeben  von  Nesselmann  nach  dem  in  Elbing  aufbewahrten, 
aus  dem  Anfange  des  15.  Jahrhundert  stammenden  Manuscripi  Ausserdem  kommt 
ausis  vor  in  einem  der  preussischen  Katechismen,  dem  Enchiridion  von  1561,  wo 
es  heisst:  ni  sen  ausin  addcr  sirablan  =  nicht  mit  Gold  oder  Silber  (Nessel- 
mann, Sprache  der  alten  Preussen,  Berlin  1845).  Das  littauische  auksas  ist  noch 
jetzt  gebräuchlich.  —  Victor  Hehn  sprach  zuerst  die  Vermuthung  ans,  dass  ausis 
und  auksas  aus  dem  Lateinischen  übernommen  seien  (Kulturpflanzen  und  Haus- 
thiere,  Berlin  1870,  S.  408);  wäre  dies  richtig,  so  würden  sich  einige  bemerkens- 
werthe  Schlussfolgerungen  ergeben,  nehmlich  1)  dass  diese  Uebemahme  vor  der 
Mitte  des  3.  Jahrhunderts  vor  Ohr.  stattgefunden  habe,  da  nach  dieser  Zeit  nur 
noch  aurum  im  Lateinischen  gebräuchlich  war;  2)  dass  der  Verkehr  zwischen 
Italien  und  Preussen  schon  vor  jenem  Termin  ein  ziemlich  direkter,  etwa  durch 
Karawanen  vermittelter,  gewesen  sei,  da  die  zwischen  diesen  beiden  Ländern  liegen- 
den, vielleicht  einen  Tauschhandel  von  Stamm  zu  Stamm  vermittelnden  Völker- 
schaften das  Wort  nicht  aufnahmen;  3)  (unter  der  Voraussetzung,  der  Bernstein 
habe  die  Grundlage  jenes  Verkehrs  abgegeben)  dass  die  Preussen  und  Littauer 
damals  schon  in  unmittelbarer  Nähe  der  Hauptbernsteinküste  wohnten.  Allein  mit 
den  ersten  beiden  Folgerungen  stimmen,  wie  ich  schon  a.  a.  0  S.  284 — 285  her- 
vorhob, die  Fundverhältnisse  schlecht  überein;  die  Tragweite  jener  Sprachgleichung 
bedarf  daher  noch  einer  genaueren  Prüfung. 

Schrader  sagt  S.  254  ff.  (mit  Weglassung  des  für  uns  Unwesentlichen):  Der 
Name  des  Goldes  ist  im  Lateinischen  aurum,  im  Sabinischen  ausum,  was  auf 
eine  italische  Stammform  auso-  schliessen  lässt.  Dieselbe  bezeichnete  ursprünglich 
das  „Leuchtende",  „Gelbe",  dann  das  „Gold".    Die  älteste  Entlehnung  des  lateini- 


(312) 

hen  aunun  hat  Tielleicht  id  die  baltischen  Wörter  preussigch  aasis,  littaniacl 
iksBS  Btattge runden.  Es  wäre  (aber)  auch  möglich,  dass  die  baltischen  Sprachen  eii 
im  lateinischen  auso-  cntsprochendea,  diesem  orrerwandtes  Wort  in  der  Bodcatnnj 
Buchtend",  „gelb"  besaasen  and  dieses  zur  Bezeichnung  des  Goldes,  als  es  ihnci 
ikannt  wurde,  selbständig  verwertheten."  —  Eine  solche  Urverwandtschaft  wQni< 
ler  ganz  dem  enlspnichen,  was  Hr.  Minden  in  der  Discussion  zu  meinem  Vor 
Ige  S,  29!)  geltend  machte:  denn  obgleich  der  Stamm  auso-  sich  in  keine 
idercn  Sprache  findet,  auch  nicht  (wenigstens  jetzt  nicht  mehr)  in  dem  ebonfall 
ir  baltischen  Sprachgruppe  gehörigen  Lettischen,  so  lässt  sich  doch  diese 
!hlen  wohl  durch  ein  Verschwinden  der  ursprünglich  allgemein  indogerniani 
hen  Wurzel  in  allen  anderen  Sprachen  erklären  (man  vergl.  Schrader  8.  IflS  ff. 
crlust  alten  Sprachguis).  Wir  werden  daher  auf  das  scheinbare  und  ganz  isolirb 
^ugnisB  jener  Sprachgleichung  Tür  einen  rrtlhzeitigcn  direkten  Verkehr  zwischei 
&lien  und  Preussen  kein  grosses  Gewicht  legen  dürTen.  —  Was  aber  den  Sit 
>r  alten  Preussen  und  Littancr  zn  jener  Zeit  anlangt,  so  sei  Folgendes  bemerkt 
chrader  hebt  S.  257  hervor,  dass  innerhalb  des  Kreises  der  indogermaniachei 
>racheinheit  nach  der  gewöhnlichen  Ansicht  die  litu-slavisch-germanisehcn  Volke 
irch  ein  engeres  Band  der  Verwandtschaft  mit  einander  Terbunden  sind,  nn< 
hrt  dann  fort:  „Das  Qold  wird  bei  Slavcn  und  Germanen  übereinstimmend  be 
mnt:  gothiach  gulp  entspricht  dem  durch  alle  Sluvinen  sich  ziehenden  altslavi 
hen  zlato.  Da  der  littanisch-preusaische  Name  des  Goldes  hiervon  abweichl 
I  scheint  zu  der  rerhältnissmässig  sehr  frühen  Zeit,  in  welcher  sich  auf  den 
irmanisch-sla  vi  sehen  Sprachgebiet  ein  von  der  Wurzel  ghel  gebildetes  Adjectivun 
[clb"  in  der  Bedeutung  „Gold"  festsetzte,  der  baltische  Volkerzwcig  schoi 
jseits  gewohnt  zu  haben.  Die  Letten  mögen  früher  ein  dem  littanischei 
dtflas  entsprechendes  Wort  besessen  und  es  später  gegen  das  sla  vis  che  zelts  ein 
{tauscht  haben".  Näher  bezeichnet  wird  also  hier  der  Wohnsitz  der  Preussci 
id  Littauer  nicht;  anders  bei  UüUonhoff,  welcher  U  S.  II  unter  den  Acsticrn* 
;s  Tacitus  (Germania  Cap.  45)   den   „uns  in   drei  Uauptabtbcilnngen  bekannten 

sich  aber  seinem  Ursprünge  nach  einheitlichen  Sprach-  und  Volksstamm  de 
ten  Preussen,  Littauer  und  Letten''  versteht,  obgleich,  wie  S.  30—34  ausgefuhr 
ird,  Tacilus  selbst  die  Aestier  zu  den  Germanen  rechnete.  Nach  S.  )2  abe 
aren  die  Aestier  „keineswegs  auf  die  samländische  Bemstcinküste  beschrankt" 
ihmcn  vielmehr  „am  rechten  Dfer  des  sucbischen  Meeres"  eine  grössere  Strecki 
n  und  sassen  auch  noch  zar  Zeit  Theoilorichs  des  Grossen  im  6.  Jahr 
indert  unter  dem  Namen  Acsti  oder  Haesti  auf  dereclbcn  Stelle  am  Ocean,  nehm 
•M  nach  Gaaaiodor  (bei  Jordanes  C.  5,  IT,  33)  auf  einer  langen  Uferstreeke  öatlicl 
ir  Weichselmllndungen  (vcrgl.  S.  14).  Auch  Einhart  (f  840)  kennt  noch,  nach 
;m  mittlerweile    die  Slaven    sich  zwischen  Weichsel   und  Elbe  festgesetzt  hatten 

seiner  vita  Caroli  Magni  C.  1'2  südlich  von  der  Ostsee  neben  den  Sciavi  di< 
isti  und  sogar  Aclfred  derGrosse  von  England  spricht  noch  Ende  des  9.  Jahr 
inderts  von  den  dortigen  Esten  [im  Bericht  Vulfstans  über  dessen  Reise  voi 
eathum  oder  Ilaithaby  (Schleswig)  nach  Truso  (am  Drausensee),  welchen  Ael 
ed  in  die  einleitende  Beschreibung  Europas  zn  seiner  angelsächsischen  Ucbcr 
tznng  und  Bearbeitung  der  Historien  des  Paulus  Orosins  (aus  dem  Anfang  de 

1)  Der  Name  Aestji  =  Aistjus  oder  gothisch  Aist^is  soll  mit  dem  gothischen  aistan  - 
icbsch&tien,  verehren,  tuBunmcnhängeii  und  sich  auf  den  epiter  mcfarTach  ansdrürklich  be 
ngten  frit^df artigen  CharoVter  des  Volkes  beliehen  (S.  13  und  30;.  Diese  ErkUrnnt 
iift«  indew  den  philologiaeben  Laien  wenig  befriedigen. 


(313) 

5.  Jahrhunderts  nach  Chr.)  aufnahm;  siehe:  The  anglo-saxon  version  from  the 
Historian  Orosios.  ßy  Aelfred  the  Great.  Together  with  an  english  translation 
from  the  Anglo-Saxon.  London  1773.  Buch  I,  Cap.  1,  p.  16—17  der  englischen 
Uebersetzung.  —  The  discovery  of  Muscovy,  London  1889  (aus  CasselTs  National 
Library)  p.  180  ff.].  —  997  kam  dann  Adalbert  von  Prag  nach  derselben  Gegend, 
die  ,,Pruzzi"  zu  bekehren.  „Hatte  die  Bevölkerung  inzwischen  nicht  gewechselt, 
müssen  die  Pruzzi  die  Esten  des  Vulfstan  und  mindestens  ein  Theil  der  Aestii 
des  Tacitus  sein."  Der  Name  Pruzzi  ist  ohne  Zweifel  slavischer  Herkunft,  um- 
fasste  anfänglich  wohl  die  sämmtlichen  Völker  der  baltischen  Sprachgruppe,  später 
aber  „wie  der  Eistenname  in  fast  allen  Zeugnissen  seit  Tacitus"  vorzugsweise  nur 
den  westlichsten  Theil  derselben.  —  Nach  S.  15 — 16  endlich  wäre  es  wahrscheinlich, 
dass  die  Aestier  einst  bis  zum  finnischen  Meerbusen  gesessen  hätten;  daher  die, 
seit  dem  9.  oder  10.  Jahrhundert  nachweisbare  Uebertragung  des  Namens  Esten 
auf  den  später  dort  angesiedelten  finnischen  Stamm,  der  die  Aestier  verdrängte; 
die  Uebertragung  wäre  von  den  Scandinaviem  *)  bewerkstelligt,  welche  das  Land 
fortdauernd  nach  den  ursprünglich  dort  von  ihnen  vorgefundenen  Bewohnern  Eist- 
land  nannten. 

Dass  die  Aestier  nahe  der  Weichsel  nach  Osten  sassen,  scheint  eine  Stütze  zu 
finden  in  der  Litthauischen  Bezeichnung  des  frischen  Haffs  =  aismares  (nach 
Nessel  mann,  Wörterbuch  der  litthauischen  Sprache),  auf  die  mich  Herr  Prof. 
Joh.  Schmidt  hinweist.  Indess  lassen  sich  die  vorstehend  entwickelten  Ansichten 
Müllenhoff^s  nur  zum  Theil  vereinigen  mit  den  Ergebnissen  der  Ausgrabungen 
Tischler's,  welcher  nach  Untersuchung  des  Gräberfeldes  von  Oberhof  bei 
Memel  in  den  Phys.  ök.  Abhandl.  1890  S.  99  sich  folgendermaassen  aussprach: 
„Ein  ganz  neues  Gebiet,  ja  fast  eine  neue  Welt  beginnt  an  und  hinter  der  Memel, 
ein  archäologischer  Bezirk,  den  man  nach  den  russischen  Ostseeprovinzen,  be- 
sonders aber  nach  dem  Gouvernement  Kowno,  weiter  verfolgen  kann.  Der  Ab- 
schnitt an  der  Memel  scheint  fast  eine  grössere  Bedeutung  als  Stammes- 
grenze zu  haben;  so  gross  ist  die  Verschiedenheit  gegen  die  südlichen 
Regionen.  Möglicherweise  war  hier  die  Scheide  zwischen  germani- 
schen und  nichtgermanischen  Nationen.  Auffallend  ist  jedenfalls  auch  die 
Thatsache,  dass  hier  schon  im  3.  Jahrhundert  Formen  auftreten,  z.  B.  die  Ketten- 
gehänge mit  durchbrochenen  End-  und  Mittelstücken,  die  Spiralringe,  wie  wir  sie 
später  vom  9. — 13.  Jahrhundert  bei  den  preussischen,  —  dann  letto-litthauischen 
und  livischen  Völkern  wiederfinden,  Doch  ist  dies  vorläufig  nur  eine  Hypothese, 
die  erst  sicherer  zu  behandeln  wäre,  wenn  man  die  archäologischen  Verhält- 
nisse Polens  besser  kennte." 

Nach  alle  dem  bleibt  die  Frage  noch  offen,  ob  unter  den  an  der  Bemstein- 
küste  gesessenen  Aestiem  mit  Müllen  ho  ff  die  baltischen  Völker  Preussen,  Littauer 
und  Letten,  oder  mit  Tacitus  Germanen  zu  verstehen  sind. 

c)  Zur  Chronologie  des  preussischen  Bernsteinhandels.  Dass  unter 
den,  wenn  auch  nicht  reichlich,  in  Ostpreussen  gefundenen  alten  Bronzen  (vergl. 
S.  300)  £Etich  solche  vorkommen,  die  nach  dem  Süden  weisen,  zeigt,  dass  schon 
frühzeitig  gewisse  Verbindungen  hier  bestanden;  dass  dieselben  aber  keine  leb- 
haften waren,  wurde  schon  in  diesen  Verh.  1890,  S.  284 — 285  erläutert  Für  uns 
bleibt  hier  immer  das  Wichtigste  der  Antheil  des  Bernsteins  an  dem  Verkehr. 


1)  Von  den  Scandinaviem  nahmen  dann  vielleicht  auch  die  Finnen  der  Ostsee  ihre 
Bezeichnung  des  Goldes  an  (vergl.  Schrader  S.  257—258),  da  sie  von  den  südlichen 
Germanen  doch  wohl  durch  die  baltischen  Völker  getrennt  waren. 


(S14) 

Wie  schon  Ron^cmont  p.  132  herrorhub,  macht  Hcrodot  i 
indentung  anf  Prenssen;  die  Art,  wie  er  III,  115  Rcrnstcin  uod 
spricht,  gestattet  viel  eher  den  Schluss,  daas  er  beide  a)a  a 
Iben  Gegend  herkommend  ansah;  und  diese  Gegeod  darf  man 
chen,  denn  Herodot  spricht  an  der  betreffenden  Steile  ganz  i 
n  Abend  (also  Westen)  und  Norden;  beides  war  ihm  hier 
hralich  die  Küste  Europas.  —   Dies  war  im  5.  Johrhnndcrt;   b 

Jahrhunderts  über  reichen  auch  die  Goldspiruten  II O  herab,  d 
wiesen,  im  Westboltieum  rnnsscnhaft  vorkommen,  im  Ostbaltici 
lilen.  Also  würden  wir  den  Beginn  eines  lebhafteren  Handel 
ch  dem  Mitteimcerc  schon  hiernach  kcinenfalls  höher  als  am'a  i 
naufrückcn  dürren.  Man  hat  nun  für  die  Jahrhunderte  von  da 
ihnlich  die  Münzen  als  Beweismittel  herangezogen,  so  Heibig, 
anthe,  Lisanucr  und  Andere.  Aber  ich  zeigte  in  diesen  Verl 
3,  wie  völlig  bedeutungslos  dieselben  fdr  die  vorliegende  Pr 
ihl  der  gut  beglaubigten  Funde  eine  verschwindend  kleine  ist. 
Dthe,  im  Gegensatz  zu  Rougemonl  p.  132,  richtig  bemerkt, 
indel  auch  nach  Preusscn  hin  unzweifelhalt  ein  Tanschhand 
nc  Münzen  bchalf,  so  fehlt  es  doch  für  diese  Zeit  auch  an  gen 
indstäcken  in  Ogtpreugseu,  welche  als  hinreichendes  Aeijuivali 
ch  dem  Süden  ausgeführte  Bemstcinmengen  gelten  könnten,  zi 
dere  Artikel  an  dem  Export  betheiligt  waren,  so  vielleicht  I 
tch  unseren  Ansnihrungcn  S.  311—31^  können  wir  ferner  aach  di 
jichnng  anrum  —  ausis  =  aukaas  beruhende  Annahme  von  dircl 
'Ischen  Ostpreussen  und  Italien  schon  vor  der  Mitte  des  3.  J 
ch  Schrader  a.  a.  0.  8.  254—255  schon  Ende  des  4.  Jahrhi 
;ht  mehr  aufrecht  erhalten  und  es  sind  daher  in  unserem  frühe 
ndlungen  1890,  die  Worte  S.  287:  „obgleich  zu  seiner  (Plin 
1  Handel  vom  Samland  nach  dem  Süden  stattfand"  in  dieser 
anstanden,  gerade  sU,  wie  die  Beweisfahrung  Helbig's,  Com 
oppani's  p.  173.  —  Die  Glanzperiode  der  ostpreussischen  Urz 
h  in's  1.-4.  oder  5.  Jahrhundert  nach  Chr.  nnd  erst  für  si 
rnstein  einen  grösseren  Antheil  am  Verkehr  znsebrciben  dil 
dützt  Tischler,  Phys-  ök.  Berichte  1889,  11  und  Abhandl.  18J 
^mlieh   gering,   aber   meines  Erachtens  ist  doch  diese  Blüthe  0 

Zusammenhang  zu  bringen  mit  der  von  Hclbig  feslgestelltej 
use  gerade  in  der  römischen  Kaiserzeit  noQ  in  Mode  gekomme 
s  Bernsteins  in  den  klassischen  Ländern  (siehe  oben  Cap.  2  [ 
3ngen  in  dieser  Zeit  nach  dem  Süden  eingeführten  Bernsteins  t 
he  Gegenwerthe,  namentlich  wohl  Melallbarren,  nach  dem  No 
m  aber  zu  Tacitus'  Zeit,  etwa  100  nach  Chr.,  für  den  Bei 
ch  Prenssen  in  Betracht;  freilich,  seine  Worte  Cap.  45:  „{A 
li  omnium  (Germanorum)  succinam  in  ipso  litore  legunt"  bcsiigi 
iff  II,  31  mit  Recht  hervorhebt,  keineswegs,  dass  nor  die  Aesb 

ihrer  Küste  besassen'),  vielmehr,  dass  sie  allein  sieh  mit  de 

1}  MüllenhoTf  nimmt  hier  &n,  dass  auch  Tacitus,  wie  hon 
ch  von  der  alten  Hcmsteinküste  im  Westen  gewusst  habe;  besser  > 
diesen  Verhandlungen  16W,  287,  wühl  gesagt;  Tacitus  „nennt  nur' 

msteinküsle,  statt  „kennt  nnr'. 


(315) 

desselben  befassten,  aber  es  folgt  docb  hieraus  immer,  dass  jeder  andere  Fundort 
für  den  Handel  nichts  mehr  bedeutete. 

Nach  Tacitus,  Oermania  45  und  nach  Dio  Chrysostoraos  Coccejus 
Or.  79  (um  100  nach  Chr.)  hatten  die  Aestier  an  der  preussischen  Bemsteinküste 
erst  ganz  neuerdings  den  Werth  des  Bernsteins  kennen  gelernt,  was  allerdings 
nach  Hei  big,  Commercio  p.  20 — 21,  wohl  nichts  anderes  heissen  kann,  als  dass 
durch  die  angebahnten  lebhafteren  Verbindungen  mit  dem  Süden  erst  kürzlich 
eine  plötzliche  Preissteigerung  eingetreten  war.  Denn  man  wird  zugeben  können, 
dass  der  samländische  Handel  allmählich  eingeleitet  wurde  und  den  cimbrischcn 
▼erdrängte,  einen  grossen  Aufschwung  aber  offenbar  erst  nach  Christus  nahm,  und 
dies  letztere  könnte  wohl  mit  dem  unter  Nero,  etwa  60  nach  Chr ,  wie  es  scheint, 
einmal  in's  Werk  gesetzten  direkten  Karawanenverkehr  zasammenhängen.  Ob 
freilich  die  Reise  des  römischen  Ritters  unter  Nero  wirklich  nach  dem  Samlande 
ging,  ist  aus  Plinius  (37,  45),  dem  wir  die  Nachricht  darüber  verdanken,  nicht 
zu  entnehmen;  jedenfalls  hatte  letzterer  davon  gar  keine  klare  Vorstellung  (in 
diesen  Verhandl.  1890,  287;  Müllenhoff  A.  I,  215).  Wenn  MüUenhoff  trotz- 
dem sich  Hir  das  Samland  entschied,  so  kann  man  ihm  wohl  beistimmen.  Aber 
wenn  auch  der  Ritter  schon  bei  seiner  Abreise  von  der  Theilung  des  Weges, 
etwa  im  nördlichen  Böhmen,  wusste,  so  blieb  doch  jedenfalls  Plinius  der  wahre 
Sachverhalt  noch  verborgen,  und  man  muss  daher  annehmen,  dass  nicht  blos  die 
Entfernung  der  Bemsteinküste  von  Camuntum,  wie  er  sagt,  erst  neuerdings 
genauer  bekannt  geworden,  sondern  auch  die  Kenntniss  ihrer  Lage  im  Allgemeinen 
noch  nicht  einmal  Gemeingut  war.  —  Tacitus  dagegen,  einige  20  Jahre  später, 
spricht  nur  von  dieser  neuen  Bemsteinküste;  überhaupt  ist  seine  Kenntniss  des 
Nordens  und  Nordostens  erheblich  grösser,  als  die  des  Plinius,  vielleicht  gerade 
in  Folge  des  Bemsteinhandels  (Müllenhoff,  A.  11,  S.  3 — 4),  der  freilich  nicht 
immer  ein  direkter  gewesen  zu  sein  braucht,  sondem  sich  zum  Austausch  der 
Producte   der  Vermittelung  an   der   Donau   sitzender   deutscher  Stämme   bedient 

haben  kann')-  — 

5.   Die  Goldfunde. 

a)  Zur  Chronologie  der  goldenen  Schalen,  Eid-  und  Spiralringe.  In 
meiner  Arbeit  über  Spiralringe,  in  diesen  Verhandl.  1886,  433  «f.  u.  639;  1887,  605 
habe  ich  gezeigt,  dass  die  goldenen  Noppenringe  zum  Theil  den  ältesten  Gräbern 
der  Bronzezeit  in  Mitteleuropa  angehören,  die  verwandten  Spiralen  II  G  aber,  welche 
uns  hier  hauptsächlich  beschäftigen,  in  sehr  früher  Zeit  beginnend,  bis  in  den 
Anfong  der  Tenezeit  hinabreichen,  d.  h.  nach  der  allgemeinen  Annahme  etwa  bis 
400  vor  Chr.  Diese  lange  Lebensdauer  der  Spiralen  II G  macht  sie  leider  zu 
genauerer  Zeitbestimmung  untauglich;  wenn  ich  daher  in  diesen  Verhandl.  1890, 
S.  283  284  sagte,  dass  die  Goldgefässe  und  Eidringe  „im  Allgemeinen  etwas 
jünger^  seien,  so  meinte  das  eben  nur,  dass  wir  für  diese  beiden  Objectgattungen 
ein  hohes  Alter  nur  äusserst  selten,  meist  dagegen  eine  späte  Zeitstellung  nach- 
weisen oder  vermuthen  können. 

Montelius  hat  nun  neuerdings  gezeigt,  dass  die  getriebenen  Goldgefässe,  die 
er  im  Allgemeinen  seiner  Periode  4—5  zuweist,  zum  Theil  ein  wesentlich  höheres 


1)  Die  östlich  von  Oesterreich-Ungam  und  Deutschland,  durch  Russland,  möglicher- 
weise nach  Preussen  benutzten  Wege  des  Handels  sind  in  dieser  Besprechung  unberück- 
sichtigt gelassen,  da  ich  ausser  Stande  bin,  die  vorliegenden  Angaben  zu  sammeln  und 
auf  ihren  Werth  zu  prüfen.  Diese  Wege  dürften  auch  für  die  europäische  Cultur- 
entwickelung  in  alter  Zeit  einen  nachweisbaren  Einfluss  nicht  gehabt  haben. 


(316) 

Älter  haben  (Stockholmer  Hänadsblad  1989,  137  ff-,  auBgegeben  im  Odober  1 
die  Schale  *on  Gönnebeck  in  Holatein  und  das  Gcfäss  von  Scbiffcrstadt  sei 
an's  Ende  der  Periode  II;  rur  die  das  letztere  begleitenden  Bronzcmeiasel 
bei  dieser  Gelegenheit  die  Form  näher  bezeichnet  als  Absatzcelte,  die  etwa  gl 
alterig  mit  Antiq.  Sned.  117.  Dag  SchifTerstadter  Stück  aber  nimmt  durch 
sonderbare  Form,  die  ihm  die  Bezeichnung  „Hut"  eintrug,  eine  eigene  8te 
ein,  und  in  Bezug  auf  die  Schale  von  Gönaebcck  betonte  ich  S.  293,  daas  sie  c 
ihre  Stohflächc  und  die  Art  der  Ornamentik  von  den  meinten  anderen  Schalei 
weicht;  dazu  entstammt  sie  einem  der,  namentlich  jenseits  der  Elbe,  relat 
seltenen  Grabfunde;  in  Honleliua'  Per.  IT — III  wird  man  sie  allerdings  s 
mtlsseu.  Will  man  daher  f(ir  dieses  Stück  eine  südöstliche  Herkuntl  anneh 
so  wäre  dajfegen  nichts  einzuwenden.  Freilich  bleibt  hier  noch  manches  du 
deim  die  Ornamentik  der  Gönnebecker  Schale  stimmt  gut  mit  der  zweier  Bi 
von  Boeslunde  auf  Seeland  (Madsen  Bronceald.  II T-  28,  2  and  Congres  Copenh 
T.  21,  2),  und  doch  sind  letztere  unmittelbar  zusammen  gefunden  mit  den  Sc 
gefäsaen  (ebenda  Fig.  1),  deren  Ornamentik  nichts  Absonderliches  zeigt. 

Das  vonToas  in  der  DiscosBion  zu  meinem  Vortrage  bekannt  gegebene  G 
von  Werder  a.  d.  Havel  (K.  Mus.  f.  Völkerkaade  I  f.  3530),  welches  der 
liehen  Lage  seines  Fundortes  nach  so  isolirt  dasteht,  zeigt  auch  wieder  in  E 
auf  seine  Ornamentik  eine  Abweichung  von  allen  anderen  bekannten  Geli 
durch  die  Vogelgestalten.  Die  zugehörigen  Spinüannbänder,  3533  a  ni 
bestehen  aus  einfachem  Draht  in  8—9  Umläufen,  dessen  Enden  zu  äusserst  kli 
Vointcn  umgebogen  worden;  die  massiven  Armringe  3&31  und  3bd2  sind 
ähnlich  Lindensehmit,  Beidn.  Vorzeit  I  5,  T.  4,  6  Ton  Lettnin'),  Kr.  F 
in  Pommern  (also  nicht  Kyritz  in  Brandenburg!),  Stettiner  Hus.  Nr.  4'6G,  i 
einem  Stein  gefunden;  nur  die  Ornamente,  die  auch  bei  beiden  Stücken  unter 
nicht  ganz  gleich,  sind  etwas  abweichend.  Aehnliche  goldene  Armringe  hat 
in  Ungarn,  Hampel,  Bronzezeit,  Budapest  1887,  T.  47,  2,  3,  4  ans  dem  S< 
von  Acsäd,  diese  aber  innen  mit  stark  vortretenden  Rippen,  während  jene 
schwach  convex  sind.  Die  verwandten  nordischen  Ringe  mit  gespaltenen  E 
(Worsaae  Nord.  Olds.  253,  Hadscn,  Bronceald.  I  T.  35,  I,  2)  finden  sich 
Sophus  Hüller,  Perioden  der  Bronzezeit,  Jena  1878,  S.  52  Note  3  vorwic 
im  östlichen  Dänemark  und  gehören  nach  Montelius  in  Periode  III.  AH  d 
pusst  got  zu  einer  östlichen  Provenienz  des  Fundes  von  Werder  und  man 
wohl  sagen  müssen:  die  Goldgefasse  kamen  meist  im  Westen  herauf  nach 
Norden  und  gehörten  der  Periode  IV— V  an;  einige  sind  aber  älter  and  v 
scheinlich  ans  Südosten  gekommen.  — 

DasB  die  Eidringe  mit  den  Doppeldrahtspiraloa  zum  Theil  glcichalt 
sind,  beweisen  die  Funde  von  Tegignard  in  Jütland  und  Hunestad  in  Schwt 
welche  Spiralen  und  Eüdrjnge  gemeinsam  enthielten.  Funde  von  Eidringen  am 
zweifelhaft  älterer  Bronzezeit  sind  nicht  bekannt. 

BczUglich  der  Spiralen  II  G  sei  bemerkt,  dass  meine  Angabe  in  den  1 
1890,  279,  wonach  dieselben  nach  Periode  3  und  in  BrondgräbeTn  verschwii 
nur  für  Amrum  gilt;  denn  in  meiner  früheren  Zusammenstellung  habe  ich  P 
genug  aus  Brandgrübem  und  spaterer  Zeit  aufgeführt.  —  Han  könnte  geneigt 

1)  Halt  Studien  8,  3,  2üT  werden  Ringi-  mehrerer,  unter  sich  sehr  TetBcbi«ilener  Po 
als  Analoga  heraogciogrn,  von  dnnen  jedoch  nur  Friderica-Francisceum  T-  83,  1  mi 
spaltenen,  in  SpiralschelbeD   aufgerollten  Enden  mit  dem  LeUain«r  in  vergleichen  ' 


Fehlen  der  goldenen  Spiralringe 
zirlen  Gebiet  links  der  Weser-Allci 
{;e  eben  ihre  Heimath  im  Südosten 
en  Verkehrsat rasse  andere  Tauachn 
sae  gernndcnen  Spiralen  II  G  (z 
h.  1886,  451  und  457)  wären  dan 
hten,  um  so  mehr  als  die  einziger 
alcn  (Verh.  1886,  459)  deutlich  vo 
Id  Sachen  wenigstens,  und  namentli 
verdient  aber  das  Gold,  rein  als 
den,  eine  grössere  Reachtong,  als 
ebt,  wenn  man  die  Zeit  seines  & 
Dr  vergleicht.  In  dieser  Ueziehnn; 
b)  das  erste  Auftreten  des  ( 
in  Mitteleuropa,  sowie  auf  nmiere 
vicn  Gold  schon  reichlich  in  der 
ien  zur  Bronzezeit  noch  un 
eich  eingeführt  worden  zu  sein  ( 
),  p.  820  Note  2;  Heibig,  Italiker 
ize-  und  die  iilteste  Giscnzeit  eii 
apcst  p.  319).  Uebcr  das  Gold  i] 
folgende  Angaben:  Gozzadini  bei 
chu  uns  unberührt  tJbcrhommcn  st 
;n  Metallen,  die  Habsucht  dei 
igna  1877,  p.  88).  Zannoni  mach 
en  grossen  Gräborfcldern  westlich 
,  Bologna  187«— 84).  Hier  fanden 
ten  Feldes  (Benacci)  i  Fibeln  i 
liehen  (jüngeren)  Theil  desselben 
in  (die  Angabe,  p.  152,  ist  nichl 
iint  einem  Grabe  am  Arsenal  (od 
auf  die  jüngeren  Benaccigrüber  fo 
Prachtfibel,  alles  phönicischeri 
155;  Brizio,  Honumenti  p.  216  i 
dem  Felde  Amoaldi,  der  Schlass 
t,  traf  man  goldene  Fibeln  (Gozzi 
irichten  über  Gold  aus  dieser  Zei 
i  auf  den  Orient  ^  Zu  Golascct 
in  f  iligranarbeit,  der  aber  jeden 
L,  weit  hinanf  reichenden  Grüberfel 
in  jElngerer  Zeit  wird  das  Gold  in 
der  Certosa  bei  Bologna  an  Sco' 
che  Fig.  10;  p.  345  ein  mit  einem 
fibein  T.  117,  4,  4  (Certosatypns)  i 
Gold  plattirte  Silber-  und  Brons« 
Iringehen,  Index  p.  474. 
c)  Gold  ia  der  Schweiz.  A.  Ir 
i  der  Steinzeit,  theils  der  reinec 
nn  der  Nekropoleii  Uberitaliens,  a 
t  sich  Qold  selten,  und  die  wenig) 


(318) 

mit  den  Qoldsachen  des  Nordena  erken 
auf  einen  sämmtlich  aas  der  Westech 
ciee,  gerippte,  zu  Röhrenperlen  gebogen' 
1885,  IT5  and  PI.  13,  I;  Hanro,  p.  1 
[anro  wesentlich  Steinzeit),  Drahte, 
IC  sehr  kleine  „Rosette",  ebenda  Fi 
16,  5  nnd  5a.  —  Auvernier,  Spiralen 
:hem,  aber  z.  Th,  aas  gedrehtem  Drahi 
lyer,  Ohrring,  Ber.  VIII  T.  4,  a7,  Mun 
V,  S.  175.  —  Die  angeblichen   Goldgeg 

18,  li)  sind,  wie  ich  vermnthete  and 
>ld,  sondern  aus  Bronze  and  Zinn.  — 
(Montellier),   Fingerring   aas   Blech, 

FrotohelT.  T.  20,  16;  ferner  „ein  kleir 
i1.  Heierli  erwähnt  „Wollishofen"  8. 
e  Fingerringe. 

Uiirigen),  gerippte  Lamellen,  Protohe! 
B  gedrehtem  Draht,  Der.  VII  T.  8,  17,  I 
eh,  Ber.  VU  T.  9,  18  (Heierli  spricht 
m);  ein  Ringlein  des  Bemer  Hosenms 
)Ui8horen  (siehe  anten),  Ber.  IX,  S.  53 
22—23  eine  kleine  Drabtspirale  and 
pten  Blechs,  vielleicht  Ber.  n,  T.  2,  106 

und  Hörigen  gleichend.  —  Von  der  , 

Ber.  V  T.  16,  la.  Manro  erwähnt  | 
japins,  aber  nicht  aas  einem  Ffahlbaa 
sei  römische  Sachen  auch  sonst  vorkami 
ler  kleinen  Insel. 

ta,  ein  Ringletn  aas  einfachem  Draht 
1,  S.  22.  —  Hier  sei  angeschlossen: 
jen:   einige  Stückchen  gewandencn  Dra 
)22-23. 

;tes  p.  T8,  sogt,  Gold  sei  relativ  häuRg  i 
it,  so  darf  man  nicht  vergessen,  dass  Gr 
en  überhaupt  bisher  noch  selten  sind, 
zerische  vorromischc  Grabfunde  namhaf 
1  jung  sind.  Ich  ordne  den  Cantonen  u 
kiter  nach. 

ironzene  Pauken-  oder  Armbrustpaukenfibi 
ÜB  mit  Gold  plattirt;  Bonstetten,  Su 
a  ins  5.  Jahrh.  zu  setzen  (vergl.  Beiträge 
I). 

angen  a.Äare,  ein  Goldblatt  mit  lät 
:  eines  grösseren  Blechs,  wohl,  wenngl 
rabc  mit  Schwertern,  Sicheln,  Ärmspai 
■m;  gef  Hitth.  des  Hrn.  v.  Fellenbcrg. 
L'n  TCrsehietlener  Grösse  aus  Gotdbledi 
rringe  aas  Rühren  von  Goldblech,  Boi 
mit  der  gerippten  Oiste  T.  15  I  u.  16  1, 
lUB  einem  Grabe,  also  vom  Knde  d<>r 


(319) 

r  Anfang  der  Tenezeit.   Die  angebliche  Zngehitrigkeit  des  Feuerstahle  T.  13,  10 

mir  verdächtig  und  Hr.  Dr.  von  Pcllenberg  tbeilt  jetzt  meine  Ansicht  wegen 

verschiedenartigen  Rostes  dieses  StUckes.  —  Allenlurten  bei  Gümmenen, 
tlich  von  Bern,  Goldbleche,  Mitth.  d.  antiqnar,  Ges.  Zürich  XVII  T.  1,  1,  2  mit 
telbeschläg,  das  an  Hdlstättcr  erinnert  and  durch  aeine  Ripptmg  aa  die  Giaten, 
r  anch  mit  Früh lateneB bei n.  —  Murzelen,  der  schon  S.  303  erwähnte  Ohr- 
g,  Bonstetten,  Recueil  PI.  6,  8.    Qrossholz  ob  Ins  (Anet),   zwischen  Bieler- 

Murtensee:  Bleche,  Perlen  aas  Blech,  alles  verziert;  Bonstetten,  Snppl.  I 
14,  3—8  aus  einem  Grabe;  Drahtkette,  Perle  ans  Blech,  Ohrring  aoa 
chröhre  ans  anderen  Gräbern,  ebenda  Fig.  9—12  (Latenczeit).  —  Kirch- 
rnen  bei  Thnn,  Fingerring  Recueil  Suppl.  1  Taf.  G,  12  zu  p.  13,   zusammen 

dem  silbernen  Ring  T.  6,  11  und  dem  gläsernen  Armreif  T.  5,  21  gefunden 
einem  (Skelet-?)  Grabe   in  einer  Kiesgrube.  —  Der  Goldring  von  Schalunen 

Pruubrunnen,   Archiv  des   hialor.  Vereins  d  Kts.  Bern  VI  (1867)  S.  297-303 

Tufel,  ist  ausgeplIUgter  Einzelfand,  hier  also  nicht  mitzurechnen,  Übrigens  von 

Form  Lindenachmit,  Heidn.  Vorzeit  II  5  T.  3,  6. 

Ct.  Baselland,  Binningen,  Goldblech-Beschlag  der  bronzenen  Scheide 
IS  Bi-onzemessers;  Bonstetten,  Suppl.  II  T.  3,  2  und  1;  im  Bemer  Antiqua- 
n.  „Erdfand,  ohne  Spur  von  Knochen",  wird  aber  meist  als  Grabfund  auf- 
iBBt,  80  von  ündsct,  Weatd  Zeitschrift  V  S.  9  und  von  Tischler  ebenda 
80;  Hr.  v.  Fellenberg  bemerkt  mir,  dass  von  den  3  Stücken,  in  die  das 
ser  zerbrochen  war,  eines  schön  patinirt  sei,  während  die  anderen  ohne  Patina, 

das  Anaaehen  der  Pfahl bautenbronzen  hätten,  über  sehr  brüchig  seien.  Mittlere 
iizezeit  oder  gemischter  Fund  nach  Undset,  locale  Gruppe  der  mittleren  oder 
[cren  Bronzezeit  nach  Tischler. 

Ct.  Aargau,  Unter-Lunkhofen  a.  d.  Reuss:  verschiebbare  goldene  Schliess- 
ichtangen    an  ailberncn  Armringen  neben  FrQhlateneßbeln  und  Bernsteinringen 

einem  Brandgrabe;  Archaeologia  Vol.  47,  London  1882,  p.  131 — 34  mit  Taf  ü, 
lind  gef.  Hitth.  dea  Hm.  J.  Heierli,  Zürich. 

Ct.  Zürich,  Burghölzti  bei  Zürich:  biet feder weite  Spirale  Ilo^  G;  ZUrcher 
q.  Mitth.  I  S.  4  und  T.  2,  8;    diese  Vcrh.  1886,    S.  457;    Anzeiger  1889,    8.  145 

190;  lö90,  S.  290.  -  Borgen:  nach  Zürcher  Mitth.  III  Abth.  2,  S.  !l— 13  u. 

I,  sowie  der  Berichti^ng  hierzu  Anzeiger  1887,  S.  393:  2  goldene  Fingerringe 
ith.  Fig.  E  und  F  +  Q),  ein  silberner  (Fig.  K),  eine  silberne  Mittel  late  neu  bei 
'.  J)  and  eine  Goldmünze  etwa  von  300  vor  Chr.  (Nachbildung  eines  Phi- 
u<).  - 

Von  den  angeführten  Goldsachen  erinnci-t  der  Binninger  Üeschlag  durch  seine 
amente  an  die  Goldgelasse,  während  die  Sachen  von  Grauholz,  Allenlüften  und 
andere  Muster  zeigen.  — 

(19}   Hr.  Müschner  spricht  über  die 

Wenden  der  NiederlaoBitz. 

(Hierzu  Taf.  II ) 

Lange  schon  sehnte  ich  mich  danach,  der  Gesellschaft  einen  möglichst  toII- 
digen  Ueberblick  über  die  heutigen- Wenden  der  Niederlaasitz  zu  geben.  Durch 
freundliche  Entgegenkommen  des  Hofphotograpben  llrn  A.  Schwartz,  der  mit 

Apparat  in  der  Hand  seit  mehr  als  30  Jahren  Deutschlands  landschaftliche, 
hichtliche,  volksthümliche  und  selbst  industrielle  Merkwürdigkeiten  anfaucht, 
irt  und  sammelt,  dessen  Album  deutscher  Sehenswürdigkeiten  bereits  die  statt- 


n  mehr  als  40  Bänden  erreicht  hat,  und  dessen  nnermfid liebem  Porsc 
ist,  die  Rolande  Dcntschlands,  wie  sie  uns  die  Festschrift  zur  F 
«n  Bestehens  des  Vereins  für  die  Geschichte  Berlins  TorfUhrt, 
;kcn  hervorzuholen,  ist  es  mir  gelun^n,  eine  reichhaltige  Samml 
3ilder  hier  vorznlegen.  Ich  glaohe  nicht,  dass  es  überhaupt  i 
lebt,  welche  diese  übertreffen  könnte.  Äur  anserer  Wanderung  di 
iisilz  haben  wir  unser  Hauptaugenmerk  besonders  darauf  gericl 
las  Charakteristische  durch  photographiache  Aufnahmen  der  Terge» 
lissen  und  zur  Anschauung  zu  bringen.  Ich  brauche  wohl  nicht 
Schwierigkeiten  und  Hindernisse  zn  gedenken,  die  ein  Sammler  vo 
este,  wie  überall,  so  auch  ganz  besonders  unter  den  Wenden  zu  ü' 

ISS  in  der  That  staunen  über  die  Mannichfaltigkeit  der  Trachten 
Über  das,  was  dem  stillen  Beobachter  in  Bezug  auf  Sprache,  W< 
1er  Bewohner  nicht  entgehen  kannn.  Ich  will  versuchen,  meine  di 
i^erkehr  mit  den  Wenden  gewonnenen  Eindrücke  und  Wahmehmnr 
igcben,  und  beginne  mit  dem  Qnssdurch  furchten 

Spreewald. 
Adern   der  Spree waldbe wohner  fliesst,   wie  geschichtlich  erwiesen 

Blick  auf  die  Familiennamen  lehrt,  auch  deutsches  Blut,  jedcnl 
I  MaassG,   als   in   den  Adern   der   übrigen  Wenden.    Das  Auge 

ist  ruhig  und  mild  lächelnd.  Der  Teint  der  Mädchen  ist  zart 
[lose  und  Lilie,  sagt  das  Volkslied.  An  Festtagen  zeigt  die  K 
linlichste  Sorgfalt  und  Sauberkeit,  —  Eigenschaften,  die  man  bei 
als  vergeblich  gesucht  hut  und  die  man  unter  den  Wenden  der  Nie< 

sonst    nirgends    so    ausgeprägt    findet.     Man    könnte  mir  daranf 

rühre  daher,    dass  die  Spreewälder  mit  den  reiselustigen  Deutuc 

;  kommen.    Ich  bin  nicht  der  Ansicht.    Wohl  machen  Tonristen 

and    mit   den  Oasthöfeo    nähere  Bekanntschaft,    aber   nicht   mit 

Tagewerk  nachgehenden  Bewohnern.  Wäre  der  Verkehr  mit 
lein  im  Stimde,  die  genannton  Eigenschaften  den  Wenden  einzuimp 
m  niüssten  die  Anwohnerinnen  von  Cottbus  und  Spremberg,  die  sc 
iten  die  „Gnädigen"  der  Stadt,  denen  sie  Butter,  Milch,  Eier  und  K 
ezug  auf  Reinlichkeit  und  Sauberkeit  nicht  genug  rühmen  küni 
nsicht    den  Spreewülderinnen    mindestens   gleich    sein.     Dem  ist  t 

I  vom  Spreewald,  etwa  in  dem  Theile  des  Cottbuser  Kreises, 
neu  Calau-Cottbus  und  Coltbus-Guben  abschneiden,  ist  der  Eindri 
iden  auf  uns  machen,  schon  ein  anderer.  Der  Blick  hat  nicht  m 
ihc  und  Gelusseuheil,  und  auch  der  Teint  lässt  jene  ausgeprägte  Z 
nheit-  vermissen,  er  tritt  schon  etwas  gemischt  auf.  Das  Haar 
nicht  mehr  gescheitelt,  wie  in  Burg,  und  umrahmt  nur  ausnahmswi 
tim,  die  von  dem  schweren  Kopftuch  (lappa)  zusammengehalten  w 
len  Wenden  für  nicht  anstandig,  wenn  das  weibliche  Geschlecht 
iz  oder  auch  nur  zum  Theil  ztfr  Schau  trägt.  Der  Teufel  lacht, 
linen,  heisst  es,  wenn  ein  Mädchen  griwala  d.  h.  mit  einer  Mfihne 
Icr  wenn  es  gar  pfeift.  Daher  sucht  man  das  Haar  sorgßltigsl  ni 
lülze  zu  verbergen.  Auch  in  der  Sprache  besteht  ein  kleiner  Dn 
ndera   hinsichtlich   der  Färbung   der  Vocale     Die  Tracht  gleicht 


^ot/r/ffJ«"/  n'r^>,/.MMw  >.■'.-.  l/t./.fWrf<^'7 


hi  sehen  OriciDal-AufDahint 


rossen  and  G 
auberkeit  und 
Üor  Haapti 
ervor  in  dem 
n  Spreewald  I 
erden,  einen  ' 
jFTorragt;  bei 
),  nmgiebt  dei 
icher  Fülle  ai 
ickan^,  der  i 
inderls  noch  d 
Burg.  Das  j 
ihrhunderts  en 
e  dem  Hapati 
Da  ich  mic 
ilatracht  amgi 
irze  Wanderur 

zntreten,  odci 
ibcner  Bahn, 
i  wohne  hier 
;  bieten.  Das 
irkiger  hervor 
reewäldiache 
p,  t;  der  rh; 
stens  eine  Ti 
knnntermaassc 
r  Spreewäldci 
hmetteriingsflII 
wohl  in  der 
reifen  eiD  we 
lig  kurzen  Ui 
en  fast  unnatti 

illenen  StJümp 
issehen.  AuSü 
;her  Hinsicht  a 
i  Gnben,  jeusi 
tschicbte  and  i 
reo  rerknQpft 
jobry  von  Pol 
;elegt  haben  s 
dxe  eine  Urüc 
ichehen  sei. 
irecht  dem  Bä 
irt  durch  ein  s 
nesen  sein.  D 
ck  auf  Nieinil 
1  Cottbus  aus 
iserst  sumpfigt 


(322) 

um  Nicmitsch  zu  beobuchlon  iinU  za  bedrohen.  Niemitsch  gegenüber,  aro  Ur 
Neisseufer,  liegt  diis  Dorf  Gastcrosc,  wendisch  goateraz,  d.  h.  das  Mal,  das  Zci( 
rur  die  Gäste.  Kann  hier  nicht  ehemals  eine  Fähre  über  die  Neisse  gewesen  s 
Der  Fährmann  mag  Snsaretz  (sa  =  filr,  saretz  =  der  hinter  dem  Flnss  Wohnoi 
bewohnt  hüben.  Niemitsch,  jener  in  altgermani scher  nn^  slavischer  Zeit  wict 
Ort,  hatte  wohl  mit  Recht  .Anspruch  auf  eine  solche  Verbindung  mit  dem  Wei 
Bemerken  will  ich  noch,  dass,  da  Mjefislaw,  Bolesiaws  Sohn  und  Nachfol 
von  den  Slaven  auch  kurit  Mesk  genannt  wurde,  man  wohl  auch  Niemitsch, 
wendisch  Nameachk  hcisst,  als  Ort  des  Mcäk  ansehen  konnte.  Das  wäre 
neue  Deutung  des  Namens  Niemitsch,  wenigstens  des  Niemitsch  bei  Guben 
des  Niemitsch  bei  Senltenberg,  das  wendisch  fast  ebenso  bezeichnet  wird.  E^ 
stände  nun  die  Frage:  Haben  die  Bewohner  dieses  Malxcgebietes  ehemals  di 
unter  der  Herrschaft  von  Niemitsch  gestanden,  oder  giebt  es  eine  andere  Grkläi 
für  ihre  Abweichung  in  Sprache  und  Tracht  von  den  Spreewäldern? 

Der  südliche  Theil  des  Cottbuser  Kreises 
zeigt  uns  hinsichtlich  der  Tracht  ein  ebenso  wenig  einheitliches  Bild,  als  in  ßi 
uuf  Form  und  Gestalt  der  Bewohner.  Hier  wohnen  die  Langröcke,  wenn  ich  so  ss 
darf,  d.  h.  die  Franenröcke  reichen  im  Allgemeinen  bis  an  die  Knöchel,  wie  in  d 
sehen  Gebieten,  während  sie  in  den  drei  vorhenannten  Bezirken  nur  etwa  die  h 
Wade  bedecken.  Wie  ist  das  zu  erklären?  Der  nördliche  Abhang  des  Lausi 
Grenzwalles  bildete  von  jeher  einen  Theil  der  Völker-  und  auch  Heercsstrassc 
Jütland  nach  Pannonien,  oder  sagen  wir  bestimmter,  von  Magdeburg  nach  Brei 
nnd  in  geschichtlicher  Zeit  wird  noch  des  alten  Salzwcgea  Erwähnung  gethan, 
aus  Galizien  über  Sorau  und  Spremberg  führte.  Alaun  nennt  der  Wende  gali 
d.  h.  Salz  aus  Galizien.  Was  liegt  daher  näher,  als  der  Gedanke,  dass  hier 
wendische  Originalität  durch  den  gewaltigen  EingrilT  der  Zeiten  Wechsel,  an  de 
Spuren  es  auch  sonst  durchaus  nicht  fehlt,  —  ich  erinnere  nur  an  Horlitz,  Reut 
Reinbusch,  —  durchbrochen  und  zerrissen  worden  sein  mag,  und  dass  das  Auge 
die  Tracht  der  Landbevölkerung  auf  dieser  Linie  nur  ein  schwacher  Widerse 
der  Wirren  verflossener  Jahrhunderte  ist?  Die  Kleidung  wird  von  den  Wei 
selbst  hier  und  da  als  deutsch  be/.eichnet,  die  Sprache  aber  ist  wendisch, 
im  südlichen  Theil  des  SprerobcrgiT  Kreises  begegnen  wir  dem  im  obenenväh 
Maixegebiet  bekannten,  kurzen  und  groben  Frauenrock  wieder,  nnd  zwar  ist  in 

Umgegend  von  Moskau 
die  runde  Mütze   mit   der  in  Heinersbrück  nahe  verwandt  (Fig.  V).    Die  Bpil 
krause  umgiebt  den  Kopf  nach  Art  des  Heiligenscheines   auf  manchen  Hado 
bildern,    bald    wieder    nähert    sie    sich    den  „SchmetterlingsflUgeln".     Das  Gei 
scheint  mehr  einen  reinen  Teint  zu  haben,  als  in 

Schleife  und  westlich  davon. 
Hier  tritt  aus  dem  Antlilz  der  uns  grttssendcn  Kinder  der  slavischc  Typus  si 
wieder  bestimmter  hervor.  Das  niedliche  rothe  Häubchen,  von  einem  zi 
Spttzenkranz  eingefasst.  harmonirt  mit  dem  vollen,  stets  etwas  glänzenden,  ro 
Gesicht  des  Mädchens,  das  mit  dem  Schnürleibi-hcn  und  der  eigenartig  gedruc 
blauen  Schürze  uns  schiinbar  eine  ganz  andere  Tracht  zeigt,  indess  der  „taus 
faltige  Rock"  der  älten-n  Frauen  und  die  Strumpfe  und  Schuhe  (Fig.  IV)  erin 
uns  wieder  im  Heinersbrück  und  an  das  durch  seine  Urnen  bekannte  Home 
Guben.    Hier  finden  wir  in  dem  Volksleben  unstn-itig  noch  Reste  üeht  wendii 


(323) 

Eigenart.  Die  Kirchgängerin  trägt  unterm  linken  Arm  ein  grosses  weisses  Tuch 
(ruh,  mbisco)  zusammengerollt  noch  heute  so,  wie  es  auch  früher  um  Cottbus 
Sitte  war,  und  die  Männer  haben  noch  ihren  besonderen  Kirchrock  von  bhiuem 
Tuch  mit  grossen  gelben  Knöpfen.  Die  wendischen  Tänze  zeichnen  sich  hier 
ebenso  sehr  durch  ihre  Originalität  aus,  wie  die  Instrumente,  nach  deren  sonder- 
baren Klängen  getanzt  wird.  Da  tritt  uns  der  Dudelsack  in  zwei  Arten  entgegen. 
Zur  Herstellung  der  ersten  Art,  der  mechawa,  wird  ein  gegerbtes  Kalbsfell  luft- 
dicht so  zusammengenäht,  dass  nur  3  Oeffnungen  übHg  bleiben:  eine  da,  wo  der 
Kopf  war,  und  zwei  da,  wo  die  Vorderfüsse  waren.  Die  mit  dem  Halse  ver- 
bundene Pfeife  (pfeberawa)  ist  von  Holz  und  hat  7  Löcher,  ähnlich  wie  eine  Flöte. 
Die  Melodien  bewegen  sich  in  f  Dur.  Der  linke  Vorderfuss  geht  in  eine  lange 
Pfeife  über,  in  die  „Bruma"  (baracawa),  die  nur  einen  Ton  erzeugt,  das  Contra-f. 
An  den  rechten  Vorderfuss  schliesst  sich  das  Ende  eines  kleineren  Sackes  (blosberk, 
d.  h.  Blasebalg)  an.  —  Die  zweite  Art  von  Dudelsack  heisst  kozol.  Der  kozol 
(Ziegenbock)  wird  ähnlich  so,  wie  die  mechawa  aus  dem  Kalbsfell,  aus  dem  Fell 
eines  Ziegenbockes  heiigestellt,  von  dem  aber  die  schöne,  weiche  Behaarung  nicht 
entfernt  werden  darf.  Der  Kopf  aus  Holz  zeigt  zwei  niedliche  Hörnchen,  die  glän- 
zenden Hauer  (Zähne)  eines  Ebers.  —  Das  den  Dudelsack  begleitende  Instrument 
ist  die  dreisaitige  Geige,  ihre  Metallsaiten  heissen  e,  a,  d.  Es  giebt  zwei  Arten 
solcher  Geigen,  die  eine  spielt  nur  auf  Hochzeiten  und  heisst  daher  werowanske 
huslicki  =  die  kleine  Hochzeitsgeige,  während  die  husle,  die  grössere  Geige,  sich 
bei  anderen  Gelegenheiten  hören  lässt.  Bemerkenswerth  ist  es,  dass  der  Dudel- 
sack und  diese  Geige  von  Bauern  gespielt  werden  und  in  jener  Gegend  sich  grosser 
Beliebtheit  erfreuen.  Ein  ebenfalls  echt  wendisches  Instrument,  das  nur  dem  Namen 
nach  noch  existirt,  die  Tarakawa,  ist  durch  die  Klarinette  verdrängt  worden.  — 
Ganz  abweichend  von  den  bisher  betrachteten  Trachten  ist  die  von 

Neustadt  an  der  kleinen  Spree  hinter  Spree witz. 

Das  weisse  Tuch,  in  das  die  trauernden  Frauen  sich  hüllen,  wenn  sie  zur  Kirche 
gehen  (Fig.  VI),  scheint  an  die  wendische  Göttin  Smertnitza  (smertnica)  zu  erinnern. 
In  meiner  Kindheit  wurde  mir  erzählt,  die  Smertnitza  gehe  im  weissen  Gewände 
am  Sylvesterabend  durch  das  Land,  und  wer  ihre  Gestalt  draussen  am  Fenster  er- 
blicke, der  müsse  im  kommenden  Jahre  sterben.  Ein  Mädchen  habe,  in  ein  rubisco 
(weisses  Tuch)  gehüllt,  sich  erkühnt,  ihr  nachzumachen,  da  habe  es,  von  draussen 
in  die  erleuchtete  Stube  blickend,  daselbst  auf  der  Ofenbank  eine  Mulde  mit  Ge- 
därmen gesehen  Am  nächsten  Moi^gen  fand  man  sie  todt  an  dem  Zaune  liegend, 
der  ihr  Eingeweide  hielt.  Im  Cottbuser  Kreise  ist  bei  den  Frauen  diese  Art  von 
Trauer  im  Erlöschen. 

Die  Manuichfaltigkeit  der  Trachten  und  die  Verschiedenheit  der  Bewohner  in 
der  wendischen  Niederlausitz  giebt  uns  ein  kaleidoscopartiges  Bild  auf  einem 
kleinen  Fleck  Landes,  wie  wir  es  in  solcher  Vielgestaltigkeit  auf  einem  so  kleinen 
Räume  wohl  nirgends  finden. 

Was  Hr.  W.  v.  Schulen  bürg  und  ich  über  das  wendische  Wohnhaus  und 
das  Spreewaldhaus  zusammengestellt  haben,  das  hat  Hr.  Ad.  Cerny  im  Casopis 
Macicy  Serbskeje  1890  ergänzt  und  erweitert,  und  kann  man  in  dieser  Hinsicht 
die  Forschung  als  zum  Abschluss  gelangt  betrachten.  In  der  Oberlausitz  ist  der 
Giebelschmuck  (kicina)  an  den  Strohdächern  eine  grosse  Seltenheit.  Rieh.  Andree 
in  seinen  Wanderstudien  bemerkt,  dass  die  Holzbogen,  welche  sich  über  den 
Fenstern  hinziehen,  das  Kriterium  eines  acht  wendischen  Bauernhauses  sind.  — 

21* 


irtigkeit  der  Tracht  in  den  eit 
erachiede  der  Gaubevölkerungc 

Volkstrachten  verhältniBsmässi 
rhundert  zurückreichen.  Die  b 
Untischen  Niedorlausitz  von  dt 
IT  bis  zu  der  Beformation  zi 
und  es  wUrde  also  die  Aalgat 

in  den  einzelnen  Gegenden  sie 


Uinahme  eines  hohen  Altere  d< 
thten,  welche  unter  das  Ende  d» 
I  dem  17.  und  IB.  Jahrhundert  a 
■ider  der  höheren  Stände,  welcl 
Igt  und  in  solcher  Veränderar 
namentlich  am  weiblichen  Kop 
.  Jahrhundert  znrück,  wie  z.  1 
Urform  der  einzelnen  Theilc  di 
reil  es  noch  an  der  dazu  nöthigt 
der  Modcforraen  rrtlhercr  Jah 
läse  und  Aufgabe  der  Traclitci 
hme  falsch,  daas  die  Nationa 
ozess  durch,  dem  sie  ihre  En 
ind  Gebrauchs  formen  der  librigt 
oft  nicht  mehr  kenntlicher  Forr 
B.  im  bayrischen  Oberland  di 
stracht  die  Kniehose  von  Hind 
ies  grossen  weissen  Tuches  ai 
[Vauer  bullen,  so  sei  auch  diei 
Mittel'  und  Norddcutschland  u 
r  der  höheren  Stände  Übliche 
iche  Grabsteine  (Stendal,  Witte 


nud  lose  umgebundenes  Kopftui 
n  des  Litorale  vorkommen.  D 
3ist  recht  gut  gewachsenen  Iian< 
er  Umgebungen  von  Triesl.  D 
er  weiblichen  Bevölkerung  Wct 


ich  der  Sloveoen. 

th  Schlemm  (veigl.  Vcrh.  1 


.  V.  Littrow.    Berlin  1865. 
ih  abertragen  von  Pranz  Frili 


Sitzung  vom  21.  März  1891. 
Vorsitzender  Hr.  Virchow. 

(1)  Am  1.  MäKz  hat  unter  grosser  Thoilnahrae  die  von  der  Gesellschaft  ange- 
regte und  von  der  archäologischen  Gesellschaft  und  der  Gesellschaft  für  Erdkunde, 
sowie  von  den  städtischen  Behörden  bereitwilligst  aufgenommene  Gedächtnissfeier 
für  Heinrich  Schliemann  stattgefunden.  Der  ausführliche  Bericht  ist  im  IL  Heft 
der  Zeitschrift  für  Ethnologie  S  41  fgg.  veröffentlicht. 

Von  Hm  Johannes  Ranke  ist  etwas  verspätet  folgendes  Telegramm  ein- 
gegangen: „Die  Münchene^  anthropologische  Gesellschaft  und  ich  persönlich  senden 
den  Ausdruck  unserer  innigen  Theilnahme  an  der  Gedächtnissfeier  für  unseren  un- 
sterblichen Schliemann." 

(2)  Aus  der  Zahl  ihrer  ordentlichen  Mitglieder  sind  der  Gesellschaft  durch 
den  Tod  entrissen  worden  der  Schulvorsteher  a.  D.  Budczies  in  Berlin,  einer  der 
eifrigsten  Förderer  der  Berliner  Localgeschichte,  und  der  Oberlehrer  Dr.  Bujack 
in  Königsberg,  der  Direktor  des  Prussia-Museums,  der  unermüdliche  Erforscher 
der  prähistorischen  und  historischen  Alterthüraer  Ostpreussens. 

(3)  Als  neue  Mitglieder  werden  gemeldet: 

Hr.  Marine-Assistenzarzt  I.  Classe  Dr.  Reich,  Wilhelmshafen. 
„    Generalsecretär  der  Gesellschaft  f.  Erdkunde,  Hauptmann  a.  D.  KoUm, 

Berlin. 
„    Apothekenbesitzer  Schnell,  Berlin. 
„    Ingenieur  Rödiger,  Solothurn,  Schweiz. 
„    Major  a.  D.  Frötsch,  Halle  a.  S. 

(4)  Am  20.  Februar  ist  zu  Nizza  der  um  die  anthropologische  Literatur  hoch- 
verdiente Buchhändler  C.  F.  Reinwald  zu  Paris  in  seinem  Husten  Lebensjahre 
gestorben. 

(5)  Hr.  Hauche  CO  rne  hat  am  3.  März  sein  25  jähriges  Jubiläum  als  Direktor 
der  Bergakademie  und  der  Geologischen  Landesanstalt  gefeiert. 

(6)  Hr.  Fedor  Jagor  berichtet  in  einem  Briefe  an  den  Vorsitzenden  vom 
14.  Februar  über  den  bisher  befriedigenden  Verlauf  seiner  Reise,  die  ihn  über 
Cairo,  Ceylon,  Madras,  Hyderabad,  Puma  nach  Bombay  geführt.  Er  beabsichtigte 
demnächst  nach  Rajputana  und  von  da  nach  Calcutta  zu  gehen. 

(7)  Die  naturforschende  Gesellschaft  zu  Danzig  ladet  zu  einer  dem 
Königsberger  Anthropologencongresse  voraufgehenden  Vorversammlung  in  Danzig 
und  zu  einem  Besuche  der  Marienburg  ein.  Diese  Vorversammlung  würde  am 
3.  August  ihren  Anfang  nehmen. 


I 


(326) 

(8)  Die  Pcderation  archeologique  et  historique  de  Belgique  hält  am 
2. —  7.  August  1891  zu  Brüssel  eine  Versammlung  ab.  Das  reichhaltige  Programm 
wird  voiigelegt. 

(9)  Der  Vorstand  und  Ausschuss  der  Gesellschaft  haben  unter  dem  19.  Februar 
an  den  Herrn  Unterrichtsminister  folgendes  Gesuch  gerichtet,  betreffend 

Gründung  eines  deutschen  National-Mnsenms  zu  Berlin. 

Eure  Exoellenz  haben  der  heimischen  Alterthums-  und  Volkskunde  zu  jeder 
Zeit  ein  warmes  Interesse  bewiesen  und  dieselbe  stets  in  thatkräfdgster  Weise  ge- 
fördert. Die  gehorsamst  Unterzeichneten  wagen  deshalb  zu  hoffen,  dass  die  von 
ihnen  vorzutragenden  Darlegungen  bei  Eurer  Excellenz  ein  geneigtes  Gehör  finden 
werden. 

Als  vor  nahezu  zwei  Jahrzehnten  von  der  Berliner  anthropologischen  Gesell- 
schaft die  Abzweigung  der  ethnologischen  und  prähistorischen  Sammlungen  von 
den  im  alten  und  neuen  Museum  vorhandenen  Kunstsammlungen  angeregt  und  in 
Folge  dessen  nach  erfolgloser  Umschau  unter  den  älteren  disponiblen  Staats- 
gebäuden wegen  passender  Räumlichkeiten  die  Errichtung  eines  besonderen  Gre- 
bäudes  beschlossen  wurde,  konnte  man  nicht  voraussehen,  dass  beide  Abtheilungen 
sich,  Dank  der  Untersützung,  welche  dieselben  von  Seiten  der  vorgesetzten  Be- 
hörde und  im  Laufe  der  Zeit  auch  in  weiten  Kreisen  der  Bevölkerung  gefunden 
haben,  so  bald  zu  einem  so  bedeutenden  Umfang  entwickeln  würden.  Aber  schon 
in  dem  Augenblick,  als  das  neuerrichtete  Gebäude  bezogen  wurde,  stellte  es  sich 
heraus,  dass  dasselbe  nicht  für  alle  Zwecke,  denen  es  dienen  sollte,  ausreichen 
würde.  So  musste  eine  Abtheilung,  und  zwar  gerade  diejenige,  deren  eifrige  Pflege 
stets  besonders  betont  war,  nehmlich  die  der  heimischen  volksthümlichen  Trachten 
und  Geräthe,  fortgelassen  werden  und  konnte  erst  später  durch  private  Thätigkeit 
begründet  werden. 

Die  ethnologische  Abtheilung  befindet  sich  mit  der  Aufstellung  ihrer  Samm- 
lungen in  einer  sehr  bedrängten  Lage,  da  der  Raum  nicht  ausreicht,  die  jetzt  vor- 
handenen Gegenstände  in  übersichtlich  geordneter  Weise  aufzustellen. 

Mit  der  Erwerbung  der  überseeischen  Colonien  für  das  Deutsche  Reich  ist 
der  ethnologischen  Abtheilung  eine  neue  Verpflichtung  auferlegt  und  der  letzte 
Raum,  welcher  noch  verfügbar  war,  auch  besetzt  worden. 

Die  prähistorische  Abtheilung  ist  augenblicklich,  aber  auch  nur  scheinbar, 
besser  gestellt.  Wegen  Mangels  an  Schränken  ist  bereits  in  den  Magazinen  ein  so 
beträchtliches  Material  angehäuft,  dass,  sobald  genügend  Schränke  vorhanden  sind, 
die  Räume  vollständig  gefüllt  werden  und  für  den  Zuwachs  kein  Raum  mehr  ver- 
fügbar bleibt. 

Zwar  wird  durch  die  in  Aussicht  genommene  Verlegung  der  Schliemann- 
Sammlung  später  einiger  Raum  gewonnen  werden.  Aber  es  wird  noch  sehr  lange 
Zeit,  mindestens  wohl  ein  Jahrzehnt,  vergehen,  bis  diese  Verlegung  stattfinden  kann. 
Zunächst  steht  ausserdem  noch  durch  eine  neue  Schenkung  Dr.  Seh lie mann *s 
eine  so  bedeutende  V^ermehning  der  Sammlung  in  Aussicht,  dass  die  Verwaltung 
in  grösstc  Verlegenheit  gerathen  wird,  dieselbe  unterzubringen.  Auch  die  Samm- 
lungen der  anthropologischen  Gesellschaft  enthalten  ein  so  reiches  und  werth- 
volles  wissenschaftliches,  auf  die  Rassenanatomie  bezügliches  Material,  neben  der 
mehr  als  tUXX)  Bände  zählenden  Bibliothek,  dass  im  Interesse  der  Weiterentwicke- 
lung und  Förderung  dieser  wichtigen  Studien  die  Schaffung  grösserer  Räumlich- 
keiten dringend  zu  wünschen  ist. 


(327) 

In  der  übelsten  Lage  befindet  sich  das  neu  errichtete  Museum  für  Volks- 
trachten, welches  seine  bereits  sehr  bedeutenden  Sammlungen  zu  einem  grossen 
Theile  in  sehr  ungeeigneten  Räumen  magaziniren  muss.  Da  dasselbe  fast  aus- 
schliesslich durch  die  Freigebigkeit  und  opferwillige  Thätigkeit  einer  Anzahl  von 
Privatpersonen  zu  Stande  gebracht  ist  und  auch  in  Zukunft,  selbst  wenn  es  eine 
Staatsunterstützung  erhalten  sollte,  wesentlich  auf  die  werkthütige  Beihülfe  aller 
Schichten  der  Bevölkerung  angewiesen  sein  wird,  so  werden  für  dasselbe  so  bald 
als  möglich  Räume  herzustellen  sein,  in  denen  die  schönen  und  lehrreichen  Reste 
der  in  schnellem  Verschwinden  begriffenen  Eigenthümlichkeiten  unserer  Volks- 
stämme  eine  würdige  und  ihrer  hohen  volksgeschichtlichen  Bedeutung  angemessene 
Aufstellung  erhalten  können. 

Die  Anforderungen,  denen  ein  Gebäude  für  die  letztere  Sammlung  gerecht 
zu  werden  hat,  sind  so  besondere,  dass  sie,  da  in  dem  Museum  für  Völker- 
kunde kein  Raum  für  dieselbe  gefunden  werden  kann,  in  keinem  älteren  Gebäude 
genügend  erfüllt  werden  dürften..  Es  erscheint  demnach  als  unabweislich,  sobald 
als  möglich  zur  Errichtung  eines  besonderen  Gebäudes  zu  schreiten,  in  welchem 
ausser  dem  Museum  für  Volkstrachten  auch  die  jetzige  prähistorische  Sammlung, 
sowie,  wenn  möglich,  die  Sammlungen  der  anthropologischen  Gesellschaft  eine 
würdige  und  räumlich  ausreichende  Stätte  finden,  wo  sie  ihren  Zweck,  zur  Beleh- 
rung des  Publikums  und  zur  Förderung  der  Wissenschaft  zu  dienen,  in  ausgiebiger 
Weise  zu  erfüllen  vermögen.  Jede  Verzögerung  würde  den  Bestand  der  Samm- 
lungen sowohl  des  Trachtenmusenms,  als  auch  der  prähistorischen  Abtheilung,  deren 
Zuwachs  mehr  und  mehr  und  demnächst  wieder  für  unabsehbare  Zeiten  in  Risten 
magszinirt  werden  müsste,  gefährden  und  die  Fortentwickelung  der  beiden  Insti- 
tute auf  das  Empfindlichste  schädigen,  weil  das  Publikum,  auf  dessen  rege  Be- 
theiligung beide  angewiesen  sind,  sich  kühl  und  unthätig  verhalten  wird,  wenn 
der  neue  Zuwachs  in  Folge  von  Raummangel  nicht  einmal  aufgestellt  werden 
kann.  Die  Nothstände  dieser  Art  sind  noch  zu  frisch  in  der  Erinnerung,  das  Auf- 
blühen der  Sammlung  dagegen  in  den  neuen  schönen  Räumen  dagegen  ist  für 
jeden  täglich  zu  beobachten,  und  es  erscheint  deshalb  dringend  geboten,  die  Sache 
nicht  erst  zum  Aeussersten  gedeihen  zu  lassen,  sondern  bei  Zeiten  diesen  mit 
Gewissheit  vorauszusehenden  Zuständen  vorzubeugen. 

Ausser  diesen  bereits  vorhandenen  und  in  Kurzem  eintretenden  Nothständen 
aber  veranlasst  die  Unterzeichneten  noch  ein  besonderer  Grund,  welcher  mehr  die 
ideale  Richtung,  der  die  Sammlungen  der  vaterländischen  Alterthümer  und  der 
heimischen  Volkstrachten  und  Geräthe  zu  dienen  haben,  berührt:  die  Vereinigung 
dieser  Sammlungen  in  einem  besonderen  Gebäude  Eurer  Excellenz  auf  das  Wärmste 
zu  empfehlen,  —  das  ist  die  ergänzende  Erweiterung  desselben  zu  einem  deut- 
schen Nationalmuseum  für  Alterthümer  und  Volkskunde. 

üeberall  herrscht  jetzt  die  lebhafteste  Begeisterung  für  deutsches  Volksthum 
der  Gegenwart  und  der  Vergangenheit,  überall  wird  auf  beiden  Gebieten  höchst 
thätig  gearbeitet  und  gesammelt.  Üeberall  entstehen  neue  Museen  und  Sammlungen, 
und  bereits  droht  grosse  Gefahr,  dass  das  kostbar^  und  schnell  selten  werdende 
Material  in  hundert  kleinen  Sammlungen  zersplittert  und  einer  fruchtbringenden 
vergleichenden  Bearbeitung  entzogen  wird.  Es  ist  deshalb  durchaus  noth wendig, 
dass  die  jetzt  herrschende  Hochfluth  des  allgemeinen  Interesses  voll  ausgenutzt 
und  richtig  geleitet  wird.  In  München  geht  man  bereits  mit  dem  Plan  um,  für 
das  dortige  National museum  ein  neues  Gebäude  zu  errichten,  und  sicher  wird  man 
dann  auch  diesem  Theile    des  deutschen  Volksthums  einen  hervorragenden  Raum 


t'i 


(328) 


1 


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gewähren.  Es  würde  dann  ganz  Bayern  dem  Wirkungskreise  unseres  Museums 
entzogen  werden.  In  Braunsehweig  ist  vor  Kurzem  ein  neues  „Vaterländisches 
Museum^  eröffnet  worden,  in  Stuttgart  sind  für  eine  zu  gründende  Sammlung  ethno- 
logischer Gegenstände  aus  Württemberg  Räumlichkeiten  zur  Verftigung  gestellt 
worden,  in  Baden  hat  die  Regierung  einen  namhaften  Geldbetrag  bewilligt  zur  Samm- 
lung Badischer  Volkstrachten,  in  Schwerin  und  Hambui^g  sammelt  man  schon  seit 
Jahren  volksthümliche  Trachten  und  Geräthe  aus  verschiedenen  Landesgebieten. 

Es  könnte  vielleicht  gegen  die  Elrrichtung  eines  Nationalmuseums  in  Berlin 
eingewendet  werden,  dass  in  Mainz  und  Nürnberg  derartige,  vom  Deutschen  Reich 
unterstützte  Anstalten  vorhanden  sind.  Dazu  ist  jedoch  zu  bemerken,  dass  das 
Römisch-germanische  Central museum  zu  Mainz  sich  wesentlich  auf  die  Herstellung 
von  Nachbildungen  römischer  und  germanischer  Alterthümer  der  vor-  und  früh- 
geschichtlichen Zeit  beschränkt,  während  das  Germanische  Museum  zu  Nürnberg 
zwar  auch  die  Urgeschichte  in  seinen  Sammlungen  berücksichtigt,  hauptsächlich 
aber  die  gewerblich  und  künstlerisch  interessanten  Gegenstände,  sowie  Waffen  des 
späteren  Mittelalters  und  der  neueren  Zeit  sammelt.  Das  Volksthümliche  hat  in 
Deutschland  bisher  noch  nirgend  einen  Mittelpunkt  für  seine  Veranschaulichuog 
durch  betreffende  Gegenstände  gefunden,  und  es  thut  noth,  für  eine  solche  Central- 
sammelstelle  zu  sorgen,  ehe  es  zu  spät  ist.  Noch  ist  es  möglich,  etwas  Voll- 
ständiges zu  schaffen,  und  sicherlich  wird,  nach  den  im  Publikum  bereits  viel» 
fach  gehörten  Aeusserungen  zu  urtheileh,  der  Gedanke  an  die  Errichtung  eines 
Instituts,  das  sich  die  Entwickolung  der  Cultur-  und  Volksgeschichte  in  Deutsch- 
land zur  Aufgabe  stellt,  in  allen  Theilen  des  Vaterlandes  und  in  allen  Schichten 
der  Bevölkerung  den  lebhaftesten  Anklang  finden.  Dabei  wird  dann  wohl  Jeder^ 
mann  der  Ueberzeugung  sein,  dass  eine  solche,  das  ganze  Deutsche  Reich  um- 
fassende Anstalt  nur  in  der  Reichshauptstadt  deren  Sammlungen  bereits  einen 
breit  angelegten,  nur  des  Ausbaues  bedürftigen  Grundstock  bilden,  eine  Stätte 
finden  kann. 

Auch  in  sofern  scheint  der  Zeitpunkt  für  die  Errichtung  eines  Nationalmuseums 
besonders  günstig,  als  jetzt  mit  der  Eröffnung  der  Zimmerstrasse  einige  Grund- 
stücke sich  zur  Erwerbung  darbieten  dürften,  welche  sich  durch  äusserst  günstige 
Lage  in  der  Nähe  verwandter  und  sich  gegenseitig  ergänzender  Institute,  des 
Museums  für  Völkerkunde  und  dos  Kunstgewerbemuseums,  besonders  eignen 
würden.  Auch  hier  würde  äusserste  Eile  zu  empfehlen  sein,  denn  schon  verlautet^ 
dass  Privatleute,  u.  A.  eine  fremde  Botschaft,  beabsichtigen,  dort  Erwerbungen  zu 
machen. 

Das  neu  zu  errichtende  National  museum  für  deutsche  Volks-  und  Alterthums- 
kunde  müsste  in  einer  vergleichenden  Abtheilung  jedoch  auch  die  angrenzenden 
Länder  Europas  berücksichtigen  xmd,  wenn  es  in  dem  genannten  Strassentheile 
seinen  Platz  erhielte,  so  würde  es  in  der  kimstgewerblichen  und  der  ethnologi- 
schen Sammlung  der  beiden  benachbarten  Museen  die  weiteste  Ergänzung  erfahren. 
Auf  diese  Weise  würde  dann  fast  gleichzeitig  mit  der  Vollendung  des  neuen 
Reichstagsgebäudes,  welches  den  sichtbaren  Ausdruck  der  politischen  Einigung 
Deutschlands  darstellt,  ein  anderes  Monument  geschaffen  werden,  welches  die  Ent- 
wickelung  der  Stämme  Deutschlands  von  ihren  ersten  Anfangen  bis  zu  ihrer  Ver- 
schmelzung in  dem  Deutschen  Reiche  in  übersichtlich  zusammenfassender  Weise 
vor  Augen  führen  würde,  zur  Belehrung  des  Publikums,  zur  Förderung  der  Wissen- 
schaft und  zur  Stärkung  der  Vaterlandsliebe. 

Der  Vorstand  und  Ausschuss  der  Berliner  Gesellschaft  Hir  Anthropologie, 

Ethnologie  und  Urgeschichte. 


(829) 

Auf  dieses  Gesuch  ist  unter  dem  12.  März,  im  Auftrage  des  abgehenden 
Ministers  Hm.  y.  Gossler,  folgendes  Antwortschreiben  eigangen: 

„Die  von  privater  Seite  mit  so  schönem  Erfolg  eingeleiteten  Bestrebungen, 
durch  eine  Sammlung  deutscher  Volkstrachten  und  Hausgeräthe  die  Mannichfaltig- 
keit  und  Eigenart  unseres  Volksthums  zur  Anschauung  zu  bringen,  haben  von 
Anfang  an  mein  lebhaftes  Interesse  erregt  und  ich  begrilsse  es  mit  Freude,  dass 
die  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  üigeschichte,  wie  ich  aus  der 
Eingabe  des  Vorstandes  und  Ausschusses  derselben  vom  19.  y.  M.  yon  Neuem  er- 
sehe, der  heimischen  Volkskunde  ihr  besonderes  Interesse  zuwendet. 

„Ich  theile  daher  auch  den  Wunsch,  dass  die  schon  vorhandenen  Sammlungen 
von  deutschen  Volkstrachten  und  Erzeugnissen  des  heimischen  Hausgewerbes  bald 
vollständig  zur  Aufstellung  gelangen  und  vielleicht  allmählich  zu  einem  die  Ent- 
Wickelung  unserer  Cultur-  und  Volksgeschichte  veranschaulichenden  Museum  er- 
weitert werden. 

„Es  würde  mir  zu  besonderer  Befriedigung  gereichen,  wenn  es  gelingt,  auf 
dem  bisherigen  Wege  privater  opferwilliger  Thätigkeit  der  Erfüllung  dieses  Wun- 
sches näher  zu  kommen,  und  ich  werde  diese  Bestrebungen  auch  in  Zukunft  gern 
unterstützen,  soweit  mir  dazu  eine  Möglichkeit  geboten  ist. 

„Die  Erwägung  jedoch,  ob  der  Staat  die  Verfolgung  der  von  dem  Vorstand 
und  Ausschuss  aufgestellten  Ziele  als  seine  unmittelbare  Aufgabe  zu  übernehmen 
berufen  und  im  Stande  ist,  wird  so  lange  vertagt  werden  müssen,  bis  es  gelungen 
ist,  für  die  dringenden  Bedürfnisse  der  bereits  in  staatlicher  Verwaltung  stehenden 
Sammlungen  die  seit  vielen  Jahren  erstrebte  Befrildigung  zu  schaffen.^  — 

In  Vertretung:   Barkhausen. 

Der  Vorsitzende  spricht  im  Namen  der  Gesellschaft  den  ehrerbietigen  Dank 
aus  für  das  so  wohlwollende  und  anerkennende  Antwortschreiben,  welches  allen 
Mitgliedern  von  Neuem  in  die  Erinnerung  bringen  wird,  in  welch'  umfassendem 
Sinne  Hr.  v.  Gossler  während  seiner  ganzen  Amtsführung  die  Bestrebungen, 
welche  durch  die  Gesellschaft  vertreten  werden,  gewürdigt  und  gefördert  hat. 
Möge  der  verehrte  Herr  versichert  sein,  dass  die  energische  und  sachgemässe 
Unterstützung,  welche  er  sowohl  den  ethnologischen  und  anthropologischen  Studien, 
als  namentlich  der  vaterländischen  Alterthumsforschung  zugewendet  hat,  in  unseren 
Kreisen  nicht  vergessen  werden  wirdi  und  möge  das  durch  ihn  geweckte  Interesse 
auch  nach  seinem  Abgange  in  dem  Unterrichts-Ministerium  erhalten  bleiben! 

(10)  Durch  Erlasse  des  Hm.  ünterrichtsministers  vom  4.  und  11.  März 
werden  zur  Renntnissnahme  der  Gesellschaft  gebracht: 

1)  der  Bericht  des  Westpreussischen  Provincial-Museums  für  das 
Jahr  1890  über  die  Vermehrong  der  naturhistorischen,  archäologischen 
und  ethnologischen  Sammlungen  in  Danzig, 

2)  ein  Bericht  des  Vorsitzenden  der  Alterthumsgesellschaft  in  Graudenz, 
Gymnasialdirektor  Anger  über  Gräberfelder  im  Kreise  Kulm. 

(11)  Das  correspondirende  Mitglied,  Hr.  Edm.  v.  Fellenberg  berichtet  aus 
Bern,  25.  Febroar,  über 

neue  Funde  am  Zihlkanal,  namentlich  einen  Bronzering  mit  Knöpfen 

und  Thierfignren. 

Beiliegend  beehre  ich  mich,  Ihnen  4  Photographien  eines  Pundgegenstandes 
einzusenden,  der  meines  Wissens  in  unserem  Lande  bisher  einzig  dasteht 


on  denen  1 
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(331) 

zeichnete   durch  einen   in  der  Dulle  sitzenden  Keil  Figur  1. 

mit  Ring  nnd  einen  wulstftirmigcn  Nachen  kn- 
satz,  der  einer  stark  verkalkten  runden  Scheibe 
glich.  Es  scheint  rairder  riiiche  zungenförmige  Keil 
mit  ansitzendem  ovalem  Ring  nicht  zufällig  in  den 
Hohlraum  der  halbolTcnen  Bchlaufonlormigen  Düllenaxt 
geratben,  sondern  mit  Flciss  ad  hoc  verfertigt  und 
fest  eingetrieben  zn  sein,  um  vielleicht  aus  der  Axt 
ein  beiiuemes  Ilnndinatrument,  z.  B.  einen  Mcissel, 
zu  machen,  wobei  man  heim  Gebrauch  den  Zeigefinger 
der  rechten  Hand  durch  die  Schlaufe  (Ring)  steckte  und 
so  einen  trefflichen  Flachmcissel  erhielt.  Aufderoberen, 
d.  h.  offenen  Seiteder  Axt,  auf  den  beiden  Kanten 
der  Lappen  leicht  aufsitzend,  dick  von  verkalk- 
tem Schlamm  bedeckt  und  nur  als  eine  flache 
Kalk-  und  Schlammschoibe  aichtbar,  sass  der 
wundersame  Bronzering,  von  dem  eine  Abbil- 
dung, denselben  von  vier  verschiedenen  Seilen 
darstellend,  umstehend  folgt  (Fig.  2).  Erst  als  mit 
dem  Messer  die  harte  Kalkschlammkruste  angeritzt 
wurde,  kum  Bronze  zum  Vorschein,  und  zwar  löste 
sich  glücklicherweise  der  Kalk  gerade  von  einem  der 
Kuhhörner  ab,  das  mit  seinem  Kno()f  zum  Vor- 
schein kam  und  nun  zu  grosser  Vorsicht  im  Ablösen 
mahnte.      Das    Ablösen     der    ganzen    Knlkschlaram-  i-^  nat.  Grüsse. 

Scheibe,  worindas  wundersame  Amulet  stekte,  ge-  KKKalkbelag.  xxxStelle, 
schah  sehr  leicht,  indem  erstere  bloss  an  fünf  Punkten  wo  der  Bronzpring  anfHass. 
auf   den    Lappen    der   Axt    fest    aufgerostet    lag. 

Einmal  von  der  Axt  abgetrennt,  wurde  sehr  langsam  und  vorsichtig  die  dicke  Kalk- 
kruste durch  sehr  verdünnte  Saure  entfernt  und  es  bot  sich  dem  erstaunten 
Auge  der  Gegenstand  dar,  welchen  ich  hiermit  dem  Urtheil  der  Archäo- 
logen untcrbreitel  Der  Ring,  denn  es  ist  im  Wesentlichen  ein  solcher,  be- 
steht aus  schöner,  etwas  krystallinischcr  Bronze,  von  der  Farbe  der  schönsten 
Pfahlbautcnbronzen.  Der  Ring  hat  einen  inneren  Durchmesser  \on2.i  mm; 
er  ist  nicht  ganz  rund  im  Inneren,  sondern  einseitig  etwas  eingedrückt,  er  ist 
also  zu  gross,  um  als  Fingerring  getragen  worden  zu  sein,  es  sei  denn  an  einem 
Daumen,  aber  daran  ist  ja  wegen  der  hervorragenden  äusseren  Ornamente 
des  Ringes  nicht  zu  denken.  Die  mittlere  Dicke  des  Ringes  ist  4  mm, 
er  ist  jedoch  nicht  überall  gleich  dick.  Auf  diesem  gegossenen  und  nicht 
nachciselirten  oder  nachgravirten  Ring  sitzen  die  wundersamen  Thicr- 
figurcn,  welche  den  Ring  unzweifelhaft  zu  einem  „Amulet"  stempeln  nnd  dem- 
selben einen  symbolischen  Charakter  verleiben.  Wir  haben  es  hier  mit 
einem  alten  Cullobject  zu  thun.  Auf  dem  Ringe  sitzen,  wenn  wir  denselben 
Bo  in  die  Hand  nehmen,  dass  die  beiden  Vogelfignren  nach  aufwärts 
blicken,  oben  zwei  Thierköpfe:  der  eine  mit  offenem,  der  andere  mit  ge- 
schlossenem Manl,  beide  mit  grossen  kugligen,  hervorstehenden  Augen 
und  grossen  vorwärts  abstehenden  Ohren,  deren  eines  an  dem  Thierkopf 
mit  offenem  Maule  fehlt.  Beide  Thierköpfe  tragen  stark  gekrümmte,  einwäris 
gebogene  Hörner,  deren  Spitzen  in  Knopfe  auslaufen.  Wir  werden  in 
diesen  Thierköpfen  offenbar  Kuh-  oder  Ocbsenhörner  erkennen  müssen. 


instehenden  Rubköpfen  liegen  auf  dem  Ri 
Schwan  mit  langem  Halse  und  kurze 
iedener  Vo^el,  der  auch  einen  langi 
pf,  einen  sattelförmigen  Btlcken  nt 
wanz    hat.     Was    für    ein  Vogel    mag   i 

igur  2. 


che  Grösse. 

b  von  der  Kehrseite  gesehen,  nm  180*  geilrf 
gn  vorn,  d  von  der  Kehrseite  gesehen. 

er  die  gleiche  Stellung  des  Ringes  vorai 
Ringes  nur  ein  Kuhkopf  mit  denselfa 
nsolben  vom  abstehenden  Ohren,  dcnselb 
■n  Kpit^en.  llitT  bei  diesem  Kuhkopf 
;hoauze  und  das  Haul  sind  kaum  ongcdent 


(333) 

Zwischen  allen  diesen  Thierfig^uren  stehen  auf  dem  Ringe,  gleichsam  zur 
Trennung  und  Isolirung  der  Symbole,  drei  runde  Knöpfe,  die  pyramidal 
sich  um  den  Ring  erheben.  Ich  glaube,  diese  Charakteristik  gentigt.  Das 
Nähere  entnehme  man  den  beigefligten  4  Autotypien,  welche  genau  in  Naturgrösse 
den  Gegenstand  wiedergeben  (Fig.  2  a— d). 

Wie  schon ^ben  erwähnt,  ist  dieses  „Ringamulet"  lediglich  gegossen  und 
nicht  nachgravirt  oder  polirt  worden.  Man  entdeckt  verschiedene  Gussfehler, 
die  Knöpfe  zwischen  den  Thierfiguren  sind  nicht  -tiberall  gut  gerathen,  einzelne 
zeigen  unebene  Wülste,  andere  Gruben,  jedoch  muss  man  in  hohem  Grade  über 
ein  so  feines  und  complicirtes  Gusswerk  erstaunen.  Und  nun:  in  welche 
Zeit  gehört  das  Amulet?  In  keinem  Falle  zu  den  Bronzen  der  Pfahlbauten,  da 
so  wohl  stylisirte  Thierfiguren  darin  nicht  vorkommen.  Wir  müssen  auf  ein 
Kulturvolk  zurückgreifen  mit  hochentwickelter  Mythologie,  und  da  werden 
wir  lebhaft  an  den  Herakult,  an  die  Hera  Boopis  in  Mykenae,  erinnert,  zudem  die 
gewaltigen  Glotzaugen  ausserordentlich  prägnant  aus  den  Kuhköpfen 
hervorstehen!  Und  die  Vögel?  Könnten  diese  nicht  an  syrisch-phönikischen 
Astartekult  erinnern?  Ich  überlasse  das  Urtheil  competenteren  Archäologen  und 
schliesse  die  Mittheilung  mit  den  Worten:  Meine  Herren,  die  Discussion  über 
das  Vorgetragene  ist  eröffnet! 

Es  ist  mir  schon  mehrmals  von  Bewunderern  des  „Porter  Amulets"  be- 
merkt worden,  ob  die  Knöpfe  auf  den  Kuhhöniem  nicht  etwas  zu  bedeuten  hätten? 
Besieht  man  sich  die  Kuhhömer  nehmlich  im  Profil,  so  ähneln  dieselben  auffallend 
einem  Phallus.  Ist  vielleicht  diese  Idee  hier  auch  noch  im  Amulet  enthalten, 
oder  sind  die  Knöpfe  auf  den  Kuhhömem  bloss  zum  Schutze,  d^mit  man  sich  und 
die  Kleider  beim  Tragen  des  ausgezackten  Ringes  nicht  verletze?  Quien  le  sabe? 
Dieser  Fund,  der  offenbar  chronologisch  mit  dem  eisernen  La  Tene-Beil,  auf 
welchem  er  glücklicherweise,  in  Kalklehm  eingekapselt,  aufsass,  gar  nichts  zu  thun 
hat,  sondern  viel  älter  ist  und  wahrscheinlich  ursprünglich  unter  dem  eisernen 
Beile  lag,  — denn  die  dicke  Kalklehmkruste  hat  sich  gewiss  nicht  erst  seit 
den  Baggerungen  in  der  Zihl  gebildet,  sondern  die  Gegenstände  müssen 
schon  Jahrhunderte  lang  zusammengekittet  sein,  —  ist  ein  neuer  Beweis, 
welche  uralte  A^ölkerstrasse  vom  Mittelmeer  (Massilia)  und  dem  Rhone- 
thal am  Südfusse  des  Juragebirges,  den  westschweizerischen  Seen 
entlang,  nach  Norden  führte,  auf  welcher  ein  schon  damals  reger  Handels- 
verkehr die  Völker  des  Nordens  und  Südens  verband.  — 

Hr.  Virchow  begltickwtinscht  den  erfolgreichen  Erforscher  des  Zihl-Grundes 
wegen  dieses  wichtigen  Fundes,  der  völlig  unerwartet  kommt,  da  man  allerseits 
das  fragliche  Gebiet  für  erschöpft  hielt.  Gewiss  liege  es  nahe,  an  orientalische 
Formen  zu  denken.  Er  verweist  speciell  wegen  der  Vogel-  und  Widder (?)-Köpfe 
auf  seinen  Atlas  des  Gräberfeldes  von  Koban  im  Kaukasus,  wo  freilich  ein  genau 
entsprechendes  Muster  seines  Wissens  nicht  zu  Tage  gekommen  ist.  Die  Frage, 
ob  der  Ring  in  eine  ganz  andere  Zeit  gehört,  als  das  eiserne  Beil,  dem  er  direkt 
anlag,  betrachtet  er  als  eine  offene.  — 

Hr.  Voss  bemerkt,  dass  der  auf  der  Photographie  dargestellte  Ring  ächten 
La  Tene-Charakter  zeige,  aber  dadurch  merkwürdig  sei,  dass  er  drei  Verzierungs- 
weisen, welche  sonst  meist  vereinzelt,  höchstens  zu  je  zweien  gruppirt,  bei  Ringen 
dieser  Art  vorkommen,  in  sich  vereinige.  Die  Verzierungen  beständen  nach  seiner 
Ansicht   aus  kugligen,   perlenartigen  Knöpfen,  Vögeln  und  Widderköpfen.    Solche 


(384) 

mit  Knöpfen  verzierte  Ringe  seien  st'tir  häufig.  Selir  selten  dngegcn  die  anderen 
beiden  Arten.  Soviel  er  sich  erinnere,  sei  das  in  dem  Maximilians-Muaeum  7.u 
Au^bai^  beRndlichc,  mit  drei  Vogelfiguren  verzierte  Exemplar  von  Epfach,  welches 
iiuT  der  prühialori sehen  Ausstellung  lä8U  hier  ausgestellt  war  und  in  d^m  pholo- 
gniphischen  Album  der  Ausstellung  abgebildet  ist,  das  einzige  dieser  Art  (Kat.  d. 
priih.  Ausst.  S.  31  Nr-  59;  Alb.  d.  präh.  Ausst.  Section  VIU,  Taf.  i  Nr.  2-25).  Bei 
demselben  sei  der  Stab  an  iler  Aussenseite  zwischen  den  einzelnen  Vogcißgnren 
mit  Oacheren  pcrlenühn liehen  Erhebungen  dicht  besetzt,  wodurch  derselbe  stark 
au  jene  Form  mit  pcrlenartigen  Knöpren  erinnere- 

Etn  Exemplar  mit  drei  Widdcrköpfen,  welche  merkwürdigerweise  von  dem 
Vorbesitzer  auch  Hlr  phallische  Darstellungen  angesehen  wurden,  bcßnde  sich  im 
Königl.  Museum  für  Völkerknnde  (Kat.  I  i.  7fi6).  Dasselbe  wurde  bei  Köln  luRh. 
gefunden  und  sei  auf  den  Zwischenräumen  zwischen  den  drei,  an  der  Aussenfläche 
aufgesetzten,  sehr  deutlichen  Widdorköpfen  mit  je  einer  Gruppe  von  drei  kngligen 
Knöpfen  besetzt. 

Nach  der  photographischen  Abbildung  zu  nrtheilen,  sei  an  eigentlich  phallische 
Darstellungen  bei  diesen),  durch  seine  Verzierungs weise  allerdings  sehr  merkwür- 
digen Stück  nicht  zu  denken. 

(13)  Hr.  M.  Hocrncs,  Assistent  am  k.  k.  Naturhistorisehen  Hofmuacum  in 
Wien,  übersendet  unter  dem  17.  Junuar  folgende  Abhandlung  über 

eine  Bronzeflbel  einfachster  Form  von  Glnsinac  in  Bosnien. 

In  einem  Nac}itragc  7.a  seinem  Aufsatz  über  die  ältesten  t^beltypen  (Zeitechr. 
f.  Ethnol.  18a9  S,  205,  Nachtrag  J89D  S.  144)  eitirt  Hr.  Dr.  i.  Undset  als  Zuwuchs 
seines  ßcwcismalerials  eine  Bronzefibel  einfachster  Form  aus  einem  Hügelgrabc 
von  Glasinac,  welche  ich  in  den  Mittheilungen  der  Wiener  an throp.  Gesellsch.  IK80 
S.  139  f.,  175  publicirt  habe.  Das  Vorkommen  dieser  Form  in  Turaulis  der  ersten 
Eisenzeit  ist  um  so  mehr  bemerkenswcrth,  als  die  übrigen  Exemplare  jener  Urform 
Dach  Undset's  trelTlicher  Ausführung  meist  in  Schichten  der  jüngeren  Bronzezeit 
(Terraraaren  Oberitaliens,  Pfahlbauten  von  Peschiera  und  Corcelettes,  Depotfund 
von  Itodrog-Keresztur  in  Ungarn)  gefunden  sind.  Bei  anderen  (italischen  und 
ungarischen)  Stücken  dieser  Serie  ist  die  Zeitstellung  unsicher;  doch  fuhrt  Undset 
auch  solche  aus  den  eisenzeitlichen  ßenacci-Grübem  bei  Bologna  an.  Die  Form 
hat  also  hie  und  da  auch  nach  dem  Abschlüsse  der  reinen  Bronzezeit  ein  Fort- 
leben gefunden.  Als  wahrscheinliches  Ursprnngsgebiet  derselben  betrachtet  Undset 
den  nördlichen  Thcil  der  Balkanhalbinsel,  wo  wir  die  Voraussetzungen  sowohl  für 
die  ungarischen  Culturformen,  als  auch  für  diejenigen  der  oben  lauschen  Terra- 
maren  und  der  Pfahlbauten  der  Alpenländer  zu  suchen  haben. 

Ich  kann  dem  nur  vollkommen  beipflichten  und  ergreife  mit  Vergnügen  die 
Gelegenheit,  etwas  tieizutragen,  was  diese  Vermuthung  vielleicht  weiter  zu  stfilzcn 
vermag.  Das  erwähnte  archaische  Fundstück  von  Glasinac  steht  nehmlich  inner- 
halb der  Grabbeigaben  dieses  ausgedehnten  Nekropolengebietes,  obwohl  dasselbe 
nach  unserer  heutigen  Terminologie  der  ersten  Eisenzeit  angehört,  keineswegs  ver- 
einzelt, als  isolirlcr  Ueberrest  aus  einer  älteren  Periode,  da.  Es  sind  nicht  nur  ein 
Paar  ähnliche  Stücke  aus  den  letzten  Ausgrabungen  für  das  bosnische  Ijondesmuseum 
in  Sarajewo  gewonnen  worden,  sondern  wir  sind  heute  auch  in  der  IjOge,  einen 
engi'ren,  slylislischt-n  Zusammenhang  zwischen  dieser  ul tert hü m liehen  Fibelform 
und  vielen  anderen  Tumulusfunden  von  Glasinac  nachzuweisen.  Die  eigenUiam- 
liehe  Culturatufe  von  Glasinac,   welche  ich  in  meinem  citirten  Aufsatz  nicht  recht 


(335) 

zu  deßniren  vermochte,  erscheint  mir  heute,  nach  den  wiederholten  umfangreichen 
Ausgrabungen,  welche  ich  im  Auftrage  des  Ministers  für  Bosnien,  Hrn.  B.  v.  Källay, 
an  jenem  Fundorte  geleitet  habe,  um  vieles  verständlicher.  Ich  erblicke  in  ihr  so 
viele  Elemente  eines  älteren  (in  anderen  Gebieten  rein  bronzezeitlichen)  Pormen- 
kreiscs,  dass  ich  nicht  anstehe,  zu  sagen:  wir  haben  es  hier  mit  einer  bisher  un- 
bekannten Mischung  von  Typen  des  Bronzezeit-  und  des  Hallstättor  Styles  zu  thun. 

Die  erste  Eisenzeit  Europas  unterscheidet  sich  ja  von  der  Bronzezeit  nicht 
nur  durch  das  Auftreten  des  zweiten  grossen  Cul türme tall es,  sondern  auch  durch 
einen  neuen,  offenbar  südlichen  Einflüssen  entsprungenen  Styl.  Manche  Typen 
sind  beiden  Perioden  gemeinsam;  so  der  Paalstab  und  der  Hohlcelt,  so  das  Schwert 
mit  breiter  Griffzunge  und  dasjenige  mit  einer  Doppelspirale  anstatt  des  Knaufes. 
Diese  Uebereinstimmungen  beruhen  auf  verschiedenen  Ursachen.  Einfache  Fort- 
existenz des  Typus  aus  der  älteren  in  die  jüngere  Periode  genügt  nicht,  sie  alle 
zu  erklären.  Denn  wenn  das  breitzungige  Bronzeschwert,  wie  jüngst  wieder 
Undset  betont  hat,  als  Grundform  (ägypto-phönicischen  Ursprungs)  an  dem  Aus- 
gangspunkt der  bronzezeitlichen  Schwerttypen  Europas  und  dann  wieder  am  Beginn 
der  Hallstattperiode  erscheint,  so  ist  es  wahrscheinlicher,  dass  hier  eine  doppelte 
Wirkung  derselben  Culturbasis  vorliegt,  des  mittelländischen  Culturkreises  nehmlich, 
der  in  der  Bronzezeit  nur  wenige  vereinzelte  Elemente,  in  der  Begleitung  des 
Eisens  jedoch  einen  ganzen  Schatz  neuer  Formen  nach  Central-  und  Nordeuropa 
ausgestrahlt  hat. 

Ich  will  hier  nicht  darauf  eingehen,  wie  sich  die  Länderräume  dieser  letzteren 
Gebiete  während  der  Bronzezeit  in  entwickelungsreiche  und  entwickelungsarme 
Provinzen  scheiden,  wie  die  einen  später,  die  anderen  früher  von  der  "Alleinherr- 
schaft der  Bronze  abfallen,  und  wie  diese  Verschiedenheit  ihres  Verhaltens  in  der 
Weltlage,  der  natürlichen  Ausstattung  und  der  Configuration  der  einzelnen  Länder 
begründet  ist.  Jeder  weiss,  wie  und  warum  England-Irland  und  Skandinavien- 
Norddeutsch  land  eine  Bronzezeit  von  längerer  Dauer  und  höherer  Entwickelung 
gehabt  haben,  als  z.  B.  Frankreich  und  Südösterreich.  Man  ahnt  auch,  warum  die 
Schweiz  und  Ungarn  in  Mitteleuropa  ein  Länderpaar  bilden,  das  sich  in  seiner 
Entwickelung  eher  den  nordischen  Reichen,  als  den  unmittelbaren  Nachbargebiet^'n 
anschliesst.  Die  ent wickelungsarmen  Bronzezeitprovinzen  sind  keine  anderen,  als 
jene  Gebiete,  welche  von  Süden  her  leichter  zugänglich  waren  und  vom  Styl  der 
ersten  Eisenzeit  rascher  erobert  wurden.  Hierher  dürfen  wir,  von  Griechenland, 
Italien  und  Spanien  abgesehen,  namentlich  die  Länder  zählen,  welche  um  den 
Nordrand  der  Adria  und  des  Golf  du  lion  gelagert  sind,  also  die  Ostalpen  und 
das  Rhonebecken,  bekanntlich  zwei  Hauptgebiete  des  sogenannten  Hallstätter  Cultur- 
kreises. 

In  diesem  grossen  Zusammenhange  erscheinen  mir  die  Einzelheiten,  welche  ich 
seit  Jahren  in  Bosnien  beobachtet,  von  erhöhter  Bedeutung.  Leider  ist  das  Material, 
auf  welches  ich  mich  hier  beziehen  rauss,  so  gut  wie  unpublicirt;  die  Originale 
liegen  in  Sarajewo,  und  ich  selbst  besitze  nichts,  als  die  flüchtigen  Skizzen,  die 
ich  während  der  Ausgrabung  machen  konnte,  nebst  dem  lebhaften  Eindruck,  den 
mir  die  fremdartigen  Details  jener  Grabausstattungen  hervorgebracht  haben. 

Als  ich  vor  2  Jahren  über  die  in  das  Wiener  Hofmuseum  gelangten  Glasinac- 
fonde  schrieb,  konnte  ich  nur  constatiren,  dass  die  Hallstattcultur  im  dinarischen 
Berglande  eine  besondere,  von  den  Gräberfunden  der  Ostalpen  und  ihrer  Formen- 
reihe vielfach  abweichende  Ausprägung  erfahren  habe.  Die  Verwandtschaft  mit 
den  centraleuropäischen  Funden  sei  mehr  eine  allgemeine,  als  eine  durchgehende. 
Ich  sah  zunächst  gewisse  Erwartungen  getäuscht  und  sagte:  „Die  bosnischen  Funde 


können  nicht  als  üchtes  Mittelglied  zwischen  dem  gebenden  Süden 
empfangenden  und  weiter  aasbildenden  Norden  aurgefasst  werden.  Statt 
zu  gewinnen,  die  uns  abwärts  führt  in  den  dnnklen  Schooss  eines  präh 
Werdeprocesses,  sind  wir  auf  eine  Erscheinung  gestosscn,  die  wir  voren 
locale  sccondäre  Sonderentwickelung,  als  etwas  seiner  Art  nach  Spatere 
geleitetes  anifasscn  müssen. " 


'/i  der  Dktürlichen  Grösse, 
,  Glasinsc,  A,  Oberitalieti,  Terramuf,  A^  Toplibica,  Kroatien      H,  Glasinac, 
are,   Oberitaliea.    C,  GlusiDac,  U,  und  ü,  Oberitalien,  Terramare.    E,  a— i 
E,  a — d  Oberitalien,  Terramare. 


Im  abgelaufenen  Jahre  gelang  es  mir  nun,  unterstützt  Ton  dem  C 
bosnisch-hcrzegOTJnischen  Landeamuseoms  in  SarajcTO,  Hm.  Dr.  C,  T 
eine  Anzahl  von  Grabhügeln  aufzaflnden  und  einen  Ringwall  abzugraben,  i 
sich  neben  typischen  Bronzen  der  Glasinacstufe  ziemliche  Mengen  von  Tl 
fragmenten  (Ei  a—d)  ergaben,  die  mit  den  keramischen  Typen  der  TcTTumi 


itlichcn  Pfahlbauten  der  Schweiz  er 
I  Halbkreisen  als  beliebte  Vcrziennij 
Meaacm);  in  der  nngarischen  Bronze 
Schwertklingen  and  schalenförmige] 
geln. 

de  von  Glasinac  mit  ßronzezeitsachci 
irsatz  über  die  ersteren  hingewiesen 
räftig,  weil  die  ungarische  Bronzezei 
iticaltur  in  den  westlichen  Nachbar 
luch  mit  der  Cultnrstare  von  Glnaina 
d  die  TcrramäTon  Oberitaliens  bedea 

nrachen  Fibelform  zurück,  so  schein 
und  Oberitalicn  be-sitzen  gleichartig 
drei  Länderränmen  angleiche  Schick 
hzeitig  dorch  den  Anbruch  der  cratei 
linweggetilgt.  1d  Ungarn  entwickelt 
stiichcn  Landeslh eilen,  ein  „schöne 
aber  ersichtlich  ans  der  alten  Terra 
Funde,  wie  jene  kroatische  Fibel  (X,'_ 
er  Terramare-Fibcl  und  den  specifisc' 
L  ist  wieder  etwas  Anderes  cingetretec 
ilgco:  in  dem  Ursprungsgebiete  de 
—  fand  das  Eisen  frühzeitig  Aufnahmt 
inchea  kostbare  ImportstUck  (wie  jene 
ische  Fibel  aus  Glasinac,  desgleichc 
in  von  demselben  Fundort)  und  mar 
F'abrikationsk reise  Aufnahme  und  üb 
ben  sind,  wie  nirgends  im  Bereich 
>tive  der  Bronzezeit,  die  keramische 
Sehmnckgerälhes,  lebendig  und  wirii 
n  dem  also  war,  so  kann  die  Antwoi 
.nissc  wohl  nur  darin  gefunden  werdei 
«  doch  wohl  eine  ganz  andi're  Widei 
am  Boden  hallen  wird,  als  in  Land 
rckommcn  ist. 

m  Vorsitzenden  anter  dem  .'>.  Fehrut 
lehrer  des  Lübeckischen  Gebietes  un 
klaren  im  Auflrage  des  Vereins  fü 
umskundc  gerichteten  Girculars  voi 

ieten  Umschau  halten,  so  bieten  Kürtei 
IC  Filifitjp^'n  Undset  wegen  der  BpU« 
form  insBuimeostrllen  wollte)  und  Istric 
pn  findet  sich  z.  B.  liie  tjpische  Sthinnrl 
I  durrhlSchertem  Kopfe  norh  auf  Gribe 
izo),  und  auf  dem  Casteliiere  too  Tilli 
ißische  Qesellscbafl  eine  Ansgrabung  *o 
nte,  welche  die  gr5«ste  Uebereiiutiinninc 
int  und  der  Högelgrftber  Bosnieui  ttigtt 


(340) 

niss,  Thoa^schrrre  zu  vcrrortigen.  Diese  Einwnndernng  ^schah  zur  Zeil  di 
jUngsl«n  Alluviuras.  Ob  während  dieser  Zeit  weitere  Völkerbewegungen  slat 
fanden,  ob  die  geringe  Verschiedenheit  der  SIeinwalTen  ein  Zcugnias  davon  it 
dass  die  in  ihren  Jagdgebieten  ruhig  lebenden  Stumme  eine  Entwickelung  dnrcl 
geimicht  haben,  ob  die  WafTcn  der  ältesten  Periode  von  einer  grösseren  und  slü 
keren  Urbevölkerung  herrühren  oder  ob  sie  bloss  EigenthUmlichkeiten  eines  ve 
einzeltcn  Stammes  sind,  wird  sich  vielleicht  erst  erkennen  lausen,  wenn  man  c 
zusammenhängendes  Bild  Über  die  Alterthumsrundc  der  ganzen  Provinz  gewonm 
hat.  Sicher  ist  indessen,  dass  die  hiesigen  Waldindianer  zur  Zeit  der  europäisch! 
Einwanderung  von  den  Campos  Indianern  verdrängt  wurden,  welche  auf  kurze  Zeit  d 
JagdgrUnde  jener  in  Besitz  nahmen,  um  dann  wiederum  den  Europäern  zu  weiche 
Dass  diese  Verdrängung  stattfand,  ist  unverkennbar  für  jeden,  der  mit  Aufmerl 
samkeit  die  hiesigen  SteinwalTen  und  Thongcschirre  studirt  und  nicht  ein  blossi 
Sammler  ist. 

Bei  der  Abschätzung  des  Alters  der  Stein  Instrumente  hat  man  folgende  Anhalt 
punkte:  1.  Fundort  und  Tiefenlage,  2.  Lage  der  Fundorte  zu  einander,  3.  ßeglei 
funde,  endlich  als  unsicherstes  Kennzeichen  4.  die  Verwitterung  und  Inkrustirm 
der  SteinwafTen. 

Es  ist  klar,  dass  man  eine  halbwegs  sichere  Altersabschätznng  nicht  in  Hnse« 
oder  an  fertigen  Sammlungen  vornehmen  kann,  sich  auch  nicht  auf  Berichte  v( 
Colonisten,  welche  die  Stein  Instrumente  fanden,  verlassen  darf,  sondern  dnrchai 
persönlich  alle  genannten  Anhaltspunkte  prüfen  muss.  Aus  diesem  Grunde  hat 
ich  auch  bei  vorliegendem  Berichte  nur  diejenigen  SteinwafTen  in  Betrochtang  g 
zogen,  betreffs  derer  ich  absolut  sicher  bin. 

Im  Allgemeinen  bietet  die  Tiefenlage  der  Funde  an  sich  allein  kein  besonde 

werthvollea  Kennzeichen    zur  Bestimmung  des  Alters,  denn,    wie  schon  gesagt,    i 

handelt  sich  nur  um  die  oberste  Alluvialschicht.    Diese  hat  im  Laufe  der  Ictzb 

50  Jahre    nach    dem  Aufhauen    des  Waldes    durch  An-    und  Abscbwemmong    b 

deutende  Veränderungen   erlitt<'n.    An   einzelnen  Stellen   sind  neuere  Instrumcn 

mit   hohen  Lagen   von  Kies,    Lehm   und  Humns  bedeckt,   ältere  SteinwalTen  ab 

blossgelegt  worden.  So  habe  ich  an  ein 

Stelle   etwa   2  Puss  tief  im  Humus  nei 

I      Sachen  gefunden;  darüber  lag  eine  Lehn 

schiebt    von  ungefähr    1  Puss  Dicke  m 

oben  darauf  alte  Topfscherben  und  Sleii 

Z  Splitter,   sowie  auch  geringe  Aschenrest 

ji  Dieser    ältere  Peuerplatz  lag  urapr1lngli< 

o'  etwas  höher  am  Berge  als  der  neuere,  nt 

so  war  es  möglich,  dass  die  älteren  Sach« 

K  Utpre  Fuude,  L  Lehm,  J  jfiDtcfrc  Puiido,      über  die  neueren  gerolll  wurden.     Dies- 

;    H  Humus.  G  Geschiebe,  F  Fels.  Vorgang   steht    nicht    vereinzelt  da,    nu 

sieht   aber,   wie   trüglich  es  ist,   so  ohi 

Weiteres  den  Scbluss  zu  ziehen,  dass  tiefer  liegende  Instrumente  älter  sein  müssi 

als  höher  liegende.    Man  mng  meinen,  dass  man  doch  immerhin  benrtheilen  kan 

ob  die  Fondstucke  noch  unberührt  oder  ob  sie  durch  Wasser  auseinander  gcworfi 

wurden,  —  das  ist   aber   nur  in  den  seltensten  Fällen  möglich,   und  nur  für  dei 

jenigen,    der  die  Enlbewegung  des  betreffenden  Fundortes  längere  Jahre  hindnn 

genau  beobacblel  hat.    Erschwert  wird  femer  die  Sache  dadurch,   dass  die  Sleii 

Waffen  sehr  vereinzelt  liegen,    und  unter   l(*0  Steinäxten  nur  kaum  bei  "20  ein  Zi 

sammenhang  mit  einem  Scherbenhaufen  nachzuweisen  ist.     Ferner  habe  ich  beol 


(341) 


Aeltei 


Fig.  1-4. 

Mono 


Fig.  1  Porphjrbeil,  get. 
dkble.  Land  von  Thums.  üe- 
gleitfund;  kaum  erkennbare Thon- 
Bcherben.  —  Fig.  2  Baaaltbetl, 
gcf.  im  Morro  diabte,  Land  von 
H&tligeT.  —  Fig  3  Steinbeil,  gef. 
im  Horro  diable,  Land  von  Blau. 
—  Fig.  4  BnichstQck  einer  Stein- 
alt, gcf.  zusammen  mit  Fig.  2. 


Mittelpcriode.  Pig.5-12 
Fig.  b  nach  Art  der  Pfeilspitzen 
behauPne  Ait.  Feliz,  Land  von 
Arndt.  —  Fig.  6—8,  Fundort  Land 
von  Fleck,  Feliz.  Begleitfunde: 
gerippte  Scherben  und  ein  kleiner 
Topf.  —  Fig.  D,  Fundort  Land  von 
Ten  Ta«g,  Feli».  —  Fig.  10  l.inha 
Franics,  Land  von  Altbaus.  — 
Fig  11  Escadinha-Cahj,  Land 
von  Panienbagpn.  —  Fig.  12 
Forrom  ecco,  Wasserscbmied. 


Nei 


Fig.  18- IR 


Fip.  l3o  modo  Alt.  h  dieselbe 
von  oben.  -  Fig.  14  Steinalt  mit 
Rinne,  Forromecco,  Land  von 
Fonseca.  Begleitfund:  Eisen- 
gerlth.  —  Fig.  15  Steinalt,  gef. 
in  Feliz-Cahy,  Land  von  Fleck: 
Begleilfunde:  bemalte  Scberben, 
Seemuscheln  —  Fig.  16  Steinaxt 
mit  Binne,  Palmyra,  Land  von 
Pola.  Begleitfund;  gerippte 
Scberben  —  Fig.  17  Steinalt,  be- 
hauen, gef.  im  Morro  diable,  Land 
von  Winter.  Begleitfund;  neuere 
Töpferarbeiten.  —  Fig.  18  Stein- 
axt mit  Rinne,  gef.  Fiaso  de  8el- 
bach-Cah;.  BegleitTunde :  be- 
malte Scherben. 


achtet,  wie  SteinwalTen  im  Winter  in  den  erweichten  Hamua  eiusonken  und  zuletzt 
auf  der  unter! ugcrndi'n  Lchmschicht  liegen  blieben,  so  dass  es  den  Anschein  hatte, 
a.\a  ob  der  sie  bedeckende  liumus  erat  spüter  durUber  gekommen  sei.  Wollte  man 
nun  etwu  berechnen,  um  wie  viel  sich  die  Humusschicht  von  Jahrzehnt  zu  Jahr- 
zehnt durch  vegetabilische  Abralle  verdickt,  und  dann  einen  Schiusa  ziehen  auf  das 


(342) 

Alter  der  StcmwafTen,  so  käme  man  zu  den  rerschicdcnsten  und  abentcaerlichste 
Resultaten. 

Sehr  werthToU  ist  es,  wenn  man  etwa  2  oder  3  in  nicht  zn  grosser  Enlfei 
nung  von  einander  liegende  Feueratellen  unterscheiden  kann.  An  solchen  Orte 
haben  sicherlich  nicht  mehrere  Familien  oder  Stämme  zu  gleicher  Zeit  gchaus 
sondern  solche  Lagerplätze  gehören  rerschicdencn  Generationen  an.  In  hicsigt 
Gegend  legitimirt  sich  gewohnlich  eine  dieser  Lugeretellen  durch  mehr  oder  wenigt 
zahlreiche  bemalte  Scherben  als  eine  neue  (100—300  Jahre).  Ich  erwähne  hie 
den  Lagerplatz  auf  dem  Lande  des  Colonisten  Flock,  Piccade  Foliz-Cuhy,  den  ic 
am  Schlüsse  meines  ersten  Berichtes  beschrieb.  Hier  lagen  neben  und  über  gt 
wohnlichen  gerippten  Scherben  auch  bemalte  aus  der  Neuzeit,  sowie  Knochen,  Se<: 
und  Flussmuschcln,  Eiscngeräth  Tand  ich  hier  nicht,  möglich,  dass  sich  spät« 
solches  findet,  denn  der  sehr  grosse  Fcuerplatz  ist  nur  erst  zum  kleinsten  Theil 
von  mir  umgegraben  worden.  Die  Vegetation,  die  den  Ort  überwuchert  hat,  bt 
steht  aus  dornigen  Hecken  und  Schlingpflanzen;  einige  Bäume,  die  darans  hervoi 
ragen,  unterscheiden  sich  durch  ihre  Kleinheit  von  den  sonstigen  Urwaldsriesci 
Es  ist  zweifellos,  dass  dieser  Lagerplatz  der  Neuzeit  angehört.  Etwa  500  m  weite 
nördlich  von  dieser  Stelle  am  Berge  ist  ein  zweiler  Lagerplatz.  Hier  sind  di 
Baume  so  hoch,  wie  alle  anderen.  Asche  und  Kohlenspnren  waren  nicht  toi 
banden,  wohl  aber  eine  Menge  gut  gebrannter  und  solid  gearbeiteter  Thonscherbei 
Die  grossen  Töpfe  waren  alle  zerbrochen,  von  einem  fand  sich  noch  der  Hand  nn 
nur  ein  kleiner,  recht  sorgfältig  gearbeiteter  Topf  war  noch  ziemlich  unverleti 
(Verh.  1890.  S.  S2.  Pig- 4).  Später  fand  der  Besitzer  des  Landes  auf  derselbe 
Stelle  noch  die  Steinbeile  Fig,  (i— 8  und  da  sich  dieselben  auch  durch  ihre  In 
krustirung  Ton  dem  auf  dem  neuen  Lagerplätze  gefundenen  Steinbeile  (Fig.  IS 
unterscheiden,  so  ist  wohl  gestattet,  diese  Instrumente  der  der  Neuzeit  voran 
gegangenen  Periode,  welche  ich  Mittelperiode  nennen  möchte,  zuzuweisen.  Ic 
mache  darauf  aufmerksam,  dass  die  Beile  der  Mittelperiode  an  der  Schneide  theil 
weise  schmaler  sind,  als  am  stumpfen  Ende,  was  bei  den  Beilen  der  Neuzeit  nn 
sehr  ausnahmsweise  der  Fall  ist:  diese  sind  an  der  Schneide  breiter,  als  at 
stampfen  Ende.  Das  ist  ein  werthrolles  Unterscheidungszeichen,  welches  ich  a 
hunderten  von  Steinäxten  beobachtet  habe.  Ganz  scharf  ist  die  Scheidung  nichi 
denn  manche  Stämme  blieben  anch  in  der  Neuzeit  in  BetreiT  des  Formens  uni 
Brennens  ihrer  Thongefässe  bei  der  von  den  Vätern  überkommenen  Art;  in  de 
Art  ihrer  Waffen bearbeitung  freilich  waren  sie  weniger  conservativ,  wenngleich  de 
Fortschritt  solcher  einsamen  und  abgelegenen  Stämme  (Reste  der  Waldbugrcs)  na 
ein  geringer  ist. 

Ein  zweifelloser  nnd  bezeichnender  Unterschied  zwischen  2  Perioden  Hess  sie: 
auch  an  den  Steinfunden  auf  dem  Morro  diable  fcsstcllcn.  In  einem  hohlen  Baumi 
(also  Neuzeit)  wurden  etwa  30  Steinäste  gefunden,  wovon  ich  12  erhielt.  Die* 
Beile  sind  behauen  und  an  der  Schneide  polirt  (wahrscheinlich  dnrch  den  Gebrauch] 
Die  Bogicitfunde  bestanden  aus  Scherben  gewöhnlicher  gerippter  dünnwandige 
Töpfe,  schön  georbrileten  Schüsseln,  Pfeilspitzen  von  Achat,  Ach atstein brocken  um 
sehr  vieler  Asche.')  Knochen  und  Eisen  war  nicht  vorhanden.  Wenn  man  di 
FundstUcke  zusammen  vor  sich  sieht  und  sie  mit  denen  anderer  Lagerplätze  ver 
gleicht,  bekommt  man  sofort  den  Eindruck,  dass  der  betreffende  Stamm  eine  gnn: 
besondere  Intelligenz  gehabt  haben  mnss.    Einige  der  Steinäxte  waren  so  gearbeitet 

1)  Ebenso  fand  man  eine  vereinzelt«  Bola,  and  diese  verrieth  dentlich  genug,  das: 
der  Stamm  vom  Caiii]io  hierher  gewandfrt  war. 


(343) 

dass  man  einen  Stiel  daran  befestigen  konnte,  obschon  die  Befestigungsrinne  fehlte. 
Andere  waren  wieder  nur  für  den  Gebrauch  in  der  blossen  Hand  bestimmt. 

Hätte  sieh  nun  in  der  Nähe  vorbeschriebenen  Ortes  noch  ein  anderer  Lager- 
platz mit  gewöhnlichen  Scherben  auffinden  lassen,  so  wäre  wohl  auch  hier  eine 
Mittelperiode  erkennbar  gewesen.  Aber  Töpfe,  Urnen  oder  Scherben  sucht  man  im 
Umkreise  von  '/j  Meile  vergebens.  Wohl  aber  fand  man  auf  dem  dicht  nebenliegen- 
den Lande  (von  Häfliger)  ein  walzenförmiges,  sehr  verwittertes  ßasaltbeii  (Fig.  2), 
sowie  das  Bruchstück  einer  gewöhnlichen  Axt  (Fig.  4).  Beide  Instrumente  gehören 
zusammen,  da  sie  nicht  nur  von  demselben  Material  gearbeitet  und  zusammen  ge- 
funden sind,  sondern  weil  auch  die  Verwitterung  eine  gleichmässige  ist.  Auf  einer 
anderen  nebenliegenden  Kolonie  (Land  von  Thums)  wurde  beim  Sturze  eines  sehr 
alten  Baumes  in  dem  Felsgerölle,  das  dessen  Wurzeln  mitgerissen  hatten,  ein 
Porphyr-Beil  gefunden  (Fig.  1).  In  dieser  Erde  fanden  sich  auch  noch  sehr  geringe, 
kaum  erkennbare  Scherbenspuren.  Beide  walzenförmigen  Beile  sind  einander  so 
ähnlich  in  der  Form,  wie  nach  ihrer  Verwitterung,  dass  sie  zu  gleicher  Zeit  von 
dem  gleichen  Stamme  gebraucht  sein  müssen.  Das  Basaltbeil  lag  auf  einem  Hügel- 
rücken, das  Porphyrbeil  an  einem  Abhänge  ziemlich  tief  im  Boden  und  gleich  tief; 
beim  Ausgraben  eines  Lehmloches  fand  ein  anderer  Kolonist  (Blau)  in  der  Nähe 
das  Beil  (Fig.  3).  Dieses  Beil  ist  nicht  verwittert,  wie  die  anderen  beiden;  es 
scheint,  dass  die  gute  Politur  dies  verhindert  hat,  sowie  auch  seine  geschützte 
Lage  im  festen  Lehm,  doch  hat  es  ganz  dieselbe  Form,  nur  ist  die  Spitze  ab- 
gebrochen. Es  lässt  sich  erkennen,  dass  es  zuerst  aus  dem  Steinknollen  roh  zu- 
gehauen, dann  etwas  feiner  gepickt  und  zuletzt  polirt  worden  ist.  An  einer  Stelle 
ist  das  Behauen  nicht  recht  gelungen,  es  sprang  zu  viel  ab,  aber  trotzdem  hat  der 
Bugre,  der  es  gebrauchte,  über  die  schadhafte  Stelle  hinwegpolirt.  Diese  3  Beile 
(Fig,  1,  2,  3)  sind  fast  doppelt  so  gross,    wie  alle  übrigen,    die  ich  gesehen  habe. 

Aus  der  starken  Verwitterung  der  Beile  selbst,  ihrer  auffälligen  Form  und 
Grösse,  aus  der  Abwesenheit  eines  (verschütteten  oder  verschwemmten)  Feuer- 
platzes, sowie  wegen  der  ganz  morschen,  kaum  erkennbaren  Begleitfunde  von 
Scherben,  femer  aus  dem  Umstände,  dass  am  Fusse  des  Morro  diable,  etwa 
1  Stunde  vom  Fundorte  dieser  Beile  entfernt,  eine  Mittelperiode  zu  constatiren  ist, 
deren  Steinbeile  die  Form  wie  Fig.  8,  11  und  12  haben,  schlicsse  ich,  dass  die 
Waffen  (Fig.  1,  2,  3,  4)  der  ältesten  Periode  angehören.  Vielleicht  ist  das 
letztgefundene  Beil  (Fig.  3)  etwas  jünger,  aber  jedenfalls  nicht  viel.  Ueberdies 
erhielt  ich  aus  derselben  Gegend  noch  eine  abgebrochene,  sehr  stark  verwitterte 
Axtschneide,  die  ebenfalls  von  einem  Beile  wie  Fig.  1  und  2  stammt 

Findet  man  in  einem  kleinen  Umkreise  viele  Feuerplätze  und  Scherbenhaufen, 
wie  das  im  Thale  des  Gaby  und  Ferro mecco  hau 6g  vorkommt,  so  ist  man  nicht 
in  der  Lage,  festzustellen,  zu  welchem  Feuerplatze  die  gefundenen  Steinäxte  eigent- 
lich gehören,  und  man  muss  sich  die  Anhaltspunkte  zu  einer  Altersbestimmung 
an  den  vereinzelter  liegenden  Fundorten  suchen.  Die  plump  und  roh  gearbeiteten 
Waffen  für  alt,  die  gut  und  geschickt  gefertigten  für  neu  zu  erklären,  wäre 
recht  voreilig.  Die  Neigung,  dies  zu  thun,  besteht  aber.  Auch  möchte  ich  die 
starke  Verwittei'ung  nur  sehr  bedingungsweise  als  Alterskennzeichen  ansehen,  jeden- 
falls aber  bei  nur  einzeln  gefundenen  Instrumenten  lieber  gar  nicht  in  Betracht 
ziehen.  Es  ist  klar,  dass  ein  behauenes,  wenig  geglättetes  Beil  leichter  verwittert, 
als  ein  glattpolirter  Flusskiesel  unter  gleichen  Bedingungen.  Zudem  kann  ein  altes 
Instrument  in  geschützter  Lage  ziemlich  unversehrt  bleiben.  Ferner  leistet  ein 
Beil,  welches  aus  einem  oberflächlich  vom  Felsen  abgesprengten  Stücke  gearbeitet 


(344) 

ist,  den  Angriffen  der  Zeit  ond  des  Wetters  veniger  Widerstand,   als  ein  solches, 
dos  aus  dem  Rcmc  desselben  Felsatückcs  hergestellt  ist. 

Ich  besitze  z.  B.  ein  aehr  roh  behauenes  Beil  mit  Stielrinne,  starii  vervittcrl 
(Fig.  14).  Dass  es  aber  trotz  der  starken  Verwitterung  der  Neuzeit  entstammt, 
verräth  der  eiserne  Griff  eines  alten  spanischen  Stossdegens.  wie  solche  etwa  ror 
300  Jahren  in  Gebrauch  waren.  Dieser  Degengriff  wurde  mit  dem  Beile  an  dem- 
selben vereinzelten  Lagerplatze  gefunden.  Hier  lag  auch  noch  ein  anderes  ganz 
plumpes  Beil  aus  Flusskiesel,  nar  wenig  inkrustirt.  Beide  Instrumente  scheinen 
der  frühen  Neuzeit  (Uebergangsperiode?)  anzugehören.  Die  Scherben  des  Feuer- 
platzes waren  gerippt. 

Betreffs  der  mnden  Äeste  (Fig.  13)  herrscht  die  Meinung,  dass  sie  nur  in  der 
Waldregion  hiesiger  Provinz  gefunden  werden  und  darum  eine  Waffe  der  Wald- 
bugr«s  seien.  Wenn  das  der  Fall  wäre,  so  könnten  nur  die  Waldbngrcs  der  Neu- 
zeit diese  Waffe  besessen  haben.  An  Fandorten,  die  mit  Sicherheit  der  Mittel- 
periode entstammen,  habe  ich  runde  Äxte  ebenso  wenig,  wie  Botas,  entdeckt.  Runde 
Aexte  werden  in  hiesiger  Gegend  nnr  da  gefunden,  wo  auch  bemalte  Scherben, 
neuer«  Töpferarbeiten  und  Bolaa  vorhanden  sind,  und  da  ich  nicht  annehmen  kann, 
dass  die  Waldbugres  der  Neuzeit  so  anpraktisch  waren,  sich  im  Walde  mit  Bola- 
werfen  abzuquälen,  vielmehr  die  Bolas  als  Waffen  der  in  den  Wald  retirirten 
Campos- Indianer  kenne,  so  hege  ich  die  Ansicht,  dass  diese  fliehenden  Camp- 
Indianer  anf  ihrem  Rückzüge,  der  mit  ihrer  Neuzeit  zusammen fSllt,  in  Betreff  ihrer 
Waffen  einen  PoriBchritt  machten  und  die  runden  Äeste  erfanden.  Anf  dem  Canipo 
fanden  sie  dazu  nur  wenig  geeignetes  Material;  als  sie  aber  in  den  gebirgigen 
Urwald  drangen,  bot  sich  ihnen  hartes  Steinmaterial  die  Fülle.  Die  runden  Aexte 
sind  anf  dem  Campo  selten  (ich  besitze  2  Stück,  die  anf  dem  alten  Campo  von 
Sab  Leopolde  gcfonden  wurden),  im  Urwalde  aber  sind  sie  viel  häufiger.  Wenn 
einmal  später  der  Campo  so  gut  umgehackt  und  umgepHügt  sein  wird,  wie  die 
Wald-Kolonie  hiesigen  Staates,  dann  werden  auch  noch  mehr  runde  Aexte  zum 
Vorschein  kommen. 

Ausserdem  findet  man  hier  und  da  kleine  Steinäxte,  die  am  stumpfen  Ende  platt 
geschliffen  sind  (Fig.  19).  Diese  eignen  sich  wegen  ihrer  Kleinheit  meist  nicht  znm 
Handgebrauch,  vielmehr  wurden  sie  augenscheinlich  in  einen  Stiel  befestigt,  auf  die 
Art,  dass  man  in  den  Stiel  eine  Höhlung  machte  (Fig.  20).  Diese  kleinen  Aexte  habe 
ich  ebenfalls  nnr  in  Gemeinschaft  mit  Bolas  und  bemalten  Scherben  oder  wenig- 
stens mit  besseren  Töpferarbeiten  gefunden.  Ans  der  Zeit  vor  der  europäischen 
Einwanderung  sind  mir  solche  noch  nicht  bekannt  geworden. 

Ausser  den  Steinäxten  sind  noch  folgende  Steinin strumente  zu  erwähnen: 

1)  Bchauene  Pfeilspitzen  von  Achat.  Nur  einige  solche  Pfeilspitzen  habe 
ich  an  Begleitfunden  als  der  Neuzeit  angehörig  erkennen  können;  im  Ganzen 
konnte  ich  ihr  Alter  nur  aus  der  leichten  Verwitterungsach i cht  muthmaassen,  und 
du  crgiebt  sich,  dass  die  nnachcinend  alten  Pfeilspitzen  genau  ebenso  sorgfältig 
gearbeitet  sind,  wie  die  neuen,  und  dass  keine  Abweichung  in  der  Form  stattfindet. 

2)  Sandreibsteine  (Fig.  21).  Diese  sind  handgroas  und  grösser,  theilweisc 
glutt  und  abgenutzt,  theilweisc  anch  mit  tiefen  Rinnen,  die  sich  öfter  kreuzen,  ver- 
sehen. Es  ist  unklar,  welche  Inatrumente  auf  solchen  Steinen  geschliffen  wurden. 
Das  Schleifen  von  Acxten,  Bolas  oder  Eisengeräth  erzeugt  so  tiefe  Rinnen  nicht, 
hüchalcns  können  Schmuckperlen  oder  Pfeilhölzer  darin  glatt  geschliffen  sein.  Die 
Reibstcinc  der  Mittelperiodc  und  der  Neuzeit  sind  sich  gleich. 

3)  Topfsteine  (Pig.  22,  a—e).  Ueber  solchen  Steinen  formte  man  den  Boden 
der  Töpfe,  darum  findet  man  sie  in  der  Nähe  von  Brennlöchem.   Die  Scherben  dieser 


(346) 

1)  Thonscherben   raU  Rand  Verzierung  (Fig.  1).    Seltenheit   hier.    Unverziei 
Stücke  giebt  es  die  Menge. 

2)  Stück  Bciii.    Zum  Gebrauch   ausgebrochen  und  durch  Gebrauch  geglätt 
Zweck  unbekannt. 

'6)   Stück  Hirschhorn.   Zum  Gebrauche  geschnitten,  benutzt.    Zweck  unbekani 

4)  Geschliffenes  Bei!  aus  Hörn. 

5)  Fischorangol  von  benicrkonswerthcr  Gerülllgkelt  der  Form  aus  Hom  {Fig. '. 


Figur  2 


7,  der  natürlichen  Grösse. 

Q)  Glatte  Lamelle,  gebraucht,  aus  einem  llippenstück  hergestellt.  Zweck  u 
bekannt. 

7)  Geschliffener  Mcissel  aus  Knochen  vom  Hirsch. 

8)  GeschlilTencs  durchbohrtes  Gcräth,  ans  einer  Rippe  hergestellt.  Zwe 
unbekannt. 

!l)   Abgebrochener,  geschliffener  Beinmeissel. 
10)    Zugeschiiffenes  löffelartiges  Geräth  aus  Bein  {Fig.  3). 

Ausserdem  Tanden  sich  aas  dem  Steinreiche:  Feuersteine,  bearbeitet  und  nie 
bearbeitet,  meist  grau,  schwarz  oder  roth;  2  grössere  Handstücke,  wie  kleinei 
zeigten  keine  Benutzung  zum  Fcuorscb lagen.  1  tellerförmiger,  in  der  Mitte  durc 
bohrter  Stein  von  hier  nicht  gewühnlicbem  Sandstein.  2  StUcke  roth  färben 
Erzes  werden  weiter  untersucht.  Steinmclssel,  schwarz,  polirt.  Stcinmcissel,  hal 
geschliffen,  abgeschaftet.  Steinmeisscl,  roh  zubehaucn  zu  weiterer  Bearbeitung,  n 
gebraucht.  Steinmeissel,  gebraucht,  roh  mit  wenig  Bearbeitung.  1  Stück  Lul 
;ius  halbgebranntem  Thon  geformt.  Sog.  Kornreiber,  Glasstücke,  versteinertes  Hoi 
slück,  bemaltes  Steinstück. 

Aus  dem  Thiorreiche:  wie  früher,  Bos  Taurus,  Hirsch,  Sus,  Capreola,  Cap, 
Eijuus,  neu.  Igel  und  Hund,  von  letzterem  gut  erhaltener  Schädel  mit  10  Ziihn 
des  Oberkiefers,  Unterkiefer  fehlt,  Stirn  -t  cm  breil,  Hinterkopf  bis  zur  Naht  5  t 
Länge  des  Kopfes  von  oben  bis  zum  Ende  des  Nasenbeins  10  n». 

Aus  dem  Pflunzenreicb.  Als  neu  erralllclt  sind  aufzuführen:  Samen  v 
Seifenkraut  und  Froschlöftel. 


(Ui)   Das  correspondiremle  Mitglied,  Hr.  Bernhard  Ornstein  zu  Athen  Ub< 
sendet  unter  dem  1Ü.  März  folgende  Mittheilung  über 

silberfarbiges  Haar. 
In  Nr.  334   des  Jahrgangs  tiSä4   brachte   die   hiesige  „Ephcmeris"   in   ihn 
Blatte  vom  23.  Uccember  a.  St.  die  Neuigkeit,  dass  eine  mit  ihrer  Mutter  in  Pa 
sich  aufhaltende  junge  Polin,    Namens  Sacba,    durch    ihr   silberfarbiges  Haar    v 


(347) 

seltener  Schönheit  die  Bewunderung  der  mit  ihr  verkehrenden  oder  ihr  begegnenden 
Personen  auf  sich  ziehe.  Dieser  von  der  Ephemeris  quasi  als  Unicum  be- 
zeichnete Fall  gab  Anlass  zu  der  folgenden,  in  Nr.  339  derselben  Zeitung  ent- 
haltenen, einschlägigen  Mittheilung  des  auf  Ithaka  ansässigen,  bekannten  Rechts- 
anwalts, Hrn.  Hippokratcs  Karavias.  Fräulein  Sacha,  schreibt  derselbe,  hat  eine 
ebenbürtige  Nebenbuhlerin  in  Griechenland,  und  zwar  auf  meiner  Heimathinscl 
Ithaka,  in  der  achtjährigen  Tochter  des  Fassbinders  Labova.  Das  Mädchen,  be- 
richtete er  weiter,  ist  weisshaarig  geboren,  ohne-  dass  es  Merkmale  von  Albinismus 
an  sich  trüge.  Die  lebhaften  Augen,  sowie  die  blühende  Gesichtsfarbe  sprechen 
für  normale  Gesundheitsverhältnisse.  Bemerkenswerth  ist,  dass  die  Hautfarbe  der 
Eltern  in's  Bräunliche  fällt  oder  wenigstens  den  Eindruck  eines  vergleichsweise 
dunklen  Colorits  macht.  Somit,  schliesst  der  Epigone  des  Ulysses  schwunghaft, 
kann  Griechenland  sich  rühmen,  nicht  nur  die  goldhaarige  Sphakiotin')  zu  besitzen, 
sondern  auch  ein  lebendiges  und  vollkommneres  Exemplar  dieser  Art:  „das  silber- 
haarige Mädchen  von  Ithaka". 

Nach  einigen  Wochen,  am  28.  December  1884  a.  St.,  veröffentlichte  dasselbe 
Blatt  nachstehende,  hierhergehörige  Beobachtung  des  in  Galaxidi  wohnhaften  Arztes 
Dr.  Raralivanos:  „Vor  17  Monaten  begab  ich  mich  zum  Besuch  eines  Kranken 
nach  Amphissa  Ich  sah  unter  anderen  daselbst  ein  junges  Mädchen,  welches 
nach  einiger  Zeit,  wie  ich  erfahren  habe,  gestorben  ist.  Dasselbe  war  12  Jahre 
alt,  hübsch  von  Gesicht,  von  weisser  Hautfarbe  und  sanguinisch-lymphatischem 
Temperament.  Auch  der  Wuchs  war  dem  Alter  entsprechend,  dagegen  waren 
Augenbrauen,  Wimpern  und  Kopfhaar  silberfarbig.  Auf  meine  Erkundigung  erfuhr 
ich,  dass  die  Eltern,  welche  ich  überdies  persönlich  kenne,  von  Gesicht  und  Haaren 
bräunlich,  kräftig  und  gesund  sind,  dass  sie  drei  dergleichen  weisshaarige  Kinder, 
ein  männliches  und  zwei  weiblichen  Geschlechts,  erzeugt  hatten.  Der  Knabe  starb 
im  Alter  von  zwei,  das  eine  Mädchen  von  acht  Jahren  und  das  dritte,  von  dem 
die  Rede  ist,  bald  nachdem  ich  dasselbe  zu  sehen  Gelegenheit  hatte.  Auf  diese 
drei  Kinder  folgten  noch  drei  andere,  welche  keine  Spur  dieser  Abnormität  an  sich 
trugen". 

Ferner  schreibt  die  „Neue  Zeitung"  in  ihrer  Nr.  346  desselben  Jahres:  „Es 
wird  viel  über  ein  Mädchen  in  Ithaka  gesprochen,  welches  mit  weissem  Haar 
geboren  ist,  wie  wenn  es  sich  um  etwas  sehr  Seltenes  handelte.  Auf  Paxos 
—  XlaifiQ  —  lebt  nach  dem  „Volk"  (einer  seitdem  eingegangenen  Zeitung)  ein  von 
Geburt  weisshaariges  Brüderpaar,  Söhne  des  Nicola  Arvanitaki.  Das  Merk- 
würdigste dabei  ist,  dass  der  Vater  derselben  von  bräunlicher  Gesichtsfarbe  und 
dunkelhaarig  ist." 

Obgleich  ich  seit  56  Jahren  in  Griechenland  lebe  und  dasselbe  Ende  der 
achtziger  Jahre  als  Sanitäts-Inspektor  in  allen  Richtungen  zu  durchkreuzen  hatte, 
habe  ich  doch  nie  Gelegenheit  gehabt,  einen  derartigen  Fall  zu  beobachten.  Ab- 
gesehen von  der  unverbürgten,  das  polnische  Fräulein  betreffenden  S^eitungsnach- 
richt  würde  ich  mich  auch  dem  ersten  und  dritten  Fall  gegenüber  skeptisch  ver- 
halten, wenn  nicht  die  Mittheilung  des  Kollegen  Karalivanos  volle  Glaubwürdig- 
keit beanspruchen  dürfte.  Der  mir  seit  1847  bekannte,  bedächtige  Mann,  der 
in  Göttingen  studirt  und  daselbst  im  Jahre  1846  doclorirt  hat,  beschreibt  die 
Wimpern,  die  Brauen  und  die  Kopfhaare  als  silberfarbig  „apyjpo.Dam^".  Diese 
Bezeichnung   schliesst   in   meinen  Augen   die  Vermuthung  aus,   dass   die  lebhafte 

1)  17  ;(f^i/0o^r(Ailoi/oa  ttuv  2.(paxi6iv  ist  eine  Anspielung   auf  ein  so  betiteltes  Gedicht 
des  pensionirten  Gymnasialprofessors  Antoniades. 


(348) 

griechische  Phantasie  das  hierorts  allerdin^  seltene  hellblonde  Haar  zu  eine 
silbertarbi^^a  gemacht  haben  könne. 

Aus  den  vorstehenden  drei  BeobachtQDgen  lässt  sich  meines  Dafürhaltens  keii 
weitere  sichere  Schlussrolgerung  ziehen,  als  daaa  die  Fignentkömchen  in  d 
Marksubstanz  des  silberfarbigen  Haares  entweder  nicht  so  entwickelt,  oder  nicbt 
dunkel  sind,  als  gewöhnlich,  oder  dass  sie  vollständig  fehlen.  Dieser  abnorme  Zustai 
der  nur  sporadisch  beobachtet  und  nicht  vererbt  wird,  weckt  freilich  auf  den  erst 
Blick  die  Erinnerung  an  Albinismus,  doch  liegt  auch  in  obigeu  Füllen  der  Gedan 
nicht  fem,  dass  derselbe  lediglich  als  ein  vereinzeltes  Kennzeichen  der  Leukäthio[ 
in  die  Erscheinung  tritt.  Der  Zufall  hat  mir  allerdings  keinen  Albino  der  occai 
sehen  Rassen  oder  der  Galla's  u.  s.  w.  in  den  Weg  geführt;  indess  hatte  ich  ei 
mal  Gelegenheit,  einen  Kakerlaken  aus  dem  Uan;  auf  der  Braunschweiger  Hes 
zu  sehen-  Ich  habe  heute  noch  dos  Bild  des  jnngen  Menschen  mit  der  milc 
weissen  Haut,  dem  schlichten  weissen  Kopfhaar,  der  blassen  Iris,  der  rothen  Pupil 
und  der  fortwährend  zitternden  Bewegung  des  Augapfels  Tor  Augen.  Wir  steh 
hier  vor  einem  Symptomencompicxe,  zu  dem  sich  nach  mir  zugängigen  Autor 
ausser  einem  in  der  Regel  schwächlichen  Körperbau  und  einer  solchen  Mnsculal 
noch  Lichtscheu  und  Kurzsichtigkeit  gesellen  und  somit  dem  Individuum  ein  nah 
zu  pathologisches  Gepräge  aufdrücken,  während  die  weisse  Haarfarbe  an  und  ( 
sich  als  ein  Naturspiel  ohne  jedwede  functioncllc  Störung  sich  kandgiebt. 

Warum  sollte  nicht  auch  beim  Menschen  eine  Abnormität  zur  Beobachtu 
kommen,  welche  bei  Thieren,  wie  z.  B.  in  seltenen  Füllen  beim  weissen  E 
phunten  in  Siam,  in  Europa  häufiger  bei  isa  bellen  farbigen  Pferden,  ohne  Functioi 
beeinträchtigung  vorkomrati*  So  habe  ich  die  persönliche  Erfahrung  gemacht,  du 
das  in  der  Umgebung  der  Stadt  Mitylcne  auf  Lesbos  und  besonders  in  der  Nä 
der  2  Stunden  entfernten  heissen  Schwefelquelle  weidende  Rindvieh  fast  durc 
gängig  isabellen  färb  ig  ist,  und  zwar  von  einem  vergleichsweise  etwas  heller 
Colorit,  als  die  Pferde  dieser  Art  zu  zeigen  pflegen. 

Schade,  dass  obige  silberfarbigen  Haare  bezüglich  ihrer  Struetur-  und  Tcxti 
Verhältnisse  nirgends  mikroskopisch  untersucht  wurden. 

(17)  Hr.  Paul  Ehrenreich  übergiebt  eine  Anzahl  von  ihm  im  Sommer  IS 
auf  Hissarlik  aufgenoramener  Photographien  zum  Geschenk. 

(Ift)  Hr.  Ä.  Baesslor  hat  eine  Aass teil ung  zahlreicher  Photographien  vi 
Sulu,  den  Philippinen  und  den  Molucken  im  Saale  veranstaltet. 

(ly)  Hr.  Bartels  zeigt  neuerdings  veröffentlichte  Abbildungen  von  den 
Ruinen  von  Zimbabye 
im  Matabelen-Lande,  Süd-Afrika,  welche  theils  in  den  Proccedings  of  the  Ro; 
Geographica!  Society  London  \8'3\,  zum  grösseren  Theilc  in  der  Zeitung:  1 
Cape  Argus  (IT.  Uct.  IHW)  erschienen  sind.  Ausserdem  legt  er  die  nach  d 
Originalen  aufgenommenen  Fhotogmphien  des  omamcntirten  Steins  und  i 
steinernen  Vogelfigur  vor,  welche  Hr.  Willy  Posselt  (Midüelburg,  Transvaal)  v 
den  Ruinen  von  Zimbabye  mitgebracht  und  deren  Zeichnungen  Redner  schon 
der  Deceiaber- Sitzung  !>»:)  gezeigt  hat.  Diese  Photographien  sind  ihm  v 
Um.  Posselt,  der  Cape  Argus  von  Hni,  Mi^isioniir  Schloemunn  (Mpomc,  Tmi 
vaal)  übersendet  worden. 


(349) 

(20)   Hr.  R.  Buch  holz  zeigt  einen 

Schädel  ans  dem  slavischen  Gräberfelde  von  Blossin. 

Auf  der  wendischen  Skeletgräberstelle  bei  Blossin,  Kreis  Beeskow-Storckow, 
über  welche  ich  im  vorigen  Jahre  zweimal  berichtete  (vergl.  Verhandl.  1890  S.  376 
und  551),  ist  es  nach  Ausgrabung  von  4*2  Skeletten,  deren  Gebeine  fast  ganz 
zerfallen  waren,  endlich  gelungen,  einen,  zwar  nicht  intakten,  aber  doch  noch  zu 
Messungen  geeigneten  Schädel  zu  finden.  Da  aus  den  weiteren  Funden,  nament- 
lich dem  Topfgeräth  und  den  Eisenstücken,  der  wendische  Charakter  der  Gräber- 
steile  erwiesen  ist,  so  ist  die  mehr  dolichocephale  Form  dieses  Schädels  von  be- 
sonderem anthropologischem  Interesse  und  ich  lege  ihn  deshalb  zur  fachkundigen 
Beurtheilung  vor. 

Von  den  sonst  noch  auf  der  Stelle  gefundenen  Knochenstücken  zeigte  ein 
Unterkiefer  an  der  äusseren  Seite  der  Vorderzähne  einen  grünlichen  Bezug  von 
Metalloxyd,  so  dass  zu  vermuthen  war,  man  habe  dem  Todten  eine  Münze  oder 
sonst  ein  Metallstück  in  den  Mund  gelegt.  Der  Finder  wurde  zwar  daraufhin 
zur  sofortigen  Durchsuchung  der  betreffenden  Erde  mittelst  des  Siebes  veranlasst, 
hat  aber  nichts  mehr  gefunden.  — 


Hr.  Virchow:  Der  mir  zur  genaueren  Bestimmung  übergebene  Schädel  ist  in 
sehr  gebrechlichem  Zustande  zu  Tage  gefijrdert.  Die  ganze  rechte  Seite  bis  zum 
Unterkieferwinkel  ist  zertrümmert  gewesen  und  obwohl  sich  daraus  noch  wieder 
ein  erträgliches  Granzes  hat  herstellen  lassen,  so  sind  doch  Capacität  und  Breiten- 
durchmesser des  Gesichts  nicht  zu  bestimmen.  Nach  dem  Zustande  der  Knochen 
müsste  man  eigentlich  auf  ein  sehr  hohes  Alter  des  Grabes  schliessen,  indess  sind 
solche  Schätzungen  bekanntlich  sehr  unsicher. 

Nach  meiner  Annahme  handelt  es  sich  um  den  Schädel  eines  jungen  Mannes. 
Die  Umfangsmaasse  (horizontal  523,  sagittal  400  mm)  sind  beträchtlich.  Der  starke 
Stirnnasenwulst  bildet  über  der  Nasenwurzel  einen  steilen  Absatz.  Die  Stirn  ist 
etwas  zurückgelegt  und  geht  langsam  in  die  sehr  lange  und  hohe  Scheitelcurve 
über.  Das  Hinterhaupt  tritt  mit  voller  Wölbung  vor.  Die  Zähne  im  Ober-  und 
Unterkiefer  sind  wenig  abgenutzt,  die  Weisheitszähne  haben  ganz  unversehrte 
Kronen,  aber  auch  die  übrigen  Zähne  zeigen  ihre  Spitzen  und  Schneiden  noch 
ziemlich  unversehrt. 

Mein  Interesse  an  dem  Schädel  wurde  hauptsächlich  angeregt  durch  seine 
Formen,  welche  stark  an  die  der  Reihengräberschädel  des  Westens  erinnern:  die 
Schädelkapsel  erscheint  lang,  schmal  und  hoch,  das  Gesicht  hoch,  die  Kiefer  fast 
orthognath,  mit  einer  schwachen  Vorschiebung  der  mittleren  Zähne.  Die  Gaumen- 
platte sehr  tief  und  etwas  breit.     Das  Kinn  stark  progenaeisch. 

Die  Messzahlen  sind  in  einer  Tabelle  zusammengestellt.  Aus  den  berechneten 
Indices  ergiebt  sich  für  den  Schädel  ein  hypsidolichocephaler  Typus 
(Längenbreitenindex  70,9,  Längenhöhenindex  77,2).  Der  Hinterhauptsindex  hat  die 
hohe  Zahl  von  31,7.  Die  gerade  basilare  Länge  vor  dem  Foramen  magnum  be- 
trägt 101  mm.  An  der  Scheitelcurve  betheiligen  sich  das  Stirnbein  mit  34,2,  die 
Parietalia  mit  34,5,  die  Hinterhauptsschuppe  mit  31,2  pGt.  Dieser  sehr  regel- 
mässigen Bildung  entspricht  der  ganz  normale  Zustand  der  Nähte.  Selbst  die  Stirn 
hat  einen  minimalen  Durchmesser  von  08  mm. 

Der  Gesichtsindex  ist  leider  nicht  zu  bestimmen.  Die  Orbitae  haben  einen 
ziemlich  flachen  oberen  Rand,  sind  in  ihrem  medialen  Abschnitt  eng  und  niedrig, 
im  lateralen  in  der  Diagonale  nach  unten  und  aussen  weit  und  daher  schief;  Index 


(350) 

74,3,  hyperchnmaekonch.  Die  Naae  schmal,  ihr  Ansatii  tief,  der  RU 
eingebogen  und  massig  vortretend.  Indes  46,a,  leptorrhin.  Der  Unter 
seine  Aeste  schmal  und  schriig  gestellt.  Hier  erscheint  daher  nur  dei 
Bau  der  Augenhöhlen  außallig;  er  zeigt  eine  Eigenschall,  die  ich  von  al 
schüdeln  hüußg  erwähnt  hitbe. 

Im  Uebrigen  gehört  der  Schädel  nach  seinen  Bigcnschaflcn  in  j 
mehr  anwachsende  Zahl  von  Roihcngräbersch adeln  des  nordöstlichen  De 
die  wir  früher  für  germanische  hielten,  die  aber  nach  der  Geachaffenhc 
gaben  als  slavischo  anerkannt  werden  müssen.  — 

Das  noch  ausserdem  vorhandene,  zerbrochene  Unterkie ferst Uck  ist 
Buchholz  mit  Recht  betont  hat,  in  seiner  Mitte  stark  gcrärbl,  Nam 
Schneidezahne  zeigen,  nnd  zwar,  was  besonders  bemerkenswcrth  ist,  ar 
abgesrhlilTcncn  Schneiden,  eine  intensiv  grüne  Färbung,  welche  wohl  i 
Lage  einer  kupfernen  Münze')  zwischen  den  Zähnen  bezogen  werden  h 
I.  Mcsszahlcn  des  Schädels. 

Grösste  horizontale  Ijänge 189  w 

,  „  Breite 134t 

Gerade  Höhe I4G    , 

Ohrhöhe 124 

Gerade  Hinterhaupts  länge (iO 

Entfernung  des  Ohrloches  von  der  Nasenwurzel   .    .    -     l(M 
„  „     Foramen  magnum  von  der  Nasenwurzel     IUI 

„  „    Ohrlochos  vom  Nasenstachel    ....     104 

„  „     Foramen  magnura  vom  Nascnstuchel  91 

„  „    ührloches  vom  Kinn 127 

„  „     Foramen  magnum  vom  Kinn    ....     110 

Horizontal  um  fang ^i'6 

Sagittainmfang  des  Stirnbeins 137 

n  der  Parietalia 13S 

„  „    Sq.  oecip 125 

Ganzer  Sagittalbogcn 40() 

Minimale  Stirnbreite 'J8 

Gesichtshöhe 112 

Linke  Orbita,  Höhe 2il 

„  „        Breite 39 

Nase,  Höhe 47 

„      Breite -22 

II.    Berechnete  Indices. 
Längenbreilenindox    .     .     70,9         Hinterhuuptsindex.     .     .     31 
Längen  höhen  index     .     .     77,2         Orbitalindex      .     ...     74 
Ohrhöhen  in  de  X .    .    ,    ,    (J.'i,G        Nasenindex 4lj 


(21)  Hr.  Kuttner  stellt  einen  siebenjährigen,  anfManila  geborenen 
Knaben  vor,  der  von  reiner  BeschalTenheit  sein  soll  und  schon  binni 
etwas  Deutsch  gelernt  hat. 

r  Das  von  mir  (rah-r  untcrjuchli'  lirandp-äh^rfi-ld  Wi  Blu^sio  lieferte  i< 
(Verhandl.  1B75  S.  248).        V. 


(351) 

(22)    Hr.  Staudinger  spricht,  unter  Vorlegung  von  zwei  Specimina,  über 

Reizsteine  des  Penis  auf  Sumatra. 

Bei  meiner  letzten  Anwesenheit  in  Ost-Sumatra,  bei  welcher  ich  auch  einige 
Zeit  in  den  von  Battakern  bewohnten  Gebieten  weilte,  erlangte  ich,  wie  schon 
frühere  Reisende,  Renntniss  von  der  bei  den  Eingeborenen  vorkommenden  Sitte 
der  Eiulegung  sogenannter  Reizsteine. 

Es  sind  dies  jene  beinahe  flach-konischen  Fremdkörper,  welche  sich  einige 
Völkerschaften  im  malayischen  Archipel  in  die  Haut  des  Penis  einheilen  lassen, 
um  damit  beim  Co'itus  einen  grösseren  Wollustreiz  auf  ihre  Weiber  auszuüben. 

Verschiedene  Reisende  haben  die  Sitte  erwähnt;  noch  nie  sind  aber,  soviel 
ich  weiss,  die  Reizkörper  selbst  nach  Berlin  gekommen;  ja,  nur  in  selteneren 
Fällen  sind  sie  überhaupt  gesehen  worden.  Doch  soll  das  Batavia-Museum  auf 
Java  mehrere  Exemplare  besitzen. 

Auch  mir  gelang  es  damalst  nicht,  derartige  Stücke  zu  erhalten.  Ich  bat  in- 
dessen einen  meiner  Freunde  auf  Sumatra,  sein  Augenmerk  auf  den  Gegenstand 
zu  richten,  und  ich  erhielt  unlängst  durch  die  Güte  des  Hrn.  Rudolf  Seh a dt, 
welcher  früher  im  Grenzgebiet  der  noch  unabhängigen  Battaker  lebte  und  gute 
Beziehungen  zu  ihnen  hatte,  2  Stück  davon. 

Hr.  Schadt  schreibt:  „Nach  Aussage  glaubwürdiger  Battaker  werden  bei  der 
betreffenden  Operation  Einschnitte  in  die  Oberhaut  des  Penis  gemacht  und  die 
Steine  unter  die  Haut  geschoben.  Einzelne  Individuen  haben  eine  Anzahl  Steine 
in  spiralförmiger  Anordnung  in  ihrem  Gliede.  Die  Operation  wird  der  besseren 
Heilung  wegen  in  fliessendem  Wasser  vorgenommen.  Das  am  meisten  begehrte 
Material  zu  diesen  Steinen  soll  eine  Muschel  im  oder  am  Tobasee  sein.  (Der  Toba- 
see  liegt  auf  der  Hochebene  im  Gebiete  der  unabhängigen  Battaker;  seine  Ufer 
werden  zum  Theil  noch  von  anthropophagen  Stämmen,  z  B.  den  Pack-Pack,  be- 
wohnt.)   Reiche  Leute   nehmen   auch  Gold-  und  Silberklümpchen". 

Aehnlich  berichtete  auch  Dr.  Hagen,  ein  ausgezeichneter  Kenner  der  Battaker. 
Er  gab  sogar  einen  Preis  für  die  Muschelsteine  an.  So  einfach  mag  übrigens  die 
ganze  Procedur  nicht  sein  und  sehr  häufig  mögen  wohl  die  Steine  auseitern. 

Die  der  Gesellschaft  vorgelegten  Exemplare  scheinen  nicht  aus  Muschelkalk 
zu  bestehen,  sondern  gleichen  bei  einer  oberflächlichen  Untersuchung  mehr  einer 
Bein-  oder  Pflanzensubstanz.  Hr.  Dr  Hilgendorf  hatte  die  Liebenswürdigkeit, 
einige  Querschnitte  genauer  zu  untersuchen,  und  konnte  feststellen,  dass  das 
Material  Elfenbein  ist. 

Es  wäre  nun  interessant,  zu  erfahren,  wie  weit  die  Sitte  der  Reizsteine  ver- 
breitet ist.    Auf  Java  soll  sie  sporadisch  auftreten,  ebenso  auf  Gelebes. 

Einige  Dayakstämme  auf  Borneo  haben  eine  ähnliche,  noch  nifflnirtere  Sitte 
(Durchbohrung  der  Eichel  und  beim  Gebrauch  eingeführte  Silberdrähte,  deren 
Enden  mit  Borsten,  Haaren  u.  s.  w.  versehen  sind),  worüber  schon  früher  von 
Herrn  v.  Miclucho-Maclay  unter  Beifügung  von  Abbildungen  in  den  V^er- 
handlungen  der  Gesellschaft  (1876  S.  22  fgg.)  berichtet  ist. 

(23)   Hr.  Nehring  berichtet  über 

neue  Knochenfonde  in  den  Höhlen  bei  Rübeland  im  Harz. 

Seit  langer  Zeit  schon  sind  die  Baumannshöhle  und  die  Bielshöhle,  von 
welchen  die  erstere  am  linken,  die  letztere  am  rechten  Ufer  der  Bode  (jedoch  in 
bedeutender  Höhe  über  dem  heutigen  Wasserspiegel)  liegt,  bei  den  Besuchern  des 


(352) 

Harzgebii^cs  bcksnnt.  Aach  wusate  man,  dass  in  der  Baamannshöhle  zahlrei 
Rcsto  des  Höhlenbären  vorkommen.  Im  Luure  der  letzten  Jahre  sind  aber 
Rübelund  sehr  bemerkenswert  he  Entdeckungen  gemacht  worden,  indem  ei  nors 
neue  Höhlenrüumc  von  überraschender  Schönheit  aargerundcn,  andererseits  s 
zahlreiche  und  wissenschaftlich  werthvollc  Reste  diluvialer  Thiere  an  das  Ta< 
licht  gebracht  worden  sind. 

Die  betreffenden  Forschungen  wurden  im  Aultrage  der  obersten  Forslbehö 
des  Herzogthums  Brannschweig  und  unter  wesentlicher  Förderung  von  Seiten 
Herzoglich  Brau nschweigi sehen  Stuatsministeriums  durch  die  Professoren  Dr.  J, 
Kinos  und  Dr.  Wilh.  Blasius  von  der  technischen  Hochschule  zu  Braonschw 
ausgeführt;  einen  nicht  unwichtigen  Antheil  an  denselben  hatte  auch  mein  Bru< 
der  Oberförster  Robert  Nehring. 

Nachdem  Kloos  bereits  1^89  in  einem  besonderen  Werke  Über  die  bei 
Durchforschung  der  sogenannten  Herrn  an  nshöhle  erlangten  geologischen  Ergebni 
berichtet  hatte,  wobei  die  thierischen  Reste  nur  ^ebensüchlich  behandelt  wurd 
lieferte  Blasius  kürzlich  einen  vorlünflgen  Bericht  Über  die  neuen  Knocbenfui 
aus  den  Höhlen  bei  RUbeland'),  von  welchem  ich  der  Berliner  Anthro 
logischen  Gesellschaft  im  Auftrage  des  genannten  Forschers,  meines  verehi 
Freundes,  einige  Abdrücke  Überreiche.  Indem  ich  auf  diesen  Bericht,  dem  spi 
eine  genauere  Bearbeitung  der  gesammten  Knochenfunde  folgen  soll,  verwc: 
erlaube  ich  mir,  hier  nur  ganz  kurz  die  wichtigsten  faunistischen  Ergebnisse  fa 
vorzuhebon.  ich  rauss  iillerdings  betonen,  dass  die  Sonderung  der  gefundei 
Thierreste  nach  Niveaus  in  Folge  mancher  Umstände  bisher  im  Allgemeii 
nicht  streng  durchgeführt  werden  konnte;  holTenllich  wird  dieses  bei  den  ferne 
Ausgrabungsarbeiten  möglich  sein. 

A.  Die  sogenannte  Hermannshöhle,  welche  schon  vor  etwa  20  Jahren  du 
Geheimrath  Hermann  Grotrian  einer  vorläufigen  Durchforschung  unterworfen  i 
neuerdings,  wie  eben  erwähnt,  durch  Kloos  untersucht  wurde,  lieferte  an  Thi 
rcsten: 

1)  Hyodes  torquatus,  Hnlsband-Lemming; 

2)  Myodes  obensis,  Ob-Lcmming;'} 

3)  Arricola  amphibiua,  Wasserratte: 

4)  Gricetas  frumentarius,  Hamster; 

5)  LepuB  sp.,  wahrscheinlich  der  Schneehase; 
(i)  Lagomya  sp.,  eine  Pfeifhasen- Art; 

7)  Foetorius  erminea,  Hermelin; 

8)  Vuipes  ap.,  wahrscheinlich  der  Eisfuchs; 

9)  Equus  cuballus,  Pferd; 

10)  Antilope  sp.,  wahrscheinlich  die  Gemse: 

11)  Ij^opus  albus,  Moorschneehühn  (sehr  zahircichl). 

Ausserdem  fand  man  im  einer  Stelle  der  grossen  .^Höhlenlehmterrasse"  za 
reiche  Reste  von  Uraus  spetaeus,  einige  Reste  von  Cervus  elaphus  und  ein  l'nt 
kicfersliick  von  Felis  spelaea 

B.  Die  Bielshöhle  hat  bisher  nur  wenige  subfossile  Knochen  gcticfi 
welche  uns  hier  kaum  inlereasiren  können. 

1)  VprliPüScrter  nnd  mm  Tli.i!  crwpitertpr  Rnnder-Ab'lnirk  aus  Nr.  289—291  i 
,Bnnn<-rhwi'i;.'irii'|].'u  AniPif-n-  vdri  lO.-l*   Derember  ISl». 

2}  Von  Klo.)»  und  Blu-;ius  als  norwegischor  Lemmini,'  heieiehnet:  ich  htlU  di< 
Art  l&r  Myode.>i  obensid. 


C.  Die  Baamannshöhle.  Hi 
ier  Höhle,  welche  an  Terschiedeii 
reste  gelierert  haben.  Besonden  wi 
ind  20 :  l&  m  Durch messer,  welche 
nanuBhöUe  mit  der  altea  in  Verbii 
lach  nnten  5  Schichten  erkennen, 
Stufen  von  Bedeutung  za  sein  seh  ei 

I.  Die  oberste  Schicht  lieferte; 

1)  Lepns  sp.  (wahrscheinlich  ' 
BaBen. 

2)  Poetorins  enninea,  Hermelin 
Etwas   weiter   stidöstlich   am  l 

näosen  und  Wtihlmäasen. 

II.  Schicht-    In  diese  Schicht 
Blin^raben  in  der  Mitte  des  sHdöstli 
Üch  Ton  folgenden  Arten,  bezw.  Oal 

1)  Cemu  tarandns,  sehr  wohlei 
ibenais,  4)  Airicola  ratticeps  und 
[alpinns?),  7)  Batrachier. 

III.  Schicht.  Bin  fast  rollstänij 
maus- Resten. 

IV.  Schicht.  Ein  fast  ToUständ 
;harakteriatigchen  grossen  Pferdei 
inderer  Nagethiere,  wie  Has  sp.,  . 
Belix  hispida. 

V.  Schicht  Peiner  Idssartiger 
[Jrspmngs. 

Nach  Blasiue  scheint  durch  die 
einander! Bgerong  nnd  zeitliche  & 
Ireier  verschiedener  Faunen 
ichliesslichen  Ablagerungen  von  H 
Sporen  einer  offenbar  jüngeren  Glat 
Elrgebniss  der  bisherigen  Untersncho: 
noch  eine  Steppenfanna  einzuBchieb 
nnd  der  Knochen  des  grossen  Pferd 

(Auch  meine  eigenen  Beobacbtu: 
ceit  Hittelenropas  mit  der  sogenann 

Uancher,  der  mit  dem  Begriff 
knüpfen  pflegt,  könnte  vielleicht  da 
land  im  Harz  auffallend  finden  nnd 
^lactaga  jacnlus  als  eines  charakt 
j^enttber  muss  ich  betonen,  dass 
in  die  Ebene  gebunden  sind'),  das 
Qebirge  hinauf  nnd  namentlich   üb 

1)  Wegen  des  Znsammenvorkomme 
lein,  ob  dieee  Beete  nieht  statt  auf  A 
^exogen  werden  kdnnten. 

2)  Han  vergleiche  die  beiöglichi 
imd  Steppen',  Berlin  1690,  8.  48,  61,  ( 

VtcbutfL  d*r  B«L  ABthnpiit.  QtHlUehin  1 


(354) 

gcnD^  Steppe ngcbirgc  und  Stcppcnplateans,  die  sich  mit  demjenigen  Theile  () 
Harzes,  welchem  ßübclnnd  angehört,  vergleichen  lassen,  wenn  wir  ans  dicBi 
letzteren  als  unbewHldet  vorstellen.  So  wie  heutzutage  der  grosse  Prcrdespring 
in  den  steppen  artigen  Distrikten  hei  Slatonst  im  südlichen  Ural  oder  an  di 
steppe nnrtigen  Abdachungen  des  Altai  ziemlich  hoch  hinaor  vorkommt,  so  kai 
08  nicht  auffallend  erscheinen,  dass  er  einst  anr  dem  Plateau  um  Rübcland  heru 
gelebt  hat. 

Was  endlich  die  etwaigen  Spuren  menschlicher  Existenz  anbelril 
so  sind  dieselben  bisher  etwas  zweifelhafter  Natur;  doch  liegen  immerhin  eini] 
Fnndobjectc  vor,  welche  dafUr  sprechen,  dass  auch  der  Mennch  schon  wührei 
der  jüngeren  Diluvialzeit  zuweilen  die  Gegend  des  heuligen  RUbetand  besucht  hi 
HofTentlich  liefern  die  noch  bevorstehenden,  ferneren  Ausgrabungen  und  Unlc 
suchungen  sicheren  Aafschluss  in  dieser  Hinsicht. 

(24)  Hr.  A.  V.  Heyden   legt   im   Anschluss   an   seine  Üemerkungen    in   d 

vorigen  Sitzung  (S.  3'14)  eine  grössere  Anzahl  von 

Zeichnnngen  weiblicher  Eopftrachten  des  IG.  tud  17.  Jahrhunderts 

vor,  die  in  aufTallender  Weise  den  Ursprung  gleichzeitig  erläuterter  Volkstrachti 
dnrthun,  welche  letzleren  bekanntlich  Reste  der  Modetrachten  der  höheren  Stand 
nur  häußg  in  nicht  ganz  leicht  erkennbarer  Form,  sind.  Es  fehlt  aber  noch  vi 
zu  sehr  an  einer  genauen  Kenntniss  örtlicher  Verbreitung  der  Moden  in  di 
historischen  Trachten  früherer  Zeit,  um  (IberuH  die  llcziehnung  der  Volkslnic 
zu  der  vorbildlichen  historischen  Tracht  feststellen  zu  können.  Durch  fleissigi 
Anfsnchon  solcher  Analogien,  die  Redner  zu  vermehren  verspricht,  wird  man  d 
.  Erkenntniss  der  Entstehung  der  Volkstracht  aus  der  Modeform  niiher  komme 
Ucbcrall  zu  erledigen  wird  diese  Frage  schwer  sein. 

(25)  Hr.  Rud.  Virchow  berichtet  über 

Analysea  kaukasischer  uud  assyrischer  Bronzen. 

Das  Interesse,  welches  sich  an  die  Kenntniss  der  orientalischen  fironzen  knüp 
ist  seil  alten  Zeiten  durch  die  Tradition  der  griechischen  Welt,  der  Ursprung  di 
Gronzekunst  sei  überhaupt  in  Asien  zu  suchen,  rege  erhallen  worden.  Man  du 
jedoch  sogen,  dass  in  dem  Maasse,  als  die  Zahl  der  Untersuchungen  grosser  g 
worden  ist,  die  Fnigc  nach  der  Heimath  der  Bronze-Industrie  immer  weiter  zurücl 
geschoben  worden  ist.  Ich  habe  es  daher  als  eine  besondere  Aufgabe  betrachtt 
durch  neue  Untersuchungen  das  Gebiet  der  wohl  beglaubigten  ThaUachen  au 
zuweiten.  Bei  einer  anderen  Gelegenheit  werde  ich  noch  weitere  Erfahrungi 
mitlhcilcn;  für  heute  möchte  ich  nur  einige  neueste  Analysen  mittheilen,  welcl 
die  beiden  Gebiete  bctrolTen,  welche  vor  allem  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  ziehe 

Ich  verdanke  diese  Analysen  dem  so  oft  bewährten  Wohlwollen  des  Hcn 
Lnndoit,  in  dessen  [^boratoHum  und  unter  dessen  Leitung  dieselben  durch  seii 
Assistenten,   die  Herren  H.  Plath  und  Dr.  E.  Rimbach,  ausgeführt    worden  sin 

I.   Nordkaukasische  Bronzen. 

Das  Material  für  diese  Untersuchungen  habe  ich  denjenigen  Funden  entnomme 
über  welche  ich  in  der  Sitzung  vom  l!t.  Juli  1890  (Verh.  S. -IIT)  ausführlich  b 
richtet  habe.     Folgende  Stücke  haben  der  Analyse  unterlegen: 

I)   Ein  grösseres  Bruchstück  einer  jener  Plattennadeln  von  Kumbulte  i 


(355) 


Digorien  (a.  a.  0.  S.  418.  Fig.  1),  welche  zu  den  grössten  und  schwersten  Stücken 
dieser  Art  überhaupt  gehören. 

2)  Ein  zerbrochenes  Armband  aus  dem  ünterlager  von  Techmy  in 
Ossetien,  Nr.  23b,  von  der  zweiten,  auf  S.  424.  Fig.  11  erörterten  Form. 

3)  Ein  zerbrochener  Ring,  Nr.  36,  von  Tscheghem,  Oberland  der 
Kabarda,  vielleicht  das  Bruchstück  eines  Ohrringes  (a.  a.  0.  S.  442.  Fig.  45).  Es 
ist  ein  drehrundes,  gebogenes  Bronzestäbchen  von  2  mm  Durchmesser. 

4)  Das  Bruchstück  eines  Armreifes  von  Ataschukin  im  Flachlande  der 
Kabarda,  Nr.  30,  ähnlich  dem  unter  Nr.  2  aufgeführten  Stück  von  Tscheghem. 
Es  ist  16  mm  breit,  ziemlich  schwer  und  mit  3  erhabenen  Längsreifen  versehen 
(vgl.  a.  a.  0.  S.  455). 

5)  Das  Bruchstück  einer  dicken  Bronzescheibe,  vielleicht  eines  Spie- 
gels, von  eben  daher  (vgl.  S.  456).  Die  Scheibe  ist  vollkommen  rund  gewesen, 
etwa  55  mm  im  Querdurchmesser:  die  eine  Fläche  ist  ganz  glatt,  die  andere  mit  flach 
erhabenen  Ornamenten  und  in  der  Mitte  mit  einer  kleinen  Ochse  verschen.  Das 
Ornament  besteht  aus  3  concentrischen  Zonen,  welche  durch  erhabene  Grenzlinien 
geschieden  und  von  schrägen  erhabenen  Linien  durchsetzt  sind. 

Die  Analyse  hat  folgende  Resultate  geliefert: 


Nr.  1. 

Ni 

•.  2. 

Kupfer  .     .     ,    9G,(>1 

Kupfer  .     .     .     93,10 

Arsen     ...      3,41 

Zinn  ....       6,77 

Blei 

ausserdem  geringe  Mengen  von  Blei  und 

Antimon       _ 
Zink         1    SP"'"''" 
Eisen 

Eisen  (Rimbach). 

Nr.  4. 

Kupfer  .     .     .     99,78 

Nicht  vorhanden:  Phosphor,  Schwefel, 

Schwefel    .    .      0,22 

Zinn,  Wismuth,  Kadmium  (Rimbach). 

Antimon 

Nr.  3. 

Arsen 

►    Spuren 

Kupfer  .     .     .    77,23 

Eisen 

Zink.     .    .     .     12,02 

Nicht    vorhanden:    Zinn,    Zink,    Blei, 

Blei  ....      7,09 

Phosphor  (Plath). 

Zinn  ....      2,91 

Nr.  5. 

Eisen     .     .     .      0,64 

Kupfer  .     .     .     75,03 

Nickel    .     .      Spuren 

Zinn  .     . 

.     .     21,89 

Nicht  vorhanden :  Phosphor,  Schwefel, 
Arsen,  Antimon  (Plath). 


Blei  ....      2,84 
Ei^en     .     .       Spuren 
Nicht  vorhanden:  Phosphor,  Schwefel, 
Zink,  Arsen,  Antimon  (Plath). 
Dass   hier  eine  gewisse  Mannich  faltigkeit  der  Metallmischung  vorhanden  sein 
werde,  liess  sich  vermuthen,  da  das  Alter  der  einzelnen  Gräberfelder  ein  sehr  ver- 
schiedenes ist.    Indess  auf  so  grosse  Verschiedenheiten,   wie  sie  sich  thatsächlich 
herausgestellt  haben,  konnte  nicht  füglich  gerechnet  werden.    Finden  wir  doch  alle 
Zwischenglieder   von   dem  einfachen  Kupfer  bis  zu   der   vollendeten  Zinklegirung 
vor,   so  dass  der  Gesammtname  „Bronze"  eigentlich  nicht  zutrifft.     Wenn  ich  ihn 
trotzdem   anwende,    so   geschieht   es   nur  wegen  des  äusseren  Ansehens,   welches 
einen  Unterschied  in  der  Patina  nicht  erkennen  liess. 

Nur  ein  einziges  Stück,  Nr.  2,  das  Armband  von  Tschmy,  hat  sich  als  reine 
Zinnbronze  ergeben,  freilich  mit  einem  viel  geringeren  Zinngehalt,  als  der  klassi- 
schen Bronze  entsprechen  würde.  Die  früheren  Untersuchungen  der  Herreu  Lan- 
dolt   und  Rammelsberg   über  Bronzen   von  Koban,   die   ich    in   meiner  Mono- 

23* 


(356) 

graphio  Über  das  Gräberfeld  ron  Kobaa  S.  23  mitgetheilt  habe,  zeigten  in  8  ve 
BChiedenen  Proben  BQSschliesalich  die  kloBBische  Bronze-Mischnng,  wobei  der  Zin 
gehalt  zwischen  10  und  12  pCt.  betrug;  daneben  wurde  einmal  eine  bestimmba 
Menge  von  Blei  {1,93  pCt,)  gefunden.  Der  Unterschied  ist  also  ein  denkb 
gröaster,  und  zwar  um  so  antTiilliger,  als  anscheinend  daa  Gräberfeld  Ton  Kobi 
an  Alter  von  keinem  der  hier  in  Rede  stehenden  Ubertroffen  wird.  Indeas  mn 
ich  bemerken,  dass  ich  schon  früher  (Verb.  1883.  8.  331)  ein  offenbar  sehr  alt 
Stflck,  eine  schwere  Bogenflbnla  aus  dem  Flachlande  der  kleinen  Tschetsclma  b 
schrieben  habe,  bei  deren  Analyse  Hr.  Salkowski  ausser  Kupfer  nur  etwa  4  p( 
Zinn,  dagegen  weder  Zink,  noch  Blei,  noch  Wismoth  oder  Silber  fand. 

Dasjenige  Stück,  welches  seiner  Zusammensetzung  nach  den  Eindruck  d 
grössten  Alters  machen  könnte,  ist  Nr.  4,  der  Armreif  von  Ataschnkin,  der  ai 
reinem  Kupfer  besteht  Die  geringe  Beimengung  ron  Schwefel  darf  als  natu 
liehe  Beimischung  betrachtet  werden.  In  meiner  früheren  Besprechung  (a.  a.  i 
S.  454)  habe  ich  verschiedene  Gegenstände  aus  dem  Oräberfelde  Ton  Ataschuk 
aufgeführt,  welche  den  Eindruck  Ton  Kupfer  machten.  Aber  alle  diese  Gege 
stände  zeigen  eine  Vollendung  der  Technik,  welche  den  Gedanken  direkt  au 
schliesst,  dass  es  sich  hier  um  Produkte  einer  primitiven  Uetallzeit  handeln  könn 
Man  wird  vielmehr  annehmen  müssen,  dass  auch  in  späterer  Zeit  gelegentlii 
Gegenstände  aus  Kupfer  gefertigt  wurden,  selbst  solche,  welche,  wie  der  Armre 
mit  ganz  analogen  Bronzeformen  der  Nachbargräberfelder  (vgl.  Nr.  2,  Tscbe^hei 
in  Form  und  Ausführung  übereinstimmen. 

Die  grCsste  Ueberraschung  brachte  die  Analyse  von  Nr.  1,  der  Plattcnnadel  ri 
Kumbulte,  indem  hier  die  überaus  seltene  Arsenik-Bronze  gefunden  wurde.  Ii 
habe  in  dieser  Beziehung  an  den  ersten  derartigen  Fund,  den  ich  vor  Jahn 
machte,  zugleich  den  ersten  solchen  Fund  überhaupt,  zu  erinnern.  Es  war  t 
Ausgrabungen  auf  dem  denkwürdigen  Gi^berfelde  von  Zaborowo,  dass  ich  i 
Jahre  1874  (Verh.  S.  324)  grosse  Eiaenringe  fand,  welche  zur  Befestigung  d 
Umendeckels  auf  den  Rand  desselben  gelegt  waren.  Gleich  nachher  traf  He 
Thnnig  einen,  durch  seine  Schwere  und  Grösse  besonders  ausgezeichneten  Bin 
den  wir  für  einen  Bronzering  hielten,  und  im  nächsten  Jahre  gelang  es  m 
noch  weitere  Stücke  auszugraben.  Ich  erwähnte  bei  Vorlage  eines  solchen  Btüc 
in  der  Gcsellschafl  (Verb.  1875.  S.  110),  dass  ich  an  der  „scheinbar  ganz  regulär 
Bronze,  die  so  grün,  wie  die  andere  aussah,  als  ich  mit  einem  Uesser  die  Fatii 
abkratzte,  kuine  gelbe  Stelle  erhielt,  und  als  ich  später  die  Feite  anwendete, 
mir  schien,  ich  hätte  Eisen  vor  mir,  so  bläulichgrau  war  der  Glanz  der  Ob< 
näche".  Da  sich  bei  der  Analyse  beransstclltc,  dass  es  doch  Bronze  war, 
unterschied  ich  diese  vollkommen  eisen-  oder  stahlfarbige  Bronze  vi 
der  gewöhnlichen  gelben  Bronze.  Die  Analyse  wurde  von  Hm.  O.  Liebreich  an 
geführt,  der  darüber  selbst  in  den  Verii.  1875.  8.  246  berichtet  hat.    Er  land 

Kupfer 56,00 

Nickel 14.00 

Arsen 12,1« 

Kobalt 4,00 

Zinn 1,50 

Antimon 1,50 

Schwefel 0,75 

Eisen 0,41) 

Die  Analyse  gab   wc^n  der  Verluste,  die  bei  der  üntersuchoiig  stattbad« 


(358) 

seines  Tatera  zum  Oescheoko  gemacht.  Dana  flndet  sich  (1863.  S.  139.  186,'>.  S.  15; 
eine  römische  Fibel  von  Mainz  mit  24,45  pGt.  Zink,  ein  Sehn  all  enatUck  aus  den 
GoldbBCh-Grabc  im  Emmentbal  mit  17,6  pCt.  (I.  Nr.  38),  eine  Spinilbenel  voi 
Cammin  in  Meklenburg  mit  16,31  pCt  (1865.  S.  54),  eine  Mctallplatte  von  Dasei 
Äuget  mit  10,61  pCt.  (I,  Nr,  34),  eine  Heftel  von  Hagenow  in  Meklenbui^  mi 
9,1)  pCt.  (1865.  S.  53).  Besonders  interessant  erscheint  ein  Ohrring  ans  einem  Grabt 
von  Kastaniatissa  auf  Euboeii  mit  10,87  pCt,,  der  Parallele  wegen,  die  er  zn  den 
Ringe  von  Tscheghem  bietet.  — 

ich  versage  es  mir,  weitere  Betrachtungen  über  diese  Ergebnisse  anzustellen 
Vielleicht  geben  die  letzteren  aber  >.'inen  neuen  Anstoss  für  andere  Forscher,  di< 
Analyse  priihistorisehor  Bronzen  in  grösserer  Zahl  und  mit  grösserem  Eifer  in  An- 
griff zu  nehmen,  als  es  noch  immer  geschieht. 

U.  Assyrische  Bronze. 
Hr.  C.  F.  Lehmann  hat  die  grosse  Gorälligkeit  gehabt,  auf  meinen  Wunsch 
bei  Gelegenheit  eines  Aufenthaltes  in  London  daselbst  Umschau  nach  älteren  assyri- 
schen Bronzen  zu  halten.  Unter  dem  18.  December  v.  J.  benachrichtigte  er  mich 
dass  der  Principal  Librarian  des  British  Museum  ihm  für  mich  ein  Kästeben  mii 
Theilen  des  Bronzethors  von  Balawat  (unter  SalmanaasarH.  859— 824  v.Chr.; 
übergeben  habe.  Dieses,  seiner  genauen  Bestimmung  wegen  doppelt  werthvolk 
Geschenk  ist  seitdem  in  meine  Hände  gelangt.  Es  sind  Stacke  von  sehr  schwerer 
und  starken  Platten,  die  ganz  leicht  auf  der  Fläche  gebogen  and  mit  dicken,  nacl: 
aussen  hervortretenden,  innen  vertieften  Querwülsten  versehen  sind.  Eines  davoi 
seheint  ein  Randslück  zu  sein;  es  hat  eine  falzartige  Einbiegung  längs  des  ziem 
lieh  glatten  Randes.  Ein  anderes  Stück  trägt  einen  starken  Nagel  von  4  em  Längt 
mit  einem  platten  Kopf  von  12  »tni  Durchmesser;  derselbe  steckt  noch  in  der  Platte 
die  an  dieser  Stelle  leicht  trichtcrTörmig  vertieft  und  nach  innen  vorgebogen  ist 
Wenn  man  den  Nagelkopf  scharf  andrückt,  so  sieht  man  ihn  von  einem  Hinge  Qacb 
rundlicher  Buckel  umgeben,  die  aus  der  Platte  in  Form  einer  Bosette  hervortreten. 
Alles  ist  mit  einer  rauhen,  graugrünen  Patina  bedeckt  und  auch  die  frischen  Bruch- 
Oäeben  zeigen  meist  durchweg  eine  hellgrüne  Farbe.  Nur  an  einzelnen  Stellen 
z  B.  an  dem  Nagel,  legt  die  Feile  noch  unverändertes  Metall  von  röthlicfagelbei 
Farbe  bloss. 

Eine  Abbildung  der  BronzethLir  von  Balawat  steht  in  Kaulen  (Assyrien  nnil 
Babylonien.     Freibuig  i.  Br.  1891.  S.  m.  Fig.  21). 

Hr.  Landolt  war  so  freundlich,  auch  diese  Bronze  in  seinem  Laboratorinni 
durch  Hm.  H.  Plath  analysiren  zu  lassen.     Das  Resultat  ist  folgendes: 

Kupfer 92,14 

Zinn 7,92 

Eisen        1 

Antimon  )        " 

Als  nicht  vorhanden  werden  ausdrücklich  angegeben  Blei,  Zink,  Nickel,  Arseo 
Phosphor  und  Schwefel, 

Von  den  vorher  mitgctheiltcn  kaobosischen  Bronzen  kommt  Nr.  2,  das  Arm- 
band von  Tschmy,  in  der  Mischung  um  nächsten.  Die  Analysen  assyrische! 
Bronzen,  welche  Dr.  Percy  an  Stücken  des  Hm.  Layard  (Nineveh  und  Babyloa 
Übersetzt  von  Zenker.  Leipzig.  S.  AlO)  angestellt  hat,  ergaben,  wie  die  Bronze 
von  Koban,  eine  der  klassischen  Bronze  entsprechende  Mischung,  in  der  Zinn  zu 
9,78—11,33  pCl.  vertreten  war;  nur  eine  Glocke  hatte  14,1  pCt.,  wie  Ur-  Layard 
(S.  144)  annimmt,  wiil  linc  andere  Wirkung  erzielt  werden  sollte,  — 


C359) 

Hr.  Vater  erinnert  an  das  von  ihm  vor  Jnhren  ^zeigte,  aus  einem  Spanilaner 
Funde  stammende  Stück  Bronze.    Dasselbe  hatte  15  pCt  Arsen.  — 

l!r,  Vtrchow  erkennt  die  Richtig'keit  des  Citats  von  Hrn  \ater  an  Allein 
ahgesehen  davon,  dass  das  Spandauer  Stück  ausserdem  8,2  p<_t  8ilbir  und  sogar 
Spuren  von  Gold  enthielt  (Verhandl.  1884.  S.  GOl),  ist  weder  Über  die  Zoitalellung 
desselben,  noch  über  seine  Bestimmung  irgend  etwas  bokaimt,  Ch  I  isst  sich  daher 
nicht  zu  einer  Aurklärung  Über  andere  Funde  vcrwerlhen. 

(2ö)   Hr.  Rud.  Virchow  zeigt 

Schädel  und  Skelettlieile  aus  HUgelgr&bern  der  Uallstattr  und  Tine-Zeit 
In  der  Oberpfalz. 

Hr.  Dr.  Julius  Naoc  in  München  halte  die  Güte,  tnir  in  zwei  Sendungen  daa 
osteologische  Ergebniss  seiner  Ausgrabungen  von  Hügolgrübem  der  bayrischen 
Oberpfalz  ku  Uberschickcn. 

Die  erste,  schon  im  Jahre  1889  eingegangene  Sendung  enthielt  leider  keinen 
einzigen,  gut  erhaltenen  Schädel  und  sie  ist  daher  lUngcr  liegen  geblieben,  als  es 
mir  selbst  lieb  ist.  Hr.  Nauc  berichtete  darüber  Folgendes  unter  dem  20.  März  d.  J.: 
„Die  Sendung  enthielt  zwei,  leider  durch  meine  Arbeiter  zerbrochene  Schädel  aus 
einem  Grabhügel  der  jüngeren  Hallstattzeit  bei  Parsberg.  Mann  und 
Frau  waren  in  dem  Grabe  zu  gleicher  Zeit  bestattet  worden;  denn  dafiir  sprach, 
dass  der  linke  Oberarm  des  männlichen  Skelets  unter  den  Halswirbeln  des  zur 
linken  Seite  des  Mannes  bestatteten  Weibes  lug;  die  Unterarmknoehen  jenes  fanden 
sich  zar  linken  oberen  Seite  des  weiblichen  Skelets.  Ich  legte  auch  einen  der 
mannlichen  Oberarmknochen  (den  linken)  bei,  weil  er  an  einer  Stelle  eine  Wunde, 
bezw.  Vcrticrnng  bat,  die  sehr  dunkel  geTurbt  ist.  Woher  diese  Verletzung  rührt, 
konnte  ich  mir  nicht  erklären.  Ich  würe  Ihnen  sehr  dankbar,  wollten  Sie  die  Güte 
haben,  mir  darüber  etwas  Näheres  mitzulhcilen.  Ein  bekannter  Summler  (Hr.  Gabriel 
Max)  meiale  seiner  Zeit,  die  Verletzung  könne  möglicherweise  durch  einen  Blitz 
hervorgerufen  sein  (?).  —  Dann  lagen  dieser  Sendung  noch  Bruchstücke  (Frag- 
mente der  Stirn)  eines  weiblichen  Schädels  aus  einem  älteren  Bronzezeilgrabe, 
ebenfalls  von  Parsberg,  bei.  Sie  werden  diese  Stücke  leicht  herausRnden,  da 
sie  durch  ihre  abnorme  Stärke  wesentlich  von  den  anderen  abweichen.  Ich  legte 
sie  eben  wegen  der  Stärke  bei." 

In  einem  früheren  Briefe  vom  5.  October  1889  erwähnte  Hr.  Naue  noch  in 
Betreff  des  erstgenannten  Grabes,  dass  zur  rechten  Seite  des  Mannes  eines  jener 
krummen  Hiebmesser  lag,  wie  wir  sie  aus  der  jüngeren  Hallstutt-Zett  kennen;  die 
Frau  hatte  nur  'ä  Bronzeringe-  Von  der  Verletzung  am  Oberurmknochen  sagte  er 
mit  Recht,  sie  sähe  ans,  „wie  von  einigen  kurzen  Hieben  herrührend".  Die 
beiden  Schädel  seien  nicht  bloss  zerbrochen,  sondern  die  einzelnen  Theile  der- 
selben auch  durch  Unachtsamkeit  eines  Arbeiters  durch  einander  gekommen. 

Meiii  sehr  erfahrener  Präparator  hat  unter  meiner  Aufsicht  mit  grösster  Sorg- 
falt die  Knochen  sortirt  und  sie,  soweit  es  sich  thun  Hess,  zusammengesetzt,  aber 
es  hat  sich  nichts  Vollständiges  herstellen  lassen.  Immerhin  hat  sich  ci^cben, 
dass,  ausser  den  von  Hrn.  Naue  erwähnten  dicken  Knochen,  sieh  Bestandtheile 
von  3  Schädeln  unterscheiden  lassen,  von  denen  einer  (Nr.  3)  ausgemacht  weib- 
liche Form  hat:  ein  zweiter  (Nr.  1)  lässt  nichts  davon  erkennen;  auch  ein  dritter 
(Nr.  3),  obwohl  ziemlich  dünnwandig,  scheint  auf  einen  Mann  zu  deuten,  hat 
Jedenfalls    einem    jüngeren     Individuum     angehört.       Wahrscheinlich    sind    einige 


«rkierera  auch  eu  Nr.  3  zu  rechnet 
m  Abnntzung  der  Zähne  einem  älterei 
e  Nr.  1,  zuzuschreiben  sind.  Da  in 
nmende  Züge  darbieten,  so  könnte  e 
I  am  besten  ausdrucken.  Nimmt  mai 
t>genntztea  Zähnen  dem  Schädel  Nr. 
iser  erhalten  ist,  so  erscheint  die  An 
lasB  dieser  Schädel  dem  Manne,  Nr. 
emeinsamen  Qrabe  angehörten, 
«uenschädels  aus  einem  Orabbtlgel  de 
i&  Schädeldach  mit  Nasenansatz,  »ha 
in  die  Länge  gestreckt,  203  mm  lang 
wovon  128  =  34,1  pGt.  auf  das  Stirn 
13s  =  36,8  pCt  auf  das  HiuterhauF 
dnng  ist  dadurch  verstärkt,  daas  übe 
n  m  sitzt  Der  Stimnasenwulst  kräflij 
ausrichtet,  der  Blicken  eingebogei 
ferknochen  ist  der  Oberkiefer  deutlic 
lässig  abgenutzt,  der  Molaris  UI  friscl 
len  sehr  tief.  Der  hohe,  in  der  Mitt 
milche  Form,  die  Zähne  sind  tief  ab 
igenaeisch. 

,  dem  der  ganze  Vorderkopf  fehlt  (be 
a"),  leicht  und  dflnnwandig,  erscheint 
I,  hoch  und  breit  Nur  die  Breite  ii 
ittalcurve  der  Parietalia  misst  125,  di 
luppe  sehr  gross,  mit  einem  Os  apid 

Terknochen  zeigen  die  OberkiererstUck 
i*raemolaren ;  die  ZahnciuTe  weit,  de 
n  der  Mitte  zerbrochene  Cnterkiefei 
ch,  ist  zarter;  der  rechte  Molaris  Jl 
n  Unken  eine  obliterirte  Alveole  eul 
.bgerieben. 

ranenschädels  aas  einem  GrabhQge 
n.  Basis  und  Hinterhaupt  fehlen.  Stin 
schnelle  Umbiegung  der  übrigeas  star 
Hinterkopf.   Grösste  Länge  173,  Breit 

Rucken  vortretend  und  eingebogen, 
sen  sich  nicht  zusammenbringen.    6i 

an  Diploc,  besonders  die  Stücke  de 
i  der  Hinterhauptsschuppe.  Scheinbi 
grosses  Felsenbein. 
It  es  sich  um  eine  dolicbocephalE 
iische  Rasse.  Das  «eibliche  Schade 
in;  aus  den  freilich  sehr  zweifelhafte 
1,8. 

en  betrifft,  der  wohl  mit  dem  Schädi 
rletzt,  indem  das  ganze  obere  Dritithe 
i  voll;  in  der  Mitte  des  SchaHes  ist  t 


(36-2) 

VeräDdening  zeigio.  Auch  ich  halte  diese  Hypothese  für  anzuläasig,  da  i 
nagea  durch  Thierc  quere  Furchen  erzeugt  haben  würde;  die  mehr  sen 
Kichtang  der  Furchen  würde  eine  höchst  gezwungene,  ja  fast  anmögliche  Ai 
der  Zähne  voraussetzen.  Man  wird  also  wohl  die  Einwirkung  menschUcher  < 
mittel  zugestehen  müssen.  Jedoch  ist  dabei  festzuhalten,  dass  die  Annahm 
einzigen  Aktion  fUr  die  Erklärung  nicht  ansreichcn  würde;  die  vorhanden 
Sätze  lassen  sich  weder  mit  einem  Schwertstreich,  noch  mit  einem  Beilhl 
klären.  Sie  sind  übrigens  mehr  gehackt,  als  gehauen,  and  auch  nach  La 
Richtung  sprechen  sie  mehr  Tür  eine  Erzengung  nach  dem  Tode.  Wc 
wissen,  ob  diese  nicht  mit  einer  abergläubischen  Handlang  in  Beziehung  sb 

Ueber  die  andere  Sendung,  die  von  1890,  schrieb  mir  Hr.  Naue  unt 
20.  März,  dass  dieselbe  5  Schädel  enthielte: 

2  von  HohenbUchcl,  Grabhügel  Nr.  4 
I     »  >  >.  »    1 

1     »     Muttcnboren,  >  »    1 

1     »     Stanfersbach,  Gruppe  II,  Grabhügel  Nr.  1 

„Aus  einem  Grabhügel  sind  die  beiden,  zuerst  aargerührten  Schad 
Hohenfaüchel  Da  sich  bei  dem  Skclet  des  Grabhügels  Nr.  1,  IlohenbUchi 
bei  jenem  von  Muttenhofen,  Grabhügel  Nr.  1,  Oberurmringe,  kleine  Eisen 
spitzen  and  Eiaenraesser  vorfanden,  weibliche  Schmuckstücke  —  Ohrrinj 
Fibeln  —  aber  fehlten,  wäre  es  mir  sehr  erwünscht  zu  erfahren,  ob  die  b« 
den  2  Schädel  wirklich  männliche  sind,  worauf  die  Beigaben  hinzudeuten  sc 

„Den  Schädel  aus  dem  OrahhUgel  Nr.  ],  Gruppe  II,  Staufersbach,  tH 
deshalb  der  Sendung  bei,  weil  er  von  einem  der  12  Skelette  herrührt,  we 
diesem  Grabe,  abgesondert  von  der  Hauptbestattung,  unter  und  dicht  neb 
ander  lagen.  Nur  eines  dieser  Skelette  hatte  2  dünne  Bronzedrahtarmringe. 
Schädel  —  und  dazu  gebort  der  Übersandte  —  lagen  ganz  dicht  neben  cii 
ja,  es  sah  aus,  als  wenn  sie  neben  einander  gestellt  wären. 

„Da  ich  spater  noch  einige  Male  derartige  merkwürdige  Bcstattungc 
eigentliche  Beigaben  voi^efunden  habe,  glaube  ich  annehmen  zu  dürfen,  d 
hier  Menschenopfer  vor  uns  haben.  Die  Hauptbestattungen  mit  rcicheu  E 
Bnden  sich  dann  stets  getrennt  von  jenen.  So  traf  ich  in  Staufersbach,  HI,  ( 
in  demBclben  Grabe  in  einer  Reihe  neben  einander  4  Schädel:  Nr.  1  und  ü 
auf  ihre  Basis  gestellt,  nur  Nr.  'i  lag  auf  dem  Hinterhaupte,  der  Oberkdrpei 
entfernter  davon;  Unterkörper  fehlte,  vielleicht  ist  er  verbrannt  worden,  i 
fanden  sich  verbrannte  menschliche  Knochen  seitwärts  des  äussersten  Skeli 
aber  auch  nur  einen  Übcrschenkel  hatte.  Schädel  Nr.  4  lag  auf  dem  rQi 
gebogenen  Obenirmknochen  eines  kopflosen  Skelets.  Die  Beigaben  bei 
lediglich  aus  2  ganz  kleinen  Bronzeknöpfchen.  Die  Hauptbestatlung  befai 
1  m  tief,  jene  der  4  Skelette  40  cm  tief." 

Die  Schädel  Nr.  I  und  1  u  von  HohcnbUehel,  Grabhügel  4,  sind  so  toII 
erhalten,  dass  alle  möglichen  Maassc  an  ihnen  genommen  werden  konnte 
Schädel  aus  dem  Grabhügel  Nr.  1  dagegen  ist  höchst  defekt  und  gestattet  n 
wenige  Messungen.  Ziemlich  vollständig  in  Bezug  auf  die  Sehüdelkapsel 
Schädel  von  Staufersbach;  ihm  fohlt,  wie  dem  von  Muttenhofen.  das  ( 
diesem  dagegen  auch  die  ganze  Umgebung  des  Foramen  magnnm. 

Die  von  HohenbUchcl  halte  ich  sümmtlich  für  männliche,  den  von  Mutti 
für  wahrscheinlich  weiblich.  Der  von  Staufersbach  ist  schwer  zu  bestimm 
er  deutliche  Zeichen    künstlicher  Verunstaltung  trügt;    indess  deutet 


auf  weibliche  Züge  hin.    Nachstehend 
merk  male : 

1)   Ho 

Nr.  1.  Grab  4.  Ein  gewaltiger, 
Schädel  mit  Unterkiefer;  Zähne  tief 
(Kephalonie),  sein  HorizontalQmfang 
rem  stellt  dna  Stirnbein  34,G,  der  Mi 
Form  ist  hypsimesocephal.  Er  h 
leichter  Vorwölbung  an  dem  hinteren 
in  minimo).  Kräftige  StirnnasenwUlste 
Hnchtiges  Mittel-  und  Hinterhaupt. 
voi^wölbt,  breite  Prot,  occip.  Schma 
lieh  wegen  des  kolossalen  Unterkie 
Orbitae  sehr  gross,  tier,  etwas  ecki| 
stark  ausgeweitet;  Index  90,0,  hypsil 
Rucken  eingebogen,  wenig  vortreten 
Starke  Spina  nasalis.  AlTeolorfortsutz 
Zähne  tief  abgerieben.  Unterkiefer  vo 
nindc  in  der  Mitte  35,  bis  zam  Za 
dreieckig.  Aeste  gross,  steil,  31  mi 
Distanz. 

Nr.  1a,  Grab  4.  Ein  gleiehfalls 
weniger  gater  Erhaltung;  Zähne  sts 
I720ccmund  orthobrachycephale  : 
trägt.  Der  Horizontal  um  fang  misst  5 
der  Vertheilung  der  einzelnen  Absei 
nmfang  ergeben  sich  fast  dieselben  Zah 
Die  Stirn  ist  hier  etwas  zurUckgelet 
flache  mediane  Crista  abgehend,  tiefe 
Wölbung  des  Scheitels  und  des  üint< 
sehr  vorgewölbt,  keine  Prutuberanz- 
tretend.  —  Gesicht  hoch,  fast  leptopn 
aussen  nnd  unten  ausgezogen,  Index 
aber  Nase  schmal,  seicht  angesetzt;  I 
Gesichtswinkel  73°.  Oberkiefer  gross, 
schräg  gestellter,  schwach  prognatl 
in  der  Mitte  35  mm  (alveolar),  43  (d 
Aeste  kolossal,  36  mm  breit,  T3  (Proc. 

Nr.  4,  Grab  1  (nach  der  Aufschri 
und  Basis  und  mit  verletztem  Vorder 
Form  ist  mesocephal.  Auch  er  ist  ! 
hauptsindex  betraf  nur  23,2.  Indesi 
Stirn  breit  (100  mm),  mit  starkem  S 
Tubera.  Lange,  etwas  flache  Scheitell 
Protuberanz;  links  von  der  Mitte  den 
dringendes  Emisaariam.  Im  Ganzen 
Schläfen. 

Vielleicht  gehört  hierher  ein  e 
Dimensionen;  derselbe  hat  tief  abgi 
Aeste.    Winkeldistanz  106  mm. 


(364) 

n  grosse  Uebereingtimmung  uoter  einander.  Sie  sind  a 
aa,  Nr.  1  and  2  geradezn  kephaloniHch.  Ihre  Indices 
I  oberen  Qradea  der  Meso-  und  den  niederen  der  Brac 
^sprechen  oder  annähernd  orthognath  und  faypsikon 
iren   Qrade   der  Chamaeprosopie,   sind   aber  ansgenu 

2)  Mnttenhofen  (Grab  1). 
chter  and  dünnwandiger,  wahracbeinlich  weiblicher  Scha 
tre  Basis.  Seine  Form  ist  orthomeso-  (fast  dolicb 
k  zackig.  Stirn  schmaler  (90  mm),  ziemlich  gerade,  a 
Dwulst,  massige  Glabella,  stärkere  Tuberalltnie,  sehne 
aber  kurze  Scheitellinie.  Volles,  breites  Hinterhaupt 
il  ein  halber  rechter,  sehr  leichter  Oberkiefer,  der  i 
enthält.    Sie   sind  sämmtlich  mit  ganz  frischen  Rroi 

3)   Slaufersbach  (IL  Nr.  1). 
r,  grober  und  eckiger  Schädel,  dessen  Geschlechtscharal 
nach  seiner  geringen  Capacität  (1205  ccm)  und  seiner  Sti 
ch  anzusehen  ist.    Er  ist  plagiocephal,   offenbar  du 
[  des  Hinterkopfes,   der   auf  der   linken  Seite   stark  < 

der  rechten  Hallte  der  Squama  occipitalis  rorgewölbt 
:e  Gegend  des  Lambdawiokels  abgeplattet.  Im  Uebrij 
emlich  vollständig;  das  Gesicht  fehlt  bis  auf  den  Nas 
angenbein  Die  Form  ist  hypsibrachycephal  und  z< 
ndex  85,1,  Höhenindex  78,0).  Die  Redaktion  des  Hin 
er  Verkürzung  des  Einterhanptsindex  bis  anf  27,2.  V 
r  Sut.  frontal.  Sehr  starker  Stimnasenwulst,  durch 
etheilt;  Tertieftc  Glabella.  Stirn  breit  (102  tni»),  in 
berallinie  stark  TorgewölbL  Flache  Scheitelcurre,  hii 
Tubera  pariei  kräftig.     Horizontal  umfang  515,   Sagil 

pCt.  Stirnbein,  37,0  Parietalia  und  28,1  Occiput.  Schi« 
rz.     Foramen  magnnm  gerundet,    34  anf  32  mm.     Qele 

vom  gestellt,  unregelmässig.  —  Wangenbein  vortrete 
cbeinbar  hoch,  Contour  gerundet.  Nase  sehr  tief  angesi 
cken  eingebogen. 

:h  ein  Stuck  eines  ganz  senilen  Oberkiefers,  dessen  Zä 
«nutzt  und  g^lättet  sind. 

ein  grösserer,  älterer  Unterkiefer  mitgekommen,  den 
SS.  — 

:bnisBe  dieser  Untersuchnng  zusammen,  so  zeigt  sich,  ( 
t-Qriiber  von   denen   der  Tcne-Gräber   recht  venchie 

Schädel,  welche  in  vielen  Beziehungen  mit  denen 
ihen  Bevölkerung  fibereinstimmen;  erstere  dage 
lit  denen  der  merovingischen  Reihengräber  in 
Was  die  ältere  Bronzeseit  angeht,  so  ist  das  Ifaterial 
Is   zeigt   das  Vorhandene   viele  Unterschiede  von  andc 


(366) 
(27)   Hr.  Virchow  spricht  unter  Vorlegung  eines  entsprechenden  Skelets  fli 

Xiphodyiuie. 
Vor  Kurzem  haben  wir  zam  zweiten  Male  das  zweibeinige  Brttderpaar  (od 
wie  man  sagt,  den  zweiköpfigen  Knaben)  Tocci  in  einer  unserer  Sitzungen  geset 
(S.  245).  Ich  habe  bei  dieser  Gelegenheit  die  höchst  sonderbare  Thatsache  hervi 
gehoben,  dass  diese  Doppel  missbil düng,  obwohl  sie  vom  Nabel  abwärts  eiata 
erscheint,  doch  in  Wirklichkeit  auch  in  dieser  Region  doppelt  ist,  indem  die  Empl 

Figur  I. 


dang  und  Bewegung  der  rechten  Seite  dem  rechten,  die  der  linken  Seite  dem  lint 
Knaben  ausschliesslich  angehört,  —  ein  Verhältniss,  welches  sich  nur  begreift,  wc 
man  annimmt,  dass,  gleichwie  der  obere  Abschnitt  jedes  der  beiden  Körper  eir 
besonderen  Kopf  und  eine  besondere  Wirbelsäule,  also  anders  ausgedruckt,  < 
besonderes  Gehirn  und  ein  besonderes  Rückenmark  besitzt,  so  auch  der  iint< 
Abschnitt  eine  doppelte  Wirbelsäule  und  ein  doppeltes  Rückenmark  haben  mlls 
Wegen  der  Renitenz  der  Knaben  hat  sich  dies  durch  die  äussere  Belastung  nii 
sicher  feststellen  lassen. 


(367) 

Es  dUrne  daher  für  die  MJtg'üeder  der  Gesellschaft  von  Interesse  sein,  an 
einem  geeigneten  Präparat  dioae  eigen  thit  in  liehen  Verhältnisse  erläutert  zn  sehen. 
In  der  Sammlung  des  Pathologischen  Inatitus  befindet  aich  ein  solches  Präparat 
(Nr.  258  Tom  Jahre  1871):  das  Skelet  eines  neugeborenen  Xiphodymen,  der,  ab- 
gesehen von  Einzelheiten  am  Brustkorbe,  in  jeder  Beziehung  mit  dem  GebrUder- 
paar  Tocci  übereinstimmt,  [nsbesondero  sind  nur  3  Unterextremitäten  vorhanden. 
Diese  sind  in  ordnungsmüssiger  Weise  an  ein  Becken  angesetzt,  welches  in  seinen 
vorderen   and   seitlichen  Theilen    in   keiner  Weise   von  einem  gewöhnlichen,  cin- 

Figiir  2. 


Tuchen  Rindcrbcckcn  abweicht.  Aber  in  seinem  hinteren  Theüe  zeigt  es  statt 
eines  Kreuit-  und  Stcissbeines  deren  zwei,  welche  bis  zum  Ende,  der  Spitze  des 
Sieissbcines,  vollkommen  ausgebildet  sind.  Nur  an  den  oberen  Sacralwirbeln  findet 
sich  eine  knöcherne  Verbindang  der  beiden  Uüirten  durch  eine  Zwischen  platte. 

Um  das  Verhältniss  genau  za  verstehen,  mnaa  zunächst  bemerkt  werden,  dass 
die  Wirbelsäulen  beider  Kinder  von  der  Gegend  der  unteren  Dorsalwirbel  an  immer 
mehr  einander  zugekehrt  werden,  wodurch  die  vorderen  Flächen  der  Wirbolkörpor 
in  eine  halb    mediale  Stellung   gebracht  sind  (Fig.  1).     An  den  Lumbal  wirbeln  ist 


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(368) 

die  Drehung  am  grössten;  dabei  tritt  Übrigens  eine  stärkere  Drehung  des  rechten 
Zwillings  hervor.  Am  4.  Lumbalwirbel  besteht  eine  brttckenfbrmige  Yerbindimg 
der  beiderseitigen  Querfortsätze;  dann  folgt  die  erwähnte  Platte,  welche  dfinn, 
aber  recht  fest  ist  und  sich  jederseits  unter  einem  fast  rechten  Winkel  an 
die  Wirbelsäule  anschliesst.  Unmittelbar  an  dieselbe  stösst  nach  unten  ein 
grösseres  Rnochenstück,  das  nach  vom,  gegen  das  Becken,  mit  einer  schräg- 
gestellten  Fläche,  nach  hinten  in  Form  eines  stark  kirschkemgrossen  Knöpfet 
(Fig.  2)  hervortritt  Es  entspricht  einer  verkümmerten  Ala  sacralis,  und  zwar  an- 
scheinend der  linken  Hälfte  des  rechten  Kindes.  Die  untersten  Abschnitte  des 
Kreuzbeins  und  die  Steissbeine  entfernen  sich  weit  von  einander,  so  dass  die 
Spitzen  der  Steissbeine  durch  einen  grösseren  Zwischenraum  getrennt  sind. 

Es  ergiebt  sich  also,  dass  das  scheinbar  einfache  Becken  aus  der  rechten 
Hälfte  des  Beckens  des  rechten  und  der  linken  Hälfte  des  Beckens  des  linken 
Kindes  so  zusammengesetzt  ist,  dass  jede  Hälfte  die  ihr  zugehörige  ünterextremität 
in  regelrechter  Weise  trägt  und  ebenso  an  die  betreffende  Seite  je  einer  Wirbel- 
säule angefügt  ist.  Die  Yertheilung  der  Rückenmarksnerven  an  die  Unterextremi- 
täten konnte  also  in  gleicher  Weise  vor  sich  gehen,  so  dass  das  rechte  Bein  so- 
wohl sensible,  als  motorische  Nerven  von  dem  Rückenmark  des  rechten,  und  das 
linke  Bein  ebenso  von  dem  Rückenmark  des  linken  Knaben  erhielt  Von  dem 
linken  Bein  des  rechten  und  (^m  rechten  Bein  des  linken  ist  keine  Spur  vor- 
handen, ebensowenig  von  den  entsprechenden  Theilen  des  Beckens,  abgesehen  von 
dem  kleinen  Knopf,  den  ich  der  Ala  sacralis  des  rechten  Kindes  zuschreibe. 

Etwas  complicirter  gestalten  sich  die  Verhältnisse  an  der  Brust.  Hier  er- 
scheinen, von  vom  her  gesehen  (Fig.  1),  beide  Brustkörbe  zu  einem  einzigen,  sehr 
weiten  Brustkorbe  von  5  cm  Querdurchmesser  vereinigt,  an  welchem  die  Rippen  mit 
ihren  Knorpeln  vollständig  ausgebildet  sind,  so  jedoch,  dass  die  der  rechten  Seite 
dem  rechten,  die  der  linken  dem  linken  Kinde  angehören.  Die  Knorpel  inseriren 
sich,  wie  gewöhnlich,  an  ein  Brustbein ;  dieses  aber  ist  sehr  nnregelmässig  gebildet. 
Es  stellt  nehmlich  eine  sehr  breite  knorpelige  Platte  dar,  in  welcher  4 — 5  unregel- 
mässig zerstreute,  zum  Theil  recht  grosse  Knochenplatten  (Ossifikationskerne)  ent- 
halten sind.  Ein  Paar  derselben  scheinen  paarweise  geordnet  zu  sein,  also  den 
ursprünglichen  Hälften  anzugehören.    Der  grösste  liegt  unten  rechts. 

Eigentlich  sollte  man  ein  ähnliches  Yerhältniss  auch  an  der  Rückseite  er- 
warten. Allein  hier  (Fig.  2)  finden  sich,  und  zwar  nicht  einmal  vollständig,  nur 
die  Rippen,  dagegen  fehlt  daselbst  jede  Spur  von  Brustbein.  Soweit  ein  solches 
vorhanden  ist,  werden  wir  es  gleichfalls  an  der  Vorderseite,  und  zwar  in  voller 
Vereinigung  mit  dem  schon  beschriebenen  Brustbein  antreffen.  Betrachten  wir 
vorerst  die  Rippen.  Hier  zeigt  sich,  dass  die  oberen  Rippen,  und  zwar  an  dem 
linken  Kinde  7,  an  dem  rechten  6,  vorhanden  sind.  Sie  stossen  sehr  bald  auf 
einander,  krümmen  sich  dann  schnell  nach  innen  und  sehr  stark  nach  oben,  wo 
sie  fast  dachziegelförmig  über  einander  geschoben  sind  und  viel  weiter  hinauf- 
reichen, als  die  Rippen  der  freien  Seiten.  Ihre  Enden  sind  nach  vom  gegen  die 
hintere  Fläche,  zum  Theil  gegen  den  oberen  Abschnitt  der  Steroalplatte  gewendet 
So  entsteht  mitten  hinter  der  Stemalplatte  eine  Art  von  doppelter  Scheidewand,  wo- 
durch innerlich  eine,  wenn  auch  unvollständige  Zerlegung  des  von  vom  her  schein- 
bar einfachen  Thorax  in  4  Abtheilungen  (Höhlen)  bewirkt  wird.  Die  Rippen  des 
linken  Kindes  sind  länger  und  mehr  gestreckt,  die  des  rechten  kürzer  und  stärker 
eingebogen;  jene  springen  daher  über  die  letzteren  nach  innen  und  unten  henror. 

Die  weiteren  (unteren)  Rippen  zeigen  grosse  Abweichungen.  An  dem  linken 
Kinde  ist  die  noch   recht  lange  7.  Rippe  vom  Angulus  an  beträchtlich  verdickt 


wie  man  jedoch  nnr  bei  der  Betrachtong  t 
8.  Rippe  ist  stark  rerkürzt,  so  dass  sie  überh 
sie  ist  schon  am  AngiUna  in  einen  breiten  nn 
gebognen  Haken  umgewandelt,  der  den  Raai 
der  ganz  knrzcn  9.  Rippe  einnimmt.  Von 
Rindes  ist  äusserlich  nichts  sichtbar,  weil  die 
Reste  der  Rippen  nach  aussen  durch  die  hyp 
anderen  Kindes  gänzlich  verdeckt  werden. 
7.  linke  Rippe  sehr  kurz;  sie  taucht  sehr  ba 
dem  sie  einen  rundlicheckigen  Knopf  gebildet 
An  der  Stelle  der  8.— 10.  Rippe  finden  sich  g 
des  Angulus  zn  dicken  Knöpfen  anschwellen 
stark  hervor  (Fig.  2).    Die  11.  Rippe  ist  kun 

Höchst  sonderbar  ist  der  Schultergürtel 
4  Schulterblätter  und  4  Schlüsselbeine  vorha 
Schulterblatt  des  linken  und  das  rechte  dt 
gen  beiden  Armen,  die  regelmässig  anageb 
Von  jedem  derselben  geht  eine  sehr  lange 
tief  an  die  Stemalplatte  anzusetzen.  Dagegei 
bläUer  mit  den  dazugehörigen  Armen  ttber  di 
und  oben  geschoben  (Fig.  I)  und  zugleich 
nach  oben  und  innen  gewendet  ist;  beide  Vi 
einen  ligamentösen  Strang  verbunden.  Die  ' 
Verschiebung  am  Akromialansatze  nach  von 
platte  oberhalb,  vor  und  nach  innen  von  den  1 
Entfernung  von  einander.  Daraus  folgt,  da: 
Abschnitte  eigentlich  der  Rückseite  der  Doj 
Abschnitt  dadurch  entstanden  ist,  dass  die  hi 
hanpt  in  ihrem  sehr  defekten  Zustande  vorhi 
her  nach  vorn  herObergeschlagen  hat  und  hie 
schmolzen  ist.  Jedes  der  Kinder  entsendet  all 
Stern alplatte:   eine   obere,  vordere  and  eine  t 

Sehr  interessant  sind  die  dicken  knopHBr 
welche  eine  vollständige  Analogie  zu  der  kno 

Kopf  und  Hals  sind  vollständig  doppelt. 

Wir  sehen  hier  das  Vcrhältnias  der  ausgf 
bildimg  der  einander  zugewendeten  Thorax-Hi 
pagie  mit  noch  weiter  gehender  Defektbild 
vor  uns,  —  ein  Verhältniss,  welches  der  l 
parallel  ist.  Denn  es  bandelt  sich  dabei  nie 
körbe  und  der  Becken  zweierj  einfach  neben 
vielmehr  milsste  man,  wenn  man  aus  den  Bru 
und  ans  den  beiden  Becken  ein  einziges  i 
Brustkörbe  und  die  Becken  in  sagittaler  1 
Manubrium  stemi,  bezw.  bis  zur  Ala  sacralis 
auseinander  klappen,  die  hinteren  Seitentheile 
dann  die  Durchschnitte  mit  ihren  OelTnungcn 
trachtnng  lehrt,  dass  derartige  Doppelmissbildui 
achon  fertiger  Körper  entstehen  können,  da 
einer  Zeit  des  Embryonallebens  angelej 


(.170) 

}iDd.  Dies  aber  l'äa%t  sich  m 
nissbildung  aua  einer  cinrachcn  Eizelle  hervoi 
Störung,  welche  schon  bei  dem  ersten  Begin 
,  die  secunduren  Zcllgnippcn,  aus  welchen  di 
cn,  auscin an dei^ed rängt  worden  sind.  Die  voll 
isbildung  beweist,  dass  die  Zcligrappen  zur  Zei 
prüuglichen,   engverbundenen  Lagerung  sich  bc 

I  xiphodymG  Doppel misabildungen  am  häuflgate 
iders  bei  Vögeln,  rorkoramen.  Unsere  Saromlnn, 
iCn  von  Hühnern.  Desgleichen  finden  sich  dari: 
ischcn,  so  namentlich  ein  schöner  Fall  (Nr.  6063] 
itüten  zu  einer  einzigen  verschmolzen  sind,  nn 
laltcn   haben.    Der  Fall  ist  in  einer  Dissertatioi 


iten  AztekeD  tmd  die  Chna. 

[itglieder  hat  heute  vor  14  Tagen,  einer  freaiid 
stan  Tolgend,  dem  ich  dafür  den  besten  Dan) 
m  die  sogenannten  Azteken  gesehen.  Wir  habei 
1  die  in  der  vorigen  Sitzung  von  Hrn.  R.  Hart 
^gerufene  Mähr  von  der  „Entdeckong  der  azteki 
lerTorschten  Region  und  der  Besitzergreifung  voi 
>   sie   schon   vor  Jahren   in  einem  kleinen  Pam 

Impresario  mit  gleicher  Ueberzeugungstreue  und 
em  Erfolg  vortragen  hären.  Indess  unser  Urthei 
jser  Geschichte  nicht  hindern  und  das  Publikum 

fernerhin  der  wundersamen  Erzählung  lanscher 
rzengt,  dass  diese  „Azteken"  Uicrocephalei 
lung  hat  diese  Ueberzeugung  nur  bestärkt  Abe 
88  die  beiden  Leute  sehr  ansgezeichnetc  Micro 
iter  nichts  wären,  so  würde  dies  schon  genQgen 
ig  erscheinen  zu  lassen.  Dazu  kommt,  dasa  dii 
vorgeführt  werden,  Kinder  sind  und  früh  sterben 
chaene,  sondern  auch  verhältnissmässig  alte  Per 
Alter  ist  fredich  nichts  Genaueres  bekannt.  Nacl 
Expedition  nach  Iximaya  Itl48  statt;  damals  warei 
3  der  Abhandlung  von  C.  G.  Carus  ersehe  leb 
I  Regierungsblatt  von  S.  Salvador  vom  8.  Octobc 
laher  nichts  entgegen,  ihnen  ein  Alter  von  nahen 
Lngabe    der  Führer    nach    wäre  der  Mann  gegen 

Da  sie  jetzt  in  einem  aalannthigen,  europäischci 
gelt,  vorgeführt  werden,  so  ist  der  Eindruck  eii 
ichcr,  zumal  da  ihre  geistige  Entwickelang  keinei 

ng  etwas  Besonderes  an  sich,  was  zu  einem  wei 
ite  reizt,  und  diesem  Reize  hat  in  der  That  keii 
Ihre  Kopf-  und  Gesichtsbildnng  erinoer 


(371) 

in  hohem  Maasse  an  al^mexikanische  Bilder.  Gleichyiel  ob  roan  dabei  mit 
dem  Altmeister  Garas  die  Skulpturen  von  Palenque  als  Muster  nimmt,  oder  ob  man 
irgend  einen  der  unzähligen  Thonköpfe  wählt,  die  uns  aus  Mexico  zugeführt  werden, 
—  die  Leute  gleichen  in  der  That  diesen  Figuren,  und  der  Gedanke,  dass  in  ihnen 
ein  altmexikanischer  Typus  fortlebe,  bietet  sich  gewissermaassei;  von  selbst  dar. 
Insofern  ist  die  Deutung,  welche  der  Impresario  giebt,  in  etwas  entschuldbar. 

Indess  kein  Anthropologe  wird  zugestehen,  dass  die  verdrückten  Köpfe  der 
alten  Skulptur  und  Keramik  typische  Köpfe  eines  der  alten  Stämme  daretellen 
oder  auch  nur  darstellen  sollten.  Da  wir  aber  nicht  wohl  annehmen  können, 
dass  es  zu  irgend  einer  Zeit  eine  Liebhaberei  der  nationalen  Künstler  gewesen 
sei,  Microcephalen  darzustellen,  so  liegt  es  viel  näher,  jene  Köpfe  als  defor- 
mirte  zu  betrachten.  Dafür  spricht  der  Umstand,  dass  Deformation  im  alten 
Mexico  in  grosser  Ausdehnung  geherrscht  hat,  wie  die  Gräberschädel  beweisen. 
Auch  in  Kleinasien,  wo  die  schon  von  Hippokrates  aus  Kolchis  geschilderte 
Deformation  der  Köpfe  bis  in  die  neue  Zeit  hinein  nicht  ganz  erloschen  ist, 
findet  man  verdrückte  Thonköpfe  von  ähnlicher  Art,  wie  die  mexikanischen. 
Wäre  es  nun  nicht  möglich,  dass  sich  die,  ursprünglich  durch  äussere  Gewalt  her- 
voi^ebrachte  Verunstaltung  des  Schädels  im  Laufe  von  Generationen  erblich  fort- 
gepflanzt hätte?  Darauf  müssen  wir  ganz  bestimmt  verneinend  antworten.  Noch 
ist  kein  einziger  Stamm  bekannt,  wo  sich  eine  solche  erbliche  Fortpflanzung  hätte 
nachweisen  lassen.  In  dem  Augenblick,  wo  die  Sitte  der  künstlichen  Verunstal- 
tung aufhört,  schwindet  auch  der  verdrückte  Kopf  bei  der  nachgebomen  Generation. 

Höchstens  könnte  man  annehmen,  dass  die  Köpfe  der  beiden  Leute  selbst 
einer  solchen  künstlichen  Deformation  unterworfen  worden  seien.  Aber  auch  das 
lässt  sich  abweisen.  Die  Deformation  bringt  gelegentlich  eine  leichte  Verkleine- 
rung des  Schädels  hervor,  aber  sie  erzeugt  keine  Microcephalie  im  engeren  Sinne. 
Bin  horizontaler  Kopfumfang  von  370  oder  von  385  mm,  wie  wir  ihn  bei  diesen 
Leuten  finden,  ist  niemals  als  Folge  einer  gewaltsamen  Einschnürung  bei  Er- 
wachsenen beobachtet  worden.  Am  wenigsten  würde  eine  solche  Einschnürung 
die  besondere  Form  erzwingen,  welche  wir  hier  antreffen. 

Auch  ist  die  Kleinheit  dieser  Köpfe  nicht  jener  Zwerghaftigkeit  des  Schädels 
gleichzusetzen,  die  ich  als  Nannocephalie  bezeichne  und  die  ich  bei  einer 
grösseren  Zahl  von  wilden  Stämmen  Americas  in  einer  bemerkenswerthen  Häufig- 
keit nachgewiesen  habe.  Der  nannocephale  Schädel  ist  ein  Cranium  justo 
minus,  der  microcephale  eine  Monstrosität.  Und  daher  gehören  unsere 
„Azteken""  nicht  zu  den  Nannocephalen,  sondern  zu  den  Microcephalen,  und  die 
Uebereinstimmung  ihrer  Köpfe  mit  altmexikanischen  ist  mehr  schein- 
bar, als  wirklich. 

Die  jetzige  „Inhaberin"  (Proprietress  of  the  „Aztecs"),  Mrs.  Nellie  Marsh, 
gestattete  mir  in  gefälligster  Weise,  nach  der  Vorstellung  ihrer  Schützlinge  Messun- 
gen an  denselben  vorzunehmen.  Diese  mussten  allerdings  unter  den  verhältniss- 
mässig  ungünstigen  Gelegenheiten  des  Ortes  und  der  Zeit  auf  ein  kleines  Maass 
beschränkt  werden,  und  ich  bin  nicht  einmal  ganz  sicher,  dass  sie  völlig  exakt 
sind.  Ich  habe  schon  vor  14  Jahren  (Verhandl.  1877.  S.  289)  eine  Reihe  älterer 
Messungen  der  Gesellschaft  vorgelegt,  die  nach  meiner  Erinnerung  aus  dem  Jahre 
1866  herstammten,  und  es  war  mir  daher  doppelt  interessant,  zu  sehen,  was  in 
dieser  Zeit  aus  den  Leuten  geworden  war.  Leider  kann  ich  meine  Originalnotizcn 
von  damals  nicht  auffinden,  und  die  Vergleichung  der  jetzigen  Maasse  mit  den  da- 
maligen ergiebt  so  grosse  Differenzen,  und  zwar  keineswegs  glcichmässige  für  die 
einzelnen  Personen,  dass  ich  befürchten  muss,  es  seien  bei  der  Aufzeichnung  oder 

24* 


(372) 

der  AbBchrift  Veraechselangcn  Torgckommen.    Ich   verzichte  daher  anf  eine  Vei 
^tcichnng:  der  TrUheren  und  der  jetzigen  ZahlGoreihcn  und  gebe  nur  die  letzterer 
Maximo  S  ßartola  $ 

Horizontaler  Kopfurafang    ....    385  mm  370  mm  ' 

Gröaste  horizontale  Lunge  ....     133    <  139    < 

„        Breite 104    .  103    « 

Ohrhöhe 66    «  76    • 

Stimbreite 64    «  78    « 

Entfernung  des  Ohrlochcs  von   der 

Nasenwurzel 102    «  93    • 

Gesichtshöhe  A  (Haarrand)     ...     137    «  132    . 

„  B  (Nasenwurzel)    .    .      53    «  68    • 

Gcsichlsbreito  a  (jugai) .    ....     104    •:  106    ° 

„  b  (malar)     ....       67    .  72    . 

„  c  (mandibular  ...       83    «  74    « 

Augendistanz 29    <  26    < 

Distanz  der  äusseren  Augenwinkel .       78    «  77    € 

Nase,  Höhe 56    .  52    ■ 

„      Lange 55    »  54    « 

„      Breite 36    .  35    « 

„     Elevation  (der  Spitze)  ...      27    .  21    . 

Mund,  Ijänge 51    «  55    * 

Ohrmuschel,  Höhe 54    <  52    < 

Körperhöhe 1335    •  1355    « 

Da  der  Haarwuchs  auf  dem  Kopfe  reichlicher,  wenigstens  die  einzelnen  Haai 
länger  und  durch  Kämmen  zu  einer  gewaltigen  Baarkrone  ausgestreckt  sind,  so  ii 
es  begreiflich,  doss  die  Kopfdurchmesser  nicht  unbeträchtlich  grösser  ausgefalle 
sind,  als  früher,  was  schwerlich  allein  auf  eine  Vergrössening  des  Schädels  zu  bt 
ziehen  ist.  Dazu  kommt,  doss  einzelne  Maasae,  z.  B.  die  Länge  des  Schädels,  jeb 
in  der  Horizontale  bestimmt  werden.  Am  anflälligsten  ist  die  Verminderung  dt 
Körperhöhe  (Lange),  welche  bei  Maxime  65,  bei  Bartola  10  mm  beträgt.  Sowe 
ich  mich  erinnere,  habe  ich  die  Leote  früher  im  Liegen  gemessen,  während  c 
jetzt  im  Stehen  geschah.  Aber  ich  möchte  allerdings  glauben,  dass  Maximo  i 
der  That  kleiner  geworden  ist.  Seine  Beine  haben  durch  die  Art  seines  Sitzen 
mit  nach  aussen  gespreizten  Unterextremitäten  an  Krümmung  zugenommen,  gleicl 
wie  seine  Haltung  stark  vornüber  geneigt  ist.  Einzelne  Theilc  scheinen  jedoc 
positiv  gewachsen  zu  sein,  so  namentlich  Gesichtsknochen:  die  Gesichtshöhe  bi 
bei  Maximo  eine  Zunahme  von  8,  bei  Bartola  von  G  mm  ergeben,  die  Höhe  d( 
Nase  ist  um  3,  bezw.  2  mm  grösser  verzeichnet. 

Aus  den  mitgetheilten  Zahlen  ergeben  sich  folgende  Indices: 

Längenbreitenindex    ....    Haximo  78,1     Bartola  79,8 

Ohrhöhenindex „        49,6  ,        58,9 

Geaichtsindex „        50,9         „       64,1 

Nasenindex „        64,2         „       67,3 

Hier  zeigen  sich  die  grossen  Contraale  in  der  Bildung  der  einzelnen  Regionei 
Wahrend  der  Breitenindex  bei  beiden  mesoeephal  ist,  erweist  sich  der  Oh 
hohenindex  als  hyperchamaecephal,  und  während  das  Gesicht  ultrachama« 
prosop  ist,  berechnet  sich  ein  leptorrhiner  Nasenindex. 

Die  schon  früh  verbreitete  Nachricht,  dass  die  „Azteken"  Mischlinge  seie 
Heren  Mutter  eine  Mulattin,  der  Vater  ein  Indianer  gewesen,  findet  in  der  Nuei 


(373) 


■  -v-'^ 


bildnng,  soweit  die  Mutter  in  Betracht  gezogen  wird,  und  in  dem  Oesichtsindex, 
soweit  der  Vater  herangezogen  werden  sollte,  keine  Unterstützung.  So  schmale 
und  so  weit  vorspringende  Adlernasen,  deren  Elevation  27,  bezw.  21  mm  und  deren 
Länge  (am  Rücken)  55,  bezw.  54  mm  misst,  lassen  sich  nicht  füglich  auf  eine  Neger- 
abstammung zurückführen,  und  ein  so  niedriges  Gesicht  von  53,  bezw.  68  mm  gerader 
Höhe  (Nasenwurzel  bis  Kinnrand)  ist  unmöglich  für  einen  typischen  Indianer.  Ganz 
besonders  bezeichnend  ist  aber  die  Niedrigkeit  des  Ohrhöhenindex,  welche  gänzlich 
aus  der  Kategorie  der  bekannten  Rassenindices  heraustritt.  Hier  sehen  wir  jene 
eigenthümliche  Combination  von  Microcephalie  und  Microprosopie,  welche  nur  den 
pathologischen  Formen  zukommt.  Letztere  zeigt  sich  in  nichts  so  evident,  als  in 
der  Kleinheit  des  Unterkiefers,  dessen  Kinn  weit  hinter  den  Lippen  und  Kiefer- 
rändern zurückbleibt,  —  eine  fast  affenartige  Bildung,  —  und  dessen  Winkeldistanz 
nur  83,  bezw.  74  mm  beträgt. 

Die  Sammlung  des  Pathologischen  Instituts  besitzt  glücklicherweise  ein  aus- 
gezeichnetes Specimen  von  Microcephalie  bei  einem  Negerknaben,  welches 
sich  für  eine  Yergleichung  um  so  mehr  eignet,  da  der  Knabe  gleichfalls  aus 
America  stammt.  Nach  dem  Katalog  wurde  es  im  Mai  1856,  noch  durch  Johannes 
Müller,  erworben.  Es  waren  damals  zwei  Kinder  gleicher  Art  nach  Berlin  ge- 
bracht, wie  man  annahm,  Bruder  und  Schwester.  Das  nach  Angabe  des  Führers 
um  mehrere  Jahre  ältere  Mädchen  war  dem  Bruder  ganz  ähnlich  in  der  Gestalt 
des  Gesichtes  und  Kopfes;  es  war,  wie  er,  ohne  articulirte  Sprache,  jedoch  lenksam 
und  gutmüthig;  auch  verstand  es  manche  spanische  Worte  des  Führers.  Der 
Knabe,  der  etwas  weniger  lenksam  war,  erkrankte  in  Berlin  und  starb.  Sein  Kopf 
ist  in  Spiritus  aufbewahrt  (Nr.  18350),  sein  übriges  Skelet  macerirt  (Nr.  18403). 
Letzteres  hat  vom  Atlas  bis  zur  Sohle  eine  Höhe  von  890  mm^  zeigt  sehr  feine  und 
zierliche  Knochen,  ohne  jede  Spur  von  Verkrümmung  oder  von  Anschwellung  der 
Gelenkenden,  die  Epiphysen  sind  noch  abgesetzt,  aber  scheinbar  im  Verschmelzen 
begriffen,  der  Thorax  in  seinem  unteren  Theile  ungewöhnlich  weit  und  vorgeschoben. 
Die  oberen  Schneidezähne  sind  im  Wechsel  begriffen,  die  beiden  mittleren  brechen 
eben  vor,  doch  darf  man  wohl  annehmen,  dass  sie  länger  zurückgehalten  sind, 
und    man   wird   nach   ihnen  schwerlich  das  Alter  des  Kindes  bestimmen  können. 

Der  Kopf  ist  bedeckt  mit  einer  ganz  dichten  Perrüke  von  schwarzem,  hier 
und  da  leicht  bräunlich  schimmerndem  Haar,  dessen  enge  Spiralrollen  6 — 8  mm 
hoch  stehen.  Es  ist  das  reinste  Negerhaar.  Die  Behaarung  setzt  sich  über  die 
ganze  Stirn  bis  zu  den  sehr  starken  und  glatten  Brauen  fort,  jedoch  ist  dieses 
Stirnhaar  kurz  und  ganz  glatt.  Auch  erstreckt  sich  bis  zum  Kieferwinkel  ein  deut- 
licher Anflug  von  Backenbart,  dagegen  fehlt  jede  stärkere  Behaarung  an  Lippen 
und  Kinn.  Die  Augenlider  lang  und  glänzend  schwarz.  Die  Haut  ist  braun- 
schwarz. Die  Nase  kurz,  breit,  dick,  am  Rücken  eingebogen,  34  7nm  hoch,  30  breit, 
Index  88,2,  also  platyrrhin.  Die  Lippen,  besonders  die  obere,  dick  und  vor- 
tretend, das  Kinn  weit  zurückstehend.  Die  Schneidezähne  des  Unterkiefers  sehr 
schön  entwickelt,  breit  und  mit  je  3  Zacken  (den  Kunden  der  Thierärzte)  an  der 
Schneide. 

Was  den  Schädel  betrifft,  so  ist  derselbe  nicht  geöffnet,  dagegen  durch  Zurück- 
legen der  Weichtheile  entblösst.  Man  sieht  daran  eine  vollständige  Synostose 
der  Pfeilnaht,  während  Kranz-  und  Lambdanaht,  letztere  sehr  flach,  erhalten 
sind.  Der  Schädel  ist  124  mm  lang,  93  breit,  also  dolichocephal  (Index  75,0, 
an  der  oberen  Grenze  der  Dolichocephalie).  Er  erscheint  auch  sehr  schmal,  zumal 
da  gar   keine  Tubera   parietalia   entwickelt  sind.    Die  Stirn  ist  schräg,    mit  einer 


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medianen  flachen  Crista  ausgestattet.    Das  Hinterhaupt  niedrig,  von  pithekoidem 
Aussehen. 

Das  ist  also  ein  microcephales  Negerkind  mit  allen  wesentlichen  Eigen- 
schaften seiner  Rasse.  Es  mag  dabei  in  Betracht  kommen,  dass  es  wahrschein- 
lich von  schwarzen  Eltern  ohne  Vermischung  mit  einem  Gliede  einer  anderen 
Rasse  abstammt,  aber  man  muss  doch  zugestehen,  dass  es  von  unseren  Azteken 
toto  caelo  verschieden  ist.  Nichts  an  ihm,  natürlich  abgesehen  von  dem  patholo- 
gischen Schädelbau,  erinnert  an  unsere  beiden  Leute. 

Wenn  man  immer  wieder  betont  hat,  dass  das  Haar  dieser  letzteren  kein 
amerikanisches  Haar  sein  könne,  da  es  nicht  schlicht  und  straff,  sondern  „kraus** 
sei,  so  ist  dagegen  zunächst  zu  bemerken,  dass  in  neuerer  Zeit,  namentlich  in  Süd- 
america,  doch  auch  Eingeborne  getroffen  sind,  welche  „krauses"  Haar  besitzen. 
Aber  noch  mehr  ist  zu  betonen,  dass  dieses  „krause*^  Haar  kein  Negerhaar 
ist:  ihm  fehlt,  ebenso  wie  dem  Haar  der  Australier,  vollständig  die  Eigenschaft, 
Spiral röllchen  („Pfefferkörner")  zu  biWen,  wie  sie  der  Kopf  des  microcephalen 
Negerkindes  in  so  ausgezeichneter  Weise  zeigt.  Das  Haar  unserer  Azteken  war 
niemals  spiralgerollt,  es  war  und  ist  eben  nur  wellig,  und  was  darüber  hinausgebt, 
das  ist  künstliche  Frisur.  Mrs.  Marsh  war  so  gütig,  mir  zu  gestatten,  Haurproben 
von  den  Azteken  zu  nehmen.  So  besitze  ich  eine  15  cni,  lange  Haarlocke  von 
Bartola  und  eine  ähnliche  von  Maxime.  Beide  zeigen  starke,  schwarze,  hier  und 
da  mit  grauen  untermischte  Haare  ohne  jede  Neigung  zur  Spiralwmdung.  Bei  der 
mikroskopischen  Untersuchung  sieht  man  das  Pigment  in  dichter  Anhäufung  in 
der  Rindenschicht,  dicht  unter  der  ganz  farblosen  Guticula;  es  besteht  aus  feinen« 
schwarzbraunen  Körnern,  die  häufig  in  Spindelform  angeordnet  sind.  Darunter 
folgt  eine  ganz  farblose  Zone,  in  der  hier  und  da  ein  Pigmentkömehen  liegt  An 
vielen  Haaren  fehlt  jede  Andeutung  eines  Markstreifens,  an  einzelnen  ist  ein 
solcher  vorhanden,  jedoch  meist  dünn  und  häufig  unterbrochen,  und  dann  ent- 
hält er  gleichfalls  schwärzliches,  kömiges  Pigment.  Auf  dem  Querschnitt  er- 
scheinen die  Haare  überwiegend  randlich  oder  oval,  niemals  bandförmig  oder  an 
einer  Seite  abgeplattet,  höchstens  etwas  eckig. 

Meiner  Meinung  nach  liefem  die  Haare  der  Azteken  keinen  Hinweis  auf  eine 
Abstammung  von  Negern.  Man  vergleiche  z.  B.  meine  Beschreibungen  der  Haare 
der  Bella  Coola  (Verh.  1886.  S.  212)  und  der  Goajiro  (ebendas.  S.  701),  und  man 
wird  kaum  eine  Verschiedenheit  von  den  Haaren  der  Azteken  finden,  höchstens  dass 
die  der  Bella  Coola  durchschnittlich  dicker  waren.  Aber  auch  bei  ihnen,  wie  bei 
den  Goajiro,  findet  sich  gelegentlich  welliges  Haar.  Ebenso  wenig,  wie  das  Haar, 
liefert  die  Hautfarbe  der  Azteken  ein  entscheidendes  Merkmal.  Allerdings  sind  sie 
sehr  dunkel  gefärbt,  allein  wenn  man  die  Schilderangen  der  Hautfarbe  der  heutigen 
Indianer  Mexicos  von  A.  von  Humboldt  bis  auf  die  neueste  Zeit  zu  Rathc  zieht, 
so  steht  überall  die  ungewöhnlich  dunkle  Hautfarbe  im  Vordergrande  *).  Was  aber 
jeden  Zweifel  beseitigt,  das  ist  die  gänzlich  unnigritische  Bildung  des  Gesichts, 
insbesondere  der  Nase  und  der  Interorbitalgegend.  Letztere  ist  ganz  schmal  (bei 
Maxime  29,  bei  Bartola  26  mm),  entsprechend  der  Schmalheit  der  Nasenwurzel  und 
der  Leptorrhinie  überhaupt.  Eine  so  weit  vortretende,  aqniline,  geradezu  vogel- 
schnabelähnliche  Bildung  der  Nase  ist  bei  Negern  unerhört  und,  wie  wir  sahen, 
nicht  einmal  dem  microcephalen  Negerkinde  eigenthümlich. 

Diese  Art   der  Nasenbildung   ist   es  vor  Allem,    welche  zur  Vergleicbung  mit 


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1)    Man   vergl   übrigens   die  Angaben   des  Hrn.  Me  lg  ar  (Verh.  1874.  S.  79«   überdies 
»Schwarzen**  in  Chiapas. 


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(377) 

Nachweise  wünschenswerth.    Vielleicht  wäre  es  möglich,  über  die  Familie  Suckey 
Hilling  in  London  Genaueres  zu  erfahren.  — 


Hr.  R.  Hart  mann:  Als  in  der  letzten  Sitzung  von  den  sogenannten  Azteken 
die  Rede  war,  versprach  ich  einige  bildliche  Elrläuterungen  und  Belege  zu  dem 
von  mir  damals  Gesagten  zu  liefern.  Ich  zeige  hier  zunächst  den  Versuch  einer 
vielleicht  dem  Leben  entsprechenden  Restauration  des  Kopfes  eines  Königs  und 
eines  geringen  Mannes  aus  den  Reliefs  von  Palenque  in  Chiapas  vor.  Beide  Köpfe 
lassen  die  ktlnstliche  Verbildung  des  Gehirntheiles  und  die  sehr  ausgeprägte 
Römernasenbildung  des  Antlitztheiles  wohl  erkennen.  Der  König  zeigt  die  äusserst 
complicirte  Beschaffenheit  der  Kopfbedeckung  mit  ihren,  vielfach  den  altaztekischen 
ähnelnden,  metallenen,  edelsteinbesetzten  Spangen  und  Netzen,  den  wehenden 
Büschen  der  prachtvollen  Quetzalfedern  u.  s.  w.  Der  geringere  Mann  hat  das  Haar 
bis  auf  eine  Art  mittleren  Skalpschopfes  kahl  geschoren.  —  Das  Bild  des  Osagen- 
häuptlings  Talli,  nach  einer  Oelskizze  George  Catlin's,  lässt  eine  ähnliche  Be- 
handlung des  Kopfhaares  und  den  hochroth  gefärbten  Schopf  vom  Schweifhaar 
des  Virginia-Hirsches  erkennen.  —  Eine  altaztekische  Steinmaske,  ferner  das  Porträt 
eines  Guatemalteken  indianischer  Nationalität  aus  Santiago,  die  Köpfe  eines  Mönni- 
tarri-  und  eines  Krähen-Indianers,  letztere  beiden  nach  den  prächtigen  (colorirten) 
Darstellungen  eines  Karl  Bodmer  (Reise  des  Prinzen  Max  von  Neu-Wied  in 
Nord-America),  sowie  die  Bilder  zweier  nackter,  aztekischer  Weiber  aus  dem 
Werke  von  Lord  Kingsborough  bieten  die  typische,  ramsnasige  Bildung  der 
Indianergesichter  getreulich  dar.  Dasselbe  ist  der  Fall  an  zwei  Aquarellzeichnungen 
einer  (modernen)  India  Azteca  del  Mirador  und  eines  (ebenfalls  modernen)  jungen 
Totonaco  von  Cempoalla.  Diese  beiden  sehr  charaktervollen  Köpfe  sind  Copien 
von  Oelskizzen  des  ausgezeichneten  Tropenmalers  Moritz  Rügen  das.  Sie  sind 
von  mir  der  hiesigen  Königlichen  Nationalgalerie  entnommen.  Der  erwähnte 
Künstler  bereiste  zu  Ende  der  1820  er  Jahre  Mexico.  Leider  ist  derselbe  ge- 
zwungen gewesen,  bei  seinen  rastlosen  Streifereien  einen  Theil  der  von  ihm  stark 
beanspruchten  Oelfarben  seines  Malkastens  aus  schlechtem  Material  zu  ergänzen. 
Die  mit  solchen  Farben  gemalten  Bilder  fallen  einer  Verderbniss  anheim,  für 
welche  kein  Gegenmittel  existirt.  —  Es  folgen  noch  der  Kopf  einer  Longhead-Frau 
von  Koskimo  nach  einer  von  Capitän  Adr.  Jacobson  mitgebrachten  Photographie 
und  einer  Longhead-Frau  nach  Oelskizze  von  G.  Catlin.  Letztere  bringt  die 
methodische  Kopf-Compression  des  auf  einer  Art  von  Wiege  getragenen  Säuglings 
auf  unzweideutige  Weise  zur  Anschauung.  — 

(29)  Hr.  R.  Hartmann  zeigt,  zur  Erläuterung  der  stattgehabten  Diskussion 
über  Zimbaoe  (Verh.  1889.  S.  741),  Holzschnitt- Darstellungen:  1)  der  damals 
von  ihm  erwähnten  Vertheidigungsthürme  in  Khorassan  (gegen  turkomanische 
Räuber)  aus  der  Pariser  Illustration  (Autor  Oberst  Co lombari)  und  aus  den  IIIu- 
strated  London  News  (Autor  Will.  Simpson  1885  und  1889),  sowie  2)  der  ähn- 
lichen Nuraghen  auf  Sicilien  aus  der  Illustrazione  Italiana  (Autor  Capitän  Alete 
Cionini  1890). 

(30)  Hr.  Missionssuperintendent  Merensky  hält  einen  Vortrag  über 

Spuren  vom  Einfluss  ludiens  auf  die  afrikanische  Völkerwelt. 

Die  Beeinflussung  der  afrikanischen  Völkerwelt  durch  Indien  müsste  man 
voraussetzen,    wenn    sie   sich   nicht  nachweisen  Hesse.    Die  afrikanische  Ostküste 


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(378) 

liegt  der  indischen  Westküste  gegenüber  nnd  man  hat  sie  deshalb  im  Altertham 
zu  Indien  im  weiteren  Sinne  gerechnet.  Die  ältesten  arabischen  Gelehrten  glaubten, 
dass  beide  Länder  im  Süden  zusammenhingen,  und  Vergil  (Georg.  4.  292)  nennt 
die  Aethiopier  Indi  und  Ovid  die  Araber  ebenso.  Jedenfalls  hat  zwischen  beiden 
Ländern  seit  frühester  Zeit  Verkehr  imd  Handel  stattgefunden.  Der  arabische 
Schriftsteller  Edrisi  berichtete,  die  Inder  hätten  in  Sofala  Eisen  und  Waffen  ge- 
handelt.  Ebenso  erzählt  Dos  Santos  (Histoire  de  FEthiopie)  von  den  afrikanischen 
Eingebomen  derselben  Gegend,  dass  sie  Zuckerrohr  und  Wein  bauten,  und  mit 
Orangen  und  Limonen  nach  Indien  handelten,  welcher  Bericht  dadurch  bekräftigt 
wird,  dass  in  den  Ländern  zwischen  Sambesi  und  Limpopo  sich  thatsächlich  noch 
heute  verwilderte  Wein-  und  Orangenplantagen  finden.  Der  Geographus  Nubiensis 
(Gildemeister  Script  arab.  de  rebus  indicis  p.  147)  nennt  eine  Stadt  (^ayuna  im 
Lande  Sofala,  welche  von  Indern,  Zing  und  vielen  anderen  Fremden  bewohnt  war. 
Als  Vasco  de  Gama  im  Jahre  1498  die  Ostküste  erreichte,  fand  er,  dass  hier 
ein  lebhafter  Handel  mit  Indien,  besonders  mit  Kambaya  (in  der  Nähe  des  heutigen 
Bombay),  stattfand,  und  er  erhielt  ohne  jegliche  Mühe  in  dem  Hafen  Malindi  Piloten, 
die  ihn  nach  Ralikut  an  der  Malabarküste  brachten. 

Im  vorigen  Jahrhundert  wird  mehrfach  berichtet,  dass  indische  Kaufleute  von 
der  Ostküste  bis  tief  ins  Innere,  ja  nach  der  Westküste  (Wydah,  Dahomey)  ge- 
kommen seien.  Spuren  dieses  Verkehrs  finden  wir  in  verschiedener  Gestalt 
Capitän  Owen,  welcher  in  den  20er  Jahren  im  Auftrage  der  englischen  Regierung 
die  (Jstküste  aufnahm,  berichtet,  dass  die  Fahrzeuge  an  der  südlichen  Ostküste 
denen  der  Koromandel-  und  Malabarküste  sehr  ähnlich  seien.  Bekannt  ist,  dass 
unter  sehr  vielen  afrikanischen  Völkern  sich  alte  Schmuckkorallen  finden,  deren 
Ursprung  ihnen  unbekannt  ist  Schreiber  dieses  hat  über  solche  uralte  Perlen, 
wie  sie  sich  bei  den  Bassuto  im  Transvaal  fanden,  in  der  S^itschrift  für  Ethno- 
logie (Jahrg.  1882.  S.  543)  berichtet.  Lange  hat  auch  er  vergeblich  nach  der  Her- 
kunft dieser  Perlen  geforscht.  Endlich  konnte  festgestellt  werden,  dass  sie  indi- 
schen Ursprungs  sind,  und  dass  mau  sie  noch  heute  in  Baumnaghar  auf  der 
Halbinsel  Gutscherat  verfertigt 

Waitz  (Anthropologie  S.  378)  weist  auf  die  grosse  Aehnlichkeit  des  Blase- 
balgs, wie  er  am  unteren  Niger  gebraucht  wird,  mit  dem  indischen  hin.  Unter 
den  Eingebornen  der  Ostküste  bis  nach  Transvaal  hinein  finden  sich  Körbe,  die 
entschieden  nach  indischen  Mustern  gebildet  sind,  und  die  zwischen  Sambesi  und 
Vaalfluss  am  häufigsten  gesehene  Form  der  Streitaxt  ist  augenscheinlich  der  indi- 
schen Tigeraxt  nachgebildet.  Wenn  die  Marimba  (das  bekannte  Ralebassen-Piano 
der  Neger)  sich  in  genau  derselben  Gestalt  in  Africa  und  Indien  (Birma,  Siam) 
findet,  so  wird  der  Schluss  berechtigt  sein,  dass  sie  von  dem  älteren  Culturlande 
her  nach  Afrika  eingeführt  worden  ist  Von  indischer  Herkunft  ist  das  Betelkauen, 
das  sich  bei  einigen  Stämmen,  z.  B.  den  Wanika,  findet  Waitz  (Anthropologie 
S.  377)  glaubt,  dass  die  ^itte,  Blut-Brüderschaft  und  -Bund  zu  schliessen^  die  sich 
bei  so  vielen  Stämmen,  besonders  bei  den  Mpongue,  findet,  auf  indische  Einflüsse 
zurückzuführen  sei.  Bei  den  Herero,  die  allerdings  jetzt  an  der  Westküste  wohnen, 
die  aber  der  Sprachverwandtschaft  nach  zu  den  Völkern  der  Ostküste  gehören, 
findet  sich  sogar  ein  Anklang  an  das  indische  Kastensystem.  Die  alten  Leute  des 
Volkes  reden  von  einem  Sonnengeschlecht,  Ovakuenyuwa,  zu  welchem  der  frühere 
Adel  des  Volkes  gehört  habe.  Von  den  Weissen  rechnen  sie  dazu  nur  etwa  den 
Gouverneur  von  Kapstadt  Dann  folgt  das  Regeugeschlecht  der  OvakuenombarA- 
Man  zählt  noch  4  oder  5  weitere  Kasten;  die  niedrigsten  Leute  werden  Ekuadyifi 
genannt.  Merkwürdigerweise  findet  sich  bei  diesen  Herero  der  Cultus  eines  heiligen 


(379) 


Feuers,  von  dem  sieh  auch  bei  einigen  anderen  afrikanischen  Stämmen  Spuren 
finden,  welcher  wohl  mit  Sicherheit  auf  parsische  Einflüsse  zurückzuführen  ist 
Der  alte  Dapper  berichtet,  dass  solch^  Cultus  bei  den  Leuten  von  Monomotapa 
zu  finden  sei.  Unter  den  Bawenda  in  Nord-Transvual  ßndet  sich  die  Sage,  dass 
der  göttlich  verehrte  alte  König  Tocho-Ndou  dem  Volke  das  Feuer  gebracht 
habe,  und  in  den  Hauptstädten  werden  bei  ihnen  heilige  Feuer  unterhalten, 
die  nicht  verlöschen  dürfen.  Unter  jenen  Herero  hat  jeder  Stamm  eine  solche 
Stätte,  Okuruo  genannt.  Sie  ist  mit  einer  Hecke  umgeben.  Die  Eingebornen 
betreten  sie  mit  heiliger  Scheu,  nachdem  sie  sich  vorher  ihrer  Sandalen  entledigt 
haben,  und  küssen  die  Asche.  Das  Feuer,  welches  nie  verlöschen  darf,  wird  von 
einer  Tochter  des  Häuptlings  gepflegt,  welche  Ondangere  genannt  wird.  Sie  führt 
das  Amt,  welches  ihr  eine  bevorzugte  Stellung  giebt,  nur  bis  zur  Verheirathung. 
Dieses  heilige  Feuer  darf  nie  verlöschen;  während  das  Vieh  gemolken  wird,  muss 
es  hell  brennen. 

Jede  abziehende  Familie  nimmt  von  diesem  Feuer  mit  sich.  Sollte  es  ver- 
löschen, so  bleibt  der  Wanderzug  liegen,  bis  von  einem  anderen  Orte  heiliges 
Feuer  herbeigebracht  ist.  Am  neuen  Wohnplatz  angekommen,  wird  die  neue  Feuer- 
stätte errichtet,  Opfer  werden  geschlachtet  und  jeder  Anwesende  speit  von  einem 
Gemisch,  das  aus  Wasser,  Fett  und  Milch  besteht,  ins  Feuer.  Bei  den  schon  oben 
erwähnten  Mpongue,  welche  am  Gabun  wohnen,  aber  den  Sulu  und  Suaheli  ver- 
wandt zu  sein,  also  von  der  Ostküste  zu  stammen  scheinen,  findet  sich  nach 
Hübbe-Schleiden  die  Sitte,  dass  auf  den  Häuptlingsdörfcrn  ein  heiliges  Feuer 
Tag  und  Nacht  brennend  unterhalten  wird,  wodurch  man  die  Einflüsse  der  bösen 
Geister  abzuwehren  glaubt. 

Auch  in  Bezug  auf  das  Bestatten  der  Todten  ist  die  ursprüngliche  afrikanische 
Sitte  des  Begrabens  durch  fremde  Einflüsse  hie  und  da  verdrängt  worden.  Einige 
Stämme,  besonders  in  der  Congogegend,  stellen  die  Leichen,  jedenfalls  die  der 
Häuptlinge,  an  versteckten  Plätzen  aus,  damit  sie  von  der  Luft  verzehrt  werden. 
Das  erinnert  an  die  entsprechende  Sitte  der  Parsi  bei  Bombay.  Besonders  inter- 
essant ist  die  vom  Archideacon  Callaway  erkundete  Thatsache,  dass  die  Sulu 
früher  ihre  Leichen  verbrannt  haben.  Wenn  Häuptlinge  starben,  umgaben  die 
Krieger  den  gewaltigen  Holzstoss,  auf  dem  die  Leiche  lag,  und  nachdem  das  Feuer 
in  Brand  gesteckt  war,  mussten  Räthe,  Diener  und  andere  hochgestellte  Personen 
„mit  dem  König  ziehen^,  d.  h.  sie  wurden  in  das  Feuer  hineingestossen.  Solche 
Leichenverbrennung  ist  im  holzarmen  Afrika  etwas  so  Fremdartiges,  dass  man  sie 
wohl  mit  Sicherheit  auf  indische  Einflüsse  zurückführen  darf. 

Auch  dürften  auf  solche  Einflüsse  die  Spuren  des  Glaubens  an  Seelenwande- 
rung deuten,  die  sich  hie  und  da  zeigen.  Bekanntlich  findet  sich  bei  den  Sulu 
und  den  ihnen  verwandten  Dinka  der  Glaube,  dass  die  Seelen  der  Menschen  in 
Schlangen  fortleben.  Ans  Katanga  berichtet  Missionar  Arnold,  dass  man  dort 
glaube,  wilde  Thiere  seien  von  den  Geistern  verstorbener  Feinde  besessen,  wie 
auch  die  Evhe-Neger  (Mittheilungen  der  geogr.  Gesellsch.  zu  Jena.  Bd.  IX.  S.  17) 
in  Westafrika,  nach  Mittheilnngen  des  Missionars  Spieth,  sich  vor  den  Geistern 
erlegter  wilder  Thiere  fürchten,  und  Hübbe-Schleiden  (Aethiopien  S.  132)  er- 
zählt von  den  schon  oben  erwähnten  Mpongue,  dass  sie  an  eine  Präexistenz  der 
Seele  vor  der  Geburt  glaubten.  Aus  dem  Charakter  eines  Menschen  glauben  sie 
bestimmen  zu  können,  was  für  ein  Geist  der  Mensch  vor  seiner  Geburt  gewesen 
ist  und  was  er  nach  seinem  Tode  sein  wird. 

Wir  glauben  die  gesuchten  Spuren  nachgewiesen  zu  haben.  Freilich  wird  erst 
weiteren  Forschungen,  ganz  besonders  auf  dem  Gebiete  der  vergleichenden  Sprach- 


Wissenschaft  ea  vorbehalten  sein,   tHr   die  Beeinflussung  der  afrikanischen  Vülk 
weit  dnrch  Indien  voil^ltige  Beweise  beizubringen.  — 

Der  Vorsitzende  dankt  Hrn.  Herensky  für  den  anregenden  Vortrag  t 
spricht  die  Hoffnung  aus,  dass  derselbe  von  seinem  schwierigen  Mi ssions werke 
N'yassu-See,  za  dem  er  demnächst  abzareiscn  gedenkt,  gesund  und  mit  r«icl 
Erfahrungen  zurückkehren  möge.  — 

(31)  Das  correspondirende  Mitglied,  Hr.  J.  Heierli  zu  Zürich  übersendet  un 
dem  25.  Februar  ein  Exemplar  des  Prachtwerkes. '  „Zürich  und  das  schwi 
zerische  Landesmuseum",  welches  im  Auftrage  der  Stadt  Zürich,  und  zi 
nur  in  kleiner  Auflage,  erschienen  und  im  Buchhandel  nicht  zu  haben  i»t  D 
selbe  ist  bei  Gelegenheit  der  Concnrrenz  der  schweizer  Städte  um  das  eidgenö; 
sehe  Landesmnseum  zur  Vertheidigung  der  Ansprüche  der  Stadt  Zürich  verfe 
worden. 

Der  Vorsitzende  spricht  den  herzlichen  Dank  der  Gesellschatl  für  das  schi 
Geschenk  aus.  — 

(32)  Ur.  J.  Heierli  hat  unter  dem  2.  December  1890  an  Hm.  Virohow  : 
nachstehendem  Begleitschreiben  eine  Sendung  übermittelt,  bestehend  aus 

SkeletteD  and  Schädeln  ans  schweizer  Gr&bern. 

„Ich  habe  heute  eine  Anzahl  menschlicher  Knochen  aus  Gräbern  an  Sie  . 
gehen  lassen  und  bitte,  dieselben  nach  Belieben  zu  benutzen.  Es  sind  zonäc 
Funde  aus  einem  erst  theilweise  unterdnchten  Gräberfelde  bei  Hedingen,  Can 
Zürich,  an  der  Eisenbahnlinie  Zürich-Zug-  Gleich  ausserhalb  des  genannten  Doi 
befindet  sich  an  der  Strasse  nach  Bonstetton  der  sogen.  Kreuzrain,  eine  kleine 
hebuDg,  die  einem  Moränenzuge  gleicht.  Da,  wo  die  Strasse  die  höchste  Sti 
erreicht,  dehnen  sich  zu  ihren  beiden  Seiten  Aecker  und  Wiesen  aus,  wo  zu  i 
schiedenen  Zeiten  Knochen  und  Artefakte  zum  Vorschein  gekommen  waren, 
sonders  beim  Sandgraben  sollen,  einige  Schritte  östlich  der  Strasse,  häuflg  Skeli 
gefunden  worden  sein. 

Im  März  des  Jahres  1890  erhielt  ich  von  Hm.  Seknndarlehrer  Attinget 
Hedingen  die  Mittheilung,  dass  beim  Sandgraben  auf  dem  Kreuzrain  wieder  ein 
menschliche  Knochen  zum  Vorschein  gekommen  seien.  Ich  begab  mich  an  i 
Fundort  und  fand  wirklich  ein  Grab,  das  aber  schon  früher  durchwühlt  won 
sein  musste,  wahrscheinlich  vdn  Sandgräbem  (Grab  I).  Hr.  Attinger  hatte  al 
was  noch  von  älteren  Funden  erhältlich  war,  sorgfältig  gesammelt  und  konnte 
eine  Keihe  von  Schndelfragmenten  (Calvarie,  Ober-  und  Unterkiefer),  die  ich  I 
gelegt  habe,  Übergeben.  Zudem  war  er  in  den  Besitz  einiger  Artefakte  gelaj 
die  aus  einem  Grabe  stammen,  das  links,  also  westlich  der  Strasse  und  ein 
Dutzend  Meter   von  derselben  entfernt,   sich  gefunden  halte.    Diese  Artefakte 


Figur  1. 


standen   in  einem  blauen  Glasai 


ring  (Fig.  I)  und  Bronzeringen  i 
-knöpfchen ,  die  in  Eisenroat  i 
gebacken  sind.  Der  Glasarmi 
beweist,  dass  dieses  Grab  der  t 
Mittel-La  Tcne-Zeit  angehörte.  ^ 
nebenstehende  Abbildung  zeigt, 
derselbe  an  der  Aussenseite  2  Wü 
'/,  il<;r  natürlirhea  Grösse.  chen,  die  durch  schräge  Kerben 


Hr.  Virchow: 

1)  Die  Gebeine  von  HcdiDgen. 

Grab  I.  Die  bunt  durch  pinander  gewürfelten  Knochen  haben  offenbar 
3  Leichen  gehört:  einer  kleineren  weiblichen  und  einer  grösseren  männlich 
Von  den  Schädeln  ist  wenig  vorhanden;  nur  die  Unterkiefer  lassen  sich  siel 
beurtheilcn.  Der  eine  hat  einer  alteren  Frau  nngchört;  er  ist  niedrig  und  ctt 
progenaeisch,  hat  etwas  gestreckte  Aeste  und  stark  abgeschliffene  Zähne.  —  I 
andere  Unterkiefer  ist  viel  kräftiger,  seine  Praemolaren  sind  noch  fast  ganz  intf 
Ihm  fehlt  der  rechte  Ast. 

Grab  II.  Nur  zertrümmerte  oder  vereinzelte  Knochen,  meist  von  der  Periphei 
besonders  vom  Fuas.  Dazu  ein  grosses,  sehr  dickwandiges  und  schweres  Stimb 
mit  geringem  Stirnnasenwulst,  ein  grosser  Galcancas  und  ein  gewaltiger  Metalan 
knochen.  Auch  dürfte  hierher  ein  stark  orthognathcr  Oberkiefer  mit  abgenntz 
Zähnen,  unter  denen  jedoch  der  Molaris  III  eine  ganz  frische  Krone  besitzt,  i 
mit  tiefem  Gaumen  gehören. 

Grab  III.  Keine  Spur  von  Schädelstücken.  Die  Knochen,  zumeist  lai 
Röhrenknochen,  sind  anscheinend  mannliche.  An  der  einen  Fibula  ein  frii 
gebohrtes,  rundes  Loch. 

Grab  IV.  Männliche  Ueberreste.  Kein  Schädel.  Grosse  Röhrenknoch 
namentlich  lange  Oberschenkel-     Tibien  nicht  platyknemisch.  — 

2)  Grab  von  Winterthur:  Schädelkapsel  ohne  Gesicht  von  einem  )un{ 
Manne;  nur  das  rechte  Wungenbein  mit  dem  halben  Oberkiefer  ist  erhalten  n 
liegt  lose  bei.  Der  Schädel  hat  eine  ungewöhnlich  dankte  üeckige  Farbe.  Zal 
jugendlich,  mit  ganz  intakten  Kronen.  Schädel  raittelgross  (1300  cetn),  kv 
breit  und  hoch,  Index  bypsibrachycephal  (Längen  breiten  index  95,4,  Lang 
höhenindex  82,4).  Stirn  breit  [97  rniii  minimal),  an  der  Coronaria  ein  32  mm  lan| 
Rest  der  Sut.  frontalis,  an  dem  Nasenfortsatz  ein  kürzerer  ähnlicher.  Hint 
haupt  sehr  breit  und  steil,  Obcrschuppe  wenig  gewölbt,  Protubeninz  niedrig, 
der  Lambdanaht  zahlreiche  grössere  Schal tknochen.    Ala  temp.  gross. 

3)  Grab  auf  dem  Franciskaner-Platz  in  Sololhurn,  April  1890.  Si 
regelmässiges,  grosses,  volles  männliches  Schädeldach  ohne  Basis  und  Gesir 
Grosse  Stirnhöhlen.  Zähne  stark  abgenutzt.  Index  mcsocephal  (78,7).  8i 
breite  niedrigu  Stirn  (101  mm).  Kolossaler  Unterkiefer  mit  ganz  breit  genindet< 
voll  vortretendem  Kinn;  das  MittelstUck  äusserst  kraftig,  stark  eingebogen,  38  i 
hoch,  bis  zum  Zahnrande  50  mm.  Aeste  breit  (33  mm),  aber  von  massiger  Ht 
(Proc.  coron.  70  mm  hoch).     Kicferwinkel  etwas  nach  aussen  vorgebogen. 

4)  Alemannisches  Grab  bei  Abtragung  des  Geissberges,  FVilhji 
I8H4  (Anzeiger  f.  Schweiz.  Alterth.  1884.  Nr.  1.  S.  31}:  fast  vollständig  erhalten 
gut  aussehender,  wohl  jugendlicher  Schädel  von  fast  weiblichem  Aussehen,  i 
zerbrochener  Basis.  Die  langen  Knochen  des  Skelets  vollständig,  keine  Platyknen 
keine  Durchbohrung  des  Humerus  Alle  diese  Knochen  sehr  gross  und  kräf 
so  dass  sie  männliche  zu  sein  scheinen.  Schädelindcx  orthodolichocepl 
(Längenbrcilenindex  73,7,  Längenhöhen  index  73,2).  Stirn  von  geringer  Br« 
(91  mm),  niedrig,  fliehend,  ohne  Tobera  und  Orbital wUlste,  fast  ohne  Nusenwn 
Hinterhaupt  lang,  Index  34,H.  Os  Incac  trCpartitnm.  Alac  nach  oben  e 
Schmales,  hohes  Gesicht  Leichter  dentaler  Prognathismns.  Orbitae  gross,  i 
rundet,  hypsikonch  (89,4).    Nase  ultralcptorrhin  (38,8).    Zähne  abgenutzt, 


'■f 


VS, 


(384) 

Die  Repräsentation  der  Götter  übernehmen  in  jedem  Stamme  einige  intelligente 
und,  wie  sie  behaupten,  inspirirte  Männer;  sie  bilden  die  Geheimbfinde,  da- 
mit ihre  geheimen  Künste  und  Lehren,  ihre  Vermummungen  und  Maskenspiele 
nicht  an  uneingeweihte  und  an  das  grosse  Volk  verrathen  werden.  Diese  Auf- 
führungen sollen  dazu  dienen,  besonders  die  Jugend  und  die  Frauen  in  dem 
Glauben  an  die  alten  Traditionen  über  den  Verkehr  der  Götter  mit  den  Menschen 
und  über  ihre  eigenen  intimen  Beziehungen  zu  den  Göttern  zu  befestigen,  um 
die  etwaigen  Zweifler  zu  überzeugen,  haben  die  Mitglieder  der  Geheimbünde  ihre 
Zuflucht  zu  allerhand  mysteriösen  Mitteln  genommen,  die  einem  civilisirten  Men- 
schen als  die  höchste  Rohheit  erscheinen  müssen,  so  dass  sie  sich  z.  B.  den  Körper 
verstümmeln,  Leichen  zerreissen  und  verzehren,  lebenden  Menschen  Stücke  aus 
dem  Körper  reissen  u.  dergl.  mehr.  Auch  die  bei  den  Nordwest-Indianern  beinahe 
zur  Krankheit  gewordene  übergrosse  persönliche  Eitelkeit  und  die  Sucht,  sich 
berühmt  und  angesehen  zu  machen  und  als  etwas  Besonderes  zu  gelten,  mögen 
<^  als  Motiv  gedient  haben  für  den  Eintritt  in  die  Geheimbünde,  da  jedes  Mitglied 
eines  solchen  grosses  Ansehen  geniesst. 

Es  waren  und  sind  noch  hunderte  von  Masken  in  Gebrauch,  deren  jede  ein- 
zelne einen  in  der  Sage  vorkommenden  Geist  vorstellt.  Bei  den  Vorführungen 
treten  sie  einzeln  oder  in  Gruppen  auf,  wie  es  eben  die  darzustellende  Sage  er- 
fordert, und  die  Masken  tragenden  Personen  werden  dann  von  der  staunenden 
Menge  nicht  nur  als  Darsteller  der  Götter  und  als  Schauspieler,  sondern  geradezu  als 
die  vom  Himmel  auf  die  Erde  gekommenen  Götter  selbst  angesehen.  Daher  muss 
auch  jeder  Darsteller  genau  alles  das,  was  die  Sage  von  dem  Geist  berichtet,  aus- 
führen. Trägt  der  Darsteller  keine  Maske,  wie  es  bei  den  üametzen  (Fressern 
oder  Beissem)  oder  bei  den  Pakwalla  (Medicinmännem)  oft  geschieht,  so  ist  der 
Geist,  den  er  repräsentirt,  in  seinen  Körper  gefahren  und  der  vom  Geiste  Besessene 
ist  dem  entsprechend  nicht  verantwortlich  für  das,  was  er  in  diesem  Zustande  ver- 
übt. Da  der  Gebrauch  von  Masken  aber  die  Aufführung  mit  einem  gewissen 
geheimnissvollen  Nimbus  umgiebt  und  gleichzeitig  den  Darsteller  unerkannt  bleiben 
lässt,  so  werden  die  besonders  heiligen  Feste  viel  häufiger  mit  Masken,  als  ohne 
solche,  vorgenommen.  Es  herrschen  in  jedem  Geheimbund  bestimmte  Gesetze,  wie 
oft  und  wie  lange  eine  Maske  gebraucht  werden  kann.  Bei  den  Quakjult  dürfen 
die  Masken  während  vier  Wintern,  der  hauptsächlichsten  Zeit  für  derartige  Feste, 
bei  der  schwersten  Strafe  nicht  veräussert  werden.  Nach  dieser  Zeit  dürfen  sie 
zerstört  oder,  damit  sie  kein  Uneingeweihter  findet,  im  Walde  versteckt,  oder  auch 
schliesslich  verkauft  werden.  Die  Herstellung  der  Masken  wird  nur  im  Geheimen, 
gewöhnlich  in  tiefer  Waldeinsamkeit,  vorgenommen^  damit  kein  Uneingeweihter  den 
Verfertiger  entdeckt.  Wie  streng  dieses  Geheimniss  bewahrt  wird,  zeigt  folgendes 
Beispiel:  Im  Dorfe  Nouette  auf  Nordwest-Vancouver  war  einst  ein  Indianer  mit 
dem  Schnitzen  einer  Maske  im  Walde  beschäftigt,  als  sein  halberwachsener  Sohn, 
der  bemerkt  hatte,  dass  sein  Vater  so  oft  in  den  Wald  ging,  ihn  eines  Tages  in 
seinem  Versteck  aufsuchte.  Darüber  gerieth  der  Vater  in  solchen  Zorn,  dass  er 
seinen  eigenen  Sohn  sofort  tödtete,  nur,  damit  er  nicht  zum  Verräther  an  der 
heiligen  Sache  werden  konnte. 

Den  Tanz  begleitet  Gesang,  der  mit  prahlerischen  Worten  die  Macht  der  Gott- 
heit und  die  in  der  Aufführung  zur  Anschauung  gebrachten  Grossthaten  feiert 

Bei  der  Hauptaufführung  singen  alle  Anwesenden  mit,  da  der  Gesang  meist 
allgemein  bekannt  ist  und  in  recitativcr  Weise  immer  und  immer  wiederholt  wird. 
Es  scheinen  jetzt  noch  immer  neue  Gesänge  und  neue  Aufführungen  in  einem  oder 
dem  anderen  Dorfe  zu  entstehen,  indem  irgend  welche  mündlichen,  von  den  Vor- 


r 


kit. 


a>.    ^ 


(385) 


Tätern  erzählten  Sagen  Ton  ii^end  einem  intelligenten  Jüngling,  der  noch  keine 
eigenen  Gesänge  besitzt,  poetisch  behandelt  werden.  Denn  jeder  Mann,  der  sich 
an  den  Aufführungen  und  Festen  betheiligt,  muss  auch  mit  einem  eigenen,  selbst- 
verfassten  Oesange  debütiren.  Auf  diese  Weise  entstehen  immer  neue  Lieder  und 
Tänze,  deren  Stoff  natürlich  immer  von  den  Stamiiigottheiten  des  betreffenden 
Sängers  und  Dichters  heigenommen  ist. 

Neben  den  Masken  werden  andere  Abzeichen  der  Geheimbünde  getragen, 
welche  ich  spater  besprechen  werde. 

Von  den  Tänzen,  die  mir  nicht  als  zu  den  yier  Geheimbünden  gehörend 
bekannt  sind,  ist  der  Naualock  oder  Nawalok,  d.  h.  grosser  Geistertanz,  zu 
nennen.  Dieser  Tanz  geht  gewöhnlich  im  Spätherbst  vor  sich,  indem  mehrere, 
mit  Masken  bekleidete  Indianer  sich  hinter  einem  Vorbang  aufstellen.  Der 
dabei  gebrauchte  Maskentjrpus  stellt  meist  den  Mis-missallami  (Gott  der  Sonne)  vor, 
—  eine  Maske  in  Sonnengestalt  mit  halb  geschlossenen  Augen  und  sich  drehendem 
Rad,  welches  die  Bewegung  der  Sonne  bedeuten  soll.  Die  meisten  anderen  Masken 
zeigen  den  Sonnengott  in  Gestalt  eines  Adlers,  wie  er  mit  Vorliebe  die  Erde  be- 
sucht. Während  die  übrigen  Tänze  nur  im  Winter  vorgenommen  werden,  kann 
dieser  Tanz  auch  ausnahmsweise  im  Juli  aufgeführt  werden.  So  kam  ich  im 
Jahre  1885  im  Juli  in  das  Quakjult-Dorf  Nakortok.  Als  die  Indianer  vernahmen, 
dass  ich  besonders  die  zu  dem  Nawalok-Tanz  gehörende  Maske  haben  wolle, 
fingen  sie  den  bereits  erwähnten  Tanz  an,  da  mehrere  Masken  in  dieser  Saison 
ausgedient  hatten  und  somit  verkauft  werden  konnten.  Das  Fest  begann  damit, 
dass  eine  Anzahl  Männer  bald  in  Häusern,  bald  im  Walde  auf  Uolzflöten  von 
Morgens  bis  spät  in  die  Nacht  bliesen,  zum  grössten  Schrecken  der  Jugend.  Es 
wurde  mir  bedeutet,  jetzt  verlasse  der  Sonnengott,  in  Gestalt  eines  grossen  Adlers, 
die  Sonne  und  nähere  sich  dem  Dorf..  Daran  schloss  sich  dann  der  Tanz,  und 
nach  Beendigung  desselben  erwarb  ich  auch  die  Masken,  die  der  Vorschrift  gemäss 
vier  Winter  hindurch  gebraucht  worden  waren. 

Der  Zeitpunkt,  wann  der  junge  Indianer  in  den  Bund  aufgenommen  werden  kann, 
ist  gewöhnlich  das  Eintreten  der  Pubertät.  Auf  West-Vancouver  bei  den  Ahts  wird 
der  Jüngling  in  diesem  Alter  in  den  Wald  geführt,  wo  die  Hälfte  der  Dorfbewohner, 
in  Wolfsfelle  und  Wolfsmasken  gehüllt  und  mit  den  oben  genannten  Pfeifen  versehen, 
stets  darauf  bläst  und  den  sogenannten  Wolfstanz  aufführt  Dann  heisst  es  bei  den 
Rindern,  dass  der  Jf  iigling  vom  Wolf  entführt  sei,  um  ihm  ein  „skokom  Tamtam,  d.h. 
ein  starkes  Herz  oder  Glauben  zu  geben".  Dieser  Akt  ist  in  veränderter  Form  der 
Naualok  der  Bella-Goolas.  Die  dortigen  katholischen  Missionäre  nennen  ihn  „die 
Indianertaufe  des  Knaben",  während  ihn  die  Indianer  selbst  ihr  „Rlokwalla"  nennen. 
Eine  nähere  und  eingehende  Kenntniss  der  verschiedenen  Gebräuche  in  den 
Geheimbünden  ist  naturgemäss  für  den  Fremden  sehr  schwer,  denn  selbst  wenige 
von  den  betheiligten  Indianern  haben  selber  Verständniss  für  das,  was  in  ihrer 
Mitte  voigeht.  Nur  diejenigen,  die  Mitglieder  eines  Geheimbundes  sind,  können 
von  den  Hergängen  innerhalb  desselben  berichten,  verrathen  aber  nicht  gern  etwas, 
weil  ja  sonst  ihre  Geheimnisse  aufhören  würden,  Geheinmisse  zu  sein,  und  dann 
auch,  weil  der  Verrath  mit  schweren  Strafen,  ja  selbst  mit  dem  Tode  geahndet 
werden  kann.  Dazu  kommt  femer,  dass  der  Indianer  sich  nicht  sehr  mit  Nach- 
denken plagt;  um  aus  der  peinlichen  Situation  zu  kommen,  in  die  ihn  das  An- 
fragen versetzt,  sagt  er  leicht  Dinge,  die  der  Wahrheit  sehr  fem  liegen,  oder  da  er 
selbst  nicht  viel  weiss,  berichtet  er  oft  seine  sehr  verkehrten  persönlichen  Ansichten, 
um  sich  keine  Blosse  zu  geben.  Daher  ist  und  bleibt  der  sicherste  Weg,  um 
wenigstens  Einiges   zu  erfahren,   immer  der,   dass  man  sich  selbst  an  den  Festen 

Verbandl.  der  BttU  Anthrop.  Geaellachaft  1891.  25 


i 

I 

^ 


n  durch  gelegentliche  geschickte  Fragen  hinter  die  'Wahrtieit  zn 

der  Schilderung  werde  ich  in  einzelnen  Punkten  in  Widerspruch 
L  des  Hm.  Dr.  Boas  im  Archiv  für  Ethnographie  Aber  diese 
imen.  Ich  glaube  aber  die  volle  Verantwortung  für  das  von  mir 
ICD  ZD  können,  da  ich  Vieles  dnrch  eigene  Anschaanng  kenne 
■h  meinen  Bruder  Philipp  erfahren  habe,  der  seit  5  Jahren  unter 
t,  ihre  Sprache  spricht  und  sich  besonders  mit  Sitten  und  Ge- 
ie  vertraat  gemacht  hat. 

Die  Hametzen. 
rwähnten  Gebeimbünden  sind  die  Hametzen  die  angesehensten 
einerseits  weil  sie  von  hoher  Abkunft  sein  mttssen,  zweitens 
Illingen,  die  sie  in  den  Angen  des  Volkes  gewissermaaasen  zn 
gefUrchteten  Personen  machen.  So  habe  ich  z.  B.  bei  den  Be- 
Dcouvers  grosse  Furcht  vor  den  Qnakjnit  äussern  hören,  und 
motzen  wegen.  Auf  meinen  zwei  Samraelreisen  an  der  Nordwest- 
itle  ich  fast  täglich  Gelegenheit,  mit  Uitgliedera  verschiedener 
vermehren,  und  ich  habe  nur  von  der  Existenz  von  vier  solchen 
hßrt 

her,  besonders  Dr.  Boas,  wollen  bei  den  Qnakjalt  noch  mehr 
deckt  haben.  Nach  Aussage  des  letzteren  sollen  die  Hametzen 
nit  einer  dritten  Gesellschaft,  den  sogen.  Bärenspielem,  zusammen 

Bunde  gehören  (Archiv  f.  Ethnographie  Bd.  HI.  Heft  1.  8.  II), 
}its  eine  ganze  Reihe  anderer  Geheimbtinde  existiren  sollen,  die 
,  der  alten  Häuptlinge,  der  verheiratheten  Frauen,  der  jnngen 
u  der  Kinder,  die  alle  nach  Ansicht  des  Verfassers  geschlossene 
len.  Dieses  scheint  mir  für  dortige  Verhältnisse  fast  nnnatdrlicb. 
bilden  einen  Bund  gänzlich  IHr  sich,  sowohl  in  Bezug  auf  ihre 
hre  Handlungen,  worauf  ich  noch  zurückkonunw  werde.  Nor 
bemerken,  däss,  wie  oben  erwähnt,  die  Gebeimbfinde  entschieden 
I,  in  den  Kindern  und  allen  ausserhalb  stehenden  Leuten  den 
Geister  und  Götter  und  an  die  Inspiration  der  Eingeweihten 
mit  scheint  mir  ein  Geheimbnnd  unter  Kindern  und  Franen 
Ich  habe  wohl  bei  den  West-Vanconvero  nnd  bei  den  Qnakjalt 
'obei  Frauen  nnd  Kinder  ftlr  sich  TSnze  abhielten,  doch  trugen 
B  mystische  Gepräge  der  VorfUhmogen  eines  Oeheimbondea, 
liglich  Vergnügungen,  was  mir  um  so  natürlicher  erscheint,  als 
erstämme  äusserst  gesellig  und  für  fröhhche  Feste  nnd  Lustbar- 
1  sind. 

:en  verstehen  die  Qnakjnlt  and  die  Nachbarstämme  einige  in 
dlicbe  Männer  (hin  und  wieder  auch  Fraaen),  die  eine  Art  von 
m.  Dos  Recht,  Hametze  zu  werden,  scheint  nur  durch  hohe  Gebort 
len  in  solche  Familien,  die  das  Privil^um  besitzen,  erworben 
1.  Ausserdem  muss  der  Hametze  von  dem  Geist,  den  er  b^m 
irt,  insptrirt  sein.  Diese  Inspiration  geschieht  nur  im  Winter, 
-d  der  Hametz  von  seinen  Genossen  Im  Dorfe  mehrere  Tage  von 
[ständig  nackt  hcnungefllhrt,  was  ich  selbst  im  Jahre  1881  in  Fort 
abe.    Die  Vorbereitung  ftlr  wenigstens  einen  Theil  der  Haraetzen 

Angaben  eine  vierjährige  sein,   in  welcher  Zeit  der  Betreffende 


(387) 

einen  besonders   daza  hergcBtellten  Tigta  1. 

Gederbastring  (roth  gefärbt)  unter 
den  linken  Ann  und  über  die  rechte 
Schulter  gelegt  trägt.  Die  letzten 
vier  Monate  mnss  er  allein  im 
Walde  leben,  so  dass  dajin  das 
Volk  glaubt,  dass  er  bei  den  grosiien 
Waldnngehenem,  wie  beispielsweise 
bei  Päh-Päh-Kwalanusina  (bei  den 
River  Inlet-Indiaaem  Bek-bek  Kwa- 
lanit  genannt),  zum  Besuch  weile.  — 
Diesen  Glauben  suchen  die  Hamelzen 
natürlich  auf  alle  Weise  zu  bestär- 
ken, indem  sie  einige  Zeit,  bevor 
der  Einzuweiheude  den  Wald  ver- 
läsBt,  durch  Pfeifen  auf  Bolzflöten 
allabendUch  ausserhalb  des  Dorfes 
die  Stimmen  der  Gottheiten  nach- 
ahmen. Die  Pfeifen  (Fig.  2a)  sind 
sehr  kunstvoll  gearbeitet,  bisweilen 
mit  vier  Stimmen  versehen,  die  zu- 
gleich ertönen  können.  Andere 
Pfeifen  wieder  sind  wie  ein  Blase- 
balg eingerichtet;   diese  tragen   die 

Hametzen  unter  dem  Arm  und  er-     Erstes  Außreten  des  neuen  Hunetzen  in  Beglei- 
zeogen    durch  Auspressen  der  Luft  tung  von  filteren, 

verschiedene     Töne,     welche     die 


a  Flöten,    b  DoppelmMke  aus  Höh  mit  tweifin  Holz  geschnititenl  Schädeln.  Die  eine  Seite 

zeigt  die  wirkliche  Oestslt  des  den  Hsmetien  inipirirenden  Gottes  Bek-bek  Rwalanit,  die 

j'andere  die^von  ihm  zuweilen  gewKhlte  QeatAlt  eines  Kranichs. 


lestimmter  Thiere  nachahmen.  Nur  sehr  nngem  verkaofen  die  Hunetzen 
1  an  FVemde,  da  kein  anderer  ausser  dem  Stamme  eme  Ahnung  daron 
die   angebliche  Stimme   der  Gottheit  durch  solche  Instrumente  erzeugt 

Brader  schreibt  mir  Folgendes  bei  üebersendnng  eines  Hametzen-Oesange« 

oola-Sprache  imd  der  Cebersetznng  daron: 

BcUa-Coola-IndJaner   nennen   den  Uametzen  Alta-kotla  nach  dem  Geist, 

lie  behaupten,  am  meisten  inspirirt  zu  sein. 

D  der  Novize  von  dem  Geist  AUa-Kotla  (der  ein  Bote  des  Geistes  Beck- 

lanit  zu  sein  scheint)   inspirirt  wird,   so  glaubt  er  ein  starkes,   sturm- 

Brausen  zu  hären:  die  Erde  zittert  durch  die  gewaltige  Stimme  des  Alla- 

-  Kandidat  wird  von  dem  Geist  erTasst  und  von  ihm  in  die  Luft  oder  in 

der  Erde  geführt,  wo  er  aus  Luftmange)  fast  erstickt  und  wo  sich  tiefe 
beßnden.  Niemand  weiss,  wo  der  Alla-kotla  auf  solchen  Vandemagen, 
Kiemand  darf  ihm  nachspüren. 

der  Rückkehr  zur  Oberfläche  der  Erde  befiehlt  der  Geist  dem  Novizen, 
izhaos  Gegenwärtigen  zd  beissen,  andernfalls  wird  der  Norize  vom  Geist 
en. 
inderer  Geist,   Sek-seik  KaUai,   der  bei  solchen  Pesten  zugegen  ist,   in- 

Menschen  zum  Tanz.  Nng-Alpsta  ist  der  dritte  Geist  der  bei  solchen 
iten  zugegen  ist;  derselbe  scheint  auch  ein  Abgesandter  des  Bek-bek- 
Eu  sein,   doch  will  er  den  Menschen  nur  Böses,   indem  er  renncht,  die 

zu  Fall  zu  bringen;  der  Novize  erkennt  ihn  leicht  an  dem  Grunzea, 
em  eines  Bären  gleich  korami  Alles  dieses  wird  dem  Kandidaten 
;  vor  den  TanzanffUhrungen  von  dem  älteren  Hametzen,  der  sein  Lehrer 
t.  Die  Ermahnungen  über  die  Terhaltungsmaassregeln  geschehen  mit 
n   Eifer  und   Ernst,    wie   wohl    kaum   jemals    in  unserem   Beligions- 

Alla-kotla-  oder  Hametzen-Sang. 
1]  Bakotla-jats  doksno  lilsdaska  Kilits  ma  kotsen 
Askelnsem  ma  Uta  dai. 

2)  AI  ihnelak  simako  di  uois-nolta  nao  as  AUo  kwalla  tom 
yon  ta  jako  sim  skita. 

3)  Allivam  lutsun  dal 
Sek-Seik-kallai  skobam 
lakhamal  to  mam  soll  koa 
hoihets  Bahots  to  mam  dels 
Alti  nn  tonikt  sit  dai. 

Üebersetzt: 
reo  eine  schwerwiegende  Neuigkeit.  Ich  sehe,  wo  er  ist,  —  ja  dieses 
was  ich  haben  will,  —  so  bekomme  ich  doch  diesen  Geisi  Der  Geist 
itia)  will  es  haben,  dass  ich  mit  ihm  in  die  Wolken  fahre,  er  droht 
Is  ich  nicht  mit  ihm  gehe,  will  er  mich  verschlingen, 
e  (oder  es  sieht)  einen  Uann  auf  dem  Wege,  wo  die  Cederbastringe  in 
zu  finden  sind.  Der  neue  Alla  kotla  bekommt  den  Geist,  wo  die  Cedtf- 
■e  in  Menge  zn  finden  sind.  Alla  kotla  sieht  den  Platz,  wo  alle  Geister 
finden. 

It  Kallai  wtlnscht  nicht,  das«  der  Alla-koUa  in  ünglOck  kommt,  sondera 
Kht,  Alta-kotla  soll  in  das  grosse  Haus  gehen,  wo  du  viele  Volk  sitot 


Figur  8. 


Ced  erb  astringe  für  Hals  nnd  Kopf. 

Qehe   hinüber   za  der  gatea  Seite  des  Haases,  Figur  4. 

wo   der  Weg  gut   ist  und  wo  du  nicht  Tällst; 

Nus-Alpsta  ist  auf  der  aaderen  Seite  des  Uauaea, 

gehe  nicht  dort. 
,Sek-8eik  KaDoi   ist  der  Gott  für  alle  Tänze, 
der  Inspirator  zum  Tanz.    Nus-Alpsta  ist  ein  ver- 
führender Geist,  der  wünscht,   dass  der  Tanzende 
fiillt  (er  ist  auch  einer  der  Harn etzenge ister), " 

Das  erste  Auftreten  des  Novizen  geschieht 
meist  ohne  Maske.  Der  Hametz  trggt  um  den 
Hals  mehrere  Ringe  aus  Ccdembaat  nnd  nm  den 
Kopf  meist  einen  dünnen  Ring,  an  dessen  Vorder- 
seile lange  Streifen  von  Oederbast  hängon,  die  das 
schwarz  bemalte  Gesicht  halb  verdecken  (Pig  3). 
Der  Kopf  ist  dicht  mit  Adlerdaunen  beatreut.  Die 
Handgelenke  und  FUsse  sind  ebenfalls  mit  je  vier 
Bingen  ans  Cederbaat  verziert.  Einige  berühmte 
Hametzen,  denen  zu  Ehren  früher  Sklaven  getödtet 
wurden  oder  die  in  der  Neuzeit,  wo  keine  Men- 
schen mehr  getödtet  werden  dürfen,  anstatt  dessen 
wenigstens  viele  Menschen  gebissen  haben,  tragen 
entweder  einen  Ualsring  mit  darauf  befestigten, 
aus  Holz  geschnittenen  TodtenkÖpfen  (Fig.  1,  der 
tanzende  Hametz),  oder  solche  an  einer  Decke, 
die  beim  Tanzen  über  der  Schulter  liegt  (Pig.  ö). 
Der  Hametze  tanzt  in  einer  halbsitzenden  Stellung 
(Fig.  1),  wobei  er  beide  Arme,  Ton  sich  gewendet,  Scalplocke. 


(390) 

Figur  6. 


Tanzdecke  mit  aogenUiten  ESpfen  ans  Leder. 


Tininiueln,  theils  tod  dea  Noviieo.  Ihcile  von  den 
Sltcien  Hametxen  gebraucht. 


mit  der  Handfläche  nach  oben, 
bald  nach  rechts,  bald  nach 
links  streckt,  und  die  Hände 
und  Fingerspitzen  in  unnnter- 
bro  ebener  zitternder  Bewe- 
gung hält.  Dag  Tanzen  be- 
steht meist  aas  Sprüngen  nach 
rechts  und  links.  Uit  den 
Angen  starrt  der  IVäger  nach 
oben,  80  dass  man  meist  nur 
das  Weisse  im  Aage  sieht, 
und  mit  dem  halbgeöffbcten 
Munde  und  den  anlgeworfencn 
Lippen  stösst  er  ab  und  zn 
abgerissene  Laute  ans,  wie 
ein  langgezogenes  nfth".  Der 
Tanz  besteht  in  vier  Abthei- 
lungen mit  dazu  gehörenden 
vier  verschiedenen  Gesängen. 
Während  des  letzten  Ge- 
sanges werden  ihm  von  den 
ihn  stets  begleitenden  und  mil- 
tanzenden  vier  Haraetzen  zwei 
Tanzrasseln  zugestellt  TFig.  I), 
die  eine  besondere  Form  und 
andere  OrüTc  haben,  alt  die 
-  Übrigen,  zum  Tanz  gebrauchten 


^'^ 


• 


(392) 


M< 


1^ 

r 


nahm,  wie  der  Hametze  zuerst  mit  den  Zähnen  sich  in  den  Arm  festbiss,  dann 
schnell  mit  einem,  so  lange  unter  der  Decke  verborgen  gehaltenen  krummen  Messer, 
wie  es  die  Indianer  gewöhnlich  benutzen,  das  mit  den  Zähnen  gepackte  Stück  vom 
Körper  lostrennte.  Die  Aufregung  imd  der  Schreck  lässt  den  Bedrängten  diesen 
RniiT  nicht  fühlen  und  die  übrigen  Zuschauer  können  durch  die  herumstehenden 
Hametzen  das  auf  dem  Boden  liegende  Opfer  nicht  sehen. 

Wie  man  sich  leicht  denken  kann,  bieten  die  Indianer  natürlich  alles  auf,  um 
den  Hametzen  vom  Beissen  abzuhalten.  Die  älteren  Hametzen  hingegen  suchen 
den  zaghaften  Neuling  durch  besonders  grosse  (bisweilen  2  m  lange)  Rasseln  zu 
reizen.  Im  hiesigen  Museum  befinden  sich  2  solche  Rasseln,  von  denen  die  eine 
eine  Eule  darstellt  (Fig.  6e),  die  andere  einen  Kranich  (Fig.  6  a). 

Der  neue  Hametze  hält  sich  in  der  dunkelsten  Ecke  des  Hauses  auf,  darf 
keine  Arbeit  verrichten  und  muss  sich  möglichst  des  Essens  enthalten,  denn 
die  Sitte  will,  dass  er  blass  und  mager  aussieht.  Mein  Bruder  beobachtete  in 
Bella  Coola  einen  vom  Walde  zurückkehrenden  Hametzen,  an  dessen  Kopf  an  ver- 
schiedenen Stellen  die  Haare  fehlten,  so  dass  es  hiess,  das  wäre  die  Folge  des 
langen  Fastens;  doch  glaubte  mein  Bruder,  dass  das  Haar  vermittelst  eines  Rasir- 
messers  entfernt  wäre.  Der  Hametze  geniesst  ein  so  grosses  Ansehen,  dass  vier 
Häuptlinge  ihn  während  der  Festsaison  im  Winter  viermal  einladen  müssen,  ehe 
er  zu  einem  Feste  erscheint.  Er  schreitet  dann  langsam  und  mit  Würde  von  seiner 
Behausung  dem  Festplatze  zu.  Niemand  darf  eine  Speise  anrühren,  ehe  der  Hametze 
seinen  Theil  bekommen  hat,  da  er  sich  sonst  beleidigt  fühlen,  in  Wuth  gerathen 
und  dann  über  die  Anwesenden  herfallen  und  ihnen  Stücke  aus  Brust  oder  Armen 
beissen  würde.  Dr.  Boas  behauptet  in  seinem  Aufsatz  (Archiv  für  Ethnographie 
S.  11),  dass,  wenn  ein  Hametze  einmal  jemand  gebissen  hat,  ihm  ein  ferneres 
Theilnehmen  an  Festen  verboten  sei.  Dieses  kann  nur  ein  Missverständniss  sein 
oder  sich  nur  auf  eine  kurze  Zeit  beschränken,  denn  nur,  damit  er  in  der  Gesell- 
schaft als  Erster  gilt,  trachtet  der  vornehme  Jüngling  darnach,  Hametze  zu  werden, 
und  bei  all  den  Festen,  wo  ich  selbst  zugegen  war,  waren  die  Hametzen  die 
Hauptpersonen.  Würde  man  sie  aus  der  Gesellschaft  ausschliessen,  so  könnten 
keine  Häuptlinge  oder  hervorragende  Personen  am  Fest  theilnehmen,  denn  die 
meisten  solcher  hochstehenden  Leute  gehören  zu  dem  Geheimbund.  Femer 
sagt  Dr.  Boas  wörtlich:  ^Mitunter  giebt  ein  Häuptling  ein  Fest,  zu  welchem  er 
sämmüiche  Geheimbünde  einladet  Bei  diesem  Fest  ist  Niemand  zu  essen  er- 
laubt, bevor  der  Hametze  seinen  Theil  bekommen  hat,  und  sollte  er  das  ihm  vor- 
gesetzte Mahl  nicht  zu  essen  belieben,  so  kann  die  Festlichkeit  nicht  stattfinden.*^ 
Da  man  Jemanden,  der  noch  Niemand  gebissen  hat,  nicht  Hametze  nennen  kann, 
so  sind  mir  die  eben  erwähnten  Worte  unverständlich. 

Man  unterscheidet  dreierlei  Arten  von  Hametzen:  erstlich  solche,  die  die 
nur  ihnen  zu  Ehren  getödteten  Sklaven  verzehren,  was  bis  in  die  sechsziger 
Jahre  hinein  noch  geschah;  dann  diejenigen,  welche  Leichen  mit  den  2^ähnen 
zerreissen  und  sie  dann  angeblich  verzehren;  drittens  solche,  die  nur  Hunde, 
durch  Zerbeissen  der  Kehle,  tödten.  Diese  drei  Akte  beissen  bei  den  India- 
nern „den  Hametzen  belustigen^.  Von  Frauen  als  Hametzen  wird  erzählt,  dass 
sie  früher  mit  besonderer  Vorliebe  Kinder  getödtet  hätten.  Nur  der  Energie  der 
englischen  Regierung  ist  es  zu  verdanken,  dass  allmählich  die  Menschenopfer 
aufgehört  haben,  und  wenn  sich  die  Hametzen  jetzt  mit  blossen  Bissen  in  Brust 
und  Arme  begnügen,  so  müssen  sie  die  Verwundeten  durch  einen  hohen  Preis, 
der  meist  in  wollenen  Decken  besteht,  entschädigen.  Die  zweite  Art  der  Hametzen, 
welche  Leichen  zerreissen,    nehmen  die  auf  Bäumen   bestatteten  und  getrockneten 


C393) 

Leichen  herunter  und  legen  sie  einen  oder  mehrere  Tage  in  Wasser,  um  sie  dann 
beim  Tanzen  mit  den  Zähnen  zu  zerbeissen.  Die  Sitte,  alte  getrocknete  Leichen 
statt  frischer  zu  nehmen,  scheint  daher  gekommen  zu  sein,  weil  bei  solchen  Festen 
oft  gefahrliche  Blutvergiftungen  rorgekommen  sind. 

Bei  der  Aufführung  springt  plötzlich  ein  Hametze,  die  Leiche  in  dem  Arm 
haltend,  hervor  und  tanzt  mit  seinen  Genossen  um  das  Feuer  herum  unter  dem 
lauten  Ruf:  hap,  hap,  hap,  hap,  hap,  hap  (oder  auch  ham-hara).  Der  Kopf 
der  Leiche,  welche  der  Hametze  nicht  loslässt,  liegt  stets  auf  dem  rechten  Arm. 
Mit  gebeugten  Knien,  in  halb  sitzender  Stellung,  nach  Raben -Art  springend, 
wird  der  Tanz  ausgeführt.  Sind  nun  die  Hametzen  mehrmals  um  das  Feuer  herum- 
gehüpft, so  stürzen  sich  die  ältesten  von  ihnen  über  den  Leichnam  her,  und 
unter  heftigem  Ringen  unter  einander  beginnen  sie  denselben  zu  zerstückeln. 
Dabei  scheinen  sie  aber  noch  ein  besonderes  Gewicht  darauf  zu  legen,  sich 
durch  das  Zerbeissen  der  Knochen  mit  den  Knochensplittern  das  Gedicht  so  sehr 
wie  möglich  zu  entstellen,  besonders  aber  den  Mund  und  die  Lippen  derart  zu 
zerstechen,  dass  Blut  hervorquillt. 

Die  Hunde  tödtenden  Hametzen  sind  besonders  bei  den  Bella-Coola  und 
Tschimpsian  häufig.  Mein  Bruder  sah  im  Jahre  1887  bei  den  Bella-Coola,  wie 
ein  Indianer  16  Hunden  die  Kehle  herausbiss.  Während  er  Jagd  auf  Hunde 
machte,  trug  er  die  grosse  Holzmaske  eines,  einem  Wolfe  ähnlichen  Ungeheuers 
mit  beweglichen  Augen  und  ebensolchem  Unterkiefer  (Fig.  7a).  Nachdem  er 
sämmtliche  Hunde  im  Dorfe  verletzt  hatte,  stellte  er  sich  krank  und  würgte  an- 
scheinend grosse  Stücken  Fleisch,  welche  er  unter  seiner  Kleidung  verborgen 
gehalten  hatte,  durch  den  Rachen  der  Maske  heraus,  während  ein  zweiter  Hametze 
die  zu  grossen  Stücke,  welche  nicht  durch  die  Oeffnung  der  Maske  gingen,  mit 
den  Zähnen  packte  und  herauszerrte.  Bei  der  nach  dieser  Procedur  folgenden 
Aufführung  vergrösserte  sich  die  Gestalt  des  Unthieres  inmier  mehr,  indem  mehrere 
der  Indianer  mit  unter  die  Decken  krochen,  und  als  es  entfliehen  wollte,  suchten 
es  die  anwesenden  Indianer  unter  grossem  Lärm  zurückzuhalten.  Soweit  der  Be- 
richt meines  Bruders.  Eine  ganz  ähnliche  Scene  sah  ich  bei  einem  Feste  im  Jahre 
1882  an  der  Westküste  Vancouvers. 

Einer  der  ersten  Ansiedler  der  Küste,  der  bei  den  Tschimpsian  ansässig  war, 
beschrieb  mir  ein  Hametzenfest  bei  denselben  in  folgender  Weise:  Nachdem 
einige  der  Theilnehmer  eine  SiCit  lang  auf  Hunde  Jagd  gemacht  hatten,  erschienen 
plötzlich  einige  Männer  mit  einer  Leiche  im  Arm  und  führten  einen  Tanz  mit  der- 
selben in  der  oben  erwähnten  Weise  um  das  Haus  herum  auf.  Darauf  begab 
sich  der  Hametze,  der  die  Leiche  trug,  von  seinen  Genossen  gefolgt,  in  ein  Canoe 
und  stiess  vom  Ufer  ab.  Hier  in  dem  Boot  fingen  sie  an,  die  Leiche  zu  verzehren. 
Mein  Berichterstatter  glaubte  aber,  dass  sie  den  Leichnam  vorher  mit  gekochtem 
Hirschfleisch  gefüllt  hätten  und,  indem  sie  nur  dieses  verzehrten,  die  am  Ufer  ver- 
sammelten Indianer  vollständig  täuschten.  In  früherer  Zeit  glaubten  die  Europäer, 
welche  solche,  nach  unserem  Geschmack  Ekel  erregenden  und  widerlichen  Scenen 
mit  ansahen,  dass  die  Theilnehmer  nur  Medicinmänner  seien  und  durch  derartige 
Vorführungen  ihre  Novizen  einweihen  wollten;  man  gab  sich  eben  keine  Mühe, 
in  das  innere  Geistesleben  dieser  wilden  Völker  einzudringen,  und  hatte  keine 
Ahnung  von  der  Existenz  der  besprochenen  Geheimbünde. 

Wie  Anfangs  gesagt,  repräsentiren  die  Tanzenden  die  durch  die  Masken  be- 
zeichneten Gottheiten,  und  es  scheint,  dass  die  Hametzen  durch  Beissen  ihrer  Mit- 
menschen, Zerreissen  von  Leichen  und  Tödten  von  Kindern  und  Hunden  das  Treiben 
verschiedener  Geister  nachahmen  wollten,  denen  eine  bei  den  Küstenindianem  all- 


Humetieiimukc,  den  Kopf  eioea  Raben  vorstelleni!.     Ai[i  Behang  ivci  ana  Holi 
geschnitite  Schädel. 

berichtete,  springt  der  Hamsewie  (wie  im  Osten  Beck-Beck  genannt  wird)  zuerst  auf 
den  Tanzplatz,  begleitet  von  vier,  in  gewöhnlichen  Tanzcoatümen  init  versteckten 
Holzflölen  versehenen  Indianern,  welche  das  Volk  vor  dem  Ungeheuer  schützen. 
Der  den  Tanz  begleitende  Gesang  des  Sängercorps  berichtet  von  den  Thaten  des 
üngeheaers,  wie  es  von  einer  Reise  aber  die  ganze  Welt  zurückkehrt,  nachdem 
es  viele  Häuptlinge  und  berühmte  Männer  verschlungen  hat.  Darauf  springt  die 
zweite,  die  Babenmaske,  hervor,  ebenfalls  begleitet  von  vier  anderen  Tänzern,  die, 
wie  die  vorigen,  HolzflÖten  unter  den  Kleidern  verborgen  halten.  Auch  von  diesem 
zweiten  ungeheuer  wird  im  Gesänge  erzählt,  wie  er  in  fernen  Ländern  Menschen 
gepeinigt  nnd  ihnen  die  Augen  ausgehackt  hat.  Es  scheint,  als  ob  je  nach  den 
Dörfern  and  den  individaellen  Auffassungen  des  Anfertigers  die  Masken  eines  und 
desselben  Dämonen  ganz  verschiedenartig  gebildet  sind,  ebenso  wie  wir  ja  auch 
die  Sagen  selbst  in  den  verschiedenen  Gegenden  manchen  Variationen  unter- 
worfen finden.  Der  Kern  bleibt  jedoch  immer  derselbe,  so  dass  man  immer  den 
einheitlichen  Ursprung  oder  die  Verwandtschaft  der  verschiedenen  Sagen  leicht  er- 
kennen kann.  —  Dasselbe  ist  auch  mit  den  Sagen,  den  Gebräuchen  und  Tänzen 
der  Medidnmänner  der  Fall.  — 

(34)  Hr.  Philipp  Jacobseu  übermittelt  durch  seinen  Bruder,  Hm.  J.  Adrian 
Jacobscn,  folgende  Notiz  Über 

d«8  Kochen  der  Indianer  an  der  NordwestkUst«  Americas  and  die 
Abnutzung  ihrer  Zähne. 

Die  Küsten- Indianer  von  der  Juan  de  t^ica-Strasse  bis  zum  KupferOuss  in  Alaska 
pflegen  alle  ihre  Speisen  in  wasserdichten  Körbon  und  Holzkisten  vermittelst  glühend 
gemachter  Steine  zu  kochen.    Die  durch  ein  grosses  Feuer  heiss  gemachten  Steine 


(396) 

Ige  erfasst  and  nach  und  nach  in  das  Qeföss  geworfen,  bo 
8  im  Kochen  bleibt    Die  Steine  bröckeln  allmählich  ab,  der 

mit  dem  Essen  und  schleill  die  Zähne  nach  tmd  nach  ab. 
33  die  dortige  Bevölkerong,  besonders  die  älteren  Leate,  bia 
ischlifTene  Zähne  haben.  Diese  Erscheioang  blieb  bis  in  die 
n  ein  Räthsel,    doch   glaube   ich  dieses  nur  dem  emühnten 

zu  können,  und  nicht,  wie  man  allgemein  annahm,  dem  Essen 
eben  nnd  Beeren;  denn  die  nördlicher  wohnenden  Eskimos 
peisen,  kochen  aber  ohne  heisse  Steine  nnd  haben  nicht  die 

Schon  Blnmenbach  hat,  zuerst  bei  ägyptischen  Mumien, 
fe  Abnutzung  der  SchneidezUhne  aufmerksam  gemacht,  aber 
Zähnen  der  Eskimo  angeführt  (Decas  craniorum  111  p.  9).  Er 
ae  maximam  partem  detritae  procnl  dubio  ex  victus  cmdi  et 
e  et  Eskimotarum  nomen  onginem  traxiaae  perhibetur.  Der 
in  hervoigehobene  Gegensatz  der  Eskimo  in  Nordwest-Amerika 
illgemein  gültig  sein,  als  er  annimmt.    Nichtsdestoweniger  ist 

grossem  Interesse,  da  sie  ungleich  besser  den  hohen  Grad 
ärl,  als  der  doch  nur  hypothetische  Hinweis  anf  die  Nahning 
'on  Wichtigkeit  sein,-  die  angeführte  Ursache  auch  bei  anderen 

in's  Auge  zu  fassen.  — 

jschenke    der    Frau    San.-Rath  Schlemm  (veigl.  Verh.  1891. 

Kural  des  TiruTallnver.  Ein  gnomischea  Gedicht  Ober  die 
es  Menschen.  Uebersetznng  und  Erklärung.  Leipzig  1856. 
I.,  Darstellung  ans  der  Sittengeschichte  Roms  in  der  Zeit  von 
im  Ausgang  der  Antonine.  III.  Aufl.  Leipzig  1869/71.  3  Bände, 
'h.,  Die  Sage  vom  Ewigen  Jnden,- historisch  entwickelt,  mit 
Mythen  verglichen  und  kritisch  beleuchtet.  Dresden  1844. 
nn.    Satyren  im  Tersmaosse  des  Originals  nnd  mit  erklärenden 

1  Ton  0.  ?.  Haugwitz.    Leipzig  1818. 

,   Die  Byzantiner  des  Mittelalters  in  ihrem  Staats-,  Hof-  and 
Halle  1869. 
,  Die  Anfange  der  Cultur.   Geschieht!,  und  archäolog.  Studien. 

2  Theile  in  1  Band. 

)iele.    Deutsch   in   den  Versmaassen   der  Urschrift.    Leipzig 

Bände. 

.arl,  Aesthetik  des  Bässlichen.    Königsberg  1863. 

r  die  Beziehungen  zwischen  Licht  und  Elektricität,    Ul.  Aufl. 

anber-Bibliothck  oder  von  Zauberei,   Thenrgie   und  Mantik, 
iexen  und  Hexenprocesaen,  Dämonen,  Gespenstern  und  Geister- 
n.    Mainz  1821/26.    6  Theile  in  3  Bänden, 
las.   Vortrüge  über  Heimath,  Geschichte,  Literatur  und  Knut 
1.    Herausgegeben  von  E.  F.  Wüatcmann.    Berlin  1853. 
las  Alter   der  Menschheit.    Nach   den  neueren  geol<^ischeD 
und  Darwin's  Hypothese.    (Wien  1870,  8ep.-Abdr.) 
IC,  Der  Staat    U.  Aufl.  v.  Ph.  L.  Adam.    Ulm  1848. 


Sitzung  vom  18.  April  1891. 
Vorsitzender  Hr.  Virchow. 

(1)  Der  Vorsitzende  begrüsst  den  so  eben  ans  Syrien  zurückgekehrten  Herrn 
Ton  Luschan  und  spricht  ihm  Namens  der  Gesellschaft  herzliche  Glückwünsche 
aus  zu  den  so  erfolgreichen  Ausgrabungen  von  Sendschirli,  welche  eine  ganz 
neue  Culturperiode  enthüllen. 

(2)  Gestorben  sind  die  ordentlichen  Mitglieder  Dr.  Liouis  Müller  und  Geh. 
Sanitätsrath  Dr.  Ed.  Goltdammer,  dirigirender  Arzt  der  inneren  Abtb eilung  von 
Bethanien,  letzterer  nach  langer  und  sehr  schwerer  Krankheit  erst  am  gestrigen 
Tage. 

(3)  Als  neue  Mitglieder  werden  angemeldet: 

Hr.  Dr.  W.  Dörpfeld,   Sekretär   des   deutschen  archäologischen  Instituts 

in  Athen. 
„    Gymnasialdirektor  Prof.  Dr.  Lemcke,  Stettin. 
yj    Rreisphysikus  Dr.  Schröder,  Oldenburg,  Holstein. 
„    Ludwig  Ruttner,  Kaufmann,  Berlin. 

(4)  Hr.  Antonio  Pen afiel,  Director  general  de  Estadistica,  dankt  in  einem 
Schreiben  aus  Mexico  Tom  9.  März  für  seine  Ernennung  zum  correspondirenden 
Mitgliede. 

(5)  Am  4.  April  ist  zu  Priedberg  in  der  Wetterau  der  durch  seine  prähistori- 
schen Forschungen  bekannte  Gustar  Dieffenbach  plötzlich  in  einem  Schlag- 
anfalle gestorben.  Derselbe  hinterlässt  leider  den  grössten  Theil  seiner  Gräber- 
funde, ohne  dass  er  selbst  eine  Ihiblikation  derselben  bewirkt  oder  eine  solche 
veranlasst  hat,  in  einem  Zustande  blosser  Magazinirung.  Unter  denselben  befindet 
sich  das  einzige,  auf  deutschem  Boden  gefundene,  mit  dem  Personen-Namen 
(Thrudhild)  bezeichnete  Skelet  aus  altfränkischer  Zeit  (6.  Jahrhundert).  Die  von 
Hm.  Virchow  gelieferte  Beschreibung  desselben  steht  in  Rud.  Henning,  Die 
deutschen  Runendenkmäler  S.  118. 


(6)  Es  ist  nunmehr  festgestellt,  dass  der  Generalversammlung  der  deut- 
schen anthropologischen  Gesellschaft  in  Königsberg  eine  Vorrersamm- 
lung  in  Danzig,  die  am  3.  August  beginnen  vrird,  voraufgehen  soll. 

(7)  Im  August  1892  findet  in  Moskau  ein  internationaler  prähistori- 
scher Congress,  als  Fortsetzung  der  früheren,  und  zugleich  ein  zoologischer 
Congress  statt.    Die  Reglements  für  beide  werden  vorgelegt. 

(8)  Der  internationale  Amerikanistencongress  wird  in  der  Zeit  vom 
1. — 6.  October  1892   in  dem  Kloster  la  Rabida  bei  Huelva  zusammentreten. 


(398) 

Der  Präsident  des  Organisations-Gomites,  Hr.  Ant.  Maria  Pabie,  der  jetzige 
Golonial-Minister,  ladet  zur  Theilnahme  ein.  Da  der  Gongress  die  Jubelfeier  der 
Entdeckung  America's  begehen  wird,  so  ist  der  Ort  gewählt  worden,  wo  Columbas 
vor  Antritt  seiner  grossen  Reise  längere  Zeit  ein  Asyl  gefunden  hatte. 

(9)  Der  Vorsitzende  dankt  der  freien  photographischen  Vereinigung 
hicrselbst  für  ihre  Einladung  zu  der  höchst  interessanten  Vorführung  trefflicher, 
durch  einen  Projektions-Apparat  rergrösserter  Bilder  aus  dem  Himalayu  durch 
Dr.  K.  Boeck  am  10.  April. 

(10)  Hr.  Olshausen  übersendet  unter  dem  4.  April  die  nachstehende  Notiz  über 

den  Goldbrakteaten  yon  Rosenthal  bei  Berlin. 

In  Heft  6  der  Zeitschr.  f.  Ethnol.  1890  finden  sich,  Verh.  S.  518—23,  Mit- 
theilungen der  Herren  Friedel  und  Bartels  über  den  Groldbrakteaten  von  Rosen- 
thal aus  der  Sitzung  rom  25.  October.  Hr.  Bartels  glaubte  in  der  Darstellung 
auf  dem  Brakteaten  den  Sigurd  Fafnersbane,  d.  h.  Siegfried  den  Drachentödter, 
zu  erkennen  und  berief  sich  auf  Worsaae^s  Deutung  der  Vorstellungen  auf 
anderen  Brakteaten,  Memoires  dos  antiquaires  du  Nord  1866 — 71,  p.  319  fr., 
nach  Aarböger  f.  nord.  Oldkynd.  1870,  S.  382  ff.).  —  Da  ich  in  jener  Sitzung  nicht 
anwesend  war,  so  kann  ich  erst  jetzt,  nach  Veröffentlichung  der  Bartels^  sehen 
Ausführungen,  darauf  hinweisen,  dass  Worsaae  jene  Deutung  schon  5  Jahre 
vor  seinem  Tode  zurückgenommen  hat. 

Im  Ropenhagener  Dagbladet  vom  24.  November  1880  findet  sich  ein  Bericht 
über  einen  Vortrag  Worsaae' s  in  der  Rongl.  nord.  Oldskriftselskab,  betreffend 
„eine  Deutung  der  Darstellungen  auf  den  (Schleswigschen)  Goldhömem  und  auf 
den  Goldbrakteaten^.  Hr.  Virchow  gab  einen  Auszug  aus  diesem  Bericht  in  den 
Verhandl.  1880,  S.  414—15.  Dem  ausführlicheren  dänischen  Texte  entnehme  ich 
folgende  hierhergehörige  Stellen  (mit  Weglassung  des  unseren  Gegenstand  nicht 
direct  Berührenden):  „Meine  fortgesetzten  Untersuchungen  in  Bezug  auf  das  Reli- 
giöse (in  den  Gebräuchen  und  Darstellungen  der  Nordländer)  führten  zu  meinem 
Versuch,  die  Goldbrakteaten  zu  erklären  (1870).  Schon  Thorlacins,  Abraham- 
son  und  Thomson  hatten  die  Götter  Thor  und  Freyr  auf  den  Brakteaten  ge- 
funden; hierin  schloss  ich  mich  meinen  Vorgängern  an,  versuchte  aber  die  Frage 
weiterzuführen,  indem  ich  mehr  Göttertypen  aussonderte.  Ausserdem  sah  ich 
auch  auf  den  Brakteaten  Sigurd  Fafnersbane,  die  Wölsungen  und  andere  Heroen 
und  Halbgötter.  Indess  ;wurde  meine  Theorie  über  die  Götter  und  Helden  von 
anderen  nicht  aufgenommen;  fast  alle  verhielten  sich  passiv.  Selbst  über  manche 
Einzelheiten  im  Zweifel,  wartete  ich  die  Zeit  ab.^  Verfasser  kam  später  auf  diese 
Studien  zurück  und  berichtet  darüber,  wie  folgt:  „Mein  Hauptresultat  der  Untere 
suchung  der  Brakteaten  ist,  dass  sie  alte  Götter  vorstellen,  heilige  Zeichen  oder 
religiöse  M3^hen;  keiner  giebt  Helden  oder  Heldensagen  wieder.'  Zum 
Schluss,  nachdem  er  auseinandergesetzt,  dass  die  Grundlage  der  nordischen  Mytho- 
logie recht  alt  und  gemein-germanisch  sei,  sagt  Worsaae:  „Meine  Freunde  in 
Norwegen,  Schweden  und  hier,  nicht  zu  sprechen  vom  Auslande,  müBsen  ihre  Mei- 
nungen (in  Bezug  auf  diesen  Punkt)  ändern;  aber  ich  selbst  muss  ihr  Schicksal 
theilen,  sofern  ich  einen  Theil  meiner  Erklärungen  der  Brakteaten 
heute  in  ein  frjühes  Grab  gesenkt  habc*^.  —  Vergleiche  noch  Worsaae ,  The 
industrial  arts  of  Denmark,  London  1882,  p.  167—174. 


(399) 


(11)   Hr.  R.  Buchholz  legt 


bearbeitete  Knochen  nnd  Grewelhstücke  aus  Grimme,  Kr.  Prenzlan 

Tor,  welche  an  sich  wenig  Auffälliges  bieten,  dagegen  durch  ihre  Lagerungsverhält- 
nisse  an  der  Fundstelle  ein  weiteres  Interesse  erregen.  Es  sind  zerschlagene 
Knochen-  und  Geweihstttcke  vom  Hirsch  oder  Elch,  darunter  ein  Röhrenknochen 
mit  einem  regelrechten  Bohrloch,  das  wohl  zum  Einstecken  eines  Stiels  ange- 
bracht sein  kann,  und  ein  Geweihstück  mit  Schädelkapselresten,  woran  zwei  ge- 
schwärzte Stellen  die  Einwirkung  von  Feuer  erkennen  lassen.  Sänmitliche  Stücke 
erscheinen  stark  corrodirt,  gelblich  weiss  und  haben  ein  relativ  geringes  specifi- 
sches  Gewicht;  die  Höhlungen  sind  von  eingespülter  sandiger  Kreidemasse  aus- 
gefüllt. Hr.  Gand.  phil.  ^chmeisser,  welcher  u.  a.  auch  geologische  Studien  be- 
treibt, überbrachte  diese  Gegenstände  dem  Märkischen  Museum  und  berichtete, 
dass  sie  in  der,  dem  Kaufmann  Rein  seh  gehörigen  Kreidegrube  bei  Grimme,  beim 
Abräumen  einer  ungefähr  2  m  tiefen  Schicht  von  Geschiebelehm,  unmittelbar  auf 
der  Oberfläche  des  Kreidelagers  gefunden  sind.  Die  Fundstelle  sei  eine  durch 
Gletscherauswaschung  entstandene  und  mit  Geschiebelehm  ausgefüllte  Vertiefung 
im  Kreidelager,  wie  sich  solche  dort  in  der  sonst  fast  zu  Tage  liegenden  Kreide- 
schicht häufig  finden,  und  da  keine  Spur  einer  Eingrabung  in  der  Geschiebelehm- 
Masse  zu  bemerken  gewesen  sei,  auch  in  den  oberen  Schichten  und  an  der  Ober- 
fläche irgend  welche  Culturreste  nicht  vorkamen,  so  glaubte  Hr.  Schmeisser, 
dass  die  Fundstücke  zur  Zeit  der  Entstehung  und  AusfiiUung  der  Vertiefung  im 
Kreidelager  mit  hineingespült  sein  müssten.  Da,  diese  Ansicht  als  zutreffend  vor- 
ausgesetzt, es  sich  um  menschliche  Artefakte  aus  der  Diluvial-  oder  gar 
noch  älteren  Zeit  handeln  würde,  so  unterbreite  ich  den  Fall  der  Prtlfung  dieser 
Gesellschaft,  ohne  dass  ich  selbst  mit  einem  ürtheil  vorgreife.  — 

Hr.  Nehring  erklärt,  es  sei  ihm  unwahrscheinlich,  dass  diese  Stücke  auf 
primärer  Lagerstätte  geftmden  sein  sollten.  Er  glaubt,  dass  sie  später  in  diese 
Schicht   gekommen  sein  müssen.    Es  seien  Knochen  und  Geweihe  vom  Elch.  — 

Hr.  Virchow  bestätigt,  dass  die  Knochen  nicht  den  Eindruck  sehr  hohen 
Alters  machten.  Die  Rauhigkeit  der  Oberfläche  sei  durch  tiefe  Erosionen  [von 
Pflanzenwurzeln  bewirkt. 

(12)   Hr.  M.  Bartels  legt  Proben  vor  von  den 

kostbaren  Perlen  der  Basntho  in  Transvaal. 

Hr.  Missionssuperintendent  A.  Merensky  hat  im  Jahre  1882  in  einem,  in  der 
Berliner  anthropologischen  Gesellschaft  gehaltenen  Vortrage  die  Aufmerksamkeit 
auf  Perlen  gelenkt,  welche  bei  den  Basutho  in  Nord-Transvaal  (Süd-Afrika) 
in  hohem  Ansehen  stehen.  Sie  sind  sehr  selten  und  die  Eingebomen  behaupten, 
dass  sie  dieselben  in  der  EIrde  finden.  Europäische  Nachbildungen,  welche  die 
englische  Industrie  einzuführen  versucht  hat,  wurden  von  den  Basutho  sofort  als 
Nachahmungen  erkannt 

Diese  Perlen  wurden  „fast  nur  von  regierenden  Häuptlingen  und  ihren  Frauen 
getragen;  besonders  eine  gelbe  und  eine  schwarze  standen  in  hohem  Ansehen  und 
dienten  oft  als  Sühnegeld  oder  Tribut,   durch  den  die  Unterhäuptlinge  die  Gunst 


^^^^^ 


■•*™ 


(400) 

oder  den  Schatz  des  Oberhaupts  gewannen.  Kaufen  konnte  man  diese  Perlen 
nie  und  nirgends,  ja  es  wurde  uns  nütgetheilt,  dass  ein  Mann  niederen  Banges, 
wenn  er  im  Besitz  solcher  Perlen  sei,  seinen  Schatz  sorgfältig  yor  den  Augen  Un- 
berufener hüte,  weil  er  sonst  fürchten  müsste,  dass  er  die  Habsucht  des  Häupt- 
lings reizen  würde  und  so  seines  Lebens  nicht  mehr  sicher  wäre^  (Verh.  1882. 
S.  543). 

Es  kommen  17  verschiedene  Arten  vor:  4  Arten  sind  gelblich,  3  schwarz,  sonst 
giebt  es  rothe,  grüne,  blaue,  weisse  und  bunte. 

•■  Ich  verdanke  der  Güte  des  Herrn 

0n    rn\  1^     fn)  P^     nn      Merensky  einige  Proben  dieser  Perien. 
W    ^  m     i^mm    P^      Dieselben  faUen  durch  ihre  zumTheü 

sehr  bedeutende  Kleinheit  auf,  wodurch 
®3     @>D      ©B     (§Q     <o);J     (o)0     sie    sich    von    den    bekannten    Aggri- 

^  Perlen   nicht  unwesentlich  unterschei- 

r^n      r^  f^  «      /^  n  ^^^-   ^^^  vergleiche  die  in  natürlicher 

ßQ     jf)  9    ^Q     @  Q    J2;U  Grösse  gegebenen  Abbüdungen  (Fig.  1 

bis  15).  Sie  sind  fast  sämmtlich  ans 
opakem  Glase,  nur  die  Arten  11,  lY  und  X  sind  durchsichtig.  Auch  sind  sie  stets 
einfarbig,  bis  auf  die  Art  IX,  welche  weisse,  schmale  Längsstreifen  in  schwarzem 
Glase  zeigt.  Sie  sind  ohne  Zweifel  aus  längeren  Glasröhren  durch  Abschneiden  her- 
gestellt. Diese  Röhren  waren  meistens  cylindrisch,  jedoch  erscheinen  sie  auch  bis- 
weilen breitgedrückt,  selbst  bis  zu  einer  Rautenform  mit  abgerundeten  Kanten.  Aber 
die  Art  11  ist  sechsseitig.  Dass  die  Perlen  durch  Abschneiden  von  einer  Röhre  her- 
gestellt sein  müssen,  erkennt  man  daran,  dass  ihre  obere  und  untere-,  die  Durch- 
bohrung tragende  Fläche  häufig  nicht  parallel  sind  und  dass  in  einzelnen  Fällen 
diese  Fläche  keine  Ebene  bildet,  sondern  gebogen  erscheint  und  in  eine  Zacke 
ausläuft  (z.  B.  Fig.  9).  Es  hat  also  dieses  Abschneiden  nicht  immer  rechtwinklig 
zur  Längsaxe  der  Röhre  stattgefunden  und  die  Yerfertiger  haben  wenigstens  in 
den  zuletzt  erwähnten  Fällen  nicht  durch  die  ganze  Continuität  der  Röhre  ge- 
schnitten, sondern  sie  haben,  nachdem  sie  den  grössten  Theil  durchtrennt  hatten, 
die  vollständige  Ablösung  durch  Abbrechen  erzielt  und  dabei  sind  Splitterungen 
vorgekommen.  Hierdurch  kommt  es  auch,  dass  in  derselben  Gruppe  die  einzelnen 
Perlen  nicht  selten  von  ungleicher  Grösse  sind.  In  den  Abbildungen  sind  die 
Extreme  gewählt  worden. 

Hr.  Merensky  hat  mir  auch  die  einheimischen  Namen  mitgetheilt,  weicheich 
hier  folgen  lasse.    Es  mögen  die  werthvoilsten  Perlen  zuerst  genannt  werden: 

„I.  Talama,  gross,  unregelmässig  cylindrisch,  gelb,  mit  leichtem  Stich  ins 
Grüne  oder  auch  grüngelb,  opak.  Die  Bedeutung  des  Namens  ist  den  Basutho 
unbekannt.  In  einem  am  Niassa-See  gesprochenen  Dialekte  aber  bedeutet  Talama 
Gold  (Fig.  1,  2). 

II.  Ebenfalls  mit  dem  Namen  Talama  bezeichnet,  gross,  kantig,  dunkel 
schwarzblau,  durchsichtig  (Fig.  3). 

III.  Tsupsane,    klein,  hellblau.    Bedeutung  des  Namens  mir  nicht  bekannt 

IV.  Letsika,  sehr  klein,  unregelmässig  cylindrisch,  bisweilen  breiter  als  hoch, 
dunkelgraublau,  opak.  Die  Bedeutung  des  Wortes  ist  unbekannt.  Diese  Perlen 
sind  selten  und  theuer  (Fig.  4,  5). 

V.  Tächa,  klein,  unregelmässig  cylindrisch,  bisweilen  breiter  als  hoch,  hell 
schwefelgelb,  opak.  Der  Name  bedeutet  „Schönheit**.  Diese  Perlenart  ist  die 
werthvollste  von  allen  (Fig  6,  7). 


glänzend   seh 
den  Priedei 

VII.  Le 
bedeutet  „Er 
Färbung  einei 

VIII.  Li 
gelb,   opak. 
„Mennige"  I 

Dt.  KCl 
massigen,  sc 
innernd.     Dci 

X.  Hoc 
gisBtneinnicht: 

XI.  Seh 
Diese  Perlen 
(Fig.  14,  15). 

Die  Kam 
Aas  wel< 
worden  sind, 
modernes  eu 
die  Anrertigui 
Hr.  Mereasb 
ältere  Einfahi 
duBS  er  von  i 
jetzt  in  Bhaui 
Industrie  bei 
sehen  Perlen, 
Ansehen  hin 
mil  einzelne! 
(Tal am a)  und 
Aber  doi 
identiHciren. 
oder  an  antib 
wie  gesagt,  n 
skopische  ün 
berg  mit  übe 
Wir  werden  i 
kommen,  da 
schickt  habe. 

(13)    llr. 


Rügen  Hcinic 
Pliotogra] 
wurden  von  t 
und  daran  i' 
(icsngte  bezi( 


(402)         , 

geändert  hat.  Ich  möchte  aber  bemerken,  gerade  der  Umstand,  dass  sich  an  dem 
Befunde  eines  solchen  Artisten  etwas  ändert,  ist  interessant  und  bietet  uns  Gelegen- 
heit, das  Problem  von  einer  neuen  Seite,  in  neuer  Beleuchtung  kennen  zu  lernen. 
Damals  waren  es  5  Jahre,  dass  der  Zwanzigjährige  die  ersten  Versuche  in  seiner 
Kunst  gemacht  hatte,  jetzt  sind  annähernd  weitere  5  Jahre  verflossen,  und  in  diesen 
5  Jahren  sind  Aenderungen  eingetreten. 

Geändert  hat  sich  einmal  der  Habitus:  damals  (im  Jahre  1886)  war  der 
Artist  mager,  heut  hat  er  Körperfülle  erlangt,  die  Muskulatur  ist  kräftig  und  vor 
allem  ist  das  Fettpolster  reichlich  entwickelt;  man  darf  annehmen,  auch  die  Fett- 
ansammlungen innerhalb  der  Bauchhöhle,  im  Netze  und  an  den  Mesenterien. 

Geändert  hat  sich  femer,  dass  der  Säbel,  welcher  früher  bis  zum  Griff  ein- 
geführt werden  konnte,  nicht  mehr  so  weit  eingebracht  wird,  sondern  dass  15  nw 
desselben  ausserhalb  des  Mundes  bleiben,  oberhalb  des  Randes  der  oberen 
Schneidezähne.  Von  diesem  Säbel  führte  ich  früher  an,  dass  er  73  cm  lang  sei; 
ich  will  jedoch  hinzufügen,  um  ganz  genau  zu  sein,  dass  an  dem  Griff  zwei  kleine 
seitliche  Platten  befestigt  sind,  die  2  cm  der  Klinge  bedecken,  so  dass  für  die  Ein- 
führung nur  71  cm  in  Betracht  kommen.  Ausserdem  sei  bemerkt,  dass  der  Säbel 
leicht  gekrümmt  ist,  und  zwar  so,  dass,  wenn  man  Spitze  und  Anfang  der  Klinge 
durch  eine  gerade  Linie  verbindet,  die  Klinge  in  der  Mitte  etwa  2  an  von  dieser 
Sehne  entfernt  ist  Jetzt  führt  der  Artist,  was  er  früher  nicht  that,  einen  stark 
gekrümmten  Säbel  ein,  was  ihm  nach  seiner  Behauptung  „kein  anderer  Degen- 
Schlucker  nachmacht^.  Um  ein  Maass  für  diesen  krummen  Säbel  zu  haben,  sei 
angeführt,  dass,  wenn  man  von  der  Verbindung  der  Klinge  mit  dem  Griff  eine 
gerade  Linie  zur  Spitze,  also  so  zu  sagen  die  Sehne  zu  dem  Bogen  zieht,  diese 
gerade  Linie  62  cm  misst. 

lieber  die  Einbringung  dieser  beiden  Säbel  sei  Folgendes  bemerkt:  1)  der 
„gerade  SäbeP  gleitet,  so  weit  er  überhaupt  einzuführen  ist,  leicht  hinab;  dann 
aber  steht  er  fest.  Der  Artist  bezeichnet  die  Stelle,  wo  er  die  Spitze  fUhlt,  mit 
dem  Finger,  und  zwar  ist  dies  eine  Stelle,  die  6  cm  oberhalb  des  Nabels  in  Mittel- 
linie liegt.  2)  der  „krumme  SäbeP  wird  in  der  Weise  eingeführt,  dass  das  An- 
fangsstück senkrecht  eingeschoben  wird;  dann  wird  er  so  weit  auf  die  Seite  geneigt, 
dass  immer  das  weiter  eingeführte  Stück  senkrecht  steht.-  Dabei  macht  zugleich 
der  Artist  mittelst  seiner  Hals-  und  Rumpfwirbelsäule  seitliche  Bewegungen,  so 
dass  er  sich  so  zu  sagen  auf  den  Säbel  hinaufwindet  Er  giebt  an,  dass  die  Elr- 
lernung  dieser  Einführung  viel  Zeit  und  V^ersuche  gekostet  habe.  Wenn  der  Säbel 
bis  zum  Griff  eingebracht  iet,  so  fühlt  der  Artist  auch  von  ihm  die  Spitze,  und 
zwar  an  einer  Stelle,  die  zwischen  der  Mamillarlinie  und  der  vorderen  AxillarUnie 
der  linken  Seite  liegt,  3  cm  über  der  Querebene  des  Nabels. 

Man  darf  annehmen,  dass  die  Stellen,  an  denen  in  beiden  Fällen  die  Spitse 
des  Säbels  liegt,  richtig  gefühlt  sind,  denn,  wenn  man  die  Säbel  aussen  an  den 
Körper  hält,  so  treffen  die  Spitzen  thatsächlich  auf  die  gleichen  Punkte.  Da  nun 
der  Magen  selbst  kein  localisirendes  Gefühl  besitzt,  so  muss  man  annehmen,  dass 
die  Magenwandung  durch  den  Säbel  an  die  vordere  Bauchwand  angedrückt  wird, 
und  dass  in  dieser  das  Gefühl  entsteht.  Der  Beobachter  vermag  die  Spitze  nicht 
zu  fühlen,  da  die  Bauchdecken  dick  und  gespannt  sind. 

Die  Einzelprobleme,  in  welche  das  Problem  des  Degenschluckers  zerfällt,  habe 
ich  schon  in  meinem  früheren  Vortrage  bezeichnet  Sehen  wir  ab  von  der  Frage 
nach  dem  Verhalten  der  Schleimhaut,  so  haben  wir:  1)  das  Problem  der  Topo- 
graphie von  Magen  und  Speiseröhre,  2)  das  Problem  einer  hochcomplicirten  Synei^ 
von  Muskelleistungen. 


(403) 


Letzteres  ist  physiologisch  das  interessantere.  Es  besteht  darin,  und  zwar 
nicht  nur  bei  unserem  Degenschlucker,  sondern  bei  jedem  Menschen,  der  auf  die 
Einbringung  eines  Schlundrohres  eingeübt  ist,  dass  die  Berührungsgefühle  im 
Pharynx  und  Oesophagus  und  ihren  Umgebungen  so  verwerthet  werden,  bezw. 
schon  verarbeitet  sind,  dass  ein  feststehender  Bewegungsplan  ausgebildet  ist,  der 
es  gestattet,  den  Fremdkörper  glatt  und  schnell  und  ohne  an  den  Hindernissen  auf 
dem  Wege  Halt  zu  machen,  bis  durch  das  Foramen  oesophageum  hindurch  vor- 
zuführen. Schon  die  Stellung,  die  der  Einführende  seinem  Körper  giebt,  ist  durch 
diesen  feststehenden  Plan  bestimmt,  und  in  unserem  Falle  gestaltet  sich  das  Be- 
wegungs-Problem, wie  gesagt,  durch  die  Aufgabe  der  Einführung  eines  krummen 
Säbels  besonders  schwierig.  Der  Bewegungs-Plan  setzt  sich  zusammen  aus  Be- 
wegungen des  einführenden  Armes  und  aus  Bewegungen  der  Wirbelsäule,  in  syner- 
gischer Verbindung.  In  dieser  Hinsicht  hat  sich  der  Artist  vervollkommnet,  seine 
Leistungen  sind  verfeinert  worden. 

Das  Problem  der  Topographie  des  Oesophagus  kann  ich  nicht  genauer  be- 
leuchten, dazu  müsste  die  Eröffnung  der  Leiche  gemacht  werden,  während  einer 
der  Säbel,  vor  allem  der  krumme,  darin  liegt. 

Das  Problem  der  Topographie  des  Magens  hat  aufgehört.  Früher,  als  der 
lange  Säbel  bis  zum  Oriff  eingeschoben  wurde,  bestand  die  Frage,  welche  Gestalt 
der  Magen  annimmt,  wenn  er  bis  fast  zur  Symphyse  ausgedehnt  wird;  jetzt  da- 
gegen, da  die  Spitze  des  geraden  Säbels  8  cm  über  dem  Nabel  stehen  bleibt,  und 
da  der  krumme  Säbel  eine  so  massige  Länge  hat,  besteht  ein  solches  Problem 
nicht  mehr.  In  dieser  Richtung  also,  in  der  Richtung  der  rein  mechanischen 
Verhältnisse  ist  eine  Einschränkung,  eine  Verminderung  der  Leistung  ein- 
getreten. 

Wie  ist  sie  entstanden?  Der  ijHtist  selbst  macht  die  Angabe,  dass  er  eine 
Zeit  lang  nur  den  krummen  Säbel  angebracht  habe,  und  dass,  als  er  es  dann 
wieder  mit  dem  geraden  versuchte,  dies  nicht  gegangen  sei.  Er  habe  es  zwar 
einmal  erzwungen,  jedoch  unter  Schmerzen  und  mit  dem  Gkfühle,  als  sei  er  durch 
eine  enge  Stelle  hindnrchgekommen.  Aus  Besorgniss,  sich  zu  beschädigen,  habe 
er  den  Versuch  nicht  wiederholt 

Diese  Angabe  giebt  keinen  Aufschluss  über  die  Ursachen  der  Behinderung; 
oder  soll  man  glauben,  dass  die  Magenwand  durchbohrt  war? 

Ich  habe  daher,  um  durch  die  anatomische  Untersuchung  Licht  zu  erhalten, 
die  Einführung  des  geraden  Säbels  an  einer  Leiche  vorgenommen,  wobei  mir  Hr. 
Hein  freundlichen  Beistand  leistete.  Die  Leiche  eines  gesunden,  kräftigen,  wohl- 
gebauten Mannes,  dessen  Magen,  wie  sich  nachher  zeigte,  leer  war,  mit  einer 
Körpergrösse  von  1,71  m,  also  der  des  Artisten  entsprechend,  —  ich  bestimmte 
diese  früher  zu  1,715,  diesmal  zu  1,725  —  wurde  in  eine  Lage  gebracht,  welche 
der  Stellung  des  Säbel-Einführenden  (s.  die  Figur  auf  S.  405  meines  früheren  Vor- 
trages) entsprach;  d.  h.  die  Leiche  war  in  Rückenlage,  die  Schultern  durch  einen 
untergelegten  Klotz  erhöht,  der  Kopf  hintenübergeneigt,  wobei  allerdings  die  Fein- 
heiten, die  der  lebende  Körper  unter  der  Herrschaft  der  Muskeln  annimmt,  nicht 
nachgeahmt  sind  und  nicht  nachgeahmt  werden  können.  Der  eingeführte  Säbel 
traf  nun  zunächst  die  Halswirbelsäule.  Abgesehen  von  diesem  Hinderniss  blieb 
er,  ehe  er  den  Magen  erreichte,  an  drei  Stellen  stehen,  nehralich  zuerst,  als  die 
Spitze  15  cm  von  den  Schneiden  der  Oberzähne  entfernt  war,  dann  in  23,5  cm 
Abstand  von  denselben,  dann  in  41  cm  Abstand.  Ueber  das  erste  Hinderniss 
(Kehlkopf)   kam  man    hinweg,   indem   man   mit   der  Fläche   des  Säbels   die  vor 

26* 


(404) 

letzterer  gelegenen  Theile  nach  vorn  (oben  bei  der  liegenden  Leiche)  drängte; 
über  das  zweite  (Bifurcation  der  Trachea),  indem  man  die  Lage  des  Säbels  in 
sagittaler  Richtung  so  änderte,  dass  die  Spitze  sich  mehr  der  Wirbelsäule  zukehrte ; 
über  das  dritte  (Foramen  oesophageum),  indem  man  die  Spitze  ebenfalls  der 
Wirbelsäule  mehr  zuwendete.  Lageveränderungen  in  querer  Richtung  waren  un- 
nöthig.  Endlich  blieb  der  Säbel  wieder  stehen,  als  noch  15  cm  seiner  Klinge  vor 
den  Schneiden  der  Oberzähne  hervorstanden,  und  zwar  war  seine  Spitze  nun  ober- 
halb des  Nabels,  links  von  der  Mittellinie  zu  fühlen,  wie  letzteres  ja  auch  zu  er- 
warten war,  da  der  (leicht  gekrümmte)  Säbel  mit  links  gewendeter  Spitze  eingeführt 
wurde,  so  wie  es  der  Artist  zu  thun  pflegte.  Der  Widerstand,  der  die  Spitze  auf- 
hielt, war  vollkommen.  Nach  einigem  Zurückziehen  und  Tasten  Hess  sich  der 
Säbel  weiterschieben  bis  zur  Querebene  des  Nabels,  wo  er  wieder  fest  stand ;  nach 
erneutem  Zurückziehen  und  Tasten  ging  er  weiter  vor  und  glitt  nun  anstandslos 
abwärts,  bis  der  Griff  an  die  Zähne  anstiess;  ja  man  hatte  das  Gefühl,  dass  sich 
bequem  noch  ein  weiteres  Stück  würde  einführen  lassen.  Die  Spitze  war  nunmehr 
5  cm  über  der  Symphyse  zu  fühlen.  Ich  glaubte  vollkommen  sicher  das  gemacht 
zu  haben,  was  früher  der  Artist  selbst  zu  machen  pflegte,  wenn  er  die  Magen  wand 
mit  dem  Säbel  bis  gegen  die  Symphyse  vordrängte.  Doch  das  Ergebniss  war  ganz 
anders:  es  war  ein  Loch  gebohrt,  und  der  Säbel  stand  mit  einem  Stück  von  11  cm 
aus  der  Magenwunde  hervor.  Das  Loch  befand  sich  an  der  hinteren  Wand,  gleich 
weit  entfernt  von  der  grossen  und  kleinen  Curvatur.  Auch  das  Mesocolon  war 
durchbohrt  Wenn  man  diesen  Befund,  der  nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  er- 
hoben wurde,  mit  dem  vorher  Geschilderten  in  Verbindung  setzt,  so  ist  es  wahr- 
scheinlich, dass  die  erste  Hemmung  innerhalb  der  Bauchhöhle  (3  ein  über  Nabel- 
höhe) durch  die  Magenwand,  die  zweite  (in  Nabelhöhe)  durch  das  Mesocolon 
hervorgerufen  war,  und  dass  der  Magen  überhaupt  nicht  oder  nur  sehr  wenig  vor 
der  andrängenden  (übrigens  stark  abgestumpften)  Spitze  auswich.  Eine  Ursache 
besonderer  Verletzlichkeit  war  nicht  vorhanden,  der  Magen  war  gesund,  ohne 
Falten  und  Buchten,  und  die  durchgestossene  Stelle  zeigte  nichts  Besonderes.  Die 
Leiche  war  mit  conservirender  (Wickers  heimer 'scher)  Flüssigkeit  ausgespritzt, 
und  weder  Auge  noch  Nase  konnten  Zeichen  von  Zersetzung  spüren.  Immerhin 
war  es  der  Magen  einer  Leiche,  nicht  so  fest  wie  der  eines  Lebenden,  und  vor 
allem  ohne  die  Fähigkeit  der  Muskelcontractionen. 

Obwohl  nun  die  Untersuchung  mit  einer  Durchbohrung  endigte,  so  ist  ihr  Er- 
gebniss doch  nicht  ausschliesslich  negativ.  Von  positiven  Ei^ebnissen  enthielt  sie 
zunächst  dieses,  dass  das  Stück  des  Säbels,  welches  nicht  ohne  Verletzung  des 
Magens  eingeführt  werden  konnte,  15  cf/i  betrug,  also  genau  so  viel,  als  gegen- 
wärtig bei  dem  Artisten  uneingeführt  bleibt  Man  kann  daher  wohl  auf  letzteren 
das  Ergebniss  übertragen  und  bemerken,  dass  gegenwärtig,  wenn  er  den  geraden 
Säbel  einführt,  die  Magenwand  nicht  wesentlich  verdrängt  wird,  und  dass  es  diese 
selbst  und  nicht  die  Bauchwand  ist,  welche  das  weitere  Vordringen  des  Säbels 
hindert. 

Ein  zweites  Positives  lehrte  die  Untersuchung  an  der  Leiche.  Nach  der  Oeff- 
nung  der  Bauchhöhle  und  Feststellung  des  geschilderten  Befundes  wurde  nehmlich 
der  Säbel  so  weit  wieder  zurückgezogen,  dass  seine  Spitze  in  den  Magen  zurück- 
kehrte; und  nun  wurde  diese,  überwacht  vom  Auge,  innerhalb  des  Magens  weiter 
vorgeführt,  wobei  die  Magenwand  mittelst  der  Hände  über  dem  vordringenden 
Säbel  arrangirt  wurde.  So  kam  nun  dieser  leicht  so  weit,  dass  der  Griff  an  die 
Zähne   anstiess,    ohne  Durchbohrung,   obschon   allerdings   zuletzt  die  Magen  wand 


(405) 

durch  die  andrängende  Spitze  so  gespannt  war,  dass  vielleicht  1  oder  2  cm  mehr 
eine  Durchbohiiing  herrorgemfen  hätten.  Am  weitesten  hinabgedrückt  war  jetzt 
eine  Stelle  der  grossen  Curvatür,  die  vom  Pyloras  weit  entfernt  war,  noch  weiter 
von  der  Cardia,  und  die  grosse  Oarvatnr  hatte  anstatt  der  Gestalt  einer  gebogenen 
Linie  die  einer  gebrochenen  Linie  mit  zwei  ziemlich  gerade  verlaufenden,  spitz- 
winklig zusammentreffenden  Schenkeln  angenommen.  Dieser  Theil  der  Unter- 
suchung ist  insofern  positiv,  als  er  zeigt,  dass  eine  Säbel-EIinführung,  wie  sie  unser 
Artist  vor  5  Jahren  zu  machen  pflegte,  möglich  ist,  ohne  dass  daftlr  etwas  Weiteres 
als  der  Magen  in  Anspruch  genommen  wird,  und  ohne  dass  dieser  Magen  ver- 
ändert, insbesondere  ohne  dass  er  dilatirt  ist.  Eine  Dilatation  glaubte  ich  schon 
bei  der  früheren  Untersuchung  ausschliessen  zu  dürfen;  gegenwärtig  fehlt  erst 
recht  jeder  Grund,  an  eine  solche  zu  denken,  da  nicht  nur  gar  keine  anamnesti- 
schen Anhaltspunkte  dafür  vorliegen,  sondern  da  bei  dem  gegenwärtigen  Grade 
der  Einführung  keine  bemerkenswerthe  Verschiebung  der  Magenwand  stattfindet. 
Wäre  der  Magen  dilatirt  worden,  so  müsste  sich  die  Fähigkeit,  einen  langen  Fremd- 
körper einzuführen,  gesteigert  und  nicht  vermindert  haben. 

Um  nun  die  Untersuchung  zum  Abschlüsse  zu  bringen,  müsste  in  Erfahrung 
gebracht  werden,  warum  bei  dem  Artisten  die  Einführung  der  langen  Klinge  früher 
gelang,  jetzt  aber  nicht  mehr,  und  warum  an  der  Leiche  so  bald  eine  Durch- 
bohrung eintrat,  während  sich  doch  nachher  zeigte,  dass  der  Magen  an  sich  die 
erforderliche  Dehnung  sehr  wohl  vertrug.  Hierauf  geben  weder  unsere  Unter- 
suchungen an  dem  Artisten,  noch  die  an  der  Leiche  eine  sichere  Auskunft.  Voraus- 
sichtlich würde  man  durch  weitere  Untersuchungen  an  Leichen  eine  gewisse  oder 
annähernd  gewisse  Lösung  der  Frage  finden;  da  ich  aber  solche  nicht  angestellt 
habe,  so  kann  ich  nur  anführen,  was  mir  nach  dem  Voranstehenden  als  das  Wahr- 
scheinliche entgegentritt.  Es  ist  zu  vermuthen,  dass  die  reichlich  angesammelten 
Fettmassen  in  der  Bauchwand,  vor  allem  aber  im  Netz  und  in  den  Gekrösen 
raumbeschränkend  und  bewegungshindemd  wirken,  so  dass  die  Darmabschnitte 
nicht  mehr,  wie  früher,  frei  verschiebbar  sind,  sondern  sich  gegenseitig  einengen 
und  sich  in  ihrer  Lage  festhalten. ' 

Wäre  es  nun  unseres  Amtes,  den  Artisten  zu  berathen,  so  Hesse  sich  über 
die  Einführung  der  langen  Klinge  wohl  Folgendes  sagen :  Die  Einführung  ist  vor- 
aussichtlich auch  jetzt  noch  möglich,  doch  dürfte  die  Weiterführung  bis  zum  Nabel 
und  über  denselben  hinaus  nur  mit  äusserster  Vorsicht  geschehen  und  nie  er- 
zwungen werden.  Nach  dem  Durchgange  der  Spitze  durch  das  Foramen  oesa- 
phageum,  also,  nachdem  etwas  über  41  cm  eingeführt  sind,  müsste  sich  die  Spitze 
der  vorderen  Bauchwand  nähern,  damit  die  Magenwand  nicht  gegen  das  Mesocolon 
angedrängt,  sondern  zwischen  Bauchwand  und  Colon  transversum  abwärts  ge- 
schoben werde;  Aenderung  der  Körperhaltung  ist  dafür  vielleicht  von  Nutzen.  Vor 
allem  aber  ist  eine  völlig  consequente  Entfettungscur  einzuhalten.  Höchst  bedenk- 
lich bleibt  jedoch  der  Versuch  auf  alle  Fälle. 

(14)  Herr  Olshausen  legt  folgende  Mittheilung  des  Herrn  Schumann  in 
Löcknitz  vor  über  einen 

Bronzeschmuck  yon  Alt-Storckow,  Kr.  Stargardt,  Pommern. 

Unter  den  Funden,  welche  in  jüngster  Zeit  an  das  Stettiner  Museum  kamen, 
verdient  ein  Fund  von  Alt-Storckow  bei  Nörenberg  besondere  Berücksichti- 
gung. Auf  der  dortigen  Gntsfeldmark  wurden  unter  einem  aus  Steinen  bestehen- 
den  Hügel   eine  Anzahl   von  Urnen   und    dabei   einige  Schmuckstücke   gefunden, 


(406) 

die  durch  ihren  gaten  Erhaltongszastand  und  ihre  schöne  Patina  sich  auszeichnen. 
Der  Fund  besteht  aus: 

1)  Einer  rautenförmigen  Haken  platte  (Fig.  1).  Dieselbe  ist  aus  Bronze- 
blech  hergestellt,  62  mm  lang  und  42  mm  breit.  Als  Ornament  zeigt  sie  ein  am 
Rande  herumlaufendes  Band,  das  durch  Punzirung  gestrichelt  ist.  Ein  doppeltes 
derartiges  Band  verläuft  durch  die  Mitte  der  Platte.  Ober-  und  unterhalb  dieses 
Bandes  befinden  sich  je  3  erhabene  Buckelchen.  Die  beiden  Enden  der  Platte 
gehen  in  nach  unten  umgebogene,  25  mm  lange  Haken  aus. 


1 

3. 

2)  Zwei  Brillenspiralcn  (Fig.  2).  Dieselben  sind  ans  2  mm  starkem 
Bronzedraht  hergestellt  und  haben  47  mm  Durchmesser.  Es  macht  den  Eindruck, 
als  ob  sie  an  einem  Kleidungsstück  befestigt  gewesen  seien,  während  die  erwähnte 
rautenförmige  Platte  mit  ihren  Haken  in  die  Ochsen  der  Brillenspiralen  eingegriffen 
und  so  das  Kleidungsstück  zusammengehalten  hätte. 

3)  Dem  interessantesten  Stück,  dem  Schmuck  Fig.  3.  Derselbe  besteht  aas 
einzelnen  Gliedern  und  zwar  aus  Spiralröllchen  und  flügeiförmigen  Schalt- 
stücken. Die  Spiralröllchen,  aus  1  mm  starkem  Draht  und  etwa  60  mm  lang,  sind 
nicht  gleichmässig  dick,  sondern  verjüngt,  in  der  Art,  dass  das  dünnere  Ende 
zwischen  die  Flügel  der  Schaltstücke  eingefügt  werden  kann,  während  das  dickere 
Ende  auf  die  Erhöhung  derselben  an  der  Rückseite  passt  Die  flügeiförmigen 
Schaltstücke  bestehen  aus  zwei  dachförmigen  Blättern,  an  deren  Basis  sich  eine 


(407) 

Durchbohrung  findet,  welche  der  Höhlung  der  Spiralröllchen  entspricht.  Es  kann 
keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  der  Schmuck  ähnlich,  wie  Fig.  8  es  zeigt,  auf- 
gezogen getragen  wurde.  Wenn  man  die  Spiralröllchen  als  Stiel  und  die  Schalt- 
stücke als  Blätter  auffasst,  erinnert  er  an  einen  Mistelzweig. 

Ein  Stück  dieser  Art  besass  unser  Museum  bislang  noch  nicht,  doch  sind 
mehrere  aus  Pommern  und  Posen  bekannt: 

a)  Der  Pund  von  Neu-Lobitz,  Kr.  Dramburg  (Kühne,  Balt.  Stud.  33.  S.  314) 
enthielt  3  Brillenspiralen,  4  glatte  Knöpfe  (wie  einer  im  Koppenower  Kasten,  Balt. 
Stud.  33.  Taf.  II),  zwei  eiförmig  zugespitzte  Zierplatten,  die  eine  mit  zwei  kurzen 
Haken  (Balt.  Stud.  33.  Taf.  I.  Fig.  3),  die  andere  mit  umgebogener  längerer  Nadel, 
beide  verziert,  jede  mit  6  von  innen  ausgetriebenen  kleinen  Buckeln,  femer  23  Spiral- 
korallen, 25  gegossene  Zierstücke  (Balt.  Stud.  33.  Taf.  I.  Fig.  6,  unsere  Schaltstücke), 
zwei  defekte  Nadeln,  ein  hohles  Auf  satzstück,  einen  Gusszupfen,  einen  Bronze- 
kuchen, einen  Kupferkuchen,  fast  alles  neu.    Im  Acker  gefunden,  Privatbesitz. 

b)  Ein  dem  unseren  gleiches  flügeiförmiges  Schaltstück  befand  sich  in  einem 
Grabfunde  von  Zuchen  bei  Bärwalde  (Virchow,  Verh.  1875.  S.  28  u.  Taf.  HI. 
Fig.  5).  Dort  kam  es  mit  einer  Spiralplattenfibel,  einem  Bronzemesser  mit  abwärts 
gebogener  Schneide,  einer  Pincette  und  Ringen  zusammen  vor.  Der  Gebrauch  des 
Geräthes  blieb  damals  zweifelhaft. 

c)  Ein  dem  unseren  ebenfalls  gleiches  Schaltstück  lag  in  einer  Urne  zu 
Murowana-Goslin,  Kr.  Obomik  (Schwartz,  Verh.  1876.  S.  237  und  271  und 
Taf.  XXV.  Fig.  7)  neben  einer  Bronzepfeilspitze  und  wurde  als  Schafkende  eines 
Haarpfeils  aufgefasst.  Ein  derartiges  Schaftende  dürfte  indessen  wohl  im  Verhält- 
nisse zur  Kleinheit  der  Spitze  zu  schwer  sein,  und  man  wird  wohl  besser  an- 
nehmen, dass  es,  ebenso  wie  das  von  Zuchen,  einem  ähnlichen  Schmuck  zugehört 
hat,  wie  die  von  Alt-Storckow  und  Neu-Lobitz. 

Was  die  Zeitstellung  dieses  Schmuckes  betrifft,  so  kamen  die  flügel förmigen 
Schaltstücke  in  Zuchen  mit  einer  Spi^lplattenfibel  und  einem  Messer  mit  abwärts 
gebogener  Schneide  vor,  in  Neu-Lobitz  mit  Knöpfen,  welche  dem  einen  Knopfe 
von  Koppenow  gleichen,  wo  sich  ebenfalls  eine  Spiralplatten fibel  fand;  man  wird 
denselben  also  etwa  in  eine  Zeit  setzen  dürfen,  die  der  Periode  III  bei  Montelius 
(Gm  Tidsbestämning  inom  Bronsäldem,  Stockholm  1885)  entspricht.  Periode  I 
ist  in  Pommern  sehr  wenig  vertreten.  Periode  II  und  ÜI  kommt  meist  vereinigt 
vor  imd  bildet  unsere  ältere  Bronzeperiode. 

Bemerkenswerth  ist,  dass  die  pommerschen  Fundstellen,  Alt-Storckow,  Neu- 
Lobitz  und  Zuchen,  nicht  weit  von  einander  liegen.  — 

(15)  Hr.  A.  V.  Heyden  zeigt  im  Namen  des  Hm.  von  Chlingensperg  in 
Reichenhall  nebst  den  Erläuterangen  desselben  folgende 

Ueberlebsel  ans  früheren  Zeiten. 

Ich  bitte  dem  Museum  für  deutsche  Trachten  u.  s.  w.  in  meinem  Namen  eine 
Kleinigkeit  als  Geschenk  zu  übergeben. 

Es  sind  zwei  Endsprossen  von  einem  Hirsche  mit  acht  germanischem 
Muster  (Fig.  1),  welche  ehemals  an  einem  Pferdekummet  angebracht  waren, 
wie  jetzt  selbe  bei  den  Fuhrwerksbesitzem  unserer  Brauer  u.  s.  w.  von  Messing 
angebracht  sind  und  woran  gewöhnlich  ein  Dachsfell  und  Messingkamm  hängen. 
Wenn  die  Stücke  auch  nicht  zu  den  Reichenhaller  Gräbern  gehörern,  so  darf  man 
sie  immerhin  nicht  weit  davon  hinlegen. 

Für  Hrn.  Virchow  als  Vorstand  des  Trachten-Museums  habe  ich  Einiges  über 
Volksmedicin  und  Zauberei,  und  zwar: 


(«») 


Natürliche  Griiue. 


Vt  der  natürlichen  Grösse. 

1)  Ginc  Z&uberrormel  filr  Schatz^räbcrci  von  oincm  Bauern  von  War- 
zoll, von  dem  ich  selbe  zur  Gntziderung  erhielt;  vicikicht  gelingt  ca  in  Berlin 
damit  die  bösen  Geister  zu  bannenl 

2)  Das  Heilbnch  des  berühmten  Theoph.  Puracclsns  nnd  ein  Lehr- 
buch über  Augenheilkunde  von  1686.,  Die  Bücher  stammen  aus  der  Biblio- 
thek eines  Bauern  von  Karlstcin,  welcher  als  Kurpfuscher  einen  ziemlichen  Ruf 
hatte.    Aus  den  Tielen  Excerpten  sieht  man,  dass  der  Mann  llcisaig  stndirtc. 

3)  Das  in  Uessing  gefasstc  AmuleL  enthält  den  sogenannten  Adlerstein 
(Fig.  2),  Über  dessen  Eigcnschallcn  wir  durch  beiliegenden  Papicrretzen  näher 
unterrichtet  werden.  Er  war  im  Besitz  einer  Bauemhcbarame  in  St.  iÜ^no,  welche 
dgn  Gebärenden  bei  starken  Blutungen  Einiges  von  der  Schote  abschabte  und  mit 
Wasser  vermischt  zu  trinken  gab.  Vielleicht  gelingt  es  mir  noch  andere  inter- 
essante Heilmittel  ausser  den  Adlerstein  von  dort  zu  erlangen.  — 

Der  von  Hm.  v.  Chlingenspcrg  erwähnte  „Papiorfetzen",  ein  sehr  unvoll- 
ständiges Fragment,  enthält  Folgendes: 

Besehreibung  der  Tugend  nnd  Kraft  des  Adler-Steins,  welcher  von  Albertus  Magnus, 
auch  Ludwig  Süss  aus  ihren  Büchern,  und  sonst  vielen  Gelehrten  und  Errahnten, 
als  Hypocrales,  Galenus  und  Plinins  probieret,   und  an  vielen  Menschen  bewähret 

worden.     Er  wird  gefunden  an  des  Meeres  Gestalt,  wie  auch  in  Pcrsien. 

Der  Stein  Aechites,  oder  Aquilea  genannt,  ist  Kastanicnrnrb  oder  gelb,  und  wird 
genannt  Adlerstein,  darum,  dass  ihn  die  Adler  wider  die  vergiften  Thiere  und  andere 
Gefährlichkeiten  ihrer  Jungen  (weilen  sie  die  Natur  dieses  Steins  wohl  wissen)  in 
ihre  Nester  tragen  und  gebrauchen:  Inwendig  ist  er  hohl,  und  hat  einen  kleinen 
Stein  oder  Kern  in  sich,  welcher,  so  man  ihn  schüttelt,  einen  Klang  von  sich  giebl '). 

I)  Der  SUJD  emeiat  sich  als  Ha  Thoufiscnttfin,  Sphfterosiderit    V. 


(409) 

Es   seynd   diese  Steine  iFon  mancherley  Gestalt,    etwelche  rund,    etliche  langlicht, 
einige  gross,  andere  klein,  nachdem  sie  die  Natur  her 

6.  Dieses  Pulver,  zwey  Quentlein  in  wannen  Wasser  eingenommen,  und  darauf 
geschwitzet,  ist  gut  für  das  Seiten-Stechen,  Pluritis  genannt,  des  Abends,  so  man 
schlafen  gehet,  also  gebraucht,  treibet  gewaltig  das  Gries  in  den  Tjcnden. 

7.  Den  Adler-Stein  und  ein  wenig  Magnet-Stein  zwischen  den  Schultern  ge- 
tragen, ziehet  die  Fltlss  aus  den  Augen  und  Haupt,  machen  auch  denen  Frauen, 
die  ihre  Rinder  abgenommen,  die  Milch  sterben. 

8.  Diesen  Stein,  gebunden  an  den  Gipfel  eines  Baumes,  behaltet  er  die  Frucht 
desselben;  hingegen  so  er  unten  an  den  Stammen  geknüpft  wird,  machet  er  die 
Früchten  abfallen. 

9.  Das  Erdreich  oder  Kern  darinnen  in  Wein  gesotten,  und  warm  getrunken, 
hilft  denen  Frauen  gewaltig  für  die  Mutter,  denen  Mannspersonen  für  das  Grimmen, 
vertreibt  die  rothe  Ruhr  und  Gelbsucht,  auch  alle  Banchflüss. 

10.  Ist  er  auch  gut  für  den  Schlag,  so  er  dem  Kranken  auf  das  Herz  gebunden 
wird,  kommt  er  wieder  zu  seiner  natürlichen  Red.  Er  ist  auch  gut  und  hat  schon 
vielen  geholfen  für  das  Fieber. 

(16)  Hr.  Rud.  Virchow  erwähnt  bei  dieser  Gelegenheit  mit  grossem  Danke, 
dass  Magistrat  und  Stadtverordnete  dem  Trachtenmuseum  einen  einmaligen  Zuschuss 
von  2000  Mark  bewilligt  haben,  —  eine  sehr  willkommene  Gabe,  da  die  Mittel 
des  Museums  höchst  beschränkte  sind. 

(17)  Der  Alterthumsverein  zu  Mannheim  übersendet  eine  Abbildung  von 
dem  Mahl,  welches  nach  der  Schlacht  bei  Seckenheim  stattgefunden  haben  soll,  in 
neuerem  Nachdruck.  Dieselbe  ist  ausgegeben  bei  der  Wiederaufrichtung  des 
Gedenksteins  an  den  Sieg,  den  Kurfürst  Friedrich  I.  der  Siegreiche  von  der  Pfalz 
am  30.  Juni  1462  davongetragen  hat. 

(18)  In  der  März-Sitzung  der  Rgl.  Nordischen  Alterthumsforscher-Gescllschaft 
zu  Kopenhagen  sprach  Hr.  Mejborg  über  die 

AehDlichkeit  der  schleswigschen  Bauernhöfe  mit  den  Gebäuden  der  mitt- 
leren and  älteren  Zeit. 

Der  Redner  wies  auf  einzelne  schleswigsche  Bauernhöfe  und  auf  die  an  den- 
selben angebrachten  Zierrathen  hin.  Auf  die  Giebelverzierungen  habe  man  be- 
sonderes Gewicht  gelegt  und  erwähnte  Redner  noch  besonders  die  sogenannten 
Brande.  Das  Wort  Hausbrand  komme  noch  auf  Bomholm  vor  tmd  sei  in  Jüt- 
land  noch  in  dem  Pleonasmus  Brandstange  vorhanden.  In  Bayern  habe  Redner 
das  Wort  gehört  und  in  der  Topstange  der  Schiffe  finde  man  es  ebenfalls  noch 
wieder.  Viele  Decorationen  hätten  die  alten  Gebäude  wohl  kaum  gehabt,  denn 
sonst  würden  wir  wohl  noch  Spuren  davon  gefunden  haben;  dagegen  stehe  aber 
der  Grundplan  der  Häuser  uns  desto  klarer  vor  Augen.  Der  Redner  zeigte  als- 
dann die  2jeichnung  eines  alten  südschleswigschen  (Gebäudes  vor,  das  an  die  römi- 
sche Basilika  erinnerte;  das  Haus  befindet  sich  in  Klein-Dannevirke.  Alsdann 
zeigte  er  eine  Nachbildung  eines  anderen  basilikaartigen  Gebäudes  aus  Dithmarschen 
und  2ieichnungen  von  merkwürdigen  südschleswigschen  Höfen  vor.  Das  inter- 
essanteste sei  jedoch  das  alte  dänische  Haus,  wie  man  es  aus  der  Voigtei  Loe  in 
Schleswig  kenne,  mit  Vorderdiele,  Pissel  und  Klöwe.  Der  Redner  zeigte  ferner 
interessante  üeberreste   von   dänischen  Thüren  vor,   an  denen  man  früher  Zapfen 


(410) 

statt  Hängsei  anbrachte.  Schliesslich  auch  noch  eine  Zeichnung  eines  Rundhauses 
von  Alsen,  einer  der  ältesten  bekannten  Hausformen,  die  noch  jetzt  in  einem  grossen 
Theile  von  Asien  angewandt  wird.  Das  erwähnte  Haus  sei  sehr  leicht  ausgeführt. 
Es  fehle  aber  nicht  an  runden  Häusern,  die  wie  die  Tempel  für  längere  Dauer 
bestimmt  seien.  In  den  christlichen  runden  Kirchen  \ind  in  den  Kuppeln  hätten 
wir  noch  Ueberreste  von  dem  alten  ursprünglichen  Hause. 

(19)  Der  Lehrer  Laurencak  in  Meggenhofen  bittet  um  Beiträge  zur  Grün- 
dung einer  Volksbibliothek  in  Wels  (Oesterreich). 

(20)  Hr.  Rud.  Virchow  macht  Mittheilung  eines  an  ihn  eingegangenen  Schrei- 
bens des  correspondirenden  Mitgliedes,  Hrn.  Paolo  Orsi,  Direktors  des  R.  Museo 
Archcologico  Nazionale  in  Syracus  vom  17.  März,  betreffend 

archaische  Gräher  von  Syracus  and  ein  eigenthümliches  Geräth  von 

trojanischem  Muster. 

„Da  parecchio  tempo  era  mia  intenzione  di  scriverle,  e  precisamente  daccbe 
avenne  la  disgraziata  perdita  del  nostro  compianto  Schliemann;  eccole  fuor'  altro 
le  ragioni  di  codesta  mia  lettera. 

„Lc  sara  gradito  sapere  che  nell'  estate  del  1890  io  ho  fatto  degli  importanti 
scavi  e  scoperte  nelle  necropoli  preclleniche,  e  precisamente  sicule  di  Melilli, 
Castelluccio  e  Plemmirio,  tutte  nel  territorio  della  provincia  di  Siracusa.  Tali 
scoperte  saranno  quanto  prima  da  me  illustrate  nel  Bullettino  di  Paletnologia 
Italiana.  Posso  perö  fin  d'ora  assicurarla,  ed  Ella  se  ne  convincera  presto,  che  esse 
sono  della  piü  alta  importanza,  perocche  illustrano  una  pagina  affatto  nuova  dcUa 
antica  etnografia  italica  e  Siciliana.  Sulla  Sicilia  noi  si  possedeva  fin  qui  la  mono- 
grafta  del  von  Andrian  (Praehist.  Studien  aus  Sicilien),  buona  sotto  taiuni  rispetti, 
non  sotto  altri,  perocche  in  essa  fossero  mescolati  materiali  di  due  diverse  etu,  e 
tutti  attribuiti  a  quella  della  pietra.  I  miei  scavi  furono  eseguiti  dentro  necropoli 
il  cui  tipo  di  tomba,  scavato  nella  roccia,  da  noi  si  chiama  a  forno,  da  loro 
Tedeschi  „Fenstergrab".  Tali  sepolcri  esistono  a  migliaga  nei  monti  siracusani, 
ma  sono  tutti  devastati.  Io  potei  trovarne,  depo  molte  ricerche,  alcuni  di  sanL 
Curioso  e  il  loro  contenuto:  Sempre  numerosi  scheletri,  &no  a  28  dentro  una 
sola  cella  che  ha  appena  2  m  di  diametro ;  accompagnati  da  numerosi  e  magnifici 
coltelli  di  selce  (Fig.  1 — 3),  non  pero  da  altre  armi  e  stromenti  di  tale  materia. 
In  tutte  le  necropoli  trovai  pero  traccie  di  bronzo  (Fig.  4),  in  un  sepolcro  pezzino  di 
ferro.  In  altre  necropoli,  quella  del  Plemmirio,  una  spada  e  daghe  del  tipo  di 
Micene;  e  poi  ambre,  disgraziatamente  in  piccola  quantita,  accette  di  basalte,  altre 
minuscole  di  pietre  dure  (giadeite,  nefrite),  e,  strano  a  dirsi,  vasi  dipinti  in  uno 
Stile  geometrico  primitive. 

„Tra  gli  altri  oggetti  poi  delle  curiosissime  ossa  lavorate  decorate  nella  loro 
snperficie  di  globoli  simili  a  Scarabei  (Fig.  5 — 7);  essi  parvero  a  me  e  ad  altri  delle 
assolute  unita,  e  Tunico  riscontro  che  potrei  trovare  si  e  in  un  pezzo  rinvennto  dal 
compianto  Schliemann  a  Ilios,  e  da  lui  figurato  nella  sna  edizione  francese  (Ilios, 
trad.  Egger).  Con  gli  strati  di  Bios  e  di  Micene  credo  di  aver  trovato  parecchi  altri 
punti  di  contatto,  specialmente  nelle  ceramiche  e  nei  piccoli  omamenti;  Torrei 
ora  essere  meglio  informato  sulla  natura  di  codesto  curioso  oggetto  e  precisamente 
se  esso  sia  di  osso  o  d^avorio,  se  sia  o  no  decorato,  ed  in  caso  positivo  come. 

„Essende  morto  il  Sig.  Schliemann,  e  consigliato  anche  dal  prof.  von  Dnhn 
di  Heidelbeii^,  mi  rivolgo  a  Lei  per  tali  informazioni,  snpponendo  che  tale  oggetto 


(411) 


si  trovi  attaatmente  al  Unseo  Etnografico  di  Berlino.  Di  ua  suo  cenno  Le  saio 
molto  obbligato. 

„Nel  mese  rentaro  iDvierö  a  codesta  Societä,  cni  ho  l'onore  di  appartmere,  dno 
cranii  greci,  prorenienti  dalla  necropoU  grecti  di  Megara  Bybiaea  (VII  e  VI  secolo 
a.  C.)  nella  qaale  da  piü  mesi  sto  lavorando;  spero  saranno  graditi. 

NB.  „Siccome  il  do  del  disegao  dcII'  Ilios  di  Scbliemann  mi  e  andato  smarrito, 
ne,  qui  in  Siracosa  tengo  quell'  opera,  Lc  invio  nna  folografia  dalla  qaale  potrk  farai 
UD  concetto  piü  chiaro  dei  cnriosi  oggetti.  Sono  della  stessa  prorenienza  di  qacsti 
il  coltello  in  bronzo  e  quelli  di  aplce,  che  vedoiui  nella  stessa  fotografia."  — 

Hr.  B.  Virchow:  Die  Hittheilung  des  Hm.  Orsi  ist  von  hervorragender  Wichtig- 
keit   Zum  ersten  Male   erscheinen   hier,   an!  einem  so  alten,   aber  anch  so  ent- 


(412) 

fernten  Gulturboden,  wie  der  Siciiien's,  Fandsiücke,  weiche  nicht  bloss  an  Mykenae, 
sondern  direkt  an  Troja  anknüpfen.  Meine  Aufmerksamkeit  auf  diese  uralten  Fand- 
statten,  namentlich  auch  auf  die  Felsgräber  bei  Syracns,  wurde  schon  bei  Gelegen- 
heit einer  Reise  im  Frühjahr  1883  erregt;  ich  habe  in  der  Sitzung  unserer  Gesell- 
schaft vom  19.  Mai  1883  (Verb.  S.  280)  ausführlich  darüber  berichtet,  auch  darauf 
aufmerksam  gemacht,  dass  diese  Periode  mit  den  ersten  phönikischen  Nieder- 
lassungen auf  der  Insel  zusammentreffen  dürfte.  Die  Beobachtungen  des  Herrn 
Urs i -gestatten,  diese  Betrachtung  in  verstärktem  Maasse  wieder  aufzunehmen. 

Von  ganz  besonderer  Bedeutung  sind  die  mit  flachen  Knöpfen  besetzten 
Knochengeräthe  (Fig.  5 — 7),  welche  in  unverkennbarer  Weise  mit  trojanischen 
Funden  übereinstimmen.  Schliemann  hat  sowohl  in  der  deutschen,  als  in  der 
englischen  Ausgabe  seines  Ilios  nur  ein  solches  Stück  beschrieben  und  abgebildet 
Es  ist  in  beiden  Ausgaben  als  Nr.  983  bezeichnet  (S.  573  der  deutschen,  p.  514 
der  englischen  Ausgabe).  Er  sagt  darüber,  es  sei  „ein  sehr  merkwürdiger  Gegen- 
stand aus  einer  vollkommen  weissen  Masse  mit  Spuren  blauer  Farbe  an  der  Anssen- 
seite.  Er  hat  9  halbkugelförmige  Vorsprünge,  ein  Linearornament  und  an  einem  Ende 
ein  Loch,  am  anderen  zwei  Löcher,  mittelst  deren  man  ihn  an  einen  anderen  G^egen- 
stand  heftete.  Ich  glaube",  sagt  er,  ^daher,  dass  dieser  Gegenstand  als  Zierrath  an 
einer  hölzernen  Büchse  diente.  Im  Bruch  sieht  er  ganz  wie  Gyps  aus,  auch  ist  er 
viel  weicher  und  leichter  als  ägyptisches  Porzellan.  Da  ich  nie  etwas  gefunden  habe, 
was  dieser  Masse  ähnlich  war,  und  auch  wegen  ihrer  blauen  Farbe,  die  sonst  in 
Hissarlik  nirgends  vorkommt,  glaube  ich,  dass  dieser  Gegenstand  aus  dem  Aus- 
lande eingeführt  war".  Leider  ist  dieses  merkwürdige  Stück,  das  in  einer  Tiefe 
von  26 — 33  Fuss  aufgefunden  wurde,  in  der  Schliemann-Sammlung  unseres  Museums 
nicht  vorhanden;  es  dürfiie  sich  noch  in  Athen  befinden.  Wäre  es  richtig,  dass 
die  Knöpfe  der  sicilianischen  Stücke  Skarabäen  gleichen,  wie  &.  Orsi  annimmt, 
so  wäre  die  Frage  eines  ägyptischen  Ursprungs,  die  Schliemann  offenbar  in  Be- 
tracht gezogen  hatte,  gewiss  sehr  berechtigt.  Wenn  man  indess  die  ganz  glatte 
und  runde  Beschaffenheit  der  platten  Knöpfe  in  der  Abbildung  in  Ilios  in  Betracht 
zieht,  so  erscheint  der  Vergleich  mit  Skarabäen  kaum  zulässig;  nur  in  den  Abbil- 
dungen des  Hm.  Orsi  (Fig.  5  und  7)  erscheinen  auf  der  Fläche  der  Knöpfe  ge- 
wisse Zeichnungen,  die  wohl  an  Käfer  erinnern  könnten.  Leider  sind  die  Zeich- 
nungen nicht  scharf  genug,  um  darüber  urtheilen  zu  können.  Zu  bemerken  ist 
dabei,  dass  die  Basis  des  einen  sicilianischen  Geräths  (Fig.  7)  ein  Rauten- 
ornament trägt,  das  an  Schuppen  erinnert,  während  die  trojanischen  ganz  glatt  sind, 
nur  dass  die  Basis  der  Knöpfe  von  concentrischen  eingeschnittenen  Linien  um- 
geben ist. 

Das  Berliner  Museum  besitzt  jedoch  ein  zweites,  ähnliches  Stück.  Dieses  ist 
nur  in  der  französischen  Ausgabe  erwähnt  und  dort  in  einer  Seitenansicht  abgebildet 
(Ilios,  Ville  et  pays  des  iVoyens,  traduit  de  TAnglais  par  Mme.  Egger.  Paris  1885. 
p.  532.  Fig.  564).  Schliemann  sagt  darüber,  es  sei  aus  Elfenbein;  es  habe 
5  halbkuglige  Vorsprünge,  wie  Kuchen  (pains),  jeder  auf  2  kreisförmige  Ringe  ge- 
stellt; die  Grundfläche  gleiche  einem  Boot.  Hier  knüpft  er  unmittelbar  an  die 
Phönicier  an. 

Bei  der  grossen  Wichtigkeit  dieses  Stückes  gebe  ich  nachstehend  eine  ge- 
nauere Beschreibung.  Hr.  Conservator  Ed.  Krause  hat  die  grosse  Gefälligkeit 
gehabt,  einige  Zeichnungen  anzufertigen,  welche  hier  in  Autotypie  (Fig.  8 — 9)  an- 
gefügt werden.  Das  Stück  ist  7,5  an  lang,  1,5  cm  breit,  und  besteht  aus  einer 
glänzend  braunen,  durch  Längsrisse  zerklüfteten  Substanz,  die  ich  nicht  für 
Elfenbein,    sondern    für  Knochen    halten   möchte.    Auf  der  flach  gewölbten  Ober- 


(413) 

aeite  sitzen  in  einer  Beihe  5  plattrundliche,  etwa  Figur  8.  Kgnr  9 

Kirsch engroBse,  an  der  Basis  etwns  eingcschnllrte 
Knöpfe,  deren  Oberllüche  ganz  glatt  und  einfach 
ist  Um  ihre  Basis  rerlauTen  auch  hier  ein  Paar 
ringfürniige,  durch  tiefe  Einschnitte  getrennte 
Wulste.  Die  Oberseite  ist  sonst  ganz  glatt,  ohne 
jede  Verzierung.  Die  Unterseite  ist  glatt  und 
leicht  concav  (Fig.  10,  Dnrehschnitt) ;  gegen  die 
abgerundeten  ßndcn  erhebt  sie  sich  etwas;  da- 
durch entsteht  die  von  Schlieraann  erwähnte 
Aehnlicbbeit  mit  einem  Boot.  Das  eine  Ende 
ist  etwas  verletzt,  das  andere  zeigt  eine  rund- 
liche Grobe,  gleich  als  ob  man  auch  hier  ver- 
sucht habe,  ein  Loch  zu  bohren. 

Ueber  die  Verwendung  dieser  sonderbaren 
Gerüthc  lassen  sich  maiichoriei  Vormuthungen 
aufstellen.  Dass  sie  uls  Beschliige  für  Büchsen 
oder  Kisten  gedient  haben,  wie  Schlieroiinn 
meint,  ist  möglich;  da  aber  diese  Annahme  vor- 
zugsweise durch  die  Löcher  des  ersten  Stückes 
horrorgerufen  war,  and  diese  sowohl  nn  dem 
/.weiten  Stttck,  als  an  den  sicilianischen  fehlen, 
«0  vermindert  sich  diese  Möglichkeit  nicht 
wenig.  Die  Gestalt  and  Grösse  würde  sonst  um 
ehesten  zu  der  Annahme  führen,  dass  die  StUcke 
uls  Beläge  von  Griffen  an  Messern  oder  Dolchen 
gedient  haben-  Bemerkens werth  ist  die  Ge- 
nauigkeit der  Arbeit,  die  keineswegs  den  Ein- 
druck macht,  als  seien  die  Stücke  ganz  aus 
freier  Hand  gefertigt  worden.  Das  Muster  ist 
so  eigenthUmlich  und  das  Ganze  so  abweichend  Nftlfirliclic  Grössp. 

von    den   gewöhnlichen    Vorkommnissen ,    dass 

eine  gemeinsame  Quelle  und  ein  ganz  bestimmter  Gebrauch  vorausgesetzt  werden 
müssen.  Da  auch  das  zweite  Stück  in  einer  Tiefe  von  ^,50  m  gefunden  ist,  so 
gehört  es  jedenfalls  den  älteren  Schichten  von  HissarÜk  nn.  — 

Die  von  Herrn  Orsi  angekündigte  Sendung  von  Schädeln  von  Megarn 
Ilyblaca  ist  gleichfalls  eingetroffen,  aber  leider  in  einem  so  xei-trümmerten  Zu- 
stande, dass  eine  branchbare  Restauration  unmöglich  war.  Die  sehr  brüchigen 
Knochen  sind  auf  dem  Transport  in  eine  grosse  Menge  von  kleinen  Bruchstücken 
auseinandergegangen;  nur  Theile  des  Stirnbeins  mit  dem  Ansätze  der  Nasenwurzel 
sind  erhalten.    Von  Unterkiefern  ist  keine  Spur  vorhanden. 

Von  dem  Schädel  Nr.  I  hat  sich  derjenige  Theil  des  Daches,  welcher  den 
Vorder-  und  Mittelkopf  amfasst,  noch  einige rmaassen  zusammensetzen  lassen;  das 
Hinterhaupt  fehlt  fast  ganz,  ebenso  die  Basis  und  das  Gesicht  Nicht  einmal  der 
Breitend  nrchme  SS  er  lüsst  sich  mit  Sicherheit  bestimmen.  Die  ßrUchigkeit  der 
Knochen  und  selbst  der  Zähne  ist  so  gross  gewesen,  dass  weder  Geschlecht,  noch 
Alter  genau  erkennbar  sind.  Nichtsdestoweniger  möchte  ich  sagen,  dass  der  Ge- 
sammteindruck  auf  eine  weibliche  Person  von  mittlerem  Lebensalter  hindeutet. 
Die  Knochen  des  Schüdeldacbcs  sind  leicht  und  dünn,  die  äussere  und  innere 
Tafel   schwach.    Die  Stirn   ist  schmal  (Minimaldurchmesser  nur  8ti  mm),   niedrig. 


(414) 

etwas  schräg  gestellt,  die  Orbitalwülste  schwach,  der  Nasenfortsatz  trotz  grosser 
Stirnhöhlen  flach,  die  Glabella  leicht  vertieft.  Die  Parietalia  sind  kurz,  stark  ge- 
bogen, und  der  Mittelkopf  anscheinend  breit.  Da  sich  hinten  ein  ziemlich  steiler 
Abfall  bemerkbar  macht,  so  lässt  sich  auf  einen  mesocephalen,  wenn  nicht  brachy- 
cephalen  Index  schliessen.  Die  Nase  erscheint  am  Ansatz  kräftig,  jedoch  nicht 
breit,  die  Wurzel  ist  wenig  vertieft;  das  kurze  Stück,  welches  vom  Bücken  er- 
halten ist,  zeigt  eine  leichte  Einbiegung  und  eine  schnell  ansteigende  Wandung. 
Der  Oberkiefer  ist  zart,  ausgemacht  orthognath;  der  Alveolarfortsatz  sehr  kurz, 
16  mm. 

In  einem  zweiten  Packet  waren  Stücke  von  verschiedenartiger  Beschaffenheit 
vereinigt,  die  zu  zwei  verschiedenen  Schädeln  gehi)rt  haben  müssen. 

Nr.  2  war  wohl  auch  weiblich;  das  Aussehen  ist  noch  glatter  und  zarter,  als 
bei  Nr.  1.  Von  dem  Dach  hält  nur  ein  Theil  der  Stirn  zusammen:  sie  ist  niedrig 
und  gerade,  die  Stirnhöhlen  gross,  aber  nicht  vorgewölbt.  Der  Ansatz  der  Nase 
schmal,  der  Rücken  eingebogen.  Die  Orbitae  haben  einen  schön  geschweiften 
Obcrrand,  scheinen  aber  klein  gewesen  zu  sein.  Der  Oberkiefer  deutlich  ortho- 
gnath, der  Alveolarfortsatz  kurz,  gleichfalls  16  mm.  Die  2iähne  stark  abgenutzt 
Der  Gaumen  kurz  und  breit. 

Nr.  3  ist  gänzlich  zertrümmert  und  verwittert.  Die  vorhandenen  Bruchstücke 
sind  dick,  an  der  Oberfläche  rauh  und  uneben.  Irgend  eine  genauere  Angabe  ist 
unmöglich.  — 

Es  ist  ungemein  zu  bedauern,  dass  gerade  diese  altgriechischen  Schädel,  welche 
einer  so  frühen  Zeit  der  sicilianischen  Oolonisation  angehören,  den  Unfällen  der 
langen  Reise  erlegen  sind.  Manches  spricht  dafür,  dass  sie  eine  nicht  geringe  Aehn- 
lichkeit  mit  dem  Schädel  aus  einem  griechischen  Sarkophag  von  Akragas  (Giigenti) 
besessen  haben,  den  Hr.  Künne  im  vorigen  Jahre  mitgebracht  hat  und  den  ich 
in  der  Sitzung  vom  19.  Juli  1890  (Verhandl.  S.  415)  beschrieben  habe.  Hoffentlich 
wird  die  Nekropole  von  Megara  noch  andere  Schädel  liefern,  und  wir  werden  Hm. 
Orsi  sehr  verpflichtet  sein,  wenn  er  uns  einen  Ersatz  für  den  schmerzlichen  Ver- 
lust bieten  könnte.  — 

(21)  Hr.  C.  F.  Lehmann  hält  einen  Vortrag  über 

die  Principien  der  metrologischen  Forschiing  and  das  ptolemäische  Systen. 

Derselbe  —  eine  ausführliche  Erwiderung  auf  Herrn  Dörpfeld's  Aufsatz: 
„Ueber  die  Ableitung  der  griechisch-römischen  Maasse  von  der  babylonischen 
Elle"  (Zeitschr.  f.  Ethnol.  XXII.  1890.  S.  99—102)  -  wird  später  erscheinen, 

(22)  Hr.  Grempler,  der  im  vorigen  Jahre  in  Moskau  die  Gesellschaft  als 
Delegirter  vertreten  hat,  erstattet,  unter  theilweiser  Benutzung  des  Referats  von 
Herrn  Franz  Heger  (Mitth.  der  anthrop.  Gesellsch.  in  Wien.  Bd.  XX.  Neue  Folge 
Bd.  X),  Bericht  über  die 

Verhandlongen  des  Vlil.  rassischen  Archäologen-Congresses  in  Moskau  1890. 

Am  7.  Februar  1864  htftte  der  verstorbene  Graf  üwarow  sich  mit  einer 
grösseren  Zahl  Gleichgesinnter  zasammengethan  imd  die  kaiserliche  archäologische 
Gesellschart  in  Moskau  gegründet.  Im  Laufe  der  Jahre  ist  dieselbe  aus  beschei- 
denen Anfangen  zu  einer  der  bedeutendsten  wissenschaftlichen  Gesellschaften 
Russlands  aufgewachsen.  Ihre  Schriften  stehen  in  hohem  Ansehen  und  enthalten 
>ein  reiches  Material  zur  Kenntniss  der  Archäologie  des  rassischen  Reiches. 


(415) 

Die  Gesellschaft  hatte  ein  weites  Programm  für  ihre  Bestrebungen  aufgestellt, 
entsprechend  dem  Material  des  weiten  Reiches.  Die  ui*ge8chichtlichen,  die  classi- 
sehen  und  byzantinischen  Alterthümer  reizten  zum  Sammeln;  die  Baudenkmäler 
der  russischen  Architektur,  der  religiösen,  der  profanen  wie  der  militärischen, 
wurden  ebenfalls  in  das  Bereich  des  Stadiums  der  Gesellschaft  gezogen. 

Um  die  Funde  zu  bergen  und  für  die  Gesellschaft  ein  Versammlungslocal  zu 
gründen,  wurde  der  Bau  des  historischen  Museums  unternommen,  welches  jetzt 
als  Prachtbau  in  der  Nähe  des  Kreml  steht  und  in  seinen  Räumen  auch  den 
Oongress  aufnahm.  Wenn  wir  die  reichhaltige  Sammlung  der  dort  aufgestellten 
Funde,  besonders  aus  dem  Raukasus,  betrachten,  welche  in  der  kurzen, Zeit 
von  25  Jahren  zu  Stande  gekommen  ist,  so  ist  dies  auch  dem  Interesse  zu  ver- 
danken, welches  der  Zar  den  Bestrebungen  der  Gesellschaft  entgegenbringt,  der 
für  die  Forschungen  im  Raukasus  allein  25  000  Rubel  gespendet  hat.  Auch  wett- 
eifern die  Geburts-  und  die  Geldaristokratie  Russlands  darin,  die  Forschungen  auf 
dem  Gebiete  der  Archäologie  reichlich  zu  unterstützen. 

Im  Januar  vergangenen  Jahres  feierte  die  Gesellschaft  ihr  25  jähriges  Jubiläum 
und  hatte  an  alle  verwandten  Gesellschafien  Europas  Einladungen  ergehen  lassen 
zur  Betheiligung  an  dieser  Festfeier,  an  welche  sich  ein  Oongress  russischer 
Archäologen  und  eine  grosse  Ausstellung  schloss. 

Die  Berliner  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte  hatte 
mich,  wie  der  Verein  für  das  Museum  schlesischer  Alterthümer  zu  Breslau,  mit 
dem  Mandat  eines  Delegirten  beehrt. 

Am  8./20.  Abends  fand  im  historischen  Museum  das  Stiftungsfest  der  kaiserlichen 
archäologischen  Gesellschaft  statt.  Grossfürst  Sergei  Alexandrowitsch,  welcher  das 
Protoctorat  übernommen  hatte,  wie  seine  hohe  Gemahlin  Elisabetha  Feodorowna 
verliehen  sammt  der  ganzen  ofßciellen  Welt  Moskaus,  der  Versammlung  einen  be- 
sonderen Glanz.  Die  zahlreich  erschienenen  Delegirten  der  Universitäten,  der 
wissenschaftlichen  Academien,  Gesellschaften  und  Vereine  Russlands,  die  Delegirten 
Frankreichs,  der  deutsche  und  der  österreichische  Delegirte  hielten  ihre  Begrüssungs-, 
bezw.  Glückwunschreden  unter  Ueberreichung  von  Adressen. 

Frankreich  hatte  drei  Delegirte  entsandt:  um.  Emil  Cartailhac  vom  franzö- 
sischen Unterrichtsministerium,  Baron  de  Baye  von  der  Societe  des  Antiquaires 
de  la  France  und  Graf  Louis  de  Fleury  von  der  archäologisch-historischen  Ge- 
sellschaft der  Charente.  Aus  Deutschland  war  ich  der  einzige,  aus  Oesterreich- 
Ungarn  war  Gustos  Franz  Heger  als  Delegirter  der  Wiener  anhropologischen 
Gesellschaft  anwesend. 

Am  nächsten  Tage  fand  die  feierliche  Eröffnung  des  VIIl.  russischen  archäo- 
logischen Congresses  durch  den  Grossfürsten  Sergei  statt.  Nach  dem  1885  er- 
folgten Tode  ihres  Gemahls,  des  Grafen  Uwarow,  war  seiner  Gemahlin  Praskownja 
Sergejewna  Gräfin  Uwarow  die  Präsidentschaft  der  Moskauer  archäologischen 
Gesellschaft  übertragen  worden.  Unter  ihrem  Vorsitz  tagte  der  Oongress.  An 
ihren  Bericht  über  die  Vorarbeiten  und  die  Arbeiten  der  Geseilschaft  schloss  sich 
eine  historische  Skizze  der  bisherigen  Archäologenversammlungen.  Zum  Schluss 
entledigte  sich  Geheimrath  Bogdanow  des  Auftrages  seitens  der  anthropologischen 
Gesellschaft  in  Paris,  als  Ort  für  den  nächsten  internationalen  Archäologencongress 
Moskau  in  Vorschlag  zu  bringen;  derselbe  wurde  angenommen. 

Am  10./22.  Januar  begannen  die  Sitzungen  der  einzelnen  Scctionen,  deren  sich 
folgende  9  constituirt  hatten: 

1)  Vorgeschichtliche  Alterthümer. 

2)  Historisch-geographische  und  ethnographische  Alterthümer. 


(416) 

3)  Denkmäler  der  schönen  Künste. 

4)  Sitten  and  Gebräuehe  in  Rassland. 

5)  Religiöse  Denkmäler. 

6)  Rassisch-slavische  Sprach-  and  Schriftdenkmäler. 

7)  Classische,  slavisch-byzantinische  and  westliche  Alterthümer. 

8)  Orientalische  und  heidnische  Alterthümer. 

9)  Archäographische  Denkmäler. 

Das  Präsidium  hatt  73  Fragen  aufstellen  lassen  und  für  jede  war  ein  Referent 
bestellt  worden.  Ausserdem  waren  noch  weitere  50  Fragen  bezeichnet,  über  welche 
es  wünschenswerth  sei  zu  discutiren. 

Die  Verhandlungssprache  war  die  russische.  Aus  Courtoisie  wurde  mit  Rück- 
sicht auf  uns  Ausländer  eine  Sitzung  in  französischer  und  eine  in  deutscher  Vor- 
tragssprache veranstaltet. 

Am  24.  Januar  (5.  Februar)  fand  die  Schlusssitznng  des  Congresses  statt,  in 
welcher  der  Vorsitzende  des  wissenschaftlichen  Comite's,  Prof.  D.  M.  Anutschin, 
die  Thätigkeit  des  Congresses  resumirte.  In  den  16  Tagen  hatten  3  allgemeine 
Versammlungen  und  31  Sectionssitzungen  stattgefunden  und  waren  136  Vorträge 
gehalten  worden. 

Dass  die  grosse  Fülle  von  Aufgaben,  welche  das  Programm  gestellt  hatte,  in 
so  kurzer  Zeit  bewältigt  werden  konnte,  verdankt  die  Versammlung  nicht  zum 
geringsten  Theile  der  sachkundigen  Geschäftsleitung  ihrer  hochverdienten  Präsi- 
dentin, Gräfin  Uwarow,  welche  sich  ihrer  Aufgabe  in  einer  Weise  entledigte,  die 
allen  Anwesenden  sichtlich  imponirte.  Ausser  dem  Dank  für  das  Zustandekommen 
und  die  treffliche  Leitung  des  Congresses  wurde  der  hohen  Dame,  welche  die 
Berliner  anthropologische  Gesellschaft  zu  ihren  Ehrenmitgliedern  zählt,  eine  silberne 
Gedenktafel  überreicht,  auf  welcher  die  Namen  der  Congressmitglieder  eingravirt 
waren. 

Im  Zusammenhang  mit  dem  Congress  fand  eine  grossartig  angelegte  archäo- 
logische Ausstellung  statt,  die  in  1 1  Räumen  des  historischen  Museums  etablirt  war. 

Abtheilung  I  enthielt  eine  Sammlung  werthvollcr,  alter  russischer  Spitzen  aus 
dem  Besitz  der  Frau  von  Schabelski. 

Abtheilung  II:  Vorgeschichtliche  Alterthümer  aus  dem  Museum  von  Twer, 
russische  Alterthtimcr  von  Choinavskij  u.  a. 

Abtheilung  III — VI:  Kirchliche  Alterthümer,  namentlich  von  N.  M.  Postnikow. 

Abtheilung  VII:    Seltenere  Alterthümer  aus  verschiedenen  Zeiten. 

Abtheilung  VIII:  Alterthümer  aus  den  Privatsammlungen  von  E.  N.  Skar- 
if^inskij  (aus  dem  Gouvernement  Poltawa  herrührend),  der  Gräfin  Uwarow,  femer 
aus  dem  Museum  von  Rjasan  (werthvolle  Funde  aus  der  Zeit  der  Völkerwande- 
rung), aus  Sibirien  u.  s.  w. 

Abtheilung  IX:  Eine  Collection  von  Aiterthümem  des  historischen  Museums, 
des  Museums  von  Minsk,  und  Funde  aus  den  verschiedensten  Theilen  des  Reiches. 

Abtheilung  X:  Kaukasische  Alterthümer  aus  der  Sammlung  der  Gräfin 
Uwarow  (493  Nummern),  zahlreiche  permische  Alterthümer  von  Tepluchow, 
Semenow,  die  prachtvolle  Sammlung  der  archäologischen  Gesellschaft  von  Moskau, 
Funde  von  Sizows  Ausgrabungen  im  Kaukasus,  Alterthümer  aus  dem  Gouverne- 
ment Wjatka. 

Abtheilung  XI:  Privatsammlungen  von  Antonowitsch  aus  Kiew  und  Sa- 
mokwassow  aus  Warschau. 

Ich    gebe    in  Folgendem    kurz    den  Inhalt  derjenigen  Vorträge  an,    welche  in 


(417) 

irgend  einer  Beziehung  stehen  zur  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte  des 
Westens.  — 

Prof.  D.  J.  Bagalf  j  referirte  über  die  Alterthümer  im  Gouvernement 
Charkow.  Auch  in  diesem  Gouvernement  sind  die  überall  bekannten  Perioden  ver- 
treten. Im  Szjumer  Bezirke  stiess  man  auf  Hämmer  und  Pfeilspitzen  aus  Stein.  Von 
Ausgrabungen  sind  jene  von  J.  A.  Zarjetzki  im  District  Bogoduchow  die  bemerkens- 
werthesten.  Ein  Gorodischtsche  am  Flusse  Merl  hat  Alterthümer  aus  den  verschieden- 
sten Perioden  geliefert:  Steinäxte,  einen  Bronzecelt,  etliche  Eisen waffen  und  Münzen 
von  Septimius  Severus.  Von  den  Gorodischtschen,  welche  ebenso  zahlreich  hier  vor- 
kommen, wie  die  Kurganen,  tragen  die  einen  rein  slavische  Namen,  während  bei 
den  anderen  türkisches  Gepräge  sich  verräth.  Auch  die  zahlreichen  Steinbabas 
sind  nach  Ansicht  des  Vortragenden  den  türkischen  Stämmen,  welche  zu  jener 
Zeit  in  diesen  Gegenden  die  Herrschaft  ausübten,  zuzuschreiben.  In  zweien  der 
durch  Zarjetzki  eröffneten  Kurgane  fanden  sich  Terracotten  und  Goldschmuck 
mit  Greifen  und  Löwen,  wie  wir  sie  an  den  Gestaden  des  schwarzen  Meeres  in 
Olbia,  Pantikapaeon,  Phanagoria  finden,  und  welche  Zarjetzki  der  sogenannlen 
scythischen  Periode  zuzuschreiben  geneigt  ist.  Besonders  hervorheben  möchte  ich 
einen  Lederköcher,  welcher  mit  einem  silbernen  Kreuz  verziert  ist,  neben  wel- 
chem sich  eingravirte  Greifen  befinden.  Zahlreiche  Münzfunde  kennzeichnen  die 
römische,  die  byzantinische  und  arabische  Periode.  Die  römischen  Münzen 
stammen  aus  den  ersten  drei  Jahrhunderten  der  christlichen  Zeitrechnung,  die 
byzantinischen  imd  arabischen  Münzen  aus  dem  6.  bis  9.  Jahrhundert.  In  den 
Kurganen  fanden  sich  zwei  Bestattungsarten:  Brandgräber  und  Skeletgräber. 
Im  ersten  Falle  waren  die  Brandreste  in  einer  Urne  beigesetzt,  im  anderen 
ward  der  Todte  sammt  seinem  Pferd,  Köcher  und  Pfeil  bestattet.  In  Betreff  der 
Lage  des  Skelets  kamen  hier  zwei  Varianten  vor:  einmal  fanden  sich  die  Skelette 
in  gestreckter  Lage,  ein  andermal  in  hockender.  — 

Prof  D.  J.  Samokwasssow  aus  Warschau  über  die  Chronologie  der 
Grabhügelfunde  in  Mittel-  und  Südrussland. 

Nach  ihm  lassen  sich  bei  den  mittel-  und  südrussischen  Grabhügelfunden  fünf 
Altersperioden  unterscheiden.  Die  erste,  älteste,  ist  nach  ihm  die  kimmerische, 
welche  bis  zum  7.  Jahrhundert  vor  Chr.,  bis  zur  wahrscheinlichen  Ankunft  der 
Scythen  an  den  Gestaden  des  schwarzen  Meeres  reicht.  Die  Grabhügel  dieser 
Periode  liefern  Gegenstände  aus  Knochen,  Stein,  Thon  und  Bronze;  Eisen  fehlt. 
Zu  diesen  Grabhügeln  rechnet  er  auch  jene  im  Kubangebiet  bei  Kislowodsk  und 
Pjätigorsk  (Ciskaukasien).  —  Die  zweite  Periode,  die  scythische,  rechnet  er  vom 
7.  Jahrhundert  vor  Chr.  bis  zum  2.  Jahrhundert  nach  Chr.,  eine  Periode,  welche  bis 
zur  Gründung  des  getisch-sarmatischen  Reiches  zwischen  Donau  und  Dnjepr 
dauerte,  und  in  welcher  schon  Münzen  und  eiserne  Geräthe  vorkommen.  Am 
bemerkenswerthesten  sind  die  Gegenstände  griechischer  Herkunft,  welche  von 
den  Colonien  am  Pontus  in  das  Innere  des  Reichs  gelangten.  Aus  dieser  Periode 
stammen  die  Kurgane  von  Taman,  der  Krim  und  Südrussland  bis  zum  Gouverne- 
ment Kiew.  —  Als  dritte  Periode  bezeichnet  er  die  getisch-sarmatische  vom  2.  bis 
6.  Jahrhundert,  als  hier  die  Geten  herrschten.  Die  Kurgane  dieser  Periode  sind 
voll  von  Münzen  und  Geräthen  römischer  Herkunft  aus  der  Kaiserzeit.  Hierher  ge- 
hört der  Kurgan  vom  Dorf  Jablonowka,  ein  anderer  bei  Kaiisch.  —  Als  vierte  Periode 
sieht  er  die  slavische  vom  G.  Jahrhundet  bis  1000  an.  Die  Gräber  dieser  Periode 
enthalten  byzantinische  Münzen  und  Gegenstände.  So  die  Grabhügel  von  Tschemi- 
gow,  Starodub  u.  s.  w.  —  Als  fünfte  Periode  stellt  er  die  tatarisch-mongolische  hin, 

Verhandl.  der  Berl.  Antbropol.  üeselltchaft  1891.  27 


(418) 

welche   durch   tatarische  Münzen,    besonders   aus   den  Gräbern  im  Gouvernement 
Jekaterinoslaw,  erkannt  wird.  — 

Derselbe  spricht  weiter  über  den  Bau  der  Kurgan^  von  Aksitienec  im 
Kreise  Romny,  Gouvernement  Poltawa.  Er  grub  einen  grosssen  Kurgan  aus,  der 
von  ungefähr  400  kleineren  umgeben  war.  Es  fanden  sich  zwei  Bronzemesser, 
Bruchstücke  eines  Gefässes  und  Thierknochen,  welche  letztere  nach  Ansicht  des 
Redners  von  einem  Leichensch mause  herrührten.  Die  darunter  liegende  Schicht 
wies  Holzspuren  auf  und  deutete  damit  wohl  die  eigentliche  Grabstätte  an.  Hier 
traf  man  auf  ein  Gefäss,  einen  Schweineschädel,  Reste  von  Pferdegeschirr,  vier 
bronzene  Zügelschmucke,  schellenartige  Bronzegehänge,  Reste  von  Stoffen,  vier 
seltene  Lanzenspitzen  in  einem  Köcher,  der  ausserdem  93  Pfeilspitzen  aus  Bronze 
und  eine  desgleichen  aus  Eisen  enthielt;  weiter  ein  Panzer,  zwei  Beile  und  eine 
Lanzenspitze,  —  diese  Gegenstände  alle  aus  Eisen.  Nach  Samokwassow  bildeten 
sie  die  Rüstung  des  Verstorbenen.  Das  Skclet  war  nur  theilweise  erhalten,  da 
der  Rurgan  früher  ausgeraubt  worden  ist.  —  Ein  zweiter,  noch  unberührter 
Grabhügel  barg  ähnliche  Funde,  ausserdem  ein  Gefäss,  wie  der  Vortragende 
vermuthet,  von  griechischer  Herkunft,  einen  goldenen  Henkel  und  den  Hals 
eines  Kruges.  Bei  dem  Skelet,  in  dessen  Schädel  ein  Nagel  steckte,  lagen 
Perlen  aus  Gold,  Ohrringe  und  Schmuckplättchen,  Armringe  um  die  Armknochen; 
an  den  Füssen  bemerkte  man  rothe  Farbe,  Spiegel  und  Schwefelstücke.  Dies 
Skelet  ist  wahrscheinlich  das  einer  Frau.  Ein  anderes  Skelet  hatte  an  der  Seite 
einen  goldenen  Schwertgriff  und  einen  Köcher  mit  Lanzenspitzen,  so  dass  es  wohl 
als  das  eines  Mannes  anzusprechen  sein  dürfte.  — 

Prof.  W.  B.  Antonowicz  aus  Kiew  spricht  über  die  Bestattung  in  den 
Kurganen  des  Gouvernement  Kiew.  Er  unterscheidet  dreierlei  Bestattungs- 
weisen, welche  verschiedenen  Perioden  entsprechen  sollen.  Dieselben  zerfallen 
in  mehrere  ünterabtheilungen. 

A.  Steinzeit.    Die  Gräber  dieser  Periode  zeigen  wieder  3  Nuancen: 

1)  Grabhügel  von  massiger  Grösse  und  arm  an  Inhalt,  nur  Steingeräthe  ent- 
haltend. Die  Skelette  befinden  sich  in  gestreckter  Lage  auf  einer  Sandschicht  und 
sind  mitunter  in  Birkenrinde  eingewickelt. 

2)  Plachgräber,  aus  Steinplatten  zusammengesetzt.  Auf  dem  Boden  der 
Steinkisten  stehen  Thonge fasse,  in  welchen  sich  die  verbrannten  Knochenreste 
finden.  Die  sehr  sorgfältig  zugeschliffenen  Steinbeilchen  sind  besonders  charakte- 
ristisch für  diese  Gräber. 

3)  Grosse  Grabhügel,  in  welchen  sich  mehrere  Grabkammern  be- 
finden. In  jeder  dieser  Kammern  liegen  ein  bis  mehrere  Skelette  in  hockender 
Lage.  Zu  diesen  Grabhügeln  gehören  jene,  welche  Graf  A.  Bobrinskij ')  in  Smjäla, 
Gouvernement  Kiew  ausgegraben  hat.  Typische  Geräthc  aus  dies(jn  Grabhügeln 
sind  gebohrte  Steinhämmer  und  lange  Ketten  aus  Bein.  Das  auffallendste  in  diesen 
Gräbern  ist,  dass  die  Knochen   mit   einer  Schicht  Ocker  überzogen   sind. 

B.  Scythische  Epoche.  Die  Gräber  dieser  Zeit  sind  meist  gewölbeartig  in 
Stein  eingehauen,  das  Inventar  besteht  zumeist  aus  Eisen,  seltener  Bronze.  Charak- 
teristisch sind  die  Pferdetrensen  aus  Eisen,  Lanzenspitzen  aus  Bronze  und  Eisen, 
Beile  aus  Eisen,  namentlich  aber  eiserne  Panzer.  Daneben  Spiegel  aus  Bronze, 
Perlen  aus  Cameol,  Achat,  Jaspis,  Ghis  und  Bernstein,  und  zahlreiche  Thongefässee. 


1)  Knrgani  i  slucainija  archoologicpckija  nachodki  bliz  injästocka  Smjäli.    St.  Peters- 
burg 1887.    Gr.  4«  X,  172  pp.     Mit  24  Tafoln  und  2  Karten.    In  russischer  Sprache. 


(419) 

Auffallend  sind  die  grossen  Töpfe  mit  Thierknoebenresten,  welche  darauf  hinzu- 
deuten scheinen, '  dass  die  Gefässe  Speisen  enthielten.  Häufig  fanden  sich  auch 
Schwefelstücke  und  Farben,  letztere  aus  Auripignient,  Ocker  und  Zinnober.  Mit- 
unter fanden  sich  auch  Schalen  von  Schneckenarten,  die  heute  nur  im  mittel- 
ländischen Meere  leben. 

c)  Die  slavische  Epoche.  In  den  Gräbern  dieser  Epoche  findet  sich  selten 
Gold,  desto  häufiger  aber  Silber.  Antonowitsch  nimmt  verschiedene  Modifi- 
kationen dieser  Bestattungsweise  an,  welche  mehr  geographischen,  als  chronologi- 
schen Gesichtspunkten  entsprechen.  Im  Norden  des  Gouvernements  Kiew  sind  die 
Gräber  in  anderer  Weise  ausgestattet.  Rings  um  die  Skelette  finden  sich  eiserne 
Nägel,  welche  von  Holzsärgen,  in  denen  die  Leichen  bestattet  waren,  herstammen 
dürften.  Thongefässe  kommen  hier  nicht  vor,  hingegen  Messer  aus  Bisen  und 
allerlei  Schmuck  aus  Silber:  Ohrgehänge,  Ringe,  Schnallen.  Charakteristisch 
sind  die  silbernen  Zopfringe,  die  man  in  der  Siebenzahl  sammt  dem  Haarrest  in 
der  Rückengegend  findet.  Dieselben  stammen  aus  Prauengräbcm.  Die  Männer- 
gräber werden  charakterisirt  durch  die  gleichzeitig  vorkommenden  Pferdeskelette. 
Man  fand  menschliche  Skelette  in  voller  Ausrüstung  aus  Eisen,  zu  der  auch  ein 
Helm  gehört.  — 

Ferner  spricht  Professor  W.  B.  Antono wicz  über  eine  Wohn-  und  Werk- 
stätte bei  den  Parogen  (Stromschnellen)  des  Dnjepr.  An  der  Mündung 
der  Sura  in  den  Dnjepr  zwischen  den  Parogen  Sursky  und  Lochansky  ist  diese 
Werkstätte  gelegen.  Auf  den  Feldern  des  Dorfes  Wolosskoje  fanden  sich  viele 
Steingeräthe,  namentlich  Steinbeile,  und  da  die  Sage  ging,  dass  hier  im  Boden 
Schätze  verborgen  seien,  wurde  alles  von  der  Bevölkerung  durchwühlt.  Thönerne 
Scheiben  mit  Verzierung,  Muschelschalen,  Messer  aus  Quarz,  steinerne  Pfeilspitzen, 
Wetzsteine  und  Knochengeräthe  bildeten  das  Inventar.  — 

G.  L.  Skadowsky:  Typen  der  Bestattungen  in  den  Rurganen  von 
Bjelooserka  im  Gouvernement  Cherson.  Der  Vortragende  hat  7  Typen 
der  Bestattung  festgestellt: 

1)  Aelterer  Steinzeittypus.  In  den  nicht  tiefen  Gräbern  liegen  die  Skelette 
auf  dem  Rücken  mit  ausgestreckten  Armen,  aber  eingebogenen  Knien.  Auch  hier 
zeigen  die  Knochen  rothe  Färbung.  Die  Schädel  sind  dolichocephal.  Als  Bei- 
gaben finden  sich  geschlagene  und  geschliffene  Steine  vor. 

2)  Steinzeit.  Hier  kommen  die  Skelette  in  seichten  Vertiefungen  in  hocken- 
der Lage  vor.  Die  dolichocephalen  Schädel  liegen  fast  immer  gegen  Südost. 
Häufiger  als  Steingeräthe  finden  sich  Beigaben  aus  Bein.  Starke  Thongefässe 
fehlen  fast  nie. 

3)  Das  Skelet  findet  sich  in  einem  Holzboot,  welches  mit  einem  zweiten 
zugedeckt  ist,  in  gestreckter  Rückenlage.  In  einem  Falle  wurde  eine  Schnalle  aus 
Kupfer  (Bronze?)*),  ein  Fingerring  aus  Eisen  und  oberhalb  des  Grabes  die  Knochen 
eines  Pferdes  gefunden. 

4)  In  den  oberen  Schichten  der  Grabhügel  liegen  die  Skelette  in  gestreckter 
Rückenlage.  Bei  diesen  fällt  besonders  auf,  dass  sich  unter  don  Beigaben  Ge- 
fässe  griechischer  Herkunft  mit  Inschriften,  Medaillons  mit  figuralen  Dar- 
stellungen, Perlen    aus  Bergcrystall   und  Karneol,   Ohrgehänge,  Fingerringe,   Arm- 


1)  Da  die  Fnndstücke  nicht  analysirt  sind,  welche  als  Kupfer  angefahrt  werden,  so 
erscheint  mir  diese  Annahme  mit  Rücksicht  auf  die  anderen  Beigaben  zweifelhaft;  sie 
dürften  wohl  von  Bronze  sein. 

27* 


(420) 

ringe   aus   Kupfer  (Bronze?)  finden.     Nach  Ansicht   des  Vortrai^enden    handelt   es 
sich  hier  um  die  Reste  griechischer  Kolonisten. 

5)  Skeletgräber  in  halbovalen  Vertiefungen,  weiche  zu  beiden  Seiten  Fortsätze 
haben.  Die  Skelette  liegen  gestreckt,  die  Beigaben  sind  gleichmässig  vertheilt, 
auf  der  einen  Seite  fanden  sich  immer  Schaf knochen(?),  dabei  stets  eiserne  Messer 
mit  Beingriff.  Daneben  schöne  griechische  Thongefässe,  kupferne  (^?)  oder  goldene 
Ohrringe,  Pingerringe  aus  Kupfer,  ferner  Senkblei  0*),  Kupfer (?).  Pfeilspitzen 
und  Schleudersteine  wurden  nur  in  einem  Grabe  gefunden.  Auf  den  gleichzeitig 
gefundenen  Dachziegeln  fand  sich  das  Wappen  der  Kolonie  Olbia  mit  einer 
griechischen  Inschrift,  welche  besagt,  dass  dieselben  von  einem  Töpfer  Namens 
Poseidonius  zur  Zeit  Apollodor's  verfertigt  wurden. 

6)  Katakombenartige  Gräber,  d.  h.  Grabkammern,  wie  sie  in  den  Kur- 
ganen  noch  erhalten  sind:  Pferdeskelette  und  Waffen  zeichnen  diese  Grabkammem 
aus.  Gefässe  griechischer  Herkunft  finden  sich  seltener  vor.  Redner  glaubt,  dass 
diese  und  die  unter  Nr.  5  beschriebenen  Gräber  den  Scythen  zugehören;  in  den 
ersteren  will  er  die  ansässigen  Scythen  und  zwar  die  Kalliniden  fierodots,  in 
letzteren  die  nomadische  Bevölkerung  Scythiens  begraben  wissen. 

7)  Skeletgräber  in  einer  Vertiefung  von  Bootform  in  gestreckter 
Rückenlage.  Auf  der  einen  Seite  Bogen  und  Pfeilspitzen  aus  Eisen,  auf  der 
anderen  Pferdeknochen  mit  Resten  von  Sattel  und  Trense;  daneben  Schmuck  Tür 
das  Gewand  und  das  Pferdegeschirr  mit  verschiedenartigem  Muster,  mitunter  mit 
Rubinen  (?)  und  Glasschmelz  ausgelegt.  — 

Auch  Hr.  J.  Chainowsky  bringt  Material  zu  der  Frage  über  rothgefärbte 
Skelette*)-  Er  berichtet  über  Funde  aus  dem  Kurgan  Säur,  Gouvernement 
Jekaterinosslaw,  Bezirk  Wierchniednieprowsk.  Er  zeigt  einen  dolichocephalcn 
Schädel  und  rothgefärbte  Knochen,  welche  er  in  diesem  Kurgan  gefunden  hatte. 
Der  Schädel  gehört  nach  seiner  Ansicht  zur  Rasse  von  Cannstatt  und  charakterisirt 
sich  durch  die  Niedrigkeit  der  Stirn  und  die  stark  hervortretenden  Augenbrauen- 
bogen,  auch  ähnele  er  sehr  dem  bei  Düsseldorf  gefundenen.  Für  den  Tiefstand 
der  Kultur  der  hier  begrabenen  Leute  spricht  ihm  der  gänzliche  Mangel  an  Ge- 
rät|ien.  Es  fanden  sich  keine  Metalle,  nur  steinerne  oder  irdene  Gefässe  ohne 
jede  Ornamentik.  Es  handelt  sich  nach  ihm  um  die  ältesten  Bewohner  des 
Dnjeprthales.  Die  rothe  Färbung  der  Knochen  erklärt  Chainowskij  damit,  dass 
dieses  Volk  die  Haare  roth  färbte  und  sich  auch  mit  ebenso  gefärbten  Thierfellen 
bekleidete.  Da  die  Verstorbenen  in  ihren  gewöhnlichen  Kleidern  bestattet  wurden, 
so  gingen  auch  die  gefärbten  Thierfelle  mit  in's  Grab  und  lagerten  nach  seiner  An- 
sicht bei  ihrer  Vermoderung  ihren  Farbstoff  als  Niederschlag  auf  die  Knochen  ab.  — 

W.  N.  Poliwanow  über  einen  alten  Begräbnissplatz,  sowie  eine  Be- 
festigung bei  dem  Dorfe  Muranki  im  Kreise  Sjengilej,  Gouvernement 
Simbirsk. 

Der  Begräbnissplatz  enthält  Flachgräber  mit  Leichenbestattung  aus  der  Mon- 
golenzeit. Im  Jahre  1880  wurden  beim  Bau  eines  Dammes  die  meisten  Funde 
von  den  Bauern  verschleppt,  die  Gold-  und  Silbergeräthe  eingeschmolzen.  In  den 
Männergräbem  finden  sich  die  Reste  von  Pferdegeschirr  und  Waffen,  letztere: 
Aexte  und  Messer  aus  Eisen;  zu  Füssen  immer  ein  Thongefäss.  Die  Gräber  der 
tVauen  enthalten  die  eigenthümlich  zugerichteten  Haarflechten  der  Verstorbenen. 
Eine   solche  Haarflechte   auf  eine  Weidenruthe   gewunden,    ist   an  letztere  durch 


1)   Vgl.  Nadaillac,  Moours  «t  monuments    des  peuples  pr^'storiques.    Paris  1888. 
p.  280.    Emile  Cartailhac,  La  France  prehistorique.    Paris  1890.  chap.  VI. 


(421) 

kleine  Lederrieraen  festgemacht,  dann  ist  die  ganze  Flechte  in  dünnes  Leder  ein- 
gewickelt und  in  Baumrinde  eingebettet.  Der  so  entstandene  Zopf,  mit  feinem 
Silberdraht  umwickelt,  findet  sich  gemeinsam  mit  Glasperlen,  Ohrgehängen, 
Ringen  u.  s.  w.  vor.  Die  Skelette  sind  von  vermodertem  Holz  umgeben  und 
scheinen  die  einzelnen  Gräber  früher  durch  Steine  bezeichnet  gewesen  zu  sein, 
wie  aus  einem  von  Poliwanow  gefundenen,  regelmässig  behauenen,  oben  ab- 
gerundeten Steine  mit  einer  Inschrift  hervorzugehen  scheint.  Aus  dem  gleich- 
zeitigen Funde  von  tatarischen  Münzen  aus  dem  Jahre  1330,  der  Regierungszeit 
Usbeks,  und  einer  aus  dem  Jahre  1346  geht  hervor,  dass  es  sich  hier  um  tatarische 
Gräber  gehandelt  hat. 

Während  sich  auf  diesen  Gräbern  niemals  Erdhügel  erheben,  kommen  in  der 
Nähe  Hügelgräber  vor,  welche  Poliwanow  für  bulgarisch  und  vorislamitisch  an- 
sieht. In  dieser  Gegend  wohnten,  wie  geschichtlich  nachgewiesen,  einst  die  ehe- 
mals heidnischen  Bulgaren.  — 

N.M.  Jadrincew  spricht  über:  Die  Verbreitung  der  Steingräber  in  der 
Mongolei  und  in  Sibirien  (die  sogenannten  Kereksuren). 

Er  hebt  die  Verwandtschaft  der  von  ihm  in  der  Mongolei  untersuchten  Stein- 
gräber mit  denjenigen  in  Sibirien  hervor.  Am  Baikalsce  finden  sich  zwei  Arten 
derselben:  viereckige,  von  Steinplatten  umgeben,  nnd  runde,  mit  niederen  Auf- 
schüttungen und  zum  Theil  von  Steinplatten  umlagert.  Ihres  ähnlichen  Baues 
wegen  wären  beide  Arten  einem  Volke  zuzuschreiben.  Die  Gräber  an  der  Selenga 
und  deren  NcbenOüssen  wurden  gleichfalls  von  Jadrincew  untersucht;  sie  fanden 
sich  besonders  häufig  bei  üst  Kjachta.  Am  Orchon  und  an  der  Tola  und  Charula 
fand  er  eine  dritte  Art  von  Gräbern,  welche  eine  Uebergangsform  zwischen  den 
beiden  früheren  darstellen,  nehralich  Steingrabhügel,  welche  von  Steinplatten  um- 
geben sind.  Die  Form  dieser  Kereksuren  ist  verschieden,  am  grössten  sind  sie 
am  Orchon;  auch  ihre  Zahl  ist  eine  ungemein  grosse.  Nach  Mittheilung  eines 
Mongolen  sollen  einzelne  derselben  Gegenstände  von  Gold  und  Silber  enthalten 
haben.  Sie  dürften  von  einem  yolke  herrühren,  das  mit  der  Steinbearbeitung  ver- 
traut war,  und  das  ursprünglich  in  der  Mongolei  an  der  Selenga  und  am  Orchon 
wohnte,  späterhin  sich  nach  Westen  zum  Baikalsee  und  Jenissei  ausbreitete.  — • 

Jadrincew  berichtet  auch  über:  Die  Steinbabas  in  Sibirien  und  in  der 
'Mongolei*). 

Mit  den  Kereksuren  finden  sich  im  Kreise  Minussinsk  und  im  Altai  stets 
Steinbabas  vergesellschaftet;  desgleichen  in  der  Mongolei.  Nach  Jadrincew 
wären  sie  hier  wie  da  demselben  Volke  zuzuschreiben.  Ihre  Form,  die  gefalteten 
Hände,  ferner  die  Beigaben  von  Schwert  und  Becher  bleiben  sich  immer  gleich.  Im 
Kreise  Minussinsk  sind  die  Babas  am  vollendetsten  und  zeigen  eine  Art  von  Runen. 
Am  Zaisansee  liegen  4  merkwürdige  Grabhügel,  wahrscheinlich  Grabstätten  her- 
vorragender Personen.  Vor  diesen  Gräbern  steht  ein  grosser  Stein  mit  eingehauenen 
Schriftzeichen (?),  daneben  ein  Obelisk  mit  runenartigen  Zeichen  und  anderen 
Schriften,  von  denen  eine  der  chinesischen  ähneln  soll.  In  der  Nähe  liegen  die 
Figuren  von  Löwen  und  marmorne  Statuen.  Die  letzteren  sind  ohne  Kopf,  tragen 
lange  Kleider  und  den  Chodakis  (Seidentücher,  welche  bei  den  Buddhisten  in 
Gebrauch  sind).  In  der  Hand  halten  sie  Figuren,  welche  Menschen  oder  Götter, 
denen   der  Kopf  fehlt,   vorstellen   und  den  Steinbabas  mit  den  gefalteten  Händen 


1)  Zur  Frage  über  die  Herkunft  der  Steinbabas  siehe  Rud.  Virchow,  Gräberfeld  von 
Koban,  sowie  Kohn  und  Mehlis,  Materialien  zur  Vorgeschichte  des  Menschen  im  öst- 
lichen Europa.   II,  8.  186. 


(422) 

ähnlich  sind.  Aus  diesem  Grunde  dürfte  ein  Zusammenhang  zwischen  beiden 
Arten  bestehen.  Jadrincew  schlägt  das  Alter  der  besprocheneu  Grabhügel  auf 
etwa  1000  Jahre  an;  ihre  Herkunft  ist  nach  ihm  schwer  festzustellen.  Wenigstens 
sollen  sie  nicht  von  den  Mongolen,  die  jetzt  dort  wohnen,  herrühren.  Diese  haben 
nehmlich  eine  andere  Bestattungsweise  und  schreiben  selber  die  Grabhügel  einem 
fremden  Volke  zu.  Ausserdem  bieten  ihre  üeberlieferungen  keinen  Anhalt  für  die 
Annahme,  dass  sie  von  ihren  Vorfahren  errichtet  seien;  auch  entbehren  die  Mon- 
golen, als  ein  Steppenvolk,  die  Kunst,  Steine  zu  behauen.  Da  die  Inschriften 
fremdartigen  Charakter  haben,  möchte  Jadrincew  die  Bildwerke  und  Grabhügel, 
indem  er  sich  auf  verschiedene  Sagen  stützt,  den  Kidonen  und  üiguren  zuweisen. 

Endlich  spricht  Jadrincew  über  Spuren  asiatischer  Kulturen  in  den 
südrussischen  und  scythischen  Alterthümern. 

Indem  er  die  scythische  Kultur  mit  der  sibirischen  vergleicht,  findet  er  eine 
Aehnlichkeit  der  scythischen  Kessel  mit  den  westsibirischen,  der  scythischen  Streit- 
äxte mit  denen  der  Kirgisen  und  Altaivölker.  Auch  von  den  Schwertern  habe 
Anutschin  aus  Moskau  nachgewiesen,  dass  ihr  Heft  den  BronzegrifiTen  am  Altai 
ähnlich  sei.  Die  scythischen  Spiegel  werden  zahlreich  in  den  Gräbern  des  Altai 
gefmiden.  Auch  die  Steinlagerungen  um  die  Grabhügel  bei  den  Scythen,  der 
Brauch  derselben,  Leute  und  Thiere  auf  den  Gräbern  zu  schlachten,  sowie  die 
Tödtungsart  der  Thiere  haben  ihr  Analogen  im  fernen  Osten.  Ueberhaupt  sei  das 
Studium  der  orientalischen  Kultur  geeignet,  in  der  Scythcnfrage  Licht  zu  verbreiten.  — 

Hr.  A.  A.  Iwanowskij  berichtet  über  das  gleichzeitige  Vorkommen  des 
Verbrennens  und  Begrabens  bei  den  westmongolischen  Torguten. 

Die  westraongolischen  Torguten  haben  neben  der  Sitte  der  Leichenbestattung 
auch  die  Leichenverbrennung  beibehalten.  Angesehene  beliebte  Personen  werden 
verbrannt,  so  die  Geistlichen,  die  Bezirkshäuptlinge  u.  s.  w.  Die  Weiber  werden 
nur  selten,  ausnahmsweise  verbrannt.  Vor  18  Jahren  wurde  die  Leiche  einer  Frau 
verbrannt,  der  es  als  Verdienst  angerechnet  war,  28  Kinder  geboren  zu  haben. 
Sonst  werden  die  Leichen  den  Hunden  vorgeworfen.  Die  Asche  einer  verbrannten 
Leiche  wird  mit  Lehm  zusammengeknetet  und  daraus  die  Gestalt  des  Todten  her- 
gestellt und  am  Orte  der  Verbrennung  aufgestellt.  Einst  machte  man  diese 
Baoas  auch  aus  Stein.  Nach  einem  Erdbeben  jedoch  und  folgend  den  Mahn- 
worten des  torgutischen  Helden  Merkyt  wurde  das  Material  geändert  In  der 
rechten  Hand  hält  jede  Baba  ein  Gefäss,  in  welches  ein  Theil  der  Asche  unter- 
gebracht wird,  denn  der  Engel  der  Auferweckung  der  Todten  hat  dieselbe  einst 
nöthig.  Zur  Zeit  der  Steinbabas  legte  man  einen  Theil  der  Asche  untpr  das  Stand- 
bild, den  anderen  in  das  Gefäss.  Wer  bei  Lebzeiten  einen  Dolch  trug,  der  ist 
auch  mit  einem  Dolch  abgebildet,  daher  fehlt  derselbe  bei  den  Priestern.  Steckt 
der  Dolch  hinter  dem  Gürtel,  dann  heisst  es,  dass  er  die  Steinbaba  eines  Fürsten 
vorstelle,  der  im  Greisenalter  abgedankt  hat.  Am  Gürtel  hängen  gewöhnlich  kleine 
Krüge,  die  den  Säcken  ähnlich  sind,  welche  die  Torguten  jetzt  tragen  und  in 
denen  sie  Fett  zum  Beschmieren  der  Bogensehnen  aufbewahren.  Iwanowskij 
hat  an  GO  Gräber  beobachtet  (davon  40  am  Tarbagatai).  Potanin  hat  solche 
Gräber  in  Nordwestmongolien,  Kiemen z  im  Bezirk  Minussbsk,  Jadrincew  im 
Altai  und  im  Thale  des  Kok-su  und  am  Flusse  Orchon  gesehen.  An  diese  Gräber 
schloss  sich  eine  lange  Reihe  von  Steinen.  Die  chinesischen  Chroniken  sagen, 
dass  diese  von  den  Dulgassen,  welche  am  südlichen  Abhänge  des  Altai  wohnten, 
abstammen.  Sie  behaupten,  dass  die  Dulgassen  bei  jedem  Grabe  eine  Figur  des 
Verstorbenen  mit  der  Beschreibung  der  Schlachten,  an  denen  er  theilgcnommen 
hatte,  aufstellten  und   dass  die  Zahl  der  Steine  um  das  Grab   die  Anzahl  der  von 


(423) 

ihm  getödtcn  Feinde  bezeichne.  Nach  Iwanowskij  ist  diese  Ansicht  falsch.  E!r 
meint  vielmehr,  dass  diese  Steine  sich  auf  eine  Sitte  der  chinesischen  Kirgisen 
beziehen.  Stirbt  einer  von  diesen,  so  bringt  jeder  Verwandte  einen  Stein  mit  und 
stellt  ihn  auf  das  Grab;  ehemals  wurden  die  Steine  reihenweis  gestellt,  jetzt  werden 
dieselben  regellos  auf  die  Gräber  gesetzt,  um  dieselben  vor  den  Wölfen  zu  sichern 
und  dann  auch,  um  nicht  so  viel  vom  Boden  verloren  gehen  zu  lassen,  denn  nach 
dem  Volksglauben  ist  die  Erde  mit  den  Steinen  Eigenthum  des  Todten,  wo  man 
weder  Ribitken  aufstellen,  noch  Vieh  weiden  lassen  kann.  Was  die  vorherrschende 
Östliche  Richtung  dieser  Steine  anbelangt,  so  glaubt  Iwanowskij,  dass  diese  in 
Zusammenhang  stehe  mit  den  religiösen  Anschauungen,  nach  welchen  die  Seele 
in  das  Paradies  in  östlicher  Richtung  gehe.  — 

Zur  Frage  der  Steinbabas  sprach  auch  Herr  M.  E.  Brandenburg.  Er 
öffnete  einen  mit  einem  Steinbaba  versehenen  Grabhügel  im  letzten  Sommer  im 
Mariupoler  Bezirke  (am  asowschen  Meer,  Gouvernement  Jekatennoslaw),  am 
Flusse  Karatysch.  Die  Baba  stellt  einen  Mann  dar,  mit  dem  Gesicht  nach  Osten 
gewendet.  Darunter  befand  sich  eine  Steinschicht,  in  welcher  eine  zweite  kopflose, 
gegen  Osten  gerichtete  Baba  entdeckt  wurde.  In  der  Steinaufschüttung  fanden  sich 
Scherben  von  Thonge fassen  und  4  Gräber.  In  zweien  derselben  lagen  die  Skelette 
gegen  Osten,  in  zwei  anderen  gegen  Norden  gerichtet.  Zwischen  den  Füssen  eines 
der  Skelette  lag  ein  Pferdeschädel.  Rings  umher  standen  steinere,  schön  oma- 
mentirte  Töpfe,  sowie  bronzene  Geräthe  von  scythischem  Typus.  — 

Graf  Louis  de  Fleury:  De  quelques  horodysczes  du  bassin  de  la 
Vistule.  Die  Gorodischtsches  am  linken  Weichselufer  verzeichnete  zuerst 
Ossowski  auf  seiner  archäologischen  Karte  von  Polen  (1881)  und  sah  sie  für 
üeberreste  aus  der  Steinzeit  an.  Lissauer  (1887)  dagegen  setzte  sie  in  die  von 
ihm  als  nordarabisch  bezeichnet«  Periode,  d.  h.  in's  7.  bis  10.  Jahrhundert  unserer 
Zeitrechnung  de  BMeury  meint,  manche  dieser  Burgen  könnten  wohl  aus  so 
später  Zeit  sein,  viele  aber  seien  weit  älter.  In  den  Akropolen  Vorderasiens, 
Griechenlands  und  Italiens  sieht  er  ähnliche  Aufschüttungen,  nur  bestanden  diese 
aus  einem  anderen  Materiale.  Bei  den  Röniern  und  in  den  griechischen  Kolonien, 
mit  denen  sie  in  Berührung  kamen,  mögen  die  Bewohner  der  Weichselufer  den 
Bau  solcher  Burgen  kennen  gelernt  haben,  de  Fleury  sucht  seine  Ansicht  durch 
den  Hinweis  auf  die  Funde  im  Gorodischtsche  Wisna  (Gouvernement  Lomza  in 
Polen)  zu  stützen,  welcher  in  der  Geschichte  um  das  Jahr  1170,  dann  1294  er- 
wähnt wird  und  auf  welchem  noch  im  17.  Jahrhundert  eine  hölzerne  Burg  ge- 
standen hat.  Dort  haben  sich  in  den  untersten  Schichten  Münzen  aus  der  Zeit 
der  Antonine  gefunden  und  gerade  dieser  Fund  bestimmte  de  Fleury,  die  Er- 
richtung dieser  Burgwälle  mindestens  in  die  Zeit  der  Antonine  hinaufzurücken.  — 

Interessant  in  Betreflf  der  Altersbestimmung  der  Gorodischtsches  war  der  Vor- 
trag des  Herrn  W.  J.  Sizow,  in  welchem  er  über  den  Gorodischtsche  von 
Djakowo  bei  Moskau  und  dessen  Verhältniss  zu  den  Grabhügeln  von 
Moskau  und  Smolensk  berichtete. 

Der  Gorodischtsche,  zuerst  von  Samokwassow  ohne  besonderen  Erfolg,  dann 
von  Sizow  genau  durchforscht,  hatte  annähernd  die  Form  eines  Dreiecks  und 
lieferte  eine  interessante  Ausbeute.  In  der  untersten  Schicht  lagen  knöcherne 
Pfeilspitzen,  ein  geschliffenes  Steinplättchen  und  andere  Gegenstände.  Die  darüber 
lagernden  Schichten  enthielten  wenig  Alterthümer,  darunter  das  Bruchstück  eines 
Thongefässes  mit  Wellenomament,  das  als  specifisch  slavisch  betrachtet  werden 
kann.    Die  B^unde  erinnern  an  die  aus  dem  Gorodischtsches  in  den  Gouvernements 


(424) 

Wjatka,  Kasan  und  Perm.  Die  von  Samokwassow  aus  den  oberen  Lagen  ge- 
sammelten Gegenstände  gehören  einer  älteren  Zeit  an,  nicht  dem  10.  bis  11.  Jahr- 
hundert, und  sind  ganz  verschieden  von  den  sonst  im  Gouvernement  Moskau  ge- 
fundenen Artefakten.  Diese  sind  jünger  und  dürften  in  die  Zeit  nach  dem  11.  Jahr- 
hundert gehören.  Zu  dieser  Zeitbestimmung  gelangte  Sizow  durch  die  Funde  in 
den  gleichalterigen  Kurganen  der  Gouvernements  Smolensk,  Wladimir  und  Twer, 
in  welchen  auch  Münzen  angetroffen  wurden.  Nach  Sizow  gehörte  das  Volk, 
welches  den  Gorodischtsche  von  Djakowo  erbaute,  zu  den  ürbewohuem  des  Gou- 
vernements Moskau  und  sind  die  Funde  dem  Stile  nach  gleich  jenen  der  ältesten 
Anwohner  der  Wolga  und  Kama,  welche  Finnen  waren.  Die  Erbauer  der  Rurgane 
dürften  nach  seinen  Ausführungen  den  Slaven  nahe  stehen.  — 

Hr.  F.  Heger  spricht  über  die  kaukasischen  Gräberfelder  und  deren 
Beziehungen  zum  Westen. 

Die  archäologische  Durchforschung  des  Kaukasus,  die  namentlich  seit  dem 
fünften  russischen  Archäologen-Kongress  von  Tiflis,  vornehmlich  in  Ossetien,  vor- 
genommen wurde,  hat  sehr  wichtiges  Material  ergeben  und  dadurch  unseren  Ge- 
sichtskreis bedeutend  erweitert.  Die  Funde  von  Kasbek  und  Koban  wurden  für 
die  Urgeschichte  des  Kaukasus  von  Wichtigkeit,  doch  erst  der  Kongress  von  Tiflis 
verhalf  ihnen  zu  grösserer  Bekanntschaft,  die  durch  die  Werke  von  Virchow  und 
Chantre  gefördert  wurde.  In  Kussland  war  es  der  jetzt  verstorbene  Präsident 
des  Kongresses,  Graf  Uwarow,  welcher  die  Wichtigkeit  dieser  Funde  sofort  er- 
kannte und  eine  ausgezeichnete  Sammlung  davon  zusammenbrachte.  Neuerdings 
haben   sich   die  Fundstätten    aus  jener  Zeit  sehr   vermehrt;   besonders  haben  die  | 

Funde  von  Faskau  und  Kumbulte  unsere  Kenntniss  erweitert,  während  andere 
Fundstätten  in  Digorien  (Kamunta,  Donifars,  Galiatha,  Machtschesk  u.  a)  reiches 
Material  aus  jüngeren  Zeiten  ergaben.  Aus  einer  Vergleichung  der  älteren  Funde 
aus  dem  Kaukasus  mit  denen  von  Hallstatt,  Watsch,  St.  Margarethen  u.  s.  w.  zieht 
Hr.  Heger  den  Schluss,  dass  eine  direkte  Beziehung  zwischen  dem  östlichen 
und  westlichen  Kulturgebiet  nicht  anzunehmen  sei,  beide  vielmehr  von  einem 
dritten,  das  etwa  im  Süden  zu  suchen  wäre,  beeinflusst  sein  könnten.  Er  vermuthet, 
dass  die  älteren  kaukasischen  Gräberfelder  wahrscheinlich  einer  jüngeren  Zeit  an- 
gehören, jedenfalls  nicht  der  Hallstattperiode  entstammen.  — 

E.  Cartailhac   aus   Toulouse:    Des   lumieres   que   Tarchöologie   pre-  ( 

historique  russe  peut  projeter  sur  TEurope  occidentale. 

Die  russische  Alterthumskunde  scheint  bestimmt  zu  sein,  für  Westeuropa  von 
Bedeutung  zii  werden,  da  sie  zur  Aufhellung  noch  dunkeler  Punkte  vieles  bei- 
tragen kann.  Wenn  Quatrefages  Sibirien  als  die  Urheimath  der  Menschenrasse 
annimmt,  so  scheinen  für  seine  Hypothese  auch  Thatsachen  zu  sprechen.  Die 
Spuren  des  Menschen,  der  vor  der  Eiszeit  auf  der  Erde  erschien  und  sich  anfangs 
roh  bearbeiteter  Steine  bediente,  sind  in  Russland  noch  selten  und  werden  durch 
plumpe  Steingeräthe  und  zugerichtete  Mammuthknochen  bezeichnet  Je  weiter 
man  nach  Westen  geht,  um  so  grösser  aber  wird  die  Zahl,  und  um  so  vervoll- 
kommneter das  Aussehen  der  Geräthschaften.  Dies  lässt  wohl  schliessen,  dass  der 
Mensch  von  Nordosten  her  nach  Südwesten  sich  ausgebreitet  habe.  Von  der 
russischen  Archäologie  erwartet  Cartailhac  auch  Aufklärung  über  die  Verbreitung 
der  Nephritgeräthe  und  Dolmen.  Sie  hat  nach  seiner  Ansicht  schon  die  Theorie 
von  der  Ableitung  der  Eisenbearbeitung  aus  AfWka  durch  die  Eisen-  und  Kupfer- 
funde aus  dem  Kaukasus  und  Sibirien  mächtig  erschüttert.  In  dieser  Hiniiicht 
würden  die  kaukasischen  Gräberfunde  von  grosser  Bedeutung  für  die  Forschung 
werden. 


I 


(425) 

Baron  J.  de  Baye:  LMnfluence  Orientale  dans  le  bestiaire  deeoratif 
des  peuples  gerroaniqaes.  Nach  ihm  rührt  der  Ursprung  vieler  Thiergestalten 
in  der  älteren  abendländischen  Kunst,  namentlich  der  Greifen  und  Drachen,  aus 
dem  Osten  her.  — 

Prof.  J.  N.  Srairnow:  Spuren  des  Kannibalismus  in  der  wotjaki- 
schen  Volkspoesie.  Eine  Fundgrube  des  Kannibalismus  bieten  die  wotjaki- 
sehen  Märchen.  In  einem  derselben  findet  sich  auch  das  Verzehren  des  Herzens 
des  besiegten  Feindes  wieder.  Auf  Kannibalismus  beruhten  ferner  die  Menschen- 
opfer, galt  ihnen  doch  Gott  auch  als  Kannibale  und  glauben  die  Wotjaken  noch 
jetzt  an  Leute,  welche  Theile  des  menschlichen  Körpers  verspeisen,  um  Eigen- 
schaften des  Todten  zu  erben.  Ebenso  ist  der  Glaube  an  Vampyre  verbreitet. 
Smirnow  bezieht  Herodots  Erwähnung  der  Menschenfresser,  die  nördlich  von  den 
Scythen  wohnen  sollten,  auf  die  damals  noch  dem  Anthropophagismus  ergebenen 
Wotjaken.  — 

Hr.  Aspelin  (Helsingfors)  weist  die  Spuren  des  Einflusses  der  Gothen 
in  Nordrussland  aus  Gräberfunden  nach  und  zwar  in  den  ersten  fünf  Jahr- 
hunderten nach  Christi  Geburt,  nicht  bloss  auf  die  Finnen,  sondern  wahrscheinlich 
auch  auf  die  Slaven.  Dieser  Nachweis,  sowie  die  Anzahl  von  Fundobjekten,  so 
der  Fibel  aus  dem  3. — 5.  Jahrhundert,  welche  in  Kussland  von  den  Küsten  des 
schwarzen  Meeres  bis  zu  den  Gestaden  der  Ostsee  in  den  Flussgebieten  des 
Dnjepr,  Dnjstr,  Bug,  der  Düna  und  Weichsel  vorkommen,  lässt  alte  Verkehrswege 
östlich  der  Karpathen  erkennen,  welche  bisher  wenig  betont  wurden.  — 

Im  Anschluss  an  diese  Frage  gab  ich  ein  Referat  über  den  Grabfund  von 
Sackrau,  welcher  in  den  Funden,  von  denen  Saraokwassow  sprach,  von  Jablo- 
nowka  und  Kaiisch,  seine  Analogien  findet.  (Funde  von  Sackrau,  Berlin  1888. 
Hugo  Spamer.)  Es  ist  mir  nicht  gestattet,  im  Detail  auf  die  berührten  Fragen 
einzugehen,  deren  ausführliche  Besprechung  über  den  Rahmen  meines  Referats 
hinausgehen  würde.  — 

Aus  dem  diesmal  in  Moskau  gebotenen,  reichen  Stoffe  für  Anthropologie, 
Ethnologie  und  Urgeschichte  kömien  Sie  ermessen,  was  Ihnen  der  nächstjährige 
internationale  Kongress  ebendaselbst  verspricht.  Möchten  die  deutschen  Anthropo- 
logen diese  Gelegenheit,  sich  über  die  russischen  archäologischen  Forschungen  zu 
unterrichten,  nicht  verabsäumen. 

(23)   Hr.  Grempler  legt  den  Abguss  eines 

Elchhominstrnments  mit  gezähnter  Schneide 

vor,  welches  auf  den  Rieselfeldern  von  Osswitz,  1  Stunde  nördlich  von  Breslau 
an  der  Oder,  mit  einem  Paar  Schlittschuhen  aus  Knochen  und  einem,  an  der 
Wurzel  quer  abgeschnittenen  Bärenzahn  gesammelt  worden  ist.  In  der  Nähe  der 
Stelle  ist  die  sogenannte  Schwedenschanze,  von  wo  das  Breslauer  Museum 
alte  Topfwaaren  und  Bronze  besitzt.  Hr.  Grempler  hat  daselbst  noch  im  vorigen 
Jahre  Gräber  ausgegraben  und  Aschenumen  mit  Bronzeschmuck  gefunden.  Das 
Instrument  aus  Eichhorn  möchte  er  mit  der  Weberei  in  Verbindung  bringen,  etwa 
zum  Aufkratzen  von  Wolle  oder  Flachs*).  — 


1)  Das  Correspondenzblatt  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft,  1890,  Nr.  7, 
bringt  eine  Originalnotiz  des  Hni  -Grempler  nebst  einer  Abbildung  des  Instruments 
t^vgl.  ebendaselbst  Nr.  2). 


(426) 

Hr.  E.  Krause  bemerkt,  dass  ähnliche  Geräthe,  aus  Holz  geschnitzt  und  eben- 
falls mit  Zähnen,  wenn  auch  etwas  grösseren,  versehen,  zur  Herstellung  von  Ver- 
zierungen auf  dem  Lehmbewurf  der  Wände  auf  dem  Lande  in  mehreren  Gegenden 
Deutschlands  benutzt  werden.  In  dem  alten  Hause,  das  bis  gegen  1880  mitten  in 
Picheisdorf,  bei  Spandau,  stand,  waren  die  Innenwände  mit  Lehmputz  beworfen 
und  mittelst  des  erwähnten  Geräthes  mit  Verzierungen,  ähnlich  denen  auf  wendi- 
schen Burgwallscherben  und  Gefässen,  verziert  und  zwar  kurz  vor  1877.  Das 
vorgelegte  Geräth  sieht  Hr.  Krause  als  einen  Schaber  für  die  Herstellung  von 
Töpfen  an,  das  in  derselben  Weise  gebraucht  wurde,  wie  die  gleichfalls  gezähnten 
Grundkratzer  und  Kratzer  für  Gyps  und  die  gezähnten  „Schlingen"  für  Thon  noch 
heute  von  unseren  Bildhauern  gebraucht  werden,  nehmlich  zur  Entfernung  der 
Masse  an  Stellen,  wo  sie  bei  der  Bearbeitung  der  Töpfe  mit  der  Hand  zu  dick 
aufgetragen  ist  und  über  das  Profil  des  Topfes  herausragt.  Die  Abnutzung  der 
Zähne  an  ihren  Spitzen  spricht  für  diese  Ansicht.  — 

Hr.  Olshausen:  Zu  dem  Geräth  mit  gezahnter  Schneide  kann  ich  ein  Ana- 
logon  nachweisen:  eine  „Axt"  aus  Eichhorn  von  Willenberg  bei  Marienbui^, 
Westpreussen,  Katalog  der  prähistorischen  Ausstellung  zu  Berlin  1888,  S.  427, 
Fig.  21.  Tischler  hielt  das  Stück  für  die  Nachbildung  eines  eisernen  Geltes  und 
der  gekerbten  Schneide  wegen  für  ein  Paradestück,  nicht  für  einen  Gebrauchs- 
gegenstand. Genauere  Anhaltspunkte  für  sein  Alter  fehlen  sonst.  Einige  eingravirte 
Verzierungen  gleichen  Krückenkreuzen,  bei  denen  die  Kreuze  selbst  doppellinig 
ausgeführt  sind,  die  Krücken  aus  halbmondförmigen  einfachen  Linien  bestehen. 
Welches  die  richtige  Deutung  dieser  Geräthe  sein  mag  und  ob  eine  gezahnte 
hölzerne  Kelle,  die  zum  Ornamentiren  des  Lehmbewurfs  der  Wendenhäuser  in 
der  Lausitz  diente  (Verhandl.  1877,  S.  449  und  T.  20,  2),  und  auf  die  mich  Herr 
Voss  nachträglich  hinweist,  mit  denselben  in  Zusammenhang  zu  bringen  ist,  lasse 
ich  dahingestellt.  — 

(24)   Hr.  Grcmpler  bespricht  einen 

Goldfand,  der  Angabe  nach  aus  Schlesien. 

Der  aus  Golddraht  hergestellte  Goldschrauck 
ist  mit  anderen  Gegenständen  aus  Gold,  welche 
sämmtlich  zusammen  in  Schlesien  gefunden  sein 
sollen,  von  einem  Händler  erworben. 

Der  Golddraht  ist  zu  einem  Ringe  zu- 
sammengebogen, welcher  im  Lichten  0,6  misst; 
nach  unten  schlagen  sich  beide  Golddräbte  ein- 
mal umeinander,  sind  rollenartig  aufgewickelt 
und  bilden  einen  zweiten  kleineren  Ring,  wel- 
cher im  Lichten  0,24  misst  und  gleichsam  ein 
Anhängsel  zu  dem  grösseren  Reif  bildet  Wäh- 
rend der  Draht  des  Reifes  torquirt  ist,  ist  der 
rollenartig  aufgewickelte  glatt.  Der  verwendete 
Golddraht  ist  0,01  stark. 

Mit  dem  Ringe  habe  ich  gleichzeitig  eine 
dattelförmige  Perle  von  Goldblech  er- 
worben. Aaf  das  Goldblech  sind  zwischen  zwei 
eingepresste    Längsstäbe    Querstäbchen    eingo- 


(427) 

presst.    Die  Perle  endet  oben   in  eine  Oehse,    unten  in   einen  Knopf  und  scheint 
der  Anfang  eines  Ohrringes  gewesen  zu  sein. 

Endlich  gehörten  zu  dem  Funde  Röhren  von  Goldblech,  mit  eingepressten 
Ricven  und  6  kleine  Goldknöpfchen.  Bei  meinem  letzten  Besuch  des  Museums 
in  Budapest  im  Monat  Juni  fand  ich  einen  ganz  gleichen  Goldreif  mit  rollen- 
förmigem  Anhängsel.  Derselbe  stammt  aus  Siebenbürgen,  doch  ist  Weiteres  dar- 
über nicht  bekannt,  namentlich  nicht,  was  die  Zeit  anlangt,  aus  welcher  er  stammt. 
Hr.  Hampel  meinte,  es  sei  ein  Ohrring,  welcher  über  die  Ohrmuschel  gehängt 
wurde.  — 

(25)  Hr.  Grempler  bespricht  die  von  dem  Kreisbauinspector  Brinkmann 
veranstaltete  Untersuchung  des  Burgwalls  von  Haidevorwerk  im  Kreise 
Wohlau  (Nachrichten  über  deutsche  Alterthumsfunde  1890,  S.  29)  und  zeigt,  dass 
einige  der  daselbst  gefundenen  Gegenstände,  die  sich  im  Breslauer  Museum  be- 
finden, modern  seien. 

(26)  Hr.  Grempler  legt  eine  Anzahl  von  Schädeln  aus  schlesischen 
Gräberfeldern  vor. 

Hr.  R.  Virchow:  Die  vorgelegten  Schädel,  von  denen  jeder  von  einem  anderen 
Fundplatzc  stammt,  sind  unter  einander  sehr  verschieden.  Nur  einer  derselben  ist 
so  weit  erhalten,  dass  die  Hauptmaasse  genommen  werden  können. 

1)  Der  Schädel  vonSillmenau  im  Kreise  Breslau  ist  offenbar  weiblich.  Das 
Gesicht  fehlt,  dagegen  ist  die  Schädelkapsel  erträglich  erhalten.  Die  Knochen 
haben  eine  stark  gelbbraune  Farbe,  kleben  an  der  Zunge,  dürften  aber  doch  ver- 
hältnissmässig  recent  sein.  Die  Nähte  sind  offen  und  in  voller  Ordnung,  nur  ist 
die  Lambdanaht  stärker  gezackt  und  an  der  hinteren  Zacke  der  Ala  tcmporalis 
links  findet  sich  ein  abgetrenntes  Stück.  Rechts  zwei  grössere  flache  Exostosen. 
Der  Rauminhalt  beträgt  1365  ccm^  der  Horizontalumfang  507  mm.  Die  Form  ist 
hypsibrachycephal.  Das  Hinterhaupt  gross,  gewölbt,  Index  27,6,  keine  Protub. 
externa.    An  der  Stirn  weder  Orbital-  noch  Nasenwülste. 

2)  Von  dem  Schädel  von  Langen  au,  Kr.  Leobschütz,  ist  nur  das  Dach  vor- 
handen, Seitentheile,  Basis  und  Gesicht  fehlen.  Hinterhaupt  und  Stirn  sind  ziem- 
lich vollständig  erhalten.  Die  Knochen  sind  dünn,  licht  brauugelb,  kleben  an  der 
Zunge.  Index  dolichocephal.  Stirn  niedrig,  gerade,  breit  (101  mm),  der  Nasen- 
fortsatz breit  und  flach.  Parietalia  sehr  lang,  Hinterhaupt  hoch,  gewölbt,  Index 
ungefähr  28,2.  Der  horizontale  und  sagittale  Umfang  gross  (516  und  374  mm). 
Trotzdem  dürfte  auch  dieser  Schädel  weiblich  sein.  Soviel  ich  verstehe,  stammt 
er  aus  einem  neolithischen  Grabe. 

3)  An  dem  Schädel  von  Wilkowitz,  Kr.  Breslau,  fehlt  die  rechte  Seiten- 
gegend, ein  Theil  der  Basis  und  das  Gesicht,  Er  sieht  sehr  braun  aus;  die  Ober- 
fläche der  Knochen  ist  überall  von  Pflanzenwurzeln  benagt.  Die  Brüche,  durch 
welche  die  Ränder  der  fast  einer  Trinkschale  ähnlichen  Calvaria  begrenzt  werden, 
sind  alt  und  überall  abgerundet.  An  den  Seitentheilen  der  Coronaria  Synostosen. 
Allem  Anschein  nach  ist  das  Stück  posthum  verdrückt  worden;  es  ist  ungemein 
lang  und  schmal.  Die  Knochen  im  Granzen  zart.  Stirn  niedrig,  leicht  schräg  ge- 
stellt, keine  Glabella,  Nasenfortsatz  breit  und  etwas  vortretend,  aber  schwache 
Wülste,  Tubera  deutlich.  Parietalia  lang,  gestreckte,  fast  horizontale  Scheitelcurve. 
Hinterhaupt  gross,  ohne  Protuberanz.  Warzen fortsatz  kräftig,  von  männlichem 
Aussehen.     Foramen    magnum   schief.     Nase   schmal,   Rücken   etwas  eingebogen, 


(428) 


stark   vorspringend,    leicht  gerundet.      Wahrscheinlich   war   auch   dieser   Schädel 
dolichocephal :    seine   grosse  Horizontal  länge  von  198  mm  und  sein  Sagittalumfang 
von  383  mm  vertragen  sich  kaum  mit  einem  anderen  fndex. 
Die  Tabelle  der  Maasse  ergiebt  Folgendes: 


Schlesische  GräberschUdel 


Sillmenau 


I.  Messungen. 


Capacität 

Grösste  horizontale  Länge     .    . 

„        Breite 

Gerade  Höhe 

Ohrhöhe 

Hinterhauptslänge 

Basilare  Länge 

Stimbreite 

Horizontalumfang 

Sagittalumfang  der  Stirn  .    .    . 

„  der  Parietalia    . 

„  des  Hinterhaupts 

Ganzer  Sagittalbogen    .... 


II.   Indices. 


Längenbreitenindex 
Längenhöhenindex 
Ohrhöhenindex  .  . 
Hinterhauptsindex 


1365 

170 

147 

132 

111 

47 
100 

98 
507 
130 
113 
112 
355 

86,5 
77,6 
65,3 
27,6 


Langenau 


184 
138 


52? 

101 
516 
131 
130 
113 
374 

75,0 


VVilkowitz 

$? 


198 


119 
38? 


129 
180 
124 
883 


28,2? 


60,1 
19,1? 


(27)   Hr.  Rud.  Virchow  bespricht  den  in  der  Gesellschaft  anwesenden 

heteradelphen  Inder  Laloo. 

Hr.  R.  Neu  mann,  der  Direktor  des  Passage-Panopticums,  der  auch  heute 
sich  der  Mühe  unterzogen  hat,  den  interessanten  Heteradelphen  zu  uns  zu  führen, 
hatte  schon  in  der  vorigen  Woche  eine  Anzahl  von  Mitgliedern  unserer  Gesell- 
schaft zur  Besichtigung  desselben  eingeladen.  Ich  war  daher  schon  am  9.  März 
in  der  Lage,  die  Persönlichkeit  etwas  genauer  zu  prüfen. 

Die  Existenz  derselben  ist  der  Gesellschaft  seit  mehreren  Jahren  bekannt. 
Hr.  Carl  Hagenbeck  hatte  mir  im  Jahre  188G  eine  Photographie  des  jungen 
Menschen  eingesendet  und  ich  habe  sie  in  der  Sitzung  vom  20.  Juni  desselben 
Jahres  (Verh.  1886.  S.  373  mit  Abbildung)  vorgelegt  und  kurz  besprochen.  Jetxt 
aber  haben  wir  zum  ersten  Mal  Gelegenheit,  die  merkwürdige  Missbildung  vor 
uns  zu  sehen,  —  eine  Gelegenheit,  die  für  diese  Art  der  Monstrosität  überhaupt 
zu  den  recht  seltenen  gehört.  Zugleich  lernen  wir  in  seinem  Führer  einen  indi- 
schen Parsi  kennen. 

Laloo  ist  von  dunkelgelber  Hautfarbe,  dunklen  Augen  und  tiefschwarzem  Haar, 
der  Angabe  nach  aus  dem  Stamme  der  Rajputen  und  zu  Oovon  im  Königrtneh 
Oudh  geboren.    Sein  Alter  wird  auf  18—19  Jahre  geschätzt.    In  seiner  Familie  ist 


(429) 

kein  ähnlicher  Fall  vorgekommen.  Er  ist  das  zweite  Kind  seiner  Eltern;  die  etwas 
ältere  Schwester  und  zwei  jüngere  Söhne,  die  inzwischen  gestorben  sind,  waren 
ganz  normal  gebildet.  Er  wurde  in  Kopflage  geboren,  während  die  Arme  des 
implantirten  Kindes  seinen  Nacken  umfassten*). 

Gegenwärtig  ist  Laloo  ziemlich  erwachsen.  Er  ist  ein  intelligenter,  frischer 
und  munterer  Bursche.  Sein  im  Ganzen  magerer  Körper  hat  eine  Höhe  von  5  Fuss 
2  Zoll  engl,  und  ist  überall  proportionirt.  In  der  Oberbauchgegend  sitzt  ein  sehr 
sonderbares  Gebilde,  das  in  den  Ankündigungen  als  ein  weiblicher  Körper  be- 
zeichnet wird.  Dies  ist  nun  freilich  ein  Irrthum:  wie  wir  alsbald  sehen  werden, 
kann  kein  Zweifel  darüber  sein,  dass  der  angehängte  Körper  gleichfalls  ein  männ- 
licher ist.  Aber  es  ist  nur  ein  Fragment  eines  solchen,  ohne  Kopf,  Hals  und 
Rumpf,  also  das  gerade  Gegenstück  eines  Torso.  Wenigstens  ist  äusserlich  nichts 
von  dem  angehängten  Körper  zu  sehen,  als  die  oberen  und  unteren  Extremitäten 
mit  den  nächst  angrenzenden  Theilen  der  Brust-  und  Beckengegend.  Es  handelt 
sich  also  um  die  äussere  Implantation  ei^ies  in  seinen  Haupttheilen 
defekten  parasitären  Zwillings. 

In  der  gewöhnlichen  Stellung  hängen  die  Oberextremitäten  schlaff  herab  neben 
der  grösseren  und  strafferen  Masse  der  Unterextremitäten,  welche  in  den  Hüften 
und  Knien  stark  gebogen  und  steif  sind.  Dabei  ist  die  'Befestigung  der  Ober- 
extremitäten eine  so  lose,  dass  sie  ohne  Schwierigkeit  nach  rechts  oder  nach  links 
von  der  Masse  der  ünterextremitäten  gelegt  oder  auch  nach  oben  erhoben  Werden 
können.  Wenn  letzteres  geschieht,  so  sieht  man  deutlich,  dass  die  Vorderseite 
des  implantirten  Körpers  der  Vorderseite  von  Laloo  zugewendet  ist,  oder,  anders 
ausgedrückt,    dass    beide  Körper  mit  ihrer  Vorderseite  an  einander  befestigt  sind. 

Dem  entsprechend  bemerkt  man  an  der  Haut,  die  zwnscheji  beiden  Schultern 
des  implantirten  Körpers  ausgespannt  ist,  zwei  kleine  Brustwarzen  und  über 
den  ünterextremitäten  eine  grössere,  kuglige  Hervorragung,  welche  der  Gesäss-  und 
Kreuzgegend  des  Parasiten  angehört.  Die  Nates  sind  voll  und  zeigen  links  starke 
Narben,  welche  durch  eine  Verbrennung  mittelst  einer  Parafftn-Lampe  entstanden 
sein  sollen.  Unter  den  Nates  sieht  man  an  der  Stelle  des  geschlossenen  Anus 
eine  röthliche,  glatte  Stelle,  nach  Art  einer  Narbe,  und  von  da  zieht  sich  nach 
vom  eine  nahtähnliche  Linie  hin.  Am  vorderen  und  unteren  Umfange  der  Becken- 
kngel  sitzt  ein  kleiner  perforirter  Penis  inmitten  einer,  mit  langem  schwarzem 
Haar  bedeckten  Stelle,  die  sich  ziemlich  weit  nach  rückwärts  fortzieht.  Hinter  dem 
Penis  eine  leichte  Vorwölbung,  dem  Scrotum  entsprechend,  jedoch  ohne  unter- 
scheidbaren Inhalt,  wie  denn  überhaupt  bei  tieferem  Andrücken  der  Hintergrund 
sich  weich  anfühlt.     Keine  Spur  einer  sonstigen  Oeffnung. 

Die  verhältnissmässig  langen  Oberextremitäten  sind  bis  zu  den  Pingerspitzen 
ausgebildet,  aber  sehr  mager  und  mit  allerlei  Abnormitäten  versehen.  Rechts  fehlt 
der  Daumen  und  das  Handgelenk  ist  gebogen ;  links  ist  die  Hand  verkrümmt  und 
der  Daumen  gegen  die  Hohlhand  gewendet.  Die  Unterextremitäten  haben,  wie  schon 
erwähnt,  noch  viel  stärkere  Abweichungen  erlitten.  Der  rechte  Fuss  hat  die 
Stellung  eines  Talipes  varus  und  besitzt  nur  3  Zehen.  Der  linke  ist  weniger  ver- 
krümmt und  vollkommen  entwickelt.  Sowohl  die  Ober-  als  die  Unterschenkel 
sind  dünn  und  atrophisch,  die  letzteren  auch  verkürzt  und  ihre  Muskulatur  fast 
ganz  defekt.    Die  Knien  stark  gebogen  und  anchylotisch;  die  Haut  der  Kniekehle 


1)  Der  Führer  hat  eine  ganz  gut  geschriebene  Erklärung  bei  sich:  An  interesting 
treatise  on  the  marvellous  Indian  boj  Laloo,  brought  to  this  country  bj  M.  D.  Pracis. 
Leicester.    Vgl.  auch  British  Med.  Joum.  1888.  No.  1417. 


(430) 

gespannt  und  in  einer  Palte,  fast  wie  eine  Scheide,  vortretend.  Die  Patella  sehr 
klein.    Auch  die  Htiftgegend  ist  flektirt  und  steif. 

In  der  Oberbauchgegend  geht  die  Haut  von  Laloo  ohne  Grenze  in  die  Haut 
des  Parasiten  über.  Der  Nabel  des  erstercn  liegt  unter  der  Vereinigung;  er  ist 
flach,  ganz  straff  und  von  einem  gewöhnlichen  Nabel  recht  verschieden.  Von 
ihm  bis  zum  Schwertfoi*tsatz  des  Brustbeins  von  Laloo  reicht  die  Vereinigung. 
Die  Verhältnisse  am  oberen  Umfange  derselben  sind  schwer  zu  bestimmen:  man 
fühlt  im  dem  Brustbein  von  Laloo  ein  breit  herabsteigendes  Knochenstück,  schein- 
bar einen  vergrösserten  Schw^ertfortsatz,  aber  bei  tieferem  Eindrücken  kommt  man 
dahinter  auf  einen  zweiten  flachen  Knochen,  der  nach  oben  hin  unter  dem  ersteren 
verschwindet.  Darnach  könnte  es  fast  scheinen,  als  ob  der  grössere  äussere 
Knochen  dem  Parasiten  angehört. 

Alle  äusseren  Theile  des  letzteren  sind  bewegungslos;  der  Wille  von  Laloo 
hat  keinen  anderen  Einfluss  auf  sie,  als  dass  sie,  wie  fremde  Körper,  hin  und  her 
geschoben  werden  können.  Dagegen  hat  die  Haut  überall  Gefühl.  Bei  Ent- 
blössung  röthen  sich  diese  Theile  sehr  schnell,  sie  werden  bläulich  und  erkalten 
alsbald,  weshalb  sie  in  der  Regel  bedeckt  getragen  werden.  Zu  diesem  Zwecke 
ist  eine  besondere  Kleidung  (Schuhe  und  Strümpfe,  Hosen  und  Aermeljacke)  für 
den  Parasiten  angeschafft,  in  welcher  derselbe  wie  ♦eine  grosse  Puppe  aussieht. 
Die  einzige  selbständige  Thätigkeit  des  Parasiten  äussert  sich  im  Harn  lassen, 
welches  ohne  deutliche  Empfindung  von  Seite  Laloo's  erfolgt,  meist  jedoch  mehr 
tropfenweise,  in  Form  eines  Stillicidium.  Daraus  scheint  hervorzugehen,  dass  der 
Parasit  eigene  Nieren  und  vielleicht  eigene  Blase  hat. 

Von  sonstigen  inneren  Theiten  lässt  sich  nur  mit  Wahrscheinlichkeit  die 
Existenz  eines  Darmstückes  vermuthen.  Man  fühlt  in  der  Gegend  oberhalb  der 
Genitalien  einen  Inhalt,  und  zwar  in  einer  Gegend,  die  gelegentlich  etwas  an- 
schwillt, so  dass  Laloo  um  dieselbe  eine  Art  von  Bruchband  anlegt,  um  das  Ein- 
treten von  Därmen  aus  der  gemeinsamen  Bauchhöhle  zu  verhindern.  Denn  man 
muss  sich  die  Einrichtung  der  letzteren  wohl  so  vorstellen,  wie  sie  in  einem  Prä- 
parat der  Sammlung  des  Pathologischen  Instituts  (Nr.  6065),  das  ich  vorzeige,  be- 
steht. 

Dieses  Präparat,  von  einem  Neugebornen  stammend,  ist  seiner  Zeit  unter  der 
I^eitung  von  Rudolphi  durch  Joannes  Wirtensohn  (Duonim  monstrorum  dupli- 
cium  humanorum  descriptio  anatomica.  Specimen  inaugurale.  Berol.  1825)  sehr 
sorgfältig  beschrieben  worden,  und  da  es  äusserlich  (Tab.  1)  unserem  Laloo  in 
höchstem  Maasse  ähnlich  ist*),  so  wird  man  wohl  annehmen  dürfen,  dass  auch  die 
inneren  Verhältnisse  im  Grossen  übereinstimmen.  Freilich  hat  in  diesem  Falle 
der  Parasit  ein  Rectum  mit  einem  offenen  Anus,  aber  die  Bauchhöhle  war  gemein- 
sam and  die  beiderseitigen  Dünndärme,  an  welche  sich  weiterhin  je  ein  Coecum 
mit  Proc.  vermiformis  anschloss,  vereinigten  sich  zu  einem  Divertikel,  welches  dem 
Nabel  ansass  (Tab.  II.  Fig.  3).  So  ungefähr,  jedoch  weniger  ausgebildet,  dürften 
auch  die  Verhältnisse  bei  Laloo's  Parasiten  sein. 

Ich  erwähne  kurz,  dass  in  dem  Falle  Ton  Wirtensohn  2  Lebern,  3  Nieren 
(2  einfache  und  eine  verschmolzene)  und  ebenso  3  Nebennieren,  sowie  3  Lungen 
vorhanden  waren.  Von  besonderem  Interesse  ist  aber  die  Einrichtung  des  Gefass- 
systems:  das  Herz  war  nicht  bloss  einfach,  sondern  auch  einkammerig,  selbst 
das  Septum  atriorum  fehlte  (Tab.  U.  Fig.  2);  dagegen  hatte  das  linke  Atrium  3  Herz- 

1)  Ein  anderer  ähnlicher  Fall  ist  in  einer  Dissertation  von  Bergholti  (Taf.  I)  ab- 
gehandelt 


(431) 

ohren.  Von  dem  Arcus  aortae  entsprang  eine  ungewöhnlich  grosse  Subclavia 
sinistra,  aus  dieser  eine  Mammaria  intema,  welche  bis  zu  dem  Schulterblatte  des 
Parasiten  fortging  und  die  Aorta  desselben  darstellt.  Letztere  gab  zunächst  2  Arterien 
für  die  Arme,  sodann  Aeste  für  die  Nebenniere  und  den  Dünndarm,  dann  eine 
A.  mesaraica  und  4  Aa.  renales,  dann  eine  A.  epigastrica  und  die  beiden  Aa.  iliacae, 
welche  wiederum  je  eine  A  hypogastrica  und  eine  A.  cruralis  lieferten.  Hunc  igitur 
in  modum  ex  arteriae  majoris  corporis  subclaviae  sinistrae  ramo,  mammariae  in- 
ternae  respondente,  totum  exoritur  corporis  accessorii  systema  arteriarum  (Wirten- 
sohn p.  15).  Der  Parasit  gehört  also  zu  der  sonderbaren  Gruppe  der  sogenannten 
Acardiaci,  der  Herzlosen,  und  zwar  zu  der  Unterabtheilung  der  Acephali,  der 
Kopflosen,  nur  dass  er  nicht,  wie  diese,  seine  Gefässe  aus  dem  Nabclstrang,  son- 
dern direkt  aus  einem  an  sich  regelmässigen  Ast  des  Körperarteriensystems  be- 
zieht. Unter  der  grossen  Zahl  der  Doppelmissbildungen  nimmt  er  eine  noch  viel 
mehr  hervorragende  Stellung  ein,  als  die  neulich  besprochenen  Xiphodymen. 

Der  Name  Heteradelphus  ist  182G  von  Geoffroy-St.  Hilaire  dem  Vater  auf- 
gestellt worden  (Isidore  G.  St.  Hilaire,  Hist.  des  anomalies  de  Torganisation  chez 
Thomme  et  les  animaux.  Paris  1836.  T.  HI  p.  215).  Ich  ziehe  denselben  der 
neueren  Bezeichnung  Dipygus  parasiticus  (Fr.  Ahlfeld,  Die  Missbildungen  des 
Menschen.  1.  Abschn.  Leipzig  1880.  S.  95)  nicht  bloss  aus  historischen  Grtnden 
vor,  sondern  auch  deshalb,  weil  die  neue  Bezeichnung  höchst  unvollkommen  den 
Zustand  ausdrückt,  der  uns  in  solchen  Fällen,  wie  der  von  Laloo,  entgegentritt. 

(28)    Eingegangene  Schriften. 

1.  Turner,  W.,  On  the  Placentation  of  the  Lemurs.    London  1876.  (Extr.  Phil. 

Trans.  Royal  Soc.) 

2.  Derselbe,  On  the  Placentation  of  the  Apes.    London  1878.    (Extr.  Phil.  Trans. 

Royal  Soc.) 

3.  Derselbe,  The  comparative  osteology  of  races  of  men  comprising  parts  XXIX 

and  XLVII  of  the  zoological   series  of  reports  of  the  scientific  results  of 
the  voyage  of  H.  M.  S.  Challenger.     Edinburgh  1884—1886. 

4.  Derselbe,   Address   to    the   anthropological  section  of  the  British  Association. 

London  1889. 

5.  Derselbe,  The  convolutions  of  the  brain.    London  1890.    (Extr.  Jour.  of  anat. 

and  phys.) 

6.  Derselbe,    The  cell  theory,    past  and  present.    Edinburgh  1890.     (Extr.  Jour. 

anat.  and  phys.) 

7.  Derselbe,    On  variability   in  human  structure.    (Extr.  Jour.  of  anat  and  phys. 

vol.  XXI.) 

8.  Derselbe,  Comparison  of  the  convolutions  of  the  seals  and  walrus  with  those 

of  the  Carnivora.     (Extr.  Jour.  of  anat.  and  phys.  vol.  XXII.) 

9.  Derselbe,  Two  masks  and  a  skull  from  islands  near  New  Guinea.    (Extr.  Jour. 

of  anat.  and  phys.  vol.  XIV.) 
Nr.  1     9  Gesch.  d.  Verf. 

10.  de  Baye,  J.,    Note    sur  des  epees  trouvees  en  Suede   et  en  Norwege.     Caen 

1890.    (Extr.  Bull.  Mon.)    Gesch.  d.  Verf. 

11.  Szombathy,  J.,  Die  Tumuli  von  Gemeinlebam.    Ausgegraben  von  A.  Dungel. 

Wien  1890.     (Sep.-Abdr.  Mitth.  prähist.  Comm.)    Gesch.  d.  Verf. 

12.  Schellhas,  P.,  Vergleichende  Studien  auf  dem  Felde  der  Maya-Alterthümer. 

Leiden  1890.    (Sep.-Abdr.  Internat.  Archiv)     Gesch.  d.  Verf. 


(432) 

13.  Milchhoefer,  A.,    Die  Anfange    der  Kunst   in    Griechenland.     Leipzig  188*^. 

Gesch.  d.  Verf. 

14.  Hamy,  E.  T.,   Anthropologie   du   Mexique.     I.  2.     Paris   1890.     Fol.     (Miss. 

scient.  au  Mexiqne.)     Gesch.  d.  Verf. 

15.  Heger,  F.,   Reisen   im  Kaukasus,   in  Transcaspien   und  Russisch-Turkestan. 

(Juni  bis  October  1890.)  Theilnahrae  am  VlII.  rassischen  Archäologen- 
Congress  in  Moskau.  Besuch  von  St.  Petersburg.  Wien  1890.  (Sep.- 
Abdr.  Ann.  k.  k.  Naturhist.  Hofmus.) 

16.  Derselbe,   Der   achte   russische  Archäologen-Congress   in  Moskau  1890.    Der 

achte  Congress  russischer  Naturforscher  und  Aerzte  in  St.  Petersburg  1890. 
Wien  1892.     (Sep.-Abdr.  Mitth.  Anthrop.  Ges.) 
Nr.  15  und  16  Gesch.  d.  Verf. 

17.  Petriceicu-Hasdeu,    B.,    Etymologicum    magnum    Komanae.      Dietionarul 

limbei  istorice  si  poporane  a  Romanilor,  Tom  1.  fasc.  1  —  4.  Bucuresci 
1885—1887.    gr.  8^ 

18.  Derselbe,    Etymologicum   magnum   Romaniae.    Dietionarul    limbei   istorice  si 

poporane  a  Romänilot,  Tom  II,  fasc.  1 — 3.     Bucuresci  1890.    gr.  8^ 
Nr.  17  und  18  Gesch.  v.  d.  rumän.  Acad. 

19.  Ernst,    A.,    Venezuelanische   Thongefässe   und   Thonfiguren.     Ixjiden    1890. 

(Sep.-Abdr.  Archiv  f.  Ethn.)    Gesch.  d.  Verf. 

20.  Culin,  St.,  The  Thing  or  „Patriotic  Rising".    (Sep.-Abdr.  Rep.  Proc.  Numism. 

Antiq.  Soc.  of  Philad.  1887—1889.)  Chinese  secret  societies  in  the  ü.  S. 
(Sep.-Abdr.  Journal  Americ.  Folk-lore,  Peb.-March  1890.)  Custoros  of 
Chinese  in  America.  (Sep.-Abdr.  Journal  Americ.  Folk-lore,  Juli-Sept 
1890.)  Philad.  1887—1890.     Gesch.  d.  Verf. 

21.  Boas,  F.,    Physical    characteristics  of  the  Indians  of  the  North  PaciAc  coast. 

(Sep.-Abdr.  Americ.  Anthrop.,  Jan.  1891.)    Gesch.  d.  Verf. 

22.  Treichel,  A.,  Handwerks-Ansprachen.     Königsberg  i.  Pr.  1890.     (Sep.-Abdr. 

Altpr.  Monatsschr.) 

23.  Derselbe.     Recension    über    „Was   auf  märkischer    Haide   spriesst**,    von    E. 

Handtmann. 

Nr.  22  und  23  Gesch.  d.  Verf. 

24.  Holm,  G.,    Bidrag   til  Kjendskabet   om  Eskimoernes  Herkomst.     Kjöbenhavn 

1891.     (Sep.-Abdr.  Geogr.  Tidskr.)    Gesch.  d.  Verf. 

25.  Powell,  J.  W.,  Report,  Annual,  of  the  U.  S.  geological  survey  to  the  secre- 

tary  of  the  interior  1887/88.     Washington  1890.     Gesch.  der  Smiths.  Inst. 

26.  Tit  Bits,  Chinese.    Shanghai.     Gesch.  v.  Hrn.  Mies. 

27.  Stokvis,  B.  J.,    üeber  vergleichende  Rassenpathologie.    Berlin  1890.     (Sep. 

Abdr.  Vcrhandl.  d.  X.  internat.  med.  Congr.)    Gesch.  v.  Hrn.  R.  Virchow. 

28.  Orsi,  P.,    Urne   funebri    cretesi   dipinte   nello    stile  di  Micenc.     Roma  1890. 

(Estr.  Mon.  ant.)     Gesch.  d.  Verf. 
20.    V.  Radimsky  und  Szombathy,  J.,   Urgeschichtliche   Forschungen   der  Um- 
gegend   von  Wies  in  Mittel-Steiermark.     Wien  1891.     (11.  u.  HI.  Bericht 
Grabungen  Jahre  1881  —  1883.    IV.  Schlussbemerkungen.)    Gesch.  d.  Verf. 

30.  Ploss,  H.,  Das  Weib  in  der  Natur-  und  Völkerkunde.     Dritte  Aufl.    Heraus- 

gegeben von  M.     Bartels.     Leipzig  1891.     Gesch.  d.  Herausg. 

31.  Staudinger,  P.,  Im  Herzen  der  Haussaländer.    Berlin  1889.    Gesch.  d.  Verf. 

32.  Terry,  J.,  Sculptured  anthropoid  ape  heads.    New  York  1891.    Gesch.  d.  Verf. 

33.  Borsari,  F.,  Etnologia  Italica.     Napoli  1891.     Gesch.  v.  Verf. 


Sitzung  vom  30.  Mai  1891. 
Vorsitzender  Hr.  Virchow. 

(1)  Wiederum  ist  die  Gesellschaft  durch  mehrere  sehr  bedauemswerthe  Todes- 
fälle betroffen  worden.  Es  starben  das  correspondirende  Mitglied  Richard  Seh o m- 
burgk  zu  Adelaide,  80  Jahre  alt,  seit  1865  Leiter  des  botanischen  Gartens  der 
Regierung,  am  24.  März,  ferner  das  ordentliche  Mitglied  Amtsgerichtsrath  Niendorf 
in  Berlin  und  das  lebenslängliche  Mitglied  L.  Sokolowski  zu  Wreschen. 

(2)  Am  20.  April  starb  in  seinem  64.  Lebensjahre  Prof.  Dr.  Handelmann  in 
Kiel,  seit  1866  Konservator  der  schleswig-holsteinschen  Alterthümer,  einer  unserer 
treuen  Mitarbeiter.  18  Jahre  hat  er  die  Direktion  des  archäologischen  Museums 
in  Kiel  geführt.  Zahlreiche  Arbeiten  geben  Zeugniss  von  seiner  ausgedehnten 
Kenntniss  der  historischen  und  prähistorischen  Thatsachen  seiner  Provinz. 

(3)  Hr.  Dr.  Tischler  in  Königsberg  ist  leider  von  Neuem  so  schwer  erkrankt, 
dass  er  die  Geschäfte  der  diesjährigen  Generalversammlung  zu  Königsberg  nicht 
zu  leiten  im  Stande  ist.  Da  auch  Dr.  Bujack,  der  Direktor  des  Prussia-Museums, 
vor  Kurzem,  verstorben  ist,  so  hat  der  Vorstand  der  deutschen  anthropologischen 
Gesellschaft  dem  Wunsche  des  Hrn.  Tischler,  für  diesmal  von  der  Abhaltung 
der  Generalversammlung  in  Königsberg  Abstand  zu  nehmen,  nachgegeben  und  sich 
entschlossen,  die  freundliche  Einladung  der  naturforschenden  Gesellschaft  in  Danzig 
anzunehmen  und  die  Generalversammlung  nach  Danzig  einzuberufen. 
Der  Entwurf  des  Programms  wird  vorgelegt. 

(4)  Der  stellvertretende  Vorsitzende  Hr.  Beyrich  hat  am  18.  Mai  in  grosser 
Verborgenheit  sein  50  jähriges  Dienstjubiläum  begangen.  Da  er  sich  alle  Ovationen 
verbeten  hatte,  so  widmet  ihm  der  Voraitzende  nunmehr  theilnehmende  Worte 
ehrender  Anerkennung  und  herzlichsten  Dankes  für  seine  treuen  und  langen  Dienste. 

(5)  Hr.  Bastian  ist  glücklich  von  seiner  langen  und  beschwerlichen  For- 
schungsreise zurückgekehrt,  wünscht  sich  aber  vorläufig  noch  der  Theilnahme  an 
den  Geschäften  der  Gesellschaft  zu  enthalten. 

(6)  Hr.  F.  Ja  gor  berichtet  in  einem  Briefe  an  den  Vorsitzenden  aus  Rangun 
vom  16.  April  über  den  ferneren  Verlauf  seiner  Reise  und  über  zahlreiche  wissen- 
schaftliche Anknüpfungen  mit  Gelehrten  in  Indien. 

(7)  Als  neues  Mitglied  wird  Hr.  Schriftsteller  Paul  Hirschfeld  zu  Berlin  an- 
gemeldet. 

(8)  Als  Gäste  sind  in  der  Sitzung  anwesend  die  Herren  Dr.  Bardaz  aus 
Wien  und  Dr.  Chantre  von  Paris. 

Verhandl.  der  Berl.  AothropoL  Gesellschaft  1891.  28 


(434) 

(9)  Seine  Majestät  der  Kaiser  hat  mittelst  Allerhöchsten  Erlasses  yora 
13.  April  die  Mitglieder  der  Sachverständigen-Commissionen  für  die  König!. 
Museen  für  die  Periode  bis  zum  31.  März  1894  zu  ernennen  geruht.  Damach 
besteht: 

1)  die  Commission  für  die  ethnologische  Abtheilung  des  Museums  für  Völker- 
kunde aus  den  Herren  Bastian,  R.  Virchow,  F.  Jagor,  W.  Reiss  und 
Freiherr  von  Richthofen  als  Mitgliedern,  Wetzstein,  R.  Hartmann, 
M.  Bartels,  W.  Joest  und  R.  Künne  als  Stellvertretern; 

2)  die  Commission  für  die  yorgeschichtliche  Abtheilung  desselben  Museums 
aus  den  Herren  Voss,  R.  Virchow  und  W.  Schwartz  als  Mitgliedern, 
M.  Bartels,  v.  Kaufmann  und  A.  v.  Heyden  als  Stellvertretern. 

(10)  Es  stehen  folgende  Congresse  und  Jahresversammlungen  in  Aus- 
sicht: 

1)  der  Societe  helvctique  des  sciences  naturelles  zwischen  19.  bis 
21.  August  zu  Freiburg. 

2)  der  Gesellschaft  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  zu  Halle 
mit  einer  anthropologisch-ethnologischen  Section  am    21. —  25.  September. 

3)  des  II.  internationalen  Congresses  für  Folk-Lore  am  1. — 7.  October 
in  London. 

(11)  Die  Kaiserliche  Gesellschaft  der  Freunde  der  Naturwissen- 
schaften, der  Anthropologie  und  Ethnographie  zu  Moskau  hat  am 
22.  September  1890  eine  neue  Section  für  Geographie  unter  Vorsitz  des  Prof. 
Dr.  Anutschin  gebildet  und  bittet  um  gegenseitigen  Austausch  der  Gesellschafls- 
schriften. 

(12)  Die  spanische  Regierung  beabsichtigt,  zu  der  400jähngen  Jubel- 
feier von  Columbus  eine  Ausstellung  in  Madrid  von  allen  Gegenständen  zu 
veranstalten,  welche  geeignet  sind,  die  verschiedenen  Entwickelungsphasen  des 
amerikanischen  Volkes  seit  Entdeckung  des  neuen  Continents  zur  Anschauung  zu 
bringen.  Seitens  des  spanischen  Botschafters  Conde  de  Banuelos  ist  zur  Förde- 
rung dieser  Angelegenheit  in  Berlin  ein  Comite  niedergesetzt  worden,  dessen  Prä- 
sident der  Botschafter  selbst,  dessen  Vicepräsident  Hr.  Virchow  ist. 


(13)  Das  Kaiserl.  hydrographische  Amt  hat  mit  Schreiben  vom  1. 
ein  Exemplar  des  Werkes  über  die  Forschungsreise  S.  M.  S.  Gazelle  al« 
Geschenk  der  Gesellschaft  übersendet,  dessen  anthropologischen  Theil  Hr.  R  Hart- 
mann bearbeitet  hat. 

Der  Vorsitzende  spricht  dafür  den  Dank  der  Gesellschaft  aus. 

(14)  Seitens  des  Hrn.  Unterrichtsministers  sind  mehrere  Berichte  über 
neuere  Aiterthumsfunde  für  die  Nachrichten  eingegangen.  Der  neue  Hr.  Cnter- 
richtsminister  bringt  der  anthropologischen  Wissenschaft  grosses  Interesse  entgegen. 

(15)  Fräulein  F.  Lemke  berichtet  aus  Rombitten,  1.  Mai  über 

die  ostprenssischen  Lippowaner. 

Nachstehendes  entnehme  ich  der  Mohrunger  Kreis-Zeitung  (zugleich  Amtliches 
Rii'isblatt)  Xr.  48,    vom  23.  April  d.  J.     „In    einer  Waldblösse  der  JohannisbuiKer 


(435) 

Porst,  einer  der  bedeutendsten  Waldungen  des  preussischen  Staates,  liegen  zwei 
ansehnliche  Dörfer,  welche  sich  von  den  sehr  ärmlichen  Dörfern  Masurens  vor- 
theilhaft  unterscheiden.  Auch  die  Bewohner  dieser  Dörfer  unterscheiden  sich 
wesentlich  von  den  meist  kleinen,  unansehnlichen  und  dem  Trünke  ergebenen 
Masuren.  Es  sind  dies  die  sogenannten  Pilipponen  oder  Lippowaner.  Woher  ihr 
Name  kommt,  ist  mit  Sicherheit  nicht  anzugeben.  Ihrer  Abstammung  nach  sind 
sie  Russen,  ihrer  Religion  nach  Raskolniken  (raskolniki  =  Abtrünnige,  Ketzer,  von 
raskol  =  Kirchenspaltung)  der  griechisch-orthodoxen  Kirche  Russlands.  Wahrschein- 
lich ist,  dass  die  Lippowaner  Ende  des  18.  Jahrhunderts  aus  Russland  vertrieben 
worden  sind  und  dass  ein  Theil  derselben  hier  eine  Colonie  gegründet  hat.  Die 
Pilipponen  scheeren  weder  Haupt-  noch  Barthaar;  sie  geniessen  nlr  gewisse  Speisen, 
auch  ist  ihnen  der  Genuss  von  Branntwein  und  Wein  untersagt.  Sie  bewahren, 
was  sich  schon  durch  Beibehaltung  der  altherkömmlichen  Tracht  verräth,  eine 
strenge  Zurtlckgezogenheit.  Sie  zeichnen  sich  vor  den  Masuren  durch  Pleiss  und 
Ordnungsliebe  aus,  sind  aber  z.  Th.  sehr  fanatisch  und  abergläubisch  und  hegen 
auf  Grund  missverstandener  Bibelsiellen  eine  grosse  Verachtung  gegen  das  irdische 
Leben,  was  viele  Selbstmorde  zur  Polge  hat.  Schlank,  stattlich,  dunkelbärtig,  mit 
regelmässigen,  oft  sogar  schönen  Gesichtszügen,  gehen  die  Lippowaner  langsam, 
würdevoll  einher.  Sie  tragen  fast  gleichmässig  einen  langen  blauen  Rock  und 
eine  spitze  graue  Mütze,  welche  ihre  hohen  Gestalten  noch  grösser  erscheinen 
lässt.  Sic  zeigen  ausserordentliche  Energie,  Andersgläubige  zum  übertritt  zu 
ihrem  Glauben  zu  bewegen.  Der  Uebertretende  wird  aber  vorher  vielen  und  z.  Th. 
schweren  Prüfungen  unterworfen.  Im  Uebrigen  ist  das  innere  Wesen  dieser  höchst 
merkwürdigen  Sekte  zum  grossen  Theilc  unbekannt,  da  sie  Andersgläubigen  den 
Zutritt  zu  ihren  Andachten  nicht  gestatten.  Ihre  Religionsvorschriften  sind  meist 
geschrieben." 

(16)  Präulein  E.  Lemke  berichtet  aus  Rombitten,  1.  Mai,  über 

Bandweben  in  Ostprenssen. 

Die  mehrfach  in  diesen  Verhandlungen  erwähnten  Geräthschaften  zum  Band- 
weben traf  ich  auch  im  Kreise  Neidenburg,  Ostpreussen,  an.  Das  Webebrett,  in 
welchem  die  Aufzug-Päden  abwechselnd  durch  lange  schmale  Einschnitte  und 
durch  kleine  runde  Löcher  geführt  sind,  heisst  daselbst  „Leiterchen"  oder  „drapka". 
Der  Einschlag-Paden  befindet  sich  auf  dem  „Schiffchen"  oder  „kliszka".  Die 
Aufzug-Päden  sind  auf  den  „Stock"  oder  „ky"  gewickelt,  der  beim  Weben  am 
Penster  befestigt  wird.  Ein  abwechselndes  Heben  und  Senken  des  Webebrettes 
ermöglicht  verschiedene  Lage  der  Aufzug-Päden,  deren  Zahl  bei  dem  „Band"  oder 
„schnurrek"  gewöhnlich  16  beträgt.  Zuweilen  sind  die  Geräthschaften  zierlich  ge- 
schmückt, z.  B.  das  Webebrett  durch  eingeschnittene  Piguren,  etwa  Herz  und  Stern. 

(17)  Hr.  Ernst  H.  L.  Krause  in  Kiel  berichtigt  unter  dem  23.  April  eine  frühere 

Mittheilung  über  die 

Weihnachtsbäume. 

Mein  Vater  macht  mich  darauf  aufmerksam,  dass  in  meiner  Mittheilung,  betr. 
den  Weihnachtsbaum  (Verhandl.  1890.  S.  606)  ein  Irrthum  steckt.  Der  Martini- 
baum gehört  nicht  nach  Göttingen,  sondern  nach  Bfeld  (1837 — 1841)  also  nach 
Thüringen. 

28* 


(436) 

(18)  Hr.  P.  Blumentritt  übersendet  aus  Leitmeritz  (Böhmen),    14.  Mai,    fol- 
gende Notizen  über 

Eingebome  der  Philippinen. 

1)  Die  Atas  von  Süd-Luzon. 
Den  Namen  Ata  führen  meist  Negritos;  in  den  Provinzen  Camarines  Norte, 
Camarines  Sur  und  Albay  hat  er  aber  die  Bedeutung  von  „Wilde"  angenommen, 
denn  er  wird  auf  alle  Bergstämme  ohne  Rücksicht  auf  deren  Rassenzugehörigkeit 
angewendet  Insbesondere  nennt  man  so:  1)  die  aus  einer  Kreuzung  der  Bicols 
mit  Negritos  entstandenen  und  mehr  zu  den  letzteren,  als  zu  den  ersteren,  gehörigen 
Heiden  der  Provinz  Camarines  Sur;  2)  jene  Negritos,  welche  in  der  Nähe  der 
warmen  Quellen« von  Tivi  in  der  Provinz  Albay  hausen.  Auch  diese  Negritos 
sind  kein  Vollblut,  sondern  mit  Bicols  gekreuzt,  wie  sich  dies  schon  aus  ihrem 
kräftigeren  Körperbau  und  dem  minder  wolligen  oder  gekräuselten  Haare  ergiebt. 
Während  alle  übrigen  Negritos  entweder  ausschliesslich  oder  vorwiegend  von  der 
Jagd  leben,  bildet  bei  den  Atas  von  Tivi  die  Jagd  nur  einen  Nebenerwerb,  da  sie 
hauptsächlich  von  dem  Ertrage  ihrer  Felder  leben;  bemerkenswerth  ist,  dass  sie 
auch  Cacao  bauen,  also  eine  Frucht,  welche  einer  besonderen  Pflege  bedarf. 

2)   Ilocanischer  Hochzeitsbrauch. 

Die  Eltern  der  Brautleute  oder  vielmehr  deren  respective  Väter  stellen  den 
Ehevertrag  zusammen;  es  kommt  nicht  selten  vor,  dass  erst  kurz  vor  der  Trauung 
die  Brautleute  sich  kennen  lernen.  Die  Verlobung  —  Patiam  in  ihrer  Sprache  — 
wird  öfiTentlich  bekannt  gemacht  und  der  Tag  der  kirchlichen  Trauung  (denn  die 
Ilocanen  sind,  wie  alle  Küstenbewohner  der  Insel  Luzön,  Katholiken)  angesetzt 
Reich  und  Arm  eilt  nun  herbei,  um  den  Brautleuten  Glück  zu  wünschen,  wobei 
jedes  ein  Geldgeschenk  mitbringt  Diese  .Gabe  soll  nicht  nur  als  Entschädi- 
gung für  die  Bewirthung  des  Gratulanten,  sondern  auch  als  Ersatz  für  die 
Kosten  des  splendiden  Hochzeitsfestes  dienen,  welche  der  Vater  des  Bräutigams 
aus  seiner  Tasche  zu  begleichen  hat  Jede  Gabe  wird  in  eine  Liste  eingetragen 
und  diese  bei  der  Hochzeitstafel  öffentlich  verlesen.  Von  der  Kirche  bewegt  sich 
unter  dem  feierlichen  Geläute  der  Glocken  und  den  Klängen  einer  Musikkapelle 
der  Brautzug  in  das  Haus,  welches  die  Neuvermählten  bewohnen  sollen.  Hier 
nehmen  die  Elternpaare  Braut  und  Bräutigam  bei  der  Hand  und  führen  sie  zu 
einem  Hausaltar,  vor  welchem  unter  Musikbegleitung  das  Te  Deum  laudamns 
gesungen  wird,  worauf  die  jungen  Elheleute  ihren  Eltern,  den  greisen  und  vor^ 
nehrasten  Gästen  die  Hand  küsssen.  Das  Ehepaar  setzt  sich  vor  dem  Altare  nieder 
und  während  die  älteren  Gäste  die  Mutter  der  jungen  Frau,  besonders  durch  Dar- 
reichen von  Reiswein  (Basi),  zu  trösten  suchen,  tanzt  die  Jugend  den  philippini- 
schen Nationaltanz  Cundiman,  wobei  ein  Paar  das  andere  ablöst  Meist  pflegt 
ein  alter  Mann  eine  (spanische)  Guitarre  zu  nehmen  und  singt  dann  Volkslieder, 
wobei  das  Brautpaar  imd  die  Gäste  mitsingen.  Mit  einer  grossen  Schmauserei 
nimmt  das  Fest  ein  Ende.  — 

(19)  Hr.  Otto  Hertz  hat  dem  Vorsitzenden  aus  St  Petersburg  anter  dem 
30.  April  folgenden  Brief  übersendet,  betrefifend 

Schädelmessongen  an  Tangnsen. 

„Leider  konnte  ich  nur  wenige  Messungen  vornehmen,  da  sich  die  Tongosea 
stets  sträubten,  solche  Manipulationen  mit  sich  machen  zu  lassen,  daher  nur  diese 
geringe  Anzahl. 


(437) 


Etwa  1500  Werst  nordwestlich  von  Jakntsk,  unmittelbar  am  Ufer  des  Vilui, 
traf  ich  die  ersten  Tungusen-Jurten  und  zieht  sich  das  Gebiet  dieser  Vilui-Tungusen 
noch  1200  Werst  westlich  und  16U0  Werst  nördlich  dahin.  Südlich  vom  Vilui 
sind  seltener  Nomaden  anzutreffen.  Die  Plusslänge  des  Vilui  schätze  ich  auf 
2800  Werst.  Die  Anzahl  der  im  Kreise  Viluisk,  Gouvernement  Jakutsk,  befindlichen 
Tungusen  kann  auf  10— 12  0(H)  geschätzt  werden  und  halten  sie  sich  von  den  auf 
68  000  geschätzten  Jakuten  ganz  separirt.  Weiterhin  am  ochotskischen  Meer  traf 
ich  auf  andere  Tungusenstämme,  welche  mir  von  den  Vilui-Tungusen  verschieden 
schienen.  Während  ich  die  letzteren  für  tatarisch-mongolischen  Ursprunges  halte, 
sind  die  Tungusen  am  ochotskischen  Meere  sicher  reine  Mongolen. 

Die  nachstehenden  Messungen  beziehen  sichauf  die  oben  bezeichneten  nomadi- 
sirenden  Tungusen  auf  dem  linken  Ufer  des  Vilui: 


Geschlecht 

Mann 

Mann 

Frau 

Frau 

Knabe 

Mädchen 

Mann 

Mann 

Jüngling 

Mann 

Mann 

Mflfiii 

Mann 

Mann . 

Frau 

Jüngling 

Mftdchen     

Knabe 

Knabe     

Mann 

Mädchen 

Knabe « 

Mädchen 

Knabe 

Frau 

Frau 

Frau 

Mann 

Mann 

Mann .         .... 


Alter 

in 

^Fahren 

29 
28 
26 
76 
15 
19 
69 
39 
18 
25 
80 
60 
22 
26 
80 
16 
11 
8 

87 
16 
9 
13 
15 
32 
25 
50 
65 
42 
40 


Schädel- 
umfaDg 

590 
580 
675 
570 
585 
655 
546 
565 
650 
566 
670 
570 
660 
670 
565 
540 
580 
680 
600 
575 
540 
530 
526 
580 
560 
550 
646 
590 
680 
586 


Schädel- 
wölbung 


380 
300 
810 
295 
810 
296 
296 
310 
286 
270 
296 
280 
290 
290 
266 
266 
285 
265 
280 
295 
800 
275 
270 
260 
280 
296 
265 
800 
290 
800 


Gesichts- 
länge 

166 
160 
160 
165 
140 
145 
160 
180 
160 
150 
160 
160 
155 
186 
160 
160 
165 
180 
110 
165 
140 
150 
130 
150 
155 
160 
160 
170 
175 
180 


(438) 

(20)   Freih.  R.  von  Stoltzenberg  schickt  unter  dem  11.  Mai  aus  Luttmersen 
bei  Neustadt,  Hannover,  folgende  Mittheilung: 

Die  WiederanfflDduDg  des  Römercastelles  (Munitium)  im  Lande  der  Chauken. 

Schliemann   ist   todt,    er  hat   als   archäologisch -historischer  Forscher   den 
deutschen  Namen  zu  hohen  Ehren  gebracht.    Die  Geheinmisse  und  Schätze,  die  er 
der  Erde  entrissen,  haben  die  Welt  staunen  gemacht  über  die  scharfsinnige  Com- 
bination   dieses  Forschers.    Im  Auslande   sind   wir  Deutschen   gross,   im   eigenen 
Vaterlande  sind  wir  als  Forscher  klein     Was  unser  Boden  birgt,   das  wissen  wir 
nicht,   da  Bücher  lesende  und  Bücher  schreibende  Schriftsteller  und  Gelehrte  mit 
ihren  Hypothesen   und  Combinationen   unseren  historischen  Horizont  so  veifinstert 
haben,   dass   wir   die   einfachsten   und   klarsten  Dinge  in  ihrer  wirklichen  Gestalt 
nicht  mehr  zu  erkennen  vermögen.    Die  römisch-germanische  Geschichte  in  Nord- 
westdeutschland, soweit  wir  dieselbe  aus  den  Spuren  erkennen  können,  welche  die 
römischen  Heere  und  die  römische  Herrschaft   dort  zurückgelassen,   liegt  in  einer 
Weise   im  Argen,   die  der  deutschen  Forschung  auf  vaterländischem  Boden  keine 
Ruhmessäulen  setzen  lässt.    Zu  Ende  der  sechziger  Jahre  hat  ein  klar  denkender, 
genialer  Forscher   mit  Ausdauer  und  Fleiss,   mit  Grabscheit,    mit  Zeichenstift  und 
Maassstab  begonnen,  auf  diesem  Gebiete  ein  Werk  zu  schaffen,  das  er  leider  nicht 
vollenden  sollte.    Das  Schlachtfeld  von  Wörth,  auf  dem  die  wiedererstandene  ger- 
manische Kraft   dem  gallischen  Romanismus  die  erste  tiefe  Wunde  schlug,    sollte 
ihn   unter  seine  Todten   zählen.    Dem   dort  gefallenen  Hauptmann  Hölzermann 
verdanken  wir  die  erste  systematische  Klarlegung  der  ungeschriebenen  Blätter  aus 
dem   römisch-germanischen    Kriege  Nordwestdeutschlands;    seine  Arbeit  und   sein 
Schaffen   ist   bahnbrechend  gewesen   für  die  Kenntniss  der  Heerzüge  des  Drusus 
und  Germanicus   im   Lande   der  alten  Brukterer,   dem  Thale   der  Lippe   entlang. 
Die  Absicht  Holze rmann^s,    die  Forschungen   im  Gebiete   der  Ems   und  Haase 
im   Lande   der   alten  Chauken    fortzusetzen,    wurde   durch   den   Krieg   von    1870 
unterbrochen.      Seine    Arbeiten,    die    der    historische   Verein    für   Münster    und 
Westfalen   mit  Staatsbeihülfe   herausgegeben   hat,    hat   man   versucht  anzugreifen 
und   in   ihrer  thatsächlichen  Bedeutung   herunterzusetzen.     Dass   einzelne  neben- 
sächliche   Auffassungen    Hölzermann^s    sich    durch    spätere    Forschungen    als 
nicht   berechtigt   erwiesen   haben,   ist   bei   dem  grossen  Werthe   seiner  Arbeiten 
ganz   ohne  Bedeutung;   die   weitere  Forschung  und  die  eigene  Herausgabe  seiner 
Arbeiten   würden  ihn   selbst   zu  dieser  Einsicht  geführt  haben.    Er  steht  als  For- 
scher auf  dem  Gebiete  der  römisch-germanischen  Feldzüge  unerreicht  da,    weil  er 
nicht  mit  den  römischen  und  griechischen  Geschichtsquellen  in  der  Hand  die  nord- 
westdeutschen Gauen  durchzog,  um  neue  historische  Probleme  aufzustellen,  sondern 
sich  als  Forscher  damit  begnügte,  das,  was  Spaten,  Hammer  und  Kelle  zu  kriege- 
rischen Zwecken   einst  geschaffen,   in  seinen  jetzt  noch  vorhandenen  Resten  fest- 
zulegen und  von  diesen  Grundlagen  aus  Verständniss  für  die  geschriebenen  Quellen 
zu  gewinnen. 

Von  diesem  Boden  der  Forschung  den  Haasa-  und  Emsgau,  das  Land  an  der 
Hunte  bis  zur  Weser,  das  einst  von  dem  Volke  der  Chauken  besiedelt  war,  in 
gleicher  Weise  zu  untersuchen,  wie  es  Hölzermann  mit  dem  Limdstrich  an  der 
Lippe  gelungen  war,  das  war  eine  hochinteressante  Aufgabe,  um  so  mehr,  da 
die  bedeutenden  Forschungen  des  Kammerherm  von  Alten  auf  oldenburgischem 
Gebiete  gezeigt  hatten,  wie  im  Chaukenlande  auf  Schritt  und  Tritt  kennbare 
Spuren  der  Römer  vorhanden  sind.  50  Jahre  war  das  Land  der  Chauken  und 
Friesen    römische  Provinz   gewesen.    Die  Periode   der   deutschen  Erhebung  unter 


(439) 

Armin  hatte  das  Chaukenvolk  und  seine  von  römischen  Bollwerken  beschützten 
Grenzen  unberührt  gelassen,  und  als  die  Römer  in  der  Mitte  des  ersten  Jahrhun- 
derts ihre  Legionen  aus  Nieder-Germanien,  den  Gebieten  am  rechten  Rheinufer, 
zurück  beriefen,  um  der  damals  gefürchteten  Erhebung  der  Völker  zuvorzukommen, 
da  blieben  diese  Lande  noch  Jahrhunderte  hindurch  in  einer  Art  von  Bundes- 
genossenverhältniss  und  im  engen  Wechsel  verkehr  mit  Rom,  wovon  die  massen- 
haften Münzfunde  aus  der  späteren  Kaiserzeit,  die  fortwährend  in  diesen  Gegenden 
gemacht  werden,  Zeugniss  ablegen.  Hier  ist  also  ein  Gebiet,  auf  dem  die  ge- 
schichtliche Forschung  noch  reiche  Ernten  sammeln  konnte. 

Von  dieser  Ueberzeugung  getrieben,  kam  der  Schreiber  dieses  dazu,  vor  einem 
Decennium  beim  Landesdirektorium  in  Hannover  vorstellig  zu  werden,  die  Arbeiten 
in  der  Weise,  wie  sie  Hölzermann  begonnen,  in  den  westlichen  Landestheilen 
der  Provinz  Hannover  durch  geeignete  Kräfte  aus  Provincialmitteln  fortführen  zu 
lassen.  Der  genialen  Einsicht  des  jetzigen  Oberpräsidenten,  damaligen  Landes- 
direktors, Hrn.  von  Bennigsen  ist  es  zu  danken,  dass  diesem  Antrage  Folge  ge- 
geben wurde.  Dem  Vorstande  des  historischen  Vereins  für  Niedersachsen  ist  es 
übertragen,  diese  Aufgabe  zur  Durchführung  zu  bringen.  Derselbe  hat  dem  General 
von  Oppermann  die  Special-Aufmessungen  übei^geben. 

Die  von  Hölzermann  angestrebte  und  von  dem  Antragsteller  weiter  vertretene 
Idee,  zunächst  alle  Reste  von  Befestigungen  und  Heerwegen,  die  dem  römischen 
Zeitalter  angehören,  festzulegen,  hätte  ein  langsames  Vorgehen  von  der  Westgrenze 
der  Provinz  nach  Osten  zur  Folge  haben  müssen.  Man  musste  diese  Reste,  inso- 
fern sie  dem  Zusammenhange  nach  auf  römischen  Ursprung  schliessen  Hessen,  in 
diesen  Gebieten  festlegen,  um  sie  von  den  altgermanischen,  fränkischen  und  mittel- 
alterlichen Erd-   und  Befestigungs werken    zu  trennen. 

Die  Erforschung  des  einschneidenden  Oldenburger  Gebietes,  soweit  dies  nicht 
bereits  von  Oldenburgern  geschehen,  war  eine  zweite  l<Vage.  Leider  hat.der  histori- 
sche Verein  für  Niedersachsen  für  ein  derartiges  systematisches  Vorgehen  keine 
Neigung  gezeigt.  Die  von  General  von  Oppermann  durchgeführten  Aufnahmen 
alter  Befestigungen  reichen  von  der  Oker  bis  zur  Ems,  dem  Wiehengebirge  und 
Süntel  entlang.  Die  Forschungen  auf  diesem  Gebiete  haben  uns  nun  abermals  mit 
einem  nordwestdeutschen  Wehrsystem  bereichert.  Der  Kritik  über  die  Berechti- 
gung dieser  Ansicht  wollen  wir  hier  keinen  Raum  geben.  Der  Herr  General  vertritt 
in  seiner  Forschung  den  Standpunkt  des  Hrn.  Prof.  Knoke,  über  dessen  vermeint- 
liche Entdeckungen  auf  dem  Gebiete  der  römisch-germanischen  Kriege  bereits  zur 
Tagesordnung  übergegangen  ist.  Mochten  über  die  Richtigkeit  dieses  Urtheils  noch 
Zweifel  obwalten,  so  ist  die  neueste  Entdeckung,  dass  die  W^ittekindsburg  bei 
RuUe,  wenige  Kilometer  von  Osnabrück,  nicht  der  Stammsitz  des  Herzogs  Wittekind, 
sondern  das  grösste  und  stolzeste  römische  Oastrum  war,  das  zwischen  Rhein  und 
Elbe  erbaut  ist,  dazu  geeignet,  diesem  Zweifel  ein  Ehide  zu  machen.  Nur  wenige 
solcher  Festen  haben  die  Römer  auf  germanischem  Boden  erbaut.  Es  fehlte 
ihnen  an  Zeit,  an  Kraft  und  an  Müsse,  in  Germanien  Bauwerke  aufzuführen,  zu 
deren  Vollendung  eine  Reihe  von  Jahren  nothwendig  war.  Alle  übrigen  Befesti- 
gungswerke, denen  wir  in  Nord  Westdeutschland  begegnen,  sind  Erd  werke,  deren 
Wälle  durch  Benutzung  von  Faschinen  fast  senkrecht  steil  erbaut,  sturmfrei  ge- 
macht werden  konnten.  Auch  das  Fort  Aliso  an  der  Lippe,  das  zum  erstenmal 
von  Drusus,  zum  zweitenmal  von  Germanicus  erbaut  wurde,  konnte  der  nachweis- 
lich kurzen  Bauzeit  wegen  nur  ein  solches  Erdwerk  sein.  Aber  die  vielen  Erd- 
wälle, die  einst  der  römische  Spaten  gegraben,  wer  kennt  ihren  Ursprung? 
Nach  2000  Jahren  hat  der  atmosphärische  Staub  die  Gräben  geftillt  und  die  Wälle 


(440) 

sind  verwaschen  durch  die  Wassermassen,  welche  die  Wolken  in  den  Jahrtausenden 
über  den  Erdboden  ausgeschüttet.  Bei  der  Bui^  zu  Rulle  endet  dieser  Streit,  wir 
haben  die  Formen,  wir  haben  das  Mauerwerk  vor  uns,  wie  sie  die  Castelle  am 
Rhein  in  ihren  Ausgrabungen  uns  zeigen  und  vorführen.  Und  weshalb  hat  es  so 
lange  gedaueil;,  dass  dieses  römische  Castell,  das  gleichsam  unter  den  Mauern 
von  Osnabrück  liegt,  nicht  als  solches  erkannt  ist,  zumal,  da  eine  Reihe  von 
Erdbefestigungen  im  Lande  der  Chauken  vorhanden  ist,  die  unter  denselben  Be- 
dingungen erbaut,  gleiche  Formen,  gleiche  Verhältnisse  zeigen?  Der  wahre  Grund 
für  die  Verkennung  der  Dinge  und  für  die  Verkennung  des  römischen  Ursprunges 
als  solchen  ist  wohl  darin  zu  suchen,  dass  wir  Römercastelle  und  deutsche  Volks- 
burgen in  der  innigsten  Vereinigung  finden.  Die  Befestigungen  der  Römer  im 
Lande  der  Chauken,  die  im  Süden  von  den  die  Römer  hassenden  Brukterem  und 
im  Osten  von  dem  mächtigen  Angrivaren-Stamm  begrenzt  waren,  hatten  den  mehr- 
seitigen Zweck  zu  erfüllen,  nicht  allein  als  Stützpunkte  gegen  äussere  und  innere 
Feinde  zu  dienen,  sondern  auch  den  chaukischen  Bundesgenossen  beim  Eindringen 
übermächtiger  Feinde  zeitweilig  Schutz  zu  gewähren.  Dazu  kommt  der  Umstand, 
dass  die  römischen  Legionen  die  unter  den  Waffen  stehenden  jungen  Mannschaften 
der  verbündeten  Chauken  zwar  als  Bundesgenossen  ansahen,  aber  sie  doch  in  ab- 
gesonderten Befestigungen  campiren  Hessen. 

Durch  diese  Verhältnisse  sind  die  Anlagen  der  Hauptcastelle,  der  Vorburgen 
und  der  äusseren  Ringwälle  erklärlich,  die  bei  der  Wittekindsburg  zu  Rulle  nur 
der  localei4  Verhältnisse  wegen  ganz  ähnlich  angelegt  sind,  wie  bei  der  5  Meilen 
nördlich  im  Haasethale  liegenden  Wittekindsburg  zu  Rüssel,  die  der  Schreiber 
im  Auftrage  des  Landesdirektoriums  vor  5  Jahren  untersucht  und  deren  römischen 
Charakter  er  schon  damals  festgestellt  hat,  der  aber  trotzdem,  dass  man  in  der 
Nähe  der  Feste  an  verschiedenen  Stellen  in  unserer  Zeit  8  römische  Münzen  auf- 
gesammelt hat,  immer  noch  von  gegnerischer  Seite  geleugnet  wird.  Die  Anhänger 
der  Wittekinds-Mythen,  zu  denen  auch  der  Herr  General  von  Oppermann  sich 
bekannt,  haben  die  Entdeckung  der  Burg  als  Römercastell  indirekt  veranlasst, 
indem  der  Herr  General  durch  die  gelungene  Aufnahme  der  Burg,  die  dem 
Schreiber  bisher  unbekannt  geblieben  war,  in  diesem  bei  dem  Anblick  sofort  die 
üeberzeugung  feststellte,  dass  hier  ebenso,  wie  in  der  Burg  zu  Rüssel,  die  Reste 
eines  Römercastelles  vorhanden  sein  müssten.  Die  zufallige  Anwesenheit  des 
Schreibers  in  Osnabrück,  die  freundliche  Unterstützung  des  Herrn  General  von 
Rheinbaben,  Commandeur  der  38.  Brigade,  und  seines  Adjutanten  des  Hauptmann 
von  Bärenfels,  sowie  die  Erlaubniss  der  königlichen  Rlosterkammer  zu  Hannover 
machten  es  möglich,  im  Juni  1889  die  ersten  Spatenstiche  in  die  Wälle  der  Wittc- 
kindsburg  zu  Rulle  zu  machen. 

Das  bisher  als  Wittekindsburg  bezeichnete  römische  Castell  liegt  auf  einem 
Bergvorsprunge,  der  sich  nach  Nordosten  an  das  tiefeingeschnittene  sumpfige  Wiesen- 
thal eines  kleinen  Baches  lehnt,  der  sich  in  den,  fast  südliche  Richtung  haltenden, 
von  breitem  Wiesenthaie  eingefassten,  grösseren  Nettebach  ei^esst.  Wir  finden 
also  das  Castell  wieder  in  einer  Flussgabelung  angelegt.  Nach  Osten  hin  lehnt 
sich  die  Befestigung  an  ein  Höhcnplateau.  Die  Gräben  des  Kemwerkes  und  der 
östlichen  Vorburg  sind  tief  in  den  Felsen  gesprengt;  die  auf  der  westlichen  Berg- 
spitze liegende  Vorburg  ist,  als  weniger  bedroht,  nur  von  geringeren  Wällen  um- 
geben, ähnlich  den  Wallungen,  welche  sich  weit  nach  Südosten  ausdehnend,  den 
grossen  Raum  der  Volksburg  umgeben.  Das  Kemwerk  enthält  nach  General  von 
Oppermann  7500  ^m,  die  westliche  und  östliche  Vorburg  etwa  einen  Flächen- 
raum  von   9000  qm   und    die  Volksburg   mit  Einschluss   der  Bergabhünge   einige 


(441) 

30  000  qm.  Nimmt  man  nun  an,  dass  da,  wo  der  Nebenbach  sich  in  die 
Nette  ergiesst,  ein  Querdaram  dieses  Hachthal  staute,  und  weiter,  dass  da,  wo 
der  Wall  der  Volksburg  sich  an  das  Nettethal  lehnt,  abermals  eine  Stauung 
des  Nettebaches  den  Wicsengrund  inundirte,  so  wird  die  Lage  des  Castells  eine 
ausserordentlich  feste.  Dass  aber  eine  Abstauung  der  beiden  Bachthäler  statt- 
gefunden hat,  davon  sind  heute  die  Spuren  noch  nicht  verwischt.  Kunst  und 
Natur  haben  daher  den  Waffenplatz  zu  einer  Feste  gemacht,  wie  die  Römer  im 
Binnenlande  der  Germanen  keine  zweite  besessen  haben.  Nach  stundenlangem 
Graben  von  10  Arbeitern  war  es  gelungen,  ein  sehr  gut  erhaltenes  Stück  der  Wall- 
mauer klar  zu  legen.  Die  Anlage  der  Mauer,  die  auf  das  Genaueste  nach  Loth 
und  Richtschnur  erbaut  und  deren  Steine  mit  Kalkmörtel  verbunden  waren,  stellte 
die  erstaunliche  Thatsache  fest,  dass  dies  mächtige  römische  Gasteli  nicht,  wie  die 
übrigen  Anlagen  im  nordwestlichen  Deutschland,  eine  in  kürzerer  Zeit  aufgeworfene 
Erdbefestigung  sei,  sondern  dass  wir  hier  eine  in  solidem  Mauerwerk  angelegte 
Römerfeste  vor  uns  haben,  deren  Erbauung  eine  längere  Periode  in  Anspruch  ge- 
nommen hat,  und  deren  Entstehung  dem  entsprechend  nicht  in  eine  kriegerische 
Periode,  sondern  in  eine  längere  Friedenszeit  gefallen  sein  muss.  —  Die  Er- 
bauung dieser  Feste  dürfte  in  die  letzten  Jahre  der  vorchristlichen  Zeitrechnung 
fallen.  Im  Jahre  5  vor  Christi  Geburt,  als  Tiberius  in  seinem  Vormarsche  gegen 
die  Elbe  das  Ijand  der  Friesen  und  Chaukcn  durchzog,  gelang  es  ihm,  diese  beiden 
Völkerschaften  zu  Bundesgenossen  und  Freunden  Roms  zu  machen.  Das  Chauken- 
volk,  von  dem  die  Römer  uns  sagen,  dass  es  der  intelligenteste  Stamm  unter  den 
germanischen  Völkern  gewesen  sei,  mit  dem  sie  in  Berührung  gekommen,  hat 
Rom  die  Treue  nie  gebrochen,  denn  bei  der  deutschen  Erhebung  unter  Armin 
waren  die  Chauken  nicht  betheiligt.  Die  Ansicht,  dass  die  Römer  nach  der  vari- 
schen  Niederlage  über  den  Rhein  zurückgeworfen  wären,  ist  eine  grundfalsche. 
Das  Port  im  Lande  der  Chauken  war  im  Jahre  14  nach  Chr.  noch  von  einer  halben 
Legion  besetzt.  Der  allgemein  gewordene  Aufstand  der  niederrheinischen  Legionen 
war  auch  bei  den  dort  die  Besatzung  bildenden  VexilUriem  zum  Ausbruch  ge- 
kommen. Durch  die  Energie  und  Klugheit  des  dort  kommandirenden  Legaten 
wurde  der  Aufstand  nach  Niederhauung  der  Rebellen  unterdrückt.  Diese  Episode 
wirft  ein  helles  Schlaglicht  auf  die  Bundesgenossentreue  der  Chauken  zu  Rom  in  der 
Periode  der  germanischen  Erhebung.  Armin,  der  zu  grosser  Macht  gelangte  deutsche 
Preiheitsheld,  konnte  Marbod,  dem  mächtigen  Markomannen-König  in  offener  Feld- 
schlacht die  Spitze  bieten.  Die  römischen  Bollwerke,  die  das  nahe  gelegene  Land 
und  Volk  der  Chauken  schützten,  wagte  er  nicht  anzugreifen.  Das  gemauerte 
Castell  an  der  Nette  war  unter  ihnen  das  wichtigste. 

Ptolemaeus,  der  Geograph  aus  dem  Ende  des  ersten  Jahrhunderts,  bringt 
uns  ein  Verzeichniss  von  Ortsnamen  in  Nordgermanien,  dem  Lande  zwischen  Rhein 
und  Elbe.  Diese  Ortsnamen  betreffen  zum  grössten  Theil  Punkte,  wo  die  Römer 
dauernd  oder  vorübergehend  Castelle  oder  Befestigungen  angelegt  hatten;  er  hat 
die  Lage  der  Orte  nach  der  von  ihm  entworfenen,  in  Grade  eingetheilten  Karte 
angegeben.  Dass  diese  Angaben  nicht  in  allen  Stücken  zutreffend  sein  können, 
geht  schon  aus  dem  Umstände  hervor,  dass  sein  ganzes  Wissen  in  Bezug  auf  die 
Lage  der  Orte  aus  Itinarien  von  römischen  Legions-Ofßcieren,  die  Germanien  durch- 
zogen hatten,  entstand.  Seine  Karte  von  Norddeutschland  geht  nicht  von  Nord 
nach  Süd,  sondern  sie  richtet  sich  schräg  von  Südost  nach  Nordwest,  unter  den 
Orten,  bezw.  Castcllen,  die  mehrere  Grade  von  der  Küste  rückwärts  liegen,  er- 
scheint „Munitium",  das  gemauerte  Castell.  Wenn  man  nun  von  der  Weser-,  bezw. 
EmsmUndung   den  Unterschied  der  Breitengrade,    die  Ptolemaeus   bei  der  Lage 


(442) 

von  Manitium  angiebt,  berücksichtigt,  so  würde  dieser  Breitengrad  die  Gegend  von 
Osnabrück  durchschneiden.  Nach  der  Angabe  der  Längengrade  würde  das  Castell 
fast  nach  der  Weser  hingerückt,  aber  denselben  Fehler  begeht  er  auch  mit  den 
Quellen  der  Eras,  die  nach  seinen  Längengraden  und  unseren  Rartenverhältnissen 
jenseits  der  Weser  am  Solling  entspringen  müssten.  Rechnen  wir  Ptolemaeas 
diese  irrthümliche  Auffassung  zu  gute,  so  können  wir  „Munitium"  in  die  Mitte 
des  heutigen  Osnabrücker  Berglandes  verlegen.  Damit  erlangen  wir  die  Be- 
rechtigung, das  gemauerte  Castrum  bei  Rulle  als  die  römische  Feste  anzusehen, 
welche  Ptolemaeus  „Munitium^  nennt.  Dass  aber  dies  Munitium  gleichbedeutend 
ist  mit  dem  Fort  im  Chaukenlande,  das  ein  halbes  Jahrhundert  hindurch  die  römi- 
sche Besatzung  beherbergte,  welche  das  Chaukenland  beherrschte  und  beschützte, 
geht  aus  dem  Umstände  hervor;  dass  wir  es  hier  mit  gemauerten  Wällen  und  daher 
auch  mit  gemauerten  festen  Unterkunftsräumen,  von  denen  die  Spuren  auf  der 
Wittekindsburg  sich  zeigen,  zu  thun  haben,  wohingegen  bei  den  sonstigen  unter- 
suchten  römischen  Erdbefestigungen  nur  Merkmale  von  Unterkunflsräumen,  die 
blockhausartig  an  die  Binnenseite  der  Wälle  anlehnten,  gefunden  worden  sind. 

Der  bei  der  Ausgrabung  im  Juli  1889  anwesende  Hr.  Bei^gmeister  Pagen - 
Stecher  machte  als  Geognost  darauf  aufmerksam,  dass  die  Gesteine,  aus  denen 
die  Gebäude  im  Castell  erbaut  gewesen  sind,  theilweise  nicht  an  Ort  und  Stelle 
aus  den  Gräben  gebrochen  seien,  wie  das  bei  den  Umfassungsmauern  nach- 
zuweisen war,  sondern  aus  einer  Sandsteinart  bestehen,  die  aus  einem  benach- 
barten Berge  nach  dem  Binnenraum  des  Castells  geschafft  worden  war.  Die  Frage, 
wo  das  massenhafte  Stein material,  aus  dem  die  Umfassungsmauern  und  die  Baulich- 
keiten im  Castell  hergestellt  waren,  geblieben  sein  könne,  da  wir  es  jetzt  doch  nur 
noch  mit  den  von  Erde  überschütteten  Grundresten  der  Mauern  zu  thun  haben, 
beantwortet  sich  einfach  dahin,  dass  im  Mittelalter,  als  man  begonnen  hatte,  Gebäude 
aus  Stein  und  Kalkmörtel  zu  errichten,  die  Steine  des  als  Ruine  dastehenden 
Castells  nach  der  Umgegend  als  Baumaterial  abgefahren  sind;  namentlich  soll  das 
Kloster  Rulle  aus  diesem  Material  erbaut  worden  sein.  Die  Steine  waren  hier 
natürlich  viel  leichter  zu  erlangen,  als  wenn  man  dieselben  erst  aus  Brüchen  hätte 
gewinnen  wollen. 

Diese  von  so  grosser  historischer  Bedeutung  dastehenden  Thatsachen  ver- 
anlassten den  Schreiber,  sich  im  Jahre  1800  mit  der  Bitte  an  die  Rlosterkammer 
zu  wenden,  die  erfolgreich  angefangenen  Untersuchungen  auf  einer  breiteren 
Basis  fortzusetzen.  Der  jetzige  Herr  Klosterkammerpräsident  Herr w ig,  der  sofort, 
mit  grossem  Verständniss  für  die  hier  vorliegende  Forschung,  nicht  allein  die  Er- 
laubniss  zu  weiteren  Nachgrabungen  gab,  sondern  auch  die  materielle  Unterstützung 
der  Klosterkammer  in  Aussicht  stellte,  hat  es  möglich  gemacht,  dass  die  Aus- 
grabungen im  Juli  1890  wieder  beginnen  konnten.  Durch  eine  Influenza  verhin- 
dert, die  Ausgrabungen  selbst  überwachen  zu  können,  war  es  mir  gelungen,  den 
Herrn  Direktor  Schuchhardt  vom  K estner-Museum  als  leitende  Persönlichkeit  zu 
gewinnen,  auch  den  Vorstand  des  historischen  Vereins,  Hrn.  Regierungspräsidenten 
Stüvo  und  den  Bruder  desselben.  Hm.  Dr.  Stüve,  dafür  zu  interessiren.  In 
den  Tagen  der  Ausgrabung  tugte  der  provincialständische  Ausschuss  unter  dem 
Vorsitz  des  Landesdirektors  von  Hamm  erste  in  in  Osnabrück.  Mehrere  Mitglieder 
des  Ausschusses  haben  die  Ausgrabungen  besichtigt  und,  in  Rücksicht  auf  die  Be- 
deut:iamkeit  der  Sache,  aus  provincialständischen  Mitteln  Gelder  für  die  Weiter- 
führung der  Ausgrabung  bewilligt.  Leider  war  damals  der  Hr.  Direktor  Schuch- 
hardt und  viele  der  Osnabrücker  Forscher  noch  immer  der  Ansicht,  dass  die  Be- 
festigungen   nicht   römischen  Ursprunges   seien.     Der  Glaube,   dass  die  rcrmeint- 


(443) 

liehe  Stammburg  des  Herzogs  Wittekind  ein  römisches  Castell  sei,  konnte  bei  den 
Osnabrücker  Forschern  nur  schwer  Boden  fassen.  Jetzt,  nachdem  die  Ausgrabung 
des  Hm.  Prof.  Seh  uch  hur  dt*)  festgestellt  hat,  dass  die  ganzen  ümfassungswälle 
mit  hohen  mächtigen  Wallraauern  eingekleidet,  dass  die  Westecke  des  Kern- 
werkes dmeh  einen  runden  Wachtthurm,  die  Ostecke  noch  durch  einen  grösse- 
ren quadratischen  Burgfried  gedeckt  war,  dass  in  der  Nord-  und  Südseite  des 
Walles  sich  noch  Reste  der  gemauerten  Thore  vorfinden,  da  hat  sich  die 
üeberzeugung  Bahn  gebrochen,  dass  die  Wittekindsburg,  die  in  ihrem  Kernwerke 
den  ausgegrabenen  Resten  der  römischen  Castelle  im  Taunus  so  ähnlieh  sieht,  wie 
ein  Ei  dem  andern,  doch  ein  wahrhaftiges  römisches  Castrum  sei.  Zu  einem  sol- 
chen mächtigen  Castell,  wie  wir  es  in  der  Ruiler  Burg  entdeckt  haben,  bauten  die 
Römer  auch  einen  Heerweg.  Reste  dieses  Weges  haben  sich  bereits  gefunden, 
nur  führen  dieselben  nicht  in  die  Hunte-Brüche  und  -Moore  hinein,  sondern  sie 
liegen  in  dem  sich  nach  Nordwesten  ziehenden  Haasethale,  wo  eine  ganze  Reihe 
von  Castellen  und  Befestigungen,  die  zum  grösseren  Theile  noch  vorhanden,  den 
Ueerwcg  bis  zur  Ems  deckten. 

Mit  der  Entdeckung  dieses  grossen  gemauerten  Hauptforts  im  Lande  der 
Chauken  fällt  selbstredend  die  Hypothese  von  der  Varusschlacht  zwischen  Barenau 
und  Vcnne  als  ein  absolut  haltloser  Gedanke  in  sich  zusammen.  Im  Lande  der 
Chauken,  der  treuesten  Bundesgenossen  der  Römer,  auf  Heerwegen,  die  von 
Castellen  geschützt  waren,  ist  Varus  mit  seinen  Legionen  weder  verrathen  noch 
vernichtet  worden.  Hätte  der  sonst  tiefdenkende  Mo  mm  sen  von  dem  Vorhanden- 
sein dieser  römischen  Zwingburg  an  der  Nette  Kunde  gehabt,  so  würde  er  die 
Teutoburgersch lacht  nicht  an  die  bis  zum  Venner  Moore  hinabführenden  Abhänge 
der  Egge  verlegt  haben.  Mit  den  kühnen  Vermuthungen  des  Hrn.  Prof.  Knoke 
ist  es  schon  etwas  anders.  Er  lässt  den  alten  braven  Caecina  ungeachtet  aller  vor 
ihm  liegenden  römischen  Castelle  und  Heerstrassen  sich  mit  Todesverachtung  in 
die  unwegsamsten  Sümpfe  in  der  Umgebung  des  Dümmersees  stürzen,  um  dort  bei 
Brägel  neben  einem  vorhandenen  römischen  Bohlwege  auch  noch  einen  Knüppel- 
damm zu  passiren,  der,  wie  Se.  Excellenz  der  Herr  Kammerherr  von  Alten  schla- 
gend nachgewiesen,  nicht  einmal  römischen,  sondern  mittelalterlichen  Ursprunges  ist. 

Diesen  wichtigen  historischen  Thatsachen  tritt  ein  anderer  bedeutsamer  Fund 
zur  Seite,  der  mit  der  Auffindung  des  Castells  zu  Rulle  gewissermaassen  seinen 
Abschluss  fand.  In  der  Richtung  von  Syke  auf  Twistringen  und  von  dort  auf 
Felstehausen,  nördlich  des  Dümmersces,  und  wiederum  weiter  südlich  des  Dtimmer- 
sees  bei  Hunteburg  finden  sich  Spuren  von  Befestigungen,  welche  offenbar  dazu 
bestimmt  waren,  als  A'ertheidigungsplätze  die  Ostgrenze  zu  decken,  welche  durch  die 
ehemals  grossen  Sümpfe,  BrU'che  und  Waldungen  führte,  die  sich  östlich  der 
Hunte  bis  zur  Weser  hinzogen.  Die  Befestigungen  bei  Twistringen,  die  von 
mir  untersucht  worden  sind,  haben  ihren  römisch-germanischen  Ursprung  docu- 
mentirt.  Es  befand  sich  dort  eine  mächtige  Volksburg  und  ein  kleineres  römisches 
Erdwerk,  das  die  bisherige  Forschung  als  einen  germanischen  Ringwall  angesehen 
hat.  Diese  Befestigungen,  von  denen  der  Ort  Twistringen  noch  heute  den  Namen 
führt,  bei  denen  es  sich  um  2  grosse  Ringbefestigungen  handelt  (Twieringen  = 
Twistringen),  hatten  eine  dreifache  Aufgabe:  sie  bildeten  die  letzte  Etappe  des 
römischen  Heerweges  nach  der  Mittel weser  auf  chaukischem  Gebiete,  sie  schützten 
die  chaukische  Grenze  und  bildeten  bei  Einfällen  der  östlichen  Völker  in  das 
Gebiet   der  Chauken    einen  Vertheidigungsplatz    für  Volk    und    Ueerden.     Ueber- 


1)    Vergl.  diese  Verhandl.  21.  Februar  1891.  S.  249. 


(444) 

reste  des  römischen  Heerweges  in  der  Richtung  nach  Osten  sind  von  mir  gleich- 
falls constatirt  worden.  Durch  die  Entdeckung  dieser  Thatsache  sind  sowohl  für 
die  Geschichte  der  römisch-germanischen  Kriege,  wie  auch  für  die  Geschichte  des 
Chaukenvolkes  bedeutsame  Lichtpunkte  zu  Tage  gefördert.  Wir  dürfen  die  zahl- 
reichen römischen  Bohlwege,  welche  die  Römer  während  ihrer  Bundesgenossen- 
schaft im  Lande  der  Chauken  erbaut  haben,  doch  wohl  nicht  als  die  Dämme  des 
Domitius  ansehen;  der  alte  Domitius  hätte  sein  Lebtage  genug  daran  zu  bauen  ge- 
habt. Noch  im  letzten  Jahre  hat  man  in  der  Richtung  zwischen  Damme  und 
Hunteburg  einen  zweiten  römischen  Bohlweg  entdeckt  und  ist  dadurch  die  statt- 
liche Zahl  der  Bohlwege  wieder  um  einen  vermehrt. 

Die  Momente,  welche  uns  aus  der  Geschichte  des  Chaukenvolkes  aufbewahrt 
sind,  zeigen  uns  nun  diesen  germanischen  Stamm  in  einem  Lichte,  das  die 
Höhe  seiner  Civilisation  und  seine  wahrhaftige  deutsche  Treue  so  hell  glänzen 
lässt,  dass  die  Chauken  den  übrigen  germanischen  Stämmen  in  beiden  Richtungen 
weit  voran  stehen.  Die  Berührung  mit  den  Römern  hatte  das  Volk  nicht  ver- 
welscht,  es  war  deutsch  geblieben,  aber  es  hat  durch  den  dauernden  Umgang  mit 
den  Romanen  seine  Culturstufe  den  Völkern  genähert,  die  unter  römischer  Herr- 
schaft standen.  Wie  urdeutsch  die  Chauken  geblieben  waren,  zeigt  der  Vorgang, 
durch  welchen  Kaiser  Claudius  bestimmt  wurde,  die  Besatzung  im  Lande  der 
Chauken  und  Friesen  zurtickzurufen.  Ein  fahnenflüchtiger  Legionär,  Namens 
Gannascus,  aus  dem  Volke  der  Caninefaten,  war  zu  den  grossen  Chauken  geflohen, 
die  damals  zwischen  Elbe-  und  Wesermündung  wohnten,  wohin  offenbar  in  jener 
Zeit  die  römische  Macht  nicht  reichte.  Dieser  Gannascus  hatte  eine  Flotte  aus- 
gerüstet und  verheerende  Raubzüge  an  der  Nordktiste  Galliens  gemacht  Der 
in  Niedergermanien  kommandirende  Feldherr  Corbulus  Hess  ihn  durch  Meuchel- 
mörder umbringen.  Diese  Gewaltthat  erregte  bei  dem  gesummten  Volke  der 
Chauken  eine  solche  sittliche  Entrüstung,  dass  eine  Empörung  gegen  die  römi- 
sche Schutzherrschaft  auszubrechen  drohte,  und  da  man  auch  den  Priesen  nicht 
traute  in  ihrer  Bundestrene,  so  bekam  Corbulus  Befehl,  mit  den  Legionen  über  den 
Rhein  zurückzukehren. 

Man  erkennt  aus  diesen  geschichtlichen  Vorgängen,  dass  die  römische  Herr- 
schaft über  diese  beiden  nordgermanischen  Stämme  nur  eine  sehr  schwache, 
der  Gerechtigkeits-  und  Freiheitssinn  derselben  ungebrochen  war,  und  dass  die 
ein  halbes  Jahrhundert  andauernde  Bundesgenossenschaft  sich  durch  freiwilligen 
Rückzug  der  Römer  wieder  löste.  Die  Grösse  des  Volkes,  seine  Macht,  seine 
Friedfertigkeit,  seine  Wehrhaftigkeit  im  Kampfe,  die  Schönheit  der  jungen  chauki- 
schen  Krieger,  dies  alles  wird  vonTacitus  und  Dio  Cassius  rühmend  anerkannt 

Die  Wiederauffindung  der  Ostgrenze  des  Chaukenlandes  von  der  Weser  bis 
zur  Haase  hat  nun  in  den  letzten  3  General musterungen  den  Schreiber  als  Mit- 
glied der  Oberersatzcommission  dazu  veranlasst,  in  den  Kreisen  Syke,  Diepholz, 
Sulingen,  Hoya,  Stolzenau,  Rinteln,  Osnabrück  und  Iburg  Untersuchungen  über  die 
Körperformen  und  Grössen,  über  die  Schädelbildung  und  die  Haar-  und  Augen- 
farbe anzustellen.  Dieses  Studium  hat  das  aufTallende  Resultat  ergeben,  dass  das 
chaukische  Gebiet  einen  ausserordentlich  hohen  Procentsatz  von  kräftigen  wohl- 
gebildeten Leuten  besitzt,  bei  denen  Langschädel,  graue  und  blaue  Augen,  gerade 
und  nach  oben  gekrümmte  Nasen  vorwiegend  sind.  Der  Procentsatz  der  für 
die  Garde  ausgehol)enen  Rekruten  ist  in  den  Kreisen,  die  auf  altchaukischem 
Gebiete  liegen,  in  den  letzten  3  Jahren  ein  mehr  wie  dreifach  höherer  gewesen, 
als  in  den  östlich  gelegenen  Kreisen  Diepholz,  Sulingen,  Stolzenau  und  Riuteln, 
die   nachweislich    noch   im  8.  Jahrhundert   von  Angrivaren  bewohnt  wurden.     Be- 


■1 


(445) 

rücksichtigt  man  die  ausgezeichnete  Mannschaft,  die  das  9].  Regiment  im  Gross- 
herzogthum  Oldenbarg  aushebt,  das  ja  chaukisches  Gebiet  ist,  und  kommt  man 
endlich  dazu,  die  seit  alten  Zeiten  berühmt  gewordenen  Mannschaften  der  Ems- 
lande,  des  westlichsten  Theiles  des  chaukischen  Gebietes,  welche  den  hervorragend- 
sten Zuwachs  für  die  hannoversche  Garde  lieferten,  dazu  zu  rechnen,  so  darf  man 
den  chaukischen  Stamm  als  ein  wahres  Ghirdevolk  bezeichnen.  Wir  finden  das  Ger- 
mancnthum  nicht  allein  dem  Volke  als  solchem  eingeprägt,  wir  finden  auf  keinem 
Flecke  deutscher  Erde  die  altgermanischen  Einrichtungen  in  Feld  und  Flur,  in 
Haus  und  Gemeinde  in  so  auCTallender  Weise  erhalten,  wie  in  dem  einst  zu  Rom 
gehörenden  Nieder-Germanien.  Das  Land  und  Volk  der  Ghauken  besitzt  in  dem, 
was  es  birgt,  einen  Schatz  für  unsere  altdeutsche  Geschichte. 

(21)   Hr.  W.  Schwartz  überschickt  unter  dem  28.  April  eine  Arbeit: 

Volksthtimliches  ans  Rügen. 

Während  meine  culturhistorischen  Wanderungen  in  früheren  Jahren,  abgesehen 
von  der  Mark  Brandenburg,  sonst  immer  meist  nach  Westen  gingen,  war  es  mir 
im  Jahre  1889  in  den  Sommerferien  möglich,  Rügen  von  Sassnitz  aus  zum  Feld 
meiner  Beobachtungen  zu  machen  und,  trotzdem  schon  viel  auf  der  Insel  in  dieser 
Hinsicht  gesammelt  ist,  doch  noch  in  Einzelnem  nicht  bloss  eine  nicht  uninter- 
essante Nachlese  zu  halten,  sondern  auch  verschiedene  neue  Gesichtspunkte  den 
Verhältnissen  abzugewinnen.  Denn  Rügen  ist,  wie  schon  Riehl  in  seinem  treff- 
lichen Werke  „Land  und  Leute"  sagt,  ein  ethnologischer  Beobachtungs- 
punkt, der  wohl  ohne  Gleichen  in  Deutschland  ist,  indem  es  in  seiner 
mannich fachen  Gliederung  eine  eigcnthümliche  und  zäh  festgehaltene  Zersplitterung 
des  Volkslebens  erzeugt,  während  daneben  stets  ein  gemeinsamer  Untergrund 
hindurchschimmert,  da  die  überall  hervortretende  Beziehung  auf  das  Meer  dem 
Ganzen  den  Charakter  einer  gewissen  Homogenität  erhalten  hat. 

„Nur  für  den  Kern  (Bergen,  Garz  u.  s.  w.)",  sagt  Daniel  im  Anschluss  an 
Riehl,  „gebraucht  der  Insulaner  den  Namen  Rügen.  Von  den  Halbinseln  (Wittow, 
Jasmund,  Reddewitz  oder  Mönchgut  und  Zudar)  spricht  man,  als  ob  das  lauter 
selbständige  Länder  seien.  Zwischen  den  einzelnen  Halbinseln  ist  der  Verkehr 
auch  erstaunlich  gering,  und  auf  den  beiden  grossen  Landengen,  der  Schabe 
und  der  Schmalen  Heide,  hört  fast  alle  Cultur  auf.  Man  kann  hier  den  ganzen 
Tag  auf  sogenannten  Strassen  bis  über  die  Knöchel  im  Dünensand  und  Geröll 
waten,  ohne  einer  sterblichen  Seele  zu  begegnen*).  Wie  in  den  Hochalpen  ein 
Felsrücken,  so  halten  hier  Landengen  die  selbständigen  Gestaltungen  des  Volks- 
lebens aus  einander.  Jede  Halbinsel  hat  ihre  besondere  Schattirung  des  Dialekts, 
jede  ihr  Herkommen  und  ihre  eigenen  Bräuche.  Aber  was  dieser  bunte,  unruhige 
Wechsel  von  Berg  und  Thal,  Feld  und  Wald,  Heideland,  Dünenland,  Sumpfland, 
Feldland  in  der  Natur  der  Eingebornen  zersplittern  mochte,  das  hielt  das  ringsum 
fluthende  Meer  wieder  mit  starkem  Arm  zusammen." 

Rechnet  man  zu  den  oben  erwähnten  5  Gruppen  nun  noch  die  naheliegenden 
Inseln  hinzu,  die  auch  gewöhnlich  mit  zu  Rügen  gezogen  werden  und  unter  denen 
Jummanz  und  Hiddensöe  eine  besonders  hervorragende  Stellung  einehmen,  so  kommt 
eine  ganz  hübsche  Mannich  faltigkeit  des  geographisch  in  allerhand  Eigenthümlich- 
keiten  sich  sondernden,  volksthümlichen  Lebens  heraus,  die  sich  auch  bis  in  die 
neuesten  Zeiten  noch  äusserlich  u.  A.  in  allerhand  Spott  bekundet  hat,  welchen, 
trotz  des  Gefühls   einer  gewissen  Gemeinsamkeit,   die  Bewohner   des  einen  Land- 

I)  Erst  jetzt  fängt  auch  dies  an  sich  allmählich  zu  ändern. 


(446) 

Strichs  denen  eines  anderen  angehängt  haben.  Dass  die  Reddewitzer  oder  Mönch- 
guter  seit  alter  Zeit  z.  H.  „Pook"  genannt  werden,  hingegen  den  KOgianer  und  haupt- 
sächlich den  Putbusser  einen  „Rollen''  heissen,  erzählt  schon  der  alte  Grümbke 
in  seiner  Geschichte  Rügens  vom  Jahre  1819').  Ebenso  haben  die  Jasmunder 
ihren  eigenen  Namen,  sie  heissen,  wie  man  mir  sagte,  die  „Rnuppenbiter"  d.  h. 
die  Knospen beisser,  weil  sie  so  zierlich  roden.  Vor  allen  aber  gelten  die  Stral- 
sunder —  denn  Stralsund  gehört,  wie  es  von  Rügen  aus  gegründet  wurde,  noch 
immer  in  der  Vorstellung  der  Leute  dazu,  —  als  „die  Pinen'',  denn  der  richtige 
Stralsunder  spricht  nicht,  wie  andere  Leute,  sondern  hübsch  fein:  „di  mis  sinn 
bin  Klibidel  gewest"  (die  Mäuse  sind  beim  Kleebeutel  gewesen).  Die  Hidden- 
söer  aber,  heisst  es,  erkennt  man  schon  gleich  an  ihrem  Grang;  „sie  gehen  mit  dem 
Oberkörper  vornüber  und  gleiten  oder  schlagen  dann  mit  den  Füssen  hinten  weg". 
Das  macht,  weil  Hiddensöe  lauter  Sand  hat,  da  hat  ihre  Gangart  diese  Form  an- 
genommen. 

Die  Sonderheiten  in  der  Tracht  traten  und  treten  noch  gelegentlich  am  meisten 
beim  weiblichen  Geschlecht  hervor,  während  die  Männer  mehr  ein,  ihrem  Leben 
als  Fischer  entsprechendes,  homogenes  Kostüm  tragen.  Am  längsten  haben  die  von 
Jummanz  und  Mönchgut  ihre  Eigenthümlichkeiten  bewahrt  und  die  alten  Familien- 
traditionen bis  in  die  neuesten  Zeiten  erhalten.  Seitdem  aber,  erzählte  man  mir, 
die  ersteren  in  den  sechziger  Jahren  ihren  Process  mit  dem  sogenannten  Kloster  in 
Stralsund,  d.  h.  mit  dem  Magistrat  als  Rechtserben  desselben,  verloren  haben,  und  aus 
Erbbauern  Pächter  geworden  sind,  hat  die  Bevölkerung  auch  dort  angefangen  sich 
zu  ändern,  und  die  alte  Sitte  ist  im  Schwinden  begriffen.  Aehnlich  ist  es  in  Mönch- 
gut, wo  sie  auch  nicht  mehr,  wie  früher,  ihr  Zeug  sich  selbst  fertigen,  sondern 
ruhig  „KoUentüch"  tragen,  wie  sie  früher  mit  Abscheu  das  fremde,  eingeführte 
Zeug  nannten.  Nur  der  blanke  Brustlatz  in  der  Tracht  der  Braut  gilt  noch  als  ein 
charakteristisches  Merkmal  der  Reddewitz-Mönchguterin. 

Wird  in  dieser  Beziehung  Alles  um  so  uniformer,  je  mehr  Rügen  jetzt  in  den 
grossen  Verkehr  hineingezogen  ist  und  namentlich  alljährlich  Dampfschiffe  und 
Eisenbahnen  im  Sommer  zahlreiche  Schaaren  von  Fremden  seinen  Bädern  zuführen, 
so  haben  sich  doch  noch  bis  in  die  neuesten  Zeiten  die  verschiedenen,  schon  oben 
erwähnten,  gruppenw(usen  Nüancirungen  der  Dialekte  meist  erhalten,  wie  sie  ihrer 
Zeit  schon  neben  Grümbke  auch  E.M.Arndt  in  der  Vorrede  zum  IL  Theil 
seiner  „Märchen  und  Jugenderinnerungen"  eingehend  besprochen  hat. 

Es  ist  im  Allgemeinen  dieselbe  plattdeutsche  Sprache  wie  an  der  Küste  der 
Ostsee  links  von  den  Odermündungen  überhaupt,  namentlich  wie  in  Vorpommern, 
aber  sie  variirt  in  Rügen  je  nach  den  Gewohnheiten  der  einzelnen  Landesstriche. 
In  den  verschiedensten  Formen  treten  diese  Variationen  auf.  Bald  schwanken  die 
Töne  zwischen  e  und  i,  a  und  o,  so  wechselt  z.  B.  Perd  und  Pird,  gestern  und 
gistem,  wie  auch  Arndt  angiebt,  oft  in  nicht  fem  von  einander  liegenden  Kirch- 
spielen. Bald  lässt  man  bei  einem  Diphthong  beide  Laute  hören,  bald  zieht  man 
sie  zusammen.  So  nannte  man  mir  z.  B.  die  Amsel  in  Sassnitz  gellegaus,  in  Bergen 
gelgos  (die  gelbe  Gans)-).  Vor  Allem  aber  macht  sich,  wie  Arndt  es  ausdrückt, 
überhaupt  die  Neigung  in  der  verschiedensten  Weise  geltend,  „die  Fülle  und  Macht 
der  Töne  gern  zu  zerquetschen  und  zu  verschleifen*.  So  sagt  man  nach  ihm  „wiid", 
„wüd",  „wad^  für  „wurd^,  würd^,  „ward";  „Hän",  „Hun"  für  „Händ"(e),  „Hund"(e); 

1)  Die  Uiddensöer  speciell  gaben  den  Mönchgutem  nach  Dähnert's  Plattdeutschem 
Wörterbuch  von  Pommern  und  Rügen  den  Namen  .,die  Dcepschen**. 

2)  Nach  Dähnert  heisst  auch  ein  Grünfink  geelgöschen. 


f447) 

„bal"  für  „bald"  und  dergl.  mehr."  Oft  werden  auch  Consonanten  zwischen  zwei 
Vocalen  durch  andere,  in  ihrer  Unbestimmtheit  ähnlich  lautende,  ersetzt.  Der  Name 
des  Regenwurmes  wird  z.  B.  in  Sassnitz  Merrik  gesprochen,  während  anderweitig 
die  ursprüngliche  Bedeutung  des  Wortes  klarer  in  den  Formen  Mäddik,  Mäding 
(kleine  Made)  mir  entgegentrat. 

Besonders  Eigenthümliches  hat  namentlich  der  Dialekt  der  Halbinsel  Redde- 
witz  (Mönchgut)  entwickelt;  sei  es  unter  Einfluss  einer  prononcirten,  stetigen  Ab- 
geschlossenheit oder  unter  der  Mischung  mit  hinzukommenden  westfälischen  Colo- 
nisten,  —  wovon  hernach  beim  Volksglauben  noch  die  Rede  sein  wird,  —  da  das 
Ländchen,  welches  ursprünglich  zu  Putbus  gehörte,  im  Jahre  1295  durch  Kauf  in 
die  Hände  der  Mönche  von  Eldena  überging  ).  Neben  verschiedenen  Idiotismen 
hebt  Grümbke  besonders  zwei  Momente  hervor,  nehmlich  „einmal  die  Neigung, 
durch  Einschiebung  eines  dem  hebräischen  Schwa  entsprechenden  Lautes  einsylbige 
Wörter  zu  zweisylbigen  gleichsam  zu  recken,  dann  wieder  umgekehrt  andere  zwei- 
und  mehrsylbige  abzukürzen.  So  sagen  die  Mönchguter  z.  B.  einerseits  für  „Hemd", 
„Melk'^  (Milch),  „Hemmed",  „Mellek",  andererseits  für  „Gäste"  „Gäss",  für  „Gerste" 
„Gass",  „sund"  für  „gesund"  u.  dergl.  mehr." 

Derartige  Erscheinungen  finden  sich  z.  Th.  fast  in  allen  Dialekten,  da  dieselben 
nicht  durch  die  Schrift,  sondern  nur  mit  Hülfe  des  Gehörs  sich  fortpflanzen  und 
an  sich  schon  so  einen  mehr  flüssigen  Charakter  haben,  dann  aber  auch,  indem  je 
nach  der  Stimmung  schon  einfach  der  Ton  sich  ändert  und  leicht  dann  dies  oder 
jenes  typisch  wird.  Während  nehmlich  für  gewöhnlich  die  Bequemlichkeit  das 
Maassgebende  beim  Sprechen  ist,  welche  zum  Abschleifen  der  Sylben  neigt,  wandelt 
sich  bei  lebendigeren  Gefühlen  und  heftigeren  Gemüthsbewegungen  umgekehrt  fast 
immer  sofort  der  Ton,  indem  man  unwillkührlich  zu  den  schweren  und  tiefen 
Tönen  statt  der  leichten  und  hohen  übergeht. 

Da  nun  aber  auf  Rügen  fast  jede  Gegend,  in  ihrer  verhältnissmässigen  Sonder- 
stellung, je  nach  dem  Charakter  der  Leute  im  Durchschnitt  das  Eine  oder  das 
Andere  mehr  typisch  entwickelt  und  namentlich  fast  einen  eigenen  Tonfall  heraus- 
gebildet hat,  der  Hiddensöer  z.  B.  im  Ganzen  schleppend-nachlässiger  spricht,  ebenso 
wie  auch  sein  Gang  ist,  vom  Jasmunder  und  Stralsunder  dagegen  schon  oben  er- 
wähnt ist,  dass  er  feiner  und  zierlicher  redet,  der  Mönchguter  hingegen  wieder  ge- 
dehnter u.  8.  w.,  so  entwickelt  sich  auf  Rügen  eine  höchst  interessante  Gruppirung 
der  Dialekte,  welche  von  der  in  ihnen  steckenden,  stets  sich  erneuenden  Lebens- 
kraft ein  lebendiges  Zeugniss  ablegt. 

Aehnlich  steht  es  nun  mit  dem  Volksglauben.  Zunächst  ist  er  in  allen 
Strichen  im  Ganzen  homogen,  gemahnt  fast  nirgends  an  Slavisches,  sondern 
spiegelt  die  Gestalten  der  niederen  deutschen  Mythologie  und  den  daran  sich 
schliessenden  Aberglauben  in  ebenso  charakteristischer  Weise  wieder,  wie  der 
in  Meklenburg,  Pommern  und  der  Mark.  Man  weiss  fast  überall,  trotzdem  schon 
seiner  Zeit  die  schwedische  Regierung  neben  der  Geistlichkeit  eifrig  gegen  aller- 
hand Zauberei   und  Spuk  eingeschritten  ist),    noch  Mancherlei  davon  zu  erzählen 


1)  Der  bekannte  Freiherr  v.  H axthausen  behauptete  bei  einem  Besuche,  der  Dialekt 
erinnere  ihn  an  seine  paderbornsche  Heimath;  8.  meine  Schrift  „Bilder  aus  der  Brandenb.- 
Preuss.  Geschichte.    Vorträge  u.  s.  w.  aus  den  Jahren  1863—71.  Berlin  1875;**  S.  b*J. 

2)  Ich  fand  z.  B.  in  der  Antiquitäten-Sammlung  vonFreese  zu  Sassnitz  ein  Exemplar 
eines  ^Renowirten  Patents  wegen  der  Policej-Ordnung.  Pablicirt  am  1.  Febr.  1723  zu  Stral- 
sund**, welches  u.  A.  einen  ganzen  Codex  von  allerband  Zauberei  u.  dergl.  als  groben  Unfug, 
wie  man  sich  heute  ausdrückt,  verbot  ^  5  lautet :  Die  Hexen  und  Zauberer  sollen  verbrannt, 


(448) 

und  wenn  man  auch  meist  nicht  mehr  recht  daran  glaubt,  so  erinnert  man  sich 
doch  noch,  dass  die  Alten  oft  vom  Brennen  vergrabener  Schätze,  dem  sogen.  Geld- 
brennen, sowie  von  der  Glücksruthe  allerhand  Geschichten  hatten*);  de  Mär  (Alp 
des  Nachts  den  Menschen  „ritt"  und  der  wilde  Jäger,  die  weisse  Frau,  die  kleinen 
„Unterirdischen",  der  Drak  und  der  Pük  (eine  Art  Hausgeist  und  Kobold)  den 
Leuten  in  den  Köpfen  steckte;  von  wohlhabenden  Leuten  man  sagte  „de  drak  trüge 
es  ihnen  zu"  oder  es  stecke  Hexerei  dahinter  u.  dergl.  mehr.  Zur  See  passire 
auch  immer  noch  mancherlei  Wunderbares.  Es  gäbe  Beispiele,  dass  Manche 
dem  Wind  zu  pfeifen  verständen,  damit  er  „aufkühle"  und  mit  dem  Klabauter- 
mann, der  unsichtbar  auf  dem  Schiff  sein  Wesen  treibe,  sei  es  doch  eine  eigene 
Sache,  und  schlimm  sei  es,  wenn  man  auf  See  sei,  und  plötzlich  am  Horizont  „das 
Nebelschiff"  vor  einem  auftauche  und  langsam  dahinziehe  u.  dergl.  mehr*). 

Wenn  in  der  Arbeit  des  Sommers  die  alten  Geschichten  halb  vergessen  wer- 
den, so  wachen  sie  in  den  langen  Winterabenden  bei  der  Isolirtheit  der  Ver- 
hältnisse gleichsam  zu  neuem  Leben  wieder  auf  und  erfüllen  und  beschäftigen  den 
schon  einfach  unterhaltungsbedürftigen  Sinn  der  Menschen.  Je  mehr  nach  Norden, 
desto  mehr  macht  sich  überhaupt  dies  Moment  geltend,  und  auf  Rügen  sind  die  ein- 
zelnen Landestheile  in  jener  Jahreszeit  beim  Aufhören  der  Schiffahrt  noch  ins- 
besondere von  einander  geschieden,  fast  wie  die  Thäler  eines  Hochgebirges,  zwischen 
denen  in  die  Wolken  ragende  Schnee-  und  Eisberge  jeglichen  Verkehr  unterbrechen, 
so  dass  jedes  Thal  seine  eigenen  Wege  geht  und  auf  seine  eigenen  Lebensgewohn- 
heiten sich  immer  wieder  gleichsam  basirt. 

Neben  jenem  mehr  einheitlichen  Hintergrunde  des  Volksglaubens  liefern  nun  die 
in  den  einzelnen  Landestheilen  besonders  ausgebildeten  oder  local  verknüpften 
Traditionen  den  Sagen  ein  bunt  schillerndes  Colorit,  je  nachdem  die  Natur  in 
einer  Gegend  oder  historische  Ereignisse  zur  Anknüpfung  dieses  oder  jenes  mythi- 
schen Elementes  Veranlassung  gegeben  haben. 

Die  Sagen  vom  Mär,  dem  Drak,  dem  Treiben  der  Hexen  schweben  gleichsam 
in  der  Luft,  sie  knüpfen  sich  weniger  an  bestimmte  Localitäten,  sondern  mehr 
direkt  an  den  Menschen  als  solchen,  den  z.  B.  der  Mär  heimgesucht,  oder  an  ein 
Gehöft,  wo  der  Drak  angeblich  sein  Wesen  treibt;  sie  kehren  also  unter  Umständen 
überall  wieder.  Aber  wenngleich  man  von  den  „Unterirdischen"  noch  allgemein 
erzählt,  dass  sie  früher  neugeborne  Kinder  geraubt  und  ihre  „Wechselbälge"  unter- 
geschoben hätten,  und  man  deshalb  in  der  Stube  der  Wöchnerin  6  Wochen  lang 
auch  stets,  um  dies  zu  verhüten,  ein  Licht  hätte  brennen  lassen,  so  sind  doch 
weitere  Erzählungen  von  dem  geheiranissvollen  Treiben  dieser  kleinen  Leute  nur  da 
haften  geblieben,  wo  ein  Hügel  vorhanden  war,  an  den  sich  die  Sage  knüpfen  und 
erhalten  konnte,  dass  dort  ihre  unterirdische  Wohnung  sei,  z.  B.  in  Dubberworth  bei 
Sagard,  gerade  wie  der  wilde  Jäger  meist  Wald  als  sein  Revier  voraussetzt,  die 
Sage  von  der  weissen  Frau  einen  See,  einen  Burgwall  oder  mindestens  ein  altes 
Gemäuer,  an  das  sich  ihre  Erscheinung  knüpfen  konnte.    Ebenso  schloss  sich  der 

die  aber  ausser  Gespräch  und  Gemeinschaft  mit  dem  Teufel  des  Kristallsehens^  WahrsAgens^ 
Planetenlesens,  Missbrauchs  des  Evangelii  St.  Johannis,  Schlüssel-Buchs  und  Sieblaufens 
oder  Drehen»,  Bötens,  Stillens  oder  anderer  abergläubischer,  unchristlicher,  gottesläster- 
licher und  verbotener  Mittel,  unter  vras  Schein  es  auch  wäre,  sich  gebrauchen,  sollen  mit 
Ausstreichung  an  dem  Pranger  oder  mit  einer  ernstlichen  Geldbusse  bestrafet  werden  o.  s.  w. 

1)  Die  Glücksruthe  soll  auch  den  Interessen  des  Fischfangs  sogar  gedient,  den  Leuten 
nehmlich  u.  A.  geieigt  haben,  wo  die  Heringe  laichen. 

2)  Plötzliche  Nebelbildungen  eigenthümlicher  Art  sind  auch  an  der  Küste  häufig.  Mjui 
nennt  sie  See-Daak,  d.  h.  Seenebel,  denn  „Daak"  heisst  der  Nebel,  «daaken*'  es  nebelt. 


Btf  ^  ■ 


(449) 

alte  indogermanische  Mythos  von  der  im  Gewitter  in  den  himmlischen  Wassern 
versinkenden,  gelegentlich  aber  immer  wieder  heraufkommenden  und  „wafeln- 
den"  (leuchtenden)  Wolken-Donnerburg  hier  an  das  historische  Pactum  vom  Unter- 
gang Arkona^s  in  gleicher  Weise,  wie  auch  das  alte  Schloss  in  Spicker  ein  Centrum 
für  allerhand  Spuk  wurde*). 

Wie  aber  bei  Durchsichtigkeit  und  Einfachheit  aller  Verhältnisse  auf  Rügen 
sich  so  in  Betreff  der  localen  Anknüpfungen  der  sagenhaften  Traditionen  die  inter- 
essantesten Beobachtungen  machen  lassen,  so  auch  in  BetrefiT  der  Veranlassung 
des  Nichtauftretens  oder  Schwindens  dieses  oder  jenes  mythischen  Zuges,  sowie 
des  einen  oder  anderen  Gebrauches.  Dass  auf  Gr.  Zicker  der  wilde  Jäger  fast 
ganz  unbekannt  geworden,  findet  nach  der  oben  schon  erwähnten  Beziehung  des- 
selben zum  Walde  seine  volle  Erklärung,  da,  soweit  die  Erinnerung  zurückreicht, 
wie  mir  der  dortige  Prediger  schrieb,  es  nie  einen  Wald  gehabt  Ebenso  entbehrt 
Sassnitz  wieder  der  gewöhnlichen  Spukgeschichten,  wie  sie  das  Grauen  der  Leute 
vor  einem  Kirchhof  gelegentlich  stets  von  Neuem  weckt,  da  sie  ihre  Todten  in 
dem  mehr  als  eine  Meile  entfernten  Sagard  begraben,  jede  reale  Beziehung  zu 
jenem  Aberglauben  also  fortfällt,  gerade  wie  mit  dem  Schwinden  der  Viehzucht, 
seitdem  die  umwohnenden  Dörfer  die  Hütegerechtigkeit  in  der  Stubnitz  verloren 
haben,  auch  der  ganze  Hexenglaube,  der  sich  namentlich  am  Melken  und  Buttern 
noch  immer  erhielt,  einen  bedeutenden  Stoss  erlitten  hat. 

Eine  besonders  interessante  Beobachtung  ergab  sich  in  dieser  Hinsicht  in  Be- 
treff der  altheidnischen  heiligen  Zieit  der  Wintersonnenwende,  der  sogen.  Zwölften 
(die  man  von  W^eihnachten  bis  Neujahr  rechnet).  Eine  Erinnerung  an  dieselben 
lebt  fast  'überall  noch  mehr  oder  minder  auch  auf  Rügen  fort,  sowie  mancher 
Gebrauch,  dass  man  z.  B.  in  der  Zeit  nicht  waschen  dürfe,  denn  „wer  den  tun  be- 
kledt^  (d.  h.  Wäsche  aufhängte  muss  bald,  heisst  es  auch  hier,  wie  in  der  Mark, 
den  Kirchhof  bekleiden  d.  h.  sterben.  Aber  man  kann  deutlich  verfolgen,  dass, 
wie  der  Haupthalt  der  Zwölften  das  Spinnen,  bezw.  das  Verbot  des  Spinnens 
zu  dieser  Zeit  gewesen  ist,  z.  B.  in  Meklenburg  und  in  der  Mark  sich  noch  in 
der  ersten  Hälfte  dieses  Jahrhunderts  allgemein  in  der  sich  daran  knüpfenden 
Drohung:  „sonst  käme  der  Wode,  die  Frick  oder  Frau  Harke"  der  Namen  der  alten 
heidnischen  Götter,  denen  die  Zeit  heilig  war,  erhalten  hatte,  auf  Rügen,  bei  dem 
hier  fast  allgemein  gewordenen  Schwinden  des  Spinnens,  nicht  bloss  kein  derartiges 
Sprüchwort  sich  erhalten  hat,  sondern  überhaupt  dadurch  die  ganzen  Zwölften 
einen  Hauptstoss  in  dem  Leben  des  Volkes  empfangen  haben.  Das  Heidenthum 
knüpfte  sich  nehmlich  in  Sage,  Brauch  und  Aberglauben  überall  auf  das  Engste  an 
alle  Lebensverhältnisse  des  Menschen  an  und  steht  und  fällt  mit  jeder  Wandlung 
derselben. 

Bei  den  Sagen  Rügens  ist  übrigens  streng  zu  unterscheiden  zwischen  den  volks- 
thümlichen  und  den  Formen,  welche  ihnen  das  literarische  Interesse,  das  sich  dort 
mit  denselben  seit  dem  18.  Jahrhundert  beschäftigt  hat,  vielfach  gegeben.  Die 
eigentlich  volksthümliche  Form  ist,  wie  fast  überall,  knapp  und  prägnant;  wenn 
man  zufällig  eine  weiter  ausgesponnene  Darstellung  hört,  ist  es  nur  eine  in  den 
mehr  gebildeteren  Kreisen   aus   heimathlichem  Interesse   freier   ausgemalte  Form 


1)  üeber  den   angedeuteten  Ursprung   der  Sage  von   den  untergegangenen  Städten, 

bexw.  Dörfern  9.  Schwartz,  Ursprung  der  Mjth.  Berlin  1860.  8.  263—266.  Eine  Schilde-  i 

rang  der  Donnerborg  vom   griechischen   oder  römischen  Standpunkt  aus  als  die  himmli-  | 

sehen  tecta  und  die  regalis  domus  magni  tonantis,  —  die  Palatia  magni  coeli,  giebt  u.  A.  ! 

Ovid,  Metam.  L  170 fL  * 

V«rb«ndU  der  Berl.  Anthrop.  Gesellfchaft  1891.  29 


1 

1 


(450) 

oder  eine  Reminiscenz  aus  einer  der  viel  verbreiteten  literarischen,  namentlich 
poetisch  behandelten  Versionen.  Tn  dieses  Gebiet  gehören  nicht  bloss  die  sogen. 
Herthasagen,  sowie  die  Schilderung  vom  Fall  Arkona's  und  des  wendischen  Heiden- 
thums,  sondern  selbst  ein  grosser  Theil  der  in  E.  Moritz  Arndt's  Jugenderinne- 
rungen sich  vorfindenden  Geschichten,  bei  denen  meist  nur,  wenn  sie  auf  Rügen 
spielen,  ein  gewisser  volksthümlicher  Kern  zu  Grunde  liegt.  Aechte  Volkssagen 
im  obigen  Sinne  finden  sich  meist  nur  in  den  Sagensammlungen  von  Temrae, 
Bai  er  und  Jahn.  Aber  auch  in  dieser  Hinsicht  gelang  es  mir,  von  Sassnitz  aus 
manch^  interessantes  Stück  nachzusammeln,  zumal  es  mir  glückte,  in  einzelnen 
Familien  auch  Repräsentanten  der  anderen  Landestheile  zu  finden. 

Ich  werde  das  Hauptsächlichste  in  einem  Anhange  zusammenstellen,  nachdem 
ich  zuvor  eine  besondere  Besprechung  zwei  Momenten  des  Volksglaubens  gewidmet 
habe,  die  namentlich  für  Rügen  charakteristisch  sind  und,  wie  wir  sehen  werden, 
eine  mythologisch -ethnologische  Bedeutung  erhalten,  nehmlich  die  Traditionen 
vom  Nachtjäger  und  vom  Pük. 

Für  den  sogen,  wilden  Jäger  ist  nehmlich  auf  Rügen  meist  die  charakteristisch 
typische  Form  der  „Nachtjäger "".  Weder  Jahn  noch  ich  haben  irgendwo  den 
Wod  gefunden,  den  man  nach  Arndt's  Märchen  und  Jugenderinnerungen  1.  8.  401 
verschiedentlich  vermuthet  hat.  Arndt  hat,  wie  es  scheint,  den  Namen  aus  Vor- 
pommern herübergenommen,  wie  er  auch  die  ganze  Gestalt  verallgemeinert  hat, 
indem  er  den  wilden  Jäger  zu  einem  grossen  Fürsten  „im  Sachsenlande^  macht, 
„der  viele  Burgen  und  Schlösser  und  Dörfer  und  Forsten  hatte".  Besonders  tritt 
der  Nachtjäger,  wie  schon  oben  erwähnt,  in  waldreicher  Gegend  hervor  und 
charakteristisch  vorzüglich  in  Jasmund  und  Wittow,  gerade  in  der  Nähe  von  Arkona, 
z.  B.  in  Putgarten.  Er  jagt  nur  des  Nachts.  Wenn  man  ihn  „flöten"  hört,  muss 
man  ihm  aus  dem  Wege  gehen,  denn  er  nimmt  alles  mit,  was  ihm  in  den  Weg 
kommt.  Namentlich  darf  man  nach  Sonnenuntergang  selber  nicht  „pfeifen"*,  sonst 
dauert  es  nicht  lange,  dann  ist  er  da  (Kloster).  Der  bekannte  Ruf:  „halt  den 
Mittelweg"  wird  ihm  auch  hier  beigelegt.  Aus  Zudar  berichtete  ihn  mir  Hr.  Pastor 
Dankwardt  in  der  Form:  HoU  den  Middelweg,  Ho II  den  Middelweg,  süss  biten 
di  mine  Hunn.  Desgleichen  erwähnt  derselbe,  dass  in  Grabe w  einige  Bauern- 
häuser standen,  von  denen  man  sagte,  dass. der  Nachtjäger  öfter  hindurchgezogen 
sei.  Auch  in  Sassnitz  bezeichnet  man  noch  jetzt  ein  Haus  am  Strande,  durch 
welches  er  oft,  wenn  die  gegenüberliegenden  Thüren  offen  standen,  mit  allen 
seinen  Hunden  hindurchgezogen.  Deshalb  war  auch,  heisst  es,  kein  Glück  bei  den 
Leuten;  es  wechselten  oft  seine  Besitzer. 

Ist  es  nun  auch  hier  noch,  wenngleich  in  verblasster  Gestalt,  der  alte  GeuitttT- 
gott,  der  im  Winde  „pfeift"  und  mit  seiner  „heulenden  Sturmesmeute"  einher  gejagt 
kommt  und  dem  Wanderer  den  noch  jetzt  bei  einem  Gewitter  üblichen  Ruf  zu- 
ruft, sich  mitten  auf  dem  Wege  zu  halten,  damit  ihm  kein  Schaden  widerfahre, 
so  wird  der  Name  „Nachtjäger",  den  er  hier  abweichend  von  den  gleichen  Ge- 
stalten bei  Meklenburgern  und  Pommern,  wie  Dänen  und  Schweden  zeigt,  wo  noch 
der  Name  des  Wodan  (Odhin)  hindurchklingt,  besonders  bedeutsam,  indem  er 
direkt  auf  die  Gewittemacht  —  denn  so  ist  es  ursprünglich  zu  fassen  —  als  die 
eigentliche  Erscheinung  der  wilden  Jagd  dort  oben  am  Himmel  hinweist 

Man  könnte  nun  an  den  Swantewit  auf  Arkona  denken,  von  dem  berichtet 
wird,  dass  er  angeblich  auch  des  Nachts  gegen  die  Feinde  des  Landes  ausgezogen 
sei  und  man  dann  des  Morgens  sein  heiliges  Pferd  (übrigens  von  schneeweisser 
Farbe)  mit  Staub  und  Seh  weiss  bedeckt  gefunden  habe.  Das  ist  aber  höchstens 
eine  Art  internationaler  Berührung,  denn  gerade  der  wilde  Jäger  ist,  zumal  in  der 


(451) 

gezeichneten  Form,  wie  allgemein  bekannt,  nirgends  slavisch,  sondern  eine  speci- 
flsch  germanische  Gestalt,  und  passt  so  nicht  bloss  zu  dem  sonst  hier  hervortreten- 
den deutschen  Aberglauben,  sondern  bildet,  wie  überall,  auch  hier  gerade  natür- 
lich ein  Hauptmoment,  ja  das  Oentrum  desselben.  Dazu  kommt  nun  noch,  dass  der 
Name  „Nachtjäger"  noch  besonders  charakteristisch  wird,  indem  er  hier,  rings  von 
der  Zone  des  entsprechenden  Odhin  und  Wodan  umgeben,  wieder  im  Süden  am  Iser- 
kämm,  in  den  Gebirgen  Schlesiens,  sowie  in  der  angrenzenden  Lausitz,  in  letzterer, 
wie  so  manches  deutsche  Glaubenselement  in  slavischer  üebersetzung,  als  nocny 
jagar,  auftritt  ')>  wozu  sich  dann  in  Deutschböhmen  neben  ihm  das  sogen,  nachtgoid, 
in  Bayern:  nachtgejaid  oder  das  nachtgelait  (processio  nocturna)  nach  J.  Grimm 
stellt,  so  dass  wir  in  jenen  mythischen  Oasen,  in  denen  der  Nachtjäger  auftritt, 
üeberreste  alter  „ethnologischer"  Bezüge  zu  erblicken  veranlasst  sind  2). 

Jedenfalls  hebt  sich  aber  hiernach  gerade  mit  dem  Nachtjäger  der  deutsche 
Volksglaube  auf  Rügen  in  charakteristischer  Besonderheit  ab,  welche  der 
Inselbevölkerung  eine  besondere  Selbständigkeit  aus  der  Heidenzeit  her 
verleiht,  vor  allem  den  Gredanken  an  eine  in  dieser  Hinsicht  einwirkende  Coioni- 
sation  abschneidet. 

Noch  bedeutsamer  wird  aber  in  dieser  Beziehung,  dass  ich  zu  meiner  grössten 
üeberraschung  noch  üeberreste  eines  eigenthümlichen  Gebrauchs  oder  Oultes,  der 
sich  im  Anschluss  an  den  schon  oben  erwähnten  Pük  (eine  Art  Hausgeist)  über 
ganz  Rügen  erstreckt,  entdeckte  Der  Gebrauch  reiht  sich  an  die  Zeit  der  Winter- 
sonnenwende, die  Zwölften,  welche  ich  auch  schon  oben  als  auf  Rügen  noch  fort- 
lebend erwähnte. 

Wie  die  alten  heidnischen  Gebräuche  zu  Anfang  und  Ende  des  Festes  der 
Wintersonnenwende,  mit  dem  sich  der  Jahreswechsel  vollzog,  sich  im  Laufe  der 
Zeiten  auf  Weihnachten,  Sylvester  oder  Neujahr  übertragen  haben,  so  hat  sich  der 
betreffende  Gebrauch,  der  wohl  einst  die  Zwölften  schloss,  an  den  Sylvester  an- 
geschlossen und  mechanisch  auch  in  christlicher  Zeit  erhalten. 

„Sylvesterabend  muss  gebacken  werden",  hiess  es  zunächst  in  der  Familie 
meines  Wirthes  zu  Sassnitz,  „sonst  essen  die  Unterirdischen  das  nächste  Jahr 
mit."  Dieser  Aberglaube  interessirte  mich  in  hohem  Grade.  Da  nach  altgermani- 
schem Glauben  dann  die  Geister  ihren  Umzug  halten  und  man  ihnen  vielfach  noch 
Speisen  hinsetzt,  Lichter  anzilndet.  Alles  gleichsam  zu  ihrem  Empfang  bereit  hält, 
so  glaubte  ich  hier  den  Rest  eines  solchen  Opfers  sehen  zu  dürfen,  dessen  Ver- 
nachlässigung die  Rache  der  Unterirdischen  nach  sich  zieht.  Wie  ich  nun  weiter 
forschte,  trat  mir  aus  allen  Theilen  Rügens  jener  Gebrauch  in  ausgesprochenster 
Weise  entgegen,  selbst  aus  Mönchgut  (Middelhagen,  sowie  Gr.  Zicker),  nur  dass  statt 
der  Unterirdischen  „der  Pük"  genannt  wurde,  den  ich  schon  früher  gelegentlich  auf 
dem  gegenüberliegenden  Festlande  in  einzelnen  Sagen  als  eine  Art  Hausgeist  kennen 
gelernt  hatte.  Hier  aber  auf  Rügen  hat  sich,  und  das  ist  das  Bedeutsame,  der  er- 
wähnte, daran  sich  schliessende  Gebrauch  noch  überall  erhalten.  Die  übrigen 
Sassnitzer,  sowie  die  aus  Krampas,  Sagard  und  Bergen,  Hagen  bei  Stubbenkamer 
u.  s.  w.  sagten,  man  backe  stets  noch  einen  Geestkuchen  (Pfanucnkuchen),  sonst 


1)  V.  Schulenburg,  Wendische  Volkssagen.  1880.  S.  132. 

2)  UeberaU  klingt  es  analog  an.  Ln  Riesengebirge  (Braunau),  sagt  Grohmann, 
heisst  der  wilde  Jäger  der  „Nachtjäger''.  Man  soll  sich  bei  Ankunft  der  wilden  Jagd  zu 
Boden  werfen  und  darf  nicht  aufblicken;  denn  einer,  der  dies  gethan  hat,  ist  davon  wahn> 
sinnig  (wohl  blödsinnig;  geworden,  ein  anderer  blind^,  d.  h.  Donner  und  Bütz  haben  ihn 
gerührt. 

29»  I 


(452) 

ässe  der  Pük  das  nächste  Jahr  mit.  Früher  hätte  man  den  Kuchen  auch  den  folgen- 
den Tag  mit  in  die  Kirche  genommen  und  einsegnen  lassen,  dann  hätten  alle  von 
der  Familie  davon  essen  müssen,  aber  auch  dem  Vieh  habe  man  etwas  ins  Futter 
gethan,  den  Bienen  vor  die  Löcher  des  Bienenstockes  gestrichen  und  dergl.  mehr. 
Aehnliche  Berichte  erhielt  ich  aus  Putgarten  bei  Arkona,  lummanz,  Kloster  und 
Gingst.  Ueberall  vervollständigte  sich  das  Bild  und  die  Zähigkeit,  mit  der  man, 
wenn  auch  oft  nur  noch  äusserlich,  an  dem  Gebrauch  festhält.  Der  Terminus 
technicus  war  meist:  „man  müsse  den  Heerd  abhacken"  oder  wenigstens  am  Syl- 
vester Teig  rühren,  sonst  wäre  im  nächsten  Jahre  alles  behext  und  ginge  schief 
(Sassnitz  und  Krampas);  „wenn  man  nicht  backt,  überhaupt  sich  nicht  mit  Mehl 
an  dem  Tage  zu  thun  macht,  wird  alles  Mehl  im  nächsten  Jahr  zu  Asche  (Sass- 
nitz)." Einmal,  erzählte  eine  Frau  aus  Putgarten,  hatten  die  Leute  es  vergessen, 
da  hätte  es  in  der  Küche  gerufen:  „bak,  bak  und  wenn  du  wider  nix  hast  as 
Asche,  denn  back  mit  Asche".  Aus  Gr.  Zicker  erhielt  ich  den  Bericht,  dass  man 
auch  allerhand  Gemüse  in  den  Geestkuchen  gethan.  Hr.  Pastor  Dankwar th  aus 
Zudar  bestätigte  mir  die  schon  eben  nach  Berichten  aus  Sassnitz  gegebene  allge- 
meine Schilderung  in  folgender  weiteren  Ausführung:  „Den  Heerd  abhacken"  ist 
in  früherer  Zeit,  jedenfalls  noch  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  in  dieser  Gegend 
allgemeine  Sitte  gewesen,  jetzt,  wie  ich  glaube,  nirgends  mehr  (?).  Es  ist  ein  Geest- 
kuchen, mit  Aepfeln  oder  Zwetschen  gefüllt,  gebacken  worden.  Der  Hausvater  hat 
davon  am  Neujahrstage  in  die  Kirche  genommen,  damit  der  Segen  darüber  ge- 
sprochen wurde,  und  dann  haben  sämmtliche  Glieder  des  Hauses  davon  gegessen, 
auch  das  Vieh  hat  etwas  davon  bekommen,  selbst  den  Bienen  ist  etwas  auf  die 
Fluglöcher  gestrichen  worden.  Dass  es  geheissen  habe:  „damit  der  Pük  oder  die 
Unterirdischen  nicht  mitessen"  oder  dort  irgend  ein  anderer  Spruch  dabei  üblich 
gewesen,  darüber  sind,  wie  es  scheint,  die  Erinnerungen  jetzt  geschwunden*).  Meine 
Quelle  ist  ein  alter,  1802  hierorts  gebomer  Mann,  der  in  Bezug  auf  alte  Zeiten  ein 
sehr  gutes  Gedächtniss  bewahrt.  Dass  im  Volksglauben  die  Unterirdischen  (auch 
der  Pük)  eine  Rolle  gespielt  haben,  dessen  erinnerte  er  sich  gut  So  erzählte  er 
mir  z.  B.  u.  A.  noch  in  Betreflf  der  Unterirdischen,  dass  es  allgemeine  Sitte  gewesen 
sei,  dass  nach  der  Geburt  eines  Kindes  6  Wochen  lang  Licht  gebrannt  worden, 
damit  die  Unterirdischen  das  Kind  nicht  nähmen  und  mit  einem  anderen  ver- 
tauschten." 

Weinhold  hat  mit  Recht  jüngst  hervorgehoben,  dass  für  Mythen forschung 
besonders  Sitte  und  Gebrauch  von  der  höchsten  Bedeutung  sei,  und  dies  gilt 
nach  der  ethnologischen  Seite  hin  entschieden.  Recapituliren  wir  von  diesem  Stand- 
punkt aus  das  Beigebrachte,  so  erscheint  besonders  bedeutsam  für  das  Pesthalten 
deutscher  Gebräuche  auf  Rügen  in  dieser  Weise  neben  solchen  Einzelheiten,  wie 
der  Gebrauch,  ein  Licht  bei  den  Wöchnerinnen  brennen  zu  lassen  als  Schutz  gegen 
die  Wechselbälge  oder  das  Mittel,  welches  gegen  das  Mahrriden  angewandt  wurde, 
wovon  noch  die  Rede  sein  wird,  die  allgemeine  Hcilighaltung  der  Zwölften  und 
vor  Allem  das  daran  sich  schliessende  „Abhacken"  des  Heerd  es  und  das  „mitten 
im  Wege  sich  halten",  wenn  der  Nachtjäger  vorüberzieht,  wie  es  auch  in  anderen 
Gegenden  geübt  oder  durch  den  noch  bezeichneteren  Gebrauch  ersetzt  wird,  sich 
platt  auf  die  Erde  zu  werfen.  Der  Name  des  Nachtjägers,  wie  der  des  Pük 
beim  Abhacken  des  Heerdes,   geben  .dabei  Rügen  noch,    wie  schon  erwähnt,    eine 


1)  In  der  verschiedensten  Weise  bröckeln  solche  alte  Gebräuche  mit  der  Zeit  ab.  Der 
ganze  Bericht  bestätigt  aber  im  Anschlnss  an  die  übrigen  die  geschilderte  Sitte  auch  f^ 
Zudar. 


(453) 

gewisse  Sonderstellung  gegenüber  den  geographisch-mythologischen  Gruppirungen 
der  angrenzenden  Länder  and  werfen  ein  bedeatsames  Schlaglicht  auf  den  Stamm- 
charakter der  Urbevölkerung,  indem  sie  demselben  in  der  Hauptmasse  einen 
eigenartigen  urdeutschen  Charakter  verleihen,  wie  ich  dies  in  anderer  Weise  für 
Meklenburg,  Pommern  und  den  westlichen  Theil  der  Mark  schon  nachgewiesen 
habe  »)• 

In  Betreff  Mönchgut's  will  ich  in  dieser  Hinsicht  noch  eine  Bemerkung  machen. 
Ich  habe  schon  oben  bei  Besprechung  einer  gewissen  Sonderstellung  des  dortigen 
Dialekts  darauf  hingewiesen,  dass  man,  namentlich  nach  dem  Urtheil  des  Freiherm 
von  H axthausen,  geneigt  sei,  dies  mit  einer  Colonisirung  des  Ländchens  durch 
westfälische  Ansiedler  aus  dem  Paderbomschen  in  Beziehung  zu  bringen.  Die 
Sache  bedarf  noch  weiterer  Untersuchung.  Erwähnen  will  ich  jedoch,  dass  vom 
Standpunkt  des  Volksglaubens  auch  hier  ein  homogener  Untergrund,  wie  in  den 
anderen  Theilen  Rügens  mit  dem  Heerdabbacken  u.  s.  w.,  hervortritt,  so  dass  dies 
gegen  eine  radicale  Umgestaltung  in  der  Bevölkerung  spricht,  daneben  aber  doch 
ein  Moment  für  eine  Mischung  im  obigen  Sinne  redet,  auf  das  ich  behufs  weiterer 
Forschung  aufmerksam  machen  will. 

Baier  sagt  in  "Wolfs  Zeitschrift  f.  deutsche  Mythologie  II.  Bd.  1885.  S.  145 
„De  Witten  wiver"  (die  weissen  Weiber)  vertreten  auf  der  Halbinsel 
Mönchgut  die  Stelle  der  „Unterirdischen"  (der  Zwerge)  und  es  wird 
von  ihnen  zum  Theil  dasselbe  erzählt,  was  im  übrigen  Rügen  von  den 
Unterirdischen." 

Das  ist  bei  der  Isolirtheit  dieser  Erscheinung  hier  höchst  höchst  merkwürdig, 
denn  dies  gemahnt  auch  an  Westfalen  und  speciell  an  das  dem  Paderborpschen 
benachbarte  Arensbergische.  Denn  von  den  Ortschaften  Orange  und  Riemke  da- 
selbst sagt  Kuhn  in  den  „Westfälischen  Sagen"  II.  S.  18: 

„Von  den  witten  wivern  erzählt  man  meist  Aehnliches,  wie  von  den 
Zwergen,  sie  vertauschen  Kinder  u.  s.  w. 

Hier  scheint  also  eine  ethnologische  Beziehung  zu  Grunde  zu  liegen,  wie  ich 
eine  analoge  schon  in  dem  in  Pommern  statt  des  Wode  (Gwode)  vereinzelt  auf- 
tretenden Hakelberg  vermuthet  habe,  der  sonst  nur  in  der  Altmark,  im  Braun- 
schweigischen, sowie  am  SoUing  und  überhaupt  im  Minden-Ravensbergischen  auf- 
tritt »). 

Zum  Schluss  noch  einige  Einzelheiten  in  Sage  und  Gebräuchen. 

Das  mährriden. 
Der  Mär  kommt  durchs  Schlüsselloch,  wie  ein  Thier,  wie  eine  Katze  oder  ein 


1)  Schwartz,  die  Stammbevölkerungsfrage  in  Brandenburg,  Meklenburg  und  Pommern. 
^Märkische  Forschungen''  XX.  1887.  S.  104  flf.  —  Vergl.  Protokolle  der  General -Versamm- 
lung des  Gesammtvereins  der  deutschen  Geschichts-  und  Alterthumsvereine  zu  Schwerin 
1890.    Berlin  S.  133  ff. 

2)  Isolirt  treten  auch  die  witten  wiver  noch  in  Meklenburg  zu  Sukow  bei  Criwitz  auf, 
gerade  wie  die  Zwerge,  kinderstehlend,  backend  u.  s.  w.,  daneben  von  Frau  Wauer  d.  h. 
dem  Pro  Wode  verfolgt,  wie  sonst  in  Mitteldeutschland  die  Moosweiblein.  Nied  erhoff  er, 
Mecklenburgs  Volkssagen.  Leipzig  1869.  ni!  S.  190.  —  Die  Beziehung  zwischen  beiden 
Wesen  ist  übrigens  nicht  auffallend,  denn  wenn  die  Zwerge  mit  ihren  Nebelkappen  ur- 
sprünglich W'olkendämonen  waren  (s.  weiter  unten  die  Anm.  zu  der  Sage  „die  Zwerge  bei 
Arkona*),  so  waren  die  witten  wiver  die  Wolkenfrauen,  —  eine  altindogermanische  Vor- 
stellung, —  welche  u  A.  der  Sturmesgott  verfolgt.  —  Ueber  die  geographischen  Grenzen 
des  Hackelberg  s.  Kuhn  und  Schwartz,  Nordd.  Sagen.  Nr.  182  und  26ö.  Weddingen 
und  Hartmann,  Der  Sagenschatz  Westphalens.    Minden  1884.    S.  15f. 


(454) 

Marder  schleicht  er  sich  an  den  Schlafenden.  Je  naher  er  kommt,  desto  schwerer 
wird  die  Athenmoth  des  Menschen,  und  wenn  er  aufwiegt,  ist  dieser  wie  gelähmt 
und  kann  sich  nicht  rühren.  Man  nennt  dies  allgemein  das  mährriden,  wobei  in 
den  einzelnen  Gegenden  der  erste  Vocal  zwischen  a  und  o  schwankt,  aber  überall  nur 
mahr,  nicht  Alp ;  auf  Mönchgut  geht  das  o  in  u  über,  „Muhrtriden"  heisst  es  da  *). 
Als  Gegenmittel  gilt,  wenn  man  mit  einem  nassen  Tuch  nach  der  Erscheinung 
schlägt,  dann  verschwindet  sie.  Oder  man  legt  einen  abgefegten,  stumpfen  Reisig- 
besen tmter  das  Bett,  damit,  wie  einer  sagte,  die  „Hexe"  keine  Macht  mehr  daran 
hat,  d.  h.  ihn  wohl  nicht  mehr  zu  dem  gespenstischen  Ritt,  an  den  dabei  woh) 
gleichzeitig  gedacht  wird,  gebrauchen  kann. 

Der  Dräk 

ist  noch  ziemlich  allgemein  bekannt,  auch  auf  Mönchgut.  Er  trägt  es  den  Leuten 
zu.  Man  sieht  ihn  oft  oft  des  Abends  wie  eine  feurige  Kugel  mit  langem  Schweif 
ziehen  und  dann  in  den  Schornstein  einfahren.  Wenn  man  ihn  ziehen  sieht,  muss 
man  ein  Wagenrad  verkehrt  aufstecken,  dann  muss  er  fallen  lassen,  was  er  mit 
sich  führt.  Nur  muss  man  selbst  unter  Dach  und  Fach  sein,  sonst  überschüttet 
es  einen  oft  hässlich,  namentlich  mit  ram  (Sahne)*). 

Die  weisse  Frau. 

Wie  der  Glaube  an  das  gelegentliche  Erscheinen  des  Nachtjägers  noch  in  den 
Köpfen  spukt,  so  auch  das  der  weissen  Frau').  Man  glaubt  noch  immer,  sie  hier 
und  da  zu  sehen;  gerade  wie  in  katholischen  Gegenden  noch  ab  und  zu  das  (Ge- 
rücht auftaucht,  die  Jungfrau  Maria  habe  sich  an  irgend  einer  Stelle  sehen  lassen 
(s.  meine  Prähistorisch-anthropologischen  Studien.     Berlin  1884.     S.  372,  374). 

Auf  dem  Wege  von  Sassnitz  nach  der  Stubbenkaraer,  hinter  der  Försterei 
Werder,  soll  die  weisse  Frau  namentlich  umgehen.  Wer  das  rechte  Wort  findet, 
erlöst  sie  und  erhält  ihre  Schätze.  Auch  am  Schlossberg  am  Hertha-See  zeigt  sie 
sich.  Ein  Junge  sah  sie  noch  jüngst  dort  im  Walde  Holz  lesen.  Da  fasste  ihn 
die  Angst  und  er  lief  quer  waldein.  Wie  er  an  den  Hertha-See  kommt,  da  fährt  sie 
in  einem  Kahn  auf  demselben  mit  einer  weissen  Kappe.  In  Angst  und  in  Schweiss 
gebadet  kam  er  nach  Hause  (Hagen).  Das  ist  aber  nicht  der  einzige  gewesen, 
dem  derartiges  begegnete. 

1)  Ueber  den  ürspnmg  des  altindogermanischeD  Glaubens  vom  Mährriden,  welches  in 
Mittel-  und  Süddeutschland  Alpdruck  heisst  s.  Poet.  Naturansch.  I.  S.  72flf. 

2)  Der  Dräk  findet  sich  in  ähnlicher  Weise  in  ganz  Norddeutscbland.  s  Kahn  und 
Schwartz,  Norddeutsche  Sagen  1848.  gebr.  200 — 223.  Sonst  wird  er  einem  (feurigen) 
Wisböm  (der  auf  dem  Heuwagen  liegt)  verglichen.  Es  geht  auf  das  Wetterleuchten  und  ist 
daneben  eine  verkümmerte  Vorstellung  des  Windes,  der  als  himmlischer  Hausgeist  in  der 
schweren  Gewiltenvolke  etwas  hinschleppt,  im  sogen.  Flachblitz  leuchtet,  im  krachenden 
Donner  etwas  fallen  lässt,  das  dann  als  ünrath,  Schwefel  u.  dergl.  gedeutet  wird:  siehe 
Präh.  Studien  S.  72.  Poet.  Naturansch.  IL  8S.  Das  Bild,  wie  ich  es  oft  habe  beschreiben 
hören,  giebt  noch  mit  dem  Krachen  und  Schwefelgenich,  nur  in  anderer  Deutung  als  ein 
himmUsches  Wahrzeichen  wieder  Vergil  Aen.  II  (i04.  Mit  dem  herabstürzenden  Donner- 
gekrach  heisst:  per  umbras  Stella  facem  ducens  multa  cum  luce  cucurrit.  UlanL, 
summa  super  labentem  culmina  tecti,  Cemimus  Idaea  claram  se  condere  silva^ 
Signantemque  viam;  tum  longo  limite  sulcus  Dat  lucem,  et  late  circum  loc*  sulfure 
fumant. 

3)  Ein  bekannter  Spuk,  in  dem  noch  neben  dem  Gewittergott  die  altmyth  sehe  Gestalt 
der  Sonne,  als  einer  himmlischen  Wolken-  und  Wasserfrau,  fortlebt,  s  über  dieselbe  Un»p. 
d.  Mjth.  Heutiger  Volksgl.  u.  s.  w.  (IL  Aufl.),  Prähist.  Studien  u.  s.  w. 


(456) 

Feuer  ^).   Da  packte  sie  die  Angst,  sie  sahen  sich  um,  —  das  darf  man  bei  solcher 
Gelegenheit  nicht,  —  und  Alles  war  verschwunden. 

Besser  ging  es  Anderen,  die  sahen  einmal  an  solcher  Stelle  dort  in  der  Nacht 
einen  alten  Mann,  der  immer  in  einem  Feuer  rührte,  dass  die  Spähne  nur  so 
herumflogen.  Er  fragt  sie,  ob  sie  welche  haben  wollten.  Sie  lachen  und  wollen 
zuerst  nicht,  zuletzt  nehmen  sie  doch  welche  in  der  Schürze  mit.  Bald  wird  es 
den  Frauen  aber  immer  schwerer  und  schwerer,  so  dass  sie  Alles  fortwarfen.  Wie 
sie  nach  Hause  kamen,    waren  einige  im  Schürzenband  sitzen  geblieben  und  eitel 

Gold'O. 

Die  Hexen  zu  Walpurgis. 

Zu  Wollbrekken  (Wolpern)  fahren  die  Hexen  nach  dem  Blocksbeig.  Wenn 
man  eine  geerbte  Egge  schräg  aufstellt  und  sich  unter  dieselbe  setzt,  kann  man 
sie  sehen.^  Sie  fahren  in  viereckigen  Mulden,  wie  die  sind,  in  die  man  nach  dem 
Fischfange  die  Steine  aus  den  Netzen,  mit  denen  man  selbige  beschwert  hatte,  ab- 
streift und  sammelt.  Schippenartige  Bretter,  wie  man  sie  beim  Flachsreinigen 
(Brechen)  gebraucht,  sind  ihre  Ruder*). 

Die  Steine  bei  Goor. 
Bei  Goor  auf  der  Halbinsel  Wittow  liegen  grosse  Steine,  die  hat  eine  Wendin 
da  fallen  lassen,  als  sie  dieselben  in  der  Schürze  getragen  und  das  Schürzenband 
ihr  gerissen*).     Putgarten. 

Der  Kavenin  bei  Sassnitz. 

Jeder  Ort  an  der  Küste  hat  so  sein  Wahrzeichen.  So  liegt  zum  Beispiel  bei 
Sassnitz  zwischen  Fahren-  und  Schlossberg  der  Ravenin.  Das  ist  den  Sassnitzem 
ein  Signalberg  zwei  Meilen  hinein  in  die  See,  fast  bis  zur  Stubbenkamer  hin. 
Wenn  man  den  sehen  kann  und  die  Küste,  wo  ja  alle  Spitzen  auch  ihren  Namen 
haben,  sagte  mir  ein  Fischer,  dann  kann  man  danach  steuern,  so  genau,  dass  man 
auf  ein  paar  Meter  weiss,  wo  man  landet.    Ist  aber  Nebel,  dann  ist  es  schlimm. 

Der  Spuk  in  Spyker. 
In  Spyker,  der  alten  Besitzung  der  Wrangeis,  ist  es  nicht  richtig.  Im  Thurm 
da  spukt  es.  Als  sie  ihn  bauten,  heisst  es,  fiel  er  immer  über  Nacht  ein,  bis  sie 
einen  Menschen  einmauerten*).  Der  geht  nun  um.  Nach  Anderen  ist  daselbst  ein 
unheimliches  Gemach,  da  ist  einer  zu  Tode  gekommen,  und  der  ist  es,  der  nun 
umgeht*). 

1)  Derselbe  Zug  kehrt  bei  der  Erlösung  der  verfluchten  Prinzessin  auf  dem  Muggels- 
berge  bei  Berlin  wieder,    s.  Heutiger  Volksgl.  H.  Aufl.  S.  111. 

2)  üeber  die  Wandlung  der  Speisen  in  Gold  s.  Heutiger  Volksgl.  11.  Aufl.  S.  35,  43. 

3)  Interessant  ist,  wie  die  Nftbe  der  See  die  Scenerie  wandelt.  Die  Hexenfahrt  wird 
zu  einer  Art  Wasserfahrt  So  fährt  auch  nach  ßaier  a.  a.  0.  eine  Mahr  in  einer  Mulde 
mit  Schwingblättem.    s.  Jahn,  Volkssagen  von  Pommern  und  Rügen  1887.  S.  560f. 

4)  Die  Nähe  von  Arkona  mit  seinem  Swantewittempel  lässt  hier  „eine  Wendin"  aaf- 
treten. 

5)  Ein  junger  Fischer,  der  auch  darauf  zu  reden  kam,  und  der  in  Wilhelmshaven 
bei  der  Marine  gewesen,  meinte,  ähnlich  hätten  sie  es  auch  in  Oldenburg  seiner  Zeit  ge- 
macht, nehmlich  mit  dem  Kinde  einer  armen  Frau.  Da  ist  es  deshalb  auch  nicht  richtig, 
und  wenn  ein  Prinz  geboren  werden  soll,  ziehen  sie  immer  fort  nach  einem  anderen  Palais. 
Sonst  brächte  es  dem  Kinde  Unglück. 

C^)  In  den  dreissiger  Jahren  tauchte  im  Anschluss  hieran,  auch  in  Zeitungen,  das  Ge- 
rücht auf,  der  schwedische  Feldmarschal  Wrangel,  der  bei  Fehrbellin  geschlagen  wurde,  sei 
seiner  Zeit  auf  Befehl  des  Königs  von  Schweden  hier  heimlich  hingerichtet  worden. 


(457) 

Aberglauben. 

1)  Sieht  man  am  Sylvesterabend  den  Schatten  eines  Menschen  ohne  Kopf,  so 
ist  das  ein  Zeichen,  dass  derselbe  im  neuen  Jahre  stirbt.    Sassnitz. 

2)  Wenn  einer  stirbt,  muss  Alles  gleich  gewaschen  werden,  was  er  an  hat, 
sonst  hat  der  Todte  keine  Rahe.     Patgarten. 

3)  Weihnachtsabend  stellen  die  Kinder  einen  Teller  auf  das  Fensterbrett,  da 
finden  sie  dann  am  Morgen  gebackene  Puppen,  Aepfcl  a.  dergl.  Das  hat  ihnen 
der  heilige  Christ  gebracht. 

4)  Wenn  die  jungen  Gänse  zu  viel  gefressen  haben,  muss  man  sie  räuchern. 
Dazu  braucht  man  Spähne  von  einer  neuen  Schwelle,  Dill  (das  ist  überhaupt  gegen 
die  Hexen  gut)  und  endlich  ein  Pulver  aus  der  Apotheke  in  Putgarten. 

(22)    Hr.  W.  Schwartz  berichtet  über 

prähistorische  Fundstücke  aus  Ketzin,  Kr.  Osthavelland. 

Ich  bin  Herrn  Rentier  Mannheimer  hierselbst  dankbar,  dass  er  mich  in 
die  Lage  versetzt  hat,  einige  ä  Th.  höchst  interessante  Stücke  vorzulegen,  welche 
auf  einer  ihm  gehörigen,  im  Osten  des  Städtchens  Ketzin  liegenden  Ziegelei  ge- 
funden sind.  Die  Gegend  hat  uns  schon  einmal  beschäftigt,  indem  Hr.  Virchow 
und  Hr.  Krause  über  einen  im  Westen  von  Ketzin  an  der  Havel  gelegenen  Burg- 
wall und  die  prähistorischen  Resultate,  welche  bei  einer  in  den  Jahren  1882 — 83 
vollgenommenen  Abtragung  desselben  sich  ergaben,  des  Ausführlicheren  berichtet 
haben  (Bd.  XVI.  1884.  Verhandl.  S.  47). 

Was  die  Bodenverhältnisse  anbetrifft,  so  kommt  zuerst  eine  starke  Torfschicht, 
in  der  sich  nur  gelegentlich  einzelne  Stücke,  wie  Beschläge  eines  Hirschfängers  und 
dergleichen  aus  den  letzten  Jahrhunderten  finden;  dann  folgt  eine  z.  Th.  mit  Sand 
durchzogene  Thonschicht,  welche  die  prähistorischen  Funde  birgt,  und  endlich 
reiner  Sand,  in  dem  sich  öfter  kleinere  und  grössere  Stücke  von  Bernstein  finden. 
Die  Funde,  welche  ich  vorlege,  sind  im  Laufe  der  letzten  Jahre  an  verschiedenen 
Stellen,  meist  im  Thon,  gemacht  worden. 

1)  Besonderes  Interesse  nimmt  zunächst  ein  Schädel  in  Anspruch,  der  von 
einem  Skelet  herrührt,  welches  sich  14  Fuss  tief  in  einer  2  Fuss  hohen  Schicht 
Sand  unter  dem  Torf  fand.  Hr.  Virchow  hat  denselben  einer  näheren  Unter- 
suchung, besonders  in  Vergleich  zu  den  seiner  Zeit  am  Burgwall  gefundenen 
Schädeln,  unterzogen. 

2)  Eine  Rarität  ist  dann  geradezu  eine  grosse  schlanke  Doppelaxt  aus 
Bronze  (Fig.  1),  mit  hellgrüner,  mehlartiger  Patina  Von  dem  in  der  Mitte  be- 
findlichen, kleinen,  ovalen  Stiel  loch  verbreitert  sie  sich  gleichmässig  in  etwas  ge- 
schwungener Linie  nach  den  beiden  etwas  convexen  Schneiden  (Länge  30  c/w. 
Breite  der  Schneiden  6,  3  und  6  cw,  Breite  in  der  Mitte  3,2  an;  Dicke  in  der  Mitte 
3  cm),  Sie  wurde  gefunden  auf  einer  Anhöhe,  etwa  12  Fuss  tief  im  Lehm.  Wie 
mir  Hr.  Buch  holz  mitgotheilt  hat,  besitzt  das  Märkische  Museum  eine  ähnliche  Axt 
aus  der  Gegend  von  Halle;  in  der  Mark  ist  noch  keine  derartige  gefunden  worden. 

3)  Ein  kleiner  Hohlcelt  „mit  üehr"  aus  Bronze,  mit  brauner  Patina;  an 
beiden  Seiten  je  3,  etwas  erhabene  Rippen,  der  hintere  Rand  wulstartig;  nach 
vom  und  hinten  von  der  Mitte  aus  sich  etwas  verbreiternd;  die  Gussnähte  noch 
sichtbar.  Länge  8,8  cm^  Breite  der  Schneide  3,5  cm^  Durchmesser  der  ovalen 
Schaflöffnung  3  :  2,6  cm,  Tiefe  der  Schufiöffnung  6,8  rm.  Gleichfalls  12  Fuss  tief 
im  Thon  gefunden. 


C458) 


0, 


V, 
Figur  3 


4)  Ein  13  cm  liingos  Gorüth  von  Hörn,  oben  vierL'L'ki(f,  al>i>r  soDst  rand  and 
nnch  vom  sich  vcrjüngond  und  in  eine  Spitze  nusgchend,  von  hellbrauner  Farbe: 
wohl  eine  Art  Harpune.     Daa  obere  viereckig?  Ende  ist  sauber  ausgearbeitet 

5)  Die    rechte    Uüirie    eines    Untcrkiüfers    von    einGin    ponynrtigen    Prcrde 


(459) 

(Equus  caballus);   vom    fragmentirt,   zwei  Backenzähne    fehlen.    24  Puss   tief  im 
Thon  gefunden. 

Nachträglich  hat  Hr.  Mannheimer  aus  der  Gegend  noch  erworben: 

6)  Einen  Hammer  mit  weitem  Stielloch  aus  dem  Kronentheil  eines  sehr 
starken  Hirschgeweihes;  etwas  gekrümmt,  sehr  rohe  Arbeit;  die  eine  Seiten- 
fläche wird  durch  die  natürliche  rauhe  Schale  gebildet,  auf  der  anderen  ist  die- 
selbe nach  vorn  zu  z.  Th.  entfernt,  um  eine  Art  Schneide  herzustellen.  Grösste 
Länge  16  cm^  Durchmesser  der  Krone  9  cm, 

7)  Einen  kleinen  Flachcelt  aus  Bronze  mit  brauner  Patina  und  sehr  rauher 
Oberfläche,  mit  je  zwei  ziemlich  erhabenen,  geraden  Leisten  auf  beiden  Seiten; 
vom  Bahnende  nach  der  Schneide  sich  etwas  verbreiternd;  das  Bahnende  halb- 
mondförmig eingeschnitten.  Länge  11,1  cm,  Breite  der  Schneide  4,1  cm;  Breite  des 
Bahnendes  2,5  cm,  Durchmesser  2,2  cm. 

8)  Einen  schwarzen  Steinhammer. 

9)  Nadel  oder  Pfriemen  aus  Knochen,  am  oberen  Ende  durchbohrt. 
Länge  8,5  cm,  grösste  Breite  0,9  cm. 

10)  Einen  massiven  Pfriemen  aus  Knochen,  an  dem  am  oberen  Ende  ein 
Thierkopf  (Pig.  2)  mit  flacher  breiter  Schnauze  (Pferdekopf?)  geschnitzt  ist; 
z.  Th.  glatt  polirt.     Länge  3,9  cm,  Länge  des  Thierkopfes  2  cm. 

Auch  Urnen,  besonders  schwarze,  sind  gelegentlich  daselbst  gefunden  worden. 
Eüne  von  hellerer  Farbe,  scharf  gebrannt,  mit  tief  eingeritzten  Verzierungen,  giebt 
die  vorstehende  Abbildung  (Pig.  3)  wieder.    Gefunden  wurde  sie  16 — 20  Puss  tief.  — 

Hr.  Virchow:  Nach  den  von  Hrn.  Schwartz  mitgetheilten  Angaben  des  Hm. 
Mannheimer  handelt  es  sich  hier  um  einen  anderen  Platz  in  der  Nähe  von 
Ketzin,  als  denjenigen,  welchen  ich  im  Jahre  1883  mit  Hm.  Ed.  Krause  untersucht 
habe.  Leider  sind  die  Angaben  so  wenig  eingehend,  dass  es  nicht  einmal  möglich 
ist,  zu  ersehen,  ob  es  sich  um  einen  Wohnplatz  oder  um  Gräber  gehandelt  hat. 
Möglicherweise  ist  die  Stelle  zusammengesetzt  aus  Anlagen  verschiedener  Cultur- 
epochcn.  Denn  während  ein  grosser  Theil  der  t\inde  in  eine  ziemlich  weit  zurück- 
gelegene Zeit  weist,  erscheint  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass  nament- 
lich die  Knochengeräthe  einer  viel  jüngeren  Periode  angehören.  Die  Gegend  von 
Ketzin  birgt  manche  Alterthümer,  deren  Stellung  dringend  eine  weitere  Local- 
erforschung  erfordert.  Ich  erinnere  daran,  dass  ich  in  der  Sitzung  vom  21.  Juni 
1890  (Verh.  S.  367)  einen  Pund  von  Knochenharpunen  erwähnte,  welche  jedoch, 
im  Gegensatz  zu  dem  von  Hm.  Schwartz  unter  Nr.  4  aufgeführten  Geräth,  tiefe 
seitliche  Einschnitte  zeigen. 

Unter  den  jetzt  vorgelegten  Stücken  ist  besonders  bemerkenswerth  der  Knochen- 
pfriemen Nr.  10  (Pig.  2),  der  an  dem  hinteren  Ende  einen  geschnitzten  Thier- 
kopf trägt.  Solche  Stücke  gehören  bei  uns  zu  den  grössten  Seltenheiten.  Eine 
gewisse  Beziehung  dazu  scheint  ein  früherer  Pund  in  dem  Burgwall  von  Ketzin 
zu  haben,  den  Hr.  Ed.  Krause  beschrieben  hat  (Verh.  1884.  S.  50 — 51.  Pig.  6): 
ein  Knochenpfriemen,  auf  dessen  Rundung  sonderbare  Schlangenzeichen  mit  queren 
und  gekreuzten  Einritzungen  und  mit  einem  Hakenkreuz  zu  sehen  sind. 

Nicht  minder  hervorragend  ist  die  Doppel axt  Nr.  2  (Pig.  1).  unsere  Auf- 
merksamkeit auf  dieses  sonderbare  Geräth  wurde  im  Jahre  1879  (Verh.  S.  336. 
Taf.  XVII.  Pig.  2  und  3)  durch  den  berühmten  Perd.  Keller  gelenkt,  der  uns  über 
einen  neuen  Pund  von  Dr.  V.  Gross  berichtete:  in  dem  Pfahlbau  von  Lüscherz 
(Locras)  hatte  derselbe  eine  solche  Doppelaxt  aus  Kupfer  gefischt.  Ich  erwähnte 
damals,  dass  ich  in  Athen  ganz  ähnliche  Doppeläxte  gesehen  hätte  und  dass  auch 


(460) 

aufHissarlik  dergleichen  gesammelt  seien;  es  sei  eine  altassyrischc  oder  babyloni- 
sche Form,  welche  auch  in  Zeichnungen  jener  Zeit  vorkomme.  Bald  nachher 
(Verh.  1880.  S.  92)  übersendete  uns  Hr.  V.  Gross  einen  Gypsabguss  des  Stückes. 
In  demselben  Jahre  fand  die  grosse  Ausstellung  deutscher  prähistorischer 
Gegenstände  in  Berlin  statt.  Sie  brachte  uns  nicht  weniger  als  6  solcher  Doppel- 
äxte zur  Anschauung,  nehmlich 

1)  3,  als  Doppel  meissel  bezeichnete  Stücke  aus  dem  römisch -germanischen 
Museum  in  Mainz  (Katalog  der  Ausstellung  1880.  S.  227):  eines  von  Friedols- 
heim  (Peuerberg)  in  der  Pfalz,  eines  von  Flonheim  in  Rheinhessen  und  eines 
aus  der  Umgegend  von  Mainz,  das  erste  und  das  letzte  abgebildet  in  den  Alterth. 
unserer  heidn.  Vorzeit  von  L.  Lindenschmit  I.  1.  Taf.  ILI.  Nr.  7  und  8. 

2)  ein  als  Hellebarde  bezeichnetes  Stück  (Katal.  S.  5.  Nr.  4)  von  Altenburg 
an  der  Saale  in  Anhalt  (ebendas.  S.  3).  Es  ist  aus  Kupfer,  279  mm  lang,  an  den 
Schneiden  95,  in  der  Mitte  17  mm  breit  und  an  letzterer  15  mm  dick.  In  der  ganz 
schmalen  Mitte  ein  sehr  kleines,  viereckiges  Loch,  etwas  unregclmässig  gebohrt, 
8  mm  lang  und  breit.  Eine  Abbildung  davon  steht  in  dem  Photogr.  Album  der 
Ausstellung  von  Günther  und  Voss  Sect.  IV.  Taf.  17.  Nr.  4.  Aus  der  Sammlung 
des  Vereins  für  Geschichte  und  Alterthumskunde  des  Kreises  Bernbui^. 

3)  ein  als  Doppelmeisscl  bezeichnetes  Stück  aus  der  Sammlung  des  Haupt- 
manns V.  Grab a  in  Magdeburg  (Katal.  S.  51G.  10.  Nr.  4).  Es  ist  dabei  bemerkt: 
„(Bronze)  mit  viereckigem  Loch.  Länge  31  cm,  Fundort  Weste  rege  In."  Ich 
habe  es  damals  gleichfalls  als  ein  Kupf erger äth  notirt  Seine  Länge  roaass  ich 
zu  298  mm^  die  Breite  an  den  Schneiden  zu  68,  in  der  Mitte  17  mm,  die  Dicke  in 
der  Mitte  zu  IS  mm.  In  der  Mitte  der  Seitenflächen  ein  Wulst,  entsprechend  dem 
viereckigen,  8  mm  langen  und  5  mm  breiten,  doppeltrichterförmigen  Loch.  Abgebildet 
in  dem  Photogr.  Album  Sect.  VI.  Taf.  1  (150). 

4)  „Zweischneidige  durchlöcherte  Bronzeaxt, "  gefunden  in  einer  Kiesgrube 
bei  Cölleda,  aus  der  Sammlung  des  Oberstabsarztes  Dr.  Schwabe  zu  Weimar 
(Katal.  S.  543.  5.  Nr.  15).  Nach  meiner  Notiz  ist  sie  gleichfalls  aus  Kupfer.  Sie 
misst  in  der  Länge  278  mm,  in  der  Breite  an  den  Schneiden  48  mm,  in  der  Mitte 
26.  Das  in  letzterer  gelegene  runde  Loch  hat  einen  Durchmesser  von  14  tum 
und  ist  an  der  einen  Seite  etwas  weiter  von  dem  Rande  entfernt. 

Alle  diese  Stücke  haben  das  Gemeinsame,  dass  die  beiden  Schneiden  in 
gleicher  Ebene  liegen  und  sehr  breit  sind,  während  der  mittlere  Theil  und  daa 
darin  gelegene  Loch  so  eng  sind,  dass  man  sich  fragen  muss,  wozu  eigentlich 
dieses  Loch  benutzt  wurde.  Ein  viereckiges  Loch  von  8  auf  5  mm  Durchmesser 
(Westeregeln  Nr.  3)  oder  von  8  mm  Länge  und  Breite  (Altenburg  Nr.  2)  konnte 
nicht  füglich  ein  Stielloch  sein;  nicht  einmal  ein  rundes  Loch  von  14  mm  Durch- 
messer (Cölleda  Nr.  4)  reicht  dazu  aus.  Durch  ein  solches  konnte  höchstens  ein 
Lederriemen  oder  ein  Baststreifen  gezogen  werden,  um  die  Axt  an  dem  Stiel  zu 
befestigen.  Für  eine  solche  Erörterung  ist  es  an  sich  gleichgültig,  ob  man  das 
Ding  eine  Axt  oder  einen  Mei.^sel  nennt,  denn  auch  letzterer  musste  befestigt 
werden.  Indess  ist  die  Deutung  als  Meissel  schwerlich  annehmbar,  wenn  man  die 
vollständige  üebereinstimraung  jeder  der  beiden  Hälften  mit  einer  Bronzeaxt  in 
Betracht  zieht.  Ob  eine  solche  Einrichtung  sehr  zweckmässig  ist,  muss  fraglich 
erscheinen;  sie  war  aber  wohl  nur  eine  traditionelle,  aus  einer  Zeit  herübergebracht, 
wo  man  die  Aexte  nicht  schuftete,  sondern  band;  in  dieser  Beziehung  dürfen  sie 
als  Zeugen  einer  archaischen  Zeit  angesehen  werden. 

Sonderbarerweise  hat  dasjenige  Land,  welches  in  Europa  der  Hauptrephiscn- 
tant  der  Kupfercultur  ist  und  in  welchem  Doppeläxte  aus  Kupfer  in  der  Thal  sehr 


(461) 

zahlreich  sind,  nehmlich  Ungarn,  einen  ganz  anderen  Typus  der  letzteren.  Pulszky 
(Die  Kupferzeit  in  Ungarn.  Budapest  1884.  S.  64)  bezeichnet  als  gewöhnliche  ungari- 
sche Form  den  „Kupferstreithamracr  mit  zwei,  im  Kreuz  stehenden  Schneiden". 
Unter  der  Zahl  solcher  Streithämmer,  die  er  abbildet  (Taf.  XXIX  und  XXX), 
ist  nicht  ein  einziger  mit  gleichgestellten  Schneiden;  immer  steht  die  eine  Schneide 
in  einem  rechten  Winkel  gegen  die  andere.  Was  er  von  „Doppelbeilen"  sagt 
(S.  63),  scheint  sich  freilich  auf  solche  Stücke,  wie  die  unsrigen,  zu  beziehen^  aber, 
wenn  ich  ihn  recht  verstehe,  so  wären  nur  2  solcher  Stücke  in  Ungarn  gefunden 
worden  und  diese  aus  Bronze.  Auch  Lindenschmit  (Alterth.  heidn.  Vorzeit  II.  3. 
Taf.  II.  Nr.  1 — 2)  bildet  eine  ungarische  Doppelaxt  von  „Erz"  aus  dem  Museum 
in  Zürich  ab,  welche  gleichgerichtete  Schneiden,  im  Uebrigen  aber  wenig  Aehnlich- 
keit  mit  den  unsrigen  hat;  in  sehr  bezeichnender  Weise  folgt  unmittelbar  darauf 
bei  ihm  (Nr.  3—4)  ein  zweites  ungarisches  Exemplar  von  Kupfer  aus  denvselben 
Museum  und  dieses  hat  gekreuzte  Schneiden.  Für  die-  weitere  Frage  nach  der 
Herkunft  dieser  Formen  möchte  ich  hervorheben,  dass  die  Doppelaxt  mit 
gleichgerichteten  Schneiden  vorzugsweise  in  Griechenland  und  Vorder- 
asien vorkommt,  dagegen  die  Doppelaxt  mit  gekreuzten  Schneiden  im 
nördlichen  Kaukasus.  In  letzterer  Beziehung  verweise  ich  auf  die  eisernen 
Doppelbüilchen  von  Tschmy,  Tscheghem  und  Besinghy  (Verh.  1890.  S.  432,  437 
und  447.  Fig.  34  und  52);  in  ersterer  erwähne  ich,  dass  ich  vor  3  Jahren  unter 
den  neuen  Funden  auf  dem  Parthenon  zu  Athen  „Bronzeäxte  mit  centralem  Loch 
und  doppelten,  gleichsinnig  gerichteten  Schneiden"  notirt  habe. 

Die  Aehnlichkcit  mancher  deutschen  Doppelbeile  unter  einander  ist  so  gross, 
dass  man  an  eine  gemeinschaftliche  Bezugsquelle  zu  denken  veranlasst  wird.  Das 
Merkwürdigste  in  dieser  Beziehung  sind  die  zwei  Stücke  von  Friedolsheim  und 
von  Mainz,  welche  auf  den  flachen  Seiten  omamentirt  sind,  und  zwar  mit  genau 
demselben  Muster,  das  doch  sicherlich  nicht  zweimal  neu  erfunden  sein  wird. 
Andererseits  haben  die  Doppeläxte  mit  gekreuzt  stehenden  Schneiden  so  grosse 
und  zum  Theil  noch  durch  vorspringende  Ränder  gestützte  Löcher,  dass  sie,  wie 
schon  llandelmann  (Verhandl.  1881.  S.  47)  mit  Recht  hervorgehoben  hat,  sich 
wesentlich  unterscheiden. 

Die  Lage  der  bisherigen  Fundorte  von  Doppeläxten  mit  gleichgerichteten 
Schneiden  könnte  auf  einen  südlichen  Import  hinweisen.  Da  die  Doppelaxt  von 
Ketzin  in  den  Funden  von  Westeregeln,  Altenburg  und  CöUeda  westliche  Nachbarn 
besitzt  und  die  rheinischen  Funde  von  einem  schweizerischen  Pfahlbaufunde  fort- 
gesetzt werden,  scheint  eine  mögliche  Reihe  hergestellt.  Indess  wird  eine  noch 
öfter  erneute  Prüfung  erforderlich  sein,  bevor  man  einen  solchen  Schluss  definitiv 
annimmt.  Dabei  werden  die  beiden  aufgeführten  Kategorien  streng  von  einander 
zu  scheiden  sein.  — 

Endlich  der  Schädel,  welchen  Hr.  Seh  war  tz  mir  übeiigeben  hat,  zeigt  deut- 
lich die  Einwirkung  des  Torfwassers,  welches  die  Sandschicht,  in  der  er  lag,  durch- 
tränkte. Er  ist  sehr  fest,  von  dunkelgrauem,  glänzendem  Aussehen,  aber  leider 
sehr  defekt.  Von  dem  Hinterhauptsbein  ist  nichts  vorhanden:  von  der  Spitze  der 
Lambdanaht  an  bis  zu  der  Gegend  der  sphenooccipitalen  Fuge  reicht  ein  grosses 
Loch,  an  dem  auch  das  linke  Schläfenbein  theilnimmt.  Die  wenigen,  überhaupt 
zu  bestimmenden  Maasse  sind  folgende: 

Schädelkapsel. 

Grösste  Breite  ....     141  mm        Stimbreite 100  wim 

Ohrhöhe H^    »  Temporaldurchmesser    .     115    „ 


(462) 


Entfernung  des  Foramen  magnum  Yon  der  Nasenwurzel  111  mm 

„  „  „  „  vom  Nasenstachel  117    „ 

„  „  „  „  „      Alveolarrand  122    „ 

Sagittalnmfang  des  Stirnbeins 1^2    „ 

„  der  Parietalia 135    „ 

Gesicht. 

'     Gesichtshöhe  B 67  „ 

Malarbreite 100  „ 

Orbita,  Höhe 29  „ 

„        Breite 37  „ 

Nase,  Höhe 52  „ 

„     Breite 24  „ 

Gaumen,  Länge ^^  » 

„           Breite ^  » 

Berechnete  Indices. 

Orbitalindex 78,3 

Nasenindex 46,1 

Gaumenindex 72,7 

Der  Schädel  hat  einem  älteren,  sehr  kräftigen  Manne  angehört.  Er  ist  gross, 
breit,  aber  auch  stark  gestreckt.  Die  sagittalen  Umfangsmaasse  des  Vorder-  und 
Mittelkopfes  gehen  beträchtlich  über  die  Mittelwerthe  hinaus.  Die  Nähte  sind  offen. 
Die  Stirn  breit  (100  mm),  gewölbt.  Glabella  massig  vertieft,  Tubera  deutlich,  die 
Orbitalränder  glatt,  der  Nasenfortsatz  vorgewölbt,  mit  einem  Rest  der  Stimnaht; 
der  hintere  Abschnitt  des  Stirnbeins  lang  und  ansteigend.  Lange  Scheitelcurve. 
Schläfengegend  normal.  —  Gesicht  sehr  kräftig.  Grosse  Wangenbeine  mit  starker 
temporaler  Tuberosität.  Oberkiefer  niedrig,  aber  stark,  insbesondere  gegen  das 
Wangenbein  hin  kräftig  entwickelt.  Orbitae  niedrig  und  breit,  der  obere  Band 
mehr  schräg,  der  untere  fast  gerade  gestellt,  Index  78,3,  ultrachamaekonch. 
Die  Nase  mit  breitem,  leicht  vertieftem  Ansatz,  eingebogenem,  gerundetem  Rücken ; 
die  Nasenbeine  durch  Bruch  entstellt;  Lidex  46,1,  leptorrhin.  Alveolarfortsatz 
kurz  (15  mm)^  vortretend,  prognath.  Es  sind  nur  3  Zähne  vorhanden:  der  linke 
Molaris  111  mit  unversehrter  Krone  und  die  Molares  I  und  U  rechts,  die  stark  ab- 
geschliffen sind.  Die  leeren  Alveolen,  sowohl  der  Incisiven,  als  der  Praemolaren 
gross,  die  Zahncurve  weit,  nach  hinten  zusammengebogen.  Gaumen  flach,  mit 
weiter  Ausbuchtung,  die  Platte  nach  vorn  etwas  zugeschrägt,  hinten  breit;  Index 
72,7,  leptostaphylin  (?  zweifelhaft  wegen  der  defekten  Molaren).  Unterkiefer 
fehlt.  — 

Man  darf  wohl  vermuthen,  dass  der  Schädel  hypsimesocephal  gewesen  ist 

Bei  der  früheren  Ausgrabung  des  Burgwalles  waren  auffälligerweise  neben 
einander  3  Schädel  ohne  alle  weiteren  Skeletknochen  gefunden  worden.  Sie 
zeigten  sämmtlich  um  das  Hinterhauptsloch  grosse  Defekte,  welche,  wie  ich  aus- 
führlich nachgewiesen  habe  (Verhandl.  1884.  S.  55),  nicht  anders  entstanden  sein 
können,  als  durch  Köpfen.  Ich  hielt  daher  diese  Schädel  für  Kriegstrophäen.  In 
dem  jetzigen  Falle  ist  nach  der  Angabe  ein  ganzes  Gerippe  gefunden,  aber  un- 
glücklicherweise ist  nichts  davon  mitgekommen.  Spuren  gewaltsamer  Verletzung 
sind  um  das  Foramen  magnum  nicht  wahrzunehmen.  Hier  fehlen  also  olle 
Parallelen. 

Im  Uebrigen  lässt  sich  nicht  verkennen,  dass  manche  Uebereinstimmung  vor- 
handen   ist.    Ganz  besonders  ist  dies  der  Fall  in  Betreff  der  Orbitae,   welche  bei 


(463) 


allen  3  früheren  Schädeln  chamaekonch  waren,  —  eine  Eigenschaft,  die  mich 
stets  an  slavische  Formen  erinnert.  Die  Nase  variirte  mehr,  indem  sie  bei  2  Schä- 
deln schwach  mesorrhin,  bei  einem  hyperleptorrhin  war,  was  nicht  hindert,  sie  im 
Granzen,  wie  bei  dem  jetzigen  Schädel,  schmal  zu  nennen.  Auch  die  Gaumenform 
erwies  sich  als  unbeständig.  — 

(23)   Hr.  Gymnasialoberlehrer    Dr.  Krause   in   Gleiwitz   schreibt  unter   dem 

28.  über 

ein  Zensbild  ans  niam. 

Es  erscheint  auffallend,  dass  unter  den  zahlreichen  Gegenständen,  welche  auf 
der  Stätte  des  alten  Troja  gefunden  worden  sind,  sich  nirgends  eine  Abbildung 
des  Zeus  darbietet,  während  es  bekannt  ist,  dass  der  Donnergott  in  Troja  hoch 
verehrt  wurde.  Am  Altare  des  Zeus  nehmlich  war  König  Priamos  erschlagen 
worden.  Diese  Erzählung  beweist  uns,  dass  dem  Zeus  ein  Altar  in  Troja  geweiht 
war,  und  dass  der  Donnergott  von  den  Trojanern  durch  Opfer  geehrt  wurde.  Es 
ist  also  auch  zu  vermuthen,  dass  die  Trojaner  diesen  Gott  bildlich  dai^estellt 
haben,  in  gleicher  "Weise,  wie  dies  mit  Pallas  Athene  geschah.  Obwohl  unter  den 
Schlie mann' sehen  Funden  nirgends  eine  Darstellung  des  Zeus  erwähnt  wird,  so 
ist  dennoch  eine  solche  vorhanden.  In  dem  Werke  Schliemann's,  Ilios,  findet 
sich  S.  688  die  Abbildung  einer  archaischen  Figur  aus  Terracotta,  welche  wir  hier 
wiedergeben  (Fig.  1). 


Figur  1. 


Diese  Figur,  welche  in 
einer  Tiefe  von  3  Fuss  auf- 
gefunden wurde  und  aus  der 
siebenten  Stadt  stammt,  deutet 
Schliemann  als  die  Dar- 
stellung eines  alten  Mannes. 
Indess  liegt  hier  zweifellos  ein 
Bild  des  trojanischen  Zeus  vor, 
wie  die  Blitzbündel  oder  Don- 
nerkeile beweisen,  welche  zu 
beiden  Seiten  des  Bildwerks 
angebracht  sind,  und  welche 
auch  von  Schliemann  her- 
vorgehoben werden.  Der 
Künstler  wollte  den  trojani- 
schen Zeus  in  seiner  Dar- 
stellung als  Donnergott  zum 
Ausdruck  bringen,  und  dazu 
waren  die  Donnerkeile,  welche 

dem  Bilde  des  Gottes  beigegeben  sind,  das  geeignetste  Mittel.  Der  Gott  selbst 
erscheint  in  dieser  Darstellung  mit  langem  Barte  und  mit  phrygischer  Mütze  oder 
Spitzhut.  Ist  auch  diese  archaische  Figur  roh  und  weit  von  derjenigen  idealen 
Auffassung  entfernt,  wie  sie  in  dem  Zeus  von  Otricoli  vor  unsere  Augen  tritt,  so 
ist  sie  dennoch  das  Bild  des  Zeus,  des  Donnergottes. 

Auch  mehrere  andere  Gegenstände  sind  in  llium  gefunden  worden,  welche 
sich  auf  den  Zeuscultus  beziehen,  nehmlich  eine  Anzahl  kleiner  Thontäfelchen 
(Fig.  2 — 4),  welche  den  Blitz  und  den  Regen  darstellen.  Der  Blitz  erscheint  auf 
diesen  Täfelchen  entweder  in  der  Form  von  vielverschlungenen  Gewinden  oder  als 
Donnerkeil  mit  Flügeln.    Die  Deutung  dieser  Täfelchen  als  Darstellung  des  Blitzes 


*/,  der  natürlichen  Grösse. 


CM4) 


V,  der  natürliche»  6r5sae. 


und  des  Donnerkeiles  findet  sich  schon  in  dem  Schliemann'achcn  Werke  ans- 
gesprochen-  Dagegen  hat  eine  Darstellung  des  Gewitters,  welche  auf  zwei  anderen 
Irojuniachen  Tärelchen  gegeben  ist,  bis  jetzt  noch  keine  Erklärung  gefunden.  Hier 
ist  die  Abbildung  derselben,  wie  sie  sich  in  Schlicmann's  Ilios  S.  filK)  vorfindet 
(Fig.  5,  6). 

Diese  beiden  Thontafelchen  stellen  offenbar  das  Gewitter  dur.  Auf  dem  ersten 
Tärelchen  ist  der  Himmel  mit  seinem  Regengewölk  durch  einen  Kreis  dargestellt, 
welcher  zahlreiche  Regentropfen  enthüll.  Die  zweite  Kreisscheibe  mit  den  Wosser- 
tropfen  stellt  die  Erdscheibc  dar,  auf  welche  der  Regen  hemiederrallt.  Himmel 
und  Erde  sind  durch  den  Blitz  verbunden,  welcher  in  zwei  senkrechten  Straiilcn 
niederHihrt.  Auch  auf  dem  zweiten  Täfelchen  wird  es  jetzt  leicht  sein,  den  Himmel 
und  die  Erde,  sowie  auch  den  Blitz  wieder  zu  erkennen,  welcher  in  Gestalt  eines 
zweitheiligen  FlatnmenbUndels  auf  die  noch  trockene  Erde  herabßihrt  Diese 
kleinen  Thontafelchen,  welche  in  der  halben  Grösse  abgebildet  sind,  haben  sicher- 
lich auf  die  Verehrung  des  Zeus  Bezug  und  vertraten  das  Uild  des  Donnergottes. 
Es  sind  Gegenstände  des  frommen  Cultus,  welche  die  Stelle  unserer  religiösen 
Bilder  vertreten  haben  mögen.  Wer  die  heilige  Stadt  Ilios  betrat  und  die  Coltu»- 
statte  des  Zeus  besuchte,  wird  dergleichen  religiöse  Gegenstände  als  Andenken  er- 
worben und  nach  der  üeimath  mitgenommen  haben,  wie  man  in  unserer  Zeit  von 
den  Wallfahrtstätten  religiöse  Bilder  als  Andenken  nach  der  Heimath  mitzunehmen 
pflegt. - 


(24)    Hr  C.  Met 
schreibt  unter  dem  I 


,  Vorstand   des   AI  terth  ums  verein 
m  Hrn.  Virchow  über 


DUrkhei 


das  früheste  Vorkommen  arabischer  ZRhlenzeich«D  in  Dentschland. 
„Ich  bedaure  sehr,  dass  ich  zu  Ostern,  wie  Sie  hier  waren,  verreist  war.    Ich 
hätte  Sie  dann  von  einer  vierten,  in  arabischen  Zeichen  geschriebenen  Jahreszahl 
in  KenntnisB  setzen  können.    Es  gicbt  deren  hier  folgende: 

1)  Limburg   1153. 

2)  Schlosseck  1202. 

3)  Brunheldisstuhl  1204. 

4)  Drachcnfels  (noch  nicht  pablicirt). 
•  ^^  Dieselbe    steht    auf    anstehendem    Fels    am 

Boden  in  der  frllher  unzugänglichen  (seit  1863 
zugänglichen)  Drachenböhle,  ist  von  mir  drei- 
mal  genau  copirt  und  hnt  nebenstehende  Zeichen. 


•i^'£^ 


(465) 

Nach  Prof.  Wattenbach *8  Specialwerk  über  lateinische  Palaeographie  zu  lesen 
=  1249. 

Das  „4"  ist  sehr  charakteristisch  und  kommt  nur  im  12. — 13.  Jahrhundert  so 
vor  (vgl.  Wattenbach  a.  a.  0.  4.  Aufl.    Beispiele  S.  101—102). 

Vor  dieser  Zahl  (Differenz  30  cm)  steht 

=  Irrsaal.  X  ist  Interpunctionszeichen;  da  aber  nach  L  am  Felsen  kein  Platz 
mehr  war,  machte  der  Schreiber  es  vorher.  Nach  dem  Schriftcharakter  (bezeich- 
nend sind  die  beiden  A)   können    beide  Inschriften  derselben  Zeit  entstammen. 

Diese  zwei  Inschriften  bilden  dann  eine  Reihe: 

.  Irrsaal .    .  1249 

Dicht  daneben  (1  m  nach  Westen)  steht  am  Felsen  eine  im  Detail  noch  nicht 
ganz  festgestellte  Runeninschrift. 

Den  Drachenfels  umzieht  eine  römische  Verschanzung  aus  dem  4.  Jahrh. 
Funde  spätrömischen  Charakters  von  dort  im  Alterthumsvereine:  a)  Lanzeneisen, 
b)  Hacken,  c)  Meissel;  d)  verschiedene  Gefässreste.  — 

Hr.  Rud.  Virchow  erinnert  an  seine  Controverse  mit  den  Schweizer  Gelehrten 
über  die  2ieitbestimmung  einer  Jahreszahl  an  einem  schweizer  Bauernhause.  — 

(25)  Hr.  Dr.  Fr.  Theile  in  Lockwitz  bei  Dresden  berichtet  in  einem  Briefe 
vom  19.  April  an  Hm.  Virchow  über  die  Auffindung 

neuer  Siaven-Gräber  bei  Sobrigao. 

Als  Ergänzung  zu  dem  von  Ihnen  im  October-Heft  1889  der  Verhandlungen 
der  Berliner  Gesellschaft  für  Anthropologie  mitgetheilten  Gräberfunde  bei 
Sobrigau  erlaube  ich  mir,  Ihnen  den  Separat- Abdruck  einer  Besprechung  jener 
uralten  Christengräber  zuzustellen*). 

Ich  bedaure  mit  Ihnen,  dass  die  erste  Ausgrabung,  die  in  mehrfacher  Hinsicht 
Interessantes  bot,  nicht  in  Gegenwart  Sachverständiger  gemacht  worden  ist.  Eis  ist 
deshalb  manches  dabei  verloren  gegangen,  was  für  die  Wissenschaft  erhalten 
werden  konnte,  wie  die  vollständige  Urne  und  deren  Inhalt,  die  beiden  Schädel 
u.  s.  w.    Die  späteren  Ausgrabungen  erfolgten  unter  sachkundiger  Leitimg. 

Zu  den  von  Ihnen  nach  der  kleinen  illustrirten  Zeitschrift  „Bergblumen"  co- 
pirten  Grabsteinen  sind  noch  zwei  hinzugekommen.  Den  von  mir  mit  Nr.  5  be- 
zeichneten hat  sich  der  Königl.  Sächsische  Alterthumsverein  erbeten,  um  denselben 
in  seinem  Museum  im  Kgl.  „grossen  Garten"  bei  Dresden  aufzustellen.  Auf  Grab- 
stein Nr.  4  reflectirt  eine  Section  unseres  Gebirgsvereins.  Nr.  2  liegt  noch  am  Feld- 
rande. Jedenfalls  liegen  auf  der  Gräberstätte  noch  mehr  derartige  Steine  unter  der 
Erddecke  verborgen. 

In  Bezug  auf  die  Zeit,  aus  welcher  diqse  herrühren,  dürfte  wohl  ein  600jäh- 
riges  Alter  derselben,  wie  solches  in  den  Verhandlungen  angegeben  ist,  nicht  ganz 


1)  Fr.  Theile,  Uralte  ChristengrÄber  bei  Sobrigau  unweit  Lockwitz  bei  Dresden. 
Dresden  1891.  Aus  der  Zeitschrift  „üeher  Berg  und  Thal**,  Organ  des  Gebirgsvereins  fftr 
die  sächsische  Schweiz.    Jahrg.  1891.    Nr.  3. 

Veriuadl.  der  Berl.  AnthropoL  GeMlUchaft  1891.  80 


(466) 

genügen.  Da  in  Sachsen  nach  Niederwerfung  der  Sorbowenden  durch  die  Grün- 
dung des  Bisthums  Meissen  (965)  das  Christenthum  Eingang  fand,  so  muss  man 
jene  600  Jahre  wohl  noch  um  ein  paar  Jahrhunderte  vermehren. 

Unsere  Gegend  ist  nicht  arm  an  unterirdischen  Schätzen.  Vielleicht  fördert 
die  Zukunft  noch  mehrere  derselben  zu  Tage.  In  Lockwitz  wurde  vor  9  Jahren 
beim  Grundgraben  zu  einem  Hause  eine  germanische  Gräberstätte  blossgelegt 
Den  kurzen  Bericht,  den  ich  damals  in  der  von  mir  redigirten  Zeitschrift  „üeber 
Berg  und  Thal"  (Jahrg.  1882.  Nr.  9)  gab,  erlaube  ich  mir  beizulegen.  Unter  den 
damaligen  Fundgegenständen  war  mir  insbesondere  das  dort  abgebildete  Stück 
Wandbewurf  interessant,  da  es  so  recht  handgreiflich  auf  das  Material  hinweist, 
aus  welchen  der  alte  Germane  seine  Hütten  erbaute.  Es  ist  von  einigen  bezweifelt 
worden,  ob  der  Platz,  auf  welchem  jene  ümenscherben  u.  s.  w.  gefunden  wurden, 
auch  wirklich  eine  Grabstätte  gewesen  sei  und  nicht  vielmehr  eine  Ablagerungs- 
stätte von  Küchenabraura.  Sollte  letzteres  wirklich  der  Fall  sein,  so  müsste  es 
räthselhaft  erscheinen,  warum  man  so  viele  derartige  Ablagerungsplätze  auf  so 
kleinem  Kaum  beisammen  eingerichtet  hat.  Auf  einer  Fläche  von  14,5  auf 
lim  fanden  sich  in  massigen  Abständen  kesseiförmige,  mit  schwarzer  Erde  ge- 
fällte Vertiefungen,  welche  nicht  in  Reihen  geordnet,  sondern  unregelmässig  ver- 
theilt  waren.  Endlich,  was  sollten  die  Steine  in  solchen  Abraumlöchern  be- 
zwecken? Von  Rnochenüberresten  ist  allerdings,  so  viel  ich  weiss,  nichts  vor- 
gefunden worden,  aber  ich  konnte  freilich  auch  immer  nur  kurze  2ieit  dem  ge- 
dachten Grundgraben  zu  einem  Gebäude  beiwohnen,  da  ich  zu  jener  Zeit  vielfach 
in  Dresden  in  Anspruch  genommen  war.  Aber  im  Ganzen  hatte  ich  doch  die 
Ueberzeugung  gewonnen,  dass  hier  eine  alte  Grabstätte  erschlossen  worden  war. 
Der  auffällig  humose  Boden  in  den  einzelnen  kesseiförmigen  Vertiefungen  ist  mir 
aber  nicht  klar.  Ich  hielt  ihn  für  die  Ueberreste  der  Scheiterhaufen,  die  zur 
Leichenverbrennung  gedient  haben,  da  ich  keine  andere  Erklärung  dafür  aufßnden 
konnte.  — 

Hr.  Rud.  Virchow:  Die  von  Hm.  Theile  1882  beschriebene  Stelle  würde  wohl 
allgemein  als  ein  alter  "Wohnplatz  gedeutet  werden.  Die  in  der  Zahl  von  24 — 26 
aufgefundenen  Brandgruben  haben  in  der  That  nichts  ergeben,  was  auf  Leichen- 
brand bezogen  werden  könnte.  Wären  darin  menschliche  Leichen  verbrannt  worden, 
so  würden  sicherlich  auch  Rnochenreste  aufgefunden  sein,  denn  gerade  gebrannte 
Knochen  widerstehen  den  Einflüssen  der  Erde  ungleich  länger  und  besser,  als 
ungebrannte.  Die  wenigen  Manufakte,  welche  zu  Tage  gefördert  wurden,  waren 
ausschliesslich  thönerne:  Gefässreste,  ein  sog.  Gewicht  und  ein  Stück  Lehmbewurf. 
Sie  unterscheiden  sich  in  nichts  von  den  Funden  auf  alten  Wohnplätzen.  Ich  er- 
innere beispielsweise  an  den  Burgwall  von  Niemitsch  in  der  Niederlausitz. 

Die  neuen  Gräber  sind  unter  Leitung  des  Hm.  Deichmüller  geöffnet  worden. 
Die  erste  Untersuchung  war  mit  Ausnahme  des  Decksteines,  einer  flachen,  läng- 
lichen, mit  einem  eingeritzten  Kreuz  versehenen  Platte  aus  Pläner  Sandstein,  ohne 
Ergebniss.  Die  andere  lieferte  einen  ähnlichen  Deckst«in  mit  einem,  sauber  aufl 
dem  Stein  bis  zur  Höhe  von  etwa  1  cm  herausgearbeiteten  Kreuz,  das  jedoch  schief 
gestellt  ist,  und  ein  weibliches  Skelet,  bedeckt  mit  faustgrossen  Steinen.  Neben 
letzterem  fand  sich  ein  1,40  m  langer,  wenige  Centimeter  breiter  und  etwa  3  cm 
dicker,  schwarzer  Streifen,  anscheinend  ein  Holzrest.  Etwas  oberhalb  des  Skelets 
lag  ein  kleiner,  offener  und  nicht  ganz  zusammenschUessender  Bronzering  und  in 
dessen  Nähe  und  in  gleicher  Höhe  ein  schwach  grünlich  gefärbtes  Felsenbein. 
Obwohl   dieser  Ring  nicht  die  gewöhnliche  Form  der  sog.  Schläfenringe  darbieteti 


(467) 

80  scheint  er  doch  nach  der  Zeichnung  für  einen  blossen  Ohrring  zu  stark  zu  sein, 
und  es  wäre  daher  wohl  möglich,  dass  er  nach  Art  der  Schläfenringe  an  einem 
Lederstreif  in  der  Gegend  des  Ohres  getragen  worden  ist. 

Hr.  Theile  bemerkt  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  in  der  Nähe  von  Sobrigau 
zwei  Burgwälle  vorhanden  sind:  der  eine,  noch  jetzt  Burgberg  genannt,  nahe  bei 
Lockwitz  am  westlichen  Bergabhange,  der  andere  oberhalb  der  Hummelmühle  im 
Lockwitz-Grunde.  — 


(26)   Hr.  Schumann  zu  Löcknitz  berichtet  unter  dem  1.  Mai  über 

fk*eilie^ende  neolithische  Skeletgräber  von  Glasow  bei  Löcknitz  (Pommern). 

An  einer  früheren  Stelle  (Verh.  1890.  S.  478)  habe  ich  über  eine  bisher  hier 
noch  wenig  beachtete  Form  von  neolithischen  Gräbern  berichtet,  über  die  frei- 
liegenden Skeletgräber,  —  Gräber,  in  denen  die  Skelette  mit  einzelnen  Steingeräthen 
und  ab  und  zu  mit  Gefassen  ohne  Steinkisten  im  Boden  ausgestreckt  liegen.  Gräber 
dieser  Art  sind  aus  Pommern  noch  wenige  beschrieben,  da  dieselben,  unscheinbar 
und  von  aussen  durch  nichts  markirt,  bei  weitem  weniger  in  die  Augen  fielen,  als 
die  grossen  Hünengräber  mit  ihren  zum  Theil  gewaltigen  Steinkisten.  Ich  erinnere 
hierbei  nur  an  die  von  Stolzenburg  bei  Pasewalk  (Verh.  1886.  S.  607)  und  von 
Lebehn  (Verh.  1889.  S.  217). 

Von  dem,  zu  den  freiliegenden  gehörigen  Grabe  von  Moor  bei  Brüssow  konnte 
ich  nur  über  ein  Gefäss  berichten ;  ich  bin  nun  auch  in  der  Lage,  über  einen  hierher 
gehörigen  Schädel  Mittheilung  machen  zu  können.  Auf  dem  Grund  und  Boden  des 
Bauerhofsbesitzers  Wendt,  der  zwischen  Retzin  und  Glasow,  dicht  am  Randow- 
thal ausgebaut,  wohnt,  wird  zur  Zeit  Moorcultur  angelegt.  Der  zur  Bedeckung 
des  ßruchlandes  im  Randowthal  nöthige  Sand  wird  dem  Ufer  des  Thaies  selbst 
entnonmien.    Bei  Gelegenheit  des  Sandabfahrens  fanden  sich  3  Skelette. 

Dieselben  lagen  etwa  2  Fuss  tief  unter  der  Oberfläche,  mit  dem  Kopfe  nach 
Osten,  den  Beinen  nach  Westen  gerichtet,  gerade  ausgestreckt.  Dieselben  waren 
weder  mit  Steinen  bedeckt,  noch  mit  solchen  umgeben.  Gefässe  wurden  bei  den- 
selben nicht  bemerkt,  wohl  aber  prismatische  Feuersteinmesserchen.  Von 
Metallbeigaben  keine  Spur.  Leider  wurde  wegen  der  Unachtsamkeit  der  Arbeiter 
nur  der  eine  Schädel  gerettet.  Derselbe  war  gut  erhalten,  doch  fehlten  die 
Oesichtsknochen;  letztere  wurden  von  mir  noch  an  Ort  und  Stelle  gefunden, 
so  dass  sich  das  Gesicht  restauriren 
liess.  Vom  Unterkiefer  war  nur 
noch  ein  grösseres  Bruchstück  auf- 
zufinden. 

Der  massig  grosse  Schädel  (Gap. 
1380)  ist  von  gelblich  grauer  Farbe, 
an  der  Zunge  leicht  klebend,  von 
roher  Form.  Die  Sagittalnaht  ist 
vollständig  verwachsen,  die  Kronen- 
naht fast  vollständig,  die  liambda- 
naht  in  ihren  oberen  Theilen,  voll- 
ständig die  Spheno-parietalnahi  Der 
Knochen  ist  stark,  die  Muskelvor- 
sprünge stark  entwickelt,  Form 
männlich. 

30' 


(468) 

In  der  Norma  verticalis  bildet  der  Schädel  ein  fast  regelmässiges  0?al. 

In  der  Norma  temporalis  zeigt  er  ganz  eminent  entwickelte  Sapraorbital- 
Wülste.  Die  Stirn  ist  massig  hoch  nnd  wendet  sich  ganz  allmählich  nach  oben 
und  hinten.  Dicht  vor  den  Tub.  parietal,  erreicht  der  Schädel  seine  grösste 
Höhe.  Zwischen  der  Rronennaht  und  der  höchsten  Erhebung  findet  sich  eine 
leichte  querverlaufende  Einsattelung.  Das  starke  Hinterhaupt  verläuft  allmählich 
nach  hinten  und  unten  und  wird  nur  durch  eine  sehr  starke  Crista  superior  und  eine 
Protuberantia  der  Occipitalschuppe  unterbrochen.  Diese  beiden  so  ausserordentlich 
stark  entwickelten  Knochenvorsprünge  sind  auch  der  Grund  der  hochgradigen 
Dolichocephalie  des  Schädels  (Längenbreitenindex  68,7).  Die  Ansatzlinie  des 
Schläfenmuskels  hoch  und  sehr  deutlich  markirt. 

Norma  frontalis:  Die  Stirn  ist  breit  (99  mm)  und  nur  massig  hoch,  die 
Orbitae  an  der  Innenseite  niedriger  wie  aussen,  eher  länglich  viereckig,  mit  den 
äusseren  Winkeln  nach  unten  gezogen. 

Norma  occipitalis:  Hohes  Fünfeck  mit  etwas  eingezogenen,  nach  oben  con- 
vergirenden  Seiten,  mit  besonders  starker  Intermastoidealdistanz  (aussen  137  mm) 
und  sehr  starker  Crista  superior. 

Norma  basilaris:  Foramen  magnum  lang  und  schmal  (40  :  32  mm).  Gelenk- 
fortsätze etwas  nach  vom  gewendet.  Processus  styloides  kurz,  aber  breit.  Gaumen 
eher  schmal;  die  horizontalen  Platten  der  Graumenbeino  in  der  Mitte  verwachsen 
und  in  ihrer  vorderen  Partie,  dicht  hinter  der  Transversalnaht,  eine  rombenförmige 
Hervorragung  bildend.  Der  Gaumenfortsatz  des  Oberkiefers  unterseits  rauh,  von 
kleinen  Löchelchen  durchsetzt,  aber  ohne  Toms  palat. 

I.   Maasse. 

Capacität 1380  ccm 

Gerade  Länge 192  mm 

Grösste  Länge 192    „ 

„       Breite 132    „ 

Höhe  (vorderer  Rand  des  Foramen  magnum)  ....  141    „ 

V     (hinterer      „        „  „  „)....  148    „ 

Ohrhöhe 123    „ 

Minimale  Stimbreite 99    « 

Horizontalumfang 524     „ 

Ganzer  Sagittalbogen 385    „ 

Länge  der  Stim 133     „ 

Breite  der  Occipitalschuppe 109 

Querumfang 316 

Entfemung  des  Foramen  magnum  von  der  Nasenwurzel  118 

„  „    Ohrloches  „      „  „  120    „ 

Mastoidealdurchmesser,  Spitze H^n 

„  Basis  (aussen) 137     „ 

Foramen  magnum,  Länge ...      40    „ 

Breite 32 


n  V  *^.w»^ «'*'?> 

Gesichtsbreite  (malar) 102? 

Obergesichtshöhe 69?  „ 

Nase,  Höhe 47? 

Breite 27? 


j> 


n 


n 


Orbita,  Höhe 33 

n        Breite 44 


1» 


i> 


» 


(469) 

Ganmen,  länge 47  mm 

„        Breite 38    „ 

II.  Berechnete  Indices. 

Längen  breiten  index   .    .    68,7        Nasenindex 57,5? 

Längenhöhenindex     .  .    73,5        Orbitalindex     ....  75,0 

Ohrhöheoindex.     .     .  .     64,0        QuameniDdex    ....  80,9 

(27)  Hr.  V.  ChÜDgensperg-Berg  in  Beicbenhall  ttberschickt  mr  das  Trachten- 
Museum  einen 

Blntstein. 

Derselbe  hat  nach  ihm  eine  ähnliche  Bestimmung  gehabt,  wie  der  in  der  vorigen 
Sitzung  (S.  408.  Fig.  2)  Torgclegte  Adlerstein.  Indess  ist  derselbe  offenbar  bestimmt 
gewesen,  nach  Art  eines  Amulets  an  einem  Bande  getragen  zu  werden.  Er  besteht 
aus  einer  horzartig  gestalteten  Platte,  wie  es  scheint,  ans  Serpentin,  welche  in  einer 
silbernen  Passung   steckt  (Fig.  1).    Letztere   deckt  die   hintere  Fläche  vollständig 


Fi^ur  1.  Figni  2. 


und  ist  hier  mit  einer  feinen  Gisellmng  besetzt  (Fig.  2);  nach  vom  fasst  sie  mit 
kurzen  BlUttchcn  über  den  Rand  der  Platte.  Letztere  ist  ganz  glatt  polirt  und  hat 
am  oberen  Ende  ein  rundes  Loch.  Excentrisch  davon  ist  eine  kleine  runde  Fläche 
sehr  sauber  ausgearbeitet  und  wahrscheinlich  Tnlher  noch  mit  einem  Zeichen  im 
Innern  versehen  gewesen.  Am  oberen  Kande  bat  die  Silberplatte  einen  ringförmigen 
Vorsprung,  in  welchem  ein  grosserer  länglicher  Ring  hängt.  — 

(28)  Hr.  W.  Reiss   kündigt  die  Enthüllung   von  Nachtigal's  Büste   zu 
Stendal  für  den  25.'Juni  an. 

(29)  Hr.  Paul  Ehrenreich  üborgiebt   photographische  Aufnahmen   von 
Hissarlik,  die  er  im  vorigen  Jahre  gefertigt  bat. 

(30)  Hr.  Rud.  Virchow  zeigt 

ein  ftiihreifeg  Hftdchen  ana  Berlin. 
Das  Kind,  welches  uns  heute  von  den  Angehörigen  unaufgefordert  zugesendet 
wird,  erschien  schon  vor  einigen  Monaten  mit  seinem  Vater,  einem  hiesigen 
Tischler,  im  Pathologischen  Institut  und  ist  damals  von  mir  untersucht  worden. 
Es  ist  am  14.  Juni  1886  geboren,  gegenwärtig  also  nahezu  5  Jahre  alt.  Der  Vater 
hat   nichts  Besonderes   an  sich,   die  Mutter,   die  ich  nicht  gesehen  habe,   wie  die 


(470) 

anderen  Kinder,  3  an  der  Zahl,  sollen  normal  gebaut  sein.  Johanna  hatte  zor  Zeit 
meiner  Untersuchung  eine  Höhe  von  1,21  m  und  eine  Schulterbreite  von  30  cw. 
Ihr  Haar  ist  ungewöhnlich  stark  entwickelt.  Das  dunkelblonde  Kopfhaar  ist  dicht, 
lang  und  wellig.  Gesicht  und  Stirn  haben,  wie  der  Körper  im  Ganzen,  eine  weisse 
Farbe,  zeigen  aber,  wie  bei  dem  Vater,  zahlreiche  cyanotische  Flecke.  Augen  helK 
blau.  Auf  der  Oberlippe  ein  spriessender  Schnurrbart,  ebenso  eine  blonde,  aber 
kurze  Behaarung  der  Backen-  und  Kinngegend.  Vom  Kopfe  her  erstreckt  sich 
über  den  Nacken  und  die  obere  Rückengegend  ein  medianer  Zug  hellblonder,  bis 
3  cm  langer,  nach  abwärts  gerichteter,  ziemlich  steifer  Haare.  Der  mittlere  Theil 
des  Rückens  ist  ziemlich  frei;  erst  gegen  die  Kreuzgegend  werden  die  Haare 
wieder  stärker  und  convergiren  von  beiden  Seiten  gegen  die  Crena.  Die  äusseren 
Genitalien  und  der  Mons  Veneris  sind  mit  einem  mächtigen  Besatz  langer  brauner 
Haare  versehen.  Sonst  ist  der  Vordertheil  des  Rumpfes,  der  zahlreiche  Flecke 
von  Pityriasis  versicolor  zeigt,  wenig  behaart,  insbesondere  ist  der  Bauch  ziemlich 
frei,  besonders  die  Nabelgegend.  An  den  Brüsten  starke  Warzen  mit  breiter, 
fleckig  brauner  Aureola,  unter  der  man  jedoch  keine  Drüsensubstanz  fühlt.  Die 
Oberarme  massig,  die  stark  blaurothen  Vorderarme  wenig  behaart.  Die  Schenkel 
sehr  stark  behaart;  an  den  Oberschenkeln  stehen  die  Haare  fast  horizontal  und 
sind  nach  hinten  gerichtet 

Nach  der  Angabe  des  Vaters  hat  das  starke  Wachsthum  der  Haare  erst  mit 
dem  October  1889,  also  im  Alter  von  37*  Jahren,  begonnen.  Gleichzeitig  haben 
die  Körperformen  an  Fülle  und  Rundung  zugenommen.  Dagegen  scheint  die 
geistige  Entwickelung  eher  zurückgeblieben  zu  sein:  das  Kind  macht  einen  etwas 
blödsinnigen  Eindruck.  Was  jedoch  am  meisten  überrascht,  ist  seine  tiefe  und 
rauhe  Stimme,  welche  derjenigen  eines  schlecht  erzogenen  Burschen  von  15  Jahren 
ähnlich  klingt. 

Es  wird  nicht  ohne  Interesse  sein,  die  Geschichte  des  Mädchens  weiter  zu 
verfolgen. 

(31)  Hr.  Ingenieur  Carl  Giebler  hat  bei  der  Anlage  der  neuen  städtischen 
Wasserwerke  am  Müggelsee  ein  grösseres 

Urnenfeld  bei  Hünchehofe 

aufgefunden   und  legt   die  Fundstücke  vor.    Darunter   befindet  sich  ein  grösseres 
wannenartiges  Thongefäss. 

(32)  Hr.  R.  Hart  mann  hält  einen  Vortrag 

über  Fettsteissbildung  beim  Menschen  und  bei  gewissen  Säogethieren, 
sowie  über  die  Fettbnckel  der  Zebu  und  Kameele. 

Der  verdiente  Direktor  unseres  zoologischen  Gartens,  Hr.  Dr.  Heck,  hat  mir 
einige,  unserem  langjährigen  Freunde  und  Förderer  K.  Hagenbeck  gehörende 
Photographien  von  Hottentotten -Weibern  mit  dem  Ersuchen  zugestellt,  diese  Blätter 
Ihnen  vorzulegen.  Dieselben  stellen  Korana-Weiber  dar,  welche  durch  Hagen- 
heck,  in  Begleitung  einiger  Männer,  vor  Jahr  und  Tag  im  Jardin  d'acclimatation 
zu  Paris  ausgestellt  worden  waren. 

Sie  bemerken  zunächst  ein  wohlgebautes  jüngeres  Bastard -Hottentotten -Weib. 
Die  hier  kaum  angedeutete  Steatopygie  entwickelt  sich  bei  den  anderen,  jüngeren 
und  älteren  Korana -Weibern  in  z.  Th.  höchst  auffallender  Weise,  namentlich  bei 
einem   älteren  Weibo,   dessen  Physiognomie   in  Manchem   an    eine  Buschfrau  er» 


(471) 

innern  könnte.  Bei  dieser  Frau  und  bei  einigen  anderen  Individuen  gehen  kolossale 
Bildungen  von  Fettwulstungen  an  Kücken,  Lenden  und  Unterschenkeln  mit  einander 
Hand  in  Hand,  wogegen  Schultern,  Brust  und  Arme  davon  ziemlich  frei  bleiben. 
Zur  Vergleichung  lege  ich  eine  Reihe  von  Zeichnungen  vor: 

1)  die  farbigen  Darstellungen  der  vor  etlichen  Jahren  in  Berlin  zur  Aus- 
stellung gelangten  Buschfrauen  Pagedio,  genannt  Pitzi  und  Paewetie,  genannt  Annic- 
Ich  habe  käufliche  Photographien  dieser  Weiber,  unter  Vergrösserung  mit  dem 
Pantographen,  meinen  Zeichnungen  zu  Grunde  gelegt,  denen  ich  das  natürliche 
Colorit  nach  dem  Leben  zu  verleihen  suchte.  Es  ist  dies  ein  von  mir  häufiger 
nicht  ohne  Erfolg  beobachtetes  Verfahren  zur  Anfertigung  naturgetreuer  anthropo- 
logischer Abbildungen.  Sie  bemerken  auch  bei  Pitzi  und  Annie  eine  aulfallende 
Entwickelung  von  Steatopygie. 

2)  eine  stark  steatopyge  Hottentottin,  nach  einer  Photographie  stark  ver- 
grössert.    Bleistiftzeichnung. 

Steatopygie  ist  bekanntlich  keineswegs  allein  auf  Hottentottinnen  und  Busch- 
männinnen beschränkt.  Herr  Schweinfurth  bemerkte  diese  gutartige  fettige 
Hypertrophie  bei  Bongo -Weibern  in  reichlichem  Maasse  (Im  Herzen  von  Afrika, 
neue  Ausgabe,  1878,  S.  115,  Abbildung).  Revoil  sah  sie  bei  Somal-Prauen 
(E.  Hamy,  Quelques  observations  sur  Tanthropologie  des  Qomalis  in  Revoil 
Paune  et  Plore  des  pays  Qomaüs,  Paris  1882,  p.  6).  Ich  zeige  hier  vergrösserte 
Copien  der  Revoil' sehen  Abbildungen,  deren  Repräsentanten,  so  viel  ich  mich 
erinnere,  z.  Th.  auch  von  Hm.  Prof.  W.  Joest  gesehen  worden  sind. 

Nun  erscheint  unter  den  Skulpturen  des  Tempels  zu  Deir-el-Bachri  in  der 
Thebaide  die  Darstellung  eines  ungeheuer  fetten,  ausserordentlich  steatopygen,  vor- 
nehmen Weibes  von  Punt  (Somali-Land)  mit  charakteristischer  Physiognomie  und 
mit  Fettknoten  am  Bauch,  an  oberen  und  unteren  Extremitäten,  deren  Copie  nach 
Mariette-Bey  ich  gleichfalls  umherreiche  (Deir-el-Bachari,  Leipzig,  Hinrichs, 
PI.  13).  Beim  Anblick  dieses  Bildes  haben  einzelne  daran  gedacht,  es  möge  sich 
hier  wohl  um  eine  Aussätzige  handeln.  Allein  eine  solche  würde  sich  den  ägypti- 
schen Abgesandten  und  Flottenmannschaften  der  Königin  Hatasu  oder  Hatschepsn 
(XVUI.  Dynastie)  als  vornehme  Dame  nicht  zu  präsentiren  gewagt  haben,  wie  denn 
auch  ähnliche  knotige  Fettwulstungen  bei  sehr  korpulenten  afrikanischen  Weibern 
nicht  ungewöhnlich  sind.  Ich  sah  dergleichen  1860  bei  der  ungemein  fetten, 
übrigens  sehr  würdigen  Selime  aus  vornehmem  Fungi-Geschlecht  zu  Hedebät  im 
Sennar,  deren  Ehrentitel  Merem  (hohe  Frau,  Fürstin)  von  den  ruchlosen  Schlingeln 
unserer  schwarzen  Infanteriebedeckung  in  Marrah  (Stute)  umgetauft  wurde.  Einer 
dieser  Schalksknechte  hatte  mir  vorgeschwatzt,  die  Selime  litte  an  Aussatz.  Ich 
fragte  deshalb  theilnehmend  bei  ihr  an.  Sie  aber  spie  darüber  Feuer  und  Flamme 
und  mit  gellender  Stimme  rief  sie  mir  zu:  „Alles  Fett,  o  Hakim-Baschi,  nichts 
von  Aussatz"  (Barracj).  Sprach's  und  schob  ihre  wuchtigen,  von  ranzigem  Ricinusöl 
triefenden  Beine  auf  meine  Knie,  damit  ich  selbst  durch  Nachfühlen  meine  Ansicht 
mir  bilden  könne. 

Die  Steatopygie  wird  bei  den  afrikanischen  Weibern  durch  die  (bei  ihnen 
schon  im  jugendlichen  Alter  auftretende,  in  gewissem  Grade  auch  den  dortigen 
Männern  eigenthümliche)  starke  Vorwärtsbeugung  der  Lumbosacral-Gegend  er- 
leichtert. Hervorragende  Rnochenpartien  scheinen  ja  überhaupt  der  Entwickelung, 
der  Auflagerung  von  Lipomen,  Atheromen  und  ähnlichen  nicht  bösartigen  Ge- 
schwülsten einen  günstigen  Boden  zu  bereiten.  Es  ist  ein  Verdienst  des  Collegen 
G.  Fritsch,  die  natürliche  Art  von  „Lordose**  in  dem  Bau  der  afrikanischen 
Körper  zuerst   genauer  gewürdigt  zu  haben.    Eine  wulstige  Hervorragung  des  Ge- 


(472) 

sässes  glaubte  ich  nnter  dem  schmutzigen  Gewände  der  Mcrem  Selime  wahr- 
zunehmen. Unzweifelhaft  trat  sie  henror  bei  Dahabo,  einer  sonst  wohlgebauten 
jungen  Frau  in  Hm.  Jos.  M  enges  vor  einem  Jahre  hier  ausgestellter  Caravane 
von  Somal-Habr-awel.  Dasselbe  zeigt  das  genaue,  hier  vorliegende  Parbenbild 
eines  etwa  13jährigen  Baqara-Mädchens  der  Kabyle  des  Schekh  Mohamed-Abd-el- 
Woched  in  Där-Roseres.  Dies  ist  ein  sehr  roher,  kriegerischer  Bedja-Stamm,  der 
einzige,  unter  dem  ich  in  das  Pubertätsalter  eintretende  Knaben  und  Mädchen 
splitternackt  habe  umherlaufen  und  sich  ohne  Zeichen  von  Scham  vor  mir  hin- 
stellen sehen,  sobald  ich  sie,  unter  Darreichung  der  üblichen  Geschenke,  zu 
zeichnen  versuchte.  Ferner  zeige  ich  Ihnen  die  nach  Dr.  J.  Falkenstein's  Photo- 
graphien aus  Loango  vergrössert  copirten  Figuren  junger  Fiodh-Negerinnen  mit 
hochgradiger  Lumbosacral-Beuge.  Das  Bild  einer  Madi-Frau  nach  Photographie 
von  R.  Buchta  lässt  dagegen  jenes  Vorkommen  vermissen. 

Zur  Vergleichung  folgen  hier  noch  Aquarellbilder  von  nackten  europäischen 
(meist  Berliner)  Mädchen,  unter  Zuhtilfenahme  einiger  von  mir  selbst  veranstalteter 
Akt-Photographien  entworfen.  Dann  ein  Aktbild  der  Rina-Keahi,  Bastard  von  Chi- 
nese und  Sandwich-Insulanerin,  nach  Photographie  des  Dr.  Arning.  Dieses  Bild 
und  das  der  Europäerinnen,  sowie  eines  einer  jungen,  von  mir  nach  dem  Lieben 
gezeichneten  Koptin,  bieten  keine  Spur  abnormer  Lumbosacral-Beuge  dar.  Wohl 
aber  die  Copie  eines  durch  Hm.  P.  v.  B.  aufgenommenen  Gouache-Bildes  eines 
aus  Man^ürieh  stammenden  Koptenmädchens. 

Eine  recht  eigen thümliche,  den  Werth  eines  Rassencharakters  erhaltende 
Fetthypertrophie  findet  sich  im  Bereiche  der  Schwanz-  und  Lendengegend  der 
sogenannten  Fettsteissschafe  (Ovis  Aries  steatopygos)  An  diesen  Thieren  ent- 
wickeln sich  am  hinteren  Umfange  der  Oberschenkel  jederseits  zwei  übereinander 
befindliche  Fettwülste  Der  kurze,  mit  verkümmerten  und  an  Zahl  reducirten  Wir- 
beln versehene  Schwanz  liegt  in  einem  breiten  und  an  der  Unterseite  verdickt  vor- 
springenden Fettpolster,  dessen  unterer  Hautbelag  glatt  und  haarlos  erscheint  (var. 
laticauda).  Gewöhnlich  wird  dies  fettige  Schwanzpolster  von  einem  dünnen, 
klunker-  oder  bürzelähnlichen  Schwanzende  überragt.  Letzteres  kann  gerade  herab- 
hängen oder  spiralig  gedreht  oder  emporgekrümmt  und  dann  von  einem  häutigen 
Frenulum  gehalten  sein  (0.  Aries  steatopygos  var.  recurvicauda).  Ich  zeige  von 
mir  nach  dem  Leben  gezeichnete  Aquarellbilder  aller  solcher  Varietäten  des  Fett- 
steissschafes,  nehmlich  vom  Widder  aus  Kleinasien,  von  Hammeln  der  Schoara- 
Beduincn  im  westlichen  Unterägypten,  aus  Dar-Borgu,  aus  Kordufan  und  aus 
Somali-Land.  Einen  gewissen  Grad  solcher  Bildung,  wie  bei  der  Var.  laticauda, 
zeigen  auch  die  Merinos  und  Southdowns,  ferner  das  chinesische  Ongti.  Sie  sehen 
zum  Vergleich  Bilder  von  Negrettis  und  von  Southdowns  der  Proskaner  Heerde 
(1886)  und  des  Ongti  aus  dem  Pariser  Jardin  d'acclimatation  (1867). 

Das  Fettschwanzschaf  (Ovis  Aries  laticauda  sie)  hat  dagegen  einen  langen, 
zu  beiden  Seiten  der  voll  wirbeligen  Rübe  mit  Fettpolstern  besetzten  Schwanz  Die 
Spitze  des  letzteren  pUegt  die  Fettpolster  zu  überragen  (Abbildungen  eines  Schafes 
aus  Adzerbeidjan  und  eines  anderen  aus  der  Provinz  Qeliübieh,  Aegypten).  Bei 
manchen  Varietäten  ist  die  freie  Spitze  des  Schwanzes  sogar  emporgebogen,  so 
z.  ß.  bei  Ovis  Aries  laticauda  var.  capensis  seu  hottentota.  Zur  Fettschwanzrasso 
mit  magerer,  zuweilen  gänzlich  fettpolsterloser  Schwanzrübe  muss  meines  Erach- 
tens  der  monumentale  W^idder  Aegyptens  und  Nubiens  gerechnet  werden,  von  denen 
ich  zwei  moderne  Exemplare  abgebildet  habe.  Eines  derselben  war  von  mir  für 
die  L  Auflage  von  H,  Settegast's  rühmlich  bekanntem  Lehrbuch  der  Thierzüch- 
tung   gezeichnet    wor4en.     Ein   ebenfalls   abgebildetes,    langschwänziges  Schaf  aus 


(473) 

Dongolah  mit  Hängeohren,  wohl  centralalrikanischen  Importes,  gehört  dagegen  zur 
Hochbeinrasse  (Ov.  Ar.  var.  longipes).  Man  erkennt  ferner  emen  rechten  Vertreter 
letzterer  Rasse  in  einem,  den  Illastrated  London  News  von  1866  entnommenen 
Holzschnitt.  Dies  Exemplar  stammte  aus  Nupe  oder  Nyfe  im  West-Sudan  her. 
Vor  Jahren  habe  ich  zuweilen,  selbst  von  gewiegten  Leuten,  die  Meinung  aus- 
sprechen hören,  auch  wohl  irgendwo  darüber  gelesen,  dass  das  Auftreten  der  Stea- 
iopygie  bei  Buschmännern  und  Hottentotten,  sowie  diejenige  der  Fettsteissschafe 
merkwürdigerweise  einem  gemeinschaftlichen  Urboden,  nehmlich  dem  afrikanischen, 
angehöre  und  auf  irgend  eine  noch  dunkle  Correlation  rathen  lasse.  Allein  derartige 
Spekulationen  sind  irrig,  weil  das  Fettsteissschaf  ein  verhältnissmässig  neuer  Import 
aus  Westasien  ist  und  sich  erst  nur  wenig  über  die  Länder  der  Galla,  Somäl,  Afer 
und  Aegypter  verbreitet  hat.  Heimisch  sind  in  Afpca  dagegen  die  Fettschwanz- 
und  Hochbeinschafe. 

Gestatten  Sie  mir  nunmehr  einen  kurzen  Blick  auf  die  buckelbildende 
Fett-Hypertrophie  des  Kappenmuskels  (Musculus  cucollaris  oder  trapezius)  der 
Rameele.  Bekanntlich  unterscheidet  man  einhöckerige,  über  Africa  und  West- 
asien verbreitete  Rameele  (Camelus  dromedarius)  und  zweihöckerige  (C.  bactria- 
nus),  letztere  in  verschiedenen  Gegenden  Asiens.  Ich  will  hier  die  von  mir  im 
ersten  Jahrgange  der  Zeitschrift  für  Ethnologie  u.  s.  w.  ausführlich  erörterte  Frage, 
ob  wir  es  mit  zwei,  von  einander  getrennten  Species  oder  nur  mit  zwei  Varie- 
täten einer  Art  zu  thun  haben,  nicht  weiter  erörtern.  Nicht  unerwähnt  soll  aber 
bleiben,  dass  man  an  .einhöckerigen  Rameelen  gar  nicht  so  selten  eine  Tendenz 
zur  Bildung  zweier,  dann  allerdings  dicht  neben  einander  befindlicher  Höcker 
wahrnimmt.  Man  sieht  dies  u.  A.  an  der  von  mir  abgebildeten  Naga  oder  Stute, 
eines  von  mir  zwischen  Wadi-Halfah  und  Neu-Dongolah  gerittenen  Thieres  aus 
Abäbde- Zucht  Ferner,  wieder  zum  Vergleich,  lege  ich  die  von  mir  gleichfalls  nach 
dem  Leben  gezeichneten  Aquarelle  von  Reitkameelen  (ägyptisch  Hedjin,  syrisch 
Dzelül,  moghrebinisch  Mehari)  der  Beni-Amr,  eines  Hengstes  aus  Qeliübieh,  end- 
lich von  Hengsten   und  Wallachen  aus  San  Rossore^bei  Pisa  vor. 

Bereits  Gurlt  sen.  hat  nachgewiesen,  dass  die  Bildung  des  Fettbuckels  der 
Zebu  auf  einer  Fett-Hypertrophie  ebenfalls  des  Rappenmuskels  beruhe.  Ich  zeige 
die  Bilder  von  Zebu,  Ochs  und  Ruh  aus  Nubien,  die  eines  mächtigen  senegambi- 
schen  Stieres  mit  gewaltigem  Buckel,  mit  tief  herabhängendem  Triel  und  gleich- 
gebildeter Vorbaut  aus  dem  Jardin  d'acclimatation  zu  Paris,  femer  Holzschnitte 
eines  Maoggu-Zebu  und  der  Denka-2jebu  aus  Schwein furth's  Werk,  endlich 
Copien  nach  H.  Saltos  Originalstichen  der  abyssinischen,  grosshörnigen  Sanka-  oder 
Sanga-Rasse. 

Bei  einem  von  mir  zergliederten  Zebu-Foetos  war  der  Buckel  schon  aus- 
geprägt und  es  zeigten  sich  bereits  die  wohl  sichtbaren  Bündel  des  Rappen- 
rouskels  von  pulpigen  Fettablagerungen  durchsetzt.  Ein  ganz  ähnliches  Bild  bot 
der  Höcker  eines  von  mir  zergliederten  Dromedar-Füllens  dar. 

Der  Grad  der  Entwicklung  des  Höckers  bei  ein-  und  zweibuckligen  Rameelen, 
sowie  bei  Zebu,  bei  welchen  Thieren  sehr  hohe  Domfortsätze  der  betreffenden 
Rückenwirbel  die  Unterlagen  abgeben  (wie  auch  am  Buckel,  engl,  haunch,  der 
Auerochsen  und  Bisonten),  hängt  von  dem  Gesundheits-  und  Emährungszustande 
der  Thiere  ab.  Rränkliche  und  magere  Rameele  und  Zebu  verlieren  die  Buckel 
manchmal  bis  zur  Unkenntlichkeit.  Die  im  Jahre  1859  nach  Siut  in  Oberägypten 
gelangte  Dar-For-Caravane  brachte  abgetriebene  und  abgemagerte,  fast  buckel- 
lose Last-,  wie  Reitkameele  mit.  Wenige  Wochen  einer  guten  Weide  auf  den 
Haifa -Wiesen    bei   Siut  begünstigten  die  Ausbildung  stattlicher  Höcker.    Als  Rarl 


f 


(474) 

Hagenbeck  im  Jahre  1878  zugleich  mit  seinen  Nnbiern  (Halenga,  Hadendoa; 
Beni-Amr  u.  s.  w.)  einige  aus  Goschscham  stammende  Sanka  nach  Berlin  -brachte, 
fehlten  diesen  gleichfalls  abgetriebenen  Thieren  anfänglich  die  Höcker.  Bodinus 
und  ich,  wir  wurden  damals  beide  von  allen  Seiten  angeschrieen,  als  wir  jene 
Rinder  als  Vertreter  der  Zeburasse  in  Anspruch  nahmen.  Nach  kurzer  Zeit  des 
Ausruhens  und  einer  guten  Mästung  wuchsen  unseren  Thieren  die  Buckel  und 
man  musste  uns  Recht  geben. 

Aehnliches  Hesse  sich  übrigens  über  die  Entwickelung  des  Fettsteisses  und 
des  Fettschwanzes  der  oben  erwähnten  Schafe  berichten. 

(33)   Hr.  W.  Reis 8  bespricht 

neue  Fenersteingeräthe  ans  Aegypten  nnd  Hrn.  FUnders  PeMe's  neueste 

Forschnngen. 

(Hierzu  Taf.  VII— X.) 

Die  ägyptische  Abtheilung  der  Königl.  Museen  hat  neuerdings,  durch  Ver- 
mittelung  des  Hm.  Todros  in  Luqsor,  zwei  prachtvolle  Steinmesser  erworben, 
welche  in  den  Gräbern  ron  Theben  gefunden  worden  sind  und  aller  Wahrschein- 
lichkeit nach  in  die  Umhüllung  von  Mumien  eingelegt  waren,  wie  dies  mit  den 
seiner  Zeit  von  Hrn.  Brugsch  (Verh.  1888.  S.  209)  und  Dr.  Stübel  (Verh.  1891. 
S.  376)  gesammelten  Exemplaren  der  Fall  war.  Vorder-  und  Rückseite  beider 
Messer  sind  auf  Taf.  VII  und  VIII  in  etwa  Vio  der  natürlichen  Grösse  nach  pho- 
tographischer Aufnahme  zur  Darstellung  gebracht.  Die  Abbildungen  lassen  die 
hohe  Vollendung  erkennen,  zu  welcher  es  die  Aegypter  in  der  Kunst  des  Stein- 
schlagens  gebracht  hatten.  Das  eine  der  Messer  (Fig.  1  auf  beiden  Tafeln)  ist 
ans  einem  windschiefen  und  in  Folge  dessen  zur  Bearbeitung  nicht  sehr  günstigen 
Stück  Feuerstein  geschlagen,  dessen  natürliche,  nicht  bearbeitete  Oberfläche  auf 
grösseren  Strecken  erhalten  ist.  Von  der  ziemlich  stark  gekrümmten  feinen  Schneide 
schwillt  die  Dicke  des  Steines  bis  zu  dem  in  der  Mitte  1,4  cm  breiten  Rücken  gleich- 
massig  an.  Nach  dem  oberen  Ende  läuft  das  Messer  in  eine  flache  gekrümmte  Spitze 
aus,  während  das  untere  Ende  dick  und  mit  abgerundeten  Kanten  versehen  ist,  somit 
eine  feste  Handhabe  gewährt  (Taf.  VIH.  Fig.  1).  Das  Messer  hat  eine  Länge  von 
23  cm  und  misst  4,8  cm  an  der  breitesten  Stelle.  Etwas  länger,  23,5  cm,  und  etwas 
breiter,  5,8  cm,  ist  das  zweite,  leider  nur  in  zwei  Bruchstücken  erhaltene  Exemplar 
(Fig.  2  auf  Taf.  VH  und  VHI).  Die  Arbeit  ist  hier  noch  schöner  als  in  Fig.  1 ;  die 
breite,  nur  0,4  cm  dicke  Platte  ist  zweischneidig  und  zeigt,  was  als  besonders 
merkwürdig  hervorgehoben  werden  muss,  nur  auf  der  einen  Seite  Schlagflächen 
(Taf.  VII.  Fig.  2),  während  die  andere  Seile  in  rauher  Weise  eben  geschlifTen  ist 
(Taf.  VIII.  Fig.  2).  Die  grösste  Dicke  der  Klinge  liegt,  wie  dies  die  Bruchfläcbea 
(Taf.  VIII.  Fig.  2)  deutlich  zeigen,  in  dem  Kamme,  in  welchem  die  langgestreckten, 
regelmässigen  Schlagflächen  der  Vorderseite  zusammentreffen.  Dieser  Kamm  ver> 
läuft  nicht  in  der  Mitte  des  Messers;  er  liegt  näher  der  gekrümmten  Reite,  an 
welcher  der  Stein  zu  einer  scharfen  dünnen  Schneide  bearbeitet  ist,  während  die 
Schneide  des  fast  gerade  verlaufenden,  gegenüberstehenden  Randes  stumpfer  an 
dem  hier  dickeren  Stein  ansetzt  (Taf.  VIII.  Fig.  2).  Die  Schlagflächen  sind  mit 
bewunderungswürdiger  Gleichmässigkeit  ausgeführt,  so  dass  ihre  Muschelung  wie 
ein  Ornament  erscheint.  Die  parallelen  Berührungskanten  der  langen  breiten 
Schlügflächen  werden  an  ihren,  den  Schneiden  zugewendeten  Enden  durch  kürzere 
Abspl  issungen  gegabelt  und  die  so  entstandenen  neuen  Kanten  sind  von  Neuem  ab- 
gesprengt,  so   dass   eine  feine  scharfe  Sohneide  entsteht,   die  ihrer  ganzen  Länge 


♦i 


Zfibdir.f  SOmiLtyah  J  AJT^n.p  (kvslvh  I   Bä.lM.IB»! 


ZfiMmetlkmLnM..it.AMivvp&e,Sxit.J   MJSB.ml. 


ZribOrf.  £thieL(Va*.±Atii^n^  SeaUxhJ  Mä.J. 


II  12 


10 

yn  n  Grörse 


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(475) 

nach  mit  den  feinsten,  regelmässig  gestellten  Zähnchen  besetzt  ist.  Im  Lichtdruck 
sind  leider  diese,  beiden  Exemplaren  gemeinsamen  Sägeformen  nicht  ersichtlich. 
Der  obere  Theil  des  Messers  hat  eine  scharf  schneidende,  abgenmdete  Spitze, 
während  der  untere  Theil  stärker  im  Stein  gehalten  ist,  um  als  Handhabe  zu 
dienen.  —  Die  geschliffene  Seite  zeigt  deutlich  parallele  Ritzen,  die  wohl  auf  Be- 
nutzung eines  Schleifsteines  hindeuten  dürften. 

Die  beiden  Exemplare,  deren  Abbildung  von  den  Leitern  der  ägyptischen  Ab- 
theilung der  Rönigl.  Museen  gütigst  gestattet  wurde,  sind  aus  dem  schönsten  Feuer- 
stein hergestellt;  sie  besitzen  eine  matte  lichtbraune  Farbe,  die  am  besten  mit  der 
Farbe  eines  hellen  Milchkaffee's  zu  vergleichen  wäre. 

Bruchstücke  eines  grossen  Steinmessers  von  eben  so  schöner  Arbeit,  wie  Fig.  3 
auf  Taf.  VII  und  VIII,  hat  Hr.  Dr.  von  Landau  in  Cairo  erworben  und  der  prä- 
historischen Abtheilung  der  Rönigl.  Museen  für  Völkerkunde  überwiesen. 

Es  gehören  die  vorliegenden  Steinmesser  aus  Theben  zu  der  Reihe  jener 
Prachtgeräthe,  wie  sie  wohl  während  des  langen  Bestehens  der  ägyptischen  Reli- 
gion zu  CultuszweckeSi  namentlich  bei  Einbalsamirung  der  Mumien,  in  Gebrauch 
waren.  Sie  zeigen  uns  zwar,  zu  welcher  hohen  Kunst  die  alten  Aegypter  es  in 
der  Bearbeitung  des  Feuersteins  gebracht  haben,  aber  sie  geben  uns  keine  Aus- 
kunft darüber,  ob  im  Nilthale  selbst  einst  eine  Steinzeit  geherrscht  hat.  Sie  sind 
ebensowenig  datirbar,  wie  alle  bisher  in  Aegypten  aufgefundenen  Feuersteinarte- 
fakte. Erst  die  gewissenhaften  Ausgrabungen  des  unermüdlji^en  englischen  For- 
schers, Hm.  Flinders  Petrie,  haben  hier,  wie  in  so  vielen  anderen  Fällen,  neues 
Licht  verbreitet. 

Da  ich  in  der  glücklichen  Lage  bin,  Originalstücke  der  von  Hrn.' Flinders 
Petrie  bei  seinen  mehrjährigen  Ausgrabungen  gefundenen  Steingeräthe  hier  vor- 
zulegen (Taf.  IX  und  X),  so  sei  es  mir  gestattet,  kurz  anknüpfend  an  die  aus  den 
Verhandlungen  der  Gesellschaft  (1888.  S.  344—393;  1889.  S.  -102— 712;  1890. 
S.  516  und  517)  hinlänglich  bekannten  Erörterungen,  über  diese  für  die  Frage, 
ob  für  Aegypten  eine  Steinzeit  anzunehmen  ist,  so  Mächtigen  Resultate  zu  be- 
richten. 4 

Als  im  Jahre  1889  jene  grossen  Anhäufungen  von  Feuerstein,  oder  besser  von 
den  bei  Bearbeitung  des  Feuersteins  zurückgebliebenen  Abfällen,  aufgefunden  und 
als  prähistorische  Ateliers  oder  Werkstätten  gedeutet  wurden,  erhoben  die  Aegypto- 
logen  sofort  Einsprache,  da  ihnen  Steingeräthe  aus  den  Gräberfunden  der  ver- 
schiedensten Zeitperioden  der  ägyptischen  Geschichte  längst  bekannt  waren.  Vor 
Allem  war  es  Lepsius,  der  (Zeitschrift  f.  ägyptische  Sprache  1870)  in  energischer 
*  Weise   gegen   die   Annahme   einer   Steinzeit  in   Aegypten   sich  aussprach.     Man 

kannte  bearbeitete  Feuersteine  aus  den  Gräbern  des  alten  Reiches,  prachtvolle 
Steinmesser  aus  dem  mittleren  und  neuen  Reiche,  und  die  neuesten  Funde  haben 
ergeben,  dass  Steingeräthe  selbst  in  den  griechischen  und  römischen  Städten  noch 
vorkommen  (Verh.  1889.  8.  710).  Aber  das  waren  alles  nur  vereinzelte  Funde,  die 
sich,  im  Gegensatz  zu  den  grossen  Werkstätten,  als  Ueberreste  einer  längst  über- 
wundenen Steinzeit  betrachten  Hessen.  Berechtigt  war  eine  solche  Auffassung,  so 
lange  sich  nicht  nachweisen  Hess,  dass  die  alten  Aegypter  in  historischen  Zeiten 
sich  der  Steingeräthe  in  grösserem  Maassstabe  bedienten.  Diesen  Nachweis  zu 
liefern  war  Hm.  Flinders  Petrie  'vorbehalten.  Seit  Jahren  mit  Ausgrabungen 
in  Aegypten  beschäftigt,  hat  er  seine  Arbeiten  nach  streng  naturwissenschaftlicher 
Methode  betrieben;  jede  neu  aufgedeckte  Mauer,  jede  auszuräumende  Ramn^r 
wurde  genau  vermessen  und  der  wegzuräumende  Schutt  genau  auf  seinen  Inhalt 
untersucht.     Für  jedes  Stück,  und  sei  es  noch  so  unscheinbar,  kann  die  Stelle,  an 


(476) 

welcher  es  gefunden,  und  die  Lage,  welche  es  vor  der  Anfräumang  einnahm,  genau 
angegeben  werden.  Allerdings  yerlieren  die  Schilderungen  der  verschiedenen 
Campagnen  durch  eine  solche  gewissenhafte  Bearbeitung  ihren  romantischen  Beiz; 
aber  jeder  aufmerksame  Leser  der  Werke  des  Hm.  Petrie  wird  von  dem  Gefühle 
durchdrungen,  dass  hier  zuverlässige,  völlig  unparteiische  Angaben  vorliegen,  die 
gerade  durch  die  auf  die  Kleinfunde  genommene  Rücksicht  der  Wissenschaft  den 
grössten  Nutzen  bringen. 

Einer  solchen  gründlichen  Ausgrabung  wurde  auch  die  nahe  der  Pyramide 
Illahun  gelegene  Stadt  Rahun  unterworfen.  Die  dabei  gefundenen  Inschriften  er- 
gaben (W.  M.  Flinders  Petrie,  Rahun,  Gurob  and  Hawara  with  28  plates.  4. 
London  1890),  dass  üsertesen  IL,  in  der  zweiten  Hälfte  der  XII.  Dynastie,  sich 
eine  Grabpyramide  und  einen  Tempel  zu  bauen  beschloss  am  Wüstensaume  von 
Fayum  und  dass  er  zu  diesem  Behuf,  für  die  von  verschiedenen  Seiten  herbei- 
gezogenen Arbeiter,  eine  besondere  Stadt,  Rahun,  erbauen  liess.  Die  Stadt,  zu 
diesem  bestimmten  Zweck  erbaut,  war  nur  etwa  100  Jahre  lang  bewohnt,  wurde 
dann  verlassen  und  allmählich  unter  dem  Schutt  der  verfallenden  Häuser  und  dem 
Wüstensande  begraben  (1.  c.  p.  32).  In  den  Zimmern  der  Häuser  wurde  nun 
theils  einzeln,  theils  in  Haufen  beisammenliegend,  eine  Menge  bearbeiteter  Feuer- 
steine gefunden,  von  welchen  eine  Anzahl  auf  unseren  Taf.  IX  und  X  in  '/*  ^^^ 
natürlichen  Grösse  abgebildet  ist. 

Taf.  IX.  Fig.  1 — 6  Bruchstücke  messerartiger  Instrumente,  aus  den  verschie- 
denen Feuersteinvarietäten  geschlagen,  welche  in  so  grosser  Menge  im  Nilthale 
sich  finden;  Fig.  7  dürfte  wohl  von  einer  Lanzenspitze  stammen;  Fig.  8 — 12  sind 
schön  geschlagene,  meist  sägeförmig  gezahnte  Splisse  eines  feinen,  leberbraunen 
Feuersteines.  Fig.  10 — 12  weisen  an  dem  rechten  Rande  eine  glänzende  Politur 
auf,  wie  solche  auch  hier  und  da  an  den  Dreikantem  in  kleinen  Flecken  beob- 
achtet wird.  Solche  Stellen  haben  ganz  das  Ansehen,  als  seien  sie  mit  einem 
feinen  Fimiss  überstrichen.  Schaberartig  bearbeitete  Stücke  zeigen  Fig.  1 — 3  auf 
Taf.  X;  die  Fig.  5 — 12.  Taf.  X  stellen  jene  einfachen  messerartigen  Absplissungen 
dar,  wie  sie  stets  in  grossen  Mengen  unter  den  Feuersteingeräthen  gefunden  werden. 

Sämmtliche  hier  abgebildeten  Stücke  darf  ich  im  Namen  des  Hm.  Flinders 
Petrie  der  prähistorischen  Abtheilung  des  Rgl.  Museums  für  Völkerkunde  über- 
weisen. 

In  einem,  Medum  den  18.  März  1891  datirten,  Briefe  spricht  sich  Hr.  Flinders 
Petrie  über  die  hier  vorliegenden  Steingeräthe  so  aus:  „Das  Alter  der  Stein- 
geräthe  ist  folgendermaassen  bestimmt.  In  den  Zimmern  der  Häuser  der  Stadt 
Rahun,  gebaut  und  bewohnt  nur  in  der  XH.  und  XIU.  Dynastie,  fand  ich  viele 
Feuersteinsplitter  und  Messer,  sowie  eine  Holzsichel  mit  Feuersteinzähnen.  Ganz 
ähnliche  Steingeräthe  wurden  in  der  Wüste  dicht  bei  der  Stadt  gefunden;  da  sie 
nur  in  der  nächsten  Nähe  der  Stadt  vorkommen  und  da  die  Stadt  nur  im  mittleren 
Reich  bewohnt  war,  so  schreibe  ich  ihnen  dasselbe  Alter  zu,  wie  den  in  der  Stadt 
selbst  gefundenen  Stücken.^ 

Es  dürfte  nach  diesen  genau  datirten  Funden  kein  Zweifel  mehr  darüber  be- 
stehen, dass  in  der  XII.  Dynastie  geschlagene  Feuersteine  zu  den  gewöhnlich,  ge- 
brauchten Werkzeugen  gehörten.  Aber  auch  für  eine  spätere  Zeit  hat  Hr.  Flin- 
ders Petrie  einen  solchen  Beweis  erbracht.  Am  entgegengesetzten  Ende  des 
Fayuras  wurde  die  alte  Stadt  Gurob  ausgegraben,  deren  Gründung  und  Verfall 
ebenfalls  festgestellt  werden  konnte.  Die  Stadt  gehört  in  das  Ende  der  XVni. 
und    den  Anfang  der  XIX.  Dynastie  (1.  c.  p.  32),    in    die  Zeit  von  Tutmes  UL  bis 


(477) 

Ramses  ü.  Hier  wurden  ebenfalls  Steingeräthe,  wenn  auch  in  geringerer  Zahl 
und  roherer  Ausführong  aufgefunden. 

Auch  bei  den  Grabungen  an  dem  grossen  Tempel  von  Arsinoe  (Medinet  Payum) 
wurde  eine  Anzahl  grosser  und  schöner  Feuersteinmesser  erhalten,  welche  Herr 
Plinders  Petrie  ebenfalls  der  Zeit  der  XVIII.  und  XIX.  Dynastie  zuschreibt 
(Plinders  Petrie,  Hawara,  Biahum  and  Arsinoe.  30  plates.  4^  London  1889. 
p.  58.  PI.  XXVIII.  Fig.  2—12). 

Andererseits  hat  Hr.  Plinders  Petrie,  wie  vor  und  nach  ihm  andere  Ge- 
lehrte, Peuersteinsplitter  in  den  Gräbern  des  alten  Reiches  (Anfang  der  IV.  Dynastie), 
sowie  auf  den  Ruinenstätten  aus  griechisch-römischer  Zeit  gefunden. 

Als  Bndresultat  seiner  Untersuchungen  gelangt  Hr.  Plinders  Petrie  zu  den 
folgenden  Sätzen: 

„In  der  XII.  Dynastie  war  das  Schlagen  des  Feuersteins  zu  hoher  Kunst  ent- 
wickelt; aus  feinem,  durchscheinendem  Material  wurden  schöne  Werkstücke  gear- 
beitet, die,  wenn  auch  in  den  Formen  durch  die  Bronzegeräthe  beeinflusst,  doch 
häufiger  sind,  als  Metallwerkzeuge.  In  der  XVIII.  Dynastie  verhält  es  sich  um- 
gekehrt: geschlagene  Feuersteine  treten  selten  auf;  es  sind  aus  schlechtem  Material 
roh  gearbeitete  Stücke.  Die  Kunst  war  im  Erlöschen  begriffen"  (Blahun,  Kahun  etc. 
p.  34). 

„Ich  komme  zu  dem  Schlüsse,  dass  Steingeräthe  in  Aegypten  von  den  ältesten 
Zeiten  an  bis  zum  Einbruch  der  Hyksos  gleichzeitig  mit  Kupferwerkzeugen  in  Ge- 
brauch waren.  Dann  tritt  die  Bronze  in  der  XVIII.  Dynastie  auf;  die  Bearbeitung 
des  Feuersteins  nimmt  stark  ab  und  die  Steingeräthe  werden  sehr  roh.  Peuerstein- 
splitter wurden  bis  in  die  römische  Zeit  hinein  benutzt.  Ich  habe  sie  zwischen 
römischen  Glas-  und  Thonscherben  an  einem  römischen  Fort  gefunden.  Aber 
ausser  diesem  allgemeinen  Gebrauch  der  Feuersteine  kommt  ihnen  noch  eine 
rituale  Bedeutung  zu.  Durch  die  Bronze  im  gewöhnlichen  Leben  verdrängt,  wurden 
die  Steinmesser  zu  ritualen  Zwecken  in  der  XVIII.  Dynastie  und  später  (?)  weiter 
benutzt  und  diese  bei  besonderen  Ceremonien  gebrauchten  Geräthe  sind  prachtvoll 
gearbeitete  Kunstwerke,  deren  Herstellung  wahrscheinlich  Privileg  einer  besonderen 
Priesterfamilie  war*)." 

Waren  im  mittleren  Reich,  also  etwa  1900  v.  Chr.,  die  Feuersteinwerkzeuge 
und  Geräthe  noch  im  täglichen  Gebrauch  und  wurden  sie  auch  späterhin,  wenn 
auch  in  geringer  Anzahl,  bis  in  die  XVIII.  und  XIX.  Dynastie  und  vereinzelt  bis 
zum  Beginn  unserer  Zeitrechnung  angefertigt,  so  ist  es  klar,  dass  bei  einer  grossen 
Bevölkerung,  wie  die  des  Nilthaies,  im  Laufe  der  seit  Erbauung  der  ältesten  Pyra- 
mide verflossenen  Jahrtausende  Peuersteinsplitter  in  ungezählten  Mengen  sich  an- 
häufen mussten.  Die  bis  jetzt  aufgefundenen  „Werkstätten"  dürften  nur  einen 
kleinen  Bruchtheil  der  Abfälle  der  in  diesem  langen  Zeitraum  bearbeiteten  und 
zurechtgeschlagenen  Feuersteinknollen  enthalten.  Da  nun  die  Entstehung  aller 
bekannten  und  noch  vieler  anderer,  bis  jetzt  noch  nicht  aufgefundener  Werkstätten 
sich  erklären  lässt  durch  den  langen  Gebrauch  geschlagener  Steine  in  historischer 
2^it,  in  einer  Zeit,  in  welcher  Kupfer,  Bronze  und  sicher  auch  Eisen  bekannt 
waren  und  zu  Werkzeugen  verarbeitet  wurden,  so  sind  wir,  nach  dem  heutigen 
Stande  unserer  Kenntnisse,  nicht  mehr  berechtigt,  von  einer  Steinzeit  in  Aegypten, 
von  einer  prähistorischen  Zeit  im  Nilthale  zu  sprechen. 

Da  es  kaum  möglich  sein  dürfte,  Merkmale  zu  finden,  an  welchen  sich  prä- 
historische Steingeräthe   von   den  vor  Jahrtausenden,  aber  in  historischer  Zeit  ge- 


1)  Herr  Plinders  Petrie  in  einem  Briefe  an  W.  Reiss. 


(478) 

schlagenen  Stücken  unterscheiden  lassen,  so  wird  es  sich  jetzt  vor  Allem  dämm 
handeln,  diejenigen  Fundstellen  kritisch  zu  untersuchen,  deren  geologische  Ver- 
hältnisse auf  vorgeschichtliche  Zeit  hinweisen  (Abu  Mangar,  Qurnah,  Schech  Landur 
bei  Siut).  Können  keine  neuen  Thatsachen  aufgefunden  werden,  welche  für  eine 
Steinzeit  in  Aegypten  sprechen,  so  werden  wir  uns  vorläufig  mit  der  Annahme  be- 
gnügen müssen,  dass  die  Aegypter  als  ein  schon  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
civilisirtes  Volk  in  das  Nilthal  einwanderten.  — 

Hr.  Rud.  Virchow  bestätigt  den  wesentlichen  Fortschritt,  der  darin  besteht, 
dass  gemuschelte  Steinwerkzeuge,  welche  bisher  als  wichtigste  Zeugnisse  einer  vor- 
geschichtlichen Zeit  angesehen  wurden,  nunmehr  in  grösserer  Zahl  und  in  höchst 
ausgezeichneten  Exemplaren  aus  Fundplätzen  historischer  Art  bekannt  werden.  In 
Bezug  auf  die  Zeit,  in  welcher  sie  angefertigt  wurden,  ist  durch  diese  Funde 
wohl  noch  nicht  eine  endgültige  Entscheidung  herbeigeführt  worden.  Polirte  Stein- 
hämmer sind  in  unseren  Gegenden  bis  nach  Preussen  und  den  russischen  Ostsee- 
provinzen hin  in  Urnen  der  Hallstattzeit  und  wahrscheinlich  auch  noch  in  späteren 
gefunden  worden,  und  doch  folgt  daraus  nicht,  dass  sie  in  dieser  Zeit  noch  gear- 
beitet worden  sind.  Wie  häufig  findet  man  in  Bauerhäusern  der  heutigen  Tage 
derartige  Steinhämmer,  denen  man  mystische  Kraft  zuschreibt,  in  der  einen  oder 
anderen  Weise  aufbewahrt  oder  benutzt!  Freilich  gilt  dies  weniger  von  ge- 
muschelten  Feuersteingeräthen,  aber  warum  sollten  sie  nicht  auch  noch  lange, 
nachdem  sie  nicht  mehr  gearbeitet  wurden,  in  Aegypten  geschätzt  und  viel- 
leicht auch  gebraucht  worden  sein?  Indess,  je  mehr  sich  solche  Funde  mehren, 
um  so  geringere  Bedeutung  darf  man  ihnen  natürlich  für  die  Frage  von  der  ägypti- 
schen Steinzeit  beilegen.  Diese  Frage  wird  dann  in  noch  höherem  Maasse,  als 
bisher,  den  einfach  geschlagenen  Feuersteinen  zugewendet  werden.  Die  Entschei- 
dung wird  namentlich,  wie  ich  schon  früher  hervorhob,  von  einer  genauen  Unter- 
suchung der  geologischen  Stratification  Aegyptens  abhängen,  die  leider  noch  an 
keiner  einzigen  Stelle  zu  einem  Abschlüsse  gebracht  ist  Hoffen  wir,  dass  eine 
solche  Untersuchung  bald  einmal  von  sachverständiger  Seite  in  die  Hand  ge- 
nommen werden  wird. 

(34)    Vorstellung  der  zur  Zeit  in  Hm.  Gastan's  Panopticum  ausgestellten 

Lappen. 

Hr.  Rud.  Virchow:  In  dem  Panopticum  des  Hm.  Gastan  befindet  sich  im 
Augenblick  eine  zahlreiche  Tmppe  von  Lappen  mit  ihrem  Hausrath  und  Arbeits- 
geräth,  welche  ein  recht  gutes  Bild  von  dem  Leben  dieses  Volkes  gewähren.  Ich 
habe  sie  vor  einigen  Tagen,  soweit  es  sich  bei  dem  sehr  störrischen  und  wider- 
spänstigen  Wesen  und  der  Habsucht  der  Leute  ausführen  üess,  untersucht  und  zum 
grösseren  Theil  gemessen.  Es  sind  einige,  sehr  kinderreiche  Familien  aus  dem 
nördlichen  Schweden.  Ihre  Complexion  ist  dem  entsprechend  ungleich  heller,  als 
die  der  früher  hier  gesehenen  Lappen.  Namentlich  der  eine  Mann,  Ante,  hat  eine 
ziemlich  helle  Hautfarbe,  blaugraue  Augen  und  kastanienbraunes  Haar.  Der 
12jährige  Thomas,  bei  dem  übrigens  die  11.  Zehe  mehr  vortritt,  als  die  L,  besitzt 
strähniges  blondes  Haar;  die  9 '/» jährige  Elsa  hat  helle  Haut,  hellbraune  Augen  und 
blondes  Haar.  Die  Mehrzahl  jedoch  ist  brünett,  keiner  aber  schwarzhaarig.  Alle 
sind  verhältnissmässig  klein  und  untersetzt,  von  hässlichen  Gesichtszügen;  die  Ohr- 
läppchen bei  vielen  angewachsen,  jedoch  bei  einigen  auch  frei. 

Ueber  die  einzelnen  Verhältnisse  wird  die  folgende  Tabelle  Aufschluss  geben. 


(479) 


Ich  bemerke  nur,  dass  sämmtliche  von  mir  gemessene  Personen,  besonders  die 
Kinder,  braehycephal  (Index  83  -86)  waren.  Dabei  zeigte  sich,  dass  die  Brachy- 
cephalie  mit  zunehmendem  Alter  abnimmt.  Der  Ohrhöhenindex  konnte  nicht 
überall  bestimmt  werden;  er  ist  bei  2  Individuen  chamae-,  bei  2  orthocephal;  das 
Mittel  (61,7)  ist  orthocephal,  jedoch  nur  wegen  der  relativ  grossen  Höhe  des 
12 jährigen  Thomas.  Der  Gesichtsindex  ist,  entsprechend  der  Niedrigkeit  des 
ganzen  Gesichts  und  der  Breite  des  Joch  bogen -Durchmessers,  ultrachamae- 
prosop;  er  erreicht  bei  keinem  der  Gemessenen  die  Zahl  von  80.  Der  Nasenindex 
bewegt  sich  in  den  Grenzen  der  niedrigen  Mesorrhinie  (72—76);  nur  bei  dem 
12jährigen  Thomas  ist  er  noch  leptorrhin  (68,8).  Die  Interorbitaldistanz  ist  fast 
ausnahmslos  sehr  gross  (31  —  36  mm) ;  nur  Frau  Neva  hat  bloss  29  mm. 

In  Bezug  auf  den  Schädel  ist  noch  zu  bemerken,  dass  der  Horizontalumfang 
schon  bei  den  kleinen  Kindern  sehr  gross  ist  (535 — 555  mm);  nur  die  kleine 
Elsa,  die  auch  sonst  sehr  zart  ist,  hat  504  mm.  Eine  erhebliche  Zunahme  bei 
den  Erwachsenen  konnte  ich  nicht  feststellen.  Auch  der  minimale  Stirndurchmesser 
ist  schon  früh  sehr  beträchtlich  (107 — 109  ww),  was  der  Prontalansicht  ihr  sehr 
charakteristisches  Aussehen  giebt.  Daraus  scheint  zu  folgen,  dass  das  Wachsthum 
der  Schädelkapsel  schon  sehr  früh  sein  Ende  erreicht 

Wir  haben  schon  wiederholt  Gelegenheit  gehabt,  Trupps  von  Lappen  hier 
zu  sehen,  und  ich  habe  damals  einige  Bemerkungen  über  ihre  physischen  Ver- 
hältnisse vorgetragen  (Verhandl.  1875.  S.  31  und  225;  1879.  S.  143).  Die  zuerst 
vorgestellten  Leute  stammten  gleichfalls  aus  dem  schwedischen,  die  späteren  aus 
dem  norwegischen  Lappland.  Indess  stimmten  sie  in  den  Hauptsachen  unter  ein- 
ander überein,  wie  dies  auch  für  die  diesmalige  Gesellschaft  zutrifft. 

Die  jetzige  Aufnahme  bestätigt  insbesondere,  was  ich  schon  früher  erschlossen 
hatte,  dass  die  Brachycephalie  der  Lappen,  im  Gegensatze  zu  der  der  Pinnen,  sich 
häufiger  mit  einer  geringeren  Höhe  des  Kopfes  vergesellschaftet,  dagegen  in  sehr 
auffölliger  Weise  auch  den  Stirndurchmesser  umfassi  Femer,  dass  die  Form  der 
Schädelkapsel  an  sich  viel  weniger  zu  dem  besonderen  Gesammteindruck  des 
Kopfes  beiträgt,  als  die  Bildung  des  Gesichts,  an  dem  wiederum  die  geringe  Höhe 
der  Kieferknochen  und  der  Nase  bei  der  grossen  Breite  der  Querdurchmesser 
hauptsächlich  bestimmend  ist.  Daraus  resultirt  der  Eindruck,  den  ich  wieder- 
holt hervorgehoben  habe,  dass  diese  Rasse,  welche  schon  durch  die  geringe  Höhe 
des  Körpers  unter  den  europäischen  Bevölkerungen  als  ein  Ausnahmefall  erscheint, 
einen  pathologischen  Zug  an  sich  habe. 

Ohne  ganz  genaue  Kenntniss  der  Familien -Verhältnisse  ist  es  unmöglich,  ein 
Urtheil  über  die  Reinheit  der  einzelnen  Individuen  auszusprechen.  Ich  möchte 
jedoch  in  dieser  Beziehung  hervorheben,  dass  die  beiden  blondhaarigen  Kinder 
(Elsa  und  Thomas)  sich  zugleich  durch  geringere  Breitendurchmesser  des  Gesichts, 
namentlich  auch  durch  geringere  Kieferwinkel-Distanz  und  Mundlänge,  auszeichnen, 
also  in  höherem  Grade  den  Verdacht  einer  Mischung  erregen. 


Lappen 


Anna    |    Neva       Jonas   i     Elsa 
7  Jahr    41  Jahr  1 12  Jahr  9»/,  Jahr 


Thomas  i    Ante 
12  Jahr  36  Jahr 


Horizontalumfang .    .    .    . 
GrOsste  horizontale  Länge 

^       Breite 

Ohrhöhe 


•        • 


L  Hes 

544 

isnngen. 

556 

555 

504 

535 

179 

183 

185 

167 

176 

155 

158 

156 

140 

145 

— 

109 

111 

116 

554 
184 
152 
113 


(480) 


Lappen 


Anna 
7  Jahr 


Stimbreite     .    . 
Gesicht,  Höhe  A 
»      B 
„        Breite  a 

n  »        b 

Augen-Distanz  a 

b 

Nase,  flöhe  .    . 
„      Länge 
y,      Breite.    . 
„      Eleyation 

Mund,  Länge    . 

Ohr,  Höhe    .    . 

Körperhöhe   .    . 


Lftngenbreitenindex  . 
Ohrhöhenindex .  .  . 
Gesichtsindez  .  .  . 
Nasenindez  .... 


108 

151 
98 

188 
80 
95 
88 
98 
87 
86 
28 
15 
58 
58 

1874 


Neva 
41  Jahr 


109 

168 

108 

141 

88 

106 

29 

85 

44 

47 

82 

28 

55 

61 

1516 


Jonas 
12  Jahr 


Elsa 
9V,  Jahr 


109 

157 

108 

186 

76 

100 

86 

98 

44 

42 

82 

15 

50 

51 

1850 


100 

146 
89 

122 
78 
85 
81 
80 
86 
87 
26 
12 
45 
49 

1177 


Thomas      Ante 
12  Jahr  \  86  Jahr 


107 

158 
99 

129 
82 
95 
86 
91 
45 
44 
81 
14 
44 
51 

1854 


118 

1G4 

104 

142 

76 

118 

82 

^ 

47 

48 

85 

16 

51 

61 

1467 


n.  Berechnete  Indices. 


86,0 

86,8 

84,8 

88,8 

82,4 

— 

59,5 

60,0 

— 

65,9 

69,9 

76,5 

79,4 

72,9 

76,7 

75,6 

72,7 

72,7 

72,2 

68,8 

82,6 
61,7 
78,2 
74,4 


(85)   Eingegangene  Schriften. 

1.  Mies,  J.,  üeber  das  Gehirngewicht  einiger  Thiere.   Bremen  1890.  (Sep.-Abdr. 

ans  d.  Verh.  Deutsch.  Naturf.)    Gesch.  d.  Verf. 

2.  Virchow,  R.,   Neue   Untersuchungen   ostafrikanischer   Schädel.    (Sep.-Abdr. 

aus  den  Sitzungsber.  Akad.)    Berlin  1891.     Gesch.  d.  Verf. 

3.  Handtmann,  E.,  Was  auf  märkischer  Haide  spriesst.    Berlin.    Gesch.  d.  Verf. 

4.  Zürich  und  das  schweizerische  Landes-Museum.   Zürich  1890.    Gesch.  d.  Um. 

J.  Heierli. 

5.  Eiccardi,  P.,   Di   alcune   correlazioni   di   sviluppo   fra   la   statura   umana  e 

Faltezza  del  corpo  seduto.  Modena  1891.   (Estr.  Mem.  d.  R.  Accad.  di  Sc.) 
Gesch.  d.  Verf. 

6.  Kofier,  P,  üeber  neue  römische  Funde  in  der  Provinz  Starkcnbui^.    Gesch. 

d.  Verf. 

7.  Schwab,  G.,   Die   deutschen  Volksbücher   für  Alt   und   Jung   wiedererzählt 

V.  Auü.    Gütersloh  1862. 

8.  Niendorf,  M.  A.,  Das  Gudrun-Lied.     III.  Aufl.    Berlin  1867. 

9.  Zittel,  R.  A.,  Aus  der  Urzeit.   Bilder  aus  der  Schöpfungsgeschichte.    II.  Aufl. 

München  1875. 

10.  y.  Mayr,  H.,  Malerische  Ansichten  aus  dem  Orient,  gesammelt  auf  der  Reise 

des  Herzogs  Max  in  Bayern  im  Jahre  1838. 

11.  Pouquö,    ündine.    VII.  Aufl.    Berlin  1851.  —  Simrock,  K.,   Das  deutsche 

Räthselbuch.    Frankfurt  a.  M.  —  Clemens,  A.,   Schiller  im  Verhältnis« 
zu   Göthe   und   zur  Gegenwart.     Frankfurt  a.  M.  1857.  —  t.  Platen,  A-, 


(481) 

Der  Sieg   der  Gläubigen.    Ein  geistliches  Nachspiel.    Herausgegeben  von 
C.  Vogt.    Genf  1857. 

Nr.  7—11  Gesch.  d.  Frau  San.-Rath  Schlemm. 

12.  Marchesetti,  C,  Relazione  sugli  scavi  preistorici  eseguiti  nel  1890.    Trieste 

1891.    Gesch.  d.  Verf. 

13.  Blasius,  Wilh.,   Neue  Knochenfunde   in   den  Höhlen  bei  Rübeland.    Braun- 

schweig 1890.    Gesch.  d.  Verf. 

14.  Baessler,  A.,  Ethnographische  Beiträge  zur  Kenntniss  des  Ostindischen  Archi- 

pels.  Leiden  1891.    (Sep.-Abdr.  aus  dem  Intern.  Arch.  f.  Ethnogr.)   Gesch. 
d.  Verf. 

15.  Helmert,   Bericht   über   die  Versammlung  der  permanenten  Commission  der 

internationalen  Erdmessung  zu  Salzburg.    1888.   Gesch.  d.  Hrn.  Virchow. 

16.  Kofi  er,  Fr.,  Archäologische  Karte  des  Grossherzogthums  Hessen.    Darmstadt 

1890.     (Sep.-Abdr.  aus   dem  Archiv  f.  hess.  Gesch.  u.  Alterthumsk.    Neue 
Folge.    I.  Bd.).    Gesch.  d.  Verf. 

17.  Brinton,  D.  G.,  The  american  race.     New  York  1891.    Gesch.  d.  Verf. 

18.  Schliemann,  H.,   Bericht   über   die  Ausgrabungen   in  Troja  im  Jahre  1890. 

Leipzig  1891.     Gesch.  d.  Frau  Schliemann. 
29.    Stolpe,  H.,  ütvecklingsfbreteelser  i  naturfolkens  Ornamentik.   Stockholm  1890. 
(Sep.-Abdr.  aus  dem  Ymer.) 

20.  Derselbe,    lieber   altmexikanische  und  südamerikanische  Wurfbretter.    Stock- 

holm 1890.    (Sep.-Abdr.  aus  dem  Intern.  Arch.  f.  Ethnogr.). 
Nr.  19  und  20  Gesch.  d.  Verf. 

21.  Buschan,  G.,  Mehrere  Besprechungen  von  Büchern  und  Vorträgen. 

22.  Derselbe,  Zur  Culturgeschichte  der  Hülsenfrüchte.     Stuttgart  1891. 

23.  Derselbe,  Die  Heimath  und  das  Alter  der  europäischen  Cultur pflanzen. 

24.  Derselbe,  Germanen  und  Slaven.     Münster  1890. 

5.    Zur  Geschichte  des  Weinbaus  in  Deutschland.     Stuttgart  1890. 
Nr.  21—25  Gesch.  d.  Verf. 

26.  de  Baye,  J.,  De  Finfluence  de  Tart  des  Goths  en  Occident.    Paris  1891.   Gesch. 

d.  Verf. 

27.  Annual  Report  of  the  Curator  of  the  Museum  of  American  Archaeology.  Vol.  I. 

No.  1.    Philadelphia  1890.     Gesch.  d.  Museums. 

28.  Reviews  from  the  New  York  Nation,  Boston  Transcript  and  New  York  Studio 

of  the  work  of  James  L.  Bowes,  entitled  „Japanese  Pottery".    New  York 
1891. 

29.  Abbott,  C.  C,  Sketch  of  Daniel  G.  Brinton.    (The  populär  science  monthly 

Vol.  XXXVm.  No.  6.)    New  York  1891.    Gesch.  d.  Hrn.  Brinton. 

30.  Ploss  H.,  Das  Weib  in  der  Natur-  und  Völkerkunde.    Leipzig  1891.    (IL  bis 

IV.  Lieferung.)    Gesch.  d.  Hm.  Bartels. 

31.  Mitjans,  A.,   Estudio   sobre   el   movimiento   cientiöco   y   literario   de   Cuba. 

Habana  1890. 

32.  Los  S^anigos,    su  historia,   sus  practicas,    su  lenguage,  con  el  facsimile  de  los 

seilos  que  usa  cada  uno  de  los  juegos  o  agrupaciones.    Habana  1882. 
Nr.  31  und  32  Gesch.  d.  Hm.  Guiteras. 

33.  Brinton,  D.  G.,  Vocabularies  from  the  Musquito  Coast.     1891. 

34.  Derselbe,  American  aboriginal  poetry.    Report  of  the  Proceedings  of  the  Numis- 

matic  and  Antiquarian  Society  of  Philadelphia.    Philadelphia  1891. 
Nr.  33  und  34  Gesch.  d.  Verf. 

Verhandl.  der  Berl.  AnthropoL  GeselUchaft  1891.  3X 


(482) 

35.  Becker,  H.,  Vorchristliche   Alterthümer.    (Die  Speckseite    bei  AscherslÄen.) 

Gesch.  d.  Verf. 

36.  Compte  renda  du  Congres  international  des  Americanistes.    Troisieme  session 

Bruxelles  1879.    Tome  1—2  avec  Atlas.    Angekauft. 

37.  Wittelshöfer,   L.,   Wiener   medicinische   Wochenschrift.     Wien    1859   und 

1863—1881.    (21  Bände  gr.  Pol.)    Gesch.  d.  Hm.  Götze. 

38.  Verneau,  R.,   Les    races   humaines.     Paris.     S^r.  1 — 21.     Gesch.  d.  Herrn 

R.  Virchow. 

39.  Weil,  G.,  Tausend  und  eine  Nacht.   Arabische  Erzählungen.    Aus  dem  arabi- 

schen Urtext  übersetzt.  Herausgegeben  von  A.  Lewald.  Stuttgart  1838 — 41. 
(4  Bände.)    Gesch.  d.  Frau  Schlemm. 

40.  Cape  of  Good  Hope.    Report  of  the  Meteorological  Commission  for  the  year 

1889.    Cape  Town  1890.    Gesch.  d.  Hrn.  Bartels. 

41.  lloernes,  M.,  Die  Urgeschichte  des  Menschen  nach  dem  heutigen  Stande  der 

Wissenschaft.     Wien.     (Lief.  1 — 3.) 

42.  Pin  seh,  0.,   Ethnologische   Erfahrungen   und    Belegstücke   aus  der   Südsee. 

Wien  1891.    Zweite  Abtheilung:   Neu-Guinea.    (Schluss.)    Gesch.  d.  Verf. 

43.  Boas,  F.,  Mixed  Races.    (Sep.-Abdr.) 

44.  Derselbe,  Dissemination  of  tales. 

Nr.  43  und  44  Gesch.  d.  Verf. 

45.  Die  Forschungsreise  S.  M.  S.  „Gazelle"    in    den  Jahren  1874   bis    1876   unter 

Commando  des  Capitän  zur  See  Freiherm  yonSchleinitz,  herausgegeben 
von  dem  hydrographischen  Amt  des  Reichs-Marine- Amts.  Berlin  1888—90. 
(I.  Theil:  Der  Reisebericht.  H.  Theil:  Physik  und  Chemie.  III.  Theil: 
Zoologie  und  Geologie.  IV.  Theil:  Botanik.  V  Theil:  Meteorologie.) 
Gesch.  d.  Reichs-Marine-Amts,  Hydrographisches  Amt 

46.  Mallery,  G.,    Greeting  by  gesture.    New  York  1891.    Gesch.  d.  Herrn  Rad. 

Virchow. 

47.  Proceedings  of  the  Society  of  Antiquaries  ofScotland.    Edinbui^h  1851—1890. 

(Vol.  1—24.)    Austausch. 

48.  Transactions   of  the  Society  of  the  Antiquaries  of  Scotland.    Edinburgh  1828 

bis  1890.     (Vol.  3—5.)    Austausch. 

49.  Müllenhoff,  K.,  Deutsche  Alterthumskunde.    Berlin  1891.    (Bd.  V.  Heft  H.) 

Angekauft. 

50.  Paivaepona,   A.P.,    Les   champs   d'or.    Losbonne    1891.    Gesch.  d.  Geogr. 

Ges.  in  Lissabon. 

51.  Fleming,  S.,   Time-reckoning  for  the  twentieth  Century.    Washington  1^89. 

(Extr.  Smithson.  Rep.  1886.)    Gesch.  d.  Verf. 

52.  Fletcher,  Rob.,  The  new  school  of  criminal  anthropology.    Washinton  1891. 

(Bbctr.  Am.  anthropologist  1891.)    Gesch.  d.  Verf. 

53.  Zeitschrift    des   Vereins    für  Lübeckische   Geschichte   und   Alterthumskunde. 

Lübeck  1886—1891.    (Bd.  5  und  6.)     Austausch. 

54.  Mittheilungen   des  Vereins   für  LUbeckische  Geschichte   und  Alterthumskunde 

1884—1890.    Lübeck  1884—1891.    (4  Hefte.)    Austausch. 

55.  Bericht  des  Vereins  für  Lübeckische  Geschichte  und  Alterthumskunde.  Lübeck 

1888  und  89.    (2  Hefte.)    Austausch. 

56.  Annales   de   la   Societe   darch6ologie   de   Bruxelles.     Bruxelles    1887—1891. 

(Bd.  I— IV.  Bd.  V.  Heft  1.)    Austausch. 


Sitzung  vom  20.  Juni  1891. 

Vorsitzender  Hr.  Virchow.     ^ 

(1)  Die  Gesellschaft  und  die  Wissenschaft  haben  einen  ungewöhnlich  schmerz- 
lichen Verlust  erlitten.  Vor  zwei  Tagen,  am  18.  d.  M.,  ist  ganz  schnell  in 
Königsberg  unser  Freund  Otto  Tischler,  erst  47  Jahre  alt,  gestorben.  Die 
lange  und  schwere  Krankheit,  eine  chronische  Nierenaffektion  mit  Herzhypertrophie, 
welche  ihn  schon  im  Winter  letzten  Jahres  an  den  Rand  des  Grabes  gebracht 
hatte,  war  unerwartet  soweit  zurückgegangen,  dass  er  im  vorigen  Sommer  scheinbar 
ganz  frisch  zu  unserem  Congress  in  Münster  erschien  und  mit  grösster  Freude  der 
Wahl  seiner  Heimathstadt  zum  Congressorte  für  dieses  Jahr  zustimmte  und  das  Amt 
des  Localgeschäftsführers  übernahm.  Mit  Eifer  begann  er  die  Vorbereitungen,  ins- 
besondere die  Neuordnung  des  von  ihm  zu  wunderbarer  Fülle  entwickelten  prähisto- 
rischen Museums  der  physikalisch-ökonomischen  Gesellschaft  und  die  Herstellung 
eines  illustrirten  Führers,  welcher  eine  Gesammt-Uebersicht  seiner  Forschungs- 
ergebnisse bringen  sollte.  Aber  gerade  die  Beschäftigung  in  den  kalten  Räumen 
des  Museums  scheint  das  schlummernde  Leiden  neu  erweckt  zu  haben.  Wie  schon 
früher  der  Gesellschaft  mitgetheilt  worden  ist,  kam  er  im  Mai  zu  der  üeber- 
zeugung,  dass  sein  Gesundheitszustand  die  Abhaltung  des  Congresses  in  Königs- 
berg, wo  inzwischen  auch  der  Direktor  des  Prussia-Museums,  Dr.  Bujack,  ge- 
storben war,  unmöglich  mache,  und  er  stimmte  dem  Vorschlage,  die  freund- 
liche Einladung  der  Danziger  Naturforschenden  Gesellschaft  anzunehmen,  bereit- 
willig zu.  Aber  er  war  trotzdem  voll  guter  Hoffnung.  Noch  am  29.  Mai  diktirte 
er  einen  Brief  an  Hrn.  Virchow,  worin  er  sagte:  „Ich  bin  augenblicklich  psy- 
chisch auf  dem  tiefsten  Niveau  angekommen  und  glaube,  dass  jetzt  die  auf- 
steigende Welle  beginnen  wird,  besonders  wenn  diese  Angelegenheit,  die  mich 
seit  Ostern  unaufhörlich  auf  das  Tiefste  beunruhigt  hat,  aus  der  Welt  geschafft 
sein  wird."  Freilich  setzte  er  hinzu:  „Ich  fürchte,  dass  die  zweite  Reise  nach 
dem  fernen  Osten  kaum  mehr  von  vielen  Mitgliedern  unserer  Gesellschaft  unter- 
nommen werden  wird,  und  dass  der  Königsberger  Congress  wohl  für  immer  ins 
Wasser  fallen  dürfte."  Trotzdem  gab  er  die  Zusicherung,  dass  das  Museum 
für  diejenigen  Mitglieder  des  Congresses,  die  von  Danzig  nach  Königsberg  kommen 
wollten,  zu  jeder  Zeit  offen  stehen  und  sein  genau  unterrichteter  Diener  angewiesen 
sein  werde,  alle  Erläuterungen  zu  geben  und  „jedes  Stück  herauszugeben".  Er 
verlangte  nur  Seitens  des  Vorstandes  die  öffentliche  Erklärung,  dass  wegen  seines 
Gesundheitszustandes  der  Congress  in  Königsberg  für  dieses  Jahr  aufgehoben  worden 
sei,  „ich  möchte  sagen,  auf  ein  Paar  Jahre  vertagt  ist".  Und  dann  schloss  er:  „So, 
nun  sind  wir  am  Ende,  und  ich  fühle  mich  am  Schlüsse  dieses  etwas  langen 
Diktates  viel  frischer,  als  am  Anfange.  Es  ist  mir  fast,  als  hätte  ich  mir  einen 
Stein  vom  Herzen  geschrieben.  Ebenso  erfreuen  mich  immer  Ihre  Briefe,  wo  Sie 
noch  in  so  liebenswtlrdiger  Weise  diese  gewiss  recht  unangenehme  Affaire  beur- 
theilen   und   mir  in  jeder  Beziehung   zu  Hülfe  kommen.    Ich  werde  mich  schon 

31» 


(484) 

wieder  aufrappeln,   besonders  da  diese  leidige  Sache  geordnet  ist.    Also  viel  Ver- 
gnügen in  Danzig  und  späterhin  auf  ein  frohes  Wiedersehen  I^ 

Drei  Wochen  später  war  er  eine  Leiche.  Seine  Hoffnung  und  alle  die  vielen 
Hoffnungen  auf  Belehrung  aus  seinem  Munde  und  auf  weitere  Förderung  der  prä- 
historischen Wissenschaft  durch  seinen  scharfen  Gefst,  durch  seinen  unermüdlichen 
Pleiss,  durch  seine  unübertroffene  Zuverlässigkeit,  —  sie  sind  mit  einem  Schlage 
vernichtet.  Tischler  war  unter  allen  deutschen  Archäologen  derjenige,  welcher 
das  grösste  Maass  von  Detailkenntniss  des  vorhandenen  Materials  gesammelt  und 
zugleich  geordnet  hatte.  In  Mitteleuropa  gab  es  wohl  keine  öffentliche  und  keine 
Privat-Sammlung,  die  er  nicht  kannte.  Seine  literarischen  Studien  umfassten  das 
ganze,  so  schwierig  zu  erreichende  Gebiet  der  bezüglichen  Publikationen.  Seine 
Notizen  waren  so  vollständig,  dass  er  auf  jede  Frage  Antwort  zu  ertheilen  vermochte, 
und  seine  Bereitwilligkeit,  sie  anderen  Forschem  zugänglich  zu  machen,  so  gross, 
dass  er  jedem  Ersuchen  sofort  in  ausgiebigster  Weise  entsprach.  Er  wird  uns  immer 
und  überall  fehlen.  Sein  Name  wird  in  der  Geschichte  dieser  denkwürdigen  Periode 
stets  als  einer  der  glänzendsten  genannt  werden  I^ 

(2)  Die  Verhandlungen  wegen  der  Berufung  des  anthropologischen  Con- 
gresses  nach  Danzig  sind  inzwischen  soweit  zum  Abschlüsse  gediehen,  dass 
nxmmehr  das  Programm  für  die  Versammlung  als  abgeschlossen  betrachtet  wer- 
den darf.  Am  Sonntag  den  2.  August  Abends  findet  dort  die  gegenseitige  Be- 
grüssung  der  Theilnehmer  statt.  Am  3. — 5.  sind  Verhandlungen  anberaumt.  Ein 
grösserer  Ausflug  ist  für  den  6.  nach  Heia,  ein  anderer  für  den  7.  nach  Marien- 
bui^  geplant. 

(3)  Das  ordentliche  Mitglied,  Dr.  med.  Friedr.  Raschkow,  ist  in  der  Nacht 
zum  30.  Mai  langem,  schwerem  Herzleiden  erlegen. 

(4)  Der  alte  bewährte  Forscher  Hans  Caspar  Es  eher- Zübl  in  ist  am  15.  Juni 
in  seinem  84.  Lebensjahr  zu  Zürich  gestorben.  Seit  1866  war  er,  noch  durch 
Ferd.  Keller,  als  Conser^ator  für  die  Sammlungen  der  antiquarischen  Gesellschaft 
gewonnen.  Jeder,  der  seit  dieser  Zeit  das  herrliche  Museum  in  Zürich  besucht 
hat,  wird  ihm  eine  dankbare  Erinnerung  bewahren. 

(5)  Vorstand  und  Ausschuss  haben  zu  correspondirenden  Mitgliedern  gewählt 
die  Herren: 

Prof.  Dr.  Eaffaele  Zampa,  Eom. 
„      „    Giuseppe  Sergi,  Rom. 
„      „    E.  Brizio,  Director  des  Museo  civico  in  Bologna. 

(6)  Der  Magistrat  und  das  Denkmalscomitc  zu  Stendal  haben  unter 
dem  8.  eine  besondere  Einladung  zu  der  am  Sonntag  den  28.  daselbst  stattfindenden 
Enthüllung  des  Nacjitigal-Denkmals  an  die  Mitglieder  der  Gesellschaft  er- 
lassen. 

Der  Vorsitzende   theilt  das  Programm  mit  und  fordert,    in  Erinnerung  an  die 


1)  Nachträglich  darf  auf  die  treffliche  Rede,  welche  Eü*.  F.  Linde  mann  an  seinom 
Sarge  gehalten  hat  (Scp.-Abdr.  aus  den  Schriften  der  Phjs.-ökon.  Gesellschaft  zu  Kdnigsberg. 
1891.  Bd.  XXXn),  und  auf  einen  warmen  Nachruf  des  Hm.  Ed.  Krause  (Das  Aasluid. 
1891.  Nr.  31)  verwiesen  werden. 


(485) 

innige  und  treue  Freundschaft,  welche  Gustav  Nachtigal  der  Gesellschaft  gewidmet 
hat,  zu  zahlreicher  Betheiligung  auf. 

(7)  Hr.  Eduard  Krause  hat  nach  üebereinkommen  mit  dem  Vorstande  das 
Programm  für  eine  anthropologische  Excursion  nach  Salzwedel  und  den 
megalithischen  Denkmälern  der  Altmark  am  4.  und  5.  Juli  entworfen. 
Dasselbe  wird  mitgetheilt.  Hr.  Krause  legt  die  betreffenden  Karten  und  Photo- 
graphien vor. 

(8)  Laut  Mittheilung  des  Hm.  Siehe  in  Calau  ladet  die  Niederlausitzer 
Gesellschaft  zur  Betheiligung  an  ihrer  Jahresversammlung  für  den  6.  und  7.  Juli 
nach  Lieberose  ein.  Auch  sendet  Hr.  Oberprediger  Krüger  in  Lieberose  eine 
dringende  Einladung.    Das   nähere  Programm  dieser  Versammlung  wird  verlesen. 

(9)  Das  Programme  pr^liminaire  du  Congres  international  des  sciences 
geographiques  de  Berne  für  den  10. — 14.  August  wird  vorgelegt. 

(10)  -Es  ist  die  Einladung  zum  Besuche  einer  ethnologischen  afrikani- 
schen Ausstellung  mit  Verloosung  zu  Gunsten  eines  Hospitals  in  Deutsch- 
Ostafrika  eingetroffen.  Die  Ausstellung  findet  in  dem  Waarenhause  für  deutsche 
Beamte  in  der  Dorotheenstrasse  statt. 

(11)  Der  als  Arzt  für  die  Marshai  1-Inseln  bestimmte  Dr.  Steinbach  hat  sich 
bereit  erklärt,  in  anthropologischem  Sinne  thätig  sein  zu  wollen. 

(12)  Frau  Zelia  Nuttall,  Special  Assistant  in  Mexican  Archaeology  am 
Peabody  Museum  an  der  Harvard  University,  Cambridge,  Mass.,  übersendet  aus 
Dresden,  19.  Juni,  folgende  Mittheilung  über 

einen  altmexikanischen  Federschild  in  Ambras. 

Mit  Vergnügen  mache  ich  der  verehrten  Gesellschaft  die  Mittheilung,  dass  eine 
sehr  bedeutende,  bisher  für  verschwunden  gehaltene,  altmexikanische  Reliquie  noch 
in  bester  Erhaltung  existirt. 

Es  ist  dies  ein  Prachtstück  von  Federarbeit,  das  ich  unumwunden  als  den 
Schild  identiftcire,  welcher  Ferdinand  von  Tyrol  gehört  hat  und  welcher  im  ältesten 
Inventar  der  Ambraser  Sammlung,  also  i.  J.  1596,  wie  folgt,  beschrieben  ist: 

„Ain  Kunden  von  roten  Federn,  darynnen  ist  gestückt  von  grober  Arbait  ain 
Plawer  drackh  mit  guldin  Plech  versetzt." 

Den  Lesern  von  Ferdinand  von  Hochstetter's  Publikation  über  die  alt- 
mexikanischen B.eliquien  der  Ambraser  Sammlung  wird  diese  meine  Mittheilung 
überraschend  vorkommen,  da  der  genannte  Gelehrte  behauptete,  dass  das  in  Wien 
sich  befindende  Federprachtstück  „das  einzige  noch  erhaltene  Stück  von  den  in 
den  Inventaren  der  Ambraser  Sammlung  erwähnten  Federschmucksachen  sei". 
Alle  anderen,  fügte  er  hinzu,  „wären  leider  spurlos  verschwunden". 

Thatsache  aber  ist  es,  dass  das  beschriebene  „Rundell"  noch  existirt,  und 
zwar  an  einem  Orte,  der  für  die  Richtigkeit  meiner  Identification  bürgt,  nehmlich 
im  Schloss  Ambras  selbst. 

Bekanntlich  befindet  sich  im  Schlosse  der  Rest  der  erzherzoglichen  Sammlung, 
deren  Hauptbestandtheil  im  Jahre  1806  nach  Wien  gebracht  wurde.  Zu  meiner 
freudigen  Ueberraschung  sah  ich,  als  ich  vor  einigen  Wochen  Schloss  Ambras  be- 


(486) 

sachte,  den  nnyerkennbar  altmexikanischen  Schild  unter  ,,orientali8chen  und  trans- 
atlantischen Gegenständen"  im  10.  Saal  ausgestellt. 

Bei  weiterer  Nachforschung  ersah  ich,  dass  in  der  von  Dr.  A.  Ilg  und  Wendelin 
Boeheim  im  Jahre  1882  herausgegebenen  „Beschreibung  des  Gebäudes  und  der 
Sammlungen  vom  K.  K.  Schloss  Ambras"  sich  eine  Notiz  über  den  Schild  befindet 
und  er  sogar  als  altmexikanisch  bezeichnet  wird. 

Es  ist  mir  unerklärlich,  wieso  Ferdinand  v.  Hochstetter,  welcher  erst  im 
Jahre  1884  publicirte,  keine  Renntniss  hiervon  gewann,  und  die  Existenz  des  Schildes 
überhaupt  bisher  unbeachtet  bleiben  konnte. 

Die  erwähnte  Notiz  lautet:  „Kreis-runder  Schild,  aus  geflochtenen  Rohrstäbchen, 
auf  der  Vorderseite  mit  Fcdermosark  bedeckt,  ein  Ungeheuer  vorstellend,  dessen 
Contouren  mit  Streifen  von  Goldblech  eingefasst  sind.    Alt-Mexikanisch." 

Zu  dieser  Beschreibung  füge  ich  für  jetzt  nur  noch  hinzu,  dass  sich  an  dem 
unteren  Rande  eine  ziemlich  gut  erhaltene  Pranze  von  rothen  Tlauhquechol-Fedem 
befindet.  Dass  der  Schild  ferner  durch  eine  Franze  von  herabhängenden  Quetzal- 
Schwanzfedern  geschmückt  war,  bezeugen  Büschelchen  ihrer  ziemlich  zerfressenen 
Federkiele.  Der  Grund  des  ganz  gut  erhaltenen  Federmosaiks  besteht  aus  rothen 
Tlauhquechol-Fedem,  das  darauf  auch  in  Federmosaik  mit  etwas  groben  Umrissen 
ausgeführte  „Ungeheuer"  aus  hellblauen  Xiuhtototl-Fedem.  Der  Vordertheü  seines 
Körpers  ist  aber  mit  eigenthümlichen,  dunkellila  Federn  schattirt.  Sämmtliche 
Umrisse,  sowie  die  Grenze  zwischen  den  blauen  und  lila  Federn  sind  mit  ungefähr 
5  mm  breitem,  dünnem  Goldblech  belegt. 

Vor  dem  „Ungeheuer"  befindet  sich  eine  conventioneile  Darstellung  von 
Wasser  =  atl,  in  bekannter  Zeichnung,  gleichfalls  mit  hellblauen  Federn  ausgeführt. 
Der  Contour  ist  mit  Goldblech  eingefasst  und  goldene  Scheibchen  bilden  die  herab- 
hängenden Wassertropfen. 

Da  es  meine  Absicht  ist,  bald  eine  colorirte  Abbildung  und  Weiteres  über 
diese  Reliquie  zu  veröfiTentlichen,  so  behalte  ich  mir  eine  genauere  Beschreibung 
und  geschichthche  Erörterungen  vor  und  begnüge  mich  für  jetzt  damit,  meine 
Meinung  dahin  auszusprechen,  dass  Schloss  Ambras  den  kostbarsten  und  historisch 
interessantesten  altmexikanischen  Federschild,  welcher  jetzt  noch  existirt,  enthält  — 

Schliesslich  sei  noch  erwähnt,  dass  ausser  dem  Schilde  drei  andere  altmexika- 
nische Reliquien  in  Ambras  sich  befinden,  nehmlich: 

1)  Ein  kreisrunder  Holzschild,  welcher  einst  mit  Türkisen-Mosaikarbeit  be- 
deckt war,  wovon  aber  nur  wenige  Ueberreste  noch  vorhanden  sind. 

2)  Ein  Federfächer,  den  ich  leider  wegen  mangelhafter  Beleuchtung  nicht 
genau  habe  sehen  können,  und 

3)  ein  aus  hispano-mexikanischer  Zeit  stammendes  Bild  in  Federmosaikarbeit, 
Sanct  Hieronymus  mit  dem  Löwen  darstellend. 

Ich  erlaube  mir  die  HofTnung  auszusprechen,  dass  diese  ehrwürdigen  Reliquien 
einst  ihren  Platz  neben  dem  vielbesprochenen  Federkopfschmuk  im  Wiener  Museum 
finden  werden.  — 

(13)   Hr.  Virchow  zeigt  einen 

Silberring  zum  Bogenspannen. 

In  der  Sitzung  vom  17.  Januar  (Verh.  S.  81)  legte  ich  einen  Nephritring  von 
eigenthümlicher  Bildung  aus  Erbil  in  Mesopotamien  vor,  der  nach  der  überwiegenden 
Meinung  als  „Bogen Spanner"  gedeutet  wurde.  Diese  Veröffentlichung  hat  das  Gute 
gehabt,   dass   mir   durch  Hrn.  Ed.  Rittinger   in  Werschetz  (Ungarn)   unter  dem 


(487) 

12.  d.  M.  ein  ganz  ähnlicher,  nur  kleinerer  Ring  ans  Silber  zur  Ansicht  übersendet 
worden  ist.  N^ach  der  Angabe  ist  derselbe  mit  anderen  Gegenständen  vor  einigen 
Jahren  von  eiitem  jüdischen  Händler  auf  dem  Jahrmarkte  in  Negotin  (Serbien)  ge- 
kauft worden,  jedoch  ohne  sonstige  Daten.  Hr.  Rittinger  bemerkt,  dass  diese 
Händler  in  allen  möglichen  Geschäften  den  ganzen  Orient  durchreisen  und  ge- 
wöhnlich auch  alte  Münzen  kaufen. 

Figur  1.  Figur  2. 


Natürliche  Grösse. 

Der  Ring  (Fig.  1)  entspricht  in  seiner  Form  genau  dem  Ringe  von  Erbil.  Seine 
lichte  Weite  beträgt  an  der  engeren  Seite  20  auf  17,  an  der  weiteren  27  auf  18  mm; 
die  Höhe  misst  hinten  5,  an  dem  vorderen,  abgedachten  Umfange  9  mm.  Er  ist 
stark,  insbesondere  an  der  abgedachten  Stelle,  welche  übrigens  aussen  eine  leichte 
Einbiegung  zeigt.  Ganz  abweichend  von  dem  früheren  Ringe  findet  sich  hier  am 
hinteren  Umfange  eine  plattrundliche  Scheibe  von  7 — 8  mm  Durchmesser  (in  Fig.  2 
am  linken  Ende),  welche  allem  Anschein  nach  zur  Verstärkung  der  Löthstelle  an- 
gebracht ist.  Die  äussere  Oberfläche  des  Ringes  ist  überall  ornamentirt;  leider 
sind  die  Ornamente  in  Folge  der  starken  Abnutzung  schwer  erkennbar.  Man  sieht 
nur  an  ein  Paar  Stellen,  jederseits  neben  der  Abdachung,  Reste  von  Niellirung, 
wie  sie  an  kaukasischen  Geräthen  so  häufig  vorkommt.  Vielleicht  darf  man  daraus 
auch  auf  einen  kaukasischen  Ursprung  schliessen.  Die  Zeichnung  besteht  aus 
Arabesken,  welche  pflanzliche  Motive,  Zweige  mit  kurzen  Aesten  und  Blättern,  dar- 
stellen; nur  die  hintere  Scheibe  und  die  abgedachte  Fläche  weichen  ab.  Elrstere 
lässt  einen  vielstrahligen,  unregelmässigen  Stern  erkennen;  letztere  zeigt  eine  herz- 
förmige Figur,  in  der  ein  Kranz  von  Buchstaben  zu  liegen  scheint. 

Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  wir  in  dem  Stück  das  Zeugniss  eines 
modernen  Gebrauchs  vor  uns  haben.  Wo  dasselbe  im  Gebrauche  gewesen  ist,  mag 
dahin  gestellt  bleiben.  Am  nächsten  liegt  auch  in  dieser  Beziehung  wohl  der 
Kaukasus,  wo  Bogen  und  Pfeile  von  den  Eingebornen  noch  in  den  Freiheitskämpfen 
gegen  die  Russen  verwendet  wurden  (vergl.  meine  Monographie  über  das  Gräber- 
feld von  Koban  S.  97).  Indess  ist  mir  nicht  bekannt  geworden,  in  welcher  Weise 
etwa  derartige  Ringe  gebraucht  wurden,  und  es  würde  recht  dankenswerth  sein, 
wenn  durch  weitere  Nachrichten  darüber  Verlässliches  bekannt  würde. 

(14)   Elr.  Schumann   übersendet  d.  d.  Löcknitz,    6.  Mai,    folgende  Mittheilung 

über 

pommersche  Skeletgräber,  wahrscheinlich  ans  der  Steinzeit. 

1)   Skeletgrab  von  Casekow,  Kr.  Randow. 

Im  Jahre  1878  war  aus  Casekow  an  das  Museum  zu  Stettin  ein  Schädel  ge- 
kommen, welcher  mit  einer  Pfeilspitze  und  einer  Speerspitze  von  Feuer- 
stein zusammen  gefunden  worden  war.  Eine  spätere  Untersuchung  hatte  ergeben, 
dass  es  sich  um  flache  Kegelgräber  mit  Steinkisten  handelte,  auch  hatte  man  in 
einem  Grabe  noch  die  Reste  von  un verbrannten  Leichen  gefunden  (Balt.  Stud.  28. 
S.  568).  Der  Umstand,  dass  Feuersteingeräthe  mit  gefunden  wurden,  weist  un- 
bedenklich auf  die  Steinzeit  hin.   Dass  in  der  Nähe  auch  Kistengräber  mit  Leichen- 


(488) 

brand,  die  wahrscheinlich  der  Bronzezeit  angehören,  gefunden  worden,  hat  nichts 
Anffallendes,  derartige  Gräber  liegen  oft  zusammen  und  auch  die  Steinkisten  der 
Steinzeit  sind  oft  auffallend  klein.  Man  wird  daher  den  noch  in  Stettin  vorhande- 
nen Schädel  mit  viel  Wahrscheinlichkeit  als  der  Steinzeit  angehörig  bezeichnen 
dürfen.  Der  mittelgrosse  Schädel  ist  von  gelblichgrauer  Farbe,  sehr  defekt,  es 
fehlt  das  Gesicht  und  ein  Theil  der  Basis.  Die  Nähte  sind  stark  gezackt,  nicht 
verwachsen,  Muskelvorsprünge  gut  entwickelt.   Schädel  wahrscheinlich  männlich. 

Norma  temporalis:  Die  Stirn  ist  massig  hoch,  allmählich  nach  oben  und 
hinten  verlaufend.  Dicht  hinter  der  Rronennaht  leichte  quere  Einsattelung.  Supra- 
Orbitalwülste  wenig  entwickelt.  Hinterkopf  allmählich  abfallend,  etwas  flach,  Occi- 
pitalschuppe  leicht  kapseiförmig  vorspringend.  Muskelvorsprtlnge  der  Occipital- 
schuppe  stark  entwickelt,  besonders  die  Crista  superior  und  Protuberanz.  Ansatz- 
linie des  Schläfenmuskels  sehr  deutlich  und  hoch  gewölbt. 

Norma  verticalis:   regelmässiges  Oval,  hinten  etwas  verschmälert. 

Norma  occipitalis:  hohes  Fünfeck,  mit  nach  oben  divcrgirenden  Seiten- 
kanten, oben  etwas  spitz  zulaufend. 

2)   Skeletgräber  von  Oberfier,  Kr.  Bublitz. 

Im  Jahre  1828  hatte  Oberförster  Engel  in  Oberfier  an  die  Stettiner  Samm- 
lung einen  Schädel  und  andere  Knochenreste  geschickt,  die  er  in  einem  dortigen 
Hünengrabe  gefunden  hatte,  lieber  die  Fundverhältnisse  berichtet  er  im  folgenden 
Jahre :  „Nur  in  den  Districten  Oberfier  und  Zubberow  findet  man  heidnische  Grab- 
mäler,  in  allen  übrigen  Districten  des  Forstreviers  Oberfier  nicht.  —  Die  Zahl  der 
Gräber  beläuft  sich  auf  74,  die  theils  einzeln,  theils  zu  einigen,  theils  gruppen- 
weise und  reihenweise,  von  verschiedener  Form  und  Grösse,  zusammen  liegen.  Sie 
sind  bald  rund,  bald  gleichseitig  viereckig,  bald  länglich  viereckig,  grösser  und 
kleiner,  mit  Steinen  von  mittlerer  Grösse,  je  nachdem  die  Gegend  sie  darbot,  ein- 
gefasst,  dann  die  Erde  entweder  von  4  oder  von  2  Seiten  tief  aus-  und  aufgeworfen, 
so  dass  die  Höhe  der  Gräber  im  Allgemeinen  2 — 3  Fuss  beträgt.  Der  Durchmesser 
ist  bei  den  kleineren  1—2,  bei  den  grösseren  2—3  Ruthen.  Steinplatten  findet 
man  auf  denselben  nicht,  jedoch  bemerkt  man  an  verschiedenen  grossen  Vier- 
ecken gewöhnlich  von  der  Südseite  eine  Auffahrt.  Die  Lage  derselben  ist  von 
Westen  nach  Osten ')."  Aus  einem  derartigen  Grabe,  in  welchem  sich  immer  Ske- 
lette fanden,  stammt  der  vorliegende  Schädel. 

Man  wird  diese  Skeletgräber,  in  denen  sich  niemals  Metallbeigaben  fanden, 
mit  viel  Wahrscheinlichkeit  der  Steinzeit  zuschreiben  können,  denn  auch  im  west- 
lichen Pommern  zeigen  die  neolithischen  Hügelgräber,  besonders  solche,  welche 
Kisten  enthalten,  den  nämlichen  Bau. 

Der  Schädel  ist  klein,  grau,  mit  dünner  Wandung.  Es  fehlen  die  Jochbogen 
und  der  Unterkiefer.  Auf  der  linken  Seite  des  Stirn-  und  Schläfenbeins  Defekte. 
Ebenso  ist  der  Oberkiefer  an  den  Rändern  abgebröckelt.  Pfeil-  und  Kronennaht 
nahezu  vollständig  verwachsen.  Der  Schädel  ist  wohl  weiblich  und  gehört  einem 
noch  nicht  voll  entwickelten  Individuum  an. 

Norma  temporalis:  Die  Stirn  steigt  ziemlich  steil  an,  um  sich  dann  plötz- 
lich nach  hinten  zu  wenden.  Supraorbital wülste  kaum  entwickelt,  Scheitelcurve 
ziemlich  flach.  Oberer  Theil  des  Hinterhauptes  flach  abfallend,  Hinterhaupts- 
schuppe kapseiförmig  vorspringend.  Muskelvorsprünge  wenig  entwickelt,  am  meisten 
noch  an  der  Hinterhauptsschuppe. 

1)  IIL  Jahresbericht  d.  Qes.  f.  pomm.  Ges.  S.  50  und  IV.  Jahresbericht  8.  28. 


(489) 


Norma  verticalis:  Der  Schädel  hat  seine  grösste  Breite  an  den  Tub.  parietal., 
nach  hinten  ist  derselbe  kurz  zugespitzt,  nach  vorn  allmählicher,  aber  stärker  zu- 
gespitzt. 

Norma  occipitalis:  regelmässiges  Fünfeck  mit  senkrechten  Seiten  wänden. 

Norma  frontalis:  Stirn  schmal,  Orbitae  hoch  und  wenig  breit,  Nase  an  der 
Apei-tura  pyriform.  ausgebröckelt,  aber  doch  eher  schmal  und  lang.  Gesicht  schmal 
(links  fehlt  Wangenbein  und  Jochbogen).  Wangenbein  rechts  anliegend.  Ober- 
kiefer stark  abgebröckelt,  dabei  klein,  der  Alveolarfortsatz  schmal. 

Norma  basilaris:  Foramen  magnum  schmal  und  lang,  Gaumen  kurz  und 
breit.  Längs  der  Mittelnaht  rechts  und  links  auf  der  Unterseite  der  Gaumenplatte 
hervorragende  Knochenpartie  (fast  Toms  palat.). 


Steinzeit-Schädel 


Schädel  von  |  Schädel  von 
Gasekow  Oberfier 


I.  Messungen. 

Grösste  Länge 

„       Breite 

Grösste  Höhe  (vorderer  Rand  des  For.  magn.)    . 
„  „      (hinterer       y,       „       „        »    )    . 

Aoriculare  Höhe 

Minimale  Stimbreite 

Horizontalnmfang 

Yerticalmnfang 

Ganzer  Sagittalbogen 

Sagittaler  Stimnmfang 

Länge  der  Pfeilnaht 

Breite  der  Occipitalschnppe 

Entfernung  des  Ohrloches  von  der  Nasenwurzel 
„    For.  magn.   ^      „  „ 

Foramen  magnum,  Länge 

„  „         Breite 

Orbita,  Höhe     . 

„        Breite 

Nase,  Höhe 

„      Breite 

Gamnen,  Länge 

Breite 


n.   Berechnete  Indices. 

Längenbreitenindex 

Längenhöhenindex  (vorderer  Rand) 

„  (hinterer      ^    ) 

Anricularhöhenindex 

Orbitalindex 

Nasenindex 

Ganmenindex 


180 

179 

130 

121 

— 

122 

140 

181 

114 

112 

94 

— 

600 

483 

315 

285 

862 

356 

130 

124 

135 



— 

99 

— 

93 

— 

37 

— 

27 

— 

33 

— 

38 

— 

46? 

— 

24? 

^__ 

35? 

-^ 

32 

72,2 

67,6 

68,1 

77,8 

73,2 

63,3 

62,0 

1 

86,9 

52,2? 

— 

91,5? 

(490) 

(15)  Hr.  Eagen  Bracht  berichtet  in  einem  Briefe  an  den  Vorsitzenden  aus 
Baalbek  vom  1 .  Juni  über  seine 

Reise  nach  dem  Negeb 

und   stellt   einige  Schädel   von    da  zur  Verfügung.    Das  Nähere  wird  bei  Eingang 
der  Schädel  mitgetheilt  werden.  — 

(16)  In  einer  Versammlung,  welche  auf  Einladung  der  Vorstände  des  Orient- 
Comites  (v.  Kaufmann,  Sachau,  Schrader),  der  archäologischen  Gesellschaft 
(Curtius),  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  (W.  Reiss)  und  der  anthropologischen 
Gesellschaft  (R.  Virchow)  am  10.  d.  M.  im  Hörsaale  des  Museums  für  Völker- 
kunde stattgefunden  hat,  berichteten  die  Herren  v.  Luschan  und  Koldewey  unter 
Vorlage   von  Plänen  und  Karten  über  die  Ergebnisse  der  IL  u.  III.  Campagne  der 

Ausgrabungen  von  Sendschirli. 

Die  für  die  hiesigen  Museen  erworbenen  Fundgegenstände  der  I.  und  U.  Cam- 
pagne sind  in  Berlin  angelangt  und  zum  grösseren  Theil  aufgestellt. 

Der  Vorsitzende  beglückwtlnscht  die  Leiter  der  neuen  Expeditionen  noch  einmal 
zu  den  unerwarteten  Erfolgen  ihrer  Thätigkeit,  die  unter  höchst  erschwerenden 
Umständen  stattgefunden  hat,  und  drückt  den  dringenden  Wunsch  aus,  dass  die 
Mittel  zur  Fortführung  dieser  denkwürdigen  Untersuchung  aufgebracht  werden 
möchten.  — 

(17)  Die  Probenummer  einer  neuen  Zeitschrift,  „Süd-Amerika",  zur  Vertre- 
tung deutsch-südamerikanischer  Handels-  und  Colonisations-Interessen,  wird  vor- 
gelegt. 

Dieselbe  enthält  neben  zahlreichen  Geschäftsnachweisungen  belehrende  Auf- 
sätze über  die  mannichfaltigsten  Verhältnisse  von  Süd-  und  zum  Theil  auch  von 
Central-Amcrika.  — 

(18)  Hr.  Virchow  bespricht  weitere  Beispiele  von 

geknöpften  and  mit  Thierflgnren  besetzten  Ringen. 

In  der  Sitzung  vom  '21.  März  (S.  329)  wurde  eine  Mittheilung  des  correspon- 
direnden  Mitgliedes,  Hrn.  E.  v.  Fellenberg  in  Bern,  vorgelegt,  betrefTend  einen 
mit  Knöpfen  und  Thierfiguren  (Vögeln  und  Stierköpfen)  besetzten  Bronzering 
aus  dem  Zihlkanal  bei  Port.  Eine  analoge  Mittheilung  enthält  der  Anzeiger  für 
schweizerische  Alterthumskunde,  1891  April,  Nr.  2.  S.  480. 

Bei  der  Vorlage  iu  unserer  Sitzung  erinnerte  ich  an  kaukasische  Bronzen. 
Hr.  Voss  citirte  ein  analoges  Exemplar  von  Epfach  aus  dem  Augsburger  Museum, 
welches  mit  Knöpfen  imd  Vögeln,  und  eines  von  Cöln  a.  Rh.  aus  dem  Berliner 
Museum,  welches  mit  Knöpfen  und  Widderköpfen  besetzt  ist  Er  war  der  Meinung, 
dass  diese  Stücke  der  Tene-Periode  angehören. 

Als  ich  bald  nachher  das  Museum  in  Wiesbaden  besuchte,  fiel  mir  ein  neues 
Stück  dieser  Art  in  die  Augen.  Es  ist  ein  ziemlich  enger  und  dicker  Ring  (Fig.  1), 
am  äusseren  Rande  besetzt  mit  4  Doppel  knöpfen,  zwischen  welchen  4  Thierköpfe 
sitzen,  welche  unverkennbar  Widdergestalt  zeigen.  Derselbe  ist  seiner  Zeit  im 
Rhein  in  der  Gegend  von  Walluf  gefunden  worden;  leider  fehlen  jedoch  genauere 
Fundangaben. 

Hr.  Dr.  Florschütz   machte   mich   darauf  aufmerksam,   dass   sich   auch   im 


C481) 


Mainzer  Mtisenm  ein  ähnliches  Stflck  beflnde,  und  erst  dadurch  wurde  meine  Er- 
inneran^  auf  eine  von  Hm.  L.  Lindenschmit,  dem  Sohn  unseres  verehrten  Ehren- 
mitgliedes, in  Hell  1  der  „Nachrichten  über  dentsehc  Alterthumsfunde"  vom  Januar 
d.  J.  veriiiTBntlichte  Notiz  gerichtet,  wonach  bei  ncucrlichGii  Baggerungsarbeiten  im 
Rhein  unterhalb  von  Mainz,  zwischen  der  Ingolbeimer  und  der  Peters-Äue,  neben 


(492) 

einer  grossen  Anzahl  von  Bronzebarren  auch  „ein  geperlter  Bronzering"  gefanden 
ist,  um  welchen  „sich  in  regelmässigen  Abständen  4  Stierhäupter  gruppiren,  deren 
lange  Homer  gleich  Stacheln  von  dem  Ringe  abstehen''.  Ich  begab  mich  sofort 
nach  Mainz  und  konnte  zu  meinem  grossen  Vergnügen  constatiren,  dass  auch  dieser 
Ring  sich  der  in  Frage  stehenden  Gruppe  eng  anschliesst.  Der  Holzschnitt  in 
Fig.  5,  der  nach  einer  mir  gütigst  zur  Verfügung  gestellten  Zeichnung  gearbeitet 
ist,  zeigt  sowohl  die  Flächen-  (a),  als  die  Seitenansicht  (/>).  Man  erkennt  daraus 
eine  weitere  Variation,  indem  neben  den  grösseren  marginalen  Knöpfen  um  die 
Seitenfläche  des  Ringes  noch  ein  dichter  Ring  kleinerer,  „geperlter"  Knöpfchen 
angebracht  ist. 

Rechnet  man  noch  den  Cölner  Ring  des  Berliner  Museums  hinzu,  so  erhalten 
wir  also  3  derartige  Stücke  vom  Rhein,  von  denen  wenigstens  2,  wie  der  aus  der 
Ziehl,  im  Flusse  selbst  gefunden  sind.  Der  gleichzeitige  Fund  der  Bronzebarren 
unterhalb  von  Mainz,  welche  ein  Gesammtge wicht  von  beinahe  10,5  kg  hatten, 
während  die  einzelnen  220—265  g  schwer  waren,  lässt  wohl  keinen  Zweifel  dar- 
über, dass  es  sich  um  ein  Handelsobjekt  handelt,  gleichviel  ob  man  mit  Herrn 
Lindenschmit  annehmen  will,  dass  das  Schiff  gescheitert  ist,  oder  es  vorzieht, 
sich  vorzustellen,  dass  ursprünglich  am  Ufer  ein  Depot  angelegt  wurde,  das  später 
vom  Strome  überfluthet  ist.  Vielleicht  darf  auch  der  Fund  an  der  Ziehl  ähnlich 
gedeutet  werden. 

Das  Wiesbadener  Museum  enthält  eine  grössere  Reihe  von  Bronze-Objekten, 
welche  wahrscheinlich  demselben  Formenkreise  angehören.  Hr.  Dr.  Florschütz 
hat  die  grosse  Gefälligkeit  gehabt,  eine  Anzahl  derselben  für  mich  durch  Herrn 
Born  trag  er  photographiren  zu  lassen,  von  denen  ich  einige  Abbildungen  beifüge. 
Da  ist  zunächst  ein  sonderbares  Stück  (Fig.  2),  bestehend  aus  zwei  rohen  Widder- 
ftguren,  welche  mit  den  Leibern  zu  einer  Querstange  vereinigt  sind.  Auf  letzterer 
steht  auf  einem  hohen  und  dicken  Stiel  eine  rohe  Figur,  die  vielleicht  als  ein 
Vogel  zu  deuten  ist.  An  den  Füssen  der  Widder  sind  lange  Stille  angebracht, 
durch  welche  das  Stück  auf  einer  Unterlage  befestigt  gewesen  zu  sein  scheint 

Dieses  Stück  schliesst  sich  durch  seine  Doppelßgur  wiederum  an  jene  doppel- 
köpfigen Hängeschmucksachen  an,  die  in  vielen  Museen  zu  sehen  sind.  Ein  Exem- 
plar in  Wiesbaden  (Fig.  3)  zeigt  zwei  Stierköpfe  mit  langen  geschweiften  Hörnern, 
wie  sie  für  die  italische  Rasse  so  charakteristisch  sind. 

Damit  kommen  wir  auch  zu  einem  vaterländischen  Objekt,  das  mit  diesen 
Fundstücken  verglichen  werden  kann,  ich  meine  zu  unseren  lausitzer  Bronzewagen 
und  ihrem  Besatz  mit  gestielten  Vögeln  und  langhömigen  Stierköpfen.  Ich  habe 
vor  langer  Zeit,  in  der  Sitzung  vom  i>.  Deceraber  1873  (Verh.  S.  198),  ausführlich 
darüber  gehandelt  und  zahlreiche  Parallelen  dafür  beigebracht  (vgl.  auch  Verh.  1875. 
S.  108),  auf  welche  ich  hier  verweisen  darf. 

Zum  Schlüsse  will  ich  nur  noch  erwähnen,  dass  im  Wiesbadener  Museum 
auch  ein  einfach  geknöpfter  Ring  (Fig.  4)  vorhanden  ist,  dem  die  Thierfiguren 
gänzlich  fehlen.  Es  ist  dies  eine  weit  verbreitete  Form,  für  welche  ich  noch  ein 
transkaukasisches  Objekt  (Fig.  6)  vorführe.  Dasselbe  stammt  von  dem  Gräberfelde 
von  Gogdaja  und  stellt  einen  starken,  innen  platten,  nach  aussen  gewölbten  Bronze- 
ring von  6,5  cm  lichter  Weite  dar,  an  dessen  äusserem  Umfange  4  rundliche  Knöpfe 
aufsitzen.  Das  Metall  ist  so  stark  verwittert,  dass  trotz  seiner  schönen  Patina  und 
vollständigen  Glätte  der  Ring  mir  unter  den  Fingern  zerbrochen  ist. 

Es  wird  nun  darauf  ankommen,  zu  entscheiden,  in  welche  2ieit  diese  Stücke 
gehören.  Ich  hatte  in  jener  früheren  Erörterung  die  Beziehung  der  Thierfiguren 
zu  Funden   der  Hallstatt-  und  der  etruskischen  Zeit  betont.    Hr.  Voss  hat  sich  in 


(493) 

der  Sitzung  vom  März  für  die  Tene-Zeit  erklärt.  Die  Grenze  wird  schwer  zu 
ziehen  sein.  Typen  der  Hallstatt-Zeit  ziehen  sich  bekanntlich  bis  tief  in  die  Tene- 
Zeit  hinein,  und  eine  Entscheidung  dürfte  vor  der  Hand  weniger  nach  den  Objekten 
an  sich,  als  nach  den  sonstigen  Fandamständen  zu  treffen  sein.  Aber  auch  diese 
müssen  sehr  vorsichtig  interpretirt  werden.  So  wurden  bei  dem  Mainzer  Funde 
aus  dem  Rhein  „in  der  Nähe  der  Fundstelle"  nach  und  nach  Bronzefibeln  mit  ge- 
schlossenem Fusse  (sog.  später  La  Tene-Typus)  und  mehrere,  dieser  Form  nahe- 
stehende römische  CharnierAbeln  aus  Bronze  erhoben,  aber  mit  Recht  bemerkt 
Hr.  Lindenschmit,  dass  „diese  kleinen,  verschiedenen  Zeiten  angehörigen  Gegen- 
stände wohl  zusammengeschwemmt  sein  können".  Im  Ganzen  möchte  ich  immer 
noch  den  Gedanken  festhalten,  dass  es  sich  um  südliche  Importe  handelt,  welche 
vorzugsweise  der  Hallstatt-Zeit  angehören,  aber  ich  erkenne  an,  dass  manche  der- 
artige Gegenstände  in  Funden  vorgekommen  sind,  welche  auf  eine  spätere  Zeit 
hinweisen  *). 

(19)   Hr.  M.  üble  hält  einen  Vortrag  über 

das  dänische  Hans  in  Deutschland. 

Nach  den  Darlegungen,  welche  ich  im  Januar  vergangenen  Jahres  glaubte  über  . 
das  fbhringer  Haus  bieten  zu  dürfen  (Verb.  1890.  S.  62  fg.),  würde  ich  mir  kaum 
erlaubt  haben,  in  diesem  Jahre  zu  demselben  Thema  das  Wort  zu  ergreifen,  ob- 
wohl ich  im  vergangenen  Sommer  bestrebt  gewesen  bin,  neue  Erfahrungen  über 
Verbreitung  und  Herkunft  des  von  mir  als  Typus  bezeichneten  föhringer  Hauses 
zu  gewinnen. 

Die  Resultate  meiner  1890  angestellten  Beobachtungen  waren  nicht  derartig, 
dass  sie,  wie  ich  als  Ziel  allerdings  erhofft  hatte,  auch  nur  einigerraaassen  das 
Problem  der  ganzen  nördlichen  Verbreitung  der  föhringer  und  der  ihr  verwandten 
Hausformen  und  das  Problem  der  fundamentalen  Ableitung  des  ganzen  Typus  ge- 
löst hätten.  Unter  solchen  Umständen  hätte  ich  die  zu  erneutem  Hervortreten  mir 
selbst  nicht  genügenden  Resultate  zu  späterer  Verwendung  zurückgestellt,  wenn  ich 
nicht  doch  in  der  veränderten  Auffassung  des  von  mir  behandelten  Problems  durch 
Hrn.  Jahn  (vorgelegt  im  Herbst  1890,  Verb.  1890,  S.  530—535)  die  Nöthigung  hätte 
finden  müssen  zu  antworten. 

Ich  verkenne  nicht,  dass  ich  mit  meiner  an  die  Feststellung  und  Verbreitung 
des  Typus  geknüpften  Vermuthung  (Verh.  1890,  S.  74),  derselbe  möchte  ein  ur- 
sprünglich dem  friesischen  Stamme  eigen  gewesener  sein,  zu  weit  gegangen  bin, 
und  damit  wohl  Hm.  Jahn  selbst  den  Anlass  gegeben  habe,  mit  einer  Kritik  meiner 
Bemerkungen  hervorzutreten.  Die  Nothwendigkeit,  nicht  auf  der  ursprünglichen 
Zugehörigkeit  der  ganzen  eigenthümlichen  Bauart  zu  den  Friesen  zu  bestehen, 
hatte  sich  mir  selbst  inzwischen  schon  aufgedrängt  durch  meine  neueren  Beobach- 

1)  In  Nr.  3  des  Schweizer  Anzeigers  theilt  Hr.  v.  Fellen berg  Gutachten  der  Herren 
Alex.  Bertrand,  Tischler  und  Heierli  mit.  Ersterer  spricht  die  Vögel  (Enten)  der 
etruakischen  Dekoration  und  dem  Hallstatt-Cjclus,  die  doppelten  Hömor  den  Galliern  zu. 
Hr.  Tischler  hält  es  nicht  für  zweifelhaft,  dass  der  Ring  von  Port  der  La  Tene- Periode 
angehört  und  wohl  auch  von  Helvetiem  gemacht  ist.  Zu  demselben  Resultat  gelangt  Hr. 
Heierli.  Es  ist  dabei  zu  erw&hnen,  dass  im  Laufe  der  weiteren  Nachforschungen  aus 
der  Ziehl  eine  Reihe  römischer  Stücke,  darunter  eine  Kasserolle  mit  lateinischer  Inschrift, 
gefischt  worden  ist.  Auch  mag  noch  besonders  angeführt  werden,  dass  Hr  Tischler  vor- 
zugsweise diagnostischen  Werth  legt  auf  die  Kugeln,  welche  an  den  Enden  der  Hörner 
des  Porter  Ringes  sitzen;  derartige  Kugeln  seien  nur  von  Tene-Funden  bekannt. 


(494) 

tangen  im  Norden,  welche  auch  auf  die  Annahme  einer  nördlichen  Abknnft  des 
Typus  nunmehr  hinzuweisen  schienen.  Dadurch  würde  die  merkwürdige  Verbrei- 
tung der  abweichenden,  dem  sächsischen  Hause  gegenüber  ziemlich  originellen  Bau- 
form in  der  Ausdehnung  der  mit  Friesen  besetzten  westdeutschen  Rüsten  aus 
einer  specielleren  Stammesfrage  wieder  vorwiegend  eine  Frage  eigenthtlmlicher 
geographischer  Einwirkung  aus  einem  anderen  culturellen  Gebiete  werden. 

Ein  kurzer  Aufenthalt  im  Innern  Holsteins  (Neumünster)  gestattete  mir  im 
vorigen  Sommer,  mich  persönlich  von  der  noch  allenthalben  verbreiteten  Anwesen- 
heit von  Rauchhäusem  in  Holstein  zu  überzeugen.  Schleswig  dagegen  (ausser 
vielleicht  in  den  von  Sachsen  bewohnten  Theilen  mit  sächsischer  Hausform)  hat 
sein  Hans  vollständig  in  den  Zustand  der  mit  Schornsteinen  ausgerüsteten  Häuser 
übergeführt.  Noch  nie  und  nirgends  in  Schleswig  bot  sich  mir  bis  jetzt  die  Beob- 
achtung eines  Kauchhauses.  Nur  zu  begründet  ist  die  Vermuthung,  dass  vielleicht 
kein  oder  kaum  ein  einziges  Rauchhaus,  soweit  dieses  nicht  sächsisch,  in  Schleswig 
noch  existirt.  1847  haben  schon  Lütgens '),  sowie  Graf  E.  Reventlow-Farve  und 
H.  V.  Wamste  dt-),  der  erstere  bestimmt,  die  letzteren  ähnlich,  auf  das  Fehlen 
von  Rauchhäusern  nicht  sächsischer  Bauart  in  Schleswig  hingewiesen.  Vielleicht 
existirte  schon  zu  jener  Zeit  kein  einziges  Exemplar  mehr.  In  Jütland,  wenigstens 
im  Südwesten  desselben,  scheinen  die  Verhältnisse  ähnlich  zu  liegen.  1802  gab  es 
auf  der  Insel  Mors  im  Limijord  noch  alte  Rauchhäuser.  Von  ihnen  wurden  zwei 
Pläne  vom  Propst  Schade  aufgenommen.  Ueber  die  heutigen  Verhältnisse  dieser 
Gegenden  und  über  die  entsprechenden  Verhältnisse  der  dänischen  Inseln  fehlen 
noch  Nachrichten. 

Auf  schleswigschem  Boden  lassen  sich  demnach  die  Beobachtungen  am  nicht- 
sächsischen  Hause  dieses  Gebietes  nur  an  Häuser  mit  Schornsteinen  anknüpfen. 
Die  Resultate  bewegen  sich  dadurch  mehr  auf  der  Oberfläche  der  Entwickelung 
der  Hausformen  und  entbehren  jener  historischen  Tiefe,  in  welche  die  auf  dem 
Boden  Holsteins  angestellten  Untersuchungen  schon  geführt  haben').  Immerhin 
lassen  sich  Ergebnisse  über  die  Verbreitung  der  von  der  sächsischen  abweichenden 
Bauformen  erzielen  und  Feststellungen  darüber  gewinnen,  dass,  wenn  auch  der  ganze 
Grundriss  des  in  der  regelrechten  Entwickelung  vorangegangenen  Rauchhauses  un- 
bekannt bleibt,  doch  derselbe  sicher  nicht  dem  holsteiner  Rauch  hause,  sondern 
einem  davon  verschiedenen  entsprach. 

Mehrere  Pläne  von  Häusern  des  angeler  Landes  sind  bis  jetzt  publicirt  worden. 
Sie  finden  sich  in  den  Werken  von  Lütgens,  sowie  Graf  E.  Reventlow-Farvc 
und  H.  V.  Warnstedt,  z.  Th.  darnach  reproducirt  bei  Hrn.  Henning,  Das  deutsche 
Haus  1882.  Keiner  dieser  Pläne  belehrte  bis  jetzt  über  eine  einfache,  in  Angeln 
vorhandene  oder  die  früher  vorhanden  gewesene  Grundform.  Ein  Theil  der  Pläne 
knüpft  an  zu  entwickelte  Formen  der  Bauerwirthschaft  an,  der  andere  Theil  an 
Mischgebilde  zwischen  dem  sächsischen  und  einem  abweichenden  Typus.  Darch 
den  Wunsch,  womöglich  eine  reine  und  einfache  Form  auch  noch  auf  diesem  Ge- 
biete kennen  zu  lernen,  wurde  ich  auf  den  Boden  des  angeler  Landes  geftthrt. 

Durch  Entwickelung  dos  Wohlstandes  sind  auch  die  Bauformen  sehr  vor- 
geschritten. Dieselben  sind  mannichfaltig,  theils  mehr  sächsisch,  theils  mehr 
dänisch,  mitunter  auch  eigenthümlich  gekreuzt,  wie  z.  B.,  wie  es  scheint,  in  dem 
Plane  aus  Sörup,  Fig.  1 : 

1)  Kurzgef.  Charakteristik  der  Bauern wirth.  der  Berzogth.  Schlesw.  u  Holst.  1847,  S.  6. 

2)  Beitr.  z.  land-  und  forstwirthscb.  Statistik  der  Herzogfh.  Schleswig  u.  Holstein  1847, 
8.88. 

3)  Virchow,  Verh.  1887  und  1890. 


4- 


(495) 


Figur  1. 


H h 


..      b 


i    B   h 


t 


■H 


d 
e 


\ 


*— 4'      •       •       4^      •       •       •       I 


A  Wohnung  (darüber  Böm\    B  Dreschtenne   (darüber  Jöll,   Heuboden),    C  Stall  (darüber 

Böm),   a  Vordiele,   b  Heckseiraum,   c  Hühner,   d  Stände  für  Vieh,   e  e  Gänge  hinter  dem 

Vieh,   f  Futtergang,  g  Futterlade,  h  Thür  zum  Heudurchtragen,   i  Thürlose  Wand. 


Den  Zug  zum  Wechsel  und  zur  Veränderung  zeigt  mannichfacher  Wechsel  der 
Bauformen  in  der  Familie,  bei  welchem  der  ältere  Bauer  seine,  schon  nach  etwas 
entwickelten  Principien  zu  Anfang  des  Jahrhunderts  errichtete  Wirthschaft  als  Alten- 
theil behalten  kann  und  der  neue  Bauer  sich  daneben  eine  Wirthschaft  nach  ganz 
anderen  Principien  errichtet. 

Die  äussere  Form  der  meist  nicht  sehr  alten  Häuser  kommt  der  sächsischen 
durch  das  hohe  spitzwinklige  Dach  am  nächsten. 

Hr.  Ca  Ilsen  in  Sterup,  in  der  ganzen  Gegend  wohlbekannt,  war  jedoch  so 
gefällig,  mich  nach  einem  älteren  Hause,  dem  von  Hrn.  Rasch  in  Bremholm  bei 
Sterup,  zu  führen.  Im  Aeusseren  und  Innern  wich  es  von  den  vorerwähnten  Ge- 
bäuden ab.  Lang,  niedrig,  schmal,  mit  weniger  hohem  und  steilem  Dach,  glich  es 
äusserlich  den  gewöhnlichen  Bauen  Nordfrieslands  und  der  westlichen  Inseln.  Im 
Inneren  zeigte  es  eine  sehr  entsprechende  Einrichtung. 

Eine  Jahreszahl  des  Hauses  war  leider  nicht  festzustellen.  Wegen  Alters  sollte 
das  Haus  abgetragen  werden.  Ein  gleich  oder  ähnlich  alterthümliches  Haus  war 
in  der  ganzen  Gegend  njcht  vorhanden,  erst  in  einem  Dorfe  bei  dem  15  km  ent- 
fernten   Süderbrarup,    welches    ich 

Figur  2. 


leider  nicht  mehr  besuchen  konnte. 
Der  Vater  des  70jährigen  Besitzers 
hatte  das  Haus  als  fertiges  über- 
kommen und  nicht  gewusst,  wel- 
cher seiner  Vorgänger  dasselbe  ge- 
baut hatte.  Dem  Wohnhaus  parallel 
gegenüber  stand  eine  kleinere 
Scheune.  Ihre  ümfassungswände 
zeigten  zwischen  Balkenstellungen 
Ziegel  in  der  Weise  gesetzt,  dass 
jedes  Feld  dieses  Muster  ergab*) 
(Fig.  2). 

An  dem  von  Hrn.  Virchow  Verh.  1890,  S.  .')63,  Fig.  7  abgebildeten  vierländer 
Hause  des  H.  Herden  in  Rurslack  gewahrt  man  ein  ähnliches  Muster,  ebenso  an  dem 


1)  Der  „Donnerbesen"  (Virchow,  Verh.  1890.  S.  77)  kommt,  in  Ziegeln  gesetzt,  als 
Muster  der  Aussenwand  unter  dem  Namen  ^Franzbl"  auch  in  Angeln  vor.  —  In  Holstein 
soll  der  von  Hm.  Virchow  a.  a.  0.  S.  78  erwähnte  und  in  Fig.  4  daselbst  mit  abgebildete 
„Bauemtanz*^  erhaltener  Angabe  nach  auch  über  dem  Schwibbogen  zu  finden  sein. 


(496) 
Figur  3. 


Die  Zahlen  geben  die  Fachabtheilaogen  an. 
a  Vordiele,  h  Küche  mit  Heerd,  c  Kellerkammer,   d  Norderstub,   e  Backlanw  (dän.  kläfX 
f  Pisel,  gepflastert,  früher  best«  Stube,  jetzt  Wohnstube,  g  Süderstub  mit  Tisch  und  Bank. 
h  h  h  Betten,  i   Futter-  und  Drcschdiele:  Lohe,  k  früher  Verschlag,  jetzt  Krippe,  /  Kuh- 
stall (6—8  Kühe  nach  k  zu  gerichtet),  dalünter  ein  schmaler  Gang. 

Haus  von  Peter  Heldt  in  Ostenfeld  ans  dem  17.  Jahrhundert,  welches  unten  be- 
sprochen wird  (Mittheilung  von  Hm.  Voss  in  Husum). 

Das  Haupthaus  (Fig.  3)  enthält  in  den  Fenstern  Butzenscheiben,  Gebälk  durch- 
aus von  Eiche,  einen  riesigen,  in  ähnlicher  Grösse  mir  noch  nirgends  begegneten 
Schornstein,  dessen  untere  trichterartige  Erweiterung  grosse  Theile  der  Rüche  und 
nebengelegenen  Wohnstube  zugleich  überspannte  und  dem  durchfallenden  Regen 
Kaum  gab,  femer  eine  ziemlich  zierlich  gepflasterte  Vordiele:  meteigrosse  Quadrate 
aus  Reihen  von  Ziegeln,  ausgefüllt  mit  andersfarbigen  kleinen  Rollsteinen. 

Diese  objektiven  Rennzeichen  höheren  Alters  veranlassten  mich  zu  der  Ein- 
räumung, dass  das  Gebäude,  wenn  es  auch  nicht,  wie  die  wohlmeinenden  Orts- 
bewohner  sagten,  aus  dem  1 6.  Jahrhundert  stammen  mag,  doch  immerhin  vielleicht 
zwei  Jahrhunderte  getragen  hat.  Als  ein  glücklicher  Beleg  vergangener  vorhundert- 
jähriger Bauart,  dabei  mit  der  gewünschten  verhältnissmässig  einfacheren  Grund- 
anlage, durfte  das  Haus  jedenfalls,  auch  ohne  die  leider  nicht  besonders  festgestellte 
Jahreszahl  seiner  Errichtung,  gelten. 

Wichtig  an  dem  Hause  ist  der  Mangel  jeder  Einfahrt  und  das  Fehlen  über- 
haupt jedes  Zuganges  zur  Tenne  am  Giebel.  Dabei  soll  freilich  nicht  verschwiegen 
werden,  dass  im  Innem  eine  nebensächliche  Berühmng  mit  sächsischen  Verhält- 
nissen nicht  ganz  zu  verkennen  war.  Das  Vieh  stand  mit  den  Köpfen  nicht  nach 
der  Wand,  sondern  nach  der  Tenne  zu.  üeber  den  Viehständen  befand  sich  die 
Einrichtung  „de  hill"  (=  „de  hilgen*':  Hr.  Virchow,  Verhandl.  1890,  S.  81).  Die 
Tenne  war  früher  (als  das  Futter  noch  über  den  Verschlag  weg  zwischen  Vieh- 
ständen und  Tenne  dem  Vieh  vorgeworfen  wurde)  gewissermaassen  Dreschdielc 
und  Futterdiele  zugleich.  Aber  die  darin  zu  erkennenden  Einwirkungen  des  säch- 
sischen Hauses  waren  immerhin  keine  fundamentalen.  „De  hill^,  die  sächsische 
Einrichtung,  kai^  man  auch  in  Nordschleswig  als  neuere  Einfühmng  in  mchr- 
hundertjährigen  Gütern  (wie  z.  B.  im  „Durrhaus"  bei  Tondern)  ftnden.  Derartige 
Einrichtungen  finden  also  nicht  selten  gesonderte  Verbreitung  über  die  Grenzen 
des  ganzen  Typus,  welchem  sie  ursprünglich  zugehörten,  hinaus.  Ausserdem  schien 
an  den  Umfassungsmauern  dieser  östlichen  Hälfte  des  Hauses  nichts  geändert.  Arn 
Giebel  war  nie  ein  grösserer  Eingang,    nie  eine  Einfahrt,  gewesen.    Es  vollendete 


(497) 


sich   mir   dadurch   die  Gewissheii,   dass  ein  schon  dem  Ursprünge  nach ii  von  dem 
sächsischen  abweichendes  Hans  vorliegen  müsse. 

Das  EEans  bot  aber  noch  eine  Eigenheit,  welche  zwar  auch  sonst  in  Angeln 
verbreitet  ist,  vor  dem  Besuch  Angelns  aber  mir  noch  nicht  vorgekommen  war. 

Wie  ttber  den  Zimmern  (der  Zimmerdecke)  und  der  Vordiele  der  Kornboden 
„de  böm**,  über  den  Viehständen  „de  hilP,  so  war  über  der  Tenne  in  deren  Aus- 
dehnung die  zur  Bewahrung  des  Heus  dienende  Bodeneinrichtung  „de  jölP.  Die- 
selbe liegt  etwa  0,5  oder  1  m  höher  als  der  Boden  „de  böm^,  wodurch  der  eben- 
erdige,  darunter   liegende  B|aum  um  so 

viel    überhöht    wird,    und    besteht    aus  Figur  4. 

mehreren,  über  Querbalken  mit  klaffen- 
den Zwischenräumen  längs  gelegten 
Brettern:  „de  sleten^.  An,  der  Wand 
zwischen  Vordiele  und  Tenne  stellte  sich 
in  dem  Rasch'schen  Hause  der  architekto- 
nische Querschnitt  demnach  in  neben- 
stehender Weise  dar  (Fig.  4). 

Von  der  im  Umfange  nur  einstündi- 
gen Insel  Barsö  bei  Apenrade  in  Nord- 
schleswig erlaube  ich  mir  den  Plan  des 
„1766  von  Berdel  Müller  in  Loit"  errich- 
teten Hauses  herzusetzen  (Fig.  5).  Das 
Haus  ist  allerdings  nicht  besonders  alter- 
thümlich.  Es  zeigt  aber  gut  die  quer 
durch  das  Haus  gerichtete  Vordiele  (A;), 
für  deren  Vorkommen  am  föhrer  Haus 
Hr.  Jahn  (Verh.  1890,  S.  532)  allein  die 
Erklärung  ans  dem  sächsischen  Flet  hatte. 
Im  Plan  sind  femer  Tisch  und  Bänke  in 
der  Küche  erkennbar.  Ueber  der  Tenne 
und  Durchfahrt  ist  der  Boden  „de  jöll^ 
(hier  „de  joll**);  das  Bretterlager  des 
Bodens  heisst,  wie  in  Angeln,  „de  slsten". 


V 

Lohe.  Stall. 

Hausdurchschnitt  an  der  Wand  zwischen 

Vordiele  und  Tenne. 
a  Thür,  b  Wand  der  Vordiele,  c  Zimmer- 
decke, d  Kornboden  ,de  bdm*'  (über  der 
Wohnung  und  Vordiele,  bis  an  den  First 
reichend),  e  »de  sleten*,  /  Heuboden  „de 
jöU"  (nur  über  der  Tenne). 


Figur  6. 
18     IZII    .1$     9      $      7      i      9      h       9       2       i 


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9 


■YiYi 


Die  Zahlen  geben  die  Fachabtheilnngen  an. 
a  Fraognlv,  b  Küche  mit  Heerd,  Tisch  nnd  Bank,  c  Keller,  d  Kammer,  e  Stabe,  /  Pisel, 
gepflastert,  g  Kammer,   h  Saal,   t  t  t  Betten,   Ä;  Vordiele,    /  Backhaus  mit  Backofen, 
m  Knechtkamroer,  n  Knhstall,  o  Gang,  p  Getreideramn  (bis  ins  Dach  offen),  q  Schafstall 
(darüber  „böm"),  r  Heckselraum  (darüber  „bOm*'),  $  Tenne  (darüber  JoU'*),  t  Durchfahrt 

(darüber  JoU«). 

Vvrbaadl.  d«r  B«rl.  Anthrop.  OeMUaebaft  1891.  82 


(498) 

Das  Gebäude  bildet  die  eine  Seite  eines  hufeisenförmigen  Hofes,  welcher  aus 
hm,  einem  Stück  Wall  und  einem  winkelförmigen,  Ställe  und  Scheune  enthaltenden 
Gebäude  zusammengesetzt  ist. 

Tenne  und  Stall  kommen  auch  in  Nordschleswig  (Barsö)  parallel  neben  ein- 
ander,  wie   auf  Pöhr,   vor.    Es  wird  dies  u.  A.  durch  nachstehende  kleine  Skizze 

(Fig.  6)  bewiesen. 

Figur  6. 

M ^ 


a  Durchweg  zur  Tenne,  b  Tenne,  darüber  JoU*,   c  Schweinestall,   d  d  St&nde  für  Kühe, 

e  e  Thüren  zur  Wohnung. 

Der  die  Wohnung  enthaltende  Theil  des  Hauses  war  auf  Barsö  immer  aus 
Ziegeln  errichtet.  Die  grössten  Höfe  waren  aber  im  üebrigen  fast  immer  rein  aus 
Holz  aufgeführt,  auch  der  Theil  des  Haupthauses,  welcher  die  Wohnung  nicht 
enthielt.  Man  vergleiche  dazu  die  Erwähnung  alterthümlicher  bäuerlicher  Holz- 
bauten in  der  Nähe  des  (etwa  5  km  entfernten)  Loit  auf  dem  Festlande  (Kornerup, 
Correspondenzblatt  d.  deutsch.  Gesch.-  u.  Alterth. -Vereine  1870,  XVHI,  66),  welche 
um  1870  im  Aussterben  waren. 

Das  jütländische  Haus  lernte  ich  auf  der,  einen  Breitengrad  nördlich  Pöhr  ge- 
legenen Insel  Panö  kennen.  Fanö  ist  ein  interessanter  Punkt,  wie  schon  Marryat 
(A  residence  in  Jutland  1860,  p.  218),  welcher  es  besuchte,  bemerkt  hat.  Es  ist 
zwar  nicht  1000  Jahr  stationär  geblieben,  wie  Marryat  erklärte  (denn  Rauch- 
häuser giebt  es  ja  auch  nicht  mehr  da),  immerhin  in  Folge  seiner  Inselnatur  fest- 
ländischen culturellen  Einwirkungen  entrückt  gewesen,  so  dass  es  viele  Alter- 
thümlichkeiten  bewahrt  hat. 

Das  Haus    von  Panö   gleicht   fast   absolut   dem   föhrer.     Eines   der   ältesten 

Häuser   oder   das   älteste   Haus   im   Dorf  Sönderho   auf  Fanö   ergiebt   den  Plan 

Fig.  7. 

Figur  7. 


Die  Zahlen  geben  die  Fachabtheilongen  des  Hauses  an. 
a  Vörstuö,   b  Stüö,   c  Koken,   d  Heerd  (mit  Kesselhaken),   e  Backofen,  f  Speisekammer, 
g  8tu6,  h  Bett,  t  Pisel,  k  Kammer,  /  früher  Dreschdiele,  m  früher  Stall,  ß  T  Bodenleiter. 


(499) 


Figur  8. 


k 


-H- 


-^ 


-  c 


— X- 


■H- 


■X^ 


t;^^ 


7 


-X- 


2l 


•H- 


a  Yordiele,   b  Kochraum  (sehr  eng),   c  Heerd,   d  BackofeD,  e  Stube,   /  Betten,  y  Stube, 
h  Pisel,   t  Kammer,   k  Schlafstube,   /  Tenne,  m  Eomraum,   n  Heuraum,   o  Schafstall. 

Das  älteste  Haus  im  mittleren  Dorf  der  Insel  Rindby  (das  Hans  Hansen's) 
entspricht  dem  Plan  Fig.  8.  (Der  schraffirte  Theil  blieb,  bei  Aufnahme  des  Hauses 
durch  die  Fenster  von  aussen,  unaufgeklärt.) 

In  neuen  Häusern,  zumal  in  Nordby  (wo  der  Verkehr  der  Insel  mit  dem  Fest- 
lande ansetzt),  läuft  meist  die  Vordiele  quer  durch  das  Haus  (wie  auf  Föhr),  und 
eine  tennen-  oder  schuppenartige  Kammer  in  der  Längsrichtung  parallel  neben  dem 
Stall  hin  (wie  auf  Föhr). 

Fanö  hat  noch  Frauentracht,  das  umgebende  Festland  nirgends  mehr.  Schon 
Marryat  hat  sich  darüber  geäussert  (p.  219).  Er  nennt  Fanö  nach  der  Üblichen 
Häufung  der  Röcke  über  einander  (in  seltenen  Fällen  bis  zu  13):  „the  land  of  the 
petticoats".  Noch  heute  erkennt  man  leicht  die  ununterbrochene  üeblichkeit  dieses 
Gebrauches.  Auf  Föhr  herrschte  eine  entsprechende  Sitte  etwa  noch  zu  Anfang 
dieses  Jahrhunderts. 

Ein  dunkles,  um  den  Kopf  gebundenes  Tuch  bildet  die  Kopfbedeckung.  Es 
wird  so  umgelegt,  dass  es  in  schräger  Richtung  etwas  nach  hinten  ansteigt,  und 
etwa  oberhalb  des  Wirbels  sichtbar  durch  einen  Knoten  geschlossen  ist.  Man  wird 
dadurch  an  das  Kopftuch  der  Föhrerinnen  erinnert,  welche  dasselbe  freilich  zier- 
licher, mehr  turbanartig,  anlegen. 

Ein  krapprother  wollener  Rock  mit  grünem  Randstreif  bildet  den  Oberrock 
der  Tracht  Als  Überrock  wird  er  noch  in  dem  südlichsten  Dorfe  Sönderho,  wel- 
ches von  dem  Verkehr  zum  Festlande  am  entlegensten  ist,  getragen;  in  Nordby 
dagegen  ist  er  durch  einen,  in  der  Farbe  gleichgültigeren,  dunkleren  Rock  überdeckt. 
Ein  sehr  dunkles  Blau  drückt  die  Trauer  aus,  so  als  Farbe  des  Kopftuches  und 
als  Farbe  des  Randstreifes  am  Rock.  Wittwen,  ausgenommen,  sie  heirathen  wieder, 
erscheinen  dadurch  gekennzeichnet.  Auch  die  üeblichkeit  des  Randstreifes  am 
Rock  hat  auf  Föhr  ihre  Parallele.  Ein  dunkel-  und  hellblau  carrirtes  Tuch,  wird 
bei  Trauer  auch  in  Boldixum  auf  Föhr  getragen  (Mittheilung  von  Frau  Kertel- 
heim  in  Nieblum).  Frauen  auf  dem  Felde  schützen  auf  Fanö  ihren  schönen  Teint 
vor  den  Sonnenstrahlen  durch  ein  über  das  Gesicht  gebundenes  Tuch,  wie  auf 
Föhr.  Die  Mähgeräthe  (Sense  mit  zum  Raffen  bestimmter,  seitlich  angelegter 
Gabel)  sind  auf  B^anö  dieselben,  wie  auf  Föhr.  Aus  Allem  ergiebt  sich  eine  grosse 
allgemeine  Gleichheit  der  Cultur  und  der  Sitten  von  Fanö  und  Föhr,  welche  nur 
dadurch  etwas  überrascht,  dass  mit  ihr  Gleichheit  der  Sprache,  anscheinend  auch 
der  physischen  Abkunft,  nicht  verbunden  gehen.  Für  den  Hausbau  beansprucht 
diese  Aehnlichkeit  der  Cultur  und  der  Sitten  einiges  Interesse. 

Die  Bewohner  von  Föhr,  Amrum,  Sylt,  Helgoland  und  Wangeroog  werden 
nach  neuester  sprachlicher  Forschung  nicht  als  Nordfriesen,  sondern  als  eine  kleine 

82* 


(500) 

selbständige,  niederdeutsche  Grappe,  welche  nnr  neben  den  Nordfriesen  stehend, 
mit  diesen  nnd  den  Ostfriesen  sich  zu  der  nächsten  höheren  Einheit  zYisammen- 
schliesst,  gerechnet  (Bremer  in  Jahrb.  d.  Vereins  f.  niederd.  Sprachforschung  1887, 

Xin.:S.  5fg.). 

Damach   steht   der   föhringer  Typus  auf  Föhr  nicht  mehr  in  eigentlich  friesi- 
schem Gebiete,  wiewohl  so  auf  den  Halligen,  deren  Bewohner  ächte  NordfHesen  sind. 

Sonst  blieb  auf  Föhr  und  in 
dessen  Nachbarschaft  nach  den  Beob- 
achtungen von  1889  immer  noch 
Manches  auch  hinsichtlich  des  Hans- 
baus zu  beobachten  übrig,  woTon 
Einiges  im  Nachstehenden  nach- 
geholt werden  möge. 

Zunächst  stellte  sich  unter  den 
verschiedenen  früher  bezeichneten 
ModaUtäten  (Verh.  1890,  S.  62  fg.) 
als  älteste,  auf  Föhr  vorkommende 
Form  des  Hauses  nunmehr  besser 
die  nebenstehende  dar  (Fig.  9). 


/     ± 


■I-4- 


Figur  9. 

c 
-H- 


9 


-H- 


::    ä 


h 


-H- 
a 


■H- 


k  \k 


::i 


Die  einheimischen  Bezeichnungen  der  Haustheile  sind  folgende: 


Föhr,  Amrum: 

Halligen: 

Gebrauch: 

a 

j&ddör 

säddör  („Südthür") 

Haupteingang 

b 

mattälem,  auch  stiennem 
(von  stien,  Stein  *) ;  Sylt : 
taal«) 

mattdlem,  tele 

Vordiele 

c 

guaddör 

— 

Gartenthür 

d 

dömsk 

dömsk 

Stube 

e 

pisel,  pesel 

pisel 

„Pisel" 

f 

kögem 

kägen,  kegen 

Rüche 

g 

iäldägh   (spr.  eldägh)'), 
so  besonders  auf  Am- 
rum; ausserdem  herstä 

haste,  härstä 

Heerd 

h 

komer 

— 

Rammer 

• 

1 

gong 

« 

Gang  durch  den  Stall 

k 

biissem*) 

bösem 

Stall 

1 

bördör 

bösomdör 

StaUthür 

m 

lohe  oder  täl 
Ausserdem: 

tele 

Tenne 

bön 

bän 

Boden 

bäghon 

Oven 

Backofen 

1)  weil  gepflastert 

2)  Johansen,  Die  nordfriesische  Sprache  1862,  S.  76. 

3)  Man  vergleiche  angelsächs.  äled,  altsächs.  eld,  altnord.  eldr,  dftn.  ild,  norw.  eil,  eil, 
schwed.  eldr:  Feuer,  lldhus  heisst  schwedisch:  die  primitive  Stube  mit  freilodemdem 
Heerd  (Mandelgren,  Atlas  tili  Sveriges  oldlingshistoria  1877, 1— 11.  8.  10),  islind.  eldhüs  = 
Küche  (K.  Maurer,  Island  1874,  S.  434},  holländisch-friesisch  eazen  ~  Heerd  (Roosje  en 
Kroese  en  Eekhoff,  Merkwaardigh.  van  Hindeloopen  1856,  S.  9).  —  Die  Sjlbe  -igfa 
oder  -d&gh  in  iäld&gh  ist  noch  unerklärt 

4)  Johansen  a.  a.  0.  S.  132  schreibt  busham. 


(501) 

Föhr,  Amrum:  EEalligen:  Oebrauch: 

sntick  0  —  Kesselhaken 

sköstien  —  Schornstein 

käUer  käller  Keller 

Die  ältere  Form  auf  Föhr  enthält  rechts  von  dem  Qnergang  keine  Zimmer. 
Man  findet  diesen  Zustand  mehrfach  in  überhondertjährigen  Häusern,  und  es  er- 
scheint auch  an  sich  schon  als  das  Natürliche,  dass  die  Ausbreitung  der  Wohn- 
räume über  den  Gang  weg  nach  dem  Stalle  das  Jüngere  ist. 

Schon  früher  (Verh.  1890.  S.  66)  ist  bemerkt,  dass  die  Einfahrt  (a.  a.  0.  S.  65, 
Fig.  7,  P)  bald  fehlt,  bald  vorhanden  ist.  Sie  ist  dabei  nicht  gerade  gewöhnlich, 
sondern  verhältnissmässig  wenig  vertreten.  Ausserdem  wird  sie  aber  auch  in  alten 
Häusern  (wie  in  dem  später  noch  zu  erwähnenden  von  Sophie  Olufs  in  ütersum) 
als  neuere  Zuthat  betrachtet.  An  alten  Häusern  fehlt  sie  häufig.  Sie  darf  sicher 
als  neue  Zuthat  betrachtet  werden.  Dazu  kann  man  weiter  die  fanöer  Bauten  ohne 
Einfahrten  vergleichen.  Der  Freundlichkeit  von  Hm.  Voss  in  Husum  verdanke  ich 
femer  den  Plan  eines  Hauses  von  Drellsdorf  bei  Bohmstedt  in  Nordfriesland,  wel- 
cher vollständig  Fig.  9  gleicht.  Auch  er  entbehrt  also  der  Einfahrt.  Der  Plan 
selbst  ist  von  Interesse  auch  als  Bestätigung  des  Vorkommens  der  relativ  ein- 
fachen fohrer  Form  auf  dem  nordfriesischen  Festland. 

Mit  der  Angabe,  dass  der  Pisel  eigentlich  unheizbar  war,  ist  Hr.  Jahn  voll- 
ständig im  Becht.  In  den  Plan  Verh.  1890,  S.  65  gelangte  die  Angabe  des  Ofens 
im  Pisel  nur  durch  gewisse  Oefen  in  neuer  eingerichteten  Piseln  auf  Föhr,  welche 
Berücksichtigung  nicht  so  verdient  hätten.  Dagegen  ist  Hr.  Jahn  mit  der  Angabe, 
dass  der  Pisel  „nur  Vorrathsraum",  und  „im  Uebrigen  nur"  bei  grossen  Festlich- 
keiten als  Versammlungsort  benutzt  sei  (S.  532),  nicht  gleichermaassen  im  Becht. 
Denn  der  Pisel  ist  eigentlich  Staats-  und  Prunkraum  des  Hauses,  seine  Be- 
nutzung zur  Bewahrong  von  Vorräthen,  Truhen  u.  s.  w.  (gewissermaassen  dem 
Schatz  des  Hauses)  war  in  älteren  Zeiten  nur  die  daneben  hergehende.  Wäre  der 
Pisel  nicht  voller  Staats-  und  Prunkraum  des  Hauses  gewesen,  so  würde  sich  auch 
nicht  genügend  erklären,  wie  so  er,  z.  B.  in  Dithmarschen,  sogar  zu  Bestattungen 
hervorragender  Personen  benutzt  werden  konnte. 

Auch  die  80jährige  Frau  Hansen  in  Keitum  auf  Sylt,  Wittwe  des  verdienten 
G.  P.  Hansen,  theilte  mir  mit,  dass  der  Pisel  früher  „nur  der  Prunkraum  war, 
nur  für  festliche  Versammlungen  diente".  „Dienstboten  durften  den  Pisel  nicht 
betreten."  „Es  wäre  Entweihung  gewesen."  Die  Hausfrau  reinigte  selbst  den  Pisel. 
Im  Hause  der  Sophie  Olufs  in  Utersum  fand  ich  im  Pisel,  etwa  in  der  Mitte, 
an  einem  Bembalken,  an  dessen  Unterseite,  gross,  etwa  10 — 15  cm  lang,  1 — 2  cm 
tief,  die  Hausmarke  eingeschnitten.  Die  Bewohner  des  Hauses  und  die  Dorfnach- 
bam,  obwohl  sie  mich  selbst  auf  das  Haus  als  das  älteste  aufmerksam  gemacht 
hatten,  wussten  von  der  Existenz  und  der  merkwürdigen  Bedeutsamkeit  des  Zeichens 
nichts.  Dass  dieses  bedeutsame  Zeichen  aber  gerade  im  Pisel  sich  findet,  reimt 
sich  zu  der  früheren,  gewissermaassen  feierlichen  Bedeutung  des  Pisels  im  Haus- 
halte. 

Unverständlich  würde  schliesslich  das  hübsche,  an  den  Pisel  sich  knüpfende 
Sprüchwort')  erscheinen,  wenn  man  dem  Pisel  die  Omndgeltung  als  Staats-  und 
Prunkraum  des  Hauses  versagen  wollte:  Apträpi  uun  piisal  an  deelfäl  nun  busham, 
„aufsteigen  im  Pisel  und  herunterfallen  im  StaU",  d.  L  hoCTährtig  anfangen  und  jänmier- 


1)  Man  vergleiche  dänisch  nok,  Haken. 

2)  Johansen  a.  a.  0.  S.  IB. 


(502) 

lieh  enden.  Man  beobachte  die  glückliche  Benutzung  des  räumlichen  Gegensatzes 
des  dem  Prunke  gewidmeten  Pisels  und  des  vom  Vieh  eingenommenen  Stalles  im 
Hause  für  den  Sinn  des  Sprüchwortes. 

An  der  Ableitung  des  Wortes  Pisel  von  pisale,  heizbares  Gemach,  nimmt  Hr. 
Jahn  (a.  a.  0.)  Anstoss  und  bezeichnet  sie,  wegen  der  Unheizbarkeit  des  schles- 
wigschen  Pisels,  als  lucus  a  non  lucendo.  Gleichwohl  hilft  wohl  eine  weitere  Be- 
trachtung der  etymologischen  Herkunft  des  Wortes  über  die  von  Hm.  Jahn  an 
sich  ja  richtig  beobachtete  Schwierigkeit  hinweg.  Pisale  wird  aligemein,  und  an- 
scheinend mit  Recht  (man  vergleiche  die  Form  phinsel),  von  lat.  pensale,  Arbeits- 
raum, abgeleitet  ^j.  Als  Arbeitsraum  der  Frauen  würde  dieser  Raum  beizbar  und 
so  nach  und  nach  vielleicht  speciell  ein  geheizter  Raum  geworden  sein.  Jeden- 
falls fehlt  es  bei  der  grossen  lautlichen  Aehnlichkeit  an  dem  hinreichenden  Grunde, 
den    schleswigschen  Pisel   von  dem  bekannten  mittelhochdeutschen  pbiesel  (Qesel,  ^ 

phinsel,  pisale,  phiesai,  pfiesel),  welcher  anscheinend  allgemein  ein  heizbares') 
Gemach  darstellte,  zu  trennen.  Dann  würde  aber  vielleicht  auch  (durch  den  Be- 
gnfr  der  Heizbarkeit  in  phiesel  vermittelt)  pfiesel,  pfieselkammer,  pfieselstatt')  (in 
Salzsudwerken  eine  Rammer,  in  welcher  durch  einen  starkgeheizten  Ofen  das  Salz 
auf  Gerüsten  gedörrt  und  gehärtet,  gepfleselt,  wird),  jedenfalls  aber  noch  franzö- 
sisch poele,  ^owie  norwegisch  peis,  Ofen^),  zuzubeziehen  sein.  Die  Möglichkeit, 
dass  pisale,  piesel,  daneben  auch  Räume  unheizbarer  Art  bezeichnen  konnte,  würde 
darnach  dadurch  gegeben  gewesen  sein,  dass  die  Urbedeutung  des  lateinischen 
Grundwortes  überhaupt  noch  keine  Spur  des  Begriffs  Heizbarkeit  enthielt,  und 
dieser  Begriff  erst  nach  und  nach  in  einem  Theile  der  Ableitungen  aufgenommen 
und  dann  allerdings  zum  Theil  sogar  zu  vollendeter  Schärfe  heransgebildet  wurde. 

Dem  von  mir  entwickelten  föhringer  Typus  stellte  Elr.  Jahn  zwei  Hausformen 
zur  Seite,  welche  er  in  dem  Kirchspiel  Ostenfeld  vertreten  gefunden  hatte.  Er 
leitete  aus  diesen  Hausformen  eines  „unverfälscht  friesischen  Gaues^  ab,  dass  das 
nordfriesische  Haus  eigentlich  eine  Modification  des  niedersächsischen  Hauses  und 
auch  der  von  mir  entwickelte  föhringer  Typus  eine  solche  sei  (S.  531— 535). 

Für  diese  Schlüsse  waren  ihm  behülflich  die  Angaben,  dass  Ostenfeld  ein 
durch  seine  friesischen  Alterthümlichkeiten  bekanntes  Gebiet  sei,  ferner  die  Ana- 
logien, welche  das  gewöhnliche  nordfriesische  Haus  mit  den  Ostenfelder  Hausformen 
in  manchen  Stücken  bot,  ferner  nahe  Uebereinstimmung  zwischen  der  jüngsten 
Ent Wickelung  des  Bauernhauses  in  Osten feld  (Fig.  2)  mit  dem  von  mir  entwickelten 
föhringer  Typus.  Hr.  Jahn  fühlte  sich  so  sicher  in  seinen  Beweisfolgemngen,  dass 
er  ein,  nach  dem  Muster  des  älteren  Ostenfelder  in  der  deutschen  Ausstellung  in 
London  aufgestelltes  Haus  kurzweg  als  ein  nordfriesisches  bezeichnen  liess  und 
in  einem  Tageblatt  als  „das  nord friesische  Haus^  selbst  näher  erörterte^).  Dieser 
Artikel  ist  dann  in  der  Kieler  Zeitung,  entsprechend  dem  für  die  Gegend  be- 
greiflichen Interesse  an  dem  Gegenstande,  wieder  abgedruckt  worden,  hat  aber, 
so  viel  mir  bekannt  ist,  bei  den  Einwohnern  Nordfrieslands  wesentlich  bloss  Er- 
staunen darüber  erweckt,  welches  nichtnordfriesische  Haus  auf  diese  Weise  als 
nordfriesisches  commentarlos  erörtert  worden  ist. 


1)  Lexer,  Mittelhochd.  Handwörterbuch  1876,  IL  243;  Littr^,  Dictionn.  de  U  lang, 
fr.  8.  V.  poele. 

2)  Gudrun  9%,  4:  Du  muost  heizen  minen  phiesel  und  muost  selbe  scbüni  die  brend«. 

3)  J.  A.  Schmeller,  Bayer.  Dialect -Wörterbuch  1824—37,  I  442. 

4)  Hr.  Henning  a.  a.  0.  S.  63.  Westlich  von  Oldenburg  hört  der  Ausdruck  ^Piesel*  mf. 

5)  In  einer  Beschreibung  des  Hauses  im  Berliner  Tageblatt 


(503) 

Nun  bin  ich  bereit,  Hm.  Jahn  die  Möglichkeit  einzuräumen,  dass  die  Nord- 
friesen in  vorvergangener  Zeit  früher  oder  später  einmal  sächsisch  bauten.  Als 
missglückt  stellt  sich  aber  der  Versuch  dar,  das  föhringer  Haus  als  Modification 
des  niedersächsischen  Hauses  zu  bezeichnen,  das  nordfriesische  Haus,  wie  es  in  fast 
allen,  besonders  allen  maassgebenden  Theilen  des  Landes  existirt,  als  Modifikation 
des  niedersächsischen  Hauses  zu  erklären  und  damit  gewissermaassen  den  Beweis 
zu  liefern,  dass  offenkundig  sowohl  auf  Pöhr,  wie  im  übrigen  Nordfriesland,  die 
Bauart  ein  direkter  und  einfacher  Abkömmling  des  gewöhnlichen  niedersächsischen 
Hauses  sei. 

Für  Schleswig,  zur  Peststellung  der  dort  üblichen  Bauarten,  ist  die  Frage 
selbst  nicht  von  zu  grossem  Belang.  Was  im  Allgemeinen  dort  gebaut  wird,  ist  bald 
vollständig  bekannt.  Stellten  sich  diese  Bauarten  als  Abkömmlinge  der  sächsischen 
Bauart  dar,  so  wäre  das  interessant.  Stellten  sie  sich  als  eine  andere,  etwa  däni- 
sche Bauart  dar,  so  könnte  dieses  Resultat,  gemäss  den  fremdartigen  Cultur- 
einflüssen,  welchen  Schleswig,  z.  Th.  wider  seinen  Willen,  so  lange  ausgesetzt 
war,  nicht  so  sehr  überraschen.  Die  Frage  ist  nur  von  grösserem  Belang  dafür, 
ob  in  Nordfriesland  selbst  so  offenkundige  Belege  dafür,  dass  die  ganze  friesische 
Bauart  die  sächsische  war,  vorliegen,  femer  von  grossem  Belang  ftlr  die  Beziehun- 
gen eines  vom  sächsischen  abweichenden,  in  Schleswig  gefundenen  Typus  zu 
üblichen  Bauarten  der  westdeutschen  Küsten  der  Nordsee,  weil  mit  der  ange- 
nommenen Selbständigkeit  dieser  Bauform  in  Schleswig  die  Selbständigkeit  der  an 
den  westdeutschen  Rüsten  vorkommenden  Form  und  damit  deren  besondere  Be- 
deutung von  selbst  fiele.  Ausserdem  hat  die  Frage  vielleicht  ein  principielles  Inter- 
esse insofern,  als  es  vielleicht  doch  nicht  ohne  Werth  ist  festzustellen,  ob  man  auf 
methodischem  Wege  gewonnene  Ergebnisse  auf  Grund  oberflächlicher  Anschauungen 
in  Untersuchungen,  wie  solchen  über  den  Hausbau,  noch  beseitigen  darf. 

Zunächst  habe  ich  Hrn.  Jahn  einzuwenden,  dass  die  von  ihm  als  älteste  be- 
zeichnete Ostenfelder  Bauart  nicht  die  älteste  des  Kirchspiels  ist.  Von  seiner 
„ältesten"  Bauform  sagt  Hr.  Jahn  im  üebrigen  nur  (S.  531),  sie  sei  vor  50  Jahren 
in  Ostenfeld  noch  gewöhnlich  gewesen.  Man  könnte  nachweisen,  dass  Häuser 
dieses  Zuschnittes  zu  bauen  erst  Ende  vorigen  Jahrhunderts  begonnen  wurde  und 
dass  das  Haus,  welchem  der  Plan  1,  S.  531  entnommen  wurde,  anscheinend  das 
der  Geschwister  Lorenzen,  nur  erst  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  errichtet  ist. 

Ich  verdanke  der  Güte  von  Hrn.  Magnus  Vo  s  s  in  Husum  zwei  ältere  Pläne 
(Fig.  10  und  11)  von  Häusern  in  Ostenfeld,  welche  etwa  1643  und  1685  erbaut 
woxden  sind.    Zu  ihnen  war  Hr.  Voss  so  freundlich  mir  zu  schreiben: 

zu  Fig.  10,  Haus  von  Peter  Heldt:  „Der  Heerd  ist  jetzt  an  die  Wand  ge- 
rückt, hat  aber  früher  frei  gestanden,  und  mag,  wie  die  Leute  sagen,  aus  einem 
Stein  bestanden  haben.  Links  vom  Heerd  sind  die  Gesindebetten  erbalten.  Rechts 
ist  aus  den  Gesindebetten  die  Wohnstube  gemacht  und  ein  kleiner  Anbau  (im 
Plan  punktirt)  zugefügt.  Dieser  Anbau  ist  an  sich  auch  alterthümlich,  stammt 
aber,  wie  man  der  Inschrift  über  der  Wohnstubentbür  entnehmen  kann,  aus  dem 
Jahre  1789.  üeber  dem  Ausgang  in  der  rechten  Hörn*)  steht  in  einem  Ständer 
die  Jahreszahl  1673.    üeber  der  grossen  Thür  soll  1643  stehen." 


1)  Gang  nach  der  Seite.  Uebrigens  giebt  Hr.  Jahn  S.  573  „Siedeln**  als  Ausdruck  für 
StalL  Dies  ist  nach  Mittheilung  von  Hm.  Voss  kein  Wort.  „Side"  heisst  Seite.  Man 
sagt  also  „sidenstall'  in  der  Bedeutung  Seitenstall,  aber  nicht  bloss  ^Siden*"  für  Stalb 
oder  „Siedeln". 


(504) 


Figur  10. 


■* 

Figur 

11. 

M 

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h 

« 

CD 

9 

s 

1 

1 1 

e 

[ 


a  Strasse,  h  Diele,  c  Sidenst&lle,  d  Heerd, 

t  i  Gesindebetten,  f  Pisel,  g  Gang  nach 

dem  Baomgarten,  h  Norderstabe. 


a  Diele,    b  Torf  und  K&lber,    c  Pferde, 

d  Heerd,  e  Wohnstube,  f  Enechtkammer, 

g  Aufwaschküche,   h  Pisel,   t  Schlafstube, 

k  Mftdchenstube. 


zu  Fig.  11,  Haus  Ton  Beimer:  „Ueber  der  Hausthür  steht  die  Jahreszahl 
1685.  Auch  hier  ist  der  Heerd  freistehend  gewesen.  Die  Gresindebetten  sind 
rechts  erst  zu  Lebzeiten  des  jetzigen  Besitzers  durch  eine  Auf  Waschküche  ersetzt 
Die  Wohnstube  links  scheint  an  die  Stelle  früherer  Gesindebetten  gebracht  und  die 
Rnechtkammer  ebenfalls  neuere  Einrichtung  zu  sein.  Die  Heerdbank  heiaat  Blink, 
der  Baum  mit  den  Betten  Siddelsch." 

Beide  interessant  übereinstimmende  Pläne  erweisen,  dass  Hm.  Jahn' s  Fig.  1 
8.  531  nicht  die  älteste  Bauart  Ostenfelds  darstellt.  Denn  sie  weichen  von 
dieser  Fig.  1  ab;  es  giebt  sogar  7 — 8  solcher  Häuser  in  Ostenfeld  ausserdem. 
Ihr  Grundriss  entfernt  sich,  ausser  in  Nebendingen,  nur  unwesentlich  von  dem 
des  sächsischen  Hauses.  Der  Pisel,  fremdem  Einfluss  verdankt,  in  beiden  vor* 
banden,  stellt  wohl  die  einzige  wichtigere  Abweichung  vom  sächsischen  Typus  dar. 
Es  ist  mir  auffallend,  dass  diese  beiden  alten  Häuser  in  Ostenfeld  Hm.  Jahn  fremd 
geblieben  sind,  da  die  in  ihnen  früher  vorhandenen  Paneele  in  dem  Londoner 
„nordfriesischen  Hause^  Aufbahme  gefunden  haben.  Wäre  es  darauf  angekommen, 
recht  gründlich  zu  erweisen,  dass  das  nordfriesische  Haus  ursprün^ich  das  reine 
sächsische  Haus  gewesen  ist,  so  hätten  diese  beiden  Pläne  benutzt  werden  können« 
Die  Benutzung  der  veränderten  Grandrisse  der  Häuser  des  18. — 19.  Jahrhunderts, 
dieser  „Modification  des  niedersächsischen  Hauses'',  gewissermaassen  vielleicht 
dieser  „friesischen  Modification  des  sächsischen  Hauses''  im  „unverfälscht  fHesischen 
Gau"  Ostenfeld  erlaubte  freilich  leichter  die  Brücke  zu  schlagen  zu  den  abweichen- 
deren Plänen  der  zur  Zeit  in  Nordfriesland  üblichen  Bauerhäuser. 


(505) 

Nun  erweist  sich  aber  Folgendes:  Die  zwei  Häuser  des  17.  Jahrhunderts  zeigen 
ganz  geringen  fremdartigen  Einfluss  in  der  Existenz  des  Pisels  (fast  genau  wie 
das  sächsische  Haus  in  Dithmarschen)^.  Darin  stimmen  die  Pläne  auch  schon  mit 
der  Bauart  Nordschleswigs.  Hier  ist  ein  geringer  Anfang  zu  fremdartiger  Ein- 
wirkung gemacht. 

Hrn.  Jahn's,  dazu  jüngerer  (18.  Jahrhundert),  Plan  8.531  Fig.  1  zeigt  nun  die 
Abweichung,  dass  die  in  den  älteren  Plänen  (Fig.  10  und  11)  noch  fast  rein  säch- 
sische Wohnung  durch  die  Oesammteinrichtung  der  Wohnung  des  fremdartigen 
Hauses  ersetzt  isi  (Man  veigleiche  den  nordschleswiger  Plan  S.  534  Fig.  3,  femer 
nebenbei  die  föhringer  Bauart:  4 — 5  Wohnräume  in  zwei  Längsreihen;  dem  Pisel 
in  einer  Ecke  ein  Raum  mit  grosser  Feuerung  diagonal  gegenüber). 

Die  Entwicklung  ist  noch  weiter  gegangen  in  den  jüngsten  Erscheinungen 
des  Ostenfelder  Hauses  (Jahn  Fig.  2  8.  532).  Hier  ist  eine  grössere  Aehnlich- 
keit  zum  nordschleswigschen  Hause  erzielt  durch  Verlegung  des  Heerdes  in  die 
Wohnung  (an  die  8telle  des  Backofens)  und  durch  Absperrung  des  Flet  als  Gkmg. 
Hr.  Jahn  zeichnet  selbst  den  neuen  Gang  schmäler  als  das  frühere  Flet  und  ähn- 
licher dadurch  der  Yordiele  des  fÖhrer  Hauses  und  entsprechenden  in  Nord- 
schleswig und  Fanö  vorkommenden  Erscheinungen  (s.  oben  Plan  5  und  die  Be- 
merkungen über  Fanö).  Die  Veränderung  des  Flet  zum  Gang  reimt  sich  als  An- 
ähnelung  an  den  fremden  Typus  zu  dem  ganzen  erwiesenen  Zuge  der  im  osten- 
felder  Hause  seit  dem  17.  Jahrhundert  herrschenden  Entwickelung.  Es  lässt  sich 
ausserdem  geltend  machen,  dass  anderwärts  bei  Freiwerden  des  sächsischen  Flet 
vom  Heerde  nicht  nothwendig  der  Flet,  überhaupt  als  Baum  nur,   erhalten  bleibt. 

Analoge  Entwickelung,  Anähnlichung  des  früher  rein  sächsischen  Hauses  an 
einen  fremden  (dänischen)  Typus  lässt  sich  am  Hause  Norddithmarschens  nach- 
weisen: 1.  erweisliche  8tufe;  Plan  des  dithmarscher  Hauses  bei  Gk^f  E.  Reventlow- 
Farve  und  H.  v.  Warnstedt;  —  2.  8tnfe:  Ltttgens  a.  a.  0.,  Taf.  15;  —  3.  8tufe: 
Lütgens  Taf.  16. 

Nun  ist  aber  auch  das  föhringer  Haus  keineswegs  eine  Entwickelungsform  des 
sächsischen,  so  sehr  es  auch  von  Hm.  Jahn  als  übereinstimmend  im  Grundriss 
mit  seiner  Fig.  2  (8.  532).  von  Ostenfeld  betrachtet  worden  ist. 

Ausserhalb  des  Grundrisses  macht  sich  die  wichtige,  von  Hm.  Jahn  ganz  bei 
Seite  gelassene  Differenz  geltend,  dass  das  veränderte  ostenfelder  Haus  immer  noch 
den  Giebel  in  sächsischer  Weise  der  Strasse  weist,  das  föhringer  die  Langseite. 
Im  letzteren  ist  also  auch  schon  nach  seinem  äusseren  Verhältniss  zum  Dorfe,  zu 
den  Dorf  wegen,  jenes  Merkmal  des  sächsischen  Hauses  nicht  vertreten. 

Die  im  Grundriss  von  Hm.  Jahn  angenommene  Aehnlichkeit  ist  keine  so 
grosse.  Wohnung  und  Querdiele  stimmen,  die  Wirthschaftsräume  aber  in  den 
meisten  Beziehungen  nicht  Es  ist  wahr:  die  Tenne  liegt  auch  im  föhrer  Hause 
längs,  aber  an  ihr  befand  sich  in  deren  ursprünglicherem  Zustande  keine  Einfahrt'); 
sächsisch  in  der  Lage,  war  sie  doch  nicht  sächsisch  in  der  Zugänglichkeit,  und  als 
eine  Nachahmung  der  sächsischen  Diele  ist  sie  darnach  fraglich.  Das  föhrer  Haus 
zeigt  die  Längszweitheilung  der  Wirthschaft  (wie  Hm.  Madsen's  Fig.  3,  8.  534). 
Deren  Entstehung  aus  der  sächsischen  Dreitheilung  nimmt  Hr.  Jahn  an  (8.  532) 
und  er  sucht  sie  zu  erklären,  ohne  jedoch  für  die  Thatsächlichkeit  des  ange- 
nommenen, tief  einschneidenden  Vorganges  den  dafür  zu  wünschenden  bestimm- 
teren Beweis  beizubringen.    Die   dreitheiUgen   Stalleinrichtungen  (2  Reihen  Vieh- 


1)  Graf  Reventlow-Farve  und  H.  v.  Warnstedt  a.  a.  0^  Tafel. 

2)  nur  eine  schmale  seitiiche  Pforte  an  der  Stallseite,  man  vergL  Fig.  9. 


(506) 


stände  zu  den  Seiten),  welche  auch  Pöhr  (als  neuere  Fortbildungen)  kennt,  ent- 
behren der  Einrichtung  der  Diele  in  der  Mittellage  zwischen  den  Viehständen 
nach  sächsischer  Weise,  und  geben  dadurch  sogar  eine  bestimmtere  Andeutung 
über  das  Fehlen  der  Verbindung  zwischen  der  Wirthschaftseinrichtung  des  föhrer 
Hauses  und  der  des  sächsischen  Hauses'). 

Dagegen  entspricht  das  föhrer  Haus  (oben  Fig.  9)  nach  allen  wesentlichen  Be- 
ziehungen dem  altnordschleswigschen,  von  welchem  Hr.  Madsen  einen  trefflichen 
Plan  (Jahn  S.  534,  Fig.  3;   der  Oeffentlichkeit   zu   überlassen   die   Freundlichkeit 

besass.  Zwischen  beiden  Hän- 


Figur  12. 


+4- 


-     I 


4-h 


-.   a 


-H- 


l 


9 


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d    i 

1 1 


i 


--  e 


a  Vordiele,   h  Kaum  für  Ackergeräthe,   c  Abtheilung 
für  Geräthe,  d  Kuhstände,  e  Stallausgaug,  /  Schweine, 
y  Lämmer,  k  Tenne,  t  Torfraum,  k  Wohnung  /  Hinter- 
diele, m  Gang  durch  den  Stall. 


sem,  welche  nur  in  der  Ver- 
wendung zweier  Bäume  (der 
föhrer  Vordiele  und  Tenne) 
tieferen  Unterschied  zeigen, 
im  ganzen  Grundriss  sich 
sonst  identificiren,  und  welche 
auch  in  der  Längsrichtung  an 
den  Wegen  sich  gleichen,  be- 
steht im  üebrigen  kein  Unter- 
schied. Hm.  J  a  h  n '  s  Aeusse- 
rung,  dass  das  föhrer  und  das 
nordschleswigsche  Haus  nichts 
mit  einander  zu  thnn  hajsen 
(S.  533,  535),  wäre  schon  dar- 
nach eine  gewagte. 


Nun  ergiebt  sich  aber  auch,  dass  die  Tenne  des  nordschleswigschen  Hauses 
eine  im  föhrer  Hause  nur  verlegte  ist. 

Der  Name  der  Vordiele  auf  Föhr,  mattalcm,  wird  von  den  Bewohnern  erklärt 
als  „mitten  in  der  Tenne"  -).  Tal,  wie  die  Tenne'),  heisst  ja  auch  auf  Sylt  die 
Vordiele*).  Also  kann  darüber  kein  Zweifel  walten,  dass  auch  im  föhrer  Haus 
früher  an  Stelle  der  Vordiele  Tenne  war. 

Der  Heu-  und  Feuerungsraum  des  altnordschleswigschen  Hauses  des  Herrn 
Madsen  trägt  den  Namen  „jöfach"  (S.  534).  Ich  bin  nun  genöthigt,  jöfach, 
ferner  „jöll"  (Angeln)  und  „joll"  (Barsö),  s.  oben,  sprachlich  einander  gleichzusetzen. 
Leider  ist  nicht  bekannt,  ob  im  nordschleswigschen  Hause  des  Elm.  Madsen  der 
„jö"  ein  Boden  oder  der  Raum  zu  elener  Erde  ist.  Jedenfalls  stehen  sich  räum- 
lich und  sprachlich  das  nordschleswigsche  „jöfach"  des  Hm.  Madsen  als  Heu-  und 
Feuerungsraum,  und  die  sonstige  Tenne,  soweit  sie  in  gleicher  Lage  vorkommt, 
mit  darüber  liegendem  „jöil"  oder  Joll",  Boden,  ganz  gleich.  Daraus  ist  der 
Schluss  zu  ziehen,  dass  unter  solchen  Verhältnissen  die  Räume  auch  innere  Ver- 
wandtschaft haben,  und  daraus  wieder  der  Schluss,  da  das  dänische  jöfach  nur 
Heu-  und  Feuerungsraum  ist,  der  sonst  entsprechende  Raum  =  Tenne  mit  darüber 
liegendem  Heuraum  zugleich,  dass  aus  der  schon  nachgewiesenen  ursprünglicheren 

1)  Auch  der  durch  den  Stall  nach  dem  Hausende  fuhrende  Pfad  im  fohrer  Haus  kann 
nicht  als  Entwickelung  aus  der  Diele  des  sächsischen  Hauses  angesehen  werden.  Nicht 
selten  windet  er  sich  quer  durch  das  Haus  (der  sächsischen  Diele  in  deren  gerader  Rich- 
tung ganz  unähnlich),  vergl.  Fig.  12. 

2)  Johansen  a.  a.  0.  S.  76  vermuthet  für  MadthMham,  die  Vordiele,  irrig  den  Ur- 
sprung aus  mad  nun  älham,  mitten  im  Ganzen. 

3)  Auch  im  Saterland  heisst  die  Tenne  T&i :  „Ss.**  in  der  Weseneitnng,  18.  Jan.  1885. 

4)  Johansen  a.  a.  0. 


(507) 

Querrichtang  die  Tenne  in  den  ursprünglicheren  blossen  Feuerungsraum  verlegt, 
yielleicht  zu  gleicher  Zeit  das  üeu  aus  dem  ebenerdigen  Raum  auf  den  Boden 
verlegt  oder  beschränkt  wurde. 

Molbech  (Dansk  Dialect  Lexicon  1841,  184)  kennt  „gulv"  aus  Fünen  und  Jüt- 
land  in  der  Bedeutung:  zweites  Fach  einer  Scheune  voll  von  Korn.  Im  ostMesischen 
Hause  ist  „gulf"  oder  „golf"  der  Vierkant,  also  ein  Haustheil,  ein  Theil  am  ge- 
wöhnlichen Hause.  Also  wird  auch  der  Speicher  („gulv"  in  der  jütischen  Halb- 
insel) ein  Theil  des  gewöhnlichen  Hauses  gewesen  sein.  Das  könnte  er  aber  nur 
an  der  Stelle  des  „jöfach".  Ich  muss  die  dringende  Vermuthung  hegen,  dass  „jö",  jöll 
und  JoU"  dialectische  Veränderungen  des  Wortes  „gulv"  (ursprünglich  „golf") 
sind.  Eine  Art  Mittellaut  bildet  schon  „gul"  in  „frangul",  welches  Hr.  Jahn  nach 
Hrn.  Madsen  als  plattdänische  Bezeichnung  der  Vordiele  angiebt  (S.  533).  Der 
hochdänische  Ausdruck  in  Nordschleswig  (wie  auf  Barsö)  und  in  Jütland  ist  „fram- 
gulv".  Ein  anderer  Mittellaut  ist  die  dialectische  westfriesische  Veränderung  von 
„golf"  als  „goUe".  Dem  Joll",  „jöll"  steht  man  damit  schon  beträchtlich  nahe. 
Man  könnte  auch  die  vorkommende  Veränderung  von  „golf"  als  „go"  anführen. 
Nur  der  üebergang  von  g  in  j  ist  schwer  belegbar.  Dach  heisst  der  Fischerkahn 
„golle"  der  Oberelbe  in  den  nordischen  Gewässern  „joUe",  —  gewiss  beides  dasselbe 
Wort;  bei  den  Friesen  wenigstens  wird  aus  „geld"  „jield",  und  was  in  Dialecten 
alles  als  Wandel  auftreten  kann,  ist  gesetzlich  deswegen  unzureichend  zu  be- 
grenzen, weil,  wie  Hr.  Förstemann  sagt:  die  Sprachforscher  von  den  Sprachen 
nur  die  Schriftsteller  kennen.  Daraus  begründet  sich  meine  dringende  Vermuthung, 
dass  „joll",  „jöll"  eigentlich  dialectische  Verwandlung  von  „golf"  ist.  Das  müsste 
aber  eigentlich  ein  ebenerdiger  Raum  gewesen  sein,  andererseits  müsste  er  auch 
ursprünglich  das  Rorn  mit  enthalten  haben.  So  käme  man  bei  Verfolgung  der 
Merkmale  darauf,  zu  schliessen,  dass  das  „jöfach"  eigentlich  Heu-  und  Rornraum 
zugleich  ist,  und  joll  eigentlich  als  solcher  Raum  zu  ebener  Erde  war.  So  kommt 
man  noch  eine  Stufe  über  den  Zustand  des  altnordschleswigschen  Hauses  des 
Hm.  Madsen  nach  aufwärts.  Und  ein  solcher  Zustand  als  früher  bestanden  wird 
auch  Erfordemiss  daraus,  dass,  früher,  wie  aus  dem  Norden  besonders  nachzuweisen 
ist,  ein  Zustand  existirt  haben  muss,  wo  die  Wohnräume  der  Zimmerdecke  ent- 
behrten (so  trifft  man  es  ja  auch  noch  im  Hause  auf  Marken)^;,  und  darum  das 
Korn  zu  ebener  Erde  untergebracht  war.  Es  wird  sich  zeigen,  dass  dieser  Zu- 
stand auch  noch  in  einem  alten  Abkömmling  dänischer  Bauweise  nachweisbar  war 
und  thatsächlich  bestanden  hat,  wo  also  Heu-  und  Kornspeicher  an  Stelle  des 
Madsen' sehen  Heu-  und  Feuerungsraumes  und  der  föhrer  Tenne  eingerichtet 
waren. 

Aus  Allem  ziehe  ich  aber  den  Schluss,  dass  das  föhrer  Haus  eine  Umwand- 
lang des  Hauses  des  Hm  Madsen  ist.  Die  Tenne  lag  also  auch  hier  ursprünglich 
an  der  Stelle  der  jetzt  bestehenden  Vordiele,  sie  wurde  daraus  verlegt  in  den 
früheren  Heu-  und  Feuerungs-,  den  alten  Kornraum.  Theils  findet  sich  im  föhrer 
Hause  das  Kom  auf  dem  Boden,  Heu  und  Feuerang  noch  in  oder  bei  der  Tenne, 
oder  Heu  und  Korn  sind  beide  auf  den  Boden  verlegt,  welcher  speciell  auf  den 
Inseln  gleichmässig  in  der  Höhe  der  Zimmerdecke  als  „böm"  die  ganze  Fläche 
des  Hauses  überzieht. 

Die  mit  der  nordschleswigschen  stimmende  Bauart  bildet  auf  Föhr  und  den 
Inseln  der  Umgebung  keine  junge  Neuerung.    Denn  Dörfer  am  Rande  der  Marsch 


1)  Havard,  Eine   malerische  Reise   nach   den  todten  Städten  der  Zujder  See.    Aas 
dem  Französischen  1882,  15. 


(508) 


Figur  18. 


m^ 


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b 


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c 


c 


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il 


a  Marsch,  6  Weg  an  der  Marsch  unterhalb   des  Dorfes,  c  Abtheilongen  des  Dorfes  mit 
H&usem,  d  Querwege  durch  das  Dorf,  e  Strasse  auf  der  Gkest,  f  Felder  der  Geest 

auf  Föhr  (Dunsum,  Oldsum,  Rlintum,  Toftum  u.  s.  w.)  zeigen  eine  Ghnndanlage, 
welche  direkt  für  Häuser  dieser  Art,  nicht  etwa  für  solche  sächsischer  Art  be- 
messen erscheint,  in  der  Weise  der  Fig.  13. 

Jedenfalls  existirten  diese  Dörfer  um  das  Jahr  1400.  Zu  dieser  Zeit  muss 
also  die  jetzt  allgemeine  Bauart  schon  die  herrschende  gewesen  sein.  Wenn  sie 
von  aussen  eingewandert  ist,  so  wird  dadurch  ein  beträchtlich  früherer  Anfangs- 
termin der  Einwanderung  gegeben.  Nichts  schliesst  bis  jetzt  aus,  dass  diese  Bauart 
schon  beträchtliche  Jahrhunderte  früher  auf  Föhr  existirte. 

Um  die  geographische  und  nationale  Herkunft  dieser  ganzen  Bauart  zu  be- 
stimmen, giebt  es  hier  folgende  Mittel  der  Erkenntniss: 

1)  Die  geographische  Ausbreitung  über  Nordschleswig,  die  schleswigschen 
Inseln,  Süd-Jütland,  soweit  man  es  bis  jetzt  erkennen  kann,  und  über  das  halb  von 
Jütland  eingefasste  Fanö.  Mit  der  Herrschaft  des  diftrischen  Einflusses  in  Schleswig 
ist  auch  die  Verbreitung  dieses  Hauses  in  Schleswig  3ine  begünstigte  gewesen. 

Schon  Hr.  Henning  nahm  für  Nordschleswig,  Jütland,  Fünen  und  Seeland 
gleichartige  Bauart  an.  Die  quadratische  und  hufeisenförmige  Bauart  der  Höfe 
Seelands  stimmt  mit  der  in  Nordschleswig  zu  findenden. 

2)  Die  Benennungen  der  Haustheile.  Dieselben  sind  im  Nordschleswigschen 
annähernd  rein  dänisch,  auf  den  schleswigschen  Inseln,  wie  in  Nordfnesland, 
immerhin  zum  Theil  dänisch.  Schon  Hr.  Henning')  wies  auf  den  dänischen  Ur- 
sprung des  Namens  lohe  (in  Nordfriesland,  Eiderstedt  u.  s.  w.)  für  Tenne  (veiigL 
dänisch  lohe,  schwedisch  loghe,  finnisch  liuwa)  und  auf  die  dänischen  Beziehungen 
des  in  Nordfriesland  und  Eiderstedt  0  für  Stall  üblichen  Wortes  boos  (vgl.  dänisch 
baas*),  altnord.  bass)  hin.  Dem  nordfriesischen,  eiderstedter  und  dänischen  „lohe^ 
entspricht  nun  auch  auf  Föhr-Amrum  lohe,  Tenne,  dem  dänischen  baas,  Stall,  auf 

1)  Die  deutschen  Hanstypen  1886,  8.  9. 

2)  Boos  fftr  Stall  findet  sich  auch  in  Dithmarschen. 
d)  Isl&ndisch  Qös  StaU  (Maurer,  Island  S.486). 


N. 
J.M.» 


(509) 

Föhr-Ammm  btissem,  auf  den  Halligen  bösem,  nordfiies.  festländisch  bausem  *)• 
Snück,  Resselbaken,  auf  Föhr  entspricht  dänisch  nok,  Haken*);  slai  Scheune  auf 
Föhr  dänisch  lade  u.  s.  w. 

3)  Die  Vergleichung  der  im  Jahre  1802  von  Propst  Schade  auf  der  Insel 
Mors  im  Limijord  aufgenommenen  Bauchhäuser  (s.  Henning,  Das  deutsche  Haus 
Fig.  34 — 35).  An  ihnen  erkennt  man  eine  geringere  Entwickelung  der  Wohnräume 
(Zwei-  statt  Viertheilung)  und  die  Heerdfeuerung  vor  der  Wohnung  im  Flur.  Der 
Widerspruch  gegen  die  Möglichkeit  der  Verlegung  des  flurständigen  Heerdes  in 
diesem  Hause  in  das  Centrum  der  Wohnung  (Verh.  1890,  S.  71)  wird  von  mir  nicht 
aufrecht  erhalten.  Nachgewiesen  ist  freilich  diese  Verlegung  an  diesem  Hause 
auch  noch  nichi  Die  von  Hm.  Henning  aus  dem  angeler  und  pellwormer  Hause 
geschöpften  Beweise  (a.  a.  0.  S.  128)  sind,  der  eine  wegen  seines  über  die  Verhält- 
nisse täuschenden  Mischungscharakters,  der  andere  wegen  der  Hm.  Henning  selbst 
jetzt  bekannten  Omndverderbtheit  des  ganzen  Planes*)  nicht  stichhaltig.  Auch  ist 
noch  nicht  erwiesen,  dass  nicht  doch  von  jeher,  wie  in  diesem  Schornsteinhaus, 
so  in  dessen  direktem  unmittelbarem  Vorgänger  der  freiloderade  Heerd  im  Gentram 
der  Wohnung  lag.  Denn  als  skandinavische  Entwickelung  ist  z.  Th.  nachweisbar 
die,  dass  der  am  Giebel  betretbaren  einfachen  Feuerhütte  ein,  nunmehr  das  Haus 
nach  der  Fa^ade  zu  bloss  öfifnender  Flur  vorgelegt  wurde,  welcher  den  ürraum 
und  ürheerdplatz  in  den  hinter  dem  Flur  gelegenen  Raum  verschob^).  Aber  auch 
wenn  der  Einklang  zwischen  dem  nordschleswigschen  und  den  morser  Bauchhäusern 
hinsichtlich  des  Heerdplatzes  noch  nicht  hergestellt  ist,  und  auch  die  künftige 
Einigung  noch  nicht  in  voller  Gewissheit  erscheint,  so  bestehen  doch  zwischen 
diesem  und  jenen  Häusem  so  viele  Aehnlichkeiten,  dass,  sei  selbst  der  Urgrund 
im  ungünstigsten  Falle  ein  verschiedener  gewesen,  doch  die  Entwickelung  dieser 
und  jener  Häuser  sich  in  vieler  Hinsicht  als  eine  identische  erweist  Sie  harmo- 
niren  durchaus  gegenüber  dem  sächsischen.  Giebeleingänge  fehlen  in  den  morser 
Häusem.  Das  Gleiche  ist  von  Fanö  und  Barsö  belegt  (vgl.  Fig.  6 — 8  oben).  Die 
Zuwege  zum  Hause  sind  an  der  Langseite.  Auf  eine  frühere  Grand-Zweitheilung 
der  Wohnräume  im  föhrer  Haus  führten  mich  auch  schon  meine  vorjährigen  Er- 
örterungen. Dafür  liesse  sich  manches  Neue  zur  Bestätigung  anführen.  Wie  im 
föhrer  Hause  die  Abtheilung  des  Pisels  (Prankraums)  der  Abtheilung  der  Küche 
und  Wohstube  folgt,  so  folgt  im  morser  Rauchhause,  bei  Hrn.  Henning  Fig.  34, 
dem  Wohnraum  der  Staats-  und  Gastraum:  vesterstue  („Weststube";  auch  auf  Föhr 
u.  8.  w.  liegt  der  Pisel  meist  im  Westen).  In  der  „vesterstue"  zweigt  (nördlich) 
ein  Vorrathsraum  ab,  gleichwie  auf  Sylt  der  Nebenraum  des  Hauptpisels  „norder- 
pisel",  und  gleichwie  Vorräthe  auch  im  föhrer  Haus  im  Pisel  verwahrt  sind.  Die 
schmale,  quer  durch  das  Haus  erstreckte  Tenne,  welche  das  nordschleswigsche 
Haus  zeigt,  hat  im  Princip  auch  das  morser  Rauchhaus  a.  a.  0.  Fig.  35  bei  o. 

In  den  übereinstimmenden  Punkten  der  morser  Rauchhäuser  und  des  nord- 
schleswigschen Hauses  erkennt  man  Eigenthümlichkeiten,  welche  z.  Th.  nordischen 
Hausbau  überhaupt  charakterisiren.    Dahin   gehört:   das  Vorwalten  an  der  Lang- 


1)  Bende  Bendsen  a.  a.  0.  8.  408. 

2)  nordfries.  killsDaack  (Bendsen  a.a.  0.). 

3)  Henning,  Die  deutschen  Haustjpen  S.  6.    Das  correcte  Original  des  „pellwormer*' 
Planes  findet  sich  bei  Graf  E.  Reventlow-Farve  und  H.  v.  Warnstedt. 

4)  Troels  Lund,  Das  t&gliche  Leben  in   Skandinavien   1882,   12;  man  vergl.  auch 
Mandelgren  a.  a.  0.,  Tafeln  der  Hefte  I~U. 


(510) 

Seite  des  Hauses  befindlicher  Eingänge,  das  herrschende  Princip  der  Qaerabthei- 
langen  im  Hause.  Es  lässt  sich  aus  Mandelgren^s  Atlas  und  anderen  Quellen 
leicht  constatiren,  dass  auch  im  südlichen  Schweden  und  Norwegen  Bauformen 
üblich  sind,  welche  mit  dem  (obrer  und  nordschleswigschen  Hause  grosse  Aehnlich- 
keit  in  den  Hauptpunkten  haben.  Unter  solchen  Umständen  kann  darüber  kein 
Zweifel  walten,  dass  in  den  charakteristischen  Eigenthümlichkeiten  des  nord- 
schleswigschen und  südjütländischen  Hauses  Merkmale  des  Hausbaus  zu  erblicken 
sind,  welche  über  grosse  Gebiete  der  südlichen  skandinavischen  Region  herrschen 
müssen,  selbst  nordisch  sind,  und  durch  nordischen,  dänisch-skandinavischen  Ein- 
fluss  im  südlichen  Jütland  und  Schleswig  zur  Greltung  gelangten. 

Nun  kennt  Nordfriesland  (um  von  den,  südlich  von  Husum  gelegenen  extremen 
Theilen  hier  abzusehen)  nur  Einrichtungen,  welche  entweder  dem  föhrer  Typus 
gleichen  (man  vergleiche  oben  die  Notiz  über  Drellsdorf),  oder  —  neben  einer  der 
föhrer  gleichenden  Wohnung  —  in  Querfächem  nach  dänischer  Weise  unter- 
gebrachte Wirthschaftsräume  zeigen.  Das  in  Nordfriesland  herrschende  Haus  hat 
also  nicht  die  geringste  wesentliche  Aehnlichkeit  mit  den  immer  noch  sächsische 
Merkmale  zeigenden  Plänen  Hrn.  Jahn' s  aus  Osten feld.  Das  ostenfelder  Haus  als 
„das  nordfriesische*'  hinzustellen  ist  also  ein  Widerspruch  zu  den  Thatsachen. 
Auch  „ältestes^  nordfriesisches  Haus  ist  das  Haus  des  18.  Jahrhunderts  nicht. 
Denn  es  ist  eben  nur  Uebergangs-,  Mischform,  zeitlich  vorübergehende  Form, 
und    in  Ostenfeld   sind   in   älterer   sächsischer  Form  Häuser   vorhanden. 

Das  Haus  Nordfrieslands,  wie  es  jetzt  ist,  ist  als  ein  dänisches  mit  Recht  be- 
zeichnet worden.  Aus  dem  Erörterten  lässt  sich  die  Richtigkeit  dieser  Benennung 
ableiten.  Hr.  Jahn  hat  allerdings  geäussert,  die  Niebüller  bauten  nach  derselben 
Art  wie  die  Ostenfelder  (S.  552),  —  ein  Beweis  ist  nicht  vorgelegt;  von  Niebüll 
aus  aber  wird  in  bestimmter  Weise  zur  Zeit  bestritten,  dass  dort  eine  andere,  als 
die  sonst  in  Nordfriesland  allgemeine,  dänische,  nicht  sächsische  Bauart  vor- 
komme. 

Nach  allem  Vorausgehenden  erkennt  man  Folgendes: 

Der  Beweis  der  Herkunft  der  föhrer  Bauart  aus  der  sächsischen  ist  nicht  er- 
bracht, im  Gogentheil  erweist  sie  sich  als  eng  verwandt  mit  der  nordschleswig- 
schen, deren  Selbständigkeit  der  sächsischen  Bauart  gegenüber  Hr.  Jahn  gewähren 
Hess  (S.  533). 

Das  nordfriesische  Haus  ist  zur  Zeit  nicht  das  ostenfelder  oder  sonst  ein  säch- 
sisches, sondern  ein  mit  der  föhrer  oder  anderen  direkten  Ableitungen  aus  der 
dänischen  Bauform  stimmendes. 

Gewisse  Uebereinstimmungen  zwischen  dem  föhrer  Typus  und  der  jüngsten 
ostenfelder  Bauart  sind  ja  nicht  zu  verkennen.  Sie  liegen  aber  auf  Seiten  der 
nicht  sächsischen  Elemente  dieser,  einem  fremden  Typus  angeähnelten  Bauforra, 
nicht  auf  Seiten  der,  dem  gemeinen  sächsischen  Hause  eigen thümlichen  Elemente. 
Es  ergiebt  sich,  dass  die  ganze  Aehnlichkeit  nur  dadurch  entstand,  dass  das  säch- 
sische Haus  einem  Typus  augeähnelt  wurde,  als  dessen  Vertreter  in  dieser  Hin- 
sicht das  föhrer  Haus  sich  geltend  macht.  — 

Nun  hat  sich  also  erwiesen,  dass  das  älteste  ostenfelder  Haus  keine  „Modifi- 
cation"  des  niedersächsischen  Hauses  in  dem  Grade  war,  wie  das  Haus  nach 
Hrn.  Jahn \s  Fig.  1  (S.  531).  Wäre  Ostenfeld  maassgebend  für  das,  was  in  Nord- 
friesland ehedem  als  Bauerhans  erstand,  so  müsste  das  älteste  nordfriesische 
Haus  sogar  noch  reiner  sächsisch  gewesen  sein,  als  es  aus  Hrn.  Jahn^s  Aus- 
führung als  Nothwendigkeit  hervorgehen  würde.    Es  fragt  sich  nur,   ob  man  denn 


(511) 

auf  die  in  Ostenfeld  zur  Zeit  vorhandenen  Verhältnisse  in  dieser  Weise  so  ausser- 
ordentlich viel  geben  soll.  Und  das  scheint  sich  nicht  zu  empfehlen,  obwohl  Hr. 
Jahn  in  Osten feld*  gern  einen  „unverfälscht  friesischen  Gau"  sieht.  Denn  obwohl 
die  von  8—9  Frauen  nur  noch  in  Ostenfeld  getragene  bunte  Tracht  altfriesisch  ist, 
so  mischen  sich  doch  sächsische  und  friesische  Verhältnisse  im  ostenfelder  Kirch- 
spiel derartig,  dass  man  aus  der  alten  Ueblichkeit  einer  sächsischen  Hausform  im 
Ostenfelder  Kirchspiel  jedenfalls  nicht  unmittelbar  die  frühere  Ueblichkeit  derselben 
sächsischen  Hausform  auch  durch  das  ganze  übrige  Nordfriesland  wird  ableiten 
dürfen. 

Die  friesische  Sprache  ist  in  Ostenfeld  seit  lange  verloren;  es  ist  mir  unbekannt, 
seit  wann,  auch  unbekannt,  ob  es  sich  aus  irgend  welchen  Quellen  noch  erweisen 
lässt,  dass  und  wann  sie  in  Ostenfeld  herrschte.  Man  spricht  in  Ostenfeld  das 
sächsische  Platt  Die  Sprache  ist,  wie  mir  Hr.  Voss  mittheilt,  in  Ostenfeld  „ganz 
mittelholsteinisch  niedersächsisch^.  Die  Ortsnamen  Ostenfeld  und  Wittbeck  sind 
sächsischer  Abkunft;  wie  es  sich  mit  den  beiden  anderen  Ortsnamen  des  Kirch- 
spiels, Windert  und  Rott,  verhält,  ist  mir  unbekannt,  doch  scheinen  sie  nicht  nord- 
friesisch. Die  Flurnamen  sind  theils  sächsisch,  theils  dänisch  u.  s.  w.  (nach  inter- 
essanter ausführlicher  Mittheilung  von  Hrn.  Voss).  Die  männlichen  Personen- 
namen sind  vielleicht  insgesammt  sächsisch;  der  häufigste  in  Ostenfeld  ist:  Harm; 
unter  den  weiblichen  Personennamen  scheinen  Maika  und  Metta  friesisch,  andere 
Belege  weiblicher  Personennamen  friesischer  Abkunft  sind  unbekannt  (Mittheilungen 
von  Hrn.  Voss). 

Sehr  erklärlich  ist  es,  dass  das  Ostenfelder  Kirchspiel  keine  rein  friesischen 
Verhältnisse  darbietet.  An  der  südöstlichen  Grenze  Nordfrieslands  gelegen,  nur 
durch  die  Treene  von  sächsischen  Nachbarn  geschieden,  welche,  gegen  Norden 
durch  das  alte  Danewerk  geschützt,  nach  Süden  ununterbrochen  in  die  nahegesesse- 
nen holsteiner  Sachsen  übergingen,  musste  es  gewiss  in  allen  Jahrhunderten  starke 
sächsische  nachbarliche  Einwirkungen  erfahren.  — 

Allein  wenn  auch  Ostenfelds  Verhältnisse  im  Zweifel  über  ursprünglich  säch- 
sisch oder  anders  geartete  Verhältnisse  der  Nordfriesen  nicht  mehr  den  Ausschlag 
geben,  und  demnach  auch  aus  sächsischer  Bauweise  der  Ostenfelder  nicht  un- 
mittelbar hervorgeht,  dass  die  Nordfriesen  ehedem  ihre  Häuser  nach  sächsi- 
scher Form  errichteten,  so  sei  doch  Hrn.  Jahn  gern  die  Möglichkeit  des  Vor- 
bestandes der  sächsischen  Bauform  vor  der  jetzt  herrschenden  fremden,  allem  An- 
schein nach  allmählich  früher  importirten  zugegeben.  Nur  fehlt  es  auf  dem  Boden 
Nordfrieslands  zur  Zeit  noch  an  ausgiebigen  Beweisen  dafür.  In  der  moringer 
und  hattstedter  Mundart  bezeichnet  hetstin  („Heerdstein")  den  Heerd ').  Man  könnte 
darin  eine  Hindeutung  auf  die  im  sächsischen  Hause  bisweilen  durch  einen  einzelnen 
Stein  gebildete  Heerdeinrichtung  sehen.  In  der  bredstedter  Gegend  stehen  in  man- 
chen Dörfern  einzelne  Häuser  etwas  auffällig  mit  den  Giebeln  nach  den  Wegen  zu 
gerichtet.  Darin  könnte  gleichfalls  ein  Anzeichen  für  die  frühere  Gepflogenheit 
des  sächsischen  Hausbaus  in  der  Gegend,  da  das  sächsische  Haus  diese  Stellung 
einzunehmen  pflegt,  gesehen  werden-.  Freilich  bestreiten  die  Einwohner  der  Orie, 
und  im  Lande  auch  sonst  Erfahrene,  bis  jetzt  die  Berechtigung  der  Beziehung  auf 
den  sächsischen  Hausbau.  Nach  ihrer  Erklärung  hätten  diese  Häuser  ihre  von  der 
gewöhnlichen  abweichende  Richtung  durch  die  Rücksichtnahme  auf  die  in  diesen 

1)  Bende  Bendsen,  Die  nordfries.  Sprache  nach  der  moringer  Mundart  ISCO,  408: 
Th.  Siebs,  Zur  Gesch.  der  engl.-fries.  Sprache  1889,  I.  122. 


(512) 

Rüstengegenden  dem  Hause  gefährlichen  Winde  0-  Demnach  wird  es  weiteren 
Untersuchungen  zu  überlassen  sein,  festzustellen,  welche  der  beiden  möglichen 
Auffassungen  bei  diesem  Punkte  im  Becht  ist^).  — 

Im  vorigen  Jahre  suchte  ich  den  Nachweis  zu  führen  (S.  71  fg.),  dass  die- 
jenigen Elemente  von  Friesen  bewohnter  Häuser  der  westdeutschen  Nordseekttsten, 
welche  man  früher,  obwohl  bestritten,  als  von  der  sächsischen  abweichend,  einer 
existirenden  eigenthümlichen  friesischen  Bauart  zugeschrieben  hatte,  wirklich  einer 
besonderen  Bauart  einzuordnen  seien,  auf  dieser  beruhen,  und  nicht  durch  blosse 
Variation  der  sächsischen  Bauart  entstanden  sein  können.  G^enwärtig,  wo  man 
über  das  fohringer  Haus,  dessen  Entwickelungsstufen  und  seine  dänische  Herkunft 
£rehr  viel  klarer  sehen  kann,  lassen  sich  auch  die  Auffassungen  über  Wesen,  Um- 
fang und  geographische  Ausbreitung  dieser  abweichenden  Bauart  immerhin  schon 
sehr  viel  klarer  gestalten. 

Das  älteste  thatsächliche,  den  ungefähren  Jahren  nach  bekannte  und  in  dieser 
Hinsicht  zugleich  besonders  alterthümliche  Haus  ist  das  altostlriesische  Hans, 
welches  Cadovius  Müller  um  1730,  also  wahrscheinlich  als  ein  Haus  des  16. 
oder  17.  Jahrhunderts  aufnahm  (reproducirt  bei  Henning,  Das  deutsche  Haus 
S.  42,  Fig.  24).  Dasselbe  ist  dadurch  beachtenswerth,  dass  es  in  der  Einrichtung 
der  Wirthschaft,  —  von  der,  in  dem  Plane  der  Lage  nach  nicht  bekannten  Tenne 
abgesehen,  —  selbst  alterthümlicher  dänisch  ist,  als  das  alte  nordschleswigsche 
Haus  des  Hm.  Madsen.  Es  zeigt  dem  Stall  gegenüber  Heu-  und  Kornspeicher. 
Hier  liegt  also  im  Speicher  auch  noch  das  Korn,  welches  im  nordschleswigschen 
Hause  des  Hm.  Madsen  schon  auf  den  Boden  übertragen  ist,  in  seiner  früheren 
Unterbringung  zu  ebener  Erde  aber  noch  rückerschliessbar  erschien. 

Jetzt  wissen  wir,  dass  auch  die  Querlage  der  Tenne  in  dem,  dem  fbhrer  voraus- 
gehenden Hause  das  Uebliche  war.  Das  Vorkommen  dieser  unsächsischen  Tennen- 
lage im  friesischen  Hause  der  Wesermarschen  gewinnt  dadurch  an  Enteresse.  Wir 
haben  sie  sowohl  durch  Hm.  Allmers  (Marschenbuch  1859,  S.  339)  aus  demBut- 
jahdinger  und  Stedinger  Lande,  wie  durch  Las  ins  (Das  friesische  Bauerhaus  1885, 
S.  9,  Fig.  3)  aus  dem  Jeverlande  bezeugt. 

Als  dänischen  Ausdmck  für  Speicher  habe  ich  Oulv  und  Oolf  erschlossen. 
Oulv  heisst  auch  norwegisch  und  schwedisch*)  Speicher.  In  den  Wesermarschen, 
dem  Butjahdinger  und  Stedinger  Land,  femer  in  Ostfriesland  heisst  der,  der  Anlage 
des  sächsischen  Hauses  als  mittlerer  Wirthschaftseinbau  widerstrebende  Speicher 
der  Vierkant,  „Qulf"  oder  „Golf".  Nun  war  althochdeutsch,  wie  altnordisch,  Golf 
ein  Wort  in  der  Bedeutung  Raum,   Zinmier*);   das  heutige  deutsche  „wölben*  ist 


1)  Mit  Rücksicht  auf  Wind  und  Wetter  ist  die  bevorsugte  Stellung  der  Uluser  die 
von  West  nach  Ost,  so  dass  am  Westende  die  Wohnung,  am  Ostende  die  Wirthschaft,  der 
Haupteingang  im  Süden  ist.    Freilich  sind  Ausnahmen  sahireich. 

2)  Die  Möglichkeit  ursprünglich  sächsischer  Bauart  aller  Friesen  ist  luxugeben,  obtwar 
bindende  Beweise  dafür  meines  Erachtens  noch  anderswoher,  als  bei  den  enclavisch 
zwischen  Sachsen  in  Holstein  und  an  der  Elbe  .wohnenden  friesischen  Abtheilnngen  ge- 
sacht worden  sollten.  Die  Bauart  Ostfrieslands  ist  noch  ungenügend  untersucht.  Beob- 
achter, wie  Ss.  (in  der  Weserzeitong  vom  18.  Januar  1885),  stellen  sie  bestimmt  der  ge- 
wöhnlichen sächsischen  (auch  im  Saterland  vertretenen)  gegenüber.  Nicht  untersucht  ist  die 
Bauart  der  300000  Friesen  des  holländischen  Königreichs,  des  Näheren  so  gut  wie  an- 
bekannt die  Einrichtung  des  noch  auf  der  Insel  Marken  in  der  Zujder  See  in  tahlreichen 
Exemplaren  vertretenen  Rauchhauses. 

8)  Oehrlander  und  Leffler,  Tetraglott-Lexicon  1852,  181. 
4)  Schade,  Althochd.  Glossar.  1872—82,  LBand. 


(513) 

damit  yerwandi  Dieses  Wort  Oolf  ist  nach  dem  Althochdeutschen  im  speciell 
deutschen  Sprachgebiet  vollständig  erloschen.  Im  ganzen  Norden  hat  es  sich  er- 
halten, isländisch  heisst  es  sogar  noch  Raum,  bisweilen  Zimmer.  „Framgulv" 
stammt  davon  ab.  Sonst  bedeutet  „Gulv^  oft:  Pflaster  oder  Fussboden,  dänisch, 
schwedisch  und  norwegisch  aber  auch  Speicher.  Diese  Bedeutung  ist  aus  der  Be- 
deutung Zimmer  oder  Fussboden  entwickelt.  Sie  ist  specifisch  nordisch,  sie  ist 
deutsch  schon  deswegen  nicht  möglich,  weil  hier  das  Wort  längst  erloschen  ist. 
Eine  von  friesischen  Lexikonschreibem  versuchte  Ableitung  des  friesischen  „golf^ 
aus  griechischem  xo\noq^  Busen,  mittelalterlich  golfe,  Meerbusen,  ist  verkehrt  0*  Es 
bleibt  nur  die  Ableitung  durch  üebertragung  des  Wortes  und  Begriffes  aus  den  skan- 
dinavischen Sprachen.  Schon  das  Wort  ist  also  ein  sprechender  Beweis  dänischen 
Einflusses,  um  so  mehr  der  damit  der  Begel  nach  ausgedrückte  Vierkant.  Der 
Vierkant  kommt  auch  bei  Papenburg  (Gegend  vom  Burtanger  Moor)  im  deutschen 
Binnenlande  vor*).  Golf  findet  sich  auch  in  Westfriesland  als  Golle  (Stüremberg 
a.  a.  0.),  im  Saterlande  als  Golf  (an  letztem  Orte  vielleicht  jünger)*).  Der  dänische 
Einfluss  ist  sonach  theils  im  Wort  Golf,  theils  im  Vierkant  an  sich,  von  der  Zuyder 
See  etwa  bis  Eiderstedt,  und  selbst,  wie  von  Papenburg,  aus  dem  Binnenlande  im 
Hausbau  nachweisbar.  Den  ganzen  Umfang  des  dänischen  Hausbaus  sowohl  ex- 
tensiv als  intensiv  in  diesem  Verbreitungsgebiet  zu  bestimmen,  wird  eine  nicht  un- 
interessante Aufgabe  künftig  bilden. 

Der  dänische  Einfluss  kann  auch  nicht  jung  sein.  Die  grosse  Ausbreitung  von 
„Golf"  als  Wort  und  Vierkant  an  den  von  Friesen  bewohnten  Rüsten  und  z.  Th. 
im  Inlande  scheinen  dafür  zu  sprechen.  Die  länger  als  die  Eiderstedter,  in 
Schleswig  ansässigen  Friesen  haben  die  ostfriesische  Form  des  Vierkants  nicht,  wenn 
auch  das  Wort  Vierkant,  jedoch  die  Eiderstedter.  Eiderstedt  wurde  anscheinend 
von  Durstede  in  Holland  aus  im  9.  Jahrhundert  besiedelt.  Der  Schluss  wäre  nicht 
ganz  gerechtfertigt,  dass  der  Vierkant  damals  schon  mit  übertragen  wurde.  Er  kann 
später,  wie  manche  Hauseinrichtung  sonst,  von  Jütland  nach  der  Weser  nach- 
gewandert sein.  Immerhin  muss  man  sicher  annehmen,  dass  schon  in  der  Zeit  der 
Banchhäuser  das  dänische  Haus  nach  den  westdeutschen  Rüsten  ausgebreitet 
worden  ist.  Das  würde  nur  eine  Verbreitung  des  dänischen  Hauses  nach  diesen 
Rüsten  vor  etwa  3 — 400  Jahren  bedingen.  Auf  diesen  Znstand  des  Hauses  bei  der 
Oebersiedelung  lassen  die  durchgehenden  Querabtheilungen  von  Wohnräumen,  wie 
sie  von  Spiekeroog  und  von  dem  älteren  friesischen  Hause  aus  den  Rechtsquellen 
durch  Hm.  Henning  (a.  a.  0.  1882,  S.  134)  bestätigt  sind,  schliessen.  Denn  die 
Querabtheilungen  wurden  in  je  zwei  Räume  zerlegt,  als  an  Stelle  von  Bänken  und 
Betten  seitliche  Durchbrechungen  von  Fenstern  erfolgten,  und  dadurch  die  Räume 
ungewollt  breit  wurden.  Die  Einführung  der  Fenster  aber  fiel  ungefähr  mit  dem 
Ersatz  der  Licht  gebenden  Rauchlöcher  —  und  der  freilodemden  Heerde  im  Hause 
durch  schornsteinartige  Einrichtungen  —  zusammen.  Die  quer  durchgehenden 
Wohnräume  repräsentiren  also  in  der  grossen  allgemeinen  Entwickelung  etwa  den 
Zustand  der  Wohneinrichtung  aus  der  Zeit  der  Rauchhäuser.  Jedoch  ist  dieser 
Schluss  immer  noch  nicht  so  gut,  als  der  aus  der  grossen  Verbreitung  dänischer 
Hauseinrichtungen  in   dem  südlichen  Nordseeküstengebiet,   um  zu  beweisen,  dass 


1)  Ten  Doornkaat  Koolman,  Wörterb.  d.  ostfiries.  Sprache   1879,  I.   706;  Dirk 
Heinrich  Stüremberg,  Ostfries.  Wörterbuch  1857,  78. 

2)  ö.  V.  Bezold,  Allg.  Bauzeitung  v.  Köstlin  1881,  XLVL  78,  Taf.  H. 
8)  Weserzeitong,  18.  Januar  1885.  \ 

Vtrlundl.  d«r  B«rl.  Aothropol.  0«t«Uaehafl  1891.  33 


(514) 

das   dänische  Haus  in  früherer  Ranchhauszeit  schon  im  südlichen  Nordseeküsten- 
gebiete Wurzel  gefasst  haben  muss. 

In  der  englischen  Grafschaft  Norfolk,  welche  in  England  am  meisten  gegen 
Dänemark  vorragt  und  Rüstengebiet  ist,  ist  gulph,  ebenso  goafstead,  go-stead 
als  mit  Getreide  gefülltes  Scheunenfach  nachweisbar').  „Stead^  erinnert  genau  an 
„stede",  wie  es  z.  B.  in  dänisch  amestede,  Heerd,  vorliegt.  Da  der  nämliche 
Ausdruck  gulph  anscheinend  aus  anderen  englischen  Dialecten  nicht  nachweisbar 
ist,  so  haben  die  Angelsachsen  den  Speicher  „GolP  sicher  nicht  mit  nach  England 
genommen.  Wenn  man  darnach  auch  darüber  im  unklaren  bleibt,  welche  Haus- 
form  die  einwandernden  Angelsachsen  selbst  mit  nach  England  gebracht  haben 
(die  ursprünglichen  bäuerlichen  Bauweisen  Englands  sind  noch  nicht  näher  er- 
forscht), so  erfährt  man  doch  daraus,  dass  der  Golf  in  späterer  Zeit  nach  England 
gelangt  ist,  wie  manche  dänische  Neuerung  am  dänischen  Hause  der  Wesermarschen 
auch  in  jüngerer  Zeit  noch  vom  dänischen  Volksgebiete  aus  eingeführt  wurde.  Die 
Zeit  des  dänischen,  beziehungsweise  des  normannischen  Einflusses  (vermittelt  be- 
sonders durch  üeberfälle)  in  England  wird  von  kundigen  Forschem  eingeschränkt 
zwischen  die  Jahre  787  und  1150^).  In  dieser  Zeit  muss  darnach  der  dänische 
golf  Eingang  gefunden  haben.  Welche  Form  dieser  dänische  Kornspeicher  damals 
hatte,  ob  die  des  ostfriesischen  Vierkants  oder  eine  andere,  bleibt  darnach  freilich 
auch  noch  unaufgeklärt.  Auf  Einwirkungen  des  dänischen  Hauses  in  Nordengland 
scheint  auch  nordenglisch  boose,  Stall,  zu  deuten'). 

Befremdlich  musste  Mitteldeutschen  die  lange,  ganz  schmale  Tenne  des  däni- 
schen Hauses  erscheinen.  Vielleicht  giebt  eine,  auch  in  Norfolk  im  vorigen  Jahr- 
hundert geübte,  von  Marsh aiP)  bestätigte  Weise,  das  Getreide  zu  reinigen,  dafür 
eine  Erklärung.  Man  schaufelte  das  Getreide  von  einem  Ehide  der  Tenne  zun 
anderen,  und  suchte  deshalb  diese  möglichst  lang  zu  gestalten. 

Wir  gelangen  also  zu  Einflüssen  dänischen  Hausbaues  über  Schleswig,  ein- 
schliesslich Eiderstedt  nebst  Inseln  und  Halligen,  über  die  Rtistengebiete  von  der 
Weser  etwa  bis  zur  Zuyder  See,  und  selbst  über  einen  Theil  der  englischen  Küste. 

Man  nimmt  an,  dass  die  friesischen  Wanderungen  von  Westen  nach  Osten, 
von  Süden  nach  Norden  fortschritten.  Das  bei  den  Friesen  weit  verbreitete  Hans 
zog  in  entgegengesetzter  Richtung.  Es  folgte  auch  nicht  den  Küsten,  sondern  zog 
über  das  Meer,  denn  es  fehlte  bis  in  die  neuere  Zeit  von  der  Eider  bis  zur  Weser. 
Es  folgte  auch  nicht  bloss  geographischen  Bezirken,  sondern  Wohnsitzen  von 
Stämmen;  die  Sachsen  Holsteins  und  des  Gebietes  zwischen  Elbe  und  Weser  mied 
es,  verbreitete  sich  dagegen  vielleicht  hinein  bis  Holland.  Es  ist  auch  nicht  mit 
einem  Mal  übergesetzt,  um  dann  die  Verbindung  zu  unterbrechen.  Denn  durch 
längere  Perioden  hat  es  die  Verbindung  forterhalten.  Man  findet  die  alte  Zwei- 
theilung der  Wohnung  (auf  Spiekeroog  und  nach  altfriesischen  Bechtsquellen),  da- 
neben die  schleswig-jütische  neuere  Viertheilung  mit  Lage  der  Küche  diagonal 
gegenüber  dem  Pisel;  man  findet  die  alte  Querlage  der  Tenne  vertreten,  und  da- 
neben auch  die  neuere  Längslage.  Aus  den  fortschreitenden  Parallelentwickelungen 
des  dänischen  Hauses  an  den  westdeutschen  Küsten  und  des  Hauses  in  Schleswig  ist 
um  so  weniger  der  Schluss  zu  ziehen,  dass  das  dänische  Haus  der  westdeutschen 
Küsten  erst  in  jüngerer  historischer  Zeit  aus  dem  Norden  übertragen  sein  möge. 

1)  Francis  Qrose,  Provincirf  Gloss&ry  1790. 

2)  R.  Porby,  Vocabulary  of  East  Anglia  1880,  I.  32. 
8)  Francis  Grose,  1.  c. 

4)  Homphrj  MarshalTs  Beschreibung  der  Landwirthschaft  in  der  Grafsch.  Norfolk. 
Aus  dem  Englischen  durch  Graf  v.  Podewils.  1797,  L  185,  296. 


(515) 

Vielleicht  darf  man  aus  der  Beobachtung  dieser  fortgesetzten  Parallelentwicke- 
langen  die  Yermathong  eines  geographischen  Gesetzes  ableiten,  wonach  yielleicht 
von  jeher  Gnltarznstände  der  jütischen  Halbinsel  nnd  der  westlichen  deutschen 
Küsten  sich  auszugleichen  bestrebt  gewesen  sind.  — 

(20)   Hr.  C.  P.  Lehmann  erstattet  einen  vorläufigen  Bericht  über 

metrologische  Studien  im  British  Museum. 

Gegen  Ende  meines  Vortrages  „über  altbabylonisches  Maass  und  Gewicht  und 
deren  "Wanderung"  (Verh.  1889.  S.  326)  habe  ich  als  eine  wichtige  Aufgabe  der 
Metrologie  die  Sammlung  des  gesammten  vorhandenen  Materials  an  antiken  Ge- 
wichten und  ihre  Vereinigung  in  einem  Corpus  ponderum  antiquorum  bezeichnet. 
Die  Aufgabe  erschien  mir  ausführbar,  weil  sich  das,  allerdings  in  den  verschie- 
denen Museen  verstreute  Material  als  nicht  allzu  umfassend  darstellte,  —  eine  etwas 
sanguinische  Auffassung,  wie  die  weiteren  Untersuchungen  und  die  Fortsetzung  der 
Ausgrabungen  im  Orient  gezeigt  haben.  Sie  erschien  mir  wichtig,  weil  sie  nicht 
aUein  die  Uebersicht  und  die  Erkenntniss  der  Theilgrössen  des  babylonischen 
Systems  erleichtem,  sondern  auch,  da  die  Alten  ihre  Gewichte  vielfach  mit  Bildern 
und  Inschriften  zu  versehen  liebten,  die  dann  naturgemäss  mit  den  auf  den  Münzen 
gleicher  Provenienz  erscheinenden  vielfach  identisch  sind,  einen  Beitrag  zur  antiken 
Kunstgeschichte  und  Epigraphik  liefern  und  eine  nicht  zu  unterschätzende  Ergän- 
zung zu  jedem  Corpus  nummorum  bilden  muss. 

Ohne  dass  ich  es  wusste,  war  diese  Aufgabe  von  berufener  anderer  Seite  nicht 
bloss  in  Aussicht,  sondern  in  AngrifT  genommen,  —  der  beste  Beweis  für  ein  in 
dieser  Richtung  vorhandenes  Bedürfiiiss. 

Die  Sammlung  der  erhaltenen  antiken  Gewichte,  zunächst  auf  dem  Gebiete 
des  classischen  Alterthums,  ist  in  rüstigem  Fortgang  begriffen,  und  wenn  von 
einer  Bewältigung  der  gesammten  Aufgabe  auch  im  besten  FaUe  erst  nach  Jahren 
die  Bede  wtirde  sein  können,  so  wurde  doch  gemeinsames  Hinarbeiten  nach  dem- 
selben Ziel  verabredet,  um  eine  Vereinigung  der  aus  dem  orientalischen  und  aus 
dem  classischen  Alterthum  erhaltenen  Gewichte  vorzubereiten.  Als  ich  daher  im 
October  1890  mit  Unterstützung  der  Averhoff-Stiftung  in  Hambui^  eine  Reise 
nach  London  zwecks  inschriftlicher  Studien  im  British  Museum  antrat,  hegte  ich  den 
Wunsch,  den  Aufenthalt  etwas  länger  auszudehnen,  um  neben  den  mich  angehenden 
Inschriften*)  auch  den  Gewichten  des  Department  of  Egyptian  and  Assyrian  Anti- 
quities  im  British  Museum  einige  Aufmerksamkeit  zuwenden  zu  können.  Die  Mittel 
dazu  wurden  mir  mit  liebenswürdiger  Bereitwilligkeit  aus  derKudolf  Virchow- 
Stiftung  gewährt  und  ich  freue  mich  der  Gelegenheit,  deren  Vertreter,  unserem  ver- 
ehrten Hm.  Vorsitzenden,  an  dieser  Stelle  öffentlich  meinen  aufrichtigen  Dank  aus- 
sprechen zu  können.  Das  vorhandene  reichliche  Material  zu  erschöpfen,  ist  mir  in 
der  beschränkten  Zeit  nicht  gelungen.  Und  da  ich  somit  doch  von  vornherein  auf 
Vollständigkeit  verzichten  muss,  so  gebe  ich  einen  provisorischen  Bericht,  indem 
ich  nur  das  Wichtige  von  dem  hervorhebe,  was  ich  zu  beobachten  und  zu  unter- 
suchen Gelegenheit  hatte. 

Andererseits    möchte    ich   eine  Erweiterung  des   Berichtes   eintreten  lassen: 


1)   8.  mein   demnächst  erscheinendes  Buch:   „SamaSSumnkin  König  von  Babylonien* 
Tat  XLU— XLVn  und  Theü  H.  72  IL 

88* 


(516) 

Während  ich  in  den  Jahren  1887  und  1888  mit  der  Inventarisining  und  Katalogi- 
sining  der  vorderasiatischen  Alterthümer  der  ä^^tischen  Abtheilung  der  könig- 
lichen Museen  beschäftigt  war,  habe  ich  mehrfach  Gelegenheit  zu  metrologischen 
Untersuchungen  gehabt,  deren  Ergebnisse  grossentheils  noch  unveröffentlicht  sind. 
Da  das  Material  naturgemäss  vielfach  mit  dem  in  London  gewonnenen  Ver- 
wandtschaft und  nahe  Berührung  z^igt,  so  möchte  ich  die  Gelegenheit  benutzen, 
einiges  Wichtigere  auch  aus  den  Berliner  Sammlungen  beizubringen.  Der  Verwal- 
tung der  ägytischen  Abtheilung  und  der  Qeneralverwaltung  der  königlichen 
Museen  spreche  ich  hiermit  meinen  verbindlichen  Dank  aus  für  die  auf  meinen 
Wunsch  angeordnete  Anfertigung  und  gütige  Ueberweisung  einer  Anzahl  von  Ab- 
güssen und  Abdrücken  zum  Zwecke  der  Reproduction  an  dieser  Stelle. 

A.   Gewichte  mit  Legenden  und  Nominalbezeichnnng. 

L  Den  Kern  des  Bestandes  an  assyrischen  Gewichten  hilden  die  Bronze- 
gewichte in  Gestalt  von  liegenden  Löwen,  welche  Layard')  in  Nimrud  auf  der 
Stätte  des  alten  Niniveh  fand.  Dieselben  sind  im  Ganzen  wohlerhalten  und,  was 
die  Gewichtsbestimmung  anlangt,  mehrfach  untersucht,  worüber  alles  Nähere  bei 
Brandis  und  Hultsch')  zu  finden  ist.  Die  genaueste  Wägung  ist  jedenfalls  die, 
welche  im  ,,Ninth  Annual  Report  of  the  Warden  of  the  Standards^  in  den  Parlia- 
mentary  Papers  von  Ghisholm  gegeben  ist,  den  ich  wohl  schwerlich  anders  als 
im  British  Museum  zu  Gesicht  bekommen  hätte.  Sie  bewegen  sich  zwischen 
15  Minen  und  3  Schekel  (?),  sind  sämmtlich  königliche  Gewichte  und  scheinen 
demjenigen  System  anzugehören,  das  ich  sehr  provisorisch  als  reducirte  Form  der 
erhöhten  (königlichen)  Norm  bezeichnet  habe  (Verh.  1889.  S.  278  ff.,  284).  Sie 
tragen  assyrische  Inschriften  und  daneben  zumeist  Inschriften  in  aramäischer 
Schrift  und  Sprache;  ausserdem  wird  das  Nominal  vielfach  noch  durch  eine  An- 
zahl Striche  bezeichnet.  Die  aramänischen  Inschriften,  die  noch  jetzt  wohl  er- 
halten sind,  haben  mehrfach  eine  eingehende  Behandlung  erfahren').  Die  Hoff- 
nung, dass  erneutes  Studium  der  keilinschriftlichen  Legenden  bei  dem  jetzigen  vor- 
gerückten Stande  der  Keilschriftforschung  bessere,  als  die  bisher  erreichten  Ergeb- 
nisse, erzielen  werde,  dürfte  sich  schwerlich  verwirklichen,  auch  bei  eingehenderer 
Prüfung,  als  ich  sie  diesen  Monumenten  angedeihen  lassen  konnte.  Die  Keil- 
inschriften standen  zumeist  auf  den  Rücken  der  Löwen,  dem  am  meisten  exponirten 
Theile,  und  sind  meist  abgebröckelt  oder  durch  Rost  und  andere  Einflüsse  unleser- 
lich geworden  und  zerstört.  — 

Die  Löwenform  hat  sich  für  Gewichte  und  Münzen  weit  über  die  Grenzen 
Assyriens  verbreitet:  wir  erinnern  an  das  bekannte  Löwengewicht  von  Abydos*), 
an  die  ältesten  lydischen  Münzen,  die  das  Vordertheil  eines  Löwen  als  Prägebild 
aufweisen.  Auch  das  feststehende  Gewicht  an  der  aus  Ghiusi  stammenden  Schnell- 
waage ^)  des  Berliner  Museums  ist  wahrscheinlich  als  Vordertheil  eines  Löwen 
anzusprechen. 

II.   Die  babylonischen  Gewichte  zeigen  zumeist  die  Gestalt  von  Schwimm- 


1)  Layard,  Discoveries  in  the  mins  of  Niniveh  and  Babylon  1858.  p.  601. 

2)  Brandis,  Das  Münz-,  Maass-  und  Gewichtswesen  in  Vorderasien  bis  auf  Alexander 
den  Grossen  8.  44  ff.    Hultsch,   Griechische  und  römische  Metrologie  §  42,  10  8.  396 ff. 

3)  Brandis  S.  44  und  die  dort  Citirten.  —  CIS,  Pars  II  Tomas  I  Tabula  L 

4)  Siehe  vor  der  Hand  Brandis  S.  66  und  Anm.  2. 

ö)   Verh.  d.  Archftol.  Ges.  1889,  Juli,  November,  1891,  Juni.  Diese  YerhandlangeB  1880, 
Näheres  denm&chst  im  Hermes. 


(517) 

Tögeln  mit  zurückgewandtem  Halse,  den  Kopf  auf  den  Bücken  gelegt.  Sie,  wie 
es  regelmässig  geschieht,  durchgehends  als  Enten  zu  bezeichnen,  ist,  wie  es  sich 
unten  (S.  521)  zeigen  wird,  irrig.  Zu  dem  bei  Brandis  (S.  46 ff.)  zusammen- 
gestellten Material   sind   mehrere  neue  Stücke  hinzugekommen.    Ich  hebe  hervor: 

1)  Ein  grosses  Gewicht  aus  Alabaster  mit  zweizeiliger  aramäischer  Inschrift, 
die  im  Corpus  Inscriptionum  Semiticarum  (CIS)  U.  No.  53  veröffentlicht  ist. 
Es  ist  auf  dem  Birs-Nimrud,  der  Stätte  des  alten  Borsippa,  nahe  bei  Babylon  ge- 
funden worden  und  am  12.  November  1880  ins  British  Museum  verbracht  worden, 
daher  die  Bezeichnung  80.  11 — 12.  Die  folgenden  Angaben  über  die  aramäische 
Inschrift  und  deren  Interpretation  beruhen  auf  Mittheil ungen,  die  Hr.  Th.  Nöldeke 
mir  auf  meine  Anfrage  liebenswürdiger  Weise  hat  zukommen  lassen. 

Die  Abbildung  im  CIS  ist  „leidlich  gut",  so  dass  eine  erneute  Publication 
nicht  nöthig  ist.    Hr.  Nöldeke  liest: 

noStr 

Das  erste  ^  ist  absolut  sicher,  aber  das  folgende  Zeichen  ist  nach  Herrn 
Nöldeke's  und  Hm.  Euting's  übereinstimmender  Ansicht  kein  Buchstabe.  Hr. 
Nöldeke  vermuthet  darin  das  Zahlzeichen  für  10,  das  in  aramäischen  Inschriften 
in  ähnlicher  Form  vorkommt.  „Für  TlhpD'Cy  wie  auch  Andere  gelesen  haben,  will 
das  CIS  nSpn  „Feld"  lesen,  aber  das  giebt  keinen  Sinn  für  ein  Gewicht.  Das  Ö  zu 
Anfang  dieses  Wortes  ist  nicht  so  gut  gerathen,  wie  das  erste  und  nahe  an  das  f)  ge- 
rückt, aber  ich  halte  die  Lesung  doch  für  sicher."  —  Nun  folgt  auf  das  Zeichen, 
welches  als  Zahlzeichen  für  10  angesprochen  ist,  eine  abgeriebene  Stelle,  in  welcher 
Spuren  eines  zweiten  Zeichens  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  erkennbar  sind. 
„Dass  zwei  Zahlzeichen  für  10  hinter  einander  ständen,  ist  unwahrscheinlich,  da 
20  eine  eigene  Ziffer  hat.  Ob  das  erste  Zahlzeichen  wirklich  10  und  ob  in  der 
folgenden  beschädigten  Stelle  noch  eine  zweite  Ziffer  steckte,  wird  wohl  die  Sache 
selbst  ergeben."  „Wenn  es  12  wäre,  wäre  es  wohl  am  Natürlichsten."  —  Man 
sieht,  die  Entscheidung  über  die  inschriftlichen  Schwierigkeiten  hängen  von  dem 
metrologischen  Befunde  ab. 

Bevor  wir  über  diesen  berichten,  ein  Wort  über  die  Deutung  der  beiden  epi- 
graphisch  klaren  Worte  der  Legende:    Hr.  Nöldeke  liest  HpStf^  H^^fjriO  ""Ö  and 

übersetzt  „ein  vollständiges  mathqäl".  Damach  wäre  mathqal  „Gewicht"  der 
Name  einer  Gewichtsgrösse,  deren  Bestimmung  von  der  auf  is  folgenden  Zahl  ab- 
hinge.   Ich  möchte  lieber  die  Inschrift  übersetzen: 

X  M(inen)  vollständiges  Gewicht 
und   in  den  Worten   mathqaläh    salmäh  das  Aequivalent  des  auf  babylonischen 
Gewichten  sehr  häufig  für  die  richtige  Justirung  gebrauchten  Ausdmckes  (sumerisch) 
gina   (Ideogramm   für   babylonisch -assyrisch   kinu,    „richtig,   gesetzmässig")   er- 
kennen. — 

Es  fragt  sich  nun,  wieviel  Minen  wiegt  das  Gewicht?  Leider  ist  dasselbe  ver- 
stümmelt, da  der  Kopf  der  Ente  (?)  weggebrochen  ist.  Die  Wägung  selbst  aus- 
zuführen, war  mir  seiner  Zeit  nicht  möglich,  da  das  Monument  für  die  mir  zu 
Gebote  stehenden  Waagen  zu  schwer  war.  Nach  gütiger  Mittheilung  des  Herrn 
E.  A.  Wallis  Budge,  der  die  Wägung  nachträglich  für  mich  hat  vornehmen  lassen, 
ist  dasselbe  „14  pounds  4  ounces**  (Troy)  schwer  =  5349,89  g. 

Man  sieht  nun  sogleich,  dass  das  Gewicht  mehr  als  10  Minen  betragen  haben 
muss,  denn  die  schwerste  Form  der  leichten  Gewichtsmine,  —  und  nur  um  solche 


(518) 

kann  es  sich  nach  den  sämmtlichen  bisher  in  Babylonien  and  Assyrien  ge^indenen 
grösseren  Gewichtsstücken  handeln,  —  also  der  (leichten)  Gewichtsmine  königlicher 
Norm  beträgt  517,6  g  (Verh.  1889.  S.  283).  Aus  dem  vorliegenden  Stück  würde  sich 
bei  Annahme  der  10  trotz  seiner  Verstümmelnng  eine  leichte  Gewichtsmine  von 
534  g  berechnen.  Zwanzig  Minen  sind  ebenfalls  ausgeschlossen,  da  dabei  für  die 
Mine  ein  viel  zu  geringer  Werth  herauskommen  würde.  Bleibt  also  die  Yon 
Nöldeke  yorgeschlagene  12,  die  um  so  begreiflicher  wäre,  als  wir  es  dann  mit 
einem  Fünftel  Gewichtstalent  zu  thun  hätten. 

Berechnet  man  den  Gewichtsverlust,  für  den  leider  eine  Schätzung  fehlt,  auf 
7,0  des  vorhandenen  Volumens,  was  mir  schon  ziemlich  hoch  gegrifiTen  erscheint, 
so  wäre  das  ursprüngliche  Gewicht  auf  5883  g  zu  setzen,  und  auf  die  Mine  käme 
bei  Annahme  der  12:  *"*/i8  =490,25^;  das  wäre  die  Gewichtsmine  gemeiner 
Norm  (491,2  g).  Der  Verlust  kann  ja  aber  geringer  gewesen  sein,  so  dass  das  Ge- 
wicht hinter  der  Norm  zurückblieb;  es  kann  grösser  gewesen  sein,  so  dass  auf  eine 
Form  der  erhöhten  Norm  zu  schliessen  wäre. 

Es  ist  bedauerlich,  dass  die  Frage  bei  den  jetzt  vorhandenen  Daten  unent- 
schieden bleiben  muss.  Denn  da  das  Gewicht  keinen  Rönigsnamen  trägt,  so  hätte 
man  von  demselben  einen  sicheren  Beleg  für  das  Bestehen  der  gemeinen  Norm  in 
verhältnissmässig  später  Zeit  (s.  die  aramäische  Inschrift  I)  erwarten  können,  und 
damit  wäre  die  Verwendung  der  gemeinen  Norm  nach  Einführung  und  neben  der 
königlichen  Norm  in  Babylonien  erwiesen  worden,  während  dieses  Nebeneinander- 
bestehen bis  jetzt  nur  mit  grösserer  oder  geringerer  Wahrscheinlichkeit  angenommen 
werden  kann  (vgl.  Verhandl.  1889.  S.  274  und  S.  643).  Die  gemeine  Norm  ist  ja 
bisher  nur  an  den  uralten  steinernen  Normalgewichten  und  den  der  Zeit  nach 
schwer  bestimmbaren  kleinen  „Enten  aus  Eisen"  mit  Sicherheit  nachgewiesen.  Wohl- 
gemerkt ist  hier  nur  vom  eigentlichen  Zweistromland  die  Rede. 

2)  Ein  Gewicht  in  Enten  (?) -Form  aus  Basalt,  Signatur  76.11—17,  144,  trägt 
eine  Reilinschrift,  deren  erste  Zeile  lautet 

10  siklu*)  gi-na  =  „Zehn  Schekel  richtig". 

Das  Gewicht  beträgt  101,48  g.  Bekanntlich  war  die  Gewichtsmine  in  60  Schekel 
eingetheilt,  während  die  Gold-  und  Silbermine  aus  50  dieser  Einheiten  bestand  *), 
Zehn  Gtewichtsschekel  müsstcn  daher  ein  Sechstel  Gewichtsmine  bilden.  Nach 
dem  Gewicht  des  vorliegenden  Stückes  würde  das  für  die  Mine  auf  6  X  101,48  g 
608,88  g  führen,  einen  Betrag,  der  keiner  der  im  Zweistromland  gültigen,  als  Mine 
bezeichneten  Einheiten  nur  entfernt  nahekommt.  Als  Fünftelmine  betrachtet,  ftlhrt 
dagegen  das  Stück  auf  eine  Mine  von  507,38  g.  Die  leichte  Gewichtsmine  er- 
höhter Norm  la  beträgt  510,  die  erhöht-reducirte  Norm  (2)  505  g.  Zwischen 
beiden  steht  dieses  Stück.  Dasselbe  liefert  somit  den  handgreiflichen  Beweis, 
dass  in  Babylonien  auch  eine  Eintheilung  der  Gewichtsmine  in  50  Schekel  in  Ge- 
brauch war. 

Die  Inschrift  zeigt  eine  Mischung  des  cursiven  und  des  archaischen  Babylo- 
nisch. Die  Zeile,  die  den  Rönigsnamen  enthielt,  war  leider  für  mich  unleserlich, 
so  dass  auf  eine  nähere  Zeitbestimmung  verzichtet  werden  muss. 

1)  Dass  das  Zeichen  TU  =  $ikla  kq  lesen  sei,  hat  man  bisher  nur  vermuthet  (assyrisch 
Sak&la  w&gen,  hebr.  7pt2^  wägen,  griech.  aCyloi),  Die  Lesung  ist  neuerdings,  wie  mir 
Hr.  Strassmaier  in  London  mittheilte,  durch  die  ausdrückliche  Angabe  eines  Syllabars 
gesichert 

2)  Doch  gewinnt  es  nach  babylonischen  Contracten  den  Anschein,  als  sei  mehrfach 
anch  Gold  und  Silber  nach  Gewichtsminen  (tu  60  Schekel)  abgewogen  und  verreduiet 
worden.    Die  Sache  bedarf  genauerer  Untersuchung. 


r5i9) 

B.   Gewichtsyerdächtige  Gegenstände  ohne  Bezeichnnng. 

Hauptsächlich  habe  ich  jedoch  in  London  mein  Augenmerk  auf  die  Gewichte 
ohne  Nominalbezeichnnng  gerichtet  and  glaube  einige  neue  Beiträge  zu  deren 
Bestimmung  und  Erkenntniss  liefern  zu  können.  Ausser  dem  Hauptzweck,  eine 
vollständige  Sammlung  aller  antiken  Gewichte  anzustreben,  kommt  namentlich  bei 
den  Gewichten  kleineren  Nominals,  die  naturgemäss  zu  den  unbezeichneten  Ge- 
wichten das  grösste  Contingent  liefern,  noch  in  Betracht,  dass  sie  indirekte  Zeug- 
nisse für  den  ältesten  Rleinverkehr  in  edlen  Metallen  aus  der  Zeit  vor  der  Erfin- 
dung des  gemünzten  Geldes  darstellen  oder  doch  darstellen  können. 

Die  glücklichen  Zufälle,  die  uns  vollständige  Goldstangen  und  Silberzungen,  wie 
in  Ilios,  oder  grosse  Mengen  von  Hacksilber,  wie  ganz  neuerdings  in  Sendjirli, 
geliefert  haben,  gehören  natürlich  zu  den  Seltenheiten.  Die  Prägung  erregt  anti- 
quarisches Interesse  und  bildet  so  einen  Schutz  des  gemünzten  Geldes;  für  die 
Erhaltung  ungemünzter  Stücke  in  ihrer  Integrität  nach  Material  und  Gewicht  ist 
kein  derartiger  fördernder  Schutz  vorhanden.  Aber  die  Gewichte,  aus  haltbarem, 
sehr  hartem  Stein  gefertigt  und  oft  sorgfältig  verziert,  haben  sich  in  grösserer  Zahl 
erhalten,  als  man  anzunehmen  geneigt  ist,  und  können  uns,  wenn  andere  günstige 
Umstände  hinzukommen,  Runde  über  die  ältesten  Handels-  und  Tausch  Verhältnisse 
und  über  die  Vorgänger  der  ältesten  kleinasiatischen  und  griechischen  Prägungen 
geben. 

Als  Gesichtspunkte,  die  bei  Untersuchungen  dieser  Art  maassgebend  sind, 
kommen  ausser  dem  Gewicht  vornehmlich  in  Betracht:  die  Form,  die  Dar- 
stellung imd  das  Material.  Das  Auftreten  von  Serien  von  Objekten  mit  der 
gleichen  Darstellung  oder  aus  demelben  Material  in  verschiedenen  Abstufungen 
bildet  ein  weiteres  Indicium  in  der  Richtung  der  Gewichtsverdächtigkeit.  — 

Dass  ich  mich  bei  diesen  Untersuchungen  nicht  einem  verkehrten  Sanguinis- 
mus  hingebe,  zeigt,  wie  ich  hoffe,  schon  der  so  eben  eingeführte  Begriff  der  Ge- 
wichtsverdächtigkeit. Ich  werde  zwar  mehrmals  meines  Erachtens  in  der 
glücklichen  Lage  sein,  den  Beweis  führen  zu  können,  dass  ein  Gegenstand  oder 
eine  bestimmte  Klasse  von  Gegenständen  sicher  als  Gewichte  zu  betrachten  sind. 
In  der  Mehrzahl  der  Fälle  werde  ich  mir  aber,  was  ich  ausdrücklich  hervor-  ^ 
hebe  und  zu  beachten  bitte,  vor  der  Hand  daran  genügen  lassen,  eine  Anzahl 
von  Gesichtspunkten  aufzuzeigen,  die  es  möglich  oder  wahrscheinlich  erscheinen 
lassen,  dass  Monumente,  auf  welche  dieselben  zutreffen,  Gewichte  gewesen  sind. 

Einmal  reicht  unsere  Remitniss  des  altorientalischen  Lebens  nicht  aus,  um 
aUe  Erzeugnisse  der  Kleinkunst  nach  ihrem  Zwecke  und  ihrer  Verwendung  zu 
bestimmen.  Dann  aber  wird  sich  zeigen,  dass  im  eigensten  Gebiet  der  Metro- 
logie eine  Mehrdeutigkeit  insofern  besteht,  als  Gbwichte  und  Stempel  einander 
in  ihrer  Form  nicht  bloss  nahe  kommen,  sondern  mehrfach  sich  geradezu  decken. 
Daher  ist  doppelte  Vorsicht  am  Platze.  Erweist  sich  dann  später  im  Verlaufe  von 
genaueren  Stadien,  zu  denen  die  folgenden  Bemerkungen  den  Anstoss  geben  oder 
den  Anfang  machen  möchten,  dass  der  Gewichtsverdacht  falsch  war,  nun  wohl :  so 
wird  immer  noch  die  Sammlung  einer  Anzahl  gleichartiger  Monumente  und  die 
Hervorhebung  gewisser  Typen  der  vorderasiatischen  Kleinkunst  archäologisch  nicht 
ganz  werthlos  bleiben. 

1)  Die  ältesten  Gewichte,  welche  wir  überhaupt  kennen,  die  babylonischen 
Gewichte  mit  priesterlicher  Inschrift  als  Aichungsstempel,  an  denen  ich  die  gemeine 
Norm  des  babylonischen  Gewichtes  nachgewiesen  habe  (Verh.  1889.  S.  255  f.),  sind 
äusserst  sorgfältig  aus  hartem  Stein  zu  langgestreckten  Ovalen  verarbeitet.  Bei 
einem  derselben  sind  die  Enden  abgeschnitten,  so  dass  die  Fässchenform  entsteht, 


(520) 

wie  sie  die  babylonischen  und  assyrischen  Cylinder  mit  Inschriften  aufweisen. 
Diese  Form  des  langgestreckten  Oral  hat  in  ganz  Vorderasien  eine  weite  Verbrei- 
tung erhalten  und  ist  eine  der  am  leichtesten  und  sichersten  erkennbaren  (Gewichts- 
typen.  Die  Mehrzahl  der  in  Hissarlik  gefundenen,  zumeist  aus  Hämatit  gearbeiteten 
Gewichte  trägt  diese  Gestalt.  Sie  sind  als  solche  bereits  im  hiesigen  Museum  fUr 
Völkerkunde  erkannt  worden.  Schliemann  (Ilios  S.  486),  der  diese  Gegenstände 
zunächst  als  Schleudersteine  bezeichnete,  dabei  aber  gleichzeitig  seine  Verwunde- 
rung darüber  aussprach,  dass  so  langwierige  und  mühevolle  Arbeit  auf  einen  Gegen- 
stand sollte  verwendet  sein,  der  nur  einmaligem  vorübergehendem  Gebrauche  dienen 
sollte,  wies  gleichzeitig  darauf  hin,  dass  ähnliche  Gegenstände  in  Assyrien  gefunden 
seien.  In  der  That  habe  ich  in  London  mehrere  dieser  Gewichte  gesehen,  von 
denen  ich  als  das  wichtigste,  weil  das  grösste  und  am  sichersten  bestimmbare,  nenne 
ein  Hämatitgewicht,  Form  des  Ovals,  aber  abgeplattet  und  mit  abgeschnittenen 
Enden.  Erwerbung  des  British  Museum  aus  dem  Jahre  1883  (83.  1 — 18.).  Keine 
Inschrift.  Abstossungen,  die  auf  1 — 2  g  zu  schätzen.  Wiegt  186,62  (4)  ^,  kommt 
also  dem  Normalgewicht  eines  Drittels  der  leichten  Silbermine  königlich  reducirter 
Norm  »•Vs  =  ^88,66  g  (Verh.  1889.  S.  284)  äusserst  nahe. 

Unter  den  im  hiesigen  Museum  für  Völkerkxmde  bewahrten  Gewichten  aus 
nios,  von  denen  ich  ein  genaues  Verzeichniss  mit  Angabe  des  Gewichts  und 
des  Materials  der  Güte  des  Hm.  Ed.  Krause  verdanke  und  die  ich  demnächst  im 
Zusammenhang  vor  Ihnen  zu  besprechen  hoffe,  wiegt  eines  188,0,  ein  anderes 
187,7  g.  Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  wir  es  in  diesen  Stücken  mit 
derselben  Gewichtsgrösse  zu  thun  haben.  Wenn  wir  nun  in  den  Sammlungen  des 
Antiquariums  des  königlichen  Museums  ein  Gewicht  aus  Blei  finden,  das  die  Auf- 
schrift nEPrAMHNßX  trägt  und  184,9  g  wiegt,  also  ebenfalls  ohne  Zweifel  die- 
selbe Gewichtsgrösse  darstellt,  so  erscheint  hier  die  Kette  von  der  prähistorischen 
bis  zur  hellenistischen  Z^eit  metrologisch  geschlossen  und  ist  wiederum  ein  schla- 
gender Beweis  erbracht  für  die  grosse  Beständigkeit  und  Unabänderlichkeit  gerade 
der  Gewichts  normen.  —  Auch  auf  hethitischem  Gebiet  sind  durch  die  Aus- 
grabungen des  Orientcomite's  Gewichte  ganz  derselben  Gestalt  und  desselben 
Materials  zu  Tage  gefördert  worden. 

2)  Das  hiesige  Antiquarium  bewahrt  eine  Anzahl  griechischer  Gewichte  aus 
Eisen  in  Gestalt  regelmässiger  Polyeder.  Die  vorderasiatische  Sammlung  des  Ber- 
liner Museums  besitzt  zwei  kleine  Objekte  aus  grünem  Gestein,  dem  der  babyloni- 
schen Normalgewichte  ähnlich.  Im  Inventar  der  Sammlung  findet  sich  bei  den- 
selben die  Bemerkung  eingetragen:  „kommen  von  Mosul  bis  Nedjd  vor^;  d.  h.  der 
Fundbereich  für  diese  (Gegenstände  erstreckt  sich  von  Ninive  bis  zum  äussersten 
Süden  Babyloniens;  sie  waren  also  durch  das  ganze  Zweistromland  im  Gebrauch. 
Der  eine  dieser  Steine,  bezeichnet  V.  A.')  868,  wiegt  8,6  ^,  d.  h.  er  hat  das  Gewicht 
eines  Gewichts-  oder  Goldschekels  erhöhter  Norm  (B^orm  IIa:  8,5  g^  Form  IIb:  8,6  ^, 
reducirte  Form:  8,4^);  der  andere  wiegt  2,8^,  stellt  also  die  Hälfte  eines  Silber- 
schekels  erhöhter  Norm  (am  Wahrscheinlichsten  der  sog.  reducirten  Norm:  5,6^) 
dar.  Zwischen  den  einzelnen  Formen  dieser  Norm  bestimmt  zu  unter- 
scheiden, ist  natürlich  bei  so  geringen  Werthen  nur  selten  möglich, 
und  ein  Versuch  der  Feststellung  dieser  Unterschiede  liegt  ausserhalb  der  Grenzen 
die  mir  durch  den  Zweck  der  vorliegenden  Untersuchungen  gezogen  sind.  Dass 
wir  es  hier  aber  mit  kleinen  Gewichten  zu  thun  haben,  daftir,  denke  ich,  wird  man 
den  Beweis  für  erbracht  anerkennen  und  wird  fürderhin  unter  die  Merkmale  der 
Gewichts  verdächtigkeit  die  polyedrische  Gestalt  rechnen  können. 

l)   y.  A.  =  Inventar  der  Vorderasiatischen  Sammlung. 


j 


(521) 

3}  Die  wichtigste  Kategorie  unter  den  anbezeichneten  Gewichten  bilden  die- 
jenigen, welche  Thierdarstellungen  zeigen,  und  zwar  können  sie  entweder  selbst 
die  Form  von  Thieren  haben,  oder  nur  die  Abbildung  von  Thieren  oder  Scenen 
aus  dem  Thierleben  aufweisen.  Auch  eine  Combination  ist  natürlich  möglich,  und 
die  Objekte  in  Thiergestalt,  die  wir  als  gewichtsverdächtig  ansznprechen  gedenken, 
sind  zumeist  auch  noch  mit  Bildern  aus  dem  Thierleben  versehen: 

I.   Thiergestalt  (oft  mit  Thierdarstellung). 

1)  Wir  haben  oben  gesehen,  dass  eine  Anzahl  babylonischer  Gewichte,  als  solche 
durch  Inschriften  deutlich  gekennzeichnet,  die  Gestalt  eines  Schwimmvogels  mit 
rückwärts  gewandtem  Kopfe  haben.  Es  ist  als  natürlich  zu  erwarten,  dass  die 
nothwendigerweise  vorhandenen  Gewichte  kleinen  Nominals  derselben  Serie  auch 
dieselbe  Gestalt  zeigen  und  in  der  That  giebt  es  gerade  eine  sehr  grosse  Anzahl 
kleiner  vorderasiatischer  Steinobjekte,  die  diese  Gestalt  tragen.  So  hat  denn  auch 
Layard  bei  seinen  Ausgrabungen,  zusammen  mit  den  grösseren  bezeichneten  Ge- 
wichten in  „Bnten^  (?)  -Form,  eine  Anzahl  dieser  kleinen  xmbezeichneten  Enten 
gefunden,  die  im  British  Museum  verwahrt  und  von  jeher  als  Gewichte  betrachtet 
worden  sind.  Ebenso  bewahrt  das  Louvre  5  kleine  Eisenobjekte  in  „Entenform^, 
die  Vielfache  xmd  Theile  des  leichten  babylonischen  Sechzigstels,  und  zwar  der 
gemeinen  Norm,  darstellen  und  in  einem  (hrabe  bei  Hillah  auf  der  Stätte  des  alten 
Babylon  gefunden  sind'). 

Die  ganz  neuerdings  in  Sendjirli  (Sam'al)  gefundenen  hethitischen  und  un- 
bezeichneten  Gewichte  theilweise  recht  bedeutenden  Volumens  zeigen  ebenfalls  die 
„Enten^-Form.  Die  Londoner  Gewichte  dieser  Art  sind  mehrfach  gewogen,  zu- 
letzt sehr  genau  von  Chisholm.  Ich  habe  die  Mehrzahl  auch  meinerseits,  mehr 
der  Feststellung  der  Identität  willen,  gewogen.  Beifolgend  gebe  ich  eine  Abbildung 
des  am  zierlichsten  ausgeführten  Objekts  dieser  Art:  British  Museum  59.  10 — 11.  175. 
I.  G.  T.  (Sammlung  Taylor),  das  4,38(6)  g  wiegt,  also  einen  etwas  stark  gerathenen 
halben  leichten  Gewichts-  oder  Goldschekel  darstellt  —  Eine  Ente,  wie  es  im 
British  Museum  bezeichnet  ist,  ist  es  aber  sicher  nicht,  worauf  mich  die  Herren 
Olshausen  xmd  Hartmann  aufmerksam  machen,  sondern  weit  eher  ein  Schwan. 
Das  Stück  ist  undurchbohrt  und  zeigt  keine  Darstellung  auf  der  Unterseite  (Fig.  1). 

Figur  1.  Figur  2. 


Natürliche  Grösse. 

Als  Beispiel  einer  Darstellung  und  zwar  einer  Thierdarstellung  auf  einem  Docu- 
mente  dieser  Art  diene  Fig.  2,  die  Unterseite  eines  Berliner  Stückes  (V.  A.  2046). 

Auf  diese  „Enten^  werden  wir,  da  sie  nicht  bloss  als  Gewichte,  sondern  auch 
als  Stempel  gedient  haben,  unten  (S.  526)  noch  einmal  zurückzukommen  haben. 

2)  An  die  assyrischen  Löwengewichte  anknüpfend,  möchte  ich  das  in  Fig.  3  a 
und  b  dargestellte  Löwenvordertheil  als  gewichtsverdächtig  bezeichnen.  Es  ist  im 
Assyrian  Boom  des  British  Museum   in  case  C  unter  Nr.  527  ausgestellt.    Die 

1)   Brandis  S.  596f. 


(522) 


NatÜFÜclie  Grflsse. 
Unterseite  zeigt  4  ruhende  Thiere  (ebenralls  Löwen?)  eingegraben  (Fig.  3b).  Es  wiegt 
23,34  g.  POr  das  Gewicht  »erweise  ich  auf  das,  was  unten  (8.  529  sab  2  b)  zu  dem 
Stück  im  Betrag  ron  ll,92fl  gesagt  ist,  deren  doppeltem  Betrage  der  rorliegende 
Wertb  nahe  kommt,  ohne  jedoch  diese  Bestimmung  als  sictier  bezeichnen  zu  wollen. 
Die  QewichtSTerdächtigkeit  wird  jedoch  erhöht  durch  das  Material,  einen  hellgrau- 
grünen  schielVigen  Btein  mit  hellerer  weisslicber  Bändenmg  (nSchisf*);  denn  im  B^- 
liner  und  British  Museum  ßndet  sich  eine  Aiutahl  ron  tbiergestaltigen  Objekten  aus 
demselben  Material,  die  auch,  was  das  Gewicht  anlangt,  eine  befriedigende  und  ein- 
fache Erklärung  zulassen  nnd  auf  welche  uns  jetzt  der  Gung  unserer  DarslelluDg  fDhrL 
3)  Die  ältesten  Tausch-  und  Zahlungsmittel  bestanden  bekanntlich  in  Natu- 
ralien. Der  Besitzstand  wurde  nach  Häuptern  Vieh  geschätzt:  mit  Rindern,  Schafen 
nnd  Schweinen  wurden  die  grösseren  Zahlungen  geleistet.  Es  war  daher  natürlich, 
dass  die  ältesten  MetallstUcke,  die  als  Zahlungsmittel  an  deren  Stelle  traten,  mit 
Darstellungen  gerade  dieser  Thiere  versehen  waren,  wie  wir  es  z.  B.  Ton  den  itali- 
schen Knpferbarren  wissen.  Ebenso  natürlich  nnd  erklärlich  wäre  und  ist  die  ent- 
sprechende Erscheinung  bei  den  Gewichten.  Bekannt  sind  die  im  hiesigen  ägypti- 
schen Museum  nachgebildeten  ägyptischen  Wandmalereien,  welche  die  Abwägung 
von  Gold  in  Ringform  darstellen  nnd  bei  der  zwei  Gewichte  die  Gestalt  von  Binder- 
kOpfen  tragen.  Daneben  erscheinen  zwei  Gewichte  in  Kegelform  (»gl.  S.  527  sub  2 
und  eines  in  Gestalt  eines  ruhenden  Löwen  (?). 


Figur  4a. 


Figur  4b. 


Katürliche  QrBsse. 
a)  Fig.  4  a  zeigt  einen  schön  gearbeiteten  übenden  Widder  aus  demselben 
Material,  wie  das  eben  besprochene  Löwenrorderthoil  mit  Durchbohrung  (vom 
Rücken  zum  Unterleib),  —  letztere  ebenfalls  ein  Merkmal  der  Gewichtsverdächtig- 
keit,  —  auf  der  Unterseite  (Fig.  4  b)  3  Schafe  (?)  liegend  eingegraben.  Signatur: 
C3.  11 — 1.  5.  (Assyrian  Koom  G.  528).  Dasselbe  ist  wohl  erhalten  und  wiegt 
48,78  y,  d.h.  sehr  nahe  '/u  der  leichten  babylonischen  Gewichtsrnine  ge- 
meiner Norm  Ton  491,2  g. 


(523) 


b)  Zu  derselben  Serie  gehört  ein  anderer  wohlerhaltener  liegender  Widder  des 
British  Mnseum,  dessen  Unterseite  Fig.  5  zeigt,  Sign.  56.  5—2.  73.  (Assyrian  Koom 
C.  529).    Ueber  das  Gewicht,  11,9  g,  s.  u.  S.  526  sub  2a,  vgl.  S.  522  sub  2. 

c)  Ein  Schwein  ans  Serpentin  (?)  (Assyr.  Room  C.  370),  durchbohrt,  auf  der 
Unterseite  Punkte  und  Striche  aufweisend,  die  wahrscheinlich  die  rohe  Darstellung 
zweier  laufender  Thiere  bilden,  wiegt  36,00  (4)  ^,  ist  also  sehr  wohl  justirt  als 
7io  der  leichten  phönikischen  Mine  gemeiner  Norm  (363  g)y  Yerh.  1889.  S.  257. 


Figur  6a. 


Figur  6b. 


Figur  5. 


Natürliche  Grösse. 

d)  Aus  demselben  Material  gefertigt  ist  ein  liegendes  Kind  des  Berliner 
Museums  (V.  A.  1651)  Fig.  6a,  Unterseite  Fig.  6b.  Gewicht:  22,15  g,  d.h.  4  leichte 
Silberschekel  der  königlichen  Silbermine  (wahrscheinlich  Form  B)  von  560  g  (22,15 
statt  22,40  g), 

e)  Ein  ganz  besonderes  Interesse  bietet  metrologisch  und  archäologisch  ein 
liegendes  Rind,  aus  Bergkrystall  sehr  schön  gearbeitet  (British  Museum,  Ass.  Room 
C.  1135).  Dasselbe  trägt  am  Rücken  auf  beiden  Seiten  eine  Anzahl  von  senkrechten, 
durch  waagerechte  Linien  eingeschlossenen  Strichen,  und  zwar  links  5,  rechts  7 
(oder  wenn  man  die  äusseren  senkrechten  mit  den  waagerechten  als  Umrahmung 
auftasst,  links  3,  rechts  5  Striche).  Diese  Striche  dürften  (vergl.  S.  516)  eine  Art 
Ton  Nominalbezeichnung  enthalten,  und  man  wird  das  vorliegende  Stück  mit  um 
so  grösserer  Wahrscheinlichkeit  als  Gewicht  auffassen  können,  als  das  Gewicht 
von  16,00(5)^  dem  eines  schweren  Gewichts- (oder  Gold-)  Schekels  gemeiner 
Norm  (16,39  g)  recht  nahe  kommt. 

4)  Die  Schildkröte  ist  bekanntlich  das  Wappen  von  Aegina.  Dafür,  dass  die 
äginäische  und,  für  die  ältere  Zeit,  die  gemeingriechische  Gewichtsnorm  aus  Asien 
übernommen  ist  (vgl.  o.  S.  519),  werden  wir  unten  weitere  Beweise  beibringen.  Die 
in  Fig.  7  dargestellte  Schildkröte  (Berl  Mus.  V.  A.  1664,  Gewicht  2,47(5)^),  deren 
durch  die  Thierform  gegebene  Gewichtsverdächtigkeit  noch  durch  die  möglicherweise 
als  Nominalbezeichnung  zu  betrachtenden  4  Punkte  auf  der  Unterseite  (Fig.  7  a) 
erhöht  wird,  macht  es  wahrscheinlich,  dass  auch  für  das  Prägebild  der  äginäischen 
Münzen  und  Gewichte  ein  vorderasiatisches  Prototyp  vorhanden  war.  Die  in  Athen 
gefundenen  Gewichte,  die  die  schwere  Gewichtsmine  gemeiner  babylonischer 
Norm  von  982,4  g  (S.  257)  darstellen  (Maximalbetrag  979  ^),  zeigen  ebenfalls  das 
Büd  der  SchUdkröte  (vgl.  Hultsch  S.  140  f.). 

n.   stücke  nur  mit  Thierdarstellung. 

Wir  kommen  jetzt  zu  den  Stücken,  die,  ohne  Thiergestalt  zu  haben,  Abbil- 
dungen in  Thierform  aufweisen. 

1)  An  die  Spitze  stelle  ich  das  in  Fig.  7  b  seinen  Hauptzügen  nach  abgebildete 
Berliner  Stück  (V.  A.  612)  aus  weissem  Marmor,  welches  nach  meiner  Ueber- 
zeugung  ohne  Zweifel  als  Gewicht  anzusehen  ist.  Der  „Führer  durch  die  vorder- 
asiatische Sammlung  der  königlichen  Museen"  (S.  68)  setzt  zu  dieser,  von  mir 
herrührenden  Bezeichnung  mit  Unrecht  ein  Fragezeichen.    Die  Anschauung,   dass 


(524) 

es  ein  Siegelcylinder  sei,  ist  entschieden  zu  verwerfen.  Erstens  ist  die  grosse  Mehr- 
zahl der  Siegelcylinder  der  Länge  nach  durchbohrt,  während  hier  die  Durch- 
bohrung  unter  den  Fingern  des  in  Form  einer  Hand  gebildeten  Griffes  durchläuft 
Herr  von  Luschan  macht  mich  zwar  gütigst  darauf  aufmerksam,  dass  die  land- 
läufige Vorstellung,  wonach  die  Längsdurchbohrung  der  Siegelcylinder  zur  Aufhahme 
einer  Art  von  Axe  als  Theil  der  Fassung  gedient  hätte,  die  es  ermöglichte,  den 
Siegelcylinder  etwa  gleich  unseren  heutigen  Löschrollen  über  den  Thon  zu  führen, 
irrig  sei;  dass  yielmehr,  wo  er  Siegelcylinder  mit  Resten  antiker  Fassung  gesehen 
habe,  der  Griff  an  einem  Ende  des  Cylinders  angebracht  war  pnd  dass  dem- 
gemäss  auch  mehrfach  undurchbohrte  Siegelcylinder  vorkämen. 


Figur  7  a. 


Figur  8  a. 


Figur  7  b. 


Figur  8b. 


Natürliche  Grösse. 


Vi  der  natürlichen  Grösse. 


Ein  Siegelcylinder  mit  einem  derartigen  Griff  als  integrirendem  Bestandtheil 
des  aus  einem  Stücke  gefertigten  Monuments  und  mit  einer  Querdurchbohrung  an 
diesem  Griff  wäre,  soviel  ich  sehen  kann,  etwas  völlig  Neues.  Vielmehr  bildet 
schon  der  Griff  in  Handform  ein  weiteres  Merkmal  der  Gewichtsverdächtigkeit 
Femer  gleicht  das  kleine  Steinobjekt  in  seiner  Gestalt  so  nahe  wie  möglich  den 
Gewichten  unserer  Kaufläden.  Die  Darstellung  femer,  Rinder,  theils  vor  einer 
Hürde,  theils  aus  derselben  herausschreitend,  hat,  soweit  mir  bekannt,  ebenfalls 
unter  den  verschiedenen  Typen  der  Siegelcylinder-Darstellungen  kein  Analogon. 
Fig.  8  b  giebt  dieselbe  in  Projection  wieder. 

Und  schliesslich  stimmt  auch  das  Gewicht  zu  unserer  Auffassung  auf^s 
Beste.  Der  Stein  wiegt  84,6  ^,  wozu  noch  ein  erlittener  Verlust  durch  eine  ge- 
ringe Abstossung  in  Anrechnung  zu  bringen  ist,  stellt  also  ein  Sechstel  leichte 
(7i,  schwere)  Gewichtsmine,  10  leichte  (5  schwere)  Schekel  erhöhter  Norm  dar 
(normal.  Form  B  84,0,  Form  A,  b  85,9—86,3,  Verb.  1889.  S.  288).  Bei  einem  Stück 
von  diesem  Volumen  kann  man,  da  die  Möglichkeit  eines  Zufalls  mehr  ausge- 
schlossen erscheint,  schon  auf  das  Zusammentreffen  des  Gewichtsbetrages  mit  einer 
bekannten  Grösse  des  Systems  einen  herzhaften  Nachdruck  legen  und  wird  in  dem 
vorliegenden  Falle  das  incriminirte  Objekt  nicht  mehr  bloss  als  gewichtsverdächtig, 
sondern  geradezu  als  der  Gewichtsqualität  überführt  anerkennen  müssen. 

2)  Eines  der  interessantesten  Erzeugnisse  altorientalischer  Kleinarbeit  bewahrt 
das  Berliner  Museum  (V.  A.  1632)  in  einer  Elfenbeinplatte ').  Die  eine  Seite  derselben 
zeigt  schreitende  Ziegenböcke  mit  verschränkten  Hörnern,  die  andere  Seite  ein  Rind 
und  einen  Ziegenbock  am  Ufer  eines  mit  Fischen  belebten  Flusses,  darüber  unter  an- 
derem das  ägyptische  Zeichen  des  Pfluges.  Die  eigenthümliche  Darstellungsweise, 
namentlich  die  gedrungenen  Gestalten  der  Thiere,  haben,  so  scheint  mir,  mit  dem 
sog.  hethitischen  Styl  verhältnissmässig  die  nächste  VerwandtscbafL  Dieses  Stück, 
das   bisher  seinem  Wesen  nach  unbestimmt  war,  als  Gewicht  anzusprechen,   dun 


1)  Die  Publication  ist  an  anderer  Stelle  in  Vorbereitung  (Verh.  1889.  S.  2ö6  Anm.  S), 


(525) 

yeranlasste  mich  zunächst  die  (Gestalt,  die  einer  der  ältesten  bezeugten  Formen  der 
Metallbarren  nahe  kommt  ^).  Dazu  tritt  als  weiteres  Indicium  die  Thierdarstellung. 
Und  die  Wägung  hat  eine,  ich  darf  wohl  sagen,  schlagende  Bestätigung  ergeben. 
Das  Stück,  das  bis  auf  eine  geringe  Abstossung  wohl  erhalten  ist,  wiegt  60,38  <7, 
d.  h.  es  ist  Vio  desjenigen  Gewichts,  welches  wir  vor  Selon  in  Athen  im  all- 
gemeinen Gebrauch  und  auch  in  nachsolonischer  Zeit  als  Marktgewicht  in  Ver- 
wendung finden,  dessen  Grenzen  nach  den  yerschiedenen  antiken  Zeugnissen  für 
die  Mine  zwischen  598  und  606,4  g  liegen  würden,  während  es  nach  seiner  Stellung 
im  System  des  babylonischen  Gewichts  gemeiner  Norm  auf  600,4 — 602,5  g  (Verh. 
1889.  S.  268)  zu  bestimmen  sein  würde. 

"Wir  werden  weiter  unten  noch  einen  handgreiflichen  Beweis  für  das  Vor- 
kommen gerade  dieser  Einheit  geben  und  hoffen  damit  die  Annahme,  dass  das 
älteste  griechische  Gewicht  aus  Asien  übernommen  war,  über  das  Stadium  der 
blossen  Vermuthung  hinausgerückt  zu  haben. 

Ich  möchte  damit  hier  nur  andeutangsweise  die  Richtung  bezeichnen,  in 
welcher  sich  die  Forschung  über  die  Herkunft  der  ältesten  griechischen  metrologi- 
schen Systeme  meiner  Ueberzeugung  nach  zu  bewegen  hat^). 

3)   Mehrfach   finden   sich  Steine,   meist  mit  gewölbter  Ficur  9 

Oberfläche,  deren  geglättete,  kreisförmige,  o^ale  oder  auch 
eigenthümlich  geschweifte  Unterseite  mehr  oder  minder  roh 
eingegrabene  Thierdarstellungen  zeigt.  Einige  dieser  Steine 
(Verh.  1889.  S.  249)  stimmen  ihrem  Gewicht  nach  auffällig 
zu  asiatischen  Gewichtseinheiten.  So  trifft  Berl.  V.  A.  1633 
mit  seinem  Gewicht  von  16,80  g  gerade  den  Normalbestand 
eines  schweren  Schekels  erhöht-reducirter  Norm  (Form  II). 
Fig.  9  giebt  die  Unterseite  eines  derartigen  Steines  (Berl.  V.  A.  2076,  Gewicht  6,72  g 
=  1  sog.  altäginäischen  Drachme  (Verh.  1889.  S.  280  u.  284)  wieder. 


1)  Hultsch,  Metrologie  §  29,  1.  S.  165. 

2)  Dies  namentlich  auch  gegenüber  Hnltsch's  neuester,  an  die  Auslegung  von  Cap.  10 
der  neu  gefundenen  *A9riva(my  nolntCa  des  Aristoteles  (?)  geknüpften  Aeussemng  über 
diese  Fragen  (in  Fleckeisen^s  Jahrbüchern  for  classische  Philologie,  1891.  S.  262ffl), 
der  ich  nicht  beistimmen  zu  können  bedaure.  Ich  hoffe  dies  in  einiger  Zeit  ausfohrlich 
zu  begründen  und  bemerke  hier  nur,  dass  Hnltsch^s  auf  die  PoHteia  basirte  Annahme, 
als  habe  vor  Selon  in  Athen  das  königlich  (babylonisch-)  persische  System  gegolten, 
Allem  widerspricht,  was  nicht  bloss  historisch  überliefert,  sondern  was  an  heute  noch 
Torliegendem  und  controlirbarem  metrologischem  Material  zu  beobachten  ist  (vgl.  Verh. 
1889.  S.  265  n.  S.  818f.  Anm.  1  und  besonders  auch  Dörpfeld,  Mitth.  d.  kais.  deutsch, 
arch&ol.  Instituts  zu  Athen  1890.  S.  167  ffl).  Femer  wiederholt  Hr.  Hultsch  seine  alte  An- 
sicht, dass  das  solonische  Hohlmaass  aus  dem  königlich  persischen  durch  Erhöhung  um 
Vit  entwickelt  sei  Dem  gegenüber  möchte  ich  meine,  von  Hultsch  nicht  einmal  er- 
wähnten Ausführungen  in  Erinnerung  bringen,  welche  zeigen,  dass  das  solonische  Gewicht, 
ans  welchem  (Verh.  1889.  S.  2%  ff.)  Hohlmaass  und  L&ngenmaass  abgeleitet  ist,  direkt  zum 
System  der  gemeinen  Norm  des  babylonischen  Gewichts  gehört  (Verh.  1889.  S.  266),  und 
möchte  femer  hinweisen  auf  die  aUgemeinen  Gegengründe,  welche  ich  gegen  die  Annahme 
der  Entwlckelung  neuer  Normen  ans  den  bestehenden  durch  willkürliche  Erhöhung  oder 
Erniedrigung  vorgebracht  habe  (Verh.  1889.  S.  255).  — 

Correctnrzusatz:  Inzwischen  hat  das  Erscheinen  des  Facsimile  des  Papyrus  und 
die  von  Leeuwen  und  Herwerden  veranstaltete  Ausgabe  der  Politeia  gezeigt,  dass  gerade 
die  Lesung  der  Worte  av^tia^g  und  fittCeo,  die  die  überraschende  Angabe  zu  enthalten 
schienen,  dass  die  solonischenMaasse  grösser  gewesen  seien,  als  die  pheidonischen, 
paläographisch  durchaus  nicht  feststeht 


(620) 

4)  Hienm  kaUpfen  wir  weiter  die  Beschreibnng  tod  Tier  StUcken,  die,  rer- 
schiedener  Provenienz  ond  verschiedeneD  Beatandtbeilen  der  Sammlnog  des  Ber- 
liner Museums  entstammend,  ofTenbar  als  zu  einer  Serie  gehörig  zu  betrachten  sind. 
Sie  zeigen  sämmtlich  die  Form  von  Kogelcalotten;  aof  deren  platter  DnterBeite  die 
Gestalt  von  einer  oder  mehreren  Astilopen  eingegraben  sind-  Daa  Uaterial  ist  bei 
allen  dasselbe:  weisser,  roth  gesprenkelter  Qnarz. 

a)  y.  A.  2105,  Pig.  10a,  Unterseite  Fig.  10b.  Gefnnden  in  Snrghal  (Sfldbaby- 
lonien).  Wiegt  88,05  >7;  als  Gewicht  anfgefasst,  wäre  es  eine  etwas  fibermissige 
Sechstelmine  erhöhter  Norm  (Form  la  etwa  S5  g,  Ib  etwa  S6  g,  II  Hg). 

b)  V.  A.  2091  (Fig.  11),  desgleichen  Unterseite  zwei  ruhende  Antilopen.  Wiegt 
sehr  wenig  über  39  g,  hat  aber  dmrch  Abstossnngen  verloren,  kannte  daher  als 
'/u  gemeiner  Qoldmine  (409  g)  angesprochen  werden. 

c)  V.  A.  874  (Unterseite  Pig.  12).  Eine  stehende  Anülope-  Da«  Gewicht  ron 
4,2  g  wtlrde  einem  halben  Schekel  entsprechen  (gemeine  Norm  4,09  g,  erhöhte 
Norm  la  etwa  4,26  9,  Ib  etwa  4,3?,  II  4,i  g). 

d)  V.  A.  1034.  Unterseite  Fig.  13:  iwei  ruhende  Vierfasaler.  Wiegt  2,54  j. 
Ein  Viertel  Silberschekel  gemeiner  Norm?  (2,7  g). 


Figur  10a. 


Kgur  10b. 


Nfttöriiche  GrArae. 

Wie  man  siebt,  habe  ich  bei  dieser  Serie,  was  die  OewichtsqDtüität  anlangt,  mich 
mit  keinertei  BestimmUieit  anagedrückt.  Die  Frage,  ob  Gewicht  oder  Stempel,  die 
wie  Eingangs  (S.  519)  bemerkt,  bei  den  meisten  der  behandelten  Monnmente  regel- 
mässig am  Platze  ist,  liegt  hier,  wenigstens  rUr  die  kleineren  Sttlcke,  vielleicht  näher, 
als  bei  den  vorstehend  behandelten  Gmppen.  Diese  Serie  bildet  daher  die  pasaeodc 
Deberleitong  zu  dem  nonmehrzn  liefernden  Beweise,  dass  eine  und  dieselbe 
Gattung  Ton  Monumenten  als  Gewicht  und  als  Stempel  verwendet  wurde. 
Gewicht  oder  Stempel? 

1)   Wir   haben   oben   von  den  kleinen  babylonischen  (jewichten  in  Form  tob 
Schwimmvögeln   gesprochen.    Eine   der  Kuyundschik-Sammtnng  angehOrige  Hiod- 


(527) 

tafel  des  British  Museum  zei^  als  Siegel  dreimal  wiederholt  einen  Stempel,  der 
seiner  Qestalt  nach  unverkennbar  mit  einer  solchen  sogen.  „Ente"  gefertigt  ist. 
Aber  mehr  noch:  die  Darstellung  des  Stempels,  ein  laufender  VierTllaaler,  flndet 
sich  so  genau  auf  einer  als  Gewicht  betrachteten  „Ente"  des  British  Hnsenm 
wieder,  dasB  man  glanben  könnte,  -  was  natürlich  nicht  anzunehmen,  —  wir 
hätten  in  ihm  dasselbe  individuelle  Stack,  mit  welchem  die  Tbontafel  gesiegelt 
worden  ist.  Fig.  14  a  glebt  das  anf  der  Thontafel  dreimal  abgedruckte  Siegel  wieder, 
so  gut  es  nach  einem  sehr  nnrollkommenen  Staniolabdrock  möglich  war.  Fig.  14b 
stellt  die  Dnteräeite  der  „Ente"  dar.  Es  wäre  nicht  völlig  undenkbar,  dass  im 
alten  Orient  thHtsächlich  ein  und  dasselbe  Stück  als  Gewicht  und  als  Siegel  ver- 
wendet wäre;  es  konnte  damit  eine  Terringerung  der  Utensilien,  namentlich  des 
herumziehenden  Händlers,  und  eine  ErspamisB  in  verBchicdenen  Richtungen  erzielt 
werden. 

2)  Der  Zweifel,  ob  Gewicht  oder  Stempel,  war  mir  jedoch,  wie  ich  bekennen 
muBS,  zunächst  durch  eine  andere  Serie  von  Erzeugnissen  asiatischer  Glyptik  er- 
weckt worden. 

Es  sind  diea  die  aoaserordeotlich  häufigen  kleinen  Kegel  aus  Cbalcedon,  Achat 
n.  s.  w.,  zameist  mit  bänderlörmiger  Schleifang,  in  der  typischen  Gestalt,  wie  sie 
Fig.  15  nach  dem  Berliner  StUck  V.  A.  750  ^ebt.  Den  Gewichts  verdacht  erweckt 
zunächst  neben  der  Kegelfonn,  die  z.  B.  auch  an  attischen  Gewichten  des  Anti- 
quariums  nachweisbar  ist,  die  ausserordentliche,  auf  alle  Theile  des  StUckos  sich 
erstreckende  Sorgfalt  der  Arbeit.  Die  am  häufigsten  wiederkehrende,  auf  der  Basis 
des  K^ela  eingegrabene  Darstellung  wird  gewöhnlich  gedeutet  als  die  eines  Hannes 
in  betender  Stellung  vor  einem  Altar.  Ob  diese  AulfasBung  die  richtige  ist,  kann 
zweifelhaft  erscheinen.  Zwar  einige  der  auf  dem  „Altar"  regelmässig  auftretenden 
Gegenstände  scheinen  mit  den  Abzeichen  der  babylonischen  Thierkreisbilder  einige 
Aehnlichkeit  zu  haben,  so  dass  man  sie  mit  dem  Gestimdienst  in  Verbindung  bringen 

Figur  14  &.  Figur  16. 

Figur  16.  Figur  17. 


NatSrlicbe  GrSsse. 

kSnnte.  Aber  namentlich  den  in  Fig.  16  (Unterseite  des  so  eben  abgebildeten  Stdckes) 
und  Fig.  17  (Berl.  V.  A.  2569)  besonders  deutlich  erscheinenden  Stab  mit  einer  Anzahl 
über  einander  gereihte^  Kugeln  wird  man  ebensowohl  als  eine  Hindeutung  anf  Zählen 


(528) 

und  Rechnen  fassen  können,  als  anf  den  eigentlichen  Coltns  and  Gottesdienst 
Beides  stand  ja  Qbrigens  in  Babylonien  im  engsten  Znaamnienhang.  Eine  andere 
Form  giebt  Fig.  18  nach  Berl.  Mns.  V.  A.  753.  Eine  nahe  verwandte,  als  Ülnstra- 
tion  nnd  Verdeutlichang  interessante  Daretellnng  zeigt  eine  kleine,  man  könnte 
sagen,  beilßinnige  Platte  im  British  Hiisenm.  Fig.  19a  nnd  b'  geben  die  beiden 
Seiten  derselben  wieder. 

Was  nnn  das  Gewicht  der  Kegel  anlangt,  go  fehlt  es  mir  einstweilen  an  ge- 
nügendem Material,  nm  ein  ürtheil  abgeben  zu  können,  da  ich  die  Wägnngen  der 
Beniner  Stacke  noch  nicht  vollendet,  die  der  Londoner  nicht  habe  in  Angriff 
nehmen  können.  Auch  liegt  es  nicht  in  meiner  Absicht,  die  Frage,  ob  Gewicht 
oder  Stempel,  die  zudem  nach  dem  oben  S.  52&  sab  1  AnsgefUhrten,  keine  an- 
bedingte Bnlscheidnng  fordert,  hier  zn  erledigen.  Bei  so  geringen  Nominalen 
fallen,  wie  ich  wiederholt  betone,  ja  die  Grenzen  zwischen  den  verschiedenen 
Grössen  so  nahe  zusammen,  daas  man  eine  Annäherung  an  eine  der  bekannten 
Theilgrössen  der  Systeme  schlieBslich  in  jedem  Gewicht  finden  kann.  Ich  begnOge 
mich  daher  vor  der  Hand  mit  der  Bemerkung,  dass  einige  fWe  genauer  Co'inci- 
denz  mit  dem  Gewichts-  oder  dem  Silberschekel  und  dessen  Tbeilea  zn  bemerken 
sind,  möchte  dagegen  die  Aufmerksamkeit  auf  einige  andere  anf  diesen  Docn- 
menten  erscheinende  Darstellungen  lenken,  die  zu  der  Erwägung  auffordern,  ob  ne 
nicht  als  symbolische  Darstellungen  der  Waage  und  des  Gleichgewichts 
aufzufassen  sind. 

Fig.  20  (Berl.  V.  A.  2567)  zeigt  zwei  thierfOsaige  Hänncr  mit  erhobenen,  am 
Ellenbogen  rechtwinklig  gebeugten  Armen  vor  einer  menschlichen  Gestalt  stehend. 
Fig.  21  (V.  A.  751)  zwei  ähnlich  geartete  Gestalten  in  gleicher  Stellnng.  Ueber 
ihnen  die  geflügelte  Sonnenscheibe.  Zwischen  beiden  ein  Stab  mit  kugelförmigen 
Absätzen  (vergl.  8.  537).  Dass  sie  die  geflügelte  Sonnenscbeibe  „biigen",  wie  es 
der  Führer  durch  die  vorderasiatische  Sammlung  (8.  75)  angiebt,  scheint  mir  eine 
irrige  Annahme.  Die  erhobenen  Hände  sowohl,  wie  der  Kngelstub,  sind  von  der 
geflügelten  Sonnenscheibe  durch  deutlich  erkennbare  Zwischenräume  getrennt. 


Figur  23. 


Fig.  S3  (V.  A.  2566)  zeigt  einen  persischen  König,  der  mit  auagestreckteB 
Armen  zwei  Löwen  (vgl.  o-  8.  516)  hei  den  Schwänzen  im  Gleichgewicht  bili 

Darstellungen  ähnlich  denen,  welche  auf  den  8teinen  in  Kegelform  erscheinen, 
finden  aich  auf  ovalen  Steinen,  aog.  Skarabaeoiden,  die  deshalb  bei  diesbezilg- 
lieben  weiteren  Untersuchungen  ebenfalls  in  Betracht  gezogen  werden  müssen.  Ein 
solcher  Stein  (V.  A.  2533)  zeigt  eine  weibliche  geflügelte  Gestalt  (wohl  die  Göttü 
Istar)  mit  waagerecht  zor  Seite  gestreckten  Armen  (Fig.  23).  — 


(529) 

Es  möchte  als  ein  weiteres  Indicium  für  die  Gewichtsyerdächtigkeit  dieser 
Gattung  von  Monnmeaten  gelten  können,  dass  sich  eine  sehr  ähnliche  Darstellung 
(Pig.  24),  eine  weibliche  Gestalt  mit  vier  Flügeln)  auf  der  Unterseite  eines  der 
Schwimmvögel-  („Enten-^)  Serie  angehöngen  Documentes  (Brit.  Mus.)  findet. 

Im  Uebrigeir  wäre,  selbst  wenn  man  uns  in  der  Auffassung  beipflichtet,  dass 
wir  es  hier  mit  Symbolisirungen  der  Waage  zu  thun  haben,  die  Frage,  ob 
Gewicht  oder  Stempel,  noch  immer  nicht  entschieden.  Denn  die  Stempelung  konnte 
ja,  wie  n.  A.  bei  den  edlen  Metallen,  bestimmt  sein,  das  richtige  Gewicht,  bezw. 
die  Aechtheit  des  gestempelten  Gegenstandes  zu  garantiren.  — 

Unter  den  etwa  50  Wägungen,  die  ich  in  London  Torgenommen  habe,  ist  es 
mir  zweimal  begegnet,  dass  zwei  Gegenstände  von  gänzlich  verschiedener  Form 
und  grundverschiedenem  Material,  deren  jedes  ich  als  Gewicht  angesprochen  hatte, 
nicht  nur  ihrem  Gewichte  nach  sehr  genau  übereinstimmten,  sondern  ausserdem 
mit  diesem  ihrem  gemeinsamen  Gewicht  einer  bekannten  antiken  Gewichtsgrösse 
gleichkamen,  —  die  willkommenste  Bestätigung  für  meine  Auffassung. 

1)  a)  Ein  Stück  aus  grauem  Sandstein,  Brii 

Mus.   57.   9—14.    1.,   in   Gestalt  einer   Kugel-  Figur  25. 

calotte,  aber  an  Stelle  der  oberen  Wölbung  eine 
Vertiefung  zeigend,  wiegt  147,29  (0)  g,  —  Es 
trägt  eine  Inschrift  in  altaramäischer  Schrift,  von 
der  mir  ein  Abdruck  zur  Verfügung  gestellt 
wurde,  nach  welchem  Hr.  Euting  freundlichst 
die  nebenstehend  wiedergegebene  Zeichnung  an- 
gefertigt hat  (Fig.  25).  Vi 

Hr.  Nöldeke   schreibt  mir  auf  meine  An- 
frage gütigst,  dass  er  selbst  und  Hr.  Euting  sie  veigebens  im  Corpus  Inscriptionum 
gesucht  haben  und  dass  es  ihnen  auch  nicht  gelungen  sei,  irgend  etwas  von  Sinn 
hineinzubringen:  „Man  liest  ziemlich  deutlich:  "innKD^-   Der  dritte  Buchstabe  er- 
scheint als  der  wenigst  sichere.  — 

b)  Fast  genau  dasselbe  (Gewicht,  nehmlich  148,77  (8)  ^,  zeigt  ein  Gewichts- 
stück (?)  aus  Alabaster  in  Giebelform,  mit  Querdurchbohrung. 

Beide  Stücke  stellen  Vto  der  leichten  Gewichtsmine  gemeiner  Norm  dar,  die 
sichnach  a)  auf  490,9  (7)  ^,  nach  b)  auf  495,92  g  stellen  würde,  während  der 
Normalbetrag  (Verh.  1889.  S.  297)  auf  491,2—492,9  g  anzusetzen  ist.  — 

2)  a)  Der  oben  (S.  523  sub  b  vgl.  Fig.  5)  bereits  besprochene  liegende  Widder 
wiegt  11,98  (1)  ^. 

b)  Ein  liegendes  Schwein,  Marmor  (Brit.  Mus.  Assyrian  Broom  Gase  G.  388), 
wohl  erhalten,  quer  durchbohrt,  auf  der  Unterseite  ein  stehender  Mann,  wiegt 
11,92  (3)  g  (wobei  allerdings  eventuell  ein  ganz  geringer  Gewichtszuwachs  durch 
anhaftenden  Leim  mit  in  Betracht  zu  ziehen  ist). 

Die  Uebereinstimmung  ist  nicht  so  gross,  wie  bei  dem  ersterwähnten  Paar; 
doch  treffen  beide  mit  dem  äginäischen  Didrachmon  gemeiner  Norm  (veigl.  Verh. 
1889.  S.  265  sub  2)  auffällig  zusammen.  Das  sub  b  genannte  Stück  nähert  sich 
mehr  der  vollen  Form  (Mine  etwa  600  ^,  Didrachmon  etwa  12  i^);  das  sub  a)  mehr 
der  wohl  in  Folge  eines  Abzugs  von  1  pCt.  für  den  Prägeschatz  (Verh.  1889.  S  269) 
verminderten  Form«)  (vgl.  o.  S.  522  sub  2  und  S.  524  sub  2,  unten  S.  531). 

Schliesslich   gebe   ich  in  Fig.  26  vier  verschiedene  Seiteitenansichten  und  die 


1)  S.  Hultsch,  Metrologie  §  24,  2  S.  190  Anm.  2. 

V«riian<ll.  der  Bwl.  AnthropoL  GMcllMhAft  1891.  84 


(530) 

Unterseite  einea  knnstroU  gearbeiteten  Stuckes  aus  Eisen,   der  Berliner  Sammlung 
(V.  A.  133)  gehörig,  wieder,   das  nach  Aoswets  des  Inventars  von  einem  orientali- 
schen Händler  erworben   wurde,   der  es 
Figur  86.  noch   in   anseren  Tagen  als  Gewicht  ge- 

brauchte. Ks  wiegt  10,66  g,  wahrend  ein 
Schekel  Silbers  gemeiner  Norm  normal 
10,92— 10,95  9  betragt,  so  dass  das  Stflck 
nur  sehr  wenig  hinter  dieser  Norm  zorllck- 
bleibt.  — 

Fassen  wir  nun  die  hauptsächUchen 
Merkmale  der  Gewichtsverdächtigkeit  ed- 
sammen,   die   sich   ona   im  Laufe   dieser 

®  Unters achnng  ergeben  haben: 

1)   Es   gehären   dahin   die  Formen 
des  Ovals  (uid  des  Fässchens),  des  Polye- 
Natörliche  Grösse.  dera,  des  Kegelt,  der  Kngelcalotte,  des  ge- 

schweiften   Steines.     Femer    die   Thier- 
gestalt,   der   Griff  in  Handform   und   die   Dnrchbohmng. 

2)  Was  die  Darstellang  anlangt,  so  sind  hervorzuheben:  die  Thierc,  nament- 
lich Rinder,  Schweine  Antilopen.  —  Punkte  und  Striche  als  Nominalbezeichnung, 
SymboliBimngen  der  Waage,  bezw.  des  Gleichgewichts  (?),  — 

Das  Zusammentreffen  mehrerer  dieser  Merkmale  wird  oftmals  den  Gewichts- 
verdacht  begründen  können.  Als  erwiesen  wird  die  Gewi<^taqnalität  nur  dann 
gelten  dürften,  wenn  die  rein  metrologischen,  auf  daa  Gewicht  basirten  Erwägungen 
die  Annahme  stutzen  und  bestätigen.  Und  dieser  Nachweis,  wir  wiederholen  es 
nochmals,  ist  namentlich  bei  Gegenständen  geringen  Nominala  leider  nicht  allzu  oft 
mit  voller  Sicherheit  zu  erbringen.  — 

Endlich  möchte  ich  noch  einige  Mittheilungen  machen  über 

Wägnngen  altorientalischer  Fnndstücke  aus  Gold. 

Wie  ich  (Yerhandl.  1889.  8.  248  f.)  anaführte,  können  neben  den  Gewichten 
und  Münzen  noch  zur  Bestimmung  des  Gewichtsfussea  bei  vorsichtiger  Verwen- 
dung herangezogen  werden  andere  Verarbeitungen  edler  Metalle,  Schmuck  und 
Gebranchsgegen stände  aua  Gold  und  Silber  a.  s.  w.  Denn  fQr  den  Goldarl>eiter 
gilt,  heut  wie  vor  Alters,  in  ähnlicher  Weise,  wie  filr  den,  der  Gold-  und  Silber- 
geld in  Umlauf  setzt,  dass  das  werthvollc  Material  mit  grosser  Vorsicht  verwogen 
und  bei  der  Bearbeitung  vor  Gewichtsverlust  behfltet  wurde  und  wird.  Wenn  non 
bereits  andere  Anhaltspunkte  für  die  Bestimmung  des  am  Fundorte  solch'  einea 
Gebrauchs-  oder  Schmuckstückes  gebräuchlichen  Gewichtes  vorhanden  sind,  so 
können  namentlich  bei  schwereren  Stücken  an  den  Vielfachen  Rückschlüsse  auf 
die  Gewichtseinheit  gemacht  werden  und  daa  so  gewonnene  Ergebniss  lässt  sich 
zur  Prüfung  und  Controlc  der  anderweitig  gewonnenen  Ansätze  verwerthen.  — 

1)  Daa  British  Muaeum,  Cabinet  of  Medala,  bewahrt  zwei  Gesichtsmasken  aw 
Gold  (vgl.  die  von  Schliemann  in  Mykenae  gefundenen).    Benndorf*),  der  die- 

1)  Benndorf,  Antike  Sepulcralraaskea  und  0«sichlshclme.  Deskidir.  d.  Wiener  Akad. 
der  Wissensch.    PhU  -bist.  CUsse.  XXVllI.  Bd.  1879.  Taf.  XIV.  Nr.  1  n.  2  und  S.  6fi  f. 


(531) 

selben  nach  Mnrray 's  Zeichnungen  veröffentlicht  hat,  bemerkt  zu  denselben:  ^Das 
eine  Exemplar  wurde,  wenn  ich  mit  Recht  Identität  vermuthe,  von  Rassam  in 
Kuyi^ndschyk  entdeckt,  und  zwar  in  einem  Grabe,  das  aus  spätrömischer  Zeit  her- 
zurühren schien  (Layard,  Discoveries  p.  592  ff.).  Wann  und  wie  das  zweite  zum 
Vorschein  gekommen  ist,  habe  ich  nicht  in  Erfahrung  bringen  können."  Ich 
möchte  hierzu  nur  bemerken,  dass,  wenn  auch  die  Masken  in  einem  Grabe  aus 
spätrömischer  Zeit  gefunden  sind,  sie  nicht  in  dieser  Zeit  gearbeitet  zu  sein 
brauchen.  Sie  können  ja  Fundsttlcke  aus  älteren  Gräbern  sein,  die  wieder  neu 
verwendet  worden  sind.  Die  Fundstätte  auf  den  Trümmern  des  alten  Niniveh 
dürfte  diese  Annahme  nahe  legen. 

a)  Die  eine  der  Masken,  die  0,16  m  hoch  ist  und  an  den  Rändern  geringe 
Abstossungen  zeigt  (Brit.  Mus.  56.  9—9.  66.  Benndorf  Nr.  2),  wiegt  40,35  (7)  g\ 
sie  dürfte  Vio  leichte  Mine  Goldes  gemeiner  Norm  darstellen:  normal  409,3  (bis 
410,8);  mit  Abzug  von  1  pCt  (vgl.  Verh.  1889.  S.  269)  405,21  (bis  406,7).  — 

b)  Die  andere  (Brit.  Mus.  56.  9—9.  67)  wiegt  21,37  (7)  g  und  würde  sich 
recht  wohl  als  Vio  leichte  Goldmine  erhöhter  Norm  betrachten  lassen:  die  Mine 
käme  auf  427,5  g\  die  verschiedenen  Formen  der  erhöhten  Norm  würden  stehen: 
la  etwa  426,5—427  g\  Ib  etwa  430^;  H  420  ^r. 

Scheint  somit  das  eine  Stück  sich  mit  seinem  Gewicht  in  die  gemeine,  das 
andere  in  die  erhöhte  Norm  einzureihen,  so  sei  wiederholt  betont,  dass  auf  die 
Zuweisung  in  dieser  Richtung  bei  Gebrauchsgewichten  und  Gebrauchsgegenständen, 
noch  dazu  nicht  völlig  sicheren  Erhaltungszustandes,  kein  besonderer  Nachdruck 
gelegt  werden  soll.  —  Andererseits  darf  darauf  hingewiesen  werden,  dass  von  den 
Platten  in  Edelmetall  mit  Inschriften,  die  im  Palaste  Sorgens  zu  Khorsabad  ge- 
funden sind,  die  goldene  167  ^,  d.  h.  20  leichte  Goldschekel  zu  8,35  g  wiegt,  also 
der  erhöhten  Norm  angehört');  die  silberne  dagegen  438,62^,  d.h.  40  leichte 
Silberschekel  zu  10,965  g  wiegt,  also  sich  zur  gemeinen  Norm  stellt,  da  die  nie- 
drigste Form  der  erhöhten  Norm  11,20^  für  den  Schekel  erfordern  würde. 

Höchst  wichtig  und  interessant  sind  zwei  Stücke  der  Seh liemann* sehen 
Sammlung*).  Die  goldene  bauchige  Flasche  wiegt  403  y,  d.  h.  eine  leichte  Gold- 
mine gemeiner  Norm  in  dem  etwas  verringerten  Betrage,  wie  er  sich  ebenso 
aus  der  Goldmaske  a  ergiebt.  Das  ^tta;  9.fx^tK\ijttk'koy  dagegen  wiegt  602^,  stellt 
also  die  volle  äginäische  Mine  gemeiner  Norm  in  ihrem  normalen  Betrage  dar,  und 
bietet,  worauf  wir  schon  oben  (S.  524  sub  2)  hingewiesen  haben,  einen  wichtigen 
Beleg  für  die  Präexistenz  dieser  Gewichtsnorm  an  der  asiatischen  Rüste.  — 

Dass  schliesslich  auch  Gegenstände  sehr  geringen  Volumens  in  ihrem  Gewicht 
die  Zugehörigkeit  zum  System  bewahren  können,   dafür  möge  als  Beispiel  dienen: 

a)  Ein  grosser  goldener  Ohrring,  Brit.  Mus.  72.  6 — 4.  484.  (Nr.  1381),  aus 
Warka  (dem  alten  Uruk,  Erech  der  Bibel,  Orchoe  der  Glassiker)  stammend; 
war  zerbrochen  und  hat  dabei  wohl  etwas  an  Gewicht  verloren,  —  ein  Verlust, 
der  durch  den  der  Bruchstelle  anhaftenden  Leim  wohl  nicht  völlig  wieder  ein- 
gebracht ist  Er  wiegt  3,97  (1)  g\  7s  leichter  Goldschekel  gemeiner  Norm  wöge 
nonnal  4,09  (bis  4,10)  g. 

b)  Von  zwei  wohlerhaltenen  goldenen  Ohrringen,  die  zusammen  mit  einem 
Frauenschädel  von  der  babylonischen  Expedition  in  einem  Grabe  zuelHibbain 
Südbabylonien  geftmden  sind  und  im  Berliner  Museum  (V.  A.  2092)  bewahrt  werden, 
wiegt  der   eine  3,28  ^,   der  andere   3,27  g.     Als   Fünftel   eines  schweren  Gold- 


1)  Brandis  8.  190. 

2)  Scbliemann,  Ilios  8.520  u.618. 

34' 


(532) 


Figur  27  a.     Figur  27  b.       schekels  gefasst,  ergeben  sie  für  denselben  16,40,  bezw. 

16,35^;   der  normale  Ooldschekel  gemeiner  Norm  aber 
wiegt  16,39  gl 

Mehr  als  Beispiel  für  zierliche  Thierdarstellungen, 
als  wegen  ihrer  etwaigen  Gewichtsyerdächtigkeit  (3,40  g^ 
also  wenig  mehr  als  die  Qoldringe)  sei  schliesslich 
eine  kleine,  etwas  gehöhlte  Elfenbeinplatte  (ßerl.  Mus. 
V.  A.  2099)  erwähnt,  deren  Vorder-  und  Rückseite  in 
Fig.  27  a  und  27  b  wiedergegeben  sind. 
Zum  Schluss  freut  es  mich,  den  Herren  vom  Department  of  Oriental  Anti- 
quities  imd  vom  Department  of  coins  and  medals,  namentlich  den  Herren  P.  le 
Page  Renouf,  Stuart  Poole,  Head  und  Cecil  Smith  für  die  Ldebenswürdig- 
keit  und  Zuvorkommenheit,  mit  welcher  sie  meine  Arbeiten  gefördert  haben,  meinen 
verbindlichsten  Dank  an  dieser  Stelle  aussprechen  zu  können.  — 


V, 


(21)  Hr.  Dr.  Franz  Boas  übersendet  aus  Worcester  in  Massachusetts  ein 
grösseres  Manuscnpt  über 

Sagen  ans  Britisch-Colnmbien. 

In  den  folgenden  Sagen,  welche  ich  auf  wiederholten  Besuchen  in  Britisch 
Columbien  gesammelt  habe,  benutze  ich,  der  Gleichförmigkeit  halber,  bei  Schrei- 
bung der  indianischen  Namen  und  Worte  dasselbe  Alphabet,  das  ich  nach  lieber- 
einkommen  mit  Herrn  Prof.  Horatio  Haie  in  meinen  Berichten  an  die  British  Asso- 
ciation for  the  Advancement  of  Science  gebraucht  habe:  Die  Vocale  sind  wie  im 
Deutschen  gebraucht;  e  steht  für  Lepsin s  §  (wie  in  haben).  Folgende  Conso- 
nanten  müssen  erklärt  werden: 

g'  gutturales  g; 

k'  gutturales  k; 

q  wie  ch  in  Bach; 

H  wie  ch  in  ich; 

Q  zwischen  q  und  h,  der  Mund  in  n- Position; 

c   das  deutsche  seh; 

9   das  englische  th  in  thin; 

tl   explosives,  dorso-apicales  1. 

I.   Sagen  der  Shushwap.    Gesammelt  in  Kamloops. 

1.  Tlö'esa. 

Es  war  einmal  eine  Frau,  die  hatte  vier  Söhne.  Der  älteste  hiess  Tle'esa.  Die 
jungen  Männer  wollten  die  Welt  durchwandern.  Da  warf  ihre  Mutter  ein  Zauber- 
mittel auf  sie,  um  sie  stark  zu  machen.  Sie  traf  die  drei  jüngsten,  den  ältesten 
aber  verfehlte  sie  und  er  ward  sogleich  in  einen  Hund  verwandelt.  Sie  sagte 
ihnen  dann  alles  voraus,  was  ihnen  begegnen  würde. 

Die  jungen  Männer  machten  sich  nun  auf  und  wanderten  vom  Shushwap  See 
aus  den  South  Thompson  River  hinab.  Bald  kamen  sie  zum  Hause  des  „Wood- 
chuck^  (Arctomys  monax).  Dasselbe  stand  gerade  zwischen  zwei  Felsen.  Wenn 
jemand  kam,  so  zog  das  Woodchuck  sich  in  sein  Haus  zurück,  und  wenn  man  ihm 
folgte,  um  es  zu  fangen,  so  schlugen  die  Felsen  zusammen  und  tödteten  den  Ein- 
dringling. Tle'esa  sprach,  als  er  viele  Woodchucks  auf  den  Felsen  umherspielen 
sah:  „Ich  will  hingehen  und  sie  fangen."  Seine  Brüder  warnten  ihn  und  er- 
innerten ihn  daran,  dass  seine  Mutter  ihnen  erzählt  habe,  das  Woodchuck  tödte 
jeden,  der  es  angreife;  er  liess  sich  aber  nicht  halten  und  lief  fort,  sie  sn  fangen. 


(533) 

Die  Woodchacks  zog^n  sich  in  ihr  Haus  zwischen  den  Felsen  zurück.  Da  nahm 
Tle'esa  seine  Lanze  mit  Steinspitze  und  stemmte  dieselbe  quer  zwischen  die  Felsen, 
die  nun  nicht  mehr  zusammenschlagen  konnten.  Dann  fing  er  die  Woodchucks 
und  erschlug  sie  mit  dem  Hammer,  der  von  seinem  Handgelenke  herabhing.  Er 
warf  sie  dann  aus  der  Felsspalte  heraus  und  seine  Brüder  nahmen  sie  auf.  Tle'esa 
sprach:  ,^Rünftighin  sollt  Ihr  keine  Menschen  mehr  tödten.  Ihr  sollt  Woodchucks 
sein  und  den  Menschen  zur  Nahrung  dienen."  Während  er  noch  in  der  Felsspalte 
mit  den  Woodchucks  kämpfte,  machten  seine  Brüder  ein  grosses  Feuer,  brieten  die 
Thiere  und  hatten  die  besten  aufgegessen,  als  Tle'esa  endlich  wieder  aus  der  Fels- 
spalte zum  Vorschein  kam.  TlS'esa  sagte  nichts,  sondern  nahm,  was  übrig  ge- 
blieben war. 

Dann  gingen  sie  weiter  den  Fluss  hinab.  Als  sie  nach  Ducks  kamen,  sahen 
sie  dort  eine  Frau  auf  einem  Felsen  sitzen  und  singen.  Tle'esa  sagte:  „Ich  will 
sie  fangen."  Wieder  warnten  ihn  seine  Brüder,  er  Hess  sich  aber  nicht  zurück- 
halten. Er  ging  den  Berg  hinauf  und  sammelte  viele  Tannenzapfen.  Die  Frau 
lachte  ihn  an  und  ging  eben  so  rasch  rückwärts,  wie  er  den  Beig  erklomm.  Seine 
Brüder  folgten  ihm.  Endlich  hielt  die  Frau  stille.  Als  Tle'esa  ihr  nun  nahe  kam, 
krochen  plötzlich  eine  ungeheure  Menge  Klapperschlangen  aus  ihren  Löchern  und 
gingen  auf  ihn  los.  Er  aber  tödtete  alle  mit  seinen  Tannenzapfen.  Während  er 
noch  mit  den  Schlangen  kämpfte,  liefen  seine  Brüder  weiter  und  fingen  die  Frau 
für  sich.  Tle'esa  sagte  nichts  zu  seinen  Brüdern.  Er  sprach  nur  zu  der  Frau: 
„Du  wirst  von  jetzt  ab  niemand  mehr  tödten  Wenn  ein  Mann  Dich  haben  will, 
wird  er  Dich  nehmen  und  Du  sollst  ihm  nichts  anhaben  können." 

Die  Brüder  gingen  weiter  den  Fluss  hinab.  Als  sie  nach  einem  Orte,  etwas 
oberhalb  Ramloops  kamen,  sahen  sie  ein  unterirdisches  Haus'),  neben  dem  eine 
grosse  Stange  stand.  Hier  wohnte  der  graue  Bär  und  der  Coyote.  Die  Bären 
sahen  sie  kommen  und  die  drei  Brüder  traten  ein.  Sie  banden  Tle'esa  vor  der 
Thtire  fest,  und  bedeckten  ihn  über  und  über  mit  Steinmessem,  sogar  seinen 
Schwanz  und  seine  Zähne.  Nach  einiger  Zeit  lud  der  Bär  sie  zu  einem  Wett- 
kampfe ein.  Sie  sollten  an  der  Stange,  die  vor  dem  Hause  stand,  hinaufklettern. 
Zuerst  kletterte  der  zweite  Bruder  mit  dem  Bären  zusammen  hinauf.  Als  sie  fast 
oben  waren,  fasste  ihn  der  Bär  und  tödtete  ihn.  Der  Leichnam  fiel  von  der  Stange 
herunter.  Als  Tle'esa  das  sah,  ward  er  sehr  zornig.  Er  heulte  und  fletschte  seine 
Zähne.  Da  rief  Coyote:  „Ich  fürchte,  der  Hund  wird  uns  auffressen.  Er  wird 
ganz  wild."  Tlö'esa  berührte  Coyote  nur  mit  seinem  Körper,  da  blutete  jener  so- 
gleich. Die  Steinmesser  hatten  ihn  geschnitten.  Nun  kletterte  der  dritte  Bruder 
mit  dem  Bären  die  Stange  hinauf.  Es  erging  ihm  nicht  besser,  als  dem  ersten 
Bruder,  und  den  vierten  ereilte  dasselbe  Schicksal.  Nun  war  nur  der  Himd  Tle'esa 
übrig  geblieben.  Er  schnitt  das  Seil  durch,  mit  dem  er  festgebunden  war  und 
kletterte  mit  dem  Bären  hinauf.  Als  sie  fast  oben  waren,  schnitt  er  den  Bären 
mitten  durch,  so  dass  ein  Theil  rechts,  der  andere  links  niederfiel.  Vier  Bären 
kletterten  mit  ihm  um  die  Wette,  aber  er  tödtete  alle.  Dann  legte  er  die  Glied- 
maassen  seiner  Brüder  zusammen,  sprang  über  sie  fort  und  sie  wurden  wieder 
lebendig. 

Die  Brüder  wanderten  weiter  und  gelangten  nach  Cherry  Creek.  Dort  sahen 
sie  ein  unterirdisches  Haus,  in  dem  wohnte  das  Kaninchen.  Tle'esa  sagte:  „Ich 
werde  hineingehen.  Ich  will  das  Kaninchen  zu  Abend  essen."  Wieder  warnten 
ihn   seine  Brüder,   er  liess  sich  aber  nicht  zurückhalten.    Er  nahm  einen  flachen 


1)  Die  Indianer  leben  im  Winter  in  solchen  Häusern. 


(534) 

Stein,  bedeckte  seinen  Bauch  und  seine  Brost  damit  and  ging  hinein.  Die  Brüder 
blieben  dranssen  stehen  nnd  lugten  in  das  Hans.  Das  Kaninchen  lag  auf  dem 
Bücken  mit  übereinandergeschlagenen  Beinen.  Es  hatte  etwas  Fleisch  hinter  sich 
liegen.  Als  es  Tle'esa  eintreten  sah,  rief  es:  „Holiah  Fremder I  Woher  kommst 
Dn?  Wohin  gehst  Du?"  Jener  versetzte:  „0,  ich  reise  nur  zu  meinem  Yeignüg^i 
umher."  „Gewiss  bist  Du  hungrig.  Hier  hinter  mir  liegt  Fleisch;  nimm  Dir  daron!" 
Als  Tle'esa  nun  herankam  und  Ton  dem  Fleische  nehmen  wollte,  trat  ihn  das 
Kaninchen  vor  die  Brust.  So  pflegte  es  alle  Fremden  zu  tödten,  die  sein  Ebius 
besuchten.  Sein  Bein  schlug  immer  gerade  durch  die  Brust  hindurch.  Dieses  Mal 
aber  zerschlug  es  sein  Bein  an  dem  Steine,  der  Tl€'esas  Brust  bedeckte.  Es  fing 
an  zu  schreien.  Tle'esa  eingriff  es  an  dem  anderen  Beine,  schlug  es  gegen  die 
Wand  und  rief:  „Bis  jetzt  hast  Da  Menschen  getödtet.  Nun  tödte  ich  Dich  und 
werde  Dich  essen."  Er  warf  es  zum  Hause  hinaus.  Da  nahmen  seine  Brüder  es 
auf,  und  kochten  und  assen  es,  ehe  Tle'esa  herauskam. 

Die  Brüder  gingen  weiter  und  kamen  nach  Sayaners(?)  Ferry.  Dort  stand 
ein  grosses  Elch  mit  gespreizten  Beinen  über  dem  Flusse  und  tödtete  alle,  die 
über  den  Fluss  zu  gehen  versuchten.  Es  zog  die  Boote  ans  Land  und  verschlang 
sie.  Als  die  Brüder  dort  ankamen,  wussten  sie  nicht,  wie  sie  vorankommen  sollten. 
Tls'esa  sprach:  „Ich  werde  ein  Floss  bauen  und  hinunter  fahren."  Seine  Brüder 
wollten  es  nicht  erlauben.  Er  aber  kümmerte  sich  nicht  um  sie,  sondern  machte 
ein  Floss.  Als  er  fertig  war,  süeg  er  darauf  und  liess  es  den  Fluss  hinab  treiben. 
Als  er  dicht  an  das  Elch  herankam,  schlürfte  dasselbe  das  Floss  und  Tlö'esa 
herunter.  Da  weinten  die  Brüder,  denn  sie  glaubten,  er  sei  todt  Die  Stangen 
des  Flosses  giujgen  aber  gerades wegs  durch  das  Elch  hindurch.  Tlö'esa  machte 
drinnen  ein  Feuer  an  und  kochte  sich  ein  gutes  Mahl.  Dann  ergriff  er  das  Herz 
des  Elch  und  drückte  daran.  Da  fing  es  an  von  einer  Seite  des  Flusses  zur 
anderen  zu  schwanken.  Als  die  Brüder  das  sahen,  sprachen  sie  zu  einander: 
„Was  mag  mit  dem  Elch  geschehen  sein?"  Als  es  nun  wieder  zu  der  Seite  hin- 
über schwankte,  wo  die  Brüder  standen,  schnitt  Tle'esa  das  Herz  ab  und  es 
fiel  todt  nieder.  Die  Brüder  zogen  es  ab  und  schnitten  es  auf.  Als  sie  nun 
den  Magen  öfitnen  wollten,  rief  Tle'esa:  „Fasst  auf  und  schneidet  mich  nichtl"  Da 
öffneten  sie  den  Magen  vorsichtig  und  fanden  nun,  dass  Tle'esa  sich  drinnen  ein 
Mahl  bereitet  hatte.    Die  Brüder  assen  ihm  alles  auf. 

Sie  gingen  nun  über  den  Fluss.  Bald  erblickten  sie  einen  „Tabaksbaum  0^- 
Ein  Ast  desselben  schwang  im  Kreise  umher,  sobald  jemand  versuchte,  Tabak  zu 
holen,  und  erschlug  ihn.  Tle'esa  nahm  einen  kleinen  Stock  und  ging  zu  dem  Baum 
hinauf.  Als  der  Ast  zu  schwingen  begann,  schlug  er  ihn  mit  dem  Stocke  durch 
und  warf  ihn  in  den  Fluss.  Dann  warf  er  den  Baum  mit  seinem  Stocke  um,  indem 
er  ihn  ausgrab.  Da  kamen  die  Brüder  herauf  und  nahmen  allen  Tabak  ab. 
Tle'esa  bekam  nichts. 

Die  Brüder  gingen  dann  den  Bonaparte  Oreek  hinauf.  Dort  ist  ein  steiler 
Felsen,  auf  dem  lebte  die  Bergziege,  die  alle  tödtete,  die  sie  zu  fangen  versuchten. 
Am  Fusse  des  Felsens  war  ein  Hund,  der  die  Vorübeigehenden  biss.  Tle'esa 
sprach:  „Ich  will  die  Bergztege  tödten  und  das  Fett  mit  meinem  Tabak  mischen." 
Die  Brüder  glaubten,  er  werde  den  Fels  nicht  ersteigen  können.  Er  liees  sich 
aber  nicht  abhalten  und  ging,  das  Abenteuer  zu  bestehen.  Als  der  Hund  ihn 
beissen  wollte,  spiesste  er  ihn  auf  seinen  Stock  auf  und  warf  ihn  zu  Boden,  indem 


1)  Yor  Ankunft  der  Weissen  gebrauchten  die  Indianer  angebUcb  die  Blitter  dietes 
Baumes  als  Tabak.    Die  Gattung  and  Art  war  nicht  in  bestimmen. 


(535) 

er  rief:  ,Dii  wirst  niemand  mehr  tödtenl  Rünllig  sollen  die  Menschen  Dich  be- 
nutzen.^ Er  kletterte  den  Fels  hinauf.  Als  die  Ziege  seiner  ansichtig  wurde, 
wollte  sie  ihn  hinunterwerfen.  Er  aber  spiesste  sie  auf  seinen  Stock  auf  und  zer- 
trümmerte mit  seinem  Hammer  ihren  Kopf.  Dann  warf  er  sie  den  Berg  hinunter 
und  sprach:  „Du  sollst  niemand  mehr  tödten.  Künftig  sollen  die  Menschen  Dich 
tödten  und  verzehren.^  Sie  kam  ganz  zerrissen  unten  an.  Die  Brüder  hoben  sie 
auf  und  nahmen  alles  Fett,  das  sie  mit  ihrem  Tabak  mischten.  So  blieb  für 
Tle'esa  nichts  übrig. 

Die  Brüder  wanderten  weiter  und  kamen  zn  „Johnny  Wilsons  Place".  Sie 
gingen  oben  am  Berghang  entlang  und  sahen  einen  Mann  unten  am  Flussufer 
gehen.  Da  sprachen  die  Brüder  zu  einander:  „Lasst  uns  ihn  zum  Besten  haben!" 
und  sie  warfen  grosse  Felsen  nach  ihm.  Als  der  Staub  sich  verzog,  sahen  sie  ihn 
weiter  gehen,  als  ob  nichts  geschehen  sei.  Einer  nach  dem  andern  versuchte  ihn 
zu  treffen.  Sie  konnten  ihm  aber  nichts  anhaben,  obwohl  sie  zuletzt  einen  grossen 
Bergsturz  zu  Thal  gehen  liessen.  Da  ging  Tle'esa  hinab,  um  den  Fremden  zu 
sehen.  Er  sah,  dass  jener  einen  kleinen  Korb  auf  dem  Rücken  trug,  nicht  grösser 
als  eine  Faust.  Er  sprach:  „Wer  bist  Du?  Wir  haben  versucht.  Dich  zum  Besten 
zu  haben,  konnten  es  aber  nicht."  Jener  sagte,  er  heisse  Tkumenaälst,  und  lud 
Tle'esa  und  die  Brüder  zum  Essen  ein.  Er  that  Wurzeln  und  Beeren  in  seinen 
Korb  und  legte  Steine  ins  Feuer.  Als  das  Essen  fertig  war,  sprach  einer  der 
Brüder:  „Wenn  ich  einen  Bissen  nehme,  wird  nichts  mehr  da  sein."  Als  er  aber 
einen  Löffel  voll  aus  dem  Korbe  genommen  hatte,  ward  derselbe  sofort  wieder 
voll.    Nachdem  alle  sich  satt  gegessen  hatten,  wanderten  sie  zusammen  weiter. 

Bald  gelangten  sie  nach  Hat  Greek.  Daselbst  ist  eine  steile  Felswand.  Tle'esa 
sagte:  „Lasst  uns  hier  etwas  spielen I"  Tkumenaälst  frug,  was- sie  spielen  sollten, 
und  Tle  esa  antwortete,  sie  wollten  versuchen,  den  Kopf  in  den  Felsen  zu  rennen. 
Zuerst  versuchten  es  die  drei  Brüder.  Sie  machten  einen  schwachen  Eindruck  in 
den  Felsen.  Dann  versuchte  es  Tle'esa  und  sein  Kopf  drang  bis  über  die  Ohren 
in  das  Gestein  ein.  Tkumenaälst  aber  drang  noch  weiter,  bis  an  seine  Schul- 
tern ein. 

Dann  gingen  sie  weiter  und  kamen  nach  Fountain  Trail.  Dort  hatte  ein  Adler 
sein  Nest  auf  einem  steilen  Felsen.  Tle'esa  sprach:  „Ich  will  seine  Federn  holen 
und  meinen  Mantel  damit  besetzen."  Seine  Brüder  warnten  ihn.  Er  aber  Hess  sich 
nicht  abhalten.  Er  nahm  seinen  Stab,  etwas  rothe  und  weisse  Farbe  und  setzte 
sich  unter  den  Felsen.  Da  sahen  die  Brüder,  wie  der  Adler  sich  auf  ihn  herab- 
stürzte. Er  trug  ihn  in  die  Höhe  und  kreiste  mit  ihm.  Er  wollte  ihn  dann  an 
dem  Felsen  zerschmettern.  Als  er  nun  aber  an  den  Felsen  heranflog  imd  Tle'esa 
dagegen  schlagen  wollte,  stemmte  dieser  seinen  Stab  gegen  den  Felsen  und  entkam 
so  unverletzt  Er  spie  etwas  rothe  Farbe,  die  er  in  den  Mund  genommen  hatte, 
gegen  den  Felsen  und  da  glaubten  der  Adler  und  die  Brüder,  es  sei  sein  Blut. 
Der  Adler  flog  nochmals  in  weitem  Kreise  mit  ihm  herum,  um  ihn  gegen  den 
Felsen  zu  schlagen.  Wieder  stemmte  Tle'esa  seinen  Stab  dagegen  und  spie  dieses 
Mal  weisse  Farbe  gegen  den  Felsen.  Da  glaubten  der  Adler  und  die  Brüder,  es 
sei  sein  Gehirn.  Er  trug  ihn  dann  in  sein  Nest  und  flog  wieder  von  dannen.  Die 
jungen  Adler  wollten  ihn  fressen.  Da  zeigte  er  aber  seinen  Hammer  und  sprach: 
„Nun  rührt  mich  nicht  an,  sonst  schlage  ich  Euch  todt.  Wenn  Eure  Mutter  kommt, 
bittet  sie,  sie  solle  sich  auf  den  Rand  des  Nestes  setzen,  und  wenn  sie  fragt, 
warum  Ihr  mich  nicht  gefressen  habt,  sagt  nicht,  dass  ich  noch  lebe!"  Die  jungen 
Adler  fürchteten  sich  und  versprachen  zu  gehorchen.  Bald  kam  die  Alte  heim  und 
brachte  ihnen  Bären  und  Hirsche.    Als  sie  Tle'esa  noch  im  Neste  liegen  sah,  fragte 


(536) 

sie  ihre  Jungen,  waram  sie  ihn  nicht  gefressen  hätten.   Dann  flog  sie  wieder  fori 

Tle'esa  ass  mit  den  Jungen  von  den  Bären  und  Hirschen.  Als  nun  die  Alte  wieder 

kam,   baten  die  Jungen  sie,   sich  an  den  Rand   des  Nestes  zu  setzen.    Da  schlug 

Tle'esa  sie   mit   seinem  Hammer  todt  und   sie   fiel  vom  Felsen  herab.    Tl^'esas 

Brüder  nahmen  den  Adler  auf,  rupften  ihm  die  Federn  aus  und  liessen  nichts  für 

Tle'esa  übrig.  Dieser  sass  nun  im  Neste  und  wusste  nicht,  wie  er  wieder  herunter 

kommen   sollte.    Endlich   sagte   er  zu  den  jungen  Adlern:    „Tragt  mich  herunter, 

aber  haltet  mich  gut  fest  und  thut  mir  nicht  weh,   sonst  schlage  ich  Euch  todt^ 

Die  Adler   ftlrchteten   sich  und   gehorchten.    Er  band  sich  an  die  Adler  fest  und 

sie  flogen  mit  ihm  aus  dem  Neste  und  liessen  sich  langsam  zur  Erde  hinab.    Ehe 

er  sich  daran  itiachen  kommen  konnte,  ihnen  die  Federn  auszurupfen,  waren  seine 

Brüder  herbeigekommen  und  hatten  sie  fortgenommen. 

Die  Brüder  wanderten  weiter  und  gelangten  zum  Fräser  River.    Da  sahen  sie 

ein  junges  Mädchen  an  der  anderen  Seite  des  Flusses  tanzen.    Sie  setzten  sich  in 

einer  Reihe  am  Ufer  nieder  und  sahen  ihr  zu.    Sie  blieben  dort  sitzen,  bis  sie  in 

Steine  verwandelt  wurden. 

2.   Coyote. 

1)  Einst  schien  die  Sonne  zu  heiss  und  verbrannte  die  ganze  Erde.  Da  be- 
schlossen die  Thiere  eine  andere  Sonne  zu  machen.  Alle  Vögel  versuchten  es,  keiner 
aber  ward  gut  befunden.  Endlich  rief  Coyote:  „Lasst  es  mich  jetzt  versuchen!" 
Er  ging  gen  Sonnenaufgang  und  stieg  den  Himmel  hinan.  Sein  Schwanz  war  aber 
so  lang,  dass  derselbe  noch  nicht  ganz  über  dem  Horizont  erschienen  war,  als  sein 
Körper  schon  hoch  oben  am  Himmel  stand.  Als  er  hoch  genug  war,  um  die  Erde 
übersehen  zu  können,  fing  er  an  zu  schwätzen  und  erzählte  alles,  was  er  sah.  Da 
sagten  die  Thiere f  „Nein,  Du  bist  zu  gesprächig.  Du  darfst  nicht  die  Sonne  sein." 
Endlich  ward  der  Tsqtskna'sp  (ein  Klettervogel  mit  rothen  Flügeln  und  Schwanz, 
rothen  Wangen)  die  Sonne. 

2)  Vor  langer  Zeit  war  es  sehr  kalt  auf  Erden.  Am  oberen  Theile  des  Flusses 
war  ein  grosser  Gletscher,  von  dem  eisige  Kälte  ausging.  Alle  Thiere  zogen  ans, 
um  den  Mann,  welcher  die  Kalte  machte,  umzubringen,  aber  alle  erfroren.  Endlich 
waren  nur  noch  Coyote  imd  sein  Vetter,  der  Fuchs,  übrig  geblieben.  Coyote 
wollte  sich  aufinachen,  die  Kälte  umzubringen,  aber  der  Fuchs  warnte  ihn  davor.  Er 
htülte  sich  in  warme  Kleider  und  machte  sich  auf  den  Weg.  Er  kam  bei  allen 
erfrorenen  Thieren  vorbei  und  je  näher  er  dem  Gletscher  kam,  um  so  kälter  wurde 
es.  Endlich  sah  er  das  Haus,  aus  dem  die  Kälte  hervorkam,  vor  sich.  Obwohl 
er  sich  noch  fester  in  seine  Decken  hüllte,  fror  ihn  sehr.  Er  hatte  nun  alle  die 
erfrorenen  Thier  hinter  sich  und  gelangte  endlich  an  das  Haus.  Er  konnte  kaum 
die  Kälte  ertragen,  ging  aber  doch  hinein.  Da  erfror  er  und  flel  todt  nieder.  Vier 
Tage  lang  wartete  Vetter  Fuchs  auf  ihn.  Da  aber  jener  nicht  zurückkam,  dachte 
er,  er  sei  erfk'oren.  Er  hüUte  sich  in  warme  EUeider  und  machte  sich  auf  den 
Weg.  Er  kam  bei  all  den  erfrorenen  Thieren  vorüber,  fand  aber  nicht  seinen 
Vetter  Coyote.  Er  lief  weiter  und  bei  jedem  Schritte,  den  er  machte,  sprühte 
Feuer  unter  seinen  Füssen  hervor.  An  seiner  Schwanzspitze  hingen  Dentalien  und 
klapperten,  wenn  er  sich  bewegte.  Er  nahte  sich  dem  Hause  und  hörte  drinnen 
jemand  sprechen,  konnte  aber  nichts  sehen.  Er  ging  ins  Haus  und  trat  einmal 
mit  seinem  Fusse  auf.  Feuer  sprühte  aus  dem  Boden  und  das  Eis  des  Gletschers 
fing  an  zu  schmelzen.  Ein  Strom  Wasser  lief  herab  und  löschte  das  Feuer  wieder 
aus.  Da  trat  er  nochmals  auf.  Wieder  sprühte  Feuer  aus  dem  Boden  und  schmoll 
das  Eis.  Als  er  vier  Mal  aufgestampft  hatte,  war  alles  Elis  geschmolz^i  und  es 
wurde   wieder  warm.    Coyote  vmrde  nun  wieder  lebendig,   stand  auf  und  sprsdi: 


(537) 

„Ich  habe  lange  geschlafen."  „Ja,"  versetzte  der  Puchs,  „Du  warst  erfroren." 
Der  Fachs  nahm  ihm  unter  seinen  Arm  und  befahl  ihm,  ganz  stille  za  liegen.  Als 
nun  das  Fener  ausgebrannt  und  das  Wasser  abgelaufen  war,  gingen  sie  zurück 
und  erweckten  alle  Menschen  zu  neuem  Leben. 

3)  Coyote  blickte  nun  immer  den  Fuchs  an,  als  wolle  er  etwas  sagen.  Dieser 
wusste  ganz  gut,  was  er  wollte,  sagte  aber  nichts.  Endlich  sprach  Coyote:  „Vetter, 
bitte,  leihe  mir  Deinen  Schwanz."  Fuchs  erwiederte:  „Nein  das  thue  ich  nicht. 
Du  möchtest  Dir  ein  Leides  anthun."  Coyote  aber  versprach,  gut  Acht  zu  geben, 
und  endlich  gab  der  Fuchs  ihm  seinen  Schwanz  und  nahm  den  des  Coyote.  Er 
warnte  ihn  aber,  sich  ja  nicht  nach  dem  Schwänze  umzusehen,  so  lange  er  ihn  trage. 
Coyote  versprach  es.  Als  er  den  Schwanz  bekommen  hatte,  lief  er  damit  umher 
und  freute  sich  sehr  an  dem  Gerassel  der  Dentalien.  Endlich  konnte  er  aber  doch 
der  Versuchung  nicht  widerstehen  und  sah  den  Schwanz  an,  um  zu  sehen,  ob 
er  ihn  gut  kleide.  Er  fand,  dass  er  sehr  hübsch  aussah  und  freute  sich  sehr.  Als 
er  aber  nun  weiter  lief,  fühlte  er,  dass  er  plötzlich  sehr  schwach  wurde  und  sah 
nun,  dass  seine  Eingeweide  ihm  zum  After  hinaus  hingen.  Da  rief  er  seinen 
Vetter.  Als  dieser  sah,  was  geschehen  war,  sprach  er:  „Ahal  Du  hast  Deinen 
Schwanz  angesehen  I"  Er  legte  die  Eingeweide  in  Coyotes  Bauch  zurück  und 
nahm  ihm  den  Schwanz  wieder  fort 

4)  Coyote  war  sehr  arm.  Einst  besuchte  er  seinen  Vetter  Fuchs,  der  einen 
schönen,  mit  Adlerfedem  besetzten  Mantel  hatte.  Diesen  wünschte  Coyote  zu  haben. 
Der  Fuchs  wusste  sogleich,  was  Coyote  wollte,  stellte,  sich  aber,  als  merke  er 
nichts.  Coyote  sprach:  „Ich  sehnte  mich  nach  Dir,  Vetterl  Deshalb  komme  ich. 
Dich  zu  besuchen."  Der  Fuchs  antwortete  nicht  Viermal  wiedertiolte  Coyote 
seinen  Spruch,  erhielt  aber  keine  Antwort.  Fuchs  kümmerte  sich  gar  nicht  um 
ihn.  Da  ward  Coyote  böse  und  beschloss,  Fuchs  einen  Streich  zu  spielen.  Fuchs 
war  aufgestanden  und  fortgegangen.  Da  rannte  Coyote  ihm  nach,  riss  ihm  seinen 
Mantel  ab  und  hing  ihn  sich  selbst  um.  Fuchs  kümmerte  sich  gar  nicht  darum, 
sondern  ging  ruhig  seines  Weges.  Coyote  sah  sich  an  und  dachte:  „Jetzt  bin  ich 
hübsch."  Er  ging  nach  Hause  zurück,  zuerst  langsam.  Dann  fing  er  an  zu  traben, 
und  als  er  lief  erhob  sich  ein  Wind,  der  wurde  um  so  stärker,  je  schneller  er  lief. 
Die  Federn  seines  Mantels  stoben  umher,  und  der  Wind  blies  ihn  endlich  gerade 
in  die  Höhe.  Als  er  wieder  herunterfiel,  kam  der  Fuchs  gelaufen  und  nahm  ihm 
seinen  Mantel  wieder  ab.  Coyote  war  halb  todt.  Fuchs  sprach:  „Da  siehst  Du, 
wie  es  Dir  ergeht.  Immer  versuchst  Du  mir  Streiche  zu  spielen  und  weisst  doch, 
dass  Du  mir  nichts  anhaben  kannst." 

5)  Der  Büffel  hatte  zwei  Frauen.  Er  war  so  alt,  dass  seine  Homer  fast  ganz 
abgenutzt  waren.  Einsfc  stahlen  die  Wölfe  seine  Frauen.  Er  wollte  sie  verfolgen, 
wusste  aber  nicht,  wohin  sie  gegangen  waren.  Da  traf  ihn  Coyote  und  verspottete 
ihn  ob  seines  Unfalls.  Darüber  ward  der  Büffel  böse  und  rannte  auf  den  Coyote 
los,  ihn  aufzuspiessen.  Dieser  entfloh  und  der  Büffel  verfolgte  ihn.  Als  nun  der 
Coyote  müde  wurde,  lief  er  in  ein  Loch,  verrichtete  seine  Nothdurfl  und  sprach  zu 
seinen  Exkrementen:  werdet  ein  Baum.  Es  geschah  also  und  er  kletterte  hinauf. 
Als  der  Büffel  ihn  nun  oben  im  Baume  sitzen  sah,  stiess  er  gegen  den  Baum,  bis 
er  umfieL  Unterdes  hatte  Coyote  sich  ausgeruht  und  lief  weiter.  Als  er  wieder  müde 
wurde,  machte  er  einen  zweiten  Baum  und  rettete  sich  darauf.  Vier  Mal  entkam  er 
auf  solche  Weise.  Als  der  vierte  Baum  umfie)  sprach  er  zum  Büffel:  „Nun  ist 
es  genug,  Freund  1  Ich  will  Dir  helfen,  dass  Du  Deine  Frauen  wiederbekonmist 
Ich  will  Dich  schön  und  jung  machen."  Der  Büffel  war  es  zufrieden.  Da  nahm 
der  Coyote  eines  seiner  Homer  und  zog  es  aus.    Als  es  schön  und  lang  war,  zpg 


(538) 

er  das  andere  auch  lang.  So  bekam  der  Büffel  wieder  schöne,  scharfe  Homer.  Dann 
machte  Coyote  das  Haar  auf  seinem  Kopfe  schön.  Er  zog  an  seinen  Beinen  und  an 
seinem  Schwänze  und  der  Büffel  sah  nun  wieder  aus,  wie  ein  schöner  junger  Büffel. 
Da  sprach  der  Büffel  zum  Coyote:  „Nun  will  ich  Dich  schön  machen!"  Er  zog 
seine  Schnauze  lang  und  seither  hat  der  Coyote  eine  lange  Schnauze  und  kleine, 
schmale  Augen.  Und  er  zog  seine  Beine  und  seinen  Schwanz  lang.  Dann  sprach 
er:  „Ich  bin  fertig,  mein  Genosse.  Nun  lass  uns  zum  Wasser  gehen  und  sehen, 
wie  wir  ausschauen."  Als  Büffel  sich  sah,  war  er  sehr  froh,  Coyote  aber  mochte 
seine  lange  Nase  gar  nicht  leiden.  Der  Büffel  sprach  nun:  „Lass  uns  meine  Frauen 
suchen.  Wenn  Du  weisst,  wo  sie  sind,  sollst  Du  eine  haben."  Coyote  sprach: 
„Siehst  Du  das  Thal?  Dort  wohnen  vier  Wölfe.  Die  haben  sie  geraubt  Es  ist 
sehr  schwer,  sie  wiederzubekommen,  aber  lass  mich  nur  machen.  Folge  mir!"  Sie 
gingen  das  Thal  hinauf.  Bald  sahen  sie  die  beiden  Frauen  Wurzeln  graben.  Da 
machte  Coyote  einen  dichten  Nebel,  so  dass  niemand  sie  sehen  konnte.  Sie  gingen 
auf  die  Frauen  zu  und  als  sie  bei  ihnen  waren,  sprach  der  Büffel  zu  ihnen:  „Ich 
kam  Euch  zu  holen,"  und  sie  nahmen  die  Frauen  mit.  Sic  kletterten  einen  der 
Beiige  hinauf,  die  das  Thal  begrenzten,  und  der  Nebel  folgte  ihnen.  Als  sie  oben 
ankamen,  verschwand  der  Nebel.  Die  Wölfe  vermissten  bald  die  Frauen  und 
folgten  der  Spur.  Bald  kamen  sie  den  Flüchtigen  näher  und  sahen  nun  den  Büffel, 
Coyote  und  die  Frauen.  Sie  holten  sie  ein  und  griffen  den  Büffel  an.  Da  warf 
dieser  sie  in  die  Luft  und  schlitzte  ihren  Bauch  auf,  so  dass  die  Eingeweide 
herauskamen,  und  der  Coyote  sprang  vor  Freude  darüber  hin  und  her.  Sie  gingen 
weiter.  Bald  sprach  der  Büffel:  „Mein  Genosse,  hier  wollen  wir  uns  trennen!  Ich 
versprach  Dir  eine  meiner  Frauen.  Nimm  diese,  sie  ist  die  beste."  Er  fuhr  fort: 
„Ich  will  Dich  lehren,  wie  Du  sie  behandeln  musst.  Wenn  Du  hungrig  bist, 
kannst  Du  sie  tödten,  ein  Stück  Fleisch  abschneiden  und  es  rösten.  Aber  wenn 
Du  sie  getödtet  hast,  musst  Du  Dich  auf  sie  setzen,  ein  Feuer  neben  Dir  machen 
und  das  Fleisch  kochen.  Du  darfst  nicht  aufstehen,  bis  Du  fertig  gegessen  hast 
Dann  wird  sie  zugleich  mit  Dir  wieder  aufstehen."  Coyote  befolgte  anfänglich  die 
Anweisung  des  Büffels.  Eines  Tages,  nachdem  er  seine  Frau  getödtet  hatte,  und 
sein  Feuer  nur  klein  brannte,  dachte  er  aber:  „Weshalb  sollte  ich  nicht  etwas  Holz 
holen?"  Er  ^stand  auf  und  ging  fort  Als  er  zurückkam,  erblickte  er  eine  alte 
Frau,  die  das  Fleisch  bis  auf  die  Knochen  aufgegessen  hatte  und  nun  als  Fuchs 
von  dannen  lief.  Da  dachte  er:  „Ist  schon  meine  Frau  fort,  so  habe  ich  doch 
wenigstens  ihre  Knochen."  Er  sammelte  sie  und  trug  sie  fort.  Als  er  hungrig 
wurde,  machte  er  sich  ein  Feuer  und  fing  an  die  Knochen  mit  Steinen  zu  zer- 
schlagen und  das  Mark  zu  essen.  Während  er  noch  so  beschäftigt  war,  kam  eine 
alte  Frau  des  Weges  und  sprach :  „Solche  Arbeit  ziemt  sich  nicht  für  einen  grossen 
Häuptling,  wie  Du  bist,  lass  mich  es  thun."  Coyote  sagte:  „Das  ist  wahr," 
und  gab  ihr  Knochen  und  Steine.  Er  legte  sich  ans  Feuer.  Als  er  sich  um- 
wandte, hatte  die  Alte  fast  alles  Mark  in  ihren  Korb  geworfen.  Coyote  dachte,  sie 
wird  mir  sagen,  wenn  sie  fertig  ist,  und  drehte  sich  wieder  zum  Feuer.  Da  er 
aber  längere  Zeit  gar  nichts  hörte,  wandte  er  sich  wieder  um  und  sah  die  Alte 
fortlaufen  und  dabei  fressen.  Er  rannte  hinter  ihr  her.  Als  er  sie  aber  einholte, 
schlug  sie  ihn  auf  die  Brust,  so  dass  er  hinfiel.  Er  stand  wieder  auf  und  dachte: 
„Das  ist  schlimm.  Nun  will  ich  wenigstens  meine  Knochen  kochen  und  das  Fett 
heraus  sieden."  Er  nahm  die  Knochen,  zerklopfte  sie  und  wollte  sie  ins  Wasser 
werfen,  um  sie  zu  kochen.  Da  kam  wieder  der  ]<\ichs  in  Gestalt  einer  alten  Frau 
einher  und  sprach:  „Solche  Arbeit  ziemt  sich  nicht  für  einen  grossen  Häuptling, 
wie  Du  bist,  lass  mich  es  thun."    Coyote  sagte:   „Das  ist  wahr,"  und  lieu  aie 


(539) 

kochen,  während  er  sich  ans  Feuer  setzte  und  daranf  wartete,  dass  sie  ihn  rufen 
sollte.  Als  er  sich  aber  umdrehte,  sah  er  wieder  einen  Fuchs  fortlaufen  und  dabei 
das  Fett  trinken.  Er  verfolgte  ihn.  Der  Fuchs  aber  schlug  ihn  auf  die  Brust,  so 
dass  er  niederflel.  Da  wurde  Coyote  betrübt  und  ging  von  daunen.  Die  Frau 
aber  stand  nun  wieder  auf  und  ging  zu  dem  Büffel  zurück. 

6)  Coyote  kam  einst  zu  einem  Hause,  in  dem  wohnten  die  „Foolhen^  und 
ihre  Kinder,  das  „Woodpartiidge",  das  Prainehnhn  und  das  Rebhuhn.  Die  Mutter 
war  gerade  ausgegangen,  als  er  ankam.  Er  frug  die  Rinder:  „Habt  ihr  etwas  zu 
essen?**  Sie  antworteten:  „Nein  wir  haben  nichts."  „Wo  ist  denn  Eure  Mutter?" 
„Sie  ist  im  Walde  und  sucht  Beeren."  „Und  Ihr  habt  wirklich  nichts  zu  essen?" 
„Nein,  wir  haben  nichts."  „Ich  habe  mich  in  den  Fuss  geschnitten.  Könnt  Ihr 
mir  nicht  etwas  Harz  geben,  damit  ich  die  Wunde  damit  verschmiere?"  Die  Kindei^ 
gaben  es  ihm.  Da  nahm  er  es,  verklebte  ihre  Augen  und  verliess  sie.  Da  ver- 
loren die  armen  Kinder  sich  im  Walde.  Als  ihre  Mutter  nach  Hause  kam,  fand 
sie  sie  im  Walde  umherlaufen  und  brachte  sie  nach  Hause  zurück.  Sie  erzählten 
ihr  dann,  dass  Coyote  sie  so  zum  Besten  gehabt  habe.  Die  Alte  und  die  Kinder 
folgten  seiner  Spur  und  fanden,  dass  er  einem  Pfade  nachging,  der  an  einem  steilen 
Abhänge  entlang  führte.  Die  Mutter  hiess  zuerst  das  Rebhuhn  sich  im  Grase  ver- 
bergen, ein  wenig  weiter  versteckte  sie  das  Prairiehuhn,  noch  weiter  das  „Wood- 
partridge",  und  endlich  verbarg  sie  sich  selbst  im  Grase.  Sie  hatte  ihren  Kindern 
gesagt,  was  sie  thun  sollten.  Es  dauerte  nicht  lange,  da  kam  Coyote  des  Weges 
und  sofort  flog  das  Rebhuhn  dicht  vor  ihm  auf.  Er  erschrak  so,  dass  er  fast  die 
Klippe  hinabgestürzt  wäre.  Ebenso  thaten  die  andern.  Als  das  „Woodpartridge" 
aufflog,  hielt  er  sich  nur  mit  Mühe  auf  den  Füssen.  Als  er  weiter  ging,  sprach 
er:  „Fast  wäre  ich  aber  gefallen."  Da  flog  die  Alte  auf  und  er  stürzte  in  den 
Abgrund.  Die  Hühner  glaubten,  er  sei  todt.  Sie  flogen  hinunter  und  erstaunten 
sehr,  als  sie  ihn  noch  am  Leben  fanden.  Die  Alte  frug:  „Was  thust  Du  hier?" 
„O,"  antwortete  er,  Jemand  hat  mich  erschreckt,  und  da  bin  ich  die  Klippe 
heruntergefallen."  Die  Alte  sprach:  ^Ich  habe  es  gethan,  weil  Du  meinen  Kindern 
die  Augen  verklebt  hast.  Nun  siehe,  wie  Du  hier  fortkommst.  Wir  werden  Dir 
nicht  helfen."  Damit  flogen  sie  von  dannen.  Als  sie  fort  waren,  stand  Coyote 
wieder  auf  und  lief  fort. 

7)  Er  sagte:  „Ich  muss  etwas  Spass  haben.  Ich  will  mit  meinen  Augen 
spielen."  Damit  riss  er  sich  die  Augen  aus.  Er  warf  sie  dann  in  die  Höhe  und 
fing  sie  wieder.  Einmal  warf  er  sie  sehr  hoch.  Da  fing  die  Dohle  seine  Augen 
und  flog  damit  fort.  Da  stand  er  nun  ohne  Augen  und  wusste  nicht,  was  er  thun 
sollte.  Er  fühlte  umher  und  fand  einen  Hagebuttenstrauch.  Da  pflückte  er  einige 
Hagebutten  und  setzte  sie  sich  als  Augen  ein.  Er  konnte  nun  wieder  sehen  und 
wanderte  fürbas.  Bald  kam  er  an  ein  Loch,  aus  dem  Rauch  aufstieg.  Eine  alte  Frau 
sass  dort  und  fragte  ihn,  woher  er  komme.  Er  antwortete,  er  reise  ohne  bestimmten 
Zweck  umher,  und  fragte,  ob  sie  allein  dort  wohne.  „Nein,"  antwortete  sie,  „ich  habe 
vier  Töchter,  aber  sie  sind  hingegangen,  die  Spiele  anzusehen."  „Was  für  Spiele?" 
fragte  der  Coyote.  „0,  viele  Leute  tanzen  dort,"  sprach  sie,  indem  sie  nach  der 
betreffenden  Stelle  wies.  „Warum  tanzen  sie  denn?"  „Sie  spielen  um  Coyotes 
Augen.  Die  Dohle  hat  sie  gestohlen."  „Das  möchte  ich  sehen,"  versetzte  Coyote, 
„zeige  mir  doch  den  Weg."  Die  Alte  erfüllte  seine  Bitte,  und  er  ging  zu  dem 
Platze,  wo  alle  Tänzer  versammelt  waren.  Die  Leute  sassen  alle  im  Kreise  umher. 
Nachdem  einer  mit  den  Augen  getanzt  hatte,  gab  er  sie  seinem  Nachbar,  der  dann 
einen  Tanz  begann.  Coyote  setzte  sich  an  die  Thüre  und  wartete,  bis  an  ihn  die 
Reihe  kam.  Dann  sang  er  zu  seinem  Tanze:  „Wie  hübsch  die  Augen  sind.  Früher 


(540) 

habe  ich  nie  dergleichen  gesehen.^  Vier  Mal  tanzten  sie  hemm.  Als  nun  das 
vierte  Mal  an  ihn  die  Reihe  kam,  nahm  er  die  Augen  nnd  rannte  zur  Thür  hinaus. 
Dann  warf  er  sie  in  die  Höhe  und  sie  fielen  Ton  selbst  in  die  Augenhöhlen  zurück, 
wo  sie  sogleich  festwuchsen.  Die  Thier  verfolgten  ihn,  konnten  ihn  aber  nicht 
einholen.  Als  er  in  Sicherheit  war,  setzte  er  sich  hin  und  lachte,  weil  er  seine 
Augen  wieder  hatte.  Er  sang:  „Ich  wusste,  ich  würde  Euch  besiegen.  liier  habe 
ich  meine  Augen  wieder.    Hier  habe  ich  mein  Eigenthum  wieder." 

8)  Coyote  kam  an  ein  Haus,  in  dem  er  sprechen  hörte.  Er  ging  hinein,  sah 
aber  niemand.  Als  er  der  Stimme  nach  ging,  fand  er  in  einer  Ecke  des  Hauses 
ein  Haar,  das  sprach.  Er  nahm  es  und  warf  es  auf  den  Boden.  Dann  hörte  er 
wieder  sprechen,  sah  aber  niemand.  Er  rief  der  Stimme  zu:  „Lass  Dich  sehen 
und  gieb  mir  zu  essen" ;  aber  niemand  liess  sich  blicken.  Als  er  der  Stimme  nach 
ging,  fand  er  einen  Ramm  an  der  Wand  stecken,  der  sprach.  Er  nahm  ihn  und 
warf  ihn  zu  Boden.  Endlich  fand  er  vier  mit  Oel  gefüllte  Lachsfelle.  Er  sagte: 
„Euch  suchte  ich,"  nahm  sie  und  trank  sie  aus.  Dann  ging  er  weiter  den  Fluss 
entlang.  Nach  kurzer  Zeit  wurde  er  durstig.  Da  ging  er  zum  Flusse  hinab,  trank 
und  ging  wieder  hinauf.  Nach  kurzer  Zeit  wurde  er  wieder  durstig.  Da  dachte 
er:  „Es  ist  zu  umständlich,  immer  zum  Flusse  hinab  zu  gehen,  ich  will  am  Ufer 
entlang  gehen,  dann  kann  ich  bequemer  trinken."  Nach  einiger  Zeit  ward  ihm 
aber  auch  dies  zu  umständlich.  Er  dachte:  „Ich  will  lieber  im  Wasser  gehen, 
dann  brauche  ich  mich  nur  zu  bücken."  Er  that  also,  war  aber  noch  immer 
durstig.  Da  ging  er  bis  an  die  Brust  ins  Wasser.  Nach  kurzer  Zeit  war  ihm  auch 
das  zu  viel  Mühe  und  er  ging  so  tief  in  den  Fluss,  dass  das  Wasser  ihm  einfach 
in  den  Mund  lief.    Er  trank  so  viel,  dass  er  endlich  platzte. 

9)  Coyote  hatte  einen  kleinen  Kessel  im  Felsen  gerade  dort  stehen,  wo  der 
Weg  den  South  Thompson  River  hinauf  führte.  Einst  kam  jemand  des  Weges 
und  warf  ihm  den  Kessel  ins  Wasser.  Derselbe  kam  aber  von  selbst  wieder. 
Dann  stahlen  ihn  einige  Leute.  Er  kam  aber  immer  von  selbst  wieder  zurück. 
Endlich  aber  trug  jemand  ihn  fort  und  er  kam  nicht  wieder. 

10)  Einst  kam  die  Eule  den  South  Thompson  River  herab.  Coyote  hörte  sie 
kommen  und  singen:  „Hl  hl,  ich  bin  es,  der  alle  Menschen  tödtet  und  frisat" 
Coyote  hielt  an  und  sagte  zu  sich:  „Der  ist  gefährlich.  Er  wird  mich  fressen. 
Ich  will  denselben  Sang  singen,  wie  er;  vielleicht  fürchtet  er  sich  dann."  Als 
die  beiden  sich  nun  trafen,  sprach  Coyote:  „Es  scheint,  Du  bist  also  gerade  so 
stark  wie  ich.  Ich  fresse  auch  alle  Menschen.  Bleib  ein  wenig  hier  und  lass 
uns  etwas  spielen.  Wir  wollen  uns  übergeben  und  sehen,  was  wir  im  Magen 
haben."  Eule  war  es  zufrieden,  und  schlug  vor,  dass  Coyote  anfangen  sollte. 
„Gut",  sagte  er,  „aber  wir  müssen  die  Augen  schliessen,  bis  wir  fertig  sind.  OeflTne 
Deine  Augen  nicht,  bis  ich  rufe."  Eule  schloss  die  Augen  und  nun  übei^b  sich 
Coyote.  Er  hatte  nichts  als  Gras  im  Magen.  Dann  übergab  sich  die  Eule  und 
spie  lauter  Menschenfleisch  aus.  Rasch  tauschte  Coyote  das  Erbrochene  aus  und 
rief  nun.  Als  die  Eule  es  sah,  rief  sie:  „Ich  habe  Gras  gespieen",  und  sie  fürchtete 
sich  vor  Coyote,  vor  dem  das  ausgespiene  Menschenfleisch  lag.  Beide  wurden  in 
Felsen  verwandelt,  die  noch  heute  zu  sehen  sind.    Ihre  Mäuler  sind  weit  offen. 

3.   Der  Luchs  und  das  Mädchen. 

Es  war  einmal  ein  Mädchen,  die  wollte  gar  keinen  Mann  nehmen,  obwohl 
viele  Männer  sich  um  sie  bewarben.  Sie  wohnte  in  einem  unterirdischen  Hanse 
und  ihr  Lager  war  gerade  am  Fusse  eines  Pfostens.  In  demselben  Dorfe  lebte 
auch   der  Luchs,  der  in  einer  kleinen  Hütte  wohnte.    Dieser  hätte  gar  zu  gerne 


(541) 

das  Mädchen  gehabt,  wussie  aber  nicht,  wie  er  sie  bekommen  sollte,  da  ihre  Eltern 
sie  stets  bewachten.    Eines  Nachts   schlich  er  sich  aaf  das  Haas  und  schlug  sein 
Wasser  dort  ab,  so  dass  es  an  dem  Pfosten  herunterlief,  an  dem  das  Mädchen  lag. 
Es  lief  gerade  in  deren  Mund.    Da  ward  sie  schwanger,  und  Niemand  wusste,  wie 
es  zugegangen  war.    Sie  gebar  einen  Knaben.    Als  der  Knabe  vier  Jahre  alt  war, 
beschlossen   die  Eltern   des  Mädchens,   einen  Versuch   zu   machen,   ausfindig  zu 
machen,   wer  der  Vater  des  Kindes  sei.    Sie  setzten  einen  Vogel   auf  die  Spitze 
der  Leiter,  die  in  ihr  Haus  hinabführte,  und  sagten  allen  Männern,  sie  sollten  ver- 
suchen, den  Vogel  mit  ihren  Pfeilen  zu  treffen.   Sie  versprachen  dem,  der  den  Vogel 
traf,  ihre  Tochter  zur  Frau.    Alle  schössen  danach,  aber  keiner  konnte  ihn  treffen. 
Endlich  hatten  alle  geschossen,  nur  der  Luchs  noch  nicht,  der  ein  alter  Mann  war 
ttnd   still   an   seinem  Feuer  lag.    Die  Eltern  des  Mädchens  sandten  nach  ihm,   er 
aber  antwortete:  „Warum  soll  ich  kommen?    Die  jungen  Leute  haben  den  Vogel 
nicht  treffen  können,  wie  sollte  ich  es  denn  vermögen?  Meine  Augen  sind  ja  halb 
erblindet^    Er  musste  aber  doch  endlich  kommen,   und  man  gab  ihm  Bogen  und 
Pfeil.    Er  schoss   ab,   ohne  einmal  hinzusehen  und  traf  den  Vogel.    Da  schrieen 
Alle:    „Der  Luchs   bekommt  das  Mädchen  zur  Frau^.    Ihre  Eltern  machten  einen 
Sitz  für  ihn  neben  dem  Feuer  bereit.    Als  er  dort  nun  sass,  sprachen  sie  zu  allen 
Leuten:    „Wir  wollen  unsere  Tochter,   ihren  Mann  und  ihr  Kind  verlassen."    Sie 
packten  ihre  Habseligkeiten  auf.    Dann  traten  sie  den  Luchs  mit  Fassen,  so  dass 
seine  Knochen   brachen  und   sein  Körper  ganz  zerschunden  wurde.    Sie  löschten 
alle  Feuer  aus  und  zogen  fort    Die  Grossmutter  des  Mädchens,   die  Elster,  hatte 
aber  Mitleid  mit  ihr.    Sie  legte   eine  glühende  Kohle  in  eine  Muschelschale,   that 
etwas  Nahrung  dazu  und  versteckte  sie.    Die  Leute  hatten  alle  ihre  Vorräthe,  die 
unter  Steinen  versteckt  waren,  mitgenommen  und  glaubten,   die  drei  müssten  ver- 
hungern.   Als   die  Frau   nun   allein   da   sass,    fing  sie  an  zu  weinen.    Sie  suchte 
unter  den  Kohlen  nach  Feuer,   fand  aber  nichts.    Es  wurde  dunkel  und  ihr  Kind 
weinte.    Da  hörte  sie  in  der  Ecke  des  Hauses  etwas  rufen.    Sie  ging  der  Stimme 
nach   und   fand   die  Muschel,   welche  sie  gerufen  hatte.    Da  nahm  sie  die  Kohle 
und   die  Nahrungsmittel   und  machte   sich  ein  Feuer.    Als  sie  die  Nahrungsmittel 
kochte,    wurden  dieselben  soviel,   dass  sie   und  ihr  Kind   vollauf  zu  essen  hatten. 
Als  sie  satt  waren,   schritt  sie  viermal   über  den  Luchs  fort,   und  sofort  war  der- 
selbe  wieder  gesund.    Nur  sein  Gesicht  war  noch  ganz  zerschunden.    Sie  strich 
mit  der  Hand   über  seinen  Kopf(?),   und   derselbe   ward   auch  wieder  ganz  heil. 
Dann  ging  er  auf  Jagd  und  erlegte  viel  Wild.  Dann  machte  er,  dass  tiefer  Schnee 
fiel  und  die  Leute,  welche  sie  verlassen  hatten,  nichts  fangen  konnten,  so  dass  sie 
bald  grosse  Noth  litten.    Er  selbst  aber   hatte  Fleisch  in  Hülle  und  Fülle.    Seine 
Frau  trocknete  es  und  legte  viele  Verstecke  an     In  eines,   das  für  die  Elster  be- 
stimmt  war,   that  sie  die  besten  Stücke;    für   die  anderen  bewahrte  sie  nur  Haut 
und  Knochen,   für  den  Coyote  Füsse,  Magen  und  Eingeweide.    Nach   einiger  Zeit 
kam  die  Elster  zu  dem  verlassenen  Dorfe,  um  sich  nach  ihrer  Enkelin  umzusehen. 
Sie  fürchtete  schon,  jene  sei  todt,  und  war  sehr  erstaunt,  als  sie  den  Knaben  ent- 
deckte, der  mit  einem  schneeweissen  Balle  spielte.  Bald  sah  sie,  dass  der  Ball  aus 
Hirschfett  gemacht  war.    Sie  versteckte  sich,  und  als  der  Ball  an  ihr  vorüberrollte, 
sprang  sie  darauf  los  und  frass  ihn.    So  hungrig  war  sie.    Da  weinte  der  Kleine: 
„Die  Elster   hat   meinen  Ball   gestohlen."    Als  der  Luchs  das  hörte,   kam  er  aus 
dem  Hause  und  sagte  zu  ihr;  „Warum  nahmst  Du  den  Ball  meines  Sohnes?   Wenn 
Du   hungrig   bist,   komme   in's  Haus,   ich  will  Dir  zu  essen  geben."    Sie  gingen 
hinein  und  gaben   ihr  Fleisch  und  Fett.    Als  die  Elster   sich  satt  gegessen  hatte, 
trog  sie,  was  übrig  blieb,  nach  Hause,  um  es  ihren  Kindern  zu  geben.    Sie  pflückte 


(542) 

Flechten  von  Tannen  ab  nnd  röstete  sie.  Diese  gab  sie  dann  ihren  Rindern  mit 
Hirschfett  zn  essen.  Als  sie  das  Essen  vertheilte,  riefen  die  Kinder:  „Du  hast 
meinem  Bruder  mehr  gegeben,  als  mir^,  nnd  zankten  sich.  Der  Rabe,  der  mit 
im  Hause  wohnte,  und  dieses  hörte,  fragte:  „Wovon  redet  Ihr  da?^  Die  Elster 
sagte:  „0,  es  ist  nichts,  die  Rinder  zanken  sich  nur.^  Da  setzte  der  Rabe  sich 
wieder  an's  Feuer  und  schlummerte.  Er  blinzelte  aber  hinüber  und  sah  nun,  dass 
die  Rinder  Hirschfett  assen.  Da  sprang  er  auf  und  rief:  „Woher  habt  Ihr  das 
Fett  bekommen?"  Die  Alte  erzählte  nun,  dass  der  Luchs  Nahrungsmittel  in  Hülle 
imd  Fülle  habe.  Dann  gingen  alle  zu  den  Verlassenen  zurück;  der  Luchs  gab 
Jedem  die  Yorräthe,  die  er  für  ihn  aufgespeichert  hatte,  und  jagte  dann  für  sie. 

4.   Das  Raninchen. 

Das  Raninchen  und  seine  Grossmutter  lebten  in  einem  unterirdischen  Hause. 
Neben  ihnen  lebte  der  graue  Bär,  der  zwei  Rinder  hatte.  Einst  hatte  das  Ranin- 
chen nichts  zu  essen  und  sprach  zu  setner  Grossmutter:  „Ich  werde  zum  Ver- 
stecke des  Bären  gehen  und  mir  stehlen,  was  ich  nöthig  habe.*'  Die  Orossmutter 
warnte  es,  es  hörte^^  aber  nicht.  Es  plünderte  das  Versteck  und  liess  nichts  drinnen, 
als  einen  Rorb  voll  Wespen  und  einen  toU  Ameisen.  Als  es  nach  Ebiuse  kam, 
hiess  es  seine  Grossmutter  kochen  und  braten  und  gab  ein  grosses  Fest  Am 
nächsten  Morgen  ging  der  Bär  an  sein  Versteck  und  fand,  dass  es  ganz  ausge- 
plündert war.  Er  fragte  alle  seine  Nachbarn,  ob  sie  wüssten,  wer  es  gestohlen  habe, 
erhielt  aber  keine  Auskunft.  Endlich  ging  er  zum  Raninchen:  „Jemand  hat  mein 
Versteck  geplündert",  sprach  er.  Raninchen  rersetzte:  „Jemand  hat  mein  Versteck 
geplündert".  Bär  fuhr  fort:  „Ich  frage  Dich,  Raninchenl  Weisst  Du  nicht,  wer 
es  gethan  hat?"  Dieses  erwiederte:  „Ich  fhige  Dich,  Raninchen!  Weisst  Du 
nicht,  wer  es  gethan  hat?"  Nun  ward  der  Bär  zornig  und  sprach:  „Ich  glaube, 
Du  hast  es  gethan."  „Ja",  rief  da  das  Raninchen,  „ich  habe  es  gethan.  Ich  stahl 
es  und  habe  alles  aufgegessen."  Da  wurde  der  Bär  zornig  und  wollte  mit  dem 
Raninchen  kämpfen.  Dieses  steckte  seine  Grossmutter  unter  einen  Korb,  legte 
seinen  Mantel  an  und  riss  sich  ein  Bein  aus,  das  es  als  Hanmier  gebrauchte. 
Dann  warf  es  Tannenholz  in's  Feuer,  dass  sein  Haus  ganz  voll  Rauch  wurde,  und 
fing  an  zu  kämpfen.  Es  sprang  um  den  Bären  herum.  Einmal  eingriff  dieser  es 
und  quetschte  es.  Es  sprang  aber  wieder  fort  und  hielt  den  Bären  so  in  Athem, 
dass  er  endlich  müde  wurde.  Da  schlug  es  ihn  mit  seinem  Hammer  todt  nnd 
tödtete  dann  auch  die  jungen  Bären. 

5.   Die  Moschusratte. 

TsaÜ  hatte  einen  Enkel,  die  Moschusratte.  In  demselben  Dorfe,  in  dem  sie 
wohnten,  lebte  auch  ein  Häuptling,  der  hatte  eine  sehr  schöne  Tochter.  Jeder 
wollte  sie  heirathen  und  auch  die  Moschusratte  wünschte  sie  zu  haben.  Sie  war 
aber  sehr  hässlich  und  alle  Mädchen  verspotteten  sie.  Das  Mädchen  war  gerade 
mannbar  geworden  und  wohnte  noch  in  ihrem  Häuschen.  Eines  Tages,  als  die 
Moschusratte  um  das  Häuschen  herumstrich,  hörte  sie  das  Mädchen  singen:  „Die 
Moschusratte  hat  kleine  Aeuglein.  Ihr  Schwanz  ist  platt  und  ihre  Beine  krumm. 
Ihr  Bauch  ist  dick!"  Rurz,  sie  verspottete  die  hässliche  Gestalt  der  Ratte.  Da 
beschloss  diese,  sich  zu  rächen.  Sie  ging  nach  Hause  und  machte  sich  Schnee- 
schuhe, wie  alle  möglichen  Stämme  dieselben  gebrauchen  Dann  machte  sie  sich 
Pfeile  von  allen  möglichen  Stämmen.  Als  es  Nacht  wurde,  legte  sie  nach  ein- 
ander die  Schneeschuhe  an  und  lief  um  die  Hütte  herum,  in  der  daa  Mäddiea 
war.   Dann  nahm  sie  Bogen  und  Pfeile  und  erschoss  sie  mit  all  den  Pfeilen«  Dit 


(543) 

Matter  des  Mädchens  sandte  am  nächsten  Morgen  ihre  jüngste  Tochter  Tsk'a'Hoya 
(=  ein  wenig  thöricht)  zu  ihrer  Schwester,  ihr  Feuer  zu  bringen.  Die  Kleine  ging 
zur  Hütte,  rief  ihre  Schwester,  erhielt  aber  keine  Antwort.  Da  öffnete  sie  die 
Thür  und  sah  nun  ihre  Schwester  von  vielen  Pfeilen  durchbohrt  daliegen.  Sie 
lief  zu  ihrer  Mutter  und  erzählte  ihr,  was  sie  gesehen.  Da  liefen  alle  Leute  zu- 
sammen. Sie  sahen  nun  die  Spuren  der  Schneeschuhe  der  feindlichen  Stämme 
und  erkannten  deren  Pfeile.  Daher  glaubten  sie,  diese  hätten  einen  Ueberfall  ge- 
macht und  das  Mädchen  getödtet.  Sie  brachten  den  Leichnam  in's  Haus  und 
riefen  die  Rrankenbeschwörer,  um  zu  versuchen,  sie  zu  heilen;  doch  all'  ihre  Ver- 
suche waren  vergeblich.  Endlich  riefen  sie  die  Moschusratte,  die  bei  ihrem  Feuer 
lag  und  schlief.  Sie  hatte  schon  darauf  gewartet  und  sich  vorher  viele  Löcher 
am  Ufer  eines  Sees  gegraben.  Sie  ging  in's  Haus  und  fing  gleich  an  zu  tanzen 
und  zu  singen.  Sie  sang:  he  öine'  öine'  he,  und  kletterte  die  Leiter  des  Hauses 
hinauf.  Dann  kam  sij  wieder  herunter  und  sprach:  „Beinahe  hätten  die  Geister 
etwas  zu  mir  gesagt.^  Da  riefen  alle:  „Tanze  noch  einmal^.  Sie  sang  wieder: 
he  öine'  oine'  he,  und  kletterte  die  Leiter  hinauf.  Als  sie  wieder  herunter  kam, 
sprach  sie  wieder:  „Beinahe  hätten  die  Geister  etwas  zu  mir  gesagt^  Sie  tanzte 
zum  dritten  und  vierten  Male.  Beim  vierten  Male  kletterte  sie  die  Leiter  ganz 
hinauf  und  sang,  als  sie  oben  sass:  „he  öinö'  öine'  h§.  Ich  habe  das  Mädchen  ge- 
tödtet"/und  rannte  fort.  Da  verfolgten  alle  Thiere  sie:  der  Fuchs,  der  Hase,  der 
Coyote,  der  Wolf  und  der  Adler.  Als  sie  die  Ratte  fast  eingeholt  hatten,  sprang 
sie  in  den  See.  Coyote  sprang  ihr  nach  und  glaubte  sie  gefasst  zu  haben.  Es 
war  aber  nur  ein  Bündel  Wasserpflanzen.  Sie  tauchte  bald  hier,  bald  da  auf  und 
schWamm  bald  zu  diesem,  bald  zu  jenem  Loche  und  sang  weiter:  „Ich  habe  das 
Mädchen  getödtet"    Die  Thiere  konnten  sie  nicht  fangen. 

6.    Die  Bergziegen. 

Es  war  einmal  ein  alter  Mann  in  Ramloops,  der  ging  auf  Bergziegenjagd. 
Er  kletterte  auf  den  Bergen  umher  und  ward  endlich  müde.  Da  legte  er  sich 
schlafen  und  hörte  im  Traume  zwei  schöne  Frauen  sich  nahen  imd  singen.  Er 
wachte  auf  und  erblickte  wirklich  zwei  Frauen.  Sie  traten  zu  ihm  und  sprachen: 
„Wir  haben  Dich  gesucht.  Konune  mit  uns!"  Der  Alte  antwortete  nicht  Da 
forderten  sie  ihn  nochmals  auf  mitzugehen  und  als  sie  ihn  viermal  aufgefordert 
hatten,  stand  er  auf  und  begleitete  sie.  Die  Frauen  waren  in  Wirklichkeit  Berg- 
ziegen. Er  hing  seinen  Bogen  und  seinen  Röcher  mit  den  Pfeilen  an  eine  kleine 
Fichte.  Bald  gelangten  sie  an  eine  steile  Klippe.  Die  Frauen  sagten,  das  sei  ihre 
Heimath  und  fingen  an  hinaufzuklettern.  Der  Mann  konnte  ihnen  nicht  folgen. 
Da  drehten  sie  um,  gaben  ihm  ein  Paar  Schuhe,  und  er  konnte  nun  leicht  hinauf- 
klettern. Als  sie  oben  ankamen,  zeigten  ihm  die  Frauen  ihr  Haus  auf  einer  nahen 
Klippe  und  er  ging  mit  ihnen  hinein.  Da  sah  er  viele  Böcke  und  Ziegen  umher 
liegen  und  er  wurde  selbst  in  einen  Bock  verwandelt  Nachts  wollte  er  bei  den  zwei 
Ziegen  schlafen,  sie  aber  sagten  ihm,  er  müsse  warten,  bis  die  Brunstzeit  komme. 
Als  die  Brunstzeit  kam,  kämpfte  er  mit  den  Böcken  und  schlug  alle  aus  dem  Felde. 
Er  hatte  alle  Ziegen  für  sich.  Nach  einiger  Zeit  sagten  diese  zu  ihm :  „Die  Brunst- 
zeit ist  wieder  um,  und  Du  darfst  nicht  mehr  zu  uns  kommen."  Nun  kamen  auch 
alle  die  anderen  Böcke  zurück.  Nach  einiger  Zeit  bekam  der  Mann  Heimweb. 
Die  Ziegen  merkten  es  bald  und  fragten  ihn,  was  ihn  so  betrübt  mache.  Er  aber 
lag  da  und  antwortete  gar  nicht.  Da  sprachen  sie:  „Du  sehnst  Dich  nach  Hanse 
zurück.  Wir  wollen  Dich  hinbringen.  Merke  auf!  Künftighin  darfst  Du  nie 
wieder  junge  Bergziegen  schiessen,    Sie  werden  Dich  kennen  und  mit  Dir  spielen. 


(544) 

uns  Alte  aber  darfst  Du  schiessen.  Wenn  Du  einen  steilen  Fels  erklimmen 
willst,  so  speie  nur  in  Deine  Hände  und  auf  Deine  Füsse.^  Sie  brachten  ihn  in 
die  Nähe  des  Dorfes.  Die  Leute  hatten  ihn  längst  verloren  gegeben  und  vergeb- 
lich  auf  den  Bergen  nach  seiner  Leiche  gesucht.  Anfänglich  konnte  er  nicht  zum 
Dorfe  zurückkehren,  da  er  unwillkürlich  immer  wieder  floh,  sobald  er  Menschen 
witterte.  Endlich  aber  wurde  er  entdeckt.  Die  Leute  sahen  ihn  Tor  dem  Dorfe 
sitzen  und  sprachen  zu  einander:  ,,Sieht  der  nicht  gerade  aus,  wie  der  Mann, 
der  in  den  Bergen  verloren  ging?"  Sie  holten  ihn  zurück  und  nach  einiger  Zeit 
erzählte  er  seine  Erlebnisse.  Wenn  er  nun  jagen  ging,  liefen  ihm  die  jungen 
Bergziegen  immer  entgegen. 

7.   Der  Lachsfischer. 

Es  war  einmal  ein  alter  Mann,  der  fing  immer  Lachse  mit  einem  Speer,  der 
mit  rothen  Spechtfedem  besetzt  war.  Der  Specht  Tsk*usk*oa'sp  sagte  zu  den 
anderen  Vögeln:  „Lasst  uns  seinen  Speer  stehlen.^  Zuerst  sandten  sie  den  Vogel 
TsutsuspEla'n  aus.  Derselbe  verwandelte  sich  in  einen  Lachs  und  schwamm  auf 
den  Alten  zu,  der  sich  aber  gar  nicht  um  ihn  kümmerte.  Dann  sandten  sie  den 
Vogel  Tsk'oälc'En  aus.  Auch  er  verwandelte  sich  in  einen  Lachs  und  schwamm 
auf  den  Alten  zu,  der  sich  aber  nicht  um  ihn  kümmerte.  Ebensowenig  hatte 
Tsk'usk'oa'sp  selbst  Erfolg.  Endlich  sandten  sie  den  schwarzen  Specht  mit  rothem 
Kopfe,  Tsuqk'i'n,  aus.  Auch  er  verwandelte  sich  in  einen  Lachs  und  schwamm 
auf  den  Alten  zu.  Da  warf  dieser  ihn  mit  seinem  Speer  und  zog  ihn  an's  Land. 
Tsuqk'i'n  aber  brach  die  Speerspitze  ab  und  schwamm  damit  von  dannen.  Da 
wurde  der  Alte  sehr  betrübt.  Er  ging  den  Fluss  hinab  und  fragte  Jedermann,  ob 
er  nicht  einen  Lachs  gesehen  habe,  der  seinen  Speer  abgebrochen  und  fori- 
genommen  habe,  und  versprach  grossen  Lohn,  wenn  er  den  Speer  wiederbekäme. 
Endlich  kam  er  auch  zu  Tsuqki'n,  der  wieder  seine  nattlrliche  Gestalt  angenomm^i 
hatte.  Er  fragte  ihn:  „Hast  Du  nicht  einen  Lachs  gesehen,  der  mit  meinem  Speer 
fortgeschwommen  ist?"  Tsuqk'i'n  antwortete:  „Was  willst  Du  mir  geben,  wenn  ich 
ihn  Dir  wieder  verschaffe?"  „Was  Du  willst.  Ich  habe  vier  Mäntel,  davon  kannst 
Du  Dir  einen  aussuchen."  Er  zeigte  sie  ihm  der  Reihe  nach,  und  Tsuqki'n 
wählte  den  letzten,  der  ganz  mit  rothen  Federn  besetzt  war.  Er  nahm  ihn  und 
gab  ihm  den  Speer  zurück.  Er  war  sehr  eitel  auf  den  Mantel  und  ging  nun  mit 
den  anderen  Vögeln  wieder  den  Fluss  hinab.  Unterwegs  sahen  sie  eine  Forelle 
halb  todt  am  Ufer  liegen.  Tsuqki'n  sandte  Tsk'usk'oa'sp  hinab,  sie  zu  fangen. 
Die  Forelle  lockte  ihn  weiter  und  weiter  in  den  Fluss,  eigriff  ihn  dann  und  trog 
ihn  den  Fluss  hinauf,  wo  er  mit  ihm  in  einem  Felsen  verschwand.  Es  war  in 
Wirklichkeit  der  Wassergeist  OkElmuqöluq,  der  nur  die  Gestalt  einer  Forelle  an- 
genommen hatte.  Da  gingen  die  Vögel  ihnen  nach,  um  ihren  Genossen  zu  befreien. 
Als  sie  zu  dem  Felsen  kamen,  in  dem  die  Forelle  mit  Tskmsk'oa'sp  verschwunden 
war,  hiess  Tsuqki'n  TsutsupEla'n  mit  dem  Schnabel  gegen  den  Felsen  schlagen  und 
dabei  rufen:  „am  Tsuqki'n".  Der  Vogel  rief  aber  seinen  eigenen  Namen  und 
schlug  daher  seinen  Schnabel  an  dem  Felsen  platt.  Ebenso  erging  es  Tsk  o&'k*cn, 
der  auch,  statt  zu  rufen,  wie  ihm  aufgetragen  war,  am  Tsk*oä'k*En  rief.  Da  schlug 
Tsuqk'i'n  selbst  gegen  den  Fels  und  rief  dazu:  „am  Tsuqk'i'n".  Sofort  öffnete  sich 
ein  Spalt  und  er  sah  nun  Tskuskoa'sp  halb  todt  drinnen  in  einer  Höhle  liegen. 
Er  schlug  noch  einmal  gegen  den  Fels,  da  öffnete  sich  der  Spalt  weit  genug,  um 
ihn  einzulassen.  Er  ging  hinein,  kämpfte  mit  OkElmuqöluq,  tödtete  ihn  und  nahm 
Tsk'ursk'oa'sp  mit  nach  Hause  zurück. 


(545) 

8.   Der  Spieler. 
Es  war  einmal  ein  Mann,  der  hatte  drei  Söhne  nnd  zwei  Töchter.   Der  jüngste 
Sohn   war  ein  Spieler  nnd   yerlor  alles,   was  er  seihst  und  seine  Schwestern  nnd 
Brüder  hesassen,  endlich  sogar  seiner  Schwestern  Schuhe.    Da  er  nun  nichts  mehr 
zn   yerlieren   hatte,   hörte   er   auf  zu  spielen.    Er  war  so  arm,  dass  er  nichts  zu 
essen  hatte  und  aus  Hunger  die  Steine  ableckte  und  verschluckte,   mit  denen  die 
anderen  Leute  gekocht  hatten.    Da   beschloss  er  fortzuwandem  und  machte  sich 
eines  Nachts  auf,  ohne  dass  Jemand  es  merkte.  Er  wanderte  fürbass,  ohne  zu  wissen, 
wohin  er  ging.    Endlich   kam   er   an   ein  Haus.    Da  wohnte  eine  alte  Frau.    Sie 
sprach:  „Du  bist  ein  Fremder.**     „Ja,  ich  bin  ein  Fremder",  antwortete  er.    „Wo- 
hin  gehst  Du?"     „Ich   weiss   es  nicht."    Sie  gab  ihm  zu  essen  und  er  schlief  in 
ihrem  Hause.    Am  nächsten  Morgen   sagte  die  Alte:    „Wenn  Du  weiter  wanderst, 
wirst  Du   zwei  Frauen  singen  hören.    Achte  ja   nicht  auf  sie,  sondern  gehe  ruhig 
Deines  Weges,  bis  Du  einen  alten  Mann  triffst".    Und  sie  sagte  ihm,  was  er  dort 
thun  solle.    Er  ging  weiter  und  bald  hörte  er  die  Frauen  singen.    Er  aber  dachte 
daran,  was  die  Alte  gesagt  hatte,  und  ging  ruhig  seines  Weges.   Bald  traf  er  einen 
alten  Mann,   der   allein   in  einem  Hause  wohnte.    Da  dachte  er:    „Das  ist  Tsüis- 
k'alemuQ  (Menschenft*esser),  von  dem  mir  die  Frau  erzählt  hat"  Er  sah,  dass  der- 
selbe vor  seinem  Hause  Menschenfleisch  trocknete.    Der  Alte  rief  ihm  zu :  „Holiah, 
Du  bist  ein  Fremder".    Er  versetzte:  „Ja,  ich  bin  ein  Fremder,  Grossvater."    „Wo- 
hin  wanderst  Du?"     „Ich   weiss   es   nicht".    Da  fing   der  Alte  an  zu  brummen. 
Der  junge  Mann   aber   bat:    „Thue   mir  nichts  zu  Leide,  Grossvater,   ich  bin  ein 
armer  Mann."    Viermal   brummte   der  Alte,    that   ihm   aber  nichts  zu  Leide.    Er 
hatte  vier  Risten  im  Hause.    Die  alte  Frau  hatte  ihm  gesagt,  der  Alte  werde  ihm 
etwas   aus  den  Risten   anbieten.    Er  solle  nur  aus  der  letzten  nehmen.    Der  Alte 
deutete  nun  auf  die  erste  Riste  und  fragte:    „Rommst  Du,  um  dies  hier  zu  holen?" 
Der  Fremde  verneinte.    Da  öffnete  der  Alte   die  Riste  und  der  Fremde  sah,   dass 
Menschenköpfe   darin   waren.    Ebenso   lehnte   er   ab,   etwas  aus  der  zweiten  und 
dritten  Riste  zu  nehmen,  in  denen  auch  Menschenköpfe  waren.    Als  ihm  der  Alte 
nun  die  vierte  Riste  anbot,   nahm  er  sie  an.    Da  zog  jener   einen  wimderschönen 
Ropf  heraus,   der  ganz   mit  rothen  Federn   bedeckt   war.    Er  schnitt  den  jungen 
Mann   auf  und   nahm   die  Steine   aus   seinem  Magen,    die  er  verschlungen  hatte. 
Er  wusch   ihn  und  setzte   ihm  den   schönen  Ropf  auf.    Er  gab  ihm  4  Fellmäntel 
und  nannte  ihn  Sk'oö'ts.    Früher  war  der  junge  Mann  sehr  hässlich  gewesen.    Er 
war  den  Mädchen   so  zuwider  gewesen,   dass,   wenn  er  zufällig  ihren  Mantel  be- 
rührte,  sie  das  Stück  herausschnitten,   das   er  angefasst  hatte.    Zehnmal  war  ihm 
das  passirt,  und  er  hatte  alle  die  Stücke  seiner  Mutter  zum  Aufbewahren  gegeben. 
Ehe  der  Alte  ihn  zurücksandte,  sagte  er:  „Als  Du  herkamst,  sähest  Du  zwei  Mäd- 
chen, die  immer  sangen.  Jeder  will  sie  heirathen,  aber  keiner  kann  sie  bekommen. 
Jetzt  gehe  Du  hin.    Du  sollst  sie  haben."    Der  junge  Mann  ft^ute  sich  sehr.    Er 
ging  zurück   und  hörte  sie  wieder  singen.    Da  ging  er  auf  sie  zu.    Die  Mädchen 
lachten   ihn  an,   als   sie   ihn  sahen,   so  schön  war  er.    Sie  wurden  seine  Frauen, 
und  er  nahm  sie  mit  nach  Hause.  Sie  sangen  immer  weiter  und  sagten  zu  dem  jungen 
Manne:    „Ihr  dürft  unserer  nicht  müde  werden,  denn  wir  müssen  immer  singen." 
Er  gelangte  Nachts   zu  Hause   an,   stieg   mit   seinen  Frauen   hinunter  und  stiess 
seinen  Vater  an.    Als  dieser  ihn  sah,  weckte  er  seine  Frau.    Alle  standen  auf  und 
machten  ein  Feuer.  Sie  freuten  sich,  zu  sehen,  wie  schön  ihr  Sohn  geworden  war 
und  wie  schön  seine  Frauen  waren.  Als  die  Leute  ihn  am  anderen  Morgen  sahen, 
sagten  sie:  „Wir  haben  so  lange  nicht  gespielt.  Lasst  uns  einmal  wieder  spielen." 
Der  junge  Mann  war  einverstanden.  Coyote  dachte  schon:  „Ich  werde  seine  Frauen 

VerbMdl.  dtr  Bttl  Aiithropol.  Q«««ll«ebaft  1891.  86 


(546) 

gewinnen.^  Sie  fingen  an  und  Sk'oö'ts  verlor  all  seine  Sachen  und  auch  die  seiner 
Frauen.  Er  hatte  nur  noch  einen  Stab.  Da  zeigte  ihm  seine  Frau,  wie  er  spielen 
sollte,  und  er  gewann  nun  alles  zurück  und  gewann  dann  auch  die  Sachen  der  an- 
deren Leute.  Seine  Frauen  sagten  ihm:  „Alle  die  Mädchen,  die  früher  nichts  von 
Dir  wissen  wollten,  werden  Dich  jetzt  haben  wollen.  Achte  aber  nicht  auf  sie, 
sondern  stosse  sie  zurück,  wenn  sie  Dich  anfassen.^  Die  Mädchen  gingen  zu  seiner 
Mutter  und  sagten,  sie  möchten  ihn  zum  Manne  haben.  Als  sie  es  ihm  nun  sagte, 
antwortete  er  nur:  „Ich  glaube,  sie  wollen  nur  die  Stücke  Fell  haben,  die  sie  aus 
ihren  Mänteln  geschnitten."  Er  liess  es  ihnen  geben,  verspottete  sie  und  jagte  sie  fort. 

9.   Der  Mond. 

Der  Mond  war  einstens  ein  Mann.  Er  hatte  zwei  Frauen,  Wä'ela  und  Tsitä'eka. 
Die  erstere  gebar  ihm  zwei  Rinder,  die  andere  blieb  kinderlos.  Daher  liebte  er 
sie  mehr,  als  Wä'ela,  und  endlich  kümmerte  er  sich  gar  nicht  mehr  um  die  letztere. 
Eines  Abends,  als  er  bei  Tsitä'eka  war,  fragte  ihn  Wä'ela:  „Wohin  soll  ich  denn 
mit  Deinen  Kindern  gehen?"  Dreimal  fragte  sie  ihn,  der  Mann  antwortete  ihr  aber 
gar  nicht.  Als  sie  ihn  nun  zum  vierten  Male  fragte,  ward  er  zornig  und  rief:  „Setze 
Dich  auf  meine  Augen  I"  Da  sprang  sie  auf  seine  Augen  und  dort  sehen  wir  sie 
noch  heute  im  Monde  sitzen.  Dort  sieht  man  auch  deutlich  den  Mann,  seine  Beine 
und  ein  Bündel,  das  er  auf  dem  Rücken  trägt. 

10.   Die  Lumme. 

Die  Lumme  war  einst  ein  grosser  Spieler.  Sie  verlor  alles  bis  auf  eine  Hals- 
schnur aus  Dentalien.  Endlich  verlor  sie  auch  diese  an  den  Kranich.  Sie  wollte 
sie  aber  nicht  hergeben,  sprang  in^s  Wasser  und  seither  hat  sie  einen  weissen 
Ring  um  den  Hals. 

IL   Sagen  der  Ntlakyapamuq.    Gesammelt  in  Lytton. 

1.   Die  Sonne. 

Ein  Mann  hatte  zwei  Töchter.  Eine  derselben  heirathete,  die  andere  aber 
wies  alle  ihre  Bewerber  ab.  Eines  Tages  sprach  ihre  Schwester:  „Warum  bist 
Du  so  stolz?  Du  willst  wohl  die  Sonne  heirathen."  „Ja",  versetzte  die  andere, 
„ich  will  die  Sonne  heirathen."  Sie  machte  sich  viele  Mäntel  und  Schuhe  und 
machte  sich  dann  in  Begleitung  einer  Sklavin  auf,  die  Sonne  zu  suchen.  Viele 
Tage  und  viele  Monde  gingen  sie  dem  Sonnenaufgang  entgegen.  Wenn  sie  zu 
einem  See  kamen,  schwanunen  sie  darin  und  wuschen  sich  mit  Cederzweigen. 
Endlich  kamen  sie  zu  einem  Meere.  Als  sie  zum  Ufer  hinabgestiegen  waren, 
wussten  sie  nicht,  wohin  sie  sich  wenden  sollten.  Nach  einiger  Zeit  sahen 
sie  die  Sonne  aus  dem  Wasser  hervorkommen.  Da  nahm  sie  ein  grosses  Fell, 
warf  es  aufs  Wasser  und  ging  darüber  fort  der  Sonne  entgegen.  Ihre  Sklavin 
blieb  am  Ufer.  Die  Herrin  sah  bald,  dass  die  Sonne  aus  ihrem  unterirdischen 
Hause  hervorkam.  Als  sie  fort  war,  ging  das  Mädchen  hinein  und  schlief  dort 
den  ganzen  Tag.  Dann  versteckte  sie  sich.  Abends,  bei  Sonnenuntergang,  trat 
plötzlich  ein  Mann  in's  Haus.  Er  liess  die  Sonne  draussen  und  steckte  den  Stock, 
an  dem  sie  befestigt  war,  in  die  Erde.  Er  entdeckte  die  Fremde  nicht  Nachdem 
der  Mann  am  folgenden  Morgen  wieder  ausgegangen  war,  ging  das  Mädchen  an's 
Ufer  zurück  und  holte  die  Sklavin.  Sie  reinigten  das  Haus,  und  als  der  Mann 
Abends  zurückkehrte,  fand  er  die  beiden  Mädchen.  Er  hatte  nie  zuvor  eine  Frma 
gesehen   und   ward    anfänglich    zornig.     Dann   aber  gab   er   sich   zufrieden   und 


f 


(547) 

heirathete  das  Mädchen.    Sie  hatten  einen  Sohn  und   nach  einiger  Zeit  kehrte  sie 

zu  ihrer  Heimath  zurück. 

2.   Qoö'qtlk-otl. 

Tfimtli'psEm  (ein  Vogel)  hatte  zwei  Frauen,  die  graue  und  die  schwarze  Bärin. 
Von  jeder  derselben  hatte  er  vier  Kinder.  Eines  Tages  tödtete  die  graue  Bärin 
ihren  Mann  und  die  schwarze  Bärin.  Als  die  Rinder  der  letzteren  das  sahen, 
flohen  sie  nach  Bittanny.  Damals  lebte  ein  Mann,  Namens  Sk'oin^'ek'a,  bei  Lytton. 
Er  tödtete  die  alte  graue  Bärin.  Nach  einiger  Zeit  verliessen  die  vier  jungen 
Männer  Bittanny  und  wanderten  den  Fluss  hinauf.  Qo^'qtlk'otl  war  jetzt  erwachsen. 
Er  verwandelte  alle  schlechten  Menschen,  die  er  traf,  in  Felsen.  Als  die  Brüder 
nach  Nk'ä'ya  (am  linken  Ufer  des  Fräser  River  gerade  unterhalb  des  Thompson 
River)  kamen,  trafen  sie  einen  Mann,  Namens  G'ök'oSla,  der  von  Lillooet  herab- 
gekommen war.  Er  verwandelte  ebenfalls  alle  schlechten  Menschen  in  Steine.  Als 
O'ök'oSla  und  Qo^'qtlk'otl  einander  trafen,  wollten  sie  versuchen,  wer  der  stärkste 
von  ihnen  sei.  Sie  versuchten  sich  gegenseitig  zu  verwandeln,  fanden  aber,  dass 
sie  gleich  stark  waren.  Sie  wurden  Freunde  und  trennten  sich  dann.  Der  eine 
ging  den  Fluss  hinauf,  der  andere  den  Fluss  hinab.  Qoe'qtlk'otl  gelangte  nach 
MEtslait  am  Thompson  River.  Dort  traf  er  den  Riesen  Qaaqa',  welcher  Lachse 
fing.  Qo^'qtlk'otl  verwandelte  sich  in  einen  Lachs  und  schwamm  zu  der  Stelle, 
wo  Qaaqa'  fischte.  Als  letzterer  ihn  sah,  warf  er  seinen  Fischspeer  nach  ihm. 
Das  war  gerade,  was  Qoe'qtlkotl  gewünscht  hatte.  Er  brach  die  Spitze  des  Speeres 
ab  und  schwamm  damit  zu  seinen  Brüdern  zurück.  Dann  nahm  er  seine  friihere 
Gestalt  an  und  erstieg  mit  seinen  Brüdern  den  Berg,  an  dessen  Fusse  Qaaqa' 
stand.  Sie  warfen  ihn  mit  Erde.  Er  liess  sich  aber  nicht  stören.  Am  folgenden 
Morgen  sahen  sie  ihn  noch  ebenso  dastehen,  wie  am  vorhergehenden  Tage.  Den 
Platz,  an  dem  dies  geschah,  kann  man  noch  heute  erkennen.  Es  ist  der  grosse 
Bergrutsch  von  Nekä'mcn.  Qaaqa'  ging  endlich  in  sein  unterirdisches  Haus.  Ihn 
kränkte  der  Verlust  seines  Speers.  Nach  einiger  Zeit  gingen  die  Brüder  hinab  und 
traten  in  sein  Haus.  Sie  fanden  ihn  trotzig  im  Bett5  liegend.  Der  jüngste  der 
Brüder  sprach:  „Lasst  uns  hier  unseren  Lachs  kochen.^  Da  dachte  Qaaqa':  „Gewiss 
ist  das  der  Lachs,  den  ich  verloren  babe.^  Er  stand  auf  und  ging  auf  Qoe'qtlkotl 
zu,  welcher  ihm  die  Speerspitze  zeigte  und  sagte:  „Siehe,  was  ich  gefunden  habe.^ 
Er  gab  die  Spitze  an  Qaaqa'  zurück,  welcher  sich  sehr  freute. 

Die  Brüder  wanderten  weiter  und  Abends  schlugen  sie  ein  Lager  auf.  Qoe'qtlk'otl 
lag  dicht  am  Fener.  Er  trug  immer  eine  Mütze  aus  Biberfell.  Der  älteste  Bruder 
naJim  sie  ihm  fort  und  warf  sie  ins  Feuer.  Da  fing  der  Fluss  an  zu  steigen.  Die 
drei  älteren  Brüder  fürchteten  sich  sehr  und  erstiegen  einen  Berg.  Qoe'qtlkotl 
aber  blieb  ruhig  beim  Feuer  liegen.  Die  älteren  Brüder  sahen  ihn  vom  Gipfel 
des  Berges  aus  dort  liegen,  obwohl  die  Flut  das  Land  rings  umher  bedeckte.  Nach 
einer  Weile  liess  Qoe'qtlkotl  den  Fluss  wieder  fallen. 

Als  die  Brüder  sich  eines  Tages  einem  Dorfe  näherten,  verwandelte  Qoe  qtlk'otl 
sich  in  einen  Hund.  Sie  gingen  ins  Dorf  and  die  drei  älteren  Brüder  heiratheten 
drei  Mädchen.  Eines  Tages  sah  man  einen  schwarzen  Bären  nahe  dem  Dorfe. 
Der  älteste  Bruder  nahm  seinen  Rnochenpfeil  und  seinen  Bogen  und  wollte  ihn  er- 
legen. Der  Bär  tödtete  ihn  aber.  An  den  folgenden  Tagen  zeigte  der  Bär  sich 
wieder  und  der  zweite  und  der  dritte  Bruder  hatten  das  gleiche  Schicksal.  Als 
der  Bär  sich  am  vierten  Tage  wieder  sehen  liess,  ging  der  Hund  aus,  ihn  zu  tödten. 
Er  holte  ihn  bald  ein  und  sprang  gerade  über  ihn  fort.  Da  brach  der  Bär  in  zwei 
Stücke.    Der  Hund   lief  ins  Dorf  zurück  und  sprang  über  alle  Leute,   die  gleich- 

8ö» 


(548) 

falls  zerbrachen.  Dann  sprang  er  über  die  Leichen  seiner  Brüder  fort  und  rief  sie 
so  ins  Leben  zurück.    Die  drei  Brüder  wurden  dann  in  Steine  verwandelt. 

Einst  traf  Qoe'qtlkotl  einen  Mann,  der  ganz  allein  lebte.  Da  verwandelte  er 
einen  Baumwollenbaum  und  eine  Birke  in  Frauen  und  gab  sie  ihm. 

Fast  jeder  Fels  im  Canon  des  Fräser  River  ist  der  Träger  einer  Sage,  die  auf 
Qoe'qtlk'otl  Bezug  hat    Alle  sind  verwandelte  Menschen,  Thiere  oder  Boote. 

3.   Der  Krieg  mit  dem  Himmel 

Ich  erhielt  nur  ein  unbedeutendes  Bruchstück  dieser  wichtigen  Sage:  Die 
Vögel  wollten  den  Himmel  mit  Krieg  überziehen  und  schössen  ihre  Pfeile  gegen 
das  Himmelsgewölbe  ab,  um  eine  Kette  zu  machen,  an  der  sie  hinaufklettern 
wollten.  Keiner  war  aber  im  Stande,  den  Himmel  zu  erreichen.  Endlich  nahm  der 
Vogel  Tcitu'c  seinen  Bogen  xmd  seine  Pfeile,  und  er  traf  das  Himmelsgewölbe, 
Dann  machte  er  eine  Kette  von  Pfeilen,  die  bis  zur  Erde  herabreichte,  und  alle 
Thiere  kletterten  daran  in  die  Höhe.  Später  brach  die  Kette,  als  nur  die  Hälfte 
aller  Thiere  glücklich  wieder  unten  angekommen  war. 

4.   Der  Knabe  und  die  Sonne. 

Vor  langer  Zeit  lebten  viele  Menschen  in  Lytton.  Unter  ihnen  war  auch  ein 
Knabe,  der  sich  immer  mit  all  seinen  Altersgenossen  zankte  und  viel  Unruhe  und 
Unheil  stiftete.  Endlich  wurden  seine  Eltern  seiner  überdrüssig  und  beschlossen, 
ihn  zu  verlassen.  Der  Häuptling  befahl  seinen  Altergenossen  mit  ihm  in  den  Wald 
zu  gehen,  und  beim  Spiel  dessen  Augen  mit  Harz  zu  verkleben.  Die  Knaben  ge- 
horchten und  führten  jenen  ins  Dorf  zurück,  nachdem  seine  Augen  verklebt  waren. 
Dann  hiess  der  Häuptling  die  Leute  alle  Sachen  aufpacken  und  sie  zogen  nach 
Bittanny.  Ausser  dem  Knaben  Hessen  sie  eine  alte  blinde  und  lahme  Frau  zurück. 
Nach  einiger  Zeit  schmolz  das  Harz  und  der  Knabe  konnte  wieder  sehen.  Er 
blickte  sich  um,  fand  aber  niemand.  Da  fing  er  an  zu  weinen,  denn  er  merkte, 
dass  seine  Verwandten  ihn  verlassen  hatten.  Er  ging  in  jedes  Haus  und  fand 
endlich  die  alte  Frau.  Sie  sagte  ihm,  dass  man  ihn  verlassen  habe,  weil  er  so  viel 
Unruhe  gestiftet  habe.  Der  Knabe  machte  sich  nun  Schlingen  und  fing  Elstern, 
Mäuse  und  Ratten,  von  denen  er  und  die  alte  Frau  kümmerlich  lebten.  Er  machte 
dreierlei  Mäntel  aus  den  Fellen,  einen  aus  Elsterbälgen,  einen  aus  den  Mäusefellen 
und  einen  aus  Rattenfellen.  Er  legte  die  Mäntel  auf  das  Dach  ihres  Hauses.  Als 
der  Sonnenmann  dieselben  erblickte,  stieg  er  vom  Himmel  herab  und  sprach  zu 
dem  Knaben:  „Ich  will  Dir  meinen  Bogen  geben,  gieb  Du  mir  dafür  die  Mäntel.*^ 
Der  Knabe  war  zufrieden  und  erlegte  von  nun  an  alles,  was  er  haben  wollte,  so 
dass  er  sehr  reich  wurde.  In  Bittanny,  unter  seinen  Landsleuten,  herrschte  aber 
grosse  Noth.  Einst  sandte  der  Häuptling  einen  Sklaven  nach  Lytton,  um  zu  sehen, 
ob  der  Knabe  todt  sei.  Dieser  war  sehr  erstaunt,  ihn  noch  am  Leben  zu  finden 
und  zu  sehen,  wie  reich  er  geworden  war.  Als  er  dem  Häuptling  berichtete,  was 
er  gesehen,  kehrte  der  ganze  Stamm  nach  Lytton  zurück  und  der  Knabe  vertheilte 
viele  Nahrungsmittel  unter  die  Leute. 

5.   Der  Coyote. 

Nkia'p,  der  Coyote,  hatte  einen  "Sohn.  Dieser  hatte  zwei  Frauen.  Coyote 
wünschte  sehr,  eine  derselben  für  sich  zu  haben.  Daher  suchte  er  seinen  Sohn 
aus  dem  Wege  zu  räumen.  Eines  Tages  schickte  er  ihn  aus,  einen  Vogel  zu 
fangen,  der  auf  einem  Baume  sass.  Als  der  junge  Mann  nun  auf  den  Baum 
kletterte,   machte  Coyote,    dass  derselbe  wuchs,  bis  er  den  Himmel  berührte.    Da 


(549) 

sprang  der  junge  Mann  Ton  dem  Baumwipfel  in  das  Himmelsland,  und  der  Baum 
schrumpfte  sofort  wieder  zu  seiner  früheren  Grösse  zusammen.  Er  fand  sich  auf 
einem  Pfade,  dem  er  folgte.  Rechts  und  links  sah  er  viele  glänzende  Pimkte. 
Ehrst  glaubte  er,  es  seien  essbare  Wurzeln,  und  wollte  sie  graben.  Dann  aber  sah 
er,  dass  es  Löcher  waren,  und  dass  der  Wind  hindurch  pfiff.  Es  waren  die  Sterne. 
Lange  Zeit  wanderte  er  voran,  ohne  irgend  ein  lebendes  Wesen  zu  treffen.  Endlich 
kam  er  zu  einer  Stelle,  an  der  Bäume  gefällt  waren.  Dort  traf  er  zwei  alte,  blinde 
Frauen,  die  Rebhühner.  Eine  sprach  zur  anderen:  „Ich  rieche  etwas  Schlechtes. 
Ich  glaube  es  ist  TriksE'mtEm  (=  der  Kletterer)."  Als  Tl'iksE'mtEm  das  hörte, 
ward  er  zornig.  Er  warf  die  Frauen  in  die  Luft  und  verwandelte  sie  in  Vögel. 
Er  wanderte  noch  weiter  und  traf  einen  alten  Mann  und  eine  alte  Frau,  die  Spinne. 
Sie  begrüssten  ihn  freundlich  und  sprachen :  „Dein  Vater  ist  sehr  schlecht,  dass  er 
an  Dir  so  gehandelt  hat."  TFiksE'mtEm  war  erstaunt,  dass  sie  wussten,  wie  er  in 
den  Himmel  gelangt  war.  Er  blieb  bei  ihnen  und  jagte  Hirsche  für  sie.  Mittler- 
weile machte  ihm  die  Spinne  ein  Seil.  Nach  einiger  Zeit  bekam  er  Heimweh;  er 
legte  sich  ins  Bett  und  die  Alten  konnten  ihn  nicht  dazu  bewegen,  Nahrung  zu 
sich  zu  nehmen.  Da  sprachen  sie:  „Wir  wollen  Dich  zur  Erde  zurücksenden," 
thaten  den  jungen  Mann  nebst  einem  reichlichen  Vorrath  von  getrocknetem  Fleisch 
in  einen  kleinen  Korb,  den  sie  an  das  Seil  banden.  Ehe  sie  ihn  hinabliessen, 
sagten  sie:  „Oeffne  Deine  Augen  nicht,  so  lange  Du  im  Himmel  bist  und  wenn 
Du  an  den  Wolken,  den  Bergen  und  Bäumen  vorbeifährst,  sondern  warte,  bis  Du 
am  Boden  anlangst.  Dann  öffne  den  Korb,  knüpfe  ihn  los  und  ziehe  am  Seil, 
damit  wir  es  einziehen  können."  Der  junge  Mann  gehorchte,  und  als  er  unten 
angekommen  war,  zogen  die  Spinnen  das  Seil  ein.  Er  war  in  Lytton  zur  Eh*de  ge- 
kommen, traf  daselbst  aber  niemand,  da  alle  Leute  nach  Bittanny  gezogen  waren. 
Die  Frau,  welche  Coyote  gestohlen  hatte,  hatte  einen  Sohn.  Sie  beweinte  be- 
ständig den  Tod  ihres  Mannes.  Als  dieser  nun  von  Lytton  nach  Bittanny  wanderte, 
sah  das  Kind  ihn  kommen.  Es  rannte  zu  seiner  Mutter  und  sagte:  „Vater  kommt!" 
Die  Mutter  glaubte  ihm  nicht.  Als  er  aber  endlich  kam,  freute  sie  sich  sehr. 
Coyote  stellte  sich,  als  freue  er  sich  sehr  über  die  Rückkunft  seines  Sohnes. 
Dieser  dachte  aber  nach,  wie  er  sich  rächen  könne.  Einst  waren  die  Jäger  sehr 
unglücklich  gewesen  und  es  herrschte  Mangel  im  Dorfe.  Da  ging  TFiksE'mtEm 
aus  und  tödtete  viele  Hirsche.  Er  brachte  nicht  alles  Wild  nach  Hause,  sondern 
bat  seinen  Vater,  ihm  zu  helfen,  es  zurückzubringen.  Er  gab  ihm  ein  altes  fauliges 
Strick  mit,  das  Wild  zusammenzubinden.  Als  Coyote  nun  über  den  Fluss  ging, 
liess  TFiksE'mtEm  denselben  steigen  und  Coyote  ertrank.  Sein  Leichnam  trieb  in 
ein  Lachswehr,  das  vier  Frauen  gehörte.  Dort  verwandelte  er  sich  in  ein  kleines 
Brett.  Als  die  Frauen  das  Brettchen  sahen,  sprach  eine  von  ihnen:  „Das  ist  gut, 
wir  wollen  eine  Schüssel  daraus  machen."  Sie  nahmen  es  nach  Hause  und  legten 
etwas  Lachs  darauf.  Kaum  hatten  sie  ihn  aber  hingelegt,  da  war  derselbe  ver- 
schwunden Das  Brett  hatte  ihn  gefressen.  Da  warf  die  jüngste  der  Frauen  es 
ins  Feuer.  Coyote  nahm  nun  die  Gestalt  eines  kleinen  Kindes  an  und  schrie.  Die 
Frauen  nahmen  es  auf  und  behielten  es  als  Sklaven.  Als  er  grösser  geworden 
war,  Hessen  die  Frauen  ihn  immer  als  Wächter  zu  Hause,  während  sie  gingen 
Beeren  zu  pflücken.  Sie  hatten  zwei  Körbe,  in  denen  sie  den  Nebel  und  die 
Wespen  bewahrten.  Eines  Tages,  als  die  Frauen  ihn  allein  gelassen  hatten,  öffnete 
er  die  Körbe  und  liess  den  Nebel  und  die  Wespen  heraus. 

in.    Sagen  vom  unteren  Fräser  River. 
Die  meisten  der  folgenden  Sagen  wurden  in  Agassiz,   nahe  der  Mündung  des 
Uanison  River,  am  Harrison  Lake  und  in  New  Westminster  gesammelt    Eine  An- 


(550) 

zah]  derselben,  welche  oberhalb  Fort  Douglas  localisirt  sind,  dürften  richtiger 
den  Sagen  der  Lillooet  zugerechnet  werden.  Da  ich  sie  indessen  aus  dem  Munde 
eines  Stee'lis  hörte,  habe  ich  sie  hier  mit  eingeordnet.  Die  meisten  der  folgenden 
Sagen  wurden  mir  von  George  Stsee'lis  und  dessen  Frau  erzählt 

1.   Qäls. 

1)  Oberhalb  Sk*tsäs,  mitten  im  Gebirge,  lebte  der  rothköpfige  Specht  Seine 
Frauen  waren  die  schwarze  und  die  graue  Bärin.  Er  hatte  drei  Söhne  und  eine 
Tochter  von  der  schwarzen  Bärin.  Die  graue  Bärin  hatte  keine  Kinder.  D^- 
Name  des  mittleren  Sohnes  war  Qoä'k'otik'otl.  Der  jüngste  Sohn  weinte  immer, 
und  da  er  sich  gar  nicht  beruhigen  liess,  fragte  ihn  seine  Mutter,  warum  er  weine. 
Da  antwortete  er:  „Ich  möchte,  dass  wir  zum  See  hinab  ziehen.^  Die  Gottheit 
hatte  ihm  diesen  Wunsch  eingeflösst  Die  Bärin  theilte  ihrem  Manne  den  Wunsch 
des  Kleinen  mit  und  sie  zogen  nach  Sk*tsäs  hinab.  Als  sie  dort  ankamen,  baute 
der  Specht  ein  Haus.  Dann  begann  die  graue  Bärin  mit  ihrem  Manne  zu  streiten 
und  tödtete  ihn  endlich.  Qoä'k'otlkotl  machte  sich  dann  eine  Kappe  aus  Biberfell 
und  die  vier  Kinder  verliessen  ihre  Mutter  und  wanderten  zusammen  den  Fräser 
River  hinauf  gen  Sonnenaufgang.  Als  sie  am  Sonnenaufgang  ankamen,  gingen  sie 
in  den  Himmel  und  wanderten  nach  Sonnenuntergang.  Von  dort  kehrten  sie 
zurück  und  wanderten  wieder  nach  Osten.  Sie  hatten  den  Namen  Qäls  erhalten 
und  verwandelten  alle,  die  ihnen  begegneten,  in  Steine  oder  andere  Gegenstände. 
K'ä'iq,  der  Nerz,  begleitete  sie  auf  ihren  Reisen. 

2)  Zuerst  kam  Qäls  nach  Mälg,  wo  heute  das  Dorf  der  QmE'(;koyim  steht 
Dort  trafen  sie  den  Häuptling  Pä'pk'EltEl,  der  sich  Muscheln  briet.  Qäls  setzte  sich 
nicht  weit  von  ihm  nieder.  Da  sprühte  Qoä'k'otlkotl  etwas  glühendes  Holz  ins 
Gesicht  und  verbrannte  ihn  ein  wenig.  Qoäl£'otlk'otl  fragte:  „Wo  ist  Dein  Bach? 
Ich  möchte  etwas  Wasser  haben.^  Pä'pk'EltEl  zeigte  ihm  seinen  Bach,  der  so  schmal 
war,  dass  die  Bäume  sich  darüber  berührten.  In  demselben  wohnten  aber  die 
Unterthanen  Pä'pk'EltEls,  die  Tintenfische.  Als  ^oä'k'otlkotl  nun  hinkam  und  Wasser 
trinken  wollte,  zogen  dieselben  ihn  hinab.  Da  er  nicht  wieder  kehrte,  ging  nach 
einiger  Zeit  der  älteste  der  Brüder  hin,  ihn  zu  suchen.  Er  theilte  das  gleiche 
Schicksal  und  dem  jüngsten  erging  es  nicht  besser.  Da  sprach  das  Mädchen  zu 
Pä'pk'EltEl:  „0,  mache  mich  glücklich  und  gieb  mir  meine  Brüder  wieder."  Jener 
willfahrte  ihrer  Bitte,  und  holte  die  drei  Brüder  wieder  aus  dem  Bache  heraus. 
Da  verwandelten  sie  Pä'pk'EltEl  in  eine  Schwertlilie.  Seither  giebt  es  viele  Schwert- 
lilien bei  Mä'le. 

3)  In  K'^oälEts  (unterhalb  Yale)  lebte  ein  Knabe,  der  quälte  seine  Mutter  be- 
ständig, sie  solle  ihm  zu  essen  geben,  und  obwohl  sie  ihn  vollauf  versorgte,  war 
er  doch  nie  zufrieden.  Er  ging  zu  allen  Leuten  und  sagte,  seine  Mutter  habe  ihm 
aufgetragen,  um  Nahrung  zu  bitten.  Diese  gaben  ihm  dann  zu  essen.  Statt  aber 
die  Nahrungsmittel  nach  Hause  zu  tragen,  versteckte  er  sie  im  Walde  und  ass 
alles  selbst  auf.  Da  dieses  sich  tagtäglich  wiederholte,  fragte  endlich  ein  Mann 
seinen  Vater:  „Schickt  Ihr  eigentlich  Euren  Sohn  jeden  Tag  zu  uns,  uns  um 
Nahrungsmittel  zu  bitton?"  Der  Vater  war  überrascht  und  schämte  sich  sehr.  Er 
ging  zu  allen  Leuten  und  fragte,  ob  sein  Sohn  bei  ihnen  gebettelt  habe.  Als  er 
nun  erfuhr,  dass  jener  alltäglich  in  allen  Häusern  bettele,  beschloss  er  ihn  su  ver- 
lassen und  bat  alle  Leute,  mit  ihm  fortzuziehen  und  alle  Nahrungsmittel,  sowie  die 
Bretterwände  der  Häuser  mitzunehmen.  Dann  nahm  er  seinen  Sohn  in  den  Wald 
unter  dem  Verwände,  dass  er  ihn  den  Gebrauch  von  Zaubermitteln  lehren  wolle. 
Er  nahm  noch  einen  zweiten  Knaben  zur  Begleitung  mit  und,  während  der  Knabo 


(551) 

sich  reinigte,  liefen  der  Vater  und  der  andere  Knabe  von  dannen.   Die  Leute  hatten 
unterdessen  ihre  Boote  beladen  und  die  Feaer  ausgelöscht.    Sobald  der  Mann  und 
der  Knabe   aus   dem  Walde  zurückkamen,   fuhren  sie  ron  dannen.    Nur  die  alte, 
blinde  Grossmutter   des   yerstossenen  Knaben   hatte  Mitleid   mit  ihm.    Sie  nahm 
etwas   zerkaute  Famwurzeln,   hüllte  eine  glühende  Kohle  hinein,   und  legte  sie  in 
eine  Muschel,   die   sie  unter  einem  Brette   verbarg.    Dann   sprach   sie  zu  ihrem 
Hunde:    „Bleibe   Du   hier.    Wenn   mein  Enkel   zurückkommt,   kratze   an   diesem 
Brette,  damit  er  das  Feuer  findet.'^  Dann  ging  auch  sie  ins  Boot  und  alle  fuhren  ab. 
Nach   einiger  Zeit  kam  der  Knabe  aus  dem  Walde  zurück.    Da  sah  er,   dass 
er   Verstössen  war.    Er  setzte   sich   hin  und  fing  an  zu  weinen.    Er  hatte  keine 
Kleider  und   keine  Nahrungsmittel.    Bald   bemerkte   er,   wie   der  Hund   an   dem 
Brette  kratzte,   und  als  er  nachsuchte,    fand  er  das  Feuer,   das  seine  Grossmutter 
für  ihn  zurückgelassen  hatte.  Er  machte  sich  nun  ein  Feuer  xmd  Bogen  und  Pfeile. 
Die  Bogensehne   machte   er  aus  Weidenrinde.    Er  schoss  sich  Vögel,   balgte  sie 
ab  und   briet  ihr  Fleisch.    Aus   den  Bälgen   machte   er  sich   einen  Mantel,    der 
sehr  schön  gezeichnet  war.  Eines  Tages,  als  er  sich  niedergelegt  hatte  und  schlief, 
sah  ihn  die  Sonne,  stieg  vom  Himmel  herab  und  trat  in  Gestalt  eines  Mannes  auf 
den  Knaben  zu.  Diese  sprach:    „Dein  Mantel  gefällt  mir.  Lass  uns  tauschen.  Ich 
gebe  Dir  meinen  Mantel  aus  Bergziegenwolle   für  den  Deinen.    Wenn  Du  einen 
Zipfel  meines  Mantels  in  den  Fluss  tauchst,   wird  er  sogleich  voller  Häringe  sein. 
Ich  bin  die  Sonne,   der  Mond  ist  mein  Bruder  und  der  grosse  Stern,   den  Du  oft 
nahe  beim  Monde  siehst,   ist  dessen  Frau.^    Sie  gingen  den  Tausch  ein,   und  der 
Knabe  versuchte  gleich  die  Kraft  des  neuen  Mantels.    Er  tauchte  ihn  in  den  Fluss, 
der  sich  sofort  mit  Häringsschwärmen  füllte.  Er  fing  viele,  trocknete  sie  und  baute 
sich  dann  ein  Haus,  das  er  ganz  mit  Nahrungsmitteln  füllen  konnte.    Da  gedachte 
er  seiner  Grossmutter.    Er  rief  die  Krähe  herbei  und  Hess  sie  einige  Häringe  ver- 
schlucken.  Dann  trag  er  ihr  auf,  zu  seines  Vaters  Dorfe  zu  fliegen,  und  wenn  sie 
eine  alte  Frau  dort  weinen  sähe,  solle  sie  ihr  die  Häringe  geben.    Die  Krähe  flog 
von  dannen  und  fand  die  Grossmutter  des  Knaben.    Da  rief  sie  „mä'o,  mä'o"  und 
spie   einen  Häring   aus.    Die  Grossmutter   erstaunte,   und   die  Krähe  erzählte  ihr 
nun,  dass  ihr  Enkel  noch  am  Leben  sei  und  ihr  die  Häringe  sende. 

Um  diese  Zeit  fuhr  ein  junger  Mann  nach  dem  alten  Dorfe  zurück,  um  zu 
sehen,  was  aus  dem  Knaben  geworden  war.  Wie  erstaunte  er,  als  er  dessen 
grosses  Haus  und  die  vielen  Vorräthe  sah.  Der  Knabe  lud  ihn  ein,  ans  Land  zu 
kommen,  und  sprach:  „Sage  den  Leuten,  dass  ich  jetzt  reich  bin.  Sie  alle  mögen 
zurückkommen,  nur  mein  Vater  und  meine  Mutter  sollen  nicht  hierherkommen." 
Der  junge  Mann  fuhr  zurück  und  richtete  den  Auftrag  aus.  Als  die  Leute  nun 
hörten,  wie  wohl  es  dem  verlassenen  Knaben  gehe,  machten  sie  sich  auf,  nach 
K'^oälEts  zurückzukehren.  Der  Rabe  hatte  zwei  Töchter.  Er  befahl  ihnen,  ihr 
Haar  schön  zu  kämmen  und  ihr  Gesicht  zu  bemalen,  denn  er  wünschte,  dass  der 
verlassene  Knabe  sie  heirathen  sollte.  Ein  jeder  wünschte  ihn  zum  Schwieger- 
sohne zu  haben.  Endlich  erlaubte  der  Knabe  auch  seinen  Eltern  zurückzukommen. 
Während  er  aber  alle  Leute  reich  beschenkte,  gab  er  ihnen  nichts  und  sie  wurden 
sehr  arm.    Er  selbst  aber  ward  Häuptling. 

Einst  ging  er  auf  Elchjagd.  Er  führte  seinen  Hund  an  einem  Strick  und  ging 
den  Fluss  hinauf.  Als  er  ein  Elch  erblickte,  Hess  er  seinen  Hund  los,  der  es 
am  Wasser  entlang  verfolgte.  Da  kam  Qäls  des  Weges  und  verwandelte  den 
jungen  Mann  und  den  Hund  in  Steine.  Er  nahm  das  Elch  und  warf  es  an 
den  Himmel.  Da  wurde  es  in  die  vier  grössten  Sterne  des  grossen  Bären  ver- 
wandelt. 


(552) 

4)  Qäls  gmg  weiter  und  traf  eine  Schaar  Rinder,  die  weinten,  weil  ihre  Eltern 
ortgegangen  waren.  Er  versetzte  sie  an  den  Himmel  und  sie  wurden  die  Plejaden. 

5)  Qäls  kam  nach  Sk'tsäs  (oberhalb  des  Nordendes  vom  Harrison  See).  Don 
wohnte  SHä'i,  ein  sehr  mächtiger  Mann.  Wenn  derselbe  einen  Weg  entlang  sah, 
wurde  derselbe  sehr  lang.  Als  Qäls  sich  ihm  näherte,  legte  Seal  seine  Kleidung, 
die  ganz  aus  Bärenfell  gemacht  war,  und  seine  Schneeschuhe  an.  Qäls  schlug  sein 
Lager  nicht  weit  von  Seä'is  Hause  auf.  Die  Schwester  blieb  dort,  während  die 
drei  Brüder  zu  Suäl  gingen,  um  mit  ihm  zu  kämpfen.  Zuerst  sprach  Qoä'k'otlk'otl: 
„Lass  uns  sehen,  wer  am  weitesten  pissen  kann.^  Er  yersuchte  den  Gipfel  des 
Berges  zu  erreichen,  vermochte  es  aber  nicht.  Seäi  dagegen  pisste  über  den  Berg 
hinüber  xmd  machte  so  den  Fluss,  der  von  Silver  Lake  nach  Spuzzum  hinabläufl. 

Dann  yersuchte  Qäls,  ihn  auf  andere  Weise  zu  besiegen.  Er  ging  zu  ihm  und 
sprach:  „Alter I  Wir  möchten  nach  Stseelis  hinunter  fahren,  haben  aber  kein  Boot. 
Willst  Du  uns  das  Deine  leihen?  Wir  werden  es  Dir  bald  wieder  bringen.^  Snäl 
versprach  ihnen  das  Boot,  und  am  nächsten  Morgen  kamen  die  drei  Brüder  wieder, 
um  es  zu  holen.  Sie  überredeten  Seä'i,  mit  ihnen  den  Fluss  hinabzufahren.  Als 
sie  noch  nicht  lange  fort  waren  und  den  See  erreicht  hatten,  rief  Qäls  den  Ost- 
wind. Es  entstand  ein  heftiger  Sturm,  das  Boot  füllte  sich  mit  Eis  und  schlug 
endlich  um.  Qäls  hoffte,  Seä'i  werde  nun  ertrinken,  und  die  Brüder  begaben  sich 
ans  Ufer  und  gingen  zu  ihrer  Schwester  zurück,  die  im  Lager  geblieben  war. 
SHä'i  hatte  sich  aber  mittelst  seiner  Schneeschuhe,  die  er  sich  an  die  Schultern 
gebunden  hatte,  ans  Land  gerettet  Er  nahm  etwas  Diatomeenerde,  mit  der  seine 
Kleider  eingerieben  waren,  zwischen  die  Hände,  zerrieb  sie  und  blies  sie  in  die 
Luft.  Da  fing  es  an  zu  schneien.  Dann  blickte  er  längs  des  Weges,  den  Qäls 
gehen  musste,  und  derselbe  wurde  sogleich  sehr  lang.  Der  Schnee  ward  tiefer 
und  tiefer  und  Qäls  war  fast  erfroren,  als  er  endlich  am  Feuer  seiner  Schwester 
ankam.  Seal  aber  war  rasch  und  leicht  auf  seinen  Schneeschuhen  nach  Hause 
gegangen.  Als  die  Brüder  zum  Lager  kamen,  fielen  sie  um  vor  Müdigkeit  Ihre 
Schwester  wärmte  sie  und  gab  ihnen  heisses  „Sockeye^-  (Oncorrhynchus  nerke) 
Fett  zu  trinken.    So  erholten  sie  sich  wieder.    Snäl  hatte  sie  abermals  besiegt 

Qäls  wollte  nun  Seä'i  tödten.  Er  fragte  seine  Schwester:  „Kannst  Du  mir  etwas 
von  Deinem  Menstrualblut  geben  ?^  Sie  bejahte  und  gab  es  ihm.  Da  that  er  es 
unten  in  seine  Pfeife  und  häufte  Tabak  darauf.  Der  jüngste  der  Brüder  warnte 
Qoä'k'otlk'otl  und  bat  ihn,  SHä'i  in  Ruhe  zu  lassen,  da  er  sehr  stark  seL  Qoälc'otl- 
k'otl  hörte  aber  nicht  auf  ihn.  Er  ging  zu  Snäl  und  sprach:  „Wir  sind  gestern,  als 
das  Boot  umschlug  und  es  nachher  schneite,  sehr  kalt  geworden.  Der  Tabak  hat 
uns  aber  wieder  schön  warm  gemacht  Willst  Du  nicht  auch  etwas  rauchen?^ 
Dabei  bot  er  ihm  die  Pfeife  an.  Snäl  schlug  sie  aber  aus,  indem  er  sagte,  er 
könne  nicht  rauchen.  Qoä'k'otlk'otl  ermunterte  ihn  aber,  es  zu  yersuchen,  und  end- 
lich liess  er  sich  überreden.  Er  that  einen  Zug  und  Qoä'kotlk'otl  sprach:  „Du 
musst  tiefe  Züge  thun  und  den  Rauch  herunter  schlucken.^  Er  that  drei  Züge. 
Da  fiel  er  todt  nieder.  Qäls  riss  ihm  dann  die  Zunge  aus  und  warf  sie  fort  Sie 
wurde  ein  Stein.  Ebenso  rissen  sie  seinen  Magen  aus  und  seine  Arme,  Beine  und 
seinen  Kopf  ab,  warfen  sie  weg  und  verwandelten  sie  in  Steine. 

6)  Weiter  oben  am  Flusse  wohnte  ein  Mann,  der  Schwan,  mit  seiner  Frau, 
dem  Kranich.  Eines  Tages  sassen  sie  vor  der  Thür  ihres  Hauses,  da  kam  ein 
Boot  vorbei,  in  dem  ein  Mann,  die  Schwalbe,  sass.  Der  Schwan  fragte  ihn:  „Wohin 
gehst  Du?^  Jener  versetzte:  „Meine  Frau  ist  gestorben.  Ich  gehe  jetzt  in  den 
Wald  und  werde  den  ganzen  Sommer  da  bleiben.*'    In  Wirklichkeit   war  aber 


(553) 

Folgendes  geschehen:  Seine  Frau  war  ausgegangen,  Gederbast  zu  holen,  und  hatte 
die  Gelegenheit  zu  einem  Stelldichein  mit  ihrem  Liebhaber  benutzt.  Die  Schwalbe 
hatte  das  erfahren  und  sich  dann  gerächt  Sie  ging  mit  ihrer  Frau  in  den  Wald 
unter  dem  Verwände,  ihr  beim  Bindesammeln  behülflicb  sein  zu  wollen.  Als  sie 
nun  auf  eine  Ceder  geklettert  war,  band  er  sie  auf  der  Spitze  des  Baumes  fest 
Dann  schälte  er  die  Kinde  ab,  so  dass  der  Stamm  ganz  glatt  wurde  und  verliess 
sie.  Der  Schwan  lud  ihn  ein,  in  seinem  Hause  zu  rasten.  Nach  einiger  Zeit  hörte 
der  Schwan  eine  Stimme  im  Walde.  Es  war  die  Frau  der  Schwalbe.  Sie  sang: 
AtsElsQuä'guakug'wul  (d.  h.  der  Stock  dringt  in  meinen  After)  und  ihr  Blut  floss 
an  dem  Stamme  herunter.  Der  Schwan  ging  mit  seinen  Leuten  in  den  Wald,  um 
die  Stimme  zu  suchen,  und  fand  endlich  die  Frau.  Erst  nach  langen  Mühen  gelang 
es  einem  seiner  Leute,  auf  den  Baum  zu  steigen  und  die  Frau  herunter  zu  holen. 
Sie  sagte:  „Wenn  ich  todt  bin,  so  sollt  ihr  mein  Blut  trinken.  Und  wenn  es  regnet, 
so  sprecht  yon  mir.^  Sie  starb  dann  und  wurde  in  Brombeeren  yerwandelt  Der 
Schwan  war  sehr  böse  auf  die  Schwalbe  und  als  diese  im  Herbst  wieder  kam, 
sagte  er:  „Wenn  Du  mit  dem  Ostwinde  zurückkommst,  will  ich  flussabwärts  ziehen 
und  Dich  vermeiden.^  In  diesem  Augenblicke  kam  Qäls  des  Weges  und  sprach: 
„Out!  Ihr  sollt  Vögel  werden.  Du,  Schwalbe,  sollst  im  Sommer  im  Walde  umher- 
fliegen und  Deine  Frau  suchen.  Bemale  Dein  Oesicht  jetzt,  wie  wenn  Du  Deine 
übernatürliche  Macht  anlegst.^  Er  bemalte  sich  dann  schwarz  und  weiss  und 
steckte  sich  lange  Federn  an  den  Bücken.  Da  wurde  er  ein  Vogel  und  fliegt 
seither  Sommers  im  Walde  umher  und  sucht  seine  Frau  mit  dem  Bufe  eI,  eI  eH') 

7)  Qäls  wanderte  weiter  den  Fluss  hinauf  und  kam  zu  einem  Hause,  in 
dem  ein  alter  Mann  mit  sehr  kleinem  Munde  und  sehr  dickem  Bauche  wohnte. 
Sein  Name  war  SpSpältsEp.  Als  er  ihn  erblickte,  fragte  er  ihn:  „Wie  kommt  es, 
dass  Dein  Mund  so  klein  ist?^  Jener  wusste  nichts  darauf  zu  antworten.  Er  fuhr 
fort:  „Das  ist  nicht  gut.  Du  kannst  ja  nicht  ordentlich  essen.  Willst  Du  nicht 
lieber  in  den  Wald  gehen  und  jagen?"  Jener  versetzte:  „Nein,  ich  will  lieber 
hier  bleiben.  Ich  mag  mich  nicht  viel  bewegen  und  ich  wünsche,  dass  die  Leute 
mich  hier  immer  finden  können."  „Out,"  sagte  Qäls,  „Du  sollst  immer  hier  bleiben" 
und  yerwandelte  ihn  in  den  Fisch  SpältsEp. 

8)  Qäls  ging  weiter  und  kam  zu  einem  Hause,  in  dem  wohnte  ein  alter 
Mann  mit  rothem  Oesichte  und  rothen  Haaren  an  Händen  und  Füssen.  Er  hiess 
PstHEl.  Als  Qäls  kam,  versteckte  er  sich,  und  als  er  weiter  reiste,  verwandelte  er 
sich  in  eine  kleine  Schlange  (roth  am  Bauch,  schwarz  auf  dem  Bücken)  und  folgte 
ihm.  Als  Qäls  Abends  das  Lager  aufschlug  und  der  älteste  Bruder  sich  setzte, 
kroch  er  in  dessen  After.  „Hai"  rief  Qäls,  „machst  Du  solche  Streiche?  So  bleibe 
eine  Schlange  und  thue  immer  desgleichen."  Seither  ist  PetHEl  eine  kleine  Schlange, 
die  immer  den  Menschen  folgt,  sogar  ins  Wasser,  und  ihnen  in  den  After  kriecht. 

9)  Und  Qäls  kam  an  ein  Haus,  da  wohnte  ein  alter  Mann,  die  Klapperschlange. 
Dieser  sass  vor  seinem  Hause  und  hielt  etwas  hinter  seinem  Bücken  versteckt 
Qäls  setzte  sich  ihm  gegenüber  und  fragte:  „Alter,  was  versteckst  Du  da?"  Dieser 
antwortete  nicht  auf  die  Frage,  sondern  sagte  nur:  „Damit  habe  ich  schon  den 
Marder  besiegt"  Qäls  fragte  ihn  noch  einmal,  er  aber  antwortete  gar  nicht  Da 
hiess  er  ihn  aufstehen  und  sah  nun,  dass  jener  eine  Bassel  hinter  seinem  Bücken 
verbarg.  Er  steckte  ihm  dieselbe  an  den  Bücken  und  sagte:    „Fortan  trage  immer 


1)  Diese  Sage  wird  erzählt,  wenn  es  lange  regnet,  und  die  Indianer  glauben,  dass  es 
dann  aufhören  wird  zu  regnen. 


j 


(554) 

die  Rassel,^  und  verwandelte  ihn  in  eine  Klapperschlange.  Da  jener  ein  Schamane 
gewesen  war,  kann  er  auch  noch  heute  Menschen  yergiften. 

10)  Er  wanderte  weiter  und  traf  einen  alten  Mann  mit  kleinem  Kopfe,  Namens 
K'ö'wuq.  Er  fragte  ihn:  „Bleibst  Du  immer  hier  bei  Deinem  Hause?"  „Ja,"  er- 
wiederte  Jener,  „mir  liegt  nichts  daran  herumzureisen."  Da  yerwandelte  Qäls  ihn 
in  einen  Flusslachs,  der  immer  im  Süsswasser  bleibt. 

11)  Qäls  wanderte  weiter  und  traf  den  Salamander,  einen  alten  Mann  mit 
weissem  Haare  und  langen  Nägeln.  „Alter,  was  isst  Du?  wovon  lebst  Du?"  fragte 
ihn  Qäls.  Jener  erwiederte:  „0  mein  Enkel,  ich  habe  gar  nichts  zu  essen"  „Und 
warum  thust  Du  immer  den  Menschen  Deine  Exkremente  in  den  Mund  und  tödtest 
sie  so?  das  ist  nicht  gut  Später  sollen  die  Menschen  Deine  Exkremente  als  Gift 
gebrauchen,"  und  damit  verwandelte  er  ihn  in  einen  Salamander. 

12)  Er  wanderte  weiter  und  traf  eine  Frau,  die  hatte  ihre  Genitalien  auf  der 
Brust  sitzen.  Da  sprach  Qäls:  „Das  ist  nicht  gut,  die  Genitalien  sollen  nicht  nahe 
dem  Munde  sein.    Zudem  kannst  Du  so  nicht  gebären,  denn  die  Brust  besteht  ans 

auter  Knochen  und  ist  unnachgiebig."  Er  schloss  ihr  die  Brust  Dann  nahm  der 
älteste  Bruder  Birkenrinde  und  wollte  daraus  neue  Genitalien  machen.  Dieselbe 
war  aber  nicht  elastisch  genug.  Da  nahm  Qoä'kotlk'otl  die  Nackensehnen  vom 
Hirsche  und  machte  die  Geschlechtstheile  der  Frau  daraus.  Daher  sind  dieselben 
sehr  elastisch  und  weiten  sich  beim  Gebären. 

13)  Sie  wanderten  weiter  und  fanden  einen  Mann  und  eine  Frau,  deren  Ge- 
schlechtstheile sassen  auf  der  Stirn.  Da  schob  er  sie  herunter  an  den  gehörigen 
Platz.  Wenn  er  das  nicht  gethan  hätte,  würden  die  Menschen  heute  noch  ihre 
Genitalien  auf  Brust  oder  Stirn  tragen. 

14)  Er  ging  weiter  und  traf  den  Prairiewolf.  Dieser  hatte  keine  Frau.  Er 
hatte  ein  Astloch  gefunden,  das  er  sich  ausgeschnitten  hatte  und  an  Stelle  einer 
Frau  gebrauchte.  Als  Qäls  zu  ihm  kam,  fragte  QoäTc-otlk-otl:  „Grossvater,  wo  ist 
Deine  PVau?"  „Hier,"  rief  Jener,  der  im  Bette  lag.  Da  hob  Qäls  die  Decke  auf 
und  sah  das  Astloch.  „ Gross vater,  ist  das  Deine  Frau?  soll  ich  Dich  glücklich 
machen?  Gieb  mir  etwas  Cederrinde  und  ich  will  Dir  eine  Frau  daraus  machen." 
Der  Prairiewolf  sprach:  „Hier  mein  Enkel,  nimm  diese  Cederrinde,  und  mache 
mich   glücklich."    Qäls   verwandelte   sie   in   eine  Frau,   die  der  Prairiewolf  dann 

eirathete. 

15)  Qoä'kotlk-otls  Brüder  wollten  sehen,  ob  er  stark  sei.  Eines  Tages,  als 
sie  den  Fluss  hinauf  reisten,  verabredeten  sie  sich,  ihn  zu  prüfen.  Abends  schlugen 
sie  ein  Lager  auf  und  neckten  dann  ihren  Bruder  und  zogen  ihn  an  den  Haaren. 
Dieser  kümmerte  sich  gar  nicht  darum,  sondern  legte  sich  nieder  und  zog  sich 
seine  Biberfellkappe  auf.  Da  fing  der  Fluss  an  zu  steigen  und  seine  Brüder  und 
seine  Schwester  mussten  vor  dem  Wasser  auf  die  Berge  fliehen,  während  er  ruhig 
am  Feuer  liegen  blieb.  Obwohl  ringsumher  alles  von  Wasser  bedeckt  war,  blieb 
es  doch  bei  seinem  Feuer  trocken. 

16)  In  Stseelis  traf  Qäls  einen  Mann,  Namens  Palanil  (Einbein).  Derselbe 
fischte  Lachse  am  Flusse.  Qäls  wünschte  seine  Harpunspitze  zu  haben  und  ver- 
wandelte sich  in  einen  Lachs.  In  dieser  Gestalt  schwanmi  er  zu  der  Stelle,  wo 
Pä'lauU  stand.  Derselbe  warf  ihn  und  dann  schwamm  er  mit  der  Harpunspitze 
von  dannen.  Er  schwamm  zu  seinen  Brüdern  zurück  und  nahm  wieder  seine  eigene 
Gestalt  an.  Dann  gingen  sie  alle  zu  Pälanil,  der  sich  ins  Bett  gelegt  hatte,  da  er 
sehr  betrübt  über  den  Verlust  seiner  Harpunspitze  war.  Da  gab  QoälfoÜkotl  ihm 
dieselbe  zurück  und  sprach:  „Ich  will  Dich  glücklich  machen.  Hier  ist  Deine 
Harpunspitze.    Es   sollen  immer  viele  Lachse  sein,   wo  Du  bist."    Damit  verwaa- 


(555) 

delte  er  ihn  in  Stein,  und  er  gab  ihm  die  Herrschaft  über  den  Wind,  daher  kann 
der  Stein  heute  noch  Wind  hervorbringen*)- 

Qäls  sah  Einbein  Lachse  fangen  nnd  bat  ihn  um  die  Erlanbniss,  an  seinem 
Hause  landen  zu  dürfen.  Er  aber  verweigerte  seine  Bitte.  Da  gingen  die  Ge- 
schwister zurück  und  machten  ein  Lager  in  einiger  Entfemimg  von  Einbeins  Hause. 
Dann  verwandelte  sich  Qoä^k'otlkotl  in  einen  Lachs  und  stahl  Einbeins  Harpun- 
spitze. Darauf  sagte  des  letzteren  Frau:  „Gehe  doch  mit  Oonlc-otUcotl  zum  See 
hinab I*'  Sie  gingen  und  als  sie  am  See  angekommen  waren,  sprang  Einbein  mit 
zwei  Sprüngen  nach  Hause  zurück,  während  seine  Frau  die  Erde  bis  zu  Qoäl£*otl- 
k'otl  streckte,  so  dass  jener  nicht  zurückkommen  konnte,  und  da  es  sehr  kalt  war, 
fast  erfror.  Seine  Schwester  bat  nun  Einbeins  Frau,  doch  die  Erde  wieder  kurz 
zu  machen,  damit  ihr  ßruder  wieder  zurückkommen  könne,  und  jene  willfahrte 
ihrer  Bitte.  Dann  versuchten  beide,  wer  am  besten  Lachse  im  Flusse  fangen 
könne.  Qoä'k'otlk'otl  nahm  seine  Pfeife  in  den  Mund  und  zog  sein  Netz  einmal 
durch  das  Wasser,  da  war  es  voll.  Einbein  musste  sein  Netz  dreimal  durch  das 
Wasser  ziehen,  ehe  es  voll  war.  Dann  gab  ihm  Qoä'kotlk'otl  seine  Pfeife  und 
sagte:  „Wenn  Du  die  rauchst,  wirst  Du  auch  besser  fangen  können."  Als  jener 
einen  Zug  that,  wurde  er  in  Stein  verwandelt. 

17)  Als  Qäls  den  Harrison  River  hinauffuhr,  kam  er  zu  dem  Platze,  wo  eine 
alte  Frau,  Namens  LEqyiles,  wohnte.  Ihre  Scheide  war  mit  Zähnen  besetzt,  mit 
denen  sie  allen  Männern,  die  bei  ihr  schlafen  wollten,  den  Penis  abbiss.  Qäls 
schlug  nicht  weit  von  ihrem  Hause  sein  Lager  auf.  Als  es  dunkel  war,  schlich 
sich  Rä'iq  (der  Nerz)  zum  Hause  der  Alten  hinunter.  Er  fand  dieselbe  im  Bette. 
Da  fühlte  er  mit  seiner  rechten  Hand  unter  ihrer  Decke  herum,  um  ihre  Genitalien 
zu  fühlen.  Er  steckte  seine  Hand  in  ihre  Scheide  und  sie  biss  ihm  dieselbe  ab. 
Da  lief  er  zurück  zu  Qäls.  Man  kann  heute  noch  seine  Fussspuren  sehen,  wo  er 
zum  Hause  hinaussprang.  Er  schämte  sich  und  machte  ein  Feuer  für  sich  abseits 
vom  Lager  der  drei  Brüder.  Er  hielt  seinen  rechten  Arm  beständig  hinter  seinem 
Rücken  versteckt.  Am  folgenden  Morgen  fuhr  Qäls  weiter  den  Fluss  hinauf. 
R'ä'iq  steuerte,  wie  immer.  Da  aber  seine  rechte  Hand  abgebissen  war,  gebrauchte 
er  die  linke  und  in  Folge  dessen  steuerte  er  schlecht,  so  dass  das  Boot  bald  zur 
Rechten,  bald  zur  Linken  ging.  Erst  als  sie  Abends  wieder  lagerten,  sah  Qals,  was 
mit  R'ä'iqs  Hand  geschehen  war.  Er  verwandelte  dann  LEqyiles  in  einen  Felsen. 
Derselbe  steht  noch  heute  am  Harrison  River.  Wenn  es  schönes  Wetter  ist  und 
man  Wasser  auf  denselben  spritzt,  fängt  es  sogleich  an  zu  regnen. 

18)  Qäls  wanderte  weiter.  Etwas  weiter  oberhalb  am  Harrison  River  sahen 
sie  einen  alten  Mann  stehen,  der  mit  der  Harpune  Seehunde  fing.  Als  sie  an- 
kamen, war  gerade  ein  Seehund  aufgetaucht.  Der  Alte  hielt  seine  Harpune  in 
Bereitschaft,  um  ihn  zu  werfen.  Qäls  kam  von  hinten  her  an  ihn  heran,  und  der 
Alte,  das  Boot,  in  dem  er  sass,  und  der  Seehund  wurden  sogleich  in  Stein  ver- 
wandelt. 

Stammessagen  vom  unteren  Fräser  River. 

1)  Die  QmE<;koyim.  Pä'pk'Eltel,  der  Ahnherr  der  gmE^koyim,  lebte  in  Male 
am  Nordarm  des  Fräser  River,  wo  noch  heute  das  Dorf  des  Stammes  steht  Die 
Sage  ist  auf  S.  550  im  Zusammenhange  mit  der  Qälssage  erzählt. 

2)  Die  R'oä'antEl.  R'alE'tsEmEs,  der  erste  Häuptling  der  R'oä'antEl  hatte  eine 
Tochter.    Diese  wollte  keinen  Mann  nehmen.    Eines  Nachts  aber  schlich  sich  ein 


1)  Die  vorige  Version  scheint  unvollständig  lu  sein.  Ich  gebe  daher  hier  eine  zweite, 
die  aber  auch  nicht  ganz  klar  ist. 


(556) 

Mann  zu  ihrem  Bette  und  sie  duldete  ihn  bei  sich.  Es  war  der  Hammer  ihres 
Vaters,  welcher  menschliche  Oestalt  angenommen  hatte.  Morgens,  ehe  es  hell 
wurde,  verliess  er  sie  wieder  und  wurde  wieder  ein  Hammer.  Am  nächsten  Abend 
schlich  sich  wieder  ein  Mann  zu  ihrem  Bette  und  schlief  mit  ihr.  Es  war  ihres 
Vaters  Hund,  der  ebenfalls  menschliche  Oestalt  angenommen  hatte.  Nach  einiger 
Zeit  gebar  sie  eine  Anzahl  Hunde.  Der  Hund  war  stärker  gewesen,  als  der  Hammer, 
sonst  wären  die  Rinder  kleine  Hammer  geworden.  Als  ihr  Vater  das  sah,  schämte 
er  sich  und  verliess  sie  mit  seinem  ganzen  Stamme.  Da  baute  die  Frau  sich  eine 
kleine  Hütte  und  ging  jeden  Tag  an  den  Strand  hinab,  Muscheln  zu  suchen,  von 
denen  sie  und  ihre  Kinder  lebten.  Als  sie  drunten  am  Strande  war,  hörte  sie 
singen  und  das  Schlagen  von  Stäben  zur  Oesangbegleitung.  Sie  versuchte  einige 
Male  unbemerkt  zu  Hause  zu  kommen,  um  zu  s6hen,  wer  da  sang,  doch  gelang 
es  ihr  nicht.  Eines  Tages  nun  hing  sie  ihren  Mantel  und  ihren  Rorb,  in  dem  sie 
Muscheln  sammelte,  an  ihren  Grabstock,  so  dass  es  aussah,  als  sammle  sie 
Muscheln.  Dann  schlich  sie  sich  von  hinten  zum  Hause.  Da  hörte  sie  folgenden 
Sang:  „Ol  Mutter  glaubt,  wir  seien  Hunde  und  verlässt  uns  täglich.  Sie  weiss 
nicht,  dass  wir  Menschen  sind.^  Und  sie  sah  sechs  Knaben  umherspielen.  Einer 
sass  als  Wächter  an  der  Hausthür  und  sah  nach  dem  Strande,  um  gleich  seine 
Brüder  zu  benachrichtigen,  wenn  die  Mutter  heimkomme.  Im  Hause  sah  sie  die 
Hundefelle,  in  denen  die  Kinder  sonst  immer  steckten,  hängen.  Da  sprang  sie 
hinein,  ergriff  die  Felle  und  warf  sie  ins  Feuer.  So  mussten  die  Kinder  Menschen 
bleiben.  Sie  wurden  die  Ahnen  der  K'oä'antEl.  Später  kam  Qäls  des  Weges  und 
verwandelte  K'ale'tsEmEs  in  einen  Dachs. 

3)  Die  K'ä'etsß.  Der  Ahne  der  K'e'etse  wurde  von  der  Oottheit  vom  Himmel 
herabgesandt.  Als  er  hernieder  kam,  hörte  man  einen  lauten  Lärm  droben.  Sein 
Name  war  Tsatä'sElten. 

4)  Die  Mä'9QuL  Der  Ahne  der  Mä'ijQui,  Sk'Ele'yitl  (von  sk'Elä'o,  Biber),  hatte 
einen  Sohn,  den  er  ebenso,  wie  sich  selbst,  ganz  in  Biberfelle  kleidete.  Als  Qäls 
kam,  kämpfte  er  mit  ihm,  indem  beide  einander  gegenüberstanden  und  sich  gegen- 
seitig  zu  verwandeln  suchten.  Endlich  besiegte  ihn  Qals.  Sk'Ele'yitl  sprang  ins 
Wasser  und  schlug  dort  wild  um  sich  Er  wurde  nebst  seinem  Sohne  in  Biber 
verwandelt. 

5)  Die  LEk'ä'mel  (NEk-'ämen).  lä'lEpk-elEm,  der  Ahnherr  der  Lfik-'ä'mEl,  lebte 
mit  seiner  Mutter  zusammen.  Die  Menschen  hatten  damals  noch  kein  Feuer  und 
lebten  wie  im  Traume.  Als  die  Sonne  das  sah,  hatte  sie  Mitleid  mit  ihnen  und 
stieg  vom  Himmel  herab  in  Oestalt  eines  Mannes.  Dieser  gab  IälEpk*'€lEm  das 
Feuer.  Da  erwachte  derselbe  aus  seinem  traumhaften  Leben  zu  wirklichem  Leben. 
Die  Sonne  unterwies  ihn  und  sein  Volk  in  allen  Künsten.  Später  kam  Qäls  des 
Weges  und  kämpfte  mit  IälEpk*elEm.  Sie  standen  einander  gegenüber  und  ver- 
suchten, einander  zu  verwandeln.  lälEpk'e'lEm  nahm  etwas  weisse  Holzasche  auf, 
streute  sie  auf  sich  und  rühmte  sich  durch  die  Hülfe  der  Sonne  mächtig  und  weise 
geworden  zu  sein.  Er  sprang  dabei  hoch  in  die  Höhe.  Da  rief  Qäls:  „Thue 
künftig  ebenso  im  Wasser!^  und  verwandelte  ihn  in  einen  Stör. 

6)  Die  Tc'ileQue'uk-.  In  Ts'uwä'le,  am  Unterlauf  des  Chilluwak  River,  wohnte 
ein  Häuptling,  der  hatte  eine  sehr  schöne  Tochter.  K'ä'iq,  der  Nerz,  wünschte  sie 
für  sich  zu  haben.  Daher  nahm  er  die  Oestalt  eines  hübschen  jungen  Mannes  an 
und  ging  den  Fluss  hinauf  an  der  dem  Dorfe  gegenüberliegenden  Seite.  Er  trog 
eine  Harpune  in  der  Hand  und  Fische  auf  dem  Kücken,  so  dass  es  aussah,  als 
habe  er  sie  eben  gefangen.  Oerade  um  diese  Zeit  hatte  ein  alter  Mann  alle  jungen 
Mädchen,   unter  ihnen   die  Tochter  des  Häuptlings,   zum  Baden  aosgesandt    Die 


(557) 

Mädchen  sahen  den  jungen  Mann,  der  immer  ps!  ps!  rief,  und  die  Fische,  welche 
er  trag,  and  "baten  ihn,  ihnen  einen  hinüberzuwerfen.  Er  erfüllte  ihre  Bitte, 
der  Fisch  fiel  ins  Wasser,  schwamm  in  die  Häuptlingstochter  hinein  und  machte 
sie  krank.  Dir  Vater  suchte  einen  Schamanen,  um  sie  zu  heilen.  Da  nahm  der 
Nerz  die  Gestalt  eines  Schamanen  an.  Er  ging  Abends  zum  Dorfe  und  als  eine 
alte  Frau  ihn  dort  erblickte,  sprach  sie:  „Gewiss  kann  er  das  Mädchen  heilen.^ 
Sie  riefen  ihn  ins  Haus  und  er  yersprach  sie  wieder  herzustellen.  Zunächst  schickte 
er  alle  Lieute  aus  dem  Hause  und  liess  nur  eine  alte  Frau  vor  der  Thüre  sitzen, 
um  mit  den  rythmischen  Schlägen  des  Tanzstabes  seinen  Gesang  zu  begleiten. 
Zunächst  sang  er,  dann  aber  schlief  er  mit  dem  Mädchen.  Dieselbe  gebar  sofort 
darauf  ein  Rind.  Da  sprang  er  sogleich  aus  dem  Hause.  Die  Alte  hörte  das  Rind 
schreien  und  rief  die  Leute.  Diese  wurden  sehr  zornig.  Sie  nahmen  das  Rind 
und  warfen  es  aus  dem  Hause  hinaus.  Der  Nerz  stand  aber  draussen  und  hielt 
seinen  Mantel  aus  Bergziegenfell  ausgebreitet,  in  dem  er  es  auffing  und  mit  ihm 
davonging.  Der  Vater  des  Mädchens  ward  nach  einiger  Zeit  betrübt,  dass  er  seinen 
Enkel  verloren  hatte.  Daher  sandte  er  zu  R'älq  und  liess  ihn  bitten,  denselben 
zurückzuschicken.  Er  willfahrte  der  Bitte  und  sandte  den  Rnaben  zurück.  Dieser 
erhielt  dann   den  Namen  T'Squlä'tca  (vom  Unterlauf  des  Flusses).    Er   ward   der 

Ahne  der  Tc'ileQuö'uk*  *)• 

Später  traf  Qäls  T'equlä'tca.  Sie  kämpften  miteinander  und  versuchten  ein- 
ander zu  verwandeln.  Qäls  verwandelte  ihn  zuerst  in  eine  Rübe.  Doch  gelang 
diese  Verwandlung  nicht  völlig.  Dann  versuchte  er  ihn  in  einen  Lachs  und  darauf 
in  einen  Nerz  zu  verwandeln,  doch  gelang  ihm  dies  nicht  besser.  Der  Nerz  trug 
Adlerfedern  auf  dem  Ropfe.    Da  verwandelte  er  ihn  schliesslich  in  einen  Stein. 

7)  Die  Steelis.  Der  Ahne  der  Steelis  heisst  Ts'ä'tsEmiltg.  Dieser  war  von  .^ 
der  Gottheit  vom  Hinmiel  herab  gesandt  worden.  Einer  seiner  Nachkommen  baute 
ein  Wehr  an  dem  rechten  Zuflüsse  des  Harrison  River.  Dasselbe  erstreckte  sich 
quer  über  den  Fluss,  so  dass  keine  Fische  daran  vorbei  den  Fluss  hinauf  gelangen 
konnten.  Oben  am  Flusse  in  Roä'lEqt  lebte  aber  ein  Stamm,  von  dessen  Vor- 
handensein Ts'ä'tsEmiltQ  nichts  wusste.  Der  Häuptling  desselben  war  R'ulk'E'mEHÜ. 
Ihre  Ahnen  waren  ursprünglich  Bergziegen  und  Marder  gewesen  und  dann  in 
Menschen  verwandelt.  Als  nun  Ts'ä'tsEmiltQ  das  Wehr  gebaut  hatte,  litten  die- 
selben grosse  Noth.  Ts'ä'tsEmiltg  hatte  vier  Söhne,  die  allnächtlich  am  Wehre  auf- 
sassen,  um  Lachse  zu  fangen.  Sie  hielten  eine  Schnur  um  den  Finger  gebunden, 
die  an  eine  unterhalb  des  Wehres  eingerammte,  dünne  Stange  angebunden  war. 
Wenn  dann  die  Lachse  an  das  Wehr  kamen,  und  daran  entlang  schwammen,  um 
einen  Ausgang  zu  suchen,  so  streiften  sie  an  der  Stange  her,  die  sich  bewegte 
and  so  die  Fischer  weckte.  Diese  bliesen  dann  sogleich  in  Bereitschaft  gehaltene 
Fackeln  an,  bei  derem  Scheine  sie  die  Lachse  speerten.  Als  die  Noth  in  dem 
oberen  Dorfe  immer  grösser  wurde,  zog  Rulk'E'mEBüs  Sohn  aus,  um  nachzusehen, 
warum  die  Lachse  ganz  ausblieben.  Er  gelangte  unbemerkt  an  das  Wehr,  und 
versuchte,  während  die  Männer  auf  die  Fische  warteten,  einige  der  Stangen  heraus- 
zuziehen, damit  die  Fische  hindurchschwimmen  könnten.  Die  Söhne  Ts'ä'tsEmiltgs 
merkten  aber,  dass  Jemand  an  dem  Wehre  sich  zu  thun  machte.   Sie  bliesen  ihre 


1)  Die  Tc'ilequS'uk'  sprachen  bis  vor  vier  (Generationen  die  Nooksak-Sprache,  welche 
mit  der  der  Lommi  fast  identisch  ist.  Sie  müssen  daher  als  ein  den  übrigen  Fräser  River- 
Stftmmen  erst  neuerdings  assimilirter  Stamm  angesehen  werden.  Hierauf  weist  wohl  auch 
die  oben  en&hlte  Sage  hin,  nach  der  ihr  H&uptliDg  allein  vom  Unterlaufe  des  Flusses 
staomitf  während  der  Btaomi  am  Oberlaufe  wohnte. 


(558) 

Fackeln  an  und  erblickten  eben  noch  einen  jungen  Mann,  der  zu  entfliehen  sucdite. 
Sie  aber  waren  sehr  gute  Läufer  und  holten  ihn  ein.  Da  sprach  er:  „0,  Brtider! 
Wir  sind  sehr  arm  in  unserem  Dorfe,  da  gar  keine  Lachse  kommen.  Daher  sandte 
mich  mein  Vater  herab,  um  zu  sehen,  warum  die  Lachse  plötzlich  ausblieben.' 
Ts'ä'tsEmiltQs  Söhne  erwiderten:  „Kommt  doch  herunter  und  seht  Euch  das  Land 
unseres  Vaters  an.^  Der  junge  Mann  ging  zurück  und  sein  ganzer  Stamm  folgte 
der  Einladung.  Sie  zogen  hinab,  eine  grosse  Schaar.  Ts'ä'tsEmiltQs  Söhne  hei- 
ratheten  K'ulk'E'mEHÜs  Töchter  und  der  erstere  wies  ihnen  ein  Stück  Land  an,  auf 
dem  sie  sich  Häuser  bauten.  Seit  jener  Zeit  leben  beide  Stämme  gemeinschaftlich 
in  Steelis. 

8)  Die  Sk'au'^litsk'.  Der  Stammvater  der  Sk'au'elitsk*  hiess  K'ultS'mEltQ.  Seine 
Tochter  fand  den  Sqoä'eqoe.    Er  selbst  wurde  von  Qäls  in  Stein  verwandelt. 

9)  Die  PElä'tlQ.  Eine  Frau,  Namens  Clöm  (Pelican),  lebte  in  Tcä'tcöail,  wo 
es  viele  Binsen  giebt.  Eine  der  letzteren  nahm  die  Gestalt  eines  Mannes  und 
den  Namen  Qälatca  (wird  sichtbar)  an.  Derselbe  trug  Hammer  und  Axt.  Er 
war  ein  guter  Bootbauer.  Er  heirathete  die  Frau  und  sie  wurden  die  Ahnen  der 
PElä'tlg.  Als  Qäls  kam,  verwandelte  er  Qälatca  in  einen  Stein.  Man  sieht  noch 
heute  seinen  Hammer  und  seine  Axt  bei  ihm  liegen. 

10)  Die  Pä'pk'um.  Der  Stammvater  der  Pä'pk'um  hiess  Aiuwä'luQ.  Als  Qäls 
ihn  traf,  verwandelte  er  ihn  in  eine  Bergziege.  Daher  giebt  es  viele  Beigziegen 
auf  dem  Berge  Tle'tlEk'e,  südwestlich  von  Pä'pk'um. 

11)  Die  SiyiTa.  Ein  Bär  lebte  in  Sguhä'mEn.  Er  wurde  in  einen  Menschen 
verwandelt,  der  den  Namen  Autlt€'n  annahm.  Er  heirathete  und  hatte  eine  Tochter. 
Eines  Nachts  hörte  er  einen  Mann  seiner  Tochter  Bett  verlassen.  Er  sprang  auf, 
um  zu  sehen,  wer  es  war;  jener  war  aber  verschwunden.  Dann  fragte  er  seine 
Tochter,  wer  jener  sei.  Sie  kannte  ihn  auch  nicht.  Da  hiess  er  sie,  ihre  Hände 
mit  Fett  und  rother  Farbe  beschmieren  und  damit  den  Mann,  wenn  er  wieder  zu 
ihr  kommen  sollte,  umfangen.  Sie  folgte  dem  Rathe  ihres  Vaters  und  da  sahen 
sie  am  folgenden  Morgen,  dass  der  schwarze  Hund  Autlte'ns  ganz  voller  Farbe 
war.  Die  Mutter  des  Mädchens  entdeckte  es  zuerst  und  rief:  „Siehe,  Vaters  Hund 
hat  bei  Dir  geschlafen!"  Da  schämte  sich  das  Mädchen.  Im  selben  Hause  mit 
Autlt^'o  lebte  aber  auch  der  Stör.  Dieser  sprach:  „NeinI  wenn  er  bei  dem  Mäd- 
chen war,  kann  er  nur  zuletzt  heute  Morgen  da  gewesen  sein,  denn  ich  habe  immer 
bei  ihr  geschlafen.  Wenn  sie  schwanger  ist,  so  glaubt  mir,  dass  sie  das  Rind  von 
mir  trägt."  Autlte'n  sprach  gar  nichts,  das  Mädchen  aber  schämte  sich  sehr.  Als 
sie  nun  einen  Knaben  gebar,  nahm  der  Stör  denselben  und  trug  ihn  zum  Wasser. 
Er  warf  ihn  in  den  Fluss  und  er  ward  sogleich  in  einen  kleinen  Stör  verwandelt 
Der  alte  Stör  fing  ihn,  tödtete  ihn  und  zerschnitt  ihn.  Dann  setzte  er  ihn  den 
Leuten  vor  und  sprach:  „Werft  keine  der  Grähten  fort,  sondern  gebt  mir  alle.* 
Sie  thaten  also.  Da  nahm  er  die  Grähten  in  eine  Schüssel  und  trug  sie  ins  Wasser. 
Sogleich  wurden  sie  wieder  lebendig  und  der  Knabe  stieg  unverietzt  aus  dem 
Wasser  hervor.    Derselbe  wuchs  heran  und  ward  der  Stammvater  der  Siyi't'a. 

AutltS'n  und  seine  Familie  wussten,  dass  Qäls  kommen  würde  und  dass  er 
alles  verwandelte.  Sie  sprachen  zu  einander:  „Uns  soll  er  nicht  verwandeln.  Er 
ist  keine  Gottheit,  er  ist  nur  einer  Bärin  Sohn."  Als  Qäls  nun  kam^  machte  er 
wieder  ein  Lager  nicht  weit  von  Sguhä'mRn.  Qoä'k'otlk'otl  allein  ging  zu  Autlt^n, 
nachdem  er  die  Gestalt  eines  alten  Mannes  angenommen  hatte.  Er  fragte  AuÜt^'n: 
„Was  thust  Du?**  Jener^  versetzte:  „Ich  fange  Lachse  im  Netze  zwischen  zwei 
Booten."  Qäls  fragte  dann:  „Und  wie  fängst  Du  Hirsche?"  AutltS'n  erwiderte: 
„Auch  diese  fange  ich  in  Netzen."   Da  fragte  Qäls:  ,,Und  wie  fängst  Du  Vögd?* 


(559) 

Jener  sagte:  „In  feinen  Netzen."  Dann  fragte  Qals:  „Und  wie  liegst  Du, 
wenn  Du  schläfst,  auf  der  rechten  oder  auf  der  linken  Seite?"  „Nein,"  sagte 
Autlte'n,  „ich  schlafe  so,  auf  dem  Rücken  "  „Und  wie  hältst  Du  Deine  Beine?" 
fragte  Qäls.  „Die  ziehe  ich  so  in  die  Höhe."  „Und  wie  hältst  Du  Deine  Hände?" 
„Die  ziehe  ich  ans  Rinn  hinauf."  Autlte'n  hatte  sich,  indem  er  so  sprach,  auf  den 
Rücken  gelegt,  die  Beine  in  die  Höhe  und  die  Hände  ans  Rinn  hinaufgezogen. 
Da  verwandelte  ihn  Qäls  in  einen  Stein,  der  noch  heute  in  Sguhä'mEn  (Agassiz) 
zu  sehen  ist. 

12)  Die  QEtlä'tl.  QelqElEmas,  der  erste  QEtlä'tl,  war  sehr  mächtig.  Sein 
Volk  waren  lauter  Flussungeheuer.  Einst  kam  Qäls  zu  ihm.  Die  drei  Brüder 
setzten  über  den  Fluss,  um  ihn  zu  besuchen,  während  ihre  Schwester  auf  der 
gegenüberliegenden  Seite  blieb.  Sie  kamen  glücklich  über  den  Fluss,  der  dort  sehr 
gefährlich  ist.  Als  sie  aber  zu  QslqElEmas  kamen,  rief  dieser  sein  Volk,  und  als 
Qäls  die  schrecklichen  Gestalten  sah,  fiel  er  in  Ohnmacht.  Qe'lqElEmas  nahm  ein 
Zaubermittel  aus  seinem  Rorbe,  besprengte  ihn  damit  und  stellte  ihn  so  wieder  her. 

13)  Qe'lqElEmas'  Bruder,  Sk'Elä'o  (Biber),  war  der  erste  Häupling  der  Spe'yim 
(Spuzzum,  das  südlichste  Dorf  der  Ntlakyapamuq).  Als  dieser  sah,  dass  Qäls  zu 
seinem  Bruder  kam,  machte  er  sich  einen  unterirdischen  Gang  zu  dessen  Hause, 
um  ihm  im  Falle  der  Noth  zu  helfen. 

2.   Mond  und  Sonne. 

An  der  Mündung  des  Ausflusses  von  Silyer  Lake  lebte  eine  alte  Frau,  Namens 
Räiä'm,  ganz  allein.  Eines  Tages  ging  sie  zum  Flusse  hinab,  fing  einen  Lachs 
und  nahm  seinen  Rogen  aus.  Sie  nahm  zuerst  die  längere  Seite  desselben,  drückte 
sie  aus  und  sprach  dabei  zur  Sonne  gewandt:  „0  Sonne,  ich  bin  ganz  allein.  Er- 
barme Dich  meiner  und  gieb  mir  Genossen,  mit  denen  ich  leben  kann."  Dann 
nahm  sie  die  kürzere  Seite  des  Rogens  und  drückte  sie  aus.  Indem  sie  also  that, 
betete  sie  wieder  ebenso  zur  Sonne.  Da  wurden  die  beiden  Hälften  des  Rogens 
in  zwei  Mädchen  rerwandeli  Diese  wuchsen  heran  und  wurden  sehr  hübsch.  Die 
drei  Frauen  lebten  ganz  allein  und  die  jungen  Mädchen  hatten  nie  einen  Mann 
gesehen.  Als  sie  erwachsen  waren,  wünschten  sie  sehr  einen  Mann  zu  bekommen. 
Um  diese  Zeit  starb  Räiä'm.  Die  Mädchen  legten  den  Leichnam  in  ein  Boot  und 
fuhren  ihn,  den  Befehlen  der  Alten  gemäss,  eine  kurze  Strecke  den  Fluss  hinauf 
und  setzten  ihn  bei.  Sie  legten  den  Steinhammer  und  den  Reil  der  Alten  zu  ihr 
ins  Grab.  Dann  kehrten  sie  nach  Hause  zurück  und  legten  sich  jede  an  ihrer 
Seite  des  Hauses  nieder  zu  schlafen.  Die  Alte  aber  war  gar  nicht  todt,  sondern, 
als  die  Mädchen  wieder  fortgegangen  wuren,  erhob  sie  sich  und  nahm  die  Gestalt 
eines  jungen  Mannes  an.  Sie  wollte  die  Mädchen  zum  Besten  haben.  Zu  diesem 
Zwecke  band  sie  sich  ihre  Haut  zusammen,  die  ganz  y erschrumpft  war,  und  die 
sie  auf  solche  Weise  wieder  glatt  machte.  Dann  brach  sie  ihren  Hammer  in  zwei 
Theile,  die  sie  sich  als  Hoden  ansteckte;  den  Reil  fügte  sie  sich  als  Penis  an. 
Am  nächsten  Morgen  bestieg  sie  dann  das  Boot,  in  dem  sie  beigesetzt  gewesen 
war,  und  fahr  zu  ihrem  Hause  hinunter.  Sie  hatte  ihr  Haar  zurückgebunden,  ihr 
Gesicht  mit  Glimmer  geschmückt  und  Marderfelle  um  Ropf  und  Leib  gebunden. 
Als  sie  den  Fluss  hinab  ruderte,  s%ng  sie:  „AuEnä'qoa,  auEnä'qoa,  ayölcsa  Rayilä'pa. 
He,  he,  yuk*  Rayilä'pa."  Sie  hatte  sich  den  Namen  Rayilä'pa  gegeben.  Die  Mäd- 
chen gingen  hinaus,  als  sie  den  Gesang  hörten  und  dachten:  „Da  kommt  ein  Mann," 
jede  wünschte  ihn  für  sich  zu  haben.  Die  Jüngste  war  die  schönste,  und  als 
beide  ihn  riefen,  folgte  Rayilä'pa  ihr.  Er  setzte  sich  zu  ihr  aufs  Bett,  sie  kochte 
gutes  Essen  i^nd  setzte  es  ihm  yor.    Sie  gab  ihm  einen  schönen  LöfTel.    Während 


(560) 

er  ass,  hielt  er  seinen  Mantel  über  seinen  Mond.  Die  Mädchen  wunderten  sich 
sehr  darüber  und  konnten  sich  nicht  denken,  wanun  er  das  that.  Er  wollte  sie 
nicht  sehen  lassen,  dass  er  keine  Zähne  hatte.  Als  sie  glaubten,  dass  er  fertig  ge- 
gessen hatte,  nahmen  sie  Schüssel  und  Löffel  fort.  Als  nun  Kayilä'pa  aufstand, 
sahen  sie,  dass  all  das  Essen,  das  sie  ihm  gegeben  hatten,  vor  seinem  Platze  auf 
dem  Boden  lag.  Er  hatte  es  nicht  beissen  können.  Darüber  wunderten  sich  die 
Mädchen  noch  mehr.  Sie  gingen  hinaus  und  unterhielten  sich  mit  einander  dai^ 
über.  Beide  wollten  ihn  gern  zum  Manne  haben  und  kamen  schliesslich  dahin 
überein,  dass  er  zwischen  beiden  schlafen  solle.  Als  sie  nun  im  Bette  lagen,  legte 
die  eine  ihren  Arm  über  seinen  Bauch,  fühlte  nach  seinen  Genitalien,  um  sich  zu 
yergewissem,  dass  er  auch  ein  Mann  sei,  und  ward  überzeugt,  als  sie  den  Keil 
und  die  Hälften  des  Steinhamroers  fühlte.  Dann  kitzelte  sie  ihn  und  er  lachte  nun 
gerade,  wie  Käiä'm  immer  zu  lachen  pflegte.  Sie  fühlte  dann,  dass  seine  Haut  nur 
zusammengebunden  war  und  erkannte  nun  die  Alte,  die  sie  so  zum  Besten  gehabt 
hatte.    Die  Mädchen  schämten  sich  so  sehr,  dass  sie  fortliefen. 

Sie  gingen  den  Bach  hinauf  und  trafen  nach  langer  Wanderung  eine  alte 
Frau.  Sie  sahen,  dass  dieselbe  ein  Rind  wiegte,  und  bemerkten  bald,  dass  sie 
blind  war.  Die  beiden  Mädchen  traten  auf  sie  zu,  und  fragten:  ,, Wessen  Rind 
wiegst  Du  da.^  Sie  versetzte:  „Das  ist  meiner  Tochter  Rind.^  „Wo  ist  denn 
Deine  Tochter?^  fragten  die  Mädchen.  Die  Alte  erwiderte,  dass  sie  fortgegangen 
sei,  sich  zu  schaukeln.  Dann  fragten  die  Mädchen,  wo  der  Vater  des  Rindes  sei, 
und  hörten,  dass  derselbe  oben  am  Bache  Lachse  fange.  Während  sie  dort  waren, 
schrie  das  Rind  beständig  and  die  Alte  hielt  den  Ast,  an  den  die  Wiege  ange- 
bunden war,  in  unaufhörlicher  Bewegung,  um  es  zu  beruhigen.  Die  Mädchen 
sagten:  „Das  Rind  ist  schmutzig,  darum  weint  es  beständig.  Wir  wollen  es  für 
Dich  waschen.^  Sie  nahmen  es  aus  der  Wiege,  gingen  mit  ihm  zum  Bache  und 
kamen  nach  kurzer  Zeit  wieder.  Sie  sagten  zu  der  Alten:  „Jetzt  ist  das  Rind 
rein.  Nun  wird  es  wohl  ruhig  sein.^  Sie  thaten,  als  legten  sie  es  in  die  Wiege, 
legten  aber  in  Wirklichkeit  ein  Stück  verfaultes  Holz  hinein  und  stahlen  das  Rind. 
Die  Alte  schaukelte  ruhig  die  Wiege  weiter.  Da  aber  das  Rind  sich  lange  Zeit 
nicht  rührte,  ward  sie  unruhig,  fühlte  nach  und  fand  nun  das  Stück  Holz.  Da 
rief  sie  ihren  Schwiegersohn:  „Sk'oä'sk'oästell  zwei  Frauen  haben  Deinen  Sohn  ge- 
stohlen.^ Der  Mann  hörte,  dass  sie  ihn  rief,  war  aber  nicht  im  Stande,  zu  ver- 
stehen, was  sie  sagte,  da  der  Bach,  in  dem  er  fischte,  zu  viel  Lärm  machte.  Er  rief 
huä,  huä,  nahm  etwas  Wasser  in  den  Mund  und  sprühte  es  in  den  Bach,  der  darauf 
sogleich  stille  wurde,  so  dass  er  verstehen  konnte,  was  seine  Frau  sagte.  Als  er 
hörte,  dass  ihr  Enkel  gestohlen  war,  ward  er  böse,  lief  nach  Hause  zurück,  nahm 
die  Alte  an  den  Haaren,  warf  sie  auf  die  Erde  und  rief:  „Wenn  Menschen  Dich 
künftig  finden,  sollen  sie  Dich  essen.^  Sie  ward  eine  Bube  (ts'ulcoa),  ihre  Haare 
wurden  die  Blätter  der  Pflanze. 

Die  Mädchen  kamen  schliesslich  ganz  oben  am  Bache  an  und  blieben  dort 
wohnen.  Der  Rnabe,  den  sie  gestohlen  hatten,  wuchs  heran,  und  sie  machten  ihm 
Bogen  und  Pfeile.  Zuerst  schoss  er  Vögel,  als  er  aber  stärker  wurde,  bat  er  die 
Mädchen,  ihm  einen  starken  Bogen  zu  machen.  Sie  erfüllten  seine  Bitte,  und  er 
schoss  nun  Hirsche,  Bären  und  Bergziegen.  Als  er  erwachsen  war,  nahm  er  die 
beiden  Mädchen  zu  Frauen. 

Die  Mutter  des  gestohlenen  Rnaben  kam  nach  Hause,  als  sie  sich  genug  ge- 
schaukelt hatte.  Als  sie  fand,  dass  ihr  Sohn  gestohlen  war,  ward  sie  sehr  betrübt 
Sie  Hess  sich  etwas  von  dem  beschmutzten  Cederbast  aus  der  Wiege  des  Rindes 
geben,  nahm  ihn  zum  Bache,  weinte,  betete  zur  Sonne  und  drückte  ihn  dann  aus, 


(561) 

SO  dass  der  ünrath  ins  Wasser  tropfte.  Da  wiirde  derselbe  sogleich  in  einen 
Knaben  rerwandelt,  den  sie  Sk'u'mtcetl  nannte.  Sie  war  der  Sonne  dankbar,  dass 
sie  ihr  ein  anderes  Rind  gegeben  hatte.  Als  der  Knabe  heranwuchs,  machte  sie 
ihm  Bogen  und  Pfeile  und  er  jagte  auf  den  Bergen.  Seine  Mutter  erzählte  ihm, 
wie  sein  Bruder  verloren  gegangen  sei,  und  befahl  ihm,  wenn  er  je  einen  Fremden 
im  Walde  träfe,  freundlich  gegen  ihn  zu  sein,  da  es  sein  Bruder  sein  möge. 

Eines  Tages  ging  Sk'u'mtcetl  weit  fort,  um  Bergziegen  zu  jagen.  Er  blieb 
über  Nacht  aus  und  traf  einen  Fremden,  der  ebenfalls  auf  Bergziegenjagd  begriffen 
war.  Sie  spielten  Lehal  mit  einander.  Am  nächsten  Tage,  als  er  wieder  auf  Berg- 
ziegenjagd ging,  traf  er  abermals  den  Fremden,  und  als  er  nun  Abends  nach  Hause 
kam,  erzählte  er  seiner  Mutter  ron  der  Begegnung.  Sie  sprach:  „Wenn  Du  ihn 
wieder  triffst,  sieh  ihn  Dir  genau  an.  Dein  Bruder  hat  eine  Narbe  auf  der  Stirn, 
die  er  erhielt,  als  er  einstens  aus  der  Wiege  fiel.**  Am  folgenden  Tage  traf 
Sk*u'mtcetl  den  Fremden  wieder.  Jener  nahm  ihn  mit  nach  Hause  und  sie  setzten 
sich  zum  Spielen.  Sk'u'mtcetl  sah  nun,  dass  jener  eine  grosse  Narbe  an  der  Stirn 
hatte.  Da  sprach  er:  „Du  bist  mein  Bruder.  Jene  beiden  Frauen  stahlen  Dich 
einst  Ich  erkenne  Dich  an  der  Narbe,  die  Du  auf  der  Stirne  hasi^  Als  jener  so 
erfuhr,  dass  die  Frauen  ihn  einst  als  kleines  Kind  gestohlen  hatten,  schämte  er 
sich  so,  dass  er  sein  Haus  ansteckte  und  sich  selbst  mit  seinen  Frauen  und  den 
Kindern,  die  er  von  jenen  hatte,  verbrannte.    Er  wurde  der  Mond. 

Er  sandte  Sk'u'mtcetl  nach  Hause  zurilck.  Als  dieser  seiner  Mutter  erzählte, 
was  geschehen  war,  ward  sie  betrübt.  Sie  sprach:  „Ich  werde  wieder  zu  dem 
Lande  gehen,  in  dem  die  Sonne  untergeht,  und  wo  man  sich  schaukelt  Hinfort, 
wenn  die  Sonne  Krankheit  und  Tod  unter  die  Menschen  senden  will,  werde  ich 
am  Lande  ziehen  und  es  rütteln,  zum  Zeichen  dessen,  was  Euch  bevorsteht^ 
Sk'u'mtcetl  ging  dann  ins  Gebirge  und  wurde  die  Sonne. 

Als  Qäls  später  Käiä'm  traf,  verwandelte  er  sie  in  Stein. 

3.   Der  Specht  und  der  Adler. 

TEmE'tlepsKm,  der  rothköpfige  Specht,  hatte  eine  Frau,  Namens  LEqples,  zum 
Weibe,  deren  Scheide  mit  Zähnen  besetzt  war.  Sie  pflegte  allen  Männern,  die  mit 
ihr  schliefen,  den  Penis  abzubeissen,  und  sie  so  zu  tödten.  Ts'fi'skEl,  der  Adler, 
war  der  Bruder  des  Spechtes.  Der  Specht  und  der  Adler  hatten  jeder  einen  Sohn. 
Ersterer  lehrte  sein  Kind,  an  Bäumen  hinaufklettern,  letzterer  das  seine,  in  weiten 
Kreisen  aufwärts  zu  fliegen.  LEky'iä'p,  der  Prairiewolf,  lebte  mit  ihnen  in  einem 
Dorfe.  Er  war  ein  schlechter  Mensch  und  war  eifersüchtig  auf  die  Geschicklich- 
keit der  Söhne  des  Spechtes  und  des  Adlers.  Er  dachte  darüber  nacK,  wie  er 
jenen  Schaden  zufügen  könne.  Er  befahl  seiner  Frau,  ihre  Nothdurfk  zu  verrichten, 
und  dann  verwandelte  er  ihre  Exkremente  in  einen  schönen  Wasservogel.  Diesen 
liess  er  vor  den  beiden  jungen  Männern  umherschwimmen,  um  sie  zu  verführen^ 
ihn  zu  verfolgen.  Dann  fing  der  Vogel  an,  weiter  und  weiter  den  Fluss  hinauf  zu 
schwimmen.  Die  Jünglinge  waren  nicht  im  Stande,  ihm  näher  zu  kommen.  Sie 
kamen  mitunter  zum  Schusse,  konnten  den  Vogel  aber  nicht  tödten.  So  lockte  er 
sie  weiter  und  weiter  den  Fluss  hinauf,  bis  sie  endlich  zum  Himmel  kamen.  Dort 
trafen  sie  einen  der  Himmelsbewohner,  der  sie  mit  zu  seinem  Hause  nahm. 

Als  der  Specht  und  der  Adler  ihre  Söhne  vermissten,  wurden  sie  sehr  betrübt 
Sie  sandten  zu  allen  Leuten  und  allen  Landen,  um  nach  ihnen  zu  suchen;  sie 
waren  aber  nicht  zu  finden.  Endlich  erfuhren  sie  von  einem  Manne,  dass  ihre 
Söhne  im  Himmel  seien.  Da  wollten  sie  hinauf  in  den  Himmel  gehen,  um  ihre 
Söhne   wiederzuholen.    Sie   wussten   aber  nicht,   wie  sie  hinkommen  sollten.    Sie 

VerhandL  der  B«rl.  AnthropoL  Geaellachaft  1891.  36 


(56-2) 

beriefen  eine  allgemeine  RathsTersammltmg,  in  welcher  sie  die  Thiere  fragen,  wie 
man  in  den  Himmel  kommen  könne.  Zuerst  trogen  sie  dem  Pelikan  anf^  zu  ver- 
suchen, in  den  Himmel  zu  fliegen.  Er  flog  in  die  Höhe,  mnsste  aber  onyerrichteter 
Sache  umkehren.  Dann  trugen  sie  dem  Maulwurf  (?pElä'wKlj  auf,  zu  versuchen, 
unter  dem  Wasser  und  unter  der  Erde  in  die  Höhe  zu  kriechen.  Er  konnte  es 
aber  nicht.  Dann  liessen  sie  die  Schwalbe  (eIeI)  in  die  Höhe  fliegen;  sie  ge- 
langte aber  auch  nicht  bis  zum  HimmeL  Nun  flog  der  Adler  selbst  in  die  Höhe, 
musste  aber  auch  unvcrrichteter  Sache  umkehren.  Dann  machte  einer  der  am 
Meere  wohnenden  Zwerge  Kstai'muQ,  die  ausserordentlich  stark  sind,  den  Versuch. 
Er  gelang  ihm  aber  nicht.  Da  sie  nun  gar  nicht  wussten,  wie  sie  hinauf  gelangen 
sollten,  stand  T'ä'mia,  der  Enkel  von  LEqyi'les  auf,  und  sprach:  „Ich  träumte  letzte 
Nacht,  wie  wir  hinauf  gelangen  können."  Er  strich  seine  Haare  zurück,  bemalte 
sie  mit  rother  Farbe,  machte  eine  rothe  Linie  von  seiner  Stirn  über  die  Nase  zum 
Rinn  herunter  und  begann  zu  singen,  während  seine  Grossmutter  Takt  schlug: 
„Wus  T'ä'mia  tsEnä'I  auatsEnse'se  kulskuli'Ht     te     suä'yil/ 

Tä'mia    ichl    nicht  ich  ftirchte  mich  zu  schiessen  den  HimmeL 

Dann  richtete  er  seinen  Bogen  nach  dem  Eingang  zum  Himmel  droben  und 
schoss  einen  Pfeil  ab.  Derselbe  flog  und  flog  und  traf  endlich  den  Himmel  gerade 
unter  dem  Eingange.  Er  schoss  einen  zweiten  Pfeil  ab,  der  die  Kerbe  des  ersten 
traf  und  so  fuhr  er  fort,  bis  die  Pfeile  eine  lange  Kette  bildeten  Seine  Ghross- 
mutter  half  ihm  dabei,  indem  sie  sang  und  Takt  schlug.  Als  die  Kette  fertig  war, 
wischte  er  sich  die  rothe  Farbe  vom  Gesichte  und  bemalte  seinen  ganzen  Körper 
mit  gebrannten  Knochen  weiss.  Dann  verwandelte  er  die  Pfeile  in  einen  breiten 
Weg,  der  zum  Himmel  hinauf  führte.  Nun  gingen  alle  Leute  zum  Himmel  hinauf, 
kämpften  mit  den  Himmelsbewohnem,  besiegten  sie  und  befreiten  die  Söhne  des 
Spechtes  und  Adlers.  Dann  kehrten  sie  nach  Hause  zurück.  Als  alle  glücklich 
wieder  unten  angekommen  waren,  zerbrachen  sie  den  Weg,  auf  dem  sie  hinauf- 
gegangen waren.  Sie  hatten  nicht  bemerkt,  dass  die  Schnecke  noch  nicht  ange- 
kommen war.  Sie  langte  am  Himmelsthore  an,  als  die  Pfeilkette  schon  zerstört 
war,  und  musste  sich  hinunterfaUen  lassen.  Da  zerbrach  sie  sich  alle  Knochen 
und  seither  ist  sie  sehr  langsam. 

Der  Adler  und  Specht  wussten  nun,  dass  der  Prairiewolf  ihre  Söhne  in  den 
Himmel  gelockt  hatte,  und  sie  beschlossen  sich  zu  rächen.  Der  Prairiewolf  wohnte 
in  einem  unterirdischen  Hause.  Der  Specht  ging  dorthin  und  hackte  unbemerkt 
die  Pfosten,  welche  das  Dach  trugen,  sowie  den  Fuss  der  Leiter,  die  als  Eingang 
dient,  durch.  Als  nun  der  Prairiewolf  nach  Hause  kam,  fiel  das  Haus  ein  und  er- 
schlug ihn  sammt  seiner  Frau. 

Der  graue  Bär  war  ein  Freund  des  Prairiewolfes.  Er  dachte:  „Warum  haben 
der  Adler  und  Specht  meinen  Freund  getödtet?  Ich  werde  ihn  rächen.*'  um  sein 
Ziel  zu  erreichen,  verwandelte  er  sich  in  einen  Hund  und  ging  in  die  Hütte  des 
Vogels  Ts'Elkälc',  der  ein  hübsches  Mädchen  war.  Er  wünschte  dann,  dass  die 
Söhne  des  Adlers  und  des  Spechtes  jene  zur  Frau  begehren  sollten.  Es  geschah, 
wie  er  gewünscht,  und  zuerst  zog  der  älteste  Sohn  des  Adlers  aus,  Ts'Elkä'k*  zu 
heirathen.  Der  Sitte  gemäss  setzte  er  sich  neben  der  Hausthür  nieder,  ohne  ein 
Wort  zu  sprechen  (siehe  American  Anthropologist  1889.  p.  332).  Da  kam  der 
graue  Bär  aus  dem  Hause  herausgelaufen  und  frass  ihn  Da  der  Sohn  des  Adlers 
gar  nicht  zurück  kam,  dachte  der  Sohn  des  Spechtes:  „Das  muss  ein  gutes  Land 
sein,  in  dem  mein  Freund  jetzt  wohnt  Ich  will  auch  hingehen/*  Als  er  nun  ans 
Haus  kam  und  in  die  Thtire  trat,  stürzte  der  graue  Bär  auf  ihn  los  und  frass  ihiL 
Die  jüngeren  Brüder  beider  theilten  das  gleiche  Schicksal.    Da  nun  die  Söhne  des 


(563) 

Adlers  und  Spechtes  gar  nicht  zurückkehrten,  wnssten  die  Alten,  dass  sie  ums 
Leben  gekommen  waren.  Sie  hatten  noch  jeder  einen  ganz  jungen  Sohn.  Diese 
sandten  sie  in  den  Wald,  dort  zu  baden  und  sich  mit  Oederzweigen  zu  waschen, 
um  stark  zu  werden.  Sie  gehorchten  und  wurden  sehr  stark.  Sie  dachten  immer 
an  ihre  Brüder,  und  als  sie  gross  geworden  waren,  zogen  sie  aus,  dieselben  zu 
suchen. 

Einst  trafen  sie  einen  alten  Mann,  den  Waschbären  (uieIe's).  Dieser  lud  sie 
ein,  in  sein  Haus  zu  kommen,  und  bewirthete  sie.  Elr  wusste,  dass  sie  ihre  Brüder 
suchen  wollten,  und  sagte:  „Nehmt  Euch  in  Acht;  wenn  Ihr  auf  diesem  Wege 
weiter  wandert,  werdet  ihr  an  einige  Häuser  gelangen.  Auf  der  linken  Seite  des 
Weges  wohnen  böse  Menschen.  Diejenigen,  welche  auf  der  rechten  Seite  wohnen, 
sind  nicht  so  böse.^  Die  jungen  Männer  wanderten  nun  weiter  und  sahen  bald 
zwei  Häuser,  eines  zur  Rechten,  eines  zur  Linken  des  Weges.  Hechts  wohnte 
die  Quarzfrau,  links  eine  graue  Bärin.  Beide  waren  Frauen  des  Sqäuwäl  (Marder?). 
Sie  hörten,  wie  die  Bärin  rief:  „Genossin!  komme  herüber  und  lause  mich.^ 
Die  Quarzfrau  kam,  nahm  den  Kopf  der  Bärin  zwischen  die  Knie  und  lauste 
sie.  Als  sie  fertig  war,  fing  die  Bärin  an,  sie  zu  lausen.  Dabei  kratzte  sie  sie 
aber  mit  ihren  langen  Nägeln.  Darüber  ward  die  Quarzfrau  zornig  imd  die  beiden 
fingen  an,  sich  an  den  Haaren  zu  raufen  und  zu  schlagen.  Da  die  Quarzfrau  fast 
unterlegen  wäre,  rief  sie  ihren  Bruder  zu  Hülfe,  der  nicht  weit  von  dort  wohnte. 
Er  kam  und  schlag  seine  Schwester  hinten  vor.  Da  sprühte  Feuer  aus  ihr  heraus. 
So  half  er  ihr  in  ihrem  Kampfe  mit  der  Bärin.  Die  letztere  hatte  die  Aufgabe, 
auf  den  Weg  zu  achten  und  niemand  vorbei  zu  lassen.  Der  Waschbär  hatte  ge- 
macht, dass  sie  mit  der  zweiten  Frau  stritt,  um  den  jungen  Männern  so  Gelegen- 
heit zu  geben,  unbemerkt  vorbei  zu  kommen.  Sie  gingen  an  den  Häusern  vorüber, 
■während  die  beiden  Frauen  noch  mit  einander  stritten.  Als  die  Bärin  sie  endlich 
entdeckte,  hatten  sie  einen  guten  Vorsprung.  Sie  machte  sich  aber  aber  doch  zur 
Verfolgung  auf.  Bald  kamen  die  jungen  Leute  zu  zwei  anderen  Häusern.  Rechts 
vom  Wege  stand  das  von  Sts'ek*,  dem  Luchse,  links  das  von  Ts'Elk'ä'k*,  in  dem  die 
Gebeine  ihrer  Brüder  lagen.  Der  Luchs  wollte  sie  sogleich  fressen.  Da  sie  so 
von  der  Bärin  und  dem  Luchse  verfolgt  wurden  und  nach  keiner  Seite  entfliehen 
konnten,  kletterten  sie  eine  alte  Kiefer  hinauf.  Die  Bärin  sah  sie  oben  sitzen  und 
that  freundlich.  Sie  rief:  „Kommt  doch  herunter,  meine  Enkel I**  Sie  riefen  hinab: 
„Legt  Euch  auf  den  Rücken  und  spreizt  Eure  Beine  auseinander,  dann  wollen  wir 
herunter  kommen.**  Die  Bärin  und  der  Luchs  thaten,  was  die  jungen  Männer  ver- 
langten, da  sie  hofften,  sie  dann  fangen  zu  können.  Kaum  aber  lagen  sie  da,  als 
die  beiden  vermodertes  Holz  herunter  warfen.  Der  Staub  fiel  der  Bärin  und  dem 
Luchse  in  Augen,  Mund,  Nase  und  Genitalien,  so  dass  sie  vor  Schmerz  schrien. 
Die  jungen  Männer  kletterten  dann  rasch  herunter  und  liefen  weiter.  Als  die  Bärin 
wieder  sehen  konnte,  setzte  sie  die  Verfolgung  fort,  während  der  Luchs  umkehrte. 
Die  Flüchtlinge  kamen  endlich  an  einen  Fluss,  den  sie  nicht  überschreiten  konnten. 
Sie  sahen  einen  alten  Mann,  Namens  Koale'k'oa,  die  Möwe,  an  der  anderen  Seite, 
and  baten  ihn,  sie  in  seinem  Boote  hinüber  zu  holen.  Er  kam  sogleich  und  er- 
füllte ihre  Bitte.  Nach  einiger  Zeit  kam  auch  die  Bärin  an,  die  den  Spuren  der 
jungen  Männer  gefolgt  war.  Als  sie  an  den  Fluss  kam,  war  Koale'k'oa  wieder  an 
der  anderen  Seite.  Sie  rief  ihn  und  bat  ihn,  sie  überzusetzen.  Der  Alte  hämmerte 
aber  an  seinem  Boote  herum  und  liess  sich  gar  nicht  stören.  Er  wollten  den 
jungen  Männern  helfen  und  die  Bärin  ertränken.  Zu  diesem  Zwecke  trieb  er  einen 
Ast,  der  nahe  dem  Schnabel  im  Boden  seines  Bootes  war,  heraus.  Als  er  damit 
fertig   war,    that   er,   als  höre  er  erst  das  Rufen  der  Bärin  und  ging  hinüber.    Er 

36* 


(564) 

sass  hinten  in  seinem  Boote,  so  dass  das  Yordertheil  ans  dem  Wasser  stand  und 
also  kein  Wasser  dorch  das  Loch,  das  er  gemacht  hatte,  hineinlaufen  konnte.  Er 
sagte  nun  zu  der  Bärin:  „Siehe!  mein  Boot  ist  schlecht;  es  ist  ein  Loch  vorne 
dann.  Du  musst  Dich  gerade  darauf  setzen,  sonst  kann  ich  Dich  nicht  hinüber 
bringen,  denn  mein  Boot  würde  voll  Wasser  laufen."  Die  Bärin  setzte  sich  also 
gerade  auf  das  Loch  und  musste  da  sitzen  bleiben,  wenn  das  Boot  nicht  unter- 
gehen sollte«  Als  sie  so  da  sass,  floss  das  Wasser  in  ihre  Genitalien  hinein.  Dor 
Mann  fuhr  ganz  schief  über  den  Fluss,  so  dass  sie  recht  lange  unterwegs  waren, 
imd  das  kalte  Wasser  tödtete  die  Bärin,  ehe  sie  drüben  ankamen. 

Die  beiden  jungen  Leute  wanderten  weiter  und  trafen  bald  zwei  blinde  Frauen, 
Te(^uamä'is,  das  Rebhuhn,  und  LäTiElak'am,  einen  anderen  Vogel.  Sie  waren  die 
Frauen  Kä'iqs  des  Nerzes.  Letzterer  war  gerade  auf  Fischfang,  als  die  beiden  an- 
kamen. Bald  aber  kam  er  nach  Hause  und  sprach:  „Bleibt  bei  mir  als  meine 
Rinder.  Ich  will  Euch  helfen,  Eure  Brüder  wieder  zu  erlangen."  Am  selben 
Abend  stellte  er  sich,  als  sei  er  sehr  krank.  Er  sagte:  „Bringt  mich  in  meinem 
Boote  zum  Strande  hinab.  Gebt  mir  meine  Harpune  mit  und  setzt  mich  dort  bei, 
wenn  ich  todt  bin."  Die  jungen  Männer  gehorchten  und  brachten  R'älq  zum 
Strande.  Als  sie  dort  ankamen,  starb  er,  und  sie  setzten  ihn  bei.  Dann  gingen 
sie  zu  den  blinden  Frauen  zurück  und  erzählten  ihnen,  dass  ihr  Mann  todt  sei. 
Von  mm  an  mussten  sie  für  die  Frauen  jagen  und  Muscheln  suchen.  Als  sie  nun 
eines  Tages  von  der  Jagd  nach  Hause  zurückkehrten,  kamen  sie  an  R'älqs  Grabe 
vorbei.  Sie  hörten  ihn  rufen:  „Habt  Ihr  viele  Muscheln  gefunden?"  und  wunderten 
sich  sehr,  dass  der  Todte  sprach.  Nach  einigen  Tagen  kamen  sie  wiederum  an 
dem  Grabe  vorbei  und  nun  fragte  R'ä'iq  sie:  „Haben  meine  Frauen  wieder  gehei- 
rathet?"  Sie  antworteten:  „Teguamä'is  hat  einen  anderen  Mann  genommen,  aber 
Lä'k'Elakam  trauert  noch  um  Dich."  Da  stand  R'ä'ik  wieder  auf  und  lief  nach  HauBC 
zurück.  Er  nahm  Lälc'Elak'am  wieder  zur  Frau.  Dann  wanderten  die  Jünglinge 
weiter  imd  die  Frauen  gaben  ihnen  Zauberkräuter  mit. 

Eines  Tages,  als  sie  wieder  auf  Jagd  waren,  sahen  sie  in  der  Feme  Rauch 
aufsteigen,  und  fanden,  als  sie  naher  kamen,  ein  Haus,  in  dem  der  Büffel  wohnte. 
Dieser  sprach:  „Ich  weiss,  dass  Ihr  Eure  Brüder  sucht.  Geht  weiter  in  dieser 
Richtung,  dann  werdet  Ihr  an  eine  Höhle  kommen.  Drunten  wohnen  die  Todten 
und  unter  ihnen  Eure  Brüder.  Wir  sind  die  Wächter  des  Einganges,  aber  wir 
wollen  Euch  hineinlassen."  Sie  gaben  ihnen  ein  Zaubermittel  und  zeigten  ihnen, 
wie  sie  hineingelangen  konnten.  Die  Jünglinge  gelangten  glücklich  zu  der  Höhle 
und  stiegen  hinein.  Da  sahen  sie  unter  vielen  anderen  Leuten  auch  ihre  vier 
Brüder.  Alle  Leute  spielten  dort  zusammen.  Sie  sprachen  nun  zu  den  Brüdern: 
„Wir  haben  Euch  lange  gesucht.  Eure  Rnochen  liegen  droben  in  dem  Hause  von 
Ts^Elk'ä'k',  aber  Ihr  weilt  hier  unten.  Geht  nun  mit  uns  nach  Hause  zurück."  Die 
Brüder  antworteten:  „Wir  können  nicht  mit  Euch  gehen.  Denn  wiewohl  wir  hier 
unten  stark  und  kräftig  sind,  sind  wir  ein  Nichts  auf  der  Oberwelt."  Die  Jüng- 
linge erwiderten:  „Jeder  von  uns  wird  seine  beiden  Brüder  zurücktragen.  Dann 
gehen  wir  zu  dem  Platze,  wo  Eure  Rnochen  liegen,  und  wir  werden  sie  wieder 
lebendig  machen."  Die  Brüder  Hessen  sich  dann  zurücktragen  und  sie  wurden 
wieder  lebendig.  Sie  kehrten  dann  zum  Hause  ihrer  Eltern,  des  Spechtes  und  des 
Adlers,  zurück. 

Diese  hatten  ihre  Rinder  längst  verloren  gegeben  und  waren  blind  geworden 
von  vielem  Weinen.  Die  jungen  Leute  machten  sie  dann  wieder  jung  und  gesund. 
Die  beiden  Jünglinge  waren  vortreffliche  Jäger.  Wenn  sie  auf  Bergziegenjagd  au»- 


(565) 

gingen,  schössen  sie  mit  einem  Schasse  eine  ganze  Heerde.    Sie  wurden  mächtige 
Häuptlinge. 

Als  der  Sohn  des  Adlers  älter  wurde,  beschloss  er  zu  heirathen  und  warb  um 
Qut,  einen  kleinen  Vogel.  Diese  nahm  seine  Werbung  an,  wollte  aber  nicht  mit 
in  sein  Land  ziehen.  Sie  sagte:  „Bleibe  hier  bei  uns  und  werde  ein  grosser 
Häuptling.  Sende  herum  und  lade  alle  Leute  zu  einem  Feste  ein.**  Da  blieb  der 
junge  Adler  dort,  baute  ein  grosses  Haus  und  lud  alle  Leute  zu  einem  grossen 
Schenkfeste  ein.  Eines  Tages,  als  er  aus  war,  um  Hirsche  zu  jagen,  deren  Fleisch 
für  das  Fest  gebraucht  werden  sollte,  kam  sein  Onkel,  der  Specht.  Derselbe  sah 
Qut  und  wünschte  sogleich,  sie  für  sich  selbst  zur  Frau  zu  haben.  Sie  wurde  dem 
Sohne  des  Adlers  untreu  und  nahm  die  Werbung  des  Spechtes  an.  Als  nun  der 
Adler  zurückkam  und  seinen  Onkel  im  Besitze  der  Frau  fand,  ward  er  betrübt 
und  ging  zu  seinem  Vater  zurück.  Qut  hiess  nun  den  Specht  alle  Leute  zu  einem 
Feste  einladen.  Er  sandte  den  Hasen,  den  „Hooknose^-Lachs  und  den  Hecht  als 
Boten  aus.  Um  die  Zeit  der  Wintersonnenwende  kamen  alle  Leute  an  und  be- 
gannen das  Fest  mit  dem  Meltla-Tanze  im  Hause  Quts.  Diese  war  eine  Siö'wa^. 
Sie  tanzte  und  Hess  ihre  Oäste  dazu  singen  und  Takt  schlagen.  Ihr  Mann  stellte 
einen  grossen  Korb  vor  sie.  Als  sie  nun  tanzte,  spie  sie  in  den  Korb,  der  dann 
gleich  voller  Beeren  war.  Dann  stellte  ihr  Mann  einen  anderen  Korb  vor  sie,  den 
sie  gleichfalls  mit  Beeren  füllte,  indem  sie  hinein  spie.  So  machte  sie  die 
Nahrungsmittel,  mit  denen  sie  das  Fest  gaben.  Dann  verschenkte  sie  viele  Mäntel. 

unter  den  Gästen  war  auch  der  „Sockeye"-Lachs  und  sein  Sklave,  der  Donner- 
YOgel.  Der  letztere  wünschte  sehr,  Qut  für  sich  zu  haben.  Als  das  Fest  nun  vor- 
über war,  ging  der  Lachs  in  sein  Boot,  legte  sich  im  Vordertheile  nieder  und 
schloss  die  Augen.  Der  Donnervogel  stand  im  Hintertheile  des  Bootes.  Da  sie 
nun  zur  Abfahrt  fertig  waren,  kam  Qut  zum  Boote  hinab,  um  ihren  Gästen  noch 
Reiseproviant  mitzugeben,  wie  die  Sitte  erheischt.  Das  Boot  lag  so  weit  vom  Ufer, 
dass  sie  bis  an  die  Knie  ins  Wasser  gehen  musste.  Da  ergriff  sie  der  Donner- 
vogel, hob  sie  ins  Boot  und  fuhr  mit  seiner  Beute  von  dannen. 

Da  der  Specht  auf  solche  Weise  seine  Frau  verloren  hatte,  ward  er  sehr  be- 
trübt, und  dachte  darauf,  sie  wieder  zu  erlangen.  Er  rief  K'ä'iq,  den  Nerz,  der 
früher  der  Sklave  des  Sockeye-Lachses  gewesen  war,  zu  Hülfe.  Dieser  sprach: 
„Ich  kenne  das  Haus  des  Lachses  gut.  Nahe  dem  Landungsplatz  der  Boote  hat 
er  ein  Lachswehr,  das  vom  Donnervogel  bewacht  wird.  Er  selbst  schläft  an  einer 
Seite  des  Feuers,  der  Donnervogel  auf  der  anderen.  Lass  uns  die  Gestalt  von 
Lachsen  annehmen  und  in  das  Wehr  schwimmen.  Dann  werden  sie  uns  in  das 
Haus  tragen."  Der  Specht  nahm  dann  die  Gestalt  eines  Cohoe- Lachses,  der  Nerz 
die  eines  Frühlingslachses  (0.  chouicha)  an.  Sie  schwammen  zu  dem  Wehre  des 
Donnervogels  und  Hessen  sich  fangen.  Der  Donnervogel  warf  sie  mit  den  anderen 
Lachsen,  die  sich  im  Wehre  gefangen  hatten,  in  sein  Boot.  Da  dachte  R'ä'iq :  „Ich 
wollte,  er  ginge  nun  nach  Hause  und  behielte  uns  beide  für  sich  selbst.^  Raum 
hatte  er  das  gedacht,  da  wandte  sich  der  Donnervogel  nach  Hause  und  gab  die 
beiden  Lachse  seiner  Frau  Qut.  Dann  dachte  K'ä'iq:  „Nun  wollte  ich,  Qut  trocknete 
mich  über  dem  Feuer  und  briete  den  Specht.**  Sogleich  trug  der  Donnervogel  ihr 
auf,  dies  zu  thun.  Sie  schnitt  beide  auf  und  legte  K'ä'iq  auf  das  Trockengestell, 
während  sie  den  Specht  brieten  imd  assen.  Nach  kurzer  Zeit  fiel  K'ä'iq  von  dem 
Trockengestell  herunter.    Qut  legte  ihn  wieder  hinauf,   nach  ganz  kurzer  Zeit  fiel 


1)  Siehe  Siith  Report   on  the  Indiana  of  British  Columbia  in  den  Proceedings  of  the 
Association  for  the  Advancement  of  Science  1890.    p.  28. 


(566) 

er  aber  wieder  herunter.  Dann  dachte  R'älq:  ^Ich  wollte,  der  Donnenrogel  liesse 
seine  Frau  jetzt  die  Grähten  ins  Wasser  werfen."  Dann  fiel  er  wieder  von  dem 
Trockengestell  herunter  und  dachte:  „Ich  wollte,  jetzt  dächten  sie,  ich  sei  zu 
schmutzig  und  würfen  mich  auch  mit  ins  Wasser."  So  geschah  es.  Der  Donner- 
YOgel  trug  seiner  Frau  auf,  die  Orähten  und  den  Lachs,  der  so  oft  heruntergefallen 
war,  ins  Wasser  zu  werfen.  Sie  gehorchte  und  ging  bis  an  die  Knie  ins  Wasser, 
um  die  Orähten  ordentlich  ins  Meer  zu  werfen.  Da  wurden  die  beiden  Lachse 
plötzlich  wieder  lebendig,  nahmen  Qut  bei  der  Hand  und  schwammen  mit  ihr  yon 
dannen. 

Als  sie  nun  wieder  in  ihrer  Heimath  angekommen  waren,  sprach  Qut:  „Lasst 
xms  zum  (Harrison)  See  hinaufgehen.  Ich  will  rothe  Farbe  holen."  Sie  holte 
einen  Korb  voll  Erde,  reinigte  sie,  formte  dieselbe  in  kleine  Bälle  und  trocknete 
sie.  Dann  Uess  sie  ihren  Mann  Holz  und  Rinde  holen,  ein  Feuer  machen  und 
Steine  auf  demselben  glühend  machen.  Dann  brannten  sie  die  Ballen  trockener 
Erde  über  den  Steinen,  nachdem  sie  erst  etwas  Erde  darüber  gedeckt  hatten.  So 
lehrte  sie  ihren  Stamm  den  Gebrauch  und  die  Zubereitung  der  rothen  Farbe. 

Darauf  kehrten  sie  nach  Stseelis  zurück.  Unterwegs  begegneten  sie  R'ä'iq, 
dessen  Boot  schwer  mit  Hirschen  beladen  war.  Der  Specht  fragte  ihn:  „Wo  hast 
Du  die  vielen  Hirsche  geschossen?"  Jener  erwiederte:  „Ich  schiesse  nie  Hirsche. 
Wenn  ich  welche  haben  will,  singe  ich  nur:  ame't'aq  lEqle'silatsI  meTaq  iF.ql^'silatsI 
(d.h.  kommt  herab,  kommt  herab I  ihr  Fettbäuchigenl),  dann  kommen  sie  herab  zu 
mir  und  fallen  todt  nieder." 

Als  sie  in  Stseelis  angekommen  waren,  Hess  Qut  sie  viele  Wurzeln  suchen. 
Sie  brachten  ihr  viele  Körbe  voll.  Dann  liess  sie  ein  Loch  graben  und  glühende 
Steine  hinein  werfen,  die  mit  Gras  bedeckt  wurden.  Darauf  legte  sie  die  Wurzeln 
hinein,  sprengte  Wasser  darauf  und  deckte  sie  mit  Erde  zu.  Am  folgenden  Tage 
nahm  sie  sie  heraus  und  gab  sie  den  Leuten  zu  essen.  So  lehrte  sie  sie  Wurzeln 
zuzubereiten.  Später  unterwies  sie  die  Leute  mittelst  glühender  Steine  in  Körben 
zu  kochen. 

K'älq  ging  nun  nach  seiner  Heimath  zu  seiner  Grossmutter  Sk'ö'i  Sein  jüngerer 
Bruder  Qoi'eqoa  versorgte  dieselbe  immer  mit  Hirschen.  Eines  Abends  sprach 
K'ä'iq:  „Es  sind  viele  Fische  im  Flusse.  Komm,  Qoi'^oa,  lass  uns  Fackeln  nehmen 
und  hinausfahren  und  fischen."  Sie  fuhren  zusammen  fort,  und  als  sie  mitten  auf 
dem  Wasser  waren,  sagte  Kä'iq:  „Siehe  nur,  was  ist  das  unten  im  Wasser?" 
Qoi'^qoa  beugte  sich  über  den  Rand  des  Bootes,  um  besser  sehen  zu  können. 
K-ä'iq  rief:  „Siehst  Du  den  Fisch?  Spring  über  Bord  und  fange  ihn!"  Qoi'eqoa 
sprang  sogleich  kopfüber  ins  Wasser.  Da  dachte  Kä'iq:  „Ich  wollte,  er  würde  in 
eine  Lachsforelle  verwandelt,"  und  so  geschah  es.  Dann  schlug  er  ihn  todt  und 
nahm  ihn  nach  Hause.  Als  er  dort  ankam,  ging  er  zum  Hause  hinauf  und  sagte 
zu  seiner  Grossmutter:  „Gehe  zum  Boote  hinab  und  hole  die  Lachse,  die  ich  ge- 
fangen habe."  Sie  gehorchte  und  kam  bald  mit  der  Lachsforelle  zurück.  Sie 
sprach:  „Ich  habe  nur  einen  Fisch  in  Deinem  Boote  gefunden."  K'ä'iq  hiess  sie 
ihn  aufschneiden.  Als  sie  ihr  Messer  nahm,  sehne  der  Fisch:  „Grossmutter, 
schneide  mich  nicht!"  Qoi'eqoa  war  nicht  ganz  wie  ein  Fisch  geworden.  K'ä'iq 
sagte  allerdings:  „Er  spricht  Unsinn.  Mein  jüngerer  Bruder  ist  ganz  wohL"  Aber 
Sk'e'i  glaubte  ihm  nicht  und  ward  sehr  zornig,  weil  er  ihren  Enkel  getödtet  hatte. 
Sie  wanderten  dann  zusammen  den  Fluss  hinauf,  um  ein  Land  aufzusuchen,  in 
dem  es  Nahrung  in  Hülle  und  Fülle  gab.  Bald  kamen  sie  an  ein  Haus,  in  dem 
ein  schönes  Mädchen,  Namens  Pepahä'm,  der  Frosch,  wohnte.  Der  Biber  sass  an 
der  Thürc   des  Hauses.    Er   wollte  Pt'pahä'm    zur  Frau   haben.    Diese  war  damit 


(567) 

beschäftigt,  einen  schönen  Mantel  zu  weben.  Als  sie  endlich  damit  fertig  war, 
sagte  sie  zum  Biber:  „Was  sitzest  Du  so  lange  da?  Gehe  fort!  Ich  will  Dich  nicht 
zam  Manne  haben.  Deine  B^üsse  und  Deine  Hände  sind  zu  kurz  und  Dein  Bauch 
ist  zu  dick/  Der  Biber  antwortete  nicht,  sondern  blieb  ruhig  sitzen.  Das  Mädchen 
arbeitete  weiter.  Als  sie  sich  nach  einiger  Zeit  umdrehte  und  den  Biber  noch 
immer  da  sitzen  sah,  sagte  sie  abermals,  sie  wolle  ihn  nicht,  da  seine  Hände  und 
FUsse  zu  kurz,  sein  Bauch  zu  dick  seien.  Da  dachte  der  Biber:  „Ich  will  nach 
Hause  gehen.  Sie  schilt  mich  doch  nur."  Er  ging  fort  und  sang:  „MElmElc'ts 
qoqölö'etlpl**  (d.  h.  Steige  Wasser  bis  über  die  Bäume!).  Da  fing  es  an  zu  regnen. 
Als  R'ä'iq  das  sah,  band  er  zwei  Boote  zusammen,  legte  Planken  darüber  und  fuhr 
von  dannen.  Das  Wasser  stieg  höher  imd  höher  und  das  Mädchen  kletterte  auf 
seinen  Webstuhl,  um  nicht  zu  ertrinken.  Sie  rief  nun:  „Ralä'uyal  (Biber)  komme 
und  hole  michl^  Jener  aber  war  böse  und  wollte  sie  jetzt  nicht  mehr  haben.  Er 
sagte:  „Warzen  sollen  künftig  Deinen  ganzen  Körper  bedecken."  Sie  ward  dann 
in  einen  Frosch  verwandelt. 

R'ä'iq  und  Sk'6'i  fuhren  weiter.  Als  sie  sich  einem  Dorfe  näherten,  rerwandelte 
R'ü'iq  seine  Grossmutter  in  ein  hübsches  junges  Mädchen  und  legte  etwas  auf  seine 
Boote,  das  wie  riele  Mäntel  aussah.  Er  wollte  wie  ein  reicher  Häuptling  er- 
scheinen. Er  hatte  sich  ein  schönes  Fell  um  den  Ropf  gebunden  und  sein  Gesicht 
mit  Glimmer  bestrichen.  Seine  Grossmutter,  die  er  für  seine  Tochter  ausgab,  sass 
neben  ihm  und  spann  Fäden  auf  ihrem  Rnie.  Als  die  Leute  ihn  sahen,  riefen  sie: 
„Ein  Häuptling  kommtl^  R*ä'iq  und  Sk*e'i  gingen  ans  Land  und  die  jungen  Männer 
wünschten  alle,  das  hübsche  Mädchen  zur  Frau  zu  haben.  Nachts  schlich  sich 
der  Sohn  eines  Häuptlings  zu  ihr.  Er  stiess  sie  an  und  sagte:  „Rück  ein  wenig, 
ich  möchte  bei  Dir  liegen."  Sie  Hess  ihn  kommen,  und  als  er  sie  in  die  Arme 
schliessen  wollte,  sprach  sie:  „Gieb  mir  Deine  Rupferarmringe.  Dann  darfst  Du 
mich  umarmen."  Er  gab  sie  ihr,  sie  Hess  aber  doch  nicht  zu,  dass  er  sie  um- 
armte Am  folgenden  Morgen  ging  der  junge  Mann  fort.  Dann  kam  R-ä'iq  zu 
seiner  Grossmutter  und  fragte:  „Hast  Du  die  Armringe  bekommen?"  Sie  zeigte  sie 
ihm,  und  er  legte  sie  sich  an.  Das  alles  war  nur  eine  List  Rälqs  gewesen,  sich 
in  Besitz  dieser  Armringe  zu  setzen.  Er  ging  hinaus,  hüllte  sich  in  einen  Mantel 
und  legte  sich  nieder,  so  dass  jeder  seine  Armringe  sehen  konnte.*  Viele  Frauen 
erblickten  ihn  dort.  Am  Abende  schlich  sich  der  HäuptUngssohn  wieder  zu  dem 
fremden  Mädchen.  Er  stiess  sie  an,  sie  rückte  und  liess  ihn  in  ihr  Bett.  Da 
wollte  er  sie  umdrehen  und  fühlte  über  ihren  Leib.  ^  merkte  nun,  dass  sie  ganz 
runzelig  war.    Da  rief  er:    „Gewiss  bist  Du  Sk'e'il"  und  er  schämte  sich  sehr. 

Und  R'ä'iq  fuhr  mit  seiner  Grossmutter  weiter.  Er  kam  zu  einem  Dorfe,  in 
dem  viele  hübsche  Mädchen  wohnten.  Da  versteckte  er  sich  im  Walde.  Er 
dachte:  „Ich  wollte,  sie  kämen  alle  hierher  in  den  Wald,  Beeren  zu  suchen."  Es 
geschah,  wie  er  dachte.  Als  nun  die  Mädchen  den  Fluss  hinauf  fuhren,  ver- 
wandello  er  sich  in  einen  Hirsch  und  schwamm  vor  ihrem  Boote  her.  Er  liess 
sich  fangen  und  von  den  Mädchen  an  den  Beinen  ans  Land  ziehen.  Dann  dachte 
er:  „Ich  wollte,  die  hübscheste  zöge  mir  das  Fell  ab."  So  geschah  es.  Als  sie 
nun  anfing  ihm  den  Bauch  aufzuschneiden,  blinzelte  er  ein  wenig,  sprang  dann  auf 
und  nahm  sie  in  die  Arme.  Die  anderen  liefen  voller  Angst  von  dannen.  Sein 
Bruder  Qoi'eqoa,  der  wieder  lebendig  war,  sah  von  der  anderen  Seite  des  Flusses, 
wie  er  mit  der  Frau  schlief.  Er  sah  dann,  wie  dieselbe  seinen  Penis  festhielt  und 
die  anderen  Mädchen  zu  Hülfe  rief.  Diese  kamen  und  rissen  ihm  den  Penis  aus. 
Er  ward  in  einen  Stein  verwandelt,  der  noch  heute  oberhalb  Pä'pk'um"  am  Fräser 
River  zu  sehen  ist 


(568) 

4.   Brader  und  Schwester. 

Es  war  einmal  ein  schönes  junges  Mädchen.  Jede  Nacht  schlich  sich  ein 
Mann  zu  ihr  und  schlief  mit  ihr,  ohne  dass  sie  wusste,  wer  es  war.  um  ihn 
wiederzuerkennen,  bestrich  sie  ihre  Hände  mit  Russ  und  bestrich  damit  den  Rücken 
des  Mannes,  ohne  dass  derselbe  es  merkte.  Am  nächsten  Morgen,  als  alle  jungen 
Männer  aus  dem  Dorfe  zum  Schwimmen  gingen,  stellte  sie  sich  ans  Ufer,  um  den- 
jenigen zu  entdecken,  den  sie  schwarz  gemacht  hatte.  Sie  sah  aber  niemand. 
Endlich  kam  ihr  Bruder,  und  als  dieser  seine  Kleider  abwarf,  sah  sie,  dass  sein 
Rücken  ganz  schwarz  war.  Da  schämte  sie  sich  sehr.  Abends,  als  der  Mann 
wieder  zu  ihr  kam,  sprach  sie:  „Ich  kenne  Dich,  Du  bist  mein  Bruder.  Ich  bin 
schwanger.  Lass  uns  fortgehen  von  hier,  denn  wir  müssen  uns  vor  den  Leuten 
schämen.'^  Ihr  Bruder  war  einverstanden.  Am  folgenden  Tage  machte  die  Frau 
ein  grosses  Bündel  von  Decken  aus  Bergziegenwolle.  Sie  gingen  dann  fort  und 
sie  bezeichnete  den  Weg  durch  Stücke  der  Decken,  die  sie  an  Zweige  band. 

Sie  wanderten  zehn  Tage  lang  landeinwärts,  Dann  endeten  sie  ihre  Wande- 
rung und  machten  ein  Haus.  Nach  einiger  Zeit  gebar  sie  einen  Knaben.  Als  der- 
selbe heranwuchs,  wunderte  er  sich  sehr,  dass  seine  Eltern  einander  so  ähnlich 
sahen,  scheute  sich  aber,  darüber  zu  sprechen.  Er  war  nun  so  gross  geworden, 
dass  er  schon  auf  die  Bärenjagd  ging.  Eines  Abends,  als  er  von  der  Jagd  zurück- 
kam, auf  der  er  einen  grossen  Bären  getödtet  hatte,  fasste  er  sich  ein  Herz  und 
fragte  seine  Mutter:  „Mutter,  ist  Vater  verwandt  mit  Dir?  Er  sieht  Dir  so  ähnlich.*^ 
Das  erzählte  sie  ihrem  Manne  und  dieser  sprach:  „Es  ist  nicht  gut,  dass  er  weiss, 
dass  wir  verwandt  sind.^  Sie  versetzte:  „Ich  schäme  mich  so,  dass  ich  sterben 
will."  „Ja,"  sagte  der  Bruder,  „wir  wollen  uns  verbrennen."  Am  nächsten  Tage, 
ehe  ihr  Sohn  auf  die  Jagd  ging,  erzählten  sie  ihm,  dass  sie  Greschwister  seien  und 
wie  sie  entflohen  seien.  Sie  sagten  ihm  auch,  dass  sie  den  Weg  zu  ihrer  ^eimath 
durch  Decken  bezeichnet  hätten.  Als  der  junge  Mann  fort  war,  machten  sie  Bündel 
von  Bergziegenfeildecken,  Bärenfelldecken,  Fett  und  trockenem  Fleisch.  Dann 
stellten  sie  Kisten  voll  Bergziegenfett  um  sich  und  legten  Gederplanken  darüber, 
auf  welche  sie  Decken  häuften.  Dann  legten  sie  Feuer  an  diesen  Scheiteriiaufen 
und  verbrannten  sich. 

Als  der  junge  Mann  Abends  nach  Hause  kam  und  seine  Eltern  verbrannt  fand, 
dachte  er:  „Was  habe  ich  gethani  Hätte  ich  Mutter  doch  nicht  wegen  ihrer  Aehn- 
lichkeit  mit  Vater  befragt!"  Er  beschloss  seine  Grosseltem  aufzusuchen.  Er  nahm 
die  vier  Bündel,  welche  seine  Eltern  gemacht  hatten,  auf  die  Schulter  und  folgte 
den  Stücken  Decke,   welche  den  Weg  zum  Dorfe  seiner  Grosseltern  bezeichneten. 

Als  er  zum  Dorfe  kam,  versteckte  er  sich  im  Walde  und  dachte:  „Ich  wollte, 
mein  Vetter  käme  hierher."  Kaum  hatte  er  also  gedacht,  als  sein  Vetter,  ein 
Knabe,  seinen  Bogen  und  seine  Pfeile  nahm  und  in  den  Wald  ging.  Er  schoss 
die  Pfeile  vor  sich  her  und  lief  ihnen  dann  nach,  um  sie  wieder  aufzuheben.  Einer 
der  Pfeile  fiel  nun  gerade  neben  dem  jungen  Manne  nieder.  Da  sprang  dieser 
auf,  nahm  den  Pfeil  und  lief  seinem  Vetter  entgegen.  Dieser  war  sehr  erschrocken, 
da  er  den  jungen  Mann  nicht  kannte,  welcher  aussergewöhnlich  schön  war.  Der- 
selbe sprach:  „Gehe  zu  Deiner  Grossmutter  und  erzähle  ihr,  dass  ihr  Sohn  und 
Tochter,  die  einst  davongegangen  sind,  sich  verbrannt  haben.  Ich  bin  ihr  Sohn."" 
Der  Knabe  lief  zu  seiner  Grossmutter,  die  blind  geworden  war.  So  viel  hatte  sie 
um  ihre  verlorenen  Kinder  geweint.  Er  rief.  „Grossmutter I  Ich  habe  meinen 
Vetter  im  Walde  gefunden.  Er  ist  der  Sohn  Deiner  verlorenen  Kinder I"  Da  schlug 
ihn  die  Alte,  denn  sie  glaubte  ihm  nicht.  Der  Knabe  lief  in  den  Wald  zu  seinem 
Vetter  zurück  und  beklagte  sich,    dass  man  ihm  nicht  glaube.    Da  gab  jener  ihm 


(569) 

ein  Stück  Fett  und  hiess  ihn  es  seiner  Orossmutter  zeigen.  Als  diese  das  Fett  sah, 
ward  sie  stutzig  und  folgte  ihrem  Enkel.  Sie  sah  den  jungen  Mann,  der  sie  hiess, 
den  Weg  von  dem  Platze,  an  dem  er  stand,  bis  ans  Haus  mit  Decken  zu  be- 
legen. Sie  gehorchte  und  er  ging  in  das  Haus.  Er  trug  die  vier  Bündel,  die 
er  mitgebracht  hatte,  hinein.  Dann  wusch  er  die  Augen  seiner  Grossmutter,  und 
dieselbe  wurde  sogleich  wieder  sehend  und  jung.  Er  blieb  immer  im  Hause, 
nur  um  Mittemacht  ging  er  aus,  da  er  nicht  wollte,  dass  irgend  jemand  ihn  sehen 
sollte.  Er  hiess  seine  Grosseltem,  alle  Leute  zu  einem  Feste  einladen.  Er  öffnete 
die  Kisten  und  füllte  das  ganze  Haus  aus  ihrem  Inhalte  mit  Bergziegenfett,  ge- 
trocknetem Fleisch,  Bärenfellen  und  Bergziegendecken,  indem  er  die  Risten 
schüttelte.  Als  die  Leute  eingeladen  waren,  sprachen  sie  zu  einander:  „Wovon 
wollen  sie  uns  ein  Fest  geben?  Sie  haben  ja  gar  keine  Vorräthe."  Als  sie  aber 
in  das  Haus  gingen,  sahen  sie,  dass  dasselbe  ganz  roll  war.  Der  junge  Mann  Hess 
sich  aber  nicht  sehen,  sondern  blieb  in  seinem  Zimmer. 

Ein  junges  Mädchen  war  sehr  neugierig  und  begierig  ihn  zu  sehen.  Daher 
ging  sie  ans  Wasser,  verrichtete  ihre  Nothdurft  und  verwandelte  ihre  Exkre- 
mente in  einen  schönen  Wasservogel.  Als  die  Leute  denselben  sahen,  ver- 
sachten sie  ihn  zu  fangen,  doch  gelang  es  ihnen  nicht  Auch  der  Onkel  des  jungen 
Mannes  versuchte  ihn  zu  erlegen,  doch  vexgeblich!  Da  erhob  sich  der  junge  Mann, 
nahm  seinen  Bogen  und  Pfeil  und  schoss  nach  dem  Vogel.  Obwohl  er  sonst 
immer  alles  traf,  was  er  haben  wollte,  verfehlte  er  ihn  doch.  Erst  als  er  zum 
zehnten  Male  schoss,  traf  er  den  Vogel.  Derselbe  verwandelte  sich  sogleich 
wieder  in  Exkremente.  Da  schämte  der  junge  Mann  sich  sehr  und  beschloss  fort- 
zugehen. 

Er  sagte  zu  seinem  Vetter:  „Komm,  lass  uns  gehen  und  Vögel  fangen."  Sie 
gingen  zusammen  aus,  und  als  sie  zu  einer  sandigen  Stelle  am  Flussufer  kamen, 
hiess  er  seinen  Vetter  sich  niederlegen.  Dann  zerschnitt  er  die  Brust  desselben 
mit  Pfeilspitzen,  und  bedeckte  ihn  bis  zur  Brust  mit  Sand.  Er  sagte  zu  ihm :  „Ich 
verberge  mich  jetzt.  Bald  werden  Adler  zu  Dir  herabkonmien.  Wenn  sie  von 
der  Seite  her  auf  Dich  zufliegen,  dann  blase  und  Du  wirst  sie  damit  verjagen 
können.  Wenn  aber  einer  von  gerade  oben  sich  auf  Dich  hinabstürzt,  dann 
schliesse  Deine  Augen.  Er  wird  sich  niederlassen  wollen  und  ich  fange  ihn  dann." 
Sein  Vetter  that,  wie  jener  ihn  geheissen.  Als  ein  Adler  von  der  Seite  her  auf 
ihn  zuflog,  blies  er  und  jener  flog  von  dannen.  Endlich  erschien  einer  gerade  über 
seinem  Haupte.  Da  hielt  er  seinen  Athem  an  und  schloss  seine  Augen.  Der  Adler 
stürzte  sich  herab  und  griff  seine  Brust  mit  den  Fängen.  In  dem  Augenblicke 
stürzte  sich  der  junge  Mann  aus  seinem  Versteck  hervor,  ergriff  den  Adler  und 
schüttelte  ihn  so  stark,  dass  alle  seine  Knochen  und  sein  Fleisch  zur  Erde  fielen. 
Dann  sprach  er  zu  seinem  Vetter:  „Gehe  Du  nach  Hause  zurück.  Ich  schäme 
mich  so,  dass  ich  von  dannen  gehen  will.  Sei  nicht  betrübt,  denn  ich  werde 
einstens  zurückkehren.  Du  wirst  es  daran  wissen,  dass  eine  rothe  Wolke  am 
Himmel  erscheinen  wird."  Dann  zog  er  den  Balg  des  Adlers  an  und  flog  gen 
Himmel. 

Droben  fand  er  ein  ebenes  Land  und  einen  Pfad,  dem  er  folgte.  Bald  sah  er 
Rauch  aufsteigen.  Er  ging  auf  denselben  zu  und  fand  zwei  blinde  Schwestern, 
die  sich  Wurzeln  brieten.  Die  eine  derselben  war  im  Begriff,  sie  aus  der  Asche 
zu  nehmen  und  ihrer  Schwester  eine  Schüssel  voll  zu  geben.  Da  trat  der  junge 
Mann  hinzu  imd  nahm  es  ihr  aus  der  Hand.  Da  die  eine  Schwester  nichts  be- 
kommen hatte,  Aragte  sie  die  andere:  „Warum  hast  Du  mir  nichts  gegeben?"  Jene 
versetzte:  „Ich  gab  Dir  eine  Schüssel  voll."     „0,"  erwiedertc  die  andere,  „gewiss 


(570) 

ist  der  Sohn  des  Paares  hier,  das  sieh  verbrannt  hat,  und  hat  die  Schüssel  fori- 
genommen.^  „Ja,"  sagte  jener  nun,  „ich  bin  hier."  Die  Frauen  sprachen:  „Wir 
wissen,  Du  nvillst  zur  Sonne  gehen  und  deren  Tochter  heirathen;  aber  wisse,  sie 
ist  sehr  böse.  Viele  sind  schon  hingegangen,  aber  noch  nie  ist  einer  zurOck- 
gekommen.  Wir  wollen  Dir  helfen."  Sie  nahmen  Staub  von  einem  Wetzstein  und 
beschmierten  sein  Gesäss  damit,  um  es  hart  zu  machen,  denn  die  Sitze  im  Hanse 
der  Sonne  waren  mit  spitzigen  Nadeln  besetzt,  die  jedem  ins  Fleisch  drangen,  der 
sich  zu  setzen  versuchte.  Femer  gaben  sie  ihm  zwei  Stücke  Fleisch,  die  um  lange 
Knochen  gewickelt  waren.  Sie  sagten  ihm,  er  solle  sie  den  zwei  Wölfen  vorwerfen, 
die  die  Thür  des  Hauses  bewachten.  Ehe  er  sie  verliess,  sagten  sie  ihm  noch, 
er  solle  zu  ihnen  zurückkommen  und  sich  weiteren  Kath  holen,  wenn  der  Mond, 
der  mit  der  Sonne  im  Hause  wohnte,  ihm  Aufträge  geben  sollte.  Er  dankte  den 
Frauen  und  ging  weiter. 

Bald  kam  er  zum  Hause  der  Sonne.  Am  Eingange  sassen  zwei  grosse  Wölfe. 
Er  warf  ihnen  die  Knochen  vor,  die  ihnen  im  Halse  stecken  blieben,  so  dass  sie 
ihn  nicht  beissen  konnten.  Er  sprang,  so  rasch  er  konnte,  an  ihnen  vorbei  ins 
Haus.  Drinnen  sah  er  sechs  Mädchen:  drei  waren  Töchter  der  Sonne,  drei  Töchter 
des  Mondes.  Die  Töchter  des  Mondes  waren  buckelig,  während  die  der  Sonne 
sehr  schön  waren.  Der  Mond  lud  ihn  ein,  zu  ihm  herüber  zu  kommen:  er  ging  aber 
gerade  auf  die  Sonne  zu  und  setzte  sich  fest  neben  ihr  nieder.  Dabei  zerdrückte 
er  alle  die  spitzigen  Gegenstände  am  Boden,  die  alle  früheren  Besucher  getödtet 
hatten.  „Ol"  sprach  die  Sonne,  „Du  bist  mehr  als  ein  Mann,"  und  gab  ihm  seine 
Tochter  zur  Frau. 

Der  Mond  war  aber  böse,  da  er  wünschte,  dass  jener  eine  seiner  Töchter  ge- 
heirathet  hätte.  Er  lud  den  jungen  Mann  ein,  am  folgenden  Tage  mit  ihm  aus- 
zugehen und  eine  Ceder  zu  spalten.  Da  ging  der  junge  Mann  erst  zu  seinen 
Grossmüttern  und  erzählte  ihnen,  was  der  Mond  wolle.  Sie  gaben  ihm  zwei 
Knochen  und  etwas  weisse  Farbe,  indem  sie  ihm  sagten,  was  er  damit  thun  solle. 
Er  war  dankbar  und  bestrich  ihre  Augen  mit  dem  Saft  von  Blättern,  der  sie  sehend 
machte.  Dann  ging  er  zurück  und  begleitete  am  folgenden  Tage  den  Mond, 
die  Ceder  zu  fällen.  Der  Mond  schlug  seine  Keile  in  den  Stamm  und  Hess 
dabei  seinen  Hammer  in  den  klaffenden  Spalt  fallen.  Er  hiess  dann  den  jungen 
Mann  ihn  wieder  holen.  Als  dieser  nun  in  den  Spalt  gekrochen  war,  schlug  er 
die  Keile  heraus,  so  dass  der  Baum  zusammen  schlug.  Der  junge  Mann  stützte 
sogleich  die  zwei  Knochen  dagegen,  so  dass  der  Baum  ihn  nicht  beschädigen 
konnte.  Er  warf  aber  die  weisse  Farbe  hinaus,  die  der  Mond  für  sein  Gehirn  hielt 
Er  glaubte,  jener  sei  todt  und  wollte  den  Baum  wieder  auseinanderspreizen,  um 
den  Leichnam  herauszuziehen.  Als  er  aber  seinen  Keil  hineingetrieben  hatte,  fond 
er  den  jungen  Mann  unverletzt  darin  sitzen. 

Am  folgenden  Tage  hiess  er  ihn  ausgehen  und  Forellen  fangen.  Er  ging  erst 
wieder  zu  seinen  Grossmüttern,  um  sich  Raths  zu  erholen.  Sie  gaben  ihm  einen 
Stock,  in  den  sie  viele  Grähten  steckten,  und  hiessen  ihn  denselben  dem  Monde 
bringen.  Der  Stock  wurde  in  einen  Fisch  verwandelt.  Der  junge  Mann  fing  noch 
ausserdem  eine  Forelle  und  brachte  beide  nach  Hanse  zurück.  Der  Mond  ass  sie, 
und  als  er  den  verwandelten  Stock  zu  essen  begann,  verschluckte  er  sich  an  einer 
der  Grähten,  die  ihm  im  Halse  sitzen  blieb.  Die  Tochter  der  Sonne  hiess  ihren 
Mann,  den  Mond  rasch  auf  den  Rücken  schlagen;  so  bewirkte  er,  dass  die  Grähte 
wieder  herausflog. 

Am  nächsten  Tage  sandte  der  Mond  den  jungen  Mann  aus,  um  den  reihen 
Bären  zu  fangen,  mit  dem  er  spielen  wollte.  Wieder  ging  dieser  zu  seinen  Gross- 


(571) 

müttern,  die  zwei  Bären  aus  ein  paar  Stücken  Holz  and  ihren  Kämmen  machten. 
Die  letzteren  wnrden  die  Tatzen.  Sie  sagten  ihm:  „Wenn  Da  heimkommst,  so 
wirf  die  Bären  auf  den  Mond.  Sie  werden  ihm  böse  mitspielen."  Er  that  also, 
und  die  Baren  zerrissen  den  Mond  über  und  über.  Von  da  an  gab  jener  es  aaf, 
den  jangen  Mann  zu  belästigen. 

Bald  gebar  ihm  die  Tochter  der  Sonne  zwei  Rinder.  Als  diese  heranwachsen, 
wünschten  sie  sehr  ihre  Orossmatter  zu  sehen.  Ihr  Vater  sagte  ihnen  aber,  dass 
dieselbe  sich  yerbrannt  habe.  Da  fragten  sie  nach  ihrer  Urgrossmatter,  and  als 
sie  hörten,  dass  dieselbe  auf  der  Erde  lebe,  wünschten  sie  hinabzngehen.  Als  der 
Sonnenmann  davon  hörte,  gestattete  er  seiner  Tochter  and  deren  Familie  zar  Erde 
zu  gehen.  Er  machte  zehn  Hänfen  Warzeln  zarecht  and  flocht  einen  grossen  Korb. 
Dann  Hess  er  zwei  alte  Franen,  die  Spinnen,  die  anterhalb  der  Sonne  wohnten, 
ein  Seil  machen.  An  diese  band  er  den  Korb  and  liess  seine  Tochter  nebst  ihrer 
Familie  sich  in  den  Korb  setzen,  in  den  sie  anch  die  Warzeln  that.  Dann  liess 
er  sie  hinab  and  indem  er  das  that,  wurde  das  Seil  immer  länger  and  länger. 
Der  Korb  stiess  endlich  an  den  Wipfel  einer  Tanne  nahe  bei  Stcuwä'cjEl  (unter- 
halb Ganoe  Pass,  an  dem  Südarm  des  Fräser  River)  an.  Da  schüttelten  sie  ein  wenig 
an  dem  Seil,  als  ein  Zeichen,  dass  sie  noch  nicht  ganz  unten  angekommen  waren, 
und  die  Sonne  liess  sie  noch  weiter  hinab.  Endlich  kamen  sie  wohlbehalten  auf 
der  Erde  an  und  schüttelten  lange  an  dem  Seile,  das  die  Sonne  daraufhin  wieder 
in  die  Höhe  zog.  Während  sie  herunter  kamen,  ward  der  Himmel  ganz  roth.  Da 
sprach  der  Vetter  des  jungen  Mannes:  „Mein  Vetter  wird  jetzt  zurückkehren.  Er 
sagte  mir,  ehe  er  verschwand,  dass  der  Himmel  roth  werden  würde,  wenn  er  zurück- 
kehre.*' Niemand  aber  glaubte  ihm  und  man  schlug  ihn,  weil  er  von  einem  Todten 
sprach. 

Als  der  Korb  unten  angekommen  war,  dachte  der  junge  Mann:  „Ich  wollte, 
der  Sohn  meines  Vetters  käme  und  spielte  mit  seinen  Pfeilen.''  Sogleich  kam 
jener  in  den  Wald  und  schoss  seine  Pfeile  vor  sich  hin.  Der  junge  Mann  nahm 
einen  auf  und  trat  auf  den  Knaben  zu.  Er  fragte  ihn:  „Weisst  Du,  dass  einst  ein 
junger  Mann  von  hier  verschwand  und  in  den  Himmel  ging?"  „Ja,"  versetzte 
jener,  „das  war  meines  Vaters  Vetter."  „Ich  bin  es,"  sprach  nun  der  junge  Mann, 
„und  dies  hier  ist  meine  Frau."  Dabei  zeigte  er  auf  sie.  Der  Knabe  konnte  sie 
aber  nicht  sehen,  da  sie  so  hell  leuchtete.  Der  Mann  nahm  nun  Blätter  und  wusch 
ihr  Oesicht,  damit  es  werde,  wie  das  anderer  Menschen,  und  sie  gingen  zum  Dorfe. 
Unterwegs  wurde  die  Frau  viermal  ohnmächtig,  da  sie  den  Geruch  von  Menschen 
nicht  vertragen  konnte,  obwohl  die  Häuser,  dem  V^erlangen  des  jungen  Mannes 
gemäss,  erst  sorgfältig  gereinigt  waren.  Als  sie  endlich  im  Hause  ankamen,  kochten 
sie  die  zehn  Haufen  Wurzeln,  die  ihnen  die  Sonne  gegeben  hatte,  und  machten  so 
viel  daraus,  dass  sie  den  ganzen  Stamm  damit  bewirthen  konnten. 

Die  Frau  hielt  sich  immer  im  Hause  und  liess  sich  nie  sehen.  Daher  glaubten 
die  LfCute  gar  nicht,  dass  sie  die  Tochter  der  Sonne  sei.  Ein  Mann  sah  aus  Neu- 
gierde durch  einen  Spalt  in  ihr  Zimmer.  Sie  leuchtete  da  so  hell  auf,  dass  sie 
sein  Gesicht  ganz  verbrannte.  Ihr  Mann  aber  machte  jenen  wieder  gesund.  Von 
nun  an  glaubten  die  Leute,  dass  sie  die  Tochter  der  Sonne  sei. 

5.  Die  PötE'mtEn. 

In  PötF/mtEn,  oberhalb  Fort  Douglas,  lebte  eine  Frau,  die  hatte  zwei  Töchter 
und  mehrere  Söhne.  Eines  Nachts  schlichen  sich  zwei  Männer  zu  den  Mädchen, 
und  schon  am  nächsten  Tage  gebaren  dieselben  jede  ein  Kind.  Niemand  wusste, 
wer  die  Väter  der  Kinder  waren,  und  auch  die  Mädchen  wussten  nicht,   wer  sich 


(572) 

ZU  ihnen  geschlichen  hatte.  Daher  beschmierten  sie  ihre  Hände  mit  Fett  und 
rother  Farbe,  und  als  die  Männer  sich  in  der  folgenden  Nacht  wieder  zn  ihnen 
schlichen,  nmfingen  sie  dieselben  and  machten  ihren  Körper  roth,  ohne  dass  jene 
es  merkten.  Am  nächsten  Morgen,  als  alle  jungen  Männer  des  Dorfes  zum  Baden 
gingen,  passten  die  jungen  Frauen  auf,  um  zu  sehen,  wessen  Körper  roth  gezeichnet 
war.  Die  jungen  Männer  warfen  Steine  ins  Wasser  und  sprangen  dann  hinein, 
um  sie  wieder  zu  holen.  Keiner  unter  ihnen  zeigte  eine  Spur  rother  Farbe  an 
seinem  Körper.  Als  die  Frauen  nun  zurückgingen,  kamen  sie  an  einer  Stelle  vor- 
über, wo  ein  Mann  ein  Boot  baute.  Da  sahen  sie,  dass  der  Hammer  und  einer 
der  Spähne  voll  rother  Farbe  waren,  und  nun  wussten  sie,  dass  diese  die  Gestalt 
Yon  Männern  angenommen  und  bei  ihnen  geschlafen  hatten.  Da  schämten  sie  sich. 
In  der  folgenden  Nacht  kamen  die  Männer  wieder.  Da  sprachen  die  Frauen: 
„Warum  geht  Ihr  Morgens  immer  fort?  Wir  kennen  Euch.^  Als  die  Männer  das 
hörten,  blieben  sie  bei  den  Frauen  und  behielten  ihre  menschliche  Gestalt 

Der  Eigenthümer  des  Hammers  und  des  Spahnes  schalt  eines  Tages  auf  diese 
Männer  und  sagte,  dass  sie  ihm  gehörten.  Darüber  wurden  die  Frauen  betrübt 
Sie  machten  einen  grossen  Korb,  setzten  sich  mit  ihren  Männern  und  Kindern 
hinein,  banden  ihn  zu  und  Hessen  sich  ins  Wasser  werfen.  Der  Wind  und  die 
Wellen  führten  den  Korb  weiter  und  derselbe  landete  endlich  in  Puk'pälc'ötl.  Da 
machten  sie  den  Korb  auf  und  stiegen  heraus.  Die  Männer  machten  Planken  und 
bauten  ein  Haus.    Sie  wurden  die  Ahnen  der  PötE'oltEn. 

6.   Die  todte  Frau. 

In  K'^eluk,  unterhalb  Puk'päTc-'otl,  lebte  ein  Mann,  der  seine  Frau  sehr  liebte. 
Dieselbe  starb  und  ward  begraben.  Der  Mann  war  sehr  betrübt  Er  weinte  und 
fastete.  Nachts,  als  alle  Leute  schliefen,  ging  er  zu  dem  Grabe  seiner  Frau,  öffnete 
dasselbe  und  legte  sich  an  ihrer  Seite  nieder.  Die  Luchse,  die  auf  dem  Berge 
wohnten,  witterten  die  Leiche  und  liefen  herbei,  um  sie  fortzutragen.  Sie  öffneten 
das  Grab,  einer  warf  die  Leiche  der  Frau,  ein  anderer  den  Mann  über  den  Rücken 
und  sie  liefen  zurück  zu  ihrem  Häuptling.  Dieser  wohnte  in  einem  unterirdischen 
Hause  und  sie  warfen  den  Mann  und  die  Frau  durch  den  Eingang  hinunter.  Der 
Häuptling  wollte  den  Mann  zuerst  fressen,  als  er  aber  nahe  zu  ihm  heran  kam, 
rief  er:  „Der  stinkt  noch!  er  ist  nicht  todtl^  Da  sprang  der  Mann  auf,  zog  sein 
Messer,  das  er  unter  seinem  Mantel  verborgen  hatte,  und  tödtete  alle  Luchse. 
Dann  kehrte  er  zu  seiner  Heimath  zurück.  Er  war  noch  immer  sehr  betrübt,  weil 
er  seine  Frau  verloren  hatte.  Er  bat  seinen  Vater  um  fünf  Bärenfelle  und  schnitt 
sich  hundert  Paar  Schuhe  aus  denselben.  Diese  nahm  er  und  ging  von  dannen, 
um  seine  Frau  wiederzuholen.  Er  ging  ins  Gebirge  und  fastete.  Dann  wanderte 
er  weiter  landeinwärts.  Als  er  eine  Zeit  lang  gewandert  war,  sah  er  in  der  Feme 
Rauch  aufsteigen  und  als  er  näher  kam,  sah  er  ein  Haus  auf  einer  Prairie  stehen. 
Dort  wohnte  der  Pelikan.  Dieser  fragte  ihn:  „Wohin  willst  Du  gehen?**  Jener 
versetzte:  „Ich  suche  meine  todte  Frau."  „Das  ist  eine  schwere  Aufgabe,  mein 
Enkel,"  sprach  der  Pelikan,  „nur  Todte  können  diesen  Weg  mit  Leichtigkeit  finden. 
Lebende  können  nur  mit  grosser  Gefahr  zum  Lande  der  Todtcn  gelangen.**  Elr  gab 
ihm  ein  Zaubermittel,  um  ihm  in  seinem  Unterfangen  zu  helfen,  und  unterwies 
ihn  im  Gebrauche  desselben.  Der  junge  Mann  wanderte  weiter  und  kam  zu  dem 
Riesen  Sä'sk'ats,  der  jeden  frass,  der  an  ihm  vorbeigehen  wollte.  Der  Mann  kam 
aber  mit  Hülfe  des  Zaubermittels  glücklich  vorbei.  Dann  traf  er  die  doppel- 
köpfige Schlange  Atlk'e,  kam  aber  auch  an  ihr  glücklich  vorüber.  Als  er  weiter 
ging,  traf  er  den  Vogel  TUtsc&'wul,  der  ihn  fragte,  wohin  er  gehe.  Als  er  ihm  von 


(573) 

seinem  Vorhaben  erzählte,  sagte  derselbe,  kein  Lebender  könne  in  das  Land  der 
Todten  gehen.  Er  rieth  ihm  zurückzukehren.  Der  Mann  aber  ging  weiter.  In 
der  folgenden  Nacht  träumte  er,  dass,  wenn  er  ein  gewisses  Kraut  kaue,  er  nie 
hungrig  werden  würde.  Br  that  also  und  fand,  dass  es  seinen  Hunger  stille. 
Endlich  kam  er  zu  einem  grossen  See,  jenseits  dessen  die  Todten  wohnten.  Er 
wusste  nicht,  wie  er  hinüber  kommen  sollte,  und  weinte.  Da  hörte  er  eine  Stimme 
sagen:  „Rein  Mensch  kann  seinen  Körper  mit  in  den  Himmel  bringen.  Erst  wenn 
Du  todt  bist,  kannst  Du  hier  hinüber  gelangen.  Aber  wisse!  Gott  wird  Dich 
glücklich  machen  und  Dir  viel  Kleidung  und  andere  Reichtbümer  schenken.  Deine 
Frau  kannst  Du  nicht  wieder  bekommen.  Setze  Dich  nieder  und  schliesse  Deine 
Augen I  falte  Deine  Arme  über  der  Brust  und  hocke  nieder  und  bete!"  Er  that  also. 
Da  kam  viele  Kleidung,  Pferde  und  andere  Reichtbümer  zu  ihm.  Er  nahm  die- 
selben  und   kehrte   nach  Hause  zurück.    Er  war  ein  weiser  und  mächtiger  Mann 

geworden. 

7.    Die  todte  Frau. 

Die  Frau  eines  Mannes  war  gestorben.  Da  er  sie  sehr  liebte,  machte  er  sich 
auf,  in  den  Himmel  zu  gehen  und  sie  zu  suchen.  Er  machte  sich  viele  Schuhe 
aus  Bärenfell  und  ging  ins  Gebirge.  Er  fastete,  und  jeden  Abend  schwamm  er 
in  Teichen  und  übergab  sich,  so  dass  er  ganz  rein  wurde.  Dann  ging  er  weiter. 
Bald,  als  fast  alle  seine  Schuhe  ausgetragen  waren,  begegnete  er  einem  Manne, 
der  fragte  ihn,  wohin  er  gehe.  Er  versetzte:  „Meine  Frau  ist  todt  und  ich  gehe  sie 
zu  suchen."  Da  sprach  jener:  „Der  Weg  dorthin  führt  hierher.  Er.  ist  sehr  ge- 
fährlich. Kaue  diese  Wurzel.  Sie  wird  Dich  beschützen."  Er  dankte  dem  Alten 
und  ging  weiter.  Endlich  kam  er  wohlbehalten  im  Lande  der  Todten  an.  E2r  sah 
dieselben  tanzen  und  erblickte  unter  ihnen  seine  Frau.  Da  nahm  er  sie  mit  sich 
zurück.  Die  Todten  warnten  ihn,  ja  nicht  mit  der  Frau  zu  schlafen,  ehe  er  nach 
Hause  gekommen  sei.  Er  gehorchte  und  sie  schliefen  allabendlich  an  entgegen- 
gesetzten Seiten  des  Feuers.  Am  vierten  Tage  fanden  sie  sich  nahe  ihrer  Heimath. 
Da  träumte  er,  die  Gottheit  sage  ihm,  er  solle  beten.  Er  schloss  seine  Augen  und 
betete.  Als  er  die  Augen  wieder  öffnete,  sah  er  Kleidung  für  sich  und  für  seine 
Frau  dort  liegen;  er  erblickte  ein  Pferd,  ein  Gewehr  und  Pulver.  Am  nächsten 
Morgen  ritten  sie  nach  Hause.  Viele  Jahre  war  er  fort  gewesen.  Er  fand,  dass 
seine   Eltern    blind  geworden    waren   vom   vielen  Weinen.     Er   aber   machte   sie 

wieder  sehend. 

8.   Der  Ursprung  der  Lachse  und  des  Feuers. 

Im  Anfange  gab  es  keine  Lachse  und  kein  Feuer.  Da  hielten  die  Thiere  einen 
grossen  Rath,  um  zu  besprechen,  wie  das  Feuer  zu  erhalten  sei.  Schliesslich 
wurde  beschlossen,  den  Biber  und  den  Specht  (?Ts'E'tEm)  auszusenden,  um  beides 
zu  erlangen.  Das  Feuer  war  im  Besitze  des  Häuptlings  der  „Sockeye"-Lachse, 
der  im  äussersten  Westen  wohnte.  Biber  und  Specht  reisten  dorthin,  der  erste 
schwimmend,  der  zweite  fliegend.  Als  sie  in  di^  Nähe  der  Häuser  kamen,  die  an 
einem  Flusse  standen,  Hess  der  Biber  den  Specht  voran  fliegen,  um  zu  spioniren. 
Der  letztere  kam  bald  zurück  und  berichtete,  dass  zwei  Häuser  da  seien,  die  an 
entgegengesetzten  Seiten  eines  Teiches  standen,  aus  dem  die  Leute  Wasser  zu 
schöpfen  pflegten.  Da  entwarfen  die  beiden  einen  Plan  und  schritten  sogleich  zur 
Ausführung.  Der  Biber  grub  sich  einen  Gang  von  dem  Teiche  zu  dem  Hause  des 
Häuptlings  und  legte  sich  dann  an  der  Stelle,  wo  die  Leute  Wasser  zu  holen 
pflegten,  nieder,  indem  er  sich  stellte,  als  sei  er  todt.  Bald  kam  die  Tochter  des 
Lachshäuptlings  aus  dem  Hause  und  lief,  als  sie  den  todten  Biber  sah,  sogleich 
zurück,  um  die  Männer  zu  rufen.  Dieselben  kamen,  und  beriethen  sich  unter  ein- 


(574) 

ander.  Der  „Dogsalmon^  (0.  keta)  sagte,  indem  er  ihn  umdrehte:  ,Der  Biber  ist  be- 
kanntlich sehr  klag.  Ich  glaube  nicht,  dass  er  todt  ist.  Gewiss  will  er  etwas  hier 
bei  uns.^  Der  „Oohoesalmon^  sagte:  „Seine  Hände  nnd  Füsse  sind  sehr  klag.  Mit 
ihnen  verschliesst  er  ans  alle  Räche  und  Flüsse,  so  dass  wir  nicht  vorbei  können. 
Wenn  ich  versuche,  hinüber  zu  springen,  falle  ich  in  seine  Fallen.  Gewiss  will 
er  etwas  von  uns.^  Da  sagte  der  Frühlingslachs:  „Seht  Ihr  nicht,  dass  er  iodt 
ist?^  Der  Cohoe  glaubte  es  aber  nicht  und  sprach:  „Lasst  uns  ihn  kitzeln,  dann 
werden  wir  ausfindig  machen,  ob  er  lebt  oder  todt  ist"  Sie  stiessen  ihn  dann  in 
die  Seite,  so  dass  er  beinahe  gelacht  hätte.  Sie  trugen  ihn  dann,  da  er  sich  nicht 
rührte,  ins  Haus  und  schickten  sich  an,  ihn  abzuziehen.  Gerade  in  diesem  Augen- 
blicke erschien  der  Specht  draussen  und  setzte  sich  an  dem  Teiche  nieder.  Sobald 
die  Leute  ihn  sahen,  wollten  sie  ihn  fangen.  Da  öffnete  der  Biber  seine  Augen 
ein  klein  wenig,  und  als  er  sich  allein  sab,  sprang  er  auf,  exgriff  das  Feuer  und 
die  jüngste  Häuptlingstochter,  die  in  der  Wiege  lag,  und  entfloh  durch  den  Gang, 
den  er  sich  zuvor  gegraben  hatte.  Zugleich  flog  auch  der  Vogel  von  danncn.  Als 
sie  nach  SF.miä'mö  kamen,  nahmen  sie  etwas  Cederbast  aus  der  Wiege  und  warfen 
ihn  in  den  Fluss.  Daher  sind  dort  sehr  viele  Lachse.  Ebenso  warfen  sie  in  Pitt 
River  etwas  Cederbast  in  den  Fluss  und  schufen  so  viele  Lachse.  Als  sie  nach 
Yale  kamen,  warfen  sie  die  Wiege  sammt  dem  Rinde  in  den  Fluss.  Daher 
sammeln  sich  dort  unterhalb  der  Schnellen  grosse  Mengen  von  Lachsen. 

Der  Biber  gab  den  Gespenstern  das  Feuer.  Die  Menschen  wussten  nicht,  wie 
sie  es  erhalten  sollten,  und  schickten  endlich  K'ä'iq,  den  Nerz,  aus,  dasselbe  zu 
holen  Dieser  lieh  sich  das  Messer  seiner  Grossmutter,  versteckte  es  unter  seinem 
Mantel  und  machte  sich  auf  den  Weg  zu  den  Gespenstern.  Er  ging  zu  ihnen  ins 
Haus  und  sah  sie  tanzen.  Als  der  Tanz  zu  Ende  war,  wollten  sie  sich  baden  und 
waschen.  Da  sprach  der  Nerz:  „Bleibt  hier,  ich  will  Euch  Wasser  holen."  Er 
nahm  einen  Eimer  und  ging  zum  Ufer  hinab.  Als  er  mit  dem  gefüllten  Eimer  ins 
Haus  kam  und  an  dem  einem  der  beiden  im  Hause  brennenden  Feuer  vorüber 
ging,  that  er,  als  stolpere  er  und  goss  das  Wasser  ins  Feuer,  so  dass  es  ausging. 
„0!"  rief  er,  „ich  bin  gestolpert,"  und  ging  zum  Wasser  zurück,  um  seinen  Eimer 
wieder  zu  füllen.  Als  er  wieder  ins  Haus  kam  und  an  dem  anderen  Feuer  vorbei 
^>°g)  ^88  61*  wieder  sein  Wasser  aus,  und  es  war  nun  ganz  dunkel  im  Hanse. 
Da  nahm  der  Nerz  sein  Messer  und  schnitt  dem  Häuptling  der  Gespenster  den 
Kopf  ab.  Er  streute  Staub  auf  den  abgeschnittenen  Hals,  damit  er  nicht  blute, 
und  lief,  mit  dem  Kopfe  von  dannen.  Noch  ehe  die  Leute  ihr  Feuer  wieder  an- 
gesteckt hatten,  wurde  der  Staub  von  Blut  durchtränkt;  die  Mutter  des  Häuptlings 
merkte  es  und  als  sie  nun  wieder  Feuer  gemacht  hatten,  sahen  sie,  dass  der  Kopf 
ihres  Häuptlings  abgeschnitten  war.  Da  sprach  die  Mutter  des  todten  Häuptlings: 
„Geht  morgen  dem  Nerz  nach  und  kauft  ihm  den  Kopf  ab."  Sie  thaten  also  und 
kamen  zu  seinem  Hause.  Der  Nerz  hatte  sich  zehn  Häuser  gebaut  und  sich  zehn 
verschiedene  Kleider  von  seiner  Grossmutter  herstellen  lassen.  Als  nun  die  Ge- 
spenster kamen,  erschien  er  bald  auf  dem  Dache  eines  Hauses,  bald  auf  ißm  eines 
anderen,  jedesmal  in  anderer  Kleidung,  so  dass  die  Gespenster  glaubten,  es  seien 
viele  Leute  dort.  Als  sie  ankamen,  sprachen  sie  zu  der  Grossmutter  des  Nerzes: 
„Wir  wollen  den  Kopf  unseres  Häuptlings  fUr  Mäntel  eintauschen."  Sie  aber  ver- 
setzte: „Mein  Enkel  will  keine  Mäntel  haben."  Dann  boten  sie  ihm  Bogen  und 
Pfeile  an,  aber  die  Grossmutter  wies  auch  dieses  Anerbieten  zurück.  Da  weinten 
die  Bäume  mit  den  Gespenstern;  so  betrübt  waren  sie.  Und  die  Thränen  der 
Bäume   waren  Regen.    Endlich   boten   die  Gespenster  ihm   den  Feuerfoohrer  an. 


(575) 

Den  nahm  die  Grossmntter  an  nnd  gab  ihnen  den  Kopf  zurüek.  Seither  haben  die 

Menschen  das  Fener. 

9.   Der  Nerz. 

Der  Nerz  wollte  den  Schachtelhalm  heirathen.  Dieser  sprach:  „Nein,  Da 
kannst  mich  nicht  heirathen.  Was  willst  Da  than,  wenn  Treibholz  den  Floss 
herab  kommt?  Ich  benge  mich  dann  nieder,  lasse  den  Stamm  über  mich  fort- 
treiben und  richte  mich  wieder  auf."  Nerz  sprach:  „Das  kann  ich  auch."  Aber 
was  willst  Du  thun,  wenn  ein  Stamm  mit  vielen  Zweigen  den  Fluss  hinunter  treibt? 
Er  wird  Dich  aufspiessen  und  mitnehmen."  „Nein,"  sprach  Nerz,  „dann  beuge 
ich  mich  mit  Dir  und  komme  wieder  in  die  Höhe."  Da  nahm  der  Schachtelhalm 
ihn  zum  Manne.  Bald  kam  ein  Baumstamm  den  Fluss  hinab  getrieben.  Nerz  um- 
schlang den  Schachtelhalm.  Beide  beugten  sich  und  Hessen  den  Stamm  über  sich 
forttreiben.  Dann  aber  kam  ein  Stamm  mit  vielen  Zweigen.  Wieder  umfasste 
Nerz  seine  Frau.  Der  Stamm  aber  spiesste  ihn  auf,  ertränkte  ihn  und  trug  ihn 
den  Strom  hinab. 

Er  ging  zu  der  verfaulten  Kiefer  und  wollte  sie  heirathen.  (Diese  besteht  aus 
nichts  als  harziger  Rinde.)  Sie  sprach:  „Nein,  Du  kannst  mich  nicht  heirathen. 
Wenn  ich  warm  werde,  schwitze  ich  und  dann  wirst  Du  böse  werden."  „Nein," 
erwiderte  Nerz,  „das  thut  nichts."  Da  nahm  sie  ihn  zum  Manne.  Am  Morgen, 
als  es  warm  wurde,  fing  seine  Frau  an  zu  schwitzen  (d.  h.  das  Harz  fing  an  zu 
schmelzen)  und  seine  Brust  klebte  an  ihrer  Brust  fest.  Er  rief:  „Lass  mich  los. 
Du  sollst  mich  nicht  so  fest  halten I"  Sie  antwortete:  „Ich  halte  Dich  nicht,  ich 
schwitze  nur."  Da  ward  Nerz  böse  und  schlug  sie.  Seine  Hand  aber  klebte  auch 
fest.  Dann  schlug  er  sie  mit  der  anderen  Hand,  und  es  erging  ihm  nicht  besser. 
Dann  trat  er  sie  mit  Füssen  und  seine  Füsse  klebten  beide  an  ihr  fest.  Er  stiess 
sie  endlich  mit  dem  Kopfe  nnd  auch  dieser  klebte  fest.  Als  das  Harz  Mittags 
ganz  weich  wurde,  fiel  er  herunter.    Da  verliess  er  seine  Frau. 

Er  ging  zum  Adler  und  wollte  ihn  heirathen.  Der  hatte  fünf  Junge  und  wohnte 
auf  dem  Wipfel  einer  Ceder.  Er  kletterte  hinauf  und  als  der  Adler  mit  seinen 
Jungen  vom  Lachsfang  nach  Hause  kam,  fand  er  ihn  im  Neste.  Er  fragte:  „Was 
willst  Du  hier?"  Nerz  erwiderte:  „Ich  will  Dich  heirathen."  „Nein,"  sprach  er, 
„Du  kannst  mich  nicht  heirathen.  Ich  springe  von  hier  oben  herunter  und  fliege 
wieder  hinauf.  Das  kannst  Du  nicht."  „0!"  sprach  Nerz,  „das  kann  ich  auch. 
Ich  springe  herunter  und  fliege  wieder  hinauf."  Da  nahm  ihn  der  Adler  zum 
Manne.  Nach  kurzer  Zeit  wollten  sie  Lachse  fangen  Sic  setzten  sich  auf  einen 
hohen  Baum.  Der  Adler  fragte  Nerz:  „Siehst  Du  den  Lachs?"  „Ja,"  sagte  dieser, 
„dort  hinten,  weit  fort."  Er  sah  aber  in  Wirklichkeit  gar  nichts.  „Nein,"  sprach 
der  Adler,  „hier,  ganz  nahe  bei,  gerade  unter  uns  ist  er."  „0  ja!"  sagte  da  Nerz, 
„Ich  will  ihn  jetzt  fangen;  komme  Du  gleich  nach,"  sagte  der  Adler  und  stürzte 
sich  hinab.  Oleich  darauf  sah  Nerz  ihn  mit  einem  Fisch  zurückkommen.  Da 
sprang  auch  er  herunter.  Er  zerschlug  sich  an  den  Aesten  des  Baumes  die  Ein- 
geweide und  lag  todt  da. 

10.   Das  Stinkthier. 

Das  Stinkthier  hatte  zwei  Frauen,  die  Schnecke  und  die  Schlange.  Es  lebte 
in  einem  unterirdischen  Hause.  Der  Frairiewolf  ging  immer  an  seinem  Hause  vor- 
über auf  Jagd.  Das  mochte  das  Stinkthier  nicht  gerne  und  fragte  ihn  eines  Tages: 
„Warum  gehst  Du  immer  an  meinem  Hause  vorüber?  Ich  will  es  nicht."  Am 
nächsten  Tage  fand  er  etwas  rothe  Farbe  vor  seiner  Thüre.  Die  hatte  der  Frairie- 
wolf dorthin  gelegt.  Es  war  sein  Zaubermittel.  Da  rief  das  Stinkthier:  „Was  soll 
die  Farbe  hier?  Die  ist  doch  nichts  werth,"  und  als  der  Frairiewolf  wieder  vorbei 


(576) 

kam,  lauerte  er  ihm  auf  und  pisste  ihm  ins  Gesicht  Da  lief  der  Prairiewolf  ins 
Gebirge  zu  seinem  FVeunde,  dem  Ostwinde,  der  ihm  sagte,  er  solle  sein  Gesicht 
auf  bestimmte  Weise  bemalen.  Der  Prairiewolf  that  es,  als  er  aber  am  folgenden 
Tage  an  dem  Hause  vorüber  kam,  pisste  das  Stinkthier  ihn  wieder  an  und  machte 
ihn  fast  blind.  Das  Zaubermittel  des  Ostwindes  war  nicht  stark  genug.  Wieder 
rief  der  Prairiewolf  seinen  Schutzgeist,  den  Ostwind,  zu  Hülfe;  derselbe  vermochte 
aber  nichts  gegen  das  Stinkthier  auszurichten.  Da  gab  sich  der  Prairiewolf  für 
überwmiden  und  versprach  hinfort  nicht  mehr  an  dem  Hause  des  Stinkthieres  vor- 
überzugehen. Er  dachte  aber  darüber  nach,  wie  er  sich  an  jenem  rächen  könne. 
Als  eines  Tages  das  Stinkthier  auf  Jagd  aus  war,  rief  er  seinen  Freund,  den  Ost- 
wind. Da  brachte  dieser  einen  schweren  Schneefall,  und  das  Stinkthier  konnte 
nicht  wieder  nach  Hause  zurück,  da  der  Schnee  so  tief  war.  Ein  alter  Mann,  das 
Stachelschwein,  wusste  aber,  dass  das  Stinkthier  nahe  daran  war  umzukommen, 
und  erbarmte  sich  seiner.  Er  legte  seine  Zaubererkleidung  an  und  schüttelte  seinen 
Mantel  vor  dem  Hause  aus.  Da  fing  es  an  zu  regnen  und  aller  Schnee  sank  zu- 
sammen, so  dass  das  Stinkthier  leicht  darüber  fort  nach  Hause  gehen  konnte. 

11.   Die  Maus. 

Der  Pelikan  gab  einst  ein  grosses  Schenkfest.  Er  Hess  ein  junges  Mädchen 
mit  langen  Haaren,  die  Maus,  für  sich  auf  zusammengebundenen  Booten  tanzen. 
Er  band  Felldecken  an  Stangen  und  warf  dieselben,  als  seine  Gäste  kamen,  ins 
Wasser.  Da  sprangen  dieselben  ins  Wasser,  um  sie  aufzufangen.  Als  sie  ins 
Haus  kamen,  vertheilte  die  Maus  das  Essen  und  tanzte  für  den  Pelikan.  Die  Leute 
schlugen  Takt  und  sangen,  während  sie  tanzte.  Dann  vertheilten  sie  wieder  viele 
Decken.  Am  folgenden  Tage  reisten  die  Leute  vrieder  in  ihre  Heimath  zurück. 
Die  Maus  hatte  allen  so  gefallen,  dass  viele  sie  haben  wollten.  Der  Nerz,  welcher 
ein  armer  Mann  war,  legte  sich  Häuptlingskleider  an  und  band  sein  Haar  mit 
Bergziegenwolle  zurück,  damit  sie  ihn  für  einen  Häuptling  aus  einem  fernen  Lande 
halten  sollte,  und  wollte  sie  heirathen.  Sie  erkannte  ihn  aber  und  wies  ihn  zurück. 
Dann  kam  der  Donnervogel  und  warb  um  sie.  Sie  folgte  ihm  und  er  nahm  sie 
in  seine  Heimath  zurück.  Die  erste  Frau  des  Donnervogels  war  aber  eifersüchtig 
auf  die  Maus  und  wünschte  sich  ihrer  zu  entledigen.  Eines  Tages,  als  der  Donner- 
vogel mit  seiner  ersten  Frau  ausgegangen  war,  öfTnete  die  Maus  die  Kisten,  in 
denen  der  Donnervogel  seine  Vorräthe  an  ßergziegenfett  aufbewahrte,  und  ass 
davon.  Als  er  das  ausfindig  machte,  ward  er  zornig  und  warf  die  Maus  auf  die 
Erde  hinunter.    Daher  stiehlt  sie  noch  heute  immer  Lebensmittel.  — 

(22)   Eingegangene  Schriften. 

1.  Arnold,   Fr,    Tabulae   anatomicae.     Fase.   L     Icones   cerebri   et  medullae 

spinalis.  Turici  1838.  —  Fase.  IL  Icones  organorum  sensuum.  Turid 
1839.  —  Fase.  IV  pars  I.  Icones  ossium  Turici  1840.  —  Fase  IV  pars  II. 
Icones  articulorum  et  ligamentorum.     Stuttgardiae  1843. 

2.  Bälde,  Jac,  Krieg  der  Frösche  und  Mäuse.  Ein  Vorspiel  des  dreissigjährigen 

Krieges.    Aus  dem  Lateinischen  von  M.  J.  ßerchem.    Münster  1859. 

3.  Behaghel,  O.,  Die  deutsche  Sprache.    Leipzig  1886. 

4.  di  Castelli,    Nie,    Dizzionario   italiano-tedesco  e   tedesco-italiano.    Leipzig 

1700.    4°. 

5.  Cicero.  M.  T.,  Werke.    Stuttgart  1826—38.    8  Bände. 

Nr.  1—5  Gesch.  d.  Frau  San.-Rath  Schlemm. 


Sitzung  vom  18.  Juli  1891. 

Vorsitzender  Hr.  Beyrich. 

Derselbe  theilt  mit,  dass  Vorstand  und  Ausschuss  zu  beantragen  beschlossen 
haben,  dass  die  Gesellschaft  Herrn  Rudolf  Vir  chow  zur  Feier  seines  70.  Geburts- 
tages zum 

Ehren-Präsidenten 

ernennen  möchte. 

Auf  Antrag  des  Hrn.  Maass  wird  dieser  Vorschlag  durch  Acclamation  ange- 
nommen. 

Der  Vorsitzende  zeigt  an,  dass  diese  Ernennung  Hm.  Virchow  erst  an 
seinem  Geburtstage  bekannt  gegeben  werden  soll. 

Hr.  Virchow  betritt  demnächst  den  Saal. 

Vorsitzender  Hr.  Virchow. 

(1)  Als  Gäste  sind  anwesend  und  werden  von  dem  Vorsitzenden  freundlich 
begrüsst  die  Herren  Dr.  Bai  er  aus  Stralsund  und  Szombathy  aus  Wien. 

(2)  Vorstand  und  Ausschuss  haben  Fräulein  Joh.  Mestorf  in  Kiel  zum 
Ehrenmitgliede  der  Gesellschaft  erwählt. 

(3)  Die  neugewählten  correspondirenden  Mitglieder,  die  HHm.  Brizio,  Sergi 
und  Zampa,  sprechen  ihren  Dank  aus  ftlr  ihre  Ernennung. 

(4)  Als  lebenslängliches  Mitglied  ist  Hr.  Corning  in  Genf  eingetreten. 
Als  neues  Mitglied  wird  angemeldet  Hr.  Dr.  Bornemann  in  Eisenach. 

(5)  Die  Enthüllung  des  Nachtigal-Denkmals  in  Stendal  hat  unter 
grossen  Feierlichkeiten  stattgefunden.  Die  Gesellschaft  war  durch  Mitglieder  des 
Vorstandes  und  freiwillige  Theilnehmer  vertreten. 

\ 

(6)  Das  Programm  fllr  die   anthropologische  Generalversammlung  in 

Danzig  wird  vorgelegt  Zugleich  wird  mitgetheilt,  dass  die  Absicht  besteht,  nach 
Schlnss  derselben  über  Marienburg  nach  Elbing  und  Königsberg  und  von  da  an 
die  samländische  Ostseeküste  und  das  Kurischc  Hafit  zu  gehen. 

(7)  Der  Chef  der  Colonialabtheilung  des  Auswärtigen  Amtes,  Hr.  Kayser, 
hat  dem  Vorsitzenden  einen  Band  Photographien  zur  Verfügung  gestellt,  welche 
Dr.  Zintgraff  im  Bali -Lande  (Hinterland  von  Kamerun)  aufgenommen  hat.  Der 
Vorsitzende  übergiebt  denselben  der  Gesellschaft  unter  dem  Ausdrucke  des  Dankes 
für  das  überaus  werthvoUe  Geschenk,  welches  die  von  Hm.  Zintgraff  der  Ge- 
sellschaft  selbst  übermittelten  Aufnahmen  von  Eingebomen  in  erwünschter  Weise 

Verbandl.  der  Berl.  Aattirop.  Qesellscbaft  1891.  87 


(578) 

ergänzt.  Hr.  Kayser  erklärt  sich  ausserdem  bereit,  wissenschaftliche  Weisungen 
an  die  Leiter  der  Expeditionen  und  die  Beamten  der  Schutzgebiet«  zu  vermitteln, 
soweit  nicht  unmittelbare  öffentliche  Interessen  darunter  leiden  sollten. 

(8)  Der  Vorsitzende  begrüsst  den  von  seiner  Reise  nach  Palästina  zurück- 
gekehrten Hrn.  Eugen  Bracht,  und  theilt  aus  dessen  Briefe,  d.  d.  Baalbek,  1.  Juni, 
folgende  Stellen  mit: 

„Die  beabsichtigte  Tour  nach  dem  Negeb,  dem  Lande  südlich  von  Palästina, 
habe  ich  glücklich  ausgeführt,  indessen  künstlerisch  nur  massige  Ausbeute  gehabt; 
das  Beste  waren  die  grossen  Ruinen  von  S^baita,  einer  Stadt  aus  den  ersten  Jahr- 
hunderten unserer  Zeitrechnung,  mit  grossen  Kirchen  und  den  Resten  einer  kurz- 
lebigen Cultur. 

Das  übrige  Land  war  hügelige  Steppe,  ganz  bäum-  und  wasserlos;  alle  Thäler 
und  Mulden  zu  Acker  und  Gai-tenland  terrassirt,  —  jetzt  beinahe  unbewohnte  Wüste. 
Die  wenigen  Beduinen  fristen  ihr  Dasein  lediglich  mittelst  einzelner  herrlicher 
Brunnen  aus  jener  alten  Culturzeit.  An  manchen  Orten  ist  ausser  dem  Bronnen 
überhaupt  fast  nichts  mehr  vorhanden.  Von  2  solchen  Plätzen  habe  ich  Gelegen- 
heit gehabt,  je  einen  Schädel  mitzunehmen,  falls  dieselben  für  Sie  Interesse  haben 
sollten.  In  beiden  Fällen  waren  die  alten  Begräbnissplätze  auf  dem  Hochufer  der 
Wadys  durch  den  allmählich  verschobenen  Wasserlauf  angefressen  und  die  Be- 
stattungen freigelegt  worden.  Hoffentlich  bringe  ich  dieselben  heil  nach  Berlin. 
Die  Fundorte  heissen  „Rakhameh^  und  „Wady  Asludj**;  die  Leiche  war  beim 
letzteren  Ort  mit  einer  Art  Korbgeflecht  überdeckt,  der  Kopf  insbesondere  in  ein 
solches  eingebettet  und  das  Ganze  mit  dicker  Lehmschicht  umhüllt.^ 

Die  angekündigten  Schädel  sind  inzwischen  eingetroffen  und  Hr.  Bracht  hat 
darüber  folgende  Mittheilung  übergeben: 

Nr.  1.  Schädel  vom  Leichengräberfeld  von  Rakhameh  oder  Rachame,  dem 
alten  Ziklag. 

Die  periodischen  Wasserläufe  des  Wady  Rakhameh  haben  unter  ständiger 
Verschiebung  des  Strombettes  nach  Westen  das  rechte  Ufer  angefressen,  welches 
jetzt  eine  beiläufig  5 — 7  m  hohe  senkrechte  Mergelböschung  darstellt  Ein  Theil 
des  alten  Leichengräberfeldes  ist  auf  diese  Weise  bereits  abgeschwemmt  und  gegen- 
wärtig treten  7  Skelette  zu  Tage.    Dieselben  liegen  in  gleicher  Höhe,  etwa  1,5  w 


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tief  unter  der  Oberfläche  und  gleichmässig  nach  Osten  orientirt;  die  Leichen 
scheinen  in  freier  Erde  gebettet,  sind  indessen  theil  weise  mit  grösseren  Stdn* 
platten  zugedeckt.  Eine  etwaige  äussere  Andeutung  der  Gräber  ist  nicht  wahmehmbtr. 
Der  vollgefundene  Schädel  ist  von  Pflanzenwurzeln  stark  angegriffen,  indem 
gerade   durch   seine  Lagerstelle  eine  enge  Wasserrinne  ausgewaschen  tat,   welche, 


(579) 

mit  kleinen  Büschen  bewachsen,  den  Schädel  seit  einiger  Zeit  zur  Hälfte  bioss- 
gelegt  hatte. 

An  Beigaben  war  weder  bei  diesem,  noch  bei  den  übrigen  unterwaschenen  Ge- 
rippen etwas  zu  bemerken. 

Von  der  alten  Stadt  sind  thalaufwärts  Mauerreste  von  Häusern  und  Thürmen, 
Garten-  und  Peldterrassen,  z.  Th.  wohl  Weinberganlagen,  erhalten;  schräg  gegen- 
über Yom  Gräberfeld  befindet  sich  auf  dem  linken  Ufer  ein  cistei*nenartiger  ge- 
mauerter Brunnen,  zur  trocknen  Jahreszeit  das  einzige  Wasser  weit  und  breit. 

Die  Bergung  des  Schädels  von  oben  her,  welche  des  überhängenden  Erdreichs 
wegen  nicht  gerade  leicht  war,  wurde  in  dankenswerther  Weise  von  meinem  Reise- 
gefährten, Preiherrn  von  Eckart  stein  ausgeführt. 

Nr.  2.     Schädel  von  Wady  Asludj,  auch  Asluj. 

Das  Wady  Asludj  liegt,  durch  eine  felsige  Gebirgskette  vom  Wady  Rakhameh 
getrennt,  eine  Tagereise  westlich  von  diesem  und  bildet  orographisch  den  unteren 
Verlauf  desselben,  indem  die  Wasser  des  Wady  Rakhameh  durch  eine  enge  Felsen- 
schlucht nach  Asludj  Abfluss  finden. 

Unter  Asludj  wird  nicht  allein  das  Thal  oder  Flussbett  vom  Gebirge  an  bis 
zur  Einmündung  oder  Vereinigung  mit  dem  Wady  Seba  verstanden,  sondern  auch 
besonders  eine  Ruinenstätte  mit  einem  vortrefiT liehen  Brunnen.  Etwa  2  Stunden 
thalabwärts  von  Asludj  liegen  die  ausgedehnten  Ruinen  von  Khalasa  oder  Chalasa, 
dem  alten  Elusa;  dieser  alte  Namen  scheint  in  beiden  Bezeichnungen  Khalasa  und 
Asluj  nachzuklingen. 

Die  Ruinenstätte  im  Wady  Asludj  breitet  sich  am  rechten  Ufer  des  Strom- 
bettes aus.  Die  Reste  sind  ausgedehnt,  aber  unbedeutend:  geringe  Häuserruinen, 
Mauerzüge,  Scherben,  Glas-  und  Bronzefragmente,  Feuersteine  zum  Feuerschlagen, 
wie  auch  messerförmige,  abgenutzte  Spähne.  Auf  dem  linken  Ufer,  etwas  ober- 
halb, befindet  sich  in  ebener  Fläche  eine  Gruppe  von  5 — 6  Brunnen,  bis  auf  einen 
sämmtlich  verschüttet;  der  noch  benutzte  Brunnen  ist  prächtig  aus  Marmorqnadem 
erbaut  und  hatte  einst  eine  Bedachung,  von  der  noch  die  Bogenansätze  vorhanden 
sind ;  ein  Dutzend  Steintröge,  zum  Theil  antik,  umgeben  ihn  im  Kreise  zur  Tränkung 
der  Heerden. 

Aus  der  Lehmwand  der  Ufeiböschung  in  der  Nähe  der  Mauerzüge  ragen  auch 
zwei  starke  Manerpfeiler  gegen  das  Strombett  vor,  entweder  üfemiauern  oder  Reste 
eines  Brückenkopfes. 

Dicht  neben  diesen  Resten  hat  das  Regenwasser  eine  Rinne  bis  zur  Thal- 
sohle ausgewaschen  und  in  der  Seitenwand  derselben  war  die  Ausschachtungsstelle 
eines  Grabes  erkennbar,  so  dass  die  nähere  Besichtigung  sogleich  Theile  des  Ske- 
lets  erkennen  liess. 

Die  Sohle  des  Grabes  war  1,5  m  unter  der  Oberfläche.  Orientirung  annähernd 
östlich. 

Die  Leiche  war  mit  einem  Reisiggeflecht  zugedeckt,  welches  den  Kopf  korb- 
artig umgab,  und  das  Ganze  sodann  mit  starker  Lehmlage  überstrichen,  welchem 
Schutze  wohl  die  gute  Erhaltung  der  Knochen  zuzuschreiben  ist.  Bei  der  Hebung 
des  Schädels  waren  sämmtliche  Zähne  erhalten  und  intakt,  indessen  bröckelten  die 
Schneidezähne  noch  vor  dem  Verpacken  theilweise  ab  und  ein  Backzahn,  welcher 
ausfiel,  konnte  nicht  wieder  aufgefunden  werden.  Die  Bestattung  war  möglicher- 
weise schon  vorhanden,  als  die  Maueranlagen,  welche  der  römischen  Epoche  an- 
zugehören scheinen,  hergestellt  vrurden. 

Eine  halbe  Stunde  thalaufwärts  von  hier,  noch  oberhalb  der  Brunnengruppe, 
dehnt  sich  auf  dem  linken  Ufer  ein  grosses  Begräbnissfeld  des  Azazimeh-Beduinen- 

37* 


(580) 

Stammes  aus;  hier  dient  eine  ornamentirte,  pilasterartige  Marmorplatte  als  Grab- 
stein, Yon  der  alten  Stadt  herrührend.  Zwei  ganz  gleiche  Sttlcke  sah  ich  in  Silo,  in 
einem  antiken  Gebäade,  bereits  von  älteren  Resten  entnommen,  als  Einfassungen 
einer  Wandnische-,  und  zwar  verkehrt  eingebaut.  — 

Hr.  Virchow: 

1)  Der  Schädel  von  Rakhameh  ist  sehr  gebrechlich  und  mehrfach  durch 
Verwitterung  defekt.  Die  überall  offenen  Nähte  sind  lose  geworden  und  zeigen 
besonders  am  Hinterhaupt  Lücken,  wie  denn  auch  die  Squama  occip.  zum  Theil 
zerstört  ist;  an  der  Basis  ist  ein  grösserer  Defekt,  der  die  Apophysis  basilaris  und 
die  linke  Seite  der  Umgebungen  des  For.  magnum  betrifft.  Trotzdem  hat  sich, 
nicht  ohne  grosse  Schwierigkeiten,  eine  approximative  Ausmessung  des  Inhalts  und 
eine  Ermittelung  der  Durchmesser  herstellen  lassen. 

Es  ist  zweifellos  der  Schädel  eines  Weibes,  klein  und  zart,  annähernd  von 
einer  Capacität  von  1040  ccm^  also  nannacephal.  Er  erscheint  kurz,  schmal  und 
niedrig,  indess  bei  der  Kleinheit  der  meisten  Maasse  ergiebt  sich  doch  ein  meso- 
dolichocephalcs  Verhältniss  (Längenbreitenindex  72,7,  Längenhöhenindex  un- 
gefähr 74,4).  Nach  dem  Ohrhöhenindex  (56,9)  würde  man  ihn  als  chamaecephal 
klassiftciren  können.  Der  Hinterhauptsindex  beträgt  30,8,  entsprechend  der  rela- 
tiven Grösse  der  Hinterhauptsschuppe.  Der  horizontale  Umfang  beträgt  nur  478, 
der  sagittale  341  mm;  von  letzterem  entfallen  auf  das  Stirnbein  33,7,  auf  die  Pfeil- 
naht 35,1,  auf  die  Hinterhauptsschuppe  31,0  pCt.  Die  Entwickeluug  ist  denmach 
eine  ziemlich  gleichmässige,  jedoch  mit  Prävalenz  des  Mittelkopfes. 

Die  Stirn  ist  niedrig,  schmal,  etwas  geneigt,  von  sehr  sanftem  Aussehen,  ohne 
Wülste,  mit  schwachen  Tubera  und  kaum  vertiefter  Glabella.  In  der  Goronaria 
rechts  an  der  Rreuzungsstelle  der  Linea  temporalis  ein  kleiner  Schaltknochen. 
Beiderseits  kleine  Epipterica  über  den  niedrigen  und  stark  eingebogenen  Alae 
sphenoideales.  Die  Parietalia  etwas  gestreckt.  Das  Hinterhaupt  schmal  und 
länglich.     Warzenfbrtsätze  schwach.     Foramen  magnum  länglich. 

Das  Gesicht  ist  klein  und  schmal,  leptoprosop  (93,9).  Insbesondere  sind 
die  Jochbogen  fast  gerade  und  angelegt,  die  Wangenbeine  klein  und  wenig  vor- 
tretend, die  Kieferwinkel-Distanz  (82  nun)  gering.  Die  Orbitae  hyperhypsikoncb 
(91,4),  die  Nase  hyperleptorrhin  (44,8).  Schwache  Fossae  caninae.  Alveolar- 
fortsatz  kurz  (16  mm)  und  stark  prognath.  Die  2^hne  meist  abgenutzt,  jedoch 
einzelne  mit  noch  frischen  Kronen.  Gaumen  leptostaphylin  (76,0).  Der  Unter- 
kiefer klein,  in  der  Mitte  28  mm  hoch  und  stark  eingebogen,  die  Aeste  32  mm  breit, 
aber  niedrig:  Proc.  coronoides  55  nun  hoch. 

2)  Der  Schädel  vom  Wadi  Asludj  (Asludsch),  am  29.  April  erworben,  ist 
sehr  vollständig  erhalten.  Es  ist  ein  grosser,  schwerer,  männlicher  Schädel  von 
hellgelber  Farbe,  am  Hinterhaupt  etwas  abblätternd  und  darunter  von  kreidig- 
weissem  Aussehen.  Die  linke  Schläfenschuppe  steht  etwas  ab.  Die  Zähne  brüchig 
und  etwas  verletzt,  sonst  aber  bis  auf  die  mittleren  Schneidezähne  und  den  linken 
Molaris  in  vollständig.  Alle  Theile  sind  stark  entwickelt,  die  Supraorbitalwülste 
und  der  Nasenfortsatz  sehr  kräftig,  die  Lineae  temporales  stark,  aber  nicht  hoch, 
das  Hinterhaupt  nicht  stark  gezeichnet,  dagegen  die  Warzenfortsätze  und  der  Unter- 
kiefer gross.  Die  Nähte  wenig  gezackt  und  offen,  nur  die  Sagittalis  hinter  den 
Emissaria,  die  schief  stehen  und  einander  sehr  genähert  sind,  etwas  verwachsen. 

Die  Capacität  beträgt  1425  ccm^  der  horizontale  Umfang  516,  der  sagütale 
387  mm;  von  letzterem  gehören  34,6  pCt.  dem  Stirnbein,  35,6  den  Parietalia,  29,7 
der  Hinterhanptsschuppe,  —  also  nahezu  ähnliche  Verhältnisse,  wie  bei  dem  weih- 


(581) 

liehen  Sehädel  von  Rakhameh.  Die  Form  ist  gleichfalls  mesodolichocephal 
(Längenbreitenindex  72,6,  Längenböhenindex  71,5),  jedoch  hat  auch  hier  der  Ohr- 
höhenindex nur  59,1.  Das  Ohrloch  steht  also  yerhäitnissmässig  hoch.  Der  ELinter- 
hauptsindex  (32,7)  ist  angewöhnlich  gross. 

Die  Stirn  etwas  schräg,  Glabella  stärker  entwickelt,  Tubera  schwach,  der 
hintere  Theil  des  Stirnbeins  lang.  Die  Parietalia  lang,  mit  kräftigen  Tubera, 
stark  gewölbt,  von  der  Tuberallinie  an  abfallend.  Am  Hinterhaupt  die  Oberschuppe 
vortretend  und  gewölbt,  die  Untersehuppe  mit  zahlreichen  Muskeleindrücken.  Alae 
gross.  Foramen  magnum  etwas  tief  liegend.  Die  Apophysis  basil.  flach  und  etwas 
eingebogen,  Proc  styloides  und  pterygoides  gross.  Die  Seitentheile  des  Schädels 
abgeplattet,  daher  die  Hinteransicht  fast  ogival. 

Das  Gesicht  erscheint  auch  hier  wegen  der  gestreckten  StcHlung  der  Jochbogen 
schmal  und  hoch,  hat  aber  einen  chamaeprosopen  Index  (87,0).  Wangenbeine 
nach  oben  eingebogen,  nach  unten  wenig  vortretend.  Orbitae  fast  viereckig,  nach 
aussen  und  unten  ausgebuchtet,  daher  etwas  schief,  Index  hypsikonch  (85,7). 
Nase  kolossal  vortretend,  Ansatz  tief,  Rücken  leicht  gerundet,  gegen  das  untere 
Ende  stark  emporgehoben,  Apertur  gross,  Stachel  stark,  Index  mesorrhin  (51,0). 
Alveolarfortsatz  sehr  kurz  (12  mm\  aber  stark  prognath.  Zähne  gross.  Gaumen 
ultraleptostaphylin  (61,2).  Der  Unterkiefer  dünn,  in  der  Mitte  33  wim  hoch, 
eingebogen,  Kinn  vortretend,  eckig-rundlich.  Aeste  breit  (35  mm),  der  Proc.  coro- 
noides  68  tnm  hoch.    Rieferwinke Idistanz  gering,  annähernd  93  mm.  — 

Es  ist  leicht  ersichtlich,  dass  die  beiden  Schädel,  obwohl  von  verschiedenen 
Gräberfeldern  herstammend,  abgesehen  von  ihrer  Grösse,  in  allen  Hauptstücken 
übereinstimmen  und  derselben  Rasse  angehört  haben  mtlssen.  Abweichend  sind 
am  meisten  die  Gesichts-  und  Nasenindices,  welche  bei  dem  männlichen  Schädel, 
trotz  seiner  sonstigen  Grösse,  niedriger  geblieben  sind.  Höchst  auffallend  ist  bei 
beiden  die  fast  gerade  gestreckte  Stellung  der  Jochbogen  und  der  ausgemachte 
Prognathismus  bei  verhältnissmässig  kurzen  Alveolarfortsätzen 

Wir  besitzen  seit  längerer  Zeit  eine  Reihe  von  Schädeln  aus  dem  Ostjordun- 
lande,  welche  mein  leider  so  früh  verstorbener  Freund  und  Schüler  Paul  Langer- 
hans jun.  von  einer  Reise  mitbrachte,  welche  er  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres 
1870  in  Begleitung  des  Hrn.  H.  Kiepert  ausgeführt  hatte.  Er  hat  ausführlich 
über  dieselben  berichtet  im  Archiv  für  Anthropologie  1873.  Bd.  VI.  8.39  und  201, 
nachdem  er  schon  in  der  Zeitschr.  f.  Ethnol.  1873.  Bd.  V.  S.  27.  Taf.  III— VI  die 
Ergebnisse  seiner  Untersuchungen  an  Lebenden  mitgetheilt  hatte.  Da  jedoch  diese 
letzteren  theils  Kurden,  theils  Armenier,  theils  Neger  waren,  so  können  sie  hier 
ausser  Betracht  bleiben.  Für  die  Vergleichung  bleiben  vorzugsweise  diejenigen 
Schädel,  welche  Langerhans  als  Beduinen-Schädel  bezeichnete;  sie  stammen 
vom  linken  Ufer  des  Jordan,  namentlich  von  Hirbe  Sar,  Es-Salt  und  Amman 
(Philadelphia),  also  von  ziemlich  weit  nördlich  liegenden  Plätzen,  wenn  wir  das 
Negeb  in  Parallele  stellen.  Nichtsdestoweniger  wird  man  wohl  eine  nahe  Stammes- 
verwandtschaft voraussetzen  dürfen.  Langerhans  hat  gute  Abbildungen  von  den 
Beduinen-Schädeln  gegeben  (Archiv  S.  50—52);  sie  zeigen,  dass  in  der  Mehrzahl 
in  der  That  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  den  Schädeln  aus  dem  Negeb  besteht. 
Immerhin  ist  das  Material  nicht  gross  genug  und  zugleich  nicht  hinreichend  sicher, 
um  abschliessende  Resultate  zu  liefern;  es  wird  sich  die  Gelegenheit  wohl  finden, 
darauf  zurückzukommen.  Jedenfalls  müssen  wir  Hrn.  Bracht  sehr  dankbar  sein, 
dass  er  die  Gelegenheit  wahrgenommen  hat,  unsere  Sammlung  mit  guten  Beispielen 
von  Schädeln  einer  schwer  zugänglichen  Region  zu  bereichern. 


(582) 


Schädel  aus  dem  Negeb 


I.   Messungen. 

Capacität 

Grösste  horizontale  Länge 

^       Breite 

Gerade  Höhe 

Ohrhöhe 

Hinterhauptslänge 

Stimbreite 

Entfernung  des  For  magn.  von  der  Nasenwurzel 

„       ^        ^       vom  Nasenstachel     . 

^        «         „      Alveolari'and     . 

^       ^        .         „     Zahnrand.    . 

^  ^       „        n         r     Kinn    .... 

^  ^     Gehörganges  von  d.  Nasenwurzel 

„  ^  vom  Nasenstachel . 

.,     Alveolarrand . 

^     Zahnrand  .    . 

^  y,  ^  y,     Kinn.    .    .    . 

Horizontalumfang 

Sagittalumfang  des  Stirnbeins 

der  Parietalia 

^  der  Squama  occipitalis  .... 

Ganzer  Sagittalbogen 

Gesichtshöhe 

Gesichtsbreite  a 

b 

c 

Orbita,  Höhe 

Breite 

Nase,     Höhe 

^       Breite 

Gaumen,  Länge 

^         Breite 

Gesichtswinkel 

n.  Indices. 

Längenbreitenindex 

Längenhöhenindex 

Ohrhöhenindex 

Hinterhauptsindex 

Gesichtsindex 

Orbitalindex 

Nasenindex 

Gaumenindex 


Wadi 
Asludj 

ö 


Rekhameh 


1425 

1040 

186 

172 

135p 

125t 

133 

128? 

110 

98 

61 

53 

91 

87 

99 

102 

99 

89 

105 

92 

(108) 

— 

109 

88 

107 

102 

113 

103 

118 

107 

(122) 

— 

131 

116 

516 

478 

134 

115 

138 

120 

115 

106 

387 

341 

108 

109 

124 

116 

89 

90 

93? 

82 

30 

32 

35 

36 

49 

49 

25 

22 

62 

50? 

38 

38 

71° 

71° 

72,6 

72,7 

71,5 

74,41 

59,1 

56,9 

32,7 

80.8 

87,0 

98,9 

85,7 

91,4 

51,0 

443 

61,2 

76,0 

(583) 
(9)   Hr.  H.  Jentsch  in  Guben  berichtet  anler  dem  II.  über 
vorslaTigche  Fnnde  ana  der  Niederlansitz. 
Während  der  letzten  Monate  sind  im  Gubener  Kreise  und  in  dessen  Nachbar- 
schaft an   verschiedenen  Stellen  Änsgrabnngen   vorgenommen  worden,   von  denen 
einige  charakteristische  Funde  ergeben  haben. 

I.   Nieroaschkleba. 

In  dem  seit  einer  Reihe  von  Jahren  gelegentlich  ansgebentelen  Cmenfelde 
beim  Vorwerk  Niemaschkleba,  welches  sUdlich  von  dem  Dorfe  gleichen  Namens, 
im  östlichen  Tbeile  des  Gnbener  Kreises,  unweit  der  Oder  liegt,  ist,  100  Schritte 
nordwestlich  vom  Gutshanse  an  der  Wegtheilong,  nur  I— l'/i  Fnss  tief,  ein  Grab 
geöffnet  worden.  Der  Steinsatz  war  an  einer  Seite  bereits  bei  der  vor  49  Jahren 
erfolgten  Fflanznng  einer  jetzt  wieder  beseitigten  Pappel  we^enommen.  Die  Fnnde 
vergegenwärtigen  die  gleichzeitig  hier  in  Gebniuch  gewesenen  Gerassrormcn  nnd 
Nadeltypen.  Alle  dieser  Graft  entnommenen  Tbongefässe  sind  sehr  kräftig,  fest 
and  massig  gearbeitet.  In  der  Mitte  stand  eine  grosse,  durch  die  Wurzeln  zer- 
sprengte Urne,  deren  unterer  Theil  sich  schOsselartig  erweitert,  während  der  obere 
über  der  Einwölbung  mit  fast  cylindrisch  aufsteigendem  Halse  in  weiter  OeRnnng 
abscbliesst  Bei  den  Knochen  lagen  etliche  Backenzähne,  doch  kein  Metall.  Um 
diesen  Leichenbeh älter  herum  standen  mehrere  Buckel-  und  zwei  glatte,  aus- 
gebauchte Gefässc. 

Unter  jenen  ersteren  ist  ein  Napf  von  16  rm  Höhe  mit  ein  wenig  nach  aussen 
gerichtetem,  ö  em  hohem  Halse  nnd  fast  2  cm  weit  waagerecht  ausgelegtem  Rande. 
Bei  einem  zweiten  schüesst  der  gleichfalls  konisch  erweiterte  Hals  ohne  aas- 
geklappten Saam  ab',  unmittelbar  unter  dem  oberen  Rande  setzt  hier  ein  4,&  cm 
breiter  Henkel  an,  der  anfangs  waagerecht  verläuft,  dann,  kantig  gebrochen,  5  ent 
weit  herabgefUhrt  ist  nnd  zwei  Finger  fasst.  An  beiden  Näpfen  sind  um  die  spitz 
aus  den  Dellen  heraustretenden  Buckel  zwei  breite,  tiefe  Furchen  und  zwischen 
je  zwei  der  Verzieningen  3—4  senkrechte  Linien  gezogen.  Bin  drittes  Gefäss  mit 
cylindrisch  aufgerichtetem  Halse  bat  2  kräftige  Oehsen,  und  zwar  weniger  weit 
heraustreten  de,  aber  für  den  Gesammteindruck  durch 

je  5  concentrische  Rreisforchen  stark  markirte  Backe).  Figur  2, 

Allen  Böden  ist  ein  ringförmiger  Standfuss  untergelegt. 
Hierzu  treten  2  Gefässc  von  der  Art,  wie  sie  in  der 
Regel  neben  Backe  lumen  erscheinen.  Es  sind 
schlichte,  in  mittlerer  Höhe  ausgebauchte,  unter  dem 
Rande  ziemlich  tief  ein  gewölbte  Töpfe  von  14,  bezw.  "^'S"'  '■ 

18  cm  Höhe  und  17,  bezw.  16  cm  grösster  Weite.  Bei 
dem  niedrigeren  (Fig.  1)  ist  der  Saum  Qach  ausgelegt. 
In  dem  höheren  lagen  unter  dem  Sande  auf  dem 
Boden  2  Nadeln.  Die  eine,  nur  6  cm  lang,  durchweg 
etwas  abgeplattet,  ist  am  oberen  Ende  schleifenartig 
umgebogen,  und  schliesst  hier  mit  einer  allen  Bruch- 
stelle ab  (Fig.  3):  sie  erinnert  an  ein  Exemplar  von  i'^ 
Lieberosc,  welches  im  oberen  Theile  vierkantig  und 
in  etwas  stärkerer  Rnndung  zusammengebogen  ist 
(Besitzer  Oberprediger  Krtlger  in  Lieberoae);  voll- 
ständiger erhalten  ist  eine  Schleifennadel  von  Star- 
zeddel,  abgebildet  Verb.  1886,  8.  415.  Fig.  5.  Von  ein- 


(584) 

Figur  8.  facherer  Art  ist  das  zweite  Stück  von  15,5  cm  Länge, 

^^g^^s^ssB^fi  das  6  cm  weit  vom  Knopf  so  stark  zusammengebogen 

ist,  dass  sich  das  untere  Ende  diesem  bis  auf  1  cm 
nähert.  Die  Zusamroenbiegung  scheint  nachträglich 
erfolgt  zu  sein,  wofür  eine  grössere  Zahl  von  längs 
verlaufenden  Rissen  der  Aussenseite  spricht.  Der 
/«  Knopf  ist  platt,    doppelkonisch  (Fig.  3).    Ein  in  ähn- 

licher Weise  zusammengebogenes  Exemplar  fand  sich 
gleichfalls  in  Verbindung  mit  Buckelurnen  bei  Sellessen,  Kr.  Spremberg;  auch  er- 
innert an  diese  Gestalt  das  Bruchstück  von  Goschen,  Kr.  Guben  (abgebildet  im 
Gubener  Gymn.-Progr.  1886.  Taf.  3.  Fig.  38),  das  angeblich  (a.  a.  0.  S.  18)  anders 
verlief.  Gleichfalls  unvollständig  ist  eine  bei  Gleinau  in  Schlesien  gefundene  zu- 
sammengebogene Nadel  im  Besitz  von  Dr.  Busch  an  (abgebildet  Verhandl.  1888. 
8.  153.  Fig.  8). 

11.    Scheibennadel  von  Christianstadt,  Kr.  Sorau. 

Südwestlich  von  Christianstadt  ist  auf  einem  sandigen  Felde,  anscheinend  in 
einem  verwüsteten  Urnen  friedhof,  eine  Bronzenadel  mit  senkrecht  voi^legter 
Scheibe  gefunden  worden.  Der  Schaft  ist,  obwohl  vollständig  erhalten  und  spitz 
auslaufend,  nur  9  cm  lang;  unter  rechtem  Winkel  biegt  er  sich  um  und  trägt  in 
einem  Abstand  von  1  cm  eine  kreisförmige  Platte  von  2,6  cm  Durchmesser;  aus  ihr 
ragt  die  Nadel,  geglättet,  ein  wenig  hervor.  Diese  flache  Kuppe  wird  von  6  con- 
centrischen  Kreisen  umzogen;  es  folgt  ein  glatter  Streifen  von  3  mm  Breite,  welchen 
3  concentrische  Furchen  umgrenzen;  ein  schmaler  glatter  Rand  bildet  den  Ab- 
schluss.  Das  Stück  ähnelt  dem  von  Virchow,  Gräberfeld  von  Koban  S.  35  f.  an- 
geführten Funde  von  Stralsund  und  dem  schwedischen  von  Längbro  in  Söderman- 
land  (Montelius,  Bronsäldem  1872.  S.  263.  Fig.  21),  sowie  dem  von  Neumünster 
(Tr.  Arnkiel,  Cimbr.  Heydenbegräbnisse,  Hamb.  1702.  Bd.  III.  S.  164).  Ein  Seiten- 
stück aus  Eisen  von  Gawlowice,  Kr.  Graudenz,  erwähnt  Und s et.  Das  Elisen  in 
Nordeuropa  S.  134,  Abbild.  Taf.  14.  Fig.  7.  Die  Nadel  von  Tolkewitz  bei  Dresden 
(Preusker,  Blicke  in  die  vaterländ.  Vorzeit  III.  S.  87.  Anm.  1;  Taf.  6.  Fig.  46, 
auch  bei  Klemm,  German.  Alterthumskunde  1836.  S.  61.  Taf.  2.  Fig.  6)  scheint 
durch  eine  leichte  Biegung  im  Schaft  den  Uebergang  zu  den  S-förmig  gewundenen 
Nadeln  zu  bilden,  zumal  da  die  Scheibe  von  Preusker  als  hohlspiegelartig  be- 
zeichnet wird,  wie  die  Platte  dieser  Nadeln  ja  nicht  selten  ist. 

lU.    Gezeichneter  Stöpseldeckel  von  Friedland,  Kr.  Lübben. 

In  dem  mehrfach  besprochenen  nördlichen  Grenzstreifen  der  Niederlaositz 
(Verh.  1890.  S.  485  ff.)  hat  sich  bei  Friedland  i.  L.  ein  Deckel  von  7  cm  Durch- 
messer  mit  unten  angelegtem  Falzrande  gefunden,  dessen  Oberseite  mit  einem 
Kreuz  aus  Doppellinien  verziert  ist  (Besitzer  Postgehülfe  Voigtmann,  z.  Z.  in 
Christianstadt  a.  Bober).  Das  Stück  bildet  ein  Mittelglied  in  der  Reihe  ähnlicher 
Funde.  Oertlich  steht  ihm  am  nächsten  ein  Fund  von  Grunow-Mixdorf,  Kr.  Lübben. 
Bei  diesem  tritt  ein  seichter  Knopf  heraus,  welcher  von  2  Furchen  umzogen  ist,  und 
von  dem  5  Strahlen  ausgehen,  aus  je  3  Strichen  zusammengesetzt  (Abbildung  in  den 
Niederlausitzer  Mittheil  II.  Taf.  2.  Fig.  4.).  Diese  beiden  Verzierungsmuster  sind 
gleichsam  eine  Vorstufe  des  noch  etwas  mehr  zusammengesetzten  auf  dem  Deckel 
einer  Dose  von  Coschen  im  nordwestlichen  Theile  des  Gubener  Kreises:  den 
Aussenrand  bildet  eine  von  2  concentrischen  Kreisen  begrenzte  Zone,  welche  mit 
Punkteinstichen  ausgefüllt  ist;  in  derselben  Weise  sind  die  Zwischenräume  zwischen 


(585) 

den  von  der  Mitte  auagehenden  8  Strahlen  verziert  (Verh.  1886.  S.  654;  Abbild. 
Zeitschr.  f.  Bthool.  IX.  1877.  Taf.  XVII.  Fig.  5).  Strahlenrörmlg  ist  auch  die  Ver- 
zierung eines  ziemlich  hochgewötbten  zweiten  Deckels  von  Friedland,  dessen  Knopf 
abgebrochen  nnd  deasen  Hund  gekerbt  ist  (Weineck  in  den  Niederlaos.  Mittheil.  I. 
S.  315  f.  Taf.  4.  Fig.  20).  Während  hier  die  Strahlen  die  ganze  Oberfläche  be- 
decken, ähnelt  ein  erheblich  weiter  westlich  bei  Prosmarke,  Kr.  Schweiuitz,  nahe 
der  Westgrenze  der  Niederlanaitz,  gefundener  Deckel  durch  die  Kreuzstellung  der 
Liniengmppen  (Verh.  1887.  S.  463)  an  das  hier  besprochene  Stück. 

IV.  Funde  von  Ossig,  Kr.  Guben.  Niederlausitzer  Eisennachbildungen 
von  Bronzetypen. 
Zur  Vervollständigung  der  Debersicht  über  den  Inhalt  der  Gräber  mit  Thon- 
gefässen  des  Niederlausitzer  Typus  bietet  der  Rudenberg  bei  Ossig  in  der  sud- 
östlichen Ecke  des  Gubener  Kreises  einige  Funde.  Die  Gelasse  standen  dort  in 
Steinsatz  und  sind  annähernd  tcrrinen förmig,  doch  mit  ziemlich  weiter  OeSnung. 
Bei  einem  Leicbcnbehälter  von  27  cm  Höhe,  24  cm  grösster  Weite,  1 1  cm  breitem 
Hoden,  der  nach  dem  Eande  hin  durchbohrt  ist,  und  20  cm  weiter  Oeffnung,  ist 
der  obere  The il  glattgestrichen;  der  durch  den  herabgedrUckten  Thon  entstandene 
kleine  Wulst  zeigt  Fingerei ndrUcke.  Die  Beigaben  bestehen  in  ähnlichen  kleinen 
Gcfässen,  gleichfalls  mit  einem  Ringe  knöpfchen artiger  Erhebungen  im  Uebergange 
zum  Balse;  bisweilen  ist  der  Gefässkörper  nicht  ausgerundet,  sondern  fast  konisch 
geformt.  Dazu  kommen  mittelgrosse  Terrinen,  deren  Hals  deutlich  abgesetzt  und 
nach  innen  geneigt  ist,  theils  mit  Henkel,  theils  mit  Oehsen  versehen,  ferner 
Tassen  mit  hochgezogenem,  zuweilen  senkrecht  gefurchtem  Henkel,  Teller  mit  ein- 
geklapptem Rande,  gehenkelte  und  henkullose  Schiilchcn  mit  centraler  Boden- 
erhebung, einzelne  längliche,  gct heilte  Gefässe,  ein  grosses  Rauch ergeHlss  mit 
elliptischen  Oellnungen.  Verziemngen  sind  im  Ganzen  selten  und  beschränken 
sich,  abgesehen  von  den  Wülsten  mit  Fingerei nd rücken ,  zumeist  auf  seichte, 
waagerechte  Forchen;  doch  kommen  auch  concenirische  Halbkreise  über  Kehl- 
streifen  bisweilen  vor.  Höchst  zierlich  ist  eine  kleine  Terrine  von  nur  4  cm  Höhe 
mit  einem  Oehsenpaare  und  2  waagerechten  Linien  unter  dem  ein  wenig  aas- 
gebogenen Rande:  auf  der  weitesten  Auswölbnng  ist  ein  Band  von  senkrecht  gegen 
einander  gestellten  triangulären  Strichgrappen  angebracht,  höchst  sorgfältig  bis  iiTs 
einzelne  ausgeführt.  Von  seltneren  Stücken  ist  hervorznhehen  ein  nur  9  cm 
hohes  Räucbergefäss,  dessen  Glocke  statt  der  OeOnungen  3  Gruppen  seicht 
eingestrichener  concentrischer  Halbkreise  zeigt:  es  erinnert  an  das  erheblich 
grössere  Räuche^^fäss  mit  hufeisenförmigen  Einschnitten  im  Fasse  (Verh.  1883. 
8.  344.  Anm.  2)  aus  der  dem  Südosten  des  Gnbener  Kreises  benachbarten  Herr- 
schaft Forst-Pförien  (in  der  gräflich  Brtthl'schen  Sammlung  zu  Pforten).  Femer 
ist  ein  kleines,  annähernd  terrinenrörmiges  Gefäss  zu  er- 
wähnen, bei  welchem  an  Stelle  der  einen  abgebrochenen  Figur  4. 
Oehse  eine  Kreisöffnung  eingebohrt  ist  (B'ig.  4),  —  ein  Be- 
weis einerseits,  dass  dies  Gefass  wirklich  getragen,  anderer- 
seits, dass  als  Mitgabe  ein  gebrauchtes  Stück  verwendet 
worden  ist. 

Ein  fast  elliptisches,  durchbohrtes  Steinplättchen  lag 
mit  einer  grösseren  Reihe  kleiner  scheibenförmiger  Thon- 
pcrlen  zusammen  nnd  war  wohl  mit  ihnen  zusammen  auf- 
gereiht ij 

Die  Mctallheigahen  bestehen  in  einer  kleineren,   8  »im 


(586) 


lan^n  Bronzespirale  von  3  mm  Weite;  femer  in  Bronzenadeln,  bei  deren  einer 
den  Abschlnss  eine  1,5  cm  lange,  stark  geriefelte  leichte  Verdickung  des  Schaftes 
bildet  (Fig.  5,  vgl.  Und s et.  Das  Eisen  in  Nordeuropa  Taf.  19.  Pig.  4),  während 
eine  andere  einen  schlicht  konischen  Kopf  trägt:  auf  diese  letztere  waren  2  Thon- 
ringe  von  1,6  cm  Durchmesser,  im  Lichten  1  cm  weit  (vgl.  Droskau,  Verh.  1888. 
S.  255)  aufgezogen. 

Figur  5.  Figur  6. 


Vs 


V, 


Von  Eisen  ist  ein  Messerchen  von  8  cm  Länge 
Figur  7.  (Pig  g)  erhalten,  das  zwischen  den  Knochen  lag,  femer 
eine  Spirale  von  3  Windungen  mit  2  cm  Weite,  endlich 
eine  21  cm  lange,  gebogene  Nadel  mit  ebener  Platte 
von  2  cm  Durchmesser,  unterhalb  deren  ein  rundlicher 
Knauf  und  weiter  herab  eine  Gmppe  feiner  Reifen 
heraustritt  (Fig.  7). 

Diese  beiden  Stücke  vergrössem  die  Zahl  der 
in  unserer  Landschaft  bekannt  gewordenen  Nach- 
bildungen bronzener  Muster,  welche  dieser  Aus- 
gangszeit des  Niederlausitzer  Typus  eigen  sind  (vgl. 
Niederlausitz.  MittheU.  I.  S.  123;  II.  S.  21).  Es 
sind  deren  bis  jetzt  bekannt:  1)  Hohlcelte  von 
Zilmsdorf,  Berge,  Qüritz,  Kr.  Sorau  (Verhandl.  1881. 
S.  432,  1883.  S.  423),  anscheinend  auch  von  BUlen- 
dorf  gleichen  Kreises  (im  Märkischen  Museum  zu 
Berlin),  endlich  aus  der  Gegend  von  Geissen  (Klemm, 
Die  Werkzeuge  und  Waffen  1858.  S.  108.  Fig.  195). 
üeber  bronzene  Vorbilder  s.  Verh.  1886.  S.  721;  1887. 
»/j  S.  290.  —  2)  Sogen.  Rasirmesser,  fast  viereckig,  mit 

kleinem,  gebogenem  Griff  an  einer  Ecke:  von  Reichers- 
dorf, vielleicht  auch  von  Haaso,  Kr.  Guben  (Gub.  Gjrmn.-Progr.  1886.  8.  16);  aus 
Bronze  von  Stradow  (im  Museum  zu  Gottbus),  aus  Schlesien  bei  Undset  a.  a.  O., 
Taf.  10.  Fig.  4;  annähemd  halbmondförmig,  einem  Wiegemesser  ähnlich,  von 
Guben  Chöne  (Verh.  1885.  S.  388.  Fig.  17),  in  Bronze  von  Friedland  i.  L.  (im 
Mark.  Mus.  zu  Berlin),  vgl.  Zaborowo  (Verh.  1874.  S.  224),  Kluczewo  (ebenda  1882. 
S.  394;  Undset  a.  a.  0.  Taf.  10.  Fig.  3).  —  3)  Der  Spiral  ring  von  Ossig  (s.  ob.),  in 
Bronze  von  Reichersdorf  und  vielfach  anderwärts  in  der  Niederlausitz.  —  4)  Schlichte 
Ringe  von  2—6  cm  Durchmesser,  wenig  charakteristisch;  u.  a.  von  Guben  Chöne 
(Verh.  1885.  S.  387.  Fig.  15),  von  Billendorf  (Mark.  Mus.).  —  5)  Nadeln  mit  ebener 
oder  flach  konischer  Knopfplatte:  Guben  Chöne  (Verh.  1885.  S.  387.  Fig.  13), 
Zilmsdorf  (ebenda  1883.  S.  422.  Fig.  5);  bronzene  Vorbilder  vielfach.  —  6)  Nadeln 
mit  absatzweise  verjüngtem  Knopf:  Guben  Chöne  (a.a.O.  1885.  8.387. 
Fig.  14;  gegenwärtiger  Besitzer  unbekannt),  Repten,  Kr.  Kalau  (Niederlauaitzer 
Museum  zu  Cottbus);  bronzene  Vorbilder:  Grttne  Eiche  bei  Schenkendorf^  Kreis 
Guben,  u.  a,  —  7)  Nadeln  mit  einer  aus  der  meist  concentrich  gerieften  Knopfocheibe 
heraustretenden  Spitze:  Reichersdorf,  Starzeddel  (NiederlausitE.  MittheiL  I. 
S.  123);  in  Bronze  von  Berge,  Billendorf,  Christianstadt,  Güritz,  Pförten,  Kr.  Sorau 


(687) 

Haaso,  Oegeln,  Reicheradorf,  Kr.  Guben;  Rlein-Rössen,  Prov.  Sachsen, 
(Voss,  Verh.  1881.  S.  430,  Niederlaos.  Mittheil.  I.  S.  123.  Anm.).  —  8)  Platten- 
nadel  mit  ^ebo^nem  Halse:  Gaben  Chönc  (Verh,  1886.  8.  386.  Fig.  1);  in  Bronze 
von  Ijessendorf  in  Schlesien  (Königi.  Museum  zn  Berlin).  —  9)  Kleine  Rollnadel: 
Gnben  8W.,  Kaltenboraer  Str.  27  (Verh.  1884.  S.  16);  in  Bronze  ebenda  (a.  a.  0. 
1882.  S.  412.  Pig.  II)  and  Guben  Chöne  (Guben.  Gymn.-Progr.  1886.  S.  7.  Taf.  30. 
Pig.  50,  nnd  S.  9);  vgl.  Virchow,  Das  Gräberfeld  von  Koban  S.  33.  Anm.  10  Ober 
schlesische  und  österreichische  SeitenstUcke.  —  Eine  Eisennadel  ohne  Knopf  von 
Särchen,  Kr.  Sorau,  befindet  sich  im  Märkischen  Museum  zu  Berlin.  —  10)  Sicheln 
von  Gnben  Chöne  (Verh,  1885.  S.  388.  Pig.  16;  Guben.  Gymn.-Progr.  1886.  8.  7. 
Taf.  3.  Pig.  26,  S.  9),  Haaso  (Verh.  1890.  S.  358.  Pig.  11;  Besitzer  C.  Krüger  in 
PfSrten),  Oegeln  (in  der  gräflich  Brühl'schen  Sammlung  zu  FfSrten;  b.  Qabener 
Progr.  1889.  S.  21),  Reichersdorf  (Verh.  1890.  S.  35«.  Pig.  9);  im  Sorauer  Kreise 
von  Billendorf  (im  Märkischen  Museam  zu  Berlin),  Zilmadorf  (Verh.  1883.  S.  425. 
Pig.  3).  Der  Stollen  um  breiten  Ende  des  Blattes  erinnert  an  den  Knopf  der 
bronzenen  Seitenstücke  (vgl.  Guben.  Gymn.-Progr.  8.  9).  —  Es  acheint  nicht  aus- 
geschlossen, daas  diese  verschiedenen  Eisengeräthe  einheimische  Erzeugnisse  der 
Niederlansitz  gewesen  sind,  um  so  mehr,  als  einzelne  Formen  in  Eisen  gebildet 
anderwärts  noch  nicht  nachgewiesen  sind. 

V.  Reichersdorfer  Punde. 
1)  In  dem  bereits  seit  50  Jahren  bekannten  Gräberfelde  bei  Reichersdorf  S. 
ist  am  10.  d.  M.  auf  dem  Krügerseben  Gehöft  in  einem  Grabe  mit  Steinsatz  un- 
mittelbar an  dem  unteren  Theile  einer  grossen,  terrinon förmigen  Urne  mit  Rehl- 
streifen,  zu  welcher  ein  Beigefäsa  von  11  cn  Höhe  mit  stumpfwinklig  gebrochener 
Seitenwand  und  zwei  Oehsen,  ein  Deckteller  mit  stark  ebgeklapptem,  spiralig  ver- 
ziertem Rande  nnd  eine  roth  Uberfangene,  grosse  Schüssel  mit  facettirter  Innen- 
seite des  Randes  gehörten,  ein  Steinhammer  gefunden  worden,  der  fast  völlig 
unbenutzt  zu  sein  acheint  (Pig.  8).  Es  ist  dies  das  fünfte  erhaltene  Stück  dieser 
Art  aas  dem  bisher  aulgegrabenen  Theile  des  Feldes  (Niederlaositz.  Mittheil.  II. 
S.  II),  das  zweite,  das  in  unangegrilTenem  Znstande,  mit  ein  wenig  schartiger 
Schneide,  allseitig  scharfen  Kanten  und  rölltg  glatter  Bahn  vorliegt.  Das  Material 
ist  graubrauner,  feinkörniger  Sandstein,  nicht  widerstandsfähig  gegen  härtere  Qegen- 

Fignr  9. 

Figur  8. 


v. 

Stande.  Es  drängt  sich  der  Gedanke  auf,  dasa  beide  Hämmer  etwa  nur  zum  Zer- 
schlagen der  Knochen  benutzt  und  dann  ins  Grab  mitgegeben  worden  sind.  Die 
Form  ist  die  in  der  Niederlansitz  Überwiegende,  im  Längsschnitt  fünf-,  im  Quer- 
schnitt viereckig;  die  Länge  beträgt  18  an,  die  Breite  der  Schneide  4,5,  die  der 
quadratischen  Bahn  2,3  cm.    Die  Durchbohrung  ist  cylindrisch.    Die  beiden  Kanten 


(588) 

zn   ihrer  Seite  sind  durch  herausgearbeitete  Leiaten  verstärkt.    Die  Breite  beträgt 
einschliesslich  derselben  5,5  cm.    Oewicht  650,7. 

Zwischen  den  Knochen  lag  in  der  Urne  eine  bronzene  PTeilspitze  von 
3,5  cm  Länge  and  2,6  cm  grösster  Breite.  Die  SchafltUlle  ist  1,5  cm  weit  hohl;  die 
Widerhaken  setzen  in  vei-schi edener  Höhe  an;  am  unteren  Ende  ist  nach  einer 
Seite  biu  das  Metall  der  Sc  barthülse  ein  wenig  ausgezogen.  Eine  Oeffnong  zur  Be- 
festigung ist  nicht  vorhanden  (Pig.  tf). 

Die  übrigen,  bisher  bekannt  gemachten  Funde  aus  der  Niederlausitz  haben 
theils  einen  platten,  massiven  Schalt  und  zwei  Widerhaken 
Figur  10.  Figur  11.  (Qarrenchen  und  Crossen,  Kr.  Luckau,  Burg,  Kr.  Cottbus), 
theils  eine  Schalltfllle  und  unten  abgerundete  BlattanstUze 
(Pig.  10,  gleichfalls  aus  einer  Reiehers dorfer  Urne),  ferner 
aus  Niemitzseh,  heiliges  Land,  Ratzdorf,  Kr.  Guben,  letztere 
im  Märkischen  Museum,  andere  von  Güritz,  Kr.  Sorau, 
Sellessen,  Kr.  Spremberg)-  Auf  das  heilige  Land  bei  Nie- 
mitzseh sind  bis  jetzt  die  dreikantigen  Pfeilspitzen  (Fig.  11) 
mit  SchafttUlle  beschränkt. 

2)  In  der  wesentlich  jüngeren  Fundstelle  bei  Beichers- 
dorf  W.  haben  die  diesjährigen  Untersuchungen  einerseits 
1'  die  Ausdehnung  des  Gräberfeldes,  andererseits  die  typische 

Beschaffenheit  der  Grüfte  festgestellt.  Der  Friedhof  bildet 
einen  etwa  40  Schritt  breiten,  von  West  nach  Ost  sieb  erstreckenden,  den  Weg 
nach  Niemitzseh,  welcher  der  Forst-Gubener  Strasse  zufuhrt,  schräg  durchschnei- 
denden Streifen.  Am  weitesten  westlich,  von  diesem  Wege  110  Schritte  in  sUd- 
Hoher  Richtung  entfernt,  lag  das  Grab  mit  dem  römischen  Stempetschwert  (Verb. 
1889.  S.  343  ff.)  und  der  tauschirten  Eisenscheibe  (ebenda  S.  (i.>9  f.^;  am  weitesten 
östlich,  200  Schritte  nach  Norden  vom  Meraitzscher  Woge,  fanden  sich  in  der 
Richtung  nacli  dem  Gutshof  auf  dem  dem  WerderflUsschen  sich  allmählich  zu- 
neigenden Gesenke  die  slavischcn  Reste  (ebenda  S.  3513  f.).  —  Die  Einrichtung  der 
Grüfte  war  folgende:  Ausser  den  ausgesiebten  Knocbentheüen  wurde  in  derselben 
Grube  der  gesammte  Rückstand  des  Leichenbrandes  (Asche,  Kohlen,  zersprungene 
Gefässe)  beigesetzt.  Spinnwirtel  und  Thongelasse  sind,  wie  blasig  aufgetriebene 
und  angeschmolzene  Stücke  beweisen,  mit  im  Brande  gewesen,  ebenso  einzelne 
Seh  muck  gegenstände  aus  Bronze  und  Perlen  ans  Glas  und  Thon.  Den  beigesetzten 
Gebeinresten  wurden  Metallgegenstände  des  täglichen  Gebrauches,  Waffen  und 
Schmuckstucke  beigelegt,  welche  bisweilen  tiefer  in  jene  hin  eingesunken  sind. 
Nach  der  regelmässigen  Lagerung  der  Knochenstücke  in  einem  stumpfen  Kegel, 
welcher  sich  als  compakte  Masse  darstellte,  sobald  die  umgebende  Erde  und  Asche 
entfernt  war,  ist  es  wahrscheinlich,  dass  sich  die  Leichenreste  in  einem  inzwischen 
verschwundenen  Behälter  (einem  Sack,  Korb,  Fass  oder  dergl.)  befanden  haben. 
Die  Grube  war  grösser,  als  der  Bestand  an  Knochen  und  Brandrücketänden,  da 
der  Boden  der  nächsten  Umgebung  mit  Knochen  flimmerchen  durchsetzt  Ist,  also 
nachträglich  in  die  Grabe  wieder  hereingebracht  wurde.  Der  Aschen-  und  Kohlen- 
schutt,  welcher  etwa  30  cm  unter  der  gegenwärtigen  Oberfläche  begann  und  in  der 
Regel  einen  Durchmesser  von  0,5  m  hatte,  macht«  darauf  aufmerksam ,  dass  sich 
in  nächster  Nähe  eine  Gruft  befinde.  Diese  schwarze  Masse  hatte  öfters  ein  Vo- 
lumen von  etwa  2  ScheDeln.  Bisweilen  fand  sich  ein  Kranz  von  kop^russeo 
Steinen  auf  der  Sohle  des  Grabes,  in  anderen  Fällen  eine  niedrige  re^Uoae 
Packung;  In  einer  Gruft  lag  ein  einzelner  Stein  von  der  Grösse  eines  KOrbis; 
mehrfach  lagen,   planlos  hingeworfen,  kleinere  Feldsteine  über  den  Leichenresl«]!. 


C589) 

Die  Äasgrabnngen  im  März  dieses  Jahres  er^ben  an  Metallgerüth,  150  Schritte 
nördlich  Tom  Wege:  eine  Schnalle  mit  viereckigem  Rahmen,  den  unteren  Tbeil 
eines  Messers,  das  mit  rechtwinkligem  Absatz  in  die  OrilTzange  ttbei^ht,  zwei 
EUsenstäbe  ron  5,  bezw,  4  cm  Länge,  überdies  einen  mit  der  OeSnung  nach  unten 
eingelegten,  hell  röthlichen,  kolbenförmigen  Topf  mit  Standrnss,  dessen  Seitenwand 
schräg  gerippt  ist  (Pig.  12);  neben  ihm  lag,  in  die  Seitenwand  eines  grossen  Ge- 
Tässes  mit  Wulst  unter  dem  senkrecht  aufsteigenden  Rande  eingebettet,  ein  Theil 
eines  Henkelkruges.  —  30  Sehritte  sUdlich  Tom  Wege  fanden  sich  in  Verbindung 
mit   einer   kleinen  Quantität   ron  Knochen   ein   schlichtes  eisernes  Armband  ohne 


Figur  12. 


Figur  IH. 

O 


Verzierung  mit  verbreiterten  Enden  (Pig.  13),  2  Schlüssel  mit  unverziertem  Schall, 
ein  beiderseits  ebener  Spinnwirtel  von  3,5  cu  Durchmesser  und  I  cm  Höhe, 
18  mclonen förmige  Perlen  aus  gefrittetem  Thon  von  1,3 — 3,5  mt  Durchmesser 
(Pig.  14),  glasirt.  bläulich  and  röthlich  glänzend,  zum  Theil  schwammig  auf- 
getrieben oder  im  Feuer  verzogen;  der  grössten  ist  ein  Bronzetropfen,  einer  der 
kleineren  eine  hellgrüne  Glasperle  angeschmolzen,  ausserdem  ist  eine  grünlich- 
blaue,  durchscheinende,  etwas  zerOossene  Perle  erhalten.  In  derselben  Gruft  lag 
ein  kleines  henkelloses  Thongefiiss  von  T  cm  Höhe,  in  der  Mitte  ziemlich  stark  aus- 
gebaucht, mit  eingezogenem  üaise  und  ein  wenig  ilbei^ehogenem  Rande;  es  zer- 
brach beim  Ausheben. 

In  einem  benachbarten  Grabe  stand  neben  wenigen  Knochensplittern  ein  zer- 
drücktes braunes  Gefiiss  mit  gekerbtem  Rande',  in  dem  Aschenhaufen  daneben 
fand  sich  ein  zerflossenes  formloses  Bronzestück. 

Von  älteren  Funden  zeigte  mir  Hr.  Rittergutsbesitzer  Reimnitz  ein  5  ein 
langes  und  2,5  rm  breites  rechteckiges  Schlossblech  aus  Eisen  mit  einem  Nage)  in 
jeder  Ecke  und  einer  kreis  förmigen  Oeffnung  nahe  der  Mitte  einer  Schmulselte, 
femer  einen  doppelkonischen  Spinnwirtel  mit  stumpfer  Kante,  auf  welchem  beider- 
seits S  radiale  Systeme  von  Punkten  und  Strichen  angebracht  waren:  zwischen  je 
'2  Linien  sind  zwei  parallele  Reihen  von  etwas  breitgezogenen  Einstichen  ange- 
bracht.    Dieses  Muster  erinnert  an  die  Zeichnung  der  sogen.  Krötenstcioe. 

Einzelne  Streifen  des  inzwischen  besäten  Feldes  sind  für  spätere  Ausgrabungen 
durch  die  Preundiichkelt  des  Hrn.  Besitzers  aufgespart  worden.  — 

(10)   Hr.  Schumann  in  Löcknitz  berichtet  unter  dem  '27.  Juni  über  ein 

slRTisches  Gräberfeld  mit  Skeletten  nod  Leichenbrand  auf  dem  SUberberg 

bei  Wollin  (Pommern). 

Auf  den  Silberberg  bei  Wollin  ist  man  schon  in  früheren  Jahren  durch  sla- 
vlsche  Feinde  aufmerksam  geworden.    Anfangs  der  dreisslger  Jahre  wurden  durch 


(590) 

Hm.  Rüster  dort  Ausgrabungen  vorgenommen  und  Skeleigräber  gefunden,  die 
durch  Hm.  Virchow  genauer  untersucht  und  beschrieben  wurden  (Verhandl.  1874. 
S.  210  und  1876.  S.  234).  Bei  Gelegenheit  einer  Exkursion  der  Gesellschaft  für 
pommersche  Geschichte  wurde  die  Localität  wieder  einer  Untersuchung  unter- 
worfen. Es  zeigte  sich,  dass  das  ganze  Feld  vor  der  Mühle  des  Hrn.  Hartwig 
ein  Reihengräberfeld  bildet,  in  welchem  die  Skelette  etwa  1  m  tief  im  Sande 
liegen. 

Der  Sand  dicht  um  die  Skelette  ist  etwas  dunkler  gefärbt  und  finden  sich 
neben  und  zwischen  den  Skeletten  zahlreiche  Scherben,  die  mit  Wellenlinien 
und  anderen  Ornamenten  versehen  sind,  wie  wir  dieselben  aus  den  slavischen 
Burg  wällen  zur  Genüge  kennen.  Dass  die  Skelette  der  slavischen  Bevölkerung 
des  ehemals  grossen  und  berühmten  Julin  angehören,  kann  unter  diesen  Umständen 
kaum  zweifelhaft  sein. 

Es  sind  nun  aus  diesem  Gräberfeld  wieder  H  ziemlich  erhaltene  Schädel  ge- 
wonnen worden,  die  zum  Theil  sich  noch  gut  messen  lassen.  Schädel  I  wurde 
von  Direktor  Lemcke,  Schädel  ü  und  III  vom  Besitzer  des  Feldes,  Hm.  Hartwig, 
ausgegraben. 

Schädel  I.  Der  kleine  Schädel  ist  von  gelber  Farbe,  ziemlich  gut  erhalten. 
Es  fehlen  zum  Theil  die  Proc.  nasales  der  Oberkiefer,  die  Jochbogen,  sowie  ein 
Theil  des  Unterkiefers.  Die  Zähne  sind  gut,  die  Weisheitszähne  durchgebrochen, 
nicht  cariös,  wenig  abgeschliffen. 

Die  Schädelnähte  sind  wenig  gezackt,  noch  gut  erkennbar,  nur  die  Pfeil- 
naht nahezu  verwachsen.    Die  Schädelknochen  ziemlich  kräftig. 

Norma  temporalis:  Die  Stirn  ist  massig  hoch,  Supraorbitalwülste  kaum  an- 
gedeutet. Die  Stirn  verläuft  allmählich  nach  oben  und  hinten.  Scheitel  gut  ge- 
wölbt. Der  obere  Theil  des  Hinterhauptes  flach,  die  Occipitalschuppe  leicht  capsel- 
förmig  vorspringend.  Muskelansätze  am  Hinterhaupt  deutlich  entwickelt,  ebenso 
die  Linie  für  den  Ansatz  des  Schläfenmuskels.  Ausgesprochene  alveolare  Pro- 
gnathie. 

Norma  frontalis:  Die  Stirn  ist  ziemlich  breit,  Wangenbeine  wenig  abstehend. 
Die  Orbitae  sind  nur  massig  hoch,  eher  länglich  viereckig,  die  äusseren  Winkel 
nach  unten  verzogen.    Mittlere  Schneidezähne  breiter. 

Norma  verticalis:  Der  Schädel  bildet  ein  nach  hinten  etwas  kurz,  nach 
vorn  allmählich  zugespitztes  Oval. 

Norma  occipitalis:  Regelmässiges  Fünfeck  mit  fast  senkrechten  Seitenkanten, 
Foramina  parietalia  stricknadelstark. 

Norma  basilaris:  Foramen  magnum  rundlich.  Gaumen  eher  länglich,  schmal. 
Hinterer  Rand  der  Gaumenplatte  ausgebrochen,  sonst  eben,  ohne  Toms  palatinns. 

Unterkiefer  kräftig,  senkrecht,  stark  ausgebildetes  Kjnn. 

Bei  der  flachen  und  allmählich  ansteigenden  Stirn  und  der  guten  Ausbildung 
der  Muskelansätze  könnte  man  den  Schädel  für  männlich  halten.  Die  Prognathie, 
der  geringe  Inhalt  und  die  breiteren  mittleren  Schneidezähne  scheinen  aber  eher 
fUr  weibliche  Form  zu  sprechen. 

Schädel  U.  Der  kleine  Schädel  (1285  ccm)  ist  von  gelblichgrauer  Farbe  und 
gut  erhalten.  Es  fehlt  nur  der  vordere  Theil  des  einen  Jochbogens  onrf  der 
Unterkiefer.  Die  Schädel  nähte  sind  stark  gezackt,  nicht  verwachsen.  Die  Molares  III 
durchgebrochen,  die  Muskel vorsprünge  massig  entwickelt.  Schädelknochen  mittel- 
stark. 

Norma  temporalis:  Supraorbitalwülste  nur  wenig  entwickelt;  die  Stirn 
niedrig,  sich  allmählich  nach  hinten  wendend.    Scheitelcurve  flach.    Seine  grösste 


(591) 

Höhe  hat  der  Schädel  hinter  den  Tub.  parietal.  Hinterhaupt  flach  abfallend,  Occi- 
pitalschappe  leicht  capsel förmig  vorspringend.  Neben  dem  hinteren  Theile  des 
linken  grossen  Keilbeinflögeis  ein  etwas  nnregelmässig  länglichviereckiger  Schalt- 
knochen, der  nach  Torn  vom  Stirnbein,  nach  oben  vom  Seitenwandbein,  nach 
nnten  vom  Keilbeinflügel  nnd  nach  hinten  von  der  Schläfenbeinschnppe  begrenzt 
wird.  Wäre  letztere  Verbindung  verknöchert,  so  würde  ein  Proc.  frontalis  der 
Schläfenschuppe  zu  Stande  gekommen  sein. 

Ein  Theil  der  Schläfenschuppe,  des  Seitenwandbeins  und  des  Jochfortsatzes 
links  etwas  grünlich  schwarz  gefärbt,  vielleicht  durch  das  ehemalige  Vorhanden- 
sein von  Schläfenringen.  Dieselbe  Färbung  am  rechten  Jochbogen  und  der  rechten 
Stirngegend.    Ansatzlinie  des  Schläfenmuskels  nicht  deutlich. 

Norma  frontalis:  Die  Stirn  ist  niedrig  und  ziemlich  breit.  Die  Orbitae 
hoch  und  mehr  rundlich.  Die  Wangenbeine  anliegend.  Die  Nasenbeine  an  der 
Wurzel  leicht  eingesattelt,  dann  mehr  gewölbt.    Die  Nase  lang  und  schmal. 

Norma  verticalis:  Fast  regelmässiges,  hinten  etwas  verschmälertes  Oval. 
Grösste  Breite  an  den  Tub.  parietal. 

Norma  basilaris:  Foramen  magnum  gross,  länglich.  Gaumen  mehr  länglich, 
schmal,  mittlere  Schneidezähne  breiter. 

Norma  occipitalis:  Fast  regelmässiges  Fünfeck  mit  nahezu  senkrechten 
Seitenwänden,  in  der  Gegend  der  Warzenfortsätze  etwas  breiter,  oben  gut  gewölbt. 

Schädel  wohl  gleichfalls  weiblich. 

Schädel  III.  Der  Schädel  ist  von  graugelber  Farbe,  sehr  defekt.  Es  fehlt 
das  Gesicht,  ein  Theil  der  Basis  und  der  Unterkiefer.  Der  vordere  Theil  der 
Sagittalnaht  ist  wenig  gezackt,  stärker  das  hintere  Drittel.  Der  mittlere  Theil  der 
Naht  ist  in  der  Verwachsung  begriffen,  aber  noch  gut  erkennbar.  Die  Kronen- 
naht in  der  Mitte  gleichfalls  wenig  gezackt,  stärker  in  den  seitlichen  Theilen,  in 
ihren  untersten  Partien,  über  dem  grossen  Keilbeinflügel  verwachsen.  Die  Stirn  ist 
ziemlich  hoch.  Supraorbitalwülste  kaum  angedeutet.  Die  Scheitelcurve  massig 
gewölbt.    Plana  temporalia  hoch. 

Das  Hinterhaupt  fallt  flach  ab,  Hinterhauptsschuppe  capselförmig  vorspringend. 
Die  Muskelvorsprünge  am  Knochen  leidlich  entwickelt. 

In  der  Norma  verticalis  weicht  der  Schädel  erheblich  vom  Oval  ab,  da  die 
Gegend  der  Tub.  parietal,  ziemlich  breit  ist. 

In  der  Norma  occipitalis  ziemlich  fünfeckige  Form  mit  etwas  convexen, 
nach  oben  etwas  divergirenden  Seitenwänden,  oben  gut  gewölbt.  Der  Schädel  ist 
im  Ganzen  bedeutend  grösser,  als  Schädel  I  und  H,  wahrscheinlich  männlich. 


Schädel  vom  Silberberg  bei  WoUin 


I.  Haasse. 

Capacitüt 

Qrösste  Länge 

„       Breite 

Grösste  Höhe  (vorderer  Rand  des  For.  magn.)    . 
„     (hinterer       „       ,       .        «    )    . 

Aoricolare  Höhe 

Horixontalumfang 

Yerticalomfang 


I 

II 

ni 

1140 

1258 

184 

182 

179 

138 

126 

137 

ISO 

135 

— 

139 

140 

143 

112 

116 

118 

606 

498 

510 

300 

290 

821 

(592) 


Schädel  vom  Silberberg  bei  Wollin 


Minimale  Stirnbreite 

Ganzer  Sagittalbogen 

Sagittaler  Stimamfang 

Lange  der  Pfeilnaht 

Lange  der  Occipitalschuppe 

Breite  der  Occipitalschuppe  ........ 

Gesichtshöhe 

Obergesichtshöhe 

Jugalbreite 

Malarbreite 

Höhe  des  Alveolarrandes  am  Oberkiefer     .    .    . 

r,       m  „  „     Unterkiefer  .    .    . 

Entfernung  des  For.  magn.  von  der  Nasenwurzel 

„  „       „        ^      vom  Alveolarrand     . 

<,  t,       r        »        n     Zahnrand .    .    . 

"  j*  jT  •  .^        JVIDD      «... 

.,    Ohrlochcs  von  der  Nasenwurzel 

vom  Alveolarrand.    . 

m  ^  m  „     Zahnrand  .    .    . 

«  n  ~  n     ivmn      .... 

Orbita,  Höhe 

^        Breite 

Nase,  Höhe 

„      Breite 

Gaumen,  L&nge 

.,        Breite 

Mastoidealdurchmesser,  Spitze 

Basis  (aussen)  .... 

Foramen  magnum,  Lfinge 

Breite 


n.  Indices. 


Langenbreitenindex 

Längenhöhenindex  (vorderer  Rand) 

Ohrhöhenindex 

Gesichtsindex 

Obergesichtdndex 

Orbitalindex 

Nasenindex 

Gaumenindex 


I 

$ 

96 
8G8 
127 
121 
120 
133 
115 

64 

95 

20 

28 

100 

99 

102 

109 

102 

109 

113 

125 

30 

40 

45 

25 

49? 

38 

100 

122 

35 

30 


72,3 
70,7 
60,9 
121,1 
67,4 
75,0 
55,6 
77,6? 


n 

$ 

96 
360 
110 
125 
125 
135 

69 

128 

92 

21 

110 
91 


113 
109 


34 
38 
46 
21 
45 
33 
103 
128 
87 
29 


69,2 
70,6 
63,2 

76,0 
89,6 
46,7 
73,3 


m 

i 

96 
382 
180 
180 
121 
128 


100 
121 


76,5 


60,3 


Was  dem  Gräberfelde  auf  dem  Silberberg 
leiht,  ist  der  Umstand,  dass  sieb  dort  ausser 
brand  fand. 


ein  ganz  besonderes  Interesse  Ver- 
den Skeletgräbem  auch  Leicbon- 


(593) 

An  einzelnen  Punkten  liessen  sich  zwischen  den  Skeletten  ganz  eigenth  um  liehe 
Stellen  von  schwärzlicher  Farbe  wahrnehmen,  die  den  Eindrack  Ton  Branderde 
machten.  Sicher  constatirt  ist  über  der  Leichenbrand  dadurch,  dass  der  Besitzer, 
Hr.  Hartwig,  ein  unzweirelhurt  slavisches  GeTass  fimd,  welches  rollsliindig  mit 
den  Resten  des  Leichcnbr&ndee  angefültt  war,  zwischen  dem  sich  auch 
noch  Zähne  fanden. 

Das  Gefäss  ist  von  schwärzlich  graner  Farbe, 
hart  und  ^ut  gebrannt.  Es  hat  eine  Hübe  von 
200  mm.  Der  Umfang  betragt  750  mm  bei  200  m». 
Mündungsdarchmcsser  nod  95  mm  Bodenweitc,  Der 
etwas  kurz  ausgelegte  Rand  ist  glatt  abgestrichen. 
Dicht  unter  dem  Halse  finden  sich  schräg  gestellte 
Reihen  von  Ponkteindrüeken ,  unterhalb  derselben 
eine  leichte  Horizontalrcifulung  und  hierauf  am 
Bauche  eine  fünffache  Wellunlinie.  In  der  Mitte  des 
Bodens  ein  rundlicher  Eindruck.  EJin  Henkel  ist  nicht 
vorhanden. 

Dass  das  Gefäss  slavisch  ist  und  mit  der  Bnrg- 
wallkeramik  vollkommen  übereinstimmt,  kann  keinen 

Augenblick  zweifelhaft  sein.  In  Form,  Masse  und  Ornamentik  stimmt  es  genau 
mit  den  übrigen  Gefässrcsten  übereia,  welche  sich  zwischen  den  Skeletten  sonst 
befanden,  und  man  wird  kaum  anders  können,  als  die  Skcictgriiber  mit 
dem  Brandgrabe  fUr  gleichaltrig  zd  halten;  beide  mögen  dem  Ende  des  ersten 
Jahrtausends  unserer  Zeitrechnung  etwa  angehören.  Es  wird  also  angenommen 
werden  müssen,  dass  bei  den  Slavcn  in  Wollin  die  Leichen bestattung  die  übliche 
Beerdigongs weise  gewesen,  daneben  aber  zur  selben  Zeit  der  freilich  weit  seltnere 
Leichentffand  geübt  worden  sot.  Bei  der  grossen  Seltenheit  derartiger  Fälle  von 
Leichenbrand  bei  den  Slaven,  auf  welche  schon  von  den  HHm.  Virchow  und 
Friedel  (Verh.  1882.  S.  398  3.)  aufmerksam  gemacht  ist,  wird  dieser  sicher  con- 
statirt« Fall  von  Wolltn  nicht  ohne  Wichtigkeit  sein.  Jedenfalls  wird  man  aber  in 
Zukunft  bei  Untersuchong  von  slavischen  Reihengräberfeldern  darauf  gofasst  sein 
müssen,  gelegentlich  einmal  auch  in  Gräberfeldern  dieser  Art  auf  Leichenbntnd 
zu  stossen. 

(11)  Hr.  Schumann  übersendet  durch  Hrn.  Olshausen  folgende  Mittheilung 
über 

zwei  neue  BroDzesporen  aas  Pommern. 

Auf  dem  Gute  Obliwitz  bei  Neuendorf,  Kr.  Laucnbui^,  wurden  beim  Pflügen 
im  Acker  an  äusserllch  nicht  markirler  Stelle  eine  Urne  und  Bronzen  gefunden. 
Der  Sporn  Fig.  5  lag  allein  in  einer  Urne,  welcho  auf  Steinfundament  gestanden 
hatte  und  zerbrochen  war.  Auf  demselben,  etwa  12  Quailratfass  grossen  PQaster, 
das  aus  miltelgrossen  Steinen  zusammengesetzt  war,  stand  neben  sonstigen  Urnen- 
resten die  Urne  Fig.  1.  In  derselben  fanden  sich  die  beiden  SprosaenRbeln  Fig.  3 
und  4  nebst  den  Resten  einer  dritten,  sowie,  ausser  einigen  Fragmenten,  ein 
schnalleniirtiges  Beschläge:  Fig.  2.  Elwa  5  Fuss  von  genannter  Fundstelle  und 
14  Zoll  unter  Niveau  befand  sich  wieder  auf  einigen  grösseren  Steinen  eine  Brand- 
stelle mit  Branderde,  Asche  und  Kjiocbenresten. 

Die  oben  am  Rande  etwas  zerbrochene  Urne  Fig.  1,  die  ehemals  mit  Henkel 
versehen  war,  zeigt  am  Halse  senkrechte  Bänder,  ans  zwei  eingeritzten  Linien  be- 
stehend, deren  Zwischenraum  durch  Nagel  ein  drücke  ausgeftillt  ist.    Hierauf  Quer- 


(594) 

band  mit  Seh rägeind rücken,  sodann  Groppen  Toa  je  3  senkrecht  and  schräg  rer- 
laurenden  Einritzan^n  und  hierauf  wieder  ein  Qnerband,  aas  4  Linien  bestehend, 
deren  Innenraum  durch  SchiägeindrUcke  iiusgefünt  ist. 

Die  beiden  Sprossen fi bei n  Fig.  3  u.  4  haben  eine  obere  Sehne  und  die  eine  trägt 
unten  einen  Knopf.  Sic  gleichen  ganz  den  Fibeln  iro  Phot.  Album  Sect.  I.  Taf.  8. 
Fig.  382  und  'düb,  die  Tischler  seiner  Abtheilung  C.  der  Gräberfelder  zutbeilt. 

Das  Bchnallenarlige  ßronzebeschläge  Fig.  3  besteht  in  einem  kreisförmigen 
Rahmen  aus  vcrhiiltnissmiissig  dtlnnem  Blech  mit  3  runden  Fortsätzen,  auf  denen 
Bronzesti  riehen  sitzen.  An  der  einen  Seite  ist  noch  ein  halbroondrörmiger  Aus- 
schnitt vorhanden.    UlTenbar  war  das  Stück  auf  Leder  aufgenietet. 


Der  Sporn  Fig.  5  hat  einen  halbringlBrmigen  Bügel,  an  dessen  Enden  die 
beiden  Knöpfe  sitzen.  Der  zum  Theil  hohl  gegossene  Stachel  ist  nicht  rund,  son- 
dern mehr  pyramidenförmig  und  sitzt  nicht  direkt  auf  dem  BOgel  auf,  sondern  ist 
mit  demselben  durch  ein  oben  und  unten  ausgekehltes  BasalstUck  in  Vcrbiodung. 
Das  gut  erhaltene  Stück  ist  in  eins  gegossen.  — 

Ein  zweiter  Sporn  (Fig.  (i)  stammt  aus  LUbgust  bei  Nenstettin  und  wurde 
ebenfalls  mit  einer  Fibel  und  Urnen  zusammen  gefunden.  Er  wäre  zur  Äbtheiluug 
der  Nietsporen  zu  rechnen  und  besteht  aus  zwei  viereckigen  Platten,  welche  den 
Stachel  zwischen  sich  fassen  und  mit  demselben  zusammen  gegossen  sind.  An  der 
Hinterseite  dieser  länglichen  Platten  befindet  sich  ein  T-fÖrmiger  Stift  zur  Kefesti- 


(595) 

gung  des  Sporns.  Dieser  Stifl;  ist  indessen  nicht  mitgegossen,  sondern  eingenietet. 
Der  Sporn  ist  von  ziemlich  roher  Arbeit. 

Zusammen  mit  dem  Sporn  wurde  eine  Bronzefibel  (Pig.  7)  gc fanden,  die  eine 
gebogene  Querplatte  zeigt,  an  welche  sich  der  platte  Bügel  mit  oberer  knieförmiger 
Knickung  anschliesst.    Sehne  und  Nadel  fehlen. 

Mit  diesen  beiden  steigt  die  Zahl  der  aus  Pommern  bekannt  gewordenen 
Sporen  auf  11,  die  6  verschiedene  Typen  repräsentiren.  Ausser  den  eben  ge- 
nannten sind  noch  vorhanden:  ein  Sporn  von  Koppenow  (Verh.  1890.  S.  205); 
zwei  Sporen  von  Schwedt  (ebenda  S.  195);  zwei  von  Kesehl  (ebenda  S.  197); 
vier  von  Dranzig  (Balt.  Stud.  32.  S.  112  und  Taf.  III.  Pig.  5;  Monatsblätter  der 
Ges.  f.  pomm.  Gesch.  1889.  S.  134 — 36);  alle  diese  aus  Bronze,  die  Schwedter  mit 
eisernem  Stachel.  — 

Hr.  Olshausen:  Die  von  Hm.  Schumann  mitgetheilten  Sporen  sind  sowohl 
ihrer  Form,  als  der  begleitenden  Pibeln  wegen  sehr  interessant.  Der  Sporn  von 
Obliwitz  (Pig.  5)  ist  ein  „älterer  Knopfspom",  welcher  durch  seinen  facettirten 
Stachel  dem  von  Kreuz,  Reg.-Bez.  Bromberg  (Verh.  1888,  154,  Pig.  14;  1890,  196, 
Pig.  13),  und  dem  von  Brunsberg,  Norwegen  (Rygh,  Norske  Olds.,  Christiania  1885, 
Pig.  225)  gleicht,  aber  durch  die  eigenthümliche  Basis  für  den  Stachel  auf  der 
Bügelmitte  an  Stuhlsporen  erinnert.  Die  Stellung  des  Obli witzer  Sporns  wird  ganz 
klar,  wenn  man  ihn  vergleicht  mit  dem  Stuhlspom  von  Bodum  in  Schleswig  einer- 
seits (Mestorf,  Vorgesch.  Alterth.  aus  Schleswig-Holst,  Hamburg  1885,  Nr.  490  = 
Worsaae,  Nord.  Olds.  356)  und  dem  Knopfspom  von  Vimose  (Engelhardt, 
Nydam  Mosefund,  S.  33)  andererseits;  nur  ist  zu  beachten,  dass  der  Bodumer  Sporn 
einen  Stachel  „mit  Hals^  hat,  während,  um  die  Analogie  noch  grösser  zu  machen, 
man  an  einen  Stuhlspom  ohne  Hals  denken  muss,  wie  der  von  Camin  in  Meklen- 
bürg  (Verhandl.  1890,  195,  Pig.  11).  Aber  der  Bodumer  Spom  zeigt  ganz  ähnliche 
Auskehlungen  an  dem  Basaltheil,  wie  der  Obliwitzer.  — 

Auf  eine  ähnliche  Combination  des  „älteren  Knopfsporns^  mit  dem  Stuhlspom 
machte  ich  schon  in  diesen  Verh.  1890,  196  aufmerksam  (Pig.  14  nach  Engel- 
hardt, Vimose  Pundet,  1869,  S.  25)  und  erwähnte,  dass  diese  Gattung  von  Vimose 
in  2  Exemplaren,  sonst  aber  aus  keinem  anderen  (dänischen)  Punde  bekannt  sei 
(S.  199  und  198).  Die  Platte  des  Stuhlspoms  ist  bei  ihr  nur  noch  ornamental  an- 
gedeutet, während  der  Sporn  von  Obliwitz  eher  eine  wirkliche  Verbindung  beider 
Typen  vorstellt. 

Das  Stück  von  Lübgust  nun  (Pig.  6)  steht  wieder  in  einem  eigenthümlichen 
Verhältniss  zu  der  Vimoser  Mischform.  Denkt  man  sich  bei  letzterer  die  Bügel- 
arme mit  den  Knöpfen  hinweggenommen,  so  gleicht  der  liest  dem  Lübguster  Sporn, 
wie  besonders  deutlich  wird,  wenn  man  Vimose  S.  25  die  Zeichnung  rechts,  die 
ich  seiner  Zeit  nicht  wiedergab,  noch  mit  betrachtet.  Da  aber  die  Bügelarme  mit 
ihren  Endknöpfen  fehlen,  mussten  natürlich  die  gewöhnlichen  Nieten  der  Stuhl- 
sporen ihre  Stelle  vertreten,  wie  auch  Pig.  6  zeigt.  —  Der  üebergang  vom  richtigen 
Stuhlspom  durch  den  Lübguster  und  die  Vimoser  Mischform  zu  dem  Vimoser 
Knopfspom  tritt  schlagend  hervor,  wenn  man  die  Abbildungen  in  der  angegebenen 
Reihenfolge  neben  einander  stellt.  Konnte  man  früher,  so  lange  die  Vimoser 
Mi  seh  form  allein  stand,  noch  zweifelhaft  sein,  ob  meine  Auffassung  derselben 
richtig  sei,  so,  glaube  ich,  lässt  sich  jetzt  nicht  mehr  bestreiten,  dass  hier  Com- 
binationen  der  beiden  an  sich  so  ganz  verschiedenen  Typen  von  Knopf-  und  Stuhl- 
sporen vorliegen.  — 

Die  Zeitstellung  anlangend,   so   gehören  die  Stuhlsporen  wesentlich  in  die 

38* 


(596) 

Vimosezeit  oder  in  Ostpreussen  in  die  Periode  B  nach  Tischler,  die  etwa  von  der 
Mitte,  vielleicht  auch  vom  Anfang  des  1.  bis  in  die  zweite  Hälfte,  vielleicht  ans  Ende 
des  2.  Jahrh.  reicht  (Verh.  1890,  198  —  99).  Hr.  Beltz  glaubt  diese  Spornart  sogar 
noch  etwas  früher  ansetzen  zu  können,  und  zwar  nach  einem  Funde  von  Körchow  in 
Mcklenburg  (Mekl.  Jahrb.  56,  Quartalber.  3),  wo  gewöhnliche  Stnhisporen  mit  Hals 
(laut  gef.  briefl.  Mitth.  =  Mekl.  Jahresber.  6  Fig.  S.  145  und  Taf.  Fig.  4)  neben  Walten, 
Fibeln  und  anderen  Geräthen  zum  Vorschein  kamen,  die  Hr.  Beltz  in  den  Ueber- 
gang  von  La  Tene  zur  frilhrömischen  Zeit  setzt,  d.  h.  in  Tischler's  Per.  A — B, 
etwa  um  Chr.  Geburt.  —  Die  „älteren  Knopfsporen"  kennt  man  in  Ostpreussen 
wesentlich  aus  Per.  B;  sie  reichen  aber,  wenigstens  weiter  westlich,  noch  bis  in 
Per.  C,  die  etwa  vom  Ende  des  2.  bis  weit  in  das  3.  Jahrb.,  vielleicht  an  dessen 
Ende,  sich  erstreckt  (Verh.  1890,  199).  —  Unsere  Mischformen  aber  kennen  wir 
einerseits  von  Vimose  selbst,  andererseits,  den  Sprossenfibeln  nach,  aus  Per.  C 
(vergl.  Phys.-öcon.  Abh.  Königsbei^,  19,  181;  Bert.  Katal.  S.  401).  Die  Fibel  mit 
knieförmigem  Bügel  (Fig.  7)  dürfte  in  die  zweite  Hälfte  des  2.  Jahrb.,  d.  h.  ans 
Ende  der  Per.  B  oder  den  Anfang  der  Per.  C  zu  setzen  sein  (vergl.  Hostmann, 
Darzau,  Braunschweig  1874,  Taf.  7;  Phys.-öcon.  Abb.  19,219;  Berl.  Katalog  S.  401; 
Berliner  photograph.  Album  1880,  Sect.  1  T.  8,  377— 78;  namentlich  aber  Voss - 
Stimming,  Vorgesch.  Alterth.  aus  Brandenburg,  1887,  V  8,  21  e,  eine  Kniefibel 
von  Fohrde,  die  nach  priv.  Mitth.  Tischler's  dem  jüngsten  Abschnitte  von  Per.  B 
zuzurechnen  ist  [Verhandl.  1890,  199]).  Die  Mischformen  gehören  demnach  in 
Per.  B— C.  - 

Ich  benutze  diese  Gelegenheit,  um  noch  eine  Bemerkung  über 

spornähnliche  Gegenstände 

zu  machen.  In  dem  jüngst  erschienenen  Werke:  Der  Sporn,  von  Zschille  und 
Forrer,  Berlin  1891,  ist  Taf.  HI  8  zu  Seite  8  II  ein  bronzener  Bügel  ohne  Stachel 
abgebildet  (nach  Worsaae,  Nord.  Olds.  357),  und  zwar  als  Sporn  der  Völker- 
wanderungszeit, während  Worsaae  das  Stück  in  die  römische  Kaiserzeit  gesetzt 
hatte.  Allein  dies  ist  überhaupt  kein  Sporn.  Eis  wurden  zwar  2  solcher 
Stücke  zusammen  gefunden,  aber  nach  Annaler  f.  nord.  Oldkynd.  1849,  S.  395  haben 
sie  niemals  Stächein  gehabt  und  schon  Engel hardt  erklärte  in  „Nydam  Mosefund"", 
1865,  S.  56  die  fraglichen  Bügel  für  Rcitzeugbeschläge,  wie  „Thorsbjerg  Mose- 
fund" 1863,  PI.  14,  23.  Unter  diesen  Umständen  bleibt  die  Datirung  Worsaac's 
zu  Recht  bestehen,  da  der  Fund  von  Nörre  Broby  auf  Fünen,  dem  die  Bügel 
entstammen,  in  die  römische  Kaiserzeit  zu  setzen  ist. 

Ueber  Reitzeugbeschläge  ähnlicher  Art  siehe  noch  Gross,  La  Tene,  Paris  18^6, 
PI.  12,  unterer  Theil  von  Fig.  13  zu  p.  32  (garniture  de  hamais  ou  de  poitrail)  und 
über  Verwechselung  solcher  Decorationsstücke  mit  Sporen  auch  Wilde,  Catalogue 
Mus.  R.  I.  Acad.  I,  Dublin  1863,  p.  608  flf.  — 

(12)  Hr.  Otto  Schoetensack  in  Heidelberg  berichtet  unter  dem  6.  an  Um. 
Virchow  über  ein 

Nephritbeil  ans  der  Gegend  von  Ohlan  (Schlesien). 

Beim  Besuche  des  röm.-german.  Central museu ms  in  Mainz  wurde  mir  durch 
Hrn.  Lindenschmit  jun.  ein  Steinbeil  übergeben,  welches  von  dem  Eigenthümer 
desselben,  Hrn.  Pastor  F.  Senf  in  Liingwitz  bei  Brieg,  zur  Prüfung  auf  Nephrit  ein- 
gesandt  war. 


(597) 


Der  erste  Anblick  des  Beiles  zeigte  mir,  dass  hier  in  der  That  ein  typischer 
Nephrit  vorlag.  Ich  beschloss  daher,  eine  gründliche  Untersuchung  des  Materials 
vorzunehmen,  und  hatte  mich  hierbei  der  liebenswürdigen  Unterstützung  des  Hm. 
Dr.  H.  Traube  in  Berlin  zu  erfreuen,  wofür  ich  demselben  meinen  verbindlichsten 
Dank  abstatte.  Ebenso  bin  ich  dem  Besitzer  des  Beiles  dafür  verbunden,  dass  er 
in  so  bereitwilliger  Weise  mir  dasselbe  zur  Untersuchung  überliess. 

Ehe  ich  zur  Bekanntgabe  des  Ergebnisses  übergehe,  will  ich  hinsichtlich  des 
Fundortes  des  Beils  bemerken,  dass  sich  nur  noch  feststellen  lässt,  dass  dasselbe 
aus  der  Gegend  von  Ohlau  stammt.  Hr.  Senf  schreibt  mir  darüber  Folgendes: 
„Ich  erhielt  es  aus  der  Hand  des  Hrn.  Gutsbesitzers  Flöter  in  Kosenhain  bei 
Ohlau,  zusammen  mit  je  einem  Feuerstein-  und  Serpentin-Beile.  Diese  Gegen- 
stände stammen  alle  aus  dem  Nachlasse  des  Bruders  des  Hm.  Flöter,  welcher 
Stadtrath  in  Ohlau  war  und  von  den  Landleuten  des  Kreises,  mit  welchen  er  gern 
verkehrte,  allerlei  merkwürdige  Funde  zugetragen  erhielt.  Auswärtige  Verbindungen 
hatte  dieser  Herr  nicht,  ebensowenig  hatte  er  archäologisches  oder  mineralogisches 
Interesse.    Wahrscheinlich  ist  das  Steinbeil  beim  Pflügen  gefunden  worden.'' 

Die  Maasse  des  Beils,  wegen  dessen  Gestalt 
auf  die  nebenstehenden  Abbildungen  verwiesen 
wird,  sind  folgende:  Grösste  Länge  101,  grösste 
Breite  45,  grösste  Dicke  22  mm. 

Das  Material  ist  ein  hellgrasgrüner  (Kadde 
15  r),  z.  Th.  in  Serpentin  umgewandelter  schle- 
sischer  Nephrit,  wie  er  Neues  Jahrb.  f.  Min. 
1884,  Beilage-Band  UI.  S.  424  von  Herrn  H. 
Traube  beschrieben  worden  ist.  Die  Serpen- 
tinisirung  ergiebt  sich  durch  ein  geflecktes  Aus- 
sehen des  Nephrits  zu  erkennen,  das  bei  dem 
Beile  auf  der  frischen  Schnittfläche  sehr  deut- 
lich hervortritt.  In  dem  Minerale  treten  zahl- 
reiche grössere  und  kleinere,  unregelmässig  und 
undeutlich  begrenzte  Flecke  von  dunkelgrünem 
bis  fast  schwärzlichgrünem  Serpentin  auf.  Nephrit 
von  ganz  ähnlicher  Beschaffenheit,  wie  der  des 
Beiles,  triftt  man  nach  Hrn.  H.  Traube  im  Be- 
reiche des  Serpentins  von  Jordansmühl  mehrfach  an;  seine  Farbe  ist  zuweilen 
etwas  mehr  gelblich,  seine  Struktur  oft  ebenso  körnig  dicht. 

Das  specifische  Gewicht  wurde  an  Splittern  des  Minerals,  welche  völlig  frei 
von  Verwitterungskruste  waren,  in  Thoulet'scher  Lösung  (Raliumquecksilberjodid) 
im  Mittel  als  3,017  ermittelt.  Hr.  Prof.  Osann  in  Heidelberg  war  so  freundlich, 
ebenfalls  einige  Bestimmungen  des  spec.  Gewichts  vorzunehmen,  wofür  ich  hiermit 
meinen  Dank  ausspreche.  Das  mit  der  hydrostatischen  Waage  am  Artefakt  selbst 
festgestellte  Volumgewicht  ergab  sich  als  2,984.  Die  Differenz  ist  der  fast  1  mm 
dicken,  stark  aufgelockerten  Verwittemngskruste  des  Steinbeils  zuzuschreiben. 
Dieses  erscheint  äusserlich  in  der  Farbe  theils  bräunlich  (Radde  4  d — i),  theils 
weisslich,  ähnlich  wie  dies  an  Pfahl  bau  fun  den  von  Maurach  (vgl.  Neues  Jahrb.  f. 
Min.  1883.  IL  S.  80 — 82)  und  an  einem  von  mir  untersuchten,  im  British  Museum 
beftndlichen  neuseeländischen  Nephritbeile  (Zeitschr.  f.  Ethn.  1887.  S.  138)  beob- 
achtet ist.  Die  Härte  des  Minerals  ist  6 — 7,  der  Brach  splitterig  und  der  ganze 
Habitus  der  eines  ächten  Nephrits. 

Um  eine  möglichst  zuverlässige  mikroskopische  Untersuchung  dos  Mate- 


(598) 

rials  zu  ermöglichen,  wurden  3  Dünnschliffe  daraus  hergestellt,  wovon  Nr.  2  mög- 
lichst senkrecht  zu  Nr.  1  geschnitten  wurde.    Der  Befund  ist  folgender: 

Schliff  Nr.  1.  Im  gewöhnlichen  Lichte  unter  dem  Mikroskop  erscheint  der 
Nephrit  schwach  graulich  bis  fast  farblos  und  von  zahlreichen  unregclmässigen 
Rissen  durchsetzt.  Die  unmittelbare  Umgebung  der  Risse  ist  durch  Eisenoxyd- 
hydrat zuweilen  gelblich  gefärbt,  eine  Erscheinung,  die  sehr  häufig  bei  Nephriten 
zu  beobachten  ist.  Einzelne  Stellen  lassen  bereits  im  gewöhnlichen  Lichte  eine 
faserige  Struktur  erkennen,  die  Hauptmasse  erscheint  indess  strukturlos.  Hin  und 
wieder  finden  sich  sehr  lange,  deutlich  begrenzte  Leisten  eines  farblosen  Minerals 
(Hornblende).  Bemerkenswerth  sind  sehr  spärliche  kaffeebraune,  durchscheinende, 
isotrope  Körner  von  Chromspinell,  von  opakem  Magneteisen  umrandet,  wie  sie  im 
Serpentin  des  Zobtengebirges  so  ungemein  verbreitet  sind.  An  einigen  Stellen 
kann  man  ausserdem  grössere  Anhäufungen  von  meist  zu  Limonit  zersetzten 
Magnetitkömern  beobachten.  Derartige  Anhäufungen  pflegen  sich  besonders  dort, 
wo  die  Serpentinbildung  beginnt,  einzufinden  (Neues  Jahrb.  f.  Min.  1884. 111.  S.  424); 
sie  sind  die  Ursache  der  bereits  makroskopisch  sichtbaren  dunklen  Flecke. 

Bei  gekreuzten  Nicols  erscheint  der  Nephrit  zusammengesetzt  aus  verhältniss- 
mässig  kleinen,  rundlichen,  verworrenen  Hornblendebüscheln,  welche  dicht  an  ein- 
ander treten,  aber  keinerlei  regelmässige  Anordnung  erkennen  lassen  (a.  a.  O.  S.  421), 
doch  treten  neben  diesen  nicht  allzu  selten,  aber  immer  vereinzelt,  auch  grössere 
faserige  Bündel,  sowie  auch  sehr  spärlich  homogene,  dünne  Säulchen  von  Horn- 
blende auf.  Seipentin-Bildung  kann  man  häufig  bemerken,  immer  aber  omschliesst 
der  Serpentin  noch  kleine  Homblendebüschel. 

Schliff  Nr.  2,  welcher  möglichst  senkrecht  zu  Nr.  1  geschnitten  ist,  unter- 
scheidet sich  von  letzterem  besonders  durch  das  Fehlen  der  Risse,  durch  das  häu- 
figere Auftreten  von  scharfbegrenzten  Hornblendeleistchen  und  Anhäufungen  von 
Magnetit.  Die  Struktur  erscheint  bereits  im  gewöhnlichen  Lichte  stellenweise  auf- 
fallend grobfaserig.  Die  Serpentinbildung  ist,  wie  die  Beobachtung  bei  gekreuzten 
Nicols  deutlich  erkennen  lässt,  hier  viel  weiter  fortgeschritten.  Die  Struktur  des 
Nephrits  ist  langfaserig  flachwellig,  wobei  die  Fasern  zu  oft  nur  wenig  divergirenden 
Büscheln  gruppirt  sind.  Das  Bild,  welches  dieses  Präparat  zeigt,  entspricht  auf- 
fallend der  von  Hrn.  Arzruni  (a.  a.  0.  S.  420)  gegebenen  Beschreibung  eines 
schieferig-faserigen  bis  körnig-dichten,  gelblichweissen  Nephrits  von  Jordansmühl. 
Die  Aehnlichkeit  dieses  Nephrits  mit  dem  Vorkommen  von  Neuseeland,  auf  die 
Hr.  Arzruni  bereits  hingewiesen  hat  und  die  durch  die  scharfe  Biegung  einzelner 
Büschel  hervorgerufen^  ist,  tritt  hier  gleichfalls  unverkennbar  zu  Tage.  Gelegent- 
lich konnte  auch  ein  flaumiger  Anflug  an  den  Hornblendebüscheln  bemerkt  werden, 
der  schon  an  anderen  Jordansmühler  Nephriten  wahrgenommen  worden  ist  (a.  a.  O. 
S.  416).  Alle  diese  Unterschiede  in  der  Struktur  und  im  ganzen  Habitus  gegen 
Nr.  1  sind  offenbar  durch  die  abweichende  Richtung,  nach  welcher  der  Schliff  ge- 
führt wurde,  bedingt.  Besondere  Erwähnung  verdient  noch  das  Auftreten  zahl- 
reicher feiner,  länglicher,  opaker  Stäbchen  im  Chromspinell,  in  Sagenit  ähnlicher 
Anordnung,  ohne  dass  hierbei  an  Rutil  gedacht  werden  könnte,  da  das  Auftreten 
dieser  Stäbchen  anscheinend  mit  der  Magnetitausscheidung  am  Rande  der  Spinelle 
im  Zusammenhang  zu  stehen  scheint. 

S  c  h  1  i  f f  Nr.  3  gleicht  im  Grossen  und  Ganzen  völlig  Nr.  2. 
Die  quantitative  Analyse,    welche  unter  zuverlässigster  Controle  an  einem 
vom  Beile  abgenommenen,   sorgfältig  von  der  Verwitterungsrinde  befreiten  Stücke 
ausgeführt  wurde,  ergab: 


• 


(599) 

Wasser  bei  120°  C.  weggehend     .      0,71  pCt. 
ferner  in  bei  120°  C.  getrocknetem  Zustande: 

Kieselsäure 56,30  pCt. 

Chromoxyd 0,24     „ 

Thonerde 0,54     „ 

Eisenoxydul 3,85    „ 

Manganoxydul 0,10    „ 

Kalk 14,02    „ 

Maf^esia 21,70    ^ 

Kali 0,07     ^ 

Natron 0,^3     „ 

Wasser 3,07    „ 

100,12  pCt. 

Dieses  Resultat  stimmt  gut  überein  mit  dem  von  Hm.  H.  Traube  (a.  a.  0. 
S.  422)  in  Betreff  des  Jordansmühler  Nephrits  veröffentlichten.  Der  geringere  Gehalt 
an  Kieselsäure  und  der  höhere  Gehalt  an  Wasser  bei  dem  Ohlauer  Steinbeile  er- 
klären sich  hinreichend  durch  den  bei  diesem  Mineral  vorgeschrittenen  Serpentini- 
sirungsproccss,  auf  den,  abgesehen  von  dem  mikroskopischen  Befunde,  auch  das 
niedrigere  spec.  Gewicht  (3,017)  des  Ohlauer  Nephrits  gegenüber  dem  Volum- 
gewichte des  Jordansmühler  Nephrits  (3,043)  hinweist.  Chromoxyd  und  die  Alkalien 
wurden  bei  dem  letzteren,  wie  Hr.  Traube  mir  zu  bestätigen  die  Güte  hatte,  nicht 
besonders  bestimmt. 

Der  Fund  des  Ohlauer  Nephritbeils  hat  ein  ganz  besonderes  Interesse,  weil 
man  von  dem  bei  Jordansmühl  und  Reichenstein  anstehend  gefundenen  Nephrit 
bislang  noch  keine  Artefakte  gefunden  hatte  (eine  Nephrit-Einsprengung  war  be- 
reits von  Hm.  Arzruni  an  einem  Serpentinbeile  von  Gnichwitz  beobachtet  worden), 
trotzdem  in  dieser  Gegend  ausgedehnte  Lagerplätze  des  vorgeschichtlichen  Men- 
schen festgestellt  sind  (Zeitschr.  f.  Ethn.  1870.  S.  358  und  1887.  S.  682). 

Man  durfte  am  ehesten  das  Auffinden  von  Artefakten  aus  dem  im  Serpentin 
selbst  auftretenden  hellfarbigen  Nephrit  erwarten,  da  dieser  in  einzelnen  Knollen 
und  kleineren  Partien  bei  dem  unmittelbar  zu  Tage  tretenden  Serpentin  zu  ver- 
muthen  war.  Von  dem  in  Jordansmühl  bei  Weitem  häufigeren  dunkelgrünen 
Nephrit,  welcher  an  der  Grenze  zwischen  Serpentin  und  Weissstein  vorkommt, 
waren  Funde  von  Steinbeilen  von  vom  herein  unwahrscheinlich,  weil  dieser  erst 
durch  die  in  neuester  Zeit  bis  in  bedeutende  Tiefe  geführten  Steinbmcharbeiten 
zur  Tage  getreten  ist  (a.  a.  0.  S.  425). 

Das  Ohlauer  Beil  ist  das  einzige  in  Europa  gefundene  Nephrit- Artefakt, 
von  dem  wir  die  Herkunft  des  Materials  bestimmt  nachweisen  können.  Ausser 
diesem  Beil  ist,  soweit  mir  erinnerlich,  nur  noch  ein  Fund  eines  Nephrit-Artefaktes, 
desjenigen  von  Suckow  in  der  Uckermark,  jetzt  im  Kgl.  Museum  für  Völkerkunde 
in  Berlin  befindlich,  in  Nord-Europa  bekannt  geworden. 

In  Mittel-Europa  treffen  wir,  der  Fischer'schen  Karte  über  die  Verbrei- 
tung der  Werkzeuge  aus  Nephrit,  Jadeit  und  Chloromelanit  (Arch.  f.  Anthrop.  1886) 
folgend,  solche  Artefakte  nur  noch  in  den  Pfahlbauten  der  Schweiz  und  den 
denselben  benachbarten  Gebieten,  sowie  Einzelfunde  bei  Nördlingen  (zwischen 
Donau  und  Wörnitz)  und  am  Starnberger  See  in  Bayem  an.  Diese  scheinen  alle, 
wie  auch  die  von  Hrn.  A.  B.  Meyer  in  Steiermark  bekannt  gegebenen  Funde,  auf 
einen  alpinen  Ursprung  des  Materials  hinzuweisen. 

Von  den  in  Süd-Europa  gefundenen  Nephritbeilen  lassen  die  vom  Pelo- 
ponnes   bekannt  gewordenen  einen  asiatischen  Ursprung  vermuthen,   da  sich  die 


(600) 

Kette  dieser  Funde,  wie  ich  an  den  im  Britischen  Museum  befindlichen  Artefakten 
nachgewiesen  habe  (Zeitschr.  f.  Ethn.  1887.  S.  122  ff.),  über  die  Inseln  des  ägäischen 
Meeres  hinweg  durch  Rlein-Asien  und  Syrien  hindurch  bis  nach  Mesopotamien 
weiter  verfolgen  Hisst.  Woher  die  im  äussersten  Süden  von  Italien  gefun- 
denen Nephrit-Beile  stammen,  das  wird  sich  dagegen  wohl  schwieriger  feststellen 
lassen. 

Während  die  Verbreitung  der  Nephrit-Beile  in  Europa,  wie  gezeigt,  eine  relativ 
beschränkte  ist,  verhält  sich  dies  hinsichtlich  der  Jadeit-  und  Chloromelanit- 
Beile  wesentlich  anders. 

Von  den  Pyrenäen  an  bis  zum  Meridian  von  Erfurt  finden  wir  Jadeit-  und 
Chloromelanit-Beile  über  das  Festland  von  Europa  verstreut.  Dass  diese  Funde 
gegen  Osten  hin  fast  gänzlich  aufhören  und  ebenso  im  eigentlichen  Norden,  dass  sie 
im  heutigen  Dänemark,  auf  der  skandinavischen  Halbinsel'),  sowie  auch  auf  den 
britischen  Inseln*)  fehlen,  zeigt  uns,  dass  ihr  Ursprung  im  Südwesten  Europas  zu 
suchen  ist.  Mit  der  Annahme  Damour's*),  die  sich  wohl  speciell  auf  die  Ver- 
breitung der  Jadeit-Beile  in  Prankreich  bezieht,  dass  in  den  Alpen  oder  in  einem 
demselben  benachbarten  Gebiete  sich  Lagerstätten  des  Materials  vorfinden  müssen, 
stimmen  gut  überein  die  Funde  von  Jadeit-Beilen  in  den  Dolmen  Frankreichs, 
welche  letztere  sich  von  dem  Rhone-Flusse  quer  durch  Frankreich  nach  der  Bre- 
tagne erstrecken.  Vom  Norden  Frankreichs  aus  gelangten  die  Jadeit-Beile  dann 
wahrscheinlich  nach  dem  westlichen  Deutschland  und  von  hier  bis  zur  Elbe.  Dies 
muss  zu  einer  Zeit  geschehen  sein,  als  die  megalithischen  Denkmäler  der 
norddeutschen  Tiefebene  bereits  errichtet  waren,  denn  sonst  hätte  man, 
gleich  wie  in  den  Dolmen  Frankreichs,  auch  in  einer  der  zahlreich  untersuchten 
Steinkammern  Norddeutschlands,  welche  fast  durchweg  sorgfältig  polirte  Beile  ans 
Feuerstein  und  aus  anderem  dort  vorkommenden  Material  enthalten,  gelegentlich 
ein  Jadeit-Beil  finden  müssen.  Ein  solches  ist  aber  meines  Wissens  noch  nie  in 
einem  Steinkammergrabe  Norddeutschlands  aufgefunden  worden,  trotzdem  der  west- 
liche Theil  dieses  Gebietes  bis  zur  Elbe  reichlich  Jadeit-  und  Chloromelanit-Beile 
aufzuweisen  hat.  In  der  Altmark  sind,  wie  ich  aus  den  in  Gemeinschaft  mit  Hm. 
Eduard  Krause  daselbst  vorgenommenen  Localforschungen *)  berichten  kann,  in 
den  seit  den  vierziger  Jahren  zerstörten,  mehr  als  100  Stein  kämm  ergräbem  zahl- 
reiche Steinbeile  gefunden,  aber  nicht  ein  Jadeit-Beil  darunter.  Ferner  befindet  sich 
nach  mir  gewordener  gefälliger  Mittheilung  seitens  des  Provinzial-Museums  in 
Hannover  auch  in  dieser  reichhaltigen  Sammlung  von  Gegenständen  aus  megalithi- 
schen Gräbern  kein  Jadeitbeil. 

Dass  für  die  Gegend  des  Mittel-  und  Niederrheins  und  die  östlich  davon  ge- 
legenen Gebiete  der  Ausgangspunkt  der  Jadeit- Beile  nicht  etwa  die  Gegend  der 
schweizer  Pfahlbauten  gewesen  ist,  wo  man  bekanntlich  neben  Nephrit-Artefakten 
zahlreiche  Jadeit-Beile  gefunden  hat,    erhellt,    abgesehen   davon,    dass   die   in  der 


1)  Ich  kann  mich  in  dieser  Beziehung  auf  die  mir  neuerdings  gewordenen  gef*ül;{:en 
Mittheilungen  des  Hm.  Dr.  K.  Bahnson  in  Copenhagen  und  von  Frl  J.  Mestorf  in  Kiel 
beziehen 

2)  Bezuglich  des  von  H.  Fischer  im  Archiv  f  Anthrop.  1886.  S.  563  erwähnten  Stein- 
beils von  Brierlow  (Derbyshire)  konnte  ich  feststellen  (Zeitschr.  f.  Etbnol.  1887.  S.  1:?0), 
dass  das  Material  keinNephritoid  ist,  und  über  die  femereu  a.  a.  O.  angeführten  Beile 
scheint  keine  genauere  mineralogische  Untersuchung  vorzuliegen. 

3)  A.  Üamour.  Compt.  rend.  des  scances  de  TAcademie  des  Sciences.  T.  XCIL  1881. 

4)  Die  Ergebnisse  derselben  beabsichtigen  wir  demnächst  der  Oeffentlichkeit  lu  öber- 
gebon. 


(601) 

Schweiz  gefundenen  Jadeit-Beile  meist  aus  Gerollen  hergestellt,  klein  und  rund- 
lich sind,  während  die  am  Mittel-  und  Niederrhein  gefundenen  Jadeit-Beile  nur  aus- 
nahmsweise Geröllcharakter  zeigen  und  gross  und  flach')  sind,  auch  daraus,  dass 
Nephrit- Artefakte  in  dem  zuletzt  genannten  Gebiete  fehlen.  Diese  der  Farbe 
nach  stark  ins  Auge  fallenden  Nephrit-Beile  hätten  aber  sicher  mit  den  Jadeit-Beilen 
zusammen  von  der  Schweiz  aus  ihren  Weg  nach  dem  Norden  gefunden,  wenn 
letztere  auf  dieser  Strasse  dahin  gelangt  wären. 

Mit  den  im  äussersten  Süden  von  Europa,  in  Süd-Italien  und  in  Griechen- 
land gefundenen  Jadeit-  und  Chloromelanit-Beilen  verhält  es  sich  genau  so,  wie  mit 
den  daselbst  aufgefundenen  Nephrit-Artefakten.  Auch  die  Funde  von  Jadeit-  und 
Chloromelanit-Beilen  lassen  sich  nehmlich  von  Griechenland  über  die  Inseln  des 
ägäischen  Meeres  hinweg  bis  nach  Mesopotamien  weiter  verfolgen. 

Das  massenhafte  Vorkommen  von  Jadeit-Beilen  in  ganz  Frankreich  und  von  da 
über  den  Rhein  hinaus  bis  zur  Elbe  kann  jedenfalls  nicht  anders  gedeutet  werden, 
als  hinterlassene  Spuren  von  regem  Verkehr  zwischen  den  Bewohnern  dieser 
Länder  in  vorgeschichtlicher  Zeit  oder  von  ausgedehnten  Wanderungen  derselben 
von  einem  Lande  zum  andern. 

Wenn  Heinrich  Fischer  glaubte,  alle  in  Europa  gemachten  Funde  von 
Nephritoid-Artefakten  auf  asiatischen  Ursprung  zurückführen  zu  müssen,  so  ist  er, 
wie  jetzt  von  der  Mehrzahl  der  Forscher  angenommen  wird  und  wie  ja  auch  durch 
die  Auffindung  des  Jordansmühler  Nephrits  und  des  daraus  gefertigten  Ohlauer 
Beiles  bewiesen  ist,  darin  zu  weit  gegangen.  Die  Nephritoide  haben  aber  that- 
sächlich  in  einer  gewissen  Culturepoche  bei  zahlreichen  Völkern  aller  Erdtheile 
(hinsichtlich  Afrikas  ist  dies  auf  die  daraus  gefertigten  Scarabäen  zu  beschränken), 
eine  gewichtige  Rolle  gespielt.  Es  bleibt  das  unbestreitbare  Verdienst  Heinrich 
Fisch  er' s,  unter  Beibringung  eines  erstaunlich  reichhaltigen  und  für  die  Völker- 
kunde werthvollen  Materials,  hierauf  zuerst  hingewiesen  zu  haben.  — 

Hr.  Virchow  beglückwünscht  Hrn.  Schoetensack  für  die  wichtige  Beob- 
achtung, welche  eine  entscheidende  Bedeutung  für  die  noch  immer  so  schwierige 
Nephrit-Frage  gewinnen  dürfte. 

In  Betreff  des  Jadeits  weist  er  auf  eine  neuere,  ihm  durch  die  Güte  des  Hm. 
R.  Andree  zugegangene  Mittheilung  des  Professor  J.  H.  Kloos  in  Braunschweig 
(Globus,  1891.  Nr.  24.  S.  374)  hin,  wonach  im  Mai  1888  ein  Waldarbeiter  auf  dem 
Ebersberg,  einer  Erhebung  des  Festberges  auf  dem  nordöstlichen  Höhenzuge  der  Asse 
im  Herzogthum  Braunschweig,  im  Gebiete  des  Wellenkalks,  unter  der  Wurzel  einer 
grossen  Buche  das  Bruchstück  eines  zugeschliffenen  Beilchens,  5  cm  lang  und  breit, 
1 7  mm  in  der  grössten  Dicke,  auffand.  Das  Material  erwies  sich  als  Jadeit  oder  genauer 
als  die  Varietät  des  Cbloromelanits.  Der  Verf.  erinnert  daran,  dass  bereits  Heinr. 
Fischer  (Correspondenzblatt  der  deutschen  anthrop.  Gesellsch.  1880.  S.  19)  ein 
Jadeit-Beilchen  erwähnt  hat,  welches  1869  dicht  vor  der  Stadt  Braunschweig  in  der 
als  Hagenbruch  bekannten,  sumpfigen  Niederung  hinter  dem  früheren  Kurgarten  ge- 
funden war.  Dasselbe  ist  jetzt  im  städtischen  Museum  zu  Braunschweig  (Braun- 
schweiger Anzeigen  Nr.  72)  und  wurde  früher  für  Grünstein  gehalten.  Es  ist  10  cm 
lang  und  etwas  über  5  cm  breit. 

1)  Dies  Merkmal,  besonders  gut  ausgeprägt,  zeigen  einige  in  der  Sammlung  dos  Mainzer 
Alterthums -Vereins  befindliche  Flachbeile  aus  .Jadeit,  welche  bei  L.  Liudenschmit, 
Alterthümer  unserer  heidnischen  Vorzeit,  1858.  Bd.  1.  Heft  2.  Taf.  1  abgebildet  und  bei 
H.  Fischer,  Nephrit  und  Jadeit,  1875.  S.  370  näher  beschrieben  sind. 


Nächst  den  IbilrinfrischGn  Funden,  die  wir  schon  von  der  Berliner  Anssteltnog 
i.  J.  1880  her  kennen,  sind  dies  wohl  die  am  meisten  östlichen  ia  Norddeutsch tand. 
Nur  aus  Schlesien  ist  schon  frtiber  ein  Chloromelanit-Beil  bekannt  geworden. 

Im  Uebrigen  bezieht  sich  Hr.  Virchow  auf  seine  Abhandlung  über  da»  Vor- 
kommen der  flachen  Jadeit-Beile  in  den  Verhandl.  1881.   S.  283.  — 

(13)  Hr.  Oberlehrer  Dr.  Krause  in  Glciwitz  übersendet  unter  dem  11.  fol- 
gende Erörtening  über 

ein  TenipelbUd  ans  den  Königegrübern  von  Hykenae. 

Unter  den  zahlreichen  Gegenständen,  welche  Schliemann  aus  den  Königs- 
gräbern in  Mykenac  zu  Tage  gefördert  hat,  nimmt  ein  Tempelchen  ans  Goldblech, 
welches  in  fünf  ganz,  gleichen  Exemplaren  gefunden  worden  ist,  ein  hervorragendes ' 
Interesse  in  Anspruch.  Ist  es  doch  die  einzige  Darstellung  eines  griechischen 
Tempelbaues  aus  jener  fernen  Zeit,  in  welcher  das  Geschlecht  der  Atriden  in 
Mykenuc  herrschte.  Dieses  goldene  Tempelchen,  dessen  Abbildung  wir  nach 
Schuchhardt's  Werk  „Schliemann'a  Ausgrabungen"  S.  22^  wiedergeben,  weist 
mehrere  Einzelheiten  auf,  welche  sich  bisher  noch  der  Krklärang  entzogen  haben. 


Dass  wir  einen  Tempel  der  Aphrodite  oder  Astarte  vor  uns  haben,  darauf 
deuten  zunächst  die  Tauben  auf  den  Ecken,  wie  dies  Sehuchhardt  8.  ^'29  hervor- 
hebt. Aber  die  charakteristischen  Merkmale  des  Tempels  sind  bisher  in  dieser 
Darstellung  noch  nicht  erkannt  woi'dcn.  Wir  wollen  daher  den  Versuch  macben, 
diesen  TenipeJbau  in  all'  seinen  Theilen  in  klares  Licht  zu  stellen  und  die  Rathsel 
zu  lösen,  welche  bisher  noch  keine  Erklürong  gefunden  haben. 

Der  niykcnische  Künstler  stellt  ans  die  ll'i-ont  eines  Tempels  dar,  in  welcher 
drei  Säulen  sichlbar  werden.  Diese  drei  Säulen  liegen  scheinbar  in  einer  und 
derselben  Linie,  aber  nur  zwei  dieser  Säulen  gehören  der  Vorderseile  des  Tempels 
an,  gemäss  dem  Baustyl  aller  Tempel-  und  Palastbauten  der  altgriechischen  Z»^iL 
Dagegen  die  mittelste  Säule,  welche  dnrch  die  Thür  des  Tempels  sichtbar  wird, 
ist  tief  im  Innern  des  Tempels  zu  denken  und  stellt  das  Götterbild  nach  ältester 
Weise  in  Purm  der  Säule  dar,  wie  wir  dies  m  Cypern  finden  (Tacitns  bist.  '2,  '6). 
Selbst  die  Säule  des  Lüwenthorcs  in  Mykenae  lässt  keine  andere  Deatong  zn,  als 
die  eiiiea  Götterbildes.  Durch  diese  Erklärung  der  Säule  als  Götterbild  ist  die 
Schwierigkeit  beseitigt,  dass  die  Stellung  einer  Säule  in  der  Mitte  des  Tempel- 
Einganges,  wie  sie  unser  Tempelchen  zeigt,  sonat  räthselbad  erscheinen  mnsate, 
denn  eine  solche  Säulenstcllnng  würde  aller  Analogie  der  Baukunst  widcrspre  dien 


(603) 

Die  kelchfbrroige  Linie,  in  welcher  jede  der  drei  Säulen  zu  stehen  scheint,  stellt 
eine  Guirlande  dar,  welche  sowohl  die  beiden  Säulen  des  Einganges,  als  auch  das 
Götterbild  schmückt. 

Es  erübrigt  jetzt  noch,  diejenigen  Theile  des  mykenischen  Terapelchens  zu  er- 
klären, welche  die  Krönung  des  Gebäudes  bilden  und  bisher  noch  keine  genügende 
Deutung  gefunden  haben.   Es  ist  dies  ein  Altar  und  ein  darüber  befindlicher  Ruhesitz. 

Betrachten  wir  zunächst  den  Altar,  so  finden  wir,  dass  er  derjenigen  Form  ent- 
spricht, in  welcher  sonst  die  mykenische  Kunst  den  Altar  öfter  darstellt,  so  z.  B. 
Nr.  1  ata  Löwenthore  und  Nr.  2  auf  der  Kalktafel,  welche  nach  Schuchhardt, 
S.  326  eine  Opferhandlung  darstellt.  Durch  den  Altar  wird  das  Gebäude  als  ein 
heiliges  Gebäude,  als  Tempel  charakterisirt.  Schuchhardt  glaubt  (S.  229)  in  dem 
Viereck  jenes  Oberbaues  ein  Fenster  erkennen  zu  dürfen,  in  dem  die  Halbkreise 
nur  zur  Füllung  des  Raumes  oder  zur  Verzierung  der  Läden  angebracht  sind. 
Aber  der  antike  Tempel  bedarf  an  seiner  Front  keines  Fensters,  während  diese 
Halbkreise  dem  mykenischen  Altare  gerade  eigenthümlich  sind. 

Zum  Schluss  wollen  wir  nun  die  oberste  Krönung  des  Tempels  besprechen, 
welche  von  einigen  als  Altar,  von  Schuchhardt,  S.  229  als  Akroterion  gedeutet 
wird.  Dieser  Theil  scheint  einen  Ruhesitz  darzustellen,  eine  Kline,  wie  sie  in 
einigen  Tempebi  des  Alterthums  erwähnt  wird.  So  befand  sich  in  dem  Heraion 
bei  Mykenae,  wie  Tansanias  2,  17  berichtet,  ein  solcher  Ruhesitz  der  Hera,  des- 
gleichen wird  auch  in  dem  Heiligthum  des  Belus  zu  Babylon  ein  Ruhesitz  er- 
wähnt, welcher  auf  dem  Gipfel  des  thurmähnlichen  Gebäudes  in  einem  Tempel 
aufgestellt  war  (Herodot  1,  181).  Auch  das  mykenische  Bildwerk  lässt  uns  auf 
seinem  Gipfel  diese  Kline,  den  Ruhesitz  der  Gottheit,  wiedererkennen.  Es  scheint 
ein  Doppclsitz  zu  sein,  für  Aphrodite  und  Adonis  bestimmt. 

i2wei  Exemplare  dieses  goldenen  Tempelchens  sind  in  dem  dritten  Grabe 
der  Königsburg  aufgefunden  worden,  drei  andere  ganz  gleiche  in  dem  fünften 
Grabe.  Und  zwar  stimmen  die  drei  mit  jenen  zwei  Exemplaren,  wie  Schuch- 
hardt, S.  251  mittheilt,  derartig  in  allen  Einzelheiten,  in  jeder  Linie,  überein,  dass 
sie  aus  demselben  Stempel  geschlagen,  bezüglich  über  derselben  Form  gearbeitet 
sein  müssen.  — 

(14)   Hr.  Krause  bespricht  in  einer  weiteren  Zusendung  rom  14.  Juli 

das  Palladinin  in  der  mykenischen  nnd  tirynthischen  Darstellung. 

Wie  die  trojanische  Kunst  vielfach  die  Göttin  Pallas  in  Thon  und  Stein 
in  sehr  eigenthümlicher  und  primitiver  Weise  bildlich  dargestellt  hat,  so  ist  das 
Palladium  auch  in  Mykenae  und  Tiryns  häufig  dargestellt  worden,  wie  die 
reichen  Funde  erkennen  lassen,  welche  Dr.  Schliemann  dort  zu  Tage  ge- 
fördert hat.  In  Gold,  wie  in  Thon  und  Kalkstein,  sind  uns  Darstellungen  des 
Palladiums  aus  der  mykenischen  Zeit  erhalten  worden,  welche  aber  bei  der 
Schwierigkeit  der  Sache  bis  jetzt  gar  nicht  erkannt  worden  sind.  Die  Form,  in 
welcher  die  mykenische  und  tirynthische  Kunst  das  Palladium  zur  Darstellung 
gebracht  hat  ist  eine  so  alterthümliche,  dass  es  in  der  That  sehr  schwierig  ist, 
die  Göttin  Pallas  in  diesem  Bilde  wiederzuerkennen. 

Wir  nehmen  die  Darstellung  auf  einem  mykenischen  Goldringe  (Fig.  1)  zum  Aus- 
gangspunkte, wie  sie  in  Schuchhardt's  Werk  „ Schliemann's  Ausgrabungen'' 
S.  315  uns  vor  Augen  geführt  wird.  Das  Palladium  ist  auf  diesem  Ringe  viermal 
dai^estellt,  aber  in  einer  so  verhüllten  Form,  dass  man  nur  Thierköpfe  zu  erblicken 
glaubt.    Als  vier  Thierköpfe  finden  wir  auch  bei  Schuchhardt,   S.  314,  die  vier 


(604) 


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Fifirur  1.  Darstellanf^en    des   Palladiums    auf   dem 

goldenen  Ringe  gedeutet. 

Unter  den  sieben  Hauptfiguren  dieses 
Ringes  erkennen  wir  leicht  die  drei  Stier- 
köpfe mit  ihren  langen  Hörnern.  Sie 
stellen  die  Rinder  dar,  welche  der  Göttin 
Pallas  geopfert  werden.  Die  übrigen  vier 
Hauptßguren  stellen  das  Palladium  selbst 
dar.  In  der  obersten  Reihe  zunächst 
sehen  wir  drei  Figuren,  nehmlich  zwei 
Palladien,  zwischen  welchen  ein  Stierkopf 
steht.  Am  sorgfältigsten  hat  der  myke- 
nische  Künstler  das  erste  Palladium  behandelt,  woraus  wir  ersehen  können,  dass 
das  Palladium  eine  rohe  Nachahmung  des  menschlichen  Körpers  darstellt,  an  wel- 
cher sich  der  Kopf,  die  Brust  mit  dem  Bmstschmuck  und  die  Beine  unterscheiden 
lassen.  Der  Kopf  zeigt  nach  Weise  des  trojanischen  Palladiums  eine  schnabel- 
artige Bildung,  welche  an  den  Kopf  der  Eule  erinnert.  Neben  diesem  Schnabel, 
welcher  die  Nase  und  die  Kante  der  Augenbrauen  darstellt,  erkennen  wir  die 
beiden  Augen.  Unterhalb  des  Kopfes,  welcher  ohne  Hals  auf  dem  Rumpfe  sitzt,  ist 
in  grosser  Breite  die  Brust  der  Göttin  dargestellt.  Ein  breiter  Gürtel,  welcher 
quer  über  die  Brust  von  der  einen  Schulter  bis  zur  anderen  läuft,  stellt  den  Brost- 
schmuck  der  Göttin,  nehmlich  die  Aegis  dar,  welche  wir  später  nach  einer  anderen 
Darstellung  aus  Tiryns  beschreiben  werden.  Unterhalb  der  Aegis  sind  die  beiden 
Brüste  der  Göttin  deutlich  dargestellt.  Der  unterste  Theil  der  Figur  stellt  die 
Beine  dar,  jedoch  ohne  Gliederung  und  Fussbildung,  so  dass  die  Gestalt  durch 
ein  langes  Gewand,  wie  es  scheint,  ihren  unteren  Abschluss  erhält  Auch  die 
Brust  ist  im  Sinne  der  mykenischen  Kunst  zweifellos  bekleidet  zu  denken. 

Das  zweite  Palladium,  die  dritte  Hauptfigur  in  der  obersten  Reihe  unserer 
Darstellung,  lässt  alle  Einzelheiten  des  ersten  Palladiums  deutlich  wiedererkennen, 
insbesondere  auch  die  scheinbar  ealenähnliche  Gesichtsbildung  und  die  Aegis. 
Weniger  sorgfältig  hat  der  Künstler  die  beiden  Palladien  in  der  unteren  Reihe  be- 
handelt Die  erste  und  dritte  Figur  dieser  Reihe,  durch  einen  Stierkopf  von  ein- 
ander getrennt,  sind  ohne  Zweifel  Wiederholungen  desselben  Pallasbildes,  welches 
in  der  obersten  Reihe  zweimal  erscheint.  Die  Brust  mit  der  Aegis  und  die  untere 
Körperbälfte  sind  ziemlich  deutlich  zum  Ausdruck  gebraclit  und  durch  Vergleichung 
mit  dem  ersten  Pallasbilde  unschwer  wiederzuerkennen,  dagegen  der  Kopf  der 
Figur  ist  nur  sehr  unvollkommen  ausgedrückt,  so  dass  er  nur  durch  Vergleichung 
der  beiden  oberen  Palladien  erkannt  werden  kann.  Die  elf  kugelförmigen  Gebilde, 
welche  in  der  Mitte  Unserer  Darstellung  in  waagerechter  Linie  geordnet  sind, 
stellen  Früchte  dar  von  zweierlei  Art:  wir  unterscheiden  fünf  grössere  und  sechs 
kleinere.  Sie  stellen  im  Verein  mit  den  drei  Getreideähren  und  den  Blüthen- 
kelchen  der  Blumen  die  üpfergaben  dar,  welche  der  Göttin  dargebracht  werden. 
Auch  die  drei  Stierköpfe  beziehen  sich  auf  den  Opfercultus  der  grossen  Göttin. 
Somit  haben  alle  Theile  dieser  uralten  Darstellung,  welche  den  Typus  des 
Palladiums  darstellt,  ihre  Erklärung^  gefunden. 

Eine  zweite  anderweitige  Darstellung  des  Palladiums  findet  sich  auf  einem 
goldenen  Ringe,  welcher  von  Schliemann  in  Mykcnae  aufgefunden  und  von 
Schuchhardt  S.  313  abgebildet  worden  ist  Dieses  Palladium,  an  welchem  die 
menschliche  Gestalt  in  Kopf,  Fuss  und  Hand  deutlich  hervortritt  erscheint  mit 
Schild  und  Lanze    ausgerüstet    und  zwar  ist  der  Schild  mitten,  sowohl  rechts  ab 


(60b) 

links,  tief  eingekerbt  und  beide  Theile  sind  Tast  breisrörmi^  abgerundet.  Diese 
selbige  Auffiisaung  wiederholt  sich  auch  in  dem  Palladium,  welches  nuT  einer 
klfincn  Kalktafol  dargestellt  ist,  welche  Schliemann  in  einer  Gebändcgiuppe  an 
der  Südmaocr  der  Burg  von  Mykcnae  gefunden  hat.  Zwei  vornehme  FtHuen,  mit 
dem  Diadem  geschmückt,  bringen  an  einem  Altare  dem  Palladium  ihre  Anbetung 
dar.  DuB  PulliLdium  ist  hier  durch  den  grossen  zweitheiligen  eingekerbten  Schild 
charakterisirt  (Schnchhardt  S.  326). 

Sehr  altcrthilmlich  sind  auch  die  Darstellungen  des  Palladiums,  welche  in 
Tiryns  durch  Schliemann  aufgerunden  worden  sind  und  bisher  noch  nicht  als 
Pulludieti  wiedererkannt  worden  sind. 


Die  beiden  Thonflguren  aus  Tiryns  (!■%  "2  n.  i),  welche  Schnchhardt  S.  155 
wiedei^iebl,  erweisen  sich  als  Palladien,  wenn  wir  sie  Tntt  jenem  Urtypns  vergleichen, 
welchen  wir  auf  dem  goldenen  Ringe  von  Mykenae  kennen  gelernt  haben.  Die  erste 
dieser  beiden  Figuren  stellt  ein  Palladium  dar  mit  deutlicher  menschlicher  Gosiehts- 
bildnng,  mit  einem  langen  Gewände  bekleidet,  welches  den  Oberkörper  nnd  den 
Unterkörper  der  Göttin  bedeckt,  so  dass  die  Püsse  onsichtbar  werden.  Die  Arme 
sind  ebenso  wenig  zur  Darstellung  gebracht,  wie  an  jenem  Drtypns  des  Palladiums 
aus  Mykenae.  Die  zweite  dieser  ThonQgurcn  stellt  uns  ein  Palladium  dar,  an 
welchem  sowohl  die  Brust,  als  auch  das  lang  horabwalleude  Gewand  der  Göttin 
deutlich  bezeichnet  ist.  Diese  Darstellung  der  Göttin  unterscheidet  sich  von  der 
vorigen  durch  die  Bildung  des  Kopfes,  an  welchem  nur  die  zwei  Äugen,  aber 
nicht  Nase  and  Mund  ausgeprägt  sind,  und  durch  die  Arme,  welche  an  den  vorher 
betrachteten  Palladien  nicht  frei  hervortreten. 

Die  Aegis,  welche  an  dem  trojanischen  Palladium  als  ein  breiter  Schmuck- 
gürtel mit  Troddeln  erscheint,  der  schräg  über  die  Brust  gelegt  ist,  flnden  wir 
auch  an  den  Palladien  Ton  Mykenae  und  Tiryns,  wenn  auch  in  veränderter  Form 
wieder.  Während  das  Palladium  in  der  vierfachen  Darstellung  des  Goldringes  von 
Mykenae  die  Aegis  als  einen  Brustschmuck  zeigt,  welcher  waagerecht  über  die  Bmst 
gelegt  ist,  so  stellt  uns  die  Thonflgar  aus  Tiryns  (Fig.  4),  welche  wir  nach  Schach- 


(606) 

hardt  S.  156  abbilden,  und  an  welcher  wir  zum  ersten  Mal  die  Bildung  der 
Püsse  bemerken,  ein  Palladium  vor  Augen,  dessen  Aegis  aus  einer  breiten  und 
vielen  schmalen  Platten  zusammengesetzt  ist,  die,  mit  Buckeln  verziert,  durch  eine 
feste  Unterlage  (Leder)  zur  Form  eines  sehr  breiten  Gürtels  vereinigt  sind,  wel- 
cher schräg  über  die  Brust  gelegt  ist,  so  dass  er  auf  der  linken  Schulter  ruht. 
Die  Aegis  der  Palladien  von  Tiryns  und  Mykenae  ist  offenbar  als  ein  goldener 
Prachtgürtel  und  Brustpanzer  der  Göttin  gedacht  und  dargestellt. 

Als  der  älteste  ürsitz  des' Palladiums,  welches,  wie  die  Sagen  melden,  vom 
Himmel  herabgefallen  war,  galt  Troja,  mit  dessen  Geschichte  es  unzertrennlich 
verbunden  ist.  — 

(15)  Hr.  H.  Sökeland  in  Berlin  überschickt  durch  Hm.  M.  Bartels  folgende 
Abhandlung  über 

die  Roggenkomgemmen  des  ftühchristlichen  Kirchengeräthes. 

Angeregt  durch  die  Arbeiten  und  Vorträge  des  Hrn.  Dr.  Max  Bartels  über 
die  sogenannten  Alsengemmen,  welche  mich  auf  das  Höchste  interessirten,  unter- 
nahm ich  in  den  Sonunern  1889  und  1890  einen  Besuch  mehrerer  Kirchen  in 
Westfalen,  Hannover,  der  Rheinprovinz  und  Holland,  um  die  dort  vorhandenen 
Rirchenschätze  in  Bezug  auf  ihren  Besitz  an  klassischen  und  mittelalterlichen 
Gemmen  zu  untersuchen  und  um  zu  sehen,  ob  unter  denselben  noch  Gemmen  von 
dem  sogenannten  Alsentypus  zu  finden  wären. 

Bei  diesen,  theilweise  mit  allerhand  Schwierigkeiten  verknüpften  Untersuchungen 
wurde  ich  in  der  liebenswürdigsten  Weise  von  den  Herren  Geistlichen  Dr.  B er- 
läge, Dr.  Busch,  Dr.  Lennartz,  van  Henkulum,  Dr.  Biermann,  Kreisler, 
Lehmkul,  Köster,  Stein,  Stiff,  Koch  und  Zum  Hasch  in  Köln,  Aachen, 
Utrecht,  Münster,  Fritzlar,  Beckum,  Bochum,  Siegburg,  Oberwinter,  Trier  und 
Borghorst,  sowie  den  Herren  Apotheken besitzer  Bohlmann  in  Hildesheim,  Lehrer 
Zaal  in  Haarlem  und  Architekt  von  Fisenne  zu  Meerssen  bei  Mastricht  unter- 
stützt. Es  sei  mir  gestattet,  allen  diesen  Herren  für  ihre  thatkräftige  Hülfe,  welche 
allein  es  mir  möglich  machte,  in  so  kurzer  Zeit  das  hier  beschriebene  Material 
zusammenzubringen,  herzlich  zu  danken.  Gleichen  Dank  schulde  ich  dem  Herrn 
Prof.  Julius  Lessing  in  Berlin  und  dem  Hm.  Regierungsrath  Bucher  in  Wien. 

Im  Dome  zu  Minden  wurde  zum  ersten  Male  meine  Aufmerksamkeit  auf  ein 
eigenthümliches  Intaglio  zweier  Gemmen  gelenkt  und  zwar  bei  der  Besichtigung 
des  sogenannten  Reliquienarms  der  heiligen  Anna.  Dieser  Reliquienbehälter  ist 
mit  vielen  Edelsteinen  verziert;  unter  ihnen  befinden  sich  zwei  ovale,  convex  ge- 
schliffene Rubine  oder  rubinähnliche  Steine,  welche  ein  eigenthümliches,  allerdings 
äusserst  einfaches  Zeichen  eingeschliffen  haben:  ein  Zeichen,  welches  durch  einen 
kurzen  dicken,  nach  den  Enden  zu  sich  bis  zur  Bildung  einer  stumpfen  Spitze 
verjüngenden  Strich  gebildet  wird. 

Die  Figur  ist  also  im  höchsten  Grade  einfach  und  macht  einen  so  unbedeu- 
tenden Eindruck,  dass  man,  besonders  wenn  man  nur  einen  derartigen  Stein  sieht 
recht  gut  denken  könnte,  dieselbe  sei  zufällig  entstanden,  —  ein  Gedanke,  der  aber 
sofort  hinfallig  werden  muss,  wenn  man  erfährt,  dass  es  in  relativ  kurzer  Zeit  ge- 
lungen  ist,  in  den  verschiedensten  Kirchenschätzen  ganz  ähnliche  Stücke,  im  Ganzen 
bis  jetzt  82  an  der  Zahl,  aufzufinden. 

Die  Abdrücke  einiger  dieser  Gemmen  veranlassten  Hm.  M.  Bartels,  die  Pho- 
tographien alter  Kirchenschätze  im  Berliner  Kimstgewerbemnseum  in  Bexug  auf 
derartige  Gremmen  zu  durchmustern,   und  zu  unserer  grossen  Freude  Cand  er  bald 


(607) 

eine  ganze  Reihe  hierhergehöriger  Stücke,  so  dass  wir  jetzt  mit  Sicherheit  be- 
haupten können,  einen  neuen  Typus  von  Gemmenbildem  gefunden  zu  haben. 

Es  ist  in  hohem  Grade  wahrscheinlich,  dass  diese  Gemmen  als  Werke  früh- 
mittelalterlicher Kunst  betrachtet  werden  müssen.  Das  Intaglio  derselben  zeigt 
sich,  wie  schon  erwähnt,  fast  als  ein  kurzer  dicker  Strich  mit  leicht  abgerundeten 
Enden.  Es  ist  sehr  schwierig,  eine  übereinstimmende  Figur  zu  nennen,  welche 
seiner  Form  vollständig  entspräche.  Am  meisten  Aehnlichkeit  ist  noch  mit  einem 
Roggenkorn  vorhanden.  Aus  diesem  Grunde  habe  ich  sie  auch,  einem  Vor- 
schlage des  Hrn.  M.  Bartels  folgend,  „roggenkornähnlich"  genannt;  wobei 
allerdings  zu  beachten  ist,  dass  ein  Roggenkorn  immer  an  einem  Ehide  dicker,  als 
an  dem  anderen  ist,  was  bei  diesen  Gemmenbildem  gewöhnlich  nicht  zutrifiFt. 

Diese  eigenthümlichen  roggenkomähnlichen  Zeichen  finden  sich  auf  den 
Gemmenfeldern  in  sehr  schwankender  Anzahl.  Bald  ist  es  eines,  bald  2,  bald  3  oder 
noch  mehr,  bis  zu  21  auf  derselben  Gemme.  Ihre  Gruppirung  ist  eine  ganz 
eigenthümliche,  äusserst  unregelmässige;  nur  selten  finden  sie  sich  in  der  Mitte  des 
Genunenfeldes,  meist  sind  sie  am  Rande  oben  oder  unten  und  immer  ganz  un- 
regelmässig angebracht,  so  unregelmässig,  dass  imter  den  bis  jetzt  bekannten 
82  Stücken  dieser  Art  auch  nicht  zwei  vollständig  gleiche  zu  finden  sind,  obgleich 
wir  mehrere  Gemmen  mit  der  gleichen  Anzahl  von  Roggenkorneinschnitten 
gefunden  haben.  Bei  den  Gemmen  mit  mehreren  Roggenkörnern  zeigen  diese 
mancherlei  Verschiedenheiten  in  ihrer  Grösse.  Aber  auch  ihre  Form  variirt  in 
etwas,  indem  sie  bald  schlanker  und  bald  plumper,  bald  auch  als  vollständiges 
Roggenkorn,  bald  an  dem  einen  Ende  wie  abgeschnitten  erscheinen.  Dabei 
sind  sie  so  scheinbar  planlos  in  das  Gemmenfeld  komponirt,  dass  es  den  Anschein 
hat,  dass  durch  die  Zusammenstellung  der  einzelnen  roggenkornähnlichen  Ver- 
tiefungen die  Künstler  nicht  beabsichtigt  haben,  eine  bestimmte  Figur  zu  com- 
biniren,  sondern  dass  das  entstandene  Bild  mit  wenigen  Ausnahmen  als  ein  mehr 
zufälliges  betrachtet  werden  muss.  Denn  wenn  die  Zusammenstellung  als  solche 
eine  ganz  bestiipmte  Bedeutung  hätte,  dann  könnte  man  erwarten,  unter  82  Gemmen 
einige  Zeichnungen  doppelt  zu  finden,  was,  wie  bereits  gesagt  wurde,  nicht  der 
Fall  ist  Es  kam  daher  wahrscheinlich  in  erster  Linie  nur  auf  das  roggenkom- 
ähnliche  Zeichen  an  sich  an,  sowie  vielleicht  auf  die  Anzahl,  in  welcher  es  auf 
derselben  Gemme  wiederholt  wurde. 

Es  finden  sich  allerdings  auch  einige  Male  besondere  Figuren,  wie  Kreuze 
und  Rosetten,  welche  aus  den  roggenkornähnlichen  Vertiefungen  zusammen- 
gesetzt sind,  jedoch  sind  derartige  Darstellungen  bis  jetzt  nur  als  Ausnahmen  zu 
betrachten. 

Die  Vertiefungen  dieser  Gemmen  sind  trotz  aller  Verschiedenheit  und  obgleich 
einzelne  nur  sehr  seicht  eingeschnitten  sind,  dennoch  sehr  scharf  und  deutlich,  so 
dass  entweder  die  üebung  der  Verfertiger  grösser  oder  das  Werkzeug  besser  ge- 
wesen sein  muss,  als  bei  denjenigen  Künstlern,  welche  die  sogen.  Alsengemmen 
geschnitten  haben.  Der  grosse  unterschied  in  der  Ausführung  springt  um  so  mehr 
in  die  Augen,  als  die  sogen.  Alsengemmen  bekanntlich  nur  aus  Glaspasten  be- 
stehen, während  unsere  Verfertiger  unter  anderen  auch  die  nächst  dem  Diamanten 
härtesten  Edelsteine  bearbeitet  haben. 

Die  Ränder  der  roggenkomähnlichen  Vertiefungen  sind  scharf  und  deutlich, 
gar  nicht  zu  vergleichen  den  mühsam  eingekratzten  oder  eingestochenen  Rändern 
bei  den  I<^guren  der  Alsengemmen,  an  denen  man  gar  nicht  selten  deutlich  zu 
erkennen  vermag,  wie  die  gravirende  Hand  ausgeglitten  ist. 

Die  Steine   unserer  Gemmen   sind  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  dunkelroth  und 


(608) 

transparent,  wahrscheinlich  also  Rubine  und  Almandine;  aber  auch  Saphire  und 
andere  verwandte  Edelsteine  sind  zur  Verwendung  gekommen. 

Die  Bildfläche  ist  bei  allen  mir  bis  jetzt  bekannten  Stücken  mehr  oder  weniger 
convex  und  bei  einzelnen  ist  die  Convexität  sogar  eine  sehr  bedeutende.  Hingegen 
ist  mir  keine  einzige  dem  uns  hier  beschäftigenden  Typus  zugehörige  Gemme  be- 
kannt geworden,  deren  Bildüäche  eine  vollkommen  ebene  oder  eine  concave  wäre. 

Wie  ich  bereits  weiter  oben  erwähnt  habe,  sind  bisher  alle  Roggenkorn- 
gemmen ausschliesslich  an  mittelalterlichen  Kirchengerathen  gefunden.  Aus  keiner 
öffentlichen  oder  privaten  Sammlung  und  aus  keinem  der  vielen  in  den  ver- 
schiedensten Orten  von  Deutschland  gemachten  Erdfunde  ist  mir  nur  ein  analoges 
Stück*)  bekannt  geworden. 

Die  betreffenden  Geräthe  des  christlichen  Cultus  sind  Reliquiarien  in  der  Form 
von  Kirchen,  Armen  oder  Büsten,  ferner  Vortragekreuze,  Evangeliarien-Deckel  u.  s.  w. 
Wie  aus  der  weiter  unten  folgenden  Zusammenstellung  hervorgeht,  gehören  sie  fast 
sämmtlich  dem  10.,  11.  und  12.  Jahrhundert  an. 

Bevor  ich  versuche,  durch  eine  analytische  Zusammenstellung  der  einzelnen 
Geräthe  und  der  Zeiten,  in  denen  sie  gefertigt  wurden,  der  Technik  und  der  Be- 
deutung dieser  Gemmen  etwas  näher  zu  kommen,  möchte  ich  die  Zeichnungen 
einiger  derselben  mit  genauer  Beschreibung  dem  Leser  vorführen. 

Zur  Veröffentlichung  ausgewählt  haben  wir  zunächst  21  Gemmen.  Des  be- 
schränkten Raumes  wegen  nahmen  wir  nicht  mehr;  vielleicht  findet  sich  früher 
oder  später  noch  eine  Gelegenheit  zur  Publication  der  fehlenden.  Die  Abbildungen 
geben  das  Bild  der  betreffenden  Gemmen  linear  in  doppelter  Grösse  wieder;  die 
Bezeichnungen  rechts  und  links  gelten  immer  rom  Beschauer  aus. 


Fig.  1.  Unrcgelmässig  ovale  Gemme  von  nur  geringer  CJonvexität.  I-Ängs- 
durchmesscr  14  mm,  Querdurchmesser  10  zu  8  mm.  Rubin.  Auf  der  unteren  Hälfte 
links  von  der  langen  Medianlinie,  parallel  mit  dieser,  ein  roggenkomähnlicher  Elin- 
schnitt,  wenig  tief  eingeschnitten.  Berlin,  Kunstgewerbe-Museum,  Baseler  Kreuz, 
XI.  Jahrhundert. 

Fig.  2.  Unrcgelmässig  runde  Gemme  von  geringer  Convexität  Durchmesser 
18  zu  14  mm.  Aquamarin  oder  Saphir.  Oben  rechts  einen  schräg  gestellten  Eün- 
schnitt  mit  flach  auslaufenden  Rändern,  in  der  linken  unteren  Spitze  einen  zweiten 


2)  Das  Berliner  Museum  hat  in  dem  babylonischen  Saal  seiner  ägyptischen  Abthei- 
lung,  unter  vielen  anderen,  zwei  Si^golstoine  ausgestellt,  deren  Zeichen  eine  gewisse  Aehii* 
lichkeit  mit  denen  unserer  Roggenkorngemmen  haben.  Eine  genauere  Betrachtung  x'^igt 
aber  sofort,  dass  diese  Zeichen  mit  denen  unserer  Roggeukomgemmen  nicht  verwechselt 
werden  können. 


(609) 

kleineren  mit  scharf  ab^setzten  RäDdem  enthaltend.  Berlin,  Rumtgewerbe- 
Uusenm,  Baseler  Kreuz,  Filigranscite. 

Fig.  3.  ünregelmäsaig  rierseitige  Qemme  mit  fast  ebener  Bildfläche.  Länga- 
darchmesser  10  mm,  Qaerdnrchm esaer  4  zn  6  mm.  Edelstein.  In  der  oberen 
rechten  Ecke  befindet  sich  eine  länglich  mnde  Vertiefäng,  welche  an  ein  Hanf- 
korn  erinnert,  dem  die  Spitze  fehlt.  UUnster  i.  W.,  Mauritzkirche ,  Erphokrenz, 
X. — XI.  Jahrhundert. 

Fig.  4.  Un regelmässig  ovale  Gemme  von  ziemlich  bedeutender  Convcxität. 
Längsdnrchmesser  ]3  mm,  Qnerdnrchmesser  10,5  mm.  Saphir  oder  Ultramarin. 
Etwas  nach  links  ein  ann-echtsteh ender,  roggenkoraähnlichcr  Einschnitt,  welcher 
sich  oben  zu  einer  stnmpf  abgerandeten  Spitze  verjüngt;  ansaerdem  rechts  dar- 
unter eine  kleine  eigenthUmliche  Fignr,  fast  einem  liegenden  umgekehrten  Komma 
ähnlich.    Berlin,  Kunstgewerbe-Mnsenm ,  kleines  Kreuz,  XI.  Jahrhundert. 

Fig.  5.  Orale  Gemme  mit  conveser  BildQäche-  Längsdnrchmesaer  23  mm, 
Querdnrchmesaer  15  mm.  Almandin.  In  der  oberen  Hälfte,  rechts  von  der  langen 
Medianlinie,  eine  längagestellle,  abgerundet  spindelförmige  Vertiefung,  welche  an 
ein  Roggenkorn  erinnert.  Darüber,  vom  rechten  Bande  ausgehend,  eine  zweite, 
fast  rechtwinklig  znr  Langsame  stehend,  etwas  plumper  als  die  vorige;  die  laterale 


Spitze  fehlt,  weil  sie  Über  den  Rand  der  BildOache  hinausragen  würde.  Osna- 
brOck,  Dom,  Kapitelkrcuz,  XI.  Jahrhundert 

Fig.  6.  Ovale  Gemme  von  ziemlich  bedeutender  Convexitat.  Längsdurch- 
messer 15  mm,  Querdnrchmesaer  10  mm.  Almandin.  Zwei  längsgcstcllte,  parallel 
der  Längsaxe  stehende,  ro^enkomähnliche  Vertiefungen,  rechts  und  links  von  der 
Hedianlinie,  untereinander  parallel;  die  eine  (kleinere)  dem  Bande  der  BildQäche 
nahe.    Osnabrück,  Dom,  Kapitelkreuz,  XI.  Jahrhundert. 

Fig.  7.  Ovale  Gemme  mit  convexer  Bildfläche.  Längsdurchmesser  IT  mm, 
Querdurchmesser  \l  mm.  Rubin.  Ziemlich  genau  im  Mittelpunkt  eine  schrjig 
nach  rechts  stehende,  seichte  Vertiefung  von  der  ungeftihren  Form  eines  Roggen- 
kornes. Eine  zweite  roggenkomäbn liehe  Vertiefung,  aber  wesentlich  grösser, 
geht  von  hier  aus  nach  linka  oben  bis  zum  Rande  der  Bildfläche,  mit  der  Längs- 
axe einen  Winkel  von  45°  bildend.  Utrecht,  Erzbischöfliche  Bibliothek,  Evan- 
geliar  dca  heiligen  Bemulph,  XI.  Jahrhundert. 

Fig.  8.  Unregelmässig  ovale  Gemme  von  nur  geringer  Convexitat.  Längs- 
durchmeaaer  17'/,  mm,  Querdurch mesaer  12  mm.  Saphir.  Das  Intaglio  zeigt  zwei 
Vertiefungen  deutlich  und  eine  dritte,  nur  punktirt  gezeichnete,  undeutlich.  In 
der  oberen  Hälfte,  etwas  rechts,  eine  schräg  nach  oben  liegende,  roggenkom- 
ühnliche  Vertiefung,    flach  eingcschliffcn;   darunter,    fast  im  Winkel   von  45",  zu 

VvliuilL  d«  Btri.  AnlttniisL  OtHllHlitft  U>L  S9 


(610) 

dieser  eine  zweite,  aber  in  nnge wohnlicher.  Tust  bimenähnhcher  Form.  Am 
starken  Ende  der  grösseren  Vigat  beHndet  sich  ein  den  Rand  berührender  Aua- 
wncha-  Die  ganze  Bearbeitnng  dieser  Gemme  ist  roh.  Wien,  Rnnst(fewerbe- 
Mnseam,  Herme  des  heiligen  Blasins,  XII.  Jahrhundert. 

Fig.  9.  Unregelraässig  ovale  Gemme  von  nur  geringer  Convexitüt  Längs- 
durchmesBCr  15ni»),  Querdnrchmesser  9'/,  mm.  Ultramarin  (Saphir?).  Drei  roggen- 
komähnliche  Verttef^ingen  sind  vorhanden.  Ton  zweien,  welche  sich  rechts  «nten 
befinden,  sieht  man  aber  nnr  die  Spitzen,  weil  sie  zu  dicht  am  Rande  liegen. 
Die  dritte,  deutlich  cingeschliffene  Figur  liegt  oben,  qner,  fast  rechtwinklig  zur 
Längsaxe;  die  beiden  Seiten  dieser  Figur  sind  auf  dem  Grunde,  wie  aus  der 
Zeichnung  ersichtlich,  scharT  abgegrenzt.  Berlin,  Kunstgewerbe-Museum,  Baseler 
Kreuz,  Filigninseite. 

Fig.  10.  Fast  viereckige  Gemme  mit  abgeatnmpRen  Ecken  von  nur  geringer 
Convexität.  Längsdurchmesser  10  mm,  Querdurch meseer  S'/t  *"">-  Ultramarin 
(Saphir?).  Rechts  im  Gemmenfelde  eine  aufrecht  stehende,  angewöhnlich  plumpe 
Vertiefung,  fast  einem  riesigen  Hanfkom  gleichend;  an  diesem,  unten,  schräg  nach 
rechts  nnd  links  aussen  zeigend,  zwei  Auswüchse,  nugleich  in  der  Grösse,  ebenfalta 
hanf kornähnlich,  ausserdem  oben,  etwas  links  und  nach  links  zeigend,  ein  dritter, 
kleinerer  derselben  Form  Die  Hauptfigur  ist  sehr  deutlich  eingeschliOen,  die  Neben- 
figuren weniger.    Berlin,  Konstgewerbe-Musenm,  Baseler  Kreuz,  Filigranseite. 


Fig.  11.  Etwas  unregelmässig  vierseitige  Gemme  mit  abgerundeten  Ecken, 
von  geringer  Convexität.  Längsdurchmesser  IT'/,  nifn,  Querdurchmesser  linm. 
Amethyst.  Wir  sehen  drei  deutlich  eingeschliffene  Vertiefungen.  Die  grössle, 
links,  hart  am  Rande,  aufrecht  stehend,  ist  länger  and  schlanker  als  die  zweite, 
welche  ebenfalls  aufrecht  steht,  aber  fast  in  der  Hitte  des  Gemmcnfeldes  liegt; 
beide  haben  ein  stumpfes  nnd  ein  spitzeres  Ende.  Am  oberen  Ende  der  langen  Ver- 
tiefung befindet  sich  eine  sehr  deutlich  eingeschliffene,  lange,  dUnne  Spitze;  eine 
ganz  ähnliche  ist  an  der  rechten  Seite  der  Mittelfigur.  Rechts  unten,  etwas  schräg 
liegend,  ragt  die  plumpe  Spitze  der  dritten  Vertiefung  bis  fast  an  die  rechte  Seite 
der  Mittelflgur.     Berlin,  Kunstgew erbe-Huseum,  Baseler  Kreuz,  b^igranseite. 

Fig.  12.  Ovale  Gemme  mit  convexer  Bildfiäche.  Längsdurchmesser  1 2  rani,  Quer- 
durchmesser 10'/,  mm.  Bergkrystall  oder  Glas.  Fast  in  der  Mitte  des  Gemmcn- 
feldes, aufrecht  stehend,  eine  etwas  nach  links  gebogene,  mit  einer  seitlichen 
Spitze  versehene,  roggcnko  mahn  liehe  Vertiefung.  Auf  diese  stossend,  aber  schräg 
nach  rechts  unten  zeigend,  eine  zweite,  kürzere,  von  gewöhnlicher  Form.  links 
von  der  Hauptfigur,  parallel  dem  Rande,  eine  dritte  Vertiefung,  schlanker  als  die 
vorigen;  schliesslich  fast  an  der  rechten  Spitze  dieser  zwei  kleine,  runde  KnSpfchen. 
Wien,  Kunstgew ürbe-Müscum,  Herme  de»  heiligen  Blusius.     XII.  Jahrhundert 


(611) 

Fig.  13.  Ovale  Gemme  von  nur  ^ringer  Gonrexitäi  LängsdnrchmeHser 
19  mm,  Qaerdurchmesscr  15  tum.  UltramariD  (Saphir?).  Schräg  liegend,  etwas 
oberhalb  vom  Mittelpunkte,  sehen  wir  hier  eine  Tast  einer  Eichel  gleichende  Figur; 
schfüg  in  dieser  eine  tiefer  eingesehliffenc  Rinne.  In  der  Verlüngerong  dieser 
eich  ef  form  igen  Vertiefong  ragt  die  mit  einem  seitlichen  Ansatz  versehene,  plumpe 
Spitze  einer  unserer  gewöhnlichen  roggenkomähn  liehen  Vertiefungen  in  das 
Gemmenfeld.  Hechts  unten  sind  zwei  Tast  runde  Vertiefungen,  die  eine  seicht, 
die  andere  »ehr  deutlieh  eingeschliffen.  Berlin,  Kunstgewerbe- Museum,  Kuss- 
tafel von  1460. 

Fig.  14.  Ovale  Gemme  mit  convexer  Bildfläehe.  Längsdnrchmesser  14  mm, 
Querdurchmeaser  10  mm.  Almandin.  Vier  roggenkorn ähnliche  Vertiefungen,  ver- 
schieden tief  eingeschlilTen  und  ungleich  gross,  Zwei,  fast  gleich  grosse,  recht- 
winklig zu  einander  in  der  oberen  Hälfte;  die  dritte,  grösste  und  am  tiefsten 
eingeschlifTene  links  unten,  mit  einer  Spitze  fast  den  Rand  berührend;  unter  dieser 
rechts,  parallel  zu  ihr,  die  vierte  und  kleinste  roggenkomühnliche  Vertiefung. 
Berlin,  Kunstgewerbe-Museum,  Baseler  Kreuz,  FUigranseite. 

Fig.  15.  Fast  runde  Gemme  von  bcdeatender  ConvexitÜt.  Längadureh- 
messer  13  mm,  Querdorchmesser  1 1  mm.  Almandin.  Vier  roggenkomähnliche  Ver- 
tiefungen, etwas  breiter  und  plumper,  als  bei  Fig.  5  und  6;  davon  zwei  in  der 
rechten  Hälfte,    in   gleichem  Abstände   von   der   kurzen  Medianlinie   und   unter- 


-^i* 


ys 


einander  parallel.  Zwei  in  der  linken  Hälfte,  ungefähr  parallel  den  vorigen:  die 
obere  hart  am  linken  Rande  der  Bildiläehe  liegend,  so  dass  ein  Theit  ihres 
lateralen  Längsrandes  den  Bildflächenrand  bilden  hilft;  die  untere,  linke  mit  der 
Spitze  bis  zum  linken  BildÜächenrande  reichend,  mit  der  rechten  Spitze  gegen  das 
Cenlrum  der  Gemme  gerichtet.  Osnabrück,  Dom-Reliquianum,  bekannt  unter 
dem  Namen  „Adorf. 

Fig.  16.  Ovale  Gemme  von  geringer  Conrexität  Längsdnrchmesser  19  mm, 
Querdurch raesser  14  mm.  Almandin.  Sieben,  unregelmässig  vertheilte,  roggenkom- 
ähnliche Vertiefungen.  Vier  in  der  unteren  Hälße  des  Gemmenfeldes,  davon  drei 
in  gleicher  Höhe,  etwas  gegen  die  Langsame  geneigt,  und  zwar  die  beiden  late- 
ralen mit  der  oberen,  die  mediale  mit  der  unteren  Spitze.  Zwischen  der  linken 
VerticAing  und  der  medialen  eine  kurze,  der  linken  parallele.  In  der  linken 
oberen  Hälfte  drei  Vertiefungen,  die  oberste  fast  horizontal,  darunter  eine  mit  der 
unteren  Spitze  der  Langaaxe  zugekehrt,  und  dicht  am  linken  Rande  der  Bild- 
fläche, ungefähr  in  halber  Höhe  eine  kürzere,  mehr  horizontal  liegende.  Minden, 
Dom,  Reliqnienann  der  heiligen  Anna,  XVL  Jahrhundert. 

Pig  17.  Ungleiehmässig  vierseitige  Gemme,  Convexität  gering.  Längsaxe 
14'/,  mm,   obere  Queraxe  S'/i  """.   untere  Queraxe  7  mm.     Ultramarin  (Saphir?). 


(612) 


Acht  roggenkomähnliche  Vertiefungen,  schlanker  als  die  rorhergehenden,  von 
denen  aber  nur  zwei  vollständig  vorhanden  sind;  diese  stehen  auf  der  unteren 
Hälfte  des  Gemmen  feld  es  rechtwinklig  gegen  einander  und  berühren  sich  fast 
mit  den  Spitzen.  Die  untere  Spitze  einer  dieser  beiden  Vertiefungen  berührt 
beinahe  die  von  aussen  hereinragende  Spitze  einer  dritten.  Rechts  von  dieser 
sieht  man,  als  ganz  kleines  Bruchstück,  die  Spitze  der  vierten  Vertiefung  Auf 
halber  Höhe  der  linken  Seite  eine  etwas  grössere  Spitze,  welche  die  schräg  in  der 
Mitte  liegende  Vertiefung  fast  berührt.  Die  sechste  Vertiefung  kommt  als  grösseres 
Bruchstück  einer  roggenkornähnlichen  Vertieftmg  vom  oberen  Rande,  etwas  nach 
links  zeigend.  Dicht  daneben  die  Spitzen  der  siebenten  und  achten,  fast  horizontal 
liegend  und  sehr  verschieden  in  der  Grösse.  Berlin,  Rimstgewerbe -Museum, 
kleines  Kreuz,  XI.  Jahrhundert. 

Fig.  18.  Vierseitige  Gemme  von  geringer  Convexität.  Längsdurchmesser 
22  mm^  Querdurchmesser  13  mm.  Ultramarin?  Saphir?  Wir  sehen  sechs  roggen- 
komähnliche Vertiefungen,  zu  drei  und  drei  gruppirt.  Die  erste,  links  unten,  fast 
in  der  Mitte,  senkrecht  stehend;  über  dieser  die  zweite  in  etwas  anderer  Form 
(man  vergleiche  Fig.  12),  schräg  nach  links  liegend;  die  dritte  unmittelbar  an 
dieser,   aber  senkrecht  über  der  ersten  und,    wie  diese,   aufrecht  stehend.    Nun 


jyr 


kommt  rechts  unten,  parallel  der  ersten  Vertiefung,  die  vierte,  etwas  längere; 
direkt  über  dieser  die  ebenfalls  senkrecht  stehende  fünfte,  noch  längere,  welche  an 
der  rechten  unteren  Seite  die  nach  rechts  unten  und  aussen  zeigende  sechste  Ver- 
tiefung in  Form  einer  Dreiviertel-Figur  hat.  Berlin,  Kunstgewerbe -Museum, 
Baseler  Kreuz,  Filigranseite. 

Fig.  19.  Ovale  Gemme  von  geringer  Convexität.  Längsdurchmesser  18  mm, 
Querdurchmesser  12  mm.  Almandin.  Sieben  roggenkomähnliche,  schlanke  Ver- 
tiefungen, jede  einzelne  wesentlich  kleiner,  als  die  der  letztbesprochenen  Gemmen. 
In  der  unteren  Hälfte  zwei  sich  unter  spitzem  Winkel  kreuzend;  der  lateralen 
Spitze  fügt  sich  eine  dritte  an.  Eine  vierte  kreuzt,  nahe  dem  Mittelpunkte, 
rechtwinklig  die  Längsaxe.  Eine  fünfte  verläuft  in  der  Richtung  der  Queraxe 
und  berührt  fast  den  linken  Rand.  Links  darüber,  die  untere  hart  am  Rande 
liegend,  in  gleicher  Richtung  zwei,  welche  so  benachbart  sind,  dass  sie  sich  nodt 
ihren  Längsrändera  berühren.  Minden,  Dom,  Reliquien-Hand  der  heiligen  Anna, 
XVI.  Jahrhundert. 

Fig.  20.  Ovale  Gemme  mit  convexer  Bildfläche.  Längsdurcbmesser  17  mm^ 
Querdurchmesscr  13  mm,  Almandin.  Neun  roggenkomähnliche  Vertiefungen  ver- 
schiedener Grösse.    Vier  von  ungleicher  Grösse  stossen  etwas  oberhalb  des  Mittel« 


(613) 

panktes  der  BJEdfläcbo  so  mit  ihren  Spitzen  zusammen,  dass  sie  ein  liegendes 
Krenz  bilden.  Dem  oberen  linken  Schenkel  desselben  fügt  sich  eine  fünfte  an, 
diesen  in  leichtem  Knick  fortsetzend.  Eine  sechste  Terläoft  in  der  Richtung  des 
linken  unteren  Schenkeis  bis  zum  Rande,  diesen  berührend  nnd  durch  ihn  etwas 
von  der  Spitze  einbüsaend.  Eine  siebente  Vertiefung  fügt  sich  genau  in  den 
Winkel  der  beiden  oberen  Schenkel  nnd  berührt  mit  ihrer  oberen  Spitze  eine 
achte,  welche  horizontal  liegt  nnd  sich  dem  oberen  Runde  der  Bildfläche  anfügt. 
Die  nennte  tänft  vom  unteren  rechten  Rande  der  Bildflächc  auf  den  unteren 
rechten  Kreuzes  Schenkel,  ohne  ihn  zn  erreichen;  der  Bildllächenrsnd  verkürzt  diese 
Vertiefung  fast  um  ein  Drittel.  Utrecht,  ErzbischÖflichea  Uuseum.  Evangeliarium 
des  heiligen  Bernnlpb,  XI.  Jahrhundert. 

Pig  21.  Herzförmige  Gemme  mit  convexer  Bildfläche.  Stein?  In  der  nach 
oben  gekehrten  Spitze  sehen  wir  eine  längsgestellte,  roggenkornähnliche,  ziemlich 
starke  Vortiefnng;  den  oberen  Thcil  ihrer  Form  hat  sie  eiugebüsst,  weil  derselbe 
den  Rand  der  BildMche  überragen  würde.  Rechts  unter  dieser  befindet  sieb  eine 
ganz  kleine.  Unterhalb  beider,  etwas  nach  links,  sind  zwei,  welche  eich  recht- 
winklig kreuzen.  Der  von  links  unten  nach  rechts  oben  gehende  Krenzesarm 
hat  unten  rechts  und  oben  links,   beide  Male  nach  aussen  zeigend,    wieder  zwei 


Vertiefungen,  welche  aber  ungleich  gross  sind;  dicht  an  der  kleineren  von  diesen 
beiden  bemerken  wir  noch  eine  ganz  kleine  in  dem,  von  den  beiden  unteren 
Krenzesschenkeln  gebildeten  Dreieck.  Links  von  diesem  Kreuze  ist  erstens  eine 
kurze,  starke  Vertiefung,  der  sich  noch  weiter  links,  dicht  am  Rande,  eine  längere, 
schlanke,  anschliesst.  Rechts  haben  wir  eine  lange,  schrägliegende  und  links 
darunter  eine  kürzere,  plumpe  Vertiefung.  In  der  unteren  Hälfle  des  Steines  ist 
eine  Gruppe  von  kurzen,  breiten,  unter  sich  ungleich  grossen,  roggenkornähnlichen 
Einschnitten,  welche  sich  sämmllich  (es  sind  acht)  berühren.  Zwei  von  ihnen 
liegen  in  der  Läng)>a]ie  der  Gemme;  ihren  sich  berührenden  Spitzen  fügen  sich 
links  und  rechts  je  drei  seitliche  an,  so  dass  eine  rosetten artige  Figur  ent- 
steht Rechts  in  der  Zeichnung  bemerken  wir  nun  noch  vier  punktirt  wieder- 
gegebene Vertiefungen,  welche  wahrscheinlich  in  dieser  Form  vorhanden  sind. 
Die  Photographie  ist  an  dieser  Stelle  verwischt,  so  dass  wir  eine  rollkomraene 
Sicherheit  für  die  genaue  Wiedergabe  nicht  haben.  Die  letzte  Vertiefung  steht 
aufrecht  unter  der  Rosette,  den  unteren  Bildflächenrand  berührend  nnd  mit 
der  oberen  Spitze  die  entsprechende  Figur  der  Rosette  theilweise  bedeckend. 
München,  Königl.  Bibliothek,  Buchdeckel  aus  Niedermünster  zu  Regensburg, 
rheinische  Arbeit,  XI.—  XII.  Jahrhundert.  —  Berlin,  Kunstgewerbe- Uuseum, 
Photogrophien-4Iappe.    1456. 


(614) 

Bei  der  Betrachtung  der  vorstehenden  Zeichnungen  kann  man  leicht  za  dem 
Glauben  kommen,  die  in  den  Pig.  8,  10,  12  und  13  gezeichneten  Gemmen 
passten  nicht  recht  zu  den  übrigen,  denn  obgleich  diese  Gemmen  höchst  wahr- 
scheinlich zu  demselben  Typus  gehören,  so  scheint  es  doch,  als  ob  die  ein- 
geschnittenen Vertiefungen  etwas  anderer  Art  wären.  Ich  glaube  aber,  es  scheint 
nur  so,  denn  wenn  man  die  geringen  technischen  Hülfsmittel,  welche  den  Künstlern 
des  Mittelalters  zur  Bearbeitung  dieser  harten  Steine  zur  Verfügung  standen,  in 
Betracht  zieht,  wird  man  leicht  eine  Erklärung  für  die  etwas  veränderte  Form  der 
Hauptfigur  finden.  Zu  beachten  bleibt  auch,  dass  jede  dieser  scheinbaren  Aus- 
nahmen, neben  der  Hauptfigur,  eine  oder  mehrere  Vertiefungen  besitzt,  welche 
genau  mit  den,  auf  anderen  Gemmenbildem  befindlichen  Roggenkörnern  überein- 
stimmen. 

Schon  weiter  oben  wurde  bemerkt,  dass  wir  im  Granzen  bis  heute  82  Genunen 
kennen,  welche  dem  besprochenen  Typus  angehören. 

Unter  diesen  82  haben: 

24  Gemmen  je     1  Roggenkornvertiefung. 
29        „         7>     2  Roggenkorn  Vertiefungen. 

3 
4 
6 

7 
8 

_21 
Sa.    82  Gemmen. 

Man  sieht,  dass  einzelne  Exemplare  eine  recht  stattliche  Anzahl  von  Ver- 
tiefungen aufzuweisen  haben,  und  doch  sind  von  geometrischen  Formen  nur  wenige 
vorhanden.  Wenn  wir  von  den  einfachsten,  welche  dui'ch  die  mehr  oder  weniger 
zufällige  Zusammenstellung  von  zwei  oder  drei  Vertiefungen  entstanden  sein 
mögen,  absehen,  haben  wir  es  nur  mit  den  vier  zuletzt  gezeichneten  Gemmen  zu 
thun,  welche  die  Nrn.  18,  19,  20  und  21  tragen,  denn  bei  allen  übrigen  sind  die 
kleinen,  roggenkomähnlichen  Vertiefungen  ganz  plan-  und  formlos  über  das 
Gemmenfeld  vertheilt. 

Pig.  18  zeigt  uns  6  Vertiefungen  in  zwei  Gruppen  von  je  dreien.  Diese  in 
einen  Ultramarin  geschnittene  Gemme  macht  einen  eleganten  Eindruck.  Wir 
sehen  hier  zum  ersten  Male  die  vorhandenen  Einschnitte  zu  einer  Gesammtfignr 
vereinigt;  jedoch  auch  hier  ist  das  Intaglio  unregelmässig  in  dem  Gemmenfelde 
untergebracht. 

Pig.  19,  welche  sieben  kleine  Vertiefungen  von  ungleicher  Grösse  besitzt, 
zeigt  uns  unter  diesen  ein,  durch  zwei  über  einander  gelegte  Roggenkörner  ge- 
bildetes, schrägliegendes  Kreuz;  unmittelbar  am  rechten  unteren  Kreuzesschenkel 
schliesst  sich  eine  dritte  roggenkomähnliche  Vertiefung  an. 

Ein  ähnliches,  ich  möchte  fast  sagen  schleifenartiges  Kreuz  —  die  Aehnlich- 
keit  springt  besonders  in  die  Augen,  wenn  man  die  Zeichnung  von  der  rechten 
Seite  betrachtet  —  sehen  wir  in  der  folgenden  Nummer  dai^estellt.  Auch  hier 
liegt  die  Kreuzesfigur  nicht  ganz  frei,  sondern  der  linke  obere  Kreuzesschenkel 
hat  zwei  unserer  Vertiefungen,  welche  ihn  unmittelbar  berühren;  eine  von  diesen 
beiden  wird  wieder  von  einer  weiteren  Vertiefung  berührt,  von  der  jedoch  nur 
ein  Theil  vorhanden  ist,  weil  der  Rest  die  Bildiläche  überragen  würde.  Die 
ausser  den  genannten  Vertiefungen  noch  vorhandenen  sieht  man  links,    etwa  auf 


11 

V 

77 

7 

n 

77 

3 

77 

77 

2 

7> 

77 

3 

V 

77 

2 

77 

77 

1 

77 

77 

(615) 

der  Mitte  und  rechts  nnteo,  beide  in  ßracbstücken  und  schräg  liegend,  so  dass  sie 
fast  nach  dem  Mittelpunkte  des  Kreuzes  zeigen,  wobei  die  eine  den  zunächst 
liegenden  Rreuzesschenkel  beinahe  berührt. 

Wir  kommen  nun  zu  unserer  letzten  Gemme  (Fig.  21).  Diese,  von  Hm. 
Dr.  Bartels  nachgewiesen,  ist  ein  wahres  Prachtstück  unseres  Typus;  leider  be- 
sitzen wir  keinen  Abdruck  derselben,  sondern  sind  einzig  und  allein  auf  die  Photo- 
graphie des  betreffenden  Buchdeckels  angewiesen,  nach  welcher  sich  natürlich  alle 
die  auf  diesem  Steine  vorhandenen  Vertiefungen  nicht  so  sicher  wiedergeben 
lassen,  als  wenn  wir  einen  Abdruck  besässen.  Immerhin  kann  man  aber  eine 
ganz  beträchtliche  Anzahl  und  zwar  16—18  mit  grosser  Deutlichkeit,  selbst  bei 
Abendbeleuchtung,  durch  die  Lupe  sehen;  bei  hellem  Tageslichte  kommen  auch 
noch  die  auf  unserer  Zeichnung  nur  punktirt  angegebenen  Vertiefungen  zum  Vor- 
schein, welche  sonst  im  verwischten  Schatten  verborgen  bleiben. 

Der  herzförmige  Stein  mit  stark  convexer  Bildfläche  zeigt  zunächst,  unten 
links,  acht  unserer  Roggenkomvertiefungen  von  verschiedener  Grösse  zu  einer 
etwas  unregelmässigen  Rosette  zusammengestellt.  Dicht  darüber  befindet  sich 
ein  regelmässiges,  liegendes  Kreuz,  aus  drei  in  der  Grösse  sehr  verschiedenen 
Vertiefungen  gebildet;  ausserdem  sind  rechts  und  links  und  über  und  unter  den 
beiden  zusammengesetzten  Figuren  noch  15  Vertiefungen  in  bunter,  unregelmässiger 
Gruppirung  vorhanden,  alle  unserem  Typus  angehörend,  aber"  sehr  verschieden  in 
der  Grösse. 

Das  auf  dieser  Gemme  befindliche  Kreuz  ist  scheinbar  regelmässiger,  als  die 
Kreuze  der  beiden  letztbesprochenen  Fig.  19  und  20,  aber  auch  hier  sehen  wir 
eigenthümlicher  Weise  wieder,  wie  drei  unserer  Roggenkornvertiefungen  den 
linken  unteren,  den  linken  oberen  und  den  rechten  oberen  Kreuzesschenkel  direkt 
berühren. 

Die  darunter  liegende  Rosette  liegt  dagegen,  wenn  man  von  einer  unten 
senkrecht  auf  dem  Rande  der  Bildfläche  stehenden  Vertiefung  absieht,  welche 
einen  Theil  der  nächststehenden  Rosettenvertiefung  bedeckt,  ziemlich  frei;  sie  ist 
aber  aus  so  ungleich  grossen  Einschnitten  und  so  unregelmässig  zusammengesetzt, 
dass  man  sie  doch  wohl  kaum  als  Rosette  ansprechen  kann  und  am  Ende  an- 
nehmen muss,  sie  sei  mehr  oder  weniger  unbeabsichtigt  entstanden,  vielleicht 
nur,  weil  man  diese  grosse  Anzahl  von  Einschnitten  unterbringen  wollte;  vielleicht 
aber  wollte  auch  der  Verfertiger  versuchen,  ob  er  eine  solche  blumenartige  Figur 
herstellen  könne.  Auf  jeden  Fall  haben  wir  es  hier  mit  einer  ganz  besonders 
interessanten  Gemme  zu  thun. 

Es  erübrigt  nun  noch,  die  Gemmen  4,  11  und  13  wegen  der  darauf  befind- 
lichen schlanken,  strichähnlichen  Vertiefungen  kurz  zu  betrachten.  In  Fig.  4 
haben  wir  unten  rechts  eine  kleine  Figur  ganz  deutlich,  welche  man  mit  einem 
umgekehrten  Komma  vergleichen  könnte.  Bei  Fig.  11  und  13  finden  wir  an  ver- 
schiedenen Stellen,  bei  Fig.  11  sogar  zweimal,  einen  scharf  und  deutlich  ein- 
geschliffenen Strich:  hier  einen  ersten  links  oben,  halb  in  der  grossen  Vertiefung,  halb 
ausserhalb  derselben,  und  gewissermaassen  eine  scharfe  Spitze  bildend;  einen  zweiten 
an  der  anderen  Vertiefung  derselben  Gemme  oben,  fast  wie  ein  Stachel  nach 
rechts  aussen  zeigen|i*  In  Fig.  13  sehen  wir  denselben  Strich,  aber  etwas  weniger 
deutlich,  fast  horizontal;  in  dem  starken  Theile  der  schräg  liegenden  Haupt- 
vertiefung. 

Wir  haben  nun  die  Art  der  auf  unseren  Gemmen  zur  Anschauung  gebrachten 
Zeichnungen  besprochen  und  auch  die  Steinarten  betrachtet,  wir  wissen  aber  noch 
nichts  Näheres  über  die  verschiedenen  Gegenstände,  welche  mit  unseren  Roggen- 


(616) 

korn-Gemmen  geschmückt  sind.  Es  wurde  schon  weiter  oben  bemerkt,  dass  alle 
Gemmen  (Gegenstände  oder  Geräthe  schmücken,  welche  znm  christlichen  Gultus 
in  Beziehung  stehen;  es  wird  also  nöthig  sein,  diese  Gegenstände  einer  näheren 
Betrachtung  zu  unterwerfen,  um  vielleicht  auf  diese  Weise  eine  Basis  für  die 
weitere  Untersuchung  zu  gewinnen. 

Wie  bereits  gesagt  wurde,  kennen  wir  keine  einzige  Gemme,  welche  nicht 
einen  zum  christlichen  Cultus  in  irgend  einer  Beziehung  stehenden  Gegenstand 
schmückte,  und  zwar  haben  wir  es  vorzugsweise  mit  Reliquiarien,  Kreuzen  und 
Evangeliarien-Deckeln  zu  thun. 

Die  Zahl  der  Gemmen  aber,  welche  den  einzelnen  Gegenstand  schmücken, 
ist  sehr  verschieden;  sie  variirt  zwischen  1  — 10  Gemmen  an  demselben  Greräthe. 
Ein  ähnlicher  Unterschied  besteht  imter  den  gleichartigen  Gegenständen,  welche 
mit  unseren  Gemmen  geschmückt  sind;  die  hierher  gehörigen  Zahlen  steigen  eben- 
falls von  1 — 11.  Die  folgende  Tabelle  giebt  hierüber  eine  genaue  Uebersicht 
Verziert  sind: 

12  Reliquiarien mit  zusammen  32  Gemmen. 

9  Buchdeckel „  „  18         „ 

8  Kreuze „  „  28         „ 

1  Statuette „  „  3         „ 

31  Gegenstände mit  zusammen  82  (xemmen. 

Wenn  wir  zusehen,   in  welcher  Zeit  die  uns  beschäftigenden  Kunstwerke  ge- 
fertigt worden  sind,  so  bekommen  wir  die  folgende  Uebersicht. 
Es  stammen  aus 

dem     IX.  Jahrhundert    1  Kreuz,       —  Reliquiar,  —  Evangeliar  =    1  Stück, 
„        X.  „  2  Kreuze,       1         „  1         „         =   4     „ 

»     Xn.  „  2      ,  6         „  2         „         =10     , 

n      XIII.              „                           „                 1„                             ^=al^ 
Y  r  V  = 

„     XV.  „  1  Statuette,     1  „         —         „         =    2      „ 

„    XVI.  ^  —Kreuz,         1  „         —         „         =    1      t» 

Entstehungszeit  nicht  zu  ermitteln =    3      ^ 

31  Stück. 

Diese  Uebersicht  wird  uns  gestatten,  einige  Schlüsse  auf  das  Alter  unserer 
Roggenkorn-Gemmen  zu  ziehen.  Ich  möchte  jedoch  hierbei  gleich  bemerken, 
dass  ich  nicht  der  Meinung  bin,  man  könne  ohne  Weiteres  und  mit  voller  Sicher- 
heit von  dem  Alter  des  mit  Steinen  und  Gemmen  geschmückten  Gegenstandes 
auf  das  Alter  der  Gemmen  selbst  schliessen.  Dies  ist  sicher  nicht  der  Fall.  Man 
kann  sich  sehr  gut  denken,  dass  Steine,  da  sie  schon  seit  uralten  Zeiten  ein  her- 
vorragender Schmuckgegenstand  waren  und  von  Natur  sehr  beständig  sind,  von 
einem  Geräthe,  welches  mit  der  Zeit  schlecht  oder  unansehnlich  geworden  sein 
konnte,  auf  ein  anderes  übertragen  wurden;  deshalb  können  also  die  an  einem 
kirchlichen  Geräthe  befindlichen  Gemmen  älter  sein,  als  dieses  Geräth  selbst 

Bei  unseren  Stücken  ist  es  aber  für  kein  einziges  bewiesen  und  nur  für  drei 
ganz  späte  Stücke  wahrscheinlich,  dass  eine  derartige  Umarbeitung  stattgefunden 
hätte.  Wir  werden  daher  entweder  annehmen  müssen,  dass  die  Roggenkorn- 
Gemmen,  gleich  den,  an  den  Kirchengeräthen  zur  Verwendung  gekommenen  antik- 
geschnittenen Steinen,  sich  vor  der  Herstellung  der  betreffenden  Geräthe,    welche 


1 


(617) 

sie  jetzt  schmücken,  bereits  lose  in  dem  Rirchenschatze  befanden  haben,  —  nnd 
das  ist,  wie  wir  später  noch  sehen  werden,  aus  mancherlei  Gründen  höchst  un- 
wahrscheinlich, —  oder  wir  sind  zu  der  Annahme  gezwungen,  dass  diese  Gemmen 
für  die  mit  ilmen  verzierten  Rirchengeräthe  eigens  hergesellt  worden  sind.  Dann 
ist  aber  auch  ihre  Entstehungszeit  mit  derjenigen  dieser  Rirchengeräthe  überein- 
stimmend. Somit  ist  also  das  Alter  der  mit  den  Gemmen  geschmückten  Gegen- 
stände ein  wichtiger  Faktor  für  die  Bestimmung  des  Alters  der  Gemmen  selbst, 
besonders  wenn,  wie  in  unserem  Falle,  sämmtliche,  die  betreffende  Gemmenart 
aufweisenden  Geräthe  einer  ganz  bestimmten,  wohl  umschriebenen  Zeitepoche  an- 
gehören und  alle  auf  uns  gekommenen  analogen  Geräthe  aus  früherer  Zeit  niemals 
mit  derartigen  Gemmen  rerziert  sind.  In  dieser  glücklichen  Lage  sind  wir  nun 
mit  unseren  Roggenkorn  -  Gemmen ;  wir  ersehen  aus  der  letzten  Uebersicht, 
dass  die  meisten  der  kirchlichen  Geräthe  dem  zehnten,  elften  und  zwölften  Jahr- 
hundert angehören;  das  neunte  Jahrhundert  ist  mit  einem  Gegenstande  vertreten, 
das  dreizehnte  mit  einem  und  das  vierzehnte  gar  nicht;  das  fünfzehnte  und  sechs- 
zehnte Jahrhundert  sind  wieder  durch  zwei,  bezw.  ein  Exemplar  repräsentirt,  während 
drei  Gegenstände  ausscheiden  müssen,  weil  wir  über  ihre  Entstehungszeit  nichts 
Bestimmtes  wissen.  Nur  soviel  vermögen  wir  anzuführen,  dass  sie  unter  allen 
Umständen  jünger,  als  das  zehnte  Jahrhundert,  sind. 

Von  28  somit  in  Betracht  kommenden  Buchdeckeln,  Kreuzen,  Reliquiarien  u.  s.  w. 
stammen 

1  aus  dem    9.  Jahrhundert, 
4     ^       «     10. 

10    „       ,     12.  „ 

2  j,       j,     15.  „ 

Für  die  drei  letzten  möchte  ich  das  weiter  vom  Gesagte  in  Anspruch  nehmen; 
ich  möchte  also  annehmen,  dass  hier  die  geschnittenen  Steine  älter  sind,  als  das 
Reliquiarium  der  heiligen  Anna  in  Minden,  die  Russtafel  in  Berlin  und  die  Statuette 
in  ßorghorst  Ich  denke  mir,  man  wählte  zur  Verzierung  dieser  Geräthe  schon  vor- 
handene Steine,  und  scheide  deshalb  diese  drei  aus  unserer  Besprechung  aus. 

Von  den  nun  übrig  bleibenden  25  Stücken  stammen  eines  aus  dem  dreizehnten, 
zehn  aus  dem  zwölften,  neun  aus  dem  elften,  vier  aus  dem  zehnten  und  eines  aus 
dem  neunten  Jahrhundert.  Am  ältesten  ist  das  dem  neunten  Jahrhundert  ent- 
stammende Kreuz  Berengar's  I.  im  Rirchenschatze  zu  Monza,  dann  folgt  ein 
Reliquiarium  desselben  Schatzes  aus  dem  zehnten  Jahrhundert,  dem  sich  das 
Lotharkreuz,  ein  Rreuz  und  ein  Evangeliar  in  der  Münsterkirche  zu  Essen,  das 
Erphokreuz  in  Münster  und  der  „Codex  aureus^  in  München,  als  aus  dem 
zehnten  bis  eilten  Jahrhundert  stammend,  anschliessen.  Genauere  Entstehungs- 
angaben besitzen  wir  über  die  vorstehenden  Gegenstände  nicht,  wohingegen  wir 
bei  den  jetzt  folgenden  ziemlich  sicher  das  Alter  angeben  können.  Es  folgt 
jetzt  der  byzantinische  Buchdeckel  der  Markus-Bibliothek,  dessen  Anfertigung 
V.Falke  in  das  Jahr  1000  setzt,  dann  das, Evangeliar  des  heiligen  Bernward  zu 
Hildesheim,  etwa  um  1010  angefertigt,  femer  der  Buchdeckel  mit  Elfenbein 
und  Edelsteinen  aus  Bamberg  von  1014,  und  schliesslich  werden  wir  das 
Evangeliar  vom  heiligen  Aribert,  welcher  1045  am  16.  Januar  starb,  hierher 
rechnen  müssen,  da  er  es  doch  bei  seinen  Lebzeiten  gebraucht  hat. 

Um   es   kurz   zu    wiederholen,    so   sehen   wir,   dass  wir   das  Alter   der  mit 


(618) 

Roggenkorn  -  Gemmen  geschmückten  kirchlichen  Geräthe  sicher  bis  auf  das 
Jahr  1000  verfolgen  können.  Wahrscheinlich  sind  auch  im  zehnten  Jahrhundert 
schon  einige  angefertigt,  vielleicht  auch  im  neunten,  wohingegen  alle  früheren 
Jahrhunderte  fehlen.  Wir  sehen  ferner,  dass  bis  zum  Schlüsse  des  zwölften  Jahr- 
hunderts die  Mehrzahl  der  bis  jetzt  bekannten  Geräthe  entstand;  das  dreizehnte 
Jahrhundert  weist  nur  noch  einen  Gegenstand  auf.  Hier  scheint  mir  femer  ein  anderer 
Umstand  nicht  ganz  ohne  Bedeutung  zu  sein:  die  weiter  vorn  stehende  Tabelle 
weist  uns  nach,  dass  das  elfte  Jahrhundert  mit  6  Buchdeckeln  und  3  Kreuzen  ver- 
treten ist,  also  mit  Gegenständen,  welche  von  den  Lebenden  zur  Ausübung  des 
christlichen  Cultus  gebraucht  wurden;  das  zwölfte  Jahrhundert  hingegen  hat  von 
derartigen  Geräthen  nur  2  Kreuze  und  2  Evangeliare  aufzuweisen,  dafür  aber 
ausserdem  6  Reliquiarien.  Sollte  dies  nicht  zu  der  Annahme  berechtigen, 
dass  mit  dem  Ende  des  zwölften  Jahrhunderts  der  Gebrauch  unserer  Gemmen  er- 
loschen war? 

Wir  werden  wohl  zu  dem  folgenden  Schlüsse  berechtigt  sein:  Im  Anfange 
oder  zu  Ende  des  zehnten  Jahrhunderts  begann  der  Gebrauch  unserer  Roggen- 
korn-Gemmen. Man  schmückte  die  Evangeliare  und  Kreuze,  welche  von  den 
hohen  kirchlichen  Würdenträgern  gebraucht  wurden,  damit;  darum  weist  uns  das 
elfte  Jahrhundert  eine  verhältnissmässig  so  grosse  Zahl  auf.  Es  wird  dieser  Ge- 
brauch das  zwölfte  Jahrhundert  aber  nicht  lange  überdauert  haben,  denn  sonst 
müssten  aus  dieser  Zeit  mehr  kirchliche  Geräthe  mit  unseren  Gemmen  erhalten 
sein.  Wir  müssen  also,  wie  man  sieht,  die  Entstehungszeit  unserer  Roggenkorn- 
Gemmen  etwa  in  die  zwischen  950  und  1150 — 1250  fallende  Zeit  setzen.  Der 
Gebrauch  begann  wahrscheinlich  im  zehnten  Jahrhundert,  erreichte  seinen  Höhe- 
punkt im  elften  und  erlosch  mit  dem  Ende  des  zwölften  oder  Anfang  des  drei- 
zehnten Jahrhunderts. 

Wenden  wir  uns  nun  der  Technik  unserer  Gemmen  zu,  um  den  Versuch  zu 
machen,  die  Art  ihrer  Herstellung  zu  ergründen,  so  erfahren  wir  bald,  dass  wir 
hier  ifiit  mehr  Schwierigkeiten  zu  kämpfen  haben,  als  bei  der  Feststellung  des 
Alters  derselben.  Wir  hatten  zu  beweisen  versucht,  dass  die  Roggenkorn-Gemmen 
in  der  Zeit  von  der  Mitte  des  zehnten  bis  zum  Ende  des  zwölften  Jahrhunderts 
gefertigt  sein  müssen.  Nun  geben  aber  alle  Werke,  welche  von  der  Glyptik 
handeln,  übereinstimmend  an,  dass  gerade  in  dieser  Zeit  die  Gemmen-Schneide- 
kunst in  Deutschland  vollständig  vergessen  war.  Sollen  wir  nun  also  annehmen, 
dass  unsere  Gemmen  Erzeugnisse  einer  ausländischen  Kunstfertigkeit  waren,  dasa 
sie  von  anderswo  her,  vielleicht  aus  dem  Orient,  in  den  Besitz  der  betreCTenden 
Gotteshäuser  gelangten? 

Ich  möchte  glauben,  dass  wir  trotz  der  erwähnten  Anschauungen  dennoch 
dabei  verharren  müssen,  in  den  Roggenkorn-Gemmen  einheimische  Arbeiten  der 
genannten  Zeitperiode  zu  erblicken,  und  wir  werden  daher  zu  beweisen  haben, 
dass  eine  zwingende  Noth wendigkeit  nicht  vorhanden  ist,  sie  einer  anderen  Zeit 
und  einem  anderen  Lande  zuzuschreiben. 

Dazu  ist  es  aber  in  erster  Linie  noth  wendig,  uns  darüber  klar  zu  werden, 
in  welcher  Weise  und  mit  welchen  technischen  Hülfsmitteln  die  uns  hier  be- 
schäftigenden Gemmen  hergestellt  sein  können. 

Da  zeigt  es  sich  nun  auf  den  ersten  Blick,  dass  sie  sich  von  den  allerdiogt 
um  mehrere  Jahrhunderte  älteren  sogenannten  Alsengemmen  nicht  unerheblich 
unterscheiden. 

Die  Alsengemmen  mit  ihren  so  häufig  ausgesprungenen  Rändern  der  Figuren 
zeigen  uns  deutlich,   dass  diese  eingestochen  und  eingeritzt  wurden,  während  die 


(619) 

glatten  Grundflächen   und  scharf  abgesetzten  Ränder  unserer  Koggenkorn-Ver- 
tiefungen uns  sicher  zeigen,  dass  sie  eingeschliffen  wurden. 

Womit  haben  die  damaligen  Künstler  dieses  aber  ausgeführt?  Kannten  sie 
bereits  eine  Drehbank,  wenn  auch  vielleicht  primitivster  Form,  und  benutzte  man 
eine  kleine  Metallscheibe  dazu,  um  die  Ornamente  einzuschleifen? 

Durch  Schleifversuche,  welche  ich  mit  einem  in  einer  Drehbank  eingespannten 
ZweipfennigstUck  und  Schmirgel  machte,  gelang  es  mir,  in  kurzer  Zeit  und  ohne 
jede  Vorübung  Vertiefungen,  ähnlich  denen  unserer  Roggenkorn -Gemmen,  in 
einen  Amethyst  zu  schleifen.  Leider  aber  überzeugte  ich  mich  bald  im  Theo- 
philus'),  Capitel  LX,  dass  eine  Drehbank,  wie  sie  hierzu  nöthig  ist,  im  elften 
Jahrhundert  nicht  bekannt  war.  Der  gelehrte  Mönch  beschreibt  in  diesem  Capitel 
das  Drehen  eines  Kernes  für  einen  Guss,  wie  folgt: 

^ Nach  diesem  stecke  ein  Eisen  durch  sie  (die  Kerne  sind  gemeint),  welches 

das  Dreheisen  genannt  wird,  lang  und  ziemlich  dünn  ist,  aber  an  einem  Ende  dicker, 
auf  drei  Seiten  flachgeh&mmert,  immer  dünner  und  dünner  znr  Spitze  verlaufend,  an 
seinem  dickeren  Theile  werde  ein  anderes  gekrümmtes  Eisen  oder  Holz  befestigt,  mit 
Hülfe  dessen  man  es  drehen  kann. 

„Habe  dann  zwei  hölzerne  S&ulchen  auf  einem  Gestell  befestigt,  von  einander  der 
Länge  des  Eisens  entsprechend  abstehend,  deren  jegliches  an  der  Vorderseite  Nägel, 
gleichfalls  von  Holz  habe,  eine  Spanne  lang,  und  mit  einem  Einschnitt  wie  eine  Stufe 
(wie  ein  Winkel)  versehen.  Auf  diese  kommt  das  runde  Holz  zu  liegen,  dass  man  es 
geschickter  und  länger  bewegen  könne,  auf  welchem  die  Hand  des  Drehenden  ruht 

„Ist  dies  so  vorbereitet,  so  lege  das  Dreheisen  zwischen  die  beiden  Säulen,  welches 
die  Kerne  trägt,  und  während  der  Dir  zur  Linken  sitzende  Gehülfe  es  dreht,  bearbeitest 
Du  mit  scharfen  und  etwas  breiten  Eisen  sie  von  allen  Seiten,  dass  sie  abgegleicht  seien, 
und  so  bereite  Deine  Kerne,  dass  sie  in  der  Mitte,  wo  sie  zusammentreffen,  in  Breite 
und  Dicke  übereinstimmen*"  u.  s.  w. 

Man  sieht,  er  beschreibt  eine  äusserst  primitive  Drehvorrichtung,  deren  er  sich 
nicht  bedient  hätte,  wenn  er  eine  auch  noch  so  einfache  Drehbank  gekannt  haben 
würde. 

Unsere  Roggenkorn -Vertiefungen  können  also  nicht  mit  Hülfe  einer  Scheibe 
auf  der  Drehbank  eingeschliffen  sein.  Derselbe  Theophilus  giebt  uns  aber  im 
Capitel  XCIV,  S.  350  eine  ausführliche  Erklärung  über  den  Stand  der  Technik  des 
Eklelsteinschloifens  zu  damaliger  Zeit.  Der  Autor  beschreibt  hier  zuerst  etwas 
breit  das  Schleifen  des  Krystalls,  wobei  er  auch  das  dem  PI  in  ins  entnommene 
Mährchen  erwähnt,  dass  man  ihn  jedesmal  vor  dem  etwa  beabsichtigten  Schneiden 
in  dem  Herzblute  eines  jungen,  mit  Epheu  gefütterten  Bockes  erwärmen  müsse, 
damit  er  weich  sei.     Dann  fährt  er  fort: 

„Wenn  Du  aber  Knöpfe  aus  dem  Crjstall  machen  wolltest,  wie  sie  an  den  Bischof- 
stäben oder  den  Leuchtern  aufgesetzt  werden  können,  so  durchlöchere  sie  auf  diese 
Weise:  Mache  Dir  zwei  Hämmer  von  der  Dicke  des  kleinen  Pingers  und  fast  eine 
Spanne  lang,  an  beiden  Enden  sehr  dünn  und  gut  gestählt  Sobald  Du  den  Knopf  ge- 
formt hast,  schneide  ein  Loch  in  einem  Holze,  so  dass  derselbe  zur  Hälfte  darin  liegen 
könne,  und  befestige  ihn  mit  Wachs  an  diesem  Holze,  damit  er  halte.  Indem  Du  einen 
der  Hämmer  nimmst,  schlage  leicht  in  der  Mitte  des  Knopfes  an  einer  Stelle,  bis  Du 
ein  kleines  Loch  gemacht  hast,  und  so,  indem  Du  in  der  Mitte  schlägst  und  ringsum 
sorgsam  brichst,  erweitere  die  Höhlung.  Wenn  Du,  so  fortfahrend,  bis  zum  Mittelpunkte 
des  Knopfes  gelangt  bist,  drehe  ihn  um  und  verfahre  ebenso  von  der  anderen  Seite. 
Hast  Du  ihn  durchbohrt,  so  hämmere  ein  ein  Fuss  langes  und  rundes  Stück  Kupfer, 
so  dass  es  das  Loch  durchdringen  könne,   nimm  rauhen,  mit  Wasser  gemengten  Sand, 

1)  Theophilus  Presbyter,  Schedula  diversarum  artinm.  Quellenschriften.  A.  Illg. 
Bd.  L    Wien  1874.     W.  Braumüller. 


(620) 

gieb  ihn  in  das  Loch  und  feile  es  mit  dem  Kupfer  ans.  H&ttest  Dn  das  Loch  ein  wenig 
dadurch  ausgedehnt,  so  hämmere  ein  anderes  dickeres  Kupfer,  womit  Du  in  ähnlicher 
Weise  feilest.  Und  wenn  es  nöthig  wäre,  so  bediene  Dich  noch  eines  dritten  dickeren 
Kupfers.  Wenn  Du  die  Oeffnung,  wie  Du  wünschest,  weit  gemacht  hast,  so  brich  einen 
sandigen  Stein  behutsam,  und  nachdem  Du  ihn  hineinbegeben  hast,  feile  abermals  mit 
einem  neuen  Kupfer,  bis  es  glatt  ist.  Dann  nimm  ein  gleichrundes  Blei,  füge,  was  von 
der  Ziegelerde  abgerieben  ist,  sammt  Speichel  hinzu,  polire  die  Oeffnung  inwendig  und 
den  Knopf  selber  aussen,  wie  oben  gesagt  wurde*'  u.  s.  w. 

Am  Schiasse  dieses  Capitels,  S.  854  geht  der  Verfasser  zur  Besprechung  der 
Bearbeitung  der  härteren  Edelsteine  über;  er  schreibt  hier: 

„Auf  dieselbe  Weise  werden  auch  geschnitten,  abgerieben  und  polirt:  der  Onyx, 
Beryll,  Smaragd,  Jaspis,  Chalzedon  und  die  übrigen  kostbaren  Steine.  Man 
macht  aus  den  Bröckchen  des  Crystalles  ein  sehr  feines  Pulver,  welches,  mit  Wasser 
vermischt,  auf  ein  flaches  Brett  von  Lindenholz  gelegt  wird,  und  auf  ihm  reibt  und 
polirt  man  jene  Steine. 

„Der  Hyacint,  welcher  harter  ist,  wird  auf  diese  Weise  polirt:  Es  giebt  einen 
Stein,  Schmiergel  genannt,  welcher  verkleinert,  bis  er  dem  Sande  gleicht,  auf  eine  ebene 
Kupferplatte  gegeben  und  mit  Wasser  vermischt  wird,  auf  diesem  erhält  der  Hyacint 
durch  Beiben  seine  Gestalt.  Die  Flüssigkeit  aber,  welche  wegfliesst,  fängt  man  emsig 
in  einem  reinen  Becken  auf;  wenn  sie  die  Nacht  über  stand,  wird  den  folgenden  Tag 
das  Wasser  ganz  abgegossen  und  das  Pulver  getrocknet,  dann  wieder  auf  der  flachen 
Tafel  von  Lindenholz  mit  Speichel  befeuchtet,  und  darin  der  Hyacint  polirt*" 

Friedrich')  bemerkt  in  seinem  Buche  „Die  altdeutschen  Gläser",  durch 
welches  ich  zuerst  auf  den  Theophilus  aufmerksam  wurde,  in  Bezug  auf  das 
obige  Capitel: 

„Muss  man  sich  nicht  billig  über  die  Menge  technischer  HtQfsmittel  wundern, 
welche  den  Schleifern  des  zwölften  Jahrhunderts  zu  Gebote  standen?   Wer  mag 
diesen  klaren  fachmännischen  Worten  gegenüber  noch  behaupten,   dass  die  ge- 
schliffenen Steine  schon  vollendet  aus  dem  Orient  bezogen  wurden?" 
Der  sogenannte  Heraclius*)  behandelt  ebenfalls  das  Zersägen  des  Rrystalles 
und  das  Schleifen  der  Edelsteine. 

Aus  den  vorstehenden  Gitaten  des  Theophilus  ersehen  wir,  dass  der  Ver- 
fasser dieses  Manuskriptes,  ein  in  vielen  technischen  Künsten  bewanderter  Mönch, 
Namens  Rogkerus,  welcher  in  dem  elften  Jahrhundert  in  Deutschland  lebte, 
uns  ein  Verfahren  angiebt,  mit  welchem  man  wohl  alle  unsere  Roggenkorn- 
Gemmen  ohne  die  Hülfe  einer  Drehbank  herstellen  kann. 

Nun  finden  sich  aber  unter  den  Roggenkorn -Gemmen  einige,  welche  in 
Saphir  und  Rubin,  also  den  nächst  dem  Diamant  bärtesten  Steinen  eingescbliffen 
sind,  und  man  wird  mir  entgegen  halten,  mit  Schmirgel  ist  dieses  auf  die  an- 
gegebene Weise  nicht  möglich.  Ob  es  auf  die  vom  Verfasser  des  Theophilus 
angegebene  Weise  möglich  ist,  Rubin  und  Saphir  mit  Schmirgel  zu  schleifen, 
kann  ich  nicht  beurtheilen;  dass  aber  beide  Steinarten  mit  Schmirgel  geschliffen 
werden  können,  gebt  aus  Rarmarsch-Heeren^s';  Technischem  Wörterbuch  hervor. 
Wir  lesen  hier,  dass  man  Saphire,  Smaragde  und  Rubine  mit  Diamantstaub  oder 
Schmiergel  schleift,  alle  übrigen  Edelsteine  mit  Schmirgel. 

Aus  diesem  Gitat  geht  also  deutlich  hervor,  dass  die  genannten  härtesten 
Edelsteine  sich  mit  Schmirgel  schleifen  lassen,  aber  mit  Diamantstaub  jedenfalls 
viel  leichter;  wir  werden  also  zusehen  milssen,    ob  die  Alten  schon  mit  Diamant- 


1)  Nürnberg  1884. 

2)  Quellenschriften.    Bd.  IV.    S.  1,  18  u.  f. 
8)  8.  Aufl.   Bd.  7.   S.  678. 


(621) 

staub  zu  arbeiten  verstanden.  Herr  Dr.  M.  Bartels  war  so  freundlich,  mir  eine 
Stelle  aus  dem  Buche  des  Bischofs  Marbodus')  nachzuweisen,  aus  der  sich  er- 
giebt,  dass  dieser,  ebenfalls  im  elften  und  im  Anfange  des  zwölften  Jahrhunderts 
lebende  Autor  das  Diamantpulver  kannte. 

Hiergegen  behaupten  nun  aber  Lessing^)  und  Krause'),  Marbodus  habe 
seine  Angaben  grösstentheils  dem  Plinius  entnommen  und  die  Annahme,  dass 
der  letztgenannte  den  Diamantstanb  bereits  gekannt,  beruhe  auf  einer  falschen  Auf- 
fassung des  Wortes  feliciter*)  in  dem  betreffenden  Satze  des  Plinius.  Beide 
Autoren  wollen  dort  nur  Angaben  über  den  Gebrauch  der  Diamantsplitter, 
aber  nicht  über  den  des  Diamantstaubes  finden,  wobei  sich  Krause  meist 
auf  Lessing  stützt.  Er  selbst  jedoch  erwähnt^)  in  seinem  unten  citirten  Buche, 
dass  ausser  anderen  auch  Aloys  Hifth«)  und  Mariette^  für  den  Gebrauch  des 
Diamantpulvers ^)  bei  den  Alten  eintreten. 

Es  kann  hier  natürlich  nicht  unsere  Sache  sein,  in  diesem  Streite  für  oder 
wider  Partei  zu  nehmen,  man  wird  uns  aber  zugeben  können,  ein  sicherer 
Beweis  dafür,  dass  die  Verwendung  des  Diamantpulvers  bei  den  Alten  aus- 
geschlossen sei,  ist  nicht  erbracht.  Eine  Unmöglichkeit,  Rubine,  Saphire  und 
Smaragde  nach  dem  Stande  der  Technik  bei  uns  im  elften  und  zwölften  Jahr- 
hundert zu  schleifen,  liegt  also  nicht  vor;  sie  können  sowohl  mit  Schmirgel,  als 
mit  Diamantstaub  geschliffen  sein. 

Wir  wollen  nun  unsere  Gemmen  einer  näheren  Untersuchung  unterziehen; 
vielleicht  erfahren  wir  dann,  wie  die  einzelnen  Vertiefungen  eingeschliffen  sein 
können.  Zu  diesem  Zwecke  empfiehlt  es  sich,  die  Nrn.  14,  15,  16,  19  und  20  aus- 
zuscheiden, welche  sämmtlich  eine  bedeutende  Gonvexität  besitzen.  Nimmt  man 
von  den  Wachs-Abdrücken  derselben  einen  Gyps-Abguss  und  schneidet  diesen  auf 
der,  Längsaxe  einer  Roggenkorn -Vertiefung  durch,  dann  sieht  man,  dass  die 
Grundfläche  dieser  letzteren  ganz  eben  ist.  Diese  5  Gemmen  können  also,  be- 
günstigt durch  die  grosse  Gonvexität,  mit  einer  dünnen  Kupferstange,  einem 
Kupferdrahte  etwa,  in  der  Weise  geschliffen  worden  sein,  welche  Theophilus  an- 
giebt,  um  die  Löcher  der  EMelsteinknöpfe  auszufeilen.  Von  den  weiteren  Nummern 
hätten  wir  nun  5,  6,  7,  9,  12,  17  und  21  auszuscheiden.  Diese,  ebenfalls  stark 
convexen  Gemmen  können  auch  auf  ähnliche  Weise  eingeschliffen  worden  sein, 
aber  da  die  Grundfläche  hier  mehr  oder  weniger  gebogen,   auch  die  Stellung  der 


1}  Marbodi,  Liber  lapidam  seu  de  gemmis  etc.    Qöttingae  1799.    §  1.  De  adamante. 
§  2.   Incadis  damno,  percnssoromque  labore 

ünjus  fragmentis  gemmae  scnlptuntur  acutis 
2)  Briefe  antiquarischen  Inhalts.    32.  Brief. 
8)  Pyrgoteles.    Halle  1856.    8.  110. 

4)  Der  betreffende  Satz  lautet:  „Adamas,  cum  fe Heiter  rumpi  contigit,  in  tam  parvas 
frangitur  cmstas,  ut  cemi  vix  possint.  Expetontur  a  scalptoribns,  ferroqne  inclndontur, 
Dullam  non  doritiam  ex  facili  cavantes.' 

5)  a.  a.  0.  S.  228. 

6)  Amalthea  von  Böttiger.   Bd.  II.    S.  10  u.  11. 

7)  Trait6  de  pierres  grav6es.  I.  p  156.    Paris  1750. 

8)  Der  betreffende  Satz  von  Goguet,  auf  den  sich  Klotz  stützt,  lautet:  „II  est 
constant  que  les  Anciens  ont  parfaitement  connn  la  propriet^  qa'a  la  poudre  de  Dia- 
mant ponr  mordre  aar  les  pierres  fines;  ils  en  faisoient  un  grand  usage,  tant  pour  les 
graver,  que  pour  les  tailler.  Pline  le  dit  expressement,  et  quand  il  ne  Fauroit  pas  dit, 
les  chef-d'oeuvres  que  les  Anciens  ont  produits  en  ce  genre,  et  que  nous  avons  encore 
sons  les  yeux,  le  feroient  assez  connoitre.**    Lessing,  Anmerk.  z.  82.  Briefe. 


(622) 

Vertiefangen  eine  andere  ist,  so  muss  der  Draht  gebogen  gewesen  sein,  —  eine  An- 
nahme, der  natürlich  nichts  im  Wege  steht.  Nr.  18  wäre  yielleicht  hier  auch  noch 
mit  hinzuzurechnen. 

Wir  kommen  nun  zu  den  restirenden  8  Gemmen.  Durchgeschnittene  Oyps- 
Abgüsse  der  genommenen  Wachs -Abdrücke  zeigen  an  der  Unregelmässigkeit  der 
Bodenflächen  der  Vertiefungen  ziemlich  deutlich,  dass  sie  nicht  mit  einer  Scheibe 
eingeschliffen  sein  können;  die  geringere  Convexität  und  die  Form  und  Stellung 
der  einzelnen  Vertiefungen  verbietet  es  ferner,  anzunehmen,  dass  auch  sie,  wie 
die  anderen,  mit  einem  geraden  oder  etwas  gebogenen  Draht  eingeschliffen  wurden. 

Ueber  die  Herstellung  dieser  Gemmen  habe  ich  mir  eine  feste  Meinung  noch 
nicht  bilden  können.  Hr.  Ober-Ingenieur  Oesten,  welcher  die  durchgeschnittenen 
Gyps-Abgüsse  mit  mir  betrachtete,  glaubt,  dass  sie  mit  einem,  an  der  Spitze  recht- 
winklig umgebogenen  Kupferdraht  und  sonst,  wie  oben  angegeben,  mit  Schmirgel- 
oder Diamantstaub  eingeschliffen  seien.  Diese  Annahme  scheint  mir  etwas  für  sich 
zu  haben,  und  die  Nrn.  1,  3,  4,  10  und  11  werden  wohl  auch  so  hergestellt  sein. 
Aber  nun  sind  noch  die  mit  den  Nrn.  2,  8  und  13  bezeichneten  Gemmen  übrig. 
Von  diesen  scheint  es  mir  nicht  wahrscheinlich  zu  sein,  dass  sie  auf  diese  Weise 
eingeschliffen  wurden,  ohne  dass  ich  eine  bessere  Ansicht  über  die  Art  und  Weise, 
wie  sie  gefertigt  wurden,  aufstellen  könnte. 

Wir  werden  es  also  immerhin  wohl  anerkennen  müssen,  dass  eine  technische 
Unmöglichkeit  nicht  Yorliegt,  warum  die  Roggenkorn -Gemmen  nicht  mit  Hülfe 
eines  der  geschilderten  einfachen  Mittel  in  der  Zeit  des  10.  bis  12.  Jahrhunderts  in 
Deutschland  gefertigt  sein  könnten.  Weitere  Funde  werden  darüber  ja  noch  mehr 
Aufklärung  geben,  und  von  diesen  scheint  einer  schon  gemacht  zu  sein. 

Hr.  Direktor  Voss,  Ton  der  prähistorischen  Abtheilung  des  hiesigen  Völker- 
Museums,  war  so  freundlich,  mich  auf  das  im  Osnabrücker  Domschatze  be- 
findliche sogenannte  Schachspiel  Carl's  des  Grossen  aufmerksam  zu  machen. 
Bei  diesem,  augenblicklich  noch  aus  15  Bergkrystall-Figuren  bestehenden  Schach- 
spiel, dessen  Entstehung  Hr.  Voss  mit  dem  Hm.  Dompropst  B erläge  in  Cöln 
in  das  elfte  bis  zwölfte  Jahrhundert  setzt,  tragen  die  meisten  der  Figuren  ganz 
rohe  Verzierungen  eingeschliffen  oder  eingeschnitten,  welchen  man  eine  gewisse 
Aehnlichkeit  mit  denen  unserer  Roggenkorn -Gemmen  zugestehen  kann.  Leider 
konnte  ich  Gyps-Abgüsse  dieses  Schachspiels  bis  jetzt  noch  nicht  bekommen; 
eine  genaue  Untersuchung  dieser  müsste  ergeben,  ob  die  Vertiefungen,  wie  die- 
jenigen unserer  Roggenkorn-Gemmen,  eingeschliffen,  oder  mit  dem  Rädcheu  her- 
gestellt sind. 

Wir  haben  die  Roggenkorn -Gemmen  nun  nach  allen  Seiten  beleuchtet,  wir 
sahen,  wo  und  wie  sie  gefunden  werden,  wir  haben  ihr  muthmaassliches  Alter  und 
ihre  Technik  besprochen,  aber  wir  wissen  noch  nichts  Yon  der  Bedeutung  der- 
selben, ebenso  wenig  wie  wir  untersuchten,  ob  sie  als  Erzeugnisse  heidnischer 
oder  christlicher  Kunst  anzusehen  sind. 

Wir  finden  die  Roggenkorn -Gemmen,  wie  bereits  erwähnt,  immer  zur  Aus- 
schmückung Ton  Kirchengcrüthen  verwendet,  und  zwar  stets  zusammen  mit  anderen 
Edelsteinen,  unter  denen  sich  auch  häufig  klassische  und  andere  mittelalterliche 
Gemmen  und  Kameen  befinden.  Diese  Kirchengeräthe  sind  vorzugsweise  von 
deutscher  Arbeit  und  gehören  dem  zehnten,  elften  und  zwölften  Jahrhundert  an. 
Es  sind  uns,  wie  ebenfalls  schon  erwähnt  wurde,  keine  Roggenkorn -Gemmen 
bekannt  geworden,  welche  aus  einem  der  zahlreichen  Grabfunde,  die  ja  in  so 
grosser  Menge  zu  den  verschiedensten  Zeiten  und  an  den  mannich faltigsten  Stellen 
Europas  gemacht  wurden,    herstammen.    Somit  fehlt  also  die  bei  anderen  Gegen- 


(623) 

ständen  sich  bisweilen  bietende  Gelegpenheit,  aus  gemeinsamen  Fundsttlcken  einen 
Bückschluss  auf  die  Entstehungszeit  machen  zu  können. 

Ebenso  wenig  kennen  wir  Roggenkorn -Gemmen,  welche  sich  als  einzelne 
Stücke  in  irgend  einer  Sammlung  befänden.  Allerdings  würde  uns  das,  auch  wenn 
es  der  Fall  wäre,  in  unserer  Renntniss  nicht  sehr  gefordert  haben,  denn  sie  hätten 
ja  auf  die  mannichfachsie  Weise  erworben  sein  können,  welche  ebenfalls  die  Zeit 
ihrer  Entstehung  nicht  mit  Sicherheit  aufzuklären  vermöchte.  Von  alledem  ist 
bei  unseren  Roggenkorn- Gemmen  keine  Rede,  wir  kennen  eben  nur  derartige 
Stücke,  welche  sich  an  frühmittelalterlichen  Rirchengeräthen  befinden,  was  wir 
vor  allen  Dingen  festhalten  müssen,  wenn  wir  zunächst  versuchen  wollen,  dem  Ur- 
sprung der  Roggenkorn- Gemmen  nachzuspüren. 

Im  Mittelalter,  dem  zehnten  bis  zwölften  Jahrhundert,  war  im  Grossen 
und  Ganzen  schon  in  dem  grössten  Theile  von  Deutschland,  abgesehen  von  den 
durch  die  Wenden  bewohnten  Gegenden  unserer  engeren  Heiniath,  von  einem 
Heidenthum  keine  Rede  mehr.  Unter  Carl's  des  Grossen  und  seiner  Nach- 
folger Hülfe  hatten  die  christlichen  Priester  fast  allerorten,  mit  Ausnahme  der 
slavischen  Gegenden  Nord-Deutschlands,  das  Rreuz  aufgepflanzt;  und  selbst  die 
Wenden,  deren  grosse  und  bis  jetzt  noch  in  mancher  Hinsicht  räthselhafte,  dem 
„Radegast^  und  „Swantewit"  geweihte  Heiligthümer  Rethra  und  Arkona  in  dieser 
Zeit^)  zerstört  wurden,  mussten  sich  mehr  und  mehr  bequemen,  zu  dem  Christen- 
thume  überzutreten. 

Halten  wir  alle  diese  Thatsachen  fest  imd  vergegenwärtigen  wir  uns  noch 
einmal,  dass  unsere  Roggenkorn -Gemmen  bis  heute  nur  an  Gegenständen  ge- 
funden wurden,  welche  zu  der  Ausübung  des  christlichen  Gultus  in  irgend  einer 
direkten  Beziehung  stehen,  dann  werden  wir  auch  wohl  mit  einiger  Wahrschein- 
lichkeit annehmen  dürfen,  dass  wir  es  mit  Arbeiten  christlicher  Rünstler  zu  thun 
haben  xmd  dass  die  Roggenkorn -Gemmen  für  diese  kirchlichen  Geräthe,  welche 
sie  heute  noch  schmücken,  auch  eigens  angefertigt  worden  sind. 

Wir  haben  uns  nun  noch  mit  der  letzten  und  schwierigsten  Frage  zu  be- 
fassen, nehmlich  mit  derjenigen:   Was  bedeuten  die  Roggenkorn -Gemmen? 

Eine  sichere  xmd  nach  allen  Richtungen  hin  zufriedenstellende  Antwort  vermag 
ich,  wie  ich  gleich  vorausschicken  möchte,  trotz  aller  angewendeten  Mühe,  auf 
diese  Frage  nicht  zu  geben.  Alle  Versuche  einer  Deutung  und  Erklärung,  welche 
man  machen  kann,  haben  ihre  recht  erheblichen  Lücken.  Ich  will  es  aber  nicht 
unterlassen,  hier  anzuführen,  woran  bei  den  Roggenkorn -Gemmen  etwa  gedacht 
werden  könnte. 

Man  könnte  annehmen,  wir  hätten  es  mit  irgend  welchen  mystischen  Zeichen 
zu  thun,  und  hier  könnte  man  in  erster  Linie  an  die  Gemmen  der  alten  Gnostiker 
denken;  aber  die  Blüthezeit  dieser  liegt  um  mehrere  Jahrhunderte  früher,  als 
diejenige,  welche  wir  geneigt  sind,  für  die  Entstehung  der  Roggenkom-Genmien 
anzunehmen.  Auch  finden  wir  in  den  dargestellten  Figuren  der  Roggen- 
korn-Gemmen keinen  Anklang  an  die  verwickelte  Symbolik  gnostischer  Dar- 
stellungen. 

Wir  haben  es  bekanntlich  bei  diesen  mit  einer  sehr  ausgebildeten  Symbolik 
von  thierischen  und  menschlichen  Figuren,  verbunden  mit  kabbalistischen  Zeichen 
aller  Art,  zu  thun;  aber  die  ganze  Darstellung  ist  vo#  derjenigen  unserer  Roggen- 
korn-Gemmen   so    sehr   verschieden,    die   Technik    im   Gegensatze    zu    der    der 


1)  Rethra  sogar  zweimal,  955  und  1150,  Arkona  1168. 


(624) 

Roggenkorn -Gemmen  so  ausgebildet,  dass  wir  den  Gedanken  an  eine  Ver- 
wandtschaft zwischen  ihnen  Tollständig  ablehnen  müssen. 

Nun  könnte  man  fernerhin  annehmen,  die  Roggenkorn -Gemmen  wären  eine 
Art  von  Rangabzeichen  in  einer  geistlichen  Brüder-Gemeinschaft  gewesen;  aber 
auch  hierfür  fehlt  es  an  genügenden  Anhaltspunkten,  und  es  ist  mancherlei,  was 
dagegen  spricht  Hätten  die  Roggenkorn -Gemmen  wirklich  die  Bedeutung  von 
Rangabzeichen  gehabt,  dann  waren  sie  doch  auch  jedenfalls  dazu  bestimmt, 
während  der  Lebzeiten  des  Besitzers  deutlich  sichtbar  getragen  zu  werden,  um  erst 
nach  dem  Tode  desselben  an  ihren  heutigen  Platz  zu  kommen.  In  diesem  Falle 
könnten  wir  erwarten,  wenigstens  einige  derselben  in  einer  Fassung  vorzufinden, 
die  ein  Tragen  der  Gemraeti  am  menschlichen  Körper  möglich  und  wahrscheinlich 
machte. 

Nun  kennen  wir  allerdings  eine  Roggenkorn -Gemme,  deren  Fassung  allen- 
falls diesem  Zwecke  entsprechen  könnte,  wir  meinen  die  vorletzte  Gemme  der 
Fund-Tabelle,  welche,  als  einzige  von  allen,  einem  grossen  Fingerringe  als  Schmuck- 
stein dient.  Jedoch  bei  dieser  einen  sind  wir  geneigt,  anzunehmen,  dass  sie  sich 
nicht  in  ihrer  ursprünglichen  Fassung  befindet.  Die  Gründe  für  diese  Annahme 
sind  weiter  oben  schon  entwickelt.  Also  auch  diese  Hypothese  vermag  uns  nicht 
zu  befriedigen. 

Es  Hesse  sich  femer  die  Frage  aufwerfen:  Könnten  nicht  die  Roggenkorn- 
Gemmen  als  eine  Art  von  Ursprungszeichen,  als  Künstlermarke,  oder  vielleicht 
auch  als  die  Marke  eines  Stifters  betrachtet  werden?  Träfen  wir  hiermit  die 
richtige  Bedeutung,  dann  hätten  wir  gleich  eine  Erklärung  für  die  zuweilen  ver- 
steckte und  oft  unregelmässige  Anbringung  der  genannten  Steine.  Denn  ebenso 
gut,  wie  heut  zu  Tage  ein  Steinmetz  sein  Zeichen  oder  ein  Künstler  seinen 
Namen  versteckt  anbringt,  ebenso  gut  hatten  die  Verfertiger  der  Roggenkorn- 
Gemmen  dann  ihre  Gründe,  dieselben  gerade  so  und  nicht  anders  anzubringen. 

Gegen  diese  Annahme  würde  nun  scheinbar  die  theilweise  so  grosse  Anzahl 
von  Gemmen  sprechen,  welche  wir  in  einigen  wenigen  Fällen  an  einem  Gegen- 
stande vereinigt  finden.  Man  würde  also,  wenn  diese  Gemmen  die  Bedeutung  von 
Kflnstlermarken  hätten,  annehmen  müssen,  dass  mehrere  Ktinstler  an  den  be- 
treffenden Geräthen  gearbeitet  hätten.  Da  haben  wir  also  gleich  wieder  eine  neue 
Schwierigkeit,  denn  eine  solche  Annahme  ist  in  hohem  Grade  unwahrscheinlich 
und  widerspricht  auch  dem,  was  wir  sonst  über  das  mittelalterliche  Kunsthandwerk 
wissen.  Hier  würden  wir  einigermaassen  aus  der  Verlegenheit  kommen,  wenn  wir 
annähmen,  dass  die  Gemmenzeichen  nicht  Künstlermarken,  sondern  die  Marken 
von  Stiftern  gewesen  sind.  Das  zuweilen  mehrfache  Vorkommen  wäre  dieser  An- 
nahme nicht  im  Wege,  wenn  man  bei  den  mehrfach  mit  Roggenkorn -Gemmen 
geschmückten  Kirchengeräthen  annehmen  dürfte,  dass  sich  mehrere  Personen  zur 
Stiftung  eines  solchen  doch  immerhin  recht  kostbaren  Stückes  vereinigt  hätten. 

Hierüber  wird  sich  vielleicht  noch  mehr  ermitteln  lassen,  wenn  man  so  weit 
als  möglich  der  Entstehungsgeschichte  jedes  einzelnen  mit  Roggenkorn-Gemmen 
geschmückten  Geräthes  nachspürt,  eine  Arbeit,  welche  ich  in  der  nächsten  Zeit 
nicht  aus  den  Augen  lassen  werde.  Möglicherweise  findet  sich  hierbei  für  eine 
dieser  Annahmen  ein  Fingerzeig. 

Nun  müsste  endlich  nodl  eine  Möglichkeit  in  Kürze  besprochen  werden.  Ver- 
suchen wir  einmal,  uns  vorzustellen,  in  welcher  Weise  der  alte  Künstler  sein 
Reliquiar  anfertigte.  Nachdem  der  innere  Holzkasten  fertig  war,  ging  er  daran, 
ihn  mit  Gold-  oder  Silberblech  zu  beziehen.  Bei  dieser  Arbeit  schon  theilte  er 
sich  jedenfalls  die  Plät/e  für  die  ihm  zur  Verfügung  stehenden  Edelsteine  ein* 


(625) 

Zur  AusschmückuDg  hatte  er  nngeschnittene  Edelsteine  und  mancherlei  Gemmen 
und  Cameen  zu  verwenden.  Hier  ist  nun  zu  beachten,  dass  man  eine  gewisse 
Symmetrie  in  der  Platzbestimmung  für  die  ausschmückenden  Edelsteine  bei  fast 
allen  mir  bekannten  derartigen  Geräthen  beobachten  kann,  eine  Symmetrie,  die 
meist  auch  selbst  noch  die  Farbe  der  yerschiedenen  Steine  sehr  genau  berück- 
sichtigt. Nur  in  Ausnahmefällen  findet  man  an  symmetrischen  Stellen  Steine  ver- 
schiedener Form  oder  Farbe;  es  gilt  diese  Regel  nicht  unbedingt,  aber  die  Zahl 
der  Ausnahmen  ist  eine  nur  geringe. 

Kommen  wir  nun  darauf  zurück,  dass  einem  solchen  Künstler,  wie  oben  schon 
erwähnt,  als  Edelstein-Material  Gemmen,  Cameen  und  ungeschnittene  Edelsteine 
verschiedener  Farbe  für  seine  Arbeit  zur  Verfügung  standen,  dann  ist  wohl  anzu- 
nehmen, dass  unser  Künstler  dieses  Material  erst  einmal  nach  Form  und  Farbe 
sortirte,  wobei  er  wahrscheinlich  die  vorhandenen  Gemmen  und  Cameen  besonders 
beachtete.  Nun  brachte  er  die  verschiedenen  Steine  an  den  ihnen  bestimmten 
Stellen  in  der  Weise  an,  dass  sie  im  Ganzen  ein  möglichst  symmetrisches  Ge- 
sammtbild  zeigten.  Sehr  oft  werden  aber  einzelne  geschnittene  Steine  gefehlt 
haben,  um  das  beabsichtigte  Gesammtbild  zu  erreichen.  Könnte  nun  nicht  unseren 
Künstlern  der  Gedanke  gekommen  sein,  selbst  einmal  zu  versuchen,  Gemmen  zu 
schleifen  oder  zu  schneiden? 

Wenn  wir  mit  dieser  Annahme  das  Richtige  getroffen  haben,  dann  wurde 
wahrscheinlich  in  der  Weise  weiter  gearbeitet,  dass  man  nun  versuchte,  eines  oder 
das  andere  der  zur  symmetrischen  Vollständigkeit  etwa  fehlenden  Intaglios  selbst 
anzufertigen.  Dazu  hatte  man  nun  nöthig,  entweder  selbst  Zeichnungen  zu  com- 
poniren,  oder  vorhandene  Gemmen  nachzubilden.  Bei  der  geringen  Uebung  der 
damaligen  Steinschneide-Künstler  dürfen  wir  vielleicht  annehmen,  dass  dieselben 
vorzogen,  eine  vorhandene  Gemme,  so  gut  als  möglich,  zu  copiren.  Eine  Ge- 
wissheit existirt  jedoch  in  dieser  Hinsicht  nicht.  Bis  jetzt  hat  es  mir  wenigstens 
nicht  gelingen  wollen,  eine  andere  klassische  oder  mittelalterliche  Gemme  auf- 
zufinden, deren  Copie  man  mit  Sicherheit  in  einer  der  Roggenkorn -Gemmen 
nachweisen  könnte. 

Allerdings  dürfen  wir  uns  nicht  nur  an  bekannte  Gemmen  halten,  um  die  be- 
sprochenen Vorlagen  zu  finden.  Möglicherweise  hat  der  alte  Künstler  doch  frei 
nach  seiner  Phantasie  gearbeitet,  um  irgend  welche  Gegenstände  oder  Symbole 
nachzubilden.  Aber  auch  in  dieser  Hinsicht  gelang  es  mir  nicht,  etwas  zu  er- 
mitteln, so  dass  man  mit  Sicherheit  sagen  könnte,  diese  Roggenkorn-Gemme  stellt 
das  und  das  vor. 

Ich  bin  also  nicht  im  Stande,  hinsichtlich  der  in  den  verschiedenen  Roggen- 
korn-Gemmen etwa  beabsichtigt  gewesenen  Bilder  eine  mehr  oder  minder  wahr- 
scheinliche Behauptung  aufstellen  zu  können.  Aufmerksam  machen  möchte  ich 
jedoch  noch  auf  die  drei  letztgezeichneten  Gemmenbilder,  auf  die  Nrn.  19,  20 
und  21.  Wir  sehen  hier  jedesmal  unter  Anderem  ein  mehr  oder  weniger  schräg 
liegendes  Kreuz.  Diese  drei  Kreuze,  von  denen  jedes  wieder  einen  bis  drei 
Anhängsel  hat,  scheinen,  nach  der  eigen thümlichen  Art  der  Darstellung  zu  ur- 
theilen,  unter  sich  verwandt  zu  sein.  Ferner  lässt  sich  die  auf  Nr.  21  ab- 
gebildete Rosette  in  zwei  über  einander  liegende  Kreuze  zerlegen.  Das  sind  lauter 
Umstände,  welche  man  wohl  zur  Grundlage  weiterer  Forschungen  machen  muss, 
obgleich  eine  zufällige  Uebereinstimmung  der  genannten  Formen  nicht  ganz  aus- 
geschlossen ist. 

Wenn  es  uns  nun  auch  nicht  gelang,  bestimmte  Beweise  dafür  beizubringen, 
dass  die  Roggenkorn-Gemmen  gewissermaassen  als  die  Resultate  der  ersten  Stein- 

VtrbaoilL  der  BerU  AotbropoL  0«8ellaehftlt  1891.  40 


(626) 

schneide-Versuche  unserer  Künstler  zu  betrachten  sind,  so  glauben  wir  doch  in 
Folgendem  einen  Beweis  für  die  Beachtung  der  Boggenkom-Gemmen  von  Seiten 
der  Yerfertiger  diesbezüglicher  Kirchengeräthe  gefunden  zu  haben. 

In  dem  Hildesheimer  Domschatz  befindet  sich  ein  etwa  um  das  Jahr  1010 
angefertigtes  Eyangeliarium,  dessen  mit  vielen  Edelsteinen  geschmückter  Deckel 
auch  eine  Roggenkorn-Gemme  trägt,  unter  einer,  die  Mitte  dieses  Deckels  ein- 
nehmenden Elfenbein-Schnitzerei,  Jesus,  Maria  und  Johannes  in  erhabener  Arbeit 
darstellend,  sehen  wir  das  griechische  Doppelkreuz  mit  dem  Bilde  des  Er- 
lösers. Oben  rechts  und  links  sind  zwei  schräg  liegende  Edelsteine.  Auf  den 
correspondirenden  Ecken  unten  sehen  wir  rechts  eine  eigenthümliche  Gemme  mit 
zwei  Vögeln  und  links  eine  zweifigunge  Roggenkorn-Gemme. 

Der  rechts  und  links  und  oben  wie  unten  noch  sehr  reich  mit  Edelsteinen 
geschmückte  Buchdeckel  hat  weiter  keine  Gemmen,  jedoch  noch  einen  auf  dem 
Kopfe  stehenden  Cameo.  Man  sieht,  der  Künstler  hat  hier  die  Roggenkorn- 
Gemme  in  ganz  bestimmte  Beziehung  zu  der  einzigen  anderen  Gemme  gebracht. 
Trotzdem  kann  es  natürlich  nicht  unsere  Absicht  sein,  schon  jetzt  diese,  vielleicht 
auch  zufällige  Platzeintheilung  zu  festen  Schlüssen  zu  benutzen.  Wir  müssen  sie 
aber  beachten,  um  so  mehr,  da  man  auch  bei  anderen  Kirchengeräthen  nicht  will- 
kürlich vorgegangen  zu  sein  scheint.  Damit  wären  wir  an  dem  Schlüsse  dieser 
kleinen  Arbeit  angelangt,  allerdings  ohne  die  Frage  der  Roggenkorn-Gemmen  be- 
friedigend gelöst  zu  haben. 

Soll  ich  meine  Ansicht  noch  einmal  recapituliren ,  so  glaube  ich,  dass  wir 
in  den  Roggenkorn -Gemmen  eine  in  sich  abgeschlossene  und  unter  sich  zu- 
sammengehörige Gruppe  von  Werken  der  Gemmen-Schneidekunst  vor  uns  haben. 
Dieselben  sind  die  Arbeit  christlicher  Künstler  und  sind  in  dem  Zeiträume  von 
dem  neunten  oder  zehnten  Jahrhundert  bis  zu  dem  zwölften  Jahrhundert  eigens 
für  die  Ausschmückung  von  Geräthen  des  christlichen  Cultus  in  Deutschland  ge- 
fertigt worden.  Was  für  eine  Bedeutung  sie  aber  ursprünglich  besessen  haben, 
das  bin  ich  leider  ausser  Stande  zu  bestimmen. 

Tabelle 
sftmmtlicher  Roggenkom-Gemmeiiy  welche  bis  Jetzt  bekaniit  geworden  sind. 


Gegenstand 


Kreux  Berengars  I. 

Reliquiar 

Lotharkreoz  .... 

Kreuz 

Evangeliar 

Codex  aureus  .  .  . 


Entstehungs- 
zeit 


Heutiger 
Standort 


Gestein') 


IX.  Jahrb.    BasilicadiMonza 


IX.-X. 
X. 

X. 

X. 
X.-XI. 


do.  ' 

Dom  zu  Aachen 

Münsterkirche  ' 
zu  Essen 

do. 

Kgl.  BibUothek, 
Manchen 


? 

? 

Saphire  und 
Aquamarine 

Amethyst 

Almandine 

? 


Anzahl  der 
Einschnitte 


1|2 


3  4     5 

uud 
mehr 


!     l 
111 

21-1     2 

ll2 1  — 

h-  1  —  1 1    1 


e  _ 

il 

c  " 


8 
1 
6 

1 

8 
3 


1)  Eine  Garantie  für  die  richtige  Bezeichnung  der  Steine  kann  ich  nicht  übernehmen. 


(627) 


Gegenstand 


Entstehungs- 
zeit 


Heutiger 
Standort 


Gestein 


Anzahl  der 
Einschnitte 

1 

a 

1   2,3 

4 

5 

nnd 
mehr 

Gemme 
summe 

Bjz.  Buchdeckel 


Erphokreuz, 


Buchdeckel    .... 

Evang.  d.  h.Aribert 
Baseler  Kreuz .  .  . 


Kleines  Bas.  Kreuz 

£y.  d.  h.  Bemnlph 

„    d.  h.  Bemward 

Buchdeckel   .  .  .  . 

Buchdeckel    .... 
(Niedermünster) 

Kapitelskreuz  .  .  . 

Prachtkreuz  .... 

Reliquiar 

Herme  d.  h.  Blasius 
Godehardsarg  .  .  . 
Annoschrein  .... 

Schrein  d.  heiligen 
drei  Könige 

Crispinusschrein    . 

Kreuzreliquientafel 

Kusstafel 

Maria-Statuette  .  . 

Reliq.  d.  h.  Anna  . 

King 

Reliquiar 

Beliq.  in  Armform 

31  Gegenstände 


X.-XI.  Jahrh. 

XI.     „ 
XI.      , 


XI. 

XL 

XL 

XI. 
XI.-XIL 

XL-xn. 

xn. 
xn. 

XII. 

xn. 
xn. 
xn. 

XIL 
XII. 

xnL 

XV. 

XV. 

XVI. 

? 
? 
? 


n 
n 


Markus-Bibl., 
Venedig 

Mauritzkirche, 
Münster 

Emmeran  b. 
Bamberg 

Mailand 

Königl.  G.-M., 
Berlin 


do. 


Utrecht,  Erzb. 
Museum 

Dom,  Hildesheim 

? 

Kgl.  BibUothek, 
München 

Dom,  Osnabrück 

Dom,  Fritzlar 

Köniffl.  G.-M, 
Berlin 

K.k.  G.-M.,  Wien 

Dom,  Hildesheim 

,  Dom,  Siegburg 

I 
I 

Dom  zu  Cöln 

Dom,  Osnabrück 

Matthiaskirche 
I       zu  Trier 

'  Königl.  G.-M., 
I         Berlin 

Dom,  Borghorst 

j  Dom,  Minden 
!  K.  G.-M.,  Berlin 
I  do. 

I    Gereon,  Cöln 


? 


? 


? 


1 


1 


Bubin,  Saphir, 
Almandine, 
Amethyste 

Saphir  und 
Ultramarin 

Almandine 


? 
? 
? 

Almandine 

Almandine  und 
Aquamarin 

Saphir 

do. 

? 

Almandine  und 
Aquamarin 

Almandine  und 
Saphire 

Saphir 

Bergkrystall 

Almandine 

Saphire  oder 
Aquamarine 

Almandine 

? 

Almandin 

Bergkrystall 


3j2 

I 

i;i 
1  1 

1 
1 


1 

2 


1 
1 


1 
2 


1:2 


3   1 

I 

-  l 


1 
1 
1 


2 

1 

1 

3 
9 

8 

3 

1 
1 

1 

2 
3 


2 
3 
4 

10») 

1 

4») 

2 

3 

2 
1 
1 
1 

82 


1)  Der  Schrein  der  heiligen  drei  Könige  in  Cöln  und  die  Kreuz-Beliquientafel  in  Trier 
sind  noch  mit  bedeutend  mehr  Roggenkorn-Gemmen  geschmückt;  es  fehlte  an  Zeit,  Ab- 
drücke Ton  allen  zu  nehmen. 

40* 


(628) 

Der  Vorsitzende  macht  darauf  aufmerksam,  dass  sich  kleine  gradige  Intaglios, 
ähnlich  angeordnet,  wie  die  „Roggenkörner",  an  den  Ton  Hrn.  Lehmann  ror- 
gezeigten  babylonischen  Gewichten  dai^gestellt  finden  (S.  522 — 26). 

(16)  Hr.  Dr.  Franz  Boas  übersendet  aus  Worcester  in  Massachusetts  ein 
grösseres  Manuscript  über 

Sa^n  ans  Britisch-Colambieii. 

(Forteetzong  von  S.  576.) 

IV.   Sagen  der  Cowitchin  (K*auetcin). 

1.   Qals. 

Vor  langer,  langer  Zeit  stieg  ein  Mann,  Namens  Qals,  Tom  Himmel  herab.  Als 
er  zur  Erde  gekommen  war,  wanderte  er  durch  alle  Länder  und  besuchte  alle 
Völker,  die  Guten  belohnend,  die  Schlechten  bestrafend. 

1)  Einst  kam  er  nahe  der  Mündung  des  K'au'etcin-Flusses  ans  Meer.  Dort 
wohnte  auf  dem  Hügel  bei  Cowitchin  Wharf  ein  Mann,  Namens  Hä'makos.  Am 
Fusse  des  Hügels  wohnte  ein  Freund  Hä'makos".  Als  der  erstere  Qals  heran- 
kommen sah,  rief  er  seinen  Freund:  „Komme  rasch  zu  mir,  ehe  Qals  kommt  und 
Dich  yerwandeli^  Der  Freund  beeilte  sich,  den  Hügel  hinaufzulaufen;  che  er 
aber  hinauf  gelangte,   hatte  Qäls  ihn  erreicht  und  rerwandelte  ihn  in  einen  Stein. 

2)  Qäls  ging  weiter  am  Strande  entlang.  Da  sah  er  eine  Frau  im  Wasser 
schwimmen.  Ein  Mann  hatte  sich  hinter  einem  Steine  yersteckt,  hinter  jdem  er 
hervorlugte  und  ihr  zusah.    Er  verwandelte  beide  in  Steine. 

3)  Und  er  traf  einen  Mann,  welcher  Muscheln  schärfte,  um  sie  als  Spitzen 
für  seine  Pfeile  zu  gebrauchen.  Er  fragte:  „Was  machst  Du  da?^  Jener  antwortete: 
„Wenn  Qäls  konunt,  will  ich  ihn  mit  diesen  Pfeilen  erschiessen.*^  Er  erkannte  ihn 
nehmlich  nicht.  Qäls  liess  sich  die  Muscheln  geben,  schlu^  sie  jenem  in  den 
Kopf  und  verwandelte  ihn  in  einen  Hirsch,  indem  er  sagte:  „Nun  springe  davon! 
Künftig  sollen  die  Menschen  Dich  essen!'' 

4)  Qäls  ging  weiter  und  kam  nach  K'umie'k'en.  Dort  traf  er  einen  Mann, 
Namens  Späl.  Dieser  war  im  Begriffe,  einen  Hirsch  abzuziehen,  und  Qäls  sagte 
zu  ihm:  „Sei  vorsichtig  beim  Abziehen  des  Hirsches.  Ich  habe  ihn  getödtet,  mein 
Pfeil  steckt  noch  drinnen.  Zerbrich  ihn  mir  ja  nicht^  Spal  fuhr  heftig  in  die 
Höhe  und  rief:  „Was  fällt  Dir  ein.  Ich  selbst  habe  den  Hirsch  getödtet  Mir 
gehört  er,  ich  werde  damit  thun,  was  ich  will,  und  Du  hast  Dich  nicht  darum  zo 
kümmern!^  Qäls  sagte  nochmals:  „Hüte  Dich  und  zerbrich  meinen  Pfeil  nicht!" 
aber  Späl  kümmerte  sich  nicht  um  seine  Worte,  lud  den  Hirsch  auf  den  Rücken 
und  ging  nach  Hause.  Qäls  nahm  nun  vermodertes  Holz  und  warf  ein  Stück  auf 
den  Rücken  und  eines  auf  das  Geweih  des  Hirsches;  dann  nahm  er  einen  Stein 
und  zauberte  ihn  in  den  Magen  des  Hirsches.  Als  Späl  nach  Hause  kam,  warf 
er  seine  Last  nieder,  nahm  den  Hirschmagen  und  ging  ins  Haus.  Dort  sagte  er 
zu  seiner  Frau:  „Sieh  Dir  doch  draussen  den  grossen  Hirsch  an,  den  ich  eriegt 
habe.^  Seinem  Kinde  warf  er  den  Magen  zu,  der  gerade  dessen  Leib  traf  und  es 
tödtete,  denn  er  war  plötzlich  Stein  geworden.  Die  Frau  aber  fand  draussen  nichts, 
als  einen  Haufen  vermodertes  Holz.    Das  hatte  Qäls  gethan. 

Dieser  aber  traf  im  Walde  einen  anderen  Mann,  der  ebenfalls  im  Begrüfe  war, 
einen  Hirsch  abzuziehen.  Qäls  trat  zu  ihm  und  sprach:  „Sei  vorsichtig  beim  Ab- 
ziehen des  Hirsches.  Ich  habe  ihn  getödtet,  mein  Pfeil  steckt  noch  drinnen.  Zer- 
brich ihn  mir  ja  nicht.^  Jener  versprach  darauf  zu  achten.  Da  sagte  Qftls:  «Lade 
den  Hirsch  auf  Deine  Schultern  und  gehe  nach  Hause.    Du  wirst  mich  später  noch 


(629) 

wiedersehen. **  Jener  that,  wie  ihm  geheissen.  Und  der  Hirsch  wurde  schwerer 
und  schwerer,  so  dass  er  ihn  schliesslich  kaum  noch  tragen  konnte.  Als  er  zu 
Hause  ankam,  rief  er  seine  Frau  und  bat  sie,  ihm  zu  helfen,  den  Hirsch  abzuladen. 
Da  fanden  sie,  dass  er  während  des  Heimweges  ungemein  fett  geworden  war,  und 
sie  konnten  viele  Risten  mit  dem  Hirschfette  fällen. 

Als  Späl  dies  hörte,  sandte  er  seinen  Sohn  zu  seinem  glücklichen  Nachbar, 
ihm  einen  Fisch  zu  bringen,  denn  er  hoffte,  dass  er  etwas  Fett  als  Gegengeschenk 
erhalten  werde.  Jener  aber  nahm  den  Fisch  nicht  an.  Da  ging  Späl  selbst  hin- 
über, ihm  den  Fisch  anzubieten,  aber  er  konnte  den  Nachbar  nicht  bewegen,  den- 
selben anzunehmen.  Darüber  schämte  er  sich  so,  dass  er  den  Fisch  fortwarf.  Er 
ging  wieder  auf  Jagd  aus.  Als  er  einen  Hirsch  erlegt  hatte,  trat  wieder  Qäls  auf 
ihn  zu  und  behauptete,  sein  Pfeil  stecke  in  dem  Hirsche.  Wieder  folgte  Späl  nicht 
seinem  Verlangen,  auf  den  Pfeil  zu  achten,  und  daher  verwandelte  Qäls  auch  diesen 
Hirsch  in  vermodertes  Holz.  Der  andere  Mann  dagegen  folgte  ihm,  und  er  be- 
schenkte ihn  wieder,  indem  er  das  Fett  des  Hirsches  sich  vermehren  Hess.  Dann 
verwandelte  er  Späl  in  einen  Raben,  den  anderen  aber  in  eine  Möwe. 

5)  Und  Qäls  wanderte  weiter.  Einst  traf  er  einen  Mann,  welcher  einen  blauen 
Mantel  trug  und  weit  und  breit  als  unverbesserlicher  Dieb  bekannt  war.  Diesen 
verwandelte  er  in  den  Blauhäher.  Einem  anderen  schlug  er  zwei  Hölzer  in  den 
Kopf  und  verwandelte  ihn  in  ein  Elk;  und  er  schuf  den  Bären,  die  Enten  und 
viele  andere  Thiere. 

6)  Er  ging  weiter  den  Cowitchin-Fluss  hinauf  und  kam  nach  R'ua'mitcan. 
Dort  lebte  ein  mächtiger  Häuptling,  Namens  R-'e'sek'.  Als  Qäls  kam,  stand  jener 
vor  seinem  Hanse.  Sie  blieben  einander  gegenüber  stehen  und  versuchten  sich 
durch  ihre  Blicke  gegenseitig  zu  besiegen.  Endlich  zeigte  sich  Qäls  als  der  Stärkere 
und  R''S'sek'  stieg  in  den  See  Qä'tsa  hinab,  wo  er  noch  heute  lebt.  Er  erschuf 
die  Forellen  in  Q^'tsa  und  von  dort  schwammen  sie  die  Flüsse  hinab. 

7)  Ueberall  im  Cowitchin-Flusse  kann  man  Qäls  Werke  sehen:  Menschen 
und  Hunde,  die  er  in  Stein  verwandelt  hat,  sein  Boot  —  jetzt  ein  mächtiger  Fels- 
block im  Flusse  —  und  den  Pflock,  an  den  er  sein  Boot  zu  binden  pflegte.  Auch 
dieser  wurde  in  Stein  verwandelt. 

8)  Und  er  wanderte  weiter.  Endlich  kam  er  zu  den  Ts'ä'mes  in  LEk'ü'men 
(bei  Victoria).  Diese  waren  beschäftigt,  Flundern  zu  fangen.  Sie  brachten  die 
Fische  ans  Land  und  spiessten  sie  auf  Stöcke,  die  sie  in  die  Erde  steckten.  Da 
fragte  Qäls:  „Was  macht  Ihr  denn  da  mit  Euren  Fischen?^  n^ii*  wollen  sie  von 
der  Sonne  braten  lassen,'^  antworteten  jene.  ^Versteht  Ihr  denn  nicht,  Feuer  zu 
machen?^  fragte  Qäls.  Als  sie  seine  Frage  verneinten,  lehrte  er  sie  das  Reibe- 
feuerzeug machen  und  überzeugte  sich,  ob  sie  es  verstanden  hatten. 

2.   Siälatsa. 

Im  Anfange  war  die  Erde  unbewohnt  Da  aber  kam  Siä'latsa  vom  Himmel 
herab  nach  Qä'tsa  (Quamitchan-See)  und  baute  ein  Haus  daselbst.  Am  folgenden 
Tage  stieg  Swutlä'k*  vom  Himmel  herab,  dann  eine  Frau,  Namens  R'ola'tsiwat. 
Am  nächsten  Tage  kam  Suksä'kulak',  dann  Sk'ug'lsm,  Swik*'em'ä'm,  Siai'imken 
Rto'qcin,  He'uk'£n,  gtlä'set,  QaiötsE'mk'En  und  QuitE'qtEn,  jeder  an  einem  Tage 
vom  Himmel  herab.  Sie  gingen  nach  Tsu'k'ola  und  bauten  Häuser.  Siälatsa 
aber  trug  einen  bemalten  Stab,  vermittelst  dessen  er  Ungeheuer  zu  tödten  ver- 
mochte und  Rranke  heilte.  Sein  Gesicht  war  bunt  bemalt  mit  rother  und 
schwarzer  Farbe.  Zuerst  traf  er  einen  S'etlkg  (doppelköpfige  Schlange).  Er  Hess 
seine  Leute  eine  Fichte  fällen  und  zerschlagen.    Dann  gruben  sie  ein  tiefes  Loch, 


(630) 

in  das  sie  das  Holz  warfen.    Siälatsa  ging  nan  ans,  lockte  den  S^S'tlke  in  die  Grabe 
und  dort  wnrde  er  verbrannt. 

Nun  sandte  er  Swutlä'k'  den  Fluss  hinab.  Dieser  traf  bei  T'aetsela  (der  Platz, 
wo  Mr.  L Omar ^s  Haus  steht)  den  Sts'e'enkoa,  nahm  einen  Stab  aus  hartem  Holze 
und  spiesste  die  Zunge  des  Ungeheuers  daran  auf.  Trotzdem  verfolgte  ihn  der 
Sts'e'enkoa,  jedesmal  aber,  wenn  er  Swutlä^k-  beinahe  eingeholt  hatte,  stach  dieser 
ihn  in  die  Zunge.  So  erreichte  er  sein  Haus,  vor  welchem  sich  das  tiefe  Loch 
befand.  Sts'e'enkoa  fiel  hinein  und  wurde  ebenfalls  verbrannt  Dann  ging  Swntlä'k' 
zu  dem  steilen  Felsen  in  Maple  Bay  und  tödtete  einen  anderen  S'e'tlke,  welcher 
daselbst  lebte. 

Einst  ging  Swutlä'k'  nach  Rau'ämen  bei  Sä'menos  und  sah  daselbst  viele 
Lachse.  Er  theilte  Siälatsa  mit,  was  er  gesehen  hatte.  Da  gingen  sie  zusammen 
nach  Rau'ümen  und  bauten  ein  Haus.  Siä'latsa  Hess  die  Leute  einen  Baum  fällen 
und  das  untere  Ende  desselben  brennen  und  zuspitzen  SwuthVk*  stellte  dann  den 
Baum  aufrecht  an  eine  Seite  des  Flusses  und  stellte  einen  zweiten  ebenso  an  der 
anderen  Seite  des  B^lusses  auf.  Einen  dritten  Stamm  legte  er  quer  über  die  beiden 
ersten  und  band  ihn  fest.  Hieran  befestigte  er  viele  senkrechte  Stäbe.  So  machte 
er  das  erste  Lachswehr,  und  die  Menschen  hatten  reichlich  Nahrung. 

Siä'latsa  sah  nun  viele  Hirsche  und  dachte  nach,  wie  er  dieselben  fangen 
könne.  Er  liess  seine  Leute  in  den  Wald  gehen  und  Cederzweige  holen.  Dann 
befahl  er  ihnen,  dieselben  zu  erwärmen  und  Seile  daraus  zu  machen,  aus  denen 
er  ein  Netz  herstellte.  Niemand  aber  wusste,  was  er  damit  thxm  wollte.  Als  das 
Netz  fertig  war,  ging  er  mit  den  Leuten  in  den  Wald  und  liess  es  zwischen 
den  Bäumen  ausspannen  und  oben  an  einem  Querbalken  befestigen.  Dann  liess 
er  die  Hirsche  gegen  das  Netz  treiben  und  tödtete  sie,  wenn  sie  sich  darin  ge- 
fangen hatten.  Als  die  Leute  aber  auch  Elche  hineintrieben,  brachen  dieselben 
durch  die  Netze,  denn  sie  waren  sehr  stark.  (Nach  anderer  Version  brachen 
die  Cederseile,  als  sie  trocken  wurden.) 

Da  sann  Siä'latsa  nach,  wie  er  nun  Hirsche  fangen  könne.  Er  wusste  aber, 
dass  auf  dem  Berge  Swuq'ä's  das  Ungeheuer  Stlälakam')  wohnte,  welches  ein 
nadelscharfes  Hörn  im  Genick  trug.  Er  ging  nun  mit  allen  seinen  Leuten  auf  den 
Berg.  Als  diese  das  Ungeheuer  erblickten,  liefen  sie  voll  Schrecken  von  dannen. 
Siälatsa  aber  sprach:  „Was  fürchtet  Ihr  Euch?^  und  ging  auf  das  Ungeheuer  zu, 
indem  er  sich  auf  seinen  Stab  stützte.  Da  schlief  dasselbe  ein.  Er  berührte  es 
mit  dem  Stabe  und  nannte  es  Wok'ä's.  Dann  kraute  er  es  auf  dem  Kopfe  und 
Wok'^ä's  bewegte  vor  Behagen  seine  Ohren.  Dann  liess  er  zehn  Leute  ein  Seil 
aus  Cederzweigen  machen  und  legte  dasselbe  Wok''ä's  über  den  Nacken.  Zehn 
Leute  hielten  das  Seil  und  filhrten  ihn  herab  nach  Tsu'kola.  Dort  fanden 
sie  viele  Hirsche  und  Elche.  Als  Wok'ä's  dieselben  witterte,  wollte  er  sich  auf 
sie  losstürzen.  Die  zehn  Leute  aber  hielten  ihn  fest,  bis  Siälatsa  ihnen  befahl, 
das  Seil  loszulassen.  Sogleich  stürzte  sich  Wok'ä's  auf  das  Wild  und  tödtete  es, 
indem  er  ihnen  das  Hora  in  den  Bauch  stiess. 

Siä'latsa  liess  nun  die  Hirsche  abziehen  und  befahl  den  Leuten,  die  Rücken- 
sehnen zu  spalten  und  mit  Steinen  weich  zu  klopfen.  Dann  liess  er  Seile  daraus 
machen  und  ein  neues  Netz  flechten.  Als  die  Leute  dasselbe  aber  aufstellen 
wollten,  zeigte  es  sich,  dass  dasselbe  zu  klein  war.  (Nach  einer  anderen  Veraion 
brieten  und  assen  die  Leute  in  einer  Uungersnoth  das  Netz.)  Darüber  ward 
Siä'latsa  sehr  zornig  und  legte  sich  ins  Bett  Ein  kleiner  Knabe,  welcher  im  Dorfe 


1)  Stlalakani  hedeat«t  irgend  ehras  üebematürlichf'S. 


(631) 

spielte,  kam  in  das  Haus  und  sah  ihn  zornig  im  Bette  liegen.  Da  fürchtete  er 
sich,  lief  hinaus  und  erzählte  den  Leuten,  dass  Siä'latsa  zornig  sei  und  im  Bette 
liege.  Die  Leute  versammelten  sich  alle  in  einem  Hause  und  sprachen  zu  ein- 
ander: „Sia'latsa  zürnt  uns  und  wird  Wok''ä's  auf  uns  hetzen,  lasst  uns  lieber  aus- 
wandern." QaiütsE'mk-En,  Qtlä'set,  He'uk'En,  Kto'qcin,  Qoa'qotcin  und  Susk''eme'n 
wanderten  nach  SQue'lcn  am  Nanaimo-Flusse  aus  und  wurden  die  Stammväter  der 
SnanaimuQ.  (Diese  Namen  stimmen  nicht  mit  denen  der  SnanaimuQ-Geschlechter 
Uberein,  wie  ich  dieselben  in  Nanaimo  selbst  erkundete.)  Zehn  andere  gingen 
nach  Sküts  und  wurden  die  Stammväter  der  Rolk'uisala.  Wieder  zehn  gingen 
nach  S'ö'lak  oatl  und  wurden  die  Ahnen  der  Tsime'nes. 

Am  nächsten  Morgen,  als  Siälatsa  sich  erhob,  fand  er,  dass  Niemand  mehr 
dort  war,  und  er  wusste  nicht,  wohin  die  Leute  gegangen  waren.  Auch  Wok'^ä's, 
den  er  Tags  zuvor  am  Hause  festgebunden  hatte,  war  verschwunden.  Da  ging 
Siü'latsa  nach  R'auä'men  bei  S'ä'meiios  und  baute  sich  ein  neues  Haus. 

Zu  jener  Zeit  lebte  auch  in  Sä'ok  ein  Häuptling,  welcher  vom  Himmel  herab- 
gestiegen war.  Derselbe  hatte  eine  Tochter.  Eines  Tages  sprach  er  zu  dieser: 
„Iss  nicht  zu  viel,  denn  ich  glaube,.  Siälatsa  wird  kommen  und  dich  zur  Frau  be- 
gehren. Ich  weiss,  in  seinem  Lande  giebt  es  keine  Frauen.*^  Das  Mädchen  ge- 
horchte; da  aber  Siä'latsa  nicht  erschien,  ward  sie  ungeduldig.  Sie  fOllte  einen 
Korb  mit  Beeren  und  Seehundfleisch  und  ging  mit  einer  Sklavin  aus,  ihn  zu  suchen. 
Nach  langer  Wanderung  kam  sie  auf  dem  Gipfel  der  Berge  an  der  Südseite  des 
Gowitohin-Thales  an.  Von  hier  aus  sah. sie  in  S^ä'menos  und  R'umie'ken  Rauch 
aufsteigen  und  sie  dachte,  dass  dort  Sia'latsa  wohnen  müsse.  Sie  stieg  zum  Flusse 
hinab,  und  als  sie  daselbst  ein  Lachswehr  sah,  dachte  sie,  Siä'latsa  müsse  dasselbe 
gemacht  haben.  Nachts  legte  sie  sich  im  Walde  nieder  und  schlief.  Am  nächsten 
Morgen  sah  sie  einen  Mann  vorüberkommen,  der  trug  einen  Fellmantel  und  Bogen 
und  Pfeile.  Da  dachte  sie,  jener  müsse  Siälatsa  sein.  Sie  schlich  ihm  un- 
bemerkt nach,  um  zu  sehen,  wo  er  lebe  und  was  er  thue.  Er  ging  in  sein  Haus 
and  die  Mädchen  lugten  durch  eine  Ritze  hinein.  Da  sahen  sie,  dass  er  sich 
eine  Frau  aus  Holz  geschnitzt  hatte,  und  dass  er  ihr  zu  essen  gab.  Als  Siälatsa 
nun  wieder  auf  Jagd  gegangen  war,  gingen  sie  ins  Haus,  um  die  Holzfigur  zu  be- 
sehen. Da  fanden  sie,  dass  sie  eine  Spindel  in  der  Hand  hielt  und  dass  Siälatsa 
ihr  Hirschfett  vorgesetzt  hatte.  Sie  assen  das  Fett  und  versteckten  sich.  Als 
Siälatsa  nun  zurückkam  und  fand,  dass  die  Nahrung,  welche  er  der  Holzfigur  vor- 
gesetzt hatte,  verschwunden  war,  freute  er  sich,  denn  er  glaubte,  sie  werde  nun 
lebendig  werden. 

Am  folgenden  Morgen  ging  er  wieder  zur  Jagd  aus,  nachdem  er  seiner  Frau 
Essen  vorgesetzt  hatte.  Da  kamen  die  Mädchen  aus  ihrem  Verstecke  hervor.  Die 
Häuptbngstochter  zerbrach  die  Figur,  warf  sie  ins  Feuer  und  hing  sich  ihre  Kleider 
um.  Die  Sklavin  aber  versteckte  sich  im  Walde.  Als  Siälatsa  nun  zurückkam, 
war  er  sehr  erfreut,  seine  Holzfrau  lebendig  zu  finden  und  legte  sich  mit  ihr  zu 
Bette.  Bald  aber  erblickte  er  eine  Holzhand  im  Feuer  und  wusste  nun,  dass  jene 
eine  Fremde  war,  die  sein  Schnitzwerk  verbrannt  hatte.  Er  ward  so  zornig,  dass 
er  roth  im  Gesicht  wurde,  und  sagte  nur:  „Ts,  ts,  ts,  ts^  (inspirirt).  Nach  einiger 
2ieit  aber  dachte  er,  es  sei  doch  besser,  eine  wirkliche  Frau  zu  haben,  als  eine 
Holzfrau,  und  ward  wieder  guter  Dinge.  Am  folgenden  Morgen  rief  die  Frau  die 
Sklavin  aus  dem  Walde  hervor  und  sagte:  „Fürchte  Dich  nicht,  komme  hierher  an 
unser  Feuerl"  Als  Siälatsa  nun  die  Sklavin  sah,  wollte  er  sie  auch  zur  Frau 
nehmen,  aber  die  Häuptlingstochter  sprach:  „Sie  ist  eine  Sklavin  und  nicht  gut 
genug   für  Dich.    Gieb  sie  einem  Deiner  Leute.^    Siälatsa  war  es  zufrieden.    Er 


(632) 

rief  seine  Leute  zusammen  und  fragte:  „Wer  y^n  Euch  will  dieses  Mädchen  zur 
Frau  haben?"  Sogleich  stürzten  drei  Männer  hervor,  um  sie  zu  nehmen.  Einer 
fasste  sie  am  rechten  Arm,  einer  am  linken  und  der  dritte  um  den  Leib.  '„Halt,^ 
rief  da  Siä'latsa,  ^nur  einer  von  Euch  kann  sie  haben"  und  er  gab  sie  demjenige», 
welcher  sie  um  den  Leib  gefasst  hatte. 

Siä'iatsas  Frau  gebar  ihm  bald  einen  Sohn,  dann  drei  Töchter  und  dann  wieder 
einen  Sohn.  Einst  peinigten  die  drei  jüngsten  Rinder  die  älteste  Tochter,  welche 
Tlk'ä'isis  hiess,  mit  spitzen  Stöcken,  bis  sie  blutete,  und  leckten  dann  das  Blut  ab. 
Das  Mädchen  ward  nun  sehr  krank.  Da  ging  Siä'latsa  nach  R'umielcen  hinunter, 
um  R'uIe'miltQ  und  Ckuä'wules  zu  rufen,  damit  sie  das  Gesicht  des  Mädchens  be- 
malton und  sie  so  heilten.  Sie  erwiderten  auf  sein  Qesuch:  „Wir  wollen  unseres 
Bruders  Bitte  erfüllen  und  seiner  Tochter  Herz  stark  machen.**  Sie  gingen  hinauf 
nach  Siä'latsas  Hause  und  bemalten  das  Gesicht  seiner  Tochter.  Dann  kehrten  sie 
nach  R'umie'keu  zurück. 

Sie  hatten  aber  das  Mädchen  zu  yiel  bemalt  und  ihr  Herz  wurde  zu  stark. 
So  verlor  sie  den  Verstand. 

Eines  Tages  weinte  ihr  jüngster  Bruder  und  wollte  keine  Milch  trinken.  Da 
dachte  Tlk'älsis,  ich  werde  machen,  dass  er  isst.  Sie  nahm  einen  Todtenkopf, 
öffnete  ihn,  neihm  das  Gehirn  heraus  und  gab  es  dem  Rnaben,  der  es  gierig  ver- 
schlang. Und  sie  machte  sich  einen  Rorb  mit  Tragbändern,  legte  Schlangen, 
Rröten  und  Eidechsen  hinein  und  hing  ihn  über  den  Rücken.  Unter  ihrem  Mantel 
verbarg  sie  abscheuliches  Ungeziefer  („wie  ein  Lachs  auf  Baumrinde  lebend"??) 
und  ging  dann  in  die  Häuser,  in  welchen  Rinder  weinten.  Sie  fragte  dann  jedes 
weinende  Rind:  „Warum  weinst  Du?  Du  bist  wohl  hungrig?  Ich  will  Dir  zu  essen 
geben;"   nahm  es  und  steckte  es  in  den  Rorb.    Da  umwanden  es  die  Schlangen. 

Siälatsa  war  der  erste,  der  Mäntel  und  Felle  verschenkte.  Er  liess  zwei  Männer 
auf  ein  Gerüst  treten  und  die  Geschenke  unter  die  eingeladenen  Gäste  vertheilen. 
Diesen  Gebrauch  machte  er  zum  strengen  Gesetz  und  deshalb  wird  er  noch  heute 
befolgt.  Ferner  lehrte  er  seiner  Tochter  den  Wintertanz  und  befahl  ihr,  denselben 
jedesmal  im  Monat  SaiE'mtk*£ls  zu  tanzen. 

Siä'latsas  Sohn  ging  einst  auf  den  Berg  Qsalä'atsem,  um  den  Donnervogel  Suooä'as 
zu  besuchen.  Als  er  zu  dessen  Hause  kam,  begann  es  auf  Erden  zu  regnen.  Neun 
Tage  blieb  er  dort,  am  zehnten  aber  kehrte  er  zurück  und  erzählte,  was  er  ge- 
sehen hatte.    Dann  schnitzte  er  den  Donnervogel  auf  den  Pfeiler  seines  Hauses. 

Das  Auge  des  Donnervogels  glänzt  wie  Feuer,  und  wenn  er  dasselbe  öffnet, 
so  blitzt  es.  Einst  erblickte  SuQoä'as  einen  Finwal  im  Meere  und  wollte  denselben 
fangen.  Zu  gleicher  Zeit  verfolgte  ein  Boot  den  Wal.  Die  Jäger  aber  sahen,  wie 
der  Donnervogel  sich  herabstürzte  und  den  Wal  von  dannen  trug.  Der  Donner- 
vogel verfolgte  einst  den  Sts'e'enkoa  (einen  fabelhaften  Vogel  siehe  S.  630).  Der- 
selbe stürzte  sich  auf  einen  Baum  und  spaltete  denselben  von  oben  bis  unten, 
um  hineinzukriechen.    Der  Donnervogel  aber  ergriff  ihn  und  trug  ihn  fort 

(Nach  anderer  Version  kam  nach  Siälatsa  StE'ts'Eu,  dann  R'ul^'miltg  und 
endlich  Ckua'wules  vom  Himmel  herab  und  wurden  die  Stammväter  der  R'uämitcan. 
Dieselbe  Sage  über  die  hölzerne  Frau  und  die  Häuptlingstochter  der  Sä'ok  wird 
über  StF/ts'En  erzählt.  Der  letztere  indessen  wurde  mit  Sicherheit  als  einer  der 
Stammväter  der  Qala'ltq  angegeben.  In  R'umielien  und  S'ä'menos  wurden  mir 
die  Stammväter  folgender  Stämme  mitgetheilt:  Die  Qala'ltq,  welche  gegenwärtig 
im  Tsime'ncs-Thale  wohnen,  besitzen  ein  Stück  Land  zwischen  R*ua'mitcan  und 
S'a'menos.  Ihre  Stammväter  sollen  Sitqoä'metsten  und  StE'ts'En  sein.  Die 
R^umie'ken  stammen  von  Rulö'miltQ  und  Rutqä'tse.     Die  Mäleqatl  von  Soostilten.) 


(683) 


3.    Die  Pluth. 

Einst  regnete  es  lange  Tage  und  lange  Nächte.  Das  Meer  stieg  höher  und 
faöher  und  bedeckte  endlich  alle  Lande.  Als  das  Wasser  sich  endlich  wieder  ver- 
lief, blieben  die  Seen  und  FlUsse  and  in  ihnen  die  Fische. 

4.    Der  Donnervogel. 

Es  war  einmal  ein  Mann  in  Tsime'nes,  der  fing  einst  sehr  viele  Enten,  indem 
er  ein  Netz  ausspannte,  in  welches  sie  hineinflogen.  Er  trug  dieselben  nach  Hause 
und  rupfte  sie,  um  die  Leute  zu  bewirthen.  Ein  junger  Mann,  Namens  Sqälek'en, 
war  aber  so  ungeduldig,  dass  er  nicht  warten  konnte,  bis  er  sein  Theil  bekommen 
würde,  sondern  die  Eingeweide  nahm,  dieselben  reinigte  und  zu  essen  begann. 
Als  dieses  sein  älterer  Bruder  sah,  ward  er  zornig  und  schlug  Sqä'leken  so  lange 
mit  Cederrnthen  ins  Gesicht,  bis  das  Fleisch  sich  von  den  Knochen  löste,  und  der 
junge  Mann  halb  todt  war.  Dann  bestreute  er  die  Wunden  mit  Holzspähnen. 
Als  Sqä'leken  wieder  erwachte,  stand  er  auf  und  ging  zuerst  zur  Cowitchin-Bay 
und  fing  daselbst  Enten  in  einem  Netze.  Dann  ging  er  auf  den  Berg  Tsö'wan, 
um  Bergziegen  zu  fangen.  Sein  Bruder  aber  war  ihm  gefolgt.  Er  zerschlug 
Sqä'lekens  Boot  und  peitschte  ihn  nun  mit  Heidelbeersträuchem.  Dann  zündete 
er  an  einem  ebenen  Platze  zehn  grosse  Feuer  an  und  peitschte  seinen  jüngeren 
Bruder  mit  Zweigen,  bis  sein  Gesicht  ganz  zerfleischt  war  und  er  ihn  für  todt 
liegen  liess.    Dann  kehrte  er  nach  Hause  zurück. 

Sqä'lek'en  lag  zehn  Tage  lang  wie  todt  da.  Als  er  wieder  erwachte,  fand  er, 
dass  der  Donnervogel  inzwischen  bei  ihm  gewesen  war  und  ihm  seine  Augen  ge- 
geben hatte.  Wenn  er  um  sich  blickte,  so  sprühte  es  Feuer.  Als  sein  ältester 
Bruder  nun  an  demsdlben  Tage  zurückkam,  um  sich  nach  Sqäleken  umzusehen, 
blickte  er  ihn  an  und  das  aus  seinen  Augen  hervorflammende  Feuer  tödtete  jenen. 
Seither  muss  jeder  sterben,  den  Sqä'leken  mit  seinen  feuersprühenden  Augen  an- 
blickt. 

5,   Die  Knaben  und  der  Wal. 

Es  waren  einmal  zwei  Knaben,  die  hiessen  TEtk'^Slc'En  und  TKtk'aiä'9en. 
Eines  Tages  fuhren  dieselben  in  ihrem  Boote  ans.  Als  sie  nicht  weit  gefahren 
waren,  erblickten  sie  einen  Walfisch,  welcher  auf  und  nieder  tauchte.  Da  fingen 
sie  an,  denselben  mit  Schmähreden  zu  überhäufen.  Der  Walfisch  kam  daraufhin 
ganz  nahe  zu  ihnen  herangeschwommen,  aber  sie  Hessen  sich  nicht  stören.  Dreimal 
tauchte  er  auf,  jedesmal  näher  beim  Boote.  Da  die  Knaben  aber  gar  nicht  auf- 
hörten zu  schmähen,  verschlang  er  beim  vierten  Male  Boot  und  Knaben  und  schwamm 
von  dannen.  Er  sprach  dann  zu  ihnen:  „Ihr  könnt  von  meinem  Fleisch  essen,  aber 
hütet  Euch,  meinen  Magen  zu  verletzen,  denn  sonst  muss  ich  sterben.^  Die  Knaben 
aber  fürchteten,  der  Wal  möchte  sie  so  weit  ins  Meer  hinaustragen,  dass  sie  nie 
zurückkehren  könnten.  Deshalb  schärften  sie  ihr  Steinmesser  und  der  ältere 
Bruder  sprach  zum  jüngeren:  „Nun  hebe  mich,  damit  ich  den  Magen  des  Wales 
zerschneiden  kann.**  Der  jüngere  Bruder  gehorchte,  und  jener  tödtete  den  Wal. 
Dieser  trieb  nun  auf  den  Wellen  umher.  Da  dachten  die  Brüder:  „0  strandete  doch 
der  Wal!"  und  siehe,  er  trieb  an  die  Mündung  des  Cowitchin-Flusses.  Da  fingen 
die  Knaben  an,  drinnen  zu  schreien,  damit  die  Leute  auf  sie  aufmerksam  werden 
sollten.  Zuerst  bemerkte  sie  Niemand.  Bald  aber  hörten  sie  in  der  Nähe  Axt- 
schläge und  es  lautete,  als  wenn  Jemand  daselbst  ein  Boot  baue.  Sie  schrieen 
nun  wieder,  so  laut  sie  konnten.    Da  hörte  der  Mann  sie  und  ging  ins  Dorf.    Er 


(634) 

erzählte,  er  habe  zwei  Stimmen  gehört,  wisse  aber  nicht,  woher  sie  kämen.  Da 
gingen  alle  Leute  mit  ihm  zum  Strande  and  sie  hörten  nun  zwei  Stimmen  singen: 
„0,  wir  sitzen  im  Walfische.  Kommt  und  befreit  uns.  Es  ist  hier  so  heiss,  dass 
wir  fast  verbrannt  sind."  Die  Leute  gingen  weiter  und  entdeckten  bald  den  Wal- 
fisch. Der  Vater  der  Knaben  war  mit  unter  den  Leuten.  Er  erkannte  die  Stimmen 
seiner  Söhne  und  rief:  „0  seid  Ihr  dort,  meine  Söhne?  ^Ja,"  riefen  jene,  „befreie 
uns,  wir  müssen  hier  drinnen  verbrennen."  Da  nahmen  die  Leute  ihre  Steinmesser, 
öffneten  den  Wal  und  die  Knaben  kamen  heraus.  Es  war  aber  so  heiss  im  Wal- 
fischmagen  gewesen,  dass  sie  alle  Haare  verloren  hatten. 

6.    Der  verlassene  Knabe. 

Es  war  einmal  ein  Knabe,  der  sprach  zu  seinem  Vater:  „Ich  will  auf  den 
Berg  gehen  und  in  dem  Teiche  dort  baden."  Darüber  freute  sich  sein  Vater. 
Neun  Tage  lang  blieb  der  Knabe  droben.  Die  Leute  aber  sahen,  dass  Rauch  auf 
dem  Berge  aufstieg,  und  sprachen  zu  dem  Vater:  „Siehst  Du  den  Rauch  dort  auf- 
steigen, wo  Dein  Sohn  badet? '^  Am  zehnten  Tage  kam  der  Sohn  zurück.  Er  trat 
'  ins  Haus  und  setzte  sich  ans  Feuer.  Da  hörten  die  Leute,  dass  es  in  seinem 
Leibe  kollerte  und  lärmte.  Nach  kurzer  Zeit  ging  der  Knabe  abermals  auf  den 
Berg,  um  zu  baden.  Da  die  Leute  wieder  den  Rauch  gewahrten,  schlich  sein 
Vater  ihm  nach  und  sah  nun,  dass  jener,  statt  zu  baden,  ein  grosses  Feuer  ge- 
macht hatte,  Farnwurzeln  briet  und  dieselben  ass.  Dabei  krochen  aas  seinem 
After  Schlangen.  Der  Vater  kehrte  zurück  und  sprach  zu  den  Leuten:  „Ich  habe 
gesehen,  was  mein  Sohn  auf  dem  Berge  treibt.  Er  badet  nicht,  sondern  isst  Fam- 
wurzeln, und  Schlangen  kriechen  aus  seinem  After.  Lasst  uns  fortziehen  von  hier 
und  ihn  allein  lassen."  Alle  waren  einverstanden,  nur  nicht  der  jüngste  Onkel  des 
Knaben.  Als  dieser  am  zehnten  Tage  zurückkam,  hörten  die  Leute  wieder  den 
Lärm  in  seinem  Bauch  und  sprachen  zu  einander:  „HörtI  Das  sind  die  Schlangen."^ 
Als  er  nun  wieder  auf  den  Berg  ging,  schlich  sein  Onkel  ihm  nach,  und  als  auch 
er  sah,  dass  jener  Farnwurzeln  ass  und  Schlangen  aus  seinem  After  krochen, 
kehrte  er  zurück  und  sprach:  „Lasst  uns  den  Knaben  verlassen.  Ich  sehe  jetzt, 
dass  er  böse  Dinge  treibt."  Die  Boote  wurden  beladen  und  als  alles  bereit  war 
abzufahren,  wurden  die  Feuer  ausgelöscht.  Nur  die  Grossmutter  des  Knaben  fühlte 
Mitleid  mit  ihm.  Sie  verbarg  ein  wenig  Nahrung  und  glühende  Kohlen  in  einer 
Muschelschale,  legte  dieselbe  in  eine  Ecke  des  Hauses  und  sprach  zu  einem 
Hunde:  „Bleibe  Du  hier,  und  sage  meinem  Enkel,  wenn  er  zurückkehrt,  dass  ich 
die  Muschel  dort  in  der  Ecke  verborgen  habe."  Dann  stieg  auch  sie  in  das  Boot 
und  fuhr  mit  den  übrigen  Leuten  fort. 

Am  zehnten  Tage  aber  kam  der  junge  Mann  zurück.  Da  er  das  Dorf  ver- 
lassen fand,  setzte  er  sich  nieder  und  weinte.  Der  Hund  kam  zu  ihm  gekrochen, 
stiess  ihn  an  und  lief  dann  in  eine  EIcke  des  Hauses.  Er  kam  dann  zurück  and 
ruhte  nicht,  bis  der  junge  Mann  auf  sein  Qebahren  aufmerksam  wurde.  Er  folgte 
ihm  und  fand  nun  die  Muschel,  in  der  die  glühenden  Kohlen  und  die  Nahrung 
verborgen  waren.  Er  machte  sich  nun  ein  Feuer  und  dachte  darüber  nach,  wer 
wohl  Mitleid  mit  ihm  gehabt  habe.  Endlich  schlief  er  ein.  Da  träumte  er,  er 
sähe  einen  Mann,  der  ihm  zurief:  „Stehe  auf  und  reinige  Dich!*"  Er  erwachte 
und  gehorchte.  Während  er  nun  sich  wusch,  kam  ein  Mann  und  strich  mit  der 
Hand  über  des  Hundes  Rücken.  Da  wurde  derselbe  in  eine  Frau  verwandelt  mit 
schönem,  schwarzem  Haar.  Als  der  junge  Mann  gebadet  hatte,  war  er  selbst  sehr 
schön  geworden  und  hatte  langes,  rothes  Haar.  Er  nahm  nun  den  rerwandehen 
Hund  zur  Frau. 


(635) 

Als  er  nun  schlief,  erschien  wieder  jener  Mann  im  Traume  und  sprach:  ,,Deine 
Landsleate  haben  Dich  verlassen,  deshalb  habe  ich  Dich  schön  gemacht  und  Dir 
eine  Frau  gegeben.  Willst  Da,  dass  ich  Dir  Nahrung  gebe  und  Dich  ganz  glück- 
lich mache?''  Jener  erwiederte:  ^Mein  Vater  hat  mich  verlassen,  nun  mache  Du 
mich  glücklich.^  Der  Mann  versetzte:  „Sei  vergnügt I  wenn  Du  auch  jetzt  nichts 
hast  Ich  werde  Dir  Alles  geben,  was  Du  bedarfst,  Nahrung  und  gutes  Wetter. 
Gehe  ans  Wasser,  dort  wo  Du  gebadet  hast;  nimm  den  Gederbast,  mit  welchem 
Du  Dich  immer  wäschst,  und  schlage  damit  ins  Wasser.  Dann  werden  viele 
Häringe  herbeikommen.  Und  fürchte  Dich  nicht,  sondern  wirf  sie  alle  ans  Land 
und  nimm  sie  für  Dich.  Ich  gebe  sie  Dir.'^  Es  geschah  also  und  der  junge  Mann 
litt  nun  keine  Noth  mehr. 

Als  er  wieder  schlief,  erschien  ihm  wieder  der  Fremdling  im  Traume  und 
sprach:  „Wisse,  Deine  Grossmutter  hatte  Mitleid  mit  Dir;  sie  hat  Dir  Feuer  und 
Speise  gegeben.^  Als  der  Jüngling  erwachte,  rief  er  den  Raben  herbei  und  befahl 
ihm,  Häringe  zu  fressen.  Der  Rabe  gehorchte.  Als  er  sich  ganz  voll  gefressen 
hatte,  befahl  der  junge  Mann  ihm  sich  zu  schütteln,  so  dass  er  noch  etwas  mehr 
fressen  konnte.  Dann  sprach  er:  „Nun  fliege  zu  meinen  Verwandten.  Wenn  Du 
dort  eine  alte  Frau  findest,  die  beständig  weint,  so  wisse,  es  ist  meine  Gross- 
mutter. Ihr  sollst  Du  die  Fische  zuwerfen.  Wenn  Dir  die  Last  zu  schwer  wird, 
so  fliege  recht  hoch,  da  wirst  Du  sie  tragen  können.^  Der  Rabe  that,  wie  ihm 
geheissen  war.  Als  er  müde  ward,  stieg  er  sehr  hoch  in  die  Luft  und  da  konnte 
er  ohne  Beschwerde  die  Last  tragen.  Er  kam  zu  dem  Dorfe  und  fand  bald  die 
alte  Frau.  Er  rief:  „MElä'ö,  mElä'ö  wa  sökukule',  mElä'ü!''  und  liess  die  Fische 
fallen.  Da  hörte  die  Alte  auf  zu  weinen.  Sie  nahm  die  Fische  und  verbarg  sie 
bis  zur  Dunkelheit,  denn  sie  wollte  vermeiden,  dass  ihr  Sohn  sie  sähe.  Dann 
ging  sie  ins  Haus,  steckte  die  Fische  auf  Stöcke  und  wollte  sie  braten.  Sie 
steckte  sie  aber  nicht  nahe  ans  Feuer,  da  sie  fürchtete,  ihr  Sohn  möchte  sie  sehen. 
Der  Rabe  flog  zurück  und  wurde  von  dem  jungen  Manne  •  nochmals  mit  Fischen 
beladen  zu  der  Alten  gesandt.  Dieses  Mal  aber  bemerkte  ihr  Sohn  die  Fische  und 
fragte:  „Woher  hast  Du  die  Fische?^  Sie  musste  nun  erzählen,  dass  der  Rabe 
sie  gebracht  habe.  Sie  fügte  hinzu:  „Ich  glaube,  sie  kommen  von  Deinem  Sohn, 
den  wir  einst  verlassen  haben.''  Der  Vater  ward  zornig  und  sprach:  „Weisst  Du 
nicht,  wie  schlecht  mein  Sohn  war?  Er  ist  gewiss  längst  todtl'' '  Als  der  Rabe 
aber  zum  dritten  Male  kam,  erzählte  er  der  Alten,  dass  ihr  Enkel  ihn  gesandt 
habe.  Die  Alte  sprach  zu  ihrem  Sohne:  „Siehst  Du,  ich  hatte  Recht.  Dein  Sohn 
sandte  mir  die  Fische.''  Da  rief  jener  alle  Leute  zusammen,  schenkte  ihnen  die 
Häringe  und  sprach:  „Mein  Sohn  ist  jetzt  reich,  er  hat  uns  die  Häringe  gesandt 
Lasst  uns  zurückkehren  zu  unserer  alten  Heimath.  "* 

Die  Leute  beluden  ihre  Boote  und  am  folgenden  Morgen  fuhren  aUe  von 
dannen.  Als  sie  sich  ihrer  Heimath  näherten,  sahen  sie  einen  schönen  Mann  und 
eine  Frau  am  Ufer  stehen.  Der  Häuptling  sprach:  „Das  ist  nicht  mein  Sohn. 
Dieser  Mann  hat  ja  rothe  Haare.*  Sein  jüngster  Bruder  aber  erwiderte:  „0,  sage 
das  nicht  Wer  weiss,  wer  ihn  schön  gemacht  und  ihm  die  Frau  gegeben  hat?^ 
Sie  landeten  und  trugen  ihre  Sachen  in  die  Häuser.  An  jedem  Morgen  ging  nun 
der  junge  Mann  ans  Wasser  und  schlug  mit  dem  Bündel  Gederbast  hinein.  Dann 
kamen  viele  Häringe  geschwommen.  Er  sprach  zu  den  Leuten:  „Fürchtet  Euch 
nicht,  sondern  helft  mir  die  Fische  ans  Land  holen.  Dann  nehmt  davon  so  viel 
Ihr  bedürfet* 

Eines  Nachts  erschien  ihm  wieder  der  Fremdling  im  Traume.  Derselbe  fragte : 
„Freuest  Du  Dich,  dass  Deine  Landsleute  zurückgekehrt  sind,  die  Dich  einst  ver- 


(636) 

lassen  haben,  oder  willst  Du  Dich  rächen?^  Jener  erwiderte:  ^Ich  zürne  ihnen, 
aber  ich  bin  nur  einer  und  meiner  Feinde  sind  yiele.'*  Da  erwiderte  der  Fremde; 
^Rufe  morgen  einen  Wal  herbei,  dann  wird  derselbe  kommen  und  alle  Häringe 
fressen.  Du  sollst  dann  Gelegenheit  haben,  Dich  zu  rächen  '^  Und  er  schärfte  dem 
jungen  Manne  ein,  was  er  thun  solle.  Als  dieser  den  Wal  gerufen  und  derselbe 
die  Häringe  gefressen  hatte,  wollten  die  Leute  ausfahren,  den  Walfisch  zu  fangen. 
Der  junge  Mann  aber  sprach:  „Lasst  das  nur.  Ich  werde  ihn  rufen,  und  er  wird 
von  selbst  ans  Land  kommen.^  Es  geschah  also.  Dann  rief  er  alle  Leute  herbei, 
den  Walfisch  zu  zerlegen,  und  Hess  diejenigen,  welche  gut  gegen  ihn  gewesen 
waren,  auf  eine  Seite  treten,  die  übrigen  aber  auf  die  andere.  Als  sie  nun  an- 
fangen wollten,  den  Wal  zu  zerlegen,  rief  er  ihm  zu:  ^Nun  räche  mich!*^  Da 
schlag  jener  mit  dem  Schwänze  um  sich  und  tödtete  alle,  die  böse  gegen  den 
Knaben  gewesen  waren. 

7.   Sqoe'te.     (Oaliano  Isl.) 

Sqoe'te  war  vor  langer,  langer  Zeit  ein  aufrecht  stehender  Baum,  dessen  Gipfel 
bis  zum  Himmel  hinan  reichte.  An  ihm  stiegen  die  Menschen  vom  Himmel  herab 
und  Hirsche  mit  weissem  Rücken  und  schwarzen  Beinen,  deren  Geweihe  vorwärts 
gekrümmt  waren  und  die  Seiten  des  Gesidhtes  bedeckten.  Als  die  Menschen  zur 
Erde  gelangt  waren,  dachten  sie  nach,  wie  sie  den  Baum  umwerfen  könnten.  Da 
riefen  zwei  Männer  die  Ratten  (?)  herbei  und  befahlen  diesen,  den  Baum  zu  durch- 
nagen. Als  diese  20  Tage  lang  genagt  hatten,  waren  sie  fast  bis  in  die  Mitte  des 
Baumes  gelangt.  Da  hiessen  die  beiden  Männer  sie  an  der  entgegengesetzten 
Seite  beginnen,  und  auch  hier  nagten  die  Ratten  ein  tiefes  Loch.  Während 
sie  nagten,  sangen  die  Leute,  um  sie  bei  gutem  Muthe  zu  erhalten.  Nun  freuten 
sich  die  Leute,  dass  der  Baum  bald  fallen  werde,  und  sangen:  „0  möchte  er  um- 
fallen und  nicht  zerbrechen.  Viele  Hirsche  werden  dann  auf  dem  Stamme  wohnen, 
und  wir  werden  unsere  Häuser  darauf  bauen."  Als  die  Ratten  ihr  Werk  vollendet 
hatten,  liefen  sie  aus  dem  Baume  heraus  und  derselbe  fiel  um.  Die  Spitze  aber 
brach  ab  und  bildete  die  Insel  A'wik'sen.  Auf  den  Inseln  lebten  dann  viele  Hirsche. 
(Der  Erzähler,  ein  alter  Mann  in  S'a'menos,  behauptet,  einst  einen  solchen  Hirsch 
gesehen  zu  haben.    Er  habe  aber  nicht  gewagt,  denselben  zu  schiessen.) 

V.    Sagen  der  SnanaimuQ. 

1.    Die   Entstehung   des   Feuers. 

Vor  langer  Zeit  hatten  die  Menschen  kein  Feuer.  K-ak'e'iq,  der  Mink,  wollte 
dasselbe  holen  und  fuhr  deshalb  mit  seiner  Grossmutter  zu  dem  Häuptlinge,  der 
das  Feuer  bewahrte.  Sie  landeten  unbemerkt,  und  Nachts  schlich  Mink  sich 
zum  Hause,  als  der  Häuptling  und  seine  Frau  schliefen.  Der  Vogel  TE'gja  aber 
wiegte  das  Rind.  Mink  öffnete  die  Thür  ein  wenig.  Als  Tn'gya  das  Geräusch 
hörte,  rief  er:  ^Pql  pq!^  um  den  Häuptling  zu  wecken.  Mink  aber  flüsterte: 
,,Schlafe,  schlafe I"^  Da  schhef  der  Vogel  ein.  Mink  trat  nun  ins  Haus  und  stahl 
das  Kind  des  Häuptlings  aus  der  Wiege.  Dann  ging  er  rasch  in  sein  Boot,  in 
dem  die  Grossmutter  wartete  und  sie  fuhren  nach  Hause.  Jedesmal,  wenn  sie  an 
einem  Dorfe  vorüber  kamen,  musste  die  Grossmutter  das  Kind  kneifen,  so  dass 
es  schrie.  Endlich  gelangten  sie  nach  Tlältq  (Gabriela  Island,  gegenüber  Nanaimo), 
wo  Mink  ein  grosses  Haus  hatte,  in  dem  er  und  seine  Grossmutter  allein  wohnten. 

Morgens  verraisstc  der  Häuptling  sein  Kind  und  ward  sehr  traurig.  Er  fuhr 
in  seinem  Boote  aus,  es  zu  suchen,  und  als  er  an  ein  Dorf  kam,  fragte  er:  „Habt 


(637) 

Ihr  nicht  mein  Rind  gesehen?  Jemand  hat  es  mir  geranbt.^  Die  Leute  ant- 
worteten: „Heute  Nacht  fuhr  Mink  hier  vorüber,  und  ein  Kind  schrie  in  seinem 
Boote.'*  In  jedem  Dorfe  fragte  der  Häuptling,  und  überall  erhielt  er  dieselbe  Aus- 
kunft. So  kam  er  endlich  nach  Tlältq.  Mink  hatte  ihn  erwartet  und  setzte 
sich,  als  er  ihn  von  weiten  kommen  sah,  einen  seiner  vielen  Hüte  auf,  trat  vor 
das  Haus  und  tanzte,  während  seine  Grossmutter  Takt  schlug  und  sang.  Dann 
lief  er  ins  Haus  zurück,  setzte  sich  einen  zweiten  Hut  auf  und  trat  aus  einer 
anderen  Thtlr  in  veränderter  Gestali  Endlich  trat  er  als  Mink  aus  der  mittelsten 
Thür  und  trug  das  Kind  des  Häuptlings  auf  dem  Arme.  Dieser  wagte  nicht 
Mink  anzugreifen,  weil  er  glaubte,  viele  Leute  wohnten  in  dem  Hause,  und  sprach : 
„Gieb  mir  mein  Kind  zurück,  ich  will  Dir  auch  viele  Kupferplatten  geben."  Die 
Grossmutter  rief  Mink  zu:  ^Nimm  es  nicht. '^  Als  endlich  der  Häuptling  ihm  den 
Peuerbohrer  anbot,  nahm  Mink  ihn  auf  den  Rath  seiner  Grossmutter.  Der  Häupt- 
ling nahm  sein  Kind  und  fuhr  zurück.  Mink  aber  machte  ein  grosses  Feuer.  So 
erhielten  die  Menschen  das  Feuer. 

la)  Im  Anfange  besassen  die  Geister  (Verstorbener)  das  Feuer.  K'ä'iq,  der 
Mink,  zog  aus,  die  Geister  zu  bekriegen  und  ihnen  das  Feuer  zu  rauben.  Als  er 
an  die  Häuser  der  Geister  kam,  hörte  er  ein  Kind  im  Hause  des  Häuptlings 
schreien.  Es  hing  in  seiner  Wiege  an  einem  Aste.  Er  stahl  es  und  trug  es  nach 
dem  Hause  seiner  Grossmutter.  Als  die  Geister  merkten,  dass  das  Kind  ihres 
Häuptlings  gestohlen  war,  verfolgten  sie  die  Flüchtigen.  Sie  erreichten  das  Haus 
K'ä'iqs  und  sahen  ihn  vor  der  Thüre  tanzen.  Er  hatte  sein  Haupt  mit  Federn 
bestreut.  Da  fürchteten  sich  die  Geister  und  wagten  nicht  ihn  anzugreifen.  Sie 
sprachen:  „Lass  uns  einen  Tausch  machen!  Was  willst  Du  als  Entgelt  für  das 
Kind  haben?"  Kä'iq's  Grossmutter  antwortete:  ^Nichts  will  mein  Enkel  haben." 
Die  Geister  fuhren  fort:  ^Wir  haben  keine  Kleidung.  Man  hüllte  uns  nur  in 
gewebte  Decken,  als  wir  starben.  Willst  Du  die  haben?  Willst  Du  keine  Felle 
haben?  Man  gab  sie  uns,  als  wir  starben."  „Nein,"  versetzte  K'ä'iq.  «Nur 
Elch  feile  gab  man  uns  und  gegerbte  Hirschfelle,  nur  den  Feuerbohrer  gab  man 
uns."  ^Gut,"  rief  nun  Kä'iq,  „den  will  ich."  Sie  gaben  ihm  den  Feuerbohrer 
und  er  gab  ihnen  das  Kind  zurück. 

2.  Die  Entstehung  des  Tageslichtes. 
Vor  langer  Zeit  gab  es  kein  Tageslicht,  denn  die  Möwe  bewahrte  es  in  einer 
kleinen  Kiste,  die  sie  eifersüchtig  bewachte.  Ihr  Vetter,  der  Rabe,  wünschte  in- 
dess  das  Tageslicht  zu  bekommen.  Eines  Tages,  als  er  mit  der  Möwe  spazieren 
ging,  dachte  er:  „0,  wenn  doch  die  Möwe  einen  Dom  in  ihren  Fuss  treten  wollte!" 
Sobald  er  dies  gedacht  hatte,  schrie  die  Möwe  vor  Schmerz,  da  sie  auf  einen 
scharfen  Dorn  getreten  hatte.  Der  Rabe  sprach:  „Lass  mich  Deinen  Fuss  sehen! 
Ich  will  den  Dorn  herausziehen."  Da  es  dunkel  war,  konnte  er  aber  den  Dorn 
nicht  finden,  und  er  bat  deshalb  die  Möwe,  den  Kistendeckel  aufzumachen  und 
das  Licht  herauszulassen.  Die  Möwe  öffnete  die  Kiste  ein  klein  wenig,  so  dass 
ein  schwacher  Strahl  herauskam.  Der  Rabe  stellte  sich,  als  könne  er  den  Dorn 
noch  nicht  finden,  und  statt  ihn  herauszuziehen,  stiess  er  ihn  tiefer  und  tiefer  in 
den  Fuss,  indem  er  sagte:  „Ich  muss  mehr  Licht  haben."  Die  Möwe  schrie: 
„Mein  Fuss,  mein  Fuss!"  und  öffnete  endlich  die  Kiste.  So  wurde  das  Tageslicht 
befreit  und  seitdem  giebt  es  Tag  und  Nacht. 

3.  Der  Mann  und  der  Wal. 
Ein  Harpunier  ging  jeden  Tag  auf  den  Seehundsfang.    Er  fing  viele  Seehunde 
und  kehrte  nach  Hause  zurück.    Dann  lud  er  alle  seine  Freunde  zu  einem  Mahle 


(638) 

ein.  Als  sie  ihr  Mahl  verzehrt  hatten,  ging  seine  Pran  znm  Ufer  hinunter,  um 
die  Schüsseln  zu  waschen  und  die  Reste  fortzuwerfen.  Sie  band  ihren  Hantel 
um  und  ging  dann  einige  Schritte  ins  Wasser,  um  ein  Seehundsfell  zu  waschen. 
Da  erschien  plötzlich  ein  Finwal,  nahm  sie  auf  seinem  Rücken  und  schwamm 
fort.  Ihr  Mann  hörte  sie  um  Hülfe  rufen;  als  er  aber  an  den  Strand  kam  und 
endlich  sein  Boot  ins  Wasser  geschoben  hatte,  war  der  Wal  fast  ausser  Sicht 
Er  rief  seine  Freunde  zusammen  und  sie  verfolgten  ihn.  Bald  aber  sahen  sie 
den  Wal  tauchen  und  die  Frau  auf  den  Meeresboden  hinabnehmen.  Als  sie  zu 
dem  Platze  gelangten,  wo  jener  getaucht  war,  band  der  Mann  sich  ein  Seil  aus 
Hirschfell  um  den  Leib  und  sprach  zu  seinen  Freunden:  „Bleibt  Ihr  hier  und 
haltet  das  Seil.  Ich  werde  auf  den  Meeresboden  hinabgehen  und  meine  Frau 
wiederholen.  Zieht  das  Seil  nicht  ein,  bis  ich  wiederkomme."  Dann  sprang  er 
ins  Wasser.  Als  er  auf  dem  Boden  des  Meeres  ankam,  fand  er  einen  Pfad,  dem 
er  folgte.  Nach  einiger  Zeit  traf  er  eine  Anzahl  alter  Frauen.  Eine  derselben 
vertheilte  Nahrung,  die  sie  in  einem  Kessel  gekocht  hatten.  Der  Mann  sah,  dass 
sie  blind  waren,  und  nahm  der  Frau  die  vollen  Schüsseln  aus  der  Hand.  Sie 
glaubte  nun,  dass  alle  ihre  Genossinnen  ihre  Schüsseln  erhalten  hätten,  und  fragte: 
„Habt  Ihr  alle  Euer  Essen  bekommen?"  Sie  erwiderten:  „Nein,  wir  haben  gar 
nichts  bekommen."  Dann  witterten  sie  den  Fremden  und  riefen:  „0,  lass  Dich 
sehen,  Fremder!"  Er  fragte:  „Sagt  mir,  Grossmutter,  hat  nicht  jemand  hier  eine 
Frau  vorbeigetragen?"  „Ja,"  antworteten  sie,  „sie  sind  zum  Hause  des  Finwals 
gegangen."  Als  Dank  öffnete  er  ihre  Augen.  Da  sprachen  sie:  „Nimm  Dich  vor 
dem  Kranich  in  Acht."  „0,  ich  fürchte  ihn  nicht,"  versetzte  er;  „ich  habe  meinen 
Fischspeer." 

Er  ging  weiter  und  traf  den  Kranich,  der  dicht  am  Feuer  sass  und  seinen 
Rücken  wärmte.  Der  Häuptling  stiess  ihn  mit  dem  Fusse  und  der  Kranich  fiel 
ins  Feuer  und  verbrannte  seinen  Rücken.  Er  schrie  vor  Schmerz.  Der  Mann 
sprach:  „Sage  mir,  Kranich,  trug  nicht  jemand  meine  tVau  hier  vorbei?"  „Ja,  sie 
sind  in  das  Haus  des  Finwales  gegangen,"  antwortete  der  Kranich.  Da  heilte 
der  Fremde  seinen  Rücken  und  gab  ihm  seinen  Fischspeer.  Der  Kranich  warnte 
ihn  vor  dem  Sklaven. 

Der  Mann  ging  weiter  und  gelangte  zu  der  Stelle,  wo  der  Sklave  des  Pinwals 
Holz  für  seinen  Herrn  spaltete.  Er  kroch  unter  den  Stamm  und  brach  die  Spitze 
des  Keils  ab.  Als  der  Sklave  das  sah,  fing  er  an  zu  weinen  und  rief:  „0,  es 
wird  dunkel  und  ich  bin  mit  meiner  Arbeit  nicht  fertig.  Gewiss  wird  mein  Herr 
mich  schlagen  "  Da  kam  der  Mann  hervor  und  der  Sklave  fhigte:  „Wie  heisst 
Du,  Häuptling?  Woher  kommst  Du?"  „Ich  suche  meine  Frau,"  „Ich  schlage 
hier  Holz  für  meinen  Herrn,  der  sie  kochen  und  essen  will.  0,  erbarme  Dich 
meiner  und  mache  meinen  Keil  wieder  ganz,  sonst  wird  mein  Herr  mich  todt 
schlagen."  Der  Mann  erfüllte  seine  Bitte  und  der  Sklave  sagte:  „Ich  will  Dir 
helfen.  Deine  Frau  wiederzubekommen.  Warte,  bis  er  mich  aussendet,  Wasser 
zu  holen.  Wenn  ich  zurückkomme,  werde  ich  thun,  als  stolpere  ich  und  das 
Wasser  ins  Feuer  giessen.  Dann  springe  auf  die  Frau  los  und  entfliehe!"  Der 
Mann  folgte  dem  Rathe  des  Sklaven.  Der  letztere  goss  Wasser  ins  Feuer,  und 
dann  entfloh  der  Mann  mit  seiner  Frau.  Als  der  Wal  gewahr  wurde,  dass  sie 
entflohen  waren,  befahl  er  dem  Kranich,  sie  zu  tödten.  Derselbe  stiess  aber  ab- 
sichtlich an  ihnen  vorbei.  Der  Mann  kam  glücklich  mit  seiner  Frau  an  dem  Seile 
an.  Er  schüttelte  daran  und  seine  Freunde  zogen  ihn  in  die  Höhe.  Dann  kehrten 
sie  so  rasch  wie  möglich  nach  Hause  zurück.  Der  Wal  verfolgte  sie  vergeblich. 
Sie  hatten  einen  langen  Vorsprung  und  erreichten  glücklich  ihre  Heimalh. 


(639) 


VI.    Sagen  der  Sk'qöraic. 

1.   Qä'is. 

Qä'is,  die  Sonne,  erschuf  die  Erde,  das  Meer,  Menschen  und  Fische.  Er 
heisst  auch  Qä'aqa  oder  Slaü'lEkam *).  Im  Laufe  der  Zeit  wurden  die  Menschen 
schlecht  und  folgten  nicht  mehr  den  Geboten  Qä'is'.  Da  stieg  dieser  zur  Erde 
herab  und  verwandelte  alle,  die  schlecht  oder  thöricht  waren,  in  Steine  und  Thiere. 
Ein  Mann  hatte  gehört,  dass  er  kommen  würde,  und  beschloss  ihn  zu  tödten. 
Er  schärfte  seine  Muschelmesser  auf  einem  Schleifsteine.  Als  Qä'is  herankam  und 
ihn  sah,  fragte  er,  was  er  thue.  Jener  antwortete:  „Ich  will  Qä'is  tödten,  wenn  er 
kommt. '^  «Das  ist  gut,"  versetzte  jener.  „Lass  mich  doch  Deine  Messer  sehen." 
Er  gab  sie  ihm  und  dann  schlug  Qä'is  sie  ihm  in  die  Stirn  und  verwandelte  ihn 
in  einen  Hirsch.  Der  Vogel  8k-k*äk*  war  ein  Krankenbeschwörer.  Als  Qä'is  ihn 
sah,  klatschte  er  nur  in  die  Hände  und  verwandelte  ihn  so  in  einen  Vogel. 

Nach  einiger  Zeit  wurden  die  Menschen  abermals  schlecht.  Da  machte  Qä'is 
ein  furchtbares  Feuer,  das  die  ganze  Erde  verbrannte.  Nur  zwei  Männer  und 
zwei  Frauen  entkamen  dem  Feuer,  und  von  ihnen  stammt  ein  neues  Geschlecht  ab. 

Die  Menschen  wurden  zum  dritten  Male  schlecht.  Da  machte  Qä'is  eine 
grosse  Fluth.  E^  fing  an  zu  regnen  und  es  regnete  ohne  Aufhören.  Nur  ein 
Mann  wusste,  dass  das  Wasser  alle  Lande  bedecken  würde.  Er  band  sein  Boot 
mit  einem  Seile  an  den  Berg  Ntck'ä'i  (am  Squamish  River)  und  fand  so  nach  der 
Fluth  seine  Heimath  wieder.  Er  sprach  zu  seinen  Kindern:  „Nun  seid  ja  immer 
gut,  sonst  wird  Qä'is  gewiss  ims  Alle  zerstören." 

Später  sandte  Qä'is  den  Menschen  die  Blattern  und  einen  Winter  mit  tiefem 
Schnee  zur  Strafe  ihrer  Schlechtigkeit.  (Erzählt  vom  Häuptling  Joseph.) 

2.  Der  Rabe. 

Der  Rabe  hatte  einen  Bruder,  den  Seehund.  Er  hatte  zwei  Kinder,  der  See- 
hund hatte  eine  Tochter.  Einst  ging  der  Rabe  zum  Seehunde  und  traf  ihn  gerade 
am  Feuer  sitzend.  Er  hielt  die  Hände  in  die  Höhe  und  Fett  tropfte  daraus  in 
eine  Schüssel  herab.  Als  die  Schüssel  voll  war,  setzte  er  sie  dem  Raben  vor 
und  gab  ihm  getrockneten  Lachs.  Als  nun  der  Rabe  satt  war,  sprach  er  zum 
Seehunde:  „Lass  Deine  Tochter  mit  nach  meinem  Hause  gehen,  meine  Kinder 
möchten  mit  ihr  spielen."  Der  Seehund  willigte  ein,  und  sie  gingen.  Unterwegs 
kamen  sie  an  einem  „Crabapple"- Baume  vorüber.  Da  sagte  der  Rabe  zu  dem 
Seehundsmädchen:  „Klettere  doch  eben  deu'^^aum  hinauf  und  pflücke  mir  ein 
paar  Aepfell  Sie  sind  sehr  gut."  Der  Seehund  sagte,  er  könne  nicht  klettern. 
Der  Rabe  versetzte  aber:  „Versuche  es  nur.  Ich  halte  den  Stamm  fest,  damit  er 
nicht  schwankt."  Da  versuchte  der  Seehund  hinaufzuklettern.  Obwohl  er  sich  sehr 
ungeschickt  benahm,  kam  er  glücklich  hinauf  und  pflückte  einige  Aepfel.  Als  er 
wieder  herunterkommen  wollte,  rief  der  Rabe:  „Da  ganz  oben  im  Wipfel  des 
Baumes  sind  so  schöne  Aepfel.  Pflücke  sie  doch!"  Der  Seehund  kroch  wirklich 
hinauf,  und  da  schüttelte  der  Rabe  den  Baum,  bis  das  arme  Mädchen  herunter- 
fiel. Es  verletzte  sich  so,  dass  es  todt  liegen  blieb.  Da  trug  der  Rabe  den  Leich- 
nam nach  Hause  und  frass  ihn.  Nach  einigen  Tagen  kam  sein  Bruder,  der  alte 
Seehund,  um  sich  nach  seiner  Tochter  zu  erkundigen.  Der  Rabe  sagte:  „Sie  ist 
mit  meinen  Kindern   im  Walde  und   spielt."     Nach  einigen  Tagen  kam  der  See- 


1)  Siehe  Anm.  S.  630. 


(640) 

hund  wieder,  um  sich  zu  erkundigen.  Der  Rabe  sprach:  ^Sei  doch  nicht  ängst- 
lich! Deine  Tochter  spielt  so  gerne  mit  meinen  Kindern  l''  Endlich  aber  erfuhr 
der  Seehund  doch,  dass  der  Rabe  das  Mädchen  getödtet  und  verzehrt  hatte.  Da 
ward  er  sehr  betrübt  und  weinte.    (Erzählt  Ton  einem  jungen  Manne,  Namens  Jack.) 

3.  K-a'lkalo-itl. 

K*a'lkalo-itl  war  eine  grosse,  böse  Frau,  die  im  Walde  wohnte  und  einen 
Korb  auf  dem  Rücken  trug.  Einstmals  schwammen  viele  Knaben  im  Meere. 
Dann  trockneten  sie  sich  am  Ufer  in  der  Sonne  und  schliefen  dabei  ein.  Da  kam 
K'a1k'alo-itl  einher  und  steckte  sie  alle  in  ihren  Korb.  Unter  den  Knaben  war 
einer,  der  hiess  T'etke'istEn  (=  der  immer  Schneidende).  T'etk-e'istEn  hatte  ein 
Messer  in  der  Hand.  K'a'lk*alo-itl  hatte  ihn  zu  allererst  gefangen  und  daher  lag 
er  zu  Unterst.  Er  schnitt  den  Boden  aus  dem  Korbe  und  warf  einen  Knaben 
nach  dem  anderen  hinaus,  bis  nur  wenige  mehr  drinnen  blieben.  K*alk*alo-itl 
hörte  sie  fallen,  glaubte  aber,  Aeste  knackten  unter  ihren  Füssan.  Sie  gelangte 
endlich  nach  Hause  und  sah  nun,  dass  fast  alle  die  Knaben  entflohen  waren.  Da 
ward  sie  sehr  zornig.  Sie  nahm  etwas  Harz  und  yerschmierte  die  Augen  der 
Knaben.  Auf  T'etk'g'istEns  Rath  kniffen  sie  die  Augen  fest  zu,  während  jene  das 
Harz  hineinschmierte.  Sie  machte  nun  ein  grosses  Feuer  und  legte  Steine  hinein, 
mit  denen  sie  die  Knaben  kochen  wollte.  Als  das  Harz  in  den  Augen  nun  warm 
wurde,  schmolz  es,  und  sie  konnten  wieder  sehen.  K a'lkalo-itl  aber  merkte  es 
nicht.  T'etk'S'istEn  bat  sie  dann,  ihnen  etwas  vorzutanzen.  Sie  willfahrte  seinem 
Wunsche.  Die  Knaben  schlugen  Takt,  und  als  sie  nun  mitten  im  Tanzen  war, 
stiess  T'etk  e'istEn  sie  in  die  Flammen  und  hielt  sie  mit  einem  Stocke  fest,  bis  sie 
verbrannt  war.    Dann  gingen  die  Knaben  nach  Hause  zurück. 

4.  Die  Frau  imd  die  Fische. 

Eine  Frau  mit  schöner,  weisser  Haut  badete  Morgens  immer  im  Flusse  und 
wärmte  sich  nachher  am  Feuer.  Eines  Tages,  als  sie  wieder  badete,  kamen  viele 
Fische  geschwommen,  saugten  sich  an  ihr  fest  und  Hessen  sie  kaum  aus  dem 
Wasser.  Und  jedesmal  geschah  es  also.  So  fing  sie  zahllose  Fische  ohne  Mühe 
und  trug  sie  heim,  um  sie  zu  kochen.  Darüber  waren  alle  Leute  froh,  denn  sie 
beschenkte  sie  reichlich.  Wenn  sie  im  Boote  war,  kamen  die  Fische  herbei- 
geschwommen und  sie  brauchte  nur  mit  dem  Speere  zuzustechen,  ^o  flng  sie 
zehn  Fische  auf  einmal.  Endlich  aber  drängten  sich  solche  Schwärme  von  Fischen 
unter  ihr  Boot,  dass  sie  fürchtete,  dasselbe  werde  umschlagen.  Deshalb  kehrte 
sie  nach  Hause  zurück.  Als  sie  nun  wieder  baden  ging,  rieb  sie  sich  vorher  mit 
einem  Zaubermittel  ein,  um  zu  vermeiden,  dass  die  Fische  sich  an  ihr  festsaugten: 
aber  es  war  vergeblich.  Auch  ihr  Boot  bestrich  sie  mit  einem  Zaubermittel. 
Trotzdem  saugten  so  viele  Fische  sich  daran  fest,  dass  sie  es  fast  heruntergezogen 
hätten.  Als  sie  nun  nach  Hause  kam,  sprach  sie:  „Ich  fürchte,  die  Fische  werden 
mich  noch  ertränken.  Wenn  sie  sich  wieder  an  mich  festsaugen,  werde  ich  auf 
sie  uriniren,  dann  werden  sie  mich  gewiss  lassen.^  Als  sie  nun  wieder  badete, 
kamen  die  Fische  und  wollten  sie  hinabziehen.  Da  liess  sie  ihr  Wasser  und  nun 
Hessen  die  Fische  sie  los.  Sie  kam  wieder  zur  Oberfläche  und  ging  nach  Hause, 
sich  zu  wärmen.  Am  folgenden  Morgen  bestrich  sie  ihren  Körper  mit  kralligen 
Zaubermitteln,  um  die  Fische  fern  zu  halten.  Als  sie  aber  aus  dem  Hanse 
trat,  um  ihr  Bad  zu  nehmen,  stieg  ein  Feuer  von  der  Sonne  zur  Erde  herab  und 
tödtete  sie. 


(641) 


5.  Se'nötlke  nnd  Nuk*'ö'mak*En. 

Ein  alter  Mann  und  seine  Pran  sassen  am  Feaer  in  ihrem  Hause,  während 
ihr  Sohn  Nuk*'ö'mak*En  mit  seiner  Frau  im  Bette  lag  und  schlief.  Plötzlich  hörte 
man  draussen  einen  furchtbaren  Lärm  und  eine  Stimme  schrie:  „Uh!"  Da  fürch- 
teten sich  die  Alten,  aber  Nuk'ö'mak^En  wachte  nicht  auf.  Der  Lärm  kam  näher 
und  näher,  man  hörte  die  Bäume  stürzen,  und  nun  wussten  die  Alten,  dass  die 
doppelköpfige  Schlange  *)  Se'nötlk'e  sich  nahte.  Die  Aeltem  versuchten  ihren  Sohn 
zu  wecken.  Er  aber  rührte  sich  nicht.  Die  Mutter  schlug  ihn  mit  einem  Scheite, 
er  rührte  sich  nicht.  Endlich  goss  sie  ein  Nachtgeschirr  über  ihn  aus.  Da 
erwachte  er  und  hörte  den  Se'nötlke.  Er  sprach  zu  seiner  Frau:  „Ich  will  gehen 
und  das  Ungeheuer  tödten.  Vier  Jahre  lang  werde  ich  ausbleiben.  Weine  nicht, 
sondern  warte  auf  mich,  ich  werde  zurückkehren." 

Mit  Tagesgrauen  brach  er  auf.  Er  nahm  sein  Feuerzeug  und  ein  grosses 
Steinmesser  mit.  Bald  fand  er  die  Spur  der  Schlange  und  folgte  ihr.  Als  er  eine 
geraume  Weile  gegangen  war,  erblickte  er  das  Ungeheuer.  Aber  er  fürchtete, 
er  werde  nicht  stark  genug  sein,  es  zu  bestehen.  Deshalb  badete  er  in  einem 
Teiche  und  ward  nun  so  rein,  dass  die  Schlange  ihn  nicht  wittern  konnte.  Er 
folgte  ihr  wieder  und  erblickte,  wie  ein  gewaltiger  Baum,  über  den  sie  hinweg- 
kroch, unter  ihrer  Last  brach,  wie  umgefallene  Bäume  unter  ihr  zersplitterten, 
und  wie  sie  mit  ihrem  Leibe  die  Erde  tief  aufwühlte.  Und  er  fand  ihre  ab- 
gestreiften Schuppen  an  vielen  Stellen  der  Spur.  Unterwegs  sah  er  viele  Hirsche, 
welche  der  Se'nötlk'g  getödtet  hatte,  aber  er  ass  nicht  davon. 

Abends  zündete  er  sich  ein  Feuer  an  und  badete  wiederum.  Am  folgenden 
Tage  folgte  er  der  Spur  weiter.  Da  sah  er  viele  Bergziegen,  welche  die  Schlange 
getödtet  hatte.  Aber  er  ass  nicht  von  ihren  Fleische.  2iehn  Tage  lang  folgte  er 
der  Spur,  ohne  Nahrung  zu  sich  zu  nehmen.  In  jedem  Teiche,  an  dem  er  vorüber 
kam,  badete  er.  Dann  machte  er  sich  zwei  Mäntel  ans  weichgeklopftem  Ceder- 
bast.  Er  legte  dieselben  an  und  folgte  wieder  der  Schlange.  Endlich  kam  er  an 
einen  See.  Er  sah  die  Schlange  darin  schwimmen.  Ihre  beiden  Köpfe  waren 
vorwärts  gerichtet,  und  wenn  sie  sich  bewegte,  kreuzten  dieselben  einander.  Da 
fürchtete  er  sich  und  beschloss,  sie  noch  nicht  anzugreifen,  sondern  zu  warten, 
bis  er  stärker  geworden  sei.  Er  kletterte  auf  einen  Baum,  um  die  Schlange  zu 
beobachten.  Als  sie  weiter  kroch,  folgte  er  ihrer  Spur.  Er  fand  nun  ein  Zauber- 
kraut, mit  dem  rieb  er  seinen  Körper  ein,  um  stark  zu  werden.  Als  er  die 
Schlange  wieder  einholte,  schwanun  dieselbe  in  einem  See,  und  er  fürchtete  sich 
noch  vor  ihr.  Nachdem  sie  ans  Land  gekrochen  war,  folgte  er  abermals  ihrer 
Spur.  Er  fand  ein  zweites  Zauberkraut  nnd  badete  dann  in  einem  See,  in  dem 
er  zehn  Tage  blieb,  ohne  ans  Land  zu  kommen.  Er  ward  nun  sehr  stark.  Nach- 
dem er  ein  Feuer  gemacht  und  sich  daran  gewärmt  hatte,  folgte  er  wieder  der 
Spur  des  Se'nötlk-e.  Jetzt  fand  er  ihn  in  einem  See  schwimmend  und  schlafend. 
Er  wagte  aber  noch  nicht,  ihn  anzugreifen,  sondern  rieb  sich  mit  einem  dritten 
2janberkraute  ein  und  badete  abermals  zehn  Tage.  Als  er  ihm  nun  folgte,  fand  er 
zehn  Bergziegen,  welche  das  Ungeheuer  getödtet  hatte.  Er  schor  ihnen  die  Haare 
ab,  machte  sich  einen  Webstuhl  und  webte  zwei  grosse  Decken,  die  er  sich  um- 
hing. Als  diese  vollendet  waren,  setzte  er  seine  Verfolgung  fort.  Abermals  fand 
er  die  Schlange  in  einem  Teiche,  wo  sie  schlief.  Da  machte  er  mit  seinem  Stein- 
messer  zwei   grosse  Speere  aus  Fichtenholz  und  ein  schnelles  Boot.    Er  fuhr  auf 


1)  Dieselbe  hat  einen  Kopf  am  Schwanzende,  einen  am  Kopfende. 

Verband!,  der  Berl.  Antbropol.  GetelltchAft  1091.  41 


(642) 

die  Schlange  zu  und  durchbohrte  jeden  Kopf  mit  einem  der  Speere.  Kaum  hatte 
er  das  gethan,  da  fing  das  Wasser  an  zu  steigen  und  der  junge  Mann  Oel  todt 
nieder.  Zehn  Tage  lang  blieb  er  todt,  dann  erwachte  er  wieder.  Die  Lachsläuse  (?) 
hatten  aber  untcrduss  sein  Gesicht  angefressen.  Als  er  nun  erwachte,  sah  er  sich 
nach  der  Schlange  um.  Er  fand  sie  aber  nicht  und  sah,  dass  der  See  trocken 
geworden  war  und  von  der  Schlange  nur  eine  Reihe  Knochen  und  die  Zungen 
übrig  geblieben  waren.  Er  nahm  die  Unterkiefer  und  Zungen,  hing  sie  sich  um 
und  ward  fortan  ein  grosser  Zauberer.  Er  ging  nun  zurück  und  nahm  alle  Felle 
der  Bergziegen  mit,  welche  die  Schlange  getödtet  hatte.  4  Jahre  lang  war  er  der 
Schlange  gefolgt. 

Er  wanderte  fürbas  und  endlich  sah  er  ein  Dorf.  Ein  Knabe  sah  ihn  vom 
Berge  herabkomm on  und  rief  den  Leuten  zu:  „0  seht,  dort  kommt  ein  Fremder, 
lasst  uns  doch  sehen,  wer  er  ist!^  Da  kamen  alle  Männer  aus  den  Häusern. 
Kaum  aber  wurden  sie  seiner  ansichtig,  da  fielen  sie  todt  nieder.  So  stark  war 
der  Zauber,  welchen  der  Unterkiefer  und  die  Zunge  des  Se'nötlk'e  ausübte. 
Nuk'^ö'mak'En  aber  ward  traurig.  Er  dachte:  „Was  habe  ich  gethan,  dass  die 
Leute  bei  meinem  Anblicke  sterben?^  Und  er  nahm  ein  Zauberkraut,  bestrich 
sie  damit  und  erweckte  sie  so  wieder.  Da  gaben  drei  der  Männer  ihm  ihre 
Töchter  zu  Frauen  und  schenkten  ihm  viele  Pelzmänt^,  denn  sie  wussten  nun, 
dass  er  mächtig  war. 

Nuk'^ö'mak'En  wanderte  nun  weiter,  doch  jeder,  der  ihn  erblickte,  musstc 
sterben.  Er  winkte  nun  den  Leuten  schon  von  weitem  zu,  dass  sie  aus  dem  Wege 
gehen  sollten;  aber  vergeblich!     Wem  er  zuwinkte,  der  starb. 

Da  beschloss  er,  den  Unterkiefer  und  die  Zunge  des  Se'nötlk'e  zu  vei^graben. 
Er  ging  in  den  Wald  und  legte  sie  unter  die  Wurzeln  eines  Baumes.  Da  fiel 
dieser  unL  Er  legte  sie  unter  einen  Fels,  doch  dieser  zersprang.  Da  wickelte 
er  sie  in  drei  Decken  aus  Bergziegenfell  ein  und  lud  dieselben  auf  seinen  Rücken. 
Es  hoffte,  dass  nun  der  Zauber  nicht  mehr  wirken  werde;  aber  als  er  wieder 
Menschen  begegnete,  fielen  dieselben  todt  nieder.  Da  setzte  er  sich  nieder  und 
weinte.  Alle,  die  er  getödtet  hatte,  erweckte  er  aber  wieder  durch  Zauberkräuter, 
und  in  jedem  Dorfe  gaben  ihm  drei  Männer  ihre  Töchter  zu  Frauen.  Er  bestrich 
endlich  seine  Hände  mit  kräftigen  Zaubermitteln,  und  fortan  blieben  alle,  die  ihm 
begegneten,  gesund. 

Er  hatte  nun  viele  Frauen  und  viele  gewebte  Mäntel.  Er  belud  ein  Boot  mit 
denselben  und  fuhr  nach  Hause  zurück.  Als  er  in  seiner  Heimaih  ankam,  fragte 
er  die  Leute,  welche  zum  Ufer  gekonuuen  waren,  als  sie  das  Boot  nahen  sahen: 
„Leben  meine  Aeltern  noch?^  nJA)"^  antworteten  jene,  „sie  leben  noch  und  sind 
gesund.^  Er  fragte  weiter:  „Und  lebt  meine  Frau  noch?*'  Sie  versetzten:  „Ja,  sie 
lebt  und  hat  auf  Dich  gewartet.^  Da  freute  sich  Nuk'ö'mak'F.n.  Er  ging  ans 
Land  und  liess  alle  seine  Sachen  ins  Haus  tragen. 

Nach  einiger  Zeit  kamen  die  (vlu'mi,  um  mit  den  äk-qö'mic  zu  kämpfen.  Sie 
hatten  dieselben  überfallen,  viele  getödtet  und  andere  als  Sklaven  forti^eschleppt 
In  zehn  Booten  fuhren  sie  zurück  und  sangen  Siegeslieder.  Da  eilte  Nuk'ö'mak er 
ihnen  nach.  Er  hielt  den  Unterkiefer  und  die  Zunge  des  Se'nötlke  in  die  Höhe; 
da  starben  die  glu'mi.  Die  Skqö'mic  sammelten  die  Leichen  ihrer  Landileote, 
und  Nuk''ö'mak'En  erweckte  sie  zu  neuem  Leben. 

5a.   Der  Sö'nötlke. 

Ein  alter  Mann  lebte  mit  seinem  Sohne  in  einem  Hause.  Der  letztere  hitte 
gerade  geheirathet  und  lag  mit  seiner  Frau  im  Bqtte.    Der  alte  Mann  stand  frflb- 


(643) 

morgens  auf,  während  der  junge  Mann  und  seine  Frau  weiter  schliefen.  Da  hörte 
er  den  Sö'nötlke,  welcher  den  Berg  herabkroch,  den  Fluss  kreuzte  und  an  der 
anderen  Seite  wieder  hinauf  kroch.  Er  weckte  nun  seinen  Sohn,  indem  er  ihm 
einen  Eimer  kalten  Wassers  tibergoss  und  rief:  „Liege  nicht  so  faul  da,  tödte  lieber 
den  Se'nötlk'ö."  Da  schämte  sich  der  junge  Mann.  Er  sprach  zu  seiner  Frau: 
„Tch  will  nun  den  Se'nötlk*e  verfolgen  und  werde  4  Tage  lang  fortbleiben.  Weine 
nicht!  Warte  auf  mich,  auch  wenn  ich  lange  fortbleiben  sollte."  Er  ging  fort 
und  folgte  der  Spur  des  Se'nötlk-e.  In  jedem  Teiche,  an  dem  er  vorüber  kam, 
badete  er,  um  sich  stark  zu  machen.  Es  ward  Winter  und  es  ward  wieder 
Sommer,  und  er  hatte  ihn  noch  nicht  eingeholt.  Endlich,  im  vierten  Winter,  sah 
er  den  See,  in  dem  der  Se'nötik'e  wohnte,  im  Traume,  und  er  wusste  nun,  wo  er 
ihn  zu  suchen  hatte.  Als  er  zu  dem  See  kam,  sah  er  Se'nötlk'e  auf  einem  Felsen 
in  der  Mitte  des  Sees  liegen  und  sich  sonnen.  Da  schnitt  er  sich  4  Speere  aus 
Tannenholz  und  machte  Seile  aus  Cederbast,  die  er  als  schützende  Amulette  um 
Arrogelenke  und  Knie  band.  Dann  warf  er  die  Speere  und  tödtete  so  den 
Se'nötlke.  Als  derselbe  starb,  fiel  er  selbst  wie  todt  nieder.  Der  See  stieg  und 
schwemmte  seinen  Körper  fort,  der  nun  hin  und  wieder  trieb.  Nach  4  Tagen  fing 
der  See  wieder  an  zu  fallen.  Da  kam  der  Vogel  Ä'qoe  des  Weges  geflogen,  liess 
etwas  Excremente  auf  den  Mund  des  Todten  fallen  und  rief:  „Stehe  auf!"  So- 
gleich erwachte  der  junge  Mann.  Er  sah,  dass  der  See  ganz  abgelaufen  war. 
Se'nötike's  Körper  lag  dicht  bei  ihm.  Er  blieb  nun  ein  ganzes  Jahr  dort,  bis 
alles  Fleisch  verwest  war  und  nur  die  Knochen  übrig  blieben.  Diese  verbarg  er 
unter  seinem  Mantel.  Dann  kehrte  er  in  seine  Heimath  zurück,  und  alle,  die 
ihn  sahen,  fielen  todt  nieder.  Er  aber  machte  sie  wieder  gesund.  Seine  Frau  hatte 
einen  anderen  Mann  genommen,  kehrte  jetzt  aber  zu  ihm  zuilick. 

VII.   Sagen  der  Lku'ngEn. 

1.  MEnmä'ntauk*. 

Es  war  einmal  ein  Stamm  von  Menschen,  die  alle  Steinköpfe  hatten.  Deshalb 
hiessen  sie  Mcnmä'ntauk'  (=  Steinköpfe).  Sie  überzogen  immer  ihre  Nachbarn 
mit  Krieg,  tödteten  die  Männer  und  machten  die  Frauen  zu  Sklaven.  Einst  hatten 
sie  auch  eine  Schwangere  zur  Sklavin  gemacht,  und  in  der  Gefangenschaft  gebar 
sie  ein  Kind.  Als  der  Häuptling  der  MEnmä'ntauk*  das  hörte,  sagte  er:  „Tödtet 
das  Kind,  wenn  es  ein  Knabe  ist;  wenn  es  ein  Mädchen  ist,  lasst  es  am  Leben." 
Die  Frau  hörte,  was  der  Häuptling  sagte.  Ihr  Kind  war  ein  Knabe,  und  daher 
band  sie  einen  Knoten  um  seinen  Penis  und  zog  denselben  hinten  in  die  Höhe, 
damit  man  ihn  für  ein  Mädchen  halten  sollte.  Sie  wusch  ihn  nur  Nachts,  wenn 
niemand  sie  sah.  Ihre  List  glückte  ihr.  Das  Kind  wuchs  sehr  rasch  heran.  Als 
es  einen  Monat  alt  war,  gelang  es  ihr  in  den  Wald  zu  entfliehen.  Niemand  wusste, 
wohin  sie  gegangen  war.  Sie  dachte,  es  ist  besser,  dass  ich  sammt  meinem  Kinde 
im  Walde  sterbe,  als  dass  wir  immer  als  Sklaven  leben,  oder  dass  der  Häuptling 
uns  tödtet.  [m  Walde  baute  sie  sich  eine  Hütte  aus  Baumrinde  und  lebte  dort 
lange  Jahre.  Der  Knabe  fing  früh  an  zu  gehen.  Seine  Mutter  machte  ihm  Bogen 
und  Pfeile,  und  er  erlegte  Vögel,  die  er  dann  nach  Hause  brachte.  Die  Mutter 
wunderte  sich  darüber,  wie  rasch  er  heranwuchs.  Bald  fing  er  an,  grössere  Thiere 
zu  erlegen,,  und  schoss  endlich  sogar  Hirsche.  Sie  hatten  nun  Nahrung  in  Hülle 
und  Fülle.  Sie  nannte  ihn  nun  K'ö'sEk*  (=  der  Gebundene).  Als  er  erwachsen 
war,  tödtete  er  viele  Vögel,  trocknete  die  Bälge  und  machte  einen  Mantel  daraus. 
Er    wünschte   einen  Adler   zu  fangen.    Zu  diesem  Zwecke  nahm  er  einen  Ehufen 

41  • 


(644) 

Gras  und  ging  auf  eine  Lichtung.  Dort  band  er  Cederbast  um  seinen  Körper  und 
legte  sich  mit  ausgestreckten  Armen  nieder.  Dann  bedeckte  er  sich  ganz  mit  Gras. 
Es  dauerte  nicht  lange,  so  stürzte  der  Adler  sich  auf  ihn  herab.  Er  ßng  ihn  und 
tödtete  ihn.  Eines  Tages  fragte  er  seine  Mutter:  „Wie  kommt  es,  Mutter,  das« 
wir  hier  ganz  allein  leben?"  Sie  antwortete:  „Frage  nicht,  mein  Sohn,"  und 
begann  zu  weinen.  Da  drang  er  in  sie  und  fragte  abermals:  „Wie  kommt  es, 
Mutter,  dass  wir  hier  ganz  allein  leben?"  Sie  antwortete  ihm  aber  nicht.  Elines 
Tages  kam  er  von  der  Jagd  nach  Hause  und  sagte,  er  habe  Leute  nahe  am  Wasser 
gesehen,  und  fragte:  „Sie  machten  so  viel  Lärm,  warum  gehen  wir  nicht  hin  und 
leben  mit  ihnen?"  „Mein  Sohn,"  versetzte  die  Mutter,  „halte  Dich  fem  von  diesen 
Leuten,  sie  haben  steinerne  Köpfe."  Er  fahr  aber  fort:  „Wie  kommt  es,  Mutter, 
dass  wir  hier  allein  im  Walde  wohnen?  Die  Leute  unten-  am  Meere  spielen  immer 
und  haben  viel  Vergnügen.*  Da  sprach  sie:  „Höre,  mein  Sohn,  was  ich  Dir  sagen 
werde.  Weisst  Du,  weshalb  wir  hier  allein  leben?  Alle  Deine  Verwandten  sind 
todt;  wir  sind  allein.  Jene  Leute  haben  sie  getödtet."  Er  antwortete  nicht  and 
sagte  eines  Tages:  „Mutter,  ich  werde  zum  Meere  gehen  und  jene  Leute  ansehen."* 
Er  nahm  seinen  Mantel  aus  Vogelbälgen;  derselbe  war  sehr  schön  und  glänzend- 
Er  ging  zum  Meere  hinab.  Als  die  MBnmä'ntauk*  ihn  nun  sahen,  fürchteten  sie 
sich,  da  jener  aussah,  als  habe  er  übernatürliche  Kräfte.  Er  kehrte  zu  seiner 
Mutter  zurück  und  sprach:  „Ich  habe  die  Leute  gesehen."  Die  Mutter  warnte  ihn 
abermals,  zum  Meere  zu  gehen.  Er  hörte  aber  nicht  auf  sie.  Er  ging  in  den 
Wald  und  machte  sich  eine  Keule  aus  Eichenholz.  Er  versuchte  sie  und  sie  zer- 
splitterte. Er  versuchte  Keulen  aus  allen  möglichen  Holzarten,  aber  alle  zer- 
splitterten. Endlich  nahm  er  Eibenholz  (?  tlink'ätltc).  Es  zersplitterte  nicht  Als 
er  sie  nun  eines  Tages  wieder  spielen  hörte,  legte  er  seinen  glänzenden  Mantel 
an,  nahm  seine  Keule  und  erschlug  alle  Männer.  Sein  Mantel  machte  ihn  unsicht- 
bar. Dann  führte  er  die  Frauen  davon,  ging  zu  seiner  Mutter  und  sprach:  „Dies 
Land  gehört  nun  uns.     Ich  habe  alle  MEnraä'ntauk*  erschlagen." 

2.  Die  Frauen  der  Sterne. 

Es  war  einmal  ein  Häuptling,  der  hatte  zwei  Töchter.  Im  Sommer  waren  die 
Leute  in  ein  Lager  gezogen,  von  dem  aus  sie  Lachse  fingen.  Eines  Tages  gingen 
die  Mädchen  in  den  Wald.  Abends  legten  sie  sich  unter  die  Bäume  und  sahen 
die  Sterne  an.  Die  älteste  sagte:  „Ich  wollte,  der  grosse  Stern  dort  droben 
(Jupiter)  wäre  mein  Mann."  Und  die  jüngere  sagte:  „Ich  wollte,  der  rothe  Stern 
dort  (Mars)  wäre  mein  Mann.*"  Dann  schliefen  sie  ein.  Als  sie  wieder  erwachten, 
fanden  sie  sich  in  einem  fremden  Lande.  Die  Sterne  hatten  sie  in  den  Himmel 
genommen.  Sie  sahen  nun,  dass  jene  Männer  waren.  Der  glänzende  Stern  hatte 
kranke  Augen.  Und  wie  sie  gewünscht  hatten,  so  geschah  es.  Die  Sterne  wurden 
ihre  Männer.  Am  folgenden  Tage  hiessen  ihre  Männer  sie  ausgehen,  Zwiebeln 
zu  sammeln.  Sie  verboten  ihnen  aber  die  Wurzeln  auszugraben,  wie  man  auf 
Erden  thut,  sondern  sie  durften  nur  die  Stengel  abschneiden.  Anfänglich  gehorchten 
die  Frauen.  Eines  Tages  aber  sprach  die  ältere  Schwester:  „Ich  muss  einmal 
wieder  eine  Zwiebel  essen."  Sie  grub  eine  aus,  und  nun  sahen  sie  zu  ihrem 
Erstaunen  durch  das  F^ch  auf  die  Erde  hinab.  Sie  sagten  nichts  davon,  ah  sie 
zu  Hause  ankamen.  Nach  wie  vor  gingen  sie  in  den  Wald,  Zwiebelstengcl  lu 
sammeln.  Jetzt  machten  sie  aber  dort,  ohne  dass  jemand  darum  wusste,  ein  lange« 
Seil.  Als  sie  glaubten,  dasselbe  sei  lang  genug,  machten  sie  ein  grosses  Loch  in 
die  Erde,  und  die  älteste  Tochter  kroch  hinunter.  Sie  sprach  zu  ihrer  Schwester: 
„Warte  Du  hier.     Wenn   ich    unten    wohlbehalten   ankomme,    will   ich    das  SeJ 


(645) 

schütteln;  dann  klettere  mir  nach.  Sonst  nimm  an,  dass  ich  ins  Meer  gefallen  bin.^ 
Die  jüngere  Schwester  Hess  nun  das  Seil  hinab.  Endlich  landete  die  Frau  auf 
dem  Berge  Ngä'k'un  (einige  Meilen  oberhalb  des  obersten  Theiles  von  Victoria 
Harbor).  Da  ging  sie  eine  lange  Strecke  auf  und  ab  und  zog  das  Seil  hin  und 
her.  So  gelang  es  ihr  endlich,  dasselbe  ein  wenig  zu  schütteln,  und  ihre  Schwester 
im  Himmel  droben  fühlte  ganz  schwache  Bewegungen.  Sie  band  es  droben  an  einen 
Baum,  umklammerte  das  Seil  mit  Händen  und  Beinen  und  kletterte  herunter.  Die 
iUtere  Schwester  sass  unten  und  blickte  in  die  Höhe.  Endlich  sah  sie  einen  kleinen 
Punkt  sich  bewegen.  Derselbe  wurde  grösser  und  grösser,  und  nun  erkannte  sie 
ihre  Schwester.  Ihre  Beine  waren  vom  langen  Klettern  ganz  krumm  geworden. 
Kaum  war  sie  unten  angekommen,  da  fiel  das  Seil  herunter.  Die  Leute  im  Himmel 
hatten  die  Frauen  vermisst.  Als  sie  das  Seil  entdeckten,  schnitten  sie  es  durch. 
Dann  gingen  die  Frauen  in  ihre  Heimath.  Ihre  Mutter  hatte  sie  ganz  vergessen, 
so  lange  waren  sie  fort  gewesen.  Ihr  Haar  war  ganz  grau  geworden  und  ihre 
Augen  trübe  vom  vielen  Weinen.  Sie  verbargen  sich  an  einem  Teiche.  Bald 
kam  ihre  jüngste  Schwester  heran,  Wasser  zu  holen.  Ihr  Haar  war  kurz  geschnitten, 
denn  sie  trauerte  noch  um  ihre  verlorenen  Schwestern.  Da  strichen  diese  über 
ihr  Haar,  und  es  wurde  sogleich  wieder  lang.  Das  Mädchen  lief  zurück  und 
sprach:  ^Meine  Schwestern  sitzen  draussen  am  Teiche."  Die  alten  Leute  sagten: 
„Nun  sei  nicht  so  thöricht*',  und  verboten  ihr  diese  Rede.  Sie  ging  nochmals 
hinaus,  und  nachdem  sie  ihre  Schwestern  abermals  gesehen  hatte,  lief  sie  zurück 
und  wiederholte,  ihre  Schwestern  seien  am  Teiche.  Als  sie  es  zum  dritten  Male 
sagte,  schlug  sie  ihre  Mutter.  Da  ging  sie  wieder  hinaus.  Jedesmal,  wenn  sie 
zum  Teiche  kam,  strichen  die  Schwestern  über  ihr  Haar,  und  es  wurde  immer 
länger.  Da  lief  sie  zum  vierten  Male  zurück,  deutete  auf  ihr  langes  Haar  und 
sagte,  ihre  Schwestern  hätten  es  so  lang  gemacht.  Da  dachten  die  alten  Leute, 
sie  könne  doch  wohl  die  Wahrheit  reden.  Sie  gingen  zum  Teiche  und  fanden  die 
Frauen.  Sie  strichen  über  das  Haar  ihrer  Mutter,  und  es  wurde  sogleich  wieder 
lang  und  schwarz. 

Ein  Jüngling,  der  alle  Vorschriften  genau  beobachtet,  oft  badet  und  noch  nie 
ein  Weib  berührt  hat,  kann  das  Seil  auf  dem  Berge  NgäTcun  sehen.  Für  andere 
Menschen  ist  es  unsichtbar.  — 

(17)  Hr.  Dr.  Franz  Schmitt  legt  combinirte  Portrait-Photographien 
nach  Bowdich's  System  vor.  — 

(18)  Hr.  Magitot  übersendet  die  Acten  des  zweiten  internationalen  Con- 
gresses  der  criminellen  Anthropologie  vom  Jahre  1890.  — 

(19)  Es  folgt  die  Diskussion  über  den  Vortrag  des  Hm.  M.  ühle  (S.  493)  über 

das  dänische  Hans  in  Deutschland. 

Hr.  ülr.  Jahn: 

Hr.  Uhle  suchte  in  seinem  Vortrage  in  der  Sitzung  vom  11.  Januar  1890  den 
Nachweis  zu  liefern,  dass  auf  Föhr  ein  Haustypus  bestehe,  den  er  als  Grundform 
für  die  Häuser  der  nordfriesischen  Inseln  und  der  westdeutschen  Küsten  und  für  die 
eigenlhümlichen  des  festländischen  Schleswig  hinstellte.  Der  von  Hrn.  ühle 
(Fig.  7)  gegebene  Grundriss  dieses  „Föhringer  Hauses"  hatte  grosse  Aehnlichkeit 
mit  dem  sächsischen  Hause.  Hr.  Uhle  sagte  selbst  (S.  70):  „Natürlich  besteht 
eine  gewisse  Aehnlichkeit   zwischen   dem   einfachen   Föhringer  Hause   und   dem 


(646) 

sächsischen  in  der  dreitheiligen  Längsgliederung  des  Stalles,  bei  welcher  auch 
in  beiden  ein  Gang  in  der  Mitte  liegt."  —  In  der  Sitzung  ^om  25.  Oktober  1890 
wandte  ich  mich  gegen  diese  Ausführungen  und  zeigte,  dass  das  sogenannte  „Föh- 
ringer  Haus^  Uhle's  zusammenzustellen  sei  mit  einem  unTerfälscht  friesischen 
Typus,  der  sich  am  besten  in  dem  Ostenfelder  Kirchspiel  bei  Husum  erhalten 
habe.  Des  Weiteren  führte  ich  aus,  dass  allerdings  ein  besonderer  Haustypus  in 
Schleswig  existire,  der  aber,  trotz  scheinbarer  Aehnlichkeit  mit  Hm.  Uhle's  Föh- 
ringer  Typus,  von  diesem  grundverschieden  sei;  denn  bei  dem  ühle' sehen  Hause 
dominire  die  Längsachse,  dort  dagegen  die  Querachse. 

Weiter  liess  ich  mich  damals  auf  die  Sache  nicht  ein;  es  war  mir  genug,  da- 
gegen Einspruch  zu  erheben,  dass  die  irrige  Ansicht  verbreitet  würde,  die  Friesen 
hätten  einen  besonderen  Baustyl  gehabt,  bei  dem  die  Querachse  vorherrschend  ge- 
wesen sei.  Nun  kommt  Hr.  Uhle  mit  seinem  Vortrage:  ^Das  dänische  Haus  in 
Deutschland^  und  giebt  darin  für  das  Föhringer  Haus  einen  ganz  neuen  Grund- 
risse), in  welchem  er  für  den  Längsachsenplan  mit  der  Dreitheilung  des 
Stallgebäudes  (s.  oben)  einen  Querachsenplan  mit  der  Zweitheilung  setzt 
(„das  Föhren-Haus  zeigt  die  Längszweitheilung  der  Wirthschaft,  wie  Hm. 
Madsen's",  S  534,  Fig.  3).  Dieser  Plan,  der  von  dem  ersten  in  dem  wichtigsten 
Stücke  abweicht,  ist  jetzt  für  ihn  der  Grundriss  des  Föhringer  Hauses,  und  er 
stellt  in  der  Folge  die  Sachlage  so  dar,  als  hätte  ich  diesen  Plan  vor  Augen  ge- 
habt, als  ich  sagte,  der  Uhl ersehe  Föhringer  Typus  sei  nur  eine  Modificirang 
des  Ostenfelder  Hauses. 

Noch  wunderbarer  erscheint  mir  die  Polemik  gegen  meine  Constraction  des 
Ostenfelder  Hauses.  Ich  glaube  kaum,  dass  mir  auch  nur  ein  Haus  in  den 
vier  Dörfern  des  Ostenfelder  Kirchspiels  (Ostenfeld,  Wittbeck,  Winnert  und  Rott) 
unbekannt  geblieben  ist;  im  Granzen  reichen  schwerlich  30  Mal,  dass  ich  diese  Ort- 
schaften durchzogen  habe.  Ausserdem  standen  mir  bei  der  Aufnahme  iler  Häuser 
geschulte  Architekten  und  Zimmermeister  aus  Altona,  Berlin  und  Husum  zur  Seite. 
Und  nun  erklärt  Hr.  Uhle,  ohne  jemals  seinen  Fuss  in  eines  dieser  vier  Dörfer  ge- 
setzt zu  haben,  auf  das  Zeugniss  des  Hm.  Magnus  Voss  in  Husum  hin,  meine  An- 
gaben für  irrig.  Das  Beste  an  der  Sache  ist  dabei,  dass  der  Gewährsmann  des  Hm. 
Uhle  gegen  mich  nur  zwei  Häuser  anführt,  und  gerade  die  Häuser,  welche  vor 
vielen  anderen  in  erster  Linie  meinen  Plänen  zu  Grunde  gelegt  sind.  Freilich, 
ganz  konnte  keines  von  den  beiden  Häusern  in  seiner  jetzigen  Gestalt  verwandt 
werden,  da  in  jedem  im  Laufe  der  Zeit  erhebliche  Verändemngen  vorgenommen 
sind,  die  allerdings  Jemanden,  der  mit  Bausachen  einigermaassen  vertraut  ist,  nicht 
über  die  ursprüngliche  Anlage  wegtäuschen  können. 

So  hatte  das  von  Hm.  Uhle  in  Fig.  10  wiedergegebene  Peter  Heldische 
Haus  vor  seinem  Umbau  dieselbe  Einrichtung,  welche  ich  als  typisch  für  das 
Osten felder  Haus  im  Jahrgang  1890  angegeben  habe.  Da  fiel  es  dem  Besitzer  ein, 
den  Pesel  zu  verlängern.  Die  Stube  wurde  darum  vorgerückt;  und  da  tie  den 
Heerdraum  zu  sehr  eingeschränkt  hätte,  wurde  sie  nach  links  zu,  von  der  Einfahrt 
aas  gerechnet,  stark  verkleinert.  Der  Bauer  half  sich  auf  der  anderen  Seite 
damit,  dass  er  einen  Ausbau  nach  dem  Garten  zu  vornahm,  und  so  kam  ein  Plan 
zu  Stande,  der  ungefähr  so  aussieht,  wie  der  in  falschen  Maassen  gehaltene 
Voss 'sehe  Grundriss.     Ganz  erhielt  auch  dadurch  die  Stube  ihre  frObero  Breite 

1)  S.  in  diesen  Verb.  S.  500:  „Zmiäcbst  stallte  sich  unter  den"*  (soUte  wohl  besser  heiMeii 
„statt  der")  ^verschiedenen  früher  bezeichneten  Modalit&ten  (Verh.  1890,  S.  62  fg.)  aIh  äh««t«, 
auf  Fohr  vorkommende  Form  des  Hauses  nunmehr  besser  die  nebenst^^hende  dar*  {Fig.  9) 


(647) 

nicht.  Deshalb  warf  der  Besitzer  die  schöne  Pcselthür  aus  der  geschnitzten 
Stuben  wand  heraus  (weshalb  ich  auch  auf  den  Ankauf  der  Wand  verzichtete)  und 
rückte  die  beiden  Bettlöcher  dicht  neben  einander.  Wer  sehen  kann,  dem  wird 
die  Verkürzung  des  hübschen  Schnitzwerkes  nicht  entgehen. 

Noch  grössere  Aenderungen  sind  im  Innern  des  Hauses  meines  guten  Freundes 
Jürgen  Reimer  vorgenommen,  welches  Hr.  Uhle  nach  den  Voss' sehen  Angaben 
in  Pig.  11  wiedergiebt.  Es  würde  zu  weit  führen,  auch  die  Geschichte  des 
Umbaues  dieses  Hauses  hier  lang  und  breit  zu  erörtern;  nur  soviel  sei  gesagt, 
dass  die  auf  dem  Plan  zwischen  h  und  i  angedeutete  geschnitzte  Wand  sich  in 
meinem  Besitze  befindet.  Ich  habe  sie  herausbrechen  lassen,  und  da  zeigte  sich 
deutlich  (was  übrigens  auch  die  Ostenfelder  bestätigten) ,  dass  sie  ursprünglich 
eine  richtige  Bettlöcherwand,  wie  die  oben  erwähnte  Heldische,  gewesen  war  und 
erst  vor  verhältnissmässig  kurzer  Zeit  ihre  neue  Stelle  bekommen  hatte.  So  war 
denn  auch  die  Rückwand  des  alten  Schnitz  Werkes  mit  modernen  Tapeten  be- 
klebt u.  s.  w.  Beides,  die  Reim  er' sehe  Stuben  wand  und  die  Held 'sehe  Pesel- 
Einrichtung,  kann  übrigens  Hr.  Uhle  in  einigen  Monaten  in  Berlin  selbst  prüfen. 
Sie  sind  Theile  meiner,  zur  Zeit  in  London  in  der  German  Exhibition  aufgestellten, 
grossen  schleswig-holsteinischen  Sammlung  und  gehen  von  da  aus  in  unser 
Museum  für  deutsche  Volkstrachton  und  Erzeugnisse  des  Hausgewerbes  über. 

Noch  einen  Punkt  führt  Hr.  Uhle  gegen  mein  Ostenfelder  Haus  vor.  Er 
sagt  (S.  505):  „Ausserhalb  des  Grundrisses  macht  sich  die  wichtige,  von  Hrn. 
Jahn  ganz  bei  Seite  gelassene  Differenz  geltend,  dass  das  veränderte  Ostenfelder 
Haus  immer  noch  den  Giebel  in  sächsischer  Weise  der  Strasse  weist,  das  Pöh- 
ringer  die  Langseite.  In  letzterem  ist  also  auch  schon  nach  seinem  äusseren  Ver- 
hältniss  zum  Dorfe,  den  Dorfwegen,  jenes  Merkmal  des  sächsischen  Hauses  nicht 
vertreten."  Hr.  Uhle  irrt;  denn  die  Häuser  Ostenfelds,  welche  in  dem  ver- 
änderten Ostenfelder  Typus  erbaut  sind,  kehren,  wie  auf  Pöhr,  die  Langseite  der 
Dorfstrasse  zu.  Es  zeigt  sich  hier  derselbe  Process,  den  man  allenthalben  in 
Nord-Deutschland  beobachten  kann,  wo  das  sächsische  Längsachsen-Haus  von  dem 
fränkischen  Querachsen -Bau  verdrängt  wird:  nicht  nur  das  Haus  selbst,  sondern 
auch  die  ganze  Lage  des  Hauses  wird  verändert. 

Fühle  ich  mich  gezwungen,  Hrn.  Uhle's  Polemik  gegen  meinen  Ostenfelder 
Haustypus  energisch  zurückzuweisen,  so  muss  ich  das  in  erhöhtem  Maasse  hin- 
sichtlich des  Folgenden  thun:  Ich  sagte  (Verh.  1890,  S.  533)  wörtlich:  „Bei  dien 
nord-schleswigschen  Häusern  ....  dominirt ....  die  Querachse  ....  Durch  die 
Freundlichkeit  eines  in  Nord- Schleswig  geborenen  und  aufgewachsenen  Bau- 
verständigen, unseres  Mitgliedes,  des  Hrn.  Peter  Madsen  hicrselbst,  bin  ich  in 
den  Stand  gesetzt,  meine  Erinnerungen  zu  ergänzen  und  den  Typus  des 
alten  nord-schleswigschen  Hauses  wiederzugeben.^  Hr.  Uhle  stellt  das 
Haus  nun  lediglich  auf  meines  Freundes  Rechnung  und  nennt  es  kurzweg  das 
Madsen 'sehe  Haus,  so  dass  es  für  den  Leser  den  Anschein  gewinnen  muss,  als 
sei  dieser  Typus  mir  vorher  gar  nicht  bekannt  gewesen.  Nun  führt  Hr.  Uhle 
weiter  aus,  „das  Madsen' sehe  Haus"  (er  meint  also  den  von  mir  aufgestellten 
nord-schleswigschen  Typus)  und  sein  „Föhringer  Haus"  (er  meint  aber  nicht  seinen 
ersten  Grundriss,  sondern  den  auf  den  Bau  in  der  Querachse  umgemodelten)  seien 
unverkennbar  gleich,  und  dennoch  werde  von  mir  das  Gegen theil  behauptet. 

So  liegt  die  Sache  nicht.  Ich  habe  behauptet,  Hrn.  Uhle's  Föhringer  Haus, 
wie  er  es  in  seinem  ersten  Vortrage  geschildert  hat,  habe  mit  dem  nord-schles- 
wigschen Hause,  trotz  mancher  äusserlicher  Aehnlichkeiten,  nichts  gemeinsam;  ich 
habe  aber  nie  behauptet  und  werde  auch  nie  behaupten,    dass  von  Hm.  Uhle's 


(648) 

zweitem  Föhringer  Hause  dasselbe  zu  sagen  sei.  Schon  allein  deshalb  konnte  ich 
es  nicht  sagen,  weil  der  zweite  Föhringer  Typus  von  Hm.  ühle  in  seinem  ersten 
Vortrage  gar  nicht  aufgeführt  ist;  auch  konnte  ich  unmöglich  wissen,  dass  ein 
Haustypus  so  schnell  von  einem  Bau  in  der  Längsachse  zu  einem  Bau  in  der 
Querachse  werden  kann.  Selbstverständlich  behaupte  ich  denn  auch,  dass,  ebenso 
wenig  als  der  nord-schleswigsche  Typus  mit  dem  ersten  Föhringer  Typus  ühlo's 
etwas  gemein  hat,  Uhle's  erster  Föhringer  Typus  mit  seinem  zweiten  zusammen 
zu  bringen  ist. 

Zum  Schlüsse  ein  paar  Worte  über  das  „Jöfach".  Man  bezeichnet  damit  den 
ganzen  Platz,  in  welchem  Heu  und  Feuerung  aufgeschichtet  wird,  von  der  Erde 
bis  zu  dem  Boden.  Das  „Jöfach"  entspricht  also  unserem  hochdeutschen  „Banse'', 
dialektisch  Banse.  Der  Boden  über  dem  „Jöfach"  hcisst  in  Nord-Schleswig  „Hill". 
Eine  einzige  Anfrage  des  Hrn.  ühle,  mündlich  oder  schriftlich,  bei  mir  oder 
meinem  Freunde  Madsen,  hätte  ihm  volle  Klarheit  verschafft.  Wozu  sich  mit 
Muthmaassungen  plagen,  wenn  die  Wahrheit  so  leicht  in  Erfahrung  gebracht 
werden  kann!  Auch  hinsichtlich  der  „Siedeln**  hätte  Hr.  ühle  seinen  Husumer 
Gewährsmann  nicht  zu  bemühen  brauchen.  Wenn  ich  ihm  versichere,  dass  mir 
die  beiden  Seitentheile  rechts  und  links  der  Diele  von  den  Ostenfeldem,  welche 
ich  darum  befragt  habe,  als  die  „Siedeln**  bezeichnet  sind  und  ebenso  die  Thüren 
dahinter  als  die  „Siedelthüren**,  so  sollte  er  mir  glauben  und  nicht  einem  Laien 
Gehör  schenken.  Das  „1*^  darf  ihn  nicht  stören;  auch  im  Ostfriesischen  heisst  die 
Stallthür  „Siedeldör'*.  —  Im  Uebrigen  brauche  ich  wohl  nicht  besonders  hervor- 
zuheben, dass  ich  auch  sonst  alles  aufrecht  erhalte,  was  ich  in  meiner  ersten  Ent- 
gegnung auf  den  ühle  sehen  Vortrag  über  das  Föhringer  Haus  ausgeführt  habe.  — 

Hr.  Uhle  verzichtet  vorläufig  auf  eine  Beantwortung  der  Ausführungen  des 
Hrn.  Jahn,  findet  aber  in  dessen  heutiger  Auseinandersetzung  nichts  Neues.  Er 
hält  seinerseits  an  dem  fest,  was  er  früher  schon  über  das  von  ihm  supponirte 
stammfriesische  Haus  vorgetragen  hat.  — 

Hr.  Virchow  hält  die  Entscheidung  über  primäre  und  secondäre  Ent Wickelung 
der  abweichenden  Haustypen  in  Schleswig-Holstein  für  sehr  schwierig.  Ob  über- 
haupt auf  der  cimbrischen  Halbinsel  noch  Reste  des  primären  Hauses  der  Ur- 
bewohner  existiren,  lässt  sich  bei  der  grossen  Verschiebung  der  Völkersitze  schwerlich 
ausmachen.  Ein  übersichtliches  Bild  dieser  Verschiebungen  hat  kürzlich  Hr. 
Ludw.  Weiland  (Die  Angeln.  Tübingen  1889)  geliefert  Damach  kann  es  nicht 
zweifelhaft  sein,  dass  mit  der  Wanderung  der  Angeln  und  Warnen  nach  Bri- 
tannien, der  letzteren  auch  weiter  südlich  nach  Deutschland,  das  bis  dahin  von 
ihnen  besiedelte  Land  fast  ganz  leer  war  und  den  Einwanderungen  sowohl  nörd- 
lieber,  als  südlicher  Stämme  offen  stand.  Damals  kamen  auch  die  Nordfriesen  in 
das  Land,  aber,  was  jetzt  diesen  Namen  trägt,  sind  theils  wirkliche  Friesen,  theils 
Nichtfriesen.  Nach  Möller  wären  die  Bewohner  von  Helgoland,  Sylt,  Amrum 
und  Föhr  keine  Friesen,  sondern  Chauken,  d.  h.  Sachsen  (Weiland,  8.  38).  Völker 
mit  dem  Sachsen-Namen  sassen  freilich  von  Alters  her  im  südlichen  Holstein,  wohin 
später  von  Neuem  eine  starke  sächsische  Einwanderung  gerichtet  war.  Was  jetxl 
aber  von  sächsischen  Häusern  im  Lande  vorhanden  ist,  dürfte  viel  wahrscheinlicher 
diesen  Einwanderern  zugesprochen  werden  können.  Dass  das  friesische  Haus  in 
seiner  älteren  Form  jemals  die  jetzt  zur  Diskussion  stehende  Quertheilung  gehabt 
hat,  ist  durch  nichts  bewiesen;  indess  mag  es  richtig  sein,  dass  die  Quertheilung 
eine  alte  Eigenthümlichkeit,  namentlich  der  suevischen  Stämme  gewesen  ist,  worauf 


(649) 

der  Redner,  nachdem  diese  Hansform  im  Schwarzwalde  und  in  der  Schweiz  von 
ihm  nachgewiesen  war,  schon  wiederholt  hingewiesen  hat.  Wollte  man  diese 
Form  in  Schleswig-Holstein  einer  Urbevölkerung  zuschreiben,  so  wäre  am  wenigsten 
der  Friesenstamm  dazu  berufen.  An  alten  suevischen  Stämmen  für  die  Aus- 
füllung dieser  Lücke  fehlt  es  nicht.  Vielleicht  wird  ein  weiteres  Studium  der 
älteren  Häuser  in  Nord-Schleswig  etwas  zur  Klärung  dieser  Frage  beitragen.  — 

(20)   Hr.  G.  Schweinfurth  spricht  über 

Ae^yptens  auswärtige  Beziehungen  hinsichtlich  der  Coltnrgewächse. 

Unter  den  Hülfsmitteln  der  Alterthumsforschung  gebührt  der  Pflanzenkunde 
ein  hervorragender  Kang,  denn  bei  allen  denjenigen  Völkern  der  Vergangenheit, 
deren  Leben  sich  auf  die  Pflege  von  Pflanzen  stützte,  haben  diese  einen  be- 
sonderen Antheil  an  der  Hinterlassenschafk.  Die  Völker  verschwanden  oder  ver- 
schollen, aber  die  Pflanzen  leben  fort,  Menschenrassen  wurden  umgestaltet  und 
oft  blieb  keinerlei  Bild  von  ihnen  erhalten,  auch  die  Hausthiere,  ihre  getreuen 
Genossen,  überdauerten  sie  nur  selten  in  unveränderter  Gestalt,  aber  die  durch 
grössere  Ortsbeständigkeit  und  in  Folge  davon  durch  ein  weit  gleichartiger  ein- 
wirkendes Medium  der  äusseren  Daseinsbedingungen  ausgezeichneten  Pflanzen 
unterlagen  geringerem,  häufig  in  menschlicher  Zeit  gar  keinem  Wechsel.  Es  hat 
Völker  gegeben,  die  keinerlei  Denkmäler  hinterliessen,  keinen  beschriebenen  Stein; 
aber  wo  Steine  schwiegen,  da  haben  Pflanzen  geredet.  Wie  ein  ewig  sich  er- 
neuernder, ewig  lebensfrischer  Theil  der  Volksseele  gewesener  Geschlechter,  ja 
gleichsam  wie  fortsprossende  Glieder  ihrer  längst  erloschenen  Körperlichkeit,  treten 
sie  vor  unsere  Augen,  in  greifbarer  Gestalt,  lassen  sich  untersuchen,  vergleichen 
und  an  der  Hand  der  verschiedenen  Disciplinen  des  menschlichen  Wissens  in 
mannichfaltiger  Weise  deuten  und  beurtheilen.  So  führen,  abwechselnd  auf  inductiver 
und  speculativer  Fährte,  diese  Pflanzen  uns  tiefer  und  tiefer  hinab  in  die  Ab- 
gründe der  Zeit,  und  was  mancher  Disciplin  allein  nicht  geglückt,  das  vermochte 
sie  mit  Hülfe  der  Pflanzenkunde. 

Mehr  als  andere  Gebilde  der  organisirten  Natur  erscheinen  die  Pflanzen 
höherer  Ordnung  abhängig  von  den  äusseren  Daseinsbedingungen,  sie  sind  so  zu 
sagen  der  förmliche  Ausdruck  der  dem  Boden  eigenthümlichen  und  der  in  den 
Atmosphärilien  wirksamen  Kräfte.  Sehr  kenntlich  ist  oft  der  Stempel  ihres  Ur- 
sprungs. Daher  bieten  Pflanzen,  wo  sie  als  vom  Menschen  selbst  erwählte  Ge- 
nossen auftreten,  so  häufige  Fingerzeige  zur  Beurtheilung  der  Wanderungen  des 
Menschengeschlechts  und  des  völkervermittelndcn  Verkehrs.  Die  Errungenschaften 
der  Pflanzengeographie  sind  zwar  noch  weit  davon  entfernt,  in  jedem  Falle  Aus- 
kunft zu  geben,  etwa,  wie  Merlin  der  Wilde,  Räthsel  zu  lösen  aus  einem  Laube. 
Die  unausgesetzt  neu  zuströmenden  Thatsachen  ermangeln  noch  des  geregelten 
Bettes.  Hoffentlich  aber  gelingt  es  einmal  aus  dem  ungeheuren  Vorrathe  auf- 
gehäufter Thatsachen,  aus  den  thurmhohen  Stapellagem  der  Einzelheiten  ein 
brauchbares  Bauwerk  aufzuführen.  Die  Völkerkunde  nimmt  in  dieser  Hinsicht 
wohl  keine  mehr  bevorzugte  Stellung  ein  imd  wenn  es  die  vergleichende  Sprach- 
forschung allein  zu  verstehen  scheint,  immer  tiefer  in  die  unteren  Lagen  der 
Menschengeschichte  vorzudringen  und  wenn  auch  die  anderen  Disciplinen  ihr  nur 
selten  dahin  zu  folgen  vermögen,  so  darf  uns  das  nicht  entmuthigen.  Wenn  erst 
Pflanzengeographie  und  Anthropologie  ein  gleich  ehrwürdiges  Alter  erreicht  haben 
werden,  wie  die  Sprachforschung,  dann  wird  man  auch  wohl  einmal  über  bessere 
Ariadnefaden  verfügen,  als  blosse  Isothermen  und  Schädelindices  gewähren. 


(650) 

Immerhin  können  wir  auch  heute  schon  auf  einige  Ennngenschaften  der 
Pilanzengeschichte  mit  hoffnungsvoller  Befriedigung  blicken.  Wenn  uns  auch  das 
Capitulare  Carls  des  Grossen  (C.  Magni  capitulare  de  villis  suis)  unbekannt  ge- 
blieben wäre,  so  würden  wir  doch  im  Stande  sein,  aus  dem  Charakter  der  heutigen 
Dor%arten- Flora  Mitteleuropas  auf  don  gemeinschaftlichen  Ursprung  der  Arten 
zu  schliessen,  die  sich  im  frühoston  Mittelalter  daselbst  aus  Italien  einbürgerten. 
An  dem  Flachs  bewies  Heer  die  seitdem  durch  viele  andere  Funde  bestätigte  süd- 
ländische Herkunft  der  Pfahlbau-Cultur.  ünger's  geistvolle  Beleuchtungen  der 
altägyptischen  Culturgewächso,  des  Grafen  Solms-Laubach  Nachweise  über  die 
Wanderungsmomente  der  Cultur  des  Feigenbaums,  Körnicke's  grundlegende 
Untersuchungen  der  Getreidearten  und  Hülsenfrüchte,  Wittmack^s  altperuaniscbe 
Fflanzennachweise,  allen  voran  Alphonse  de  Candolle  mit  seinem  kritischen 
Sammelwerk  über  den  Ursprung  der  Culturgewächse ,  sie  förderten  Thatsachen 
ans  Licht,  mit  denen  jeder  Historiker  und  Alterthumsforscher  zu  rechnen  hat  und 
die  vielleicht  mehr  bedeuten,  als  manche  Inschrift,  in  Stein  gehauen.  Um  noch 
ein  nahe  liegendes  heimathliches  Beispiel  anzuführen,  sei  es  gestattet,  auf 
F.  Ascherson's  Studie  über  Scopolia*)  hinzuweisen,  wo  überraschende  Auf- 
schlüsse über  die  Wanderungen  einer  unscheinbaren  Giftpflanze  gegeben  werden, 
die  sich,  abseits  der  Wege  deutscher  Cultur,  nach  Preussen  verbreitet  hat  und 
deren  Geschichte  daher  schwer  zu  eruiren  war.  Nur  der  Botaniker  vermochte 
sich  in  diesem  Labyrinthe  von  Irrwegen  zurechtzufinden. 

Zu  Forschungen  dieser  Art  scheint  nun  kein  Land  mehr  einzuladen,  als 
Aegypten;  denn  abgesehen  von  dem  grossen  Dauerwerth  alles  Bestehenden  da- 
selbst, den  unzähligen  Documenten  und  den  aus  dem  Alterthum  in  Substanz  er- 
haltenen Naturerzeugnissen,  haben  auch  die  Schriftsteller  anderer  Cultorvölker 
beständig  ihr  Augenmerk  auf  Aegypten  gerichtet,  so  dass  es  geographisch  und* 
culturhistorisch,  in  jedem  Sinne,  stets  eine  völkervermittelnde  Stellung  behaupten 
konnte.  Daher  habe  ich  auch  meinen  langen  Aufenthalt  in  diesem  alten  Lande 
und  bei  dem  ewigen  Volke  dazu  benutzt,  um  alle  aus  dem  Alterthume  stammenden 
Funde  vegetabilischer  Natur,  soweit  sie  erhältlich  waren,  zu  mustern  und  im 
Verein  mit  den  heutigen  Bodenerzeugnissen  zu  studiren.  Die  materiellen  Belege 
für  meine  Angaben  sind  in  den  botanischen  und  ägyptischen  Museen  von  Cairo, 
Berlin  und  London  (Kew)  niedergelegt. 

In  der  von  P.  Asche rson  und  mir  gegebenen  Zusammenstellung  der  Ge- 
sammtflora  von  Aegypten*)  sind  von  Cultui^ewächsen  der  heutigen  2jeit,  d.  h.  Feld- 
gewächsen, und  von  Gartenpflanzen  die  Gemüsearten  und  häuflgsten  Fmchtbäome, 
150  Species,  aufgezählt.  Von  diesen  Culturpflanzen  habe  ich  gegen  40  durch  selbst 
untersuchte  Funde  aus  dem  vorchristlichen  Aegypten  für  die  alte  Feld-  und  Oarten- 
flora  nachgewiesen,  10  andere  Culturarten  könnte  man  der  Zahl  nach  hinzufügen, 
wenn  man  die  aus  den  alten  Denkmälern,  aus  Inschriften  und  anderen  beglaubigten 
Ueberlieferungen  sich  ergebenden  Pflanzen,  immer  nur  die  wirklichen  Cultor-  und 
angebauten  Nutzpflanzen  berücksichtigend,  zusammensuchte.  Man  würde  also  über 
ein  Drittel  von  der  Ai^ahl  der  im  heutigen  Aegypten  angebauten  Nutzpflanzen  ver- 
fügen, sofern  für  die  alten  Anbau  Verhältnisse  wirkliche  Belege  vorhanden  sind. 
Dies  sind  die  wenigen  Bausteine,  die  für  die  Stützpfeiler  der  Geschichte  der  alt- 
ägyptischen  Bodencultur  zur  Verfügung  stehen.  Natürlich  reichen  sie  nicht  aus 
für   ein   Fundament,    höchstens   lassen    sich   mit   ihnen   die    Umrisse   des   beab- 


1)  Sitzungsberichte  der  Ges.  Naturf.  Freunde.    Berlin  1890.    8.  69 ff. 

2)  Illustration  de  la  Flore  d'Egypte  in  Mera.  Inst   Egypt.    T.  IL    1889.   p.  *iöff. 


(651) 

sichtigten  ßaucs  andeutungsweise  niederlegen,  die  Grenzen  markiren,  wo  der 
Baugrund  beginnt  und  wo  er  aufhört 

unter  allen  Fragen  der  Alterthumsforschung  überhaupt  beunruhigt  keine  in 
so  hohem  Grade,  wie  diejenige  nach  dem  Ursprung  der  Aegypter.  Es  hat  Aegypto- 
logen  gegeben,  die  ihr  Leben  lang  bemüht  waren,  mit  ihren  Studien  in  möglichst 
tiefe  Schächte  der  ägyptischen  Vorzeit  hinabzusteigen.  Nirgends  fanden  sie  etwas 
den  werdenden  AnHlngen,  sei  es  der  Schrift,  sei  es  der  Religion,  sei  es  der 
Cultur  überhaupt  Vergleichbares.  Im  Gegentheil,  je  älter,  um  so  edler  gestaltete 
sich  die  Schrift,  um  so  vollkommener  die  bildliche  Darstellung  von  Meisterhand. 
Wie  eine  Pallas  Athene  prangte  das  alte  Aegypten  in  seiner  blendenden  Gold- 
rüstung, hervorgezaubert  aus  dem  Haupte  des  Zeus4 

Eine  andere  Frage  von  nicht  geringerer  Bedeutung  betrifft  den  in  ein  ebenso 
unauflösliches  Dunkel  gehüllten  Vorgang  der  Heranbildung  des  alten  Nilanwohners 
zum  Ackerbau,  insonderheit  zum  Anbau  von  Weizen  und  Gerste,  lieber  den 
Ursprung  dieser  Cerealien  kann  nach  unserer  heutigen  Renntniss  kein  Zweifel  ob- 
walten, er  ist  in  Mesopotamien  oder  in  Babylonien,  vielleicht  im  engeren  Chaldaea 
zu  suchen,  jedenfalls  in  den  Euphratländem;  aber  über  das  wie  und  das  wann 
ihrer  flerüberbringung  nach  Aegypten  scheint  jeder  Hypothese  freier  Spielraum 
gewährt.  Zunächst  drängen  sich  der  Betrachtung  zweierlei  Möglichkeiten  auf. 
Entweder  brachten  die  Aegypter,  die  wohl  noch  kein  Forscher  als  Autochthonen 
betrachtet  hat,  den  Weizen  mit  aus  ihrem  Stammlande,  oder  sie  (die  Be- 
wohner des  unterägyptischen  Reiches)  bezogen  ihn,  als  bei  zunehmender  Volks- 
vermehrung die  Viehzucht  nicht  mehr  ausreichte,  von  denjenigen  Landein,  mit 
denen  sie  damals  gerade  am  meisten  in  Beziehung  standen.  Was  die  erste  Ver- 
muthung  betrifft,  so  stehen  ihr  diejenigen  Gründe  entgegen,  welche  im  alten 
Aegypten  dafür  sprechen,  dass  die  Religionsbildung  dem  Getreidebau  voraus- 
gegangen sein  muss. 

Alle  nördlichen  Zugänge  nach  Aegypten  führen  durch  Wüsten,  die  den 
Durchzug  solchen  Völkern  erschweren,  die  nicht  Nomaden  und  Viehzüchter  sind  *). 

1)  Das  hauptsächlichste  J^astthier  der  Aegypter  des  alten  und  mittleren  Reiches  war 
der  Esel,  der  aus  dem  südlichen  Nubien  stammte.  Mit  Hälfe  dieses  Thieres  unternahmen 
die  Alten,  wo  es  geboten  war,  ihie  Wüsteoexpeditionen.  Seltener  mögen  ihnen  dabei  die 
stets  feindlichen  Wüstenbewobuer  mit  ihren  Kameelen  ausgeholfen  haben.  Das  Kameel 
fehlt  bekanntlich  unter  den  Thicrbildem  der  im  Uebrigen  so  ausführlich  und  vollständig 
den  damaligen  Vieh-  und  Jagd  bestand  der  Nilthalbewohner  wiedergebenden  Inschriften 
der  Pyramiden  zeit,  wie  überhaupt  allen  Terapelbildern.  Den  ältesten  Nachweis  über  das 
Kameel  hat  W.  Golenischeff  in  seinen  „epigraphischen  Ergebnissen  eines  Ausflugs  ins 
Wadi  Hammamat^  (Sapissok  der  Orient.  Abth.  der  Kaiserl  russ.  archäolog.  Ges.,  1887, 
Th.  ir,  8.  66)  geliefert:  ich  fähre  die  Stelle  hier  in  der  Uebersetzung  an,  da  der 
russische  Text  bisher  wohl  nicht  genügende  Beachtung  gefunden  hat.  Golenischeff 
fand  unter  den  aus  der  XI.  Dynastie  stammenden  Felsinschrilten  im  Wadi-Hammamat, 
unter  sieben  Abbildungen  von  Straussen,  Antilopen  und  Stieren,  die  in  ebenderselben  Weise, 
d.  h.  in  Flachrelief  ausgemeisselt  und  mit  hieroglyphischen  ünterscliriften  versehen  waren, 
auch  eine  solche  Abbildung  vom  Kameel  (Taf.  V,  Fig.  6).  Nachdem  der  ausgezeichnete 
Aegyptologe  den  Nachweis  geliefert,  dass  die  betreffende  Zeichnung  mit  den  neueren 
Kunstleistungen  müssiger  Beduioenkinder  nicht  das  Geringste  gemein  hat,  fugt  er 
(S.  12,  13)  hinzu:  „Aus  vielen  Stellen  der  Bibel  ist  ersichtlich,  dass  bei  den  an  den  nord- 
östlichen Grenzen  Aegyptens  lebenden  Nomaden  Heerden  von  Kameelen  vorhanden  waren 
und  es  ist  in  Folge  dessen  schwer  zulässig,  dass  das  Thier  den  alten  Aegyptern  gänzlich 
unbekannt  geblieben  sein  kann.  Daher  sind  wir,  wenn  auf  der  einen  Seite  die  Abwesen- 
heit aller  bildlichen  Darstellungen  des  Kameeis  auf  den  Denkmälern  des  Nilthals,  auf  der 


(652) 

Wer  zuerst  Weizen  und  Gerste  in  Cultur  brachte,  Hamiten  oder  Semiten, 
und  ob  dieser  Vorgang  der  Trennung  der  gemeinschafUichen  ürrasse  in  zwei  aus- 
einander gehende  Aeste  etwa  vorausging,  lässt  sich  nach  dem  heutigen  Stande  der 
Renntniss  wohl  nicht  entscheiden.  Nehmen  wir  aber  an,  dass  die  ägyptischen 
Hamiten  als  Viehzüchter  und  Nomaden  ihren  Einzug  ins  Nilthal  hielten,  so  wird 
die  Frage  keineswegs  vereinfacht,  denn  in  diesem  Falle  wären  dieselben  auf  den 
einzigen  festländischen  Zugang  von  Osten,  auf  die  Völkerbrücke  von  Sues  an- 
gewiesen gewesen,  während  die  altägyptische  Ueberlieferung  für  eine  Aus- 
breitung des  Stammes,  der  offenbar  in  beiden  Königreichen  derselben  Rasse  an- 
gehörte, von  Ober-Aegypten  *)  her,  spricht. 

Wie  den  Chaldäem,  so  erschien  auch  den  Aegyptem  das  Zeitalter  der  Welt 
in  dreitheiliger  Gliederung,  dargestellt  aus  Geschichte,  Vorgeschichte  und  Götter- 
mythus. Wandersagen  vorgeschichtlichen  Oharakteis  scheinen  zu  fehlen  und 
hieraus  lässt  sich  der  Schluss  ziehen,  dass  das  erobernde  Volk  zu  einer  Zeit  in 
Aegypten  sich  ausbreitete,  als  dasselbe  noch  weder  im  Besitze  einer  ausgebildeten 
Götterlehre,  noch  der  Schrift  war.  Die  afrikanischen  Urbewohner  des  Nilthals 
sind  vor  den  fremden  Eindringlingen  verschwunden,  denn  die  ethnographische 
Einheit  der  alten  Aegypter  nöthigt  uns  von  der  Annahme  einer  Vermischung  ab- 
zusehen, so  sehr  wir  auch  der  bei  der  Anzucht  neu  eingeführter  Hausthiere  immer 
wieder  hervortretenden  assimilirenden  und  nivellirenden  Kraft  der  eigenartigen  Nil- 
natur Rechnung  zu  tragen  geneigt  sind. 

Um  auf  die  schwerwiegende  Annahme  einer  von  Süden  nach  Norden  ge- 
richteten Ausbreitung  der  Aegypter  zurück  zu  kommen,  sei  es  mir  gestattet,  das 
Zeugniss  von  H.  Brugsch  (Geogr.  Inschriften.  I.  S.  176)  anzurufen,  dem  zu- 
folge die  ältesten  Volksüberlieferungen  Theben  zur  irdischen  Heimath  des  Osiris 
stempeln.  Dieser  Tradition  entsprechend,  ward  dahin  auch  der  Sitz  jener  mensch- 
lichen Herrschergeschlechter  verlegt,  die  den  historischen  Dynastieen  vorhei^gegangen 
sein  sollen.  Will  man  auf  diese  Winke  Werth  legen,  so  ist  man  genöthigt,  an- 
zunehmen, dass  die  Hamiten  auf  der  Völkerstrasse  Qosser-Qeneh,  da,  wo  das  Nil- 
thal vom  Meere  aus  am  nächsten  erreichbar  war,  aus  Arabien  eingezogen  sind, 
nachdem  sie  als  Viehzüchter  in  den  ertragfähigeren  Berggegenden  zunächst  des 
Meeres  lebend,  sich  daselbst  bei  Zeiten  mit  jenen  einfachen  und  primitiven  Mitteln 
der  Schifffahrt-)  veiiraut  zu  machen  Gelegenheit  fanden,  die  ausgereicht  haben 
werden,  um  die  Ueberfahrt  zu  bewerkstelligen,  —  ein  Vorgang,  der  sich  zwischen 
beiden  Küsten  des  Rothen  Meeres  in  der  Folge  an  verschiedenen  Punkten  und 
unzählige  Mal  wiederholt  haben  muss,  um  nach  und  nach  halb  Alrica  durch 
hamitische  und  später  durch  semitische  Einwanderung  ethnisch  umzugestalten. 

Es  ist  hierbei  aber  auch  die  Möglichkeit  im  Auge  zu  behalten,  dass  die 
frühesten  Hamiten  auf  demselben  Wege,  auf  welchem  ihnen  später  die  semitischen 
Völker  (Habeschat)  folgten,   an   der  nächsten  Stelle,    also  von  Süd-Arabien  aus, 

anderen  aber  die  Angaben  der  Bibel  in  Betracht  gezogen  werden,  zu  dem  Schlosse  ge- 
nöthigt, dass,  wenn  auch  im  eigentlichen  Aegypten  vor  Alters  das  Kameel  nicht  un- 
bekannt war,  die  Aegypter  doch  ohne  dasselbe  lebten  nnd  nnr  die  Nomaden  der  an< 
stossenden  arabischen  Wüste  sich  desselben  zu  bedienen  wussten." 

1)  £s  darf  femer  auch  nicht  ausser  Acht  gelassen  werden,  dass  znr  Zeit,  als  der  Oe- 
treideban  in  Aegjpten  sich  einbürgerte,  das  Land  noch  in  zwei  Reiche  getheilt  war,  in 
das  von  Ober- Aegypten  bis  in  diö  Gegend  von  Memphis  nnd  das  von  ünt^r^Aegypten.  In 
den  ältesten  Gräbern,  die  man  kennt,  sind  bereits  die  Getreidearten  in  Substanz  vor- 
handen uud  die  vierte  Dynastie  beherrschte  schon  die  vereinigten  Königreiche. 

*2)  Vergl.  Guillain,  Documents  sur  TAfrique  Orientale.   V.   I.  p.  2,  3. 


Mfhaki^M 


(653) 

auf  die  afrikanische  Seite  hinüber  gegangen  sind,  sich  hier  immer  weiter  aus- 
breiteten und  mit  ihren  Heerdcn  an  den  Nil  gelangten,  in  dessen  Thal  sie  als- 
dann so  weit  nach  Norden  zu  vordrangen,  bis  die  Runde  von  einem  geräumigen 
Wald-  und  Weidelande  jenseits  der  Katarakte  gewonnen  ward,  und  auf  diese 
Runde  hin  können  dann  die  Nachzügler,  die  späteren  Invasionen  einen  directeren 
Seeweg  von  S(id-Arabien  nach  Ober-Aegypten  angestrebt  haben.  Der  südnubische 
Ursprung  des  ägyptischen  Esels  (Equus  taeniopus  v.  Heugl.)  steht  einer  solchen 
Hypothese  stützend  zur  Seite. 

Zu  den  Schwierigkeiten  der  angeregten  Frage  gesellt  sich  noch  der  Wider- 
spruch, in  welchem  die  drei  Factoren  der  ägyptischen  Cultur  mit  einander  hin- 
sichtlich ihres  Ursprungs  zu  stehen  scheinen.  Schrift  und  Getreidebau  verweisen 
uns  auf  Babylonien.  Dort  muss  der  Weizen  zuerst  aus  der  freien  Natur  in  den 
Dienst  des  Menschen  übeiigegangen  sein.  Dort  waren  die  Stätten  der  ältesten 
Rassentheilung.  Dort  stand  der  Thurm  von  Babel,  zu  welchem  die  Gelehrten 
noch  heutigen  Tages  wie  zu  einem  Symbol  des  Ordnung  schaffenden  Pnncips  in 
dem  Wust  einander  widersprechender  Thatsachen  voll  Ehrfurcht  emporblicken,  — 
erschien  derselbe  doch  bereits  dem  Schreiber  der  Bibel  als  der  älteste  Platz  der 
Welt,  und  dieser  kannte  doch  Aegypten! 

Der  dritte  Factor  der  Cultur,  die  Religion,  lässt  sich  nicht  ohne  Weiteres  aus 
dem  Norden  herleiten.  Die  älteste  Götterverehrung,  die  uns  in  den  üeber- 
lieferuDgen  der  historischen  Welt  entgegentritt,  bedarf  bereits  als  noth wendiges 
Ausstattungsstück  des  Weihrauchs.  Semitische  Religionen  sind  ohne  Weihrauch 
kaum  denkbar,  dieser  aber  ist  ein  Erzeugniss  des  südlichen  Arabiens  und  der 
gegenüber  liegenden  Rüste  am  Osthom  von  Afrika.  Wenige  Erzeugnisse  der 
Welt  sind  von  gleich  streng  umgrenzter  Verbreitung,  wie  der  Weihrauch,  dessen 
Begriff  in  grosser  Schärfe  feststeht.  Ich  nehme  daher  keinen  Anstand,  die 
Heimath  des  Weihrauchs  mit  der  Wiege  aller,  auf  Offenbarung,  Tradition,  und 
Priesterthum  basirten  Religionen  unserer  historischen  Welt  zu  identificiren. 

Was  nun  die  altägyptische  Religion  betrifft,  so  wird  diese  Hypothese  noch 
durch  die  Thatsache  gestützt,  dass  zwei,  seit  den  ältesten  Zeiten  der  Tempel- 
inschriften mit  der  frühesten  Götterlehre  aufs  innigste  verknüpfte  Bäume,  die 
Sykomore  und  die  Persea,  in  Aegypten  sich  nur  im  angebauten  Zustande  vorfanden, 
während  dieselben,  wie  ich  selbst  an  Ort  und  Stelle  nachgewiesen  habe,  im  glück- 
lichen Arabien,  sowie  in  den  Gebirgsländem  an  der  gegenüber  liegenden  afrika- 
nischen Rüste  noch  heutigen  Tages  als  vollkommen  wildwachsende  Bestandtheile 
des  Waldes  anzutreffen  sind. 

Bei  einer  Musterung  der  wechselseitigen  Beziehungen,  die  sich  in  Betreff  der 
Cultur-  und  Ackerbauverhältnisse  zwischen  Aegypten  und  den  von  Alters  her  mit 
ihm  in  Verkehr  stehenden  Ländern  offenbaren,  erscheint  zunächst  eine  eingehende 
Besprechung  der  alten  Getreidearten  geboten,  da  bei  den  hierauf  bezüglichen 
Fragen  noch  viele  irrige  Auffassungen  verbreitet  sind.  Nach  H.  Brugsch*) 
Rnden  sich  in  den  ältesten  Inschriften,  von  der  Pyramidenzeit  an,  stets  drei  Ge- 
treidearten erwähnt  und  als  solche  durch  eine  Aehre  als  Determinativ  gekenn- 
zeichnet. Desgleichen  sind  durch  Gräberfunde  in  Substanz  aus  dem  alten  Aegypten 
vier,  bezw.  drei  (im  Falle  man  von  einer  Unterscheidung  der  nicht  immer  mit 
Sicherheit  nachweisbaren  Gerstenarten  absieht)  Getreidepilanzen  bekannt:  Hor- 
deum  vulgare  L.  subsp.  tetrastichum  Rcke.,  die  vierzeilige  Gerste,  H.  vulg.  L. 
subsp.  hexastichum  Rcke.,    die   sechszeilige  Gerste,   Triticum  vulgare  Vill., 

1)  In  brieflichen  Mittheilungen  vom  Juli  18*J1. 


(654) 

Weizen  und  Triticum  dicoccum  Schkr.  var.  tricoceum  Schtibl.,  Emmer.  Dem 
heutigen  Aegypten  fehlt  die  letztgenannte  Art ')»  von  welcher  Maspero  im 
Jahre  1866  im  Grabe  des  Ani  zu  Gebelen  (XI.,  bezw.  XXI.  Dynastie)  eine  Anzahl 
noch  zusammenhängender  Aehren  aufgefunden  hat. 

Für  Mohrhirse  (Andropogon  Sorghum  Brot.)  fehlt  es  im  alten  Aegypten 
durchaus  an  Belegen,  was  auch  Pickering,  Wilkinson  und  Unger  zu  Gunsten 
einer  entgegengesetzten  Annahme  haben  sagen  wollen.  Die  von  Wilkinson  (The 
Anc.  Egypt.  1878.  II.  p.  427,  428)  und  A.  Brman  (Aegypten,  S.  578)  dtiiten 
Tempelbildei*  beziehen  sich  auf  Lein.  Die  Mohrhirse  war  erst  10  Jahre,  bevor 
Plinius  (Hisi  Nat.  1.  18.  cap.  7)  seine  Naturgeschichte  schrieb,  aus  Ost- 
indien nach  Italien  eingeführt  worden.  Obgleich  sie  ursprünglich  aus  dem  tro- 
pischen Africa  stammen  mochte,  ist  sie  den  alten  Aegyptem  doch  wohl  unbekannt 
geblieben  und  daselbst  gewiss  nicht  vor  der  römisch-l^zantinischen  Periode  Gegen- 
stand des  Feldbaues  gewesen. 

Nach  den  mir  von  H.  Brugsch  letzthin  gütigst  gegebenen  Aufklärungen 
ist  Folgendes  über  die  vorhin  erwähnten  drei  Getreidearten  des  Alterthums  zu  be- 
merken: 

1)  BßTE  (oXvfjot  der  Septuaginta),  auch  bet,  böti  u.  s.  w.  geschrieben.  Von  diesem 
Korn  werden  zwei  Sorten,  eine  rothe  und  eine  weisse,  angegeben.  Dieses  Böte 
wurde  zur  Bezeichnung  des  Monats  Tybi  (Tubi  des  koptischen  Kalenders)  hin- 
gestellt, mit  der  Angabe:  Reife(?)'0  des  Böte.  Der  Tiby  ist  der  einzige  Monat 
des  Jahres,  welcher  einen  Mann  mit  einer  Aehre  in  der  rechten  Hand  zur  Be- 
zeichnung hat;  man  kann  also  annehmen,  dass  er  in  Ober-Aegypten  wenigstens 
als  der  hauptsächlichste  Erntemonat,  mithin  wohl  auch  die  Komart  als  das  Haupt- 
getreide des  Landes  betrachtet  wurde.  Weitere  Nachforschung  über  diesen  wich- 
tigen Punkt  sind  geboten.  Nach  Brugsch  ist  die  Zeit  des  Tybi  17.  November 
bis  16.  Dezember.  Das  Böte  muss  also  unmittelbar  nach  dem  Zurücktreten  der 
Nilschwelle  (Oktober)  gesäet  worden  sein,  um  im  frühen  Winter  reif  sein  zu 
können.  Es  konnte  diese  Getreideart  mithin  keine  lange'  Ackerbaupenode  bean- 
spruchen'). AUe  Autoren  haben  bisher  die  ^xjpa,  der  Septuaginta  mit  Spelt, 
opeautre  (Triticum  Spei ta  L.)  identificirt,  obgleich  bis  zu  dem  vorhin  erwähnten 
Funde  Maspero's  nichts  diesem  Korn  Aehnliches  in  ägyptischen  Gräbern  ge- 
funden worden  war.  Der  Emmer  (Triticum  dicoccum  Schrk.),  welcher  nun 
aber  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  als  das  Böte  der  Alten  betrachtet  werden 
muss,  dürfte,  wie  es  bereits  A.  de  Candolle  ausgesprochen  (Orig.  p.  293),  nichts 
anderes  sein,  als  eine  der  älteren  Culturformen  des  Dinkel  oder  Spelt  (Triticum 

1)  Eine  Form  des  Emmer,  Triticum  dicoccum  Schkr.  var.  arras  Br.,  im  Tigrini* 
..arras**  genannt,  findet  sich  heute  noch  in  drei  Formen  im  nördlichen  Abessinien  cahivirt 
Einige  Beisende,  z.  B.  Dr.  Steudner,  haben  diese  Getreideart  ffilschlich  als  «Einkorn" 
bezeichnet 

2)  Die  eponyme  Bezeichnung  des  Monats  Tybi  lautet:  ^Schef-er-böti".  Das  erste 
Wort  hat  gewöhnlich  die  Bedeutimg  von  vtrilitas  und  virtus.  Wie  das  auf  die  nnswdfel- 
haft  feststehende  Bedeutung  von  böti,  okvQaj  zu  beziehen  ist,  weiss  ich  nicht  Auf  jeden 
Fall  erscheint  der  betreffende  Monatsgott  als  Mann  mit  einem  Aebrenähnlichen  Qewichs 
in  der  rechten  Hand.  Man  könnte  beinahe  glauben,  die  virilitas  sei  als  vollste  Ent- 
Wickelung  des  Pflanzen wuchses  gedacht  (H.  Brugsch  brieflich,  Juli  1891). 

3)  Der  Schwerpunkt  der  Weizen-Culturperiode  fallt  heute  in  die  Winter-  und  Pröli- 
jahrsmonatc  des  Jahres.  Weizen  wird  gesäet:  in  Ober-Aegypten  im  November:  anf  der 
Strecke  von  Siut  bis  Minieh  Ende  November;  in  Mittel-Aegypten  von  Feschn  bis  C*iTO 
im  December;  im  Delta  im  Decerober  und  Januar. 


(655) 

SpeltaL.).  Th.  Kotschy  hat  übrigens  die  Pflanze  (Eminer)  in  >virklich  wildem 
Zustande  am  Hermon  gefunden  und  es  kann  diese  Art,  für  welche  im  Sanskrit 
kein  Name  vorhanden  ist,  die  aber  vielleicht  identisch  ist  mit  dem  „Kussemeth'^ 
der  Bibel  (Exod.  IX,  32;  Jesaias  XXVIU,  251;  Ezechiel  IV,  9),  füglich  wohl  als 
die  älteste  der  Weizenarten  angesehen  werden. 

2)  IßT,  die  zweite  Getreideart  der  alten  Inschriften,  kommt  unter  dieser  Be- 
zeichnung bereits  in  den  Denkmälern  der  V.  Dynastie  vor.  Es  ist  von  jeher  an- 
genommen worden,  dass  mit  diesem  Namen  schlechtweg  Gerste  (Hordeum  vul- 
gare L.)  bezeichnet  wurde. 

3)  COTO,  die  dritte  Art,  ebenfalls  seit  der  V.  Dynastie  so  bezeichnet,  ist 
unser  Weizen,  Triticum  vulgare  Vill.  subsp.  durum  Desf.  Von  den  Lexico- 
graphen  wird  dieser  Name  mit  „frumentum"  wiedergegeben. 

Eine  angebliche  vierte  Getreideart  der  alten  Texte  KAMH  ist  nach  ßrugsoh 
nur  als  Gebäck  gedacht.  Dieser  Name  kommt  auch  bereits  in  den  Inschriften  aus 
der  Pyramidenzeit  vor,  hat  aber  als  Determinativ  das  Zeichen  für  Brod,  bezw. 
Kuchen,  Gebäck,  und  keine  Aehre.  Mit  Unrecht  ist  der  Name  daher  von  einigen 
Gelehrten  ohne  Weiteres  mit  dem  „qamh"')  der  heutigen  Aegypter  identificirt 
worden,  obgleich  in  der  Namengebung  für  Culturpflanzen  und  den  aus  denselben 
gewonnenen  Speisen  im  heutigen  Sprachgebrauch  der  arabischen  und  arabisirten 
Völker  vielfach  Willkürlichkeiten  stattfinden  =)• 

Wenn  man  der  ursprünglichen  Heimath  der  heutigen  Culturpflai^en  Aegyptens 
nachforscht,  von  denen  ja  die  Mehrzahl  bereits  in  vorchristlicher  Zeit  daselbst 
vorhanden  gewesen  sein  mag,  und  wenn  man  alle  darauf  bezügliche  Thatsachen 
zusammenstellt,  so  erhält  man  eine  Art  von  Abriss  der  auswärtigen  Beziehungen  dieses 
Landes.  Es  giebt  wohl  keinen  Ackerbaustaat  der  Welt,  dessen  angebaute  Nutz- 
pflanzen sänmitlich  Landeskinder  wären,  ich  meine  solche  Pflanzen,  die,  ur- 
sprünglich der  wilden  Flora  angehörig,  durch  die  ihnen  vom  Menschen  angediehene 
Pflege  veredelt,  zu  Culturpflanzen  wurden.  Nichts  bezeugt  mehr  das  gemeinsame 
Band,  das  alle  Menschen  vereinigt,  als  die  weltbürgerliche  Natur  des  Ackerbaues, 
und  diese  Thatsache  allein  genügt,  um  den  Beweis  zu  erbringen,  dass  in  der 
Culturwelt  die  Völker  auf  einander  angewiesen  sind,  wie  unter  sich  die  einzelnen 
Menschen,  und  dass  sie,  wie  diese,  abhängig  von  einander  sind;  die  Familie,  die 
staatliche  Gemeinschaft,  der  völkervermittelnde  Verkehr,  diese  sind  es,  welche 
die  Wohlfahrt  aller  bedingen.  Was  sich  absondert,  muss  zu  Grunde  gehen.  Man 
sollte  nun  meinen,  dass  ein  Land,  wie  Aegypten,  bei  der  einzigen  Eigenart  seiner 
Natur  und  dem  ebenso  scharf  ausgeprägten  Charakter  selbsterworbener  Cultur, 
einen  Ausnahmefall  darstellen  müsste.  Aber  dem  ist  nicht  so.  Die  Aegyptologen 
weisen  auf  jeder  Seite  der  alten  Geschichte  die  fremden  Entlehnungen  nach  und 
das  Gleiche  gilt  dann  auch  für  die  Geschichte  des  ägyptischen  Ackerbaues. 

Nun  begegnen  wir  zunächst  einer  ganzen  Reihe  von  Nutzpflanzen,  welche, 
von  Alters  her  in  Aegypten  angebaut,  heute  noch  in  den  südlichen  Gebieten,  in 
Nubien  und  höher  hinauf,  am  oberen  Nil,  wildwachsend  angetroffen  werden,  in 
Gebieten,  wo  die  freie  Natur  zur  Geltung  kommt  und  uns  in  unzweideutiger  Weise 
ein  Abbild  von  dem  vor  Augen  führt,  was  das  Nilthal  ursprünglich  gewesen  sein 
muss.    Denn  aus  allgemeinen  pflanzengeographischen  Gründen  ist  leicht  der  Nach- 

1)  Im  Arabischen  von  Jemen  heisst  Weizen  ^ben"*,  im  Amharcnia  «ssindi**  oder 
,,sau^de'',  im  Tigrinia  „semai''. 

2)  Ich  erwähne  x.  B  :  „esch",  in  Aegypten  „Brod"*  schlechtweg,  bedeutet  im  ägyp- 
tischen Sudan  Mohrhirse  (Andropogon  Sorghum  Brot). 


(656) 

weis  zn  fuhren^  dass  die  Uferwälder  am  unteren  Nil  und  die  Uebcrsehwemmungs- 
Gebiete  dieses  Thaies  einen  der  tropischen  Steppenregion  der  Nordhälfte  Africas 
entsprechenden  Vegetationscharakter  gehabt  haben  müssen,  bevor  noch  der  Mensch, 
zugleich  zerstörend  und  neuschaffend,  sich  daselbst  auszubreiten  begann.  Das 
wirkliche  Indigenat  dieser  Pflanzenarten  habe  ich  durch  eigene  Anschauung  in 
allen  Fällen  nachweisen  können. 

Ein  Theil  der  Arten  ist  nun  allerdings  im  wilden  Zustande  auf  die  Flora  dos 
tropischen  Africa  beschränkt,  und  bei  diesen  Pflanzen  liegt  die  Vennuthung  nahe, 
dass  sie  erst  durch  die  Aegypter  in  Anbau  gebracht  und  anderen  Völkern  zu 
diesem  Behufe  übermittelt  worden  sind.  Ein  anderer  Theil  dagegen  gehört  in  die 
Kategorie  der  Tropenkosmopoliten,  und  bei  diesen  ist  der  Nachweis  der  ursprüng- 
lichen Ausschliesslichkeit  des  afrikanischen  Indigenats  schwer  zu  erbringen  (z.  B. 
bei  Cajanus  flavus  DC.  in  Ostindien,  Südamerica  und  sonst).  Manche  der  letzteren 
können  in  verschiedenen  Gebieten,  unabhängig  von  einander,  zu  Oultnrpflanzen 
herangezogen  worden  sein,  sowie  ja  auch  ganz  ähnliche  Hausthiere  (Hunde,  Ratzen, 
Esel,  Schweine!)  von  verschiedenen  Arten  der  wilden  Fauna  abstammen  und,  zu 
verschiedenen  Zeiten  und  in  verschiedenen  Gegenden,  gesondert  in  den  Dienst 
des  Menschen  getreten  sein  mögen  und  wahrscheinlich  auch  sind. 

An  solchen  Gewächsen  lieferte  Ur-Aegypten,  vielleicht  bereits  als  erste  Cultur- 
Errungenschaft  seiner  anfänglichen  menschlichen  Bewohner,  die  nachfolgenden 
Arten: 

Acacia  nilotica  Del.,  Lablab  vulgare  Savi.,  Vigna  sinensis  Endl.,  Cajanus 
flavus  DC,  Corchorus  olitorius  L.,  Abelmoschus  esculentus  Mch.,  Hibiscus  canna- 
binus  L.,  Cucumis  Melo  L.  var.  Chate  (Fk.),  Luflfa  cylindrica  Ser.,  Citrullus  vulgaris 
Schrad.,  Hyphaene  thebaica  Mart. 

Man  könnte  diesem  Verzeichniss  noch  einige  Arten  hinzufügen,  deren  Her- 
kunft indess  Zweifel  nach  mehr  als  nach  einer  Richtung  offen  lässt.  Hier  muss 
auch  der  seit  sehr  alter  Zeit  in  Aegypten  als  Fruchtbaum  verbreiteten  Dattelpalme 
(Phoenix  dactylifera  L.)  gedacht  werden,  deren  ursprüngliche  Heimath,  bei 
ihrer  gleichmässig  dichten  Verbreitung  vom  Indus  bis  an  den  Senegal  (Region  du 
dattier,  Boissier  in  Flora  Orientalis.  Vol.  I.  Prüf.  p.  X),  heute  schwer  zu  eruiren 
ist.  Wenn  man  auch  die  nächstverwandte  Art,  die  süd-afrikanische  Phoenix 
reclinata  Jacq.,  die  in  den  Gebirgen  Nord-Abessiniens  und  Süd- Arabiens  häufig 
verbreitet,  wenn  auch  nirgends  bestandbildend  ist,  als  die  Stammart  betrachten 
wollte,  so  muss  doch  zugegeben  werden,  dass  in  der  weiten  Region  der  Dattel- 
palme häufig  Stellen  nachzuweisen  sind,  wo  die  Art  durchaus  den  Anschein  und 
das  Aussehen  eines  wilden  Indigenats  zur  Schau  stellt. 

Nächst  dem  urägyptischen  Nilthal  ist  für  unsere  Betrachtung  Süd-Arabien 
heranzuziehen,  im  engeren  Sinne  das  Gebii^sland  an  der  Südwestocke  der  grossen 
Halbinsel  gedacht,  das  sogenannte  glückliche  Arabien,  einer  der  am  meisten  her- 
vorragenden Culturheerde  im  grauen  Alterthum. 

Ausser  dem  engeren  Jemen  von  heute  kommen  hierbei  auch  die  benachbarten 
und  umliegenden  Landschaften  in  Betracht,  afrikanische  sowohl,  als  auch  asiatische, 
mit  einem  Wort,  jenes  Gebiet,  das  in  der  Geschichte  so  häufig  als  Ziel  unter- 
nehmender Pharaonen  unter  dem  Namen  Punt  (oder  richtiger  Pu-one)  genannt 
wird  und  das  Sprenger')  mit  den  Worten  bezeichnet:  ^Die  Weihrauchregion  ist 
das  Herz  des  alten  Welthandels  und  es  hat  schon  in  vorhistorischer  Zeit  zu 
schlagen  angefangen.^ 

1)  A.  Sprongcr,  Alte  Geographie  Arabiens.    S.  299. 


(657) 

In  der  That  müssen  bereits  in  prähistorischer  Zeit,  wenn  man  diesen  Aus- 
druck auf  die,  den  ältesten  uns  bekannten  Schriftdenkmälern  der  Aegypter  vorher- 
gegangenen Epochen  anwenden  will,  aus  Süd- Arabien,  aus  dem  „heiligen  Lande" 
der  Inschriften,  die  beiden  der  Isis  (speciell  der  Hathor)  geheiligten  Bäume,  die 
„Persea"*)  der  Alten  (Mimusops  Schimperi  Höchst.),  „Lebbach"  der  arabischen 
Schriftsteller,  und  die  Sykomore  (Picus  Sycomorus  L.)  nach  Aegypten  gebracht 
worden  sein*). 

Auch  die  Cultur  der  ächten  Feige  (Picus  CaricaL.)  reicht  in  Aegypten  in 
die  ältesten  Zeiten  hinauf  und  ist  durch  bildliche  Darstellung  hinlänglich  verbürgt. 
Süd-Arabien  und  Nord-Abessinien  beherbei^en  in  ihrem  wilden  Plorenbestande 
eine,  von  manchen  Formen  der  cultivirten  Feige  kaum  anders,  als  durch  die  etwas 
kleineren  Früchte  und  die  stets  keimfähigen  Samen  zu  unterscheidende  Art,  Ficus 
palmata  Porsk.  (syn.  F.  pseudocarica  Höchst.),  welche  von  den  Bewohnern  beider 
Gebiete  heute  „Beless"  genannt  wird,  mit  welchem  Namen  man  dort  auch  die  ess- 
bare Culturfeige  bezeichnet.  Da  im  Mediterrangebiet  und  in  Westasien  die  dort 
angeblich  wilde  Picus  Carica  L.  immer  nur  unter  den  sichtbaren  Anzeichen  eines 
sporadischen  Verwildertseins  angetrofiten  wird,  die  wirklich  wilden  Arten  Persiens, 
Vorder-Indiens  und  Nord-Arabiens  aber  der  Gulturart  weit  femer  stehen,  als  die 
erwähnte  süd-arabisch-abessinische,  so  kann  es  für  mich  keinem  Zweifel  unter- 
liegen, dass  unsere  Feige  der  ursprünglichen  Heimath  von  Sykomoren  und  Persea, 
dem  alten  Punt-Lande,  entlehnt  worden  ist.  Durch  den  in  die  ältesten  Zeiten 
hinauiragenden  Weihrauchhandel,  dui^ch  die  Punt-Pahrten  zur  Zeit  des  mittleren 
Reiches,  schliesslich  durch  das  Aufblühen  des  Seeverkehrs  an  den  afrikanisch- 
asiatischen Rüsten  unter  den  Ptolemäem  wurden  diese  Beziehungen  zwischen  Süd- 
Arabien  und  Aegypten,  ungeachtet  langer  Unterbrechungen,  immer  wieder  von 
Neuem  aufgefrischt 

Als  ein  späteres  Qeschenk  der  ursprünglichen  Pomona  des  glücklichen 
Arabiens  ist  der  noch  heute  auf  den  Bergen  bei  Taes  wild  vorkommende  Johannis- 
brodbaum  (Ceratonia  Siliqua  L.)  zu  bezeichnen.  Es  scheint  dieses  Gewächs  bereits 
während  der  griechischen  Epoche  nach  Aegypten  gelangt  zu  sein,  indess  ver- 
muthlich  auf  dem  Wege  über  Syrien. 

Nachdem  die  Araber  sich  erobernd  und  von  Neuem  religionsstiftend  über 
Aegypten  ergossen  hatten,  wurde  Süd -Arabien  der  Vermittler  des  Verkehrs  mit 
Indien,  und  manche  indische  Gulturpflanze  gelangte  auf  diesem  Wege  an  den  Nil, 
nachdem  zuvor  in  Jemen  Culturetappen  durchgemacht  waren.  Die  hier  in  Be- 
tracht kommenden  Arten  sind,  wenn  von  Indien  die  Rede  sein  wird,  zu  erwähnen. 
Hinsichtlich  der  Kolokasia  (Golocasia  antiquorum  Schott),  deren  Heimath  ge- 
wöhnlich in  Indien  angenommen  wird,  ist  indess  schon  an  dieser  Stelle  ein  Vor- 
behalt zu  machen,  da  das  Bürgerrecht  dieser  Nutzpflanze  im  Plorenbestande  von 
Jemen  durch  meine  eigenen  Wahrnehmungen  bezeugt  ist.  Vielleicht  schon  während 
der  griechisch-römischen  Zeit  in  Aegypten  eingeführt,  gelangte  die  Kolokasia  später 
von  hier  nach  Süd-Europa.  Sie  gehört  zu  derjenigen  Kategorie  von  Gulturpflanzen, 
die  einen  Vergleich  mit  der  Polypatrie  gewisser  Hausthiere  herausfordern. 

Bei  Arabien  sei  noch  gewisser,  durch  den  Gräbercult  des  Islam,  sowie  durch 
die  Mekka-Pilgerfahrten  nach  Aegypten  verbreiteter  Succulentpflanzen  (Symbole 
des  ewigen  Lebens  und  der  Auferstehung)  gedacht:  Aloe  veraLam.,  Kalanchoe 


1)  Dieser  Name  ist  nicht  zu  verwechseln  mit  dem  von  Gärtner  einem  amerikanischen 
Baume,  der  Persea  gratissima,  gegebenen. 

2)  Vergl.  Schwein furth,  Verhandl.  der  Ges.  f.  Erdkunde.    Berlin  1889.    Nr.  7. 

VerhaodL  (Ur  BerL  Aothropol.  Gesellschaft  1891.  42 


(658) 

deficiens  Asch,  et  Schf.,  Cissus  rotundifolius  V.,  Euphorbia  mauritanica  L. 
Die  hauptsächlichste  Gräberpflanze  indess,  die  Aloe,  hatte  sich  bereits  in  vor- 
christlicher Zeit '),  wegen  ihrer  medicinischen  Eigenschaften,  nach  Syrien,  Griechen- 
land und  wohl  auch  damals  schon  nach  Aegypten  verbreitet.  Aus  Arabien  ge- 
langten auch  beliebte  Zierpflanzen  in  die  ägyptischen  Gärten,  so  unter  anderen 
die  von  da  aus  später  nach  Italien  und  dem  nördlichen  Orient  verbreitete  Iris 
florentina  L.,  die  ich  an  der  Spitze  des  Berges  Schibam  über  Menacha  bei 
3(X)0  m  in  grosser  Menge  antraf.  Die  Heimath  dieser  bekannten  Gartenpflanze 
war  bisher  tmbekannt  geblieben. 

Die  in  Kleinasien,  Persien  und  dem  nordwestlichsten  Theile  von  Vorderindien 
einheimische  Luzerne  (Medicago  sativa  L.),  welche  nach  den  Angaben  griechischer 
und  römischer  Autoren  im  5.  Jahrhundert  v.  Chr.  aus  Medien  nach  Entopa  ge- 
langte, wie  ja  auch  der  griechische  und  lateinische  Name  andeutet,  scheint  den 
Aegyptem  bis  in  die  neueste  Zeit  unbekannt  geblieben  zu  sein.  In  Sttd-Arabien 
wird  die  Pflanze  vielfach  als  Futterkraut  angebaut  tmd  an  der  sttd-arabischen 
Küste  nennt  man  sie  „Gadhub".  Die  Araber  erhielten  die  Pflanze  aus  Persien. 
Die  Luzerne  wird  gegenwärtig  in  Aegypten  allgemein  „berssim  hegiäsi^,  d.  b. 
„arabischer  Klee^  genannt  und  ist  wahrscheinlich  erst  seit  den  Feldzttgen  gegen 
die  Wahabiten  daselbst  bekannt  geworden.  Indess  wird  der  oben  erwähnte  sfid- 
ärabische  Name  Gadhub  in  den  ägyptischen  Oasen,  wie  in  denen  Tripolitaniens 
(selbst  in  Kauar),  allgemein  angewendet. 

Obgleich  Syrien,  als  das  nachte  Nachbarland,  von  jeher  mit  Aegypten  einen 
regen  Verkehr  unterhalten  haben  muss,  so  reichen  die  Gultur- Entlehnungen 
syrischen  Ursprungs,  auch  die  aus  zweiter  Hand  vermittelten,  nicht  in  ein  so 
hohes  Alter  zurück,  wie  diejenigen  Babyloniens.  Die  mittleren  Euphratländer 
waren  es,  welche,  wie  bereits  erwähnt  wurde,  schon  in  voi^geschichtUcher  Zeit  den 
Aegyptem  Emmer,  Weizen  und  Gerste  geliefert  haben,  vielleicht  auch  die  Linsen 
(Lens  esculenta  Mnch.). 

Auch  Persien  tritt  bereits  in  ältester  Zeit  mit  einer  sehr  bezeichnenden  Gabe 
in  den  Haushalt  der  Aegypter.  Es  ist  das  bekannte  Färbemittel  der  Hände,  Nägel 
und  Haare,  die  „Henna^  (Lawsonia  inermis  Lam.),  die  „Kypros^  des  Dioacorides 
(Diosc.  I.  124),  „Kopher^  des  Hohen  Liedes  (I.  14),  und  noch  heutigen  Tages  von 
den  Nubiem  „Chofreh^  genannt.  Die  Heimath-)  dieses  Strauches  mag  wohl 
eher  Vorder-Indien  gewesen  sein,  aber  zahlreiche  Umstände  sprechen  daft&r,  dass 
das  alte  Persien  bei  seiner  Verbreitung  die  erste  Vermittlerrolle  gespielt  haben 
muss. 

Wenn  man  den  bestimmten  Aussagen  verschiedener  Beisender  trauen  dar( 
so  war  Persien  oder  der  Nordwesten  von  Vorder-Indien  auch  das  Ursprungsland 
eines  anderen,  seit  den  ältesten,  durch  Inschriften  beglaubigten  Zeiten  in  Aegypten 
eingebürgerten  Fruchtbaums,  des  Granatapfels  (Punica  Granatum  L.).  Aller- 
dings sprechen  auch  gewichtige  Gründe  dafür,  dass  der  „Punische  Apfel*^,  der  den 
Römern  durch  die  Karthager  bekannt  wurde,  in  Urzeiten  mit  manchen  andovn 
Gewächsen  aus  der  südarabischen  Region  zu  den  nördlichen  Semiten  gelangte, 
vielleicht  auch  schon  in  Gemeinschaft  von  Persea  und  Sykomore  nach  Aegypten. 
Zwar  hat  man  den  wirklichen  Granatapfel  in  diesen  Gegenden  noch  nirgends  wild 

1)  Plinius  Mist.   XXVII    5.    Dioscorides   lU.   22. 

2)  Etnin  Pascha  verdanken  wir  eine  Angabe  über  wildes  VorkoDimen  von  I^wtooi» 
im  Osten  vom  oberen  Bahr-el-Qebel  (Lahika-Gebiot\  aber  diese  Thatsacbe  ist  noch 
durchaus  zweifelhafter  Natur  (Emin  Pascha,  eine  Sammlung  u.  8.  w.    8.  251,  401)), 


(659) 

angetroffen,  allein  auf  der  Insel  Socotra  wächst  die  einzige  bekannte  wilde  Art  der 
Gattung,  die  Punica  Protopunica  Balf.  f.*),  welche  von  den  heutigen  Formen 
der  Culturpflanze,  nach  dem  zu  urtheilen,  was  ich  in  Socotra  sah,  eigentlich  nur 
durch  die  Blätter  verschieden  ist.  Auf  die  Merkmale  der  Frucht  möchte  ich  in 
diesem  Falle  nicht  allzuviel  Gewicht  legen. 

Mit  der  altpersischen  Eroberung  Aegyptens  dürfte  auch  das  Auftreten  des 
Nelumbium  speciosum  W.  zusammenfallen.  Diese  Pflanze  scheint  seit  jener 
Zeit  als  der  ächte  Lotus  angesehen  worden  zu  sein. 

Vor  der  persischen  Epoche  finden  sich  als  Lotus  nur  die  zwei  Nymphaea- 
Arten,  die  der  Flora  des  Nils  noch  heute  angehören,  auf  den  Tempelbildern  und 
in  den  Gräbern  dargestellt.  Der  asiatische  Lotus  (Nelumbium)  ist  in  Africa 
nirgends  wild.  Er  verdrängte  als  symbolische  Zierpflanze  den  einheimischen  und 
ward  demselben  substituirt.  Da  der  Lotuscult  des  Nelumbium  in  Indien  seinen 
Mittelpunkt  hatte,  so  lässt  sich  auch  in  diesem  Falle  eine  Vermittlerrolle  Seitens 
der  Perser  voraussetzen. 

In  die  darauf  folgende  Periode  der  ägyptischen  Geschichte,  in  die  griechisch- 
römische Zeit,  ftUlt  die  Einführung  zweier  der  heute  noch  in  Aegypten  meist  ver- 
breiteten Fruchtbäume,  des  Pfirsichs  und  der  Aprikose,  bei  denen  die  persische 
Yermittelung  noch  deutlicher  hervortritt,  wennschon  auch  Sjrrien  dabei  die  Hand 
im  Spiele  gehabt  haben  muss.  Den  genannten  Obstbäumen  sind  als  eigentliche 
Heimath  jene  central-asiatischen  Gebiete  anzuweisen,  in  welchen  die  chinesische 
Culturwelt  mit  der  indischen  und  persischen  Fühlung  gewann,  allerdings  erst  in 
verhältnissmässig  später  Epoche.  Die  aus  Persien  stammende  Quitte  (Cydonia 
vulgaris  Pers.)  ist  in  den  Gärten  Ünter-Aegyptens  seit  langer  Zeit  verbreitet,  aber 
daselbst  wohl  neueren  Ursprungs,  als  Pfirsich  und  Aprikose. 

Die  grosse  indische  Culturwelt  war  in  ihren  Beziehungen  zu  Aegypten  nicht 
allein  auf  die  persische  Vermittlerrolle  angewiesen,  da  offenbar  spätestens  seit  der 
Ptolemäerzeit  der  Seeweg  offen  stand;  ausserdem  aber  bildete  ja  auch  die 
arabische  Halbinsel,  und  zwar  nicht  nur  fn  ihrer  Diagonale  über  Maskat,  ein 
Mittelglied.  Guillain  in  seinem  historisch-geographischen  Werke  über  Ostafrika 
(I.  p.  35 — 39)  betrachtet  die  Araber  als  die  ersten  Seefahrer  des  Indischen  Oceans, 
und  gewiss  waren  sie  auch  hier,  wie  auf  den  Landwegen,  die  Handlanger  des 
Welthandels  der  Phönicier.  Es  musste  jedem,  der  sich  aufs  Meer  getraute,  bald 
einleuchten,  dass  die  grosse  Regelmässigkeit  der  Monsun -Winde  die  leichte  Ver- 
bindung zwischen  Indien  und  Africa  längs  der  arabischen  Rüste  ausserordentlich 
förderte.  Der  günstige  Windgott  belohnte  hier  jedes  Unternehmen  gleichsam  mit 
einem  freien  Retourbillet. 

Indien  muss  allerdings  schon  in  sehr  alter  Zeit  mit  Ost-Africa  in  Verkekr  ge- 
standen haben,  denn  die  Herkunft  einer  Anzahl  acht  indischer  Culturgewächse 
lässt  sich  nur  aus  dem  tropischen  Africa  ableiten,  wenn  man  auf  den  Umstand 
überhaupt  Werth  legen  will,  dass  die  nächstverwandten  congeneren  Arten  der 
Wildniss  in  Africa  zu  Hause  sind  und  nicht  in  Indien.  Dies  ist  in  erster  Linie 
der  Fall  mit  den  im  tropischen  Africa  so  weit  verbreiteten  wilden  Reis  (Oryza 
punctata  Ky.),  der  sich  von  vielen  angebauten  Formen  des  Reis  (Oryza  sa- 
tiva  L.)  durch  Merkmale  von  specifischem  Werthe  überhaupt  nicht  unterscheiden 
lässt.  Sesam  um  ist  eine  andere  (Gattung,  deren  sämmtliche  Arten  der  Flora  des 
tropischen  Africa  angehören,  darunter  einige  der  Gulturart  (Sesamum  indicum  L.) 


1)  Vergl.  J.  B.  Balfour,  Botany  of  Socotra,  p.  98—%. 

42' 


(ßßO) 

mihe  stehende  Formen.    Andropogon  Sorghum  Brot,    die  Mohrhirse,  hat  eine 
iranze  Reihe  den  Culturformcn  durchaus  nahestehender  wilder  Vertreter  in  Africa. 

Zu  dieser  Kategorie  der  tropisch-afrikanischen  Entlehnungen,  auf  dem  räumlich 
wie  zeitlich  so  unendlich  weiten  Umwege  über  Indien,  gehört  vielleicht  auch  das 
Zuckerrohr')  fSaccharum  officinarum  L.),  die  Eleusine  coracana  Gaertn. 
und  die  Vigna  sinensis  Endl.,  deren  Ableitung  aus  indischen  Stammarten  bisher 
eine  grössere  Berechtigung  zu  haben  schien. 

Indien  scheint  demnach  in  den  alten  Zeitabschnitten  eine  ähnliche  Vermittler- 
rolle auf  weitem  Umwege  gespielt  zu  haben,  wie  im  16.  Jahrhundert  Constantinopel 
(d.  h.  wohl  eher  die  venetiani sehen  Colonien  Candien,  Cypern,  Rhodos  u.  a.)  im 
Austausch  amerikanischer  Cultur-Novitäten  an  West-  und  Nord-Europa  („Mais"  — 
türkischer  Weizen,  „granturco";  Puterhahn  —  „turkey"  u.  dergl.). 

Der  Sesam  muss,  den  Erwähnungen  desselben  bei  Theophrast  und  Dioscorides 
zufolge,  in  griechischer  oder  vorgriechischer  Zeit  von  Indien  nach  Aegypten  ge- 
langt sein.  Plinius  (XVIII,  10)  behauptet  diese  Herkunft  ausdrücklich.  Aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  fällt  in  dieselbe  Zeit  auch  die  Einführung  des  Indigo  (Indigo- 
fera  argentea  L.)  als  Culturpflanze*),  bezw.  seine  Heranziehung  aus  der  ein- 
heimischen Flora  für  die  Bodencultur,  wenn  das  letztere  nicht  eher  den  Arabern 
der  Chalifenzeit  zu  verdanken  war.  Der  Mohrhirse  und  Kolokasia  ist  bereits  ge- 
dacht worden. 

Während  der  römischen  Kaiserzeit  gelangte  der  „modische  Apfel",  heute 
„Cedro"  der  Italiener  (Citrus  medica  Risse)  nach  Syrien  und  Aegypten,  um  als- 
bald weiter  nach  Süd-Europa  (im  3.  Jahrhundert  in  Italien)  übermittelt  zu  werden. 
Diese  Art  wird  ebenso,  wie  die  süsse  Citrone  (Limetta)  und  die  kleine  Limone 
der  Araber,  als  der  Flora  des  subalpinen  Vorder-Indiens  (Süd-Himalaya)  angehörig 
betrachtet.  Dass  Persien  und  Medien  oder  Mesopotamien  die  Verbreitung  des 
Baumes  nach  Westen  vermittelt  haben,  geht  aus  der  Namengebung  bei  den  alten 
Schriftstellern  hervor  („medischer",  „persischer"  und  „assyrischer"  Apfel). 

Die  arabische  Chalifenzeit  ist  reich  an  indischen  Einführungen  in  Aegypten 
und  hier  betreten  wir  beglaubigt  historischen  Boden.  Der  Reis,  das  Zuckerrohr, 
der  weisse  Maulbeerbaum,  die  Cassia  Fistula  L.,  die  Banane  (Musa  sapicn- 
tium  L.),  die  Pomeranze')  (Citrus  Bigaradia  Duh.)  und  die  kleine  Limone 
(Citrus  Limonum  Risso,  var.  pusilla  Risso),  schliesslich  eine  Anzahl  beliebter 
Zierpflanzen,  unter  ihnen  Jasminum  Sambac  L.  und  J.  grandiflorum  L.  ge- 
hören dieser  Periode  an,  in  welcher  Aegypten  nicht  nur  der  empfangende  Theil 
war,  sondern  auch  den  weiteren  Vermittler  nach  Europa  spielte. 

Die  süsse  Orange  (Citrus  Aurantium  Risso)  hat  sich  nach  A.  de  Candolle 

1)  Ritte r's  klassische  Studie  über  die  geographische  Verbreitung  des  Zuckerrohrs 
hat  vor  einem  halben  Jahrhundert  den  Nachweis  der  indischen  Heimath  dieser  Pflanxe 
erbracht,  aber  A.  de  Candolle  (Origines,  p.  122 — 127)  hat  in  dieser  Frage  ganx  neue 
Gesichtspunkte  aufgestellt  und  die  Herkunft  des  Zuckerrohrs  aas  Süd-China  oder  aas 
Hinter-Indien  in  hohem  Grade  wahrscheinlich  gemacht.  Hinter-Indion  scheint  ein  Jkhn- 
liches  Hinterland  der  Cultur  für  Vorder- Indien  gewesen  zu  sein,  wie  Süd-Arabien  für 
Aegypten. 

2)  Theophrast  (V,  107)  spricht  von  einer  wildwachsenden  Form,  während  Pliniiu 
(XXXV,  12  imd  25)  nur  des  Indigos  als  Drogue  Erwähnung  thut.  Hinsichtlicb  der  Coltitr 
der  ächten  Indigofera  tinctoria  L.  in  Aegypten  fehlt  es  an  Belegen.  Die  heute  in  Aegypten 
angebaute  Art  ist  im  wilden  Zustande  der  desertischen  Flora,  sowohl  Aegypten»  und 
Nubiens,  als  auch  des  nordwestlichen  Indiens  eigen. 

.'))  Nach  Massudi  über  Maskat  im  10.  Jahrhundert. 


(661) 

in  Süd-Europa  seit  dem  Beginn  des  XV.  Jahrhunderts  zu  verbreiten  begonnen, 
sicher  noch,  wenn  auch  nur  kurze  Zeit,  vor  den  grossen  Seefahrten  der  Portu- 
giesen. Dennoch  hat  man  die  letzteren  als  hauptsächliche  Pfleger  und  Verbreiter 
dieser  Königin  der  Früchte  anzusehen,  denn  sowohl  in  Aegjrpten  und  Syrien 
(„bortuqän"),  als  auch  in  Italien  („portogallo"),  benennt  man  sie  nach  dem  glor- 
reichen Volke.  Als  Heimath  der  Orange  ist  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  das 
südliche  China  oder  Elinter-Indien  zu  betrachten.  Wahrscheinlich  wurde  sie  über 
Vorder-Indien  weiter  nach  Westen  und  wohl  nur  vermittelst  Samenzusendung  nach 
Europa  fortgepflanzt,  da  ihre  Cultur  in  Aegypten  und  Syrien  keine  Etappe  gemacht 
zu  haben  scheint,  wie  bei  anderen  Arten  dieser  Familie.  Das  Gesagte  gilt  auch  für 
die  gewöhnliche  Citrone  (Citrus  LimonumRisso,  var.  vulgaris  Risso),  während 
die  süsse  Citrone  (var.  du  1  eis  Moris)  wohl  schon  im  arabischen  Mittelalter  an 
den  Nil  gelangt  ist. 

Aus  Indien  brachten  auch  die  Araber  den  von  der  Subhimalaya- Region 
stammenden  Cassiabaum  (C.  Fistula  L.)  del  heute  noch  in  Unter-Aegypten  ziemlich 
häufig  anzutreffen  ist.  Die  gleichfalls  subhimalayische  Cordia  Myxa  L.  gehört 
den  ägyptischen  Gärten  wohl  schon  seit  der  griechischen  Zeit  an,  während  die 
Acacia  Parnesiana  W.,  welche  J.  D.  Hooker  als  indischen  Ursprungs  betrachtet, 
vielleicht  .erst  nach  Beginn  der  türkischen  Epoche  eingeführt  wurde. 

Die  neueste  Errungenschaft  der  ägyptischen  Cultur  aus  Indien  ist  seit  etwa 
zweihundert  Jahren  der  jetzt  so  massenhaft  verbreitete  und  bereits  den  landschaft- 
lichen Charakter  von  Unter-Aegypten  modiflcirende  Alleebaum  Albizzia  Lebbek 
Bth.,  der  mit  dem  auf  ihn  übertragenen  altarabischen  Namen  „lebbach"  gleichsam 
das  Erbe  der  ausgestorbenen  Persea-Cultur  angetreten  hat. 

Syriens  anscheinendes  Fembleiben  bei  den  ältesten  Cultur-Entlehnungen  war 
vorhin  erwähnt  worden.  Naturgemäss  muss  bei  allem  typisch  Mediterranen  in 
Aegypten  zunächst  die  Annahme  eines  syrischen  Ursprungs  sich  uns  aufdrängen, 
denn  ein  grosser  Theil  der  syrischen  Flora  ist  entschieden  süd-europäisch-medi- 
terranen  Charakters,  während  die  Nilflora,  selbst  die  im  Delta  und  an  der  Küste 
der  NUmündungen  von  diesem  Typus  nur  Geringes  aufzuweisen  hat.  Einige  der 
älteren  ägyptischen  Culturpflanzen  mögen  aber  bereits  zur  Zeit  der  ersten  Dynastien 
von  Sjrrien  aus  Unter-Aegypten  erreicht  haben.  Linsen  (Lens  esculenta  Mch.), 
Saubohnen  (Vicia  Faba  L.)  und  Coriander  (Coriandrum  sativum  L.)  sind  wenigstens 
durch  Gräberfunde  schon  aus  der  Zeit  der  XI.  Dynastie  nachgewiesen  und  diese 
drei  gehören  in  die  Kategorie  der  Pflanzen  von  ausgeprägt  mediterranem  Typus. 
Die  Saubohne  ist  nach  de  CandoUe^s  Ansicht  von  einer  wilden  Wickenart  des 
Mittelmeergebiets,  Vicia  narbonensis  L.,  abzuleiten;  aber  Fr.  Körnicke,  dessen 
Urtheil  ebenso  maassgebend  für  die  Cultur -Leguminosen  ist,  wie  ftlr  das  Heer 
der  Cerealien,  schliesst  sich  dieser  Meinung  durchaus  nicht  an.  Vicia  narbo- 
nensis L.  erscheint  schon  auf  den  ersten  Blick  als  eine  gänzlich  verschiedene 
Pflanze  und,  bei  näherer  Betrachtung  der  EHnzeltheile,  drängen  sich  zahlreiche, 
nicht  leicht  zu  überwindende  Schwierigkeiten  auf,  die  gegen  die  Vereinigung  mit 
der  Saubohne  sprechen.    Allerdings  ist  die  genannte  Wicke*)  noch  heute  als  ge- 

1)  Ich  muss  an  dieser  Stelle  die  einheimischen  Namen  anführen,  die  allerdings  viel 
zu  denken  geben.  In  Aegypten  nennt  man  heute  die  Vicia  Faba  L.  ^fül",  im  Jemen 
^gille",  in  Abessinien  aber,  in  Tigrinia  „ater  bahri"  oder  „ater  bähari",  d.  h.  die  bähaii- 
Erbse  (ater  in  Tigrinia  und  in  Jemen  —  arabisch  „äter''  oder  „ätar*',  attar  heisst  die 
£rbse,  Pisum  sativum  L.);  bahar  ist  also  wahrscheinlich  der  altsemitische  Name  für  die 
Saubohne  und  dieses  Wort  ist  heute  noch  in  Aegypten  bei  den  Fellahen  des  Fajum  und 
des  Delta  für  Vicia  narbonensis  L.  in  Gebrauch,  es  lautet  daselbst:  ^bächer*'. 


(662) 

legentliches  Unkraut  in  den  Saubohnen-Feldern  Aegyptens,  und  zwar  nur  in  ihnen, 
ziemlich  häufig. 

Hier  etösst  unsere  Betrachtung  auf  die  wichtige  Frage  nach  dem  Ursprung 
einer  grossen  Anzahl  ägyptischer  Feld -Unkräuter,  die  dem  ächten  Mittelraeer- 
Typus  angehören.  Dieser  letztere  ist  auf  den  Aeckcrn  der  ägyptischen  Oasen  der 
Libyschen  Wüste  in  grösserer  Zahl  vertreten,  als  auf  denen  des  Nilthals,  und 
man  hat  daran  die  Vermuthung  einer  von  Aegypten  unabhängigen  Einführung 
des  Ackerbaues  in  die  Oasen  geknüpft.  Im  Nilthal  sind  es  vor  allem  die  vielen 
Leguminosen  des  Mediterran-Typus  (z.  B.  Fisum  Sativum  L.,  Vicia  sativa  L.,  die 
im  eigentlichen  Aegypten  nicht  angebaut  werden  und  wahrscheinlich  auch  nicht 
wurden),  welche  in  Betracht  kommen,  wenn  von  Syrien  die  Rede  ist,  denn  viele 
derselben  lassen  sich  nicht  ohne  Weiteres  aus  dem  ursprünglichen  Stammlande 
der  Getreidearten,  wenn  man  dasselbe  auf  Babylonien  beschränkt,  herleiten. 

Unger  (in  Sitzb.  d.  Ak.  d.  Wiss.  Bd.  LIV.  S.  10-13.  Wien  1866)  fand  in 
einem  Lufk-Ziegel  der  aus  der  V.  D3Fnastie  stammenden  Ziegelpyramide  von 
Daschür  zwei  Cotyledonen  einer  Leguminose,  die  er  mit  Fisum  arvense  L.  (=  F. 
sativum  L.)  identiflcirte,  desgleichen  eine  Blattranke,  die  er  als  zur  Vicia  sativa  L. 
gehörig  erkannte.  Wenn  man  auch  für  die  erstere  Pflanze  Vicia  narbonensis  L. 
und  für  die  zweitgenannte  Vicia  calcarata  Df.  substituiren  wollte,  so  würde  ans 
diesen  Funden  immerhin  doch  mit  ziemlicher  Sicherheit  hervorgehen,  dass  bereits 
im  dritten  bis  vierten  Jahrtausend  vor  Christo  im  Nilthale  Ackerkräuter  von  aus- 
geprägtem Mediterrantypus  verbreitet  waren. 

Unter  die  Pflanzen  mediterranen  Ursprungs  wird  auch. der  ägyptische  Kümmel 
(Cuminum  cyminum  L.)  und  der  ägyptische  Lattich  (Lactuca  Scariola  L.  var. 
sativa  B.)  zu  zählen  sein,  eine  der  ältesten  Culturpflanzen  des  Nilthals,  da  die 
bis  in  die  XVII.  Dynastie  hinaufreichenden  Darstellungen  auf  Tempelbildern  keine 
Missdeutung  zulassen  und  die  eigenthümliche  ägyptische  Cultarform  dieser  Pflanze 
auf  eine  lange  Einbürgerung  deutet.  Als  Unkraut  allgemein  verbreitet  sind  ferner 
in  ganz  Aegypten  die  wilden  Cichorien  (Cichorium  divaricatum  Schousb.), 
welche  sich  zu  den  Culturarten  C.  Intybus  L.  und  C.  Endivia  L.  gerade  so  ver- 
halten, wie  die  wilde  Lactuca  Scariola  L.  zu  Lactuca  sativa  L. 

In  einem  gleichen  Verhältniss  zu  einander  stehen  auch  die  wilde  und  die  an- 
gebaute Mohrrübe  (Daucus  CarotaL.),  welche,  wie  der  ägyptische  Lattich  und 
der  ägyptische  Rettich,  eine  durchaus  eigenartige  Form  in  Aegypten  aufweist,  — 
Zeichen  sehr  alter  Cultur.  Die  wilde  oder  verwilderte  Mohrrübe  in  Aegypten  hat 
den  Stempel  einer  eigenen  Art  (Daucus  maximus  Desf.),  welche  in  (Wechen- 
land,  Syrien  und  West-Persien  verbreitet  ist,  und  man  kann  diese  letztere  ab  die 
Stammform  der  ägyptischen  Culturvarietät  betrachten.  Wie  in  Europa  und  im 
mediterranen  Orient  lassen  sich  die  wilden  und  verwilderten  Formen  der  Mohr- 
rübe auch  in  Aegypten  nur  sehr  schwer  auseinanderhalten. 

Wann  sind  diese  Unkräuter  der  Mediterranregion  in's  Land  gekommen? 

Eines  der  am  meisten  charakteristischen,  Medicago  hispidaUrb.  (die  Form 
M.  denticulata  W.),  ist  für  das  ägyptische  Alterthum  durch  einen  Zicgelfund  ans 
der  ältesten  Pyramidenzeit  (Ziegelpyramide  von  DaschOr)  nachgewiesen. 

Für  die  engen  Handelsbeziehungen,  in  welchen  Aeg3rpten  mit  Syrien  bereits 
im  mittleren  Reiche  gestanden  haben  muss,  sprechen  aufs  Ueberzeugendste  die 
vielen  aus  Föhren-,  bezw.  Pinienholz  verfertigten  Gegenstände  (Särge  u.  A.),  die  aus 
jener  Zeit  stammen  und  von  denen  mehrere  im  ägyptischen  Museum  zu  Berlin 
aufbewahrt  werden. 

Besonders  stiirk  aber  muss  sich  der  syrische  Eünfluss  erst  im  neuen  Reiche 


(663) 

geltend  gemacht  haben,  in  der  sogenannten  semitisirenden  Epoche.  Zwei  acht 
syrische  Acker-Unkräuter,  Delphinium  Orientale  Gay  und  Centaurea  depressa 
M.  Bieb.,  finden  sich  mit  Beginn  der  XVIII.  Dynastie  wiederholt  in  den  Todten- 
kränzen  (Blamenge winden),  die  zur  Ausschmückung  königlicher  Mumien  dienten. 
Die  genannten  beiden  Pflanzen,  der  Rittersporn  und  die  Kornblume,  die  gegen- 
wärtig aus  Aegypten  verschwunden  sind,  mögen  damals  unter  dem  Weizen  und 
der  Gerste  als  Unkräuter  vorhanden  gewesen  sein,  wie  es  ihre  Art  mit  sich  bringt. 
Eine  andere  Pflanze,  die  heute  noch  in  allen  arabischen  Gärten  des  Landes  so 
gut  wie  verwildert  auftritt,  die  A'lcea  ficifoliaL.,  ist  gleichfalls  den  erwähnten 
Todtenkränzen  eigen. 

Als  mit  Beginn  des  neuen  Reiches  die  Völkerzuzüge  über  die  Landbrücke 
von  Sues  häufiger  wurden,  müssen  auch  die  Gelegenheiten  zur  Einschleppung  von 
Acker-Unkräutern  zugenommen  haben.  Noch  heutigen  Tages  lassen  sich  diese 
Völkerstrassen  durch  das  mehr  oder  minder  weite  Ein-  und  Vordringen  der 
Pflanzen  der  östlichen  Regionen  aus  den  topographischen  Einzelheiten  des  jetzigen 
Plorenbestandes  von  Aegypten  nachweisen*). 

Der  Oelbaum  (Olea  europaea  L.),  welcher  nach  dem  Zeugniss  der  griechischen 
Schriftsteller  so  vortrelTlich  in  Aegypten  gedieh  und  sich  auch  heute  noch  in 
Unter-Aegypten  und  namentlich  in  den  Oasen  vielfach  angebaut  findet,  muss 
spätestens  nach  den  Eroberungszügen  der  XIX.  Dynastie  in  Aegypten  eingebürgert 
worden  sein.  Die  schriftlichen  Urkunden  der  Aegypter  ertheilen  der  Kenntniss 
des  Oelbaumes  ein  weit  höher  hinaufreichendes  Alter.  Unzweifelhaft  war  Syrien 
das  erste  Land,  wo  der  wilde  Oelbaum  in  Cultur  genommen  und  veredelt  wurde, 
bevor  die  Griechen  denselben  weiter  vermittelten')- 

Eine  ursprünglich  syrische  Pflanze  ist  auch  das  grosse  Schilfrohr  (Arundo 
Donax  L.),  welches  sich  neben  dem  wilden  gewöhnlichen  Schilf  (Phragmites 
communis  Trin.)  in  Unter-Aegypten  verbreitet  hat,  jedenfalls  auch  in  Folge 
von  Anpflanzung  aus  älterer  Zeit 

Bei  Zunahme  des  Weltverkehrs  in  der  griechischen  Zeit  wurde  Syrien  noch 
inniger  mit  Aegj^ten  verkettet  und  manche  pflanzliche  Erwerbung  gehört  dieser 
Epoche  an,  wo  abermals  neue  Sitten  und  Anschauungen  am  Nil  zur  Geltung  ge- 
langten und  den  alten  hinzugefügt  wurden.  Die  Griechen  waren  die  Verbreiter 
des  Rosencults,  der  mit  den  griechischen  Coionien  bereits  frühe  Eingang  in 
Italien  fand.  Wenn  auch  anzunehmen  ist,  dass  die  Centifolie  als  abgeleitete 
Culturart  der  ebenfalls  in  Vorder-Asien  wie  in  Süd-Europa  wildwachsenden  Rosa 
gallica  L.   zuerst   an   den  Rüsten    von  Klein -Asien')  aufkam,    so   ist  eine  Be- 

1)  Vergl  P.  Ascherson,  Plomla  Rhinocoluraea,  m  M6in.  Institut  Egypt.  II.  p.  78^, 
ond  Schweinfurth,  Sor  la  flore  des  anciens  jardins  arabes,  in  Bull.  Inst  Egypt.  1888. 
p.  39,  40. 

2)  Obgleich  den  alten  Hebräern  längst  bekannt,  ist  der  Oelbaum  im  glücklichen 
Arabien  doch  so  gat  wie  unbekannt  and  daselbst  nur  in  wem'gen  Gärten  neuesten  (tür- 
kischen) Ursprungs  zu  finden.  Der  in  den  Gebirgen  von  Jemen,  sowie  in  ganz  Abessioien 
verbreitete,  oft  Bestand  bildende  wilde  Oelbaum  (Olea  chrysophjlla  Lam.)  ist  zwar  dor 
zahmen  Art  sehr  ähnlich,  doch  nicht  von  genügend  specifischer  Uebereinstimmuog  der 
Merkmale,  um  als  Stammvater  des  europäischen  Oelbaums  gelten  zu  können.  Dem  nüd- 
(alt-)  arabischen  Namen  „'attümm"  oder  „'öttümm"  von  heute  steht  im  Tigrinia  von 
Abessinien  der  an  unser  ^Olea**  anklingende  Name  „'auleh"  oder  „'ohleh**  gegenüber, 
während  der  Baum  im  Tigr^  und  im  Amharenia  „Wogera"  oder  „Wogra**  genannt  wird. 
Der  cnltivirte  Olivenbaum  ist  auch  in  Abessinien  unbekannt. 

8)  Bereits  Archilochus,  700  Jahre  vor  Chr. ,  hat  Bösen  und  Myrten  besungen.  Vergl. 
V.  Hehn,  Culturpflanzen.   1883.   S.  201. 


(664) 

theiligang  semitischer  Völker  an  diesem  Oult  und  an  dem  Aufbringen  dieser 
Cultur  doch  so  gut  wie  ausgeschlossen,  und  man  muss  sich  hierbei  nicht  von  dem^ 
durch  die  Griechen  selbstständig  entwickelten  Adonis-Cult  und  -Klage  beirren 
lassen,  wenn  man  diese  semitische  Idee^  so  häufig  mit  Rosen  uad  Rosenbaa  in 
Verbindung  gebracht  sieht.  Auch  die  alten  Hebräer  kannten  die  Rose  nicht  Die 
Rose  der  Gärten  (R.  centifolia  L.)  war  jedenfalls  auch  den  Aegyptern  in  vor- 
griechischer Zeit  fremd.  Gartenrosen  hat  man  erst  in  Gräbern  aus  älterer 
römischer  Kaiserzeit  gefunden  und  diese  ^)  waren  identisch  mit  einer  noch  heute  in 
Abessinien  im  angebauten  Zustande,  und  zwar  nur  bei  Kirchen,  angetroffenen 
kleinblüthigen  Form,  der  R.  sancta  Rieh.,  welche  Crepin  gleichfalls  für  eine 
Form  der  Rosa  gallica  L.  hält.  Das  alte  Abhängigkeitsyerhältniss  der  abessi- 
nischen  Kirche  von  der  koptischen  Aegyptens  erklärt  das  Erhaltensein  dieser 
Relictform  der  früheren  Rosenculturen  am  Nil.  Für  die  Oentifolie  eine  noch  un- 
entdeckte  oder  schlecht  gekannte  Rosenart  in  den  Gebieten  von  Nord-Syrien  und 
Armenien  als  Stammpflanze  vorauszusetzen,  ist  nach  allen  bisherigen  Ermittelungen 
durchaus  nicht  geboten. 

Syrien  hat  aber  zur  römischen  Zeit  Aegypten  mancherlei  geliefert,  was  der 
damaligen  Geschmacksrichtung  entsprach,  so  namentlich  die  in  friiheren  Epochen 
unbekannten  Myrten  (die  beim  Todtencult  der  Syrer  noch  heute  eine  Rolle 
spielen),  welche  nebst  Origanum  Majorana  L.,  einer  anderen  syrischen  Pflanze, 
sich  in  grosser  Menge  in  den  Gräbern')  jener  Zeit  (2.  bis  3.  Jahrhundert  n.  Chr.) 
vorfinden.  Auch  ist  damals  der  schwarze  Maulbeerbaum  (Morus  nigra  L.)  eingeführt 
worden,  wahrscheinlich  auch  der  Lorbeer  (Laurus  nobilisL.),  dessen  Blätter 
gleichfalls  beim  Todtencult  der  römischen  Gräber  von  Hawara  Verwendung  ge- 
funden haben,  neben  Majoran  und  Myrten.  Aepfel-,  Birnen-,  Mandelbäume  und 
eine  Pflaume  (Prunus  divaricata  Led.)  mögen  auch  dieser  Epoche  angehören, 
indess  haben  sie  in  Aegypten  nie  eine  grosse  Rolle  gespielt  und  fristen  am  Nil 
ein  gleichsam  nur  geduldetes  Dasein. 

Nord-Syrien  ist  pflanzengeograpisch  den  südlichen  Lanüestheilen  schon  gewisser- 
massen  entrückt.  Es  lässt  sich  von  den  anstossenden  Gebieten  Klein-Asiens  und 
Armeniens  nicht  recht  trennen.  Dennoch  mtlssen  wir  diese  Region,  die  den  Schwer- 
punkt des  Reiches  der  Cheta  enthält,  für  sich  betrachten,  um  ^ine  andere  Gruppe  von 
fremden  Cultur-Beeinflussungen  Aegyptens  nicht  unerwähnt  zu  lassen.  Sehr  wichtige 
Nutzpflanzen  der  ältesten  Epochen  müssen  aus  diesem  Grebiete  ihren  Ursprung 
genommen  haben,  in  erater  Linie  die  Weinrebe  (Vitis  vinifera  L.),  in  zweiter  der 
Lein  (Linum  usitatissimum  L.).  Die  ursprüngliche  Verbreitung  des  wilden  Wein- 
stocks war  in  den  Zeiten  der  frühesten  Prähistorie  wohl  eine  sehr  grosse,  grösser 
wahrscheinlich,  als  das  heute  für  die  eigentliche  Heimath  desselben  angesehene 
Gebiet  umfasst,  so  dass  Völker  sehr  verschiedenen  Ursprungs  in  der  Lage  waren, 
von  diesem  Geschenk  der  freien  Natur  bei  Zeiten  Gebrauch  zu  machen  und  durch 
Pflege  und  Anbau  dasselbe  schon  in  den  ältesten  Zeiten  zu  verbreiten. 

Zwei  Feldgewächse  Aegyptens  femer,  die  Kichererbse  (Cicer  arietinum  L) 
und  die  Platterbse  (Lathyrus  sativus  L.),  letztere  jetzt  mehr  als  Unkraut,  denn  als 


1)  Als  solche  schwebte  sie  noch  den  Dichtem  der  römischen  Kaiseneit  vor,   rerg\* 
Ovid  Artis  araat.  1.   I,  76. 

2)  V*»ifgl.  P.  E.  Newberry  in  Flinders  Petrie,  Hawara,  London  1889,  8.  5S,  and 
Fr.  Crepin  in  Comptes  rendus.    Soc.  Botan.  de  Belgique.   1888.   p.  188—191. 

8)  Vergl.  Figari,  Studii  scient.  suU'  Egitto,  p.  220,  Newberry  in  Flinder«  Pf  trif, 
Hawara,  S.  51,  and  Schweinfurth  in  Petermann's  Mitth.    1890.   8.54. 


(665) 

Gegenstand  des  Anbaus,  haben  gleichfalls,  wie  Lein  nnd  Rebe,  ihre  Heimath  im 
aimenisch-caspisch-pontischen  Gebiet.  Die  Zeit  ihrer  Einführung  ist  zweifelhaft. 
Die  Kichererbse  galt  schon  bei  Beginn  der  christlichen  Zeitrechnung  für  ein  ägyp- 
tisches Bodenprodukt. 

Der  Rettich  (Raphanus  sativus  L.),  welchen  die  Aegypter  in  einer  von  der* 
anserigen  sehr  abweichenden  Spielart  cnltiviren,  ist  wahrscheinlich  auch  in  der 
nordsyrisch-armenischen  Region  zuerst  als  Culturpflanze  aufgekommen.  Die  Römer 
sollen  ihn,  nach  V.  Hehn,  unter  den  ersten  Kaisern  als  „radix  syriaca"  aus  Syrien 
erhalten  haben.  Herodot's  Angaben  über  den  Rettich  als  Speise  der  Pyramiden- 
erbauer haben  wenig  Ueberzeugendes  für  eine  Zeit,  die  von  der  seinigen  um 
mindestens  zwei  Jahrtausende  abstand.  Die  als  Rettiche  gedeuteten  Abbildungen 
auf  alten  Tempelbildem  sind  noch  zweifelhafterer  Natm**). 

Eine  wichtige  Pflanze  aber,  die  gewiss  bereits  in  sehr  alter  Zeit  von  den 
Aegyptem  angebaut  worden  ist,  der  Saflor  (Carthamus  tinctohus  L.),  muss  zuerst ' 
aus  dem  nördlichen  Syrien  und  aus  Armenien  in  die  'Cultur  eingeführt  worden 
sein,  denn  hier  findet  eine  wilde  Art  dieser  Gattung,  die  man  mit  einem  hohen 
Grade  von  Wahrscheinlichkeit  als  die  Stammform  des  Saflors  betrachten  kann, 
der  Carthamus  flavescens  W.^),  sein  Verbreitungscentrum.  Saflorblüthen  fanden 
sich  in  den  Blumengewinden  von  Mumien  der  XVIII.  Dynastie.  Die  alte  Cultur 
dieser  Pflanze  in  Aegypten  wird  auch  durch  eine  lange  Reihe  von  Formen  wahr- 
scheinlich gemacht,  die  sich  hier  aus  der  angebauten  Pflanze  herausgebildet  haben 
und  die  man  in  anderen  Ländern  vermisst.  Solche  Spielarten  finden  sich  häufig 
auf  den  Feldern  Aegyptens  und  scheinen  eine  Tendenz  des  Zurückschiagens  in 
die  wilde  Stammform  zu  bekunden,  angedeutet  durch  sehr  domige  Formen  mit 
pappusgekrönten  Achaenien,  welche  unter  den  wehrlosen  und  völlig  pappuslosen 
zerstreut  auftreten. 

Der  Mohn  (Papaver  sonmiferum  L.)  war  sicher  schon  zur  römischen  Zeit  in 
Aegypten  Gegenstand  des  Feldbaues.  Ueber  die  Heimath  dieser  Pflanze  und  die 
früheste  vorhomerische  Geschichte  seines  Anbaues  schweigen  die  Documente. 
Der  Beweis  der  Ableitung  des  zur  Gewinnung  von  Opium  angebauten  Mohns  von 
einer  süd- europäischen  oder  vielmehr  einer  Art  des  westlichen  Mediterran-Gebiets 
(P.  setigerum  DC.)  ist  nicht  genügend  erbracht');  übereinstimmende  wildwachsende 
Formen  sind  nicht  bekannt.  Nach  Flückiger  tritt  der  Mohn  mit  seinem  Saft  als 
Zweck  der  Cultur  in  der  Geschichte  zuerst  in  Kleinasien  auf.  Afiün-Kurahissar 
(Opium-K.)  heisst  daselbst  heute  noch  eine  Stadt. 

1)  ünge r  (in  Sitzb.  der  Akad.  d.  Wiss.  Bd.  LIV.  S.  27.  Wien  1866)  will  in  einem 
Luft-Ziegel  der  Ziegelpjramide  von  Daschür  auch  Samen  von  Raphanus  Raphanistrum  L. 
gefunden  haben,  —  jener  Art,  die  bei  uns  für  die  St^tmmpflanze  des  Rettichs  gilt  Die 
genannte  Art  ist  aber  im  heutigen  Nilthal  nicht  vorhanden  und  wurde  erst  in  allemeuester 
Zeit  von  Letourneux  und  von  Ascherson  an  der  Küste  bei  Alexandrien  aufgefunden: 
auch  ist  der  Nachweis,  dass  die  Schotenstückchen,  die  Unger  fand,  zur  genannten  Art 
gehörten,  von  ihm  nicht  genügend  erbracht. 

2)  Die  von  mehreren  Autoren  (A.  de  Candolle,  Boissier,  C.  B.  Clarke  u.  A.)  befür- 
wortete Ableitung  des  Saflors  von  dem  nordwest-vorderindischen  Carth.  oxyacantha  M.  B. 
muss  aus  botanischen  Gründen  der  Affinit&t  aufgegeben  werden.  Gegen  den  indischen 
Ursprung  der  Culturpflanze  führt  George  Watt  (Dictionarj  of  the  Econom.  pr.  of  India. 
YoL  II,  p.  184)  auch  den  Umstand  an,  dass  der  Gebrauch  der  Saflorblüthen  als  Farbstoff* 
in  Indien  erst  ganz  neuen  Ursprungs  ist. 

8)  Heer,  Pflanzen  der  Pfahlbauten,  S.  82,  38,  blieb  den  Nachweis  schuldig,  dass 
diese  Art  dort  wirklich  Gegenstand  des  Anbaus  war. 


(666) 

Eine  grosse  Rolle  spielten  im  alten  Aegypten  die  anch  heute  so  hoch  ge- 
schätzten Zwiebelgewächse.  Als  Yolksnahrong,  wie  als  Symbole  glücklicher  Vor- 
bedentang immer  noch  in  hohem  Ansehen  bei  den  Aegyptern,  zählten  sie  im 
Alterthum  zu  den  geheiligten  Gewächsen:  die  eigentliche  Zwiebel  (AUium  Cepa  L.), 
der  Lauch  (Allium  Porrum  L.)  und  der  Knoblauch  (Allium  sativum  L.).  Hin- 
sichtlich ihrer  Herleitung  von  wilden  Stammpilanzen  gehören  sie  zu  den  am 
schwersten  zu  ermittelnden  Gewächsen.  Wenn  ich  sie  an  dieser  Stelle  erwähne, 
so  möchte  ich  damit  bekunden,  dass  nach  meinem  Dafürhalten  die  vorder-asiatische 
Region  ein  besonderes  Anrecht  auf  sie  hat.  Vielleicht  sind  diese  Arten  bereits 
seit  den  Zeiten  der  Einführung  der  Getreidepflanzen  in  Aegypten? 

Die  klein-asiatische  Halbinsel,  insonderheit  Raramanien,  hat  wohl  schon  in 
der  vorgriechischen  Epoche  Aegyptens  mit  diesem  Lande  Seeverkehr  unterhalten, 
aber  erst  die  letzten  Abschnitte  seiner  Geschichte,  von  der  byzantinischen  Zeit  an 
gerechnet,  haben  hier  einen  beständig  regen  Austausch  zu  Wege  gebracht  In 
noch  höherem  Maasse  gilt  das  Gesagte  für  die  Balkan-Halbinsel.  Die  über- 
völkerten Inseln  des  Peloponnes  kamen  für  die  Entlehnungen  des  Acker-  und 
Gartenbaues  wenig  in  Betracht. 

Zwei  der  heutigen  Tages  wichtigsten  Feldgewächse  Aegyptens,  der  ägyptische 
Klee  (Trifolium  alexandrinum  L.)  und  die  Termis-Lupine  Ö^upinus  Termis  Pk.), 
sind  von  keinem  anderen  Gebiete  herzuleiten,  als  von  der  Balkan-Halbinsel.  Beide 
Arten  sind  in  Aegypten  sicherlich  erst  neueren  Ursprungs,  namentlich  der  Klee, 
der  wahrscheinlich  erst  zur  byzantinischen  (vielleicht  schon  zur  Ptolemäer-)  Zeit 
an  den  Nil  gelangte,  wo  derselbe  gegenwärtig  das  Universal -Futterkraut  aus- 
macht. Der  heutige  arabische  Name^  scheint  bei  Beginn  der  arabischen  Epoche 
von  der  den  Arabern  bekannten  Linse  auf  den  Klee  übertragen  worden  zu  sein. 
Als  Stammart  des  ägyptischen  Klees  hat  man  mit  E.  Boissier,  der  für  die  spe- 
cifische  Identität  beider  Pflanzen  einstand  (Flora  Orientalis  Vol.  ü.  p.  127), 
das  in  Thracien  wild  vorkommende  Trifolium  constantinopolitanum  Ser.  zu  be- 
trachten. 

Schwieriger  gestaltet  sich  die  Ableitung  des  Termis  von  dem  Lupin us 
albus  L.,  der,  in  Griechenland  cultivirt,  sich  gleichfalls  in  angeblich  wildem  Zu- 
stande in  Thracien  vorfindet.  Die  Annahme,  dass  diese  Pflanze  erst  durch  die 
späteren  Griechen  nach  Aegypten  gebracht  wurde,  wird  durch  den  Umstand  wahr- 
scheinlich, dass  sie  in  diesem  Lande  nur  unter  dem  griechischen  Xamen  (,,termi8'* 
sibepfAog)  bekannt  ist. 

Einen  ähnlichen  Fingerzeig  liefert  der  Name,  den  die  Petersilie  («baqdünis*') 
in  Aegypten  führt,  welcher  von  den  Sprachforschern  mit  Macedonien  in  Ver- 
bindung gebracht  wird.  Ich  fand  PetersiUe  in  der  höheren  Gebirgsregion  des 
glücklichen  Arabiens  bei  2500  m  Meereshöhe  auf  cultivirtem  Boden  wie  Unkraut, 
konnte  aber  daselbst  weder  einen  einheimischen  Namen  noch  eine  Nutzanwendung 
im  Haushalte  der  Bewohner  nachgewiesen  erhalten. 

Sehr  viel  augebaut  sind  in  Aegypten  die  wohlriechenden  Münzen,  namentlich 
Mentha  piperitaL.  und  Mentha  sativaL.  Beide  müssten  nach  sonstigen  An- 
zeichen als  aus  Europa  herstammend  betrachtet  werden,  obgleich  die  erstgenannte 
Art,  wie  ein  Gräberfund  beweist,  schon  in  vorpersischer  Zeit,  vielleicht  bereits 
unter  der  XXI.  Dynastie  am  Nil  angesiedelt  war. 

1)  ^berssim".  In  dem  alt-arabischen  Dialect  von  Jemen  heisst  die  Linse  heute  «bflsshi*, 
desgleichen  in  den  semitischen  Sprachen  des  nördlichen  Abessiniens  (Tigr6  und  Tigrini«) 
„börssen**.  Das  heutige  „ads**,  das  in  Aegypten  f&r  Linsen  in  Qebranch  ist,  hingt  hin- 
gegen offenbar  mit  dem  hebr&ischen  „adaschtm"  zusammen. 


(667) 

Seit  der  türkischen  Eroberung  wurden  die  Beziehungen  Aegyptens  zur  Balkan- 
Halbinsel  noch  innigere,  namentlich  durch  die  Anwesenheit  und  Einbürgerung 
zahlreicher,  aus  den  nördlichen  Ländern  stammender  Kriegsleute,  während  bis 
dahin  wohl  die  Griechen  von  den  Inseln,  wie  das  übrigens  auch  heute  wieder  der 
Fall  ist,  unter  den  fremden  Ansiedlem  weitaus  vorgeherrscht  haben  werden.  Die 
Türken,  Freunde  des  Grartenbaues  und  der  Blumen,  haben  ihren  Lieblingspflanzen 
am  Nil  neue  Heimstätten  geschaffen  und  seit  vier  Jahrhunderten  die  ägyptischen 
Gärten  zum  Theil  nach  ihrem  Geschmack  umgemodelt.  Bald  nach  Beginn 
der  Türkenherrschaft  müssen  auch  die  amerikanischen  Gewächse  ins  Land  ge- 
kommen sein,  indess  wird  ihre  rasche  Verbreitung  wohl  weniger  den  Türken  und 
den  directen  Verbindungen  mit  Gonstantinopel,  als  vielmehr  der  Vermittclung  durch 
die  damals  noch  in  so  hoher  Blüthe  befindlichen  venetianischen  Colonien  des 
Orients  zu  verdanken  sein:  Mais,  Tabak 0,  der  Liebes-  oder  Paradiesapfel  (To- 
mate), der  Cayenne- Pfeffer  (Capsicum)  und  die  süsse  Batate  (Ipomoea  Ba- 
tatas  Lam.)- 

Italien,  welches  seine  orientalischen  Gulturentlehnungen  meist  aus  zweiter 
Hand,  durch  Vermittclung  der  griechischen  Welt,  erhielt,  war  umgekehrt  in  der 
Reihe  der  maritimen  Nachbargebiete  auch  unter  den  letzten,  die  Aegypten  mit 
Neuheiten  des  (harten-  und  Feldbaues  versahen.  Der  Gartenrosen  aus  der  älteren 
römischen  Kaiserzeit  ist  vorhin  gedacht  worden.  In  dieser  Periode  wurden  auch 
zwei  andere  Arten,  ausschliesslich  italienischen  Ursprangs,  als  SUerpflanzen  in  die 
ägyptischen  Gärten  eingeführt,  wie  die  von  Flinders  Petrie  bei  Hawara  (Fajum) 
geroachten  und  von  mir  selbst  untersuchten  Gräberfunde  beweisen:  Lychnis  coßli 
rosa  Desr.  und  das  als  Rranzblume  unter  dem  Namen  Helichrysos  bereits  von 
Theophrast,  Theokrit,  Dioscorides  und  Athenaeus  erwähnte  Helichrysum  Stoechas  DG. 
Auch  der  Lorbeer  (Laurus  nobilis  L.)  stammt  vielleicht  aus  jener  Zeit.  Der  in 
Unter- Aegypten  so  florirende  Orangenbau  von  heute,  scheint,  namentlich  in  An- 
betracht des  süd-italienischen  Charakters  der  in  den  Orangengärten  verbreiteten 
Unkräuter'),  ganz  italienischen  Ursprungs  zu  sein. 

Indem  ich  bei  Italien  angelangt  bin,  habe  ich  den  Rundblick  über  die 
wichtigsten  Gebiete  der  alten  Culturwelt,  welche  für  die  auswärtigen  Beziehungen 
des  ägyptischen  Feld-  und  Gartenbaues  in  Betracht  kommen,  von  der  ältesten  bis 
auf  die  Neuzeit  vollendet.  Die  angeführten  Einzelheiten  Hessen  sich  am  besten 
recapituliren ,  wenn  man  sie  als  Zeitmarken  auf  dem  weiten  Rückwege  zu  den 
Cnltur-Anfangen  Aegyptens  in  umgekehrte  Beleuchtung  stellen  wollte.  Was  ich 
bieten  kann,  wird  Manchen  als  ein  leeres  Phantasma  erscheinen,  ein  auf  schwan- 
kenden Stützen  ruhendes  Luftgebilde.  Aber  nach  dem  Grundsatze,  dass  die 
E}rkenntniss  des  Wahren  eher  aus  Irrungen  sich  Bahn  bricht,  als  aus  der  Ver- 
wirrung, wird  der  Versuch  eines  Schemas  zum  Wiederaufbau  der  ägyptischen 
Geschichte,  vermittelst  der  Culturge wachse,  nicht  gewagter  erscheinen,  als  die 
zeitliche  Abgrenzung  der  Erdgestaltungs-Perioden  nach  fossilen  Einschlüssen.  Ich 
beschränke  mich  auf  den  allgemeinen  Entwurf  einer  Zeiteintheilung  der  ägyptischen 
Vergangenheit  nach  dem  Auftreten  der  uns  bekannten  Culturgewächse: 


1)  Der  Gebrauch  des  Tabaks  verbreitete  sich  in  diesen  Ländern  ebenso  schnell,  wie 
ein  halbes  Jahrhundert  vorher  der  von  Süden  vordringende  Kaffee.  1511,  6  Jahre  vor 
der  Eroberung  Aegjptens  unter  Selim  I.,  wurde  in  Mekka  bereits  das  erste  Verbot  gegen 
den  Kaffeegenuss  erlassen,  der  1584  in  Gonstantinopel  seinen  Einzug  hielt. 

2)  Vergl.  Schweinfurth  Sur  les  anciens  jardins  arabes,  in  Bull.  Inst  Egjrpt.  1888 
p.  82. 


(668) 

I.   Periode  der  zurückkehrenden  Cultur. 

1.  Abschnitt  bis  18G0,  die  letzte  Zeit,  in  der  wir  Augenzeugen  waren. 

Einführung  des  Baumwollenbaues  (Gossypium  barbadense  L.)  im  Grossen. 

Einführung  der  modernen  Gartencultur  West-Europas. 

Einführung  und  Verbreitung  einer  grossen  Anzahl  europäischer  Gemüse: 

Kartoffelbau,  Kopfkohl,  Bohnen,  Erbsen,  europäische  Mohrrüben  u.  s.  w. 
Euphorbia  geniculata  Ort.  aus  Amerika,  verbreitet  sich  in  Folge  der  Bauro- 

wollen-Cultur,  nebst  vielen  anderen  Arten,  massenhaft  als  Unkraut  auf 

allen  Feldern  Ünter-Aegyptens. 

2.  Abschnitt,  1860—1800.    Die  Epoche  Mehemed  Aü's. 

Erschliessung  des  Sudan,  Einführung  der  Erdnuss  (Arachis  h)7)ogaea  L.), 
der  Luzerne  (Medicago  sativa  L.)  aus  Arabien.  Eine  grosse  Zahl 
vorder-indischer  Nutzbäume  gelangt  in  die  Gärten  Cairos.  Cheno- 
podium  ambrosioides  L.  verbreitet  sich  als  Unkraut  in  Unter-Aegypten. 

Die  Mandarine  (Citrus  nobilis  Lour.)  wird  eingeführt. 

8.  Abschnitt,  1800—1517,    Türkische  Epoche. 

Albizzia  Lebbek  W.  (seit  1670  spätestens)  wird  angebaut. 

Beeinflussung  der  Gartencultur  durch  die  italienische  Renaissance:   Dian- 

thus  Caryophyllus  L. 
Einführung  der  Orangen-Cultur. 

Einführung  des  Mais  und  anderer  ameiikanischer  Nutzpflanzen. 
Beeinflussung  der  Gartencultur  durch  Constantinopel. 
Einführung  des  Kaffeegenusses  und  vermehrte  Verbindungen  mit  Arabien 

auf  dem  Seewege. 

IL   Periode  der  Cultur-Vermittelung. 

1.  Abschnitt,  1517—640.    Arabische  Epoche. 

Einführung  des  Zuckerrohrs  und  des  Reis.  Eine  Anzahl  tropischer  und 
speciell  indischer  Unkräuter  verbreiten  sich  durch  den  Reisbau  in 
Unter-Aegypten:  Ammannia,  Bergia,  Sphenoclea  etc. 

Einführung  indischer  Nutzbäume,  des  weissen  Maulbeerbaumes,  der 
Banane,  der  Pomeranzen  und  der  kleinen  Limonen. 

2.  Abschnitt,  640 — 400.    Byzantinische  Epoche. 

Einführung  des  ägyptischen  Klees  (?). 
Einführung  des  Aprikosenbaumes. 

3.  Abschnitt,  400  bis  Christi  Geburt.    Römische  Epoche. 

Einführung   des   schwarzen  Maulbeerbaumes   und   des  medischen  ApfeU 

aus  Vorder-Asien, 
des  Lorbeers  (der  Myrte?)  aus  Syrien. 
Gartenpflanzen  aus  Italien:  Rosen,  Immortellen  (Helichrysum  Stoechas  DC), 

Lychnis  coeli  rosa  Desr.  u.  dergl. 

4.  Abschnitt,  von  Christi  Geburt  bis  330.    Griechische  Epoche. 

Einführung  des  Anbaus  von  Mohrhirse  (Andropogon  Sorghum  Brot;  aus 

Vorder-Indien. 
Anbau  von  Mohn,  aus  Klein-Asien. 
Die   Termis-Lupine   aus   Griechenland    eingeführt,   die   Petersilie   (Klee, 

Myrte?). 
Anbau  dos  Oelbaumes  im  Grossen. 


(669) 

5.  Abschnitt,  332—525  vor  Chr.    Persische  Epoche. 

Indigo-Cultar  und  Sesam  aus  Indien  eingeführt.  Nelnmbiam,  die  alten 
Lotusblumen  ersetzend. 

III.   Periode  der  Aegyptischen  Cultur. 

1.  Abschnitt,   525—1050  vor  Chr.  (nach  Erman)  Libysch-äthiopische  Epoche. 

2.  Abschnitt,    1050— -1530  vor  Chr.  (nach  Erman)  Epoche  des  Neuen  Reiches. 

Semitisirung  Aegyptens  unter  der  XX. ,  XIX.  und  XVIII.  Dynastie.  Ver- 
bindungen mit  Syrien  und  dem  nördlichen  Vorder-Asien. 

3.  Abschnitt,  sogen.  Epoche  der  Hyksos. 

4.  Abschnitt,    1930  (nach  Erman)  bis  2500  vor  Chr.     Epoche  des  Mittleren 
Reiches. 

Zeit  ier  staatlichen  See -Unternehmungen  (Punt- Fahrten)  unter  der 
XII.  Dynastie. 

5.  Abschnitt,  2500—3100  vor  Chr.  (nach  Erman)  Epoche  des  alten  Reiches. 

IV.   Periode  der  Cultur-Entlehnung. 

Einführung  des  Getreidebaues  aus  den  Euphrat-Ländem:  Emmer,  Weizen, 
Gerste,  des  Leins  und  der  Weinrebe. 

Religionsbildung  und  Schriftentwickelung,  Einführung  des  Gebrauches  von 
Weihrauch,  der  geheiligten  Bäume  (Persea  und  Sykomore)  aus  Süd- 
Arabien. 

V.   Periode,  Besiedelung  Aegyptens  durch  die  Hamiten. 
VI.   Periode,  Urzustand  des  Nilthals. 

Hr.  Hart  mann  fragt  den  Vortragenden,  was  er  über  die  Herstammung  von 
Sesbania,  Amyris,  Penicillaria,  Phoenix  dactylifera,  Abrus  und  Bala- 
nites  denke.  — 

Hr.  Schwein furth:  Es  würde  viel  Zeit  in  Anspruch  nehmen,  wenn  ich  diese 
Fragen  ausführlicher  beantworten  wollte.  Nur  in  Kürze  will  ich  anführen,  dass 
nach  meinen  Ideen  und  Erfahrungen  Sesbania,  Abrus  und  Balanites  auf 
afncanischem  Boden  erwachsen  sind.  Für  die  Stammpflanze  der  Cultur- Dattel- 
palme halte  ich  Phoenix  reclinata,  ein  acht  africanisches  Gewächs.  — 

Hr.  Hartmann  bemerkt,  dass  das  eben  Erwähnte  seinen  eigenen  Vorstellungen 
entspreche.  — 

(21)    Hr.  V.  Luschan  zeigt  eine 

Nachbildung  der  Berner  Elfenbeinkanne 

(vergl.  diese  Verhandlungen  1884,  S.  466),  welche  Dr.  ühle  kürzlich  erworben 
und  dem  Museum  für  Völkerkunde  geschenkt  hat;  dieselbe  ist  aus  Thon  und  innen 
glasirt,  giebt  aber  die  Form  Verhältnisse  des  Originales  sehr  gut  wieder;  nur  der 
Deckel  fehlt. 

Das  Berliner  Museum  besitzt  eine  grosse  Reihe  von  Schnitzwerken  aus  Elfen- 
bein, welche  mit  der  Hemer  Ranne  eng  verwandt  sind  und  aus  West-Afnca 
stammen.  Sie  waren  in  Folge  des  Umzuges  viele  Jahre  verpackt  geblieben,  sind 
aber  jetzt  in  Schrank  4  des  afrikanischen  Saales  wieder  zur  Aufstellung  gelangt. 


(670) 

(22)   Hr.  Felix  v.  Luschan  hält  einen  Vortrag  über 

Bogenspannen. 

Unter  dem  Titel  Ancient  and  modern  methods  of  arrow-release  hat 
Prof.  Edward  S.  Morse,  früher  in  Tokio,  jetzt  Direktor  der  Peabody  Academy 
of  Science  in  Salem,  Mass.,  U.  S.  A.,  schon  1885  im  Essex  Institute  Bulletin  auf 
die  bei  verschiedenen  Völkern  verschiedenen  Arten,  den  Bogen  zu  spannen,  auf- 
merksam gemacht.  Ktirzlich  hat  nun  R.  Virchow  zwei  Bogenringe  hier  vor- 
gelegt'), einen  aus  Nephrit,  bei  Erbil  (Arbela)  gefunden,  und  einen  aus  Silber, 
der  dem  Anschein  nach  wohl  kaukasischen  Ursprunges  ist. 

Gelegentlich  der  an  diese  beiden  Vorlagen  geknüpften  Debatten  hat  sich  her- 
ausgestellt, dass  die  Technik  des  Bogenspannens  nicht  so  allgemein  bekannt  ist, 
als  vielleicht  hätte  angenommen  werden  können;  ich  bitte  deshalb  um  die  Er- 
laubniss,  das  Wesentlichste  derselben  hier  kurz  andeuten  zu  dürfen.  Ich  werde 
dabei  den  Ausführungen  von  Morse  folgen,  ausserdem  aber  zwei  völlig  neuartige, 
hierher  gehörige  Apparate  vorlegen,  welche  eben  erst  vor  wenigen  Tagen  durch 
Premier-Lieutenant  Morgen  aus  dem  Hinterlande  von  Kamerun  nach  Berlin  ge- 
bracht worden  sind. 

Morse  unterscheidet  die  folgenden  Arten,  den  Bogen  zu  spannen: 

1.   Die  primäre  Spannung. 

Der  Pfeil  wird  einfach  zwischen  Daumen  und  der  Gelenkgegend  zwischen 
Grund-  imd  Mittel-Phalange  des  Zeigefingers  geklemmt  gehalten  und  mit  der 
Sehne  zurückgezogen. 

Rinder  und  Erwachsene,  die  nie  früher  einen  Bogen  gespannt  haben,  pflegen 
so  vorzugehen.  Aber  auch  die  Ainos  (wenigstens  die  voh  Jesso),  sowie  die  Dc- 
merara-  und  Ute-Indianer  wenden  diese  Art  der  Spannung  an. 

Ein  einfacher  Versuch  zeigt,  dass  der  Pfeil  leicht  ausgleitet,  bevor  die  Sehne 
genügend  gespannt  ist  und  dass  sehr  grosse  Kraft  und  heftige  Anstrengung  er- 
forderlich sind,  um  auf  diese  Weise  mit  Erfolg  zu  schiessen.  Etwas  erieichtert 
wird  das  Spannen,  wenn  der  Pfeil  am  Sehnenende  kolbig  verdickt  ist,  —  eine  Form, 
welche  bei  einigen  anderen  Arten  der  Bogenspannung  dieselbe  eher  erschweren 
würde. 

2.  Die  secundäre  Spannung. 

Der  Pfeil  wird  gehalten,  wie  bei  der  primären  Spannung,  aber  die  Sehne  wird 
nicht,  wie  bei  dieser,  mit  dem  Pfeile  zurückgezogen,  sondern  mit  Ring-  und  Mittel- 
finger gespannt 

Diese  Spannung, .  die  gegen  die  erste  schon  einen  wesentlichen  Fortschritt  dar- 
stellt, wird  von  den  Zuni,  Ottawa,  Ghippewa  und  einigen  anderen  Indianer- 
Stämmen  geübt 

3.   Die  tertiäre  Spannung. 

Die  Sehne  wird  vom  Zeige-  und  vom  Mittelfinger,  manchmal  auch  noch  vom 
Ringfinger  gespannt,  der  Daumen  drückt  leicht  auf  den  Pfeil,  wie  bei  der  secun- 
dären  Spannung. 

Der  Versuch  lehrt,  dass  diese  Art  der  Spannung  gegen  beide  firüheren  einen 
grossen  Fortschritt  bedeutet  und  vor  allen  auch  ein  sicheres  Zielen  sehr  erieichtert: 
wir  finden  sie  dementsprechend  auch  sehr  verbreitet:  die  Mehrzahl  der  nord- 
amerikanischen Indianer  bedienen  sich  derselben,  aber  auch  die  Siamesen  imd, 
wie  es  scheint,  auch  die  Andamanesen. 

1)  Verhandlungen  1891.   8.  81  und  486. 


(671) 

4.   Die  Mittelmeer-Spannung. 

Der  Daumen  bleibt  hier  völlig  unüiätig.  Die  Sehne  wird  mit  den  Spitzen 
der  drei  mittleren  Pinger  gespannt,  während  der  Pfeil  leicht  zwischen  Index  und 
Mittelfinger  geklemmt  wird. 

Es  scheint,  dass  diese  Spannung  schon  bei  den  Aegyptern  und  Assyrem  zur 
Anwendung  kam,  jedenfalls  finden  wir  sie  auf  altgriechischen  Darstellungen;  sie 
war  im  Mittelalter  in  ganz  Europa  verbreitet  und  wird  noch  heute  in  England  und 
Frankreich,  sowie  in  Amerika  gefunden,  wo  das  Schiessen  mit  Pfeil  und  Bogen 
nicht  selten  sportsmässig  getrieben  wird. 

Man  wird  wohl  annehmen  dürfen,  dass  eine  so  weit  verbreitete  und  durch 
mehrere  Jahrtausende  geübte  Art  der  Spannung  ihre  grossen  Vorzüge  hat;  be- 
sonders wird  die  leichte  „Entlassung^  des  Pfeiles  gerühmt.  Ich  muss  also  wohl 
annehmen,  dass  es  auf  persönlicher  Ungeschicklichkeit  beruht,  wenn  mir  gerade 
diese  Art  der  Spannung  die  grössten  Schwierigkeiten  macht.  Ueberhaupt  ist  das 
Schiessen  mit  Pfeil  und  Bogen  nicht  ganz  so  einfach,  als  ein  Unerfahrener  anzu- 
nehmen pflegt.  Von  dem  richtigen  Zielen  ganz  abgesehen,  wird  der  Anfänger 
häufig  daran  scheitern,  dass  er  den  Pfeil  nicht  gleichzeitig  mit  der  Sehne  frei- 
giebt;  es  kann  dann  geschehen,  dass  ihm,  trotz  mächtigster  Anspannung  der  Sehne, 
der  Pfeil,  anstatt  dem  Ziele  zuzufliegen,  machtlos  vor  die  Beine  zur  Erde  fällt. 
Ich  persönlich  habe  dieses  Missgeschick  Anfangs  wiederholt  gehabt,  aber  immer 
nur  bei  der  „Mittelmeer-Spannung^. 

Für  uns  ist  diese  Spannung  auch  deshalb  wichtig,  weil  sie,  im  Gegensatze  zu 
den  drei  früher  behandelten  Arten,  zum  ersten  Male  einen  Hülfsapparat  nöthig 
macht  Die  Sehne  schneidet  nehmlich  bei  starkem  Spannen  derart  in  die  Finger- 
spitzen ein,  dass  ein'  heftiges  Schmerzgefühl  entsteht  und  die  Finger  bald  er- 
lahmen, wenn  sie  nicht  durch  Handschuhe  geschützt  sind,  die  natürlich  gerade  an 
den  Fingerspitzen  besonders  verstärkt  werden  müssen;  nur  ganz  ausgepichte 
Bogenschützen  können  dieses  Fingerschutzes  entrathen.  Auffallender  Weise  findet 
sich  dieselbe  oder  mindestens  eine  ganz  verwandte  Art  der  Spannung,  nehmlich 
nur  mit  dem  Zeige-  und  Mittelfinger,  auch  bei  den  Eskimos  von  Point- Barrow 
und  Cumberland- Sound,  sowie,  nach  einer  Beobachtung  der  Brüder  Krause, 
auch  auf  dem  Sibirischen  Ost -Gap. 

5.   Die  mongolische  Spannung. 

Der  Daumen  wird  von  innen  nach  aussen  um  die  Sehne  herumgelegt  und 
spannt  diese  nur  mit  Hülfe  des  um  den  Daumennagel  herumgelegten  Zeigefingers, 
der  gleichzeitig  den  Pfeil  zu  halten  hat. 

Diese  anscheinend  höchst  unbeholfene  Spannung  findet  sich  fast  durch  ganz 
Asien,  jedenfalls  überall  in  Ost-Asien;  sie  war  früher  auch  in  Persien  und  bei 
den  Türken  verbreitet.  Sie  erfordert  viel  Uebung  bevor  sie  mit  Sicherheit  ge- 
handhabt werden  kann,  ist  aber,  wenn  einmal  erlernt,  eine  sehr  angenehme,  weil 
sie  bei  grosser  Leistung  wenig  Krafkanstrengung  erfordert  Natürlich  bedingt  auch 
sie  einen  Hülfsapparat,  einen  Schutzring  für  den  Daumen,  der  sonst  beim  Spannen 
der  Sehne  zu  stark  angegriffen  werden  würde. 

Solcher  Art  sind  nun  auch  die  beiden  Ringe,  die  Hr.  Virchow  in' der  Januar- 
und  in  der  Juni-Sitzung  d.  J.  vorgelegt  hat;  sie  werden  in  der  folgenden  Art  an- 
gesteckt (Fig.  1),  dienen  also  dazu,  den  Daumen  der  rechten  Hand  beim  Spannen 
der  Sehne  zu  schützen  und  den  Druck  der  letzteren  auf  die  Haut  des  Daumens 
etwas  zu  vertheilcn.  Wenn  gesagt  worden  ist,  dass  solche  Ringe]  den  Zweck 
hätten,  ^die  Hand  vor  der  Verletzung  zu  schützen,  welche  beim  Spannen  des 
Bogens  durch  den  Rückschlag  der  Sehne  leicht  entstehen  kann,"    so  scheint  mir 


(672) 

das   auf  einer   Verwechselung   mit    einem    völlig    anderen   Hülfsapparat    zu    be- 
ruhen, der  allerdings  auch  manchmal  beim  Bogenschiessen  in  Anwendung  kommt, 

aber   mit   diesen   Spannringen    nicht   das   Mindeste   zu 
^^"- 1-  thun  hat. 

Ist  nehmlich  der  Bogen  im  Ruhezustände  nicht 
stramm  gespannt,  so  schlägt  die  Sehne,  wenn  sie  nach 
starker  Anspannung  plötzlich  frei  gelassen  wird,  naiüriich 
noch  über  ihren  Ruhestand  hinaus  zurück  und  trifft 
dann  die  den  Bogen  haltende  linke  Hand,  wenn  diese 
nicht  irgendwie  geschützt  ist.  Jedenfalls  ist  aber  'strenge 
zwischen  den  Spannapparaten  für  die  rechte  und  den 
Schutzvorrichtungen  für  die  linke  Hand  zu  unterscheiden. 
Letztere  sind  bei  sehr  zahlreichen  Völkern  im  Gebrauch, 
ihre  Form  richtet  sich  natürlich  zunächst  nach  der  je- 
weilig üblichen  Haltung  des  Bogens,  denn  von  dieser 
allein  hängt  es  ab,  welche  Stelle  der  Hand  zunächst  von  der  rückschlagenden 
Sehne  getrofTen  wird.  Manchmal  muss,  wie  besser  durch  eigenen  Versuch,  als 
durch  die  breiteste  Beschreibung  erkannt  wird,  hauptsächlich  die  untere  Radial- 
Oegend  geschützt  werden,  ein  andermal  das  Handgelenk,  wieder  bei  einer  anderen 
Bogenhaltung  auch  der  Mittelhand-Knochen  des  Daumens. 

Wohl  die  einfachste  Art  einer  solchen  Schutzvorrichtung  hat  Ehrenreich  bei 
den  Botokuden  beobachtet,  —  einen  Streifen  Baumbast,  der  einige  Male  um  das 
Handgelenk  gewunden  wird.  Aus  dem  Niger-  und  Benue-Oebiet  verdanken  wir 
R.  Flegel  die  Kenntniss  eines  ledernen  Armbandes')  für  den  gleichen  Zweck, 
und  auch  von  breiten  Elfenbeinringen,  welche  die  Form  von  0,15  bis  0,20  cm  hohen 
Cylindem  haben,  wissen  wir,  dass  sie  den  linken  Arm  vor  der  rückschlagenden 
Sehne  schützen  sollen. 

Einen  höchst  eigenthümlichen  Apparat  aus  dem  Hinterlande  von  Kamerun, 
der  demselben  Zwecke  dient,  werde  ich  am  Schlüsse  dieser  Mittheilong  zu 
besprechen  haben;  einstweilen  lege  ich  noch  einen  kleinen  Gegenstand  aus 
Persien  vor  (Fig.  2),  der  ohne  Zweifel  auch  hierher  gehört,  obwohl  ähnliche 
bisher  in  der  Literatur  meines  Wissens  nicht  erwähnt  sind.  Es  ist  eine  orale 
Messingplatte  von  9,3  und  12  cm  Durchmesser,  am  Rande  ringsum  von  kleinen 
Löchern  eingefasst,  welche  zur  Befestigung  des  Schmuckes  dienen  sollen.  Die 
obere  Fläche  der  Platte  trägt  nehmlich  ein  zierlich  mit  barocken  Ornamenten  be- 
maltes Pergament,  auf  dem  vier  persische  Verse,  in  gewöhnlichem  Tallk  ge- 
schrieben, stehen  und  das  durch  eine  durchsichtige  Homplatte,  die  genau  die 
Grösse  der  Messingplatte  hat,  geschützt  wird;  diese  ist,  ebenso  wie  das  Pergament, 
sorgfältig  an  die  Messingplatte  angenäht  und  mit  einem  schmalen  Flechtbande  ans 
Seide  und  dünnem  Silberdraht  umrahmt.  Durchbrochen  wird  aber  diese  Platte 
von  einem  Körper  aus  hartem  Holze,  der  oben  die  Form  einer  schmalen  Rinne 
(Fig.  3),  unten  aber  eine  unregelmässig  gekrümmte,  leicht  ausgepolsterte  hohle 
Fläche  und  eine  Vorrichtung  zum  Anschnallen  hat  Als  ich  diesen  kleinen 
Apparat  vor  mehreren  Jahren  in  einem  Bazar  in  Constantinopel  erwarb,  hielt  ich 
ihn  zunächst  für  eine  Vorrichtung,  um  den  Pfeil  beim  Bogenspannen  noch  inner- 
halb von  dem  Bogen  aufruhen  lassen  zu  können.  Aehnliche  Geräthe,  welche  also 
sichtlich  einen  Uebergang  zwischen  Bogen  und  Armbrust  vermitteln,  sind  mehrfach 
erwähnt,  aber,  soviel  mir  bekannt,  nirgends  abgebildet  worden.    Ich  glaube  inde« 

1)  Museum  für  Völkerkunde.    Berlin.    Nr.  III.    F.  4(;3. 


(673) 

jetzt  nicht  mehr,  dass  der  vorliegende  Apparat  in  diesem  Sinne  zu  erklären  ist; 
jedenrulls  eignet  er  sich  schlecht  ah  Rinne  fOr  einen  Pfeil  und  ganz  rorzüglich 
zum  AuITangen  der  rUcksch lagenden  Bogensehne. 


Persische  Schntsplattc. 
Figur  8.    V, 


Schematischei  Queracbnitt  durch  eine  persische  Schutzpistte. 


Der  Vollständigkeit  halber  sind  hier  auch  die  ganz  riesigen,  in  10 — 20  Spiral- 
gängen ans  Baumrinde  gewundenen  Schutzringe  von  den  Salomona-Inseln  zu  er- 
wähnen, welche  Tast  den  ganzen  linken  Arm  bedecken'). 

So  Anden  wir  die  Schutzvorrichtungen  über  die  ganze  Erde  zerstreut;  dass  sie 
gleichwohl  lange  nicht  tiberall  da  bekannt  sind,  wo  Bogen  nnd  Pfeile  vorkommen, 
erklärt  sich  leicht,  wenn  man  bedenkt,  dass  sie  die  durch  strammeres  Angezogensein 

1)  Aach  in  vorgeschichtlichen  Sammlongen  finden  sich  Ocgenstftnde,  die  vielleicht 
als  solche  8 chuti- Apparate  anfgefasst  werden  kOnnen;  vor  allen  scheinen  gewisse,  spJraHg 
aufgerollte  Bronieringe  vielleicht  hierher  in  K^hören.  Die  prähistorische  Ablheilung  der 
Efiniglichen  Museen  besitzt  unter  II,  Ö770  eine  rechteckige  Platt«  aus  einem  dunklen, 
Bchieferartigen  Steine  mit  je  einer  Durchbohrung  an  jeder  Schmalseite.  Der  Gegenstand 
ist  als  ^.Danmen-Schntzplatte"  bezeichnet,  doch  war  ich  nicht  im  Stande,  mit  einem  aus 
^  Holz  angefertigten  Uodell  desselben,  mit  dem  ich  mehrfache  Versuche  anstellte,  den 
Daumen  irgendwie  erfolgreich  lu  schützen.  Es  scheint  mir  also  die  rrklSmng  als  Schutz- 
platte  nicht  völlig  gesichert  zu  sein. 

VarhiDilL  Her  BerL  iMitlirDiiaU  Oeielltclian  im.  48 


(674) 

der  Sobno  im  Ruhezustande  des  Bogens  leicht  völlig  entbehrlich  werden,  denn 
dann  wird  der  Rückschlag  durch  die  elastische  Spannung  des  Bogens  aufgehalten, 
lange  bevor  die  Sehne  die  Bogenbsnd  erreichen  kann. 

Nach  dieser  Abschweifung  Über  die  SchntzTorrichtnngen  für  die  linke  Band 
habe  ich  nun  noch  einmal  zu  der  mongolischen  Spannung  zurückzukehren 
and  zu  den  Spannringen  fOr  den  Daumen  der  rechten  Hand,  die  sie  gebieterisch 
erfordert. 

Die  beiden  Ringe,  die  Hr.  Virchow  kürzlich  vorgelegt  hat,  und  zwei  Ringe 

ans  Bronze  (Fig.  4),  die  ich  ror  langer  Zeit,  den  einen  in  Aleppo,  den  anderen  in 

DamascuB  erworben  (den  einen  habe  ich  seither  Hm.  E.  S.  Uorge  geschenkt;, 

stimmen  nun  alle  vier  anlTaltend  mit  Spannringen  aus  Korea  ttberein  (Fig.  5  n.  6), 

Figur  5.    */io 

Figur  4.    •/,„ 


tj  Spuinring  aus  Sjrien.  Spannring  aus  Korea.  Spannring  aus  Korea. 

die  mehrfach  im  hiesigen  Museum  für  Völkerkunde  vertreten  sind;  trotzdem  kann 
es  gar  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  sie  sämmtlich  nicht  aus  dem  fernen  Osten, 
sondern  aus  Vorder-Asien  stammen. 

Etwas  anders  geformt  sind  die  Spannringe  der  Chinesen:  diese  sind  völlig 
regelmässig  cylindrischc  Ringe  von  etwa  1,5  cm  Höhe,  gewöhnlich  ans  Nephrit, 
hiiullg  reich  verziert,  meist  völlig  glatt  Jetzt,  wo  seit  Kurzem  in  der  chinesischen 
Armee  FeuerwafTen  eingeführt  worden  sind  und  Bogenübnngcn  nur  mehr  zu  Parade- 
zwecken  vorgenommen  werden,  hat  auch  der  chineBische  Spannring  seine  ursprüng- 
liche Bedeutung  verloren  und  ist,  wie  mir  Professor  Dr.  W.  Grube  mitzn- 
thcilcn  so  gütig  war,  zu  einem  militärischen  Rangabzeichen  geworden.  Horse 
erwähnt,  dass  solche  Ringe  durch  ihr  Uaterial  und  durch  ihren  Schmuck  oft  sehr 
kostbar  gewesen  sind  und  dass  er  in  Canton  einen  solchen  gesehen  habe,  der 
anf  300  Dollars  geschätzt  wurde. 

Höchst  Überraschender  Weise  kennen  wir  einen  solchen  Ring  aber  auch  aus 
Afrika.  Unter  111.  P.  615  bewahrt  das  Königliche  Museum  für  Völkerkunde  in 
Berlin  einen  aus  den  Bcnue-Ländern  stammenden  eisernen  Danmenring  (Fig.  ^), 
der  von  R.  Flegel  selbst  gesammelt  und  als  Bogen-Spannring  bezeichnet  ist. 

Einer  solchen  Angabe  gegenüber  kann,  auch  wenn  sie  einstweilen  vereinzelt 
geblieben  ist,  nicht  bezweifelt  werden,  dass  die  „mongolische  Spannung"  auch  in 
Afrika  bebannt  ist,  denn  nur  allein  bei  dieser  kann  ein  Spannring  für  den  Daumen 
vorkommen. 

Ich  selbst  besitze  Übrigens  einen  kleinen,  mit  einem  langen,  seitlichen  Dome 
versehenen  Ring  aus  einer  hellen,  eigengrau  patinirten,  harten  Hetalllegimng,  den 


(675) 

seiner  Zeit  Ernst  Marno  vom  GiraiTenfliiase  mitgebracht  und  als  „Ring  zum  Bogcn- 
spanneu"  bezeichnet  hiit  (Fig.  So).  Da  mir  Marno  damals  nicht  sagen  konnte, 
wie  man  eigentlich  mit  einem  solchen  Ringe  eine  Sehne  spannen  könne,  habe  ich 
seine  Angabe  nicht  weiter  beachtet  and  den  Ring  Tür  einen  Schlagring  gehalten. 
Nun  bewahrt  aber  das  Berliner  Museum  für  Völkerkunde,  wie  ich  erst  in  den 
letzten  Tagen  gesehen,  einen  ganz  ähnlich  gerormten,  nur  grösseren  Homring  aas 
Korea  auf,    der  gleichfalls  als  Spannring  bezeichnet  ist  (F^g.  86).    Obwohl  eine 

Figur  8. 


SpaDoring  aus  dem  Benue-6«biete.  n)   Spannring  aus  den  oberen  Nillfindern. 

6)  Spannring  ans  Korea. 

nähere  Angabe  nicht  vorliegt  und  die  Art  der  Anwendung  auch  dieses  Ringes  einst- 
weilen noch  unklar  ist,  so  erfährt  doch  die  alte  Marno'sche  Angabe  jetzt,  nach 
fast  20  Jahren,  eine  höchst  unerwartete  Bestätigung,  und  man  wird  wobi  genötbigt 
sein,  auch  Tür  die  oberen  Nilgegenden  das,  wenn  auch  vereinzelte  Vorkommen 
der  , mongolischen  Spannung"  anzunehmen.  Freilich  bleibt  die  eigentliche  Art  der 
Anwendung  dieser  Spannringe  mit  seilen  ständigem  Dom  vorläufig  noch  unklar, 
ebenso  wie  es  auch  noch  aufzuklären  bleibt,  wie  sich  in  Korea  diese  abweichende 
Form  neben  der  dort  gewöhnlichen  und  typischen  gebildet  und  erhalten  hat. 

Ausser  den  bisher  besprochenen  fdnf  Arten  der  Bogenspannung  zählt  Morse 
noch  einige  von  geringerer  Bedeutung  auf,  die  theilweise  nur  individueller  Art 
sind  und  von  denen  nur  eine  hier  noch  besonders  ausgeführt  werden  könnte:  jene 
mit  beiden  Händen;  der  Schütze  liegt  dann  auf  dem  Rücken  und  stemmt  den 
Bogen  mit  beiden  Füssen.  Ich  selbst  habe  Buschleute  so  schiessen  sehen,  aber 
davon  eher  den  Eindruck  einer  „KüDatler''-Production,  nicht  eines  typisches  Ge- 
brauches gehabt. 

Hingegen  bin  ich  heute  in  der  Lage,  eine  neue,  bisher  völlig  unbekannte  Art 
der  Bogenspannung  mitzutheilen: 

Die  Wiite-Spannung.  Die  Kenntniss  derselben  ist  Hrn.  Premier-Lieutenant 
Morgen,  dem  kühnen  und  glllcklicbcn  Nachfolger  Hauptmann  Rund's,  zu  danken, 
der  sie  bei  dem  Wüte-Volke  im  Hinterlande  von  Kamerun  beobachtet  und  fUr 
dieselbe  mehrfache  Belegstücke  nach  Berlin  gebracht  hat.  Die  Wüte  spannen, 
anders  als  alle  übrigen  Völker,  von  denen  wir  bisher  Kenntnis»  haben,  überhaupt 
nicht  mit  den  Fingern,   sondern   mit  der  Mittelhand.    Sie  bedienen  sich 

43' 


(676) 

dabei  eines  Spannringes,  der,  wie  die  Abbildung  (Fig.  9)  zeigt,  ans  einem  dünnen 
Holzbrettchen  besteht,  das  schleitenlormig  gebogen  ist  und  dessen  Enden,  je  nach 
^  der  Grösse  der  Hand,    durch 

'g«r  .     /,o     ^  einen  Ledergtreifcn  mehr  oder 

weniger  genähert  werden 
können.  Dieser  Bing  wird 
nan  so  getragen,  dass  man 
ihn  —  die  geschlossene  Seite 
radial-,  die  offene  alnar- 
wärts  —  über  die  Mittelband 
zieht.  Mit  dem  Bande  der 
radialen  Seite  wird  dann  die 
Sehne  crfasst  und  gespannt, 
während  der  Daumen  den  Pfeil 
in  der  gewünschten  Stellung 
erhalt. 

An  diese  Hand  ringe 
sehliessen  sich  natürlich  die 
westafricani sehen  Dolche  mit 
hohlem  OrifTe  an  (Fig.  10  u. 
11),  die  uns  bisher  ans  dem 
Schatzgebiete  von  Togo,  ans 
dem  Wäte-Lande  nnd  ans 
denBenn  C'Länd  er  n  bekannt 
geworden  sind^  Speciell  aus  den  letzteren  haben  Staadinger  nndHartert  schon 
1886  ein  langes  Dolchmeeser  mitgebracht  (Fig.  10),   wie  sie  deren  bei  den  Ka- 

Pigni  10.    '/i 


3  dem  BenoS-Gebiete,  gleichzeitig  ßogcnspanner. 
Figur  11.    V» 


Dokbmesser  aas  dem  Wnte-Lande,  gleichieitig  Bogenspamier. 

darra-  und  Korro-Stämmen  (also  unter  dem  8°  östl.  L.  t.  Gr.  und  10"  n.  Br.) 
Torgerunden  haben,  wo  dieselben  sowohl  als  Handwaffe  zur  Vertheidigung  dienen, 
als  auch  „zum  schnelleren  Spannen  des  Bogens,  indem  der  Griff  an  die  Sehne  ge- 
drElclit  wird."  Diese  Angabe  ist  ja  nicht  Töllig  klar,  da  man  mit  einem  solchen 
Hflirsmitlel  wohl  eher  an  Krall,  aber  kaum  an  Schnelligkeit  gewinnen  kann,  aber 
es  geht  aus  derselben  doch  cinwandsfrei  hervor,  dass  thatsächlich  auch  diese 
Stämme  dieselbe  Art  der  Bof^en Spannung  haben,  welche  seither  etwas  weiter  sOd- 
östlich  Ton  Premier- Lieutenant  Morgen  genauer  erkannt  worden  ist 


(677) 

Dna  Berliner  Musenm  TUr  Völkerkunde  besitzt  aber  ganz  ähnliche  Messer  in 
aehr  zahlreichen  Exemplaren  aus  dem  Togo-Gebiete,  woher  sie  uns  durch  Stabs- 
arzt Dr.  Wolf  und  durch  Dr.  Büttner  zugegangen  sind;  dem  letzteren  verdanken 
wir  auch  die  einheimischen  Namen  Ssegara  und  Sama,  welche,  wie  es  scheint, 
beide  in  der  Sagu-Spraehc  für  diese  Messer  üblich  sind.  Fieilich  haben  beide 
Reisende  dieselben  nur  als  solche  betrachtet  und  erwähnen  nicht,  daas  sie  auch 
zum  Bogensponnen  dienen,  es  acheint  aber  keinem  Zweifel  zu  unterliegen,  dasB 
sie,  ebenso  wie  die  gleichartigen  Messer  in  den  Benue-Ländem,  beiden  Zwecken 
dienen;  jedenfalls  ist  uns  für  das  Messer  (l'ig,  11)  aus  den  Wöte-Ländem 
speciell  angegeben,  dasa  es  auch  zum  Bogenapanncn  verwendet  wird,  —  also 
neben  den  oben  beschriebenen  hölzernen  Mittelhand-Ringen,  die  dem  gleichen 
Zwecke  dienen.  Zu  untersuchen,  welche  Form  hier  die  ursprüngliche,  welche  die 
abgeleitete  ist,  wäre  eine  schwierige  und  vielleicht  auch  mtlasige  Aufgabe; 
jedenfalls  ergiebt  schon  die  theoretische  Erwägung  —  und  der  Versuch  be- 
stätigt es,  —  dasa  diese  Art  der  Bogen  Spannung,  gleichviel  ob  sie  durch  den  . 
hölzernen  Handring  oder  mit  HUlfe  des  eisernen  DolchgrifTes  erfolgt,  eine  ausser- 
ordentlich kränige  iat  Thataächlich  ist  sie  weitaus  jedem  anderen  Spannverfahren 
überlegen  nicht  blos  durch  die  Leichtigkeit,  mit  der  die  volle  Kraft  des  ganzen 
Armes  auf  die  Sehne  übertragen  wird,  sondern  auch  durch  die  erstaunliche  Zart- 
heit, mit  welcher  der  Pfeil  im  entscheidenden  Augenblicke  freigegeben  wird. 

Der  enorme  Krafteffekt  aber,  der  durch  diesen  Spannring  geleistet  wird,  findet 
seinen  Gcgcnansdruck  in  einer  Schutzvorrichtung  für  die  linke  Hand,  die  in  ihren 

Figur  12.    V,, 


Schntzring  tfir  das  linke  Hkodgeleok,  aas  dem  Wiit«luide. 

Dimensionen  gleichfalls  alles  bisher  dagewesene  Übertrifft.  Sie  besteht  (fig.  12) 
in  einem  enge  an  das  Handgelenk  anschliessenden  Lederbande,  das  auf  der  ulnaren 
Seile  offen  und  zum  Binden  eingerichtet  ist,  auf  der  Daumen-Seite  aber  eine  un- 
regelmässig  kegelartige  Ausbauchung  von  10  —  15  cm  Höhe  trügt,  die  gleichfalls 
aus  starkem  Rindsleder  hergestellt,  schwarz  gefärbt  und  meist  mit  geometrischen 
Verzierungen  geschmückt  ist.  Dieses  eigenartig  asymmetrische  Armband  wendet 
also  der  rück  schlagenden  Sehne  zwei  schiefe  Flächen  entgegen,  die  jeden,  auch 
den  ärgsten  Schlag,  völlig  parulysiren. 


(678) 

So  ergiebt  sich  also  in  der  kleinen  und  anscheinend  gleichgültigen  Frage  nach 
der  Art  der  Bogenspannung  bei  verschiedenen  Völkern  eine  unerwartete  Mannich- 
faltigkeit  und  vielfacher  Anlass  zu  weiterem  Nachdenken.  Das  bisher  bekannte 
Material  hat  aber  noch  allzu  viele  Lücken;  wenn  die  eben  mitgetheilte  Wüte- 
Spannung  eine  solche  in  so  durchaus  eigenartiger  Weise  ausfüllt,  so  erscheint 
das  Klaffen  der  übrigen  nur  um  so  bedauerlicher.  Ich  darf  also  wohl  die  Hoffnung' 
aussprechen,  dass  künftige  Reisende  auch  dieser  Frage  mehr  Beachtung  schenken, 
als  sie  dies  bisher  meist  gethan,  und  dass  die  schöne  Wahrnehmung  Pr.-Lt. 
Morgen' 8  noch  lange  nicht  die  letzte  ihrer  Art  bleibt.   — 

(23)  Hr.  Virchow  zeigt 

Bohnen  der  Canavalia  von  den  Chinhills  in  Hinter -Indien  zur  Bereitimg 

von  Schiesspulver. 

Schon  vor  längerer  Zeit  erhielt  ich  von  Hrn.  Dr.  Fritz  Nötling,  Geological 
Survey  Office,  Calcutta,  d.  d.  Mandalay,  28.  Juni  1889,  folgenden  Brief: 

„Mit  heutiger  Post  habe  ich  ein  Packet  an  Sie  abgesandt,  enthaltend  Samen 
einer  sehr  merkwürdigen  Bohnenart,  die  in  den  Chinhills,  im  wildesten  Theil 
Hinter-Indiens,  wächst  und  cultivirt  wird.  Ich  nenne  die  Bohne  deshalb  höchst 
merkwürdig,  weil  sie  von  den  Chin's  zur  Pulverbereitung  verwendet  wird.  Die 
Chin's  gebrauchen  dieselbe  als  Ersatz  des  Schwefels,  der  nicht  in  den  Chinhills 
gefunden  wird  imd  dessen  Import  bei  dem  bestehenden  Kriegszustände  verboten 
ist.  Nicht  aber,  als  ob  die  Chin's  dieses  Surrogat  für  Schwefel  erst  in  letzter  Zeit 
erfunden  hätten,  nein,  dasselbe  ist  bereits  seit  undenklichen  Zeiten  im  Gebrauch, 
und  das  damit  erzeugte  Pulver  ist  wunderbar  genug,  indem  es  erwiesen  ist,  da«s 
dasselbe  auf  400  Yards  Entfernung  noch  tödtliche  Wirkung  besitzt.  Ich  habe  diese 
Mittheilung  von  englischen  Offtcieren,  welche  am  Feldzuge  gegen  die  Chin's  Theil 
nahmen,  erhalten;  dieselben  waren  im  hohen  Grade  überrascht  über  die  Pern- 
wirkung  des  Pulvers,  das  sie  für  eine  ziemlich  harmlose  Mischung  gehalten 
hatten. 

„Die  Chin's  bereiten  das  Pulver  aus  Salpeter,  der  aus  Dung  gewonnen  wird, 
und  Holzkohle,  welche  beiden  Substanzen  mit  einem  Absud  aus  den  Bohnen  ge- 
mengt werden. 

„Die  Bohne  wird  auch  als  Nahrungsmittel,  namentlich  von  den  Burmesen,  gern 
benutzt,  scheint  aber  nur  am  oberen  Chindwin  und  in  den  Chinhills  zu  gedeihen. 
Entsprechend  der  Grösse  der  Bohne  ist  die  Schete  riesenhaft,  zuweilen  über  einen 
Fuss  lang. 

„Vielleicht  haben  Sie  die  Güte,  die  Samen  oder  einen  Theil  davon  an  die 
Direction  des  Botanischen  Grartens  zu  senden,  um  damit  Anpüanzungsversuchc  *) 
vorzunehmen,  und  mir  später  gefälligst  den  Namen  der  Art  mitzutheilen. 

„Mich  hat  es  mit  Staunen  erfüllt,  dass  ein  auf  so  niedriger  Culiurstufe  stehendes 
Volk,  wie  die  Chin's,  ein  Surrogat  für  den  Schwefel  gefunden  hat  • 

Bald  darauf  erhielt  ich  auch  das  Packet  mit  einer  kleinen  Sammlung  schön 
rother,  sehr  grosser  Bohnen.  Ich  übergab  einen  Theil  davon  Hrn.  Prof.  A.  Engler. 
Nach  einer  gefälligen  Mittheilung  desselben  stammen  die  Bohnen  von  der,  in  ganx 
Ost-Indien  und  Ost-Africa  verbreiteten,   auch  in  mehreren  Varietät^m  vielfach  in 

1)  Betreffs  der  AnpflanzuDg  kann  ich  nur  sagen,  dass  die  Pflanie  auf  nicht  ro 
schwerem  lehmigem  Boden  gedeiht,  wahrscheinh'ch  aber  sehr  viel  Feuchtigkeit  bi»dÄrf  und 
^egen  Kalte  nicht  sehr  empfindlich  ist,  augenscheinlich  mehrjährig. 


(679) 

den  Tropen  cultivirten  Canavalia  ensiformis  DC.  Die  jungen  Samen  werden  ge- 
nossen. Hr  Engler  bemerkt  ausserdem,  dass  eine  Anzahl  der  Samen  im  Bo- 
taniseben Garten  angesäet  wurde  und  aufging,  aber  keine  Samen  ansetzte. 

Hr.  Salkowski  hatte  die  Güte,  eine  Untersuchung  der  Bohnen  auf  Schwefel 
vorzunehmen.  Es  ergab  sich,  dass  dieselben,  mit  Ausschluss  der  rothen  Schale, 
nur  0,24  pCt.  Schwefel  enthalten. 

Der  Gedanke,  dass  es  ein  etwaiger  Schwefelgehalt  sei,  dem  die  Explosiy- 
Eigenschaft  zuzuschreiben  sei,  muss  also  zurückgedrängt  werden.  Indess  hindert 
das  nicht,  dass  eine  solche  Eigenschaft  vorhanden  ist.  Wenn  man  die  Bohnen 
pulverisirt,  so  erhält  man  ein  feines,  weisses  Mehl,  welches  sich  bei  Berührung 
mit  einem  brennenden  Hölzchen  leicht  entzündet  und  mit  grosser  Kraft  explodirt. 

Dass  durch  ein  solches  Mehl  ein  gewisser  Ersatz  für  den  Schwefel  in  der  Zu- 
sammensetzung des  alten  Schiesspulvers  gegeben  wird,  lässt  sich  nicht  in  Abrede 
stellen,  denn  obwohl  es  in  Bezug  auf  seine  Entzündlichkeit  nur  graduell  von  der 
Kohle  verschieden  ist,  trägt  doch  die  Explosivität  desselben  ein  neues  Element  in 
die  Mischung,  welches  sich  mehr  der  Wirkung  des  Salpeters  annähert  und  den 
Schlusserfolg  begreiflich  macht.  — 

(24)   Es  werden  Berichte  erstattet  über  die 

Excnrsion  nach  Salzwedel  and  in  das  megalithische  Grebiet  der  Altmark. 

Hr.  Virchow:  Die  lange  geplante  und  oft  verschobene  Excnrsion  in  die  Alt- 
mark hat  sich  in  gelungenster  Weise  vollzogen.  Herrliches  Wetter  begleitete  ims; 
noch  waren  die  Felder  mit  Saaten  bedeckt,  die  Wälder  in  dunklem  Grün,  die 
kleineren  Gewächse  in  voller  Blüthe,  darunter  stellenweise  besonders  reichlich  die 
„Topheide**  (Erica  tetralix).  Fröhliche  Stimmung  erfüllte  die  Vereinigung  so  vieler 
Freunde.  Von  den  Berlinern  nenne  ich,  ausser  Hm.  Ed.  Krause,  dessen  sorgsam 
ausgedachtes  Programm  getreulich  durchgeführt  wurde,  die  HHm.  Voss,  01s- 
hausen,  Ascherson,  Schweinfurth,  Maass,  Minden,  Seier,  Ehrenreich, 
Vater,  die  beiden  Photographen  Alb.  Schwartz  und  Sohn. 

Schon  am  Samstag,  4.  Juli,  gegen  Abend  trafen  wir  in  Salzwedel  ein,  freundlich 
empfangen  von  dem  Bürgermeister  Hrn.  Zechlin,  den  HHrn.  Zimmermann, 
Gädeke  u.  A.  Wir  hatten  noch  Zeit,  die  Stadt  zu  durchwandern,  deren  alterthümliche 
Bauwerke  trefflich  erhalten  sind,  und  das  Museum  zu  besuchen,  in  welchem  seit 
DanneiTs  Zeit  eine  grosse  Zahl  herrlicher  Bronzen  beisammen  liegt  Die 
Sammlung  ist  jetzt  durch  die  Fürsorge  des  Hm.  Zechlin  in  einem  neuen  Lokal 
aufgestellt,  durch  Hrn.  Ed.  Krause  geordnet  und  katalogisirt,  und  nach  mehrfachen 
Richtungen  erweitert.  Insbesondere  ist  die  Zahl  der  Funde  aus  römischer  Zeit 
erheblich  gewachsen.  Ich  habe  römische  Sachen  notirt  vom  Perwer,  von  Brietz, 
selbst  von  Seehausen  in  der  Wische  ein  Stück  Terra  sigillata;  ganz  besonders 
interessant  war  mir  aber  eine  Sammlung  von  Fundstücken  aus  dem  Gräberfelde 
von  Rebenstorf  im  Amte  Lüchow,  weil  sich  daran ter  ein  neues  Exemplar  einer 
Fensterurne  befand.  Es  ist  ein  sehr  einfaches,  nicht  verziertes  Thongefäss, 
dessen  „Fenster^  (im  Boden)  durch  weisses  Glas  geschlossen  ist.  Aus  demselben 
Gräberfelde  sahen  wir  schwarze  Urnen  in  Pokalform  mit  Mäander-Verzierang  und 
sonstige  Gefösse,  denen  aus  dem  benachbarten  Darzau  ähnlich,  römische  Fibeln, 
auch  eine  sonderbare  Blechfibel,  eine  eiseme  Schaafscheere  u.  A. 

Vor  10  Jahren  (Verhandl.  1881,  8.63,  Taf.  II)  habe  ich  die  bis  dahin  be- 
kannten deutschen  Fensterarnen'im  Zusammenhange  behandelt.  Ich  konnte  damals 
drei  (vielleicht  vier)  aufführen,  welche  sämmtlich  dem  Gebiete  zwischen  Elbe  und 


(680) 

Weser  angehörten.  Darunter  befand  sich  als  nächste  eine  von  Borstel  bei  Stendal, 
aus  einem  gut  bestimmten  römischen  Oräberfelde,  eine  von  Hohenwedel  bei  Stade, 
gleichfalls  aus  römischer  Zeit  (Verhandl.  1881,  S.  208),  nnd  eine  von  Lüerte 
in  Oldenburg  aus  einem  Hügelgrabe.  Später  wurde  von  mir  noch  eine  Penster- 
urne  von  Brockeswalde,  Amt  Ritzebüttel,  ermittelt  (ebendas.).  Mit  der  neuen 
Rebenstorfer  Urne  haben  wir  also  nunmehr  fünf  wohl  beglaubigte  Fensterumen 
aus  dem  bezeichneten  Gebiete.  Nur  Tür  die  Urne  von  Lüerte,  Amt  Wildeshnnsen, 
fehlt  eine  genauere  Zeitbestimmung  (Verhandl.  1879,  S.  228);  alle  anderen  gehören 
zweifellos  der  römischen  Periode,  und  zwar  wahrscheinlich  schon  einer  späteren 
Zeit,  an. 

Sonst  erwähne  ich  noch  aus  dem  Museum  von  Salzwedel: 

1)  einen  zarten  Schädel  von  dolichocephalem  Bau  aus  einem  megalithischen 
Grabe  von  Mellin, 

2)  einen  ganz  glatten  Bronzegürtel,  viereckig,  mit  Nieten,  aus  einem  Brand- 
grabe von  Klein- Wieblitz, 

3)  einen  grossen  Silberring  und  zwei  silberne  Armbrustftbeln ,  beide  zer- 
brochen und  nur  zur  Hälfte  erhalten,  mit  sehr  langer  Rolle,  ähnlich  der 
von  mir  früher  beschriebenen  Fibula  von  Ragow,  —  aus  dem  Gräberfclde 
von  Westheeren  bei  Tangermünde. 

Mit  patriotischer  Rührung  betraten  wir  das  Gebiet  der  alten  askanischen 
Burg,  welche  dicht  neben  der  Stadt  gelegen  ist  und  deren  Gründung  Albrecht 
dem  Bären  zugeschrieben  wird.  Der  mächtige  runde  Thurm  steht  noch  an- 
versehrt  da,  ein  Gegenstück  zu  dem  Perwer  am  anderen  Ende  der  Stadt  Wie 
früher  (Verh.  1881,  S.  222),  bemühte  ich  mich  vergeblich,  irgend  welche  charakte- 
ristischen Scherben  aufzufinden;  es  lagen  alte  Stücke  genug  umher,  aber  kein 
einziges  zeigte  auch  nur  die  Andeutung  eines  Ornaments.  — 

Am  nächsten  Morgen,  Sonntag  5.  Juli,  begannen  wir  eine  längere  Fahrt  durch 
das  megalithische  Gebiet  der  westlichen  Altmark,  ungefähr  in  der  Rich- 
tung, in  der  ich  im  Jahre  1881  meine  erste  Reise  dahin  gemacht  hatte,  jedoch 
nicht  in  gleicher  Ausdehnung  (Verhandl.  1881,  S.  220).  Wir  besuchten  nach  ein- 
ander die  Hünenbetten  von  Borusen,  Drebenstedt,  Nieps  und  Stöckheim,  die  grössten 
und  verhältnissmässig  best  erhaltenen  dieser  Gegend,  üebcr  einzelne  derselben 
habe  ich  schon  früher  kurz  berichtet.  Hier  will  ich  nur  drei  derselben  hervor- 
heben. Vor  allem  das  gewaltige  Hünenbett  von  Drebenstedt  (vgl.  Abbild.), 
welches  ich  auf  meiner  ersten  Reise  nur  im  Mondenschein  gesehen  hatte.  Schon 
Danneil  gab  als  Maasse  140  Fuss  in  der  Länge,  20  in  der  Breite  an;  die  Zahl 
der  Ringsteine  betrug  72,  die  Grabkammer  hatte  12  Träger- und  5  Decksteine,  von 
denen  der  äusserste  8  Fass  lang,  6  Fuss  breit  und  3  Fuss  dick  war.  Das  Grab  liegt 
auf  einem  leicht  gewölbten  Rücken  in  einer  ziemlich  flachen  Gegend.  Einzelne 
der  Ringsteine  sind  etwas  verschoben;  im  Ganzen  ist  das  ehrwürdige  und  höchst 
imposante  Monument  noch  ziemlich  vollständig  erhalten.  —  Das  nächst  grosse 
Grab,  das  von  Nieps,  ist  durch  die  Sorgfalt  des  Besitzers,  des  Landraths 
v.  Schulenburg,  sehr  wohl  gepflegt  und  sorgnUtig  umfriedigt  Es  liegt  mitten  in 
einem  schönen  Walde  mit  zum  Theil  uralten  Bäumen  auf  einer  massigen  Anhöhe. 
Zwischen  den  gewaltigen  Steinblöcken  des  äusseren  Ringes  ist  der  Boden  stark 
erhöht.  Am  Südwestende  befindet  sich  eine  mächtige  Grabkammer  mit  3  Deck- 
steinen und  einem  mächtigen  „Wecker".  —  Von  dem  Grabe  von  Stock  beim, 
dessen  ungeheuren  Deckstein  ich  schon  früher  beschrieben  habe,  will  ich  er- 
wähnen, dass  der  letztere  zahlreiche,  flache,  rundliche  Gruben,  wie  Näpfchen, 
auf  seiner  Oberfläche  zeigt,  sowie  eine  tiefe  Querriime.     Die  Sage  hat  allerlei  Er» 


(681) 

kläruDgen  daran  geknüpft.    So  wird  eraählt,  dass  jedes  Neujahr  drei  nenc  Näpfchen 
entstehen  lasse.     In  der  That  scheint  es  banm  zweifelhatt,   daas  diese  Näpfchen 


keine  Randmarken,  Überhaupt  keine  Kunslprodukte  siiiiJ,    sondern   dasa  sie  durch 
das  Ausspringen  und  Abblättern  der  Oberfläche  gebildet  werden.    Man  kann  solche 


(682) 

abblätternde  Stellen  leicht  auffinden.  So  mag  es  sich  erklären,  dass  der  FVost  des 
Winters  in  der  That  das  Ausspringen  begünstigt. 

Die  Dörfer,  welche  wir  durchfuhren  (Kehrberg,  Wilmersen,  Lüdelsen,  Drehen- 
stedt  u.  8.  w.)  zeigten  weder  die  Rundlingsform  der  wendischen  Dörfer,  noch  die 
grossen  Gebäude  der  Sachsen  mit  längsdurch laufender  Diele  und  daneben  den 
Ställen  für  die  Thiere.  Die  Dorfstrasse  war  meiijt  gestreckt,  gerade  durchgehend. 
Die  Höfe  hatten  fränkische  Anordnung:  grosse  Höfe,  oft  mit  vollständiger  Um- 
zäunung, vom  die  Wirthschaftsgebäude,  hinten  das  Wohnhaus  aus  Fachwerk  mit 
Mauersteinen.  Besonders  bemerkenswerth  schien  mir,  dass  die  meisten  Häuser 
an  dem  einen  Giebel  gekreuzte  Thierfiguren,  an  dem  anderen  einen 
Pfahl  mit  einem  Stern  zeigten,  also  die  beiden  Arten  der  Giebelverziemng 
vereinigten.  Die  grossen  Thorwege,  durch  welche  man  auf  den  Hof  gelangt,  waren 
bemalt  oder  mit  Inschriften  versehen,  jedoch  konnte  ich  keine  Jahreszahl  entdecken. 
Zuweilen  fanden  sich  in  denselben  8  Thüren:  eine  ganz  grosse  Hofthfir  zum 
Durchfahren  mit  Doppelflügel,  eine  seitliche  kleinere,  schmale  mit  ein  Paar  Stufen 
für  die  Menschen  und  eine  auf  der  anderen  Seite  zum  Viehhof.  Die  Häuser  der 
kleinen  Leute  haben  ganz  alamannische  Anordnung:  rechts  ein  Zimmer,  dahinter 
eine  kleine  Rüche  und  Treppe,  daneben  links  ein  von  der  einen  Seite  zur  anderen 
durchgehender  Flur,  weiterhin  links  Ställe  für  Ruh  und  Schwein  und  Heogelass. 
Von  den  etwas  grösseren  besassen  einige  gleichfalls  eine  quer  liegende  Tenne  in 
der  Mitte,  mit  einer  grossen  Scheunenthür. 

Gegen  Abend  musste  ich  mich  von  der  Gesellschaft  verabschieden,  um  nach 
Berlin  zurückzukehren,  während  die  übrigen  Herren  noch  eine  kleine  Ausgrabung 
vornahmen.  — 

Hr.  E.  Rrause  theilt  über  die  vorgenommene  Ausgrabung  Folgendes  mit: 
Die  Excursion  schloss  in  ihrem  geschäftlichen  Theile  mit  einem  Besuch  des 
Hügelgräberfeldes  auf  dem  nordwestlich  vom  Dorfe  Leetze  gelegenen 
Hüttenberge.  Auf  dem  östlichen  Abhänge  dieser  Hügelkette  waren  beim  Ries- 
graben schon  mehrfach  Urnen  gefunden.  Sie  standen,  wie  mir  der  Lehrer 
Schulz  schon  bei  einem  Besuche  im  Jahre  1889  mittheilte,  gewöhnlich  in 
kleinen  Steinpackungen  unter  niedrigen  Sandhügeln,  deren  mehrere  von  Stein- 
kränzen umgeben  waren.  Einige  daselbst  gefundene  Urnen  hat  Hr.  Schulz  bereits 
früher  dem  Röniglichen  Museum  in  Berlin  geschenkt,  einige  andere,  von  den  HHm. 
Gädeke  und  Zechlin  ausgegrabene,  sind  in  das  Salzwedeler  Museum  gekommen. 
Bei  unserem  Besuch  stiess  die  Sonde  an  verschiedenen  Stellen  auf  Steinpackungen 
im  Boden,  doch  wurden  nur  zerstörte  Gräber  gefunden,  mit  einigen  wenigen 
Scherben.  Nur  in  einer  leichten  Bodenschwellung  wurde  unter  Steinpackung  eine 
Urne  gefunden  mit  Leichenbrandresten,  doch  von  den  Wurzeln  der  auf  dem  Grabe 
stehenden  Riefem  fast  gänzlich  zerstört.  Die  Scherben  sind  im  Röniglichen  Museom 
für  Völkerkunde  wieder  zusammengesetzt  worden.  Das  Geföss  ist  ein  tief  napf- 
förmiges,  der  spätesten  römischen  Raiserzeit  angehörig,  wie  wir  sie  in  grosser 
Anzahl  gerade  von  Gräberfeldern  der  Altmark  kennen.  Das  Qefass  ist  lA*/jCm 
hoch,  17  cm  oben,  21  cm  im  Bauch,  9*/,  cm  im  Boden  weit. 

(25)   Hr.  Virchow  stellt  zwei,  zur  Zeit  im  Panopticum  auftretende  Fremde  vor: 

1)   Der  moderne  Proteus. 

So  nennt  sich  selbst  Hr.  Simeon  Aiguier,  der  sich  auch  die  Namen  des 
Squelette  vivant  und  des  Hommo  Macabre  beilegt.     Seine  Leistungen  sind  in  der 


(683) 

Thai  höchst  überraschend  und  mannichfaltig,  zugleich  von  hohem  wissenschaft- 
lichem Interesse.  Denn  sie  zeigen  eine  so  stark  entwickelte  und  zugleich  so 
sehr  localisirte  Wirkung  des  Wiilenseinflusses  auf  einzelne  Muskeln  und  Muskel- 
gruppen, wie  man  sie  kaum  für  möglich  halten  würde,  und  sie  gestatten  in  Folge 
dessen  einen  höchst  illustrativen  Einblick  in  die  Thätigkeit  dieser  Organe. 

M.  Aiguier  ist  Südfranzose  und  verleugnet  in  keinem  Augenblick  die  lebhafte 
Natur  des  Proven9alen.  Er  ist  gegenwärtig  40  Jahre  alt,  eher  mager,  als  fett,  aus- 
gemacht brünett,  von  massiger  Höhe,  aber  von  kräftigem,  muskulösem  Bau.  Seine 
Bewegungen  lassen  selbst  in  der  Darstellung  schreckhafter  Verunstaltungen  eine 
gewisse  Eleganz  erkennen.  In  liebenswürdiger  Haltung  und  zugleich  in  scharfer 
Formulirung  giebt  er  die  Erklärung  seiner  Handlungen.  Einer  Wissenschaft! iohen 
Prüfung  hat  er  sich  mit  vollster  Hingebung  unterworfen. 

In  einer  kleinen  Schrift  (Ouriosites  contemporaines.  Le  Protee  moderne. 
Bordeaux  1889)  hat  er  eine  Selbstbiographie  veröCTentlicht.  Danach  ist  er  auf  dem 
Lande  bei  Toulon  geboren,  der  Sohn  eines  wohlhabenden  Bauern;  später  wurde 
er  Bäcker,  vorübergehend  Soldat.  Seine  Bildung  erhielt  er  in  der  Primärschule 
und  durch  den  Geistlichen  seines  Ortes.  Schon  frühzeitig  begann  seine  Neigung, 
ungewöhnliche  Verhältnisse  nachzuahmen.  Mit  7  Jahren,  als  er  in  der  Schule  an- 
gehalten wurde,  ein  Bild  zu  zeichnen,  erfand  er  die  Combination  von  Muskel- 
actionen,  die  er  später  in  dem  Homme  squelette  ßxirte.  Sehr  bald  lernte  er  die 
Kunst,  seine  Baucheingeweide  hin-  und  herzuschieben,  sie  bald  nach  oben  unter 
dem  Brustkorbe  verschwinden  zu  lassen,  bald  in  Masse  gegen  die  Nabelgegend 
vorzutreiben.  Einer  der  Nachbarn  hängte  sich  auf;  während  alle  Umwohner 
im  tiefsten  Rummer  herumstanden,  studirte  er  mit  Begierde  an  der  Leiche  die 
Wirkungen  der  Strangulation,  und  fast  unmittelbar  darauf  gab  er  eine  Reproduktion 
des  Homme  pendu.  Dann  lernte  er  seinen  Muskeln  die  Härte  der  Todtenstarre 
oder  gar  des  Steines  geben:  so  entstand  die  Darstellung  des  Homme-statue  und 
des  Homme  mort.  Schliesslich  entdeckte  er,  auf  die  Anregung  eines  Magnetiseurs, 
die  Kunst,  seine  Herzbewegungen  zu  unterdrücken. 

Nicht  alle  diese  Leistungen  sind  gleich  ungewöhnlich.  Die  Einwirkung  einer 
stark  verlängerten  Inspiration  auf  die  Herzthätigkeit  ist  den  Physiologen  wohl  be- 
kannt und  leicht  zu  zeigen;  bei  Hrn.  Aiguier  überrascht  jedoch  die  Vollständig- 
keit und  die  lange  Dauer  der  Unterdrückung  von  Herz-  und  Pulsschlag.  Auch 
willkürliche  Muskelstarre  ist  erfahrenen  Aerzten  wohl  bekannt;  ich  habe  sie  von 
Simulanten  in  vollster  Stärke  entwickeln  sehen.  Was  bei  Aiguier  jedoch  am  meisten 
auffallt,  das  ist  die  isolirte  Thätigkeit  einzelner  Muskeln,  z.  B.  der  verschiedenen 
Hauchmuskeln,  namentlich  aber  die  des  Platysmamyoides.  Aiguier  vermag  nicht 
bloss  beide  Platysmen,  sondern  auch  nur  einen  derselben,  und  zwar  bis  zu  dem 
äussersten  Grade,  zu  contrahiren.  Die  betreffende  Partie  erhebt  sich  weit  über 
die  umliegende  Haut,  welche  daneben  tiefe  Gruben  und  Thäler  bildet;  die  Inser- 
tionen treten  isolirt  hervor,  endlich  legt  sich  die  Haut  über  dem  Platysma  in  quere 
Falten.  Ausläufer  der  Muskclplatten  lassen  sich  bis  weit  über  die  Brust  abwärts 
verfolgen.  Wie  es  scheint,  ist  die  muskulöse  Platte  des  Platysma,  über  welche 
wir  gewöhnlichen  Sterblichen  fast  gar  keine  Herrschaft  haben,  ja  die  eigentlich 
regelmässig  ganz  atrophisch  ist,  bei  Aiguier  in  hohem  Grade  hypertrophisch, 
wahrscheinlich  in  Folge  langer  Uebung. 

Eine  weitere  Analyse  ist  hier  kaum  am  Platze.  Aber  auf  Eines  möchte  ich 
noch  die  Aufmerksamkeit  richten.  Aiguier  gebraucht  gewisse  Vorbereitungen 
und  Hülfsraittel,  um  seine  Muskeln  zur  Aktion  zu  treiben.  Manches  davon  mag 
an  sich  unnöihig  sein,    denn  ich  sah  ihn  auch  seine  schwereren  Leistungen  fast 


(684) 

plötzlich  Yornehmen.  Es  ist  also  wohl  möglich,  dass  er  diese  Vorbereitungen  ab- 
sichtlich hinzufügt,  um  die  Spannung  der  Zuschauer  zu  erhöhen.  Indess  möchte 
ich  denselben  doch  einen  gewissen  Werth  beilegen.  Ehe  er  bestimmte  Muskeln 
oder  Muskelgruppen  zusammenzieht,  fährt  er  mit  der  Band  drückend  und  leicht 
knetend  darüber  hin,  dann  klopft  er  mit  dem  ulnaren  Handrande  auf  dieselben, 
endlich  giebt  er  sich  einen  plötzlichen  Ruck  und  stellt  die  beabsichtigte  Con- 
traction  her.  In  ähnlicher  Weise  tritt  auch  die  Lösung  der  Contractur  und  die 
Nachbehandlung  der  Muskeln  ein.  Aber  Aiguier  macht  auch  ausgedehnte  Vor- 
übungen. Er  selbst  beschreibt  dieselben  folgendermaassen:  „Veritable  artiste 
amoureux  de  son  art,  il  travaille  plusieurs  heures  par  jour  a  assouplir  ses  organes, 
a  forcer  ses  muscles  ä  des  contractions,  ä  des  allongement«  nouveaux,  a  obeir 
en  quelque  sorte  ä  sa  volonte.^  Man  wird  ihm  glauben,  dass  er  Alles,  was  er 
ist,  durch  energische  üebung  und  feine  Beobachtung  natürlicher  Vorgänge  ge- 
worden ist,  und  man  wird  ihm  zugestehen  müssen,  dass  er  nunmehr  ein  wirk- 
licher „Muskel-Künstler^  ist. 

2)   Der  Ilautmensch. 

Peter  Spam  er,  aus  der  Gegend  von  Würzburg,  ist  so  ziemlich  das  gerade 
Gegenstück  des  Muskel  menschen:  blond,  gross,  koochig  und  phlegmatisch.  Während 
bei  Aiguier  Alles  Aktivität  ist,  überrascht  Spamer  durch  eine  weit,  ja  bis  in*8 
Unglaubliche  getriebene  Passivität,  zufalliger  Weise  der  gleichen  Theile.  Das 
Phänomen,  das  bei  ihm  in  grösster  Stärke  hervortritt,  ist  eine  unerhörte  Dehn- 
barkeit seiner  Haut  und  Unterhaut.  Er  fasst  einzelne  Stellen  der  Haut  und 
erhebt  dieselben  weiter  und  weiter,  bis  sich  eine  grosse  Falte  oder  ein  umfang- 
reicher Lappen  daraus  bildet,  mit  dem  er  nicht  bloss  Nachbartheile  bedeckt,  sondern 
selbst  entfernte  Regionen  verhüllt.  Dies  macht  er  am  Rumpfe,  an  den  Extremi- 
täten und  selbst  am  Gesicht.  Sein  grösstes  Kunststück  ist  es,  die  Haut  des 
Halses,  gerade  aus  der  Gegend  des  Platysma,  in  einer  weiten  Querfalte  vorzu- 
ziehen und  dann  über  das  Gesicht  zu  legen;  wie  ein  Tuch  verhüllt  sie  alle 
Theile  des  Gesichtes  bis  zu  dem  Haarrande.  Ebenso  leicht  und  schnell,  wie  sie 
vorgezogen  ist,  zieht  sich  bei  Nachlass  des  Zuges  die  Haut  zusammen  und  kehrt 
wieder  in  ihre  Normallage  zurück,  —  kurz,  sie  ist  fast  noch  mehr  elastisch,  als 
ein  Kautschukbeutel. 

Die  grosse  Elasticität  der  äusseren  Haut  ist  genügend  bekannt  und  sie  lässi 
sich  an  allen  den  Stellen,  wo  Spam  er  seine  Experimente  macht,  auch  bei  anderen 
Menschen  leicht  demonstriren.  Sie  ist  so  gross,  dass  wenn  man  ein  Hautstück 
von  der  Oberfläche  des  Körpors  abpräparirt,  dasselbe  so  stark  zusammenschnurri, 
dass  es  die  entstandene  Wundfläche  nicht  mehr  deckt.  Aber  eine  so  excessive 
Dehnbarkeit,  wie  bei  Spamer,  ist  doch  ausserhalb  aller  bekannten  Verhältnisse, 
und  sie  ist  um  so  merkwürdiger,  als  mit  der  Verschiebung  der  Haut  auch  das 
Unterhautgewebe  und  mit  ihm  die  Blutgefässe  eine  colossale  Dehnung  erleiden 
müssen.  Dass  dabei  keine  Zerreissungen  und  Blutinfiltrationen  entstehen,  beweist, 
dass  auch  diese  Theile  sich  einer  gleichen  Elasticität  erfreuen.  — 

Namens  der  Gesellschaft  sage  ich  beiden  Künstlern  und  namentlich  Hrn. 
Neu  mann,  dem  Direktor  des  Passage-Panopticums,  freundlichen  Dank  (ür  die 
interessante  Vorführung.  — 

(26)    Eingegangene  Schriften. 
1.    Homeri,  Opera  omnia  ex  recensione  et  cum  notis  S.  Clark ii.    Cura  J.  Aug. 
Ernesti.     Ed.  IL     Lipsiae  1825,  5  Theile  in  3  Bänden. 


(685) 

2.  Sadler,  P.,  Nouv.  dictionnairc  portatif  anglais-fi*an<;ais  et  fr.-angl.    Paris  1844. 

3.  Schaaff,  L.,  Encyclopädie  der  classischen  Alterthumskunde.   III.  Aufl.   Magde- 

burg 1826.    2  Theile  in  1  Bd. 

4.  Scheller,    Imraan.    Joh.    Gerhard.      Deutsch  -  lateinisches    und    lateinisch- 

deutsches Lexicon.    II.  Aufl.     Leipzig  1788/89.    4  Bde. 

5.  Schmitt,  Christ,  Anleitung  zur  Erlernung  der  schwedischen  Sprache.     Nach 

Ollendorffs  Methode.  11.  Aufl.  Prankfurt  a.  M.  1872.  -  Schlüssel 
dazu.    Prankfurt  1872. 

6.  Schul-  und  Reise-Taschen- Wörterbuch  der  italienischen  u.  deutschen  Sprache. 

Leipzig,  0.  J. 

7.  Virgilii,    Maronis,    Publ ,    Opera    omnia    cum    annotationibus,    cura   Joh. 

Minellii.    Francofurti  1708. 

8.  Derselbe,  Opera.    Accedit  M.  Manilii  Astronom icon.    Biponti  1783. 

Nr.  1—8  Gesch.  d.  Prau  San.-Rath  Schlemm. 

9.  N  eh  ring,  A.,  Diluviale  Reste  von  Cuon,    Ovis,  Saiga,  Ibex  und  Rupicapra 

aus  Mähren.  Stuttgart  1891.  (Sep.-Abdr.  a.  d.  Neuen  Jahrb.  f.  Miner., 
Geol.  u.  Paläont.    Bd.  II.)    Gesch.  d.  Verf. 

10.  King   van  Reusselaer,   J.,    Plajring  Cards  from  Japan.     (S.-A.  Proc.  Nat. 

Mus.    Vol.  XIII.    No.  836.)    Gesch.  d.  Smithsonian  Institut. 

11.  Treichel,  A.,  Primitive  Pischerei.    (Sep.-Abdr.  aus  den  Mittheil.  d.  Westpr. 

Pischerei-Vereins.     1891.    Bd.  III.    S.  109—112.) 

12.  Derselbe,  Die  gewöhnlichen  Polnischen  Bezeichnungen  bei  Pischerei  und  von 

Pischen  im  Kreise  Bereut,  o.  0.  u.  J. 

13.  Derselbe,    üeber  die  an  der  Pommerschen  Küste  bei  Leba  zu  Utensilien  bei 

der  Lachs-  und  Breitlingsftscherei  zur  Verwendung  kommenden  Holzarten. 
(Sep.-Abdr.  a.  Circular  des  Deutsch.  Fischerei -Vereins.  Berlin  1879. 
S.  57—59.) 

14.  Derselbe,    Ueber  starke  Bäume.    Schriften  d.  Naturf.  Ges.  zu  Danzig.    Neue 

Polge.    Bd.  VII.    Heft  4. 

15.  Derselbe,  "Westpreussische  Schlossberge  und  Burgwälle,  o.  0.  u.  J. 

16.  Derselbe,  Ornamentirte  Urnen  von  Hochstüblau,  o.  0.  u.  J. 

17.  Derselbe,  Westpreussische  Häuser,  o.  0.  u.  J. 

18.  Derselbe,  Versammlung  des  botanisch-zoologischen  Vereins  in  Neustadt  i.  Wpr. 

(Danziger  Zeit.  v.  21.  Mai  1891.) 
Nr.  11— 18  Gesch.  d.  Verf. 

19.  Selige,  Polnische  Bezeichnungen  für  Pische,  o.  0.  u.  J.  Gesch.  d.  Verf. 

20.  Del  meridiano   iniziale  e  dell'  ora  universale.     Bologna   1890.    (R.  Acc.  d. 

scienze  di  Bologna.)    Gesch.  d.  R.  Acc.  d.  scienze  di  Bologna. 

21.  Ploss,   H.,   Das  Weib  in  der  Natur-  und  Völkerkunde.    3.  Aufl.,    herausg. 

von  M.  Bartels     Leipzig  1891.    (V. — VU.  Lieferung.) 
Gesch.  d.  Hrn.  Sanitätsrathes  Bartels. 

22.  du  Bois-Reymond.    Bericht  über  die  Wirksamkeit  der  Humboldt-Stiftung 

für  Naturforschung  und  Reisen.    S.-B.  d.  k.  Preuss.  Akad.    Berlin  1890. 
Gesch.  d.  Hm.  Virchow. 

23.  Bluntschli,  J.  C,  Gespräche  über  Gott. und  Natur  und  über  Unsterblichkeit. 

Nordlingen  1880. 

24.  Bissinger,    K.,    Verzeichniss  der  Trümmer-  und  Pundstätten  aus  römischer 

Zeit  im  Grossherzogthum  Baden.     Karlsruhe  1885. 

25.  du  Bois-Reymond,    E.,   Ueber  die  Grenzen  d.  Naturerkennens.    H.  Aufl. 

Leipzig  1872. 


(686) 

26.  du  Bois-Reymond,  üeber  die  Uebung.     Berlin  1881. 

27.  Dahlem,  J.,  Das  mittelalterlich-römische  Lapidariom  und  die  vorgeschichtlich- 

römische  Sammlung  zu  St.  Ulrich  in  Regensburg.    Regensburg  1881. 

28.  Ebers,  G.,   Eine  Qallerie  antiker  Portraits.    Erster  Bericht  über  eine  jüngst 

entdeckte    Denkmäler  -  Gruppe.    —    O.    Donner- v.  Richter,    Die    en- 
kaustische  Malerei  der  Alten.    München  1888. 

29.  Fr  aas,  0.,  Die  geognostische  Sammlung  Württembergs.    Stuttgart  1877. 

30.  Freihold,   F.,    Die   Lebensgeschichte   der  Menschheit.     Bd.  1.     Das   erste 

Leben  der  Menschheit  oder  die  sinnliche  Richtung.    Jena  1876. 
3L   Jäger,  G.,  Die  Entdeckung  der  Seele.     Leipzig  1878.     (Sep.-Abdr.  Kosmos.) 

32.  Moleschott,   J.,  Die  Einheit  der  Wissenschaft  aus  dem  Gesichtspunkte  der 

Lehre  vom  Leben.     Giessen  1879. 

33.  Die  Sammlungen   des  Vereins  für  Pommersche  Geschichte  und  Alterthums- 

kunde  in  Stettin.     Stettin  1886. 

Nr.  23— 33  Gesch.  d.  Frau  San.-Rath  Schlemm. 

34.  Meyer,  H.,  Eine  Weltreise.    Neuer  Abdruck.     Leipzig  und  Wien  1890. 

35.  Derselbe,  Zum  Schneedom  des  Kilimandscharo.     Berlin,  o.  J.   (1888.)     Fol. 

Nr.  34  u.  35  Gesch.  d.  Verf. 

36.  Actes  du  deuxieme  Congres  international  d*anthropologie  criminelle.     Biologie 

et  sociologie.     (Paris,  aoüt  1889.)     Lyon  et  Paris  1890. 
Gesch.  d.  Hrn.  Magitot. 

37.  Brizio,   E.,  Relazione  sugli  scavi  eseguiti  a  Marzabotto  presse  l^logna  dal 

Nov.  1888  a  tutto  Maggio  1889.    Roma  1890.    Fol.     Gesch.  d.  Verf. 

38.  Undset,  L,  De  nordiske  kl^ verblad- formede  spaeder  fra  yngre  jernalder,  deres 

tilblivelse  og  udvikling.     Ghristiania  1891. 

39.  Derselbe,   Mere  om  de  norske  oldsager  i  Kobenhavns  oldnordiske  museura. 

Christiania  1891. 

Nr.  38  und  39  Gesch.  d.  Verf. 

40.  Festakt  zur  Feier  des  siebenzigjährigen   Geburtstages  Sr.  Königlichen  Hoheit 

des  Prinz -Regenten  Luitpold  von  Bayern  als  des  erhabenen  Protektors, 
gehalten  von  dem  Historischen  Vereine  von  Über- Bayern,  in  einer  Fest- 
versammlung am  9.  März  1891.    München  1891. 
Gesch.  d.  Vereins. 


Sitzung  vom  17.  October  1891. 

Beim  Eintreten  des  gelegentlich  seiner  70jährigen  Geburtstagsfeier  (13.  October) 
zum  Ehren-Präsidenten  der  Gesellschaft  ernannten  Vorsitzenden,  Hm.  Virchow, 
erheben  sich  die  anwesenden  Mitglieder  Ton  ihren  Plätzen. 

Hr.  Virchow  bemerkt,  dass  ihm  eigentlich  Seitens  der  Gesellschaft  ein  Ge- 
waltakt angethan  worden  sei,  dessen  coustitutionellcr  Charakter  ihm  nicht  ganz 
zweifellos  erscheine  Nur  in  dem  Gefühl  der  dauernden  Uebereinstimmung  der 
Zwecke  und  der  Arbeiten,  welches  er  den  Mitgliedern  der  Gesellschaft  gegenüber 
empfinde,  habe  er  sein  Gewissen  beruhigt  und  wolle  er  sich  auch  in  diesem 
Augenblicke  fügen  und  die  Hoffnung  aussprechen,  dass  für  die  Zukunft  sich  kein 
unbequemes  Präjudiz  ergeben  möge.  Seinen  Dank  für  eine  so  grosse  Ehre  könne 
er  nicht  anders  ausdrücken,  als  in  der  Zusage,  dass  er  sich  bemühen  werde,  in 
seiner  Thätigkeit  für  die  Gesellschaft  nicht  nachzulassen,  so  lange  seine  Kräfte  es 
gestatten. 


Vorsitzender  Hr.  Virchow. 

(1)  Die  Testaments-Vollstrecker  Schliemann's,  die  HHm.  P.  Calliga 
und  Streit,  haben,  d.  d.  Athen,  2./1 4.  September,  angezeigt,  dass  der  Verstorbene 
der  Gesellschaft  10  000  Francs  vermacht  hat.  Im  Einverständniss  mit  Frau  Sophie 
Schliemann  haben  sie  diese  Summe  hierher  überwiesen.  Der  Vorsitzende 
und  der  Schatzmeister  haben  die  Summe  erhoben  und  darüber  eine  notariell  be- 
glaubigte Quittung  ertheilt.  Vorstand  und  Ausschuss  haben  dieses  Vorgehen  nach- 
träglich gutgeheissen.  Es  wird  dem  Hrn.  Cultus-Minister  ein  Antrag  auf  Aller- 
höchste Genehmigung  zur  Annahme  der  Schenkung  unterbreitet  werden. 

Nicht  ohne  tiefe  Rührung  wird  die  Gesellschaft  aus  dieser  Schenkung  er- 
sehen, wie  dankbar  Schliemann  dafür  gewesen  ist,  dass  die  Gesellschaft  durch 
ihre  frühzeitige  und  andauernde  Anerkennung  seiner  Leistungen  ihm  die  volle  Re- 
habilitirung  in  Deutschland  und  den  Sieg  über  alle  Widersacher  erleichtert  hat. 
Sein  Gedächtniss  wird  nun  durch  ein  neues  Band  gesichert  sein.  Ueber  die  Ver- 
wendung der  geschenkten  Summe  wird  später  Beschluss  zu  fassen  sein,  sobald  die 
Allerhöchste  Genehmigung  eingegangen  ist. 

(2)  Der  Hr.  Unterrichts-Minister  hat  durch  Erlass  vom  1.  August  die 
ausserordentliche  Beihülfe  in  der  bisherigen  Höhe  für  das  laufende  Rechnungsjahr 
gewährt. 

(3)  Das  neue  Ehrenmitglied,  Fräulein  J.  Mestorf,  spricht  ihren  Dank  in 
folgendem  Schreiben  an  den  Vorsitzenden,  d.  d.  Kiel,  30.  Juli,  aus: 


(688) 

„Die  Auszeichnung,  deren  die  Berliner  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethno- 
logie und  Urgeschichte  mich  durch  die  Ernennung  zu  ihrem  EhrenmitgHede  ge- 
würdigt, hat  mich  ebenso  sehr  überrascht,  wie  ich  mich  durch  dieselbe  geehrt 
fühle;  denn  wohl  ist  es  hohe  Ehre,  als  erwähltes  Mitglied  einer  Gesellschaft  an- 
zugehören, die  so  glänzende  Erfolge  ihrer  den  ganzen  Erdball  umspannenden, 
ruhmvollen  Thätigkeit  zu  verzeichnen  hat. 

„Ich  bitte  Euer  Hochwohlgeboren ,  meinen  tief  empfundenen  Dank  entgegen 
zu  nehmen  und  ihm  der  hohen  Gesellschaft  gegenüber  Ausdruck  verleihen  zu 
wollen."  — 

(4)  Seit  der  letzten  Sitzung  ist  eine  ungewöhnlich  grosse  Zahl  von  Mit- 
gliedern durch  den  Tod  abgerufen  worden. 

Von  unseren  correspondirenden  Mitgliedern  sind  gestorben: 

Dr.  Isidor  Köper nicki,  Professor  an  der  Universität  zu  Rrakau,  einer 
der  erfahrensten  Kraniologen  der  Gegenwart,  und 

Dr.  Georg  Alex.  Wilken,    Professor  an  der  Universität  zu  Leiden,   am 
28.  August,    erst  44  Jahre  alt,    der  grösste  Renner  der  Ethnographie 
des  malaiischen  Archipels. 
Aus  dem  Kreise  der  ordentlichen  Mitglieder  schieden: 

Dr.  Gustav  Hahn,  Oberstabs-  und  Regimentsai-zt,  am  T.September,  in 
Folge  eines  Schlaganfalles,  in  Schreiberhau; 

Max  Quedenfeldt,  Premier-Lieutenant  a.D.,  40  Jahre  alt,  am  18.  Sep- 
tember zu  Berlin,  an  einer  schweren  Unterleibskrankheit,  die  er  von 
seiner  letzten  Reise  in  den  Orient  zurückgebracht  hatte. 

(5)  Aus  der  Zahl  der  Forscher  und  Freunde  unserer  Wissenschaft  schieden 
dahin 

Dr.  Voigt el  zu  Coburg,  das  thätigste  Mitglied  des  dortigen  Vereins, 
einer  der  regelmässigsten  Besucher  unserer  Congresse; 

Dr.  Rackwitz  zu  Nordhausen,  ein  eifriger  Arbeiter  auf  dem  Gebiete  der 
historischen  und  folkloristischen  Studien; 

Dr.  philos.  et  theol.  Friedrich  Fabri,  ordentl.  Honorar-Professor  der 
Universität  zu  Bonn,  einer  der  tapfersten  Streiter  auf  dem  Grenzgebiete 
zwischen  Theologie  und  Naturwissenschaft  und  einer  der  am  besten 
unterrichteten  und  kühnsten  Vorkämpfer  der  Golonial-Politik. 

(6)  Als  neue  Mitglieder  werden  angemeldet: 

Hr.  Prof.  Dr.  Hirschfeld,  Königsberg  i,  Pr. 

„     Gymnasial-Lehrer  E.  Rö ssler,  Schuscha  im  Kaukasus. 

„    Ritterguts-Besitzer  Papendieck,   auf  Dalheim  bei  Gutenfelde,  Ost- 

Preussen. 
Das  Bernstein-Museum  Stantien  und  Becker,  Königsberg  i.  Pr. 
Hr.  Rechtsanwalt  Paul  Langenmayr,  Pinne,  Provinz  Posen. 

„    Dr.  G logner,  Officier  van  gezondheit,  Padang,  Sumatra. 

„     Kaufmann  Friedrich  Müller,  Berlin. 

„    Max  Ohnefalsch-Richter,  Charlottenbui^. 

(7)  Br.  W.  Schwartz  hat  während  der  Ferien  seinen  70jährigen  Ge- 
burtstag gefeiert.  Hr.  Voss  hat  ihm  persönlich  die  Beglück wünschnng  der 
Gesellschaft  überbracht.    Wir  dürfen  heute  den  rüstigen  Jubilar  wieder  anter  ans 


(689) 

begrüssen   and   ihm   die  wärmsten  Wünsche   für   sein    weiteres  Fortarbeiten  auf 
seiner  mhmyoUen  Bahn  darbringen. 

(8)  Unter  den  Hrn.  Virchow  zugegangenen  Gratulations- Telegrammen  be- 
findet sich  auch  ein  solches  von  Hm.  Jag  er  aus  Makassar.  Trotz  der  lapidaren 
Fassung  (gratulor  Jagor)  darf  daraus  wohl  auf  das  gute  Befinden  unseres 
Freundes  geschlossen  werden. 

(9)  Am  25.  October  feiert  der  Verein  von  Alterthumsfrcunden  im 
Rhein  lande  sein  50jähriges  Jubiläum.  Das  Programm  wird  vorgelegt.  Vor- 
stand und  Ausschuss  werden  den  hochverdienten  Verein  in  einer  Adresse  beglück- 
wünschen. 

(10)  Die  Oberlausitzer  Gesellschaft  für  Anthropologie  und  Ur- 
geschichte hat  ihre  vierte  Hauptversammlung  am  8.  October,  in  einer  für  uns 
sehr  ungünstigen  Zeit,  in  Görlitz  abgehalten. 

(11)  Die  kaiserliche  Moskauer  archäologische  Gesellschaft  ist  vom 
Ministerium  der  Volksauf klärung  beauftragt  worden,  in  Constantinopel  ein 
russisches  Institut  zur  ethnographischen  und  archäologischen  Er- 
forschung des  Orients  zu  errichten.  Es  sind  demselben  zu  diesem  Zweck  reiche 
Mittel  zur  Verfügung  gestellt  worden. 

Der  Vorsitzende  erhofft  die  dereinstige  Einrichtung  eines  solchen  Institutes 
Seitens  Deutschlands  in  Cairo. 

(12)  Nachdem  Hr.  Gastan  von  Dr.  Schellong's  papuanischen  Gesichts- 
masken Gypsabgüsse  angefertigt  hat,  ist  nunmehr  ein  Gircular  an  hervorragende 
ethnographische  Museen  erlassen  worden,  in  welchem  ein  Personal -Verzeichniss 
der  Stücke  (37  an  der  Zahl),  mitgetheilt  wird.    Von  den  Masken  beziehen  sich 

Nr.    1 — 22b.    aufNeu-Guinea.  NO.  Kaiser  Wilhelms-Land.  Finschhafen.  Jabim. 
„  23-27.       „     „         „       Kai. 
„  28—31.       „  Insel  Tami. 
„  32.  „  Neu-Lauenburg. 

„  33.  „  Neu-Britannien  (Neu-Pommem). 

„  34.  „  SW.   Neu-Meklenbuig- 

„  35,  36.        „  NO.      „  „ 

„  37.  „  Salomons-Insel  Wella-Wella. 

Der  Tenor  des  Circulars  lautet: 

„In  dem  Besitze  der  unterzeichneten  Gesellschaft  befinden  sich  Gypsabgüsse 
von  den  Gesichtern  Eingeborener  aus  Melanesien,  namentlich  aus  Neu- Guinea, 
welche  Hr.  Dr.  Schellong  über  Lebenden  abgeformt  hat.  Das  umstehende  Ver- 
zeichniss enthält  die  näheren  Angaben.  Eine  genaue  Beschreibung  wird  Hr. 
Schellong  in  der  Zeitschrift  für  Ethnologie,  Heft  IV,  1891,  geben. 

„Wir  sind  im  Stande,  Vervielfältigungen  dieser  Gypsabgüsse,  in  natürlichen 
Farben  bemalt,  käuflich  abzulassen. 

„Der  Preis  beträgt  exclusive  Verpackung  und  Porto  für  das  Stück 
55  Mark.  Sollten  bei  uns  mehrere  Bestellungen  auf  die  gleichen  Stücke  ein- 
gehen, so  können  wir  eine  Preissermässigung  eintreten  lassen  und  zwar  in 
folgender  Weise: 

Verbandl.  der  Berl.  Anthrop.  GeMllsebalt  1891.  44 


(690) 


bei    1 

Bestellung 

auf  die 

ganze 

Folge 

.    .    .    2090  Mk. 

,     2 

ßestellungen 

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.     •      722    , 

„Wir  bitten,  uns  die  Bestellungen  bis  zum  15.  November  dieses  Jahres  zu- 
gehen zu  lassen,  und  werden  wir  darauf  den  Reflectanten  roittheilen,  ob  und  welche 
Preisermässig^ng  wir  eintreten  lassen  können." 

Die  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte  zu  Berlin. 

Dr.  Max  Bartels,  Schriftführer.    Berlin  SW.,  Königgrätzerstasse  120. 

Der  Vorsitzende  fügt  hinzu,  dass  etwaige  spätere  Bestellungen,  wenn  es 
möglich  ist,  auch  noch  berücksichtigt  werden  sollen. 

(13)  Hr.  0.  Borchert  unternimmt  demnächst  eine  Expedition  nach  den 
central-africanischen  Seen.  Graf  Schweinitz,  der  ihn  begleitet,  beabsichtigt, 
daselbst  wissenschaftliche  Untersuchungen,  auch  anthropologische,  zu  veranstalten. 

.    (14)   Das  correspondirende  Mitglied,  Hr.  Dr.  Paolo  Orsi,  Ispettore  degli  Scavi 
in  Syracus,  berichtet  aus  Rovereto  im  Trentin  unter  dem  21.  August  über 

Prähistorischen  Bernstein  ans  Sicilien. 

Als  wichtigen  Nachtrag  zu  den  hochinteressanten  Mittheilungen  über  den 
alten  Bernsteinhandel  und  die  Goldfunde  (des  Hrn.  Olshausen  in  diesen 
Verhandlungen  1891,  S.  286 f.)  kann  ich  berichten,  dass  wir  endlich  in 
officieller  Weise  die  Existenz  von  Bernstein  in  prähistorischen  oder  besser,  in 
protohistorischen  Gräbern  Siciliens  constatiren  können.  Schon  vorher  hatte  Prof. 
A.  B.  Meyer  im  Bullettino  di  Paletnologia  Italiana  1887,  p.  22  —  24,  zwei  Bern- 
stein funde  besprochen,  einen  von  Randazzo,  den  anderen  von  Crichi;  die  chemische 
Analyse  des  Hrn.  Bärwald  in  Berlin  eingab  jedoch,  dass  dies  kein  Bernstein 
aus  Sicilien  (Simetit),  sondern  aus  dem  Norden  (Succinit)  war.  Ich  muss  jedoch 
einige  Bedenken  über  diese  Resultate  erheben,  nicht  vom  chemischen,  sondern 
vom  archäologischen  Standpunkte  aus.  Vor  allem  bemerke  ich,  dass  der  Bern- 
stein von  Crichi  gestrichen  werden  sollte,  da  Crichi  in  Calabrien  und  nicht  ir 
Sicilien  liegt;  und  dann,  dass,  meiner  Meinung  nach,  auch  der  Bernstein  von  Ran- 
dazzo suspect  ist,  da  in  Randazzo  keine  prähistorischen  Gräber  existiren,  wenigstens 
Niemand  davon  weiss. 

Dagegen  in  den  Ausgrabungen,  die  ich  im  Auftrage  der  königl.  italienischen 
Regierung  in  den  sikelischen  Nekropolen  von  Plcmmirio  bei  Syracus  und  Castelluccio 
bei  Noto  im  Jahre  1890  ausgeführt  habe,  hatte  ich  die  Freude,  einige  Bernstein- 
perlen,  mit  bronzenen  Schwertern  und  steinernen  Messern  zusammen,  zu  finden. 
Einige  Stücke,  die,  durch  die  Güte  des  Hrn.  Prof.  A.  B.  Meyer  in  Dresden,  mittelst 
chemischer  Analyse  geprüft  wurden,  ergaben,  dass  sie  sich  ganz  anders,  als 
Ostsee-Bernstein,  verhalten.  Detaillirtes  über  meine  Entdeckungen  werde  ich  im 
Bulletino  di  Paletnologia  Italiana  dieses  Jahres  herausgeben.    Gregenwärtig  mag  es 


(BDI) 

genügün,  die  urste  Entdeckung'  von  prähistori schein  siciliscbcni  Bernstein  in  Sicilien 
bekannt  zu  machen.  — 

(15)  Hr.  Marchesettt  berichtet  in  einem  Briefe  an  den  Vorsitzenden  aua 
Triest,  17.  September,  über 

Dene  Ansgrabungeo  zn  Santa  Lncia  im  Litorale. 

„Ich  bin  jetzt  mit  dem  Auspacken  meiner  14  Kisten,  Ausbeute  von  S.  Lucia, 
beschäfligt,  denn  obwohl  die  Zahl  der  geöffneten  Gräber  nicht  gross  war  (291  im 
Ganzen),  waren  doch  die  meisten  sehr  gut  mit  Sachen  versehen,  so  dass  ich  reich- 
haltigere Funde  in  diesem,  als  im  Vorjahre,  machte.  Besonders  zahlreich  sind 
Bronzegeriisse  vertreten  (23),  worunter  einige  mit  schönen  gopunzten  Zeichnungen, 
ein  prächtig  erhaltener  Kelch,  eine  zweihenkelige  Situln  mit  Deckel,  drei  cylin- 
drische  Reifeneimer  (Ciste  a  cordoni),  ein  5Ü  cm  hohes  Ossuarium  in  Situla- 
form  etc.  etc.  In  grosser  Zahl  sind  auch  schön  erhaltene  Kelche  ans  Thon  mit 
schwarzen  und  rothen  Zonen.  Interessant,  besonders  für  die  Zeitbestimmung, 
scheint  mir  das  Vorkommen  einer  apulischen  Rylix.  Fibeln  kamen  ebenfalls  in 
ansehnlicher  Zahl  vor  (es  sind  deren  391),  darunter  mehrere  für  S.  Lucia  neu. 
Ausserdem  eine  Menge  anderer  Zierrathe,  verschiedenartige  Ringe,  Nadeln,  Glas- 
und  Bernsteinperlen,  Anhängsel,  Messer,  ein  Schwert,  ein  Paalstab  u.  A.  Wiederum 
fand  man  das  Grab  eines  Pferdes,  jedoch  nnr  mit  einem  eisernen  Zaume  versehen. 

„Im  Juni  habe  ich  eine  schöne  Reise  durch  Dalmatien,  Montenegro  und 
Bosnien  gemacht.  Im  höchsten  Grade  haben  mich  die  Funde  von  Glasinac  im 
Museum  von  Serajewo,  wegen  der  vielen  Analogien  mit  unseren  und  den  sUd- 
italischcn  Nekropolen  (besonders  Sybaris),  interessirt.  Desgleichen  konnte  ich  die 
Identität  unserer  GastelHeri  mit  denen  Dalmatiens  und  Bosniens,  sowohl  hinsichtlich 
ihrer  Construction,  als  Ihrer  Funde,  nachweisen." 

Unter  dem  10.  October  hat  Elr.  Harchesetti  eine  schöne 

archaische  Bronze-Fibel  von  Koban-Form 
an  Hm.  Virchow  zu  dessen  Geburtstag  gesendet.    Er   nennt   sie  Hne   typische 
„S.  Lucia -Fibel",   wie  sie  seines  Wisaena 
ausserhalb     der    Nekropolen    des    Litorale 
noch  nirgends  gefunden  wurde. 

Hr.  Virchow  dankt  dem  freundlichen 
Geber  für  das  werthvolle  Geschenk,  das  er 
dem  Künigl.  Museum  für  Völkerkunde  zu 
Übergeben  gedenkt.  Es  ist  ein  kleines 
Exemplar  mit  dickem,  fast  blutegell(}rmigcm 
Bügel,  der  an  4  Stellen  mit  tiefen  Quer- 
ftirchen,  in  der  Zahl  von  6—8,  besetzt  ist. 
Die  Nadel  entwickelt  sich  mit  drei,  dicht 
an  einander  liegenden,  abgeplatteten  Win- 
dungen aus  dem  Bügel  und  legt  sich  am 
Ende  in  eine  sehr  breite,  eingebogene  Platte, 
an  der  auch  noch  Spuren  von  Querkerben 
bemerkbar  sind.  An  dem  Bügel  härigen  zwei 
etwa  llngerweite,    geschlossene  Ringe  von 

dicker,  fast  drehrunder  Bronze,  ferner  eine  ,, 

Pincette     mit    verfaältnisamäasig    schmalen 


(692) 


Armen   und   drei   Klapperkugeln   mit   sonnen  förmigen  Eindrücken,   beide   an   be- 
sonderen kleinen  Ringen.  — 

(16)  Hr.  Leopold  Conradt,  aus  Königsberg,  hielt  in  der  Gesellschaft  fUr 
Erdkunde  am  7.  März  einen  Vortrag  über  eine  centralasiatische  Reise  (Verhandl. 
der  Gesellsch.  1891,  Nr.  3,  S.  168),  welche  er  im  Gefolge  der  Expedition  des  Capitän 
T.  Grombtschewsky  in  den  Jahren  1889 — 90  gemacht  hatte.  Bei  dieser  Ge- 
legenheit erwähnte  er  auch  die  Nephritbrüche  von  Schachidula  und  die  Xephrit- 
schleifereien  von  Chotan,  über  welche  er  genaue  Aufschlüsse  zu  geben  wusste.  Er 
versprach  Hrn.  Virchow  weitere  Nachrichten  darüber  und  Proben  des  Gesteins. 

Letzterer  war  nicht  wenig  erstaunt,  den  nächsten  Brief,  vom  23.  August  datirt, 
von  der  Plantage  Derema  in  Deutsch-Ostafrica  zu  erhalten,  zugleich  mit  der  Mit- 
theilung, dass  Hr.  Conradt  beides,  Brief  und  Proben,  dem  Grafen  Joachim  Pfeil 
mitgegeben  habe,  den  er  in  Tanga  getroffen  habe.  Letzterer  war  inzwischen  nach 
Berlin  zurückgekehrt  und  überbrachte  in  freundlichster  Weise  die  werthvoUe 
Sendung.  Die  Gesteinsproben  sind  von  dem  Vorsitzenden  Hm.  Arzruni  in  Aachen 
zugeschickt  worden,  der  eine  genauere  Analyse  derselben  zugesagt  hat. 

Der  Brief  des  Hm.  Conradt,  d.  d.  Tanga,  29.  Juni,  berichtet  Folgendes  über 

die  Nephritgruben  von  Schachidula  und  die  Schleifereien  von  Chotan. 

.^  „Was  zuerst  die  Fundorte  des  Nephrits  anbetrifft,  so  fand  ihn  Capitän 
V.  Grombtschewsky  schon  1888  weiter  stromab  am  Raskemflusse,  als  wo  wir  den- 
selben an  der  Einmündung  des  lly-Ssuflusses  in  ihn  berührten.  Im  Winter  1889,90 
gelangten  wir  an  die  Nephritbrüche,  die  vom  Platze  Schachidula- Chodsha  den 
Kara-Rosch  etwa  eine  Tagereise  stromauf  sich  befinden  und  die  wohl  auch  schon 
von  Schlagintweit  besucht  waren,  woselbst  aber  jetzt  nicht  mehr  gegraben  wird. 
Endlich  wurde  das  Gestein  auch  in  der  Nähe  des  Tisnaph-Flusses  gefunden,  also 
etwa  südlich  von  Jarkend,  welche  Gegend  Sie  ungefähr  nach  der  von  mir  zu  meinem 
Vortrage  in  der  geographischen  Gesellschaft  gemachten  Marschrouten-Skizze  er- 

Seh,  Ch,  Schachidula-ChodsduL 
iV.  B,   Nephrit-Brüche. 
K.  K.  Karakosch. 

Ch.   Chotan  (Iltschi). 
J.  K,   Juruny  Eosch. 
Ch.   Chotan-Daija. 
R,  D.   Raskem-Daija     Bei  +  der 
Karakoram-Pas8   vm  Hi- 
malaja. 
K.  R   Kilian-Pass. 

K,  Kilian. 
K,  J.  Euk-Jar. 
0  S.  Oase  Sansha. 

fV.  Wüste. 
Zwischen  Schachidula  und  ChoUn 
^  der  Ewen-LwL 


Z^ff^tf/ 


X 


(693) 

sehen  können.  Auch  soll  Nephrit,  wenn  ich  nicht  sehr  irre,  bei  Polu  in  den  Ge- 
birgen vorkommen,  ebenso  wird  er  auch  in  der  Ebene  bei  Chotan  gegraben. 

^Doch  nun  zu  seiner  Bearbeitung.  In  der  Stadt  Chotan  befinden  sich  die 
grössten  Schleifereien,  und  war  die,  welche  wir  im  Sommer  1890  besuchten,  in 
dem  Besitze  eines  Muhamedaners  von  Kaschgar.  Hingeführt,  fanden  wir  ein 
grösseres,  langes  Zimmer,  in  dem  4  Arbeiter  an  einem  langen  Tische  sassen  und 
verschiedene  Stücke  Nephrit  schliffen,  bezw.  schnitten.  Vor  jedem  Arbeiter  befand 
sich  am  Tische  eine  muldenförmige  Vertiefung,  mit  Wasser  gefüllt,  durch  welches 
eine  grössere  oder  kleinere  dünne  Eisenscheibe  lief,  die  durch  einen  Tretstuhl  in 
schnelle  Bewegung  gesetzt  wurde.  Vermittelst  dieser  Scheiben,  die  einen  halben 
bis  gegen  einen  Fass  im  Durchmesser  hatten,  wird  das  rohe  Stück  Nephrit  zu 
der  gewünschten  Grösse  durchgeschnitten,  um  dann  später  bearbeitet  zu  werden. 
Zur  eigentlichen  Bearbeitung  dienen  zwei  andere  Eiseninstrumente:  eines  zum 
Herstellen  der  Rörperfiguren  oder  zum  Rund-  und  Glattschleifen  von  Arm- 
ringen, Fingerringen,  Schälchen,  Mundstücken  für  die  Opium-  und  kleinen 
Tabakpfeifen  und  dergl.,  und  besteht  dieses  Instrument  aus  kleineren,  bis  fast 
Vi  Zoll  dicken  Eisenscheiben,  die  1  Zoll  und  weniger  im  Durchmesser  haben.  Zum 
Bohren  der  kleinen  Raatabakflaschen  dagegen  biegen  sie  eine  feine  Eisenplatte 
zu  einer  an  einem  Ende  spitzer  zulaufenden  Röhre,  deren  Längsseiten  aber  nicht 
ganz  sich  decken.  Diese  letztere  Arbeit  ist  natürlich  die  schwierigste  und  am 
längsten  daueiiide,  da  der  Stein  sehr  hart  ist,  und  kosten  daher  solche  tief  ge- 
bohrten Fläschchen  am  meisten;  sah  ich  doch  eine  solche,  die  etwa  3  Zoll 
lang,  7&  ^11  <lick  und  1  y,  Zoll  breit  war,  auch  einen  kleinen  goldenen  Deckel  mit 
einem  ganz  kleinen  Schäufelchen  hatte,  wofür  die  Eingeborenen  gegen  200  Rubel 
verlangten.  Da  nun  die  Bearbeitung  schwierig  ist  und  ziemlich  lange  dauert, 
so  sind  alle  diese  Nephritgegenstände,  wenn  der  Stein  selbst  rein,  also  nicht 
fleckig  ist,  ziemlich  theuer;  besonders  beliebt  ist  aber  die  fast  milchgraue  Farbe 
des  Nephrit,  der  daher  auch  bei  den  Chinesen  am  besten  bezahlt  wird,  und  werden 
sehr  viele  Gegenstände  daraus  nach  dem  östlichen  China  exportirt. 

„Zum  Schleifen  des  Steines  gebrauchen  die  Schleifer  aber  noch  zwei  verschieden- 
farbige Arten  von  Sand,  von  denen  die  eine  bei  Chotan,  die  andere  bei  der  Stadt 
Andishan  im  russischen  Turkestan  gefunden  wird,  aber  beide  nicht  sehr  theuer  sind. 

„Die  Instrumente  sind  auch  nicht  theuer,  da  der  Capitän  einen  allerdings  nicht 
mehr  sehr  guten  Satz,  nebst  Proben  von  den  zwei  Arten  von  Sand,  für  etwa 
10  Rubel  kaufte. 

„Anbei  übersende  ich  Ihnen  nun  auch  die  zwei  bei  Schachidula  gefundenen 
Stücke  Nephrit  zur  gefälligen  Benutzung."  — 

Hr.  Virchow  dankt  dem  gütigen  Sender  für  die  grosse  Liberalität,  mit  der 
er  so  seltene  Gegenstände  der  Wissenschaft  opfert,  und  für  die  interessanten  An- 
gaben über  die  Technik  der  Fabrikation.  Hoffentlich  werde  die  Untersuchung  des 
Hm.  Arzruni  eine  bleibende  Grundlage  für  die  Beurtheilung  des  ost-turkestanischea 
Nephrits,  den  man  so  lange  als  die  Quelle  der  occidentalischen  prähistorischen 
Nephritgeräthe  betrachtet  hat,  bilden.  — 

(17)  Hr.  Virchow  theilt  aus  den  Briefen  des  Hrn.  Conradt  noch  folgende 
Stellen  mit,  betreffend 

das  Innere  von  Usambara,  Ost-AfHca. 

1)  Aus  dem  Briefe  vom  29.  Juni:  „Ich  nahm  bei  der  Deutsch-Ostafrikanischen 
Gesellschaft  eine  Stellung  hierselbst  an,   um  mit  einem  anderen  Herrn   in   dem 


(694) 

Inneren  des  Usambara-Gebietes  RafiTee-^  und  andere  Plantagen  anzulegen,  und  glaube 
fast  sicher,  dass  nach  dem,  was  ich  bis  jetzt  gesehen  und  gehört  habe,  diese  Plan- 
tagen, energisch  und  umsichtig  angelegt,  einmal  eine  grosse  Zukunft  haben  werden.** 
2)  Aus  dem  Briefe  vom  23.  August:  „Wir  haben  nun  endlich  in  der  Land- 
schaft üsambara  geeignete  Terrains  für  Kaffee-Plantagen  in  einer  Höhe  Ton  über 
800  m  gefunden,  haben  auch  schon  angefangen,  Land  urbar  zu  machen,  und  glaube 
ich,  dass  das  Plantagen -Unternehmen  der  Deatsch-Ostafrikanischen  Gesellschaft 
glücklich  gedeihen  wird,  wenn  es  nur  energisch  und  umsichtig  angefangen  wird. 
Günstige  Vorbedingungen,  als  Arbeiter,  Klima,  Fruchtbarkeit  u.  s.  w. ,  sind  vor- 
handen und  bin  ich  wenigstens  noch  stets  ganz  gesund  geblieben.*'  — 

(18)  Hr.  Dr.  Fritz  Nötling,  von  dem  Geological  Survey  of  India,  berichtet 
in  einem  Briefe  an  den  Vorsitzenden  aus  Yenangyoung,  Upper  Burma,  vom 
5.  August  über 

prähistorische  Stein waffen  in  Ober-Birma. 

Es  wird  Sie  interessiren,  ein  paar  kurze  Mittheilungen  über  die  endliche  Auf- 
findung von  Steinwerkzeugen  in  Über-Birma  zu  erhalten.  Wie  Ihnen  wohl  be- 
kannt, sind  prähistorische  Steinwaffen  aus  Hinter-Indien  ungemein  selten,  die  Mehr- 
zahl derselben  stammt  aus  Tenasserim;  der  einzige  mir  bekannte,  verlässliche  Fond 
aus  Birma  selbst  ist  eine  Streitaxt  aus  Sandstein,  aus  der  Nähe  von  Prome. 

Während  der  drei  Jahre,  die  ich  in  Birma  herumreiste,  habe  ich  mich  ver- 
geblich bemüht,  Spuren  einer  prähistorischen  Ansiedelung  aufzufinden.  Trotzdem 
ich  stets  ein  Steinbeil  mit  mir  führo^,  das  ich  den  Eingeborenen  als  Muster  vor- 
weise, und  trotz  hoher  Belohnungen  war  es  mir  bisher  noch  nicht  geglückt, 
irgend  ein  Steinwerkzeug  aufzutreiben.  Ich  hatte  beinahe  alle  Hoffnung  auf- 
gegeben, solche  im  mittleren  Theile  von  Gber-Birma  aufzufinden,  —  um  so  mehr,  als 
geologische  Anzeichen  darauf  hinweisen,  dass  Ober- Birma  noch  in  verhaltniss- 
mässig  nicht  weit  zurückliegender  Zeit  vom  Meere  bedeckt  war,  —  als  ich  von  einem 
Bekannten  die  Nachricht  erhielt,  dass  er  im  Besitze  von  vier  Steinbeilen  sei,  wovon 
er  eines  selbst  aufgefunden  habe.  Der  Fundort  liegt  in  den  Bergen  westlich  von 
Mingin  zwischen  dem  Chindwin  und  dem  Arrakan  Yomah;  '1'^°  n.  Br.  und  94°  15' 
östl.  Länge  v.  Gr.  näherungsweise.  Das  Steinbeil,  das  im  Gerolle  eines  kleinen 
Baches  aufgefunden  wurde,  gehört  zur  Gruppe  der  curiosen  „shouldered  celts**,  die, 

soweit  mir  bekannt,  bisher  nur  in  Tenasserim  und  der 
malayischen  Halbinsel  gefunden  sind;  die  Bedeutung  dieses 
Fundes  erscheint  mir  somit  von  höchster  Wichtigkeit,  als 
derselbe  erstens  völlig  authentisch  ist  und  damit  den  Ge- 
brauch von  Steinwerkzeugen  bei  den  prähistorischen  Ein- 
wohnern von  Upper  Burma  beweist,  zweitens,  weil  hiermit 
die  Verbreitung  dieser  merkwürdig  geformten  Steinwaffen 
über  eine  Zone  von  mindestens  13  Breitengraden  (vom  10.°  bis  23.*^  constatirt  er- 
scheint. 

Ich  beabsichtige,  diese  Entdeckung  weiter  zu  verfolgen,  denn  ich  glaube 
kaum,  dass  dieses  Beil  ein  isolirter,  zufälliger  Fund  ist.  Meine  Idee  \<^  den 
kleinen  Bach  aufwärts  zu  wandern  und  dabei  fleissig  Umschau  zu  halten;  vielleicht 
gelingt  es  mir,  den  alten  Ansiedelungsplatz  selbst  aufzufinden,  wo  dann  sicherlich 
noch  weitere  Funde  zu  erwarten  wären.  Mein  Bekannter,  der  mir  du»  Beil 
freundlichst  überliess,  theilt  mir  mit,  dass  dasselbe  vorzüglich  erhalten  und  durchaus 
nicht  ^waterworn"  sei;  es  kann  also  nicht  weit  tmnsportirt  sein,  denn  sonrt  wäre 


(695) 

es  wohl  stärker  abgerollt.  Leider  habe  ich  dasselbe  bis  jetzt  noch  nicht  erhalten, 
sonst  würde  ich  Ihnen  eine  genaue  Beschreibung  geben;  da  ich  jedoch  in  einer 
Woche  wieder  auf  eine  längere  Tour  gehe  und  deshalb  schwerlich  vor  Ende 
September  in  Besitz  meiner  Postsachen  gelangen  werde,  so  erschien  es  mir 
nützlich,  Ihnen  wenigstens  eine  vorläufige  Mittheilung  zu  geben. 

Wus  die  anderen  drei  Steinbeile  angeht,  so  stammen  sie  alle  aus  derselben 
Gegend,  können  aber,  da  von  eingeborenen  Doctoren  erhalten,  bei  denen  der 
Donnerkeil  ^modschio"  in  grossem  Ansehen  steht,  nicht  den  gleichen  Werth,  wie 
ersteres,  beanspruchen.  Eines  davon  ist  ebenfalls  ein  „shouldered  celt",  die  beiden 
anderen  besitzen  die  gewöhnliche  Keilform. 

Mein  Programm  für  den  nächsten  Winter  ist  ein  sehr  umfangreiches:  im 
October  werde  ich  nach  den  südlichen  Schanstaaten  und  dem  Karennilande  zu 
gehen,  von  wo  ich  Anfangs  Januar  zurückzukehren  gedenke;  dann  geht  es  den 
Chindwin  hinauf,  und  bei  dieser  Gelegenheit  beabsichtige  ich,  der  prähistorischen 
Ansiedlung  nachzuspüren.  Anfang  oder  Mitte  Februar  werde  ich  eine  Tour  durch 
die  Chinhills  unternehmen  und  dieselben  ungefähr  unter  dem  21.  Breitengrade  durch- 
kreuzen, um  nach  Akyab  zu  gelängen. 

Zum  Schluss  noch  eine  kurze  Mittheilung,  die  Sie  vielleicht  auch  interessiren 
wird.  Wir  hatten  im  vorigen  Monat  die  Influenza  hier,  wenigstens  Krankheits- 
Erscheinungen,  die  mit  den  bekannten  der  Influenza  übereinstimmten.  Curios 
genug  ist  es  jedoch,  dass  es  scheint,  als  ob  die  Influenza  nur  in  den  Chinhiirs  um 
diese  Zeit  epidemisch  war;  in  den  Ebenen  von  Ober-Birma,  wenigstens  hier  in 
dieser  Gegend,  hörte  ich  nichts  davon.  Wie  die  Influenza  nach  den  ChinhilFs 
hinauf  gekommen  ist,  um  die  wilden  Chin's  zu  beglücken,  das  mögen  die  Götter 
wissen.  — 

Hr.  Virchow  erwähnt,  dass  sich  auch  unter  den,  von  Hrn.  Vaughan  Stevens  aus 
Malacca  eingesandten  Gegenständen  zahlreiche,  geschlifTene  Steingeräthe  befinden.  — 

(19)  Der  evangelische  Pfarrer,  Hr.  A.  Kunert  zu  Forromesco,  Rio  Grande 
do  Sul,  schreibt  über 

Caximbos  in  Süd -Brasilien. 

Aus  dem  Districte  des  mittleren  Cahy  besitze  ich  etwa  20  Caximbos.  Sic 
sind  aus  Thon  geformt  und  gut  gebrannt,  der  grössere  Theil  aber  ist  zerbrochen 
und  unvollständig.  Einen  Anhalt  zur  Altersbestimmung  geben  nur  die  etwaigen 
Begleitfuude  von  Kupfer-  und  Eisengeräth,  venetianischen  Glasperlen,  sowie  be- 
malten Topfscherben.  Ich  glaube  mit  Recht  annehmen  zu  dürfen,  dass  in  solcher 
Begleitung  gefundene  Caximbos  nicht  älter,  als  höchstens  300  Jahre  sind.  Die  ohne 
solche  Begleiter  auftretenden  Caximbos  können  wohl  älter  sein.  Dr.  Philippi 
in  Santiago  de  Chile,  dem  ich  einige  Zeichnungen  übersandte,  schrieb  mir,  dass 
die  in  alten  chilenischen  Gräbern  gefundenen  Caximbos  genau  dieselbe  Form 
hätten,  wie  die  hiesigen,  und  dass  solche  Pfeifen  heute  noch  von  den  Pehuenchen 
(im  Osten  der  chilenischen  Anden),  sowie  von  den  Patagonen  benutzt  würden. 
Die  hiesigen  Bugres  nennen  den  Tabak  petüm  (pito  =  Cigarette),  —  dasselbe  Wort, 
welches  nach  Philippi's  Mittheilung  schon  die  spanischen  Schriftsteller  des 
16.  Jahrhunderts  gebrauchten  (Petun).  Die  Araukaner  nennen  den  Tabak  Püthem. 
Es  scheint  mir,  als  ob  das  Wort  pitar  =  rauchen,  welches  oft  anstatt  fumar  ge- 
braucht wird,  aus  der  Quarani- Sprache  übernommen  wurde.  Ganz  sicher  ist  es 
ja  noch  nicht,  ob  das  Rauchen  nicht  etwa  durch  die  Portugiesen  hier  eingeschleppt 


(696) 

sein  köonte  oder  ob  die  Bingebomen  mit  dem  Worte  petfim  ursprOnglich  den 
Tabak  oder  ein  anderes  Raucbkraut  bezeichneten.  Die  all^meine  Yerbreitnng 
des  Wortes  petAm  lässt  allerdings  Termnthen,  dass  die  Sitte  des  Banchens  schon 
älter  igt,  als  die  Binwandening  der  Spanier  und  Portogieaen.  In  Chile  soll  es 
sicher  sein,  dass  das  Rauchen  ans  Caxirobos  schon  vor  Ankunft  derEnropäer  be- 
kannt war. 

Die  Funde  von  Caximbos  sind  nicht  gerade  häufig.    Fig.  1,  2,  3  und  4  worden 
mit  Kufper-  und  Eiaengeräth,  sowie  mit  bemalten  Topfscherben  zusammen  gefunden. 


%|y^^^^ 


Coximbos  Tom  mittleren  Coh;  und  von  Porromeico. 

1.  aus  Sebastopol,  2.  Pbbso  Wiltgen,  3.  Linhs  Franieas,  4.  Uahx  nova,  &  Picad«  Falii. 

6.  Salvador,  T.  Porromesco,  8.,  9.  Picade  Felii. 

Pig.  b  und  9  entstammen  einem  noch  vor  70  Jahren  von  Bugres  bewohnten  Orte. 
Die  meisten  Caximbos  sind  Tierkan%,  wenigstens  die  Rähre,  bei  Fig.  5  mach  der 


(697) 
Figur  10.    Vi  Fipir  11. 


Von  Bento  GoncKlvei.    B  LAngsschnitt,  bei  a  and  b  SeitenlOcher. 
Figur  12.  Figur  13.  Figur  14. 


(698) 

Kopf  und  das  Stopf  loch.  Fig.  3  ist  sehr  genau  sechskantig.  Fig.  4  ist  nach  dem 
Brennen  mit  kräftig  eingekratzten  Zickzacklinien  verziert.  Die  Stopflöcher  von 
Fig.  5,  6,  7  sind  so  klein,  dass  nur  das  erste  Glied  des  kleinen  Fingers  hinein- 
passt.  Fig.  6,  7,  8  sind  ohne  Beglcitfunde  aus  Europa,  sowie  ohne  bemalte  Scherben 
gefunden,  sie  könnten  also  älter  sein.  Besonders  interessant  ist  die  in  Bento 
Goncalves  (früher  Conde  d'Eu)  gefundene  Pfeife  (Fig.  10).  Sie  ist  in  halber  Grösse 
abgebildet.  Die  Pfeife  ist  auch  unten  offen,  von  beiden  Seiten  sind  zwei  Löcher 
schräg  nach  oben  eingebohrt.  Sollten  vielleicht  zwei  Personen  gleichzeitig  daraus 
geraucht  haben?  Die  Verzierungen  sind  mittelst  eines  gekerbten  Holzes  ein- 
gedrückt.   Ich  halte  dieses  Instrument  für  nicht  älter,  als  200  Jahre. 

Betreffs  der  Altersbestimmung  der  Stein w äffen  machte  ich  bereits  in 
meiner  ersten  Mittheilung  vom  Januar  1890,  sowie  auch  später  darauf  aufmerksam, 
dass  man  selten  in  der  Lage  ist,  mit  annähernder  Sicherheit  das  Alte  vom  Neuen  zu 
unterscheiden.  Endlich  ist  mir  das  einmal  gelangen  an  Fundstücken  vom  Morro 
do  diabo  (Colonie  von  Häfliger).  Ich  besitze  von  dort  acht  roh  behauene  Aexte 
(Fig.  11  und  12);  alle  sind  stark  verwittei-t,  zwei  derselben  der  Art,  dass  man  sie 
nur  mit  Mühe  erkennt.  Zwei  grosse,  walzenförmige  Beile  (Fig.  17)  stammen  eben- 
falls daher,  sowie  vier  Bruchstücke  von  solchen  (Fig.  15  und  16),  eine  Stampfkeule 
von  Stein,  roh  behauene  Steinknollen  (Fig.  14)  und  einige  rohe,  an  der  schmalen 
Schneide  zugeschliffene  Aexte.  Ausserdem  fanden  sich  rund  gehauene  Steinkugeln 
(Fig.  18  und  19)  und  viele  Waffenbruchstücke.  Einzelne  derselben  sind  der  Art  ver- 
wittert, dass  sie  sich  mit  dem  Messer  durchschneiden  lassen  und  sich  so  leicht  an- 
fühlen, wie  alte  Knochen.  Pfeilspitzen,  Scherben  oder  Asche  fanden  sich  bis  jetzt 
nicht,  aber  ein  kleiner  Sand-Heibstein  mit  Rinnen  bewies,  dass  auch  dieser  ur- 
alte Stamm  Pfeilhölzer  geglättet  hat.  Vereinzelt  kommen  die  walzenförmigen  Beile 
auch  im  Gebiete  der  italienischen  Kolonie  von  Bento  Goncalves,  Forqueta  und 
Caxias  vor,  wo  sie  meist  als  Schleifsteine  benutzt  und  lampigi  (Donnerkeile)  ge- 
nannt werden.  Alle  diese  Funde  unterscheiden  sich  ganz  auffällig  von  den  Waffen, 
welche  auf  einer  Nachbarkolonie  gefunden  wurden.  Hier  (auf  dem  Lande  von  Winter) 
ßnden  sich  die  schönsten  Thongefasse,  zwar  nicht  bemalt,  aber  doch  sauber  und 
gefällig  geformt,  die  Steinbeile  sind  sorgfältig  zugehauen  (wie  mit  dem  Pickel)  und 
an  der  Schneide  polirt  (Fig.  22).  Hier  giebt  es  Pfeilspitzen,  ein  Bruchstück  einer 
Pfeife,  sowie  endlich  eine  kleinere,  „runde  Axf^.  Es  ist  zweifellos,  dass  man  es 
hier  mit  Funden  aus  zwei  verschiedenen  Perioden  zu  thun  hat,  einer  ältesten  und 
der  neuesten.  Die  neueste  Periode  zeigt  in  den  Formen  der  Thongefasse  oft 
Nachahmung  europäischer  Porzellan-  und  Thonwaaren,  und  in  Begleitung  solcher 
Funde  (auch  Kupfer-  und  Eisengeschirr)  finden  sich  die  runden  Aexte.  Ich  bin 
überzeugt  davon,  dass  diese  der  letzten  Periode  angehören  und  nicht  die  Waffen 
der  eigentlich  ältesten  Waldbewohner  sind.  Diese  Erkenntniss  gründet  sich  nicht 
allein  auf  die  eben  genannten  Funde,  sondern  ist  mir  auch  an  vielen  anderen 
Stellen  bestätigt  worden.  Diese  Unterscheidung  ist  wichtig,  wenn  man  auf  dem 
Gebiete  hiesiger  Alterthumsforschung  weiter  kommen  will;  es  werden  sich  noch 
Sammler  finden,  die  sie  bestätigen.  Ob  die  Aexte  mit  Stielrinne  (Fig.  20  and  21), 
deren  Vorkommen  in  Rio  Grande  bisher  noch  nicht  bekannt  war,  ebenfaiU  der 
letzten  Periode  angehören,  kann  ich  noch  nicht  feststellen;  gerade  diese  Aexte  aber 
werden  (wenn  sie  noch  häufiger  auftreten)  einen  Rückschluss  auf  die  Herkunft 
der  hiesigen  Stämme  gestatten.  Nach  Dr.  v.  I bering  sollen  sie  in  Bolivien  bis 
zum  Amazonasthal  und  in  Nord -Amerika  auftreten,  im  südlichen  Brasilien  biiber 
aber  unbekannt  sein.  — 


(699) 


(20)   Hr.  Krause  in  Gleiwitz  berichtet  unter  dem  23.  Juli  über 

Darstellungen  aus  der  mykenischen  Götterwelt. 

Obwohl  wir  keine  geschriebene  Urkunde  besitzen,  welche  uns  Meldung  brächte 
über  die  Götter,  welche  in  jener  fernen  Zeit  in  Mykenae  verehrt  wurden,  so  sind 
dennoch  bildliche  Darstellungen  vorhanden,  welche  uns  die  Götter  jenes  Zeitalters 
und  ihre  Verehrung  schildern.  Eine  solche  Darstellung  befindet  sich  auf  einem 
goldenen  Ringe,  welchen  Dr.  Schliemann  in  Mykenae  aufgefunden  hat  und 
welcher  in  Schuchhardt's  Werk  „Schliemann's  Ausgrabungen",  S.  313  be- 
sprochen und  bildlich  dargestellt  wird.  Wir  geben  dieses  Bild  in  zweifacher  Ver- 
grösserung. 

Da  diese  hochinteressante  bild-  Figur  1. 

liehe  Darstellung  bis  jetzt  noch 
keine  genügende  Erklärung  ge- 
funden hat,  so  wollen  wir  den 
Versuch  machen,  die  Vorstellungs- 
wcise  dieses  Bildes  zu  erschliessen. 
Wir  erblicken  auf  dem  Bilde  zu- 
nächst drei  Frauen,  festlich  ge- 
schmückt, und  zwei  Kinder.  Eine 
Frau,  welche  unter  einem  Baume 
sitzt,  nimmt  Blumen  entgegen, 
welche  ihr  von  zwei  Frauen  und 
einem  Kinde  zugetragen  werden. 
Diese  Blumen  haben  die  Be- 
stimmung, als  Schmuck  zu  dienen  bei  der  Verehrung  der  Götter;  die  sitzende 
Frau  wird  sie  zu  Guirlanden  vereinigen.  Ein  kleines  Mädchen  ist  im  Begriff, 
von  einem  Baume  Früchte  abzunehmen.  Schon  liegt  zu  den  Füssen  der  sitzenden 
Frau  rechts  und  links  eine  grosse  Zahl  von  Früchten  in  zwei  Haufen.  Auch  diese 
Früchte  sind,  wie  die  Blumen,  dazu  bestimmt,  den  Göttern  als  Opfergaben  dar- 
gebracht zu  werden  Wir  erblicken  ferner  sechs  Thierschädel,  welche  den  Cultus 
der  Götter  zur  Anschauung  bringen,  denen  Rinder  und  andere  Opferthiere  ge- 
schlachtet werden.  War  es  doch  in  alter  Zeit  Sitte,  am  Tempel  eine  Anzahl  Stier- 
schädel von  Opferthieren  in  den  Oeffnungen  des  Gebälks,  den  Metopen,  aufzu- 
stellen. 

Wir  erfahren  auch  aus  unserem  Bilde,  für  wen  diese  Opfergaben  bestimmt 
sind.  Es  sind  die  himmlischen  Götter,  welche  über  dieser  irdischen  Scene  zur 
Darstellung  gebracht  sind.  Da  ist  zunächst  die  Gottheit  des  Mondes,  der  Gott  der 
Sonne  und  des  Meeres,  welche  uns  der  mykenische  Künstler  im  Bilde  vor  Augen 
stellt.  Ein  ganz  besonderes  Interesse  aber  nehmen  die  Bilder  der  Pallas  und  des 
Zeus  in  Anspruch.  Das  Palladium  oder  das  Bild  der  Pallas  Athene  erscheint  mit 
Schild  und  Lanze  ausgerüstet.  Da  ist  nicht  jene  unförmliche  älteste  Gestalt  des 
Palladiums,  welche  auf  einem  anderen  Goldringe  (Schuchhardt,  S.  315)  ab- 
gebildet ist,  sondern  jene  beschildete  neuere  Gestalt  des  Palladiums,  wie  sie  auf 
einem  mykenischen  Kalktäfelchen  (Schuchhardt,  S.  326)  dargestellt  ist  An  die 
ältere  Form  des  Palladiums,  wie  sie  bei  Schuchhardt,  S.  315  dargestellt  ist, 
schliessen  sich  zunächst  diejenigen  Formen  des  Palladiums  an,  welche  in  Tiryns 
aufgefunden  worden  sind  (Schuchhardt,  S.  155).  Wir  sehen  hier  in  Thon  das 
Palladium  einmal  ohne  Arme,  das  andere  Mal  mit  Andeutung  der  Arme  dargestellt. 
Dieser  letzteren  Darstellung  entsprechen  auch  diejenigen  zwei  Palladien,    welche 


(700) 

in  dem  ersten  Grabe  in  Mykenae  aufgefunden  und  von  Schach hardt,  8.  212  ab- 
gebildet worden  sind. 

Zeus,  der  höchste  der  Götter,  ist  von  dem  mykenischen  Künstler  auf  unserem 
Ringe  durch  das  Symbol  des  Doppelbeiles  voi-gestellt  Das  Doppelbeil  erscheint 
auf  den  karischen  Münzen  als  das  Symbol  des  Zeus.  Die  mykenischen  Dar- 
stellungen lassen  deutlich  erkennen,  dass  das  sogenannte  Doppelbeil  als  Schlag- 
Instrument  in  Form  eines  Hammers  gedacht  ist,  denn  der  Hammer  ist  das 
Symbol  des  Donnergottes,  wie  wir  auch  in  der  deutschen  und  nordischen  Mytho- 
logie an  der  Gestalt  des  Thonar  sehen,  welcher  den  Hammer  Miellnir,  d.  h. 
Zermalmer,  führt  Die  Doppelaxt  oder  der  Hammer  des  Zeus  ist  in  der  obigen 
Darstellung  (Schuchhardt,  S.  313)  deutlich  als  ein  Schlag -Instrument  charak- 
terisirt,  nicht  mit  scharfen,  sondern  mit  stumpfen  Endflächen.  Es  ist  kein 
Zweifel,  dass  unter  dem  Symbol  des  Doppel -Hammers  Zeus,  der  Donnergott, 
dargestellt  ist. 

Dr.  Schliemann  hat  in  dem  vierten  Grabe  zu  Mykenae  die  Darstellung  eines 
Stierkopfes  gefunden,  zwischen  dessen  Hörnern  jenes  Doppelbeil  oder  der  Hammer 
angebracht  ist.  Die  Abbildung  dieses  Stierkopfes  findet  sich  bei  Schuchhardt, 
S.  284. 

^g^  2.  Diese  Darstellung,  welche  aus  Goldblech  angefertigt 

ist,  hat  sich  in  jenen  Königsgräbern  in  56  Exemplaren 
vorgefunden.  Das  Bild  ist  offenbar  religiösen  Charakters 
und  stellt  uns  den  Donnergott  Zeus  in  der  Gestalt  eines 
Stieres  dar,  entsprechend  derjenigen  Auffassung,  in 
welcher  die  Stiergestalt  als  das  Symbol  des  höchsten 
Gottes  gedacht  und  abgebildet  wurde.  Wir  werden  durch 
dieses  mykenische  ßild  in  die  uralte  Zeit  versetzt,  in 
welcher  auf  Kreta,  in  Phönicien,  in  Aegypten  und  selbst 
bei  dem  Volke  Israel  der  Stiercultns  in  Aufnahme  war. 
So  wurde  z.  B.  Jehovah  von  den  zehn  Stämmen  des 
Reiches  Israel  in  der  Gestalt  des  Stieres  angebetet 
(1.  Kön.  12,  28).  In  demselben  Grabe  zu  Mykenae,  in 
welchem  der  Stierkopf  mit  dem  Doppel-Hammer  sich  vorfand,  ist  ein  übenrns 
schön  modellirtcr  grosser  Stierkopf  aus  Silber  gefunden  worden,  dessen  Homer  aus 
Goldblech  angefertigt  sind.  Schuchhardt,  welcher  diesen  Stierkopf,  S.  2S3  dar- 
stellt, vermag  keine  befriedigende  Erklärung  über  die  Bestimmung  dieses  Bild- 
werkes zu  finden,  welches  durch  die  naturgetreue  Darstellung  Staunen  erregt  Die 
Stirn  des  Stieres  ist  mit  einer  sechszehntheiligen  schönen  Rosette  geschmückt 
Dieses  kostbare,  kunstreiche  Stierbild  hat,  wie  jene  56  kleinen,  goldenen  Stier- 
bilder desselben  Grabes,  die  Bestimmung,  den  Donnen^tt,  den  höchsten  der 
Götter,  darzustellen.  Jene  56  kleinen  Stierbilder  desselben  Grabes,  welche  den 
Donner-Hammer  zwischen  den  Hörnern  tragen,  liefern  den  bestimmtesten  Hinweis, 
dass  die  mykenische  Kunst  auch  in  dieser  Stiergestalt  den  Donnei^tt  dargestellt 
hat.  Diese  Vorstellungsweise  lebt  auch  noch  in  der  griechischen  Mythologie  der 
klassischen  2^it,  denn  in  der  Gestalt  des  Stieres,  so  erzählt  die  Sage,  hat  Zeus 
die  Europa  geraubt  und  nach  Kreta  entführt. 

Fügen  wir  zu  den  bisher  erwähnten  Gtöttem  noch  die  Aphrodite  hinzu,  welche 
in  der  mykenischen  Kunst  ebenfalls  ihre  Darstellung  gefunden  hat,  wie  die  Ab- 
bildungen bei  Schuchhardt,  S.  226  und  S.  228  beweisen,  so  findet  die  DarsteUimg 
der  Götterwelt  in  der  mykenischen  S^itperiode  hiermit  ihren  Abschloss.  Es  sind 
Zeus  und  Athene,   die  Gottheiten  der  Sonne,   des  Mondes  und  des  Meeres,  und 


(701) 

endlich  Aphrodite,  deren  Gresialten  aus  den  Gräbern  zu  Mykenae  emporgestiegen 
sind  und  in  beredter  Sprache  zu  uns  reden  von  einer  Zeit,  in  welcher  die  Kenntniss 
der  Schrift  in  Griechenland  noch  nicht  Torhanden  war. 

Noch  bleibt  uns  ein  Götterbild  za  erwähnen,  welches  seit  Jahrtausenden  be- 
kannt und  viel  besprochen,  schon  vor  den  Schliemann'schen  Ausgrabungen  das 
Wahrzeichen  der  Burg  Mykenae  war,  nehmlich  das  Löwenthor  mit  der  Säule  und 
den  beiden  Löwen.  Dass  diese  Säule  eine  Gottheit  darstellt,  ergiebt  sich  aus  den 
beiden  Altären,  auf  welche  die  Säule  und  die  beiden  liöwen  gestellt  sind.  Auch 
lehrt  uns  der  kleine,  goldene  Aphrodite-Tempel,  welcher  sich  in  den  Gräbern  von 
Mykenae  vorgefunden  hat,  dass  wiederholt  die  Form  der  Säule  von  der  mykenischen 
Kunst  zur  Darstellung  der  Gottheit  verwendet  wurde.  Durch  besondere  Abzeichen, 
welche  der  Säule  beigegeben  wurden,  z.  B.  die  Tauben,  vermochte  die  Kunst  in 
jener  Säule  das  Bild  der  Aphrodite  zum  Ausdruck  zu  bringen.  So  ist  es  auch  in 
ähnlicher  Weise  bei  der  Säule  des  Löwenthores  geschehen,  üeber  dem  Abakus 
des  Kapitells  hat  der  Künstler  vier  grosse,  runde  Scheiben  angebracht,  welche  die 
Sonne  viermal  darstellen.  So  ist  z.  B.  auch  das  Palladium  auf  dem  goldenen 
Ringe  (Schuchhardt,  S.  315)  viermal  wiederholt.  Die  Säule  des  Löwenthores 
stellt  also,  mit  vier  Sonnenscheiben  geschmückt,  den  Sonnengott  dar.  Durch  die 
beiden  Löwen  wird  der  gewaltige  Held  charakterisirt,  als  welchen  die  alten  Sagen 
ihn  feierten.  — 

Hr.  Virchow:  Die  Kunst  in  der  Deutung  der  alten  Funde,  welche  Hr.  Krause 
in  einer  Reihe  von  Fällen  uns  zur  Anschauung  gebracht  hat,  und  welche  schon 
Schliemann  selbst  bei  ihm  anerkannte,  zeigt  sich  auch  bei  dieser  Gelegenheit  wieder 
in  glänzender  Weise.  Ich  möchte  aber  doch  auf  einen  gewissen  Mangel  hinweisen, 
der  sich  durch  alle  diese  Erörterungen  hindurchzieht.  Hr.  Krause  entnimmt  so- 
wohl seine  Abbildungen,  als  deren  Beschreibung  dem  Werke  des  Hrn.  Schuch- 
hardt. Auf  diese  Weise  geschieht  es,  dass  seine  Abbildungen  zuweilen  nicht  un- 
erheblich von  den  Original-Abbildungen  Schliemann's  abweichen  und  dass  ihm 
nur  unvollkommen  bekannt  wird,  was  unser  scharf  beobachtender  Freund  selbst 
darüber  gesagt  hat. 

Dies  gilt  namentlich  von  der  Platte  des  Ringes  aus  Mykenae,  die  in  Fig.  1, 
vielfach  abweichend  von  dem  Original,  abgebildet  ist.  Abgesehen  davon,  dass 
sie  vollständig  umgekehrt  ist,  indem  die  rechte  Seite  links,  die  linke  rechts 
stehen  sollte,  erscheint  auch  das  Einzelne  in  ganz  missverständlicher  Form.  Die 
Doppelaxt,  auf  welche  Hr.  Krause  so  grossen  Werth  legt,  und  die  er  als  stumpf 
bezeichnet,  erhält  dieses  Aussehen  nur  durch  Fehler  in  der  Wiedergabe.  Ver- 
gleicht man  das  Original  in  der  französischen  Ausgabe  von  Mycenes  (Paris  1879), 
p.  437,  Fig.  530,  so  erscheinen  die  Axtschneiden  nicht  nur  ganz  scharf,  sondern 
man  sieht  auch  statt  der  einen  Doppelaxt  des  Hrn.  Krause  zwei  Doppeläxte, 
die  eine  vor  die  andere  gestellt.  II  y  a  deux  doubles  haches  mont^es  sur  un  seul 
manche  (p.  440).  Schliemann  selbst  stellt  sie  in  Parallele  zu  der  Axt  zwischen 
den  Hörnern  der  Kuh  (Fig.  329  und  330)  und  zu  Darstellungen  auf  den  Me- 
daillen von  Tenedos.  Eine  dritte  ähnliche  Abbildung  findet  sich  noch  auf  einer 
Gemme,  die  an  der  Stelle  des  alten  Heraion  von  Mykenae  gefunden  wurde  (p.  446, 
Fig.  541).  Während  Hr.  Krause  darin  einen  Stier  mit  der  Doppelaxt  sieht  und 
beides  als  Sinnbild  des  Zeus  betrachtet,  hielt  Schliemann  daran  fest,  dass  es 
eine  Kuh  und  das  Sinnbild  der  Here  sei,  obwohl  er  an  einer  anderen  Stelle,  bei 
einer  ausgiebigeren  Besprechung  der  kleinasiatischen  Doppelaxt,  hervorhebt,  dass  der 
Zeus  Labrandius  von  Karlen  seinen  Namen  von  der  Labranda,  dem  karischen  Namen 


(702) 

dieser  Doppelaxt,  trug  (Troie.  Paris  1883,  p.  776).  Dagegen  stimmte  Schlie- 
mann  in  der  Deutung  der  kleinen,  oberen  Figur  mit  dem  Stabe  oder  der  Lanze 
mit  Hrn.  Krause  überein,  denn  auch  er  sah  darin  „un  palladium  d'un  type  tres- 
ancien  et  tres-primitif". 

Dasselbe  gilt  von  den  4  Palladien  auf  dem  anderen  Ring^  von  Mykenae,  den 
Hr.  Krause  früher  besprochen  hat  (S.  604,  Fig.  1).  Schliemann  (Mycenes, 
p.  443,  Fig.  531)  bezeichnete  die  Darstellungen  auf  diesem  Ringe  ausdrücklich  als 
4  Palladien  und  3  Here-Idole. 

Auch  das  Goldterapelchen,  welches  Hr.  Krause  (S.  602)  bespricht,  ist  von 
Schliemann  bereits  mit  der  Aphrodite  in  Beziehung  gebracht  worden.  Er  sagt 
darüber  (Mycenes,  p.  350,  Fig.  423):  „Je  voudrais  aussi  rappeler  au  lecteur  les 
monnaies  de  Paphos,  sur  lesquelles  est  represente  un  temple  d^Aphrodite,  avec 
une  colombe  perchee  sur  chaque  pignon." 

Es  mag  an  diesen  Beispielen  genügen,  obwohl  sich  auch  sonst  in  manchen 
Einzelheiten  erhebliche  Bedenken  gegen  die  Auffassung  des  Hrn.  Krause  auf- 
finden Hessen.  Aber  ich  möchte  seinen  Eifer,  den  ich  für  höchst  verdienstlich 
halte,  nicht  abschwächen.  Ich  führe  es  nur  an,  da  die  Pietät  gegen  den  Ver- 
storbenen nicht  minder,  als  die  Sorge  um  eine  genaue  Auffassung  so  wichtiger 
Funde  ein  stetes  Zurückgehen  auf  die  Originale  dringend  erfordert. 

Eines  nur  möchte  ich  noch  bemerken.  Bei  den  Funden  von  Hissarlik  ist  es 
absolut  noth wendig,  das  Alter  der  einzelnen  Schichten  genau  im  Auge  zu  behalten. 
So  gehören  die  Thontäfelchen ,  welche  Hr.  Krause  auf  den  trojanischen  Zeos, 
wie  mir  scheint,  mit  guten  Gründen  bezieht  (S.  483),  sämmtlich  nach  Ilion  norura, 
wie  Schliemann  bestimmt  angiebt;  sie  haben  also  für  die  alte  Ilios  keine  Be- 
deutung.   — 

(21)    Hr.  Schumann  in  Löcknitz  übersendet  folgende  Mittheilung  über 

Steinzeitliche  Ornamente  ans  Pommern. 

Etwa  1  km  westlich  von  Neuenkirchen,  an  der  Chaussee  Stettin-Pasewalk, 
liegt  dicht  hinter  dem  Kruge  eine  etwa  10—15  Morgen  grosse  Sandfläcbe,  auf 
welcher  schon  seit  Jahren  prähistorische  Gegenstände  und  Scherben  sich  gefunden 
haben.  Es  fanden  sich  an  Steingeräthen  sehr  zierlich  geschlagene  Pfeilspitzen, 
prismatische  Messerchen,  Schaber  u.  s.  w.;  aus  Bronze:  Ringe,  Pfeilspitze  und 
sogar  eine  römische  Provinzialflbel.  Die  Scherben  gehören  zum  grösseren  Theil 
der  Steinzeit  an,  doch  finden  sich  auch  solche,  die  unzweifelhaft  den  Hallstatt- 
typus zeigen  (facettirte  Randstücke)  und  sogar  die  spätere  Eisenzeit  und  das 
Mittelalter  sind  in  einzelnen  Stücken  vertreten. 

Die  Stelle  wird  in  den  Monatsblättem  d.  Ges.  f.  pomm.  Geschichte  1889,  S.  189 
erwähnt  und  dort  als  zerstörtes  Gräberfeld  aufgefasst.  Es  mag  dies  richtig  sein, 
doch  will  ich  bemerken,  dass  auffallender  Weise  wenig  Steine  vorhanden  sind, 
was  man  bei  den  Gräbern  der  Hallstatt-  und  Steinzeit  voraussetzen  sollte;  es 
finden  sich  auch  wenig  calcinirte  Knochen,  dagegen  an  den  Stellen,  wo  Scherbi»n 
häufiger  liegen,  Mengen  von  rothgebranntem  Lehm  mit  glatten  Eindrücken,  was 
doch  auf  zerstörte  Niederlassungen  der  genannten  Zeitperioden  deuten  könnte. 

Was  die  Ornamente  der  stein  zeitlichen  Scherben  betrifft,  welche  sich  dort 
finden,  so  zeigen  sich  die  verschiedensten  Motive: 

1.  Gruben-Ornament,  durch  Fingerdruck  hergestellt  (Fig.  1  und  2).  Die 
Abdrücke  der  Fingernägel  sind  deutlich  ausgeprägt,  meist  verlaufen  sie  in  horiion- 
talen  Reihen. 


(703) 

2.  Gruben-Ornament  durch  Eindruck  eines  Stäbchens  hergestellt  (Fig.  3 
und  4).  Das  Stäbchen  war  entweder  meissel förmig  zugeschärft,  oder  es  war  rund, 
aber  mangelhaft  geglättet,  so  dass  der  Einstrich  in  seinen  unteren  Theilen  streifig 
ausfiel. 

3.  Das  bekannte  Schnur- Ornament  (Fig.  5).  Sehr  zahlreich  vorhanden,  in 
mehreren  Reihen  horizontal  um  die  Gefasse  verlaufend.  Häufig  ist  dasselbe  mit 
dem  Gruben-Ornament  vereinigt,  in  der  Art,  dass  die  Schnurverzierung  vertiefte 
Ringe  bildet,  das  Gruben-Ornament  dagegen  auf  einer  meist  erhabenen  Leiste  ein- 
gestochen ist,  so  dass  ungemein  zierliche  Profilirungen  entstehen  (Fig.  6  und  8). 


s. 


4.  Loch-Ornament  (Fig.  7).  Während  sonst  in  Pommern  die  fjöcber  am 
Rande  der  neolithischen  Gefässe  häufig  vorkommen,  zuweilen  mit  ausgezeichnet 
konischer  Bohrung  (wie  die  betreffenden  Bernsteinperlen),  zeigt  das  Sandfeld  von 
Neuenkirchen  häufig  Gefässreste,  die  durch  zahlreiche  Löcher  siebartig  durchbohrt 
sind.     Die  Löcher  sind  mit  einem  zugespitzten  Stäbchen  eingestochen. 

5.  Bogen-Ornament  (Haken-Ornament).  Das  betreffende  Ornament  (Fig.  9) 
besteht  in  einem  nach  unten  offenen  Oval.  Es  ist,  wie  der  Versuch  mit  plastischem 
Thon  ohne  Weiteres  zeigt,  mit  einem  schräg  abgeschnittenen  Schilfrohrstengel 
eingedrückt.  Häufig  sind  diese  Haken -Verzierungen  zu  Dreieck -Gruppen  an- 
geordnet 


(704) 

6.  Winkel-Ornament  (Fig.  10).  Ein  gleichfalls  recht  häufig  an  oben  an- 
gegebener Stelle  vorkommendes  Ornament  besteht  in  Mengen  kleiner,  tief  ein- 
gestochener Winkelchen  mit  nach  oben  offenen  Seiten.  Diese  Ornamente  sind  be- 
sonders häufig  in  dreieckigen,  nach  unten  spitzen  Gruppen  angeordnet  (Fig.  11). 
Oft  auch  sind  sie  mit  Strichsystemen  combinirt,  deren  Abschluss  nach  unten  sie 
bilden  (Fig.  12).  Ein  Gefäss  mit  diesen  Ornamenten  fand  ich  auch  z.  B.  in  der 
Steinkiste  von  Lebehn.    Vergl.  Verhandl.  1889,  S.  221,  Fig.  5. 

Wie  der  Versuch  mit  plastischem  Thon  ergiebt,  ist  das  Ornament  mit  einem 
Stäbchen  eingestochen,  welches  zunächst  dachförmig  zugeschärft,  hierauf  an  der 
Basis  mit  einer  Rinne  versehen  und  vom  dann  schräg  zugeschnitten  worden  war. 

Die  Henkel:  Es  finden  sich  zum  Theil  Henkel  ganz  gewöhnlicher  Art  Bei 
manchen  Henkeln  ist  der  Canal  noch  so  kantig,  dass  er  an  eine  ehemalige  ein- 
fache horizontale  Durchbohrung  denken  lässt  Es  finden  sich  zahlreiche 
Stücke,  die  den  Uebergangsprocess  aus  der  horizontalen  Durchbohrung  eines 
hervorstehenden  Wulstes  in  den  späteren  Henkel  erkennen  lassen.  Häufig 
finden  sich  statt  der  Henkel  undurchbohrte  Thonvorsprünge.  Jene  nach  oben  nasen- 
förmig  zugespitzten,  querdurchbohrten  Vorsprünge,  wie  sie  in  Verh.  1891,  S.  73 
abgebildet  sind,  haben  sich  bisher  noch  nicht  gefunden. 

Die  ßodenstücke  sind  flach,  eben,  Ornamente  haben  dieselben  noch  nicht 
gezeigt. 

(22)   Hr.  Schumann  berichtet  unter  dem  7.  October  über 

Slavische  Schädel  vom  Galgenberg  und  Silberberg  bei  Wollin  (Pommem). 

Schon  an  einer  früheren  Stelle  habe  ich  über  drei  slavische  Schädel  berichtet, 
welche  neben  Besten  slavischer  Gefässe  und  neben  slavischem  Leichenbrand  auf 
dem  Silber  berge  bei  Wollin  ausgegraben  worden  waren.  Während  des  dies- 
jährigen Sommers  hat  Dr.  Walter  von  Neuem  Ausgrabungen  in  Wollin  gemacht, 
sowohl  auf  dem  bekannten  slavischon  Gräberfelde  auf  dem  Silberberg,  als  auch 
auf  dem  Galgenberg.  Bei  diesen  Ausgrabungen,  über  die  derselbe  nachstehend 
berichtet,  wurden  neben  einer  Anzahl  von,  zum  Theil  recht  gut  erhaltenen, 
sl avischen  Gefässen,  auch  vier  Schädel  gewonnen,  deren  slavische  I^venienz 
unzweifelhaft  ist.  Es  stammen  von  diesen  Schädeln  drei  vom  Gkdgenberg,  einer 
vom  Silberberg,  so  dass  also  von  letzterem  Orte  nun  hier  vier  Schädel  vorhanden 
sind.    Die  Schädel  sind  zum  Theil  recht  gut  erhalten  und  messbar. 

Schädel  I  (vom  Galgenberg).  Der  ziemlich  grosse  Schädel  ist  von  gelb- 
licher Farbe,  an  der  Zunge  leicht  klebend,  etwas  abblätternd,  recht  gut  erhaltoi, 
mit  Unterkiefer.  Er  ist  verhältnissmässig  leicht,  mit  ziemlich  dünnen  Knochen- 
wandungen und  gehört  höchst  wahrscheinlich  einem  männlichen,  im  Jünglings- 
alter stehenden  Individuum  an,  bei  welchem  die  Weissheitszähne  theils  schon 
durchgebrochen,  theils  im  Durchbruche  begriffen  waren. 

Die  Schädelnähte  sind  nicht  verwachsen,  ziemlich  stark  gezackt  Die  Rronen- 
naht  in  der  Mitte  weniger,  an  den  Seiten  erheblich  gezackt  In  der  linken  Seite  der 
Rronennaht,  35  mm  von  der  Pfeilnaht  entfernt,  ein  groschengrosser  Schaltknochoi. 
Die  Pfeilnaht  weniger,  die  Lambdanaht  stärker  gezackt.  Im  unteren  Theiie  des 
linken  Schenkels  der  letzteren  gleichfalls  ein  Schaltknochen. 

Norma  temporalis:  Die  breite  Stirn  steigt  ziemlich  steil  an,  in  eine  ziemlich 
gute  Scheitelwölbung  übergehend;  etwas  hinter  den  Tub.  parietal  erreicht  dieselbe 
ihre  grösste  Höhe.  Das  Hinterhaupt  fällt  plötzlich  ab,  so  dass  der  obere  Theil 
der  Occipitaischuppe  leicht  vorgewölbt  erscheint    Die  Linie   für  den  Ansatz  des 


(705) 


Wolliner  Schädel 


Schädel  vom 


I.  Haasse. 


Capacität 

Qrösste  Länge 

y,       Breite 

„       Höhe  (vorderer  Rand  des  For.  magn.) 
„  „     (hinterer       »       „      „        »     ) 

Ohrhöhe 

Horizontalomfang 

Yerticalomfang 

Minimale  Stimbreite 

Ganzer  Sagittalbogen 

Sagittalarofang  der  Stirn 

Länge  der  Pfeilnaht 

Länge  der  Occipitalschuppe 

Breite  der  Occipitalschuppe 

Ganze  Gesichtshöhe 

Obergesichtshöhe 

Jngalbreite    .    , 

Malarbreite 

Maxillarbreite 

Höhe  des  Alveolarrandes  am  Oberkiefer.    .    . 
„       n  „  „    Unterkiefer    .    . 

Entfernung  des  For.  magn.  von  d.  Nasenwurzel 
„  »99      vom  Alveolarrand  . 

„  n      yt        n         n    Naseustachel  . 

„  n      n       y>        n    Zahuraud   .    . 

n  jf      »        »         j»    Jxinn .... 

,  „    Ohrloches  von  der  Nasenwurzel 

n  9  jt        vom  Nasenstachel   . 

,t  n  n  ji    Alveolarrand    . 

9  n  n  »    Zahnrand     .    . 

fi  n  r>  rt    Kmn   .... 

Orbita:  Höhe 

jt       Breite 

Nase,  Höhe 

„     Breite 

Gaumen,  Länge 

„        Breite 

Mastoidealdurchmesser:  Spitze 

„  Basis 

Foramen  magnum,  Länge 

„        Breite 

Verbandl.  der  Berl.  Anthropol.  GeMUscbtft  1891. 


I 

1400 

185 

140 

141 

145 

113 

517 

310 

99 

375 

127 

131 

117 

135 

110 

64 

128 

98 

97 

18 

30 

103 

98 

96 

111 
109 
111 
U6 

132 
33 
40 
47 
24 
47 
35 
104 
130 
37 
33 


Galgenberg 
II 


ni 


Silberberg 


1223 

m^m» 

'  1096 

178 

183   1 

174 

130 

138 

132 

131 

— 

'   131 

— 

— 

136 

110 

— 

110 

500 

— 

490 

310 

— 

300 

88 

104 

95 

367 

351 

122 

128 

122 

118 

136 

117 

127 

— 

112 

125 

— 

140 

105 

1 

113? 

61 

— 

— 

117 

— 

119? 

87 

— 

— 

89 

— 

99 

21 

— 

— 

29 

— 

32 

95 

— 

100 

90 

— 

89 

— 

— 

94 

— 

— 

99 

— 

113 

94 

— 

,   1^1 

97 

— 

102 

— 

— 

106 

— 

'   — 

114 

— 

'   127 

31 

_^  \ 

34 

39 

( 

1    88 

41 

^^^ 

( 

22 

— 

43 

— 



35 

— 

1 

100 

— 

101 

119 

_- 

116 

33 

28 


45 


(706) 


Wolliner  Schädel 


Schädel  vom 


Galgenberg 


I 


n 


Silberberg 
III       '        IV 


n.  Indices. 


Längenbreitenindex     .    . 
Längenhöhenindex .    .    . 
Ohrhöheoindex  .    .    .    . 
Breitenhöhenindex .    . 
Orbitalindex  .... 
NaseniDdex    .... 
Qaamenindex     .    .    .    . 
Gesichtsindex  (jugal)  A 
Obergesichtsindex  B  . 


76,7 
76,2 
61,1 
100,7 
82,5 
51,1 
74,5 
85,9 
50,0 


72,9 
7B,6 
61,8 
100,8 
79,5 
53,7 
81,4 
89,7 
52,1 


75,4 


75,9 
75,3 
63,2 
100,8 
89,5 


94,9? 


Schläfenmoskels  nicht  deutlich.    Der  aufsteigende  Ast  des  Os  malare  hat  beiderseits 
ein  stark  vorstehendes  Tuberc.  temporale*)  (Proc.  marginalis). 

Norma  frontalis:  Die  Stirn  ist  breit,  entsprechend  der  Sntara  frontalis, 
im  oberen  Theile  der  Stirn  leichte  Erhebung  (Crista  frontalis).  Im  unteren  Theile, 
dicht  über  der  Stim-Nasemiaht,  ist  die  Sutura  frontalis  auf  etwa  11  mm  er- 
halten. Supraorbitalwtilste  kaum  angedeutet.  Stirn  hoch  und  ziemlich  steil  an- 
steigend. Orbitae  ziemlich  hoch,  aber  mehr  eckig,  die  äusseren  Winkel  etwas 
nach  unten  gezogen.  Die  Nasenbeine  am  Ansatz  etwas  eingesattelt,  dann  aber 
gut  gewölbt,  80  dass  im  Leben  eine  Adlernase  bestanden  zu  haben  scheint  Die 
Nasenöffnung  schmal.  Alveolar fortsatz  niedrig.  Die  Schneidezähne  fehlen. 
Die  übrigen  Zähne  des  Oberkiefers  nicht  abgeschliffen.  Die  Weisheitszähne  im 
Durchbrechen  begriffen. 

Norma  basilaris:  Foramen  magnum  rundlich.  Die  Gelenkfortsätze  gerade 
nach  unten  gerichtet.  Synchondrosis  spheno-occipitalis  klaffend.  Oberkiefer  rundlich, 
lang  und  dabei  ziemlich  breit,  ohne  Toms  palatinus,  aber  wenig  tief. 

Norma  occipitalis:  Regelmässiges  Fünfeck  mit  etwas  convexen  Seiten  wänden. 
Gruben  und  Leisten  der  Occipitalschuppe  massig  stark  entwickelt. 

Norma  verticalis:  Im  Allgemeinen  zeigt  der  Schädel  eine  ovale  Ghmndform, 
doch  ist  derselbe  nach  hinten  etwas  zugespitzt,  während  er  in  der  Gegend  der 
Tub.  parietal,  etwas  stärker  auslegt.  Die  grösste  Breite  liegt  etwas  tiefer  und  ist 
mehr  eine  temporale. 

Der  Unterkiefer  ist  ziemlich  hoch  und  stark,  deutlich  dreieckiges  Rinn. 
Sämmtliche  Zähne  vorhanden  und  nur  ganz  wenig  abgeschliffen;  Molar.  III  rechts 
durchgebrochen,  links  im  Durchbrechen.  — 

Schädel  II  vom  Galgenberg:  Der  kleine  Schädel  ist  von  gelblicher  Farbe, 
vielfach  abblätternd.  An  der  Basis,  links  vom  Foramen  magnum,  ein  grösserer, 
rechts  davon  einige  kleinere  Defecte,  ebenso  sind  die  Gelenkfortsätze  am  Os 
occipitis  abgebrochen,  sowie  zum  Theil  der  Proc.  zygomaticus  des  rechten  Schläfen- 
beins.   Die  Nähte  sind  nicht  verwachsen.    Die  Kronennaht  weniger  gezackt  in  ihren 

1)  Vergl.  Verhandl.  1875,  28.  Juni,  S.  162,  Fig.  o,  b.  Auch  an  dem  früher  geschildert^^n 
Steinxeitschädel  von  Glasow  fand  sich  auf  beiden  Seiten,  wie  ich  nachtrigUcb  bemerke, 
derselbe  Fortsat?. 


(707) 

oberen  und  nnteren  Partien,  am  meisten  in  der  Mitte  rechts  und  links.  Stark  ge- 
zackte Pfeilnaht,  ebenso  die  Lambdanaht.  Im  Winkel  der  Lambdanaht  sitzen  zwei 
dreieckige  Schaltknochen,  die  mit  ihrer  Basis  so  zusammenliegen,  dass  die 
sie  trennende  Naht  eine  Portsetzung  der  Pfeilnaht  bildet.  Wenn  letztere  fehlte, 
würde  ein  Tiereckiges  Schaltbein  vorhanden  sein,  ähnlich  wie  an  dem  Schädel  von 
Blumberg  (Verh.  1888,  S.  471,  Fig.  3);  hier  aber  schneidet  eine  Fortsetzung  der 
Pfeilnaht  diesen  viereckigen  Schaltknochen  in  zwei  gleichschenklige  Dreiecke  von 
30  mm  Seitenlänge,  deren  Spitzen  nach  aussen  liegen.  Etwas  weiter  nach  rechts 
liegt,  fast  genau,  wie  am  eben  genannten  Schädel  von  Blumberg,  ein  zweiter  Schalt- 
knochen, ebenso  nach  links.    Die  Knochenwandungen  sind  massig  stark. 

Norma  temporalis:  Die  Stirn  ist  eher  flach  und  etwas  zurückgelegt.  Die 
Scheitel  Wölbung  flach,  erst  über  den  Tubera  ihre  höchste  Erhebung  erreichend. 
Das  Hinterhaupt  etwas  flach  abfallend,  platt,  so  dass  der  obere  Theil  der  Occipital- 
schuppe  ziemlich  vorspringt,  während  der  untere  Theil  derselben  etwas  eingezogen 
ist  und  dann  gerade  nach  unten  und  vorne  verläuft;.  Die  Ansatzlinie  des  Schläfen- 
muskels nicht  deutlich,  aber  anscheinend  die  Tubera  parietal,  erreichend.  Linker- 
seits liegt  zwischen  Os  parietale  und  Os  temporale  über  dem  Proc.  mastoides  ein 
gezackter  kleiner*  Schaltknochen. 

Norma  frontalis:  Die  flache  und  schmale  Stirn  zeigt  kaum  eine  Andeutung 
von  Supraorbital  Wülsten.  Die  Orbitae  sind  innen  niedriger,  wie  aussen,  mit  nach 
abwärts  gezogenen  äusseren  Winkeln  und  eher  eckig.  Die  Nasenbeine  am 
Ansatz  etwas  eingebogen,  dann  mehr  gewölbt  (Adlernase).  NasenöfTnung  verhältniss- 
mässig  schmal.  Der  Proc  alveolaris  nicht  hoch,  aber  deutlich  prognath.  Die 
mittleren  Schneidezähne  erheblich  breiter,  als  die  äusseren.  Die  drei  Molaren  vor- 
handen. Die  Zähne  des  Oberkiefers  (zwei  fehlen)  nicht  abgeschliffen.  Tiefe  Possae 
caninae,  Wangenbeine  anliegend. 

Norma  basilaris:  Das  Poromen  magnum,  soweit  es  wegen  der  Defecte  zu 
beurtheilen  ist,  eher  länglich.  Gelenkgruben  für  den  Unterkiefer  nicht  tief.  Ober- 
kiefer tief  und  länglich,  nach  vom  auffallend  zugespitzt,  ohne  Toms  palatinus. 

Norma  verticalis:  Ovale  Grundform,  nach  hinten  etwas  zugespitzt  Die 
Parietalgegend  erheblich  herausgewölbt.    Die  grösste  Breite  ist  parietal. 

Norma  occipitalis:  Ziemlich  hohes  Fünfeck  mit  nach  oben  etwas  diver- 
girenden  Seitenwänden.  Protuberantia  ocdpital.  extern,  ziemlich  stark  entwickelt, 
tiefe  Muskelgmben. 

Unterkiefer:  Kleiner,  verhältnissmässig  schwacher  Knochen.  Kinn  deutlich 
markirt,  eher  spitz.  Ueber  dem  Kinn  ist  der  Kiefer  eingezogen,  also  eine 
horizontale  Furche  bildend.  Der  Alveolarrand  im  Gebiet  der  Schneidezähne  nach 
vom  gebogen  (Prognathie).  Die  Zähne  sind  bis  auf  zwei  vorhanden,  nicht  ab- 
geschliffen.      « 

Der  Schädel  scheint  einem  erwachsenen  Frauenzimmer  angehört  zu  haben.  — 

Schädel  III  vom  Galgenberg.  Von  ihm  ist  nur  die  Schädelhaube  er- 
halten. Es  fehlen  Basis,  Gesicht  und  Seitentheile.  Die  Kronennaht  ist  massig 
gezackt,  Pfeilnaht  verwachsen,  ebenso  der  obere  Theil  der  Lambdanaht.  Die 
Schädeldecke  ist  schwer  und  von  gelblicher  Farbe.  Kräftig  angelegte  Supra- 
orbitalwülste,  aber  etwas  unsymmetrisch,  links  stärker  gewölbt,  als  rechts.  Die  Stirn 
mit  voUer  Glabella  ist  etwas  niedrig  und  zurückgelegt.  Die  Scheitelwölbung  ist 
flach  und  erreicht  hinter  den  Tub.  parietal,  ihre  höchste  Erhebung.  Das  Hinter- 
haupt steigt  allmählich,  aber  etwas  platt  abwärts.  Die  Occipitalschuppe  etwas  vor- 
springend.   Foramen  parietale  rechts  stricknadeldick,  links  nicht  vorhanden. 

Schädel  IV    vom   Silberberg:    Kleiner   Schädel   von   graugelber   Farbe. 

46* 


(708) 

Starke,  ziemlich  schwere  Knochen,  an  vielen  Stellen  abgeblättert,  besonders  auf 
der  linken  Seite.  Es  fehlen  Wangenbein,  Nasenbein  und  der  halbe  Oberkiefer 
links.  Ausserdem  kleiner  Defect  hinter  dem  Foramen  magnum.  Die  Rronennabt 
ist  in  den  oberen  und  unteren  Partien  wenig  gezackt,  in  der  Mitte  rechts  und 
links  am  meisten.  Die  Pfeilnaht  am  stärksten  gezackt  in  den  hinteren  Partien. 
Verwachsungen  der  Nähte  nirgends  vorhanden. 

Norma  temporalis:  Die  Stirn  steigt  ziemlich  gerade  in  die  Höhe,  allmählich, 
aber  gut  gewölbt,  in  die  gleichfalls  gute  Seh  eitel  Wölbung  übergehend,  deren  höchster 
Punkt  vor  die  Tub.  parietal,  fällt.  Ansatzlinie  für  den  Schläfenmuskel  nicht 
deutlich.  Der  obere  Theil  des  Hinterhauptes  etwas  abgeplattet,  die  Occipital- 
schuppe  in  ihren  oberen  Theilen  etwas  vorspringend.  Unterhalb  der  Protuberantia 
externa  verläuft  das  Hinterhaupt  wieder  platt  nach  unten  und  vorn.  Crista  occipi- 
talis  superior  sehr  deutlich  entwickelt,  ebenso  die  Muskelgruben. 

Norma  frontalis:  Die  Stirn  ist  ziemlich  hoch  und  eher  schmal,  volle  01a- 
bella.  Arcus  supraorbitales  kaum  angedeutet.  Die  Orbitae  sind  hoch  und  fast 
rund.  Die  drei  Molaren  vorhanden.  Die  Zähne  am  Oberkiefer  (es  sind  nur  drei 
vorhanden)  nicht  wesentlich  abgeschliffen. 

Norma  basilaris:  Foramen  magnum  rundlich.  Gelcnkfortsätze  nach  unten 
und  hinten  gerichtet.  Proc.  styloides  stark  entwickelt.  Oberkiefer,  soweit  noch 
erhalten,  ziemlich  tief. 

Norma  verticalis:    Schönes,  fast  regelmässiges  Oval. 

Norma  occipitalis:   Etwas  hohes  Ftinfeck  mit  con^exen  Seitenwänden. 

Unterkiefer:  Kräftig,  hoch.  Kinn  deutlich  vorgewölbt.  Innen  doppelte  Spina 
mentalis.  Oberhalb  des  Kinns  steigt  der  Kiefer  nicht  senkrecht,  sondern  in  der 
Fläche  concav  auf,  Alveolarfortsatz  wieder  senkrecht.  Schneidezähne  und  Prae- 
molaren  sta^rk  abgeschliffen.  Der  Schädel  ist  wohl  der  eines  erwachsenen 
Weibes.  — 

(23)   Hr.  Dr.  Walter  berichtet  aus  Stettin,  6.  October  1891,  über 

das  6r&berifeld  auf  dem  Galgenberge  und  slaviache  Grabftmde  bei  Wollii. 

Seitdem  Virchow  in  den  Verhandlungen  vom  Januar  1872  die  Aufmerksamkeit 
auf  Wollin  gerichtet  hatte,  sind  dort  wiederholt  Forschungen  vorgenommen  worden, 
s.  die  Zusammenstellung  in  den  Verhandl.  1883,  S.  111.  Das  grössere  Interesse 
nimmt  dabei  die  Wendenzeit  in  Anspruch,  sowie  die  Frage  nach  dem  alten  Wollin 
und  der  Jomsburg.  Für  den  Namen  der  letzteren  wird  nach  Verband].  1877/79  eine 
neue  Deutung  vorgeschlagen,  ihre  Stelle  a.  a.  0.  von  1883  auf  dem  Silberberge 
nördlich  der  Stadt  gesucht.  Beiden  Ansichten  gegenüber  mag  noch  einmal  auf 
den  trefiriichen  Aufsatz  Klempin's  „Die  Lage  der  Jomsburg*'  in  »den  Baltische 
Studien  13,  1  107  hingewiesen  werden,  der  mir  bezüglich  des  Namens  (S.  7)  and 
hinsichtlich  der  phantastischen,  nicht  auf  Autopsie  beruhenden  Schilderung  des 
Hafens  der  Wikinger  (S.  73 — 77)  nicht  leicht  zu  widerlegen  scheint  Weniger  ist 
im  Laufe  der  Untersuchungen  von  dem  südlich  der  Stadt,  beim  Austritt  der 
Divenow  aus  dem  Half,  gelegenen  Galgenberg  die  Rede  gewesen,  wiewohl  dieser 
vom  Dampfschiff  aus  zuerst  die  Augen  auf  sich  zieht. 

Bei  meinem  diesjährigen  Sommeraufenthalt  in  Misdroy  erhielt  ich  nun  vom 
Vorsitzenden  der  Gesellschaft  für  Pommersche  Geschichte  und  Alterthumskonde^ 
Hm.  Dir.  Lemcke,  den  Auftrag,  die  Insel  Wollin  nach  Altertbtlmem  zu  durch- 
forschen. An  der  Hand  der  trefflichen  Bemerkungen  Virchow^s  geschah  dies 
nach  mehreren  Seiten,  besonders  aber  machte  die  Umgebung  der  Stadt  Wollin  bei 


(709) 

mehrmaligen  Besuchen  einen  solchen  Eindruck  auf  mich,  dass  ich  eine  umfassende 
Untersuchung  derselben  bescbloss,  an  welcher  Hr.  Dr.  Ulrich  Jahn  aus  Berlin 
Theil  nahm. 

Wir  hatten  frühzeitig  in  Misdroy  aufbrechen  müssen,  um  am  28.  Juli  schon 
kurz  nach  7  Uhr  in  Wollin  sein  zu  können.  Hr.  Rektor  Clausius  hatte  die  Güte 
gehabt,  uns  die  nöthigen  Arbeiter  zu  besorgen,  wovon  der  eine  schon  mehrfach 
an  Ort  und  Stelle  bei  Ausgrabungen  thätig  gewesen  war  und  sich  recht  anstellig 
erwies.  Die  Arbeiter  hatten  hinter  dem  Häuschen  Schutz  gesucht,  das  auf  der 
höchsten  Stelle  des  Galgenberges  für  die  Sturmball-Signalstation  errichtet  ist;  es 
wehte  in  heftigen  Wind-  und  Regenböen  über  das  HaflT,  trotzdem  aber  gingen  wir 
frisch  an's  Werk.  Denn  wenn  der  Alterthumsforscher  schon  einen  blossen  Besuch 
des  Gralgenberges  lohnend  finden  wird,  wie  viel  mehr  muss  er  in  froher  Erwartung 
sein  am  Morgen  eines  Ausgrabungstages,  wenn  ihn,  wie  hier,  keine  Zuschauer 
stören,  keine  Terrainschwierigkeiten  hindern I  Ueber  50  Grabhügel  liegen  hier  in 
ziemlich  regelmässigen  Reihen  in  der  Richtung  von  Westen  nach  Osten  auf  dem 
Bergrücken  angeordnet;  nur  fünf  davon  sind  angegraben,  ohne  aber  ganz  abgetragen 
zu  sein,  die  anderen  anscheinend  völlig  unberührt,  unter  nur  niedriger  Grasnarbe,  — 
der  ganze  Berg  dient  nehmlich  als  Hütung.  Wir  entschlossen  uns  nun,  im 
Gegensatz  zu  der  deutlich  sichtbaren  Art  der  bisherigen  Untersuchungen,  wenigstens 
einen  Hügel  völlig  abzutragen,  und  wählten  dazu  den  schon  am  14.  Juni  ge- 
legentlich eines  Ausfluges  des  Pommerschen  Geschichtsvereins  angestochenen  Hügel 
nordwestl.  von  der  Signalstation  dicht  am  Nord-Abhange.  Wie  das  bei  solchen 
Ausflügen  zu  geschehen  pflegt,  war  damals  bei  der  Kürze  der  Zeit  nur  ein  unvoll- 
kommener Versuch  gemacht  worden  und  ausser  unverzierten  Umenscherben  nichts 
zu  Tage  gekommen;  da  aber  imsere  Wolliner  Helfer  betheiligt  gewesen  waren,  so 
konnten  wir  nun  das  begonnene  Werk  mit  Müsse  fortsetzen.  Die  1871  von 
Virchow  untersuchten  Hügel  lagen  weiter  westlich  und  waren  an  ihren  kleinen 
Gräben  oder  Schachten  zu  erkennen,  hinsichtlich  der  äusseren  Gestalt  entsprachen 
sie  aber  ganz  den  unserigen,  die  wir  im  Laufe  des  Vormittags  öffneten:  flach- 
rundliche Erhebungen  bis  zu  3  Fuss  Höhe  und  nicht  unter  10  Fuss  Durchmesser. 
Der  weitere  Befund  ergab  jedoch  ein  durchaus  neues  Resultat:  „Wenn  damals 
sich  „absolut  keine  Spur  von  Urnen,  auch  keine  Scherben,  so  wenig  als  irgend  ein 
grösserer  Stein''  zeigte,  so  haben  wir  in  den  drei  genauer  untersuchten  Hügeln 
das  Gegentheil  constatiren  können.  Zunächst  bezeichnete  der  Vorarbeiter  die 
Stelle  in  dem  Hügel,  wo  die  Stettiner  Gesellschaft  vor  6  Wochen  zwischen  Steinen 
zerdrückte  Gefässe  gefunden  hatte,  die  nach  seiner  Meinung  im  Kreise  herum 
stehen  mtissten.  Wir  gruben  demnach  den  Hügel  rings  herum  völlig  ab,  so  dass 
eine  mehrere  Fuss  dicke  Erdsäule  in  der  Mitte  zunächst  stehen  blieb,  an  der  sich 
der  Durchschnitt  der  verschiedenen  Erdschichten  deutlich  abhob.  Ungefähr  1  Fuss 
unter  der  Oberfläche  zeigte  sich  eine  schwärzliche  Brandschicht,  die  unberührt  den 
ganzen  Hügel  in  einer  Mächtigkeit  von  fast  1  Fuss  durchzog  und  zwar  derartig, 
dass  sie  sich  der  sanften  Wölbung  nach  oben  anschloss,  übrigens  aber  durchaus 
nichts  enthielt.  Erst  unter  ihr  in  gelblichem  Lehm  stiessen  wir  auf  einzelne  Steine, 
viele  über  faustgross,  und  auf  verstreute  Umenscherben;  die  geäusserte  Meinung, 
dass  die  Gefasse  im  Kreise  an  der  Peripherie  in  Abständen  von  lY*.*  Fuss  gestanden 
hätten  und  von  den  Steinen  zerdrückt  seien,  schien  sich  wiederholt  als  richtig 
aufzudrängen,  jedoch  fanden  sich  nirgends  bestimmt  gekennzeichnete  Gruben  oder 
feste  Steinpackun;;en,  noch  auch  grössere  Gefässbruchstücke.  Vielmehr  passten 
auch  nicht  zwei  Scherben  zu  einander,  einzelne  lagen  waagerecht  oben  auf  der 
Lehmschicht,  andere  in  den  steinlosen  Zwischenräumen,  so  dass  wohl  nichts  übrig 


(710) 

blieb,  als  die  Annahme,  dass  überhaupt  nur  Bruchstücke  tod  Oef&SBen  nieder- 
gelegt seien.  Uaerklärlich  ist  dann  freilich  dus  Fehlen  derselben  gerade  in  der 
Brandscbicht  und  ebenso  ihr  Zusiimmenliegen  mit  den  Steinen.  Wir  wendeten 
dämm  auch  den  letzteren  die  grösste  Aurraerksamkeit  zn,  und  da  erwies  sich  dena 


ein  Theil  derselben  als  niuchgcachw: 


Fig.  1,  4,  Ö, 


aber  geradezu  bearbeitet. 

Fig.  1  zeigt  das  Bmch- 
atück  eines  Steinhammera  von 
der  in  Pammem  nicht  selte- 
nen eilSrmittea  Gestalt  mit 
centraler  Durchbohrung;  das 
Werkzeug  acheint  nicht  etwa 
beim  Gebrauch  einfach  ge- 
sprungen, sondern  nani entlieh 
an  der  Bruchfläche  rechts  ge- 
waltsam zertrümmert  zu  sein; 
übrigens  ist  die  saubere  koni- 
sche Durchbohrung  des  fein- 
körnigen ßranitmaterials  noch 
deutlich  erkennbar  und  tod  der 
durch  den  Gebrauch  rauh  ge- 
wordenen AnssenQäche  dnrth 
ihre  Glatte  abweichend.  Nach 
diesem  Funde  durfte  auch  ein 
andei^  kleineres  Fragment  alt 
Artefakt  angesprochen  werden, 
obwohl  es  nicht  bis  zum  Stiel- 
loch erhalten  ist;  der  Stein 
ist  ganz  ähnlich ,  doch  mit 
kleinen  Abweichungen  in  der 
Struktur.  Ferner  wurden  kleine 
Feuerstein  Splitter  und  calo- 
nirte  Knochcnstilckchen  tod 
Tibien  geborgen,  nach  der 
Mitte  zu  endlich  die  beiden 
einzigen  Scherben  mit  Vei^ 
zierungen  (Fig.  2  und  3),  die 
weiter  unten  mit  den  Funden 
aus  den  nächsten  Hügeln  be- 
sprochen werden  sollen.  In- 
zwischen  hatte   die   Grabung 


im  zweiten  Hügel  es  wünschonswerth  gemacht,  auch  beim  ersten  die  ganze  cen- 
trale Erdmasse  abzutragen,  doch  kara  hier  beim  Durchgehen  bis  auf  den  p^ 
wachsenen  Boden  durchaus  nichts  weiter  zu  Tage,  als  eine  zweite  Brandschicht 

Hr,  Dr  Jahn  hatte  gleichzeitig  einen  unberührten  Hügel  (südöstlich;  daneben 
mit  den  anderen  Arbeitern  in  Angriff  genommen,  indem  er  von  Westen  nach  Osten 
einen  Graben  hin  durch  legte.  Bei  der  Nähe  der  beiden  Arbeitsslellen  war  eine 
fortwährende  Vergleichung  möglich  und  interessant;  sie  ergab  in  der  allgeraeuen 
Anliige  des  Hügels  bezüglich  der  Schichten,  Steine  und  zahlreichen  Scherben,  nnWr 
denen  sich  auch  hier  nur  ein  vtTzicrter  befand,  dasselbe  B.esultat,  wich  aber  ia 
zwei  Punkten  vom   I.  Hügel  ab.     Nach  Westen  zu  fand  sich  nehmlich.  l'/il*^ 


(711) 

unter  der  Oberfläche,  der  schon  von  Virchow  in  mehreren  Hügeln  getroffene 
Haufen  gebrannter  und  zerschlagener  Menschenknochen,  der  im  1 .  Hügel  bei  beiden 
Grabungen  nicht  bemerkt  war.  Sodann  enthielt  der  2.  Hügel  genau  im  Centrum, 
über  1  m  tief,  auf  dem  gewachsenen  Boden  in  der  unteren  Brandschicht  eine 
2—3  Puss  im  Durchschnitt  haltende  Brandstelle,  aus  tellergrossen,  oben  flachen 
Steinen  fest  zusammengepackt  und  dick  mit  Russ  überzogen.  Unter  den  am  Rande 
des  Grabens  aufgeschichteten  Steinen  der  oberen  Brandschicht  fand  ich,  in  Folge 
meiner  Erfahi-ungen  beim  1.  Hügel,  noch  ein  gleichfalls  zertrümmertes  Steinwerk- 
zeug; das  Material  ist  feinkörnig,  der  Bruch  glatt  gesplittert,  die  Oberfläche  tiberall 
glatt  geschlifiTen,  und  zwar  so,  dass  an  dem  anscheinend  nicht  durchbohrten  Werk- 
zeuge die  Breitseiten  nach  unten  rund  geblieben,  nach  oben  in  eine  Kante  ab- 
geschliffen sind,  ebenso  wie  die  eine  erhaltene  Schmalseite  links  zu  einer  Art 
Schneide  ausgearbeitet  wtirde,  die  deutliche  Gebrauchsspuren  zeigt.  Die  eine 
Seite  des  Steins  ist  rauchgeschwärzt  (Fig.  4^, 

Der  dritte  untersuchte  Hügel  lag  5  Schritte  südw.  vom  ersten,  war  gleichfalls 
unberührt  und  wurde  seiner  grössten  Länge  nach  von  Nordwesten  nach  Südosten 
durch  einen  12  Schritt  langen,  6  Schritt  breiten  Graben  wieder  durch  mich  er- 
öffnet. Hr.  Dr.  Jahn  constatirte,  um  dies  gleich  vorweg  zu  nehmen,  später  in 
einem  Hügel  hart  am  Nord-Abhange,  durch  einen  Schacht,  wieder  Steinpackung  in 
der  Mitte,  wie  im  zweiten,  in  einer  Erhöhung  unten  im  Grunde  endlich  nur  natür- 
liche Sandaufhäufung.  Die  Schichtung  des  3.  Hügels  war  wieder  deutlich  den 
bisherigen  Beobachtungen  entsprechend,  an  Einzelheiten  aber  nicht  ohne  Ab- 
weichungen: vom  1.  Hügel  verschieden  war  das  Fehlen  grösserer  Steine,  wie  denn 
auch  hier,  trotz  grösster  Sorgfalt,  kein  Steinwerkzeug  gefunden  ist.  Vom  2.  Hügel 
abweichend  war  das  Fehlen  des  Rnochenhaufens  und  des  Steinpflasters  in  der 
Mitte,  doch  enthielt  die  untere  Brandschicht,  hier  deutlich  einen  Fuss  unter  der 
ersten  sich  abhebend,  mehr  Knochen  und  grössere  Kohlenstücken  mit  anscheinender 
Eichenholz-Structur.  Von  den  auch  hier  zahlreichen  Urnenscherben  ist  die  in 
Fig.  5  dargestellte  wieder  durch  Eindrücke  allein  bemerkenswerth ;  einen  verzierten 
Henkel  zeigt  Fig.  6. 

So  ist  durch  die  erneute  Ausgrabung  auf  dem  Galgenberge  das  einst  von 
Virchow  gewonnene  Resultat  nur  in  dem  einen  wichtigen  Punkte  nicht  be- 
stätigt: den  Metallbeigaben;  und  doch  können  die  diesmaligen  Grabungen  gewiss 
als  umfassender  bezeichnet  werden,  wenn  auch  der  ganz  abgetragene  Hügel  nicht 
in  einem  Zuge  und  unter  derselben  Aufsicht  bearbeitet  ist.  Da  sich  damals  „an 
einigen  Stellen  Ueberreste  von  geschmolzener  Bronze**  gefunden  hatten,  so  richteten 
wir  hierauf  natürlich  unser  Augenmerk  ganz  besonders,  konnten  aber  nirgends  die 
geringste  Spur  von  Metall  entdecken.  Die  schon  erwähnten  Knochenhaufen  fanden 
sich  nur  einmal,  aber  mehr  nach  Westen,  während  im  Centrum  ein  Brandheerd 
aus  Steinen  zweimal  vorkam;  die  damals  als  nicht  erheblich  bezeichneten  Spuren 
von  Kohle  waren  hier  und  in  der  unteren  Schicht  des  Hügels  recht  bedeutend; 
endlich  —  und  das  scheint  das  wichtigste  neue  Ergebniss  —  erwiesen  sich  diese 
Hügel  vielfach  mit  Steinen  durchsetzt  und  enthielten  sogar  drei  Steinartefakte, 
sämmtlich  aber  ergaben  sie  mühelos  grosse  Mengen  von  Umenscherben.  Nur  sehr 
wenige  derselben  sind  freilich  omamentirt,  aber  sie  werden  vieUeicht  einen  Finger- 
zeig für  die  Datirung  des  Gräberfeldes  bieten  können. 

Wenn  Virchow  schon  auf  die  Bronzezeit  zurückgriff,  so  lehrt  auch  ein  Blick 
auf  das  Scherbenmaterial  jetzt  sofort,  dass  die  Gräber  —  und  an  diese  Bezeich- 
nung der  Hügel  wird  nunmehr  Niemand  weiter  Anstoss  nehmen  —  auf  der  Mitte 
des  Galgenberges  durchaus  älter  sein  müssen,  als  die  sonstigen  zahlreichen  Funde 


(712) 

ans  dem  wendischen  Wollin.    Von  den  Oefässen  läset  sich  keines  nur  mit  einiger 
Sicherheit  wieder  aufbauen,  also  auch  nichts  Sicheres  über  ihre  Form  behaupten, 
trotzdem  Boden-  und  Randstücke,    sowie  Henkel  gefunden  sind.    Der  Thon  ist 
ziemlich  rein  von  körnigen  Beimischungen,  die  Farbe  entweder  gelblich-braun  mit 
ziemlich  glatter  Oberfläche,  oder  ziegelröthlich  und  dabei  mehlig-rauh.    Der  Hals 
scheint  sich  nirgends  cylindrisch  vom  Bauche  des  Gefässes  abgesetzt,  sondern  sich 
in   leichter  Biegung  darangesetzt  zu  haben;   der  Rand  ist  bei   einem  röthlichen 
Stück   glatt   abschliessend,   bei   mehreren  bräunlichen  durch   eine   kleine  Furche 
saumartig  umgebogen.     Zu  dieser  Art  gehörte  auch  die  einzige  verzierte  Scherbe 
des  2.  Grabes,  die  leider  nachher  verloren  gegangen  ist,  aber  nach  unserer  deut- 
lichen Erinnerung  unter  dem  Saum  als  Ornament  eine  Reihe  fortlaufender  N  zu 
tragen  schien.    Bei  einem  dickwandigen  Stück  quillt  der  Rand  weiter  nach  aussen 
über  und  ist  durch  Fingereindrücke  kerbenartig  unterbrochen;  an  Fig,  5  erscheinen 
unter  dem  scharfen  Rande  runde  Fingereindrücke,  bei  denen  noch  der  Nagel  sicht- 
bare Spuren  hinterlassen  hat.    Mehrere  Bodenrandstücke  lassen  auf  flache  Stand- 
flächen schliessen.    Die  Henkel  endlich  sind  sehr  verschiedenartig  vertreten:   von 
dem,  durch  einen  tiefen  Daumeneindruck  hergestellten  Wulst  giebt  es  ein  Beispiel, 
von  kleinen  nur  für  Schnüre  verwendbaren  Henkeln  mehrere,   einmal  auch  eine, 
in  einer  Stärke  von  30  mm  um  ein  daumengrosses  Loch  gebogene,  plumpe  Hand- 
habe, sämmtlich  von  der  weicheren,  röthlichen  Masse.    Die  verhältnissmässig  zier- 
liche Form  mit  kreisrunder  Oeflnung  (Fig.  6)  ist  dagegen  gelblich-glatt  und  durch 
7  Einstriche  ausgezeichnet,    während  sich  nach  unten  divergirende  Linien  in  den 
Anfängen  zeigen,    nach  links  und  rechts  horizontale  Parallelen,   alle  übrigens  un- 
gleich und  nicht  mit  mehrzinkigen  Instrumenten  hergestellt.    Dies  alles  schien  mir 
aber  nicht  genug,   um   daraus   einen  Hinweis   auf  eine   bestimmte  Periode   ent- 
nehmen zu  können,   den  ich  vielmehr  erst  aus  Fig.  2   und  3  herzuleiten   wage, 
welche   ausgesprochene   Rerbenverzierung   aufweisen;    diese   ist   mit   viereckigen, 
meisselartigen   Stäbchen    tief   eingedrückt,    wie    die   Bruchflächen   noch    deutlich 
zeigen.    Schon  Rlop fleisch  hat  in  den  Voigesch.  Alterth.  d.  Provinz  Sachsen, 
U.,  88  und  90  die  Tupfen-  und  Rerbenverzierung  an  das  Ende  der  neolithischen 
Periode  gesetzt,   und  neuerdings  Voss  in  den  Verh.  1890,  S.  72  neue  Beispiele 
dazu  beigebracht,  zum  Theil  von  Rlemmen,  welches  von  Wollin  nur  25  km  östlich 
liegt    Inzwischen  hat  das  Stettincr  Museum  unzweifelhaft  neolithische  Gefässe  aus 
Gross-Rambin,  Rreis  Beigard,  erhalten,  die  gleichfalls  dasselbe  Rerbmuster  zeigen, 
so  dass  es  für  Hinter-Pommem  gesichert  ist.    Auch  Fig.  5  ordnet  sich  dieser  Zeit 
unschwer  ein,    während  wir  endlich   zu  den  Strichmustern  in  Fig.  G  neolithische 
Parallelen  von  Podejuch  und  Fiddichow,   beide   am   rechten  Oderofer,   l>esitzen. 
Und  dazu  die  Steingeräthe!    Dagegen  widerspricht  der  Leichenbrand  dieser  Zeit- 
ansetzung  allerdings,    da   wir  in  der  neolithischen  Zeit  in  Pommern  nur  Skelei- 
gräber,   wenn  auch  vielleicht  in  drei  Modificationen ,   kennen.    Allein  es  könnte 
wohl  dies  grosse  Gräberfeld   in  den  von  uns  geöfTneten  Hügeln  die  ausgebende 
Steinzeit,  in  den  von  Virchow  berührten  westlicheren  die  beginnende  Bronzeteit 
kennzeichnen.    Wir  würden  eine  in  insularer  Abgeschlossenheit  lebende  und  nicht 
gerade  reiche  Bevölkerung  anzunehmen  haben,   die  ihre  Todten  verbrannte  und 
ihnen  nur  zerbrochene  Gefässe  und  Geräthe  mitzugeben  fUr  gut  befand.    Die  in 
Pommern  noch  recht  seiton  beobachteten  Gräber  aus  dem  Beginn  der  Bronzezeit 
unterscheiden  sich  mit  ihren  Hügeln,  Leichenbrand  und  spärlichen  Beigaben,  auch 
sonst  recht  wenig  von  diesem  Brauch.    Mit  diesem  Eindruck  schied  ich  von  der 
Höhe  des  Galgenberges,  und  er  befestigte  sich,    so  oft  ich  seitdem  beim  Paniren 


(713) 

des  Haffs  seine  baumlose  Rappe  weit  und  breit  allein  die  niedrigere  Umgebung 
überragen  sab. 

Das  Gesagte  gilt  nur  für  den  höchsten  Theil  des  Berges,  da  an  den  Ab- 
hängen nördlich  und  südlich  hiervon  wiederholt  spätere  Fischeransiedlungen  und 
slavische  Scherben  constatirt  sind.  Von  dem  als  Riesgrube  dienenden  West- 
abhange  hörte  ich  nachträglich  von  meinem  Gollegen  Dr.  Bornemann,  einem  ge- 
borenen Wolliner,  dass  er  hier  als  Student  einmal  ein  Skelet  gefunden  habe,  in 
dünne  Thonplatten,  die  nicht  ganz  Backsteinen  glichen,  ohne  sonstige  Beigaben 
eingebettet.  Damals  aber  gedachten  wir  nach  angestrengter  Früharbeit  in  dem 
anstossenden  Schützenhause  eine  Mittagspause  eintreten  zu  lassen  und  von  weiterer 
Untersuchung  des  Galgenberges  absehen  zu  können.    Und  doch  sollte  er  uns  noch 

_  4 

ungeahnte   Funde   bringen!    Die   Arbeiter   unterhielten    sich    nehmlich   über   die 
scheinbar  so   geringe   Ausbeute   der  Hügel   und   meinten,    dass   man   am   Nord- 
Abhange  ganz  andere  Dinge  finden  könne;  dort  kämen  oft  Skelette  zu  Tage,  erst 
jüngst  ein  solches  mit  einem  Rinderskelet  zwischen  den  Schenkeln.    Wir  dachten 
an  die  mittelalterliche  Benutzung  des  Galgenberges,  auf  dem  doch  wohl  irgendwo 
auch  die  Hingerichteten  bestattet  sein  müssten,   kürzten  aber  doch  die  Ruhezeit 
ab  und  stiegen,  anstatt  durch  die  Wiek  zur  Stadt  zu  gehen,  den  geraden  Treppen- 
stieg  vom  Schützenhause  wieder  auf  den  Berg  hinauf:   er  bildet  hier  eine  kleine 
Ruppe  „Frauenberg^,  die  allein  mit  ein  paar  Bäumen  bepflanzt  ist  und  gleichsam 
den  Scheitelpunkt  angiebt,  von  dem   aus  der  Höhenzug  merklich,   wie  auch  die 
Divenow,  aus  der  östlichen  in  die  nordöstliche  Richtung  umbiegt.    Von  hier  aus 
setzt  sich  der  Ramm  wie  ein  schmaler  Wall  stadtwärts  fort,  und  bald  lehnen  sich 
an   beide   Abhänge   die  Häuser  der  Wiek;    endlich   fällt  er  als   steile  Riesgrube 
plötzlich  nach  Norden  ab,  und  hier  ist  schon  ein  grosser  Theil  abgetragen,  wobei 
immer  Skelette  gefunden  sind.    In  der  That  lagen  auch  jetzt  in  der  Grube  aus- 
gebleichte Schenkelknochen,  zu  denen  der  in  einem  benachbarten  Schuppen  auf 
der  Höhe  von  einem  Seiler  verwahrte  Schädel  ohne  Unterkiefer   gehören  sollte, 
den  ich  heraussuchte  und  freundlich  geschenkt  erhielt    In  der  Grube  fanden  sich 
weiter  zahlreiche,  ofl*enbar  slavische  Scherben,   und  während  ich  an  den  Rändern 
nach  solchen  und  Culturschichten  suchte,   begann  Dr.  Jahn  einen  flachen  Hügel 
daneben  versuchsweise  anzugraben;   doch  ehe  sich  hier  etwas  zeigte,   stellte  ich 
fest,  dass  die  Riesgrube  einen  ähnlichen  Hügel  abgetragen  haben  musste,  von  dem 
nur  nach  Osten  noch  wenige  Fuss  des  sanften  Abfalls  standen,  die  zu  bewältigen 
leichter  sein  müsste.    Mit  grösserer  Sicherheit   Hessen  sich  nun  schon  slavische 
Funde  vermuthen,   und  sehr  bald  stiessen  wir  auf  ein  Skelet;  es  lag  1  Fuss  tief 
in  grobem  Ries,  genau  von  West  nach  Ost,    doch  waren  die  Beine  schon  beim 
Abbau  der  Grube   zerstört^    Sonst  lagen  die  Arme  langgestreckt,   der  Ropf  sanft 
auf  die  rechte  Seite  geneigt,   gut  erhalten,   aber  zu  unserer  Enttäuschung   ohne 
Schläfenringe;   die  dafür  am  Genick  gefundenen  drei  eisernen  Nägel,    mit  dicken 
Röpfen  imd  3 — 4  cm  lang,  konnten  uns  über  die  Art  des  Fundes  nicht  aufklären, 
und  die  Arbeiter  sagten,   es  sei  ein  Gerichteter.    Doch  wenige  Zoll  weiter  links 
zu  Häupten  entdeckten  wir,  vorsichtig  scharrend,  ein  beträchtliches  Umenfragment 
mit  Wellenlinie,  und  dicht  bei  der  Schulter  riefen  plötzlich  mehrere  Stimmen:   da 
ist  die  Urne!   Dr.  Jahn  umarmte  den  ganzen  Erdklumpen  und  rollte  damit  den 
schrägen  Abhang  hinab;   unten  legten  wir  daraus  an   einer  sonnigen  Stelle   das 
völlig  unversehrte  Gefäss  (Fig.  7)  bloss,  das  nun  keinen  Zweifel  mehr  an  dem  wen- 
dischen Charakter  des  Fundes  Hess  und  uns  wegen  seiner  guten  Erhaltung  und  der 
Seltenheit  der  Fundumstände  mit  Freude  erfüllte.    Es  ist  10  cm  hoch  und  erweitert 
sich  von  dem  unverzlerten  Boden  von  5  cm  schnell,  um  mit  einer  Oeffnung  von  1 2,5  cm 


C7145 

ZU  scbliesseo;  der  Rand  ist  nach  innen  schi^  abgestrichen,  nach  aossen  ebenfalli 
schräg  abfallend  and  dann  dnrch  eine  schmale  BinschnUrang  nnterbrochen,  unter 
welcher  sogleich  der  Bauch  mit  schräg  gestellten,  an  regelmässigen  Tupfen  ansetzt, 
nach  nuten  mit  vier  willkürlichen  Querstreifen  noch  weiter  rerziert.  Auf  ihm  lag 
die  Hälfte  einer  kleineren,  gerillten  Urne  mit  Hals  wie  ein  Deckel,  sonst  schien 
sie  ganz  mit  Erde  erfüllt;  nach  gehörigem  Trocknen  aber  fand  sich  beim  Aus- 
leeren weiter  die  zweite  Hälfte  des  kleinen  Getässes,   gleichfalls  mit  dem  hohlen 


Theil  nach  unten,  so  dass  sich  nun,  bis  auf  einen  geringen  Defekt  am  Boden,  dsi 
Ganze  (Fig.  8a)  wieder  zusammensetzen  liess.  Man  hatte  die  „Tasse"  offenbar 
absichtlich  in  der  Mitte  durchgebrochen  und  die  beiden  Hälften  Bbereinander  in 
das  grössere  Geföss  gelegt,  obwohl  sie  ganz  darin  Platz  geladen  bitte;  wlhe 
darum  nicht  auch  das  Zerschlagen  der  Gcfasse  in  den  am  Morgen  untersuchten 
Gräbern  Absicht  und  bestimmter  Brauch  sein  dürfen?  Doch  die  Urne  entbidl 
noch  mehr,  nchmltch  den  (Fig.  Sa  und  6)  von  zwei  Seiten  dargestellten  D«kel, 
endlich   einige   Stückchen   gebrannter  Menschen knochen.     Ist   schon   das   kleine 


(715) 

Oefäss  von  8  cm  Höhe,  wenig  eingezogenem  Fuss,  aber  fast  gerade  angesetztem 
Hals,  ohne  Einschnürung  der  Form,  noch  unter  den  wendischen  Typen  selten, 
weniger  durch  seine  zahlreichen  Horizontalrillen,  so  darf  der  Deckel  wohl  als  ein 
Unicum  gelten.  Der  Falz  passt  weder  von  innen,  noch  von  aussen  auf  das  Oefäss, 
sondern  trifft  gerade  den  Rand;  das  Material  scheint  etwas  heller  als  das  des 
Töpfchens  (s.  Friedel  in  den  Protokollen  der  General -Versammlung  zu  Schwerin 
1890,  S.  127),  die  ganze  Arbeit  ist  sehr  roh,  namentlich  die  mit  einem  Spahn  ganz 
unsymmetrisch  und  ungeschickt  eingerissenen  Verzierungen.  Ein  dicker  Strich  ge- 
hört nicht  zu  der  Gruppe  zwischen  den  concentrischen  Kreisen,  sondern  reicht 
bis  zum  Rande  herunter;  sollte  es  ein  Zeichen  sein,  wie  an  dem  von  Virchow 
beschriebenen  wendischen  Deckel,  dem  ein  gleiches  am  Umenrande  entspricht?  (Vgl. 
das  Gefäss  von  Dumgenewitz  auf  Rügen,  Verhandl.  1886,  S.  613  und  1887,  S.  380.) 
Für  einen  schliesslichen  Inhalt  von  Knocheh  bot  unsere  gehaltreiche  Urne  aller- 
dings nur  noch  geringen  Raum,  und  wir  hielten  das  mit  Wurzelgewöll  umsponnene 
Häufchen  derselben  für  den  Rest  eines  dem  Todten  mitgegebenen  Mahles. 
Bei  nachträglicher  Besichtigung  indess  wies  mein  freundlicher  Rathgeber,  Hr. 
Schumann  in  Löcknitz,  dem  ich  die  mitgebrachten  Skelettheile  zur  Bestimmung 
übergeben  hatte,  die  Unhaltbarkeit  dieser  Annahme  nach:  es  sind  Knochen  yom 
Leichenbrand,  und  zwar  grösstentheils  von  einem  Kinde.  Dies  lässt  die  sonder- 
bare Erscheinung  der  Leichenverbrennung  zugleich  mit  der  Beerdigung  vielleicht 
einigermaassen  erklären;  auch  die  Kleinheit  der  beiden  Gefässe  würde  dafür 
sprechen,  denn  die  noch  weiter  geftmdenen  waren  sämmtlich  grösser,  und  es 
standen  nicht  wieder  zwei  in  einander.  Ueberhaupt  dürfte  diese  aus  Lausitzer 
Urnenfeldem  z.  B.  bekannte  Sitte  für  wendische  Verhältnisse  hier  zum  ersten  Mal 
beobachtet  sein. 

Inzwischen  war  der  Rest  des  Skelets  blossgelegt  und  geborgen,  aber  nun 
fand  sich  auch  rechts  vom  Kopfe  in  gleicher  Schicht  eine  weitere  Urne  (Fig.  9  a), 
die  aber  trotz  aller  Vorsicht  zerfiel  und  ihren,  nur  aus  einer  grösseren  Menge  von 
Knochen  bestehenden  Inhalt  in  die  Grube  verschüttete.  Aus  den  mit  möglichster 
Sorgfalt  gesammelten  Bruchstücken  hat  nachträglich  meine  Frau  mit  grosser  Aus- 
dauer indessen  soviel  zusammengestellt,  dass  die  Form  sicher  zu  erkennen  ist. 
Hier  tritt  uns  nun  der  bekannteste  slavische  Typus  mit  dem  eingezogenen  Halse 
entgegen;  bei  einer  Höhe  von  12,5  ctn  und  einer  oberen  Oeffnung  von  fast  15  cm 
hat  der  Boden  nur  6,5  cm  Breite,  zeigt  aber  ein  erhabenes,  mit  eben  solchen 
Rändern  umzogenes,  eingestempeltes  Kreuz,  wie  es  Virchow  in  den  Verh.  vom 
December  1870,  S.  29,  Tafel  VI,  Fig.  7,  von  Soldin  darstellte  und  danach 
Senf  im  Archiv  f.  Anthropologie  XX.,  S.  24,  Tafel  11,  6;  vergl.  nun  dazu  unsere 
Fig.  9  b,  Uebrigens  habe  ich  gerade  diesen  Stempel  unter  den  zahlreichen  Topf- 
böden, die  Stettin  im  vorigen  Jahre  geliefert  hat,  von  denen  ich  auch  selbst 
mehrere  besitze,  nicht  wieder  gefunden,  auch  nicht  bei  Jentsch,  IV.  Progr., 
Fig.  36 — 46;  wohl  aber  liefern  die  Zeichnungen  vom  Hradek  ein  Analogon, 
Verh.  1886,  S.  661.  An  unserer  Urne  zeigt  die  beginnende  Ausbauchung  unter 
der  tiefen  Einkehlung  zwei  ganz  regelmässige  Rillen,  dann  sind  wieder  an  der 
weitesten  Stelle  des  Bauches  schräge,  dreifache  Tupfen  auf  die  Rillen  aufgedrückt, 
weiter  nach  unten  sind  diese  einigermaassen  in  Zonen  angeordnet,  um  endlich 
regellos  zu  verlaufen. 

Etwas  weiter  östlich  von  diesem  Skelet  in  einer  Entfernung  von  2  Fuss 
fanden  sich  noch  Reste  eines  Kindes,  doch  ging  hier  der  Kieshügel  zu  Ende  und 
in  Erde  über,  so  dass  die  Knochen  sehr  mürbe  geworden  waren.  Ebenso  war  der 
Zustand  einiger  grösserer  Scherben  mit  umgebogenem  Rande  dabei  zerbrechlich. 


(716) 

leider  zerfiel  auch  ein  ganz  sonderbares  Thongebilde  grösstentheils.  Es  war,  wie 
Fig.  10  zeigt,  ein  flacher  Deckel  mit  schräg  abgestrichenem  Rande  und  einem 
starken  Falz,  auf  der  Oberfläche  ungemein  reich  verziert.  Dem  glatten  Rande  zu- 
nächst läuft  ein  breiter  und  dann  ein  schmaler  Streifen  herum,  durch  tiefe  Ein- 
kehlungen  geschieden,  der  breitere  aber  noch  durch  das  schräge  Dreitupfen- 
Ornament,  wie  an  der  Urne  Fig.  9,  sehr  wirksam  verziert.  Nun  schliessen  sich 
nach  der  Mitte  zu  eine  Art  von  Nase,  wie  bei  den  gothischen  Kirchen fenstem,  und 
breite,  flachere  Bänder  mit  schrägen  Einkerbungen  an,  die  über  einander  greifen, 
aber  leider  keine  Gesammtvorstellung  geben.  Das  Stettiner  Museum  hat  weder 
diesem,  noch  dem  anderen  Deckel  (Fig.  8)  ähnliche  Stücke  zur  Seite  zu  stellen. 

Da  der  Htigel  nach  Osten  zu  Ende  ging,   gruben  wir  das  letzte  Stück  des- 
selben nach  Norden  zu  noch  ab  und  fanden  l*/«  m  vom  ersten  Skelet  ein  parallel 
liegendes   zweites,   den  Kopf  ebenso   nach  Osten   gerichtet   in  gestreckter  Lage. 
Hier  fehlten  die  Nägel,  allein  an  beiden  Schultern  fanden  sich  wieder  Urnen  vor 
(Fig.  11),    an  der  linken  Schulter.    Die  Form  entspricht  der  von  Fig.  9  im  All- 
gemeinen,   doch  ist  das  Gefäss  um  3  cm  höher  und  hat  keinen  verzierten  Boden. 
Die  Tupfen  an  der  beginnenden  Ausbauchung  sind  hier  mit  einem  breiten  Spahn 
je  einmal,    übrigens  gleichfalls  schräg  eingedrückt;   endlich  tritt  hier  auch  die  an 
den  bisherigen  G^fässen  fehlende,  aber  an  Scherben  beim  Kopfe  des  ersten  Skelete 
vorkommende  Wellenlinie  auf.    Sie   ist  unter  der  Halseinkerbung  einmal    tiefer, 
unter  den  Tupfen  noch  zweimal  einzeln  in  unregelmässiger  Weise  flach  auf  die 
schon  vorhandenen,   gleichfalls   flachen  Rillen   eingezogen.    Die  Oberfläche   war 
hier  vielfach   abgestossen   und   mürbe,    doch   ist   auch   dies   Geföss   von  meiner 
Frau  wieder  leidlich  zusammengesetzt.     Es  enthielt  gleichfalls  Menschenknochen. 
Rechts  von  der  Schulter  stand  endlich  der  untere  Theil  einer  schwarzen,  sehr  dick- 
wandigen Urne,  unverziert,  zu  der  sich  keine  Scherbe  als  Obertheil  passend  erwies. 
Rechne  ich  diese  nun  mit,    so  hat  dieser  eine  Fund  fünf  slavische  GrefUsse  zu 
Tage  gefördert  und  dürfte  in  dieser  Reichhaltigkeit  bisher  einzig  dastehen;   viel- 
leicht lassen  sich  auch  später  Anhaltepunkte  für  eine  Einthcilung  der  slavischen 
Keramik  daran  anknüpfen,  die  Beltz  (Protokoll  der  Schweriner  Generalvers.  1890, 
S.  88  und  125)    noch   als   unsicher  bezeichnet.    Freilich  sind  dazu  noch    weitere 
Funde  unversehrter  Gefässe  erforderlich,   denn  die  vorliegenden  zeigen  die  drei 
Formentypen  (mit  geradem,    schrägem,    umgebogenem  Rande)   nur   für  die   drei 
Ornamente  der  Rillen,  Tupfen  und  Wellenlinie.    Wie  aber  die  ganzen  Gefässe  der 
anders   verzierten   Scherben    ausgesehen    haben,    die   gerade    in    so    unendlicher 
Mannichfaltigkeit  z.  B.  aus  dem  Stettiner  Burg  Wallgraben  neuerdings  gehoben  sind, 
wissen  wir  noch  nicht.     Bezüglich  des  Materials  mag  noch  bemerkt  werden,  dass 
dasselbe  bei  allen  Gefässen  verschieden  ist:    röthlich  und  mürbe  bei  Fig.  11  und 
der  noch  zu  erwähnenden  Fig.  12,    braun  und  härter  bei  Fig.  7,  dunkelbraun  und 
klingend  hart  bei  Fig.  9,  grau  bei  Fig.  8.  — 

Da  sich  an  dieser  Stelle  weiter  nichts  vorfand,  statteten  wir  dem  nördlich  der 
Stadt  gelegenen  Galgenberge  noch  einen  kurzen  Besuch  ab.  Hr.  Mühlenbesitzer 
Hartwig  zeigte  uns  die  Stelle,  wo  er  die  Fig.  12  abgebildete  Urne  gefunden  habe; 
sie  ist  inzwischen  vom  Stettiner  Museum  erworben  und  in  den  Pomm.  Monatsbl. 
1891,  7,  107  beschrieben.  Sie  ist  noch  jetzt  zur  grösseren  Hälfte  mit  Knochen 
vom  Leichenbrand  gefüllt.  In  einer  Entfernung  von  2  Fuss  von  dieser  Stelle 
stiessen  wir  wieder  auf  ein  Skelet  mit  den  Füssen  nach  Westen,  am  Genick  iwei 
der  uns  bekannten  Nägel,  sonst  nur  mit  Scherben  in  der  nächsten  Umgebung; 
etwas  weiter  davon  lag  eine,  aus  zwei  quadratischen  Eisenplättchen,  die  durch 
eine  Niete  verbunden  sind,   gebildete  Klammer.     Weitere  Skelette  lagen  schrvg. 


(717) 

einmal  ^^  Schädel  znsammen,  dicht  unter  der  Oberfläche.  Die  Zwei  fei  haßi^keit 
dieser  Fände  und  die  hereinb  rech  ende  Dämmerung  zwang  uns,  die  beinahe 
12  Stunden  fortgesetzte  TbätJgkeit  endhch  abzubrechen,  und  mit  reichen  Erträgen 
trafen  wir  spät  wieder  in  Hisdroy  ein. 

Für  diesmal  begnüge  ich  mich  mit  der  Bekanntgabe  dieser  Funde;  eine  Zu- 
sammen Stellung  der  Übrigen  wendischen  GefSsse  des  Stetttner  Museums,  sowie 
aller  bisher  gemachten  Beobachtungen  Über  die  Bestattung» weise  der  Slaven  konnte 
ich  aus  Mangel  an  Zeit  noch  nicht  dnrchrilhrcn.  — 

{24}  Hr.  L.  Zapf  in  MUncbberg  schreibt  unter  dem  5.  September  über 
Steinmolden  im  Fichtelgebirge. 

Auf  den  horizontalen  Flächen,  wie  an  den  rerticalen  Seiten  der  nnstehenden 
Granitgebilde  des  Fichtelgebirges  machen  sich  rielfach  Eintiefuugen  bemerkbar, 
welche  als  Mulden,  Becken,  Wannen,  Rinnen  u.  s.  w.  erscheinen  und  zu  den  yer- 
Bcbiedensten  Deutongs versuchen  ÄnUss  gegeben  haben.  Die  Volksphantasie  sieht 
in  ihnen  Opfermulden  altheidnischer  Zeit  oder  Ruhesitze  Christi  oder  des  Teufels, 
die  Geologie  erklärt  dieselben  als  in  dieser  oder  jener  Weise  entstandene  Aus- 
witterungen, ein  schweizerischer  Forscher  erbUckt  in  ihnen  kartographische  Dar- 
stellnngen  eines  Urvolkes.  Es  ist  nach  jeder  dieser  drei  Richtongen  hin  schon 
so  riel  geschrieben  worden,  dass  wir  füglich  auf  die  einschlägige  Literatur  ver- 
weisen können,  ohne  dieser  oder  jener  Deutung  das  Wort  zu  reden.  Doch  sei 
gestattet,  hier  ein  bisher  noch  nicht  gezeichnetes  Muldenbild  in  dem  westlichsten 
der  Waldsteinfelsen  zur  Anschauung  zu  bringen,  wie  es  sich  von  der  Burgstetle 
aus,  welcher  dieser  Fets  rorlJegt,  darstellt  (Fig.  I  die  Muldenstelle  selbst,  in 
grösserem  Maassslabe  in  Fig.  2). 

Figur  1. 


Nach  der  Natur  geieicbnet  von  L.  Zapf,  üie  St«lle  der  Mulde  in  Fig.  1. 

am  8.  September  1891. 

Die  hoeh romantische,  eine  weite  Umschau  darbietende  Waldsteingruppc  auf 
dem  Kamme  des  Gebirgszuges,  welche  mehrfach  Änsmuldungen  aufweist,  unter- 
stützt mit  ihrem  „Teufelstisch",  „Drudenfela" ,  „Frei-"  oder  „Amstein"  und  ihrem 
reichen  Sagenkreis  die  herkömmliche  Annahme  einer  besonderen  Bedeutsamkeit'). 
Wir  beschränken  uns  hier  jedoch  auf  die  Vornihrung  des  eben  erwähnten  Mulden- 

1)  Eine  im  vorigen  Jahnebnt  bier  aufgedeckte  und  untersuchte  wendische  Wallitelle 
ist  auifflhrlich  beiehrieben  in  VI.  Bd.  der  „Beitilge  i.  Anthr.  a.  Urgescb.  BayemB". 


(718) 

bitdes,  ohne  irgend  welche  SchluBsrot^rangen  ziehen  zu  wollen.  Der  FeU,  in 
dessen  abrallcnder,  massig  gewölbter  Südseile  die  dargestellte  Vertiefung  sich  zeigt, 
ist  ohne  Anwendung  ron  Leitern  unersteiglich ,  die  künstliche  Entstebong  der 
orsteren  daher  zu  bezweifeln.  AnfTallend  ist  der  Halbkreis  oberhalb  der  Hulde, 
welcher  letztere,  wie  die  Braue  das  Auge,  umgiebt,  aber  auch  an  die  Nabelform  er- 
innert, und  dies  um  so  mehr,  als  der  Fels  an  dieser  Stelle  baachähnlich  gewölbt 
ist.  Die  Mulde  seihst  scheint  ron  ziemlicher  Tiefe  zu  sein.  Han  glaubt  bei 
Äbendbeleuchtung,  welche  die  bildliche  Erscheinung  besonders  deutlich  hervor- 
treten lässt,  ein  Idol  vor  sich  zu  haben,  wie  deren  aas  keramischen  Produkten 
bekannt  sind.  Die  Ostseite  der  Deckplatte  des  Felsens  weist  eine  Reihe  ron  Aus- 
höhlungen auf,  welche  die  Kante  nnregel massig  durchbrecheh  und  dem  Ablauf 
des  Kegenwassers  von  der  Platte  zuzuschreiben  sein  werden. 

Die  Darstellung  des  Felsbildes  in  dieser  Zeitschrift  wird  sich  rechtfertigen, 
wenn  es  sich  auch  nur  um  ein  in  merkwürdiger  Weise  den  alten  Traditionen  ent- 
sprechendes Naturspiel  handeln  wird,  wie  es  auch  das  neben  dem  alten  nOpfer- 
altar"  Nusshardt  mit  seinen  neun  Mulden  aufragende,  ron  der  Natur  geschaffene 
riesige  Steinkreuz  ist.  — 

Weiter  sei  der  gleichfalls  noch  nicht  abgebildete  „Herrgottsstein'  bei 
Hendelbammer  zwischen   Selb   und   Thieretein   (Fig.  3)   hier   rorgefUhrt,   ein 

Figur  3.    Nach  der  Natnr  gezeichnet  von  Dr.  £.  Linkardt. 


R  Ansicht  von  WesUn. 


A  Sfidseite  mit  den  HOhlnngen. 

DiirchmeEsei  der  grässten  Hfihlung  etwa  0,5  m 

Inhalt  des  Blockes  etwa  1  vhm. 


C  Anrieht  von  Osten. 


gänzlich  isolirter  unscheinbarer  Granitblock,  auf  welchem  Christus,  auf  einer  Puu- 
wandening  müde,  geruht  nnd  geschlummert  haben  soll.  Das  harte  Gestein  gab 
nach,  um  dem  Erlöser  zur  weichen  Lagerstatt  zu  dienen,  und  so  sieht  man  heute 
noch  den  Eindruck  des  heiligen  Leibes.  Der  müde  Wanderer,  der  hier  Platz 
nimmt,  fühlt  sich  wunderbar  gestärkt.  Als  man  einmal  den  Stein  an  ein«n  anderen 
Ort  bringen  wollte,  brachte  ihn  kein  Gespann  von  der  Stelle,  obwohl  er  nur  etwa 
I  cbm  im  Dmfang  hat.  Alles  dies  berichtet  die  Volkssoge.  Das  Krem  in  der 
grossen  Mulde  wurde  ron  unbekannter  Hand  eingegraben.  — 


(719) 

(25)  Hr.  Pritz  Rödiger,  Galtar-Ingenieor  in  Solothurn,  übersendet  in  Fort- 
setzang  seiner  früheren  Zosammenstellnngen  (1890,  Verb.  S.  504;  1891,  V^rb. 
S.  237)  unter  dem  3.  August  aus  Weierhof  nocb  einige 

ErläateroB^n  und  beweisende  Vergleiche  znr  Steinkarten-Theorie. 

Hr.  Vircbow  hatte  (Heft  III)  die  Güte,  die  Steinkarten-Tbeorie  als  ein  ernst- 
haftes Problem  zu  erklären;  das  hat  mich  von  Herzen  gefreut,  da  ich  seit  dem 
Beginn  dieser  anstrengenden  und  zeitraubenden  Studien  gerade  bei  vielen  Ge- 
schiebtsforschem  (freilich  meist  bei  Archivisten)  beträchtlichen  Unglauben  fand, 
denn  auch  viele  Forscher  „glauben^  am  liebsten  an  die  herkömmlichen 
^Dogmen !^  Dass  ich  hinsichtlich  der  Zeit  mich  etwas  unrichtig  erklärte,  gebe 
ich  zu,  allein  —  ich  habe  die  Erledigung  dieser  Frage  Hrn.  Virchow  und 
allfällig  seinen  Mitarbeitern  in  Berlin  anheim  gestellt.  —  Zu  weit  gehe  ich  wohl 
selten,  da  ich  sehr  vorsichtig  bin.  Es  mag  manchmal  so  scheinen,  wie  z.  B. 
bei  der  Entdeckung,  dass  auch  die  Höhlen  in  Sachen  mitarbeiten;  doch  habe 
ich  mir  hier  noch  fernere  Untersuchungen  und  Bestätigungen  vorbehalten.  Ich 
meinerseits  bin  freilich  schon  jetzt  davon  überzeugt,  zumal  da  mir  zwei  neuerdings 
darauf  hin  untersuchte  Höhlen  im  Jura  ganz  dieselbe  Antwort  gaben,  innerlich 
und  äusserlich.  Wenn  ich  wieder  einiges  Material  bei  einander  habe  betr.  Höhlen, 
so  werde  ich  dasselbe  gleichfalls  anbieten  zur  Einsichtnahme  und  Begutachtung. 

Für  heute  möchte  ich  darthun,  dass  das  in  der  Thayinger  Höhle  gefundene 
Rartenblättchen    auf  Braunkohle   (Fig.   1)   der   ersten  und   ältesten   geschieht- 


Figur  1. 


Figur  2. 


Thaynger  Zeichnung')  Altägyptische  Karte  der  nubischen  Gold- 

auf Braunkohle  (7erh.  1890,  Taf.  V,  minen.    Nach  Chabas  Inscriptions  etc. 

Fig.  10).  Etwa  V©  der  natürl.  Grösse  (auf  Papyrus). 

a,  a  Goldberge  (roth  colorirt).  —  A,  A  desgl. 
—  c,  Heiligthum  Ammons.  —  e  verwischte  In- 
schrift. —  f  Ammons  Grab.  —  g  Weg  von  Ta 
manatti.  —  A,  h  Niederlassungen.  —  t  Stele 
(Denkmal)  des  Königs  Ramamea.  —  k  grosse 
Cisteme  im  Oval.  —  /  kleine  Cisteme  w,  «,  o 

Wege. 

liehen  Karte  auf  FBpyrus,   die  man  kennt  (Fig.  2),   doch  sicher  gleicht,   wie 
ein  Ei  dem  anderen.    Nehmen  wir  nun  an,   dass  Ramses  II.,  der  Yerbesserer 


1)  Vgl.  Verhandl.  1891,  S.  239,  Fig.  6  und  S.  241,  Fig.  8. 


(720) 


besagter  altägyptischer  Karte,  welche  im  Turiner  Maseum  sich  befindet,  dieselbe 
bereits  um  1300  Jahre  vor  Chr.  auf  Papyrus  und  mit  Inschriften  zeichnen  liess,  — 
und  ehe  es  zu  dieser  Kunst  kam  —  gut  vorher  noch  500—1000  Jahre  ver- 
gangen sein  werden,  so  darf  es  uns  gewiss  nicht  stark  wundem,  auch  in 
Europa  und  Deutschland  derartige  Anfangsgründe  (auf  Knochen,  Kohlen  u.  deigl.) 
zu  finden. 

Ganz  dasselbe  gilt  von  den  beiden  kleinen  Knochenplättchen  (Verb.  1891, 
S.  239  und  241,  Fig.  6  und  8),  wie  sich  solche  in  besagter  Höhle  vorfanden.  — 
Sehen  wir  doch  in  nachstehender  Fig.  3  eine  indische  Naturkarte  *)  aus  dem  Ende 


Figur  4. 


Figur  8. 


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General  Map  of  the  dominions  of  the 
King  of  Ava,  drawn  by  a  slave  of  the 
Kings  eldest  son  at  Amarapura.     1795. 

V9  der  natürl.  Grösse. 
1.  Neinstein  River,  2.  Kasi,  Inna  River,  8. 
Kasi  Shan  of  Shan  countiy,  4.  Narin-Zara 
Riv.,  .5.  Narizessa,  6.  Tafondu  am  Krann, 
7.  Rakhain,  8  Moamoas,  9.  Ava,  10. 
Country  of  the  Talain,  11.  Briet  country, 
12.  Indara,  18.  Indara  Shan,  14.  Irawadi 
Riv.,  16.  Bhamo,  16.  Wüd  Kaktion,  17. 
Wild  Lawa,  18.  Tarons. 


Tupajas-Karte.    '/s  OAtürL  Grösse. 

Nach  einer  Copie  G.  Forster^s. 
1.  Tubai,  2.  Borabora,  8.  Taha&,  4.  Hoahiiuia, 
5.  Raiatea,   6.  Tapuaimanuo,  7.  Otahaiti,  8. 
Maitea,  9.  Oiroto,    10.  Ohiteroa,    11.  Tome- 
towroaro,  12.  Itonne,  18.  Moutoa,  14.  Chettj- 

Tamannra,  15.  Ouropae. 
(Copy  of  a  Chart  by  a  man  of  the  Nation  of 
Oaheitu  named  Tnpaia.    Contains   abont  lö** 

of  longit) 


des  vorigen  Jahrhunderts,  welche  noch  ganz  dasselbe  Gepräge,  wie  die  beiden 
Höhlenplättcben,  an  sich  hat.  Dass  aber  auch  die  frühesten  Einwohner  unserer 
Gegenden  derartige  Künste  mit  aus  Asien  gebracht  haben  werden,  als  Indo- 
gerraanen,  darf  angenommen  werden. 

Uebrigens  weiss  man  ja  zur  Genüge,  wie  alle  wilden  Menschenrassen 
Landkarten  auf  Holz  und  im  Sande  zeichnen  und  darstellen,  und  dass  man 
in  China  bereits  vor  2200  Jahren  dergleichen  Landkarten  auf  Erz  und  Stein 
gehabt  haben  soll.  (Die  begleitenden  Erd-  und  Felsenbuigen  finden  sich  ja 
ebenfalls   dort   wieder)').    —   Warum  soll  nun  diese  Kunst  nicht  auch  mit  den 

1)  8.  Anf&nge  der  Kartographie  (S.  197)  aus  Et^olog.  Parallelen  von  Rieh.  Andre«. 

2)  China,  historisch,  romantisch  u.  s.  w.    Carlsmhe,  Kunstverlag  von  Stöbe  1878. 
S.  78. 


(721) 


Keltogermanen  nach  Europa  eingewandert  sein?  —  Wegweiser  und  Situationszeiger 
sind  für  den  Wanderer  so  wichtig,  wie  Messer  nnd  Löffel  I 

Fig.  4  ist  sogar  eine  Seekarte  von  einem  halbwilden  Polynesier.  Für  ans 
deshalb  wichtig,  weil  sie  zeigt,  wie  der  Kartenkünstler  die  Inseln  im  Meer 
richtig  darstelltel  —  Ganz  die  gleiche  Methode  finden  wir  bei  schlesischen 
Schalensteinen,  indem  uns  ein  solcher  (Fig.  5)  mit  ganz  den  gleichen  Fignren, 
Landinseln  (Ansiedlangen),  aaf  Steinplatten  gezeichnet  zukam.  —  Man  sieht,  die 
Erscheinung  ist  ebenso  natürlich,  als  —  uraltl  Dies  beweist  gleichzeitig,  dass  es 
nicht  Answaschangen  sind,  wie  Dr.  Grüner  meint,  sondern  Zeichnungen. 

Das  lehrt  ausserdem  noch  zum  Ueberfluss  das  Rartenbild  Fig.  6  zu  Fig.  5, 
das  ganz  in  jene  Gegend  und  zu  dem  angeblich  ausgewaschenem  Zeichenstein 
zwischen  Laub  an  und  Kohl  fürt  passt  und  noch  viel  besser  und  schlagender 
passen  wird,  wenn  man  eine  Speziallandkarte  jener  Gegend  zu  Rathe  ziehen  kann. 


Figur  5. 


Figur  6. 


Steinplatte  swischen  den  Bahnwftrter- 
Hftuschen  Kr.  444  u.  443  der  Linie  Lauban- 
Kohlfort,   15  Schritt  vom  Schienengeleise 

(Schlesien). 
(Zu  Dr.  Grüneres  „Opfersteine  Deutsch- 
lands«.   Taf.  I,  Fig.  7,  S.  9.) 


1.  Laub  an,    2.  Seifersdorf,  3.  Görlitz, 

4.  Rothwasser,  5.  ?  (s.  bessere  Karte!), 

6.  Kohlfnrt,   7.  Kühna,  8.,  9.  Schön- 

berg-Zeibsdorf  u.  s.  w. 

Eisenbahn. 

-—  Fluss. 

Gebirge. 

1:1250000. 
(Zu  Grüner,  Tat  I,  Fig.  7.    Karten- 
bild nach  Andree's  Atlas,  Fol.  36.) 

Hr.  Dr.  Grüner  in  seinen  „Opfersteinen  Deutschlands^  sagt  über  den  Opfer- 
altar am  Girgelstein^  [Fig.  7]  (wie  er  überhaupt  alle  diese  Steingestaltungen 
im  Fichtelgebirge  von  Auswaschung  und  Verwitterung  ableitet):  „Die  sitz- 
artigen kleineren  Höhlungen  (a  e)  mit  horizontalem  Boden  seien  augen- 
scheinlich nur  durch  eine  weniger  intensive  Thätigkeit  des  bewegten  Wassers 
henrorgerofen.  Hätte  das  Wasser  länger  fortgewirkt,  so  wären  grössere  Sitze  (Ver- 
tiefungen) entstanden^  u.  s.  w. 

Das  Rartenbild')  (nach  meiner  Erklärung)  des  Girgelsteiner  Opferaltars 
(Fig.  8)  spricht  für  sich  selbst.  Westlich  von  Tröstau  befindet  sich  eine  Menge 
von  Teichen  u.  s.  w.  (Weiher,  kleine  Seen,  a  c).  Bei  der  hohen  Mätze  ist  der 
Logerort  der  Platte.  S  B  entspricht  der  Fig.  b  auf  dem  Steinbild  Fig.  7  (Schnee- 
berg und  Nussertgruppe);  ich  habe  es  beim  Kartenbild  nur  schwach  an- 
gedeutet,  weil   weniger  entscheidend.    Dagegen   habe   ich,   da   sie   vielleicht  zu 

1)  8.  Specialkarte  vom  Fichtelgebirge  von  R.  Rein  seh.    1:150000. 

Varbandl.  der  BerU  AnthropoL  GM«llichaft  1691.  46 


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(722) 

diesem  Bilde  gehören,  einige  andere  Figuren  aus  Dr.  Grüner' s  Werkchen  hier 
eingeschoben,  nehmlich  dessen  Pig.  1  u.  2,  S.  20  (im  Text),  hier  als  Pig.  9ö  u.  6 
gezeichnet  und  so  gestellt,  wie  sie  sich  in  Wirklichkeit  an  der  bezeichneten  Stelle 
auf  der  Girgelsteinkarte  einstellen  dürften. 

Figur  7.  Figur  8. 


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(- 


Der  Opferaltar  am  Girgelstein, 
zunächst  der  hohen  Mfitze. 

p.       q  Kartenbild  des  Opferaltars  (Fig.  7). 

^  f,  1  Haberstein,  2  Weissmainshocbofeo. 

RS.  Rudolfstein,  B.  Birk,  0.  Grün,  FL  lUhüan, 
SB,  Schneeberg,  N,  Nussert,  W.  Wunsiedel, 
FS.  Fichtelsee,  P,  Platte,  T.  Tröstan,  HM. 
Hohe  Mätzen,  FB.  Fichtelberg,  M.  MfihI* 
buhl,  B.  Brand,  FN,  Fichtel-Nabe. 

Dr.  Grüner  sagt  darüber:  „Fig.  1  auf  der  Gipfelplatte  des  kleinen  Haber- 
steins, Fig.  2  an  der  letzten  Treppe,  welche  zum  kleinen  Haberstein  führt,*  — 
sie  bezeichneten  demnach  kleinere  Landflächen  (Privatbesitz?  oder  zu  öffent- 
lichen Zwecken?) 

Merkwürdig  ist  hierbei  aber,  1.  dass  es  zwei  Habersteine  giebt,  einen  kleinen 
beim  Burgstein  und  einen  grossen  am  Mainflüsschen.  Fig.  1  und  2  (nach  Grüner, 
8.  20)  finden  sich  am  kleinen  Haberstein,  die  dazu  passenden  Landflächen 
aber  am  Schneeberg.  Es  lässt  sich  dies  nicht  anders  erklären,  da  sich  ähn- 
liche Flächen  um  den  kleinen  Haberstein  nicht  finden,  als  dass  beide  zusammen- 
gehörten. Spätere  Studien  an  Ort  und  Stelle  dürften  dies  aufklären.  Fig.  9&  (ent- 
sprechend Grüneres  Fig.  2,  S.  20)  ist  zu  eigen  geartet,  als  dass  sie  auf  einer 
guten  Karte  beim  kleinen  Haberstein  nicht  sofort  zu  erkennen  wäre.  Die  Stein- 
bilder deuten,  wie  heut  zu  Tage,  Pläne,  auch  entfernteren  Besitz  an. 

Ganz  die  gleichen  Erscheinungen,  nur  im  grösseren  Maasse,  finden  wir  bei 
Grüner  (Fig.  4,  Taf.  IV)  wieder,  welches  Bild  unverkennbar  deutlich  die  Ochsen- 
kopfgruppe darstellt  und  sich  doch  als  Steinplatte  am  Girgelstein  befindet; 
und  andere  Bilder  am  Rudolfstein  und  Nussert  mehr! 

Das  Interessanteste  aber,  was  die  kleinen  Figuren  (9a  und  h  oder  bei 
Grüner  20,  Fig.  1  und  2)  am  Haberstein  beweisen  dürften,  ist:  dass  schon  damals 
augenscheinlich  parzellirt  wurde,  was  übrigens  in  der  Schweiz  mancher  kleinfre 
Stein  beweist,  der  Stücke  von  nur  2—3  ha  wiedergiebt. 


(723) 


Figur  10. 


\ 


Einen  indirekten  oder  rückwärts  schliessenden  Beweis,  d^s  unsere 
Annahme,  Zeichen  und  Beckensteine  u.  s.  w.  seien  Situationszeiger,  Pläne,  Land- 
karten u.  s.  w.,  richtig  ist,  leistet  wohl  auch  die  viel-  und  allbekannte  Ross trappe 
am  Brocken.  Ich  habe  solche  noch  nie  gesehen, 
weder  in  Natura,  noch  im  Bilde,  habe  aber  schon  gar 
manchmal  davon  gelesen  und  in  neuerer  Zeit  auch 
dabei  gedacht:  „die  bedeutet  eine  dortige  huf- 
eisenförmige Land  fläche.^  Letzthin  las  ich  sie 
nun  wieder  einmal  in  den  „ethnographischen  Pa- 
rallelen" von  Rieh.  Andree  (S.  94,  „Pussspuren") 
als  natürliches  Mal,  und  suchte  in  demselben 
Handatlas,  der  freilich  für  eigentliche  Studien  zui*  Er- 
klärung solcher  Erscheinungen  einen  viel  zu  kleinen 
Maassstab  hat,  den  Harz,  die  Rosstrappe  und  den 
Brocken  auf,  und  siehe  da!  in  diesem  Falle  be- 
währte sich  auch  dieser  minimale  Maasstab,  da 
gerade  die  Rosstrappen -Situation  eine  sehr  ins 
Auge  fallende  ist,  zu  unseren  Gunsten! 

Das  kleine  Rartenbild  (Fig.  10)  spricht  für  sich 
selbst.  Die  Rosstrappe  ist  wiederum  kein  „natür- 
liches Mal",  wie  so  viele  unnatürliche  Maler  der 
„Malsteine"  behaupten,  sondern  eine  sehr  ähnliche 
Karte  des  vielberühmten  Brockens,  und  dürfte,  trotz 
den  ausserordentlich  starken  Hexenbesuchen,  jene 
Gegend  unter  Herrn  Teufels  Vortanz  doch  nicht  auf 
„Hexerei"  beruhen,  sondern  auf  Grundbesitz-Fest- 
stellung. —  Wer  das  Bild  der  Rosstrappe  hat,  möge 
vergleichen,  es  wird  zutreffen!  Es  wird  auch  die 
Himmelsgegend  dieselbe  sein,  wie  auf  der  Karte, 
die  Hufbffnung  nach  Südwest! 

Dass  man  es  hier  mit  einem  urgeschichtlichen  Handgebilde  zu  thun  habe  und 
nicht  mit  einer  Natur-  oder  Zufallserscheinung,  dürfte  noch  der  gegenüber  liegende 
Teufels-Tanzplatz  anzeigen,  da  der  bekannte,  schwarze  Herr  fast  immer  in  der 
Nähe  solcher  Felsen  und  Steine  auftritt,  so  dass  ich  fast  auf  die  Idee  kommen 
möchte,  dass  die  vielen  Teufelsplätze,  Teufelsbecken,  Teufelssteine,  Teufelsberge, 
Teufelsfelsen  u.  s.  w.  von  dem  Worte  deuten  herkommen  könnten,  als:  Deute- 
plätze, Deutebecken,  Deutesteine,  Deutebeige,  Deutefelsen  u.  s.  w.  An  gar 
manchem  Orte  schon  wurde  ich  stark  daran  erinnert! 

Dazu  kommt  noch  eine  grosse  Höhle  am  Teufelsplatz  von  etwa  70  Schuh 
Breite  und  50'  Tiefe,  die  demnach,  wenn  oval  eingehend,  ganz  im  ähnlichen  Ver- 
hältniss  angelegt  wäre,  wie  die  Rosstrappe  (7 : 5),  und  da  in  dortiger  Gegend  noch 
mehrere  derartige  Steinfunde  vorliegen,  so  wird  meine  Annahme  kaum  fehlen. 
Bitte  um  Nachprüfung! 

Ich  sende  Ihnen  noch  ein  Felsenkopfbild  aus  dem  Thüringer  Walde 
mit  Wenn  auch  nicht  sprechend  ähnlich  dem  Bilde  im  Jahrgange  1870,  S.  405 
der  „Gartenlaube",  allwo  ich  es  erst  heuer  einmal  würdigte  als  das,  was  es  ist, 
so  zeigt  das  Kartenbild  (Fig.  12)  doch  ebenfalls  genau  den  Gedankengang  und 
das  Verfahren  unserer  keltogermanischen  Geographen,  trotz  allzu  kleinem  Maass- 
stab der  Karte.  Zur  Erläuterung  füge  ich  noch  die  betreffende  Stelle  aus  dem 
„praktischen   Reisehandbuch    von    Thüringen",    Berlin    bei    Alb.  Goldschmidt, 

46* 


Kartenbild   der  Hoss- 
trappe am  Brocken. 
1:1250000. 
1.  Brocken  (1141  w),  2.  Wer- 
nigerode, 3.  Elbingerode,  Ro. 
Rosstrappe,  4.  Blankenborg, 
5.  Derenburg,   6.  Hendeburg, 
7.  Vienenburg,    8.  Harzburg, 
Neustadt,     9     Altenau,    10. 
Braunlage,   11.  Schlerke,  12. 
Usenburg. 

Eisenbahn. 

(Nach  d.  Handatlas  von  Rieb. 
Andree,  Fol.  36.) 


(724) 

Oberhof,  Tambachtour  betreffend  an,  S.  89:  „.  . .  .ihm  gegenüber  (links)  zeigt  sich 
der  Stein  buhl,  dessen  Fortsetzung  der  mit  Felsenzacken  übersäete  Kirchberg 
ist.  Inmitten  dieser  Höhen,  etwa  7^  Stunde  vom  Falkenstein,  thalabwärts,  er- 
hebt sich,  rechts  an  der  Strasse,  wo  dieselbe  über  eine  Ueberbrückung  des  Wasser- 
laufes führt,  ein  isolirt  stehender  Felsen^  (ich  habe  nur  einen  Theil  daron 
benutzt),  der  Napoleonsstein  (Fig.  11),  der,  von  der  Mitte  der  Brücke  aus  ge- 
sehen, in  seinen  zerklüfteten  Formen  ein  Napoleonsgesicht  (Napoleon  III.)  zeigt  (Es 

Figur  11. 


Napoleonsstein  bei  Tambach  Kartenbild  zu  Figur  11. 

im  Thüringerwald,  Felsenkopf bild.  Etwa  1 :  800  000. 

1.  Friedrichsroda,  2.  Rödigen,  3.  Leinathal,  4.  Tambach,  5.  Dietharx,  6.  eine  Höhle, 
7. 7.  Schmalwasserthal, 8.  Finsterbachthal, 9.  Schwarzwald,  10.  Sturzhaus,  ll.Ohrdrnil^ 
3»— ►  Strasse  nach  Gotha,  12  Oberhof,  13.  Obrethal,  14.  Ilmenau,  1&  Oeorgenthal 
Der  Maasstab  der  Karte  ist  viel  zu  klein,  um  etwas  ganz  Aehnliches  finden  lu  kömiea. 
Der  Gedankengang  übrigens  genügt!  (Nach  der  „Illustrirten  Reisekarte  vom  Thüringer 
Waldgebirge"  von  Karl  Vocke.    3.  Aufl.    Verlag  der  Kuhn^schen  Buchhandlung  ia 

Eisleben.) 

wäre  sehr  wünschenswerth,  den  vornapoleonischen  Namen  dieses  Felsens  fn 
ermitteln!)  „Weiter  abwärts,  am  Hange  der  Märtenswand,  ebenfalls  rechts  von 
der  Strasse,  in  unmittelbarer  Nähe  von  Dietharz,  erhebt  sich,  15  m  über  der 
Thalsohle,  eine  Grotte,  das  sogenannte  HtiUoch."  —  Der  Thüringer  Wald  dürfte 
reich  an  solchen  Malsteinen  sein! 

In  der  Nähe  derartiger  Kephaloiden  oder  Obelisken,  deren  ich  etwa  ein 
Dutzend  bis  jetzt  kenne,  befindet  sich  stets  eine  Höhle  oder  auch  mehrere 
Höhlen.  Sie  scheinen  demnach  (fernere  Erfahrungen  vorbehalten)  der  Ben- 
thierzeit  anzugehören!  — 


L 


(725) 

(26)  Frl.  Elisabeth  Lemke  berichtet  (kurz  vor  ihrer  Abreise  nach  New  York) 
ans  Bombitten,  Ostpreussen,  den  18.  September,  über 

Wohnhäuser  ohne  Schornstein  in  Pommern  und  Westprenssen. 

1.  Durch  Vermittelung  von  Frl.  M.  Hobus  (Schlawe)  erhielt  ich  die  Skizze 
eines  in  Jershöft  bei  Lanzig,  Kr.  Schlawe  in  Pommern,  gelegenen  sogenannten 
„Rauchhauses".  Dasselbe  ist  mit  Stroh  gedeckt  und  hat  Giebelverzierungcn  in 
Form  von  Pferdeköpfen,  „die  nach  aussen  sehen".  Das  (bereits  alte)  Haus  ist 
durch  einen  Flur  der  Länge  nach  in  zwei  ungleiche  Abtheilungen  getheilt;  in  der 
grösseren  befinden  sich  zwei  Stuben  und  zwischen  diesen  die  Küche;  in  der 
kleineren  ein  Paar  Kammern  und  ein  in  die  Wand  gefügter  Schrank.  In  der 
Küche  sind  zwei  in  die  Wand  gemauerte  Heerde  ohne  Schornstein ;  der  eine  Heerd 
ist  zum  Räuchern  der  Fische,  der  andere  zum  Kochen  bestimmt.  Von  dem  umher- 
ziehenden Rauche  sind  alle  Wände  und  Balken  dick  überzogen.  Die  Bewohner 
übernehmen  gegen  eine  kleine  Entschädigung  das  Räuchern  von  Fleisch  u.  s.  w., 
daher  ihnen  der  Rauch  besonders  schätzenswcrth  ist.  Ueber  den  Stuben  und 
Kammern  sind  Bodenräume,  die  nach  dem  Flur  zu  offen  geblieben. 

2.  Der  73jährige  Arbeiter  Bork owski  in  Bündken  bei  Saalfeld  (Ostpreussen) 
erzählte  mir  von  einem  in  der  Eibinger  Niederung  (Westprenssen)  vorhanden  ge- 
wesenen Wohnhause  ohne  eigentlichen  Schornstein.  Der  Boro wski  war  während 
seiner  Militärzeit  dort  einquartirt  gewesen.  Man  hatte  ihm  eine  Schlafstelle  auf 
dem  Dachboden  zugewiesen;  er  hatte  es  indess  vor  Rauch  dort  nicht  aushalten 
können:  der  Schornstein  über  dem  Heerde  reichte  nur  bis  zur  unteren  Balkenlage 
des  Dachbodens,  und  der  Rauch  wälzte  sich  von  dort  aus  unter  dem  Dache  hin 
und  her,  nur  mühsam  durch  seitliche  kleine  Oeffnungen  einigen  Abzug  ge- 
winnend. — 

(27)  Hr.  Bartels  überreicht  folgende  Notiz  über 

einen  neuen  Fall  von  Schwanzbildong  beim  Menschen. 

Der  Freundlichkeit  des  Hm.  Sanitätsrath  Dr.  Aschoff  verdanke  ich  die  Zu- 
sendung der  Nr.  168  des  Bataviaasch  Nieuwsblad  (vom  23.  Juni  1891),  worin  sich 
folgende  Angabe  findet:  „Im  Soloschen  hat  eine  der  Dcsa  Kalongas  (Bojolalie) 
zugehörige  eingeborene  Frau,  Namens  Mbok  Karte  di  Kromo  einen  Sohn  ge- 
boren mit  einem  Schwanz,  dessen  Länge  15  cm  beträgt."  Auch  Hr.  Jagor  machte 
mich  in  einem  Schreiben  (aus  Padang-pandjang,  Sumatra,  21.  Juli  1891)  auf  diesen 
Fall  aufmerksam:  „Dass  neulich  eine  hiesige  Zeitung  die  Geburt  eines  geschwänzten 
Menschen  in  Surakarta  meldete,  ist  Ihnen  ja  wohl  schon  vor  einigen  Wochen  mit- 
getheilt  worden.  Die  Herren  von  der  Bataviaasch  Genootschap  haben  mir  ver- 
sprochen, dafür  zu  sorgen,  dass  der  Fall  durch  dortige  Aerzte  genau  untersucht 
und  wo  möglich  durch  Photographie  fixirt  werde. ^ 

Wir  müssen  Hm.  Jagor  für  diese  Fürsorge  sehr  dankbar  sein  und  die  Herren 
in  Java  werden  hoffentlich  Genaueres  über  den  Knaben  hören  lassen.  — 

(28)  Hr.  Baron  v.  Alten  hat  Hm.  Virchow  mit  einem  herzlichen  Glück- 
wunschschreiben vom  10.  October  fUr  das  Trachten-Museum  ein  Geschenk  über- 
sendet, bestehend  in  einem 

hölzernen  Thürschloss  ans  dem  Harze. 

Dasselbe  ist  von  einem  Dorfschreiner  in  Barbis  aus  starkem  Buchenholz  angefertigt 


(726) 


worden  nach  dem  Vorbilde  derjenigen,  welche  noch  vielfach,  namentlich  an  Wirth- 
schalUgebäaden,  in  der  dortigen  Gegend  verwendet  werden. 

Das  Schloss   wird   geöff- 
Figm- 1.    V4  net,  indem  man  den  Schlüssel 

horizontal  hebt,  und  den 
Riegel,  welcher  nicht  ganz 
herausgenommen  werden  kann, 
hervorzieht. 

Schiebt  man  den  Ri^l 
wieder  hinein  und  lässt  den 
über  diesem  hineinzustecken- 
den Schlüssel  sinken,  so  ist 
das  Schloss  geschlossen,  und 
der  Schlüssel  kann  heraus- 
gezogen werden;  ist  das 
Schloss  geöffnet,  so  ist  dies 
nicht  der  Fall. 

Die  hintere  Seite  des 
Schlosses  ist  gleichsam  das 
Scheunen t hör,  an  dem  das- 
selbe befestigt  wird;  sie  kann 
unbeschadet,  mit  Vorsicht  ab- 
genommen werden. 

Kein  Schlüssel  passt  zo 
einem  zweiten  Schloss.  — 


Figur  2. 


Fig.  1  das  Schloss  von  der  Vorder-,  Fig.  2  von  der 
Rückseite.   S  der  Schlüssel,  R  der  Riegel,  a  und  b 
die   beiden    verschiebbaren   Hölzer   mit   den   vor- 
springenden Haken  a,  und  h,. 


Hr.  Virchow  dankt  dem 
freundlichen  Geber  und  bittet 
auch  andere  Freunde  der  volks- 
thümlichen  (Gebräuche  um  ähn- 
liche Zusendungen.  Er  selbst 
hat  auf  seiner  ägyptischen 
Reise    eine    Woche    lang  in 


einem  nubischen  Dorfe  verweilt,  wo  sein  Zimmer  mit  einem  ganz  ähnlichen 
Schlosse  versehen  war,  nur  dass  der  Schlüssel  einfachere  Form  zeigte  und  haupi- 
sächlich  durch  seine  Krümmung  sich  dem  Schlosse  anpasste.  — 

(29)  Hr.  Carl  Günther  schenkt  Photographien  der  ältesten  ägyp- 
tischen Bronzen  des  Berliner  Museums.  — 

(30)  Hr.  Buchholz  legt  neue  Erwerbungen  des  märkischen  Provinxitl- 
Museums  vor.    Der  Bericht  wird  in  Heft  VI  der  „Nachrichten*'  erscheinen.  — 

(31)  Hr.  Felix  v.  Luschan  zeigt 

sechs  Handragora-Wnrzeln. 

Der  Vortragende  hat  diese  Stücke  in  den  letzten  Jahren  in  Damascns, 
Constantinopel,  Mersina  und  Antiochia  erworben;  sie  haben  alle  die  Form  mensch- 
licher und  zwar  ausgesprochen  weiblicher  Figuren.  Eine  derselben,  die  «m 
Antiochia,  sieht  aus  wie  eine  Frau,  die  ein  Kind  in  den  Armen  hält  Wnnebi 
mit  männlichen   und    mit   mehreren  Figuren   sind    verhältnissmässig    selten;  ^^ 


(727) 
Mandragora- WnTieln. 


CONSTANTINOPE  L 


(728) 

letzteren  pflegen  meist  in  inniger  Umarmung  begriffen  zu  sein;   anch   männlicbe 
Figuren  tdlein  sind  manchmal  pb  allisch  dargestellt 

Die  Wurzeln  der  Mandragora-Pflanze  werden  heute  besonders  in  der  Nach- 
barschaft von  Mersina  und  von  Antiocbia  von  bestimmten  „Rfinstlem^  fast  gewerbs- 
mässig in  menschenähnliche  Form  gebracht.    Das  einfachste,  hierzu  angewandte 
Verfahren  besteht  darin,   die  frisch  ausgerissene   succulente  Wurzel    durch   tof- 
sichtiges   Schneiden   und   Drücken   umzuformen    und   dieselbe   gelegentlich   auch 
während  des  Austrocknens  noch  weiter  zu   beeinflussen.    Einige  der  Torgelegten 
Stücke  sind  einfach  in  dieser  Art  hergestellt.  —  Viel  bessere,  thatsächlich  höchst 
überraschende  Erfolge  werden  durch  ein  anderes  Verfahren  erreicht,  bei  dem  die 
lebende  Pflanze  sorgfältig  ausgegraben   und  die  Wurzel   dann   durch  ümwickelD 
von  Bindfäden,   durch  Spalten,   Einschneiden,   Aufritzen  und  Zusammenschnüren 
der  Art  vorbereitet  werden  soll,   dass  sie  zunächst  wieder  eingegraben  wird  und 
noch  durch  längere  Zeit  weiterwachsen  kann.    Erst  wenn  die  verschiedenen  Ver- 
letzungen gut  vernarbt  sind,  wird  die  Wurzel  wieder  ausgegraben,   und  wenn  sie 
dann  erst  einmal  ordentlich  geschrumpft  und  getrocknet  ist,   so  fällt  es  oft  sehr 
schwer,  die  künstlich  präparirten  Stellen  als  solche  zu  erkennen  und  nachzuweisen. 
Ein  geschickter  „Künstler^  wird  also  Alräunchen  herstellen,  die  ganz  unanfechtbar 
aussehen  und  deren  Aechtheit  auch  von  Niemand  im  Lande  bezweifelt  wird.    Soldie 
Alräunchen  sind  aber  nicht  nur  „sehr  selten  und  nur  unter  grösster  Lebensgefahr 
auszugraben^,  sondern  sie  bilden  auch  kostbare  und  werthvolle  Talismane.    Einige 
machen  ihren  Eigenthümer  hieb-,  stich-  und  kugelfest,  andere  wirken  als  unfehl- 
bare Aphrodisiaca,  und  andere  wieder  sollen  den  Träger  unsichtbar  machen;  fast 
alle  aber  zeigen  die  Stelle  an,  wo  unterirdische  Schätze  verborgen  sind  und  haben 
zugleich  die  ebenso  werthvolle  Eigenschaft,  die  Krankheit  eines  Menschen,  der  sie 
beständig  trägt,   in  sich  aufnehmen  zu  können;   gerade  hierin  aber  liegt  auch  die 
Schattenseite  und  die  Gefahr  der  Sache:  das  Wurzelmännchen  kann  die  Krankheit 
nehmlich  auch  auf  einen  neuen  Eigenthümer  übertragen  und  es  kann  durch  eigenes 
„Kranksein^  alle  früher  gerühmten  Eigenschaften  zeitweilig  oder  dauernd  verlieren. 

Die  vorgelegten  Stücke  sind  von  16  bis  zu  30  cm  lang;  grössere  dürften  selten 
vorkommen,  auch  kleinere  sind  selten,  doch  giebt  es  auch  solche,  die  kaum  die 
Länge  eines  Fingers  haben;  diese  gelten  als  besonders  werthvoll.  Völlig  nn- 
bearbeitete  Wurzeln  ohne  „Retouche^,  wie  sie  in  früheren  Jahrhunderten  in 
Europa  geschätzt  worden  zu  sein  scheinen,  werden  in  Syrien  heute  kaum  beachtet; 
auch  die  europäische  Sitte,  den  Wurzelmännchen  richtige  Kleider  anzuziehen, 
scheint  im  Oriente  nicht  bekannt  zu  sein. 

Der  türkische  Name  für  diese  Wurzel  ist  Adam-Kökü  (die  Menschenwunel), 
der  arabische:  Abdul-seläm  (Diener  des  Heiles);  in  der  Gegend  von  Antiocbia 
kommt  auch  die  Bezeichnung  Jabrüh-el-sanam  vor,  deren  Deutung  ich  Anderen 
überlassen  muss,  nicht  ohne  an  die  aramäische  Wurzel  brli  =  fliehen  zu  erinnern, 
ans  der  jabrüh  vielleicht  abuleiten  sein  könnte. 

Eine  eigenartige  und,  soviel  mir  bekannt  ist,  alleinstehende  Angabe  verdanke 
ich  Bedri  Effendi  vom  kaiserl.  Antiken  Museum  in  Constantinopel;  darnach  wäre 
die  Mandragora-Wurzel  ein  heftiges  Brechmittel  und  gelange  in  (3aben  von  nicht 
über  einem  halben  Dirhem  (=  1,5  g)  zur  Verwendung.  Er  theilt  mir  auch  den  Aus- 
druck lefah  für  unsere  Wurzel  mit,  der  ebenso  für  Persien  durch  Pollak  (IL  i^f) 
sichergestellt  ist  — 

Eine  Photographie  der  vorgelegten  Stücke  wird  der  anthropologischen  GetAV 
Schaft  überwiesen.  — 


(729) 

Hr.  Päd  Ascherson:  Mit  den  Mittheilangen  des  Hro.  v.  Luschan  über 
die  bei  der  Herstellung  der  Mandragoras-Alraune  *)  vorgenommenen  Manipulationen 
stimmen  die  Ermittelungen  meines  hochgeschätzten  Collegen  Dr.  G.  Volkens^) 
überein.  Derselbe  untersuchte  ein  Exemplar,  welches  der  seit  einer  Reihe  von 
Jahren  in  Diensten  des  Prof.  G.  Schweinfurth  stehende  Syrer  Tanüs  1889  in 
Port- Said  von  einem  Landsmanne  käuflich  erworben  hatte.  Volke ns  fand,  dass 
besonders  auf  den  quergerichteten  Einschnitten,  durch  welche  die  kleineren 
Rörpertheile,  wie  Augen,  Hände  und  Füsse  deutlich  hervortreten,  sich  die  durch- 
schnittenen Gefässbündel  ohne  Schwierigkeit  erkennen  lassen.  Dass  dieser  Ein- 
griff an  der  frisch  aus  der  Erde  genommenen  Wurzel  vorgenommen  ist,  und  dass 
das  Leben  noch  einige  Zeit  nach  demselben  fortdauerte,  geht  daraus  hervor,  dass 
die  Schnittflächen  oberflächlich  verkorkt  sind,  obwohl  es  zur  Bildung  von  eigent- 
lichem Wandkork  nicht  mehr  gekommen  ist.  Da  das  Gewebe  strotzend  mit  Stärke 
gefüllt  ist,  folgt  daraus,  dass  die  Herrichtung  der  Wurzel  nicht  in  die  Vegetations-, 
sondern  in  die  Ruhezeit  fiel,  also  vermuthlich  in  den  Hochsommer. 

Aus  Syrien  und  dem  südlichen  Rleinasien,  woher  wohl  alle  von  Hm. 
v.  Luschan  vorgelegten  Alraune,  auch  der  in  Constantinopel •)  angekaufte,  stammen, 
kannte  man  bisher  nur  den  im  Frühjahr  grünlichweiss  blühenden  Mandragoras 
ofßcinarum  L.  ex  p.  (M.  vemalis  Bert.)  In  Griechenland,  wo  ausserdem  noch 
mehrere   violett   blühende  Formen*)  vorkommen,   werden  vermuthlich   auch   aus 


1)  MnvSgayoQnqy  mandragoras  (m&nnl.)  ist  die  ausschliesslich  bei  den  Schriftstellem 
des  classischen  Ält^rthums  vorkommende  Form,  die  sich  nach  Th.  v.  Heldreich  noch 
heut  im  Neugriechischen  erhalten  hat;  mandragora  (weibl.)  findet  sich  erst  im  Mittelalter, 
und  sollte  daher  die  erstere  Namensform  auch  in  der  botanischen  Nomenclatur  wieder 
hergestellt  werden.  Aus  der  griechischen  Schreibweise  ergiebt  sich,  dass  der  Name 
Mandrigöras,  bezw.  Mandragora  zu  sprechen  ist,  nicht  wie  herkömmlich  Mandragora.  8o 
betont  auch  de  laMotteFouquö  in  seiner  1827  erschienenen  Novelle  „Mandragora**  den 
Namen,  auf  den  er  zweimal  „Flora^,  dann  „Aurora**  reimt.  Dies  ziemlich  schwache  Produkt 
(wie  viel  wirkungsvoller  hätte  nicht  A.  Th.  Hoff  mann,  auf  dessen  Spuren  der  Verfasser 
zu  wandeln  sich  bestrebt,  das  Thema  behandelt!)  ergab  übrigens  eine  unerwartet  geringe 
folkloristische  Ausbeute. 

Merkwürdig,  dass  die  beiden  gebräuchlichsten  Namen  des  uns  beschäftigenden  Gegen- 
standes in  ihrer  sprachgeschichtlichen  Entwickelung  ihr  Geschlecht  ausgetauscht  haben. 
Während  aus  dem  Mandragoras  die  Mandragora  wurde,  hat  sich  die  Alruna  zu  dem 
Alraun  umgestaltet! 

2)  Vergl.  Ascherson,  Verh.  Bot.  Ver.  Brandenb.  1890,  S.  XXXVH. 

8)  Auch  Geheimrath  Ferd.  Cohn  hat  dort  auf  dem  Mizre  Tscharchusi-Bazar  einen 
Alraun  (türk.  adam-tschotschi,  nach  Hm.  v.  Luschan  [S.  728]  vielmehr  adam-kökü),  er- 
standen (vergl.  68.  Jahresb.  d.  Schles.  Ges.  f.  Vaterl.  Cultur,  1890,  Breslau  1891,  S.  94). 

4)  Die  Frage  über  die  Artbegrenzung  derselben  ist  eine  vielfach  umstrittene,  in 
welcher  ich,  aus  Mangel  an  ausreichendem  Material,  darauf  verzichten  mnss,  Stellung  zu 
nehmen.  Die  Mehrzahl  der  Schriftsteller  über  die  Flora  Süd-Europas  nimmt  nur  eine 
violettblühende  Art  an,  die  sie  als  M.  auctumnalis  Bert,  [bei  Sprengel]  (M.  officinarum 
Sibth.  et  Sm.,  Bertol.  Conmi.  de  Mandr.)  bezeichnen.  Bertoloni  trennte  von  dieser,  meist 
im  Herbst  (selten  noch  einmal  im  Frühjahr)  blühenden  Art  eine  zweite  aus  Sardinien, 
M.  microcarpa  ab,  die  Th.  v.  Heldreich,  welcher  neuerdings  in  den  Mitth.  des  botan. 
Vereins  für  Gesammt- Thüringen  IV.  (1886),  S.  75 — 80  eine  monographische  Skizze  der 
Gattung  veröffentlichte,  auch  in  Griechenland  angiebt.  Ausserdem  unterscheidet  Held- 
reich  noch  eine  im  Frühjahr  blühende,  bisher  nur  bei  Korinth  gefundene  Form  als  M. 
Hanssknechtii,  die  dort  auch  mit  M.  vemalis  einen  Bastard  (M.  hjbridus  Hausskn.  et 
Heldr.)  bildet  In  einem  mir  kürzlich  von  der  Baseler  Mission  zur  Bestimmung  über- 
sandten Herbar  ans  Pal&stina  findet  sich  ein  violett  blühender  Mandragoras,  für  dessen 


(730) 

letzteren  Alraune  hergestellt,  da,  wie  Th.  v.  Heldreieh  (Die  Nutzpflanzen  Griechen- 
lands, Athen  1862,  S.  36)  mittheilt,  ^der  sehr  dicken,  oft;  zwei  Schah  langen 
Wurzel  [wohl  sämmtlicher  Formen],  die  verschiedenartig  sich  verästebid,  zuweilen 
eine  überraschende  Aehnlichkeit  mit  der  Gestalt  des  menschlichen  Körpers  zeigt, 
auch  jetzt  noch  allerlei  Zauberkräfte  zugeschrieben  werden." 

A.  V.  Perger,  der  fleissige  und  gemüthyolle  Sammler  des  Pflanzen-Folklore*) 
und  Ferdinand  Cohn,  welcher  bei  seinen  eingehenden  und  anregenden  Stadien 
zur  Pflanzen -Geschichte  dem  Mandragoras  besondere  Aufmerksamkeit  geschenkt 
hat  (a.  a.  0.,  S.  285 — 293),  wiesen  auf  den  polyphyletischen  Ursprung  des  Kreises 
von  Sagen  und  Wahnvorstellungen  hin,  die  sich  seit  der  römischen  Kaiser-  und 
der  byzantinischen  Zeit  an  diese  Pflanze  knüpfen.  Weder  die  altgermanischen  Al- 
raunen, „zuerst  weise,  allwissende,  weissagende,  zauberspruchkundige  Frauen'), 
dann  böse  Dämonen  und  zuletzt  Zauberwurzeln  in  Menschengestalt",  noch  die 
fabelhafte,  zuerst  von  Flavius  Josephus*)  erwähnte  syrische  Wurzel  Ba'aras,  Ba'ar 

genauere  Bestimmung  reichlicheres  Material  abzuwarten  ist  Eine  wissenschaftlich  noch 
nicht  festgestellt«  Art  traf  Prof.  K.  Uaussknecht  in  Persien  (8.  787).  Endlich  findet  sich 
eine,  wie  der  Artname  beweist,  in  der  Tracht  recht  verschiedene  Art,  M.  caulescens 
Clarke  (Anisodus  humilis  Hook.  fiL  ms.),  im  östlichen  Himalaja.  Schon  die  Alten  unter- 
schieden übrigens  den  robusteren  M.  vemalis  als  m&nnlichen  oder  weissen  Mandragon« 
von  den  gracileren,  riolett  blühenden  Formen,  die  sie  als  weiblichen  oder  schwarxen  be- 
zeichneten (vergl.  Dioskorides,  Mat.  med.  IV.,  76;  Plinius,  Nat  Hist.  Lib.  XXY., 
Cap.  Xlir,  Sect.  94;  Th.  v.  Heldreich,  a.  a.  0.,  S.  75,  und  F.  Cohn,  66.  Jahresbericht 
Schles.  Ges.  Breslau  [1888],  S.  287,  nach  dessen  Mittheilnngen  diese  beiden  Formen  in 
den  Abbildungen  des  in  der  Wiener  Hofbibliothek  aufbewahrten  Codex  Neapolitanus  des 
Dioskorides  deutlich  zu  erkennen  sind.) 

1)  Ueber  den  Ahraun,  Verhandl.  d.  zool.-bot  Vereins  in  Wien,  VI.  (1856),  S.  721,  724 
und  Berichte  und  Mittheilungen  des  Alterthums- Vereins  zn  Wien,  Bd.  V  (1861),  S.  259-269. 
Vergl.  auch  F.  Unger  in  Sitznngsber.  der  k.  k.  Akad.  d.  Wiss.  z.  Wien,  XXTTTT,  (1858), 
S.  312—816. 

2)  Noch  in  einem  Nürnberger  Schwank  aus  der  zweiten  HAlfte  des  15.  Jahrhunderts 
wird  die  „Alraune**  als  eine  Göttin  oder  Zauberin  angerufen.  Vergl.  J.  Trojan  in 
National-Zeitung  vom  22.  Januar  1892.    Morgen- Ausgabe,  1.  Beiblatt 

3)  Bellum  Judaicum  VII,  6,  3:  Tfjg  tpdQuyyog  J^  ifje  xata  iit>  agnrof  rtfguj^ot^i^i 
^itf  noliy  [sc.  AlaxfiQOVfra]  Bangag  ovofAa^tial  itg  tonog^  q)vn  n  Q(iat>  o^vrvpffg  li^ 
yofjiivriv  avtty.  aviri  q>Xoyl  filv  tt^y  XQOiay  locxc,  mgl  ök  tag  kaniqag  a4lag  anaüT^ajtt9V09 
roig  intovat  xai  ßovXofiiyoig  laßiiy  avrtjy  ovx  Saiiy  tv^ifgaftog,  all*  vftoqtiCyu^  nmX  o» 
ngortgoy  ^araiai  ngly  ay  ng  ovgay  yvyaixog  rj  ro  ifA^^yoy  olfAu  x^ff  xat  avtijg  ov  ^ify 
ulkä  Mal  voTC  toig  aipajuiyoig  ngoörilog  (aii  ^nratog,  (t  ft^  ^v^ot  ug  adt^r  ixtirfi» 
(fttytyxttfifyog  jfiy  ^fCay  ix  t^g  /€fp6(  anfiQjtjiLi^yrjy,  aXiaxtiat  ^k  xal  xad^  htQöP  iQoaop 
axtySvytog,  oc  foii  loioaSe»  xvxX^  naauy  avifjy  mgtogvaaovaiy^  wg  ^yat  to  xgvnnofttyoy 
trjg  ^^C^s  ßgaxvrajoyy  iW*  i^  avtrjg  nno^ovai  xvya,  xaxtfyov  f^j  Sijaayrt  avrttxülov9tty 
oQfAriaoyioi  ij  ^ky  nyaonnim  ^t^iioig^  dyijaxtt  6''iv&ifg  6  xvuy  taantg  ortiJo9tU  i^ 
fi^Xloytog  itjy  ßotayriy  ityatQtjataOaf  (/6/fo(  yag  ovSiig  lotg  fitia  lavwa  Xmfißayovötr» 
iati  ^k  jutta  joaovtaty  xiydvytoy  ^la  jn(ay  fa^t/y  nigianoC^aarog'  ta  yuQ  naXoCftttm  «f«- 
fioyia  (tavia  Sk  noyfiQtiy  iaily  dy9gto7it}y  nyufAata)  lotg  Caioiy  iMvofifya  xnl  vTf/r«rf« 
ro(/c  ßotiiPi(ag  firj  ivyxdyoyxaty  aviff  lax^^i  i^tXavyti,  xay  ngoa^yyix^i  fnoy^y  tds  y9öov6t, 
fiovai  6t  xal  ^iQfi(oy  vddttay  n^yal  xatd  tby  lonoy  ....  Diese  im  Altertbum  Kallirrbof 
genannten  Thermalquellen  sprudeln  noch  heut  unfern  der  Mündung  des  Wadi  Z«rka  MÜn 
in's  Todte  Meer,  welches  Thal  die  Hochfläche  im  Norden  umgiebt,  auf  der  die  noch  heate 
Mukaur  genannte  Trümmerstfttte  des  alten  Machaerüs  gelegen  ist  (vergl.  Kersten  ia  Zeit- 
schrift des  Deutschen  Palftstina-Vereins ,  IL,  1879,  8.  208 IT.).  Der  fabelhafte  Bericht  das 
Josephus  kehrt  offenbar  in  den  späteren  Traditionen  über  die  lebeni^AhrÜcbe  Ge- 
winnung der  Alraunwurzel  (vgl.  S.  743)  wieder,  obwohl  noch  manche  spätere  Züge  fehlen. 


(731) 

oder  Bataritis,  die  an  einer  genau  angegebenen,  auch  heut  noch  wohl  bekannten 
Stelle  an  der  Ostseite  des  Todten  Meeres  wächst,    „ihren  Ort  wechselt  und  nur 

namentlich  der  dem  Hörer  tödtliche  Schrei,  den  die  Wurzel  ausstösst,  wenn  sie  aus  der 
Erde  gerissen  wird.  Indess  wird  auch  dieser  Zug  wohl  orientalischer  Sage,  wenn  auch 
wieder  einer  anderen  Quelle,  entstammen,  obwohl  allerdings  erst  im  Mittelalter  zwei 
arabische  Schriftsteller,  Ihn  el  Awwäm  und  Ihn  Baithär  (nach  Low  Aramäische 
Pflaniennameu,  Leipzig  1881,  S.  239),  von  einer  Pflanze  Lüf  oder  Ssabat  berichten,  jeden- 
falls der  Gattung  Arum  oder  einer  verwandten  angehörig,  die  „zu  Pfingsten  schreit;  wer 
sie  hört,  stirbt  im  selben  Jahre''.  Sie  wird  daher  auch  es-ssarächa,  „die  Schreiende^ 
genannt  Fast  gleichzeitig  mit  Josephus  berichtet  Plinins  (Lib.  XXX,  Cap.  I,  sect  6), 
allerdings  unter  Spott  und  Unglauben,  dass  ihm  als  jungem  Manne  der  Grammatiker 
Apion  Ton  einer  Pflanze  Cynocephalia  (in  Aegypten  Osiritos  genannt)  erzfthlt  habe:  „si 
tota  erueretur,  statim  eum  qui  eruisset  mori.^  Der  Name  lässt  vielleicht  schon  auf  die 
Mitwirkung  eines  Hundes  schliessen.  Dagegen  schliesst  sich  anf^s  engste  an  Josephus 
die  Wundennftre  des  Aelianus  an,  der  in  Nat  Anim.  XIY,  27,  allerdings  ohne  Fund- 
ortsbezeichnung, von  der  Erwerbung  einer  Heilpflanze  gegen  Epilepsie  und  Augenkrank- 
heiten berichtet:  ^OrofJia  q)vrov  Mvt^oanaatot  (xalHtm  ^k  oqo  xa\  ayXaoqiürii  i)  avir}' 
ßovlofiai  yaQ  ixiiaat  ;)fo/oc  V7iouvfi9t>s)  o  fit&^  fffii^av  filv  fy  tote  alXoig  Sialilfi^tVj 
*tt\  ovx  Iffr«  navv  avt^oitoy,  rvxftüQ  Jk  fx(pa(yiiai  xal  ifutnQinii  tos  aat^Q'  (ployiodfig 
yaQ  ioji  xal  foixi  TtvQl,  Ovxovv  ati/Attoy  rt  tai(  QfCoig  naQttnr^^ayin  avini  ttnttlldtToyfai, 
ovte  trjy  XQOt*  f/oytts  uf&^  i^fAigay^  *' iW?  rovjo  ^Qaaany,  ßiyfi/aoyfvaai^  ovrt  fitjy  ro  ilöoi,*^ 
Folgt  nun  die  Manipulation  vermittelst  des  Hundes,  wie  bei  Josephus,  nur  dass  derselbe 
nicht  an  die  Wurzel,  sondern  an  den  unteren  Theil  des  Stengels  angebunden  und  durch 
vorgeworfenen  Brateu  zu  der  Bewegung,  die  das  ihm  tödtliche  Ausreissen  der  Pflanze  be- 
wirkt, verlockt  wird.  Diese  Zanberoperation  geschah,  wie  schon  aus  Obigem  hervorgeht, 
abweichend  von  den  mittelalterlichen  Traditionen,  bei  Tage;  es  heisst  auch  ausdrücklich: 
„fnay  61  o  t^lioq  tSri  rag  ^/^ac,  u  xCtity  ano&yriaxtt  naga/Q^^a.  Saniovat  ^fj  iy  avr^ 
tigi  X^Q^V  ovToy,  xal  ttyag  ^gäaayttg  dnogrjjovg  ItQOVQyfag  xal  iifA^oaytti  tov  xvybg  toy 
yixgoy  vnkg  avtoy  itSyiimog.*^  Auch  noch  spätere  byzantinische  Schriftsteller,  Zonaras 
(Ann.  VI,  p.  d08)  und  Phjkas  (Ann.  III,  p.  278)  erwähnen  die  Pflanze  Bnag  oder  die 
QiC«  Baiagtits  17  q>koyot(6fii  (flammae  similis)**.  Seetzen  IY,  p.  379,  nach  Low  a  a.  0., 
S.  188.  Der  Name  Aglaophotis  kommt  in  der  antiken  Pflanzen-Nomenclatur  mehrmals  vor. 
Bei  Plinius  (Lib.  XXIV,  Cap.  XYII,  sect  102)  ist  sie  eines  der  Zauberkräuter  des  Demo- 
kritos;  bei  Hermes  Trismegistos  das  Kraut  des  Mondes  (nachE.  Mejer,  Geschichte  der 
Botanik  II.,  Königsberg  1855,  S.  344.  Ob  mit  der  Pflanze  des  Aelian  Paeonia  (welche  bei 
Dioskorides  und  Apulejus  auch  Aglaophotis  genannt  wird)  und  von  der  schon  Theophrast 
(Hist.  plant  IX,  8,  6)  das  Märchen  der  Wurzelgräber  berichtet,  dass  der  Specht  sie  be- 
wache und  dem  sie  Sammelnden  die  Augen  auszuhacken  suche,  oder  wie  Andere  wollen, 
der  sndeuropäische,  lebhaft  phosphorescirende  Hutpilz  Agaricus  (Pleurotus)  olearius  DC. 
(über  welche  Erscheinung  Tulasne,  Ann.  des  sc.  nat.  YII,  ser.  t.  IX  [1848],  p.  888—362 
ausführlich  berichtet)  gemeint  ist,  lasse  ich  dahingestellt.  Im  Sinne  v.  Perger's  (Pflanzen- 
sagen, 1864,  S.  71fr.)  gehören  die  erwähnten  Pflanzen  zu  den  „ungenannten*',  da  Baaras 
oder  Bataritis  nur  von  dem  Fundorte,  Aglaophotis  (Glanzlicht)  von  der  Eigenschaft  des 
nächtlichen  Leuchtens,  Kjnospastos  (vom  Hunde  ausgerissen)  von  der  Art  der  Gewinnung 
abgeleitet  ist.  Das  „Kömlein  Wahrheit**,  das  nach  dem  Ausdruck  des  geistreichen  Yolks- 
märchenerzählers  Mus  aus  vielleicht  auch  in  diesem  «Yolksgerede^  verborgen  sein  mag, 
zu  ermitteln,  ist  in  diesem  Falle  wohl  wenig  Aussicht  Jedenfalls  fiel  es  weder  Aelianus, 
noch  Josephus  ein,  die  fabelhafte  Pflanze  mit  dem.  Beiden  zweifellos  wohlbekannten 
Mandragoras  zu  identificiren.  Eher  dürfte  die  von  Josephus  an  einer  anderen  Stelle 
(Antiquitates  Judaicae  YIII,  2,  5)  erwähnte  Zauberwurzel,  welche  in  dem  Siegelringe 
Salomo's  eingeschlossen  war,  mit  dem  Baaras  identisch  sein.  Ein  Bekannter  des  Josephus, 
der,  wie  nicht  weniger  als  22  andere,  in  dessen  Schriften  vorkommende  Personen,  den 
Namen  'EltdCagog  {jittCagoq  des  neuen  Testaments)  führte,  trieb  in  Gegenwart  des 
Yespasianus  und  Titus  durch  den  Geruch  dieser  Wurzel  aus  zahlreichen  Besessenen  den 


(732) 

durch  gewisse  unästhetische  Mittel  in  der  Erde  festgehalten  wird,  des  Nachts  wie 
ein  Stern  leuchtet  und  nur  durch  einen  Hund  aus  der  Erde  gezogen  werden  darf, 
welcher  dabei  sein  Leben  verliert,  während  die  ausgerissene  Wurzel  ohne  Gefahr 
berührt  werden  kann",  hatten  ursprünglich  etwas  mit  der  Arznei-  und  Zauberpflanze 
Mandragoras,  deren  Kräfte  zum  Theil  seit  uralten  Zeiten  berühmt  waren,  zu  thun. 
Die  schlafmachende  Wirkung')  dieser  Pflanze  war  schon  im  Alterthum  sprüch- 
wörtlich, und  auch  noch,  worauf  den  Vortr.  Hr.  Dr.  Franz  Moewes  aufmerksam 
machte,  zu  Shakespeare's  Zeit  wohlbekannt,  wie  Stellen  aus  zweien  seiner  be- 


Teufel aus  und  bannte  ihn  durch  Salomonische  Beschwörungsformeln.  Der  deutsche  Ant 
Johann  Weyer  (lateinisch  Wierus,  französisch  Wier,  der,  ein  wackerer  Vorkämpfer 
der  Humanität  und  des  gesunden  Menschenverstandes,  als  einer  der  Ersten  gegen  die 
Hexenprocesse  auftrat)  zeigt  sich  seiner  Zeit  auch  hier  voraus,  indem  er  (Von  Yeneabe- 
rangen  u.  s.w.,  Basel  1565,  S.  883)  diesen  Bericht  in  folgender  derber  Aeussenmg  ver- 
spottet: „Hierzu  können  wir  nicht  änderst  sagen,  das  die  drej  alle  zumal,  Josephns 
n&mlich  als  ein  Jud,  Vespasianus  als  ein  Hejd,  vnd  Eleazarus  der  Hebreer,  von  dem 
Teuifel  gefatzet  und  vmbgetrieben  sejen  worden.**  Derselbe  sei  nehmlich  freiwillig  ent- 
wichen, „damit  vnnd  das  er  die  Leute  desto  lustigkUcher  betriege*'.  Ich  verdanke  diese 
und  noch  einige  andere  Stellen  aus  der  deutschen  Zauberliteratur  der  Güte  des  Hm. 
R.  Beyer,  der  schon  vor  Jahren  eingehende  (weiter  unten  zum  Theil  wiedergegebene) 
Studien  über  die  Alraune  und  Verwandtes  gemacht  hat. 

Erst  gegen  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  erscheint  der  unglückliche  Hund,  mit 
dessen  Leben  der  Besitz  der  Zauberwurzel  erkauft  wird,  an  hervorragender  Stelle  in  Ver- 
bindung mit  dem  Mandragoras.  Auf  einem  der,  dem  gleichfalls  in  der  k.  k.  Hof  bibliothek 
in  Wien  aufbewahrten  Codex  Byzantinns  des  Dioskorides  vorgehefteten  Bilder  erscheist 
Dioskorides  „in  weissem  Professorentalar  auf  der  goldenen  Cathedra  sitzend,  wührend  die 
wissenschaftliche  Forschung  (Heuresis)  mit  der  einen  Hand  ihm  die  Mandragora-Pflanze 
überreicht,  in  der  andern  an  einem  Strick  den  erdrosselten  Hund  hält,  der  die  Wnnel 
aus  der  Erde  gezogen.  Auf  einem  zweiten  Bilde  erläutert  die  Heuresis  dem  vor  der 
Staffelei  stehenden  Maler  die  Mandragora,  die  dieser  auf  eine  goldgerahmte  weisse  Tafel 
abzeichnef*  (P.  Cohn  a.  a.  0.,  S.  286). 

Nach  Th.  v.  Heldreich  (Nutzpfl.  Griechenl.,  S.  86  u.  37)  glaubt  das  Volk  in  Griechen- 
land noch  heute,  „dass  deijenige  sterben  muss,  der  die  [Mandragoras-] Wnnel  ganz  bis 
an's  Ende  ausgräbt,  daher  man  sie  nur  mit  Hülfe  eines  Hundes,  der  an  das  Obertheü  der 
Wurzel  gebunden  wird,  ausziehen  soll!** 

1)  Znr  Hervormfnng  dieser  Wirkungen  bedurfte  es  angeblich  nicht  einmal  des  Ge- 
nusses der  Pflanze:  schon  den  Ausdünstungen  wurde  diese  Wirkung  zugeschrieben.  Von 
den  Früchten  sagt  Plinius  (1.  c):  „gravedinem  adferunt  etiam  olfactu;  quamquam  mala 
in  aliquibus  terris  manduntur,  nimio  tarnen  odore  obmutescunt  ignari.**  Unger  (a.  a.  0., 
S.  306)  versteht  unter  gravedo,  sicher  mit  Unrecht,  „Schwangerschaft",  während  die«  Wort 
offenbar  „Schwere  des  Kopfes'  heissen  soll  (als  ein  Mittel  dagegen  wird  von  Pliniu§  [Lib.  XIX, 
Cap.  IV,  sect  11]  empfohlen,  die  Nase  eines  Maulthiers  zn  küssen!)  Als  Anästheticnro  ror 
Operationen  wurde  für  einzelne  Patienten  schon  den  Ausdünstungen  dieselbe  Wirkung  zu* 
geschrieben,  die  wir  von  Aether  und  Chloroform  kennen:  „Ob  haec  satis  est  aliquibus 
somnum  odore  quaesisse"  (Plinius  XXV);  vermuthlich  auch  (1.  c.)  die  Vorschrift:  „effo«san 
cavent  contrarium  ventum,  die  allerdings  mit  der  folgenden,  von  Theophrast  ;8.  uiteo 
S.  734)  übernommenen  unter  Umständen  collidiren  könnte:  „postea  (nach  der  noch  zu  er- 
wähnenden dreimaligen  Umkreisung  mit  dem  Schwerte)  fodinnt  ad  occasum  spectaates.* 
Auch  aus  neuerer  Zeit  ist  übrigens,  worauf  mich  gleichfalls  Hr.  Beyer  aufmerksam 
macht,  diese  Wirkung  bezeugt  Es  findet  sich  in  Boyle's  de  natura  detarmioata  efflu- 
viorum  (Opera  varia  1680,  p.  37)  folgende  Stelle:  „Scriptores  de  Venenis  roemonstt 
Mandragorae  radicem  et  succum  Sopori  lethargico  haurientes  dare.  Et  qnamqtiiD 
ejusdem  plantae  poma  multo  minus  noxia  habeantur,  Levinus  Lemnius  (in  Eipli- 
caüonibus  Herbarum  Biblicamm  c.  2,  tamen  narrat,  so,   cum  in  Musaeo  soo  qoardan 


i 


(733) 

rühmtesteD  Dramen  beweisen.    In  Anthony  and  Cleopatra,  ActI,  Scene  V,    sagt 

Cleopatra: 

Give  me  to  drink  mandragora .... 

That  I  might  sleep  out  this  great  gap  of  timc, 

nehmlieh  bis  zu  der  Hückkehr  ihres  Geliebten  Antonius,  und  in  Othello,  Act  III, 

Scene  III,  sagt  Jago,   nachdem  er  dem  Mohren   den  tödtlichen  Verdacht  gegen 

Desdemona  eingeflösst:     v 

.  ...  Not  poppj,  Dor  mandragora 

Nor  all  the  drowsy  sirups  of  the  world 

Shall  ever  medicine  thee  to  that  sweet  sleep 

Which  thou  owedst  yesterday*). 

Dieser  schlafmachenden,  bezw.  betäubenden  Wirkung  des  Mandragoras  soll  man 
sich  im  Alterthum  sogar  im  Kriege  bedient  haben.  So  erzählt  Sextus  lulius 
Frontinus  (Strategematicon  Lib.  II,  Cap.  V,  12):  „Maharbal^),  missus  a  Cartha- 
giniensibus  adrersus  Airos  rebellantes,  cum  sciret  gentem  avidam  esse  yini,  magnum 
ejus  modum  mandragora  permiscuit,  cujus  inter  venenum  et  soporem  media  vis 
est  Tunc  proelio  levi  commisso  ex  industria  cessit:  nocte  deinde  intempesta,  re- 
lictis  intra  castra  quibusdam  sarcinis  et  omni  vino  infecto,  fugam  simulant: 
cumque  barbari,  occupatis  castris  in  gaudium  effusi,  medicatum  ande  merum 
hausissent  et  in  modum  defunctorum  [dead  drunk  sagt  der  Engländer  bezeichnend!] 
strati  iacerent,  re?ersus  aut  cepit  eos  aut  trucidavit.^    Denselben  Kunstgriff  soll  nach 

Mandragorae  poma  reposnisset,  halitibns  eomm  adeo  redditum  fuisse  somnolentom,  ut  viz 
excutere  soporem  posset;  remotis  Tero  pomis  alacritatem  pristinam  rccnperasse.** 

1)  Auch  der  Schrei  der  Alraunwurzel  wird  von  dem  grossen  britischen  Dramatiker 
zweimal  erwähnt,  worauf  mich  gleichfalls  Dr.  Moewes  aufmerksam  macht«;  allerdings 
bringt  er  an  der  ersten  Stelle  bei  ihm  (wie  in  der  oben  erwähnten  Fou quatschen  Novelle) 
nicht  Tod,  sondern  Wahnsinn.  In  Bomeo  and  Juliet  (Act  IV,  Scene  III)  sagt  Julia,  sie 
furchte,  zu  früh  in  den  Schauem  des  Grabgewölbes  zu  erwachen,  und  nennt  nnter  diesen: 

....  shrieks  like  mandrake^s  tom  out  of  the  earth, 

That  living  mortals,  hearing  them,  run  mad. 
An  der  zweiten  Stelle,  an  der  Suffolk  in  King  Henry  VI,  Part  II,  Act  III,  Scene  11,  der 
Königin  zuruft: 

Would  curses  kill,  as  doth  the  mandrake's  groan, 
wird  ihm,  wie  gewöbnhch,  tödtliche  Wu-kung  zugeschrieben.  Die  Ah-aunwurzel  wird  femer 
an  zwei  Stellen  in  King  Henry  lY,  Part  11,  als  Yergleichsobject  mit  einem  kleinen  und 
mageren  Menschen  gebraucht:  Act  I,  Scene  II  nennt  Falstaff  seinen  kleinen  Pagen 
^whoreson  mandrake*'  und  Act  III,  Scene  II  sagt  er,  dass  der  Friedensrichter  Shallow 
in  seiner  Jugend  in  liederlicher  Gesellschaft  „mandrake"  genannt  ¥nirde;  der  dort  hinzu- 
gefügte Vergleich:  „when  he  was  naked,  he  was like  a  forked  radish  with  a  head 

fantastically  carved  upon  it  with  a  knife,''  sieht  wie  eine  scherzhafte  Anweisung  zur 
Herstellung  eines  Alrauns  aus.  Jedenfalls  sagt  B.  Sigismund  in  seinem  lesenswerthen, 
auf  eigene  Quellenstudien  beruhenden  Aufsätze:  „Die  Pflanze  als  Zaubermittel"  (Mitth.  d. 
Botan.  Vereins  für  Gesammt-Thüringen,  III.  [1889],  S.  290-302)  mit  Recht,  dass  aus 
diesen  wiederholten  Erwähnungen  sich  schliessen  lasse,  dass  Alraune  zur  Zeit  des  Dichters 
allgemein  gebräuchlich  und  bekannt  waren.  Bemerkenswerth  ist,  dass  für  die  Arznei 
(mandragora)  und  die  Zauberwurzel  (mandrake)  verschiedene  Namen  gebraucht  werden. 
Dass  das  letztere  nur  eine  „volksetymologisirende^  Verstümmelung  des  ersten  ist,  liegt 
auf  der  Hand. 

2)  „Nach  berühmten  Mustern**  wurden  für  diesen  wenig  bekannten  Namen  bei  Citaten 
öfters  berühmtere  gesetzt.  Schon  der  noch  nicht  ein  Jahrhundert  später  schreibende 
Polyainos  (Strategika  V,  10,  1)  erzählt  dieselbe  Geschichte,  nennt  den  punischen  Feld- 
herm  aber  Himilko;  Brandt  und  Ratzeburg  (Deutschlands  Giftgewächse  I.,  Berlin  1884, 
S.  79)  haben  Hannibal,  A.  v.  Perger  (üeber  d.  Alraun  a.  a.  0.,  S.  264)  Hamilkar. 


(734) 

PolyainosO  (Strategika,  Buch  VIII,  Cap.  23,  1),  der  jonge  Caesar  angewendet 
haben,  als  er,  wie  bekannt,  auf  einer  Reise  nach  dem  Orient,  unweit  des  Vor- 
gebirges Malea,  in  die  Hände  kilikischer  Seeräuber  gefallen  war.  Er  Hess  mit 
dem  verlangten  Lösegelde  auch  einen  Vorrath  mit  Mandragoras  vergifteten  Weines 
aus  Milet  kommen,  mit  dem  er  die  Räuber,  mit  denen  er  während  seiner  Haft 
ziemlich  freundschaftlich  verkehrt  zu  haben  scheint  (Caesar  inter  piratasl),  be- 
wirthete.  In  ihrer  Narkose  Hess  er  sie  sodann  ergreifen  und  gab  das  Lösegeld 
den  Milesiem  wieder. 

Eine  ähnliche  „Kriegslist"  wird  übrigens  auch  aus  dem  Mittelalter,  sowie, 
gleichfalls  von  nordafrikanischem  Boden,  aus  der  neuesten  Zeit  berichtet,  wobei 
indess  andere  narkotische  Solanaceen  benutzt  wurden.  Der  letztere  Fall,  die  Ver- 
nichtung der  französischen  Expedition  Flatters  in  der  stldlichen  Sahara  nach 
vorangegangener  Vergiftung  mittelst  Hyoscyamus  Falezlez  Coss.,  welches  Gift  den 
halbverhungerten  Opfern  in  trüglich  dai^ebotenen  (gequetschten)  Datteln  bei- 
gebracht wurde,  ist  noch  in  frischer  Erinnerung.  Die  mittelalterliche  Erzählung, 
in  welcher  Atropa  Belladonna  L.  als  das  angewendete  Gift  genannt  wird,  habe 
ich  nach  George  Buchanan  (Rerum  Scoticarum  Historia.  Ultrajecti  1668 
p.  204)  vor  einigen  Jahren  (Sitzungsber.  Ges.  Naturf.  Freunde.  Berlin  1890, 
S.  75 — 76)  in  extenso  mitgetheilt.  Sie  hat  durch  die  handelnden  Personen,  den  ans 
Shakcpeare's  Macbeth  bekannten  König  Duncan  von  Schottland  und  seinen  Feld- 
herrn Bancho,  ein  besonderes  Interesse.  Dieselben  werden  von  dem  (auch  bei 
Shakespeare  Act  I,  Scene  11,  erwähnten)  norwegischen  König  Svend  in  der  Haupt- 
stadt Perth  belagert.  Um  fUr  den  Entsatz  durch  den  heranrückenden  Macbeth 
Zeit  zu  gewinnen,  lassen  sie  sich  scheinbar  in  Verhandlungen  mit  den  Belagerern 
ein,  die  durch  Lieferung  von  Lebensmitteln  und  vergiftetem  Wein  und  Bier  be- 
siegelt werden.  Die  arglosen,  an  Speise  und  besonders  an  Getränk  Mangel 
leidenden  Norweger  sprechen  letzterem  unmässig  zu  und  werden  in  ihrer  Atropin- 
narkose  grösstentheils  niedergehauen,  bis  auf  wenige,  denen  es  indess  gelingt,  den 
bewusstlosen  König  auf  die  Schifte  zu  retten.  Obwohl  die  genannten  Personen 
der  Geschichte  angehören,  ist  der  ganze  Bericht  doch  sagenhaft. 

Weniger  beglaubigt,  als  die  hypnotischen  Eigenschaften  der  Mandragora,  aber 
in  folkloristischer  Beziehung  ungleich  bedeutsamer,  sind  die  erotischen'). 

1)  Brandt  und  Ratze  bürg  (a.  a.  0.)  citiren  als  Gew&hrsmann  dieser  wohl  apokryphes 
Erzählung  „Frontinus,  Strategem.,  L.  Vni"(!!);  die  Strategematica  dieses  Schriftst^en 
haben  aber  nur  vier  Bücher.  Wie  viel  Zeitverlust  durch  solche  unrichtigen  Citate  ret- 
anlasst  wird,  hat  wohl  jeder  mit  derartigen  Arbeiten  Befasste  erfahren!  Auf  die  Spar 
des  richtigen  Autors  brachte  mich  mein  Bruder  Ferdinand,  dem  ich  überiiaopt  f&r 
Förderung  meiner  Literaturstudien  vielfachen  Dank  schulde. 

2)  Erwähnen  doch  die  Alten  eine  Aphrodite  Mandragroritis  (allerdings  auch  einen  Zens 
Mandragoras).  Auf  aphrodisische  Wirkungen  deuten  auch  schon  die  wunderlichen  Ore- 
monien,  unter  denen,  wie  Theophrastos  (Eist,  plant  IX,  8,  8)  berichtet,  der  dies^lbea 
allerdings  als  thuricht  und  betrügerisch  bezeichnet»  die  griechischen  Wnnelgrftber  sich 
in  den  Besitz  der  Mandragoras- Wurzel  setzten:  y,negtyQag)iiy  Sk  xal  rov  fiarSgayo^r  </c 
tQlg  ^((fti^  tifivay  6k  n^oq  ian^Qau  ßlinorta.  jor  «T  htQOv  xvxltfi  ntgtogx**^^^  *^^ 
liyu¥  toi  Tilfiara  nsgl  aq>Qoö%a(t»y.'^  Es  muss  zwar  bemerkt  werden,  dass,  woraaf  scboa 
Anguillara  (Sempl.,  Yenet  1561,  p.  90,  nach  Sprengel),  nach  ihm  Caspar  Banhin 
{Wvai  theatri  botanicj,  Basil.  1671,  p.  169),  C.  Sprengel,  Theophrasfs  Katnrg.  A^  (^ 
wachse  [1822],  IL,  S.  224),  Brandt  und  Ratzeburg  (a.a.O.,  S.  77)  und  znletit  Th. 
V.  Heldreich  (Mitth.  d.  Bot  Ter.  f.  G.-Thür.,  IV.,  S.  76,  76)  hinwiesen,  der  von  Tlwo- 
phrast  selbst  gesehene  fiafdgayogccg  unmöglich  mit  dem  des  Dioskorides,  PUnioi  osd  dff 
sp&teren  Schriftsteller  identisch  sein  kann.    Da  Theophrast  ihm  (1.  c  VI,  3,  9)   onea 


Von  der  pbarmaceutischen  Benutzung  als  Äphrodisiacum  und  zur  Erhöhung 
der  FVuchtbarkeit  des  Weibes  führt  nur  ein  kleiner  Schritt  zur  magischen  als 
Talisman,  um  Gegenliebe  hervorzurufen ').  Diese  erotische  Anwendung  steht,  wie 
aus  den  obigen  Mittheilungen  des  Hrn.  v.  Luschan  hervorgeht,  im  Orient  noch 
heute  im  Vordergründe  und  hat  sicher  auch  stets  obenan  gestanden.  ,Auf  sie  be- 
ziehen sich  die  ältesten  Nachrichten,  die  wir  über  die  Pflanze  haben.  Es  kann 
nach  der  übereinstimmenden  Meinung  der  sachkundigsten  Beurtheiler  (schon 
der  LXX  Dolmetscher,  vergl.  Wetzstein  in  Delitzsch,  Gommentar  zum  Hohen- 
liede  und  Roheleth  Leipzig  1875  S.  4B9 — 445)  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  unter 
den  oder  nach  Wetzstein  dem  in  der  Genesis  30,  14—17  und  im  Hohenliede  7, 
13  erwähnten  Dudäim  die  wohlriechenden  (vergl.  die  citirte  Stelle  des  Hohenliedes), 


Stengel,  ähnlich  dem  fOQ^ri^  (Ferula),  und  schwarze  Fruchte  mit  weinähnlichem  Saft  zu- 
schreibt, so  hat  die  Yermuthung  de/  genannten  Schriftsteller,  dass  hier  die  allerdings  im 
jetzigen  Königreich  Griechenland  sehr  seltene,  indess  schon  am  Olymp  und  Athos  häufige, 
sowie  auch  in  Kleinasien  vorkommende  Belladonna  gemeint  sei,  viel  für  sich.  Trotzdem 
ist  es  wohl  kaum  zu  bezweifeln,  dfiss  die  heutigen  Mandragoras- Arten  auch  schon  zu 
Theophrast's  Zeit  und  früher  so  genannt  wurden,  und  vielleicht  mögen  sich  die  erwähnten 
Gebräuche,  die  ja  auch  Plinius  (vergl.  oben  8.  732),  nur  unter  Weglassung  des  unter 
übscöncn  Reden  umher  tanzenden  Gehülfen,  von  seinem  (mit  dem  unserigen  sicher  iden- 
tischen") Mandragoras  berichtet,  schon  damals  vorzugsweise  oder  allein  auf  letztere.  Jeden- 
falls ist  der  niedrige  Mandragoras  leichter  mit  dem  Schwerte  zu  umkreisen,  als  die  oft 
über  mannshohe  Tollkirsche.  Ob  in  diesen  Rhizotomen-Gebränchen,  sowie  in  dem  von 
Josephus  bei  der  Erwerbung  des  Baaras  berichteten  Verwendung  von  Weiberham  oder 
Menstrualblut,  die  Quelle  der  späteren  abendländischen  Traditionen  von  dem  unsauberen 
Ursprung  der  unter  dem  Galgen  wachsenden  Alraunwurzel  (vergl.  weiter  unten  8.  743)  zu 
suchen  ist? 

Wie  ein  später  Nachklang  der  antiken  Mandragoras -Traditionen  in  erotischer  Be- 
ziehung erscheint  folgende  Nachricht,  die  der  berühmte  Africa-Reisende  Leo  Africanus 
am  Ausgange  des  Mittelalters  über  eine  fabelhafte  Wurzel  des  Atlasgebirges,  gleichfalls 
nicht  ohne  eine  ironische  Zwischenbemerkung,  bringt,  —  eine  Nachricht,  auf  die  mich 
Hr.  Bolle,  ein  hervorragender  Kenner  nicht  nur  des  botanischen  Folklore,  aufmerksam 
macht.    Gegen  Ende  des  IX.  Buches  der  Africae  descriptio  liest  man : 

„Sumag  radix. 

„Est  quoque  et  hoc  radicis  genus  in  Athlantis  Occidentalibus  loci»  proveniens,  cui 
vires  inesse  ajunt  earum  regionum  incolae,  merobrum  virile  tum  confortandi,  tum  qni  ea 
in  electuario  utatur,  coitum  augendi.  Affirmatnr  quoque  st  casn  radici  immeiere  quem- 
quam  contingat,  subito  membrum  erigi.  Non  praetermissnrus  snm  hoc  loco,  quae  commnni 
sententia  omnes  Athlantis  incolae  afferunt,  plurimas  puellas  ex  earum  nuniero,  quae 
animalia  per  eos  montes  pascunt,  virginitatem  alia  occasione  non  amisisse,  quam  quod 
urinam  snpra  hanc  radicem  emisissent :  quibus  ego  joco  respondebam,  me  probare  quidquid 
de  ejus  radicis  occnlta  virtute  eventus  comprobasset.  Ajebant  quoque,  inveniri  nonnullas, 
quae  adea  infectae  essent,  ut  non  modo  virginitatis  florem  amittere  facerent,  sed  corpus 
Universum  quoque  turgere.** 

Hr.  Wetzstein  bemerkt  mit  Recht,  dass  der  Name  Sumag  schwerlich  arabisch, 
sondern  muthmaasslich  berberisch  sei.  Von  arabischen  Worten  würde  ^y^  in  den  Con- 
sonanten  übereinstimmen;  indess  ist  dies  nach  Wetzstein  sarendj  auszusprechen  und  ist 
auch  kein  Pflanzenname,  sondern  nach  dem  Qamüs  „ein  bekanntes,  bei  Wundenheilungen 
verwendetes  Medicament,  das  auch  seilaqün  genannt  werde;  letzteres  Wort  bezeichne  un- 
zweifelhaft ein  Mineral.*  Eher  könne  man  (immer  nach  Wetzstein)  noch  an  sarmaq  denken, 
ein  Synonym  des  bekannten  Pflanzennamens  qataf^  der  u.  a.  Atriplex- Arten  bezeichnet. 

1)  Ebenso  auch  nach  Sibthorp  (FL  Graeca  III,  p.  27),  citirt  von  v.  Martins  (Fl. 
Braail.  X.,  p.  190),  welcher  berichtet,  dass  (vor  etwa  einem  Jahrhundert)  zu  diesem  Zwecke 
die  Jünglinge  in  Attika  ein  Stück  Mandragoras- Wurzel  in  einem  Beutelcben  bei  sich  trugen.- 


(736) 

angenehm  aromatisch  schmeckenden  Früchte  des  Mandragoras  za  verstehen  sind, 
deren  Oeniessbarkeit  schon  Plinius  (s.  oben  S.  732)  erwähnt,  und  welche  noch 
heute  im  Orient  als  Aphrodisiacnm  gelten,  bei  deren  Verzehren  man  sich  aber 
hüten  soll,  die,  yermuthlich  stärker  alkaloidhaltigen ')  Samen  mit  zu  rerschlncken. 
A.  y.  Perger  (Alraun,  S.  261),  vielleicht  auch  schon  frühere  Schriftsteller  be- 
zeichnen sie,  entsprechend  der  Bedeutung  des  hebräischen  Dudäim,  das  mit  «ama- 
torius"  erklärt  wird,  als  „Liebesäpfel"  (mala  nannte  sie  auch  Plinius).  Es  er- 
scheint annehmbar,  dass  dieser  Name  von  der  Mandagorasfrncht  auf  die  aus 
Indien  stammende,  wohl  erst  im  Mittelalter  in  die  Länder  Vorder -Asiens  und 
später  nach  Südeuropa  eingeführte  Frucht  von  Solanum  Melongena  L.  (arabisch 
badindjän,  ital.  melanzana,  französ.  aubergine)  übertragen  wurde,  die  auch  öfter 
im  Syrischen  mit  dem  Namen  des  Mandragoras,  jabrühä  (der  auch  ins  Arabische 
übergegangen  ist  und  durch  „Volks -Etymologie"  zu  djerabüh  „Erwecker  der 
Wollust"  wurde  vgl.  Wetzstein  a.  a.  0.)  bezeichnet  wird,  vgl.  Low,  Aram. 
Pflanzennamen  S.  188,  und  von  dieser  endlich  auf  die  amerikanische  Tomate 
(franz.  pomme  d'amour)  und  das  in  der  Frucht  ähnliche  afrikanische  Solanom 
aethiopicum  L. ')  (in  Constantinopel  nach  Delile  pomme  d'amour  des  juifs)  über- 
tragen wurde.  In  Algerien  heissen  die  Mandragoras -Früchte  (nach  einer  brief- 
lichen Mittheilung  von  Dr.  Gh.  Bonnet)  neben  jabrfih  auch  arab.  tofah-el-djeo 
(Geister-  oder  Dämonenäpfel),  berb.  tarilä. 

Während  nun  die  Dudäim-Frucht  sehr  bekannt  ist,  so  erwähnen  angeblich 
nur  Rabbiner  des  Mittelalters')  nach  Harsdörffer  (Grosser  Schaw-PhUx 
Jämmerlicher  Mordgeschichte  IL,  S.  277)  und  A.  v.  Perger  (Alraun  a.  a.  0.,  8.  261, 
Pflanzens.,  S.  1 1)  einer  Dudäim- Wurzel.  Aus  dieser  sollen  die  Theraphim  („Götzen^ 
Luther  „eine  Art  Hausgötter  oder  Penaten"  Gesenius)  gearbeitet  gewesen  sein, 
welche  Rahel  ihrem  Vater  Laban  stahl  und  so  erfolgreich  verheimlichte  (Genesis  31, 
19,  30,  32,  34,  35).  Diese  Angabe  ist  insofern  von  Interesse,  als  den  Urhebern 
derselben  offenbar  künstlich  bearbeitete  Mandragoras -Wurzeln,  wie  sie  Hr. 
V.  Luschan  uns  vorgelegt  hat,  wohlbekannt  gewesen  sein  müssen.  Das  Vor- 
handensein solcher  Präparate  schon  im  classischen  Alterthum  kann  freilich  ksnm 
bezweifelt  werden.  Wenn  schon  Schriftsteller  der  Ptolemäer-Zeit,  wie  die  ver* 
lorene  Schrift  des  [PseudoJ-Pythagoras  über  die  Wirkungen  der  Pflanzen  (nach 
einem  Gitate  im  oben  erwähnten  Codex  Neapolitanus  des  Dioskorides)  die  Wund 


1)  Ahrens  (66.  Jahresb.  d.  schles.  Ges.  f.  vaterl.  Cultur,  Breslau  1889,  8. 162—164; 
Ber.  D.  Chem.  Ges.,  XXn.  (1889),  8.  2159-61;  Ann.  d.  Chem.,  CCXXL,  8.  812-816,  fW 
in  alter  Mandragoras- Wurzel  ein  neues  Alkaloid,  Mandragorin,  isomer  mit  Hyotcytmifl. 

2)  Diese  Pflanze  findet  sich  auch  unter  dem  Namen  qa'üta  oder  qüta  in  den  arabttcte 
G&rten  Aegyptens;  ebendaselbst  eine  nahe  verwandte,  nur  durch  stärkere  Behaarong  ftt- 
schiedene  Form,  die  schon  Rohlfs  (1866)  als  qa^üta  ans  FesAn  mitbrachte,  die  aber  ia 
Aegypten  wadda  heisst  Letztere  dürfte  mit  dem  von  der  Ooldknste  beschriebenes  S. 
geminifolium  Thonn.  identisch  sein;  zu  vergleichen  ist  sie  anch  mit  dem  ans  Brasiliea  be- 
kannt gewordenen  S.  Gilo  Raddi.  Yergl.  Ascherson  et  8chweinfurth  in  M^  ^ 
l'Inst  Eg.  II  (1889),  p.  769. 

8)  Allerdings  hat  sich  einer  der  gelehrtesten  Kenner  der  rabbinischen  Litterator,  der 
durch  sein  ausgezeichnetes  Werk  „Aramäische  Pflansennamen"  gerade  auf  dem  Gebiet« 
der  botanischen  Alterthümer  so  rühmlich  bekannte  Dr.  Immanuel  Low,  Tergeblich  bem&lit, 
eine  solche  Stelle  aufzufinden.  Derselbe  schreibt  mir  (Szegedin,  4.  Febr.  1892)  Folgende«: 
„Die  Hanptstelle  der  traditionellen  Literatur  über  Terafim  ist  Pirkd  derabbi  EUescr  BS 
(etwa  aus  dem  8.  Jahrb.  n.  Chr.),  wo  die  Terafim  f&r  den  abgesebnittenen  Kopf  eiae« 
Erstgeborenen  erkl&rt  werden.  Von  einer  Identification  mit  der  Mandragora  findet  iick 
nirgends  eine  Spur:   Terafim  und  Dndaim  werden  bei  Juden  nirgends  combiant* 


(737) 

dv^pwncfjLop^og  und  Golumella  (De  re  rnstica  IL  v.  19,  20) ')  sie  „semihomo"  nennen, 
da  ferner  in  den  bereits  S.  729,  730  (Pussn.  3)  erwähnton  Abbildungen  im  Codex 
Neapolitanus  des  Dioskorides  die  Wurzeln  der  beiden  Mandragoras-Arten  in  mensch- 
licher, und  zwar  die  eine  in  männlicher,  die  andere  in  weiblicher  Gestalt,  dar- 
gestellt werden  ^),  so  ist  wohl  anzunehmen,  dass  schon  damals  die  Kunst  der  Natur 
nachgeholfen  hat.  Auf  diese  Vergleichung  deutet  auch  der  von  Unger  (a.  a.  0.) 
erwähnte  persische  Name  merdum-giah')  (Menschenpflanze),  der  übrigens  auffällig 
an  Mandragoras  anklingt. 

Dass  die  Anwendung  des  Mandragoras  als  Arznei-  und  Zauberpflanze  von 
Griechenland  aus,  in  der  macedonischen  oder  byzantinischen  Epoche,  auf  eine 
andere  Solanacee  der  östlichen  Rarpatenländer,  Scopolia  carniolica  Jacq,  übertragen 
wurde,  die,  wie  die  verwandte  Belladonna  (die  ja  vermuthlich  schon  im  classischen 
Alterthume  ebenfalls  fjLCLvSpoLyopdq  hiess,  s.  S.  734,  735,  Pussn.  2),  noch  heute  bei 
den  Rumänen  Siebenbürgens  und  der  Moldau  matragün  oder  matragüna  genannt 
wird,  und  dass  sich  die  Cuitur  und  vermuthlich  die  Benutzung  der  Pflanze  vom 
dort  aus  durch  die  Ebene  Galiziens,  das  südwestliche  Russland  (Polen?)  bis  Ober- 
schlesien, Ostpreussen  und  in's  Rurländische  Oberland  verbreitet  hat,  jedenfalls  ab- 
seits von  den  Wegen  deutscher  Cuitur,  glaube  ich  in  einer  vor  zwei  Jahren  er- 
schienenen Abhandlung^)  wahrscheinlich  gemacht  zu  haben. 

Auch  eine,  mit  Mandragoras  verwandte  Pflanze  Süd-Brasiliens  und  Argen- 
tiniens, Himeranthus  runcinatus  Endl.  (=  Jaborosa  r.  Lam.)  wird  zu  magischen 
Zwecken  benutzt,  v.  Martins  (Flora  Brasilicnsis  X.  (1846)  p.  190)  sagt  von  ihr: 
„Pari  modo  fertur  Brasiliae  australis  Indes  radicem  Himeranthi  runcinati  in  in- 
cantationibus  propinare  ut  animum  ad  magicas  artes  exerceant  et  in  vaticinia 
rapiantur,  quae  ideo  Mandragorae,  stirpis  afßnis  vices  ibi  gerit,  apud  anüquos 
Graecos  pro  malis  Medeae  artibus  decantatae,  et  cujus  frustula  tanquam  amatorium 
vel  nostra  aetate  juvenes  Atticos  secum  in  sacculo  circnm ferro  Sibthorpiusin  Flora 
Graeca  (III.  p.  27)  auctor  est."  Auf  welcher  Quelle  die  erheblich  abweichende 
Angabe  Endlicher's  (Enchiridion  botanicum.  Lipsiae  et  Viennae  1841,  p.  334): 
«Himeranthi  et  Jaborosae  baccis  ad  inducendum  furorem  amatorium  Americanos 


1)  Qaamvis  semihominis  vcsano  gramine  foeta 
Mandragorae  pariat  flores  . . . 

2)  Vergl.  Cohn  a.  a.  0.,  S.  287. 

3)  Prof.  K.  Haussknecht,  der  vorr.ügliche  Kenner  des  heutigen  Persiens,  schreibt 
mir  über  das  Vorkommen  von  Mandragoras  in  diesem  Lande  (Weimar,  17.  Jan.)  Folgendes : 
„Was  Mandragora  betrifft,  so  kommt  sie  in  Persien  vor,  obwohl  sie  Boissier  nicht  von 
dort  angiebt;  vertrocknete  Blätter  habe  ich  dort  gesehen  und  sie  wurden  mir  auch  von 
den  Eingeborenen  als  solche  bezeichnet.  Auf  den  persischen  Bazaren  ist  die  Wurzel 
überall  zu  finden,  die  namentlich  in  der  Provinz  Schiraz  gesammelt  wird.  Sie  hat  dort 
verschiedene  Namen,  namentlich  als  jabruch  oder  yabrudsch-es-sennam  oder  sennem^ 
[arabisch,  s.  oben  S.  728,  P.  A.],  auch  als  merdum-giah  (Manneskraut)  oder  mehr-e-giah 
(Liebeskraut),  biche-lefah  [lef&h  ist  gleichfalls  im  Arabischen  gebräuchlich,  vgl.  Low  a.  a.  0., 
P.  A.];  der  Name  sekkun  ist  weniger  gebräuchlich.  Leider  ist  es  mir  nie  gelungen,  sie 
zur  richtigen  Zeit  zu  sammeln,  so  dass  die  Art  noch  fraglich  ist.  Die  vertrockneten  Blätter 
sind  oblong,  nach  Art  der  M.  Haussknechtii.  Die  Wurzel  wird  meist  als  Amnlet  getragen. 
Uebrigens  wird  auch  die  Wurzel  von  Hyoscyamus  muticns  vielfach  dort  verwendet,  sowohl 
in  Latwergen,  als  auch  gezuckert;  sie  gilt  als  Aphrodisiacum.^  [Ebenso  in  Aegypten;  ihr 
dort  gebräuchlicher  arabischer  Name  sekr&n  bedeutet  ebenso  gut  liebes-,  als  Alkohol-  oder 
Haschlschtrunken.    P.  A.] 

4)  Ascherson,  Das  Vorkommen  der  Scopolia  carniolica  Scop.  in  Ostpreussen.  Sitzb. 
Ges.  naturf.  Freunde.    Berlin  1890.    S.  59— P2  (im  Sonderabdruck  noch  8.  82  a— e). 

VerbandL  der  BerU  ▲ntbropoU  OMelUcbaft  1891.  47 


(738) 

uti  constaf^  beraht,  habe  ich  nicht  ermitteln  können.  Der  Name  der  Gattung, 
Himeranthus,  deutet  auf  erotische  Verwendung.  V'on  Jaborosa  sagt  der  Autor 
A.  L.  de  Jussieu  (Gen.  Plant,  ed.  Turic.  1791,  p.  140):  „Jaborose*)  nomen 
arabicum  Mandragorae  quae  habitu  similis  et  fere  congener."  — 


Hr.  R.  Beyer:  Die  im  Abendlande  hergestellten  Alraune  haben  nicht  au« 
Mandragoras  bestanden  und  weichen  von  den  morgenländischen  völlig  ab.  Der 
ächte  Mandragoras  dürfte  in  Mitteleuropa  kaum  bekannt  gewesen  sein  und 
stand  sicher  den  Verfertigem  nicht  zur  Verfügung.  Der  nördlichste  sichere 
Fundort  dieser  Pflanze  liegt  im  Vicentinischen.  Von  den  übrigen  bei  Reichen- 
bach (PI.  germ.  exe,  p.  390,  1831)  erwähnten  Localitäten  ist  Pinzgau  sicher  un- 
richtig. Pur  Süd-TiroP)  ist  die  Pflanze  erst  ganz  neuerdings  an  einem  Fundorte 
bekannt  geworden,  über  dessen  Nicht-Ürsprünglichkeit  kein  Zweifel  besteht:  „Ver- 
wildert auf  einer  Gku*tenmauer  in  Lenzima  [südw.  von  Rovereto],  wo  selbe  Anfangs 
dieses  Jahrhunderts  von  einem  dortigen  Curaten  cultivirt  worden  war,**  Graf 
Sarnthein,  Oesterr.  bot.  Zeitschr.  1891,  S.  108.  Bei  Torri  am  Gardasee,  auf  dem 
insubrischen  Monte  Generoso  und  im  Valpelline  bei  Aosta  [au  pied  de  Douves] 
ist  die  Pflanze,  wenn  sie  daselbst  überhaupt  einheimisch  war,  längst  ausgerottet 

Nach  Jacob  Grimm  (Deutsche  Mythologie  IL,  S.  1005)  ist  der  Gebrauch  von 
Alräunchen  in  Deutschland  sehr  alt.  Wie  man  aber  dazu  gekommen,  den  Namen 
der  altgermanischen  weisen  Frauen  auf  die  Zauberwurzel  zu  übertragen,  ist  trotz 
aller  Erklärungsversuche  noch  fraglich^).  Am  wahrscheinlichsten  däucht  mir  die 
Annahme  Horst' s,  dass  schon  die  alten  Deutschen  solche  Hausgötzen  besessen 
und  «nter  dem  Namen  Alraunen  verehrt  hätten.  Es  lag  dann  in  der  Thal  nahe, 
das  Wort  auch  auf  ähnliche,  aus  fremden  Ländern  stammende  Gebilde  anzo- 
wenden.  Nach  Grimm  übersetzten  schon  die  althochdeutschen  Glossen  der 
Münchener  Bibliothek  (Saec.  10)  das  Wort  mandragora  (dudaim)  der  Septuaginta 
durch  alrüna.  Doch  darf  man  wohl  annehmen,  dass  die  Runde  von  der  Menschen- 
ähnlichkeit und  den  wunderbaren  Kräften  der  Wurzel  dieser  Pflanze  im  Abend- 
lande erst  durch  die  Rreuzzüge  oder  frühestens  während  der  Herrschaft  der 
Araber  in  Spanien  allgemein  verbreitet  wurde.  Bekanntlich  haben  diese  Ereig- 
nisse die  abendländischen  Völker  zuerst  genauer  mit  morgenländischen  Sitten  ver- 
traut gemacht.  Natürlich  wurde  bald  vielfach  der  Wunsch  rege,  eine  so  werth- 
vollc  Wurzel  selbst  zu  besitzen.  Es  befremdet  daher  nicht,  dass  findige  Geister 
des  Abendlandes  auf  den  Gedanken  kamen,  unter  den  einheimischen  Pflanzen  mit 
rübenfbrmiger  Wurzel  nach  einem  Ersatz  zu  suchen.  Da  man  aber  die  ächten 
orientalischen,  stets  unbehaarten  und  unbekleideten  Wurzelmännchen  nicht  zn 
Gesicht  bekam,  schnitzelten  die  Industrieritter  aller  Art,  welche  fortan  sich  be- 
mtlhten,  diesem  Bedürfniss  abzuhelfen,  aus  Wurzeln  ein  Produkt  heraus,  welches 
mit  jenen  nicht  die  geringste  Aehnlichkeit  hatte.    Sie  waren   auch  pfiffig  genug 


1)  Offenbar  aus  jabrüh  (s.  oben  S.  728)  cornunpirt 

2)  Die  früheren  Angaben  aus  Tirol  sind  höchst  unwahrscheinlich.  VergL  Haas- 
mann,  Flora  von  Tirol,  S.  1197,  1854. 

8)  Ausser  Grimm  handeln  darüber  Schmid,  Conunentatio  epistolica  de  Almais 
Germanonun  etc.  Halae  Magdeb.  1739;  Schedius,  De  düs  Germanonun,  p.  4SI;  Hont, 
Zauberbibliothek.  Mainz.  Bd.y,182ö,  S.326ffg.  Schon  P an  1 1  ini  (Zeit-kfirtsende  erbauliche 
Lust  m.  1697.  8.  618)  meint,  da  nach  Tacitus  die  Germanen  nach  dem  Tode  d^r  Anriai* 
Bildnisse  derselben  dargestellt  hfttten,  ^dass  dannenhcr,  was  man  von  AUrüngen  »chwaM 
leicht  kan  erkläret  werden. ** 


(739) 

ein  Mittel  zu  finden,  um  ihre  Figürchen  mit  Haaren  zu  versehen.  Das  dabei 
übliche  Verfahren  wurde  erst  im  16.  Jahrhundert  bekannt.  Am  ausführlichsten 
bespricht  dasselbe  Mattioli')*  ^s  sei  gestattet,  den  wesentlichsten  Theil  seines 
Berichtes  wortgetreu  wiederzugeben: 

„Die  Theriackskrämer  vnd  Landftreicher  haben  ein  wurtzel  fcyl  getragen,  die 
ift  formiret  wie  ein  männle  oder  weible,  haben  die  leute  vberredet,  fie  fey 
fchwerlich  zubekommen,  muffe  vnter  dem  galgen  mit  forglicher  mühe  aufsgegraben 
werden,  dartzu  mus  man  einen  fchwartzen  hund  haben,  der  fie  an  einem  ftricke 
aufsreiffe,  der  gräber  aber  foll  die  obren  mit  wachfs  verstopffen,  dann  fo  er  die 
wurtzel  höret  fchreien,  ftehe  er  in  gefhar  feines  lebens.  Was  ift  das  anderft, 
dann  wie  man  vom  Farn  fagt,  wer  den  Famfamen-)  will  holen,  der  mufs  keck 
fein,  vnnd  den  Tcuffel  können  zwingen.  Solch  narrenfpil  vnd  fpectra  mufs  man 
den  leutten  machen,  quia  vulgus  vult  decipi,  darumb  bin  ich  hie,  fpricht  der 
Landtftreicher,  das  haben  fie  auch  meyfterlich  aufsgerichtet,  gemelte  wurtzel  thewer 
verkaufft,  als  mache  fie  die  leute,  vnd  fonderlich  die  bezauberten,  gluckfelig,  die 
vnberhafften  weiber  fruchtbar,  habens  alle  fambstag  mit  wein  vnd  waffer  baden 
muffen,  fauber  einwicklen,  vnd  heymlich  halten.  Vnd  foll  nun  der  güttige  lefer 
wiffen,  das  folche  Alraun¥rurtzlen  ein  lauter  fabelwerck,  vnd  gemacht  ding  fein, 
dann  Re  fchneiden  die  Brionienwartz'),  oder  Rhorwurtzlen,  dieweil  fie  noch  frifch 
findt,  in  eines  menfchen  geftalt,  ftecken  Gerften  oder  Hirfenkömlen  an  die  ftellen, 
da  fie  wollen  haar  haben,  darnach  verfcharren  fie  diefe  gefchnitzte  wurtzel  in 
fandt,  bifs  aufs  gcmelten  kömlen  zäferlen  wachfen,  welchs  gemeiniglich  in  dreyen 


1)  Ich  citirc  nach  der  seltenen  deutschen  Ausgabe:  „New  Kreütcrbuch.  Mit  den  aller- 
Bchönsten  und  artlichsten  Figuren  aller  Gewechfs,  dergleichen  vormals  in  keiner  sprach 
nie  an  tag  kommen.  Von  dem  Hochgolerten  vnd  weitberümbten  Herrn  Doctor  Petro 
Andrea  Matthiolo  . . .  Erstlich  in  Latein  gestellt.  Folgondts  durch  Georgium  Handsch  . . . 
verdeutscht  etc.    Prag  1563." 

2)  Der  unsichtbar  machende  Same  des  Famkrauts  spielte  im  Aberglauben  des  Mittel- 
alters keine  geringere  Rolle  als  die  Alräunchen  Man  vergleiche  ausser  Grimm  be- 
sonders Reling  und  Bohnhorst,  Unsere  Pflanzen  nach  ihren  deutschen  Volksnamen  u.  s.  w. 
1882,  8.  62—64;  Freiherr  v.  Valvasos,  Ehre  des  Herzogthums  Krain  (1689)  und  die 
Kr&uterbücher  der  Patres. 

8)  Auch  die  Zaunrübe  stand  bei  den  Abergläubischen  in  grossem  Ansehen.  Kranke 
erhofften  Genesung,  wenn  sie  die  ausgehöhlte  Wurzel  als  Trinkbecher  benutzten.  Liess 
ein  Gichtkranker  sein  Blut  in  eine  solche  tr&ufeln  und  vergrub  sie  an  einem  heimlichen 
Orte,  so  glaubte  er  beim  Verfaulen  der  Wurzel  gesund  zu  werden  (Gichtrübe).  Auch  galt 
dieselbe  als  Schutsmittel  gegen  Hexen  und  gegen  Gewitter,  sowie  als  Liebeszauber.  Dazu 
legten  die  Mftdchen,  wenn  sie  zum  Tanze  gehen  wollten,  Scheiben  der  Wurzel  in  ihre 
Schuhe  und  sprachen  dabei: 

Körfcheswnrzel  in  meinem  Schuh, 
Ihr  Junggesellen,  lauft  mir  zu! 
(Vergl.  Unger  a.  a.  0.,  S.  324;  nach  gütiger  Mittheilung  des  Hm.  Prof.  A scher son,  dem 
ich  für  scbätzenswerthe  Beiträge  zu  dieser  Arbeit  zu  grossem  Danke  verpflichtet  bin.)  Die 
Zaunrübe  hiess  nehmlich  in  manchen  Gegenden  wilder  Kürbis  oder  Hundskürbis.  Vergl. 
über  diese  Pflanze  noch  A.  v.P erger,  Deutsche  Pflanzensagen,  S.  180  und  Reling  und 
Bohnhorst  a.  a.  0.,  S.  217. 

Uebrigens  glaubte  man  auch,  dass  die  Wurzel  dieser  Pflanze  zuweilen  die  Grestalt 
eines  Menschen  habe.  So  schreibt  z.  B.  Schott,  Magia  Universalis  I,  p.  185:  „In  Brioniao 
albae  radice  inventam  efßgiem  humanam,  et  adhuc  in  publico  Museo  ßononiensi  conser- 
vari,  testatur  Ambrosinus  (in  histor.  monstror.  Aldrovandi  f.  308). '^  Die  Abbildung 
dieser  „Wurzel"  erwägt  A.  v.  Perger,  üeber  die  Alraune,  S.  268. 

47* 


(740) 

Wochen  gcrchicht,  alfsdann  graben  fie  es  wiederumb  aufs,  befchaben  die  an* 
gewachfencn  zäferlen  mit  einem  fcharffen  mefTcr,  vnd  machen  tie  alKo  fein  fobtil, 
als  werens  haare  an  dem  haupt,  hart,  ynnd  bey  der  Ccham,  darmit  werden  die  ein- 
faltigen betrogen. 

„Diefe  büberey  hat  mir  Telbs  ein  Theriacksfchreyer  offenbaret,  der  zu  Rom 
fchwerlich  kranck  lag,  vnd  in  meiner  cura  war,  zeigte  mir  ettliche  folche  ge- 
Cchnitzte  wortzlen,  vnd  tagte,  er  hette  biCsweilen  den  reichen  eine  allein  für  dreifOg 

Ducaten  verkaufft*)"- 

Die  Form  der  abendländischen  Alräunchen  war  sehr  mannich faltig.  Ihre 
Länge  betrug  gewöhnlich  nur  etwa  eine  Handbreite  bis  eine  Spanne.  Doch  soll 
es  auch  solche  Ton  ein ,  ja  selbst  von  6  Puss  Länge  gegeben  haben ').  Die  Be- 
haarung beschränkte  sich  nicht  immer  auf  die  von  Mattioli  erwähnten  Stellen, 
sondern  bedeckte  zuweilen  den  ganzen  Körper.  So  sind  z.  ß.  die  beiden  Alräunchen 
verschiedenen  Geschlechts  in  der  k.  k.  Bibliothek  zu  Wien")  beschaffen,  welche 
daselbst  seit  1680  aufbewahrt  werden  und  noch  im  vorigen  Jahrhundert  viele  aber* 
gläubische  Gemüther  erregten.  Sie  stammen  aus  dem  Besitz  Kaiser  RudolPs  II., 
des  hohen  Schützers  aller  geheimen  Wissenschaften,  an  dessen  Alchymisten  das 
Goldgässchen  auf  dem  Prager  Hradschin  noch  jetzt  erinnert.  Früher  wurden  sie 
regelmässig  gebadet.  Unterblieb  das  einmal,  so  sollen  sie  wie  neugeborene 
Kinder  geschrieen  haben,  bis  ihnen  ihre  gehörige  Pflege  zu  Theil  wurde*).  Nach 
A.  V.  Perger  sind  dieselben  nicht  aus  der  Wurzel  der  Zaunrübe,  sondern  ans 
Rhizomen  der  Siegwurz  gebildet^).    Ebenso  scheint  das  Alräunchen  des  Bergener 


1)  Ein  anderer  Originalbericbt  über  die  Anfertigung  von  Alräunchen  befindet  sich  in 
S.  Freyberg's  Recreat.  Mensal.  Discurs.  13,  p.  3B5;  abgedruckt  in  Frommann^s  Trac- 
tatus  de  fascinatione  novus  et  singularis.  Norimbergae  1678,  p.  669.  —  Dasselbe  Ver^ 
lahren  schildern  J.  Wier  (Von  verzeuberungen,  Verblendungen,  auch  sonst  viel  vnd 
mancherlei  gepler  des  Teuffels  vnnd  seines  gantzen  Heers  etc.,  deutsch  durch  J.  Ffiglinnm. 
Basel  1565),  Giambattista  Porta  (Ma^a  universalis  1589),  Tabernaemontanut 
(Neuw  vollkommentlich  Kreuterbuch)  u.  A. 

2)  Roth,  de  Imagvncvlis  Germanorvm  Magicis,  qvas  Alrvnas  vocant.  Uelmstadii  1787. 
p.  5.  Die  Angabe  ist  entlehnt  aus  Happelius.  Vergl.  auch  Tharsander,  Schauplatx 
ungereyrater  Meynungen  vnd  Erzählungen.    T.  I,  sect.  VIII,  p.  560 f. 

3)  Nach  gefälliger  Mittheilung  des  Dr.  R  v.  Wettstein  an  Profi  Asche rson  be- 
finden sich  diese  höchst  merkwürdigen  Gegenstände  noch  heute  daselbst 

4)  Monatliche  Unterredungen  von  dem  Reich  der  Geister.  9.  Unterredung,  S.  287 flg., 
citirt  bei  Horst  a.a.O.  Die  Wiener  Alräunchen  wurden  zuerst  beschrieben  von  Lam- 
beck,  Commentarii  de  Augustissima  Bibliotheca  Caesarea  Yindobonensi ,  Wien  1665—79. 
Lib.  II  und  VIII;  abgebildet  in  Calmet,  Dictionarium  histor.  criticum  etc.  T.  II  nnd 
V.  Perger. 

5)  Die  Siegwurz  oder  der  Allermannsharnisch,  Allium  Victorialis  L.,  frühea* 
Yictorialis  mas  oder  longa,  nimmt  in  der  Geschichte  des  Aberglaubens  ebenfalls  eine 
wichtige  Stellung  ein.  Ihre  Zwiebel  galt  wegen  des  an  einen  Panzer  erinnernden  Faier- 
geflechts  als  Amulet  gegen  Hieb,  Stich  und  Schuss.  Gleiche  Namen  und  EigenBchaftea 
legte  man  dem  Gladiolus  communis  L.,  Victorialis  femina  oder  rotunda  beL  Durch  Hrn. 
Dr.  Potthast  erfuhr  ich,  dass  dieser  Glaube  vereinzelt  noch  1870  in  Beriin  herrschte.  — 
Uebrigens  bemerkt  schon  Keysler  (Antiquität es  selectae  septentrionales  et  celticae  etr, 
Hannovcrae  1720,  p.  505,  adnot)  bei  Besprechung  der  Mandragora:  Multis  etiam  ejusnuHÜ 
superstitionibus  inservit  radix  victorialis.  lieber  diese  Zwiebel  schreibt  auch  einer  der 
besten  Kenner  unserer  norddeutschen  Flora,  Hr.  Apotheker  K.  Beckmann  in  HannoTCf 
früher  in  Bassum  bei  Bremen,  Folgendes  an  Prof.  Ascherson:  »In  den  Dörfern  der  Um- 
gegend von  Bassum  herrscht  der  Glaube,   dass  sich  in  jeder  derselben  eine  Hexe  (meiit 


(741) 

Museums,  welches  von  Schübeier,  Norges  Växterige  3,  p.  169  abgebildet  ist, 
wenigstens  theilweise  aus  Siegwurz  zu  bestehen.  Der  Alraun  des  Märkischen  Museums 
zu  Berlin  soll  nach  Angabe  des  Gustos,  Hm.  Buchholz,  nicht  aus  einer  Wurzel, 
sondern  aus  einer  Maserknolle  geschnitzt  sein.  Manche  Alräuncbcn  endlich  waren 
gar  nicht  aus  Pflanzenstoffen  verfertigt.  Th.  Bartholin  beschreibt  eines,  dessen 
Körper  aus  einem  gedörrten  Frosche  geformt  war.  Dasselbe  besas  daher  ge- 
gliederte Beine,  Knochen  und  ausgetrocknete  Muskeln.  Die  lang  herabhängenden 
Haare  bestanden  aus  Wurzelfasern.  An  dem  zu  einer  menschlichen  Figur  zurecht- 
gestutzten Körper  war  der  kugelige  Kopf  (ex  radice  gallae  [vielleicht  Galgant, 
Alpinia  officinarum  Hance,  dessen  Name  wohl  zur  Herstellung  eines  Galgen- 
männchens auffordert?]  efActum)  mit  den  Augen  und  Haaren  geschickt  befestigt. 
Dies  Alräunchen  sollte  unter  einem  Galgen  in  der  Schweiz  gefunden  sein  und 
epileptischen  Weibern  Heilung  gebracht  haben*).  Die  Bekleidung  dieser  Gebilde 
bestand  meist  aus  einem  weissen  Seidenmantel  mit  gelbem  Gürtel  (Roth,  1.  c.  p.  5.) 
Das  sofort  zu  erwähnende  Leipziger  Erdmännchen,  welches  sich  zu  Keysler's 
Zeit  im  Besitz  des  Dr.  jur.  Heinsius  befand,  lag  in  einem  Kästchen  und  war 
mit  „4  Docken  Flock-Seide"  von  graublauer,  rother,  gelber  und  grüner  Farbe  — 
nach  Keysler  vielleicht  Symbole  der  vier  Elemente  —  wie  mit  einem  Bettchen 
umhüllt. 

Die  Alräunchen  versahen  nach  mittelalterlichem  Glauben  alle  Dienste  eines 
Spiritus  familiaris.  Besonders  interessant  für  die  Kenntniss  ihrer  Verwendung 
ist  ein  Brief,  den  ein  Leipziger  1575  an  seinen  Bruder  in  Riga  sandte^).  In  der 
Einleitung  beklagt  der  Schreiber  das  Unglück  und  den  Unfrieden  im  Hause  seines 
Bruders,  die  nach  der  Meinung  verständiger  Personen  nicht  von  Gott,  sondern 
von  bösen  Leuten  herrührten  und  nur  durch  „ein  Alruniken  oder  Ertmänneken'' 

mit  thranigen  Augen  [dortiger  Ausdruck  für  Triefaugen])  befindet,  die  Menschen  und  Vieh 
durch  ihren  Anblick  behext;  in  Folge  davon  entstehen  Krankheiten,  welche  von  einem 
anderen  Weibe  durch  Besprechen  geheilt  werden  können.  Bei  dem  Vieh  —  ob  bei 
Menschen  auch,  weiss  ich  nicht  —  spielt  Radix  Yictorialis  longae  eine  Hauptrolle.  Es 
wird  dieselbe  unter  Hersagen  einer  Zauberforrael  unter  die  Krippe,  auch  unter  die  Schwelle 
eines  Stalls  gelegt."  Gleiches  berichtet  Hr.  Apotheker  Perrin  aus  Köslin,  welcher  an 
Prof.  Ascherson  schreibt,  dass  neben  AUium  Victoriaiis  ebenso  häufig  die  Knolle  von 
Gladiolus  verwendet  wird;  die  runde  Knolle  des  letzteren  (Radix  Victoriaiis  rotundae) 
wird  als  „Fräulein"  bezeichnet  und  bei  männlichen  Personen  oder  Thieren  zum  „Anfachen 
der  Liebe''  gebraucht;  die  Zwiebel  des  Allium  (Radix  Yict.  longae),  welche  Männlein  ge- 
nannt wird,  bei  weiblichen  Individuen.  Beide  werden  entweder  in  geriebenem  Zustande 
eingenommen  oder  am  Leibe  getragen.  Ausserdem  dient  der  „Allermannshamisch''  auch 
gegen  das  „Verrufen**  (Behexen)  des  Viehes  und  wird  dann  entweder  unter  der  Krippe 
vergraben  oder  besonders  Schweinen  in  die  Obren  gesteckt.  Alünin  Victoriaiis  wird  in 
Ober-Oesterreich,  wo  sie  „Lahnawurz"  heisst,  nach  Duftschmid  (Flora  von  O.-Oest.  L, 
S.  199,  1873)  und  Hans  Steininger  (Oesterr.  Botan.  Zeitschr.  1885,  S.  274)  gegen  „Ver- 
zauberung" des  Viehes  gebraucht^  wozu  der  letztere,  ein  kürzlich  verstorbener,  verdienst- 
voller Volksschullehrer  rationalistisch  bemerkt,  dass  „das  andere  Vieh,  welchem  keine 
solche  Wurzel  täglich  gegeben  wird,  mit  den  danut  gefutterten  nicht  mitweidet,  da  es 
den  Lauchgeruch  nicht  zu  lieben  scheint."  Nach  Duftschmid  tragen  die  Burschen  die 
Zwiebel  bei  sich,  um  sich  Sieg  im  Raufen  und  Glück  im  Spiel  zu  sichern.  Eine  köstliche 
Blüthe  der  „Volksetymologie"  ist  die  von  Pritzel  und  Jessen  (Die  deutschen  Volksnamen 
der  Pflanzen,  S.  20)  verzeichnete  Namensform ;   Almanachhamiscb  (Pinzgau). 

1)  Th.  Bartholinus,  historia  anatomica,  Centur.  II,  hist.  51  (nach  Fromroann  1.  c. 
p.  672). 

2)  Abgedruckt  bei  J.  G.  Keysler  a.  a.  0.,  p.  507  fg. 


(742) 

za  bannen  seien.  „So  hab  ich  mich  nu  von  deinetwegen  ferner  bemühet  und  bin 
zn  den  Leuten  gangen  die  solches  gehabt  haben  als  bey  unsem  Scharff-Ricbter 
und  ich  habe  ihn  dafür  geben  als  nehmlich  mit  vier  und  sechzig  Thaler  und  des 
Budels  Knecht  ein  Engels-Kleidt  (d.  i.  ein  Münzstück)  zu  Drinckgeldt  solches  soU 
dir  nu  lieber  Bruder  aas  Liebe  und  Treue  geschencket  sein,  und  so  soltn  es 
lernen  wie  ich  dir  schreib  in  diesen  Brieye  wen  du  den  Erdman  in  deinen  Hause 
oder  Hofe  überkümraest  so  lafs  es  drey  Tage  ruhen  ehr  du  darzu  gehest,  nach 
den  3.  Tagen  so  hebe  es  uff  und  bade  es  in  warmen  Wasser  mit  dem  Bade  soliu 
besprengen  dein  Vieh  und  die  Süllen  deines  Haufses  do  du  und  die  deinen  über- 
gehen so  wird  es  sich  mit  dir  woU  bald  anders  schicken,  und  du  wirst  woll 
wiederum  zu  den  deinen  kommen  wen  du  dieses  Erdmänneken  wirst  zu  rade 
halten  und  du  solt  es  alle  Jahr  viermahl  baden  und  so  offte  du  es  badest  so  solt 
du  es  wiederum  in  sein  Seiden  Kleidt  winden  und  legen  es  bey  deinen  besten 
Kleidern  die  du  hast  so  darffstu  Ihnen  nicht  mehr  thun,  das  Bad  darin  da  es 
badest  ist  auch  sonderlich  gut  wann  eine  Frau  in  Kindes-Nöhten  ist  und  nicht  ge- 
beren  kan  dafs  sie  ein  Löffel  voll  dovon  trincket  so  berth  sie  mit  Freuden  ood 
Danckbahrkeit  und  wen  du  für  Rieht  oder  Raht  zu  thun  hast,  so  stecke  den 
Erdman  bey  dir  unter  den  rechten  Arm  so  bekümpstu  eine  gerechte  Sache  sie  sey 
recht  oder  unrecht.  Nun  lieber  Bruder  dis  Erdmänneken  schicke  ich  dir  zu  einem 
glückseeligen  neuen  Jahr  und  lafs  es  nicht  von  dir  kommen  das  es  raagk  behalten 
dein  Kindes-Kind  hiemit  Gott  befohlen." 

Ein  Alräunchen  soll  nach  anderen  Berichten  künftige  und  heimliche  Dinge  zn 
Wohlfahrt  und  Gedeihen  offenbaren.  Jedes  über  Nacht,  zu  ihm  gelegte  Geldstück 
findet  man  früh  Morgens  verdoppelt  (daher  Heckmännchen),  doch  überlade  man 
es  nicht  damit.  Es  weicht  nicht  von  seinem  Besitzer  und  kehrt,  selbst  wenn  es 
weggeworfen  wird,  wieder  zurück,  wenn  man  es  nicht  etwa  wohlfeiler  verkauft, 
als  es  erstanden  wurde.  Nach  dem  Tode  des  Besitzers  erbt  es  der  jüngste  Sohn, 
muss  aber  dem  Vater  ein  Stück  Brod  und  Geld  in  den  Sarg  legen.  Stirbt  er  vor 
dem  Vater,  so  geht  es  auf  den  Aeltesten  über,  der  aber  dem  Todten  ebenfalls 
Brot  und  Geld  mitgeben  muss.  (Vergl.  Grimm  a.  a.  0.,  IL  1005,  1.  424,  Anm.) 
Ueber  die  Anwendung  und  die  wunderbaren  Kräfte  von  Alräunchen  waren 
viele  Erzählungen  im  Umlauf.  Man  meinte,  dass  die  Jungfrau  von  Orleans  ihre 
Siege  über  die  Engländer  einem  Alräunchen  verdankte.  Nach  G.  Porta  soll  ein 
italienischer  Charlatan  eine  aus  der  Alraunwurzel  geschnitzte  menschliche  Pigv 
durch  ein  in  die  Scham  gestecktes  Hanfkom  beseelt  haben.  Dieselbe,  theilweise 
eingegraben,  beantwortete  alle  Fragen  „mit  dem  Haupte**').  Wenn  Jemand 
einem  Wurzelmännchen  mehr  als  Gott  vertraut,  so  bekommt  der  Teufel  nach 
mittelalterlichem  Glauben  die  Macht,  dasselbe  zu  beleben,  gleichgültig,  ob  es  be- 
trügerischer Weise  hergestellt  oder  wirklich  im  Erdboden  erwachsen  ist  Indem 
der  böse  Feind  demselben  ausserdem  auch  noch  übernatürliche  Kräfte  beilege, 
verstricke  er  die  darauf  Bauenden  vollends  in  Sünde  und  bringe  sie  um  die  ewige 
Seligkeit.  Frommann  veimuthet  sogar,  dass  bei  einem  von  ihm  erzählten  An- 
gebot von  Alräunchen  eine  direkte  Abgesandte  des  Satans  dieselben  zu  verkAufen 
suchte-). 

um  den  teuflischen  Einfluss  beim  Gebrauch  von  Alräunchen  zu  erweisen,  er- 

1)  Nach  Harsdörffer  im  Grossen  Schau-Platz  Jftmerlicher  Mordgeschichte.    Enitr 

und  ander  Theil  etc verdobnetacht  und  vermehrt  durch  Ein  Mitglied  der  HochlM>- 

lieben  Fruchtbringenden  Gesellschaft.    Hamburgk  1649,  S.  277. 

2)  1.  c,  p.  676 fg.:    ..Emissariam  hanc  Satanae  fiiisao,  omnino  mihi  persuftdeo,* 


(743) 

zählt  Harsdörffer')  folgende  (hier  auszugsweise  wiedergegebene)  Geschichte.  In 
einer  vornehmen  Handelsstadt  im  Frankenlande  befahl  eine  Handwerkersfrau  auf 
ihrem  Sterbebette  der  ältesten  Tochter,  ein  schwarzes  Männlein,  eben  einen  Alraun, 
in  den  FIuss  zu  werfen.  Die  Tochter  gehorchte,  obwohl  sie  wusste,  dass  ihr 
Vater  nach  der  Meinung  der  Leute  yerdorben  sein  sollte,  weil  er  dies  Männchen 
einst  in  seinem  Rasten  hinter  die  Thür  geworfen  habe.  Hedwig,  die  jüngere 
Tochter,  trug  grosses  Verlangen  nach  dem  Alraun  aus  dem  Erbe  ihrer  Mutter  und 
durchsuchte  danach  vergebens  alle  Winkel,  da  ihr  die  Schwester  die  Beseitigung 
nach  dem  Auftrag  ihrer  Mutter  absichtlich  verschwieg.  Nach  beendeter  Erb- 
theilung  aber  fand  Hedwig  den  Alraun,  zu  ihrer  grossen  Freude,  plötzlich  unter 
Oeräthschaften  in  einer  ihrer  Truhen.  Es  ging  ihr  auch  fortan  sehr  gut  Sie 
heirathete  einen  Bäckergesellen,  machte  ihn  zum  Meister  und  Bürger,  kaufte  noch 
im  ersten  Jahre  ein  schönes  Haus  und  hatte  Geld  genug,  während  ihre  Schwester 
in  äusserster  Armuth  verkam.  Nach  wenigen  Jahren  jedoch  verfiel  sie  plötzlich 
in  eine  sehr  schwere  Krankheit  und  schrie  darin  unablässig  nach  ihrem  Manne. 
Den  Zureden,  sich  christlichen  Beistand  beim  Sterben  zu  erbitten,  schenkte  sie 
kein  Gehör.  Als  aber  der  Mann  endlich  erschien,  konnte  sie  nicht  mehr  sprechen 
—  nach  H.  natürlich,  weil  sie  der  Alraun  „auf  das  Maul  schlägt^  —  und  starb 
alsbald.  Aus  ihrem  Grabe  kam  sie  im  Todtenkleide  mit  Heulen  und  Schreien  in 
ihr  Haus  zurück,  so  dass  der  Wittwer  eine  andere  Wohnung  nehmen  musste. 
Aehnliches  berichtet  Fouque  in  seiner  oben  erwähnten,  doch  wohl  authentischen 
Vorlagen  nachgedichteten  Novelle  „Mandragora".  Den  von  ihm  als  charakteristisch 
erwähnten  durchdringenden  Leichengeruch  der  Zauberwurzel  habe  ich  in  den  von 
mir  eingesehenen  Quellenschriften  nirgends  erwähnt  gefunden. 

Eine  von  Fontane^)  erzählte  märkische  Sage  beweist,  dass  ein  Alräunchen 
auch  als  Familienhort  gedacht  wurde.  Vor  mehreren  hundert  Jahren  hatte  eine 
Frau  V.  Beeren  auf  Grossbeeren  einer  Gesellschaft  von  Zwergen,  welche  aus 
der  Diele  unter  dem  Rachelofen  hervoi^estiegen  waren,  Erlaubniss  zur  Abhaltung 
einer  Familienfestlichkeit  in  ihrem  Zimmer  gegeben.  Zum  Dank  dafür  legten  sie  ein 
Angebinde  auf  die  Wiege  ihres  Kindes  und  prophezeihten,  die  Familie  werde  blühen, 
so  lange  man  dasselbe  in  Ehren  halte,  vergehen  und  verderben,  sobald  man  es 
missachte.  „Es  war  eine  kleine  Bemsteinpuppe  mit  menschenähnlichem  Kopf, 
etwa  zwei  Zoll  lang  und  der  untere  Theil  in  einen  Fischschwanz  auslaufend. 
Dieses  Püppchen,  das  Leute,  die  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  lebten,  noch  ge- 
sehen haben  wollen,  führte  den  Namen  „Allerhühnchen"  (Alräunchen)  und  galt 
als  Talisman  der  Familie.  Es  vererbte  sich  von  Vater  auf  Sohn  und  wurde  ängstlich 
bewahrt  und  gehütet.  Geist  v.  Beeren  (so  nannte  man  Hans  Heinrich  Arnold 
V.  Beeren,  welcher  1812  starb)  indessen  kümmerte  sich  wenig  um  das  wimder- 
liche  Familien-Erbstück;  war  er  doch  kein  Freund  von  Sagen  und  Geschichten, 
von  Tand  und  Märchenschnack,  und  was  seiner  Seele  so  ziemlich  am  meisten 
fehlte,  war  Pietät  und  der  Sinn  für  das  Geheimnissvolle. 

Allerhühnchen  hatte  lange  im  Schrank  gelegen,  ohne  dass  seiner  erwähnt 
worden  wäre.  Da  führte  das  Weihnachtsfest  eine  lustige  Gesellschaft  bei  Geist 
V.  Beeren   zusammen    und  der  Zufall  wollte,   dass  einer  der  Gäste  vom  „Aller- 


1)  1.  c,  p.  279-282. 

2)  Fontane,  Wanderungen  durch  die  Mark  Brandenburg.  IV.  Spreeland.  Beeskow- 
Storkow  und  Barnim -Teltow.  1882.  S.  306—308.  —  Mit  geringen  Aenderungen  schon 
ebenso  in  der  älteren  Auflage,  I.,  S.  898,  aus  welcher  Hr.  Dr.  Bolle  die  Stelle  gütigst 
cxcerpirte. 


(744) 

hübnchen"  sprach.  ^Was  ist  es  damit?"  hiess  es  von  allen  Seiten  und  kaum  dass 
die  Frage  gestellt  worden  war,  so  ward'  auch  schon  die  Geschichte  zum  Besten 
gegeben  und  das  Allerhühnchen  herbeigeholt.  Geist  v.  Beeren  Hess  es  rundum 
gehen,  witzelte  und  spöttelte  und  —  warf  es  dann  in's  Feuer.  Von  dem  Augen- 
blick an  brach  das  Unheil  herein.^  Feuer,  Krieg  und  Misswachs  zerstörten  den 
Wohlstand  und  in  kurzer  Zeit  starb  die  ganze  Familie  aus. 

Die  mehrfach  erwähnten  enormen  Preise  solcher  Alräunchen  wurden  von  den 
Händlern  durch  die  angeblich  mit  der  Erwerbung  verknüpfte  ernste  Lebensgefahr 
begründet.  Der  Glaube  an  bestimmte,  zum  Ausgraben  erforderliche  Vorbereitungen 
stammt  sicher  aus  dem  Orient.  Wir  haben  oben  (S.  730,  731)  die  fabelhaften  Be- 
richte des  Josephus  und  Aelianus  bei  der  Gewinnung  des  Ba'aras,  bezw.  der 
Aglaophotis  mit  Hülfe  eines  Hundes  kennen  gelernt.  Die  occidentalische  Phantasie 
schmückte  die  Sache  nach  anderer  Richtung  hin  aus.  Der  Alraun  sollte  aus  dem 
Urin  oder  Samen  entstehen,  den  ein  gehängter  Erbdieb,  der  aber  ein  reiner  Jung- 
geselle sein  musste  (Andere  setzen  an  Stelle  der  sexuellen  Integrität  die  criminelle 
und  verlangen  gar  einen  unschuldig  Gehängten)  im  Augenblicke  des  Todes  fallen 
liess,  und  mithin  nur  unter  dem  Galgen  zu  finden  sein  (daher  Gtilgenmännchen 
und  niederländisch  pisdifje)  Der  Gräber  muss  seine  Ohren  mit  Wachs,  Pech 
oder  Baumwolle  verstopfen.  Er  macht  drei  Kreuze  über  die  Wurzel,  gräbt  sie 
dann  soweit  aus,  wie  bei  Josephus  angegeben,  und  lässt  sie  durch  einen  daran 
gebundenen,  ganz  schwarzen  Hund,  dem  man  ein  Stück  Brod  vorhält,  aus- 
reissen^).  In  diesem  Augenblick  stösst  sie  einen  so  fürchterlichen  Schrei  aus, 
dass  der  Hund  und  Jeder,  der  denselben  hört,  stirbt*).  Dazu  werden  gelegentlich 
noch  andere  Bedingungen  gefügt.  Nach  Roth  (a.  a.  0.,  S.  7)  muss  sie  in  stillster 
Mittemacht  und  unter  Hersagen  einiger  Zauberformeln,  nach  Thomasius')  an 
einem  Freitage  vor  Sonnenaufgang  gegraben  werden. 

Zahlreiche,  völlig  abweichende  Vorschriften  zur  Gewinnung  eines  Alräunchens 
findet  man  in  den  „Secrets  du  petitAlbert^^).  Ein  Bauer,  den  eine  Zigeunerin 
in  das  Geheimniss  eingeweiht  h^tte,  zog  eine  Bryoniawurzel  bei  günstiger  Gon- 
stellation  des  Mondes  mit  der  Venus  und  dem  Jupiter  an  einem  Montag  im  Früh- 
ling aus  dem  Boden.  Er  pflanzte  sie  in  den  Grabhügel  eines  eben  verstorbenen 
Mannes  und  begoss  sie  vor  Sonnenaufgang  einen  Monat  lang  mit  Molken  aus 
Kuhmilch,  in  welchen  er  drei  Fledermäuse  ertränkt  hatte.  Dann  zog  er  sie  ans. 
Sie  war  der  Gestalt  eines  Menschen  weit  ähnlicher  geworden  als  früher.  Dann 
heizte  der  Bauer  seinen  Ofen  mit  Isenkraut^),   trocknete  die  Wurzel  darin,   und 


1)  Yergl.  hierzu  auch  Thorpes,  anal.  94,  nach  Grimm  a.a.O.  Neu  sind  hier  die 
Bedingungen,  dass  die  Wurzel  mit  einem  eirenbeioemen  Stabe  ausgegraben  und  daas  der 
Strick  statt  am  Schweif,  am  Nacken  des  Hundes  befestigt  werden  soll. 

2)  Warum  der  Wurzelgräbcr,  der  ja  durch  Verstopfen  der  Ohren  gegen  dio  tödtllche 
Wirkung  des  Schreies  gescliützt  ist,  die  Pflanze  nicht  selbst  herauszieht,  wird  nirgends  er- 
örtert. Die  Verwendung  des  Hundes  gründet  sich  wohl  auf  den  einst  verbreiterten  Glauben, 
dass  man  bei  der  Gewinnung  werthvoller  Dinge,  z.B.  von  Schätzen,  ein  Leben  oder  eine 
Seele  oder  wenigstens  einen  Körpertheil  opfern  müsse. 

3)  Thomasius,  Dissert.  de  Mandragora  etc.    Lipsiae  1671,  nach  Frommann  1.  c. 

4)  Lyon  1718.   A.  IG9.    Aus  v.  Perger,  üeber  die  Alraune  (S.  268). 

5)  Das  Eisenkraut  (Verbena  officinalis  L.)  galt  bei  den  Aegjptem,  Griechen,  Römern  und 
Germanen  als  eine  der  heiligsten,  glückbringensfen  Pflanzen  und,  wie  die  Salbei,  fast  als 
üniversalmittel  gegen  Krankheiten.  Bock  (Kr&uterbuch  1.,  S.  56)  schreibt  daher:  ^Es  ist 
bei  vns  teütschen  kaum  ejn  kreütlin,  darmit  man  mehr  affenspil  treibt,  als  mit  dem 
Verbena." 


(745) 

verwahrte  sie  in  einem  Säckchen  aus  einem  Stück  Leinwand,  in  welche  eine 
Leiche  gehüllt  gewesen  war.  So  lange  er  diese  Wurzel  besass,  war  er  glücklich 
im  Handel,  gewann  im  Spiel,  fand  verschiedene  Dinge  auf  dem  Wege  und  nahm 
täglich  an  Wohlstand  zu.  Schade,  dass  diese  Alraune  in  neuerer  Zeit  ihre  Wirk- 
samkeit verloren! 

Als  einer  poetischen  Reminiscenz,  die  doch  schwerlich  ganz  auf  freier  Er- 
findung beruht,  gedenken  wir  folgender  Stelle  aus  Jul.  Wolff's  Rattenfänger  von 
Hameln,  die  sich  auf  Herstellung  eines  Talismans  aus  einer  Bilscnkrautwurzel 
bezieht: 

„mit  dem  Messer 
Schnitzt'  er  ans  der  starken  Wurzel 
Einen  Menschenleib  ....'* 

Ganz  so  vollständig,  wie  es  nach  dem  obigen  launigen  Stossseufzer  A. 
V.  Perger' 8  scheinen  möchte,  ist  übrigens  der  Glaube  an  die  Wirksamkeit  der 
Alraune  noch  nicht  ausgestorben.  Ein  Zuhörer  Prof.  Ascherson's,  stud.  phil. 
Paul  Graebner,  theilte  demselben  erst  kürzlich  mit,  dass  er  bei  einer  Bauerfi-au 
in  der  Nähe  von  Colberg  noch  vor  einigen  Jahren  einen  Alraun  in  Gestalt  einer 
verschrumpfter,  entfernt  menschenähnlichen  Wurzel  gesehen  habe,  mit  der  die 
gutmüthige  Alte  ihn  selbst  bei  einem  leichten  Unwohlsein  curiren  wollte. 

Für  den  Umfang,  den  der  Verkauf  von  Alräunchen  gewann,  ist  beachtenswerth, 
dass  zuweilen  selbst  die  Polizei  gegen  diesen  Industriezweig  einschritt.  Hars- 
dörffer  (a.  a.  0.,  H.,  S.  278)  berichtet:  „Zu  Hamburg  hat  man  drey  Weiber, 
welche  mit  diesen  wurtzeln  gehandelt,  mit  Ruten  aul^hauen  lassen  im  Jahr  1G30.'^ 

Wo  mögen  nur  die  vielen  Alräunchen,  welche  nach  den  Schilderungen  zeit- 
genössischer Schriftsteller  vorhanden  waren,  geblieben  sein?  Einzelne  mögen  wohl 
noch  in  den  alten  Truhen  gläubiger  Seelen  sorgfältig  gehütet  werden.  Indess  ge- 
hören dieselben  zu  den  grössten  Seltenheiten  öffentlicher  Sammlungen.  Ausser 
den  oben  genannten  im  Berliner,  Wiener  und  Bergener  Museum  befindet  sich  noch 
eines  im  germanischen  Museum  zu  Nürnberg.  Etwas  häufiger  trifft  man  Ab- 
bildungen. Durch  Vergleich  von  solchen,  wie  man  sie  bei  Key sl er,  Schmid, 
Perger  u.  A.  findet,  lernt  man  die  grosse  Mannichfaltigkeit  dieser  Objekte  am 
besten  kennen.  Die  Phantasiefiguren  im  Ortus  sanitatis  zeigen,  wie  man  sich 
die  ganze,  unter  dem  Galgen  wachsende  Mandragoraspflanze  dachte,  —  als  einen 
Mann  oder  eine  Frau,  aus  deren  Kopf  ziemlich  breite  Blätter,  (gelbe)  Blüthen  und 
Früchte  hervorwachsen. 

Nachschrift.  So  eben  geht  uns  der  Bericht  über  die  Sitzung  des  Preussischen 
Botanischen  Vereins  vom  21.  Januar  1892  (Rönigsberger  Hartungsche  Zeitung, 
26.  Februar,  zweite  Morgenausgabe)  zu,  dem  wir  folgende  für  unseren  Gegenstand 
höchst  interessante  Stelle  entnehmen:  „Hr.  Schultz  demonstrirte  als  ein  Curiosum 
die  sogenannte  „Glückswurzel",  welche  er  gelegentlich  seiner  vorjährigen  Reise 
in  Goldap  erstanden  hatte.  Es  besteht  diese  Glückswurzel  aus  nichts  anderem, 
als  aus  den  Wurzelstöcken  der  gelben  Schwertlilie  (Iris  Pseudacorus) ,  welche  in 
Sumpfgräben  und  an  Flussufem  bei  uns  nicht  selten  ist.  Der  Vortragende  er- 
wähnt, dass  derartige  Wurzelstöcke  in  Goldap  korbweise  zum  Verkauf  gebracht 
und  das  Stück  mit  10,  30  und  50  Pfennig  bezahlt  wird.  Der  höchste  Preis  wird 
für  solche  Exemplare  gezahlt,  welche,  wie  meist  bei  der  Alraunwurzel,  eine  ent- 
fernte Aehnlichkeit  mit  der  Menschengestalt  besitzen.  Das  Rhizom  soll  Leuten, 
die  es  kaufen  und  an  geheimen  Orten  aufbewahren,  nach  abergläubischen  Vor- 
stellungen Glück  (Reichthum,  Rindersegen)  bringen.  Dass  die  Verkäuferinnen 
derartiger  Amulette  damit  sehr  geheimnissvoll  thun,   ist  selbstverständlich,   denn 


(746) 

sonst  würde  der  Nimbus,  den  bei  uns  die  Wnrzelstöcke  der  gemeinen,  gelben 
Schwertlilie  gefunden  haben,  sehr  leicht  schwinden.  So  geben  sie  an,  dass  sie 
die  „GlückswurzeP  von  einer  blaublühenden  Lilie  im  Walde  zwischen  Hirschthal 
und  Jodapp  im  Kreise  Goldap  sammelten,  was  sich  jedoch  in  der  Folge  als  un- 
richtig erwiesen  hat,  denn  die  einzige  blaublühende  Schwertlilie,  welche  hin  and 
wieder  in  unserem  Gebiete  auf  Pluss-  oder  Waldwiesen  vorkommt,  Iris  sibirica, 
war  dort  nicht  zu  finden."  Nach  einer  schriftlichen  Mittheilung  des  Hm.  Schultz 
soll  das  Geschäft  nicht  schlecht  gehen  und  die  Glückswurzeln  sogar  bis  Berlin 
Absatz  finden.  — 

(32)  Der    als    Gast    anwesende    Hr.    Rosset    zeigt    Photographien   der 
Benong  Ahong,  Nhongeh,  welche  er  von  seiner  letzten  Reise  mitgebracht  hat 

(33)  Hr.  Rud.  Virchow  berichtet  über 

die  diesjährige  Greneralversammlang  der  deutschen  anthropologischen  Ge- 
sellschaft und  den  Stand  der  archäologischen  Forschung  in  We8^  ood 

Ostprenssen. 

Nachdem  die  schwere  Erkrankung  und  der  schnelle  Tod  unseres  GeschäiU- 
führers,  des  Dr.  Otto  Tischler,  zu  der  Aufgabe  des  Königsberger  Congresses  und 
zu  der  definitiven  Verlegung  desselben  nach  Danzig  gezwungen  hatte,  ist  die  Ve^ 
Sammlung  in  letzterer  Stadt  vom  3.-5.  August  d.  J.  in  programmmässiger  Weise 
abgehalten  worden.  Ein  grosser  Theil  der  Mitgheder  begab  sich  von  da  am 
G.  August  nach  Heia  und  am  7.  nach  Marienburg;  ein  etwas  kleinerer  setzte  alsdann 
die  Reise  nach  Elbing  und  am  8.  nach  Königsberg  fort,  um  den  Manen  des  so  schwer 
vermissten  Freundes  ihre  Verehrung  darzubringen  und  von  den,  zu  einem  wesent' 
liehen  An  theil  durch  ihn  zusammengebrachten  Sammlungen,  sowie  von  denen  der 
Prussia,  Kenntniss  zu  nehmen.  Eine  besondere  Excursion  brachte  die  Gesellscbafi 
in  das  Samland  zu  dem  berühmten  Bernstein -Bergwerk  von  Palmnicken  und  am 
12.  nach  dem  Kurischen  Hafi  und  der  Nehrung.  Von  da  führte  uns  am  13.  ein 
Regierungsdampfer  nach  der  littauischen  Küste  und  in  die  Ausflüsse  des  Memel- 
stroms,  zu  den  Elchen  und  nach  Russ.  Für  den  nächsten  Tag  war  ein  Aosfhig 
über  die  russische  Grenze  geplant,  allein  die  dortige  Behörde  hatte  so  eben  strengere 
Bestimmungen  über  den  Grenzverkehr  erlassen,  denen  wir  nicht  genügen  konnten, 
und  so  bestieg  am  Mittag  des  14.  der  inzwischen  zusammengeschmolzene  Rest  der 
Gesellschaft  in  Heydekrug  die  Eisenbahn,  um  über  Königsberg  heimwärts  zu  ziehen. 
Ich  blieb  mit  meiner  Familie  zurück,  um  noch  etwas  mehr  von  Land  und  Leatcn 
zu  sehen.    Darüber  werde  ich  nachher  sprechen. 

Jedenfalls  war  der  Congress  mit  diesem  Anhange,  sowohl  der  Dauer,  als  der 
räumlichen  Ausdehnung  des  besuchten  Gebietes  nach,  bei  Weitem  der  längste 
von  allen,  welche  die  deutsche  Gesellschaft  bisher  abgehalten  hat  Aber  er  bot 
auch  eine  solche  Mannichfaltigkeit  der  Anschauungen  und  eine  solche  Fülle  der 
interessantesten  Ausblicke  in  eine  halbfremde  Kultur,  dass  er  den  Theilnehmcrn 
gewiss  unvergesslich  bleiben  wird.  Unsere  Leiter,  in  Westpreussen  die  HHm 
Lissauer  und  Gonwentz,  in  Ostprenssen  die  HHrn.  Lindemann  und  Bezzen- 
berger,  werden  bei  uns  in  dankbarster  Erinnerung  bleiben.  Dazu  wird  nicht  «um 
Wenigsten  der  umstand  mitwirken,  dass  eine  grössere  Zahl  von  Theilnehniem,  *!• 
je  zuvor,  mit  photographischen  Apparaten  versehen  war  und  dass  daher  auch  die 
anderen  Mitglieder  auf  Schritt  und  Tritt  ihren  Angriffen  ausgesetzt  waren  Schon 
jetzt  bin  ich  im  Besitze  einer  Menge  vortrefflicher  Blätter:  ja,  Hr.  Bd.  Rrauie 


(747) 

hat  mir  za  meinem  Geburtstage  ein  prächtiges  Album  gewidmet,  welches  in  höchst 
gelungenen  Aufnahmen  Erinnerungen  von  Danzig  bis  Tnsterburg  umfasst.  Ein  sehr 
gut  gelungenes  Blatt  des  Hrn.  y.  Le  Goq,  im  Hofe  der  Marienburg  aufgenommen, 
die  ganze  Gesellschaft  darstellend,  ist  in  einer  Plattenyergrösserung  und  in  Licht- 
druck in  den  „Photographischen  Mittheilungen  für  Fachmänner  und  Liebhaber  von 
H.  W.  Vogel",  Berlin  1891,  veröffentlicht  worden. 

Die  Eröffnung  des  Congresses  geschah  in  Danzig  in  Abwesenheit  des  neu  er- 
nannten Oberpräsidenten  von  Westpreussen,  des  bisherigen  üntcrrichtsministers 
V.  Gossler,  des  langjährigen  Förderers  unserer  Gesellschaft  und  der  gesammten 
Alterthumsforschung  in  unserem  Vaterlande,  der  auch  bei  dieser  Gelegenheit  be- 
herzigenswerthe  Gedanken  über  die  Stellung  und  Bedeutung  unserer  Wissenschaft 
aussprach.  Ihm  zur  Seite  standen  die  Vertreter  der  westpreussischen  Communal- 
verbände  und  der  gelehrten  Gesellschaften  von  Danzig.  Statt  des  leider  wegen 
schwerer  Krankheit  aus  dem  Amte  geschiedenen,  hochverdienten  ersten  Bürger- 
meisters V.  Winter,  des  Begründers  des  westpreussischen  Museums,  sahen  wir 
den  neuen  Vertreter  der  städtischen  Behörden,  Hm.  Bürgermeister  Baumbach  in 
unserer  Mitte. 

Ueber  die  Verhandlungen  habe  ich  nicht  zu  sprechen,  da  der  stenographische 
Bericht  hoffentlich  binnen  Kurzem  in  dem  Correspondenzblatt  der  deutschen  Ge- 
sellschaft veröffentlicht  werden  wird.  Ich  beschränke  mich  darauf,  einige  Worte 
über  das  neue  westpreussische  Provinzial-Museum  zu  sagen.  Dasselbe  ist  in  dem 
vollständig  in  alterthümlicher  Weise  restaurirten  Grünen  Thor  und  in  dem  ehe- 
maligen Franciskaner-Kloster  untergebracht.  In  letzterem  befindet  sich,  unter  der 
liebevollen  Pflege  des  durch  seine  ethnologischen  Bilder  weit  bekannten  Malers 
Stryowsky,  die  historische  Abtheilung,  zu  der  vor  dem  Eingange  auch  eine  Samm- 
lung jener  merkwürdigen  Steinbilder,  der  letzten  westlichen  Ausläufer  der 
russischen  Baba's,  gehört.  Im  Grünen  Thor  dagegen  sind  durch  Hrn.  Conwentz 
die  natnrgeschichtliche  und  die  prähistorische  Sammlung  in  schönster  Ordnung  auf- 
gestellt; jene  besonders  ausgezeichnet  durch  lehrreiche  Stücke,  welche  die  Ge- 
schichte des  Bernsteins,  diese  durch  die  grösste  existirende  Sammlung  von  Gesichts- 
umen  und  durch  die  vorzügliche  Ausstellung  von  langen  Suiten  von  Funden  aus 
Gräberfeldern  der  Tene-Periode.  Sämmtliche  Provinzial-Sammlungcn,  namentlich 
die  von  Elbing,  Thom,  Graudenz,  hatten  ihre  merkwürdigsten  Stücke  dazu  her- 
geliehen. 

Es  darf  dabei  rühmend  hervorgehoben  werden,  dass  unter  finanzieller  Be- 
theilignng  der  Provinzial- Verwaltung  über  mehrere  Abschnitte  der  Prähistorie  vor- 
zügliche, auf  das  Prächtigste  illustrirte  Publikationen  veröffentlicht  sind  (vei-gl. 
die  Besprechung  in  der  Zeitschr.  f.  Ethnologie  1891,  S.  231.)  Die  dauernden  Be- 
mühungen des  Hrn.  Li s sauer  haben  für  das  Verständniss  der  Altsachen  überall 
den  Blick  geschärft;  eine  neue,  speciell  für  den  Congress  bestimmte  Arbeit  über 
die  Alterthümer  der  Bronzezeit  gab  uns  Gelegenheit,  die  scharfsinnigen  Beobach- 
tungen des  bewährten  Forschers  unmittelbar  zu  prüfen.  Allgemeines  Interesse  er- 
regten namentlich  die  auf  Tafel  XIV  daselbst  dargestellten  Ringhalskragen,  die 
sich  auch  bei  uns  noch  vorfinden,  und  von  denen  eine  getreue  Nachbildung  an  einer 
Gesichtsume  von  Friedensau  auf  der  Danziger  Höhe  dargestellt  ist  (ebend.  Fig.  12). 
Ich  habe  schon  früher,  als  ich  die  in  Pommern  gefundenen  Gesichtsumen  besprach 
(Verhandl.  1886,  S.  602,  604),  darauf  hingewiesen,  dass  der,  damals  als  Zopf  an- 
gesehene Körper  am  Hintertheil  des  Halsschmuckes  ein  Schloss  sein  dürfte,  wie 
es  damals  schon  von  einem  solchen  Schmuck  von  Telkwitz  bei  Buchwald  in 
Westpreussen   bekannt   war.     Auch  ist   durch  Hrn.  Ossowski  (Monum.    prehist. 


(748) 

de  l'ancienne  Pologne.  Cracovie  1885,  p.  83.  PI.  XVI.  Fig.  23  et  23  a)  bei  Kr. 
Jablau  (Jablöwko),  Kr.  Stargard,  eine  Urne  aufgefunden  worden,  freilich  ohne  Gesicht 
aber  sonst  von  der  gewöhnlichen  Form  der  Gesichtsurnen,  welche  den  Balsschroack 
mit  einem  deutlich  ausgeführten  Schlosse  trägt  (vergl.  auch  Lissauer,  Prähist 
Denkmäler  S.  91).  Jedenfalls  hat  sich  bestätigt,  was  ich  behauptete,  dass  in  den 
Gesichtsumen  ein  werthvolles  und  ganz  authentisches  ikonographisches  Material 
erhalten  ist,  welches  für  die  Chronologie  der  Bronzen  Ton  entscheidender  Be- 
deutung ist,  namentlich  für  die  Zeitbestimmung  der  Depotfunde  unmittelbare  An- 
knüpfungen gewährt. 

Im  Museum  des  Grünen  Thores  sahen  wir  auch  zuerst  eine  Sammlung  aas 
der  von  Hrn.  G.  Berendt  1875  entdeckten,  vielleicht  ältesten*)  Ansiedlung  in 
Westpreussen,  der  von  Tolkemit  am  frischen  Haff,  nordöstlich  von  Elbing. 
Weitere  Sammlungen  von  da  traf  ich  in  Elbing  und  Königsberg.  Auf  einer  Excursion 
von  Elbing  aus  kamen  wir  ganz  in  die  Nähe  Ton  Tolkemit;  wir  sahen  das  steil 
abfallende  Ufer  des  Plateaus,  auf  dessen  Höhe  die  alten  Abfälle  gelegen  hatten, 
aber  wir  standen  von  einem  Besuche  ab,  da  unsere  ortskundigen  Führer  ver- 
sicherten, dass  die  Rulturschichten  fast  gänzlich  abgestürzt  seien  und  dass  sich  nur 
am  Uferrande  gelegentlich  noch  einige  Reste  der  alten  Zeit  fänden.  Wenn  ich 
den  Eindruck  dessen,  was  wir  in  den  Sammlungen  sahen,  zusammenfasse,  so  ge- 
hörte die  Ansiedelung  von  Tolkemit  der  neolithischen  Zeit  an  (vgl.  Lissauer, 
Die  vorhist.  Denkmäler  der  Prov.  Westpreussen  1887,  S.  38).  Die  Steingeräthe  sind 
durchweg  geschliffen,  manche  durchbohrt,  und  zwar  bestehen  sie  durchweg  ans 
krystallinischem  Gestein;  in  der  Danziger  Sammlung  sah  ich  ein  einziges  Beil  ans 
rothem  Feuerstein.  Der  grösste  Theil  der  erhaltenen  Ueberreste  stammt  von  Tbon- 
geräth.  Darunter  tragen  viele  das  Schnur-  oder  Stichomament  in  schöner  Aus- 
führung (Lissauer  Taf.  II,  Fig.  14  und  17);  manche  haben  tiefe,  senkrechte, 
gerade  Eindrücke.  Einzelne  Stücke  sind  sehr  dick  und  mit  mächtigen,  breiten 
Henkeln  versehen.  In  Danzig  steht  eine  grössere  Wanne  aus  Thon;  in  Elbing  sah 
ich  ungemein  dicke  Stücke  mit  breiten  Henkeln  und  starken  Vorsprüngen,  von 
denen  einer  homartig  gestaltet  ist.  Eine  reiche  Collektion  von  Topfscherben  hat 
Tischler  in  der  Sammlung  der  Physikalisch-ökonomischen  Gesellschaft  in  Königs- 
berg aufgestellt  (vgl.  Katalog  der  Berliner  Ausstellung  von  1880,  S.  412.  Photogr- 
Album  von  Günther  und  Voss,  Sect.  I,  Taf  4). 

Eine  zweite  ähnliche  Stelle  hat  am  heiligen  Berge  bei  Oxhöft,  am  Nordende 
des  westlichen  Ufers  der  Danziger  Bucht,  existirt  (Lissauer  a.  a.  0.  S.  45).  Ich 
habe  schon  vor  Jahren  (Verhandl.  1875,  S.  99)  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass 
sich  unter  den  von  Prof  Lepkowsky  am  Strande  von  Oxhöft  gesammelten  und 
im  Krakauer  archäologischen  Cabinet  aufbewahrten  Thonscherben  solche  mit  dem 
Ketten-  oder  Bindfaden -Ornament  befinden.  Auch  im  Thomer  Museum  traf  ich 
derartige  Scherben. 

Das  Verzeichniss  der  prähistorischen  Denkmäler  Westpreussens  von  Hrn. 
Lissauer  enthält  noch  eine  Menge  von  neolithischen  Fundstellen,  aber  die 
Mehrzahl  derselben  betrifft  weder  Ansiedelungen  noch  Gräber.  Von  den  letzteren 
muss   wohl    angenommen    werden,   dass   sie   oder   wenigstens  die   bei  ihrer  Er- 


1)  G.  Berendt  in  seinem  vortrefflichen  Vortrage  „Geognostische  Blicke  in  Alt- 
Preussens  Uneit*  (Sammlung  gemeinverstftndl.  Wissenschaft!.  Vorträge  von  R.  Virchow 
und  V.  Holtzendorff  1871,  8.  818)  hält  für  die  Ältesten  Spuren  des  Menschen  gfwist<', 
in  Torfbrüchen  gefundene,  regelrechte  Kohlenstellen.  Immerhin  würden  diese  nicht  dir«t 
eine  Ansiedlung  anzeigen. 


(749) 

richtung  benutzten  Steine  schon  seit  la\iger  Zeit  yerschleppt  sind;  dass  sie  jedoch 
in  grösserer  Ausbreitung  vorhanden  gewesen  sein  müssen,  dafür  liefern  die  hier 
und  da  zerstreut  vorkommenden  Steinsetzungen  den  Beweis.  Am  besten  bekannt 
sind  die  in  nächster  Nähe  der  Südgrenze  der  Provinz  im  russischen  Polen  vor- 
kommenden megalithischen  Gräber,  von  denen  die  in  Cujavien  durch  Hm. 
V.  Erckert  untersucht  und  von  mir  (Verhandl.  1879,  S.  428,  1880,  S.  335,  428) 
genauer  erörtert  sind.  Von  da  sind  auch  Schädel  und  ein  vollständiges  Gerippe 
erhalten.  Die  neolithische  Bevölkerung  hat  sich  mit  gewissen  Variationen  ihres 
Inventars  weithin  von  jenseits  der  Weichsel  bis  tief  nach  Innerdeutschland  erstreckt, 
ohne  dass  bis  jetzt  eine  strengere  Scheidung  ihrer  einzelnen  Glieder  durchgeführt 
worden  wäre.  Bei  Einzelfunden  ist  es  zuweilen  kaum  möglich,  mit  Sicherheit  ihre 
Zugehörigkeit  zu  dieser  Periode  nachzuweisen. 

So  bemerkte  ich  in  der  Elbinger  Sammlung  einen  grossen  Hirschhorn- 
hammer mit  anscheinend  neolithischem  Ornament  von  Hirschfeld  bei  Elbing. 
Die  Oberfläche  desselben  zeigte  Reihen  von  sehr  regelmässigen,  annähernd  der 
Stichverzierung  angehörenden  Eindrücken:  mitten  über  die  Fläche  verlaufen  zwei 
parallele  Querreihen;  gegen  diese  richten  sich  unter  rechtem  Winkel  4  parallele 
Doppelreihen.  Sie  bestehen  sämmtlich  aus  pfeilspitzenähnlichen,  hinter  einander 
gestellten,  im  Ganzen  dreieckigen,  jedoch  nach  hinten  wie  mit  Widerhaken  ver- 
sehenen Eindrücken,  ganz  denen  ähnlich,  welche  auf  neolithischen  Thongefässen 
das  bekannte  Stichornament  bilden.  Die  genauere  Betrachtung  lehrte,  dass  sie 
geschnitten  waren.  Der  Hammer  selbst  ist  an  seinem  hinteren  Ende  flach,  nahe 
daran  liegt  ein  grosses,  länglich  viereckiges,  scharf  geschnittenes  Loch,  welches  für 
eine  Technik  späterer  Zeit  spricht;  das  vordere  Ende  ist  schräg  abgeschnitten,  so 
dass  eine  Art  von  Schneide  zu  Stande  kommt.  Ich  bin  um  so  mehr  geneigt,  dieses 
Stück  einer  jüngeren  Periode  zuzurechnen,  als  ich  ein  ähnliches  Ornament  auf 
Kämmen  von  dem  Neustädter  Felde  bei  Elbing  bemerkte,  welches  der  römischen 
Zeit  angehört.  — 

Für  die  Perioden  der  Bronzezeit  machen  sich  in  Westpreussen  ganz  andere 
Gesichtspunkte  geltend.  Die  ältere  Bronzezeit  ist  hauptsächlich  durch  Depotfunde 
vertreten  und  diese  finden  sich  vorzugsweise  in  den  Gebieten  links  von  der  Weichsel , 
in  unverkennbarem  Anschlüsse  an  die  pommerschen  und  posener  Funde*).  Da- 
gegen ist  die  jüngste  Bronzezeit,  im  Uebergange  zum  Eisen  (Hallstatt -Zeit}, 
in  zahlreichen  Steinkistengräbern  nachgewiesen,  unter  denen  sich  in  ganz  einziger 
Weise  die  schon  erwähnten  Gesichtsurnen  geltend  machen.  Ihr  Gebiet  über- 
schreitet gegen  Osten  nur  ausnahmsweise  die  Weichsel;  auch  die  in  Königsberg 
zahlreichen  Gefässe  dieser  Art  gehören  fast  alle  dem  linken  Weichselufer  an.  Von 
da  aus  erstreckt  sich  das  Gebiet  dieser  höchst  merkwürdigen  Thongefässe  durch 
einen  grossen  Theil  von  Hinterpommem  und  das  nördliche  Posen  bis  nach  dem 
nördlichen  Theile  von  Schlesien,  indem  es  in  unverkennbarer  Weise  eine  scharfe 


1)  Im  Museum  von  Elbing  sah  ich  einen  merkwürdigen  Depotfund  von  Culm,  den  seiner 
Zeit  der  Bauinspektor  Bauer  gemacht  haben  soll.  Beim  Pflügen  wurden  6  Ringe  und 
eine  Armspange  zu  Tage  gefördert.  Ich  habe  einen  grossen  und  schweren  offenen 
Bronzerint;  von  20  cm  Durchmesser  notirt,  der  eckig  und  scheinbar  durch  Uämmern  her- 
gestellt ist.  Er  hat  grosse  Aehnlichkeit  mit  den  Ringen,  welche  an  Urnen  von  Zaborowo 
oben  über  den  Deckel  gelegt  sind  (Verhandl.  1874  S.  224,  1875  S.  110)  und  welche  sich 
bei  der  Analyse  als  aus  Arsenikbronze  bestehend  erwiesen  (ebendas.  S.  24G).  Aehnliche 
Ringe  sah  ich  später  in  Königsberg  zahlreich;  sie  hatten  achteckigen  Schnitt  und  waren 
xum  Theil  schön  omamentirt. 


(750) 

Sonderung   der   damaligen  BeTölkerong  dieser  Gegend  von   allen  nmwobnenden 
Stämmen,  auch  von  den  ostpreussischen,  anzeigt. 

Bei  einer  früheren  Gelegenheit  (Verhandl.  1874,  S.  113),  als  ich  auf  einer 
Reise  durch  die  westlichen  Theile  dieses  Gebietes  die  vorhandenen  Sammlungen 
musterte,  stiess  ich  auf  die  sonderbare  Erscheinung,  dass  aus  den,  mit  einem 
mtltzenartigen  Deckel  versehenen  Gesichtsumen  durch  allmählichen  Verlust  der 
Gesichtstheile  einfachere  Gefässe  hervorgegangen  sind,  welche  zunächst  noch 
Ohrun  und  MtitzendeckeJ,  später  nur  noch  die  letzteren  besitzen.  Ich  bezeichnete 
diese  als  Ohren- und  als  Mützenurnen.  Gegen  die  Bezeichnung  „Mtitzendeckel* 
hat  Tischler  (Schriften  der  phys.-ökon.  Gesellsch.  zu  Königsberg  1881,  XXVll, 
S.  160)  eingewendet,  dass  sie  nicht  alle  Varianten  der  Deckel  umfasse,  welche  mit 
einer  stöpselartigcn  Verlängerung,  wie  ich  es  ausgedrückt  hatte,  in  die  Oeffnang 
der  Urne  eingreifen;  er  hat  deshalb  den  Namen  „Stöpseldeckel"  vorgeschlagen. 
Ich  habe  gegen  letztere  Bezeichnung  nichts  einzuwenden,  da  Stöpseldcckel  aaeb 
an  Orten  vorkommen,  wo  niemals  ein  Mützendeckel  beobachtet  ist,  aber  ich 
hatte  auch  keineswegs  die  Absicht,  mit  der  Bezeichnung  des  Mützendeckels  eine 
Deckelform  zu  bezeichnen,  welche  mit  einer  Mütze  keine  Aehnlichkeit  hat  Man 
mag  daher  immerhin  von  Stöpseldeckeln  generell  sprechen,  aber  für  das  feinere 
Verständniss  wird  meiner  Ansicht  nach  der  Name  der  Mützendeckel  und  der 
Mützenumen  beibehalten  werden  müssen.  Nur  durch  ihre  Beachtung  wird  man  im 
Stande  sein,  das  Gebiet  der  typischen  und  der  in  der  Entartung  begriffenen  Ge- 
sichtsumen sicher  abzugrenzen. 

Beiläufig  sei  noch  bemerkt,  was  ich  schon  damals  bestimmt  hervorhob,  dass 
das  Gebiet  der  Gesichtsumen  nicht  etwa  auf  das  Rtlstenland  zu  beschränken  und 
einer  maritimen  Einwanderung  zuzuschreiben  sei,  sondern  dass  es  sich  tief  in  das 
Binnenland,  und,  wie  ich  jetzt  hinzufüge,  weit  über  das  Weichselgebiet  hinaus  er- 
streckt. Ich  veranschlagte  diese  Gräber  als  spätestens  dem  4.  vorchristlichen 
Jahrhundert  angehörig,  und  ich  sehe  mit  Vergnügen,  dass  Hr.  Lissauer  in  seiner 
neuesten  Arbeit  zu  einem  ähnlichen  Schlüsse  gelangt.  Wenn  man  nach  der  jetzt 
üblichen  Bezeichnung  diese  Zeit  mit  dem  Namen  von  Hallstatt  belegt,  so  möchte 
ich,  um  ein  naheliegendes  Missverständniss  zu  vermeiden,  bemerken,  dass  äbnhchc 
Gefässc  weder  in  Hallstatt,  noch  in  dem  Zwischengebiete  zwischen  uns  und  dem 
alten  Noricum  gefunden  sind.  Wollen  wir  Anknüpfungen  suchen,  so  müssen  wir 
in  gerader  Linie  entweder  auf  Siebenbürgen  oder  auf  Etrurien  zurückgehen.  — 

Ein  ähnlicher  Gegensatz,  wie  bei  der  Bronzezeit,  zeigt  sich  in  We8^>reossen 
auch  in  der  Ten e -Zeit.  Tischler  (Schriften  der  phys-ökon.  Ges,  1888,  XXK, 
Sitz.-Ber.  S.  1 7)  hat  festgestellt,  dass  die  Tene-Periode  in  Ostpreussen  sich  nor  ein 
wenig  über  die  Weichsel  noch  in  Gräberfeldern  vertreten  findet,  nicht  mehr  weiter 
östlich,  wo  er  Gräber  dieser  Periode  nur  als  Nachbestattungen  in  älteren  Grab- 
hügeln nachweisen  konnte  (vergl.  1886,  XXVII,  S.  176;  1890,  XXXI,  8.  96).  Auf 
dem  rechten  Weichselufer  beginnt  die  lange  Reihe  der  Gräberfelder  der  Tene- 
Periode,  welche  sich  weithin  durch  Deutschland  bis  in  die  westlichen  und  sfid- 
lichen  Nachbarländer  erstrecken.  Sie  einem  einzigen  Volke,  wie  es  fOr  We«t- 
preussen  mit  den  Gothcn  geschehen  ist,  zuzuschreiben,  ist  also  ausgeschlossen. 
Offenbar  handelt  es  sich  hier  nicht  nm  ein  Volk  oder  einen  Stamm,  sondern  nm 
eine  Mode,  die  sich  scheinbar  schnell  über  einen  grossen  Theil  von  Europa  an*- 
gebreitet  hat.  Immerhin  bleibt  es  höchst  bemerkenswerth,  dass  diese  Mode  so 
wenig  in  den  Osten  eingedrungen  ist.  — 

Wir  kommen  dann  an  die  Funde  der  römischen  Zeit,  die  sich  in  West- 
preussen  vielfach  mit  denen  der  Tene-2ieit  vermischen.     Ihre  höchste  Entfaltung 


i 


(751) 

haben  sie  jenseits  der  Weichsel  gefunden,  wenngleich  sie  sich  bekanntlich  durch 
ganz  Deutschland,  auch  den  frei  gebliebenen  Theil  desselben,  vei breiten.  Das 
erste  grosse  Gräberfeld  der  Art  lernten  wir  in  Elbing  kennen,  wo  bekanntlich  in 
nächster  Nähe  der  Stadt,  auf  dem  Neustädter  Felde,  sehr  ausgedehnte  Ausgrabungen 
Seitens  der  dortigen  Alterthums-Oesellschaft,  zuerst  unter  der  sorgsamen  Leitung 
des  Hrn.  Anger  (Verhandl.  1877,  S.  259),  ausgeführt  worden  sind.  Ich  will  nur 
in  die  Erinnerung  zurückrufen,  dass  damals  Hr.  Kamm  eis  berg  eine  Analyse  einer 
Bronzefibel  Teranstaltete  und  darin  7,15  pGt.  Zink  auf  nur  2,22  pCt.  Zinn  fand. 
In  Elbing  habe  ich  gesehen,  dass  noch  zwei  andere  Analysen  durch  Hm.  Kehe- 
feldt  veranstaltet  worden  sind,  welche  bis  30  pGt.  Zink  und  fast  gar  kein  Zinn 
ergeben  haben.  — 

lieber  die  eigentliche  Völker wanderungszeit  fehlen  bis  jetzt  die  genaueren 
Nachweise.  Dagegen  sind  recht  zahlreich  die  üeberreste  aus  altslavischer  Zeit. 
Hr.  Li  SS  au  er  hat  dafür  den  Namen  der  arabisch-nordischen  Epoche  gewählt,  eine 
Bezeichnung,  die  mir  nicht  ganz  glücklich  erscheint,  zumal  da  Funde  der  Art  sich 
bis  tief  in  Gentral-Russland  verfolgen  lassen.  Wir  dürfen,  wie  mir  scheint,  vorläufig 
als  sicher  annehmen,  dass  die  Hacksilberfunde  auch  in  Wcstpreussen  den  Slaven  an- 
gehören. In  gleicher  Weise  ist  dahin  zu  rechnen  ein  grosser  Theil  der  Burgwälle, 
das  höchst  eigenthümliche  Thongeschirr,  die  immer  zunehmende  Zahl  der  Schläfen- 
ringe u.  A.  Funde  dieser  Art  sind  ungemein  häufig  bis  zur  Weichsel.  Ueber  diese 
hinaus  nimmt  nach  Osten  ihre  Zahl  schnell  ab.  Ausgezeichnete  Fundplätze  sind  der 
Lorenzberg  und  Caldus  bei  Culm  (Lissauer,  Denkmäler  S.  184.  Florkowski  in 
den  Nachrichten  über  deutsche  Alterthumsfunde  1891,  Heft  3).  Im  Elbinger 
Museum  sah  ich  auch  sehr  ausgeprägte  Omamenttypen  an  Scherben  von  dem 
dortigen  Armenkirchhofe,  wo  weder  ein  Burgwall,  noch  ein  Grab  vorhanden  sein 
soll,  sondern  nur  alte  Aschenplätze  verzeichnet  sind  (Verhandl.  1879,  S.  244). 
Jedenfalls  ist  aus  Ostpreussen  wenig  Sicheres  über  slavische  Funde  bekannt.  Ich 
werde  später  noch  auf  einige,  vielleicht  dahin  gehörige  Sachen  zurückkommen, 
möchte  aber  dringend  die  Aufmerksamkeit  der  Localforscher  darauf  hinlenken,  da 
vom  Nachweise  ihres  Verbreitungsbezirks  für  die  Beurth eilung  der  früheren  Be- 
siedelung  des  Landes  durch  slavische  Stämme  viel  abhängt  Es  gilt  dies  namentlich 
von  den  Burg-  und  Schlosswällen,  die  in  Ostpreussen  sehr  zahlreich  sind. 

Wir  sahen  einen  Burgwall  bei  Lenzen  am  frischen  Hafif,  den  wir  von 
Elbing  aus  unter  Leitung  unserer  dortigen  Freunde  besuchten.  Derselbe  krönt 
einen  der  hohen  Vorsprünge,  welche  das  von  tiefen  Schluchten  durchzogene  Hoch- 
land gegen  das  HaCT  vorschiebt.  Seine  Lage  ist  prächtig:  man  überschaut  von  da 
einen  grossen  Theil  des  frischen  Hafifs  und  die  ihn  abschliessende  Nehrung,  fast 
den  ganzen  Werder  mit  dem  Nogat-  und  Elbing-Fluss,  schliesslich  die  Höhen  des 
linken  Weichselufers  bis  nach  Oxhöft  hinüber.  Eine  Beschreibung  des  ßurgwalles 
nach  Prof.  Dorr  steht  in  Lissauer's  Denkmälern  S.  188;  darnach  wurden  Scherben 
vom  Burgwalltypus  und  solche  aus  älterer  Zeit  gesammelt.  Wir  selbst  fanden 
innerhalb  eines  niedrigen  Erdwalles,  der  die  Spitze  des  Berges  umzieht,  eine  sehr 
kleine  Fläche,  welche  wohl  nur  als  ein  vorübergehender  Zufluchtsplatz  dienen 
konnte;  in  der  Erde  lagen  zerstreut  Scherben  von  der  Zusammensetzung  und  dem 
Brande,  welche  den  slavischen  zukommen,  aber  wir  fanden  kein  ornamentirtes  Stück. 

Wir  schieden  aus  Westpreussen  mit  dankerfülltem  Herzen  für  alles  das  Schöne, 
was  wir  daselbst  gesehen  und  genossen  hatten.  Die  weitere  Reise  führte  uns  dann 
nach  Ostpreussen  und  zwar  direkt  nach  Königsberg,  wohin  ich  später  noch  ein- 
mal zurückkehrte.  Hier  befinden  sich  neben  einander  zwei  reich  ausgestattete 
Landes-Museen,  aus  der  Goncurrenz  der  Alterthums- Gesellschaft  Prussia  und  der 


(752) 

physikalisch-ökonomischen  Gesellschaft  hervorgegangen.  Die  erstere  war  mir  aus 
drei  früheren  Besuchen  wohlbekannt,  deren  ersten  ich  noch  unter  der  Leitung  des 
Begründers  derselben,  des  bekannten  Professors  August  Hagen  gemacht  hatte;  ich 
fand  sie  jetzt  in  einem  neuen  Local  und  sehr  vermehrt  durch  die  rege  Thätigkeit  des 
kürzlich  verstorbenen  Direktors  Bujack  und  seines  überaus  glücklichen  Beifers, 
des  Prof.  Heydeck.  Die  Sammlung  der  physikalisch -ökonomischen  Gesellschaft 
ist  eigentlich  erst  nach  meinen  Besuchen  hergestellt  worden,  und  zwar  ganz  weseni- 
licL  durch  die  unermüdlichen  Arbeiten  unseres  Freundes  Tischler  (seit  1874), 
dessen  ganzer  Stolz  sie  war  und  der  sie  uns  bei  dieser  Gelegenheit  hatte  zeigen 
sollen. 

Unser  erster  Besuch  in  dieser  Sammlung  war  daher  auch  vorzüglich  der 
Erinnerung  an  ihn  geweiht.  Die  Herren  Lindemann  und  Hirsch feld,  welche 
die  Sorge  für  diese  schöne  Sammlung  übernommen  hatten,  empfingen  uns  mit 
tief  empfundenen  Worten,  in  denen  sie  die  Tiefe  des  Verlustes  beklagten.  Als 
Vorsitzender  der  Gesellschaft  gab  ich  der  allgemeinen  Trauer  Ausdruck.  Wir 
seien  zu  dem  Entschlüsse  gekommen,  die  Versammlung  nach  Königsberg  zu  ver- 
legen, um  hier  durch  Tischler  selbst  eingeführt  zu  werden  in  die  Renntniss  der 
so  mühsam  durch  ihn  hergestellten  chronologischen  Ordnung  der  Funde,  für  welche 
es  bisher  in  ganz  Deutschland  keine  Parallele  gebe.  Gewohnt,  in  jedem  Jahre 
neue  und  scharfsinnige  Beobachtungen  aus  dem  Munde  eines  Mannes  zu  hören, 
der  besser,  als  sonst  jemand,  die  Sammlungen  von  ganz  Mitteleuropa  kannte  und 
die  genaueste  Buchführung  darüber  gehalten  hatte,  empfanden  wir  auf  das  Schmerz- 
lichste die  grosse  Lücke,  welche  wahrscheinlich  lange  Zeit  unansgefüUt  bleiben 
werde.  Möge  die  grosse  Zahl  erfahrener  Msnner,  die  sich  um  ihn  gesammelt 
haben,  der  schönen  Aufgabe  treu  bleiben,  welche  er  mit  ganzer  Hingabe  gefordert 
hat  und  für  welche,  wie  wir  uns  überzeugten,  keine  andere  Provinz  in  unserem 
Vaterlande  einen  gleich  ergiebigen  Boden  biete.  Als  ich  zum  ersten  Male  diese 
Stadt  besuchte,  gelang  es  mir,  einen  Freund  und  einstmaligen  Schüler,  Professor 
V.  Wittich,  zu  bestimmen,  sich  derartigen  Untersuchungen  zu  widmen.  Wir  ent- 
deckten in  dem  Staube  des  Archivs,  in  dem  damals  noch  Voigt  waltete,  eine 
Reihe  alter  Schädel  und  dazu  gehöriger  Fundstücke  von  Baigarden.  Sehr  bald 
häuften  sich  dann  die  Untersuchungen  und  sie  nahmen  eine  planmässige  Gestalt 
an.  Hr.  Berendt,  der  meine  Arbeiten  über  die  Gesichtsumen  in  erweiterter  Form 
aufnahm  und  sie  in  einem  klassischen  Werke  durchführte,  hat  das  grosse  Ver- 
dienst, in  den  verschiedensten  Theilen  des  Landes  das  praktische  Interesse  der 
Gebildeten  geweckt  zu  haben.  Aber  erst  Tischler  hat  jene  anhaltende  und  in 
vollstem  Maasse  sachverständige  Thätigkeit  entwickelt,  welche  die  ostprcussiscbe 
Archäologie  zu  einer  wahren  Musterschöpfung  gemacht  hat  Darum  Ehre  und 
unvergänglicher  Ruhm  seinem  Andenken! 

An  einem  der  nächsten  Nachmittage  versammelten  wir  uns  in  seinem  Hause. 
Da  er  sein  Grab  weit  ab  auf  dem  Familiengute  gefunden  hat,  so  konnten  wir  nur 
an  dieser  Stätte  die  Erinnerung  an  ihn  feiern.  Wir  betraten  sein  Arbeitszimmer, 
wir  standen  vor  seiner  Bibliothek,  wir  sahen  seine  Notizbücher,  wir  durchwanderten 
seinen  wohlgepflegten  Garten,  dessen  Abhang  gegen  den  Schlossteich  zwischen 
hohen  Bäumen  eine  Fülle  von  Gewächsen  in  üppigem  Wachsthum  zeigte,  die  er 
von  seinen  Reisen  heimgebracht  hatte.  Wir  sassen  in  wehmuthsvoller  Unterhaltung 
mit  seinen  Angehörigen  und  erweckten  in  uns  sein  Bild,  seine  Geschichte,  seine 
Lebensgewohnheiten,  seine  Pläne.  Es  waren  weihevolle  Augenblicke,  erfUllt  von 
Betrübniss  und  doch  auch  von  dem  Gefühl  der  Befriedigung,  dass  es  ihm  vergönnt 
gewesen   ist,   so   Grosses   zu   vollenden.     Mitten   in  der  Arbeit  ist  er  abgemleo 


(753) 

worden,  aber  doch  erst,  nachdem  er  sein  Werk  bis  zu  einem  gewissen  Abschlüsse 
gebracht  hatte. 

Es  würde  ein  sehr  an  vollständiges  Bild  von  dem  Reichthum  der  beiden  Königs- 
berger Sammlungen  gewähren  nnd  es  würde  auch  meine  Kräfte  übersteigen,  wenn 
ich  es  versuchen  wollte,  auch  nur  eine  flüchtige  Uebersicht  über  dieselben  geben 
zu  wollen.  Ich  beschränke  mich  daher  auf  einige  fragmentarische  Bemerkungen 
über  einzelne  Punkte,  die  unserem  Erfahrungskreise  femer  liegen  oder  die  be- 
sonders wichtige  Verhältnisse  betreffen. 

In  der  älteren  Prussia-Sammlung  finden  sich  ausser  zahlreichen  Einzelfunden 
aus  Stein,  Knochen  u.  dergl.  ursprünglichem  Material  einige  hervorragende  Funde 
der  ältesten  Periode  der  Besiedelung  Ostpreussens.  Eine  mir  bis  dahin  un- 
bekannt gebliebene  Publikation  der  Prussia-Gesellschaft  mag  dabei  vorweg  erwähnt 
werden:  Preussische  Steingeräthe,  auf  5  Tafeln  photographirt  von  H.  Prothmann, 
herausgegeben  und  erläutert  von  Georg  Bujack.    Königsberg  i.  Pr.  1875.   hoch-4". 

An  der  Spitze  des  Katalogs  unter  Nr.  1—12  stehen  die  Punde  aus  einem 
Hügelgrabe  im  Wäldchen  Kaup  (Kaps)  bei  Wiskiauten,  nicht  weit  von 
Krantz-Kuren  im  Kreise  Pischhausen.  Der  1873  von  Prof.  J.  Hey  deck  aufgedeckte 
Hügel  enthielt  unmittelbar  unter  dem  Rasen  eine  Brandstätte  mit  Urnen;  in  einer 
Tiefe  von  59  cm  zusammengeworfene  Menschenknochen  mit  einem  kleinen  bronzenen 
Meissel,  der  Verzierungen  in  gefiederter  Blattform  trägt,  und  einer  gebogenen  ge- 
schmiedeten bronzenen  Nadel ;  in  der  Tiefe  von  96  cm  ein  Skelet  (Pr.  Steingeräthe 
Taf.  V,  Fig.  21)  mit  einem  Messer  aus  Feuerstein  (ebendas.  Fig.  16)  und  einer 
Knochennadel  mit  Oehr  (Fig.  19);  sodann  146  cm  tief,  genau  unter  dem  ersten  Skelet, 
ein  anderes  in  derselben  Lage  und  mit  einem  Feuersteinsplitter  zwischen  den  Knochen 
der  rechten  Hand  (Fig.  17),  sowie  mit  einem  zweitheiligen  Gurt-Ende  aus  Knochen 
in  der  Beckengegend  (Fig.  20).  Die  zuerst  erwähnten  oberen  Lagen  gehören  offenbar 
Nachbestattungen  an  und  können  hier  ausser  Betracht  bleiben.  Der  eigentliche  Fund 
beginnt  erst  in  einer  Tiefe  von  96  cm.  Er  würde  der  palaeolithischen  Zeit  zu- 
gerechnet werden  können,  da  ausser  ein  Paar  Knochengeräthen  nur  zwei  Feuer- 
steinsplitter aufgeführt  werden,  die  sichtlich  von  Menschen  geschlagen  sind; 
namentlich  Fig.  16  ist  ein  langer  gebogener  Spahn  von  ganz  charakteristischer  Gestalt. 

Aber  der  Katalog  erwähnt  unter  Nr.  7  ein  ^durchlochtes  Beil  aus  Grünstein- 
Porphyr,  der  Schaft  aus  Holz  verwittert" ;  nach  meiner  persönlichen  Notiz  lag  dieses 
Beil  bei  dem  unteren  Skelet  und  war  polirt.  Damach  wäre  dieses  untere  Skelet 
als  ein  neolithisches  anzusprechen.  Am  auffälligsten  sind  die  bei  demselben  in 
der  Beckengegend  gefundenen  und  als  Gurt-Enden  bezeichneten  Knochenplatten, 
welche  die  Herren  des  Museums  für  Artefakte  aus  Renthiergeweih  hielten.  — 
Von  letzterem  konnte  ich  mich  nicht  bestimmt  überzeugen:  es  schien  mir  wahr- 
scheinlicher, dass  sie  vom  Elch  stammen.  Hr.  Prof.  Braun  versprach  mir  eine 
genauere  Vergleichung.  Die  eine  dieser  Platten  ist  an  einem  Ende  stark  verletzt, 
die  andere  ziemlich  gut  erhalten.  Sie  ist  sehr  dünn,  auf  der  Fläche  leicht  gebogen, 
nach  aussen  convex  und  ungefähr  von  der  Gestalt  eines  Korsets  oder  eines 
Manubrium  stemi,  nach  unten  stark  verjüngt  und  sanft  abgerundet,  nach  oben  weit 
ausgelegt  und  am  oberen  Rande  seicht  ausgebuchtet.  Nahe  dem  unteren  Rande 
sind  zwei  runde  Löcher,  ebenso  zwei  nahe  dem  oberen  Rande,  beide  ziemlich 
dicht  bei  einander.  Die  Oberfläche  ist  geglättet  und  mit  sehr  zierlichen  Ornamenten 
besetzt,  die  auf  beiden  Stücken  genau  übereinstimmen.'  Sic  bestehen  aus  zwei 
medianen,  ziemlich  breiten  Bändern,  welche  senkrecht  neben  einander  über  die 
vordere  Fläche  herablaufen  und  ein  sehr  regelmässiges  Wolfszahn-Ornament 

Verbmndi.  der  Berl.  Anthropol.  ßeielUchaift  1891.  43 


(754) 

zeigen.  Ein  ähnliches  laterales  Band  zieht  sich  rings  um  die  ganze  Platte,  den 
Aus-  und  Einbiegungen  des  Randes  folgend;  ein  drittes  schmäleres  verläuft  parallel 
mit  dem  lateralen,  nach  innen  von  demselben,  aber  während  die  andern  Bänder 
gegenständig  abwechselnde  Zähne  haben,  hat  dieses  nur  eine  einfache  Reihe. 

Die  beiden  Skelette  sind  in  einem  Glaskasten  in  natärlicher  Lage  über  ein- 
ander aufgestellt.  Beide  sind  „liegende  Hocker"  oder,  wie  der  Katalog  von  dem 
ersteren  sagt,  es  ist  „in  liegender  Stellung  mit  angezogenen  Beinknochen",  während 
das  zweite  „in  hockender  Stellung"  war.  Dabei  ist  zu  bemerken,  dass  das  erstere 
halb.auf  der  Seite  liegt,  und  dass  der  Feuerstein spahn  und  die  lange  Knochennadel 
theils  über,  theils  neben  dem  Becken  sich  befinden.  Die  Schädel  erscheinen  aus- 
gemacht dolichocephal.  Das  obere  Skelet  bietet  die  Zeichen  der  Arthritis  de- 
formans,  namentlich  an  den  Knieen  und  Wirbeln,  welche  letzteren  durch  supracarti- 
laginäre  Exostosen  verschmolzen  sind.  Dabei  sind  die  mittleren  Zähne  im  Ober- 
kiefer bis  tief  über  den  Schmelz  herunter  abgeschliffen,  während  die  im  Unter- 
kiefer unversehrt  sind.  Das  untere  Skelet,  welches  den  linken  Vorderarm  über 
die  Brust  gelegt  hat,  trägt  eine  grosse  Hiebwunde  rechts  am  Schädel. 

In  der,  von  den  HHm.  Kupffer  und  Bessel-Hagen  gelieferten  Bearbeitung 
der  Schädel  und  Skelette  der  anthropologischen  Sammlungen  zu  Königsberg  S.  49 
werden  auch  die  beiden  Schädel  von  Wiskiauten,  freilich  mit  der  Angabe:  „aus 
den  ersten  Jahrhunderten  n.  Chr.,"  aufgeführt.  Damach  berechnet  sich  für  den 
ersteren  ein  orthodolichocephales  Verhältniss  (L.-Br.-I.  =  68,8,  L.-H.-I.  =  64,3);  der 
zweite  erscheint  hypsidolichocephal  (L.-Br.-I. =63,1,  L.-H.-I.  =  74,7).  Man  wird  diese 
Ergebnisse  nicht  wörtlich  nehmen  dürfen,  da  die  Schädel  aus  zahlreichen  Bruch- 
stücken zusammengesetzt  sind  und  die  Maasse  dadurch  in  etwas  beeinflusst  sein 
werden.  Immerhin  wird  man  nicht  bezweifeln  dürfen,  dass  beide  Schädel  dolicho- 
cephal waren. 

In  den  „Preuss.  Steingeräthen"  wird  bemerkt,  dass  „ein  Parallelfund  zu  dem 
Skelet"  Pig.  21  (dem  oberen)  von  der  phys.-ökon.  Gesellschaft  auf  der  kuhschen 
Nehrung  bei  Rossitten  gemacht  sei,  bei  welchem  jedoch  nur  eine  Knochennadel 
und  ein  Feuersteinmesser  gewonnen  seien.  Hr.  Bezzenb erger  (Die  Kurische 
Nehrung  und  ihre  Bewohner.  Stuttgart  1889.  S.  249  [89])  spricht  gleichfalls  von 
einer  bei  Rossitten  gefundenen  Leiche  der  Steinzeit,  setzt  aber  hinzu,  dass  sie 
leider  durch  die  Arbeiter  bis  auf  einige  Knochenreste  zerstört  sei.  Als  Beigaben 
werden  hier  erwähnt,  ausser  der  stumpfen  Knochennadel  und  dem  Feuerstein- 
messer, eine  defecte  Steinaxt,  ein  halber  Bemsteinring,  eine  runde  Steinscheibe  (sog. 
Imatrastein?)  und  eine  kleine  versteinerte  Koralle;  also  das,  was  im  Photogr.  Album 
der  Berliner  Ausstellung  abgebildet  ist  (Sect.  I,  Taf.  V,  No.  164,  Katalog  8.  413). 

Dass  diese  Funde  der  Steinzeit,  und  zwar  der  jüngeren  Angehören,  scheint 
zweifellos.  Das  einzig  Bedenkliche  in  Bezug  auf  das  Grab  von  Wiskiauten  könnten 
die  bei  dem  unteren  Skelet  gefundenen  verzierten  Knochenplatten  sein,  und  zwar  des- 
halb, weil  das  Wolfszahn-Ornament  meist  erst  in  späterer  Zeit  auftritt,  bei  uns  im 
Norden  hauptsächlich  in  Gemeinschaft  mit  arabischen  Kunstartikeln  und  an  solchen. 
Ich  habe  dieses  Vorkommen  früher  ausführlich  erörtert  (Verb.  1877,  S.  393).  Wäre 
es  sicher,  dass  die  beiden  Platten  bei  dem  unteren  Skelet  gelegen  haben  und  nicht 
etwa  zufällig  in  die  offene  Grube  hineingefallen  sind,  so  würde  das  Auftreten  des 
Wolfszahn- Ornaments  weit  zurückversetzt  werden  müssen.  Für  unzulässig  halte 
ich  das  nicht,  da  bandförmige  Verzierungen  an  Knochengeräthen  der  neolithiscben 
Zeit  auch  im  Norden  vorkommen.  Ich  erinnere  an  das  von  mir  beschriebene 
„Falzbein"  von  Janischewek  in  Cujavien  (Verb.  1879,  S.  435,  Fig.  snb  3).  — 

Ich  übergehe  einige  andere,   offenbar  gleichfalls   der  neolithiscben  Zeit  an- 


(755) 

gehörige  Aufdeckungen,  z.  ß.  das  durch  sehr  charakteristische  Funde  ausgezeichnete 
Grab  von  Wuttrienen,  Kr.  AUenstein  (Berliner  Ausstellung  von  1880,  Katalog 
S.  413,  Nr.  165.  Photogr.  Album  Sect.  I,  Taf.  V.).  Nur  will  ich  ein  schon  früher 
von  mir  erwähntes,  recht  seltenes  Vorkommen  in  Erinnerung  bringen,  nehmlich  die 
mit  Feuersteinzähnen  besetzten  Hirschhorn-Harpunen,  die  vielleicht  auch 
als  Spitzen  von  Wurfspiessen  gedeutet  werden  könnten.  Die  Abbildung  einer  solchen 
aus  der  Sammlung  der  phys.-ökon.  Gesellschaft  in  dem  Photogr.  Album  Taf.  VI, 
Nr.  168,  bei  welcher  ausdrücklich  angegeben  ist,  dass  die  Feuersteinsplitter  ein- 
gekittet seien,  ist  etwas  undeutlich.  Viel  besser  ist  die  Abbildung  in  den  „Preuss. 
Steingeräthen"  Taf.  V,  Fig.  11,  die  sich  auf  ein  Stück  des  Prussia-Museums 
bezieht  und  eine  doppelte  Reihe  von  Feuersteinzähnen  zeigt  Die  Erklärung 
von  Bujack  lautet:  „Wurfpfeil  mit  ursprünglich  sechs  Widerhaken  aus  Feuerstein, 
welche  in  eine,  nach  beiden  Seiten  zugespitzte  Schäftung  aus  Knochen  mittelst 
einer  schwärzlichen  Masse  eingesetzt  sind.  An  dem  einen  Ende  der  Schäftung 
befindet  sich  der  üeberrest  desselben  Kitts,  mit  welchem  dies  Geräth  in  eine  Vor- 
richtung von  Holz  eingelassen  wurde.  Dirwangen  (Kr.  Rössel).  Vgl.  Nilsson  PI.  VI, 
No.  1 25  u.  1 26."  Ich  sah  dieses  prächtige  Geräth  im  Prussia-Museum  und  habe  mir 
notirt,  dass  es  aus  einem  Moor  in  Masuren  stamme.  Aus  dem  Katalog  ersehe  ich 
jedoch,  dass  das  Museum  ausser  dem  Dirwanger  Stück  noch  2  andere,  eines  von 
Jeglinen,  Kreis  Johannisburg,  und  eines  von  Garben,  Kreis  Stallupönen,  besitzt,  an 
welchen  die  Feuersteinzähne  noch  erhalten  sind;  ausserdem  werden  noch  4  Stück 
aufgeführt,  bei  denen  die  Feuersteine  verloren  gegangen  waren,  die  aber  dafür  offene 
longitudinale  Rinnen  oder  Fugen  besassen:  eines  von  Penken,  Kr.  Pr.  Eylau,  und 
eines  von  Kinwangen,  Kr.  Friedland,  beiderseits,  —  eines  von  Bialla,  Kr.  Johannis- 
burg, und  eines  von  unbekannter  Herkunft  (Nr.  85)  nur  auf  einer  Seite.  Der  Gebrauch 
dieser  Werkzeuge,  die  in  dem  Katalog  als  Fischstecher  bezeichnet  und  mit  ähn- 
lichen Geräthen  in  Neu-Seeland  parallelisirt  werden,  scheint  demnach  in  Preussen 
sehr  verbreitet  gewesen  zu  sein,  wie  denn  auch  die  gewöhnlichen  Hornharpunen 
mit  mehrfachen  Widerhaken  häufig  sind  (Photogr.  Album  Taf.  VI,  Fig.  170  u.  171). 

Im  Anschlüsse  daran  mag  daran  erinnert  sein,  dass  in  der  Oberforsterei 
Pöppeln,  Kreis  Labiau,  ein  Auerochsen-Schädel  gefunden  ist,  in  dem  noch  die  Spitze 
eines  Feuersteinspeers  steckte  (Verhandl.  1884,  S.  560).  — 

Das  der  phys.-ökon.  Gesellschaft  gehörige  Provinzial -Museum  besitzt  femer 
eine  für  die  neolithische  2ieit  höchst  wichtige,  hauptsächlich  keramische  Samm- 
lung von  der  Kurischen  Nehrung,  von  der  das  Photographische  Album  der 
Ausst.  auf  Taf.  UI  u.  IV  vortreffliche  Abbildungen  enthält;  die  Stücke  stammen 
sämmtlich  von  Nidden.  Sie  sind  begleitet  von  zahlreichen  Steinartefakten,  namentlich 
von  sog.  Messern  und  Schabern,  sowie  von  vortrefflich  gearbeiteten  Pfeilspitzen  aus 
Feuerstein  in  den  mannichfaltigsten  Formen  (Photogr.  Album  Taf.  I  u.  II)  und  von 
Hämmern  mit  Bohrzapfen,  von  Schleif-  und  Behausteinen.  Nach  dem  letzten  Bericht 
von  Tischler  (1890)  besass  das  Museum  bloss  von  der  Kurischen  Nehrung 
350  Pfeilspitzen,  220  wirkliche  Messer  und  Schaber,  und  fast  200  Aexte  und 
Hämmer.  Eine  besondere  Beachtung  verdient  die  grosse  Zahl  der  ausgebohrten 
Zapfen,  von  denen  57  vorhanden  waren. 

Für  die  ßeurtheilung  der  letzteren  ist  es  nicht  ohne  Bedeutung,  dass  sich 
ähnliche  Bohrzapfen  auch  in  den  russischen  Ostseeprovinzen  sehr  häufig  finden. 
Ich  habe  diesen  Punkt  in  dem  Bericht  über  meine  livländische  Reise  (Verh.  1877, 
8.  391)  ausführlich  besprochen  und  die  Natur  der  Zapfen  klargestellt.  Was  jedoch 
besonders  merkwürdig  ist,  das  ist  der  Umstand,  dass  sich  in  Livland  derartige 
Körper  in  Gräbern  finden,   und  zwar  auch  in  solchen,   welche  Bronze  und  Eisen 

48* 


(756) 

enthalten,  einzelne  sogar  in  Bronzefassnngen.  Ich  habe  damals  daraas  geschlossen, 
dass  auch  die  Bearbeitung  zu  einer  Zeit  stattgefunden  habe,  wo  Bronze  und  Eisen 
vorhanden  waren.  Ob  dieser  Schluss  ganz  sicher  war,  will  ich  gern  zur  Erörterung 
stellen,  aber  ich  möchte  auch  die  Frage  nicht  als  unzulässig  betrachten,  ob  die  vielen 
Bohrzapfen  der  Ruiischen  Nehrung  alle  der  neolithischen  Zeit  angehören.  Diese 
Frage  scheint  mir  um  so  wichtiger,  als  die  bisherigen  Annahmen  dahin  gehen, 
dass  die  Bewohnung  der  Rurischen  Nehrung  mit  der  Steinzeit  für  eine  lange  Zeit 
aufgehört  habe  und  dass  erst  sehr  viel  später  eine  neue  Besiedelung  eingetreten  sei. 

Für  die  Entscheidung  dieser  Frage  möchte  ich  auf  die  relative  Häufigkeit 
des  Zusammenvorkommens  von  Steinhämmern  mit  Metallbeigaben  in 
ostpreussischen  Gräbern  hinweisen.  Bei  verschiedenen  Gelegenheiten,  namentlich 
bei  Besprechung  einer  von  Hrn.  Bujack  gelieferten  Zusammenstellung  solcher 
Funde,  bin  ich  darauf  zurückgekommen  (Verhandl.  1888,  S.  427).  Ich  will  daraus 
hervorheben,  dass  in  einem  Grabe  der  Drusker  Forst,  Kr.  Wehlau,  ein  sehr  schöner 
durchlochter  Steinhammer  in  einer  Thonume  lag  (Sitz.-Ber.  der  Prussia  1887/8, 
8.  115,  Taf.  IV),  in  einem  anderen  ein  ganz  gleicher  neben  zerdrückten  Töpfen 
(Sitz.-Ber.  1888/89,  S.  141,  Taf.  V).  Allerdings  wurde  in  keinem  dieser  Gräber, 
welche  im  Uebrigen  Leichenbrand  zeigten,  Metall  aufgefunden,  aber  nach  der  Aus- 
stattung der  Nachbargräber  mit  Bronzeschmuck  war  zu  erschliessen,  dass  es  sich 
um  vorchristliche  Anlagen  handelte,  von  denen  einzelne  bis  in  die  römische  Zeit 
zu  reichen  scheinen.  Hr.  Bujack,  der  die  Ausgrabungen  leitete,  war  geneigt, 
eine  Beilegung  älterer  Steinäxte  in  Gräber  einer  späteren  Zeit  anzunehmen.  Indess 
führt  er  selbst  3  Stücke  des  Prussia -Museums  auf  (von  Fürstenau,  Löberts- 
hoff  und  Rirpehnen),  nehmlich  Bruchstücke  durchlochter  Steinbeile,  aus  Gräber- 
feldern der  römischen  Periode.  Auch  diese  Funde  sind  an  sich  nicht  von  ent- 
scheidender Bedeutung,  aber  sie  werden  künftig  in  Verbindung  mit  den  Vorkonun- 
nissen  auf  der  Nehrung  und  in  Livland  zu  erörtern  und  zu  verfolgen  sein.  — 

An  die  Steinzeit  haben  die  ostpreussischen  Forscher  eine  andere  Rategoric 
von  Funden  angeschlossen,  welche  allerdings  der  höchsten  Aufmerksamkeit  würdig 
sind:  die  Artefakte  aus  Bernstein.  Sonderbarerweise  sind  die  Hauptfundc  der- 
selben im  Rurischen  Haff  selbst  gemacht  worden,  unter  umständen,  welche  noch 
jetzt  nicht  eine  endgültige  Deutung  gefunden  haben.  Wir  besitzen  darüber  muster- 
hafte Arbeiten  des  Hm.  Rieh.  Rlebs,  namentlich  die  prächtige  Abhandlung:  „Der 
Bemsteinschmuck  der  Steinzeit  von  der  Baggerei  bei  Schwarzort,  Rönigsberg  1882*^, 
bei  welcher  der  Verf.  sich  der  Beihülfe  Tischler's  zu  erfreuen  hatte.  Da  ich 
selbst  mehrere  Wochen  in  Schwarzort  verweilte  und  noch  Zeuge  des  Abbruchs 
der  berühmten  Baggerei  war,  so  wird  es  vielleicht  Interesse  gewähren,  wenn  ich 
darüber  Einiges  sage. 

Schwarzort  liegt  ziemlich  weit  gegen  Norden  auf  der  Haffseite  der  Nehrung. 
Man  fahrt  von  da  in  einigen  Stunden  mit  dem  Dampfer  nach  Memel.  Das  Haff 
ist  hier,  nicht  weit  von  dem  einzigen,  jetzt  noch  vorhandenen  Ausflusse  in  das 
Meer,  schon  ziemlich  eng:  das  gegenüberliegende,  niedrige  Ufer  von  PrÖkuls  lasst 
sich  in  einer  halben  Stunde  im  Boote  erreichen.  Das  Fahrwasser  aber  ist  noch 
viel  enger.  Eine  Untiefe,  die  sich  von  dem  östlichen  Ufer  herüberzieht  und 
den  Fischern  für  die  Aufstellung  ihrer  Reusen  und  Netze  grosse  Bequemlichkeit 
gewährt,  zieht  sich  vom  jenseitigen  Ufer  bis  nahe  an  Schwarzort  heran.  Als 
grössere  Schiffe,  namentlich  Dampfer,  diesen  Weg  nahmen,  ergab  sich  alsbald 
die  Nothwendigkeit,  die  Fahrrinne  zu  verbreitem  und  zu  vertiefen.  Bei  den  von  der 
Regierung  angeordneten  Baggerarbeiten  kam  ungewöhnlich  viel  Bernstein  zu  Tage. 
Aehnliche  Funde  waren  schon  früher  auf  dem  benachbarten  Festlande  in  dem  Alt- 


(757) 

AUaviom  der  Lusze  bei  Prökuls  bekannt  geworden  und  hatten  1857  zur  Bildung 
einer  Gesellschaft  in  Memel,  unter  der  Firma  Stantien  und  Becker,  geführt, 
welche  die  Ausbeutung  des  dortigen  Lagers  unternahm.  Im  Jahre  1860  traten  sie 
mit  der  Regierung  in  ein  Pachtverhältniss,  um  auch  die  Aufschliessung  der  Untiefe 
im  Haff  und  die  Fortführung  der  Baggerarbeiten  auszuführen.  Ihre  Erwartungen 
bestätigten  sich  in  unerwartetem  Maasse,  und  es  erwuchs  im  Laufe  der  Jahre  eine 
förmliche  Flottille  Ton  Bagger-  und  Transportschiffen,  ein  Hafen  wurde  erbaut,  es 
entstand  eine  neue  Ansiedelung  von  Arbeitern,  und  der  stille  Platz  erfüllte  sich 
mit  regem  Verkehr.  Damals  bemerkte  man,  dass  unter  dem  ausgebaggerten 
Bernstein  nicht  selten  bearbeitete  Stücke,  selbst  figürliche  Darstellungen  von 
Menschen,  Torkamen;  es  wurden  Sammlungen  dayon  angelegt  und  mit  grosser 
Liberalität  interessante  Suiten  an  die  Museen  abgegeben.  Das  war  die  Grundlage 
für  die  Arbeit  des  Hm.  Rlebs. 

Als  wir  in  Schwarzort  eintrafen,  hatte  sich  Alles  verändert.  Nachdem  die  Er- 
träge der  Baggerei  sich  in  letzter  Zeit  von  Jahr  zu  Jahr  yermindert  hatten,  und 
Hr.  Becker,  der  gegenwärtig  mit  Hm.  Hagen  an  der  Spitze  des  Geschäfts  steht, 
die  Verarbeitung  und  den  kaufmännischen  Vertrieb  des  Bernsteins  nach  Wien  ver- 
legt hatte,  ist  das  Pachtverhältniss  gelöst  worden;  die  Regiemng  lässt  die  Bagger- 
arbeiten wieder  durch  Staatsschiffe  betreiben  und  die  alte  Firma  hat  ihre  gesammte 
Thätigkeit  nach  Palmnicken  im  Samlandc  übertragen,  wo  ganz  nahe  an  der  Rüste, 
selbst  bis  unter  das  Wasser  des  Meeres*),  der  Bemstein  bergmännisch  gefördert 
wird.  Die  noch  anwesenden  Mitglieder  des  Gongresses  besuchten  das  höchst 
interessante  Werk  am  11.  August  unter  persönlicher  Führung  des  Hm.  Hagen;  wir 
wurden  von  Frau  Geh.  Rath  Becker  in  gastlichster  Weise  empfangen  und  schieden 
am  Abend,  erstaunt  und  bewegt  ob  der  Fülle  des  Bernsteins,  den  noch  immer 
der  samländische  Boden  verborgen  hält.  Wir  sahen  hier  aus  den  abgebrochenen 
Gebäuden  vom  Schwarzorter  Hafen  neue  Fabrikgebäude  und  Arbeiterwohnungen 
erstehen,  und  konnten  uns  darauf  vorbereiten,  die  Zerstön|ng  der  Schwarzorter 
Anlagen  mit  Verständniss  zu  beurtheilen. 

Der  Bagger,  welcher  jetzt  dort  in  Thätigkeit  ist,  fördert  immer  noch  Bemstein 
zu  Tage.  Nicht  bloss  kleine  Stücke,  sondem  bis  halbmannskopfgrosse  Klumpen 
sah  ich  selbst  auf  demselben.  Wie  gross  die  Menge  früher  gewesen  ist,  davon 
kann  man  sich  sofort  überzeugen,  wenn  man  die  breiten  Strandanschüttungen  be- 
tritt, welche  ober-  und  unterhalb  von  Schwarzort  durch  den  ausgebaggerten  Schlamm 
in  das  Haff  hinein  angesetzt  worden  sind;  wohin  man  tritt,  da  liegt  Bernstein, 
meist  freilich  in  kleinen  Fragmenten,  jedoch  auch  in  grösseren  Stücken,  so  dass 
es  leicht  ist,  in  kürzester  Zeit  Hände  voll  davon  zu  sammeln.  Die  Dorf-  und 
Waldwege,  welche  in  weiter  Ausdehnung  mit  solchem  Schlamm  überdeckt  sind, 
erscheinen,  wenn  der  Wind  die  oberflächliche  Staubdecke  hinweggeblasen  hat, 
ganz  durchsetzt  mit  funkelnden  Partikeln. 

Dass  an  einer  Stelle,  wo  so  viel  Bemstein  vorhanden  ist,  derselbe  auch  be- 
arbeitet worden  ist,  würde  nichts  Auffallendes  haben,  wenn  das  Ganze  auf  dem 
Lande  zu  finden  wäre.  Nun  sind  allerdings,  wie  Hr.  Rlebs  nachweist,  ähnliche 
Artefakte  auch  auf  der  Nehmng  selbst  gefunden  worden,  aber  ihre  Zahl  ist  ver- 
schwindend klein  und  die  Nehmng  selbst  ist  anscheinend  gerade  hier  eine  so 
reine  Dünenbildung,  dass  darin  wohl  kaum  das  Urmaterial  gesucht  werden  kann. 
Andererseits  lässt  sich  wohl  denken,  dass  die  erwähnte  Untiefe  für  verschwemmten 
Bemstein  ein  günstiger  Absatzplatz  gewesen  ist.    Aber  woher  sollte  aller  dieser 

1)  In  diesem  Winter  ist  das  Meer  in  diese  Stollen  eingebrochen,  wobei  mehrere  Ar- 
beiter den  Tod  gefunden  haben.    (Nachträglicher  Zusatz  von  1892.) 


(758) 

Bernstein  gekommen  sein?  Nirgends  am  Haff  ist  eine  alte  Fabrikationsstelle  auf- 
gefimden  worden.  Es  bleibt  also  scheinbar  kaum  eine  andere  Deutung  tibrig,  als 
dass  der  ehemalige  Fabrikationsort  durch  Wasser  zerstört  worden  ist,  dass  er  sich 
aber  innerhalb  des  Bereiches  des  jetzigen  Haffs  befunden  haben  muss. 

Die  Aufmerksamkeit  hat  sich  daher  begreiflicherweise  auf  den  Untergrund 
gerichtet  und  das  Vorkommen  von  stärkeren  Hölzern  ist  in  der  That  l)ei  dem 
Baggern  festgestellt  worden.  Waren  hier  etwa  Pfahlbauten?  Hr.  Rlebs  hat  die«e 
Frage  aufgeworfen,  aber  imbeantwortet  gelassen.  Ich  möchte  dazu  bemerken,  dass 
es  mit  Pfählen  allein  nicht  gethan  sein  könnte.  Andere  Dinge,  die  fär  eine 
Ansiedelung  sprechen  möchten,  etwa  die  stets  treuen  Topfscherben  oder  andere 
Steingeräthe,  sind,  soweit  ich  ermitteln  konnte,  nie  heraufbefördert  worden.  So 
ist  denn  schliesslich  eine  Möglichkeit  stehen  geblieben,  die  nehmlich,  dass  hier 
oder  in  einiger  Entfernung  früher  fester  Boden  war,  der  vom  Wasser  hinweg- 
gerissen wurde  und  ron  dem  das  leichtere  Material  yerschwemmt  worden  ist  Die 
umfassenden  Arbeiten  des  Hrn.  Berendt  über  die  Entwickelungsgeschichte  des 
Haffs  und  der  Nehrung,  insbesondere  seine  Nachweise  wiederholter  Hebung  und 
Senkung  des  Landes  in  einer  Zeit,  welche  der  Mensch  noch  gesehen  haben  kann, 
bieten  eine  nicht  zu  unterschätzende  Stütze  für  eine  solche  Annahme. 

Von  der  Fülle  und  Mannichfaltigkeit  der  Artefakte  erhielten  wir  zuerst  eine 
Anschauung,  als  die  Firma  Stantien  und  Becker  auf  der  ersten  Fischerei-Aus- 
stellung in  Berlin  durch  eine  grosse  Bernsteinsammlung  alle  Welt  überraschte. 
Ich  besitze  seit  längerer  Zeit  durch  die  Güte  des  Hrn.  Klebs  eine  kleine,  aber 
sehr  instruktive  Collektion  bearbeiteter  Stücke.  Unsere  Gesellschaft  hatte  Gelegen- 
heit, in  dem  Königsberger  Bernstein -Museum  der  Firma  die  werth  vollsten  Funde 
zusammengestellt  zu  sehen,  und  manches  imserer  Mitglieder  durfte  eine  interessante 
Erinnerung,  ja  Originalstücke  mit  nach  Hause  nehmen.  Eine  Privatsammlung  des 
Hrn.  Dr.  Sommerfeld  gab  uns  zugleich  Gelegenheit,  eine  treffliche  vergleichende 
Zusammenstellung  des  Bernsteins  verschiedener  Länder  zu  mustern. 

Die  HHrn.  Rlebs  und  Tischler  sind  nach  langen  und  soiiglaltigen  Prüfungen 
zu  dem  Ergebniss  gelangt,  dass  die  Schwarzorter  Artefakte  durch  Männer  eine« 
Steinvolkes  und  zwar  mit  Feuersteinwerkzeugen  hergestellt  seien.  Sie  haben  den 
Nachweis  geführt,  dass  diese  Artefakte  von  denen  der  späteren  Zeit  in  Uanpt- 
stücken  verschieden  sind  und  dass  sie  eine  verhältnissmässig  spärliche  Verbreitung 
und  eine  nur  beschränkte  Area  des  Vorkommens  gefunden  haben.  Indess  ist 
Tischler  selbst  später  auf  Bernsteinschmuck  in  Hünengräbern  gestossen,  welcher 
mit  dem  Schwarzorter  in  vielen  Stücken  übereinstimmte,  und  er  hat  sich  nur  mit 
der  Annahme  helfen  können,  dass  die  Stücke  „zur  Steinzeit  gearbeitet,  in  die  Erde 
gerathen  und  von  dem  Erbauer  der  Hügel  wieder  aufgefunden  und  verwendet  seion*" 
(Schriften  der  phys.-ökon.  Ges.  1886,  XXVII,  S.  147).  Eine  Klärung  dieser  Fr»ge 
erwartete  er  von  künftigen  Entdeckungen.  Ich  kann  mich  dem  nur  anschliessen, 
da  ich  nach  manchen  Anzeichen  glaube,  dass  die  weitere  Ergründnng  der  prü- 
historischen  Funde  mindestens  eine  Erweiterung  des  Verbreitungsbezirkes  eigeben 
wird.  Nur  das  darf  ich  schon  jetzt  betonen,  dass  uns  hier  ein  neues  Beispiel 
entgegen  tritt,  wie  unter  der  ausdauernden  Beschäftigung  mit  einem  bestinunteo 
und  geeigneten  Materiale  sich  die  Kunstfertigkeit  der  alten  Arbeiter  zu  einer  Biihc 
entwickelt  hat,  welche  unser  Staunen  erregen  muss,  wenn  wir  sehen,  wie  tie 
von  den  einfachsten  Anfängen  sich  in  aller  Abgeschlossenheit  aus  eigener  Kraft  zu 
einer  immer  vollkommneren  Ausbildung  der  Form,  zu  einer  immer  grössemi 
Mannichfaltigkeit  der  Aufgaben,  schliesslich  zu  einer  gefälligen  Ornamentik  und 
selbst  zur  Nachbildung  der  menschlichen  Gestalt  emporgeschwungen  haben.  — 


(759) 

Mit  dem  Schlüsse  der  Steinzeit  „verliert  die  Nehrung  fast  jede  archäologische  Be- 
deutung. Es  sind  noch  drei  sehr  interessante  ältere  Bronzen  gefunden  (2  Gelte, 
1  Lanze),  vielleicht  auch  noch  ein  Armring,  einige  römische  Münzen:  das  ist  alles, 
was  zwei  Jahrtausende  auf  diesem  öden  Landstriche  zurückgelassen  haben,  bis  am 
Ende  des  Heidenthums  noch  einmal  ein  heller  Lichtstrahl  die  Archäologie  des 
Ostens  aufklären  sollte"  (Tischler,  Schriften  der  phys.-ökon.  Ges.  1890,  XXXI, 
S.  94).  Ich  kann  dem  nur  hinzufügen,  dass  der  Fischmoister  Hr.  Lardong  in 
Schwarzort,  der  sehr  aufmerksam  die  späteren  Funde  aus  der  Umgebung  gesammelt 
hat,  mir  nur  folgende  Gegenstände  zeigen  konnte: 

A.  von  dem  Nordtheil  der  Nehrung,  gegen  Memel  hin,  2  gebrochene,  grosse, 
geschliffene  und  gebohrte  Steinhämmer,  scheinbar  aus  Diorit, 

B.  südlich  von  Schwarzort,  gegen  Nidden,  30  Fuss  über  dem  Niveau,  auf  der 
Wanderdüne,  und  zwar  an  der  Seeseite  derselben, 

1.  eine  kleine,  abgebrochene,  glatte  ßeilschneide  aus  Thonstein, 

2.  einen  kleinen  geschliffenen  Keil  aus  schwarzem  Feuerstein, 

3.  ein  geschlagenes  trapezoides  Stück  aus  gleichem  Material. 

Die  Auffassungen  über  die  ostpreussische  Bronzezeit  haben  im  Laufe  der 
letzten  Jahre,  mit  dem  Fortschreiten  der  Erfahrungen,  grosse  Aenderungen  erfahren. 
Während  früher  die  Renntniss  der  älteren  Bronze  vorzugsweise  auf  Depot-  und 
Einzelfunde  beschränkt  war,  ist  es  neuerlich  gelungen,  Gräber  aufzudecken,  welche 
derselben  Periode  angehören;  Tischler  setzt  sie  um  ein  Jahrtausend  vor  Christo 
an.  Besonders  bemerkenswerth  sind  die  Gräber  von  Kantau  im  Samlande,  welche 
im  Jahre  1887  in  der  Nähe  von  Neu -Kuren  am  Strande  gefunden  wurden 
(Schriften  der  phys.-ökon.  Ges.  XXVIII.  Sitz.-Ber.  S.  11).  Später  entdeckte  man 
ähnliche  Gräber  ganz  in  der  Nähe  bei  Alknicken  (ebendas.  XXXJ,  1890,  Sitz.-Ber. 
S.  19).  Diese  Funde  erscheinen  deshalb  besonders  bemerkenswerth,  weil  sie  gerade 
das  eigentliche  Bemsteinland  betreffen  und  daher  für  die  Frage  des  alten  Handels- 
verkehrs eine  Anknüpfung  gewähren.  Ich  sah  die  Fundstücke  in  dem  Provinzial- 
Museum  und  will  hervorheben,  dass  mir,  ausser  einem  Axthammer  von  sehr  eigen- 
thümlicher  Form,  einem  Messer  von  Bronze  und  einer,  am  einen  Ende  schlangen- 
förmig  gebogenen  Nadel,  namentlich  eine  ganz  grosse  Nadel,  die  am  Ende  in  ein 
Spiralblatt  auslief,  aufgefallen  ist;  sie  erinnerte  mich  lebhaft  an  die  kaukasischen 
Nadeln  von  Kurabuitc  (Verhandl.  1890,  S.  419).  Die  meisten  Urnen  sind  nicht 
omamentirt,  besitzen  aber  Doppelgriffe  und  einen  leicht  umgebogenen,  welligen  Rand. 

Auch  im  Prussia-Museum  befindet  sich  eine  Sammlung  Rantauer  Fundstücke 
(Katalog  I.  2,  S.  7),  jedoch  bin  ich  zweifelhaft,  inwieweit  sie  derselben  Zeit  an- 
gehören. Denn  es  sind  bei  Rantau  auch  Hügelgräber  aufgedeckt  worden,  welche 
nach  Tischler^s  Angabe  zu  den  Steinkistengräbem  gehören.  Ich  will  daher  hier 
nur  erwähnen,  dass  ich  darunter  kleine  Gefässe  von  ganz  neolithischem  Charakter 
sah,  welche  am  Bauch  senkrecht  durchbohrte  Vorsprünge  tragen.  Auf  die  anderen 
werde  ich  noch  zurückkommen.  Dagegen  möchte  ich  darauf  aufmerksam  machen, 
was  ich  schon  früher  hervorhob  (Verh.  1886,  S.  383),  dass  Gefässe  mit  „kleinen, 
zweimal  senkrecht  durchbohrten  Hervorragungen"  auch  in  Gräbern  von  Fritzen, 
gleichfalls  in  dem  Wäldchen  Kaup  bei  Krantz,  gefunden  worden  sind.  Schon  da- 
mals habe  ich  auf  die  Aehnlichkeit  einer  dort  gewonnenen  Scheiben-  oder 
Spiegelnadel  mit  denjenigen,  die  ich  von  Koban  im  Kaukasus  beschrieb,  hin- 
gewiesen. Nachdem  ich  das  Stück  gesehen  habe,  das  ich  damals  nur  aus  einer 
Abbildung  kannte,  muss  ich  die  Analogie  bestätigen.  Ebendaselbst  ist  auch  ein 
grosser  gedrehter  Bügel  aus  Bronze  mit  weit  zurückgeschlagenen  Enden,  den  ich 
für  den  Henkel  eines  Gefässes  hielt,  und  ein  offener  Arm-  oder  Fussring  mit  ab- 


(7G0) 

geplatteten   Endknöpfen    zu    Tage    gekommen.      Der  Fundbericht    steht    in    den 
Sitzungsberichten  der  Alterthums-Gesellsch.  Prussia  für  1885— 80,  8.  5,  Taf.  I — II. 

Tischler  (Schriften  der  phys.-ökon.  Ges.  1888,  XXIX.  Sitz.-Ber.  S.  8,  Fig.  3) 
hat  den  eigenthümlichen  tordiiien  Bronzebogen,  die  er  für  Halsringe  hält,  den 
Namen  „Bügelringe"  beigelegt.  Er  beschreibt  einen  solchen  aus  einem  Depot* 
funde  von  Willkühnen,  Kr.  Königsberg;  derselbe  wurde  mit  einem  anderen 
grossen  Ringe,  5  Gelten  und  6  Armringen  gefanden.  Ich  muss  anerkennen,  nach- 
dem ich  diese  Stücke  im  Provinzial- Museum  gesehen  habe,  dass  die  Bügelringe 
als  Henkel  kaum  brauchbar  waren;  das  um-  und  zurückgelegte  Ende  ist  nehmlich 
angeschmolzen.  Aehnlich  verhält  es  sich  mit  zwei  Bügelringen  des  Danziger 
Museums,  von  denen  der  eine  (Lissauer,  Alterthümer  der  Bronzezeit  Taf.  VI, 
Fig.  15)  aus  einem  grösseren  Depotfunde  von  Brünnhausen,  Kr.  Putzig,  der  andere 
(ebendas.  Taf.  X,  Fig.  8)  aus  einem  Depotfunde  von  Gerdin,  Kr.  Dirschau,  stammt. 
Das  Grab  von  Fritzen  hat  für  alle  diese  Funde  eine  willkommene  Verbindung  her- 
gestellt. Man  wird  nicht  im  Zweifel  sein  können,  dass  sie  einer  jüngeren  Bronzezeit 
angehören.  Tischler  setzt  sie,  hauptsächlich  wegen  der  Torsion,  in  das  5.  Jahr- 
hundert V.  Chr.;  Lissauer  aber  weist  daraufhin,  dass  Ringe  dieses  Typus  in  West- 
preussen  und  Hinterpommern  schon  mit  entschieden  älteren  Bronzen  zusammen 
vorkommen.    Der  Fund  von  Fritzen  scheint  diese  Ansicht  bestimmt  zu  bestätigen.  — 

Sämmtliche  Gräber  der  Bronzezeit  in  Ostpreussen  gehören  der 
Zeit  des  Leichenbrandes  an.  Dass  die  Tene-Zeit  mit  ihren  Bestattungsgrabem 
bis  jetzt  nur  spurweise  in  der  Provinz  nachgewiesen  ist,  wurde  schon  hervor- 
gehoben. Dann  aber,  ungefähr  um  Christi  Geburt,  beginnt  die  Periode  der  grossen 
Gräberfelder  der  Eisenzeit,  welche  eine  gehäufte  Bevölkerung  voraussetzen;  sie 
haben  das  Hauptmaterial  für  die  chronologischen  Bestimmungen  geliefert,  da  nicht 
wenige  bekannt  geworden  sind,  in  welchen  die  Aufeinanderfolge  der  Perioden  un- 
mittelbar nachweisbar  war.  Mit  berechtigtem  Stolze  sagt  Tischler  in  dem  Jubiläums- 
bande der  Schriften  der  phys.-ökon.  Gesellsch.  1890,  S.  97:  „Die  Glanzperiode  der 
ostpreussischen  Urzeit,  das  1.  bis  4.  Jahrhundert  n.  Chr.,  bis  ins  5.,  nimmt  im 
Museum  den  grössten  Platz  ein,  und  diese  Ausgrabungen  liefern  auch  stets  die 
allerreichste  Ausbeute.^  Seine  ersten  Feststellungen  geschahen  auf  den  Gräber- 
feldern von  Dolkeim  und  Corjeiten.  Er  unterschied  (Schriften  der  Gesellsch.  188G, 
XXVII.  Sitz.-Ber.  S.  22)  3  Perioden: 

1.  Gräber  der  ersten  und  eines  grossen  Theils  der  zweiten  Periode,  vor- 
wiegend Skeletgräber, 

2.  Gräber  vom  Ende  des  zweiten  und  aus  dem  dritten  Jahrhundert:  aus- 
schliesslich Leichenbrand  in  sehr  grossen  Aschenumen, 

3.  Gräber   vom  Ende   des   dritten   bis   zum   Anfange   des   fünften  Jahr- 
hunderts: Beisetzung  in  freier  Erde. 

Diesen  Perioden  entsprechen  die  berühmten  Unterscheidungen  der  Fibeln, 
welche  Tischler  aufgefunden  hat.  In  der  zweiten  trifft  man  häufig  römische 
Münzen.  Während  dieser  ganzen  Zeit  nimmt  er  an,  dass  hier  germanische 
(gothische)  Stämme  sassen,  während  sie  Westpreussen  schon  im  Anfange  des 
dritten  Jahrhunderts  geräumt  hatten. 

Auf  weitere  Einzelheiten  kann  ich  hier  nicht  eingehen.  Ich  möchte  nur  auf 
die  grosse  Mannichfalügkeit  der  Urnen  aufmerksam  machen.  Unter  diesen  erregte 
meine  Aufmerksamkeit  namentlich  eine  grössere  Anzahl,  welche  mehrfach 
durchlochte  Henkel'  besasscn.  Ich  habe  seitdem  gesehen,  dass  Tischler 
diese  wesentlich  der  Tene-Periode,  freilich  meist  Nachbestattungen,  zurechnete.  Er 
beschrieb  die  ersten  aus  einem  Grabe  von  Warschken  in  der  Nähe  von  Gennau, 


(761) 

Kr.  PischhauBen  (1886,  XXVn,  S.  165,  Taf.  V,  Fig.  8),  und  von  St.  Lorenz  (ebend. 
S.  170,  Taf.  V,  Fig.  13),  und  machte  auf  das  Vorkommen  ähnlicher  in  Rantau  und 
Kudau  aufmerksam.  Ein  solches  Gefäss  von  Rudau,  Kr.  Fischhausen,  ist  in  den 
Schriften  1888,  Taf.  I,  Fig.  18  abgebildet  Ich  fand  weitere  von  Rantau  im  Prussia- 
Museum,  von  Corjeiten  und  Tenkieten  im  Provinzial-Museum.  Mir  waren  diese 
Formen  ganz  neu  und  ich  interessirte  mich  um  so  mehr  dafür,  als  auch  die  Gefässe 
manche  Eigen thümlichkeit  zeigen,  die  meiner  Ansicht  nach  sie  bis  nahe  an  oder 
in  die  Zeit  der  Steinkistengräber  hinaufreichen  lässt. 

Zunächst  was  die  Form  betrifft,  so  sind  es  grosse  Urnen  von  doppelkonischer 
Gestalt,  d.  h.  sie  sehen  aus,  wie  wenn  zwei  an  der  Spitze  abgeschnittene  Kegel 
mit  ihren  Grundflächen  auf  einander  gesetzt  wurden.  Dadurch  entsteht  ein  starker 
äquatorialer  Vorsprung,  der  zuweilen  geradezu  kantig  ist  Der  obere  Theil  ver- 
längert sich  oft  erheblich  und  verjüngt  sich  dann  auch  mehr  und  mehr  bis  zu 
dem  Rande.  Sie  nähern  sich  dadurch  jener  Art  altitalischer  Gefässe,  welche  ich 
Pagodenurnen  genannt  und  mit  den  etruskischen  Gesichtsurnen  in  Beziehung 
gebracht  habe  (Verhandl.  1883,  S.  326.  Sitzungsberichte  der  Akademie  der  Wissen- 
schaften, Berlin  1883,  S.  1013).  Graf  Gozzadini  hat  deren  aus  dem  Gräberfelde 
von  Villanova  beschrieben  (a  due  coni  uniti  per  la  base},  doch  finden  sie  sich 
schon  in  Marino  und  Corneto.  Nun  giebt  es  freilich  einen  grossen  Unterschied  in 
den  Henkeln,  indem  die  italischen  den  Henkel  an  dem  unteren  Kegel,  die  ost- 
preussischen  dagegen  an  dem  oberen  Kegel  haben.  Ueber  diesen  zieht  sich 
nehmlich  auf  einer  Seite  ein  langer  Grabt  aus  Thon  herunter,  der  gelegentlich 
mit  2  (Warschken,  Corjeiten)  oder  mit  3  (St  Lorenz,  Rudan)  oder  mit  4  (Rantau) 
grösseren  Oeflhungen  durchbrochen  ist  An  einer  Urne  von  Tenkieten  hat  der 
Grabt  die  Gestalt  eines  zweizackigen  Vorsprungs;  andermal  zeigt  er  rundliche  Ab- 
theiluDgen,  den  einzelnen  Oeffnungen  entsprechend,  so  dass  er  wie  aus  mehreren 
Henkeln  über  einander  zusammengesetzt  erscheint. 

Dazu  kommen  Stöpseldeckel.  Bei  einer  Urne  von  Tenkieten  reicht  die  Form 
schon  ganz  nahe  an  die  Mützenform  heran.  Die  Oberfläche  der  Urnen  selbst  ist  häufig 
omamentirt,  am  ausgiebigsten  an  einer,  auch  sonst  sehr  merkwürdigen  Urne  von 
Rantau  im  Prussia- Museum.  Hier  ziehen  sich  um  die  Aequatorialgegend  mehrere 
gürtelförmige  Zonen,  durch  Querlinien  begrenzt  und  mit  Gruppen  von  Schräg- 
strichen in  wechselnder  Neigung  erfüllt,  nach  oben  eine  Zone  mit  Grübchen,  nach 
unten  feine  Gruppen  eingestochener  Ornamente.  An  dem  oberen  Kegel,  dicht  unter 
der  Randeinziehung,  sind  kleine  Männchen  mit  Kopf,  Leib,  Armen  und 
Beinen,  freilich  sehr  rudimentär,  eingeritzt,  zwischen  denen  sich  Reihen  kurzer 
Schrägstriche  hinziehen.  Die  Zeichnimg  hat  viel  Aehnlichkeit  mit  den  mensch- 
lichen Figuren,  die  an  westpreussischen  Gesichtsurnen  angebracht  sind. 

Diese  Bemerkungen  mögen  der  weiteren  Erwägung  der  ostpreussischen  Fach- 
genossen anheimgegeben  sein.  Natürlich  müsste  eine  genaue  Revision  der  sonstigen 
Fundstücke  vorgenommen  werden,  um  die  Zeitstellung  dieser  Gefässe  sicher  zu 
stellen.  Ergiebt  sich  darnach,  was  ich  für  wahrscheinlich  halte,  dass  sie  der 
Tene-Zeit  angehören,  so  würde  es  sich  doch  fragen,  ob  sie  nicht  der  ältesten 
Periode  derselben  zuzurechnen  seien  und  ob  sie  nicht  Repräsentanten  des  Ueber- 
ganges  von  der  Hallstatt-Sjeit  darstellen.  Schon  Undset  (Das  erste  Auftreten  des 
Eisens  in  Nordeuropa.  Deutsch  von  J.  Mestorf.  S.  153)  stellt  die  ostpreussischen 
Urnen  mit  menschlichen  Figuren,  von  denen  er  eine  vollständige  und  ein  Bruch- 
stück von  Tirkehnen  (Taf.  XV,  Fig.  16  u.  17)  abbildet,  als  Zeitgenossen  der  west- 
preussischen Gesichtsumen  dar,  wie  er  denn  auch  Beispiele  von  Mützendeckeln 
citirt.     Ich  will  übrigens   nicht   verfehlen,   auf  die  Aehnlichkeit  der  Figuren  mit 


(762) 

denen  der  schwedischen  Hällristningar  und  einiger  schleswig-holsteinischer  Urnen 
(von  Hadersleben  und  Borgstedt,  38.  Bericht  zur  Alterthumskunde  Schleswig-Hol- 
steins, 1885,  S.  21.  Mestorf,  Vorgesch.  Alterthümer  aus  Schleswig-Holstein,  S.  22, 
Taf.  XLI,  Fig.  464  u.  468)  aufmerksam  zu  machen.  — 

Aeusserst  dunkel  ist  die  Frage  nach  den  Gründen  des  Wechsels  in  der 
Art  des  Begräbnisses.  Hier  ist  der  Gegensatz  unserer  Erfahrungen  gegen  die 
ostpreussischen  besonders  gross.  Zu  einer  Zeit,  wo  im  übrigen  Ostdeutschland 
überall  noch  Leichen brand  und  Umenbestattung  herrschte,  treffen  wir  hier  Skelet- 
gräber,  —  eine  höchst  fremdartige  Erscheinung,  die  wohl  daran  denken  lassen 
könnte,  dass  sie  einer  Einwanderung  von  auswärts  zuzuschreiben  sei.  Cm  so 
auffälliger  ist  dann  das  erneute  Auftreten  des  Leichenbrandes  in  der  Zeit  des 
römischen  Einflasses,  wo  das  Neustädter  Feld  bei  Elbing  zahlreiche  Skeletgräber 
zeigt.  Hier  wäre  es  höchst  wünschenswerth,  dass  Localforscher  durch  eine  aus- 
gedehnte Zusammenstellung  aller  Localfunde  mit  ihren  charakteristischen  Beigaben 
eine  authentische  Grundlage  für  das  Urtheil  herstellten.  Ausgiebige,  wenn  möglich 
illustrirte  Kataloge  mit  scharfer  Sonderung  der  zusammengehörigen  Fundstücke, 
woran  es  noch  ganz  fehlt,  würden  das  Werk  sehr  erleichtem.  — 

Zeichen  der  sl avischen  Einwanderung  machen  sich  demnächst  bemerkbar. 
Man  hat  in  Ostpreussen  etwas  lange  gezögert,  die  Erfahrungen,  welche  wir  in 
Pommern,  Meklenburg,  der  Mark,  Schlesien,  Sachsen  und  weiter  südlich  gemacht 
haben,  zu  yerwerthen.  Es  ist,  soweit  ich  sehe,  auch  eines  der  grossen  Verdienste 
von  Tischler,  die  Identität  der  Gefässscherben  dieser  Periode,  namentlich  in  Be- 
ziehung auf  ihre  Ornamente,  mit  den  westslavischen  ausgesprochen  zu  haben 
(Katalog  der  Berliner  Ausstellung  von  1880,  S.  410).  In  der  That  liessen  die  auf 
unserer  Ausstellung  gezeigten  Stücke  von  Szittkehmen,  Statzen,  Rossitten  (Korallen- 
berge)  und  Mewe  (Heidenschanzen)  darüber  keinen  Zweifel  (Photograph.  Album 
Taf.  19  u.  20).  In  den  Berichten  der  Prussia,  so  in  der  Beschreibung  des  Bui^- 
walls  oder  der  Ansiedelung  von  Bosemb,  Kr.  Sensburg  (1885.86,  S.  119,  135),  wird 
trotz  der  überraschenden  Aehnlichkeit  der  Ornamente  (das.  Taf.  XU,  veigl.  diese 
Verhandl.  1886,  S.  383)  jede  Beziehung  auf  das  slavische  Element  vermieden. 
Nun  folgt  freilich  aus  der  Uebcreinstimmung  des  Thongeräthes  mit  dem  aus- 
gemacht slavischen,  welches  mit  der  Weichsel  beginnt  und  sich  bis  über  die  Elbe 
erstreckt,  noch  nicht,  dass  auch  die  ostpreussischen  Scherben  von  Slaven  herrühren. 
Tischler  selbst  sprach  von  „slavisch-preussischen"  Scherben,  ja  er  erklärte  (Be- 
richt von  1890,  S.  102),  dass  die  Scherben  der  Preussen  mit  denen  der  Slaven  in 
Westprenssen  ganz  identisch  seien. 

Man  könnte  nun  meinen,  diese  Schwierigkeit  sei  topographisch  zu  lösen. 
Historisch  betrachtet,  scheinen  die  Slaven  von  Süden  her  in  zwei  Richtungen  in 
das  nachmalige  preussische  Gebiet  eingedrungen  zu  sein:  im  Osten  in  Masuren 
und  im  Westen  in  Pomerellen,  von  wo  sie,  wie  wir  früher  (S.  751)  sahen,  ein 
wenig  über  die  Weichsel  hinübergegriffen  haben.  Auf  dem  rechten  Weichselufer 
rechnete  man  das  polnische  Gebiet  bis  zur  Ossa,  so  dass  also  das  Culmer  Land 
noch  ganz  slavisch  war  (Zeuss,  Die  Deutschen  und  ihre  Nachbaretämme  S.  676, 
Anm.).  Soviel  ich  wahrnehme,  ist  über  die  Deutung  derjenigen  Fundstücke,  welche 
aus  diesen  Landestheilen  stammen,  keine  Differenz.  Was  Masuren  betrifft,  so  ge- 
hören dahin  die,  mit  grossen  steilen  Wellen  besetzten  Scherben  von  Statzen  bei 
Olctzko  und  aus  den  Gräbern  von  Szittkehmen  bei  Goldap,  an  denen  ausser  Wellen 
und  grossen  und  kleinen  Gurven  auch  blosse  Ringlinien  und  Stempelcindrücke  ver- 
schiedener Art  angebracht  sind.  Allein  das  topographische  Merkmal  reicht  nicht  aus. 
Wenn  im  Samlande  derartige  Scherben,  z.  B.  in  Dolkeim,  vorkommen,  so  steht  der 


(763) 

Mangel  jeder  historischen  Erinnerung  an  eine  daselbst  stattgehabte  Einwanderung 
slavischer  Elemente  der  Annahme,  dass  die  dortigen  Aschenplätze,  auf  denen 
Scherben  mit  Wellen,  Schrägeindrücken  und  blossen  Kippen,  aber  auch  eine  grosse 
Bronzeschale  mit  eingeritzten  Ovalen  gefunden  wurden,  slavischen  Ursprungs  seien, 
nicht  mit  beweisender  Kraft  entgegen,  denn  die  Zeit  Tom  Ende  des  5.  bis  zum 
10.  Jahrhundert  und  noch  später  ist  nur  sehr  spärlich  Gegenstand  historischer  Be- 
richte gewesen,  und  es  ist  recht  wohl  denkbar,  dass  während  dieser  Zeit  auch  das 
Samland  eine  kürzere  oder  längere  Besiedelung  durch  Slaven  erfahren  hat  Lässt 
doch  Adam  von  Bremen  Schiffe  von  Julin  nach  dem  Samlande  fahren,  aber  freilich 
setzt  er  hinzu:  prorinciam  quam  possident  Pruzzi.  Wenn  das  Gräberfeld  von  Cor- 
jeiten,  das  Jahrhunderte  hindurch  von  germanischen  Leuten  benutzt  worden  ist,  in 
seinen  jüngeren  Theilen  Aschenplätze  mit  Scherben,  die  das  Wellenomament  tragen, 
enthält  (Schriften  der  phys.-ökon.  Ges.  1886,  Sitz.-Ber.  S.  24),  so  vermisse  ich  in 
seinem  Inventar  charakteristische  Bestandtheile,  welche  auf  eine  ethnisch  von  den 
Slaven  verschiedene  Bevölkerung  hindeuten. 

Allerdings  erscheinen  in  derselben  Gegend  die  Zeichen  einer  anderen  Be- 
völkerung. Vollgültige  Zeugnisse  dafür  wurden  zuerst  von  Schi efferdecker  1871 
auf  der  Rurischen  Nehrung  aufgefunden.  Hier  waren  bei  der  Verschiebung  der 
Dünen  gegen  Osten  in  der  Nähe  von  Rossitten  die  Reste  einer  alten  Ansiedelung 
und  eines  dazu  gehörigen  Kirchhofes  auf  der  Westseite  blossgelegt  worden.  Man 
nannte  diesen,  sonst  ganz  namenlosen  Ort  nach  einer  alten,  übrigens  zweifelhaften 
Angabe  auf  einer  Landkarte,  Stangenwalde.  Nach  den  aufgefundenen  Münzen 
Hess  sich  feststellen,  dass  nach  1850  keine  Beerdigungen  mehr  stattgefunden  hatten, 
dagegen  konnten  für  den  Anfang  der  Benutzung  des  Kirchhofes  keine  älteren 
Münzen,  als  eine  aus  dem  12.  Jahrhundert,  entdeckt  werden.  Das  genauere  Studium 
der  Beigaben  ergab,  dass  dieselben  genau  übereinstimmten  mit  denen  aus  livländischen 
Gräbern.  Als  ich  1877  (Verhandl.  S.  389)  aus  Livland  zurückkehrte  und  die  Funde 
von  Stangenwalde  im  Prussia-Museum  prilfte,  konnte  ich  diese  Uebereinstimmung 
vollauf  bestätigen.  Ueber  die  inzwischen  ausgebrochene  Streitfrage,  ob  die  alten 
Bewohner  der  Nehrung  wirkliche  Liven,  d.  h.  Finnen,  oder  Letten  gewesen  seien, 
glaubte  ich  zunächst  hinweggehen  zu  können,  da  gerade  die  zur  Vergleichung 
herangezogenen  Gräber  in  Gegenden  Livlands  vorkommen,  die  seit  alter  Zeit 
lettisch  waren,  und  da  andererseits  ähnliche  Gräber  auch  aus  zweifellos  altfinnischen 
Gebieten  bekannt  waren.  Nach  sorgfältiger  Erwägung  der  Verhältnisse  kam  ich  da- 
her zu  dem  Ergebnisse  (a.  a.  0.  S.  396),  dass  weder  die  Letten,  noch  die  Liven 
und  Esthen  eine  specifische,  nur  ihnen  eigenthümliche  Cultur  hatten,  dass  man 
also  aus  der  archäologischen  Ausstattung  eines  Grabes  keine  Rückschlüsse  auf  die 
Stammesangehörigkeit  seines  Besitzers  machen  dürfe.  Dies  ist  auch  jetzt  noch 
richtig.  Trotzdem  halte  ich  es  für  wahrscheinlich,  dass  es  sich  bei  den  Funden 
von  der  Nehrung  und  den  ihnen  entsprechenden  aus  dem  Samlande  vorzugsweise 
um  Letten  gehandelt  hat.  Gründe  dafür  werde  ich  in  meinem  folgenden  Vor- 
trage entwickeln. 

Für  jetzt  will  ich  nur  erwähnen,  dass  sich  Parallelfunde  auch  ausserhalb  der 
kuriachen  Nehrung,  ja  bis  tief  in  das  Samland  hinein  gefunden  haben.  Sowohl 
das  Provinzial-Museum^  als  das  der  Prussia  besitzen  zahlreiche  Belegstücke  dafür. 
Ich  nenne  aus  dem  letzteren  das  schon  früher  besprochene  Wiskiauten,  wo 
sich  arabische  Münzen,  livische  Bronzen,  Schildkrötenfibeln  und  andere  skandina- 
vische (Wikinger-)  Anklänge,  auch  grosse,  starke,  offene  Armringe  mit  dem  Wolfs- 
zahn-Omament  (S.  754)  fanden.  Nicht  sehr  weit  von  da,  bei  Kunterstrauch, 
zwischen  Wikiau  und  Waigenau,  wurden  in  einem  Hügel  zwei  Skelette  aufgedeckt 


(764) 

und  mit  ihnen  Scherben  mit  dem  Wellenoraament  und  eine  Münze  des  13.  Jahr- 
hunderts; dazu  gehört  auch  ein  grosser,  ornamentirter  Gürtel.  Gleichfalls  in  der 
Nähe  liegt  Ekritten  (Sitzungsber.  der  Prussia  1888/89,  S.  127,  Taf.  XII— XIII) 
mit  sehr  charakteristischen  Funden.  Tischler  (1890,  Sitzungsber.,  S.  17)  hob 
andererseits  namentlich  Oberhof  bei  Memel  hervor;  ich  kann  nach  den  Stücken 
im  Provinzial-Museum  den  livländischen  Charakter  der  dortigen  Formen  bestätigen. 

Nehmen  wir  also  vorläufig  an,  dass  die  Letten  (Kuren)  im  12.  Jahrhundert, 
wahrscheinlich  schon  viel  früher  bis  Samland  in  das  hinein  sassen,  so  lassen 
sich  auch  die,  sonst  vielleicht  a]s  slavjsche  anzuerkennenden  Funde  als  lettische 
deuten.  Tischler  (1890,  Sitzungsb.,  S.  16)  gestand  zu,  dass  sich  bei  den  Liven, 
den  Letto-Litauem  und  den  Slaven  identische  Thongefässe  fanden.  Man  kennt  jenseits 
der  Weichsel  ausserhalb  des  Küstengebiets  nur  zerstreute  Orte,  wo  sich  das  liv- 
ländische  Inventar  wiederfindet,  welches  uns  die  vorher  als  lettisch  bezeichneten 
Gräber  des  Samlandes,  der  kurischen  Nehrung  und  der  Gegend  von  Memel  bieten. 
Solche  Orte  sind  das  Gräberfeld  von  Gerdauen  (A.  Hennig,  Zeitschr.  f.  Ethn.  XI. 
803),  und  einige  Plätze  in  der  Nähe  des  kurischen  Haffs,  wie  Löbertshoff,  Kr. 
Labiau,  Weszeiten  und  Heydekrug.  Wir  haben  daher  dieses  Inventar,  namentlich 
die  Bronzen,  unserer  Diagnose  zu  Grunde  zu  legen. 

Hier  ergiebt  sich  nun,  wie  mir  scheint,  eine  fühlbare  Lücke,  welche  durch 
die  weitere  Lokalforschung  auszufüllen  wäre.  Wo  sind  die  Gräber  und  An- 
siedelungen der  alten  Preussen?  giebt  es  erkennbare  Beispiele  derselben  aus  der 
grossen  Zwischenzeit  zwischen  dem  5,  und  dem  10.  oder  1 2.  Jahrhimdert  und  welches 
sind  ihre  Merkmale?  Waren  die  alten  Preussen  den  Letten  so  nahe  verwandt,  wie 
unsere  Linguisten  annehmen,  sollten  sie  dann  nicht  auch  Schmuck,  Waffen  und 
Hausgeräth,  wie  die  Letten,  gehabt  haben?  Oder  giebt  es  für  Preussen  und  Letten 
eine  ältere  Periode,  wo  sie  die  Artefakte  noch  nicht  herstellten  oder  besassen, 
welche  die  charakteristische  Austattung  der  livländischen  Gräber  ausmachen? 
Sollte  es  nicht  gelingen,  in  den  mittleren  Theilen  der  Provinz  eine  grössere  Zahl 
„livischer"  Gräber  nachzuweisen,  so  müsste  die  letztere  Erentualität  wohl  ernst- 
haft in's  Auge  gefasst  werden.  Das  gelegentliche  Vorkommen  sogen,  fränkischer 
Fibeln,  welches  zeitlich  ungefähr  eine  Vcrgleichung  gewährt,  würde  dabei  näher 
in  das  Auge  zu  fassen  sein.  — 

Es  giebt  noch  eine  Erscheinung,  welche  in  ihrer  zeitlichen  Stellung  unter- 
sucht werden  muss,  —  das  sind  die  grossen  Stein figuren,  welche,  wie  in  West- 
preussen  (S.  747),  so  auch  hier  in  einzelnen  Exemplaren  erhalten  sind.  Sie 
gleichen  den  Kamienne  Baba's  der  russischen  Kurgane.  Ein  Stück  aus  sehr  grobem 
Granit  von  Ichitken  (Masuren)  ist  im  Prussia-Museum.  Von  einem  anderen  in 
Kositten  bei  Eylau  wurde  mir  dort  erzählt;  ebenso  von  zwei  anderen,  welche 
im  Volk  als  Barte!  und  Mostel  bezeichnet  würden'),  von  Bartenstein.  Ausserdem 
hat  Pfarrer  Meier  (Sitzungsb.  Prussia,  1885/86,  S.  122)  ein  sehr  defectes  steinernes 
Götzenbild  von  Mühlfeld  bei  Bartenstein  beschrieben.  — 

Es  erübrigt  schliesslich  noch  eine  Erinnerung  an  die  ostpreussischen  Pfahl- 
bauten. Dieselben  sind  in  unseren  Verhandlungen  so  oft  besprochen  worden, 
dass  ich  darauf  verweisen  darf.    Zuerst,   im  Jahre  1874,   wurde  ein  solcher  im 

1)  Nachträglich  ersehe  ich  aus  einer  Abhandlung  des  Hm.  Gigas  (Zeitechr.  des  bist. 
Vereins  für  den  Reg.-Bez.  Marienwerder,  1877,  Heft  2,  S.  43),  dass  der  Eweite  Stein  nirht 
Mostel,  sondern  (seit  1769)  Gustabalde,  d.  h.  Gustel  aus  dem  Walde  genannt  wird.  Der 
Bartel  ist  (ebenda,  Taf.  V,  Fig.  2)  m  der  That  den  Baba's  ähnlich,  nor  hat  er  statt  df* 
gewöhnlichen  Trinkbechers  ein  Trinkhom.  Der  so^,  Potrimpos  von  Christbnrg  (ebfada, 
Taf.  V,  Fig.  1  und  S.  69)  ist  ganz  anders  gebildet. 


(765) 

Arys-See,  Kr.  Johannisbarg,  bekannt;  Hr.  Prof.  Heydeck  hat  das  Verdienst,  ihn 
wiederholt  durchforscht  zu  haben.  Vergl.  Verhandl.  1874,  8.  363  *).  Auf  meiner 
Rückreise  von  Livland  1877  (Verhandl.,  S.  434)  sah  ich  die  Funde  und  kam 
zu  der  Ueberzeugung,  dass  sie  bis  in  die  Eisenzeit  reichten;  ich  glaubte  daher  um 
so  mehr,  der  Auffassung  derselben  als  Zeitgenossen  der  Schweizer  Pfahlbauten 
entgegentreten  zu  müssen,  als  auch  die  Bearbeitung  der  Pfähle  selbst,  nach  dem 
2ieugnisse  des  üntersuchers,  auf  den  Gebrauch  eiserner  Werkzeuge  hinwies.  Seitdem 
ist  durch  die  energische  Thätigkeit  desselben  Forschers  eine  Reihe  weiterer  Pfahl- 
bauten aus  den  masurischen  Seen  bekannt  geworden,  so  namentlich  von  Row- 
natken  (Sitzungsber.  Prussia,  1886/87,  S.  72,  Taf.  1 — II),  aus  dem  Szonstag- 
und  Tulewo-See  (Sitzungsber.  Prussia,  1887/88,  S.  127,  Taf.  VII— XVI),  sowie 
aus  dem  Kock-  und  Probken-See  (Verhandl.  1884,  S.  560).  Hr.  Heydeck  ist 
bei  seiner  Auffassung  von  der  Gleichzeitigkeit  der  preussischen  und  der  schweize- 
rischen Pfahlbauten  stehen  geblieben,  und  hat  als  ein  besonders  entscheidendes 
Rriterinm  die  Häufigkeit  von  kleinen  Löchern  hervorgehoben,  welche  sich  längs  des 
Randes  der  Thongefässe  hinziehen  und  in  ganz  ähnlicher  Weise  an  schweizerischen 
Pfahlbautöpfen  vorkommen.  Meine  Bedenken  sind  in  den  Verhandl.  1884,  S.  561, 
1888,  S.  429  vorgetragen  worden. 

Nach  meiner  neulichen  Musterung  der  vortrefflichen  Sammlungen  aus  diesen 
Pfahlbauten  in  der  Prussia  kann  ich  zugestehen,  dass  im  Ganzen  sehr  wenig 
Metall  gefunden  ist,  während  Stein-  und  Homwerkzeuge  häufiger  vorkamen.  Wie 
wenig  jedoch  auf  dieses  statistische  Material  ankommt,  hat  Hr.  Hey  deck  ge- 
zeigt, indem  er  den  Nachweis  lieferte,  dass  die  Pfähle  des  Szonstag-Sees  mit 
Bronzeäxten  zugehauen  worden  sind.  Wirklich  gefunden  ist  aber  daselbst  keine  solche 
Axt,  sondern  nur  eine  Zierscheibe  aus  Bronze  (oder  ein  Deckel?)  mit  einer  cen- 
tralen Oehse  (Taf.  XI,  Fig.  7).  Bei  dem  Tulewo-See  kommt  Hr.  He.ydeck  (a.  a.  0-, 
S.  134)  sogar  auf  die  Möglichkeit  zurück,  ob  die  Hiebspuren  an  den  Pfählen  nicht 
von  Eisen  herHihren  möchten.  Es  ist  jedoch  nur  im  Arys-See  ein  Eisenstück, 
und  zwar  ein  nichtssagendes,  gehoben  worden.  Was  die  Steingeräthe  betrifft,  so 
mag  noch  erwähnt  sein,  dass  zahlreiche  geschlagene  Feuersteine  zu  Tage  kamen, 
aber  auch  eine  polirte  Steinaxt  (Arys-See)  und  ein  Bruchstück  einer  gleichfalls 
polirten  und  zugleich  durchbohrten  Axt  (Szonstag-See).  Wie  hoch  darnach  das 
Alter  dieser  Pfahlbauten  zu  schätzen  ist,  dürfte  immer  noch  zweifelhaft  bleiben. 
Auch  der  Umstand,  dass  sich  im  Szonstag-See  ein  bearbeiteter  Stirnzapfen  von 
Bos  primigenius  gefunden  hat  (Nehring  in  Verhandl.  1888,»S.  342),  ist  nicht  ent- 
scheidend, da  sich  im  Uebrigen  zahlreiche  Knochen  von  Hausthieren  (Hund,  Pferd, 
Rind,  Schaf,  Ziege  und  Schwein)  bestimmen  Hessen  und  die  Zeit,  bis  wohin 
wilde  üre  in  Preussen  vorkamen,  nicht  bekannt  ist.  Verhältnissmässig  am 
ältesten  erscheint  bis  jetzt  der  Pfahlbau  von  Rownatken. 

Die  Verschiedenheit  dieser  Pfahlbauten  von  unseren  slavischen  habe  ich  von 
Anfang  an  zugestanden.  Dass  sie  einer  früheren  Zeit  angehören,  wird  nicht  be- 
zweifelt werden  können,  da  sie  auf  keinen  Fall  jünger  sind,  als  die  slavischen. 
Welcher  der  in  der  vorbeigehenden  Erörterung  behandelten  Perioden  aber  sie  zu- 
geschrieben werden  müssen,  folgt  aus  dem  vorliegenden  Material  nicht.  Da  die 
reine  Steinzeit  ausgeschlosssen  ist,  die  sonstigen  Umstände  aber  auf  den  Gebrauch 
von  Bronze  und  Eisen  hinweisen,  so  bleibt  vorläufig  die  ganze  Breite  der  alten 
Metallzeit  für  die  Phantasie  offen.    Mögen  daher  die  ostpreussischen  Forscher  die 


1)  An  dieser  Stelle  ist  ein  Druckfehler  stehen  geblieben.    Zeile  21  von  unten  muss  es 


statt  „Neuieit**  heissen  „Steinieit**. 


(766) 

Geduld  und  den  Muth  nicht  verlieren,   ihre  Untersuchungen   fortzusetzen.    Mög- 
licherweise belohnt  ein  glücklicher  Fund  alle  ihre  Mühen! 

Als  ich  auf  der  Rückreise  ein  Paar  Tage  zu  Nickelsdorf,  Kr.  Alienstein 
im  Ermelande,  verweilte,  stiess  ich  bei  einer  Excursion  über  den  Wadang-See  auf 
eine  Erscheinung,  die  ich  wenigstens  erwähnen  will,  da  sie  vielleicht  zu  weiteren 
Ermittelungen  führen  könnte.  Am  Nordrande  dieses  Sees,  in  massiger  Entfernung 
von  dem  Ufer,  liegt  eine  kleine,  mit  Bäumen  und  Gesträuch  bewachsene,  verhält- 
nissmässig  hohe  Insel.  Während  ich  dieselbe  umging,  bemerkte  ich  an  ihrem 
östlichen  Ufer,  wo  offenbar  frischere  Abstürze  geschehen  waren,  in  dem  seichten 
Wasser  Thonscherben,  deren  Thon  mit  so  grossen,  weissen  Quarzstücken  durch- 
setzt war,  dass  sie  schon  von  Weitem  sichtbar  waren.  Eine  dieser  Scherben«,  von 
denen  wir  binnen  Kurzem  eine  Anzahl  sammeln  konnten,  zeigte  flache  Parallel- 
streifen, zwei  andere  Nageleindrücke.  Die  meisten  waren  ohne  Verzierung,  dick, 
braxm,  glatt  und  der  Randbildung  nach  den  slavischen  ähnlich.  Von  der  Stelle, 
wo  diese  Scherben  lagen,  zog  sich  eine  Untiefe  zu  einer  kleinen^  im  Wasser  ge- 
legenen Rohrkämpe,  einem  für  einen  Pfahlbau  recht  geeigneten  Platze.  Wir  be- 
fuhren  in  einem  Nachen  die  ganze  Kämpe,  konnten  aber  nirgends  etwas  von 
Pfählen  bemerken.  Auch  ein  Graben,  der  durch  den  Gipfel  der  kleinen  Insel  ge- 
legt wurde,  zeigte  überall  gewachsenen  Boden  ohne  Culturspur. 

Dagegen  machte  mich  Frl.  v.  Hoverbeck  auf  eine  andere  Stelle  aufmerksam, 
die  weiter  östlich  am  Lande  gelegen  ist  und  durch  eine  steile,  isolirte  Höhe  den 
Eindruck  einer  künstlichen  Bildung  erregt  hatte.  Wir  besuchten  sie  am  nächsten 
Tage  (4.  September)  bei  einer  Fahrt  um  den  ganzen  Wadang-See.  Derselbe  be- 
ginnt hier  mit  einer  engen  Bucht  an  der  Einmündung  des  Pissa-  oder  Pisenflasses. 
Kurz  vorher  zieht  sich  nach  Osten  zu  eine  tiefe  Schlucht  den  Berg  heran  und  in 
ihrer  Mitte  erhet)t  sich,  rings  abgeschnitten,  ein  massiger  sandig-lehmiger  Hügel  von 
sargähnlicher  Gestalt,  dessen  Südende  gegen  den  benachbarten  Bach  ganz  steil  abfällt 
Der  Sage  nach  soll  hier  eine  Kirche  gestanden  haben.  Jetzt  wird  der  Hügel  be- 
ackert Ziegelsteine  fanden  sich  nicht,  dagegen  ein  grosses  Bruchstück  von  einem 
Mühlsteine  aus  rothem  brüchigem  Granit,  axtähnliche  GeröUe,  Thierknochen  und 
ziemlich  zahlreich  dicke  Topfscherben  mit  ganz  grossen  Kiesbröckeln,  aber  nicht 
verziert,  nicht  unähnlich  denen  aus  dem  See.  Ich  bemerke  jedoch,  dass  die  Ent- 
fernung beider  Stellen  von  einander  mindestens  2,5  km  beträgt  und  dass  der  letzt- 
genannte Hügel  von  dem  Anfange  des  Sees  noch  vielleicht  300  Schritte  abliegt  — 

Damit  schliesse  ich  diese  Besprechung.  Sie  wird  wenigstens  ein  annäherndes 
Bild  von  dem  Reichthum  der  preussischen  Museen  geben  und  vielleicht  dazu  bei- 
tragen, das  wissenschaftliche  Interesse  der  nicht  preussischen  Archäologen  in 
höherem  Masse  anzuregen,  als  es  bisher  der  Fall  gewesen  ist  Nachdem  mit 
Tischler  der  gegebene  Interpret  für  die  Fremden  hin  weggenommen  ist,  müssen 
wir  Zurückgebliebenen  uns  in  die  Arbeit  theilen,  dieses  wichtige  Gebiet  der  Kennt- 
niss  der  Zeitgenossen  zu  erschliessen.  Wenn  es  mir  nicht  besser  gelungen  ist, 
so  trägt  die  Zersplitterung  der  Sammlungen  in  Königsberg  einen  grossen  Hieil 
der  Schuld.  Schon  Undset  hat  vor  Jahren  den  Wunsch  geäussert,  es  möchten 
die  Sammlungen  der  Prussia  und  der  physikalisch-ökonomischen  Gesellschaft  ver> 
einigt  werden;  ich  empfinde  es  als  eine  Pflicht,  diesen  Wunsch  von  Neuem 
und  so  dringend  als  möglich  auszusprechen.  Möge  damit  dem  Andenken 
an  die  beiden  Männer,  denen  die  Museen  ihre  gegenwärtige  Fülle  und  Ordnung 
verdanken,  ein  bleibendes  Monument  geschaffen  werden!  — 

Der  Gegensatz  der  prähistorischen  Cultur,  innerhalb  deren  Bereich  ich  mich 
so  lange  bewegt  hatte,  trat  mir  in  ganzer  Stärke  entgegen  auf  der  letzten  Staüoa, 


(767) 

auf  welcher  ich  mir  eine  kurze  Rast  gewähren  konnte,  in  Thorn.  Es  war  ein 
schöner  sonniger  Tag,  ein  wahrer  Sonntag  (6.  September),  und  eine  Gesellschaft 
der  liebenswürdigsten  Menschen,  unter  denen  ich  vor  allen  meinen  Collegen 
Dr.  Meyer  und  den  Hm.  Bürgermeister  Schustern s  nennen  muss,  bemühte  sich 
in  der  gefälligsten  Weise,  uns  den  Abschied  von  dem  rechten  Weichselufer 
zu  erschweren.  Da  ich  hier  keine  eingehende  Beschreibung  liefern  kann,  so  will 
ich  mich  auf  die  Bemerkung  beschränken,  dass  die  alte  Ordensstadt  auch  weit- 
gehende  Erwartungen  übertrifft.  Ihre  hohe  Lage  über  dem  mächtigen  Strom  ge- 
stattet einen  weiten  Ausblick  über  das  jenseitige  Niederland.  Der  Strom  selbst 
in  seinem  fast  geradlinigen  Verlauf  gewährte  am  Abend,  als  die  Sonne  sank,  einen 
grossartigen  Anblick.  Wir  befuhren  ihn  auf  einem  Dampfer  bis  nahe  an  die 
russische  Grenze.  Hier  wurde  mir  eine  besondere  Ueberraschung  zu  theil.  Am 
rechten  Ufer,  noch  auf  preussischem  Boden,  erschienen  gewaltige  Mauerreste  einer 
alten  Wacht-  und  Zollstation,  zum  Theil  noch  aufrecht  stehend.  Das  Bild,  welches 
durch  das  Zusammenwirken  dieser  verschiedenen  Elemente  entstand,  hatte  eine 
solche  Aehnlichkeit  mit  den  altägyptischen  Ruinen  von  El  Ombo  am  Nil,  dass  ich 
mich  unwillkürlich  nach  dem  treuen  Gefährten  meiner  damaligen  Reise  umschaute. 
Möge  diese  Weichselfahrt  jedem,  der  nach  Preussen  zieht,  empfohlen  sein! 

üeber  das  Alterthums-Museum  von  Thorn,  welches  ein  polnischer  Privatverein 
zusammengebracht  hat  und  unterhält,  muss  ich  mich  trotz  seiner  Reichhaltigkeit 
kurz  fassen.  Wir  haben  einen  nicht  geringen  Theil  seiner  Schätze  schon  auf  der 
Berliner  Ausstellung  von  1880  gesehen  (Katalog  S.  487).  Der  Gegensatz  gegen 
die  ostpreussischen  Museen  fällt  sofort  in  das  Auge.  Hier  befinden  wir  uns 
unter  dem  Einflüsse  der  Stämme,  welche  das  linke  Weichselufer  bewohnten.  So 
erscheinen  namentlich  die  Gesichtsumen  in  grosser  Zahl  und  in  bemerkenswerthen 
Exemplaren.  Aber  sie  stammen  auch  fast  sämmtlich  von  dem  anderen  Ufer.  Auch 
die  slavischen  Funde,  die  ungemein  stark  vertreten  sind,  wurden  vorzugsweise  auf 
der  anderen  Seite  der  Weichsel  gemacht.  Indess  gewähren  schöne  Stücke  aus  der 
neolithischen  und  Bronze-Zeit  aus  der  Umgegend  die  Ueberzeugung,  dass  auch 
schon  in  so  frühen  Perioden  das  Land  bewohnt  gewesen  ist.  — 

(34)   Hr.  Rud.  Virchow  spricht,  unter  Vorlegung  von  Photographien,  über 

die  altpreussische  Bevölkerong,  namentlich  Letten  und  Litauer, 

sowie  deren  Häuser. 

Altpreussen,  d.  h.  das  Land  zwischen  der  Weichsel  und  der  russischen  Grenze, 
hat  gegenwärtig  eine  sprachlich  und  noch  mehr  confessionell  so  sehr  gemischte 
Bevölkerung,  dass  es  eine  schwierige  Aufgabe  für  mich  sein  würde,  darüber  ge- 
nügende Auskunft  zu  geben.  Indess  diese  Aufgabe  berührt  mehr  die  Staatswissen- 
schaften und  die  Statistik,  als  die  Anthropologie.  Auch  da,  wo  letzteres  der  Fall  ist, 
haben  wir  keine  Veranlassung,  auf  die  späteren  Zusätze  einzugehen,  da  es  sich  um 
zu  kleine  Bruchtheile  der  Bevölkerung  handelt  Die  Einwanderung  der  Salzburger, 
der  Refngies,  selbst  der  Schotten,  der  Schweizer  und  der  Tataren  hat  Nachwirkungen 
gehabt,  die  noch  heute  nicht  aufgehört  haben,  aber  die  Gesiimmtmischung  ist  da- 
von nicht  erkennbar  .betroffen  worden.  Anders  ist  es  mit  den  Einwanderungen 
grösserer  Volksmassen,  welche  von  benachbarten  Culturvölkem  ausgegangen  sind. 

Hier  stehen  obenan  die  Polen  und  die  Deutschen.  Nun  gehen  aber  ihre 
Einwanderungen  so  weit  zurück,  dass  wir  mit  diesen  verhältnissmässig  modernen 
Namen  nicht  auskommen  würden:  für  die  alte  Zeit  müsste  man  schon  „Slaven'^ 
und  „Germanen^  sagen.    Es  dürften  wohl  zwei  Jahrtausende   vergangen   sein. 


(768) 

seitdem  das  Hin-  und  Herwogen  slavischer  und  germanischer  Völker  auf  diesem 
Boden  fortgesetzt  angedauert  hat,  und  schliesslich  hat  es  sich  nicht  bloss  um  Be- 
siedelungen von  dieser  oder  jener  Seite  her  gehandelt,  sondern  um  wirkliche  Um- 
gestaltungen der  Bevölkerung.  Die  Polen  haben  polonisirt,  die  Deutschen  gcr- 
manisirt,  und  wenn  sich  nicht  auf  historischem  Wege  Einiges  darüber  feststellen 
Hesse,  aus  linguistischen  Merkmalen  würde  man  oft  keine  zutreffende  Diagnose 
herleiten  können.  Die  kirchlichen  Einwirkungen  sind  dabei  häufig  bestimmend 
gewesen,  doch  nicht  immer.  So  sprechen  die  Masuren  im  südöstlichen  Theile  des 
Landes  noch  heute  polnisch,  bekennen  sich  aber  zum  Protestantismus,  während  die 
Polen  in  Ermeland  und  an  der  Weichsel  natürlich  auch  polnisch  sprechen,  aber  dem 
katholischen  Glauben  anhängen.  Diese  Gegensätze  haben  erst  seit  der  Schlacht  von 
Tannenberg  (1410)  und  der  Reformation  ihre  volle  Schärfe  erlangt,  nachdem  der 
westliche  Theil  des  Landes  dem  Königreich  Polen  einverleibt  war,  während  der 
östliche  dem  Deutschen  Orden  verblieb  und  mit  dem  letzten  Hochmeister  zum 
Lutheranismus  überging.  Der  südliche  Theil  des  jetzigen  Kreises  Allenstein  im 
Bisthum  Ermeland  ist  erst  seit  dieser  Zeit  polonisirt  worden  (Grnnenberg,  Ge- 
schichte und  Statistik  des  Kreises  Allenstein.  Allenstein  1884),  während  das 
Kulmer  Land,  das  bis  zur  Ordenszeit  polnisch  war,  durch  den  Orden  germanisirt 
und  nach  der  Schlacht  von  Tannenberg  mehr  oder  weniger  repolonisirt  wurde. 

Nach  der  geläufigen  Annahme  war  der  grössere  Theil  des  Landes  zu  der  Zeit, 
als  der  Orden  den  Besitz  desselben  antrat,  also  im  13.  Jahrhundert,  von  einer  ein- 
heimischen Bevölkerung,  den  Pruzzen,  eingenommen.  Den  Namen  der  Bomssen 
oder  Porussen  (Neben-Russen)  haben  sie  niemals  geführt,  wie  sie  denn  weder  mit 
Slaven,  noch  mit  Finnen  etwas  gemein  hatten,  vielmehr  von  jeher  von  beiden 
unterschieden  wurden.  Ihr  Name  erscheint  zuerst  in  der  Lebensbeschreibung  des 
h.  Adalbert  zwischen  997  und  1006  (Zeuss,  Die  Deutschen  und  die  Nachbar- 
stämme S.  67J,  Anm.).  Sehr  viel  älter  sind  ein  paar  andere  Völkemamen,  welche 
die  Jahrtausende  überdauert  haben:  die  der  Galindae  und  der  Sudini,  welche 
schon  Ptolemaeus  (150  n.  Chr.)  aufführt  und  welche  zur  Deutschordenszeit 
plötzlich  *)  wieder  in  den  Landschaflsnamen  Galindien  (Galanda)  und  Sudauen  auf- 
tauchen. In  dieser  Zeit  knüpft  sich  der  Name  beider  Stämme  nach  dem  2jeugnis8c 
von  D  US  bürg  an  die  südlichen  Theile  des  Landes  um  den  Spirding-See,  indem 
Galindien  westlich,  Sudauen  nördlich  und  östlich  von  demselben  angesetzt  wurde 
(Zeuss  a.  a.  0.  S.  674).  Müllenhoff  nimmt  an,  dass  dies  secundäre  Sitze  waren, 
in  welche  die  genannten  Stämme  von  Norden  her  verdrängt  vrurden.  Nach  seiner 
Auffassung  (Deutsche  Alterthumskunde  II.  19)  war  dies  früher  gothisches  Ge- 
biet, zu  einer  Zeit,  wo  die  Galinder  das  Bernsteinlnnd  (Samland)  und  das  Pregel- 
Gebiet  bewohnten.  Er  hält  letztere  daher  für  „die  nachmaligen  Preussen  in  dem 
engem,  eigentlichen  Sinne,  den  wir  vom  sprachlichen  Standpunkt  mit  dem  Namen 
verbinden." 

Diese  ganz  plausible  Annahme  führt  naturgemäss  auf  die  Frage,  wie  man  im 
zweiten  Jahrhundert  in  Rom  zu  einer  so  genauen  Kenntniss  der  Völkemamen  in 
diesem  weit  abgelegenen  Bezirk  gekommen  ist.  Müllenhoff  beantwortet  sie  in 
scheinbar  ausreichender  Weise  durch  den  Elinweis  auf  den  Bernstein handel,   der 


1)  Die  Annahme  des  Hm.  Brosow  (Silz.-Ber.  der  Prussia  1890,  S.  4B\  dass  nm  358 
Schaaren  von  Yandalen,  Finnen,  Galindera  und  Wenden  dem  Kaiser  Volnsianos  an  dirr 
Donau  gegenüberstanden,  stützt  sich  auf  die  Legende  einer  Münze.  Müllenhoff  (D«iit8<>iii> 
Alterthumskunde  D,  S.  100)  hat  jedoch  überzeugend  nachgewiesen,  dass  diese  Leaart  aaf 
einer  falschen  Deutung  beruht. 


(769) 

Tom  Saroland  zur  Donau  und  von  da  nach  Roro  ging.  In  der  That  erscheinen 
vor  dieser  Zeit  überall  nur  die  Aestier  als  Gesammtvolk  in  den  Aufzählungen 
der  klassischen  Autoren.  Sie  sind  das  eigentliche  Bernsteinvolk.  So  schildert 
sie  schon  Tacitus  (Qerm.  45):  Marc  scrutantur  ac  soli  omnium  succinum,  quod 
ipsi  glesum  vocant,  inter  vada  atque  in  ipso  litore  legunt')-  Auch  kntiplle  sich 
noch  lange  nachher  die  Vorstellung  von  der  Herkunft  des  Bernsteins  an  die  Aestier. 
Man  lese  nur  den  von  Gassiodorus  aufbewahrten  Brief  des  Oslgothenkönigs 
Theodorich  (6.  Jahrhundert)  an  die  Haesti  in  Oceani  litoribus  constituti,  in  welchem 
er  sich  für  die  Geschenke  bedankt,  die  ihm  eine  ästische  Gesandtschaft  überbracht 
hatte,  und  in  ausführlicher  Weise  die  Entstehung  und  das  Aussehen  des  Bernsteins 
bespricht  (Zeuss  S.  667).  Auch  in  dem  Reiseberichte  des  Angelsachsen  Wulfstan 
ist  nur  von  Esten  die  Rede. 

Es  ergiebt  sich  also,  dass  im  Laufe  der  ersten  Jahrhunderte  nach  Christi  Geburt 
zuerst  der  Name  der  Aestier  (Esten\  dann  der  der  Galinder  und  Sudiner,  zuletzt 
der  der  Pruzzen  erscheint,  wie  alle  neueren  Schriftsteller  einmüthig  annehmen, 
stets  für  dasselbe,  sowohl  von  Germanen  und  Slaven,  als  von  Finnen  verschiedene 
Volk,  bald  Gesammtname,  bald  Stammesbezeichnung.  Dieses  Volk  aber  war  auf 
das  Nächste,  nehmlich  sprachlich,  verwandt  mit  den  weithin  nach  Nordosten,  Osten 
und  Südosten  verbreiteten  Stämmen  der  Letten  und  der  Litauer. 

Es  würde  hier  zu  weit  führen,  wenn  ich  ausführlich  über  alle  diese,  zum 
Theil  sehr  schwierigen,  ethnischen  Verhältnisse  sprechen  wollte.  Dieselben  müssen 
aber  wenigstens  kurz  berührt  werden,  da  sie  sich  in  das  uns  beschäftigende  Ge- 
biet einschieben.  Die  prähistorische  Archäologie  lässt  uns  hier  leider  im  Stich. 
Die  ältesten  litauischen  Gräber  dürften  in  ihrer  Aasstattung  von  den  lettischen 
nicht  allzu  verschieden  sein,  und  was  die  Gräber  der  Pruzzi  betrifft,  so  verweise 
ich  auf  die  Untersuchungen  des  Hm.  Arth.  Hennig  (Zeitschr.  f.  Ethn.  1869,  S.  301) 
über  das  Gräberfeld  von  Gerdauen,  welches  bis  in  die  Ordenszeit  reicht  und 
archäologisch  dem  von  Stangenwalde  ganz  nahe  steht  (S.  764).  Die  politische  Grenze 
zwischen  Preussen  und  Litauern  bildete  zur  Ordenszeit  die  Memel  (Dusburg),  von 
wo  aus  die  letzteren  sich  weit  in  das  heutige  Russland  hinein  erstreckten.  Aber 
schon  sehr  früh  waren  litauische  Ansiedelungen  auch  in  die  Ordensländer  Schalauen, 
Sudauen  und  Nadrauen  vorgeschoben,  und  noch  jetzt  liegt  die  Grenze  des  Sprach- 
gebietes viel  südlicher.  „Die  145000  Litthauer,  welche  heute  noch  in  Preussen 
existiren,  sind  zurückgedrängt  bis  zu  einer  Linie,  welche  vom  Ausfluss  der  Deime 
(nahe  bei  Labiau)  bis  Laukischken,  von  da  auf  Gross-Baum,  Popelken,  Aulowöhnen 
bis  Pillkallen  geht^  (Alex.  Hörn,  Culturbilder  aus  Altpreussen.  Leipzig  1886. 
S.  85).    Sie  reichen  innerhalb  dieses  Gebietes  bis  an  die  Ostküste  des  Rurischen 

1)  Zeuss  (a.  a.  0.  8.  268,  678)  sachte  ans  dem  Wörterbuche  des  Stephanns  Byzan- 
tinas  zu  be weben,  dass  schon  Artemidorus  den  Namen  der  Ostiaeer  gekannt  und  anf 
Pythoas  (um  820  v.  Chr.)  zurückgeführt  habe,  woraus  zu  folgern  sei,  dass  der  massaliotische 
Seefahrer  schon  die  Aesten  gekannt  hat.  Die  Stelle  des  Stephanns  ist  überaus  dunkel: 
*Q2,T1SINE2^  ii^yog  naQn  n/i  6vrtxiß  *^xtttytp,  ovs  Koaa(yov(  'AQitfAldtoQOi  q>riOt,  llv^ing 
(T  *Q.aiia(ovi'  Tovtuf  d*  f^  ivuyvfitoy  ol  Köaatvoi  Ityofityot  'ilatiatyn,  ovg  IJv&iag 
*£latiaiovg  ngoaayoQfvti»  Von  den  Kossinem  ist  sonst  nirgends  die  Rede;  der  einzige 
Volksname  von  der  Ostsee-Küste,  der  ihnen  nahe  kommt,  ist  der  von  Ptolemaeus  er- 
w&hnte'  der  Hossier  COoaioi),  mit  dem  man  nichts  zu  machen  weiss.  Müllenhof f 
(Deutsche  Alt«rtbamsk.,  I.,  S.  874)  hält  es  für  unmöglich,  diese  Ostiaeer  mit  den  Aestui 
des  Tacitus  za  identificiren,  weil  ihre  Sitze  am  westlichen  Ocean  angegeben  seien;  er 
bringt  sie  daher  mit  den  Voiafnot  {*SlatifÄtoi  bei  Strabon)  in  der  gallischen  Aremorica 
in  Verbindung. 

Verband!,  der  B«rl.  Antbrop.  Gesellschaft  18U1.  49 


(770) 

Haffs.    Gegen  Norden  geht  ihr  Gebiet  bis  an  die  Grenzen  von  Kur-  und  Livland, 
zum  Theil  noch  dartlber  hinaus. 

Hier  beginnt  eine  neue  Schwierigkeit  in  Bezug  auf  das  Yerhältniss  der  Letten 
zu  den  Kuren  und  Liven.  Ich  habe  mich  in  meinem  Reisebericht  von  1877 
(Verhandl.  S.  368  fg.)  bemtlht,  diese  verwickelten  Beziehungen  klar  zu  legen. 
Damach  stellen  sich  dieselben  folgendermassen  dar:  Als  die  Deutschen  die 
Colonisation  der  baltischen  Provinzen  begannen,  trafen  sie  in  Kur-,  Liv-  und  Est- 
land finnische  Bevölkerungen.  Diese  waren  anscheinend  vor  nicht  sehr  langer  Zeit 
von  Osten  her  eingedrungen  und  hatten,  wenigstens  in  Liv-  und  Kurland,  die  ein- 
heimischen Letten  unterjocht.  Allein  im  Laufe  der  Zeit  machten  sich  diese  wieder 
geltend,  und  es  begann  eine  unaufhaltsam  fortschreitende  sprachliche  Umwälzung, 
welche  zuerst  in  Kurland  zu  einer  fast  vollständigen  Lettisirung  der  Bevölkerung 
führte.  Als  ich  in  Livland  war,  hatte  sich  auch  in  dieser  Provinz  die  Lettisirung 
so  sehr  ausgedehnt,  dass  es  mir  nicht  gelang,  auch  nur  einen  einzigen  reinen 
Liven  aufzufinden.  Westlich  reichte  das  lettische  Gebiet  bis  an  den  Ausfluss  der 
Memel. 

Die  sprachliche  Umwälzung  hat  uns  gerade  in  Preussen  werthvoller  Anhalte 
punkte  fOr  die  Beurtheilung  der  ethnischen  Elemente  der  Bevölkerung  beraubt 
Nachdem*  insbesondere  Kurland  gänzlich  lettisirt  ist,  giebt  es  nur  noch  schwache 
historische  Anhaltspunkte  dafür,  wo  finnische  Ansiedelungen  bestanden  haben.  Für 
die  weiter  westlich  gelegenen  Bezirke,  die  uns  vorzugsweise  interessiren,  fehlen 
auch  diese  Anhaltspunkte.  E^s  mag  nur  erwähnt  werden,  dass  Memel  bis  1328  za 
Kurland  gehörte  und  dass  von  Dusburg  (f  1330)  die  Kurische  Nehrung,  Neria 
curoniensis,  zum  ersten  Male  bei  einem  Kriegszuge  der  Litauer  nach  Samland  er- 
wähnt wird  (Bezzenberger,  Die  Kurische  Nehrung  und  ihre  Bewohner  S.  23). 
Der  Name  des  Kurischen  Haffs,  Marc  s.  Stagnum  Curonicum  s.  Curonense,  er- 
scheint erst  in  Urkunden  nach  1366.  Daraus  folgt  natürlich  nichts  für  das  wirk- 
liche Alter  der  Bezeichnung.  Der  Name  der  Kuren  selbst  (Gori)  wird  schon  am 
die  Mitte  des  9.  Jahrhunderts  genannt,  und  zwar  mit  dem  bemerkenswerthen  Zu- 
sätze: (gens)  Sueonum  principatui  olim  subjecta  (Zeuss  S.  681).  Die  Bewohner 
der  Nehrung  Messen,  so  lange  überhaupt  von  ihnen  die  Rede  ist,  Kuren,  wie  sie 
selbst  sich  noch  heute  nennen,  und  es  ist  von  grosser  Bedeutung,  dass  die  nächsten 
Ortschaften  des  Samlandes,  da,  wo  der  südliche  Theil  der  Nehrung  an  das  Fest- 
land anschliesst,  bis  zum  Brüster  Ort,  die  Namen  Oranzkuhren  (auch  kurzweg 
Cranz  oder  Krantz),  Neukuhren,  Gross-  und  Kleinkuhren  tragen.  Von  letzteren 
beiden  Ortschaften  weiss  man,  dass  sie  schon  im  16.  Jahrhundert  bestanden 
(Bezzenberger  S.  105). 

Wohin  gehören  nun  diese  Kuren?  Hr.  Bezzenberger  hat  in  trefflichen 
Arbeiten  nachgewiesen,  dass  die  Sprache  der  Nehrungs-Kuren  zum  Lettischen  sich 
als  ein,  allerdings  selbständiges,  Glied,  verhält,  aber  doch  im  Wesentlichen  nur 
dialektisch  verschieden  ist.  Finnische  Elemente  sind  bis  jetzt  darin  nirgends  nach- 
gewiesen worden.  Könnte  man  sich  auf  die  Territorialnamen  veriassen,  so  läge  es 
ja  nahe,  das  Samland  als  ein  Land  der  Finnen,  Suome  oder  Same,  zu  deuten. 
Indess,  so  sonderbar  es  auch  ist,  der  alte  Name  des  Samlandes,  des  Landes  der 
Aesten  (Eastlande  bei  Alfred),  ist  auf  Estland  übertragen  worden,  wo  vielleicht  nie 
Aesten  wohnten,  und  dafUr  ist  ein  Name  eingetauscht  worden,  der  weit  eher  nach 
Estland  gehörte.  Die  Vertauschung  ist,  wie  mir  scheint,  von  germanischen  Völkern, 
vielleicht  am  meisten  von  skandinavischen,  vorgenommen  worden.  Saxo  Gnm- 
maticus  und  dänische  Chronisten  nennen  die  Bevölkerung  des  Samlandes  zuerst 
Sembi,   Sambi,   Sami,   und  Adam  von  Bremen  lässt  keinen  Zweifel  darüber,  wer 


(771) 

damit  gemeint  ist,  denn  er  spricht  von  Seefahrten,  die  von  Julin  ad  Semland 
provinciam,  quam  possident  Pruzzi,  unternommen  wurden  (Zeuss  S.  675 — 76).' 
Sembi  vel  Pruzzi  heisst  es  an  einer  anderen  Stelle  (Müllenhoff  11.  S.  348).  D^s 
zur  Wikinger-Zeit  hier  nordische  Einflüsse  bestimmend  waren,  davon  haben  die 
Gräber  des  Samlandes  unverkennbare  Zeugnisse  aufbewahrt,  und  selbst  der  Name 
des  Flusses  Elbing,  Ylfing  bei  Wulfstan,  scheint  auf  Skandinaven  hinzuweisen, 
wenn  man  darin  nicht  ein  gothisches  Relikt  sehen  will. 

Die  Grabalterthümer  der  Nehrung  und  zum  Theil  auch  solche  des  Samlandes 
stimmen  vollkommen  überein  mit  den  AlterthÜmem,  welche  man  lange  Zeit  als 
Zubehör  der  „Gräber  der  Liven"  beschrieben  hat.  Allein  ich  habe  schon  daran 
erinnert  (S.  763),  dass  diese  Gräber  wahrscheinlich  zu  einem  grossen  Theil  Letten 
angehört  haben,  und  wenn  dieselben  sich  auch  noch  weithin  in  ferne  östliche  Ge- 
biete erstrecken,  in  denen  bisher  eine  lettische  Urbevölkerung  nicht  nachgewiesen 
ist,  wo  uns  vielmehr  nur  Finnen  als  historisch  nachweisbare  Bewohner  bekannt 
sind,  so  spricht  doch  Vieles  dafür,  dass  die  Artefakte,  welche  uns  hier  entgegen- 
treten, mehr  lettisch  als  Annisch  sind.  Mitten  in  diese  Alterthümer  treten,  wie 
in  dem  Grabe  von  Wiskiauten,  unverkennbar  skandinavische  Formen  hinein, 
zum  Zeichen,  dass  die  Sambi  oder  Sembi  mit  Wikingern  in  nahe  Berührung  ge- 
treten sind.  Nimmt  man  hinzu,  dass  die  Rurische  Nehrung  bis  zur  Ordenszeit 
noch  zum  Samlande  gerechnet  wurde,  so  wird  nicht  wohl  ein  Zweifel  darüber  be- 
stehen können,  dass  sie  schon  vor  dieser  Zeit  durch  Letten  von  Kurland  aus  be- 
siedelt worden  ist. 

Die  heutigen  Kuren  der  Nehrung  sind  ausgemachte  Polyglotten.  Meine  Freunde 
in  Schwarzort  sprechen  im  Hause  noch  ihre  kurisch -lettische  Sprache,  aber  sie 
haben  dabei  auch  Hochdeutsch  gelernt.  Dazu  kommt  als  Drittes  das  Litauische, 
efTenbar  eingeschleppt  durch  zahlreiche  Einwanderungen  und  Heirathen  mit  Leuten 
der  gegenüberliegenden  litauischen  Küste  des  Haffs  und  gepflegt  durch  die  Regie- 
rung, die  in  einer  Zeit,  welche  dem  feineren  linguistischen  Verständnisse  noch  wenig 
erschlossen  war,  das  Litauische  zur  Kirchensprache  erhoben  hat.  Nur  die  Kirch- 
höfe der  seit  Jahrhunderten  unter  dem  Dünensande  verschütteten  Dörfer,  welche 
jetzt  bei  dem  Wandern  der  Dünen  hie  und  da  wieder  zum  Vorschein  kommen, 
zeigen  noch  das  unverfälschte  lettische  Inventar.  Man  wird  daher  schliessen  dürfen, 
dass  zu  der  Zeit,  als  diese  Dörfer,  von  denen  man  zum  Theil  nicht  einmal  die 
Namen  kennt,  noch  bestanden,  sie  von  einer  nahezu  rein  lettischen  Bevölkerung 
bewohnt  waren.  Hr.  Bezzenberger  (a.a.O.  S.  103fg.)  hat  nun  gezeigt,  dass  die 
Kuren  der  Nehrung,  welche  sich  selbst  Kurseneeki  ~  Leute  aus  dem  Kurenlande, 
und  ihre  Sprache  Kursineeku  walohda  =  kurische  Sprache  nennen,  in  den  ver- 
schiedenen Abschnitten  der  Nehrung  verschiedene  Dialekte  sprechen,  nehmlich  im 
südlichen  Theile,  von  Sarkau  bis  Pillkoppen,  den  nordwestkurländischen  oder  tah- 
mischen,  im  nördlichen  Theile,  von  Nidden  bis  Schwarzort,  den  südwestkurländischen. 
Da  jener  aber  mehr  alterthümliche  Formen  enthält,  so  erscheint  auch  die  ßesiedelung 
der  südlichen  Nehrung  als  die  ältere.  Das  entspricht  recht  gut  der  grösseren 
Fruchtbarkeit  dieses  Abschnittes  und  dem  dort  vorwiegenden  Vorkommen  der 
mehrfach  erwähnten  Alterthümer. 

In  den  Ausführungen  des  gelehrten  Linguisten  finde  ich  nur  eine  Schwierig- 
keii  Nach  ihm  kann  der  nordwestkurländische  Dialekt  im  Nordwesten  Kurlands 
erst  im  13.  Jahrhundert  eingebfirgert  sein,  da  dieser  Theil  bis  dahin  von  Wenden 
bewohnt  war.  Nun  hat  aber  Schi  eff  erdeck  er  (Schriften  der  phys.-ökon.  Ges. 
XII,  1871)  auf  dem  alten  Begräbnissplatz  von  Stangenwalde  eine  deutsche  Silber- 
münze des  12.  Jahrhunderts  gefunden,  die  mit  einem  Ringe  versehen,  also  wohl 

49* 


(772) 

als  Schmuckstück  getragen  war.  Dieser  Fund  ist  nicht  direkt  beweisend,  da  mög- 
licherweise das  Stück  erst  später  zu  einem  Schmuck  verarbeitet  worden  ist,  aber, 
zusammengehalten  mit  dem  Funde  von  Wiskiauten  (S.  7C3),  wo  neben  livischen 
und  skandinavischen  Formen  auch  arabische  Münzen  zu  Tage  gefordert  wurden, 
lässt  sich  die  Frage  wohl  nicht  abweisen,  ob  die  Anwesenheit  von  Letten  im  Sam- 
lande  und  auf  der  kurischen  Nehrung  nicht  noch  höher  hinaufgerückt  werden  muss. 
Da  nach  Bezzenberger  selbst  die  tahmischen  Elemente  des  nordwestkurländischen 
Dialekts  aus  Südwestkurland  stammen  (S.  114),  so  würde  daraus  ein  mehr  süd- 
licher Ausgangspunkt  der  Colonisation,  aber  keineswegs  ein  geringeres  Alter  folgen. 
Denn  es  genügt  zur  Lösung  der  Schwierigkeit  die  Annahme,  dass  in  der  Zeit,  wo 
die  erste  Auswanderung  aus  Südwestkurland  erfolgte,  auch  dort  die  Sprache  eine 
noch  mehr  alterthümliche  Färbung  hatte. 

Vollkonmien  den  Thatsachen  entsprechend  ist  dagegen  die  Darstellung  des 
Hm.  Bezzenberger,  dass  die  Letten  vorzugsweise  Fischer  und  demnach  auch 
Schiffer  waren,  im  Gegensatze  zu  den  Litauern,  und  dass  sie  daher  am  meisten 
sich  dazu  eigneten,  wie  jenseits  Memel  die  Küste,  so  diesseits  die  Nehrung  zu  be- 
setzen. Dabei  ist  indess  zu  bedenken,  dass  der  wüste  Zustand  der  Nehrung  Acker- 
bau und  Viehzucht  auf  die  engsten  Grenzen  beschränken  musste,  wenn  auch  viel- 
leicht damals  mehr  Wald  vorhanden  war,  und  dass  die  Bewohner,  wenn  sie  es 
nicht  schon  vorher  waren,  sich  nothgedrungen  mehr  und  mehr  zu  Ichthyophagen 
ausbilden  mussten.  Die  Fahrten  auf  den  weniger  geFährlichen  und  überall  der 
Küste  nahen  Gewässern  des  HafiTs  konnten  als  eine  wahre  Navigationsschule  auch 
für  solche  Leute  dienen,  die  aus  dem  Linem  des  Gontinents  stammten. 

Wir  gewinnen  somit  von  den  Völkerverschiebungen  bis  zur  Ordenszeit  da« 
Bild,  dass  Letten  und  Litauer  sich  von  Norden  und  Osten  her  immer  mehr  in  das 
Gebiet  der  Pruzzen  hineingeschoben  haben,  indem  sie  das  Haff  beiderseits  um- 
fassten,  so  dass  die  Nehrung  kurisch  (lettisch),  das  Festland  litauisch  wurde.  Das 
Samland,  das  in  der  preussischen  Geschichte  stets  eine  so  hervorragende  Stellung 
eingenommen  hat,  bildet  dann  gewissermaassen  den  Knotenpunkt,  zu  dem  die 
östlichen  Einwanderungen  in  zwei  getrennten  Radien  vorrückten.  Der  Umstand, 
dass  die  Skandinaven  das  Land  Samland  imd  die  Bewohner  Sambi  oder  Same 
nannten,  deutet  darauf  hin,  dass  schon  den  Wikingern  eine  gewisse  Kenntnis»  von 
der  Herkunft  der  Küstenbevölkerung  beiwohnte. 

Das  einzige  germanische  Volk,  welches  in  alter  Zeit  jenseits  der  Weichsel 
genannt  wird,  sind  die  Gothen  (Gothones  bei  Tacitus,  TSif^wpeg  bei  Ptole- 
maeus,  Gutones  bei  Plinius^,  welche  in  den  beiden  ersten  Jahrhunderten  auf 
dem  rechten  Weichselufer  wohnten.  Bis  auf  Müllen  ho  ff  nahm  man  sie  als  uralte 
Besiedler  der  Bemsteinküste,  die  schon  Pytheas  gekannt  und  besucht  habe;  der 
grosse  Germanist  hat  diesen  Glauben,  wie  es  scheint,  auf  inuner  zerstört,  indem 
er  den  Massalioten  von  der  Ostsee  ausschloss  und  die  Gutones  in  Teutones  ver- 
wandelte (Deutsche  Alterthumskunde  1870.  L  479).  Fügt  man  sich  dieser  An- 
nahme, so  fragt  es  sich,  wie  lange  das  Volk  an  der  gedachten  Stelle  gewohnt  habe 
und  woher  es  gekommen  sei.  Die  alte,  von  Jordanes  erhaltene  Heldensage  läs^ 
die  Gothen  in  3  Schiffen  unter  König  Berich  aus  Skandinavien  herüberfahren  und  in 
der  Gegend  von  Danzig  landen;  in  dem  einen  der  Schiffe  seien  die  Gepiden  ge- 
kommen. Da  weiterhin  erzählt  wird,  dass  die  Auswanderung  der  Gothen  ans 
Preussen  nach  dem  Süden  unter  Filimer,  dem  fünften  Könige  nach  Berieh,  erfolgt 
sei,  so  könnte  die  Einwanderung  aus  Skandinavien  am  Ende  des  ersten  Jahrhondert« 
nach  Christi  Geburt  erfolgt  sein  oder  höchstens  kurz  vor  der  Zeit,  wo  Plinio» 
und  Tacitus  ihre  Werke  schrieben.    Allein  die  Heldensage  wird  von  den  gelehrten 


(773) 

Kritikern  für  unzuverlässig  gehalten,  und  man  muss  zugestehen,  dass  es  sehr  be- 
denklich ist,  wenn  dieselbe  Herkunft  den  Langobarden  und  den  Sachsen  zu- 
geschrieben wird.  Indess  darf  wohl  an  die  Ausnahmestellung  der  Gothen  auf  dem 
rechten  Weichselufer  erinnert  werden,  während  sonst  allgemein  die  Weichsel  als 
der  östliche  Grenzfluss  der  Germanen  bezeichnet  wird;  ebenso  an  die  zahlreichen 
Gothennamen,  welche  schon  früh  in  Skandinavien  auftreten.  Als  dann  im  3.  Jahr- 
hundert der  Aufbruch  des  Gothenvolkes  nach  dem  schwarzen  Meere  geschah,  zogen 
hinter  ihnen  auf  ihrem  rechten  Flügel  Gepiden,  auf  dem  linken  Heruler,  ein  gleich- 
falls skandinavisches  Volk  (MüUenhoff  ü.  91).  Wenn  ich  darnach  geneigt  bin, 
die  skandinavische  Tradition  als  ernsthaft  diskutabel  zu  halten,  so  will  ich  doch 
nicht  leugnen,  dass  sie  erst  nach  einer  eingehenden  Prüfung  an  der  Hand  der 
Alterthümor  auf  ihren  wirklichen  Werth  zurückgeführt  werden  kann. 

Wie  weit  die  Gothen  in  Preussen  ihre  Sitze  ausgebreitet  hatten,  ob  der  Name 
Guttalus,  welcher  dem  Pregel  oder  der  Memel  beigelegt  wurde,  auf  sie  hinweist, 
und  ob  die  Gudden,  welche  noch  in  späthistorischer  Zeit  in  Nadrauen  und  Scha- 
lauen genannt  werden  (Zeuss  S.  673),  mit  ihnen  etwas  zu  thun  hatten,  muss  dahin 
gestellt  bleiben.  War  im  ersten  und  zweiten  Jahrhundert  das  Samland  im  Besitz 
der  Aesten  (GalindieY*,  Sudiner),  so  wird  man  den  Gothen  eben  nur  die  üferbezirke 
an  der  Weichsel  und  den  Süden  des  Landes  zuweisen  können,  von  wo  aus  um 
170  n.  Chr.  ihre  ersten  Schaaren  den  Siegeszug  zum  Dniepr  antraten.  In  diese 
i&eit  aber  fällt  das  grosse  Gräberfeld  der  Tene-Zeit  von  Rondsen  bei  Graudenz, 
und  nicht  ohne  Grund  schreibt  der  glückliche  Erforscher  desselben,  Hr.  Anger, 
dasselbe  den  Gothen  zu  (Das  Gräberfeld  zu  Rondsen  S.  69),  nachdem  schon 
Hr.  Lissauer  (Denkmäler  S.  124)  die  Tene- Periode  für  Westpreussen  bis  zum 
Jahre  200  n.  Ohr.  ausgedehnt  hatte.  Ist  das  richtig,  so  würden  die  Gothen  als  die 
eigentlichen  Träger  der  Tene-Cultur  jenseits  der  Weichsel  anzusehen  sein,  und 
wir  gewönnen  zugleich  in  den  Gräbern  dieser  Oultur  Merkzeichen  für  die  räum- 
liche Ausbrdtung  des  Volkes.  Damach  zu  urtheilen,  müsste  es  mehr  als  zweifel- 
haft erscheinen,  ob  dasselbe  sich  jemals  über  den  grösseren  Theil  des  preussischen 
Landes  ausgedehnt  habe  Vielmehr  müsste  angenommen  werden,  dass  die  Gräber 
der  Perioden  B  und  C  von  Tischler,  welche  der  Zeit  der  römischen  Kaiser  bis 
zum  3.  Jahrhundert  angehören,  als  Aestengräber  zu  deuten  wären. 

Nach  dem  ausdrücklichen  Zeugnisse  von  Jordan  es  waren  die  Gebiete  um  die 
Weichselmündung  gleichfalls  im  gothischen  Besitz.  Von  den  Gepiden  führt  er  an: 
commanebant  in  insula  Visclae  amnis  vadis  circumacta  (nach  Brosow  hiess  sie 
Spesis),  imd  er  Fährt  fort:  Nunc  eam,  ut  fertur,  insulam  gens  Vividaria  incolit,  ipsis 
ad  meliores  terras  meantibus.  Qui  Vividarii  ex  diversis  nationibus  acsi  in  unum 
asylum  collecti  simt  et  gentem  fecisse  noscimtur.  Da  dieser  Passus  mit  der  Angabe 
eingefUhrt  wird,  die  Vividarii  oder,  wahrscheinlich  richtiger,  Vidivarii  hätten  ge- 
wohnt ad  litus  Oceani,  ubi  tribus  faucibus  flue^ta  Vistulae  fluminis  ebibuntur,  so 
kann  offenbar  nur  der  Danziger  Werder  gemeint  sein,  und  die  Elemente,  aus  denen 
die  Vidivarier  gemischt  waren,  müssen  Gothen  und  Aesten  gewesen  sein.  Der 
Name  Vidland  oder  Vitland,  der  noch  zu  Wnlfstan's  Zeit,  ja  selbst  im  13.  Jahr- 
hundert erhalten  war,  deutet  nach  den  gelehrten  Auseinandersetzungen  MüUenhoff  s 
(IL  347)  auf  ästischen  Ursprung.  Wir  werden  also  als  sicher  annehmen  dürfen, 
dass  nach  dem  Abzüge  der  Gepiden  und  Gothen,  von  denen  vielleicht  hie  und  da 
einzelne  Reste  zurückgeblieben  sein  mögen,  das  leer  gewordene  Land  von  Aesten 
(Pruzzen)  eingenommen  wurde;  nur  die  Gebiete  an  der  Weichsel  südlich  von  der 
Ossa  dürften  den  Slaven  (Wenden)  zugefallen  sein.     So  konnte  schon  Wulfstan 


(774) 

den  Gegensatz  von  Veonodland  und  Vitland  vorfinden,  der  nns  in  den  Alterthümern 
erhalten  geblieben  ist. 

Was  im  Vitlande  schon  so  frühzeitig  geschah,  das  hat  sich  nachher,  namen^ 
lieh  seit  der  Deutschordenszeit,  in  immer  weiterem  Maasse  fortgesetzt:  die 
Mischung  verschiedener  ethnischer  Elemente*).  Leider  ist  die  Geschichte 
der  deutschen  Colonisation  in  Preussen  aus  den  vorliegenden  Publikationen,  soweit 
sie  mir  zugänglich  waren,  nur  unvollständig  zu  erkennen.  An  sich  ist  es  ja  sehr 
wahrscheinlich,  dass  je  nach  der  Herkunft  der  Hochmeister  und  der  Grossgebietiger 
des  Ordens  Landsleute  derselben  die  leer  gewordenen  Räume  füllten,  aber  die 
genauere  Erforschung  dieser  Verhältnisse  ist  noch  zu  machen.  Als  ein  vielleicht 
nicht  zu  unterschätzender  Behelf  dazu  dürfte  das  Studium  der  Haus-  und  Peld- 
einrichtungen  zu  betrachten  sein.  In  Betreff  der  Häuser  werde  ich  einige  Beiträge 
liefern.  Mögen  sie  filr  die  Angehörigen  der  beiden  Provinzen  einen  Anreiz  zu 
weiteren  Forschungen  darbieten! 

Vorweg  dürfte  es  jedoch  von  Bedeutung  sein,  an  die  Ergebnisse  unserer  EJr- 
hebung  über  die  Farbe  der  Haut,  der  Haare  und  der  Augen  bei  den  Schulkindern 
zu  erinnern.  Dieselbe  ergab  für  die  in  Betracht  kommenden  Regierun^bezirke 
Königsberg  und  Gumbinnen  (Ostpreussen),  Danzig  und  Marienwerder  (West- 
preussen)  folgendes  Procent-Verhältniss: 

Auf  100  Kinder  mit 
T)^;«  1.1^«^^,   T)«;«  v.wfi«^+*^,  blauen  Augen     blonden  Haaren 

Reg.-Bezirk      ^^"5,^"^  Tvm?«  ^^°^°^^^  ^'^         '^^"^"^^^  "^^* 

ijpus  lypus         braunen  Augen    braunen  Haaren 

Königsberg.     .     .    40  9  42  30 

Gumbinnen      .     .    40  9  41  32 

Danzig   ....    40  9  40  33 

Marienwerder.     .30  16  84  44 

Hier  tritt  zunächst -ein  scharfer  Gegensatz  zwischen  dem  Reg.-Bezirk  Marien- 
werder,  der  ein  grosses  Contingent  slavischer  Bevölkerungen  umfasst  und  weit  über 
das  linke  Weichselufer  nach  Westen  herübergreift,  in  die  Erscheinung,  während 
bei  den  drei  übrigen  Bezirken,  trotz  der  darin  enthaltenen  grossen  Städte,  genaa 
dieselben  Zahlen  ermittelt  wurden.  Noch  mehr,  als  bei  den  reinen  Typen, 
macht  sich  dieser  Gegensatz  bei  den  Mischtypen  geltend,  indem  von  den  Kindern 
des  Reg  -Bezirks  Marienwerder  84  pCt.  der  Mischlinge  braune  Augen  tmd  44  braune 
Haare  zeigten. 

Von  den  Kreisen  wähle  ich  nur  diejenigen  aus,  welche  für  die  Erörterungen 
dieses  Berichtes  eine  besondere  Bedeutung  besitzen.  Ich  bemerke  dabei,  dass  die 
Halbinsel  Heia  zum  Kreise  Neustadt,  die  Weichsel-  und  Nogat-Niederung  zu  den 
Landkreisen  Danzig  und  Elbmg,  das  Samland  und  der  südliche  Theil  der  kuhscfaen 
Nehrung  zum  Kreise  Fischhausen  .gehören.  Das  alt-litauische  Gebiet  wird  durch 
die  Kreise  Memel,  Heydekrug,  Niederung,  Tilsit,  Ragnit  und  Pillkallen.  das 
slavische  durch  Kulm,  Löbau  und  Allenstein  repräsentirt. 


1)  Sehr  bezeichnend  ist  für  diese  Betrachtung  die  Mischung  im  Kreise  PiUkallfA. 
Die  deutsche  Bevölkerung  daselbst  besteht  aus  Nachkommen  saliburgischer,  nassaoiscb^n 
magdeburgisch-halberstädter,  pfälzischer,  pommerscher,  märkischer,  anspachischer,  h<'««- 
scher  u.  s.  w.  Familien,  die  durch  König  Friedrich  Wilhelm  L  herangezogen  wnrdwi 
(Bezzenberger  in  Schnaubert,  Neueste  Beschreibung  des  Kreises  Pillkallen  PiU- 
kaUen  1889). 


Kreise 

Rein  blonder 
Typus 

Rein  brui 
Typi 

Neustadt     .    . 

.    44 

8 

Danzig-Tjand  . 

.    42 

9 

Elbing-Tjand    . 

.     .    48 

7 

Ralm.     .     . 

.     .    36 

11 

Löbau    .    .     . 

.    .     36 

11 

Alienstein  .    . 

.     38 

9 

Fischhausen 

.     .    41 

7 

liabian   .    .     . 

.    42 

7 

Memel   .    .    . 

.    40 

9 

Heydekrug .    . 

.    43 

7 

Niederung  .     . 

.    44 

7 

Tilsit.    .    .    . 

.    .     38 

10 

Ragnit   .     .    . 

.     .    40 

8 

PülkaUen   .    . 

.    42 

8 

(775) 

Auf  100  Kinder  mit 
•D^:«  iv^«^«.«-  blauen  Augen     blonden  Haaren 
Ä  kommen  iSit         kommen  mit 

^  braunen  Augen     braunen  Haaren 


40 
37 
31 
45 
48 
40 
33 
33 
40 
34 
34 
40 
37 
42 


32 
31 
24 
43 
38 
35 
26 
24 
27 
26 
24 
38 
28 
22 


Ich  will  mich  hier  nicht  in  eine  zu  weit  gehende  Erklärung  der  Einzelheiten 
einlassen.  Insbesondere  tiberlasse  ich  den  Lokalforschern  die  Aufklärung  dartiber, 
wie  Tilsit  zu  2khlen  kommt,  welche  denen  Ton  Allenstein  ganz  nahe  stehen; 
sie  deuten  auf  eine  starke  Mischung  mit  brtinctten  Leuten,  die  nur  durch  Kulm 
und  Löbau  tibertrofTen  wird.  Immerhin  mag  erwähnt  werden,  dass  die  Stadt 
Tilsit  erst  1559  angelegt  worden  ist  und  dass  auch  die  Besiedelung  des  um- 
liegenden Landes  sich  sehr  spät  und  langsam  vollzogen  hat. 

Nehmen  wir  als  Repräsentanten  der  deutschen  Colonisation  die  Landkreise 
Danzig  und  EHbing,  denen  sich  übrigens  Neustadt  nahe  anschliesst,  so  finden  wir 
den  blonden  Typus  sowohl  in  seiner  reinen  Form  (weisse  Haut,  blaue  Augen, 
blonde  Haare),  als  auch  in  dem  Verhältniss  der  blauen  Augen  und  der  blonden 
Haare  in  den  Mischformen  am  stärkiAen  vertreten.  Der  Elbinger  Landkreis  hat 
fast  durchweg  das  reinste  Blond. 

Aber  die  lettischen  und  litauischen  Kreise,  wenn  wir  von  Tilsit  absehen,  treten 
ihnen  unmittelbar  an  die  Seite.  Der  rein  brünette  Typus  hat  überall  niedrige,  der 
rein  blonde  hohe  Zahlen,  und  auch  die  Mischlinge  zeigen  vorwiegend  helle 
Gomplexion.  Es  stimmt  das  genau  überein  mit  den  Angaben,  die  ich  früher  (Verb. 
1877,  S.  386)  über  die  Letten  gemacht  habe,  sowie  mit  dem,  was  zahlreiche  Beob- 
achter von  den  Litauern  angeben.  Auf  flinzelheiten  werde  ich  noch  zurück- 
kommen; hier  mag  es  genügen,  zu  constatiren,  dass  die  Letten,  die  Litauer 
und  wahrscheinlich  auch  die  eigentlichen  Preussen  chromatologisch 
mit  den  Germanen  des  Nordens  zusammentreffen. 

Meine  eigenen  Untersuchungen  an  Lebenden  wurden  an  verschiedenen  Orten, 
zum  Theil  unter  erschwerenden  Umständen,  angestellt.    Es  waren  folgende: 

I.  Auf  der  Halbinsel  Heia  an  5  erwachsenen,  sehr  kräftigen  Fischern 
im  besten  Lebensalter.  Ihren  Familiennamen  nach  gehörten  zwei  (Kunkel  und 
Hallmann)  zu  den  Deutschen,  die  drei  anderen  (Walkows  und  Zuch)  vielleicht  zu 
anderen  Stämmen  *).  Alle  5  waren  grosse  Männer:  den  grössten,  Heinrich 
Walkows,  34  Jahre  alt  und  1,882  m  hoch,  konnte  ich  leider  nicht  weiter  messen. 
Von  den  anderen  war  der  zweite  Walkows  am  grössten:  1,733  m;  ihm  stand  am 
nächsten  Zuch  mit  1,702  m;  die  kleinsten  waren  Kunkel  mit  1,678  und  Hallmann 


1)  Ein  Ort  Walkowe  wird  in  Litauen  bei  Insterburg  genannt  (^Horn  a.  a.  0.,  S.  118). 


(776) 

mit  1,647  m.  Die  RoplTorm  war  bei  zwei  (HallmaDn  und  Znch)  ausgemacht 
brachycephal  (Index  84,8  und  80,0),  bei  den  anderen  stark  mesocephal  (Index 
78,4  und  79,5,  der  Brachycephalie  ganz  nahe).  Der  Ohrhöhen-Index  durchweg 
eher  niedrig,  zwischen  57,5  und  61,6.  Der  Gesichtsindex  schwankte:  zweimal  war 
er  leptoprosop  (Index  91,6  und  89,8),  zweimal  chamaeprosop  (Index  79,0  und  87,4), 
jedoch  bei  Kunkel  relativ  hoch.  Der  Nasenindex  ergab  bei  allen  rier  ein  lep- 
torrhines  Maass  (zwischen  56,8  und  68,5),  am  niedrigsten  (56,8)  bei  Kunkel. 
Das  Kopfhaar  bei  Walkows  blond,  bei  Hallmann  dunkelbraun,  bei  den  beiden 
anderen  schwarzbraun,  jedoch  bei  Zuch  der  Bart  blond;  die  Iris  bei  Walkows 
hellblau,  bei  Zuch  rein  blau,  bei  Hallmann  hellgraublau,  bei  Kunkel  grünlichblau, 
also  vorwiegend  blau;  die  Gesichtsfarbe  bei  Hallmann  bräunlich,  bei  Zuch  durch 
die  Luft  gebräunt,  bei  Kunkel  rosig,  bei  Walkows  stark  roth.  Weitgehende 
Schlüsse  lassen  sich  daraus  nicht  ziehen.  Es  mag  ausserdem  bemerkt  werden, 
dass  die  Kinder  ausgemacht  blond  und  blauäugig  waren. 

II.   In  Palmnicken  im  Samlande  stellte  mir  Hr.  Stadtrath  Hagen  mehrere 
seiner  Arbeiter  zur  Verfügung.    Von  diesen  waren  vier  Litauer,  nehmlich 

1.  Daniel  Daszenies  (spr.  Daschenis),  geb.  1866  in  üszlöknen,  Kr.  Heydeknig. 
Sowohl  Eltern,  als  Grossei tem  sprechen  nur  litauisch.  Er  misst  1,708  /».  Das 
Haar  ist  hellbraun,  die  Iris  hell,  mit  einer  gelben  Pupillarzone  und  einem 
weissen  Reticulum,  beiderseits  Spitzohr  mit  angewachsenen  Ohrläppchen.  Kopf- 
index fast  brachycephal:  79,5,  Gesichtsindex  chamaeprosop:  73,9. 

2.  Daniel  Krutinnis,  geb.  1835  in  Jakischken,  Kr.  Heydekrug.  Eltern  und  Gross- 
eltem  spechen  nur  litauisch.  Er  misst  nur  1,598  m,  ist  dunkelblond,  die  Iris 
wie  bei  dem  vorigen,  nur  der  gelbliche  Ring  um  die  Pupille  stärker  aus- 
geprägt. Kopfindex  brachycephal  (82,5),  Gesichtsindex  fast  leptoprosop 
(89,0). 

3.  Georg  Abromeit,  geb.  1846  in  Szudnaggen,  Kr.  Memel.  Der  Vater  spricht 
etwas  deutsch,  Mutter  und  Grosseltem  ausschliesslich  litauisch.  Er  hat  eine 
Höhe  von  1,7  m,  dunkelbraimes  Kopfhaar,  die  Iris  dunkelblaugrau  mit  gelbem 
Pupillarring  und  hellem  Rete,  Ohrläppchen  angewachsen.  Kopßndex  brachy- 
cephal (80,4),  Gesichtsindex  chamaeprosop  (78,6). 

4.  Adam  Wabbel,  geb.  1847  in  Russ.  Sein  Vater  spricht  etwas  deutsch,  Mutter 
und  Grosseltern  ausschliesslich  litauisch.  Er  hat  eine  Höhe  von  1,645  m,  hell- 
braunes Kopfhaar,  eine  sehr  helle  Iris  mit  ganz  weisslichem,  jedoch  durch 
einen  dunklen  Rand  abgegrenzten  Innenring.  Rechts  Cataract  Ohrläppchen 
nur  wenig  abgesetzt. 

Ausserdem  führte  mir  Hr.  Hagen  noch  einen,  von  deutschen  Eltern  stammenden 
Samländer  zu: 

5.  Der  21jährige  Mann  war  zu  Sorgenau  im  Kreise  Pischhausen  geboren,  1,69  m 
hoch.  Kopfhaar  dunkelblond  (hellbraun),  Iris  weisslichblau,  Ohrläppchen  an- 
gewachsen. Kopfindex  80,6,  brachycephal,  Gesichtsindex  82,9,  chamae- 
prosop. 

Alle  diese  Leute,  auch  den  Samländer  nicht  ausgeschlossen,  zeigten  in  den 
anthropologischen  Merkmalen  grosse  Uebereiostimmung.  Die  grösste  Breite  des 
Schädels  war  bei  allen  parietal,  zwischen  144  und  156  mm;  die  minimale  Stirn- 
breite  beträchtlich,  meist  zwischen  111  und  113  mm,  nur  bei  Abromeit  121  nv». 
Der  Nasenindex  leptorrhin,  zwischen  61,4  (bei  dem  Samländer)  und  68,9,  nur 
bei  Daszenies  mesorrhin  (70,5). 

In  hohem  Maasse  überraschte  mich  die  Beschaffenheit  der  Iris  bei  den 
Litauern.    Dieselbe  zeigte  einen  blauen  Untergrund,  meist  blass-  oder  fast  wasjer- 


(777) 

blau;  darüber  legte  sich  ein  loses  Netzwerk  (Reticulum)  von  Yollständig  un- 
gefärbten und  daher  weiss  erscheinenden  Pasem,  welches  vorzugsweise  den  mitt- 
leren (intermediären)  Theil  des  Iris-Ringes  einnahm  und  nur  die  Ränder  freiliess. 
Dafür  war  die  Pupillarzone  der  Iris  stärker  gefärbt  durch  hellbraunes  Pigment, 
welches  im  Ganzen  einen  gelben  Eindruck  hervorbrachte,  wie  er  von  den  Gothen 
behauptet  ist. 

III.  Die  nächsten  Messungen  geschahen  in  Nidden,  einem  kleinen  Fischer- 
dorfe  auf  der  kurischen  Nehrung,  unter  gütiger  Vermittelung  des  Hm. 
Bezzenberger.  Sämmtliche  Personen  waren  der  Angabe  nach  Kuren,  die 
Männer  Fischer. 

1.  Hans  Peleikis,  60  Jahre  alt,  stammt  aus  dem  verschütteten  Dorfe  Alt-Negeln. 
Er  ist  1,787  m  hoch,  stark  gebaut  und  kräftig.  Das  Kopfhaar  dunkelblond 
(hellbraun),  die  Iris  dunkelblau,  mit  einem  weisslichen  Reticulum  bedeckt. 
Ohrläppchen  grossentheils  angewachsen.  Kopfindex  brachycephal  (84,8),  der 
Ohrhöhen-Index  orthocephal  (62,1).  Der  Kopf  macht  den  Eindruck  eines 
Kephalonen:  Horizontalumfang  588  mm,  grösste  horizontale  Länge  198,  grösste 
parietale  Breite  168,  basilare  Länge  136,  Stimbreite  113  mm,  Gesichtsindex 
chamaeprosop  (82,2),  wegen  der  Grösse  der  Distanz  der  stark  vorstehenden 
Wangenbeine,  bezw.  Jochbogen.  Nase  gross,  lang,  massig  breit,  leptorrhin 
(61,2). 

2.  Fritz  Fröse,  46  Jahr  alt,  abgebildet  bei  Bezzenberger  (Die  kurische  Nehrung, 
S.  120),  gleichfalls  sehr  gross,  1,768  mm.  Kopfhaar  hellbraun,  Iris  hellblau 
mit  lichter  Pupillarzone.  Kopfindex  brachycephal  (82,6),  Ohrhöhen-Index 
orthocephal  (61,0).  Horizontalumfang  565,  horizontale  Länge  190,  parietale 
Breite  157,  basilare  Länge  125  mm.  Gesichtsindex  chamaeprosop  (82,9), 
Jugaldistanz  147  mm.    Nasenindex  hyperleptorrhin  (59,0). 

3.  Marie  Zander,  geb.  Peleikis,  entfernte  Verwandte  von  Nr.  1 ;  ihre  ürgrossmutter 
soll  in  Sarkau,  Grossvater  und  Mutter  in  Alt-Negeln  gelebt  haben.  Sie  ist 
46  Jahre  alt,  hat  kastanienbraunes  Haar,  eine  blaue  Iris  mit  weissem  Ringe 
und  eine  helle  Hautfarbe  mit  rothen  Backen.  Ihre  Grösse  beträgt  nur  1,565  m. 
Kopfindex  81,4,  brachycephal;  Ohrhöhen-Index  59,0,  chamaecephal.  Ge- 
sichtsindex 72,2,  ultrachamaeprosop.    Nasenindex  hyperleptorrhin  (56,8). 

4.  Johann  Tschakau,  67  Jahre  alt,  in  Nidden  geboren,  zeigt  ein  ganz  anderes 
Gesicht.  Er  ist  nur  1,581  m  hoch.  Sein  Kopfhaar  ist  dunkelbraun,  die  Haut 
selbst  bräunlich,  die  Iris  grünlichblau  mit  zahlreichen  braunen  Flecken.  Ohr- 
läppchen etwas  angewachsen.  Kopfindex  80,6,  brachycephal,  dagegen  der 
Gesichtsindex  92,0,  also  leptoprosop;  Jugaldistanz  nur  138  mm.  Nasenindex 
leptorrhin,  62,5.  Wahrscheinlich  ist  der  Mann  nicht  von  rein  kurischem 
Blute. 

Im  Uebrigen  hatten  alle  Personen  den  gleichen  Typus,  der  bei  den  Männern 
vielfach  an  das  Aussehen  amerikanischer  Rothhäute  erinnerte.  Die  meist  braunen 
Haare  waren  etwas  dünn,  leicht  wellig,  häufig  zottelig.  Besonders  bemerkens- 
werth  schien  mir  die  grosse  und  volle,  fast  ganz  gewölbte  Stirn,  das  sehr  breite 
Gesicht,  die  lange  und  trotz  ihrer  Stärke  schmale  Nase.  Man  vergl.  übrigens  die 
Porträts  einer  Frau  imd  mehrerer  Mädchen  bei  Bezzenberger,  S.  121,  122. 

IV.  Eine  fernere  Reihe  von  Messungen  veranstaltete  ich  in  Schwarzort, 
dem  gegenwärtig  grössten  Ort  der  kurischen  Nehrung.  Mit  Hülfe  der  lIHm.  Bezzen- 
berger und  Stellmacher  wurden  diejenigen  Familien  ausgesucht,  welche  als  die 
ältesten  und  reinsten  unter  der  kurischen  Bevölkerung  galten.  Indess  ergaben 
sich  doch  nicht  selten  Beziehungen  zu  dem  litauischen  Ufer,  namentlich  in  Folge 


(778) 

von  Heirathen.    Eine  absolute  Sicherheit  dürfte  sich  wohl  kaum  erzielen  lassen. 
Es  handelte  sich  durchweg  um  Fischerfaniilien. 

1.  Lauzening,  71  Jahre  alt,  von  dem  benachbarten  Rarweiten  gebürtig,  hat  sich  in 
die  Wirthschaft  eingeheirathet.  Er  ist  1,672  m  hoch,  noch  sehr  kräftig  und  in 
voller  Arbeit.  Seine  Zähne  sind  noch  vollständig,  sein  freilich  ei^grautes  Haar 
voll  und  lockig,  der  Bart  stark,  rasirt.  Kopfindex  84,1,  brachycephal; 
Ohrhöhen-Index  63,9,  orthocephal.  Gesichtsindex  chamaeprosop  (87,0), 
wegen  der  Breite  der  Jugaldistanz  (147  mm),  Nase  gross,  gerade,  Spitze  etwas 
dick,  Index  leptorrhin  (62,7). 

2.  Saküt  (ein  auf  der  Nehrung  und  dem  Festlande*)  sehr  häufiger  Name), 
48  Jahre  alt,  stammt  aus  einer  alten  Schwarzorter  Familie,  ist  auch  daselbst 
geboren.  Seine  Mutter,  eine  geb.  Pietsch,  war  von  Karweiten.  Er  ist  ein 
kräftiger  und  sehr  grosser  Mann,  1,774  m  hoch,  breit  gebaut,  von  dunkel- 
braunem Haar,  das  auf  der  Stirn  etwas  dünn  geworden  ist,  und  eher  heller 
Haut.  Seine  Iris  ist  fast  gelb,  mit  einem  grossen  hellen  Ring  um  die  Pupille, 
aber  ohne  Reticulum.  Kopfindex  mesocephal,  70,6;  Ohrhöhen-Index  cha- 
maecephal,  59,3.  Auch  der  Gesichtsindex  chamaeprosop,  78,5,  trotzdem 
die  Nase  leptorrhin,  67,9. 

3.  Marike  Sakiit,  die  Frau  von  Nr  2  und  die  Tochter  von  Nr.  1,  50  Jahr  alt,  eine 
hübsche  Frau  mit  langem,  dunkelbraunem,  leicht  ergrauendem  Kopfhaar  und 
blauen,  etwas  schwachen  Augen  ohne  weisse  Ringe.  Sie  ist  brachy-  und 
orthocephal  (Kopfindex  82,4,  Ohrhöhen-Index  62,7),  wie  ihr  Vater,  and 
ebenso,  trotz  ihres  scheinbar  schmalen  Gesichts,  chamaeprosop  (88,1)  und 
leptorrhin  (64,8)     Ihre  Körperhöhe  beträgt  1,52  ttz. 

4.  Ihre  Schwägerin,  die  Schwester  von  Saküt,  ist  mit  einem  Mann  von  ,jener*' 
Seite,  aus  Kinthen  (nicht  weit  von  Prökuls),  Namens  Kumbertzky,  verheirathct 
Sie  ist  46  Jahre  alt,  nur  1,482  m  hoch,  aber  stark  und  kräftig  gebaut,  sehr 
energisch  und  aufmerksam,  von  etwas  vollen  Formen,  kurz  und  breit  Ihr 
Haar  ist  dunkelbraun,  die  Haut  bräunlich,  die  Wangen  geröthet,  die  Iris  blau, 
mit  lichtem,  braunem  Ringe.  Kopf-  und  Ohrhöhen -Index  ortho  brachy- 
cephal (80,3  und  60,6).  Gesichtsindex  ultrachamaeprosop  (75,0).  Nasen- 
index mesorrhin  (76,5). 

5.  Michel  Peleikis,  nicht  verwandt  mit  dem  Niddener  Nr.  1,  67  Jahre  alt,  1,661  m 
hoch,  hat  spärliches,  braunes,  etwas  grau  gewordenes  Haar,  lichte  Haut  und 
licht  hellblaue,  fast  weisse  Iris.  Seine  Kopfform  ist  chamaemesocephal 
(Kopfindex  77,8,  Ohrhöhen-Index  58,4),  wie  bei  Saküt  (Nr.  2),  dagegen  ist  er 
chamaeprosop  (77,7)  und  mesorrhin  (75,9),  wie  Frau  Kumbertzky. 

6.  Wilhelmine  Lauzening,  geb.  Pietsch,  aus  Karweiten,  die  Schwiegertochter 
von  Nr.  1,  39  Jahre  alt.  Ihre  Mutter  war  eine  Litauerin  von  Klisch  auf  der 
„anderen  Seite**.  Sie  ist  eine  stramme  Frau  von  1,647  m  Höhe,  mit  schönem 
braunem  Haar,  bräunlicher  Haut  und  weisslich  blauer  Iris  mit  ungefärbter 
Deckschicht.  Ohrläppchen  fehlen.  Sie  ist  chamaebrachycephal  (Kopf- 
index 82,4,  Ohrhöhen-Index  59,5),  chamaeprosop  (84,3)  und  leptorrhin 
(65,3).  Ihr  horizontaler  Kopfumfang  misst,  wie  bei  dem  Ehepaar  Saküt  (Nr.  t 
und  3)  560  mm, 

7.  Anna  Peleikis,  Tochter  von  Nr.  5,  unverheirathet,  32  Jahre  alt,  1,525  m  hoch. 
Braunes  Haar,  Iris  graublau,  ohne  Reticulum,  mit  leicht  gelblicher  Pupülar- 
zone.    Ohr  ohne  Läppchen.    Stirn  vorgewölbt    Sie  ist  chamaemesocephal 

1)  Ein  Dorf  Sackutten  liegt  im  südlichsten  Thcile  des  Kreises  MemeL 


(779) 

(K.-I.  78,6,  O.-H.-I:  58,4),  ultrachamaeprosop  (77,7)  und  hoch  leptorrhin 
(68,7). 
8     Anna  Piktschuss,  17  Jahr  alt,  zierlich,  anämisch,  1,559  m  hoch.   Haar  dunkel- 
blond;  Iris  bräunlichblau,   mit  einer  Pigmentlage  um  die  Pupille  und  einem 
leicht  weisslichen  Intermediärringe.    Ohr  fein,   aber  ohne  Läppchen.    Sie  ist 
hypsibrachycephal  (K.-I.  87,9,   O.-H-L  68,3),   chamaeprosop  (68,1)  und 
leptorrhin  (64,5). 
Trotz  nicht  unerheblicher   indiTidueller   und  Familien -Variation,   die   in  der 
äusseren  Ebrscheinung  stark  hervortrat,  sind  die  Indices  doch  ungewöhnlich  gleich- 
artig.   Unter  8  kurischen  Köpfen  waren  nur  2  mesocephale,  jedoch  mit  hohen  Indices 
(79,6  und  78,6),    die  der  Brachycephalie  sehr  nahe  stehen.    Ebenso  fanden  sich 
2  mesorrhine  (76,5  und  75,9).    Ein  sexueller  Einfluss  war  nicht  zu  erkennen. 

V.  Die  folgende  Station  war  das  Gut  Löbarten,  südöstl.  von  Memel,  im 
eigentlichen  Litauen.  Hr.  Rittergutsbesitzer  Scheu  besorgte  mit  der  grössten 
Liebenswürdigkeit  nicht  nur  das  Material  zu  den  Messungen,  sondern  auch  einen 
grossen  Sängerinnenchor,  um  uns  die  nationalen  Weisen  (Deines)  vortragen  zu 
lassen  und  die  Kostüme  zu  zeigen.  Es  ist  dies  die  Gegend,  aus  der  noch  in 
neuester  Zeit  ein  Zug  berittener  Litauerinnen  (nach  Männerart  reitend)  dem  Kaiser 
vorgeführt  wurde. 

1.  Kristup  Laukstins,  52  Jahre  alt,  1,704  m  hoch.  Kopfhaar  hellbraun,  Hautfarbe 
hell,  Iris  hellblau  mit  weissem  Netz.  Kopfform  orthobrachycephal  (K.-I. 
84,7,  O.-H.-I.  64,5).  Gesicht  chamaeprosop  (Index  87,8).  Nasenindex  lep- 
torrhin (56,6).    Jugaldistanz  148,  Ünterkieferwinkel-Distanz  114  iwm. 

2.  Ilsze  Janeikis,  ein  17 jähriges,  1,616  m  hohes  Mädchen  mit  dunkelbraunem 
Kopfhaar,  heller  Haut  und  blauer  Iris,  letztere  mit  gelber  Pupillarzone  imd 
weissem  Netz.  Kopfform  chamaebrachycephal  (Br.-I.  82,4,  O.-H.-I.  58,8). 
Gesicht  chamaeprosop  (87,8),  Nase  ultraleptorrhin  (53,5).  Sehr  breite 
Stirn  (110  mm  in  minimo);  Horizontalumfang  (wegen  des  starken  Haares  zu 
gross)  560  mm. 

3.  Martin  Grausdis,  27  Jahre  alt,  nur  1,664  m  hoch,  mit  dunkelbraunem  Haar  und 
heller  Haut,  Iris  ziemlich  blau  mit  gelbbrauner  Pupillarzone.  Ohrläppchen 
fast  ganz  frei.  Kopfform  hypsibrachycephal  (Br.-I.  82,8,  O.-H.-I.  68,9). 
Gesicht  chamaeprosop  (85,0),  Nase  hyperleptorrhin  (58,6).  Jugaldistanz 
gross  (140  mm),  die  grösste  Breite  nahe  am  Ohr.  Malarbreite  massig  (97  mm)^ 
dagegen  Kieferwinkel-Distanz  sehr  gross  (117  mm).  Das  Gesicht  nach  unten 
konisch,  mit  stark  vortretendem  Kinn,  die  Kieferwinkel  nach  auswärts  vor- 
springend. 

4.  Mare  Skrandis,  ein  19 jähriges  Mädchen  von  1,604  m  Höhe,  sehr  kräftig,  dunkel- 
blond, von  heller  Hautfarbe,  Iris  hellblau  mit  gelbem  Innenrand  und  weissem 
Netzwerk.  Kopfform  orthomesocephal  (Br.-I.  76,2,  O.-H.-I.  61,8),  mit  hohem 
Hinterkopf.  Gesicht  chamaeprosop  (80,4),  Nase  leptorrhin  (60,7).  Grosse 
basilare  Länge  (111  mm)^  grosse  Jochbogenbreite  (138  mm), 

5.  Jurgis  (Georg)  Szemis,  33  Jahre  alt,  1,613  m  hoch.  Kopfhaar  röthlich  blond, 
Hautfarbe  hell,  Wangen  geröthet,  Iris  blau  mit  weissem  Netz.  Kopfform 
orthodolichocephal  (Br.-L  73,2,  O.-H.-L  61,8),  mit  hohem  Hinterkopf.  Ge- 
waltige Basilarlänge  (122  mm),  grosser  Horizontal  umfang  (544  mm),  starke 
Jugaldistanz  (141  mm),  Gesicht  chamaeprosop  (87,9),  Nase  leptorrhin 
(61,5). 

6.  Ilsze  Szemfs,  die  Schwester  von  Nr.  5,  28  Jahre  alt,  1,511  mm  hoch.  Kopfhaar 
dunkelblond.   Haut  sehr  hell,    Iris  hellblau  mit  weissem  Netz.    Kopfform  von 


(780) 

der  des  Bruders  ganz  abweichend,  chamaebrachycephal  (ßr.-I.  83,1,  O.-IL-L 
56,1),  aber  auch  hier  grosse  basilare  Länge  (115  mm).  Gesicht  leptoprosop 
(90,0),  dagegen  die  Nase  mesorrhin  (Index  72,3).  Rieferwinkel-Distanz  klein 
(97  mm). 

7.  Ilsze  Schulkis,  29  Jahre  alt,  zu  der  brünetten  Varietät  gehörig,  von  stumpfem 
Verhalten,  1,548  m  hoch.  Kopfhaar  dunkelbraun.  Haut  bräunlich,  Iris  gelblich 
mit  blauem  Innenrand  und  weissem  Netz.  Kopfform  orthomesocephal  (Br.I. 
79,7,  O.-H.-I.  63,3).  Gesicht  chamaeprosop  (86,9),  Nase  leptorrhin  (66,0), 
dick,  mit  breiten  Flügeln. 

8.  Ilsze  Alksnis,  geb.  Taleikis,  46  Jahre  alt.  Kopfhaar  dunkelbraun.  Haut  hell- 
bräunlich, Iris  dunkelblau.  Kopfform  sehr  abweichend,  fast  „thurmartig^,  mit 
schräg  abgeflachtem  Mittel-  und  steil  abfallendem  Hinterkopf,  daher  die  Indices 
unsicher:  Kopf  index  85,7,  brachycephal;  Ohrhöhenindex  64,6,  orthocephal. 
Gesicht  ultrachamaeprosop  (73,9),  Nase  hyperleptorrhin,  Index  59,0. 

Die  Mehrzahl  der  Löbartener  Leute  hatte  keine  abgesetzten  Ohrläppchen. 

VI.  Von  Löbarten  aus  begaben  wir  uns  in  die  Forst  von  Szernen,  etwas 
weiter  südlich,  wo  Hr.  Bezzenberger  eben  beschäftigt  war,  Gräber  der  römischen 
Zeit  zu  öiTnen.  Er  haUe  die  grosse  Fi^undlichkeit,  mir  einige  seiner  Arbeiter  zu- 
zuführen. 

1.  Johns  Salomons,  67  Jahre  alt,  mittelgross.  Kopfhaar  dunkelbraun,  etwas  grau 
gemischt.  Iris  braun,  mit  weissem  Netz  und  hellbrauner  Pupillarzone.  Kopf- 
form chamaebrachycephal  (Br.-I.  82,6,  O.-H.-I.  58,9).  Gesicht  chamae- 
prosop, Jugaldistanz  135  mm.  Nase  leptorrhin,  62,9.  Kieferwinkel-Distanz 
klein,  99  mm. 

2.  Martin  Liebiszkis,  71  Jahre  alt,  aber  noch  rüstig  und  arbeitsfrisch,  gross,  mit 
dunkelbraunem  Haar,  Iris  blau  mit  weissem  Netz.  Kopfform  hypsi brachy- 
cephal (Br.-I.  87,1,  O.-H.-l.  65,7).  Grosser  Horizontalumfang  (530  mm).  Gesieht 
chamaeprosop  (81,4).  Nase  mesorrhin  (71,1).  Jochbreite  (143  mm)  und 
Ünterkieferwinkel-Distanz  (106)  beträchtlich. 

3.  Adam  Baidruschat,  56  Jahre  alt,  gross,  gehört  auch  der  dunklen  Varietät  an« 
Kopfhaar  fast  schwarz,  Iris  bräunlich  mit  stark  braunem  Reticulum.  Kopf- 
form chamaebrachycephal  (Br.-I.  87,1,  O.-H.-L  56,4),  ziemlich  ähnlich  den 
Zahlen  von  Nr.  1,  mit  dem  auch  der  chamaeprosope  Index  (82,8)  summt 
Im  üebrigen  ist  der  Horizontalumfang  beträchtlich  (540  mm),  die  Kiefer- 
winkel  herausgeschoben  (110  mm).  Nasenindex  auf  der  Grenze  von  Meso- 
und  Leptorrhinie:   Index  69,2. 

Die  vorliegende  Untersuchung  umfasst  15  Litauer,  darunter  5  Frauen.  Dahin 
gehören  die  unter  U.  aufgeführten  4  Männer,  die  in  Palmnicken  gemessen  worden 
und  aus  der  Gegend  von  Heydekrug,  Memel  und  Russ  stammten,  also  aus  der- 
selben Gegend,  welche  ich  später  selbst  bereiste,  und  aus  welcher  8  Personen, 
darunter  5  Frauen,  in  Löbarten,  3  Männer  im  Forst  von  Szernen  untersucht 
wurden.  Natürlich  sind  keine  weit  zurückgehenden  Nachforschungen  über  ihre 
Herkunft  angestellt  worden,  aber  die  besten  Kenner  des  Volksstammes  standen 
mir  zur  Seite  und  das  Material  darf  wohl  als  ein  verhältnissmässig  reines  be- 
trachtet werden,  ich  sah  begreiflicherweise  ausserdem  viele  Personen  in  den 
Häusern  und  konnte  so  wenigstens  dem  äussern  Eindruck  nach  das  kontrolirm, 
was  die  genauere  Elinzel Untersuchung  gelehrt  hatte. 

Damach  kann  ich  bestätigen,  was  seit  jeher  über  die  Litauer  gesagt  ist, 
es  eine  kräftige,  überwiegend  dem  blonden  Typus  ztf^gehörige  M( 


(781) 

art  ist.  Der  alte  Pfarrer  Praetorius  (f  1684)  berichtet  von  ihnen,  sie  hätten 
„grane,  fast  ins  gelbe  fallende  Augen,  eine  weissrothe,  öfter  bräunliche  Farbe  der 
Haut  und  schlichte,  gelbe  Haare,  die  sie,  ein  Zeichen  der  Unfreiheit,  kurz  tragen" 
(Ad.  Kogge,  Der  preussische  Litauer  des  16.  und  1 7.  tlahrhunderts.  Insterburg 
1886.  I.  S.  5).  Hr.  Hörn  (a.  a.  0.  S.  77)  sagt  speciell  von  den  Frauen  tind 
Mädchen,  sie  seien  ebenso  kräftig  und  wohlgepflegt  (wie  die  Männer).  „Die  Nase 
ist  klein  und  gestülpt,  die  vollen  Wangen  haben  einen  Anflug  ins  Bräunliche,  die 
Lippen  roth  und  feurig.^ 

Die  Haarfarbe  der  von  mir  untersuchten  Erwachsenen  war  überwiegend 
dunkelbraun  (in  7  Fällen);  nächstdem  habe  ich  in  gleicher  Zahl  (je  3  Fälle)  hell- 
braun und  dunkelblond  notirt;  nur  einmal  sah  ich  röthlichblondes  und  einmal  fast 
schwarzes  Kopfhaar.  Aber  die  Kinder  waren  sämmtlich  blond,  nicht  selten  weiss- 
lieh  blond,  und  auch  das  nachgedunkelte  Haar  der  Erwachsenen  Hess  den  hellen 
Schimmer  im  vollen  Licht  oft  genug  erkennen.  Am  meisten  zeugte  der  Bart  llir 
die  ursprtinglich  blonde  Beschaffenheit  des  Haares. 

Damit  harmonirte  die  Haut,  welche  selbst  bei  diesen,  fast  immer  der  Luft  und 
dem  Lichte  ausgesetzten  Leuten  ein  ungewöhnlich  helles  Colorit,  zumal  an  den 
bedeckten  Theilen,  bewahrt  hatte.  Häufig  war  das  „Weiss",  besonders  bei  weib- 
lichen Individuen,  ungemein  zart.  Bei  älteren  Frauen  stellte  sich  freilich  ein 
schmutziges,  bräunliches  oder  gelbliches  Aussehen  her.  Indess  gab  es  auch  ein- 
zelne Personen,  welche  ein  mehr  ausgeprägtes  Braun  zeigten,  und  es  mag  wohl 
sein,  dass,  wie  Hr.  Bezzenberger  annimmt,  eine  braune  Varietät  unter  den 
Litauern  vorkommt.  Der  zuletzt  aufgeführte  Mann  von  Szemen  mag  als  Beispiel 
dienen.  Wer  kann  wissen,  woher  diese  Farbe  stammt?  Jedenfalls  ist  sie  nicht 
die  Regel. 

Am  meisten  überraschte  mich  die  Farbe  der  Augen.  Der  alte  Praetorius 
nennt  sie  „grau,  fast  ins  Gelbe  fallend",  gewiss  sehr  zutreffend,  aber  auch 
sehr  charakteristisch.  Wie  aus  den  Einzelaufnahmen  hervorgeht,  hing  dieses  Merk- 
mal mit  bestimmten  anatomischen  Eigenthümlichkeiten  der  Iris  zusanmien.  In 
dieser  Beziehung  ist  zweierlei  zu  erwähnen.  Erstens  fand  sich  bei  der  Mehrzahl 
der  Leute  eine  eigenthümliche,  ungefärbte  und  daher  weisslich  erscheinende  Deck- 
schicht, welche  in  bald  breiterer,  bald  schmälerer  Ausbreitung  den  mittleren  Theil 
des  Iris-Ringes  bedeckte  und  sowohl  den  pupillaren,  als  den  lateralen  Rand  frei 
liess.  Ich  habe  diese  Schicht  als  Reticulum  oder  Netzwerk  bezeichnet,  weil  sie 
bei  genauerer  Betrachtung  aus  einem  maschigen  Gewebe  bestand,  dessen  Faserzüge 
zu  zahlreichen  Knotenpunkten  zusammentraten.  Da,  wo  die  Maschenräume  lagen, 
schimmerte  die  meist  blaue  oder  bläuliche  tiefere  Lage  der  Iris  durch,  während 
die  Fäden  und  Netze  selbst  durch  ihre  ündurchsichtigkeit  und  Farblosigkeit  einen 
weisslichen  Schimmer  erzeugten.  Trat  das  Pigment  aus  der  Tiefe  weiter  herauf, 
so  gab  es  einen  grünlichen  oder  gelblichen  Schimmer;  zuweilen  sah  man  aber  das 
reine  Blau  der  Tiefe  zwischen  dem  Weis^  der  Oberfläche  durchleuchten.  Zweitens 
zeigte  sich  um  die  Pupille  herum  eine  marginale  Zone,  welche  nicht  gedeckt  war 
durch  das  Reticulum,  und  gerade  hier  trat  eine  stärkere,  am  häufigsten  eine  gelbe 
oder  braune  Pigraentirung  hervor,  zuweilen  durch  kleine  braune  Häufchen  verstärkt. 
Auch  der  laterale  Theil  der  Iris  zeigte  ähnliche  Verhältnisse,  nur  nicht  so  scharf 
und  für  den  äusseren  Eindruck  bestimmend.  So  wird  es  begreiflich,  dass  dasselbe 
Auge  dem  einen  blau  oder  bläulich  oder  blaugrau,  dem  andern  grünlich,  gelblich 
oder  selbst  gelb  erscheinen  kann*). 

\j  Ich  habe  diese  Verhältnisse  in  der  Einleitung  zu  meinem  Bericht  über  die  deutsche 
Schulerhebnng  S.  14  erörtert 


(782) 

Dieser  Zustand  hat  unverkennbar  etwas  Albinistisches  an  sich:  er  beruht 
auf  einem  Mangel  an  Farbstoff  in  den  äusseren  oder  vorderen  Theilen  der  Iris. 
Trotzdem  haben  die  Augen  der  Litauer  nichts  von  den  Eigenschaften  der  Albinos 
an  sich:  sie  sind  weder  ^chtscheu,  noch  unruhig,  die  Pupille  ist  rein  schwarz  und 
nichts  deutet  darauf  hin,  dass  irgend  ein  anderer  Theil  des  Auges  an  dem  Pigment- 
mangel theilhat.  Der  Zustand  ist  eben  eine  extreme  Steigerung  des  blauen  Zn- 
standes,  wie  das  gelbliche  Weiss  des  Haares  eine  Steigerung  des  blonden  Zustandes 
darstellt.  Merkwürdig  genug  ist  es  zu  sehen,  wie  hier  Haar  und  Augen  zusammen- 
wirken, um  jenen  Eindruck  der  gavÖoT»);,  welchen  die  alten  SchriftsteUer  an  den 
nordischen  Völkern  einmüthig  hen^orheben,  zu  erzeugen. 

Nächst  der  Complexion  der  farbigen  Aussentheile  war  es  vorzugsweise  die 
Körpergrösse,  welche  stets  die  allgemeine  Aufmerksamkeit  auf  sich  zog.  Auch 
dieses  Merkmal  ist  bei  den  Litauern  vorhanden.  Ich  fand  im  Mittel  unter 
7  Männern  1,661,  unter  5  Frauen  1,573  m.  Von  den  Männern  hatte  einer  1,708, 
ein  zweiter  1,704,  ein  dritter  1,700  m.  Die  grösste  unter  den  Frauen  maass  1,616, 
die  nächste  1,604  m. 

Indess  keines  dieser  Merkmale  ist  den  Litauern  allein  eigen.  Mehr  oder  weniger 
fand  ich  sie  auch  bei  den  Kuren  (Letten).  Was  z.  B.  die  Körpeigrösse  betrifft 
so  betrug  sie  im  Mittel  unter  7  kurischen  Männern  1,707,  unter  5  Frauen  1,546  m. 
Die  grössten  Männer  hatten  1,787,  —  1,774,  —  1,768,  die  grössten  Frauen  1,647, 
—  1,559  m.  Dass  gegenüber  den  Litauern  eine  etwas  grössere  Anzahl  hoher 
Staturen  vorkam,  mag  durch  die  Auswahl  der  Leute  bewirkt  sein.  Die  Haar- 
farbe war  bei  den  Erwachsenen  überwiegend  braun,  jedoch  bei  Keinem  schwän- 
lich, bei  einigen  hellbraun  oder  dunkelblond,  meist  jedoch  dunkelbraun,  unter 
den  Schulkindern  in  Schwarzort  traf  ich  zwei  rothhaarige  Geschwister  und  einige 
braunhaarige  Knaben;  sonst  waren  alle  blond,  zum  Theil  fahlblond.  Die  Augen 
zeigten  grössere  Variation,  jedoch  innerhalb  der  hellen  Färbung;  bei  mehreren 
Mädchen  konnte  ich  ein  weissliches  Netz  an  der  Vorderseite  der  Iris  erkennen- 
Bei  den  Erwachsenen  war  ein  ausgemachtes  Reticulum  seltner,  als  bei  den  Litauern, 
aber  es  fanden  sich  ein  Paar  vortrefiTliche  Speciminu  davon.  Fast  alle  zeigten  eine 
sehr  ungleichmässige  Färbung  der  Iris,  nehmlich  eine  gelbliche  oder  bräunliche 
Pupillarzone;  bei  einem  schien  die  Farbe  fast  rein  gelb  zu  sein.  Die  Haut  war 
bei  einigen  mehr  bräunlich,  bei  der  Mehrzahl  aber  ganz  hell. 

Nicht  anders  verhält  es  sich  mit  den  Kopfmaassen: 

1.  Der  Längenbreitenindex  ergab  unter 

12  Kuren  (5  Frauen)  15  Litauern  (ö  Frauen) 

Brachycephale  .     .      9,  darunter  4  Frauen  12,  darunter  3  Frauen 
Mesocephale     .     .      3,         „        1  Frau  2,         „        2        „ 

Dolichocephale .    .     —  —  1  — 

2.  Der  Ohrhöhenindex*)  zeigte 

Orthocephale    .     .      5,  darunter  2  Frauen  5,  darunter  3  Frauen 

Chamaecephale      .      5,         „  2       „  4,         „        2        , 

Hypsicephale     .     .      2,         „  1  Frau  2  — 

3.  Der  Gesichtsindex: 

Ghamaeprosope.    .     11,  darunter  5  Frauen        14,  darunter  5  Frauen 
Leptoprosope    .    .      1  —  1  — 

1)  Da  ich  in  Palmnickon  meine  Messinstrumente  nicht  mithatte  und  mich  mit  Werk- 
zeugen aus  der  Werkstatt  darchhelfen  musste,  so  konnte  bei  den  dort  unterracbtea  riifr 
Litauern  die  Ohrhöhe  nicht  bestimmt  werden.  Somit  erscheinen  hier  nur  die  11  litta^r 
von  Löbarten  und  Szemen. 


(783) 

4.   Der  Nasenindex: 
Leptorrhine  ...     10,  darunter  4  Frauen        11,  darunter  4  Frauen 
Mesorrhine    ...      2,         „         1  Frau  4,         „        1  Frau 

Wie  ersichtlich,  variirt  eigentlich  nur  der  Ohrhöhenindex  in  erheblichem 
Maasse,  indem  nahezu  die  eine  Hälfte  der  Köpfe  ortho-,  die  andere  chamaecephal 
war,  aber  dies  gilt  für  beide  Stämme  in  gleichem  Maasse.  Die  an  sich  kleine  Zahl 
der  Mesocephalen  ist  bei  den  Kuren  im  Verhältniss  etwas  grösser;  umgekehrt 
ßnden  sich  unter  den  Litauern  etwas  mehr  Mesorrhine.  Im  Ganzen  erwies  sich 
jedoch  der  Typus  beider  Stämme,  soweit  er  aus  diesen  Messungen  zu  erkennen 
war,  als  vorwiegend  brachycephal,  chamaeprosop  und  leptorrhin. 

Auf  weitere  Details  möchte  ich  hier  nicht  eingehen.  Es  mag  nur  erwähnt 
sein,  dass  ich  bei  der  Nase  nach  meinem  Schema  4  Durchmesser  notirt  habe:  die 
Höhe  (Entfernung  des  Septum  von  der  Wurzel),  die  Länge  (Entfernung  der  Spitze 
von  der  Wurzel),  die  Breite  (Entfernung  der  Flügelansätze  von  einander)  und  die 
Eievation  (Entfernung  der  Spitze  vom  Ansätze  der  Scheidewand).  Letztere  zeigt 
ziemlich  grosse  Variation. 

Die  Messzahlen  gebe  ich  in  tabellarischen  Uebersichten,  denen  ich  zugleich 
die  4  oben  besprochenen  Indices  anfüge.  Zur  Vergleichung  möchte  ich  noch  auf 
die  Schädelverhältnisse  hinweisen.  Damit  komme  ich  freilich  auf  ein  sehr 
schwieriges  Gebiet  und  ich  verzichte  im  Voraus  darauf,  es  völlig  aufzuklären. 
Die  Zahl  der  untersuchten  Schädel  aus  Preussen  und  den  baltischen  Provinzen 
Russland^s  ist  eine  ziemlich  grosse.  Ich  selbst  habe,  als  ich  im  Jahre  1877  über 
meine  Reise  nach  Livland  Bericht  erstattete,  eine  möglichst  vollständige  Uebersicht 
über  die  älteren  Angaben  und  über  meine  eigenen  Ergebnisse  geliefert.  Aber  auch 
damals  war  es  mir  nicht  möglich,  die  osteologische  Forschung  so  weit  zu  bringen, 
dass  ich  scharfe  typische  Unterschiede  der  Schädel  von  Letten,  Litauern  und 
Finnen  (Liven,  Esten)  zu  bezeichnen  vermocht  hätte.  Meine  ziemlich  umfangreiche 
Arbeit  steht  in  unseren  Verhandlungen  1877,  S.  369  fg.  Seitdem  ist  eine  Reihe 
weiterer  Untersuchungen  sowohl  in  den  russischen  Ostseeprovinzen,  als  in  Preussen 
angestellt  worden.  Ich  beschränke  mich  für  jetzt  auf  die  letzteren,  da  sie  dasselbe 
Gebiet  betreffen,  mit  dem  ich  mich  so  eben  beschäftigt  habe.  Unter  ihnen  steht 
obenan  die  Arbeit  der  HHm.  C.  Kupffer  und  F.  Bessel-Hagen  über  die  in  den 
Königsberger  Sammlungen  befindlichen  Schädel  (Nr.  IV.  der  Berichte  über  die 
deutschen  anthropologischen  Sammlungen).  Sie  behandelt  16  litauische  Schädel  aus 
dem  Reg.-Bez.  Gumbinnen  und  49  als  lettisch  bezeichnete  von  der  Kurischen 
Nehrung.  Unter  diesen  befinden  sich  5  von  einem  alten  Kirchhof  am  Abhänge 
des  Berges  Skielwit  bei  Rossitten,  15  von  einem  anderen  Kirchhofe  bei  Kunzen, 
gleichfalls  in  der  Nähe  von  Rossitten,  7  von  dem  früher  (S.  763)  erwähnten  Kirch- 
hofe von  Stangenwalde  imd  22  von  einem  alten  Kirchhofe  bei  Lattenwalde  in  der 
Nähe  von  Sarkau,  also  sämmtlich  aus  dem  südlichen  Theile  der  Nehrung. 

Einige  Nachträge  dazu  hat  Hr.  W.  Sommer  (Zeitschr.  für  Ethn.  1883,  S.  65) 
geliefert,  indem  er  3  Schädel  von  Pillkoppen  und  2  von  Kunzen  einer  genaueren 
Analyse  unterzog.  Von  den  ersteren  waren  2  dolicho-,  I  mesocephal;  von  Kunzen 
konnte  nur  einer  bestimmt  werden:  er  war  mesocephal.  Ein  Paar  Schädel  von 
Rossitten  bertlhrt  auch  Hr.  Lissauer  in  seiner  Arbeit  über  die  Crania  prussica 
(Zeitschr.  f.  Ethn.  1874,  S.  219). 

Das  Schlussergebniss  der  HHm.  Kupffer  und  Hagen  über  die  kurischen 
Schädel  war  folgendes:  Von  46  in  Rechnung  gezogenen  Schädeln  waren  9  do- 
iichocephal,  25  mesocephal  und  12  brachycephal  =  19,6  —  54,3  —  26,1  pCt.  Das 
weicht  von  meinen  Messungen   an  Lebenden  sehr   erheblich  ab.     Etwas   anders 


(784) 

stellt  sich  die  Sache,  wenn  man  die  einzelnen  Fandplätze,  die  doch  zeitlich  nicht 
wenig  von  einander  abweichen  dürften,  für  sich  betrachtet  Ich  habe  nach  der 
Reduktionstabelle  des  Hrn.  Welcker  die  Längenbreitenindices  ausgeschrieben  und 
stelle  sie  nachstehend  zusammen: 


1.  Skielwit 

2.  Knnzen 

3.  Stangenwalde 

4.  ] 

jattenwalde 

76,2 

79,9 

74,1 

78,3 

77,5 

81,1 

78,2 

76,7 

77,2 

78,3 

73,8 

74,1 

77,6 

82,7 

69,1 

87,9 

82,7 

80,1 

70,7 

73,8 

76,1 

76,7 

76,4 

77,3 

81,1 

77,2 

74,7 

. 

81,6 

83,4 

76,6 

78,7 

79,7 

73,4 

73,1 

81,0 

1 

79,0 
75,4 
82,3 
75,4 
79,1 
77,7 
80,7 
80,2 
77,9 
79,1 

Ordnet  man  darnach 

die  einzelnen  Formen  topographisch. 

wobei  ich  mir  er- 

laube,  die  Indices  von 

79,7  und  79,9 

=  80  zu  nehmen,  so 

erhält 

;  man  für 

Skielwit 

Eunzen 

Stangenwalde           Lattenwalde           SiuniDi 

Brachycephale      1 

6 

1 

6 

14 

Mesocephale        4 

4 

2 

12 

22 

Dolichocephale   — 

2 

4 

3 

9 

Hiernach  stellt  sich  heraus,  dass  Stangen walde  von  dem  gegenwärtigen  Zu- 
stande am  meisten  abweicht,  indem  unter  7  Schädeln  nur  ein  brachycephaler,  da- 
gegen 4  mesocephale  sind.  Gerade  imigekehrt  verhält  es  sich  mit  Kunzen.  wo 
unter  12  Schädeln  6  brachycephale  und  nur  2  dolichocephale  vorkamen,  also  ein 
Verhältniss,  welches  dem  gegenwärtigen  schon  sehr  viel  näher  liegt  Nächstdem 
ist  Skielwit  zu  nennen,  wo  überhaupt  kein  dolichocephaler  zu  Tage  kam,  uihI 
dann  Lattenwalde,  wo  von  21  Schädeln  mehr  als  die  Hälfte,  nehmlich  12,  meso- 
cephal,  mehr  als  ein  Viertel,  nehmlich  6,  brachycephal  und  nur  3  dolichocepbal 
waren.  Es  mag  sein,  dass  der  Zufall  hier  sein  Wesen  getrieben  hat,  aber  der  ist 
ja  in  diesen  Untersuchungen  nirgends  ausgeschlossen.  Immerhin  bleibt  die  That- 
suche  bestehen,  dass  von  den  aufgeführten  45  Schädel  indices  31,1  pCt  brachy- 
cephal, 48,8  pCt  mesocephal  und  nur  20,0  pCt   dolichocephal  waren. 

Stellen  wir  dazu  die  von  den  HHm.  Kupffer  und  Hagen  gemessenen  Litauer- 
Schädel,  darunter  die  von  dem  alten  Kirchhofe  von  Nemmersdorf,  Kr.  Darkchmen. 
so  ergiebt  sich  ein  ähnlicher  Gegensatz  gegenüber  den  4  aus  verschiedenen  Theilen 
Litauens  gesammelten: 


(785) 

Nemmersdorf  Einzelfonde 

78,0  68,9 

81,7  77,8 

83,4  78,1 

79,3  77,5 

77,3 
77,5 
77,3 
82,0 
74,3 
91,3 
Nach  Kategorien  geordnet,  erhalten  wir  für 

Nemmersdorf  die  Einzelfonde 
Brachycephale     .    .      4  — 

Mesocephale   ...      5  3 

Dolichocephale    .    .      1  1 

unter  den  3  Litauer-Schädeln,  bezw.  Köpfen,  über  die  ich  selbst  früher  be- 
richtet habe  (Verh.  1877,  S.  384)  und  von  denen  einer  gleichfalls  von  Nemmersdorf 
stammte,  war  kein  brachycephaler.  Neuerlich  habe  ich  7  Schädel  von  Kinten  mid 
4  von  Windenbarg,  zwei  Orten  auf  der  litauischen  Küste  des  Kurischen  Haffs,  er- 
halten, deren  Maasse  ich  am  Schlüsse  in  einer  Tabelle  vorlege.  Darunter  befinden 
sich  von 

Kinten  Windenburg 

Brachycephale    .    .      2  3 

Mesocephale  ...      3  1 

Dolichocephale  .    .      2  — 

Auch  hier  derselbe  locale  Gegensatz!  Wir  müssen  dabei  nicht  vergessen,  wie 
schwer,  ja  wie  unmöglich  es  oft  ist,  bei  Lebenden  ihre  Herkunft  genau  fest- 
zustellen. Wie  sollte  man  es  machen,  nun  noch  aus  den  Gräbern  ein  ganz  sicheres 
Material  zu  sammeln?  Auch  darf  nicht  übersehen  werden,  dass  die  Vergleichung 
der  am  lebenden  Kopfe  genommenen  Maasse  mit  den  am  nackten  Schädel  er- 
hobenen nicht  ganz  zutreffende  Zahlen  ergiebt.  Namentlich  bei  Frauenköpfen  ist 
es  nicht  thunlich,  den  Einfiuss  des  Haares  auf  die  Verbreiterung  der  Maasse  ganz 
abzuschneiden.  Trotzdem  mag  es  versucht  sein,  aus  den  aufgeführten  28  Schädeln 
vorläufig  den  Litauer-Typus  zu  suchen.  Wir  erhalten  dann  32  pCt.  Brachycephale, 
46  pGi  Mesocephale  und  21  pCt.  Dolichocephale.  Für  die  weitere  Localforschung 
wird  es  sich  empfehlen,  wie  es  hier  geschehen  ist,  die  local  zusammengehörenden 
Menschen  und  Schädel  auch  in  dieser  Zusammenfassung  zu  betrachten.  Für  jetzt 
erscheint  es  unthunlich,  eine  eng  begrenzte  Schädelform  für  diese  offenbar  wenig 
reine  Kasse  aufzustellen.  Soviel  ich  ersehen  kann,  ist  die  Gesichtsform  weit  mehr 
constant  und  daher  auch  wohl  zu  ethnischer  Diagnostik  weit  mehr  geeignet,  als 
die  Form  der  Schädelkapsel. 

In  dieser  Beziehung  will  ich  ganz  kurz  auf  einige  Punkte  aufmerksam  machen: 

1.  Das  Gesicht  ist  bis  auf  wenige  Ausnahmen  chamaeprosop.  Diese  Er- 
scheinung ist  vorzugsweise  bedingt  durch  die  Grösse  der  Jugaldistanz:  sowohl 
Jochbogen,  als  Wangenbeine  treten,  selbst  bei  dem  weiblichen  Geschlecht,  stark 
hervor. 

2.  Die  Nase  ist,  in  einem  starken  Gegensatz  dazu,  in  der  grossen  Mehrzahl 
leptorrhin.     Bei   den  Lebenden   wird   dies   um   so  stärker  bemerkbar,   als   die 

Verbandl.  der  B«rl.  Antbropol.  GeMUschaft  1891.  50 


(786) 

Elevation  der  Nasenspitze  meist  beträchtlich  ist.    Sie  erreicht  bei  Männern  häufig 
die  Zahl  von  24  und  25  mm, 

3.  Die  Riefer  sind  ausgemacht  orthognath.  Schon  bei  der  Beschreibung  des 
ersten  Schädels  von  Nemmersdorf  bemerkte  ich,  dass  er  fast  opisthognath  sei;  ich 
kann  dies  für  die  Schädel  von  Windenburg  und  Rinten  bestätigen,  wo  namentlich 
die  Schneidezähne  des  Oberkiefers  etwas  rückwärts  gerichtet  sind. 

4.  Der  Unterkiefer  ist  kräftig,  aber  nicht  hoch,  das  Kinn  tritt  häufig  vor,  zu- 
weilen in  fast  progenaeischer  Weise.  Die  Kieferwinkel  sind  nach  aussen  ge- 
wendet und  bilden  nicht  selten  vortretende  Randleisten. 

5.  Die  Augenhöhlen  sind  höchst  variabel,  sowohl  der  Grösse,  als  den  Indices 
nach.  Sie  zeigen  bald  chamae-,  bald  meso-,  bald  hypsikonche  Verhältnisse.  An 
Lebenden  erscheint  das  Auge  meist  etwas  tief  liegend  imd  in  grösserer  Ausdehnung 
durch  die  Lider  gedeckt 

Im  Anschlüsse  daran  möge  zum  Schlüsse  noch  die  Variabilität  des 
Schädelinhalts  erwähnt  werden,  unter  den  Niddener  Männern,  die  ich  auf- 
führte (S.  777),  ist  Peleikis  als  ein  Kephalone,  seinen  Maassen  nach,  bezeichnet 
worden.  Ihm  ist  an  die  Seite  zu  stellen  ein  männlicher  Schädel  von  Stangenwalde^ 
dessen  Capacität  die  HHm.  Kupffer  und  Hagen  zu  1635  com  bestimmten.  Danm 
schliessen  sich  3  ihrer  Kuren-Schädel  von  Latten  walde  mit  1565,  1545  und  1540  ccm. 
Unter  den  Litauern  bestimmten  dieselben  Herren  einen  Schädel  zu  1550  und  je 
einen  zu  1525,  1520  und  1510,  ich  einen  von  Kinten  zu  1520  ccm. 

Dem  gegenüber  steht  eine  ausgesprochene  Nannocephalie,  besonders  bei 
weiblichen  Schädeln.  Ich  fand  bei  einem  solchen  von  Windenburg  nur  llGOcon; 
die  HHm.  Kupffer  und  Hagen  erhielten  unter  7  überhaupt  bestimmten  Schädeb 
von  Nemmersdorf  4  nannocephale,  nehmlich  2  männliche  mit  1175  und  1125, 
2  weibliche  mit  1200  und  1115  ccm.  Unter  den  alten  Schädeln  von  der  Kurischen 
Nehrung  waren  2  mit  1130  (einer  von  Lattenwalde,  einer  von  Kunzen),  1  mit  1145 
(Stangenwalde),  1  mit' 1160  (Mann?  von  Kunzen)  und  1  mit  1190  ccm  (Skielwü). 
Es  ist  dies  ein  unter  europäischen  Schädeln  bis  jetzt  sehr  ungewöhnliches  Ver- 
hältniss,  das,  in  Verbindung  mit  der  Kephalonie  der  Männer,  an  die  von  mir  b« 
Neubritanniem  aufgefundene  Variabilität  erinnert.  Die  Differenz  zwischen  dem 
grössten  und  dem  kleinsten  Kurenschädel  beträgt  520  ccm. 

Soviel  über  die  rein  anthropologische  Seite  der  Betrachtung.  — 

Ich  wende  mich  nunmehr  zu  einer  kurzen  Darlegung  meiner  Wahrnehmungen 
über  die  Häuser,  wobei  ich  nur  bedauere,  dass  es  mir  nicht  möglich  gewesen  ist 
dieses  Problem  in  grösserer  Ausdehnung  in  Angriff  zu  nehmen.  Beim  Beginn  der 
Reise  hatte  ich  gehofft,  irgendwo  unser  sächsisches  Haus  wiederzufinden.  Diese 
Freude  ist  mir  nicht  vergönnt  gewesen.  Vielleicht  wird  ein  Anderer  glücklicher 
sein.  Dagegen  trat  mir  eine  andere  Erscheinung  entgegen,  auf  die  ich  nicht  vor- 
bereitet war,  nehmlich  die  westpreussischen  Vorlaubenhäuser. 

Mir  war  von  früheren  Besuchen  noch  in  voller  Erinnerung  das  fremdartige 
Aussehen  der  alten  Strassen  von  Marienburg,  welche  durch  ihre  langen  Lauben- 
gänge vor  den  Häusern  an  süddeutsche  und  schweizerische,  ja  an  italienische 
Strassen  gemahnen.  Ich  hatte  sie  als  eine  städtische  Eigenthümlichkeit  aulgefasst 
und  mich  mit  der  Deutung  abgefunden,  dass  die  Baumeister  des  Ordens  sie  von 
irgend  einem  südlichen  Platze  oder  Lande  eingeführt  hätten.  Aber  sehr  bald  sah 
ich  auch  ländliche  Architekturen,  welche  freilich  keine  zusammenhängenden  Lanbcn- 
gänge,  sondern  nur  gesonderte,  jedem  Hause  zukommende  Vorbauton  darboten,  derpn 
Zusammenhang  mit  den  städtischen  Bauten  mir  jedoch  nicht  zwoifelhifl  eri:hjtn: 


(787) 

Das  erste  Beispiel  trat  mir  aof  unserer  Fahrt  in  das  Blbinger  Oberland  in  dem 
schon  erwähnten  (8.  751)  Dorfe  Lenzen  entgegen,  dessen  Name  manche  heimischen 
Anklänge  in  mir  erweckte.  Hier  hatten  die  Häuser  der  grösseren  Bauern  umfang- 
reiche Vorbauten;  nur  die  BUdnerhänser  waren  ohne  dieselben.  In  Fig.  1  gebe 
ich  die  Ansicht  eines  solchen  Hauses,  welches  Hr.  Ed.  Krause  die  grosse  Gute 
hatte,  auf  meine  Bitte  zu  photogruphiren.  Man  sieht  hier  einen  grossen  zwei- 
stöckigen Vorbau,  der  senkrecht  vor  der  Mitte  des  langgestreckten,  der  Strasse 
parallel  gestellten  einstöckigen  Hauses  vortritt.  Unten  ist  eine  offene  Unterfahrt, 
weit  genug,  um  auch  Heuwagen  den  Zugang  zu  gestatten,  Tom  durch 
hölzerne  Säulen  getragen.  Darüber  ein  geschlossenes  Geschoss  aus  hölzernem 
Pachwerk,  dessen  Zwischenräume  mit  Mauersteinen  zierlich  ausgelegt  sind,  die 
Balken  häufig  gebogen  und  mit  blauer  oder  gelber  Farbe  angestrichen.  Daran  hat 
sich  die  bäuerliche  Architektur  in  der  Hauptsache  erschöpft;  das  Hans  selbst  ist 
sehr  viel  einfacher,  zum  Theil  gemauert,  zum  Theil  in  gewöhnlichem  Fachwerk, 
das  hohe  Dach  mit  Stroh  oder  Rohr  gedeckt,  ohne  Gicbelschmuck,  mit 
Schornstein. 


Figur  1. 

Der  Gesammleindrnck  ging  dahin,  dass  diese  Bauten  dem  fränkischen  Typus 
angehören  milssten.  Die  Betrachtung  der  Hofanlage  bestärkte  mich  darin.  Durch- 
weg bildeten  die  Häuser  die,  vordere  Begrenzung  eines  Hofes  mit  getrennten 
Scheunen  und  Ställen,  jedoch  ohne  förmUchen  Abschluss.  Dabei  zeigten  die 
Scheunen  häufig  seitliche  Vorsprünge,  wie  man  in  Pommem  sagt,  „Abseiten". 

Weitere  Erkundigungen  belehrten  mich,  dass  diese  Art  von  Bauten  durch  die 
ganze  Niederung,  namentlich  durch  den  Marienbniger  Werder,  verbreitet  ist  und  sich 
auch  weiterhin  in  Oatprenssen  findet.  Sie  hängt  offenbar  zusammen  mit  den,  von 
Hm.  A.  Treichel  (Verhandl.  1889,  S.  19fi)  aus  Westpreussen  beschriebenen 
„löuben artigen  Vorbauten"  und  weit  darüber  hinaus  mit  den  „Löwinghiusem"  in 
der  Neumark,  ron  denen  Hr.  AlfVed  G.  Meyer  eine  eingehende  Schilderung  ge- 
liefert hat  (Verhandl.  IS90,  S.  527).  Für  den  Zusammenhang  bezeichnend  ist  es, 
das«  nach  den  literarischen  Nachweisen  des  Hm.  Treichel  die  Lauben  in  den 
preussischen  Städten  vom  Volke  „Lewen  oder  Löwen"  genannt  werden,  wie  denn 
auch  im  Posenschen  die  Bezeichnung  „Löwe  oder  Lobe"  vorkommt  Indess  wird 
es  nöthig  sein,  hier  strenger  zu  unterscheiden  zwischen  den  an  der  Giebelfront  an- 
gebrachten Lauben  und  den  in  der  Mitte  der  Vorderfront  errichteten  „Vorlauben", 
sowie  den  Lauben,  welche  sich  vor  den  litauischen  Kleten  befinden  und  von 
welchen  ich  später  sprechen  werde,  [n  der  Schrift  des  Um.  Meitzen  (Das 
deutsche  Haus   in   seinen   volksthOmlichen   Formen.     Berlin  1882.    S.  13,  Taf.  I, 

50* 


(788) 


Fig.  3)  ist  eine  solche  Anlage,  leider  ohne  Angabe  des  Ortes,  als  Bild  des  frän- 
kischen Typus  gezeichnet.  In  der  That  wird  man  nicht  daran  zweifeln  können, 
dass  die  preussischen  Yorlaubenhäuser  Zeichen  einer  weit  aasgedehnten 
fränkischen  Colonisation  sind.  Dabei  ist  besonders  zu  beachten,  dass  nach 
Treichel  und  Arthur  Meyer  gerade  die  ältesten  Häuser  die  vollkommensten  Vor- 
lauben besitzen.  — 

Wesentlich  verschieden  waren  die  Bauernhäuser,  die  ich  im  Kreise  Allen- 
stein  sah.  Dieser  Kreis,  der  früher  im  Süden  zu  Galindien,  im  Norden  n 
Warmien  gerechnet  wurde,  ist  ein  Bestandtheil  des  Bisthums  Ermeland,  und  wie 
ich  schon  (S.  768)  anführte,  seit  dem  15.  Jahrhundert  polonisirt    Noch  1249  unter- 


Figur  2. 

schied  man  Ortschaften  mit  preussischem  (polnischem)  und  Culmischem  (Magde> 
burgischem)  Recht  Bei  unserer  Umfahrt  um  den  Wadang-See  (8.  766)  besuchten  wir 
das  Nordufer  desselben,  an  welchem  eines  der  ältesten  Ordensschlösser  gelegen  hat» 
Wartberg  genannt  (Grüne nberg  a.  a.  O.  S.  16,  57).  Neben  demselben  soll  eine 
Stadt  gestanden  haben.  1354  zerstörten  die  Litauer  diese  Anlagen;  die  Stadt  wurde 
später  in  grösserer  Entfernung  vom  See  weiter  nach  Osten  aufgebaut,  und  an  der 
früheren  Stelle  entstand  das  jetzige  Dorf  Alt-Wartenberg.  Dasselbe  liegt  theüi  u 
einer  Schlucht,  theils  auf  der  Höhe,  in  einiger  Entfernung  vom  See.  Viel  näh«'  aa 
dem  letzter(»n,  auf  der  hier  steil  abfallenden  Uferhöhe,  nicht  weit  von  der  Mahle 
ürzechowo,  wurde  uns  ein  Platz  gezeigt,  der  den  Namen  Stare  miasto  (alte  Stadt) 


(789) 

fUkrt.  Nach  der  Aussage  des  Müllers  sind  daselbst  vor  einigen  Jahren  Nach- 
grabongen  veranstaltet  worden,  wobei  in  einer  Tiefe  von  7  Puss  ein  Pflaster  und 
Urnen,  auch  ein  eiserner  Speer  gefunden  sein  sollen.  Wir  konnten  in  kurzer  Zeit 
eine  Anzahl  mittelalterlicher  Scherben  und  grosse  Brocken  von  Lehmbewurf  mit 
eingeknetetem  Rohr,  zum  Theil  verbrannt,  von  der  Oberfläche  sammeln. 

Ein  grosser  Theil  der  Häuser  von  Alt-Wartenberg  ist  ganz  neu.  Indess  giebt 
es  doch  einige  von  sehr  alterthümlichem  Aussehen.  Im  Allgemeinen  herrscht  die 
Anlage  von  „Höfen"  vor.  Nur  die  kleinen  Leute  haben  einfache  Häuser,  die  zugleich 
Stall  und  Scheune  umfassen.  Sonst  stehen  fast  immer  neben  dem  Wohnhause 
noch  3 — 4  Gebäude,  die  zusammen  ein  Geviert  bilden,  welches  den  eigentlichen 
Hof  umschliesst.  Das  Wohnhaus  liegt  entweder  in  der  Mitte,  oder  an  einer  Seite, 
80  dass  der  Hof  gegen  die  Strasse  offen  ist  (Fig.  2  a  \V),  Die  übrigen  Gebäude 
sind  zu  Wirthschaflszwecken  bestimmt:  Ställe,  Scheunen,  Wagenschuppen  u.  dgl. 
Es  sind  Blockhäuser  von  Holz  mit  Eohrdächern,  welche  mit  dicken  Moosrasen 
überzogen  sind,  und  starke  Dachreiter  aus  Holz,  mit  weit  vorspringenden  Armen, 
tragen.  Selten  sahen  wir  einen  Giebelschmuck  und  dann  meist  Pfähle,  selten  ein 
Kreuz.  Die  Schornsteine  scheinen  verhältnissmässig  neu  zu  sein.  Die  Wände  des 
einstöckigen  Wohnhauses  sind  niedrig,  ebenso  die  Thüren.  Die  innere  Disposition 
erwies  sich  als  sehr  einfach  (Fig.  26;,  indem  in  der  Regel  ausser  dem  Flur  nur 
4  Räume  vorhanden  waren :  durch  die  in  der  Mitte  der  Längswand  gelegene  Haus- 
thür  betrat  man  den  Flur  (F),  hinter  dem  eine  kleine  geschlossene  Küche  (K) 
angebracht  war;  rechts  und  links  je  2  Stuben,  davon  die  Hälfte  für  einen  Altsitzer 
oder  Miether.  Früher  ist  stets,  jetzt  wird  noch  theilweise  in  der  Küche  über  einem 
an  der  Erde  angemachten  Feuer  gekocht;  wir  sahen  noch  Küchen,  wo  die  Feuer- 
stätte am  Erdboden  in  einer  Ecke  lag,  und  darauf  den  zum  Kochen  verwendeten 
eisernen  Dreifuss  (Grapen).  Jetzt  hat  man  neue  Heerde  in  den  Stuben  angelegt. 
Die  niedrige  Zimmerdecke  besteht  aus  Holz  mit  vorspringenden  Balken  ohne  alle 
Verzierung.    Alles  war  verrauchet t  und  überdies  sehr  schmutzig. 

Die  Einrichtung  hatte  manche  Aehnlichkeit  mit  der  alsbald  zu  beschreibenden 
litauischen  und  kurischen,  nur  dass,  verglichen  mit  der  letzteren,  die  Wohnräume 
viel  einfacher,  der  Flur  kleiner  und  nicht  durchgehend,  die  Küche  durch  eine 
Wand  vom  Flur  abgegrenzt  waren.  Nichts  erinnerte  an  einen  der  nord-  oder 
mittelgermanischen  Typen.  Es  wäre  daher  wohl  möglich,  dass  sich  hier  eine  alt- 
preussische  Anlage  erhalten  hat.  In  dieser  Beziehung  ist  noch  zu  bemerken,  dass 
sich  in  der  Nähe  des  Ortes  allerlei  Wälle  finden.  Allerdings  konnten  wir  eine, 
auf  der  Karte  verzeichnete  Schwedenschanze  vor  dem  westlichen  Walde  nicht 
finden.  Das  Terrain  ist  hier  so  coupirt,  wie  an  vielen  Stellen  in  Hinterpommern. 
Sandige  Höhen,  zuweilen  von  wallartigem  Aussehen,  wechseln  mit  tiefen  moorigen 
Gründen,  aus  denen  sich  überall  wasserreiche  Bäche  sammeln.  Erst  in  dem, 
weiter  westlich  gelegenen  „Königreich -Walde"  trafen  wir  einen,  von  dem  Wege 
zum  See  hinabgehenden  Wallgraben  von  grosser  Tiefe  und  Breite,  der  zu  beiden 
Seiten  mit  Erdwällen  besetzt  war,  hinter  welchen  noch  einmal  seichtere  Gräben 
folgten.  Da  die  Gräben  ganz  trocken  sind  und  das  Ganze  sich  in  fast  gerader 
Linie  durch  den  Wald  zum  See  zieht,  scheinbar  ohne  alle  Beziehungen  zu  einer 
anderen  Anlage,  ähnlich  wie  es  in  der  Lausitz  öfter  der  Fall  ist,  so  muss  es  wohl 
als  eine  alte  Landwehr  aufgefasst  werden.  —  Sonst  konnte  ich  in  Bezug  auf  Alter- 
thümer  nur  ermitteln,  dass  vor  26  Jahren  auf  der  Feldmark  von  Nickelsdorf,  aufi 
einem  Kieshügel  nordwestlich  vom  Vorwerk,  Urnen  ausgegraben  seien.  Aber  der 
Platz  liegt  auf  der  anderen  Seite  des  Sees  in  ziemlich  grosser  Entfernung.  Grunen- 
berg  (a.  a.  0.  S.  14)   erwähnt   ausserdem  aus  dem  Kreise   das  Vorkommen  von 


(790) 

„Bocbäckem"  und  das,  nach  dem  Ablassen  des  Kl.  Rleebei;ger  Sees  herTorgelreteif 
Vorkommen  nnregelmässig  aufgeschichteter  Steinhlfgel.  — 

Unsere  erste  ^nauere  Bekanntschaft  mit  den  HäDsern  der  karischen 
Fischer  auf  der  Nehrung  machten  wir  am  13.  Aogust  in  Nidden,  einem  Dorfe. 
welches  dem  AnsOusae  der  Memel  (des  sog.  ßuBsstromes)  in  das  Haff  ziemlich  gerade 
gegenüberliegt  Die  Sandberge  derNcbrnng  erheben  sich  hier  bis  zu  einer  Höbe  von 
135  Fuss.  Oben  liegt  ein  Lenchtthnrm  mit  prächtiger  Aussiebt  auf  Meer  und  Half. 
Aar  dem  Wege  hinauf  fanden  wir  zum  ersten  Male  eine  der  Seltenheiten  der 
Nehrung,  den  auf  nacktem  Sande  wachsenden  Astragalus  arenarius  und  die  höchst 
wohlriechende  Linaria  odora.  Der  kleine  Ort  liegt  auf  der  Ostseite  der  Nehrung, 
in  einer  jener  kleinen  Oasen,  deren  Sicherheit  durch  die  fortschreitende  Bepflaniuag 
der  Dünen  mit  der  seit  einigen  Decennien  aus  Dänemark  eingeführten  Pinn» 
montana  (iniops)  schon  eine  gewisse  Stärke  erlangt  hat.  Südlich  vom  Dorfe,  vo 
die  neue  Kirche')  erbaut  ist,  steht  ein  älterer  Wald,  der  trotz  seiner  geringen 
Änsdehnung  als  ein  Asyl  für  Elche  dient,  deren  Wanderlust  sie  von  dem  jenseitigot 
Ufer,  ans  dem  Forst  Ibenhorst,  ihrem  eigentlichen  Gehege,  zuweilen  hierher  (ge- 
legentlich auch  bis  nach  Schwarzort  und  Hemel)  fuhrt.  Die  Dorfoase  bat  eine 
halbmondförmige  Gestalt.  Sie  ist,  abgesehen  von  der  Nordseite,  rings  umgeben 
von  dem  herabgewehten  DUnensande,  der  an  vielen  Stellen  bis  in  das  Dorf  selbst 
eingedrungen  ist.  Seit  den  Tagen,  wo  ich  mit  Schliemann  eine  Woche  in  dem 
nubischen  Dorfe  Ballanyi  zubrachte,  hatte  ich  den  Kampf  des  Menschen  mit  den 
WUslensande  nicht  so  nahe  gesehen,  als  hier.  Schon  durch  die  Fahrt  über  du 
Kurische  Haff,  wo  immer  neue  Bilder  die  Erinnerung  an  die  gelbe  libysche  Wüite 
wachgerufen  hatten,  war  ich  auf  die  Aehnlichkeit  der  Nehrung  mit  den  Ufern  det 
oberen  Nils  hingewiesen  worden;  in  Nidden  aber,  wo  ich  unmittelbar  vor  die 
Sandwülle  gestellt  war,  welche  der  SUdwestwind  gegen  die  Wohnnngea  und  GvlfD 
der  Menschen  aufgethürmt  hatte,  erreichte  die  Illusion  ihre  grösste  Höbe.  Ich 
verweise  auf  ein  Bild  bei  Bezzenberger  (Die  Knnsche  Nehrung  S.  ä5). 

Die  Dorfanlage  ist,   wie  in  unseren  nordischen  Stranddorfem  so  häufig,  ganz 
den  Verhältnissen  des  Bodens  angepasst.     Die  Dorfstrasse  zieht  sich,   dem  Cfer 
parallel,  in  allerlei  Krümmungen  durch  das  unebene  Terrain  hin,  bald  schmal,  bald 
zu  breiten,  marktäbniichen  Plätzen  erweitert,  vielfach  gegabelt.    An  ihr  stehen  die 
Hänser,  theils  mit  der  Giebelfront,  theils  mit  der  Langseite  gegen  die  Strasse  ge- 
richtet, einzeln  oder  in  kleinen  Gruppen,  gewöhnlich  auf  niedrigen  Anhöhen,  häsflg 
umgeben  oder  wenigstens  anstossend  an  kleine  Gärten,   deren   Lattenzäune  sich 
längs  der  Strasse  hinziehen.     Es  sind  mässig-grosse,  rechteckige  Blockhäuser,  ein- 
stöckig,   verhältniss müssig  tief,   mit  hohem  Rohrdach   und  breiten  Giebeln,   Über 
denen  weit  vortretende,   geschnitzte  Latten   sich   er- 
heben.    Dieser  Gicbelschmuck  drängt  sich  so  stari 
in  die  Anschauung  des  Fremden,   dass   unsere  Aaf- 
merksnmkeit  sich  ihm  zuerst  zuwendete. 

Am  häufigsten  sind  es  Pferdeköpfe  mit  nach 
aussen  gewendeten  Stirnen,  aber  von  ungewöhn- 
licher Grösse  und  von  phantastischer  Ausgcstaltnng. 
Die  gebräuchlichste  Form  (Fig.  3,  nach  einer  Zeichnung 
des  Hm.  Ed.  Krause)  besteht  darin,  dass  die  an 
p.       „  dem  steilen  Giebel  sich  kreuzenden    SeitenlaUeo   io 

einen  langen  Hals  übergehen,  der  sich  am  Ende  in 

1)  Von  licm  Pfarrer  praählt  man  dort,    er  beknmmc  die  KriUicn  ans  dem  Walde  ■!< 


(791) 

einen  stark  ^senkten,  schmalen  Kopf  nmbiegt.  Von  dem  Manl  länft  eine  kelten- 
artJgo,  aber  feate  Verbindung,  gleichsam  ein  herabhiiogonder  Zaum,  zu  der  Brust- 
gegend herab.  Auf  dem  Kopfe  sitzt  ein  Busch  mit  mehreren  Vorsprüngen,  wie 
ein  Haarschopf  oder  ein  künstlicher  Aufsatz.  Unter  der  Giebelspitze  bemerkt  mnn 
hie  und  du  eine  dreieckige  vertiefte  Stelle,  ganz  dem  „Ulenloch"  dos  aiichsischen 
Hauses  entsprechend,  aber  gewöhnlich  durch  Bretter  geschiosaen. 

Andere  Giebel  tragen  ein  senkrecht  anfsteigcndea,  aufgenageltes  Brett,  nach 
Art  des  Pfahles,  den  wir  aus  der  Ältmark  und  Niedersachaen  kennen,  aber  ge- 
wöhnlich ebenfalls  geschnitzt.  Ocflers  sind  die  Ränder  dieaer  Giebellattcu  siige- 
fürmig  ausgeschnitten  und  auf  ihrer  Spitze  sitzt  ein  Vogel,  wie  es  Fig.  4  (nach 
einer  Photographie  des  Hm.  Üartela)  zeigt.    Aber  zuweilen  aind  auch  beide  Arten 


des  Giebel  seh  mucks  mit  einander  combinirt,  in  der  Art,  dass  der  Pfahl  in  der 
Mitte  aufsteigt  und  zu  jeder  Seite  deaselben  ein  Pfordekopf  hinaussteht,  wie  in 
Fig.  5  (gleichfalls  nach  einer  Photographie  des  Hm.  Bartels),  —  eine  Erscheinung, 


Figur  ö. 

die  sich  übrigens  auch  im  Spreewalde  findet  (Verhandl.  1880,  Taf.  I,  Fig.  G3  n.  R7). 
In  der  Regel  sind  beide  Giebel  geschmückt. 

Es  mag  hier  erwähnt  werden,  dass  die  Neigung  der  Kuren,  künstliche  t!chnilz- 
werke  aus  Holz  zu  fertigen   und  an   hervorragenden  Stellen  anzubringen,  noch  in 


(792) 


einer  andern  Richtung  aehr  anfällig  hervortritt,   nehmlich  i 
Usstspitzen   ihrer  Segelboote.    Es  ist  mir  gelungen. 


1  dem  Schmuck  der 
Ton  einem  in  voller 
Fahrt  begriCTenen  Boote  eine  Homent-Anf- 
nahme  za  machen  (Pig.  6),  welche  ein  gutes 
Bild  dieses  Anrpatzes  gewährt.  Da,  wo 
sonst  ein  einfacher  Wimpel  flattert,  ist  ein 
längliches  Brett  angebracht,  das  auf  seiner 
Fläche  mit  bunten  Feldern  bemalt,  zuweilen 
auch  durchbrochen  ist;  an  dem  Ende  dieses 
Brettes  sitzt  der  Wimpel.  Aber  auf  dem 
oberen  Rande  des  Brettes  steht  eine  Reihe 
von  zierlich  durchbrochenen  Figuren,  die  an 
Kirchenomamente  erinnern.  Es  ist  mir  nicht 
gelungen,  zu  ermitteln,  ob  dieser  Schmuck, 
der  im  Einzelnen  grosse  Hannicbfaltigkeit 
zeigt,  besondere  Familien-  oder  Dorf-Herk- 
male  darstellt.  Man  sieht  ihn  auf  den  fiaff- 
booten  aller  Kehrungsdörfer. 

Was  die  sonstige  Einrichtung  der  Häuser 
betrilft,   so  liegt   die  Hausthür  stets  in  der 
Mitte   der  Langseite   (Fig.  7).     Durch   die- 
selbe tritt  man  in  einen  grossen  Flur,  man 
i  Halle,   welche  quer  durch  das  Haus  reicht 
und  hän&g  an  der  hinteren  Langaeite  eine  zweite  ThUr,   gerade  gegentlber   der 
HauBÜittr,   hat.    Diese  Halle  ist  so  geräumig,   dass   sie  einen  grossen  Theil  des 


\\\ 


Figur  e 
könnte  vielleicht  besser  sagen, 


z 

ff 

• 

F 

^    z. 

Figur  7. 
Hauses  einnimmt;  sie  enthält  jedoch  die  KUche  oder  vielmehr  den  Kochplatz,  der 
meist  die  linke  hintere  Ecke  fllllt  Hier  steht  ein  regelrecht  anfgemauerter  Feuer- 
heerd  (//,  in  der  Skizze  zu  gross  gezeichnet),  durch  eine  niedrige  Hauer  von 
der  Halle  geschieden.  Der  Ranch  gehl  von  dem  Heerde  in  eine  Art  von  Kamin, 
von  da  aber  sofort  wieder  in  die  Halle  und  in  den  darüber  gelegenen  Bodenraum. 
Natürlich  sind  alle  diese  Flächen  von  glänzendem  Russ  bedeckt  In  einer  Ecke 
des  Hecrdplatzes  hängt  ein  eiserner  Kesselhaken,  der  aber  nur  noch  beim  Kaffeebrennen 
benutzt  wird.  Zuweilen  steht  an  der  rechten  Wand,  dem  Heerde  gegenKber,  ein  ge- 
mauerter Rahmen,  unter  dem  der  Kochbeerd  des  Altsitzers  angebracht  ist  Indess 
ist  die  Küche  nicht  der  Hauplzweck  der  Halle;  diese  dient  vielmehr  als  ArbeiU- 
platz  für  den  Fischer,  Hier  werden  die  Netze  gestrickt,  getrocknet  und  am- 
gebessert,  worauf  täglich  die  grtisste  Sorgfalt  verwendet  wird.  Dann  kommen  aie 
mit  dem  Segeltuch  und  den  anderen  Geweben,  die  beim  Fischfang  benutzt  werdoi. 
auf  den  Boden,  wo  sie,  ausgebreitet  und  anfgehiingt,  den  Wirkongen  des  Rauches 
ausgesetzt  sind.  Diese  geräucherten,  stark  gebräunten  Netze  widerstehen  den  Ein- 
wirkungen des  Wassers  längere  Zeit. 


(793) 

Das  ist  der  wahre  Zweck  der  Halle  und  des  mächtigen  Bodens,  der  sonst  fast 
gar  nichts  enthält.  Der  Nehringer  hält  weder  an  Heu,  noch  an  Stroh  nennens- 
werthe  Vorräthe,  da  er  keinen  Ackerbau  treibt;  die  kleinen  Bestände,  die  er  zum 
Theil  von  weither  einholt,  bringt  er  in  besonderen  Schuppen  ausserhalb  des  Hauses 
unter.  Auch  Ställe  sind  in  das  Haus  gewöhnlich  nicht  aufgenommen.  Der  ganze 
Rest  des  Hauses  wird  vielmehr  von  Wohn-  und  Schlafstuben  der  Menschen  ein- 
genommen, links  gewöhnlich  fär  die  Familie  des  Besitzers,  rechts  für  den  Altsitzer 
oder  die  Miether.  Auch  giebt  es  keine  grösseren  Höfe:  die  kleinen  Schuppen  und 
Ställe  liegen  unregelmässig  zerstreut  in  der  Nähe.  Gerade  dieser  Umstand  unter- 
scheidet das  Nehringer  Haus  von  dem  galindischen  Hofe,  den  ich  vorher  be- 
schrieb, während  die  innere  Einrichtung  im  Grunde  dasselbe  Schema  zeigt,  nur 
dass  die  geräumige  Halle  des  kurischen  Fischers  durch  den  kleineren  Flur  des 
Allensteiner  Ackerbauern  ersetzt  ist. 

Ueber  das  Alter  des  Dorfes  ist  wenig  bekannt.  Nidden  (kurisch  Nida)  er- 
scheint urkundlich  erst  im  15.  Jahrhundert,  ist  aber  jedenfalls  älter.  Da  es  jedoch 
im  Jahre  1809  bis  auf  ein  Paar  Häuser  abbrannte,  so  liegt  es  auf  der  Hand, 
dass  von  den  jetzt  vorhandenen  66  Wohnhäusern  (mit  686  Einwohnern)  fast  alle  neu 
errichtet  sind.  Der  Grundriss  (Fig.  7)  ist  von  einem  der  alten  Häuser  entnommen.  — 

Anders  liegen  die  Verhältnisse  in  Schwarzort,  obwohl  dieses  Dorf  allem 
Anschein  nach  erst  in  der  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  gegründet  ist  (Bezzen- 
b erger  S.  61).  Immerhin  gab  es  schon  1697  6  Fischerhäuser  daselbst;  bis  auf 
diese  Zeit  dürfen  wir  auch  wohl  das  Alter  einzelner  der  noch  vorhandenen  Häuser 
zurückdatiren,  wenngleich  es  mir  nicht  gelungen  ist,  ii^end  eine  Jahreszahl  an 
ihnen  zu  entdecken.  Noch  jünger  dürfte  der  südliche  Vorort  von  Schwarzort, 
Karweiten,  sein,  welches  die  nächste  Dünenbucht  jenseits  der  Kirche  und  des 
Pfarrthals  einnimmt  Seine  Bewohner  scheinen  erst  am  Ende  des  1 8.  Jahrhunderts 
hierhergezogen  zu  sein,  als  ihr  altes  Dorf  durch  Versandung  zu  Grunde  ging. 
Schon  jetzt  sehen  aber  die  Karweitener  Häuser  so  alterthümlich  aus,  als  ob  sie 
Jahrhunderte  gestanden  hätten. 

Wenn  man  von  den  neueren  Anlagen  absieht,  welche  die  Entwickeluug  von 
Schwarzort  zu  einem  Seebade  mit  sich  gebracht  hat,  so  besteht  das  Dorf  eigent- 
lich aus  einer  einzigen  langen  Keihe  von  Gehöften  an  der  Dorfstrasse,  welche  sich 
unmittelbar  längs  des  Haffufers  hinzieht.  Ueppige  Eohrkämpe  begleiten  das  Ufer, 
vor  jedem  Hause  durch  eine  kleine  offene  Bucht  unterbrochen,  welche  als  Privat- 
hafen für  die  Fahrzeuge  des  Besitzers  dient.  Der  Ausblick  durch  diese  Buchten 
auf  das  weite  Binnengewässer,  welches  fast  immer  durch  Fischerboote,  Dampf- 
schiffe und  grössere  Handelsfahrzeuge  belebt  ist,  bis  auf  die  gegenüberliegende 
litauische  Küste  mit  ihren  Dörfern  und  Waldbeständen  ist  ungemein  malerisch. 
Vor  den  Häusern  liegen  überall  kleine,  mit  soi^faltig  gehegten  Blumen  bestandene 
Vorgärten.  Hinter  und  neben  den  Häusern  schliessen  sich  Kartoffel-  und  Gemüse- 
felder an,  freilich  sehr  kleine,  denn  der  fruchtbare  Boden  erstreckt  sich  nur  eine 
kurze  Strecke  über  das  halbmoorige  Vorland,  das  alsbald  von  hohen  bewaldeten 
Sandbergen  begrenzt  wird  Die  Grösse  der  einzelnen  Besitzungen  ist  in  steter 
Verminderung,  da  immer  neue  Häuser  und  selbst  Dörfer  der  übrigen  Nehrung  ver- 
sanden und  die  Bewohner  zur  Auswanderung  gezwungen  werden.  Von  Nidden  bis 
Memel  ist  Schwarzort  der  einzige,  noch  gerettete  Platz;  alles  Andere  ist  „todte 
Düne"  geworden.  Hier  aber  sind  die  Höhen  noch  mit  dichtem  Walde  bestanden, 
der  durch  die  Staatsregiemng  sorgsam  gehegt  und  erweitert  wird.  Mächtige  Eichen 
sind  an  den  mehr  geschützten  Stellen  noch  zahlreich  vorhanden,  hie  und  da 
stehen   auch   uralte  Linden   und  hochstämmige  Birken,   besonders   am  Ufersaum; 


(794) 

sonst  besteht  der  Wald  durchweg  ans  hochstänunigen,  dnnkelbelanbten  Fichten 
(Pinns  picea),  denen  die  moderne  Forstcultur  in  den  Niederungen  zwischen  den 
Sandbergen  gut  gedeihende  Tannen  (P.  abies)  beigemischt  hat.  Die  Buche  fehlt 
vollständig:  die  nördliche  Grenze  ihres  Verbreitungsbezirkes  liegt  schon  in  der 
Gegend  von  Königsberg.  Der  Boden  ist  im  Walde  durchweg  grün  durch  üppigen 
Pflanzenwuchs,  der  hauptsächlich  aus  Erd-,  Heidel-  und  Preisselbeercn  besteht;  an 
tieferen  Plätzen  wachsen  kräftige  Farne  und  Himbeeren.  Einzelne  Stellen  tragen 
seltnere  Pflanzen:  Pyrola,  Empetrum,  Linaria  odora  (auf  dem  Sande  der  Seeseite) 
und  die  gerade  zu  unserer  Zeit  in  herrlichster  Blüthe  befindliche  Linnaea  borcalia. 
Gelegentlich  trifft  man  auf  dem  Waldwege  eine  Blindschleiche;  ein  einziges  Mal 
fing  ich  einen  Melolontha  fullo,  der,  wie  es  scheint,  nur  noch  an  dieser  Stelle  der 
Nehrung  zu  finden  ist. 

Der  Hochwald  bedeckt  ausschliesslich  die  Haflseite  der  Berge.  Die  Seeseite 
ist  erst  neuerlich  durch  Anpflanzungen  bestockt  worden,  mit  Ausnahme  einiger 
tiefer,  wasserreicher  Stellen,  welche  mit  jungem  Laubholz  bestanden  sind.  Immer- 
hin ist  es  verständlich,  wie  dieser  Platz  zu  dem  Namen  Schwarzort  gekommen  ist 
Von  Weitem  erscheint  er  auf  der  blendend  weissen  oder  gelbweissen  Neh- 
rung wie  ein  dicker  schwarzer  Fleck.  Nach  Norden  schliesst  die  Baumvegetation 
in  einer  fast  geraden  Linie,  an  der  Haffseite  mit  einer  tiefen  Moorschlucht,  dem 
Grikin,  ab.  Dann  beginnt  die  todte  Düne,  die  sich  ununterbrochen  bis  zur  Nord- 
spitze der  Nehrung  am  Sandkruge  gegenüber  von  Memel  erstreckt.  Hie  und  da 
steht  noch  in  einer  Bucht  am  Haff  ein  kleiner  Baumbestand,  so  das  Hirschwäldchen 
in  der  Nähe  des  Nordendes.  Aber  die  heilende  Arbeit  der  Forstverwaltnng  ist 
hier  in  stetem  Fortschreiten:  seit  6  Jahren  hat  sie  ein  neues  System  der  „Be- 
stockung^  eingeführt  \md  jedes  Jahr  schreitet  diese  in  der  Richtung  vom  Sand- 
kruge nach  Süden  um  1  km  vorwärts.  So  dürfte  der  Zeitpunkt  zu  berechnen  sein, 
wo  die  97  km  lange  Nehrung  wieder  bewaldet  sein  wird,  wie  sie  es  früher  gewesen 
ist  Für  letzteres  sprechen  nicht  nur  die  zahlreichen  Stämme  alter  Bäume,  die 
von  Zeit  zu  Zeit  beim  Ab  wehen  der  Dünen  zu  Tage  treten,  sondern  auch  prä- 
historische Funde  und  historische  Zeugnisse  (Bezzen berger  S.  G7).  Dieser  alte 
Wald  ist  also  zu  einem  grossen  Theile  sicherlich  durch  Versandung  zu  Grunde  ge- 
gangen, indess  dfLrfte  diese  Erklärung  kaum  allein  genügen.  Man  wird  wohl  den 
Menschen  als  Mitschuldigen  an  der  Waldvernichtung  betrachten  dürfen,  am  so 
mehr,  als  die  Nehrung  von  jeher  die  Durchzugsstrasse  für  streifende  und  maro- 
dirende  Schaaren  der  östlichen  Völker  gebildet  hat 

Gleichviel  wie  sich  das  zugetragen  hat,  gegenwärtig  sind  die  Schwarzorter  ge- 
zwungen, sich  von  der  Fischerei  zu  ernähren.  Natürlich  essen  sie  auch  Brod  und 
gelegentlich  Fleisch,  aber  sie  müssen  es  kaufen;  Milch  ist  nur  spärlich  vor- 
handen und  Gerstenmehlsuppe  (litauisch  pütrus,  ähnlich  dem  schottischen  porridge) 
dient  als  Ersatz.  Aber  der  Gelderwerb  beruht  ausschliesslich  (abgesehen  von  dem 
in  neuerer  Zeit  eingeführten  Vermiethen  an  Badegäste)  auf  der  Fischerei,  die 
gerade  hier  sehr  lohnend  ist  Zuweilen  fischt  man  auf  der  See  (Lachs,  Flundern 
und  Steinbutten),  in  der  Regel  jedoch  auf  dem  Haff,  welches  namentlich  schöne  Aale 
in  grosser  Zahl  liefert.  Darauf  ist  die  ganze  Lebenshaltung  und  Beschäftigung,  dio 
Kleidung  und  auch  die  Wohnung  eingerichtet. 

Was  die  letztere  betrifft,  so  passt  das  vorher  gegebene  Niddener  Schema  auch 
hier.  Das  lange  Rechteck  des  Wohnhauses  steht  mit  der  Langseite  gegen  dio 
Strasse  und  hat  in  der  Mitte  derselben  die  Hausthür;  hinter  dieser  folgt  un- 
mittelbar die  Halle  mit  der  Hinterthür;  darin  die  Küche.  Ich  führe  ein  Paar  Beispiele 
(nach  Photographien  von  mir)  an:  In  dem  Hause  von  Michel  Peleikis  (S.  778),  welches 


(795) 

sich  durch  seine  alterthümliche  Beschaffen  heil  vor  allen  auszeichnet  (Fig.  8,  die  Hinter- 
seite), gab  es  zwei  Peuerstcllen  in  der  Halle:  die  eine,  ältere,  links  ander  Wand  (nicht 
in  der  Ecke),  bestehend  aus  dem  wandstundigen  Heerdc  und  einer  niedrigen  Vor- 
mauer, für  den  Besitzer:  die  andere,  neuere,  ihr  gegenüber  an  der  rechten  Wand, 
mit  einem  gemauerten  Heorde.  Dem  entsprechend  befanden  sich  links  und  rechts 
neben  der  Halle  Wohnstuben.  —  Ganz  ähnlich  ist  das  Haus  der  Wittwe  Lautsening  in 
Karweiten  (S.  778),  einer  viel  geprüften  Frau.  Ihr  Mann  ist  vor  4  Jahren  heim  Lachs- 
fang in  der  See  in  einem  Schneesturm  verschollen;  das  leere  Boot  trieb  bei  Kuren 
im  Samlande  an.  Seitdem  fischt  sie  selbst  mit  ihrem  jetzt  16jährigen  Sohne.  Das 
Haus  sieht  sehr  alt  aus,  hat  aber  keine  Jahreszahl.  In  der  grossen  durchgehenden 
Halle  mit  niedriger  Vorder-  und  HinterlhUr  steht  &nt  der  Seite  der  Hiethswohnung 
rechts  ein  kleiner  Heerd  an  der  Wand;  an  der  Seite  der  Besitzerin  links  befindet 
sich  ein  ummauerter  Raum  mit  einem  Heerde  und  an  der  anstossenden  Wand  ein 
vorspringender  Rahmen,  vor  welchem  auf  dem  Boden  ein  offenes  Feuer  brennt; 
kein  Kesselhaken,  sondern  ein  Grapen  mit  PUssen,    Die  Stube  war  ungewöhnlich 


Figur  8. 

sauber  gehalten,  was  gegenüber  der  unsauberen  und  vielfach  unordentlichen  Be- 
schaffenheit anderer  Haushaltungen  sehr  wohlthütig  auffiel. 

Ausser  dem  Wohnhause,  welches,  wie  ersichtlich,  vorwiegend  zu  Fischerei- 
zwecken bestimmt  ist,  haben  die  Schwnrzorter  gewöhnlich  noch  einige  Neben- 
gebäude, die  zuweilen  sehr  unregelmässig  gestellt,  manchmal  dagegen  fast  hofartig 
angeordnet  sind.  Da  eine  Scheune  unnölhig  ist,  so  sind  es  vornehmlich  Stulle 
(fUr  Kühe,  Schafe,  gelegentlich  Pferde  und  Schweine).  Ein  besonderes  Gebäude, 
die  Kletc,  enthält  die  Vorrüthe  an  Wüsche,  Kleidern,  Nahrungsmitteln  u.  s.  w. 
Es  ist  ein  kleines  Blockhaus  mit  einer  Art  von  Laube  davor,  die  unter  demselben 
Dach  befindlich,  nach  aussen  offen  und  durch  eine  Reihe  hölzerner  Ständer  und 
eine  niedrige  Brüstung  abgeschlossen  ist,  also  sehr  ähnlich  dem  norwegischen 
Stabur,  dem  bayerischen  Foldkasten  und  dem  schweizerischen  Stadel  (Verh.  IHaO, 
S.  578),  nur  nicht  so  hoch  gestellt,  wenngleich  häufig  durch  einige  Stufen  zu- 
gjinglich,  und  mehr  langgestreckt. 

Das  einstöckige  Wohnhaus  hat  sehr  niedrige  Wände,  dagegen  ein  hohes,  mit 
Rohr  gedecktos  Dach.  Von  dem  Niddener  unterscheidet  sich  das  Dach  haupt- 
sächlich durch  zwei  Eigenschaften:  einerseits  ist  die  First  mit  einer  dickeren  Rohr- 
lage bekleidet  und  diese  an  gut  gehaltenen  Häusern  durch  kurze,  breite,  am  Ende 


(796) 

Zugespitzte  Latten  berestigt,  die  über  die  Pirat  schräg  herttberragen;  andererseits 
ist  der  Giebel,  der  in  Nidden  ganz  senkrecht  abrollt  (S.  791,  Fig.  4  und  5),  mit  einem 
Walmdach  versehen,  welches  über  die  Giebelfront  vorragt  (Pig.  8).  Dieses  Walmdach 
beginnt  etwas  unter  der  Spitze  und  schiebt  sich  etwa  bis  auf  '/^  oder  '/i  der  Giebclfront 
herab;  oben  ist  es  durch  die,  von  mir  wiederholt  Iwsprochenen  3  Wiepen  be- 
festigt. Unter  dem  Walmdach,  in  dem  Winkel  der  Gicbelspitze,  liegt  das 
Ulenloch,   das  hier  jedoch  nicht  diesen  Namen  trägt  (Flg.  9,   das  letzte  Haus  vor 


Figur  10. 
dem  Kirchthalc).  Gelegentlich  sind  alle  diese  Theile  sehr  entwickelt:  dann  ist 
das  Ulcnlüch  durch  Bretter  geschlossen  (Fig.  10).  Dass  dies,  wie  überall,  das  ur- 
sprüngliche Rauchloch  war,  darf  nicht  bezweifelt  werden;  in  Rorweiten  traf  ich 
noch  eine  offene  „Luke".  Das  Walmdach,  welches  in  Xidden  verschwunden  ist 
und  auch  in  Schwarzort  an  neueren  Hüusem  fehlt,  darf  wohl  als  eine  alterthüro- 
lichc  Reminiscenz  betrachtet  werden. 

Was  endlich  den  Giehelschmuck  betrifft,  so  gilt  von  ihm  dassellw,  was  ich 
von  Nidden  berichtet  habe.  Auch  in  Schwar/ort  sind  es  entweder  Prerdeköpfe, 
nach  aussen  gewendet,  oder  Pfähle,  und  zwar  beide  in  zum  Thcil  sonderbaren 
Umgestaltungen  und  mehr  oder  weniger  durch  Schnitzereien  veneiert.  Die  Pferde- 
köpfe  haben  hier  meist  Aufsätze  und  unter  dem  Maul  zaumartige  Gehänge;  ge- 
legentlich   ist    iin    der   RUckcnseitc    des    Halses    noch    ein    länglicher  Schlitz    au- 


(797) 

gebracht  (¥ig.  10).  Manchmal  ist  der  Kopf  so  stark  herabgebogen,  dass  das  Maul 
nahe  am  Halse  liegt,  und  das  Ganze  mehr  wie  eine  grosse  Schleife  aussieht 
Auch  kommt  es  vor,  dass  der  Zaum  eine  gewundene  Leine  bildet.  —  Die  andere 
Art,  die  Pfahle,  ist  gleichfalls  mit  seitlichen  Sprossen  oder  Zinken  und  mit  darauf 
sitzenden  Vögelchen  ausgestattet 

Besonders  ausgeprägt  ist  dies  in  Rarweiten.  Hier  waren  an  einem  verhältniss- 
mässig  dünnen  Pfahle  sehr  starke  seitliche  Zacken  und  am  Ende  eine  eifi)rmige 
Anschwellung;  auf  letzterer  und  auf  den  beiden  nächstfolgenden  Zacken  sassen 
Vögelchen  mit  nach  aussen  gerichteten  Köpfen.  Wo  sich  Pferdeköpfe  finden,  da 
sind  sie  gross  imd  abenteuerlich.  An  einem  Hause  erschienen  sie,  wie  schon  er- 
wähnt, wie  Henkel.  Auf  dem  Kopfe  haben  die  Pferde  Ohren  oder  Schöpfe,  ähnlich 
denen,,  welche  bei  lebenden  Pferden  durch  kurzes  Abschneiden  der  vordersten 
Mähnenhaare  entstehen.  Obwohl  Karweiten  erst  im  vorigen  Jahrhundert  angelegt 
ist  (S.  .793),  so  handelt  es  sich  hier  doch  um  eine  alterthümliche  Sitte,  die  sicherlich 
aus  der  alten,  versandeten  Heimath  mitgebracht  ist  Ob  sie  ursprünglich  lettisch 
war,  erscheint  mir  diskutabel.  So  ausgebildete  imd  verzierte  Pferdeköpfe  scheinen 
auf  ein  Reitervolk  hinzudeuten,  wie  es  die  Litauer  waren.  Ich  werde  darauf  so- 
gleich zurückkommen.  Hier  möchte  ich  auf  die  ausgeprägte  Neigung  zur  Ver- 
zierung durch  Holzschnitzerei  hinweisen,  welche  allen  seefahrenden  Völkern  eigen 
ist  Sie  zeigt  sich  auf  der  Nehrung  nicht  nur  in  dem  Giebelschmuck,  sondern 
auch  in  der  weitergehenden  Gewohnheit,  andere  Theile  des  äusseren  Hauses  in 
ähnlicher  Weise  zu  zieren.  So  habe  ich  in  Schwarzort  ein  bei  der  Pfarre 
gelegenes  Haus  notirt,  bei  dem  auch  die  mediale  Seite  der  Giebellatten,  sowie  die 
Querbalken  des  Giebels  sehr  regelmässig  ausgeschnitten  waren. 

Es  schliesst  sich  das  sehr  eng  an  die  zierlichen  Muster  an,  welche  die 
Litauerinnen  in  ihren  Schürzenbändern  nachbilden.  Wir  trafen  diese  auch  in 
Nidden  an.  Häufig  sind  diesen  Mustern  Verse  eingefügt,  welche  den  poetischen 
Gefühlen  der  Künstlerin  Ausdruck  geben.  Von  solchen  Künsten  war  freilich  in 
Schwarzort  wenig  zu  sehen.  Das  einzige  eigenthümliche  Kleidungsstück,  das  ich 
bemerkte,  war  eine  dicke,  filzartige  Regenjacke  der  Fischer  aus  weisser  Wolle, 
mit  dunkelbraunen  Flecken  oder  Winkeln  besetzt  Der  Stoff  wird  nur  aus  der 
Wolle  der  hochbeinigen  Schafe  hergestellt,  welche  an  den  Beinen  lange  Haare, 
aber  keine  Wolle  tragen  und  kurze  Schwänze  besitzen. 

Zum  Schlüsse  noch  eine  Bemerkung,  die  vielleicht  für  die  Frage  von  der 
Entstehung  des  Bernsteins  einigen  Werth  hat  In  dem  Walde  von  Schwarzort 
giebt  es  so  viele  Spechte,  dass  man  sie  fast  auf  jedem  Spaziergange  hämmern 
hört.  Sie  machen  nicht  selten  ganz  grosse  Spaltlöcher  in  die  Rinde  der  Fichten 
und  aus  diesen  quillt  dann  das  Harz  in  so  grossen  Massen  hervor,  dass  es  zuweilen 
faustgrosse  Klumpen  bildet.  So  dürfte  wohl  auch  das  Bemsteinharz  hervor- 
gequollen sein.  —  Nach  der  Angabe  des  Lehrers  Po  11  mann  in  Schwarzort  heisst 
der  Bernstein  kurisch  dzintar,  litauisch  gintars.  (Für  Gold  kannte  er  nur  das 
litauische  Wort  auksas.)  — 

Es  erübrigen  jetzt  noch  die  litauischen  Häuser.  Vorweg  erwähne  ich, 
dass  nach  einer  aus  dem  17.  Jahrhundert  stammenden  Beschreibung  von  Erhard 
Wagner  (A.  Rogge,  Der  preuss.  Litauer  des  16.  und  17.  Jahrb.,  i.,  1886,  S.  13) 
die  Litauer  ihre  Häuser  für  sich  und  das  Vieh  unter  einem  Strohdach  erbauten. 
^Der  Rauch  hat  keinen  anderen  Ausgang,  als  durch  die  Thür.  Sie  merken  den- 
selben kaum  in  Folge  langer  Gewohnheit",  in  einer  Beschreibung  von  Hennen- 
berg er  (ebend.  S.  6)  aus  dem  16.  Jahrhundert  wird  gesagt:  „Das  Haus,  darinnen 
sie  alle  essen,   heisst  das  Schwarzhaus  und  ist  in  der  Wahrheit  vom  Rauche 


(798) 

und  Russ  schwarz  genug.  Daneben  hat  ein  jegliches  Paar  Ehegatten  ein  sonder- 
liches Häuslein,  das  heisst  man  eine  Rleidt  (Klete),  ist  von  rundem  Holz  gesetzt, 
unten  hat's  wie  ein  niedriges  Kellerlein,  oben  darauf  wie  eine  Rammer  ohne 
Fenster,  nur  eine  ThfLr,  da  sie  hineingehen;  darinnen  haben  sie  ihre  Rleiderchen, 
die  gar  schlecht  und  gering  und  alle  einerlei  Farben  und  Form  sind,  und  was  sie 
Sonderliches  haben.')  Sonsten  haben  sie  auch  viele  kleine  Häuserchen,  denn  zu 
jeglicher  Arbeit  haben  sie  ein  sonderliches  kleines  Häuslein,  als  eins,  da  man  das 
Getreide  mahlt,  eins  darinnen  man  backet,  eins  zu  brauen,  eins  Kleider  zu  waschen, 
eins  zur  Badstube  u.  s.  w.,  die  alle  sind  mit  Brettern  bedeckt,  haben  keine  Scheunen, 
sondern  wie  hohe  Ricke,  da  legen  sie  die  Aehrenenden  einwärts  und  ebenso  auf 
einander.^  Vieles  von  dieser  Beschreibung  gilt  noch  heute.  Die  ersten  solcher 
Häuser  sah  ich,  als  wir  von  Schwarzort  aus  einen  Besuch  auf  dem  jenseitigen 
Ufer  des  Haffs  machten.  Hr.  Bezzenberger  führte  uns  auf  einem  kleinen  Re- 
gierungsdampfer nach  Russ. 

Ich  muss  es  mir  versagen,  diese  merkwürdige  Gegend  eingehend  zu  be- 
schreiben. Die  Memel  ergiesst  sich  hinter  der  Windenburger  Ecke  mit  mehreren 
Armen  in  das  Haff.  Das  Land  umher  ist  niedrig,  den  üeberschwemmungen  aus- 
gesetzt und  moorig.  Das  Wasser  des  mächtigen  Stromes  ist  so  braun,  wie  das 
der  Spree.  Wir  liefen  durch  den  nördlichen  Ausfluss  des  Russ-Stromes,  den  sog. 
Atmatt-Strom  ein,  der  fast  die  Breite  des  Rheins  bei  Zevenar  hat,  und  sahen  uns 
plötzlich  in  einer  Landschaft,  die  mit  Holland  die  grösste  Aehnlichkeit  bot.  Ueberall 
längs  der  Ufer  lagen  die  aus  Russland  kommenden  Hol2flösse.  Nachdem  wir  in 
Russ  eine  Anzahl  wohlwollender  Freunde  aufgenommen  hatten,  bogen  wir  in  den 
zweitgrössten  Ausfluss,  den  Skirwieth-Strom,  ein  und  begaben  uns  nach  einer  ab- 
gelegenen Stelle  des  Waldes,  wo  uns  Elche  gezeigt  wurden.  Am  nächsten  Tage, 
am  14.  August,  fuhren  wir  dann  zu  Wagen  von  Russ  nach  Heydekrug.  Auf  dem  Wege 
trafen  wir  die  ersten  litauischen  Häuser.  Sie  hatten  fast  überall  Pferdeköpfe,  hie 
und  da  Pfähle,  und  zugleich  Vorlauben.  Hr.  Bezzenberger  erinnerte  daran, 
dass  diese  Vorbauten  an  jüdischen  Häusern  in  Russland  sehr  gebräuchlich  seien. 

Der  Hauptplatz  für  meine  Studien  über  litauische  Häuser  war  aber  in  der 
Gegend  südlich  von  Memel,  in  dem  Ufergebiet  der  Minge.  Wir  waren  hier  der 
russischen  Grenze  so  nahe,  dass  wir  einen  weiten  Ausblick  über  das  jenseitige, 
langsam  ansteigende  Stück  von  Kurland  hatten.  Das  diesseitige  Land  erwies  sich 
als  sehr  flach,  voll  von  Mooren,  Wiesen  und  Bächen,  aber  sehr  anmuthig  durch 
kleine  Wäldchen,  namentlich  durch  Birkengruppen,  geschmückt.  Fast  überall 
Einzelgehöfte.  Ich  besuchte  mehrere  derselben,  will  mich  aber  darauf  beschränken, 
ein  altes  Haus  in  Ilgenjän  kurz  zu  beschreiben. 

Dasselbe  (Fig.  11,  WH)  stand  in  der  Mitte  eines  geschlossenen  Hofes,  dessen 
Seiten  von  den  Wirthschaflsgebäuden  eingenommen  wurden.  —  Unter  diesen  nenne 
ich  die  Klete  (Fig.  11,  a  KQ,  den  Stall  (St),  die  Scheune  (Seh),  Man  gelangte 
auf  den  Hof  durch  eine  hohe,  fest  geschlossene  Thür,  Wartas  genannt  (Wa). 
Das  Wohnhaus  selbst  (Fig.  11,6)  bildete  ein  längliches  Rechteck.  Die  Hausthfir  in 
der  Langseite,  dahinter  ein  schmaler  durchgehender  Flur  (Z*^.  Neben  demselben  rechts 
das  Wohnzimmer  (^i),  und  das  Webezimmer  (Z),  beide  durch  einen  grossi^o 
Ofen  (0)  geheizt,  der  durch  die  Wand  bis  in  die  nach  hinten  gelegene  Küche  (AT) 
reichte.    Rechts  ein  für  uns  verschlossener  Raum,    so  viel  ich  verstehen  konnte, 

1)  Der  Name  Klet,  Klät,  Gndet  sich  durch  Russland  bis  zur  Wolga.  Hr.  Heikel  (Di«  G^ 
bände  der  Ceremissen,  Mordwinen,  Esten  und  Finnen.  8.99, 108)  sieht  darin,  nicht  blos  hinacht- 
lieh  des  Namens  (vgl.  Kleti  inGotland),  sondern  auch  wegen  ihrer  Form,  germanischen BnlliiM. 


(799) 


Prischeningke  genannt  und  für  das  weibliche  Gesinde  bestimmt.  Das  Haus  hatte 
ein  Walmdach,  aber  zugleich  einen  Schornstein.  Die  Klete  (Fig.  11  <?)  war  ein 
länglicher  Bau  mit  einer  grossen  offenen  Vorlaube,  zu  der  einige  Stufen  führten. 
Hinter  der  Laube  4  kleinere  Räume,  wie  Badezimmer,  in  denen  Kleidungsstücke 
und  allerlei  Hausrath  aufgestapelt  waren.  In  der  Mitte  eine  Treppe  zu  dem 
Bodenraum,  der  jetzt  leer  war,  sonst  zum  Aufbewahren  von  Getreide  dient. 


c 

-^ — m — w 


m 


m 


Figur  11. 

Hier  haben  wir  also,  gegenüber  dem  Fischerhause  der  Kuren,  den  Hof  des 
litauischen  Ackerbauers  und  Viehzüchters.  Eine  Beziehung  zu  germanischen  Typen 
ist  nur  schwer  aufzufinden,  jedenfalls  erst  in  Süddeutschland.  Dagegen  darf  vielleicht 
an  das  preussische  (galindische)  Haus  von  Alt-Wartenberg  erinnert  werden.  Ein 
principieller  Gegensatz  gegen  das  kurische  Haus  scheint  mir  nicht  vorzuliegen. 
Die  Bildung  des  geschlossenen  Hofes  und  die  stärkere  Ausgestaltung  der  Wohn- 


(800) 


räume  entspricht  dem  Bedürfnisse  des  Agrariers,  aber  der  Orandplan  des  Hanses 
bewahrt  eine  unverkennbare  Aehnlichkeit  mit  dem  des  kurischen  Hauses,  dessen 
Einfachheit  uns  nicht  in  Erstaunen  setzen  darf.  — 

Mögen  diese  Bemerkungen  Einiges  dazu  beitragen,  das  Verständniss  des 
äussersten  Ostens  unseres  Vaterlandes  den  Landsleuten  in  Innerdeutschland  einiger- 
maassen  zu  erschliessen,  und  mögen  sie  den  Sachkundigen  in  Preussen  nicht  zu 
viel  Gelegenheit  zu  kritischen  Einwänden  bieten  1  — 

L  Messangen  an  Helensem. 


Lebende   Helenser 


1. 

Daniel 
Kunkel 


h 


82  Jahre 


2. 

Gottlieb 
Walkows 


3. 

Daniel 
Hallmann 


Karl 
Zach 


5. 

Heinrich 
WalkowB 


40  Jahre  '  33  Jahre  '  40  Jahre    34  Jahre 


Grösste  horizontale  L&nge  des  Kopfes 

„       Breite 

Ohrhöhe 

Stimbreite 

Basilare  Länge 

Kopfumfang 

Gesichtshöhe  A 


B 

Gesichtsbreite  a 

b 

OrbiU,  Höhe  . 

n       Breite 
Nase,  Höhe     . 

„     Länge    . 

,     Breite    . 

„     Elevation 
Körperhöhe 


Längenbreitenindex 
Ohrhöhenindez    . 
Gesichtsindez  .    . 
Nasem'ndex     .    .    , 


A.  Maasse. 

199 

195 

1   191 

190 

156 

155 

1   162 

152 

117 

117 

1   110 

117 

113 

106 

114 

112 

575 

570 

560 

550 

199 

188 

187 

183 

125 

133 

133 

117 

143 

145 

148 

148 

82 

86 

92 

92 

113 

106 

117 

106 

31 

35 

36 

31 

94 

95 

94 

93 

58 

59 

57  , 

54 

56  1 

55 

53 

58 

33 

33 

35 

37 

28 

26  i 

22 

20 

1678 

1733 

« 

1647 

1702 

B.  Indic€ 

»s. 

78,4  ! 

79,5 

84,8  ; 

80,0 

58,8 

60,0 

57,5  ' 

61,6 

87,4 

91,6 

89,8 

79,0 

56,8 

t 

62,7 

1 

61,4 

68,5 

1882 


II.  Messungen  in  Palninieken. 


Lebende  Litauer 

und 

Samländer 


1. 


2. 


3. 


Litauer 


$  SS 

25  Jahre    56  Jahre    45  Jahre 


J4  Jahre    21  Jahre 


Grösste  horizontale  L&nge 
-       Breite     .... 


A.  Maasse. 

181  189 

144  p.    I    156  p. 


194 
156  p. 


187 


186 


I     155p.         löOp. 


(801) 


Lobende  Litauer 

und 

Samländer 


Horizontal-UmfaDf? . 
Stirnbreite.  .  .  , 
Basilare  L&nge  .  . 
Gesichtsböhe  A  .  . 
B.  , 
Gesichtsbreite  a.    . 


Orbita,  Höhe . 

yy       Breite 
Nase,  Höhe    . 

,      L&nge  . 

,      Breite  . 

„      Elevation 
Körperhöhe 


1. 


2. 


3. 


4. 


Litauer 


25  Jahre 


56  Jahre  i  45  Jahre    44  Jahre 


526 

111 

122 

156 

102 

138 

82 

121 

36 

92 

51 

50 

36 

20 

1708 


B.  Indices. 


565 

570 

111 

121 

125 

128 

188 

182 

122 

118 

137 

150 

74 

94 

102 

110 

36 

39 

91 

98 

58 

58 

62(59) 

54 

39 

40 

22 

25 

1598 

1700 

559 

113 

121 

191 

126 

149 

83 

116 

33 

87 

56 

55 

37 

21 

1645 


5. 


Samländer 


21  Jahre 


L&ngenbreitenindex 
Gesichtsindez.  .  . 
Nasenindez    .    .    . 


79,5 

82,5 

80,4 

82,9 

73,9 

89,0 

78,6 

84,5 

70,5 

67,2 

68,9 

66,0 

m.  HessuDgen  in  Nidden. 


545 

111 

114 

173 

112 

135 

75 

92 

35 

94 

57 

52 

35 

21 

1690 


80,6 
82,9 
61,4 


Lebende  Kuren 


1. 

s 

60  Jahre 


2. 

46  Jahre 


3. 

$ 
46  Jahre 


Grösste  horiiontale  Länge  . 

„       Breite 

Ohrhöhe 

Horizontal-Umfang.    .    .    . 

Stimbreite 

Basilare  Länge 

Gesichtshöhe  A 

B 

Gesichtsbreit«  a 

b 


Orbita,  Höhe  . 
Breite 


A.  Maasse. 

108   I 

168  p.  i 
123 

588    I 
113 

13«     ; 

195    ! 

134 

163 

79 
112 

35 

93 


190 

157  p. 

116 

565 

105 

128 

188 

122 

147 

89 
108 

38 

90 


183 

149  p. 

108 

552 

106 

114 

174 

104 

144 

73 
113 

33 

92 


4. 

S 
67  Jahre 


187 

151p. 

130 

560 

110 

122 

185 

127 

138 

81 
106 

38 

93 


Verbandl.  der  Berl.  Antbrop.  Oetelljehaft  1891. 


51 


(802) 


Lebende  Kuren 


Nase,  Höhe    .    .  . 

„      Lange  .    .  . 

„      Breite  .    .  . 

„      £levation .  . 

Körperhöhe    •  . 

L&ngenbreitenindex 

Ohrhöhenindex   .  . 

Gesichtsindex.    •  . 

Nasenindex    .    .  . 


2. 

s 

46  Jahre 


8. 

$ 
46  J^ire 


62 
60 
88 
24 
1787 


61 
69 
86 
24 
1768 


58 
54 
83 
19 
1565 


IV.  Messungen  in  Schwarzort« 


4. 

67  Jahr« 


Lebende 
Kuren 


1. 

Lanze- 
ning 

71J. 


2. 


Saküt 


48  J. 


3. 

Tochter 

von 

Lanze- 

ning 

60  Jahre 


4. 

Schwest. 

von 

Saküt 

$ 
46  Jahre 


5. 

Michel 
Peleikis 

67  Jahre 


6. 

WOh. 

Lanze- 
ning, 
geb. 

Pietsch, 

89  Jahre 


66 
58 
35 
23 
1581 


•  Indices. 

84,8 

82,6 

81,4 

80,7 

62,1 

61,0 

59.0 

M^ 

82,2 

82,9 

75,2 

«,• 

61,2 

59,0 

56,8 

62^ 

7. 

Anna 
Peleikis 

82  Jahre 


Anna 

Plkt- 

schnss 

17  Jahn 


A.  Maasse. 

Gr.  horizont.  Länge 

183 

m 

188 

1      188 

190 

188 

188 

174 

„   Breite .... 

164 

153 

155 

147 

148 

156 

144 

15S 

Ohrhöhe     .    .    . 

117 

114 

118 

111 

111 

112 

107 

119 

Stimbreite.    .    . 

539 

560 

560 

542 

550 

560 

587 

645 

Basilare  L&nge  . 

102 

103 

100 

106 

108 

109 

105 

106 

Kopfamfang  .    , 

123 

120 

117 

109 

120 

111 

114 

110 

Gesichtshöhe  A  . 

188 

191 

179 

164 

196 

181 

168 

188 

B  , 

128 

121 

119 

102 

115 

119 

105 

118 

Gesichtsbreite  a . 

147 

154 

135 

136 

148 

141 

185 

187 

b, 

77 

88 

75 

76 

86 

82 

78 

81 

c. 

115 

108 

100 

97 

HO 

111 

98 

103 

Orbita,  Höhe .    . 

33 

37 

30 

88 

87 

85 

82 

30 

„      Breite 

93 

95 

85 

86 

95 

96 

89 

90 

Nase,  Höhe   .    . 

69 

53 

54 

47 

54 

49 

48 

48 

„      Lftnge .    . 

56 

51 

68 

43 

65 

52 

46 

45 

„      Breite .    . 

37 

36 

36 

36 

41 

82 

88 

81 

„      Elevation . 

22 

23 

20 

22 

28 

22 

20 

16 

Körperhöhe 

1672 

1774 

1520 

1482 

1661 

l«47 

1626 

1569 

(803) 


Lebende 
Kuren 


Lftngenbreitenindez 
Ohrhöhenindez  .  . 
(^esichtsindex  .  . 
Nasenindox    .    .    . 


1. 

Lanze- 
ning 


2. 


Saküt 


71  J.  I  48  J. 


8. 

Tochter 

von 
Lanie- 

ning 

$ 
50  Jahre 


4.      I       6. 

I 

Schwest   Michel 
von 
Saküt     ^«^^*^ 


46  Jahre  167  Jahre 


6. 

Wilh. 

Lanze- 

ning, 

jreb. 

Pietsch 

2 

39  Jahre 


7. 

Anna 
Peleikis 

$ 

32  Jahre 


B.  Indices. 


84,1 

7M 

82,4 

80,8 

77,8 

82,4 

7M 

68,9 

5M 

62,7 

60,6 

58,4 

5t,5 

S8,4 

87,0 

78,5 

88,1 

76,0 

77,7 

84,3 

77,7 

62,7 

67,9 

64,8 

7M 

75,t 

65,8 

68,7 

8. 

Anna 
Pikt- 
schuss 

17  Jahre 


87,9 
•8,3 
86,1 
64,5 


V.  Messungen  in  Löbarten. 


1. 

2.           8. 

4. 

5.             6. 

7. 

a 

¥         1_               J 

Krist 

Ilsze 

Martin 

j                   Tlsze 
Mare       Junns  i  Siemis, 

Ilsze 

Ilsie 
Alksnis, 

geb. 
Tia^ikis 

Lebende 

Lauk- 

Jandi- 

1 

Schwest. 

Litauer 

Btins 

kis 

Orausdfs 

Skrandis 

Siemfs 

von 
Nr.  5 

Schulkfs 

i 

S     '      5 

$ 

s 

? 

i 

? 

52  J. 

17  J.  27  Jahre 

19  Jahre 

88  Jahre 

28  Jahre 

29  Jahre  46  Jahre 

A.  Maasse. 


Gr.  horiiont.  Länge 

183 

187 

180 

181 

194 

'      172 

177 

175 

,    Breite  .... 

155 

154  p. 

149 

188 

142 

'      148 

141 

150 

Ohrhöhe     .    .    , 

118 

HO 

124 

112 

109 

107 

112 

118 

Stimbreite.    •    . 

110 

119 

108 

95 

100 

97 

101 

102 

Badlare  L&nge  , 

114 

94 

118 

111 

122 

115 

111 

HO 

Kopfumfang  .    . 

545 

560 

540 

530 

544 

520 

510? 

585 

Gesichtshöhe  A  . 

184 

181 

174 

172 

180 

174 

182 

160 

B. 

180 

117 

119 

111 

124 

117 

120 

102 

Gesichtsbreit«  a , 

148 

188 

140 

138 

141 

180 

188 

188 

b, 

92 

88 

97 

87 

81 

87 

85 

79 

c, 

114 

102 

117 

109 

111 

97 

112 

101 

Orbita,  Höhe .    . 

85 

83 

88 

82 

38 

81 

86 

81 

„      Breite 

98 

87 

94 

88 

94 

92 

94 

93 

Nase,  Höhe    .    . 

eo 

56 

68 

51 

52 

47 

56 

52 

„      L&nge .    , 

68 

54 

66 

48 

51 

47 

53 

52 

„      Breite  .    . 

84 

80 

84 

81 

88 

34 

•  37 

81 

„      Elevation . 

25 

21 

21 

19 

20 

20 

22 

20 

Körperhöhe    . 

1704 

1616 

1664    1 

1604 

1613 

1511 

1548 

1585 

B.  h 

idices. 

L&ngenbreitenindez 

84,7 

82,4 

82,8 

76,2 

78,2 

83,1 

79,7 

85,7 

Ohrhöhenindez  .    . 

64,5 

»8,8 

•8,1 

61,8 

61,8 

{•,1 

68,3 

64,6 

Oesichtsindex     .    . 

87,8 

87,9 

85,0 

80,4 

87,9 

•0,0 

86,9 

73,9 

Nasenindex    .    .    . 

W,f 

53,ft 

S8,i 

•9,7 

•1,5 

7M 

•0,0 

*t,o 

51* 

(804) 
VI.  Messungen  im  Forst  von  Szernen. 


Lebende  Litauer 


1. 

Johns 
Salomons 

s 

67  Jahre 


2. 

Martin 
Lieliszkis 

71  Jahre 


3. 

Adam 
Baldnischat 

56  Jahre 


A.  Maasse. 

Grösste  horizontale  Länge  des  Kopfes  ^    .    .    • 

„       Breite 

Ohrhöhe.    . 

Stimbreite 

Basilare  L&nge 

Eopfumfang 

Gesichtshöhe  A 


B 

Gesichtsbreite  a 

b 


Orbita,  Höhe  .  . 

„      Breite .  . 

Nase,  Höhe     .  . 

„      Länge   .  . 

„      Breite  .  . 

„      Elevation  . 

Körperhöhe  . 

Längenbreitenindcx 
Ohrhöhenindex    . 
Gesichtsindez  .    . 
Nasenindex     .    . 


B.  Indices. 


172 

142 

106 

101 

111 

509 

180. 

118 

185 

87 

99 

38 

86 

54 

51 

34 

16 

mittel 

82,6 

S8,t 
87,4 


178 

155 

117 

96 

116 

530 

174 

117 

143 

87 

106 

35 

93 

52 

54 

37 

24 

gross 

87,1 

81,8 
71,1 


186 

155 

105 

105 

115 

540 

187 

116 

140 

86 

110 

85 

94 

52 

55 

36 

25 

gross 

83,3 
S«,4 

82,8 

••,2 


Vn.  Litauer  Schädel. 


Schädel 

Kinten                                        Windenbnr; 

1 

von 
Litauern 

1. 

2. 

3. 

4. 

2 

5. 

6. 
Kind 

7. 
Kind 

2.    ,     8. 

<5   '   ? 

i 

2 


A.  Haasse. 


Capacität 

Gr.  horizont.  Länge 

„    Breite 

Gerade  Höhe  .  .  . 

Ohrhöhe 

Hinterhauptslänge 
Basilare  Länge .  . 
Gesichtshöhe  A   . 


— 

— 

1420 

1380 

1520 

182    . 

183    :  175       188 

187 

137  p. 

142 1 

145  p.   141t. 

148  t 

136 

— 

137 

127 

127 

111     ' 

112       112 

108 

103 

44 

— 

50        57 

56 

107 

HO 

99 

104 

107 

1070 
165 
135  t 
123 
101 

53 

% 

98 


180 
182  p. 
127 
106 
51 
104 


r  1480   I    —     1160     - 
I    183      176    ,  172    lö 
153t'  145t ;  136t  ISJ? 


135 

'  127 

125 

1  " 

118 

109 

IflB 

107 

48 

._ 

51 

|W 

1    112 

107 

104 

106 

r  117 

107 

94 

m 

(805) 


Schädel 

von 
Litauern 


1. 


2. 


K  i  n  t  e  n 

W 

indenbnrg 

8. 

4. 

5. 

6. 

7. 

1. 

2. 

S. 

4. 

? 

2 

s 

Kind 

Kind 

S 

$ 

$ 

? 

Gesichtsbreite  a 

b 
c 

Orbita,  Höhe  .  . 

„       Breite    . 

Nase,  Höhe  .  .  . 

„      Breite  .  . 

Gaumen,  L&nge 

Breite 


— 

— 

80,5 

80 

40 

40 

54 

52 

25 

28? 

60 

58 

89 

86 

OpUtbo- 
gnatb 

Opittlio- 
güatb 
dent. 

Progen. 

Alt, 

cahnloi. 

belebte 

Impresa. 

baaiU 


B.  Indices. 


Lftngenbreitenindex 
Lftngenhöhenindex  . 
Ohrhöhenindex  .  .  . 
Hinterhauptsindex  . 
Gesichtsindex .  .  .  . 

Orbitalindex 

Kasenindex 

Gaumenindex  .  .  .  . 


75,3 
74,7 
60,9 
24,1 

76,2 
46,2 
66,0 


77,6 


61,2 


75,0 

68,8? 

62,0 


82,9 

75,0 

79,1 

81,8 

73,3  ! 

83,6 

82,4 

78,5 

74,9      67,6 

67,9 

74,5      70,5      73,8   '  72,2 

72,7 

64,0 

57,4   ;  56,0 

61,2   ;  58,8 

64,5 

61,9 

62,7 

28,5 

80,3      29,9   ;  32,1 

28,3  , 

26,2 

— 

29,6 

a^B 

— 

— 

— 

— 

86,0 

79,8 

— 

89,1 

— 

— 

86,1 

— 

81,4      84,6 

82,0 

49,0 

— 

— 

54,5? 

1 

41,8 

45,0 

46,8? 

— 

— 

— 

1 

•— 

— 

— 

81,5? 

66,0 
30,8 

75,6? 


(34)  Eingegangene  Schriften. 

1.  Andree,  R.,    Geographische  Wanderungen.    Dresden  1859.    (2  Thle.  i.  1  Bd.) 

2.  Aretini,   Leonardi,   de   hello  Italico   adversus   Gothos  gesto   historia,    nunc 

primum  edita.    Parisiis  1534. 

3.  Barrius,  Gabr.,  De  antiquitate  et  situ  Calabriae  libri  V.    Romae  1737.    Pol. 

4.  Brentano,  E.,  Zur  Lösung  der  Trojanischen  Frage.    Heilbronn  1881. 

5.  Bresciani,   Ant.,   Dei  costunii  delF   isola  di  Sardegna  comparati  cogli  anti- 

chissimi  popoli  orientali.    Napoli  1850,  2  tom:  1  vol. 

6.  Brühl,  Gust.,  Die  Culturvölker  Alt-Amerikas.    Cincinnati  1875—87. 

7.  Brunner,    Sebast.,    Ein   eigenes   Volk.     Aus   dem   Venediger-   und  Longo- 

bardenland.    Wien  1859. 

8.  deBussiere,  Th.,   L'empire  mexicain.     Histoire  des  Tolteques,  des  Chichi- 

meques,  des  Azteques  et  de  la  conquete  espagnole.    Paris  1863. 

9.  Campomanes,   Pedro   Rodriguez,   AntigÜedad  maritima  de  la  republica  de 

Curtago,  con  el  periplo  de  su  general  Hannon.    Madrid  1756. 
10.   C  ha  ff  an  Jon,  J.,  L'Orenoque  et  le  Caura.    Paris  1889. 


(806) 

11.  Charnay,    Desir^,    Le    Mexique.      Souvenirs    et   impressions    de    yoya^. 

Paris  1863. 

12.  Cnriosites  philologiques,  geographiques  et  ethnologiques.    Paris  1855. 

13.  y.  Czoernig,    Carl,    Das    Land  Görz  und  Gradisca      (Mit   Einschluss    von 

Aquileja).    Wien  1873. 

14.  Dali,  W.  H.,  Tribes  of  the  extreme  Northwest.    Washington  1876,  4\ 

15.  Ely,  Talfourd,  Manual  of  archaelogy.    London  1890. 

16.  N.  Federmann's  und  H.  Stade's  Reisen  in  Südamerica  1529 — 1555.  Heraus- 

gegeben V.  Dr.  R.  Klüpfel.    Stuttgart,  Lit  Verein,  1859. 

17.  Gaffarel,  P.,  Les  explorations  frauQaises  depuis  1870.    Paris  1882. 

18.  de  Ooeje,  M.  J.,  Hadhramaut.    (Sep.-Abdr.  Revue  int  coloniale). 

19.  Grotefend,  G.  F.,  Zur  Geographie  u.  Geschichte  t.  Alt-Italien.    I.   Aelteste 

Kunde  v.  Italien  bis  zur  Römerherrschaft.    Hannover  1840.    4^ 

20.  Hakluyt,  Rieh.,  The  discovery  of  Muscovy  with  the  voyages  of  Ohthere  and 

Wulfstan  from  king  Alfred's  Orosius.    London  18^9. 

21.  Hampel,  Jos.,  Magyarhoni  regeszeti  leletek  repertoriuma.    o   0.  u.  J.,  4^ 

22.  Haven,  Sam.,   F.,   Archaeology   of  the  United  States,  or  sketches,  historical 

and  bibliographical,  of  the  progress  of  information  and  opinion  respecting 
vestiges  of  antiquity  in  the  United  States.  Washington  1856,  4^  (Extr. 
Smiths.  Oontr.). 

23.  Kennan,  G.,  Sibirien.    Halle,  o.  J.  2  Thle.  i.  1  Bde. 

24.  Roster,  H.,  Voyages  dans  la  partie  septentrionale  du  Bresil,  depuis  1809—1815. 

Trad.  d.  l'angl.  p.  A.  Jay.    Paris  1818,  2  vols. 

25.  Lindenschmit,   L.,   Die  vaterländischen  Alterthümer  der  Fürstlich   Hohen» 

zollerschen  Sammlungen  zu  Sigmanngen.    Mainz  1860,  4^ 

26.  Lippert,   Jul.,   Der  Seelencult    in    seinen    Beziehungen    zur   althebräischen 

Religion.    Berlin  1881. 

27.  Lyell,  Gh.,  Reisen  in  Nordamerika  mit  Beobachtungen  über  die  gcognostischon 

Verhältnisse  der  Vereinigten  Staaten,  von  Canada  und  Neu -Schottland. 
Deutsch  V.  E.  Th.  Wolff.    Halle  1846. 

28.  Markham,   Clements  R.,   A   life  of  John  Davis,  the  navigator,  1550  —  1605, 

discoverer  of  Davis  straits.    London  1889. 

29.  Mayer,    Brantz,    Observations   on  mexican  history  and  archaeology,  with  a 

special  notice  of  Zapotec  remains,  as  delineated  in  Mr.  J.  G.  Sawkins's 
drawings  of  Mitla.    Philadelphia  1856,  4^    (Extr.  Smiths.  Contr.) 

30.  Monnier,  Marcel,  Des  Andes  au  Para.     Equateur,   Perou,   Amazone.     Paris 

1890,  4». 

31.  Müller,    F.  Max,    Ueber    die    Resultate    der    Sprachwissenschaft      Strass- 

bürg  1872. 

32.  Nielutsch,    Fr.,    Amerikanische    Nachrichten    von    Quito    und    den    wilden 

Indianern  in  Maragnon.    o.  0.,  1781. 

33.  Oppel,  Alw.,  Der  Tabak  in  dem  Wirthschaftsleben  und  der  Sittengeschichte 

der  Völker.    Bremen  1890.  —  Der  Reis.    Bremen  1890. 

34.  Oppert,  Gust.,   Der  Presbyter  Johannes  in  Sage  und  Geschichte.     IL  Aufl. 

Berlin  1870. 

35.  de    la    Pena    y    Fernandez,   Man.,    Manual    de    arqueologia   prehistorica. 

Sevilla  1890. 

Nr.  1—35  Gesch.  von  Herrn  C.  Kttnne. 


Sitzung  vom  21.  November  1891. 

Vorsitzender  Hr.  Virchow. 

(1)  Hr.  G.  Pritsch  hat  sich  durch  Ueberhäufung  mit  anderweiten  Geschäften 
genöthigt  gesehen,  aus  dem  Ausschusse  zu  scheiden. 

Der  Vorsitzende  spricht  Hm.  Pritsch  warmen  Dank  aus  fflr  die  viel- 
jährigen, der  Gesellschaft  geleisteten  Dienste  und  bedauert  lebhaft,  dass  es  nicht 
gelungen  ist,  diesen  Verlust  abzuwenden. 

Der  Ausschuss  hat  an  seine  Stelle  Hm.  Olshausen  cooptirt.  Derselbe  hat 
die  Wahl  angenommen. 

(2)  Als  neues  Mitglied  wird  gemeldet  Hr.  Maler  Professor  Woldemar  Priedrich 
in  Berlin. 

(3)  Das  Mitglied  der  Pflegerschaft  für  das  Märkische  Provinzialmuseum,  Hr. 
Pastor  emerit.  Ragotzky,  ein  um  die  prähistorische  Erforschung  der  Priegnitz 
verdienter  Mann,  ist  am  13.  Juli  gestorben. 

(4)  Präulein  Elisabeth  Lemke  kündigt  unter  dem  9.  Oktober  ihre  glückliche 
Ankunft  in  New  York  an. 

(5)  Hr.  F.  Jagor  hat  vom  Bord  des  Schiffes  Carpenter  zwischen  Batavia  und 
Soerabaya  unter  dem  11.  September  Hm.  W.  Timm  geschrieben,  dass  er  von 
Batavia  aus  55  Photographieen  als  Geburtstagsgeschenk  für  Hm.  Virchow  ab- 
gesendet habe.    Dieselben  sind  noch  nicht  eingetroffen. 

Nach  einem  späteren  Briefe  aus  Soerabaya  vom  25.  September  berichtet  Hr. 
Jagor,  dass  er  im  Auftrage  des  Dr.  Pleitner  in  Fort  de  Rock  3  Schädel  (je  einen 
Batak,  Javanesen  und  Maduresen)  für  Hm.  Virchow  abgesandt  habe.  In  der- 
selben Kiste  befinde  sich  eine  von  Hm.  Oberingenieur  Yzerman  in  Padang 
aulgenommene  Photographie  buddhistischer  Ruinen,  die  er  in  Sumatra  entdeckt 
hat.  Zwei,  in  dem  Archiv  von  Batavia  aufbewahrte  ^Aktenstücke  der  Termiten^, 
welche  Hr.  van  der  Chijs  dem  Vorsitzenden  zur  Verfügung  sM\t,  sollen 
später  nachfolgen.  ^Morgen^,  schreibt  Dr.  Jagor,  ^fahre  ich  nach  Makassar^; 
vielleicht  werde  er  von  da  nach  den  Molucken  gehen.  Jedenfalls  gedenke  er  den 
Beginn  der  kühleren  Jahreszeit  noch  im  Archipel  abzuwarten. 

(6)  Hr.  Priedrich  Hirth,  z.  Z.  kaiserlich  chinesischer  Zollinspektor  auf 
Formosa,  übersendet,  mit  einem  Briefe  an  den  Vorsitzenden  aus  Tamsui,  10.  Sep- 
tember, einen  schon  vom  27.  März  datirten  Bericht  über 


(808) 

Alte  chinesische  MetaUspiegel. 

So  eben  habe  ich  mit  grossem  Interesse   Ihren  Bericht  über  Gräberfunde  am 
Nordabhang  des  Kaukasus  gelesen.     Ich  bedauere   ausserordentlich,  dass  ich  mir 
dieselben  nicht  vor  meiner  Abreise  angesehen  habe;  denn,  wenn  auch  der  grösste 
Theil  dieser  Sachen  einer  meinem  Fache  gänzlich  fremden  Cultursphäre  angehört, 
so  besteht  doch  zwischen  den  historischen  (im  Gegensatz  zu  den  prähistorischen) 
Bewohnern  gerade  jener  Gegend   und  China  ein  sich  über  viele  Jahrhunderte  er- 
streckendes  Verhältniss,    wie   es   sich    für   wenige   Völker  Westasiens    oder  gar 
Europas  im  Alterthum  oder  frühen  Mittelalter  nachweisen  lässt.     Was  mich  unter 
Ihren  Funden   auf  den   ersten  Blick   fesselte,    ist  der  Metallspiegel,  Figur  57  auf 
S.  449  der  Verhandlungen  (Sitzung   vom  19.  Juli  1890).     Ich   bin   sehr   geneigt 
dieses  Stück  auf  die  blosse  Beschreibung  und  Ihre  Abbildung  hin  als  ein  Prodact 
chinesischen   Kunstfleisses   in   Anspruch  zu  nehmen.     Ich   habe  selbst  zahlreiche 
derartige  Metallspiegel  gesehen,   auf  deren   Rückseite  die  einfachsten,  sowie  die 
kunstvollsten  Muster   vertreten  waren  (vgl.  einige  Abbildungen  berühmter  Mieter 
des  Alterthums  in  Bd.  I  meiner  ^Chines.  Studien**).    Ich  habe  in  meiner  Wohnung 
einige   kleinere   Stücke   dieser  Art  zurückgelassen,  sowie  einen  Spiegel  grösseren 
Durchmessers,  der  s.  Z.  als  Wandschmuck  in  meinem  Esszimmer  diente.     Wenn 
ich  nicht  irre,  habe  ich  auch  im  Museum  für  Völkerkunde  einige  kleinere  Exem- 
plare gesehen.     Ihre  Beschreibung   auf  S.  449  ist  für   die   chinesischen   Spiegel 
sehr  charakteristisch,  die  ausnahmslos  auf  der  Rückseite  den  an  der  Basis  durch- 
bohrten   Knopf  (letzterer   in   den    besseren   Stücken    oft    ornamental    verwendet) 
zeigen.    Durch  den  Knopf  wird  eine  seidene  Schnur  gezogen,  die  bei  den  chine- 
sischen  Spiegeln   als   Handhabe  diente,   während    sonst   Metallspiegel   (z.  B.  die 
japanischen)  mit  einem  besonderen  Griff  versehen  sind.    Auch  Figur  72  auf  S.  466 
hat  einen  besonderen  Griff,  eine  Form,  die  ich  in  China  nie  gesehen  habe,  weshalb 
ich  gern  wissen  möchte,  ob  die  Zusammensetzung,  Art  der  Bearbeitung,  u   s.  w.. 
nicht   auf   einen   verschiedenen   Ursprung   deuten.     Metallspiegel    sind    in  China 
uralten  Datums,   doch    scheint   kunstvollere  Bearbeitung  erst  aus   den  Zeiten  der 
Dynastie   Han    (etwa  zwei  Jahrhunderte  vor  und  nach  Chr.)  zu  stammen.     Die 
gesammte   Literatur  über  diesen  Gegenstand  findet  sich  in  der  grossen  Encyklo- 
pädie  T'u-shu-chi-ch'eng  zusanimengestellt,   wovon  aus  meiner  Sammlung  ein 
vollständiges  Exemplar  in  den  Besitz  der  Königlichen  Bibliothek  ttbeiigegangen  ist, 
und  zwar   in   den  Kapiteln  225 — 228   der  32.  Abtheilung,   wo   Sie  zahlreiche  Ab- 
bildungen aus   der  Dynastie  Han   und  Tang  (d.  i.  bis  in's  10.  Jahrh.  nach  Chr.) 
finden.    Besonders  gute  Illustrationen  finden  sich  in  dem  alten  Druckwerke  vom 
Jahre  1312,  das  ich  s.  Z.  ebenfalls   der  Königlichen  Bibliothek  hinterlassen  habe. 
Spiegel   wurden   schon   im  Alterthum   aus  Kupfer,   Blei  und  Zinn   (d.  L  Bronze), 
sowie   aus   Eisen   verfertigt.     Ueber  die  Verhältnisse  der  Bronze  habe  ich  nichts 
finden   können,    ausser   an   einer   Stelle,   wo   von   Kupfer  und  Zinn   zu  gleichen 
Theilen  die  Rede  ist.     Für   das  Alter  lässt   sich   wohl  aus  dem  Aeusseren  Ihrer 
Figur  57  nichts  feststellen;  man  müsste  denn  aus  der  Beschaffenheit  der  Spiegel- 
fläche  einen  vielleicht  etwas  gewagten  Schluss  ziehen.   Es  findet  sich  nämlich  im 
Meng-chi-pi-t'an,  einem  Werke  des  11.  Jahrhtmderts,  in  dessen  Aechthdt  ich  das 
grösste  Vertrauen  setze,  eine  Stelle,  wonach  die  Spiegelfläche  bei  kleinen  Spiegeln 
convex,  bei  grossen  flach  war,  und  zwar  aus  dem  Grunde,  dass  der  Spiegel  dsxa 
bestimmt  war,  nicht  mehr  und  nicht  weniger  als  ein  menschliches  Gesicht  in  sich 
aufzunehmen,    was   bei   kleineren   Geräthen   nur   durch   den  convexen  Schliff  er* 
reicht  werden  konnte.     Der  Autor  des  11.  Jahrhunderts  sagt  jedoch  ausdrücklich« 
dass  dies  die  Kunst  der  Alten  gewesen  sei,  und  betrachtet  den  kunstvollen  Schliff 


(809) 

als  einen  Beweis  für  hohes  Alter.  Es  geht  aus  dieser  Stelle  deutlich  genug 
hervor,  dass  das  Geheimniss  des  Convex-Schleifens  im  11.  Jahrhundert  verloren 
gegangen  war*);  ob  es  aber  seitdem  nicht  wieder  entdeckt  worden  ist,  kann  ich 
der  jetzt  vorliegenden  Literatur  nicht  entnehmen.  Da  Ihr  Spiegel  (Fig.  57)  zu  den 
kleineren  gehört,  so  wäre  es  immerhin  interessant  die  Form  der  Fläche  fest- 
zustellen. 

Dass  sich  chinesische  Geräthe  unter  Ihren  Grabfunden  befinden,  ist  —  wie 
schon  angedeutet  —  nicht  zu  verwundem.  Die  Alanen,  die  zum  Theil  den  Nord- 
abhang des  Kaukasus  bewohnten,  waren  frühzeitig  mit  den  Chinesen  bekannt  ge- 
worden Sie  werden  zuerst  in  den  Annalen  der  älteren  Han-Dynastie,  Han-shu 
(20G  vor  Chr.  bis  9  nach  Chr.)  erwähnt  und  beschrieben,  und  zwar  als  im  Nord- 
osten von  K*ang-chü  (Sogdiana)  wohnend,  eine  Armee  von  100  000  Bogenschützen 
besitzend,  im  Uebrigen  den  Sogdianern  gleichend.  Das  an  dieser  Stelle  An- 
ts'ai  genannte  Volk  wohnt  an  den  Ufern  des  ta-tse,  d.  h.  ^grossen  See's**.  Es  ist 
zweifelhaft,  ob  damit  der  Aral-See  oder  das  Raspische  Meer  gemeint  ist;  da  es 
im  Texte  heisst:  „der  grosse  See  hat  keine  Ufer  (oder  Grenzen)  und  bedeckt  das 
nördliche  Meer**,  so  dürfte  an  das  letztere  zu  denken  sein.  Ich  habe  (China  and 
the  Roman  Orient,  p.  139,  Anm.)  das  chinesische  An-ts*ai,  auf  linguistische 
Analogien  gestützt,  mit  den  Aorsi  des  Strabo  in  Zusammenhang  gebracht^).  In 
den  Annalen  der  späteren  Han-Dynastie  (Hou-han-shu),  die  sich  auf  die  ersten 
Jahrhunderte  nach  Chr.  beziehen,  findet  sich  folgender  Passus:  „Das  Land 
An-ts*ai,  nach  verändertem  Namen  A-lan-na,  ist  ein  bewohntes  Land  mit  Städten, 
zu  K*ang-chü  (Sogdiana)  gehörig,  mit  warmem  Klima,  vielen  Cheng- (Ligustrum?) 
und  Sung-  (Pinus)  Bäumen  und  Pai-ts*ao  (Weidegrab?  Steppen?)."* 

Auf  die  Mitte  des  3.  Jahrhunderts  bezieht  sich  eine  Ste'le,  die  sich  im  Com- 
mentar  der  Annalen  des  Staates  Wei,  eines  der  „drei  Staaten**,  in  die  zu  jener 
Zeit  China  getheilt  wurde,  beziehen:  „Das  Land  An-ts'ai,  auch  A-lan  genannt, 
gleicht  K*ang-chü  (Sogdiana),  was  Sitten  und  Gebräuche  anbelangt;  es  grenzt  im 
Westen  an  Ta-ts'in  (die  römischen  Ostprovinzen),  im  Osten  und  Süden  an  K*ang- 
chü.  Das  Land  besitzt  viel  namhafte  Zobel;  seine  Heerden  werden  auf  die  Weide 
getrieben  (d.  h.  es  wird  von  Nomaden  bewohnt);  es  liegt  an  den  Ufern  des 
„Grossen  See's  (ta-tse),  weshalb  es  früher  zu  K'ang-chü  gehörte;  jetzt  gehört  es 
nicht  mehr  dazu')**.  — 

Der  Vorsitzende  spricht  seine  grosse  Freude  über  die  in  hohem  Maasse 
wichtige  Mittheilung  aus  und  erinnert  daran,  dass  über  dieselben  Spiegel  Hr. 
Karl  Schumacher  (Zeitschr.  f.  Ethnologie  1891  S.  81)  eine  Abhandlung  publicirt 
hat,  in  welcher  er  aus  ganz  anderen  Gründen  in  Ehiropa  gefundene  und  der  Tene- 
Cultur  angehörige  Geräthe  vom  Schwarzen- Meere  herleitet.  Es  wird  jetzt  eine 
Aufgabe  der  weiteren  Forschung  sein  müssen,  zu  ermitteln,  ob  hier  in  der  That 
eine  Anknüpfung  an  altchinesische  Einflüsse  angenommen  werden  darf.  — 

In  seinem  Briefe  vom  10.  September  schreibt  Hr.  Hirth  über  seine  persön- 
lichen Verhältnisse: 


1)  Vgl.  meine  „Chines.  Studien«,  Bd.  I,  8.  273. 

2)  V.  Gutschmid,   Geschichte  Irans,  S.  69,    ist  unabhängig,  wenn  auch  drei  Jahre 
nach  mir,  vom  römisch-griechischen  Standpunkte  zu  demselben  Resultate,  gekonunen. 

8)  üeber  die  Alanen  im  Mittelalter  und  ihre  intimen  Beziehungen  zu  China,  s.  Jule, 
Cathay  and  the  way  thither  (passim,  s.  Index). 


(810) 

^Ich  arbeite  täglich  an  meiner  Uebersetzong  und  Erklärung  des  Chao  Ja«kaa, 
eines  Schriftstellers,  der,  obgleich  bisher  völlig  unbekannt»  über  die  Handelsver- 
hältnisse  seiner  Zeit  (etwa  1210  nach  Chr.)  ungemein  viel  mehr  Licht  verbreitet, 
als  z.  B.  Marco  Polo.  Leider  bin  ich  hier  auf  die  wenigen  Bücher  angewiesen, 
die  man  bei  solchem  Wanderleben,  wie  das  meinige  ist,  mit  sich  führen  kann, 
und  in  Tamsui  lebt  keine  Seele,  mit  der  ein  Gedankenaustausch  über  diesen 
Gegenstand  möglich  wäre.  Im  Uebrigen  befinde  ich  mich  wohl.  Vom  Fieber  bin 
ich  seit  letztem  October  verschont  geblieben.  Ich  habe  seitdem  mancherlei  zur 
Verbesserung  des  Gesundheitszustandes  hier  gethan.  Das  Schlafen  in  einstöckigen 
Häusern  schien  mir  ein  Hauptgrund  der  vielen  Fieberanfalle  unter  unseren  Be- 
amten zu  sein;  ich  habe  daher,  da  das  Erbauen  einer  Anzahl  hoher  Häuser  zu  viel 
Capital  verschlingen  würde,  hinter  jeder  Wohnung  einen  auf  13  Fus&  hohen  Pfeilern 
stehenden  Schlairaum  bauen  lassen,  der  von  allen  Seiten  dem  Luftzüge  aus- 
gesetzt ist  und  von  unten  nicht  den  geringsten  Zusammenhang  mit  dem  Erdboden 
hat,  somit  die  beste  Schlafstelle  bietet,  die  man  sich  in  einer  mit  Malaria  be- 
hafteten Gegend  wünschen  kann.  Sodann  habe  ich  den  Gouverneur  veranlasst, 
mir  ein  fünf  Acker  grosses  Reisfeld  zu  überlassen,  das  mit  seinem  stagnirenden 
Gewässer  und  der  scheusslichen  chinesischen  Düngermethode  unserem  Frieden 
sehi'  im  Wege  war.  Dies  und  eine  Anzahl  anderer  hygieinischer  Verbesserungen 
scheinen  schon  in  diesem  Sommer  eine  günstige  Wirkung  ausgeübt  zu  haben. 
Doch  weiss  man  in  solchen  Fällen  nie,  wie  viel  man  dem  Himmel  schuldig  ist 
Immerhin  aber  glaube  ich,  dass  selbst  in  den  ungesundesten  Ländern  sehr  viel 
von  der  Beschaffenheit  der  allernächsten  Umgebung  abhängt  Viel  werth  ist  es 
auch,  dass  wir  in  diesem  Sommer  Eis  hatten  und  ein  russischer  Schlächter  uns 
ab  und  zu  ein  Rindvieh  schlachtete.  Mancher  wird  hier  krank,  weil  er  die  Lust 
am  Essen  verliert.  Vier  Monate  jeden  Tag  ein  gewöhnliches  Haushuhn,  nicht 
einmal  perdrix,  ist  geradezu  Gift,  und  ein  gelegentliches  Beefsteak  Medicin."^ 

„Die  Wilden  von  Formosa  sind  ein  liebenswürdiges  Naturvolk,  nur  den 
Chinesen,  ihren  Verfolgern,  gram,  durchaus  nicht  tms  Europäern.  •  Viel  zäher,  als 
andere  wilde  Stämme,  müssen  sie  schon  sein;  sonst  hätten  sie  den  Kampf  mit  den 
chinesischen  Culturelementen  nicht  mehrere  Jahrhunderte  aushalten  können.  Sie 
halten  zähe  an  ihren  hergebrachten  Sitten  fest  Während  in  der  Nähe  von  Tamsui, 
wie  an  der  ganzen  Westküste  der  Insel  bis  auf  20  bis  30  Meilen  in's  Innere,  das 
Leben  der  Bevölkenmg  sich  kaum  von  dem  der  Chinesen  des  Continents  unter- 
scheidet, lebt  der  Wilde  wenige  Meilen  hinter  der  Verkehrsgrenze  noch  genau, 
wie  er  vor  200  Jahren  lebte;  ja  fast  noch  weniger  von  der  Cultur  ergriffen,  als 
damals,  da  ich  aus  alten  Schilderungen  schliesse,  dass  die  Ureinwohner  sich  im 
Anfange  des  17.  Jahrhunderts  von  den  Holländern,  die  damals  in  Formosa  ansässig 
waren,  mehr  beeinflussen  Hessen,  als  jetzt  von  den  Chinesen.  Freilich  wirkte  dort 
Uebcrredung,  hier  Gewalt*'  — 

(7)  Der  Druck  der  Sitzungsberichte  hat  durch  den  Setzer-Strike  eine 
vollständige,  höchst  unliebsame  Unterbrechung  erlitten. 

(8)  Hr.  W.  Joe  st  wird  sich  während  des  Winters  nach  Aegypten  begeben 
und  gedenkt  bis  zu  den  zweiten  Katarakten  vorzudringen. 

(9)  Hr.  W.  ßelck  ist  nach  einer  Miitheilung  an  den  Vorsitzenden  ans  Kars, 
7.  Novbr.,  glücklich  aus  der  Türkei,  von  den  Umgebungen  des  Wan-Sees,  larOck* 


1 


(811) 

gekehrt,   wo   er   15 — 20  neue  Keilinschriften   aufgefunden   hat.     Er  hoffe  gegen 
Weihnachten  in  Berlin  einzutrefTen. 

(10)  Das  correspondirende  Mitglied,  Hr.  v.  Ihering  berichtet  in  einem  Briefe 
an  den  Vorsitzenden  aus  Rio  Grande  do  Sul  vom  13.  October  über  seine 
amerikanistischen  Studien,  die  sich  neuerlich  auch  über  die  Nachbargebiete, 
namentlich  nach  La  Plata,  erstreckt  haben.  Er  hält  es  für  möglich,  dass  die 
grossen  Ruinenstädte  im  Nordwesten  von  Argentinien  nicht  von  Galchaquis  stammen, 
sondern  von  einem  ihnen  vorausgehenden  Culturelement.  Was  den  prähistorischen 
Menschen  der  Fampas  betrifft,  so  bemerkt  Hr.  y.  Ihering,  dass  die  Pampas  nicht, 
wie  man  bisher  angenommen  hat,  pleisthocän  sind,  sondern  als  pliocän  betrachtet 
werden  müssen,  da  in  Nordamerica  zahlreiche  Säugethiere  der  Pampasformation 
in  unzweifelhaft  pliocänen  und  von  oberpliocänem  marinem  Sande  überlagerten 
Schichten  nachgewiesen  sind.  Nirgends  aber  seien  so  zahlreiche  Spuren  des  plio- 
cänen Menschen  aufgefunden,  als  in  Argentinien.  Die  Annahme  des  Hm.  A  m  eg h  i  n  o , 
dass  solche  Spuren   (Heerdreste)   auch  miocän  vorkämen,  hält  er  für  zweifelhaft. 

Schliesslich  schreibt  er  Folgendes  über 

•  

präcolumbisches  Tabakrauchen  und  Caximbos. 

^Die  schwierigste  Frage  für  Rio  Grande  sind  die  Pfeifenköpfe.  Wurde  schon 
präcolumbisch  geraucht?  und  was?  Ein  Indianerwort  für  Tabak  haben  die  Tupi- 
Guarani-Sprachen  (pytym),  auch  für  Schnupftabak,  aber  vergebens  suche  ich  nach 
einem  solchen  für  Pfeifenkopf,  denn  caximbo,  das  übliche  Wort,  ist  portugiesisch. 
Auch  Philippi  wunderte  sich,  in  Chile  bei  den  Araucanern  für  Pfeifenkopf  nur 
das  Wort  caximbo  anzutreffen.  Wenn  ich  einmal  etwas  rascher  mit  einer  gewagten 
Hypothese  bei  der  Hand  sein  dürfte,  als  es  sonst  meiner  Neigung  entspricht,  so 
möchte  ich  sagen:  Tabak  ist  in  Südamerika  präcolumbisch  nicht  geraucht  worden, 
wenigstens  nicht  im  Süden.  Erst  die  Portugiesen  und  Spanier  verbreiteten  von 
Nordamerica  u.  s.  w.  her  die  Sitte  und  damit  auch  das  Wort  Wo  ist  der  Ursprung 
des  Wortes  caximbo?  Dann  wären  die  Pfeifenköpfe  als  postcol umbische  Leit- 
fossile enorm  wichtig.  Es  ist  mir  in  der  That  nicht  eine  einzige  Notiz  bekannt, 
dass  in  alten  Sambaquys  ein  Caximbo  gefunden  wäre.  Könnten  Sie  nicht  Jemand 
veranlassen  zu  einem  Vortrag  über  Alter  und  Verbreitung  des  Tabakgenusses  und 
des  Rauchens  mit  Abbildung  der  ältesten  Formen  von  Caximbos  der  Portugiesen 
und  Spanier,  um  der  Urform  des  Caximbo  und  seiner  Herkunft  auf  die  Spur  zu 
kommen?  Eine  solche  Arbeit  würde  uns  hier  in  Südamerica  eher  in  die  Lage 
bringen,  unsere  Kenntnisse  und  Studien  nutzbringend  zu  gestalten."^  — 

Hr.  Bartels  theilt  mit,  dass  Heinrich  Ploss  in  Leipzig  eine  umfassende 
ethnographische  Monographie  über  den  Tabak  vorbereitet  habe,  dass  er  aber  vor 
der  Herausgabe  von  dem  Tode  ereilt  sei.  Dieses  wichtige  Material,  welches 
sich  in  der  Verwahrung  des  Verlagsbuchhändlers  Hm.  C.  Fern  au  in  Leipzig  be- 
findet, harrt  noch  eines  Bearbeiters  und  der  Herausgabe.  — 

(11)  Bald  nach  der  brasilianischen  Revolution  und  nach  dem  Tode  des  Hm. 
V.  Kose  ritz  ist  die  von  ihm  gegründete  „Deutsche  Zeitung  für  Rio  Grande  do  SuP, 
wie  eine  Nummer  derselben  vom  16.  September  aus  Porto  Alegre  meldet,  in  die 
Redaktion  des  Hrn.  Karl  Bolle  übergegangen.  Derselbe  verspricht,  in  gleichem 
Sinne,  wie  der  Verstorbene,  für  die  Interessen  des  Deutschthums  in  Brasilien  zu 
kämpfen. 


(812) 


(12)  Zufolge  einer  dem  Vorsitzenden  eingesendeten  Postkarte  lebt  za  Agua 
manza,  3800'  hoch  im  Thale  von  Orotava  auf  Tenerife,  eine  weibliche  Hikro- 
cephale.  Der  Schreiber,  Hr.  Joh.  Habel  aus  Berlin,  berichtet  darüber,  sie  sei 
nachweislich  32  Jahre  alt,  gesund,  doch  zum  Gehen  nicht  fähig.  Kopfigfrösse,  wie 
die  eines  neugeborenen  Kindes.  Hinterkopf  fehlt.  Sie  ass  mit  Hast  die  ihr  ge- 
gebenen Biscuits.  Ehedem  warf  sie  das  Essen  über  die  Schulter  und  musste  ge- 
füttert werden.  Gesammthabitus,  wie  der  des  Mikrocephalen,  den  er  1875  in  Berlin 
sah.  Die  Mutter  stürzte  im  zweiten  Monat  der  Schwangerschaft  in  einen  Barranco, 
erholte  sich  aber  von  ihrem  Schreck.    Eltern  normal,  desgl.  die  Geschwister. 

(13)  Zu  Bremen  wird  ein  neues  Handelsmuseum  mit  grossen  Privatmitteln 
gegründet.  Gleichzeitig  gedenkt  der  Senat  für  die  naturwissenschaftlichen  und 
ethnographischen  Sammlungen  des  Staates  ein  Museum  zu  bauen  und  dieses  mit 
dem  Handelsmuseum  zu  einem  grossartigen  Doppelmuseum  zu  verbinden. 

(14)  Hr.  F.  A.  Brockhaus  in  Leipzig  übersendet  mit  Schreiben  vom  19.  Nor. 
im  Auftrage  der  Frau  Schliemann  die  in  seinem  Verlage  erschienene  Biographie 
von  Heinrich  Schliemann.  Dieselbe  enthält  die  von  dem  Verstorbenen  selbst 
geschriebene  und  zuerst  in  seinem  Ilios  veröffentlichte  Selbstbiographie,  sowie  einen 
bis  zu  seinem  Tode  fortgeführten  Nachtrag  von  Dr.  Brückner,  der  ihm  in  der 
letzten  Zeit  näher  getreten  und  auch  noch  bei  den  Ausgrabungen  auf  Hissarlik 
anwesend  war.  Das  an  sich  so  interessante  Lebensbild  des  merkwürdigen  Mannes 
stellt  sich  so  als  ein  geschlossenes  Ganzes  dar.  — 

(15)  Dr.  Henry  Apple  ton  von  London  berichtet  in  folgendem  Briefe  an  den 
Vorsitzenden  aus  Constantinopel  vom  3.  November  über  eine 


archaische 


Topfscherbe  ans  der  zweiten  trojanischen  Stadt. 

„I  have  been  requested  byMr. 
Calvert  of  Ghanak  Ralessi  near 
to  Troy,  to  communicate  to  you  the 
discovery  of  a  piece  of  pottery 
found  on  the  site  of  Troy,  haring 
a  drawing  upon  it  of  a  warrior 
slaying  a  lion.  The  pottery  ia 
band  polished,  and  presumably 
from  the  first  and  most  ancient 
city,  it  is  apparently  part  of  a  plate, 
for  at  the  back  of  my  dtetch 
you  will  See  the  flat  circular 
base  upon  its  under  surface :  the 
drawing  being  on  the  inside  of 
the  plate. 

„The  specimen  was  unearthed 
by  myself  and  was  covered  wtth 
bumt  ash,  buried  in  seil  which 
had  not  been  disturbed  dnring 
the  excavations.  I  did  not  dis- 
cover  any  other  portiont  of  (he 
plate,  partly  because  I  did  not 
make  a  vigorous  search,  as  the 


(813) 

black  ash  obscur^d  tbe  marks,  and  I  did  not  make  out  the  wholc  drawing. 
It  is  extremely  difficult  to  determine  the  exact  spot  where  the  pottery  was  found 
buried.  I  am  inclined  to  think  from  my  own  observations  at  the  time,  and  from 
reference  to  Dr.  Schliemann's  plan  of  the  city  since,  that  the  place  was  within 
the  walls  of  the  city  and  not  far  from  Priams  palace. 

„The  drawing  I  bave  enclosed  is  an  exact  copy  of  the  original,  with  the 
exception  of  the  lions  paws  which  are  rather  too  small. 

„Yoa  are  at  liberty  to  make  any  use  you  like  of  this  communication,  and  I 
shoold  like  to  hear  yoar  opinion  of  this  very  ancient  work  of  ari  I  may  mention 
that  Mr.  Galvert  was  mach  interested  in  the  specimen,  and  considered  that 
Dr.  Schliemann  with  all  his  excavations  failed  to  discover  anything  approaching 
to  the  workmanship  of  this  drawing.^  — 

Hr.  Yirchow:  Der  Fmid  des  Dr.  Appleton  ist  höchst  merkwürdig  und  ich 
bin  ihm  sehr  dankbar  für  seine  Mittheilung.  In  der  That  ist  meines  Wissens  an 
keiner  Stelle  in  Hissarlik  ein  ähnliches  Sttick  gefunden  worden.  Die  Zeichnung 
hat  in  hohem  Maasse  den  Charakter  einer  archaischen  Darstellung  und  zwar  einer 
in  orientalischer  Auffassung  durchgeführten  ^).  Unter  den  bisher  bekannten  trojani- 
schen Stücken  von  bemalten  Thongefussen  sind  eigentlich  nur  diejenigen  heran- 
zuziehen, welche  Schliemann  bei  seiner  letzten  Ausgrabung  auf  Hissarlik  zu 
Tage  förderte  und  geradezu  als  mykenische  bezeichnete  (Bericht  über  die  Aus- 
grabungen in  Troja  im  Jahre  1890.  Leipzig  1891.  S.  18,  Taf.  I  u.  H;.  Allein 
diese  Topfscherben  fanden  sich  in  der  4.  Culturschicht,  von  oben  her  gerechnet 
(Verhandl.  1890,  S.  350  u.  468),  und  darunter  rechnete  er  noch  3  prähistorische 
Schichten,  ehe  man  zu  der  „gebrannten^  oder  zweiten  Stadt,  der  eigentlichen  Ilios, 
kam.  Die  Annahme  des  Dr.  Appleton,  dass  das  Stück  aus  der  ersten  und  ältesten 
Stadt  herstamme,  würde  damit  ganz  unvereinbar  sein.  Auch  ist  aus  dieser  Stadt 
nicht  ein  einziges  Stück  bekannt,  welches  auch  nur  entfernt  mit  dem  vorliegenden 
zu  vei^leichen  wäre.  Es  ist  daher  ein  Irrthum  wohl  um  so  mehr  anzunehmen, 
als  Mr.  Appleton  selbst  in  Verlegenheit  war,  die  Lage  des  Platzes,  wo  er  das 
Stück  fand,  genau  zu  bestimmen.  Wenn  er  geneigt  ist,  den  Platz  innerhalb  der 
Mauer  der  Stadt  und  nicht  weit  von  dem  Palast  des  Phamos  zu  suchen,  so  darf 
man  wohl  vermuthen,  dass  er  die  gebrannte  Stadt  als  die  älteste  genommen  hat. 
Aber  auch  hier  sind  derartige  Stücke  bisher  nicht  zu  Tage  gekommen.  In  Mykenae 
giebt  es  freilich  auch  nicht  viel  direkt  Vergleichbares.  Ein  einziges  Bruchstück 
eines  grösseren  Gefasses  (Mycenes.  Paris  1879,  p.  211,  Fig.  213)  zeigt  eine  Reihe 
von  Kriegern,  welche  dem  Style  nach  vielleicht  in  Betracht  kommen  können,  aber 
sie  sind  im  vollen  Waffenschmuck  dargestellt  und  die  Helme,  die  sie  tragen,  bieten 
nicht  die  mindeste  Aehnlichkeit  mit  der  einfachen  Kappe  des  Mannes  dar,  welcher 
den  Löwen  angreift.  Höchstens  Hesse  sich  das  einfache,  eng  anliegende  und  ganz 
kurze  Gewand  mit  der  Bekleidung  der  mykenischen  Krieger  in  Parallele  stellen. 
Den  trojanischen  Mann  einen  Krieger  zu  nennen,  würde  an  sich  sehr  gewagt  sein; 
wenn  man  ihn  als  Herakles  auffassen  wollte,  so  Hesse  sich  daftir  Manches 
sagen.  Indess  Alles  das  geht  weit  hinaus  über  das,  was  die  zweite  Stadt  an 
Malerei  aufzuweisen  hat,  und  jeder  Versuch,  das  fragHche  Stück  hier  einzureihen, 
scheint  mir  hoffnungslos  zu  sein.  So  möchte  ich  mich  allerdings  dem  Gedanken 
zuwenden,  dass  das  Stück  einer  weit  höheren,  also  jüngeren  Schicht  angehörte,  und 
wenn  ich  auch  nicht  daran  zweifeln  will,  dass  Mr.  Appleton  es  aus  einer  noch 

l)  Vgl.  Menant  Rech,  sur  la  glyptique  Orientale  I.  p.  67,  86.  U.  p.  76,  PI.  IX.  fig.  3  et  9. 


(814) 

ungerührten  Schicht  hervot^zogen  hat,  so  erscheint  es  doch  nicht  ausgeschiosseo, 
dass  diese  Schicht  bei  ihrer  Bildung  durch  das  Herabgleiten  oder  durch  das  Weg- 
räumen einer  höheren  Schicht  entstanden  ist.  Aber  auch  so  bildet  es  einen  sehr 
werthvollen  Zuwachs  der  trojanischen  Alterthümer,  der  bei  einer  kritischen  Sonde- 
rung der  einzelnen  Funde  stets  ein  besonderes  Interesse  darbieten  wird.  — 

(16)  Hr.  J.  Szombathy  übersendet  in  einem  Briefe  an  den  Vorsitzenden  aus 
Wien,  16.  November,  folgende  Mittheilung  über 

Bronzeringe  mit  Knöpfen  und  Thierköpfen  aus  Böhmen  und  Ung^am. 

^Sie  waren  so  freundlich,  mir  in  diesem  Sommer  gelegentlich  meines  Besuches 
die  Abbildungen  des  eigenthümlichen  Ringes  zu  zeigen,  welche  Hr.  v.  Pellen- 
berg Ihnen  eingesendet  hatte.  Erlauben  Sie  mir,  dass  ich  im  Anschlüsse  an  die 
in  der  Junisitzung  der  Anthropologischen  Gesellschaft  von  Ihnen  namhaft  ge- 
machten Beispiele  noch  jene  Stücke  ähnlichen  Charakters  anführe,  welche  sich 
im  K.  K.  Hof-Museum  in  Wien  befinden. 

Unter  den  La  Tene-Funden  vom  Hradischte  bei  Stradonitz  in  Böhmen, 
von  welchen  wir  eine  der  ansehnlichsten  Sammlungen  besitzen,  befinden  sich  drei 
einschlägige  Ringe,  deren  naturgrosse  Abbildungen  ich  mir  beizulegen  erlaube. 

Der  erste  (Nr.  5011,  Fig.  1)  ist  ganz  fein  gekerbt  und  trägt  nur  auf  seiner 
äusseren  Peripherie  Ansätze:  3  einfache  Wärzchen  und  3  Stierköpfe,  deren  Hora- 
enden  mit  je  3  Rnöpfchen  verziert  sind.  Die  Stierköpfchen  sind  nicht  so  deutlich 
ausgebildet,  wie  an  dem  Ringe  vom  Zihlkanal  oder  an  jenen  im  Wiesbadener 
und  Mainzer  Museum,  sondern  nur  stumpf  kegelförmig,  ohne  Andeutung  der  Augen. 

Auf  Widderköpfe  zurückgehend,  aber  sehr  schleuderisch  geformt  sind  die 
Ansätze,  welche  an  dem  Bruchstücke  des  zweiten  Ringes  (Fig.  2,  Nr.  5013)  auf- 
sitzen. Die  in  drei  Reihen  zwischen  den  grösseren  Ansätzen  angebrachten  Warzen 
sind  nicht  regelmässig  ausgeführt,  so  dass  sie  an  zwei  Stellen  den  stielnmden 
Ring  ganz  frei  lassen.    Uebrigens  ist  das  Stück  stark  gequetscht  worden. 

Der  dritte  Ring  (Fig.  3)  ist  blos  mit  drei  dichten  Reihen  von  Warzen  besetei 
Er  ist  nicht  ausgearbeitet  und  zeigt  an  seinem  Innenrande  noch  einen  grösseren 
und  drei  unscheinbar  kleine  gusszapfenähnliche  Ansätze. 

Auch  ein  viertes  Stück  möchte  ich  nicht  unterdrücken,  das  Bruchstück  eine« 
ganz  roh  und  blos  halbseitig  gegossenen  Ringes  mit  zwei  Ansätzen,  deren  einer 
entfernt  an  ein  Vogelfigürchen  gemahnt  (Fig.  4). 

Da  auf  dem  Stradonitzer  Hradischte  im  G^egensatze  zu  den  meisten  anderen 
Burgbergen  Böhmens  kaum  nennenswerthe  Spuren  einer  Besiedelung  vor  der 
Mittel-La  Tene-Stufe,  hingegen  eine  so  grosse  Fülle  von  Funden  aus  der  La  Tfene-  und 
der  römischen  Zeit  zu  Tage  gefördert  worden  sind,  so  ist  die  Zutiieilung  dieser 
Ringe  zur  La  Tene-Periode  kaum  in  Zweifel  zu  ziehen. 

Einen  fünften  Ring,  (Fig.  5),  mit  8  Gruppen  von  je  drei  Warzen,  haben  wir 
kürzlich  mit  einer  Sammlung  aus  dem  Trentschiner  Comitat  in  Oberungam,  in 
welcher  sich  auch  mehrere  Mittel-  und  Spät-La  Tene-Fibeln  befanden,  erworben. 

In  Bezug  auf  den  von  Ihnen  festgehaltenen  Gedanken,  dass  es  sich  um  süd- 
liche Importe  handelt,  welche  vorzugsweise  der  Hallstattzeit  angehören,  will  ich 
constatiren,  dass  Ringe  von  2  bis  b  cm  Durchmesser,  mit  3  bis  10  Warzen  in 
einer  Reihe  am  Umfange,  in  den  Gräbern  von  Hallstatt,  Watsch,  St  Maigaretben, 
St.  Lucia  u.  s.  w.,  vorkommen,  häufig  mit  einer  schmalen  Bronzeblechschleife  am 
Ende  eines  Riemens  befestigt,  zum  Einhaken  des  am  anderen  Riemenende  befest^ien 
Gürtelhakens.    Von  Hallstatt^  und  von  Frozor  in  Kroatien  besitzt  unsere  Sammlung 

1)  V.  Sacken,  Grabfold  von  HaUstatt,  Taf.  XVIII,  20. 


(815) 

Stich  flach  gcf^wenc  Kinge,  welche  durch  die  besondere  Verlängerung;  der  Warzen 
ein  Btera ähnliches  Ansehen  gewannen.  Endlich  besitzen  wir  von  Halistatt  und 
Ton  Watsch  solche  Ringe  mit  gröaserem  Durchmeaser,  an  welchen  statt  der 
Wareon  kleine  Oehro  zum  Einfädeln  tou  Keltchen,  Bändchen  oder  dgl.  ange- 
bracht sind.  Aber  immer  beschränken  sich  diese  Zuthaten  anf  die  eine  peri- 
pherische Reihe.  Die  Ringe,  welche  Sie  (Verhandl.  1691,  8-  491,  Fig.  4  und 
Pig.  6)  abbilden,  bin  ich  geneigt,  der  Hallstattperiode  zuzuzählen,  wenigstens 
den  kleineren,  Fig.  4. 


Figur  1. 


Figur  2. 


Was  die  Ansätze  von  Thierköpren  und  dgl.  am  Ringe  anbelangt,  so  darf  ich 
in  Ihrem  Sinne  woh)  anf  Hallstätter  Vorkommnisse  weisen,  nehmlich  auT  jene 
Zierringe,  an  welche  heraldisch  gepaarte  Köpfe  entweder  fcstgegossen  oder  be- 
weglich aufgesetzt  siod.  Erstere  Art  (Sacken,  Taf.  XII,  11)  ist  durch  4,  letztere 
(Sacken,  XII,  13)  durch  2  sehr  gut  erhaltene  StUcke  rcrtreten,  von  den  durch 
Feuersmacht   unkenntlich   gemachten   zu  schweigen.     Aber   auch   diese   Zuthaten 


(816) 

sind  nur  in  der  Ebene  des  Ringes  angebracht,  niemals  seitlich,  ausserhalb  der- 
selben; meines  Wissens  auch  nicht  mehr  als  ein  Paar. 

Es  ist  kein  Zweifel,  dass  die  Apsätze  von  Stierkopf-,  Widderkopf-  und  Vogel- 
Figürchen  an  den  von  Ihnen  aufgezeigten  Ringen  ihre  Vorläufer  unter  den  be- 
kaimten  Fundstttcken  der  Hallstattperiode  haben,  sowie  die  meisten  Typen  der 
La  Tene-Arm-  und  Halsringe  ihren  wirklichen  Ursprung  in  Typen  der  HaUstatt- 
periode  zu  haben  scheinen.  Für  diesen  Aufputz  mit  ThierfigiLrchen,  und  besonders 
mit  den  heraldisch  gepaarten,  liegt  jedoch  der  Ursprung  nicht  in  der  Hallstatt- 
cultur,  sondern  sicher  in  den  yielberufenen,  orientalischen  Einflüssen,  deren  Weg 
nicht  immer  klar  vor  uns  liegt.  Zunächst  pflegt  ja  unsere  Hand  da  auf  den 
etruskischen  Einfluss  zu  greifen,  nicht  immer  mit  vollem  Recht,  aber  doch  meist 
mit  dem  Erfolge  guter  Belehrung. 

Wenn  wir  nun  auch  aus  italienischen  und  ausseritalischen  Funden,  welche  im 
Allgemeinen  der  Hallstatt-Zeit  zuzurechnen  sind,  eine  ganze  Schaar  von  Anklängen 
an  den  Ring  aus  dem  Zihlkanal  und  seine  nächsten  Verwandten  anführen  können, 
so  stimmt  doch  bei  keinem  einzigen  dieser  älteren  Beispiele  die  Totalität  und  — 
wenn  man  so  sagen  darf  —  die  Art,  wie  das  Ornament  auf  dem  Ringe  aufsitzt, 
genügend  mit  den  Hauptstücken  überein. 

Wie  sehr  man  bei  diesen  Vergleichungen,  welche  sich  auf  den  Nachbar- 
gebieten des  „Hallstattien"  bewegen,  auf  die  Einzelheit  achten  und  sich  vor  einer 
Verallgemeinerung  derselben  hüten  muss,  lässt  sich  sehr  hübsch  an  der  (VerhandL 
S.  493)  milgetheilten  Bemerkung  Tischlers,  „derartige  Kugeln,  welche  an  den 
Enden  der  Hörner  des  Porter  Ringes  sitzen,  seien  nur  von  Tene-Funden  bekannt*', 
zeigen.  Diese  Bemerkung  darf  —  wenn  wir  ihr  speciell  in  Bezug  auf  Ruh- 
hörner  achtungsvoll  zustimmen  —  nicht  auf  Hörner  oder  Hörnchen  überhaupt  aus- 
gedehnt werden,  denn  an  verschiedenen  Hallstättischen  Fundgegenständen  aus  den 
Ostalpcn  und  aus  Italien  sind  bekanntlich  Hörnchen  mit  Endknöpfen  (besonders 
zu  1,  2  und  3  Paaren  an  den  Schlangenfibeln)  sehr  häufig. 

Fasse  ich  das  Totalbild  des  Porter  Ringes  ins  Auge,  so  muss  ich  wohl  aach 
sagen,  dass  mir  die  vorliegende  Anwendung  von  Warzen  und  Thiermotiven  zur 
Schmückung  eines  stielrunden  Ringes  aus  früheren  Perioden  nicht  bekannt  ist  und 
mir  nur  in  die  La  Tene-Periode  zu  passen  scheint 

Ich  meine,  dass  bei  den  fraglichen  Ringen  die  thierförmigen  Ansätze  nur  die 
letzte  Ausbildung  in  einer  Reihe  von  Verzierungsmotiven  darstellen,  welche  etwa 
mit  einigen  Ringen  aus  dem  Museum  von  Wiesbaden  (Lindenschmit,  Alterth. 
uns.  heidn.  Vorzeit,  Bd.  I,  IX,  I,  2)  und  von  Waldalgesheim  (Lindenschmit, 
III,  I,  I,  2)  beginnt  und  sich  durch  die  Ringe  vom  Hradischte  bei  Stradonitx 
(unsere  Fig.  3),  von  Trentschin  (unsere  Fig.  5),  von  Göttersdorf  (Museum 
Landshut,  Lindenschmit  II,  V,  I,  2  und  3),  von  Ilvesheim  (Lindenschmit 
Sohn,  Das  röm.  germ.  Central-Mus.,  XXXI,  12)  fortsetzt  Dieses  letztere  Stück 
hat  mit  seinen  3-  bis  5-theiligcn  Warzen  (oder  3-  bis  5-knöpßgen  kurzen  Antennen, 
was  dasselbe  bedeutet)  eigentlich  schon  alles,  was  zur  Thierkopfbildung  gehört 
vorbereitet.  Wo  einmal  die  Phantasie  des  Beschauers  aulgerufen  wird,  Thier- 
köpfchen  zu  ahnen,  wird  die  Hand  des  Erzeugers  leicht  diesen  Schritt  der  Phan- 
tasie mitmachen.  Sehen  wir  doch  auch  andere  Ornamente  des  La  Tene-Styles  sich 
leicht  in  Thierformen  ausbilden.  Selbstverständlich  will  ich  mit  der  flüchtig  in- 
saramengestellten  Formenreihe  keine  zeitliche  Folge  oder  dergleichen  darstelleiu 
sondern  nur  den  wahrscheinlichen  inneren  Zusammenhang  dieser  Formen  andeuten. 

Nicht  ohne  Belang  für  die  Datirung  der  Bronzeringe  ist  wohl  auch  das  Vor* 
kommen  von  Warzen  auf  den  charakteristischen  Otas- Armbändern  der  La  Teoe- 


(817) 

Periode,  von  welchen  ich  einen  aus  Xassenfuss  in  Krain  und  ein  Fragment  vom 
Stradonitzer  Hradischte  (beide  im  K.  K.  Hof-Museum)  und  Bonstetten,  Recueil 
d'antiquites  Suisses,  I.  Supplement,  V.  10,  II.  Suppl.  IX,  4,,  5  zunächst  anführen 
möchte.  — 

(17)   Hr.  B.  Orn stein  berichtet  aus  Athen,  14.  November,  über  einen 

wilden  Menschen  in  TrikkalaO- 

Angesichts  der  unzulänglichen  wissenschaftlichen  Hülfsquellen,  welche  mir 
hierorts  zu  Gebote  stehen,  entzieht  es  sich  meiner  Kenntniss,  ob  viele  Fälle  von 
sogenannten  wilden  Menschen  in  der  anthropologischen  Litteratur  verzeichnet 
sind.  Da  mir  jedoch  während  meines  5(>jährigen  Aufenthalts  in  Griechenland  zum 
ersten  Male  ein  derartiger  Fall  zu  Ohren  kommt,  halte  ich  die  Mittheilung  des- 
selben um  so  mehr  für  geboten,  als  desfalls  angestellte  Erkundigungen  die  Richtig- 
keit der  Thatsache  ausser  Zweifel  stellen.  Die  erste  Nachricht  über  diese  sonder- 
bare Entdeckung  brachte  die  „Ephcmeris"  vom  14/26.  Oktober  d.  J.,  welche 
dieselbe  dem  Localblatte  von  Volo,  „*i  n*7*ö-<tl",  entnommen  hat.  Aus  der 
„Ephemeris",  welche  diese  Zeilen  begleitet,  ging  dieselbe  als  Sensationsobject 
nahezu  in  die  ganze  hauptstädtische  Presse  tlber.  Der  einschlägige  Artikel  der 
genannten  Zeitung  trägt  die  Ueberschrift  „Ein  wilder  Mensch  auf  dem  Pindus^ 
und  der  Inhalt  desselben  ist  in  freier  Uebersetzung  der  folgende: 

„Die  Entdeckung  dieses  halb  menschlichen,  halb  thierischen  Wesens  verdanken 
wir  dem  pensionirten  Oberlientenant  Herrn  Demetriades,  dem  Inspektor  des  dem 
Könige  gehörigen  Waldbezirks  auf  dem  Pindus'-).  Von  einer  Jagd  auf  Rehe  er- 
müdet, richtete  der  genannte  Beamte  seine  Schritte  nach  einer  Schaf htlrde,  um 
seinen  Durst  mit  einem  Glase  Milch  zu  löschen.  Auf  dem  Wege  dahin  hörte  er 
seitwärts  im  Gebüsche  ein  Geräusch,  das  seine  Aufmerksamkeit  erregte.  Als  er 
sich  der  Stelle  näherte,  bemerkte  er  zwischen  den  Sträuchen  ein  ihm  unbekanntes 
Tbier,  welches  sich  eilig  in  gleicher  Richtung  mit  ihm  fortbewegte.  Hr.  Deme- 
triades war  darauf  und  daran,  einen  Schuss  auf  dasselbe  abzugeben,  als  er  durch 
warnende  Zurufe  der  in  der  Nähe  befindlichen  Hirten  davon  abgehalten  wurde. 
Er  folgte  darauf  der  Spur  des  merkwtirdigen,  bald  aufrecht,  bald  vierfüssig  sich 
fortbewegenden  Geschöpfes  und  erreichte  dasselbe  in  der  Hürde,  wo  es  sogleich 
über  ein  mit  Molken  angefülltes  hölzernes  Gefass  herfiel  und  gierig  trank.  Auf 
seine  Nachfrage  berichtete  ihm  der  Oberschäfer  (o^px^ttoijui^v)  Nachstehendes: 

„Es  ist  der  Sohn  eines  aus  Rumänien  stammenden  Wallachen  (Eht^pg)^  der 
sich  seiner  Zeit  in  Kastania  niedergelassen  hatte.  Dieser  begab  sich  in  seine 
Heimat,  um  dort  Arbeit  zu  finden,  mid  verheirathete  sich  daselbst.  Er  blieb  dort 
nur  einige  Jahre  und  kehrte  vor  G — 7  Jahren  mit  4 — 5  Kindern  nach  Kastania 
zurück.  Bald  darauf  starb  er  und  Hess  seine  Frau  mit  den  Kindern  im  Elend 
zurück.     Da   die  Arme   sich   und   die  Kinder  nicht  zu  ernähren   vermochte,   so 


1)  die  alte  thessalische  TqUxh  am  Lethaeos. 

2)  ein  auf  den  Abh&ngen  des  Pindns  zwischen  Art«  und  Trikkala  in  wildromantischer 
Gegend  gelegener  Fichtenwald,  welcher  nach  der  Einverleibung  des  epirotischen  Land- 
striches in  das  Königreich  Griechenland  von  der  Gemeinde  von  Kastania  Sr.  Majestät 
dem  Könige  Georg  zum  Geschenk  gemacht  wurde.  Der  Umkreis  desselben  soll  4  Stunden 
betragen.  Seitdem  hat  dieser  dichte,  uncultivirte,  grösstentheils  aus  hochstämmigen  Roth- 
tannen bestehende  und  von  Wild  aller  Art  bevölkerte  Wald  aufgehört,  dem  Räubergesindel 
in  den  Grenzdistricten  als  schwer  zugänglicher  Schlupfwinkel  zu  dienen. 

Verbandl.  der  B«rl.  AotbropoL  G«MUsrhftft  1S91.  52 


(818) 

bmchte  sie  die  letzteren  bei  mildthätigen  Leuten  unter  und  kehrte  in  ihr  Vaterland 
zurück.  Der  eine  Knabe  entlief  seinem  Pflegevater  und  treibt  sich  seit  4  Jahren 
im  Walde  umher.  Er  ist,  wie  Du  siehst,  nackt.  Im  Sommer  nährt  er  sich  ron 
Molken,  während  er  sich  den  Winter  hindurch  in  Höhlen  aufhält  und  von  Wurzeln 
und  Eicheln  lebt.    Er  spricht  nicht  und  hat  keinen  Namen.^ 

„Da  der  alte  Hirtenpatriarch**,  föhrt  die  „Ephemeris"  fort,  „mit  der  Lage  des 
unglücklichen  Wesens  Mitleid  hatte  und  dasselbe  nicht  zu  Grunde  gehen  lassen 
wollte,  so  nahm  er  dasselbe  an  einer  Leine  mit  sich  ins  Dorf  und  gab  ihm  Klei- 
dung und  menschliche  Nahrung.  Seitdem  hat  er  den  Waldmenschen  nicht  mehr 
von  sich  gelassen  und  man  sieht  ihn  jetzt  in  den  Strassen  von  Trikkala  allerlei 
Arbeiten  für  seinen  Wohlthäter  und  Ernährer  verrichten,  doch  immer  von  einem 
Andern  beaufsichtigt,  da  er  es  noch  nicht  zur  Wortbildung  oder  sprachlichen 
Articulation  gebracht  hat.  Die  Laute  der  dortigen  Thierwelt  sind  ihm  geläufig  und 
er  ahmt  dieselben  ausgezeichnet  nach.  Auch  ist  er  ein  tüchtiger  Reiter.  Sein 
Taufname  ist  unbekannt.    Sein  Beschützer  nennt  ihn  Skiron.  ^ 

Im  Hinblick  auf  die  knappe  und  lückenhafte  Schilderung  der  Persönlichkeit 
dieses  Waldmenschen  bin  ich  geneigt,  diese  Hemmung  der  Sprachentwickelong 
in  Ermangelung  eines  andern  ursächlichen  Moments  auf  die  einschlägigen 
Hypothesen  Caspari's,  Noir^s  und  Jag  er 's  über  diesen  Gegenstand  zurückzu- 
führen. — 

Hr.  Yirchow:  In  einem,  gleichzeitig  übermittelten  Blatt  der  £<(>i}ju€pU,  Athen. 
14.  October  1891,  wird  die  Geschichte  des  *A.ypioLvf^pujnoq  h\  r^;  UifSorj  ausführlich 
geschildert.  Sie  enthält  aber  nichts,  was  Hr.  Cr n stein  nicht  schon  mitgetheilt 
hätte.  Es  kann  also  nur  der  Wunsch  ausgesprochen  werden,  dass  auch  über  die 
weitere  Entwickelung  des  Knaben  Nachrichten  gesammelt  werden  möchten.  — 

(18)  Hr.  Virchow  bespricht  eine  neue  Sammlung 

Spandaaer  Schädel. 

Hr.  Vater  hat  mir  schon  vor  längerer  Zeit  einen  Schädel  übergeben  (Nr.  1), 
der  auf  dem  alten  Kirchhofe  um  die  Nicolai-Kirche  ausgegraben  ist  Neuerlich 
hat  er  eine  Reihe  weiterer  Schädel  (Nr.  2—4)  nebst  mancherlei  anderen  Fond- 
stücken  überbracht,  welche  im  Laufe  des  Sommers  aus  dem  Moorboden,  jedoch 
innerhalb  der  alten  Stadtgrenze,  zu  Tage  gekommen  sind.  Obwohl  sie  zeitlich  wohl 
erheblich  auseinanderliegen,  so  lassen  sie  sich  doch  zusammenfassend  betrachten. 
Die  Messtabelle  gebe  ich  natürlich  getrennt. 

Die  Berichte  des  Hrn.  Vater  lauten  folgendermassen: 

„1.  Der  Schädel  kam  zu  Tage  ungefähr  2  m  tief  in  einer  Grube,  die  am 
Rande  der  Potsdamer  Strasse  etwa  20  Schritte  vor  dem  Hauptportal  der  Nicolai- 
Kirche  für  die  Fundamentirung  des  Joachims-Denkmals  gegraben  wurde.  Et 
scheint,  dass  dort  der  die  ganze  Kirche  einst  umgebende  Begräbnissplatz  war, 
denn  es  wurden  noch  viele  Trümmer  menschlicher  Gebeine  aosgegrabea.  die  nach 
H^ßrstellung  des  Mauerwerks  aber  wieder  in  die  Grube  hineingeschüttet  worden  sind. 
Es  sammelte  sich  immer  ein  grosses  Menschengedränge  um  dieselbe,  von  dem 
auch  hin  und  wieder  Unfug  mit  den  zu  Tage  kommenden  Knochen  getrieben 
wurde.  Die  Polizei  suchte  daher  jeden  näheren  Zutritt  zu  vertiindem  and  es  wmr 
mir  daher  eine  ^rgfältige  Untersuchung   der  Lage  der  Grebeine  onmöglidL      Vun 


(819) 

den  Arbeitern  erfuhr  ich  nur,  dass  irgendwelche  Beilagen  von  Holz,  Metall  oder 
Scherben  nicht  aufge^inden  wurden.    Der  einzige  unverletzt  und  mit  dem  Unter- 
kiefer aufgefundene  Schädel  wurde  mir  auf  meinen  Wunsch  tlberbracht.^ 
^2.  Der  Moorfund  umfasst  folgende  StUcke: 

1.  zwei  ziemlich  vollständige  menschliche  Schädel,  dazu  ein  Unterkiefer; 

2.  einen  defecten  menschlichen  Schädel,  Hinterhauptsbein   und  Unterkiefer; 

3.  einen  ganzen   und   einen   halben   menschlichen  Oberschenkel   und   einen 
Oberarm; 

4.  zwei  Bruchstücke  thierischer  Schädel,  eines  davon  vom  Pferd: 

5.  Bruchstück  einer  Geweihstange  vom  Edelhirsch: 

6.  Homzapfen  und  Schädelstück  vom  Rind: 

7.  eine  Rippe  von  einem  grösseren  Thiere; 

8.  drei  Knochen  vom  Schwan. 

„Alles  gefunden  im  Moorboden,  etwa  3  m  tief  und  vielleicht  100  Fuss  entfernt 
vom  jetzigen  rechten  Ufer  der  Havel,  gegen  20  Schritte  einwärts  von  der  alten, 
jetzt  abgebrochenen  Stadtmauer. 

^Die  Fundstelle  ist  ein  bewohntes  Grundstück  zwischen  Fischerstrasse  und 
Lindenufer.  Meiner  Vermuthung  nach  hat  die  Fischerstrasse  einst,  schon  vor 
Erbauung  der  Mauer,  die  Uferstrasse  gebildet  und  den  Fischern  zur  Ansiedlung  ge- 
dient. 

^Die  Ausgrabung  des  sumpfigen  Bodens  geschah  zur  Fundamentirung  eines 
grossen  Neubaues  und  musste  dazu  eine  grosse  Anzahl  schwarzer,  zum  Theil 
vermoderter,  zum  Theil  noch  ziemlich  fester,  regellos  eingerammter  Eichen-  und 
Kienholz-Pfähle  ausgegraben  werden.  Dazwischen  lagen  noch  viele  Thierknochen, 
die  fortgeworfen  waren,  als  ich  Kunde  von  den  Schädeln  erhielt.  Von  etwaigen 
Fundstücken  menschlicher  Industrie,  Scherben  oder  Metall-Gegenständen  ist  mir 
nichts  zu  Gesicht  gekommen;  auf  meine  dringlichsten  Nachforschungen  wurde 
versichert,  dass  absolut  nichts  davon  gefunden  sei.  Unter  den  Thierknochen  fand 
ich  noch  einen  Radius  vom  Pferde,  der  offenbar  zu  einem  Schlittknochen  ver- 
arbeitet war,  und  einen  beilartig  geformten  rothen  Stein  von  28  cm  Länge,  9  cm 
grösster  Breite  und  6  cm  Dicke,  von  dem  ich  nicht  behaupten  will,  dass  er 
Spuren  menschlicher  Bearbeitung  zeige.  Das  Gestein  ist  sehr  mürbe,  auffallend 
roth  gefärbt  und  schwer. 

„Die  Ausgrabung  fiel  leider  gerade  in  die  Tage  meiner  Uebersiedelung  von 
Spandau  nach  Berlin  und  ist  daher  vielleicht  manches  werthvolle  Fundstück  bei 
Seite  geworfen.** 

Hr.  Virchow  (fortfahrend).  In  Betreff  des  Moorfundes  ist  sehr  zu  bedauera, 
dass  kein  zuverlässiger  Beobachter  bei  der  Ausgrabung  anwesend  gewesen  ist  und 
dass  weder  aus  der  Art  der  Bestattung,  noch  aus  den  Beigaben  ein  bestimmter 
Rückschluss  auf  die  Bevölkerung  gezogen  werden  kann. 

Dagegen  sind  die  Schädel  selbst  von  so  charakteristischer  Beschaffenheit,  dass 
ich  kein  Bedenken  trage,  auch  die  Moorschädel  der  Bevölkerung,  wie  sie  sich 
wahrscheinlich  schon  bald  nach  der  Anlage  der  Stadt  gestaltete,  zuzuschreiben. 
Glücklicherweise  besitzen  wir  durch  die  Aufmerksamkeit  des  Hm.  Vater  eine 
Reihe  ganz  analoger  Schädel,  über  welche  ich  im  Laufe  der  Jahre  berichtet  habe 
(Verband].  1885  S.  391;  1888  S.  251;  1889  S.  472).  Mit  diesen  zeigt  die  vor- 
liegende Reihe  unverkennbare  Verwandtschaft,  wenngleich  keine  völlige  Ueber- 
einstimmung.     Am  meisten  ist  dies  bei  den  Schädeln  von  1889  der  Fall. 

52* 


(820) 

Die  3  gut  erhaltenen  Schädel  sind  sämmtlich  brachycephal.  Trotzdem 
zeigen  sie  recht  erhebliche  Verschiedenheiten,  schon  in  Bezog  auf  die  Schädel- 
indices.  Während  Nr.  1,  der  Schädel  vom  Nicolai -Kirchhof,  chamaebrachy- 
cephal  (L.-Br.-I.  80,0,  L.-H.-l.  69,4)  ist,  erweisen  sich  Nr.  2  und  3  als  hypsi- 
brachycephal  (Nr.  2  87,5  und  81,5,  Nr.  3  86,7  und  78,8),  Dem  entsprechend 
zeigt  Nr.  1  eine  beträchtliche  Hinterhauptslänge  (Index  32,2),  während  dieselbe 
bei  Nr.  2  (Index  22,6)  und  Nr.  3  (Index  25,4)  ungewöhnlich  gering  ist.  Dabei  ist 
zu  berücksichtigen,  dass  Nr.  1  fast  kephalonisch  ist  und  eine  Gapacitüt  von  1550 
ccm  besitzt,  während  Nr.  2  den  mittleren  Schädelinhalt  von  1465,  Nr.  3  den  sehr 
kleinen  von  1258  ccm  ergiebt.  Sonderbarerweise  stehen  die  sexuellen  Charaktere 
damit  in  keinem  rechten  Verhältniss.  Nr.  2  bietet  allerdings  vorwiegend  männ- 
liche Merkmale,  dagegen  entspricht  die  Bildung  von  Nr.  1  und  3,  die  von  ersterem 
trotz  der  Stärke  und  Kräffcigkeit  der  Schädelknochen,  mehr  unseren  Vorstellungen 
von  weiblichem  Typus.  Insbesondere  sind  die  Niedrigkeit  und  die  gerade  Stellung 
der  Stirn,  die  schnelle  ümbiegung  zu  der  langgestreckten  Scheitelcurve,  die  rer- 
hältnissmässige  Zierlichkeit  der  Gesichtsknochen,  namentlich  des  Unterkiefers, 
viel  mehr  weiblich. 

Die  sehr  unregelmässige  Bildung  des  Schädeldaches  macht  eine  genaue  Be- 
stimmung der  einzelnen  Abschnitte  unmöglich.  Bei  Nr.  1  drängen  sich  2  grosse 
Epactalia  zwischen  Parietalia  und  Occipitale,  Nr.  2  hat  ein  weit  hinaufreichendes 
Os  apicis,  bei  Nr.  3  sind  die  Sagittalis  und  die  oberen  Theile  der  Lambdanaht  im  Ver- 
wachsen begriffen.  Selbst  das  defekte  Schädeldach  Nr.  4  zeigt  eine  Synostose  der 
hinteren  Abschnitte  der  Pfeilnaht.  Ausserdem  ist  die  Schläfengegend  bei  Xr.  1 
und  3  abweichend,  beidemal  sind  die  Alae  schmal  und  die  Schläfenschuppen  dem 
Stirnbein  genähert. 

Das  Gesicht  ist  in  den  beiden  mit  Unterkiefer  versehenen  Schädeln  chamae- 
prosop,  am  meisten  bei  Nr.  1  (Index  75,9),  weniger  bei  Nr.  2  (Index  83,9), 
Die  Bildung  der  Orbitae  variirt  stark:  bei  Nr.  2  chamaekonch  (76,9),  bei  Nr.  3 
und  1  mesokonch  (80,4  und  85,3),  bei  Nr.  4  hypsikonch  (89,1);  trotzdem  er- 
scheint sie  bei  den  3  ersten  überwiegend  niedrig,  gedrtlckt  und  verlängert,  nach 
slavischer  AVeise.  Die  Nase  ist  bei  Nr.  2  mesorrhin  (51,0),  bei  Nr.  3  und  1 
platyrrhin  (54,7  und  58,1),  am  schmälsten  (48,8)  bei  Nr.  4,  indess  doch  auch 
hier  mesorrhin.  Kein  einziger  hat  eine  leptorrhine  Bildung,  —  ein  Umstand,  der 
sich  mehr  aus  der  Niedrigkeit,  als  aus  der  Breite  der  Nase  erklärt.  Die  Nasen- 
beine sind  kurz,  stark  eingebogen,  nur  bei  Nr.  2  länger,  mehr  gestreckt  und  der 
Rücken  im  Ganzen  vortretend,  während  bei  den  Weibern  nur  die  Spitze  stärker 
vortritt.  Der  Gaumindex  ist  nur  bei  Nr.  3  mesostaphylin  (81,3),  sonst  bei 
allen  leptostaphylin.  Abgesehen  von  einem  schwachen  Ansatz  bei  Nr.  4,  zeigt 
sich  ein  Torus  palatinus  bei  keinem.  Die  Kiefer  sind  durchweg  zart,  die  Alveolar- 
fortsätze  niedrig  und  nur  an  den  Rändern  schwach  vortretend,  am  meisten  bei 
Nr.  4,  der  auch  sonst  am  Gesicht  manches  abweichende  Merkmal  hat.  — 

Aus  dem  Moorfunde  sind  ausserdem  noch  3,  offenbar  zusammengehörige 
Extremitätenknochen  von  Menschen  eingeliefert,  alle  drei  schwer,  dunkel,  zum 
Theil  schwärzlich,  von  richtiger  Moorfarbe,  kantig  und  mit  starken  Mnskel- 
ansätzen.    Es  sind  dies  folgende: 

1.  das  ganze  rechte  Os  femoris,  445  mm  hoch  (vom  Trochanter  bis  zum 
Condylus  int.  433  mm).  Das  Collum  kurz,  wenig  aufgerichtet  anter 
einem  Winkel  von  135°  angesetzt; 

2.  das  untere  Stück  des  linken  Os  femoris; 


(821) 

3.  das  rechte  Os  humeri,  332  mm  hoch,  mit  sehr  tiefem  Salcus  intertuberc., 
wenig  gedreht,  ohne  Darchbohmng  der  Fossa  olecrani. 

Die  Thierknochen  (in  dem  Bericht  des  Hrn.  Vater  unter  Nr.  4—8)  zeigen 
wenig  Spuren  menschlicher  Einwirkung,  wenn  man  von  dem  Zerschlagen  derselben 
absieht.  An  dem  Geweihstück  vom  Edelhirsch  sind  die  Sprossen  benagt.  Die 
Lage  der  Knochen  muss  eine  verschiedene  gewesen  sein,  da  Xr.  5,  7,  8  und  9 
eine  helle,  zum  Theil  sehr  lichte  Farbe  haben,  als  wären  sie  in  Sand  eingebettet 
gewesen,  während  Nr.  ü  schwer  und  dunkel  ist.  Indess  befinden  sich  unter  der 
ersten  Gruppe  ausser  Knochen  vom  Edelhirsch  und  Schwan  auch  solche  vom 
Pferde,  so  dass  Schlussfolgerungen  aus  den  Lageverhältnissen  wohl  nur  mit 
grosser  Vorsicht  gezogen  werden  könnten.  Von  den  menschlichen  Schädeln  ist 
Nr.  4  am  dunkelsten. 

Ob  der  Moorfund  aus  einer  alten  Begräbnissstelle  herrührt,  ist  nicht  zu  er- 
sehen. Möglicherweise  handelt  es  sich  um  alte  Anschwemmungen.  Jedenfalls  ist 
nichts  vorhanden,  was  darauf  hindeutet,  dass  an  dieser  Stelle  etwa  eine  prähistorische 
Ansiedelung  bestanden  hat.  Der  Typus  der  Schädel  weist,  wie  schon  erwähnt, 
auf  eine  Verwandtschaft  mit  der  alten  Stadtbevölkerung  hin. 

Für  diese  dürfte  der  Schädel  Nr.  1  bezeichnend  sein.  Er  schliesst  sich  am 
meisten  den  holländischen  Typen  des  Mittelalters  und  der  beginnenden  neueren 
Zeil  an.  Vielleicht  weist  er  auf  eine  jener  flämischen  Familien,  die  in  der  Mark 
so  weit  verbreitet  waren. 


Sch&dcl  von  Spandau 
1891 


L 


2. 


3. 


4. 


Capacit&t 

Grösste  horizontAle  L&nge 

„       Breite 

Gerade  Höhe 

Ohrhöhe 

Gerade  Hinterhaoptsl&nge 

Entfernung  des  Meat.  andit  v.  d.  Nasenwurzel 
.,  .,    For.   magn.   „    ^  ., 

Stimbreite 

Horizontalumfang 

Sagittalumfaog  des  Stirnbeins 

der  Pfeilnaht 

„    Hinterhanptij-Schuppe   .    . 

Ganzer  Bagittalbogen 

Gesichtshöhe  A 

B 

Gesichtsbreite   a .    . 

b 


I.  Messmigen. 

1550 


Orbita,  Höhe. 
Breit«» 


1 


180 
144  pi 
125 
106 

58 
105 

97 

96 
527 
119 
132?\ 


244 


112?  j 
868 

98 

59 
129 

95 

90 

35 

41 


1465 
168 

147  pi  I 
137 
115 

38 
105 

97 
102 
512 
121 

232  _  ,1 
109  ?J 

353   I 

67 

131 

95 


30 
39 


1258 
165   I 
143  ad  p.; 
130 
109 

42 

98 

94 

99 
501 
117 
119? 


227 


344 

% 

5<; 

121 
85 
88 
33 
41 


142  pi 


96 

131 
112 


108?,   — 


61 

86 

33 
37 


(822) 


Schädel  von  Spandau 
1891 


Nase,  Höhe   . 
y,     Breite  . 
Gaumen,  Länge 
^        Breite . 
Gesichtswinkel 


Längenbreitenindex 
L&ngenhöhenindez . 
Olirhöhenindex  .  . 
Hinterhauptsindex  . 
Gesichtsindex  .  . 
Orbitalindex  .  .  . 
Nasenindex  .  .  . 
Gaumenindex     .    . 


1. 

2? 

43 
25 
50 
39 

75° 

Stenokrot. 
Groftse 


2. 

49 
25 
52 
38 

71° 

Os  apic. 
Aeltenjs 


Epactalia  |    Individ. 


II.  Berechnete  Indices. 


80,0 

87,5 

69,4 

81,5 

58,8 

68,4 

32,2 

22,6 

75,9 

— 

85,3 

76,9 

58,1 

51,0 

78,0 

73,0 

3. 

$? 

42 
23 
43 
35 
70° 


4. 


45 
22 
48 
37 


I  Stenokrot.      Svnost. 
I     Synost.    Baf^tt  p<»f«t. 

sogitt  AU 

671  g  8chw. 

JflDKere* 

In 


Dseres 
divid. 


86,7 
78,8 
66,1 
25,4 

80,4 
54,7 
81,3 


89,1 

48.8 
77,0 


(19)   Hr.  J.  Naue  in  München  berichtet  unter  dem  7.  November  über  ein 

Hügelgrab  der  älteren  Bronzezeit  bei  Mflhlthal  (Oberbayern.) 

Das  Skelet  lag  in  der  Tiefe  von  1 ,80  m  nnd  zwar  in  der  Richtung  von  Nord- 
Nord-West  nach  Ost.  Auf  dem,  unter  dem  gewachsenen  Boden  hier  anstossenden 
Nagelfluhfelsen  war  eine  10  cm  starke  feine  Lehmschicht  ausgebreitet  und  fest- 
gestampft worden  und  dann  die  Leiche  im  vollen  Schmucke  darauf  gelegt.  Hügel- 
artig ist  sie,  abweichend  von  den  bisher  beobachteten  Gebräuchen,  mit  einer  feinen 
Lehmschicht  von  95  cm  Höhe  in  der  Mitte  bedeckt  worden  und  darnach  der 
Steinbau  ausgeführt,  welcher  sich  an  jenen,  von  Stid  über  West  nach  Nord  laufenden 
anschliesst. 

Auf  dem  festgestampften  Lehm  lag  nun  gerade  gestreckt  auf  dem  Rücken, 
den  Kopf  ein  wenig  zur  Seite  geneigt,  ein  weibliches  Skelet,  dessen  Armknochen 
gerade  gestreckt  zu  beiden  Seiten  herabgingen.  Auch  die  Schenkel  waren  gerade 
gestreckt,  doch  zeigte  sich  der  linke  Oberschenkel  mehr  nach  innen  gerichtet 

Dank  den  vielen  Hronzebeigaben  war  der  grösstc  Theil  des  Skelets  erhalten. 
Wo  jedoch  die  Knochen  mit  Bronze  nicht  in  Berührung  gekommen  waren,  trafen 
wir  sie  zermorsch t  an. 

Beigaben:  Dicht  unter  dem  Kinn  und  um  den  Hals,  in  Abständen  herum- 
gehend, eine  Halskette  aus  grösseren  und  kleineren  Bronzespiralröbren,  in 
der  Mitte  eine  Bernsteinperle  von  der  Grösse  einer  Kirsche,  welche  jedoch 
zerfiel.  Neben  den  Spiralröhren  lagen  kleine  weisse,  kalkähnliche  Steinchen  (viel- 
leicht von  Perlen  herrührend?).  * 

Dor  «tarke  vennoderto  Faden,  womit  die  Spiral  röhren  aufgereiht  waren,  endete 


(823) 

in  je  eine  öhsenförmig  umgebogene  kleine  Bronzespiralscheibe.  Eine  derselben 
lag  hinter  dem  Hinterkopf,  die  andere  unter  dem  Kinn,  doch  etwas  weiter  nach  vorn. 

Zwei  Bronzenadeln  mit  aufgerollten  Köpfen  (einer  derselben  ist  sehr  breit 
gehämmert)  lagen  Ober  den  Schlüsselbeinen.  Die  Spitzen  waren  nach  aussen, 
die  aufgerollten  Köpfe  nach  innen  gekehrt.  (Die  Lage  war  so,  dass  sich  der  Kopf 
der  oberen  Nadel  in  der  Mitte  der  unteren  befand.)  Die  obere,  geschlängelte 
Nadel  mit  öhsenartig  aufgerolltem  Kopfe  lag  mit  diesem  an  dem  inneren  Scblüssel- 
beinende  und  ging  mit  diesem  Knochen  bis  zum  linken  Oberarmkopf. 

Die  untere  Nadel  lag  mit  dem  breit  gehämmerten,  aufgerollten  Kopfe  schräg 
unter  jener,  so  dass  ihre  Spitze  sich  etwas  tiber  dem  rechten  Schlüsselbeine  befand. 

Beide  Nadeln  dienten  wahrscheinlich  dazu,  einen  Mantel  oder  ein  Obergewand 
festzuhalten. 

Auf  der  linken  Achsel  muss  das  Untergewand  mit  einer  grossen  tutulusartigen 
Zierscheibe  besetzt  gewesen  sein,  denn  eine  solche  lag,  theilweise  zerbrochen, 
auf  und  unter  dem  linken  Schlüsselbeine. 

Ohngefähr  etwas  unter  der  Mitte  des  rechten  Unterarmknochens  trug  das 
Skelet  ein  massiv  gegossenes,  ofiTenes  Armband  von  Bronze,  mit  kurzen  Endstollen 
und  fein  eingeschlagenen  Ornamenten,  während  sich  das  zweite,  fast  gleiche  Arm- 
band (aber  nicht  aus  derselben  Form  gegossen)  mehr  unten  am  linken  Unterarm- 
knochen vorfand. 

Dicht  neben  und  auch  etwas  unter  dem  rechten  Armbande  lagen,  von  oben  nach 
unten  zu,  Bronzeknöpfc  (d.  h.  von  der  Brust  zum  Leibe  gehend)  in  vierfacher 
Anzahl  dicht  neben  einander  und  setzten  sich  von  hier,  über  den  unteren  Theil 
der  Brust  gebend,  nach  dem  linken  Arme,  ebenfalls  einer  dicht  neben  dem  andern, 
fort.  Ihre  Grösse  ist  2,5  cm  im  Durchmesser.  Diese  Knöpfe  wechseln  mit  anderen 
von  2,8  cm  im  Durchmesser  so  ab,  dass  jedesmal  nach  zweien  von  2,5  cm  ein 
grösserer  von  2,8  cm  folgt.  Die  Mitte  dagegen  nehmen,  von  oben  nach  imten,  3 
grössere  tübulusförmige  Knöpfe  —  der  grösste  in  der  Mitte  —  ein. 

An  beiden  Seiten  lagen  grössere  ovale  Knöpfe,  von  oben  nach  unten  gehend, 
und  in  der  Mitte  ein  grösserer  tutulusförmiger  Knopf.  Die  Länge  dieses,  allem 
Anscheine  nach,  aus  dünnem  naturfarbigem  Leder  bestehenden,  verzierten  Gürtels 
beträgt  vorn  etwa  22  cm.  (Die  Knöpfe  waren  mit  kleinen  dünnen  Lederriemen 
auf  dem  Ledergürtel  befest%t.)  Auf  der  Rückseite  war  der  Gürtel  nur  in  hand- 
breiten Abständen  mit  je  einer  Reihe  von  oben  nach  unten  befestigter  runder  und 
ovaler  ßronzeknöpfe  verziert.    Die  Breite  des  Gürtels  beträgt  etwa  10  cm. 

Zu  beiden  Seiten  des  Gürtels,  bezw.  neben  und  unter  den  Unterarmknochen 
und  den  äusseren  Beckenseiten,  lagen  dicht  neben  einander,  von  oben  nach  unten 
gehend,  grössere  und  kleinere  (diese  unten)  ovale  Knöpfe,  und  an  diese  an- 
schliessend je  3  kegelförmige  Hülsen  aus  Bronzeblech  (auf  der  linken  Seite  nur 
zwei  aus  Blech,  eine  dagegen  aus  spiralartig  aufgerolltem  Bronzedraht).  Die  Hülsen 
auf  der  rechten  Seite  lagen  mit  den  breiten,  oberen  Enden  dicht  neben  einander 
und  nach  aussen,  die  Spitzen  nach  innen  gekehrt  imd  theilweise  auf  dem  Becken- 
knochen. Die  drei  Hülsen  der  linken  Seite  hatten  dagegen  die  oberen,  breiten 
Enden  nach  unten  und  die  Spitzen  nach  oben  gekehrt 

Ueber  dem  Kreuzbein  und  dem  linken  Beckenrand  fanden  sich,  schräg  von 
jenem  nach  dem  linken  Oberschenkel  köpfe  gehend,  ein  kleiner  Knopf,  ein  tutulus- 
förmiger Knopf,  ein  kleiner  und  ein  tutulusförmiger  Knopf. 

Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  wurde  der  breite  Gürtel  unterhalb  der  Brust 
(d.  h.  über  dem  Becken)  getragen  und  hingen  von  diesem  zur  linken  und  rechten 
Seite  schmale,  mit  grösseren  und  kleineren  ovalen  Knöpfen  besetzte  Streifen  (auf 


(824) 

jeder  Seite  einer)  herab.  Auch  dürfte  eia  schräges,  mit  kleinen  und  tutulusförmigen 
grösseren  Knöpfen  besetztes  Band  links  zur  Hüfte  herabgegangen  sein.  (Vielleicht 
diente  es  dazu,  eine  Tasche  oder  dergl.  zu  befestigen.) 

Die  je  drei  kegelförmigen  Bronzehülsen  gehörten  verrauthlich  zu  einem  drei- 
fach geflochtenen  zweiten  Gürtel,  der  vielleicht  über  dem  Leibe  getragen  wurde 
und  an  seinen  Enden  mit  den  Hülsen  besetzt  war.  Bei  der  Bestattung  wären 
dann  die  beiden  Enden  des  Gürtels  zu  den  Beckenseiten  angeordnet  worden. 

Unterhalb  des  Beckens  bis  etwas  über  den  Knieen  fanden  sich,  tiber  beide 
Oberschenkel  herübergehend,  viele  kleinere  und  grössere  Bronzeknöpfe  dicht  neben 
einander;  seitwärts  dagegen  kleinere  tutulusförmige  und  in  der  Mitte  grössere  dieser 
Gattung.  Dieser  Besatz  des  Oberkleides  war  etwa  18  cm  breit  und  ging  ganz  um 
den  Oberkörper  herum.  Unten  schloss  der  Besatz  mit  kleinen  tutulusförmigen 
Knöpfen  ab. 

Unter  der^  rechten  Handfläche  lag  ein  vierspeichiges  kleines  rundes 
Bronzeornament  mit  angegossenem  kurzem,  flachem  und  in  eine  Hülse  umge- 
bogenem Ende  (dieses  nach  unten  gekehrt). 

An  dem  linken  Fussc  war  eine,  leider  zerbrochene,  kleine,  schwarze,  un- 
verzierte  Henkelschale  beigestellt  worden,  die  ich  jedoch  wieder  zusammensetzen 
konnte. 

Durch  diese  Beigaben,  welche  für  die  ältere  Bronzezeit  als  ausserordentlich 
reiche  und  seltene  bezeichnet  werden  müssen,  erhält  der  Skeletfund  eine  wichtige 
Bedeutung,  denn  er  giebt  uns,  da  sämmtliche  Bronzen  noch  an  Ort  und  Stelle 
lagen,  yortreCTliche  Aufschlüsse  über  die  Ausschmückung  sehr  reicher  hochstehender 
Frauen. 

Die  runde,  innen  mit  Kreuz  versehene  und  durchbrochene  gegossene  Scheibe 
war  vermuthlich  mit  der  Hülse  auf  einem  kurzen  Stabe,  welcher  bis  zu  den  Füssen 
gereicht  haben  dürfte,  befestigt  und  diente  wohl  der  Verstorbenen  als  ein  Abzeichen 
ihrer  Würde. 

Dass  in  dem  Grabhügel,  welcher  allein  am  äussersten  nördlichen  Rande  des 
grossen  Friedhofes  liegt,  eine  ganz  hervorragende  Person  bestattet  worden  ist,  be- 
weisen neben  dem  merkwürdigen  Mittelsteinban ,  welcher  aus  sehr  grossen,  4  bis 
^\  Centner  schweren  Steinen  errichtet  war,  die  Opfer  von  drei  Ebern  (bisher  von 
mir  noch  nicht  gefunden)  und  die  Mitbestattung  von  z#ei  weiteren  Leichen,  welche 
jedoch,  ohne  jede  Beigabe,  unter  den  untersten  Steinlagen  gefunden  wurden. 

Da  sich  in  den  obersten  Schichten  des  (Trabhügels  einige  Gefassscherben 
der  Hallstattzeit  vorfanden,  so  liegt  es  nahe  anzunehmen,  dass  noch  in  dieser  Zeit  an 
oder  auf  dem  Grabhügel  jener  hochgestellten  Frau  Opfer  dargebracht  worden  sind.  — 

Hr.  Virchow:  Die  mir  zugegangenen  Knochen  befinden  sich  leider  in  einem 
so  defecten  Zustande,  dass  nur  einzelne,  der  Kupferein  Wirkung  stäricer  ausgesetzt 
gewesene  Abschnitte  einigermaassen  erhalten  sind.  Dahin  gehören  ein  Theil  der 
Halswirbel  Säule  und  Stücke  der  Beckenknochen,  insbesondere  auch  die  Doni- 
fortsätze  und  hinteren  Bogenabschnitte  der  Lendenwirbel.  Nur  der  Schädel  ist 
etwas  vollständiger  erhalten,  so  dass  die  allgemeine  Form  desselben  aus  den  vielen 
Bruchstücken  sich  wenigstens  annähernd  hat  reconstruiren  lassen. 

Die  Knochen  sind  durchweg  zart,  und  da  nach  dem  Zustande  der  Zähne  auf 
ein  vorgerücktes  Alter  der  Person  geschlossen  werden  muss,  so  darf  wohl  an- 
genommen wenlen,  dass  es  sich  um  eine  ältere  Frau  handelt.  Damit  stimmt  auch 
die  sonsti*<e  Beschaffenheil  des  Schädels. 

Letzterer   hat   durchweg   zarte    und   wt'iche  Formen.     Die  Stirn   ist  fast  ohne 


(825) 

Wulst,  der  Nasenfortsatz  flach  und  schwach  gerundet,  die  Tubera  j)arietalia  schwach, 
am  Hinterhaupt  Muskel-  und  Sehnenansätze  kaum  erkennbar.  Die  verhältniss- 
inüssig  breite  Stirn  (100  mm  in  mininio)  ist  ziemlich  gerade,  aber  niedrig;  der 
üebergang  zu  der  leicht  gewölbten,  aber  mehr  gestreckten  Scheitelcurve  ver* 
hältnissmässig  schnell,  das  Hinterhaupt  schmal,  vortretend  und  leicht  gerundet. 
Die  Durchmesser  sind  natürlich  nur  annäherungsweise  zu  bestimmen  und  die 
Indices  unsicher;  trotzdem  werden  die  nachstehenden  Angaben  eine  gewisse 
Anschauung  gewähren: 

Grösste  horizontale  Länge      .     .     178  mm 

„        Breite 132    „ 

Gerade  Höhe 132    „ 

Ohrhöhe 120    ^ 

Gesichtshöhe 110   „ 

Malarbreite 90?  „ 

Danach  berechnet  sich  ein 

Längenbreiten-Index  von  .     .     .      74,2  mm 
Längenhöhen-      „        „     .     .     .      74,2     „ 
Ohrhöhen-  ,         „     .     .     .      67,4     „ 

Das  würde  einen  dolichocephalen  Schädelindex,  und  einen  ortho-,  viel- 
leicht sogar  hypsi-,  cephalen  Höhenindex  bedeuten.  Da  die  Jochbogen  zerstört 
und  das  Gesicht  sehr  verdrückt  ist,  so  lassen  sich  faciale  Indices  überhaupt  nicht 
berechnen.  Dem  Augenschein  nach  waren  das  Gesicht  eher  schmal,  die  Augen- 
höhlen hoch,  die  Nase  schmal,  der  Gaumen  eher  breit.  Die  Kiefer  ausgemacht 
orthognath. 

Der  Oberkiefer  besitzt  einen  kräftigen,  fast  20  mm  hohen  Alveolarfortsatz,  der 
gerade  heruntergeht  Die  Zähne  sind,  soweit  nicht  die  Kiefer  verletzt  sind,  voll- 
ständig, bis  fast  zur  Hälfte  des  Schmelzes  herab  abgenutzt,  aber  ohne  Krankheit. 
Die  Vorderzähne  eher  etwas  rückwärts  gerichtet.  Zwischen  den  medialen  Schneide- 
zähnen ein  grosses  Trema.  Der  Unterkiefer  zart,  das  Kinn  vortretend,  fein  ge- 
rundet, die  Winkel  etwas  nach  aussen  ausgebogen,  die  Aeste  niedrig  und  sehr 
schräg  angesetzt. 

Zweifellos  gehört  der  Schädel  einer  edlen  Rasse  an  und  zeigt  ausserdem  Merk- 
male einer  feinen,  individuellen  Ausbildung. 

-Von  den  Skeletknochen  ist  Folgendes  zu  bemerken: 

1.  Schulterblätter  grossentheils  zerstört,  nur  die  oberen  Theile  erhahen. 
Gelenkflächen  klein  und  seicht,  Proc.  coracoides  zart. 

2.  Von  den  Oberarmknochen  sind  nur  Theile  der  Diaphysen  vorhanden,  die  nicht 
unkräftig  erscheinen.  Dagegen  sind  die  Vorderarmknochen  grossentheils 
erhalten  und  stark  bronzirt.  Ulna  und  Radius  stärker  gebogen,  fast 
säbelförmig. 

3.  Schlüsselbeine  sehr  zart. 

4.  Rippen  meist  zerbrochen,  zart. 

5.  Von  den  Beckenknochen  nur  einzelne  Theile,  die  stark  grün  gefärbt  sind, 
noch  im  Zusammenhange,  ohne  dass  jedoch  an  ihnen  charakteristische 
Einzelheiten  zu  erkennen  sind. 

6.  Von  den  Oberschenkeln  fehlen  die  unteren  Theile,  die  übrigen  sind  gracil. 
Der  obere  Theil  der  Diaphyse  abgeplattet,  ebenso  die  Reste  des  unteren 
Endes,    welche    bronzirt   sind.     Am   oberen  Ende   der  Linea  aspera  eine 

'         stärkere  Anschwellung.    Trochanteren  kloin,  der  Tr.  minor  lei<ht  zugespitzt. 


(826) 

Collum  kurz,    20  mw,    unter  140**  angesetzt.     Kopf  klein,    an   der  Stelle 
der  Epiphysengrenze  äusserlich  eine  schwache  Rinne.  — 

(20)  Hr.  Custos  P.  Höft  am  Berliner  Trachten-Museum  hat,  in  Folge  einer 
aufgeworfenen  Streitfrage,  unter  dem  3.  November  folgendes  Manuscript  übergeben: 

Besemer  oder  Däsemer? 

Schiller  und  Lübben  (Mittelniederd.  Wb.)  geben  folgende  urkundliche  An- 
gaben über  den  Namen:  I.  S.  268  Besemer,  Bisemer.  Höfer  in  den  mär- 
kischen Forschungen  I,  165  nennt  aus  einem  Priegnitzer  Idiotikon  Beesen.  In 
der  ükermark  heisst  diese  Wage  Däsmer,  in  Meklenburg  hört  man  ebenfalls 
Däsmer.  —  Possunt  etiam  alia  vendere  cum  pondere  et  besmere  (zwischen 
1203—1209.  Lübecker  ürk.  I  20.  Sie  dürfen  auch  Anderes  verkaufen  mit  Ge- 
wicht und  Besemer).  —  Que  cum  pondere  vel  cum  bysmer  aut  cum  aliis  pon- 
deribus  vendi  debent  (1326  das.  U.  1,13,  welche  [Sachen]  mit  Gewicht  oder 
Bysmer  oder  mit  anderen  Gewichten  verkauft  werden  sollen).  —  Cum  pondare  vel 
cum  bisemer  (1328  das.  451,  mit  Gewicht  oder  mit  Bisemer).  —  1  holben 
besemer  (Invent.  v.  1559  Dithm.  R.  Q.  310). 

Frischbier  (Preuss.  Wb.  I,  S.  75)  schreibt:  ^Besemer,  M.,  auch  Desemer, 
Desem,  eine  Handwage,  bestehend  aus  einem  hölzernen  Stabe,  der  an  einem  Ende 
eine  mit  Blei  ausgegossene  Rolbe,  an  dem  andern  einen  Haken  zum  Befestigen 
der  Last  trägt.  Messingstifte  im  Stabe  markiren  das  Gewicht,  das  balancirend 
an  einem  Handgriffe  gesucht  wii*d,  dän.  bismer,  schwcd.  besmann,  lit.  bezmeoas, 
pol.  bezmian,  przezmian^. 

Schütze  (Holst.  Idiot  I.  S.  94):  ^Besemer,  eine  Art  holsteinische  Wage. 
Dies  unsichere  Gewicht  ist  durch  eine  königl.  (dän.)  Verordnung  zu  gebrauchen, 
verboten.  ^ 

Ein  dänisches  Verbot  des  Besemers  für  die  Herzogthümer  ist  mir  nicht  be- 
kannt, auch  im  Corp.  Const.  Holst,  et  Schlesw.  nicht  zu  finden.  —  In  der  Schi, 
holst.  Landgerichtsordnung  vom  Jahre  1636  (IV.  Tit.  XXVI II  g  12)  heisst  es: 
„Es  soll  auch  über  das  gantze  Land  einerley  Gewichte  gebrauchet  werden,  welche 
der  Lübischen  Gewichte  durchaus  gleich  sein  soll,  also  dass  14  Schalenpfundt 
(d.  i.  Pfunde  der  Wagschale)  ein  Liszpfundt  und  20  Liszpfundt  ein  Schippfuodt 
machen  sollen  und  sollen  die  Marckpfunde  (die  Mark  ursprünglich  ein  Gewicht), 
Schalenpfunde  und  Besemerpfunde,  ohne  unterscheid  und  gleicher  schwere 
seyn."*  — 

Der  Besemer  war  zu  meiner  Jugendzeit  noch  allgemein  in  Holstein  im  Ge- 
brauche und  ist  dort  ohne  Zweifel  noch  vielfach  jetzt  im  Gebrauche.  Ebenso 
wird  der  Besemer,  dort  Däsemer  genannt,  noch  jetzt  in  Pommern  verwandt 

Schütze  (Holst.  Idiot  III  S.  244)  schreibt:  „Pünjer,  auch  Stieler  genannt 
Insner  schreibt:  eiserne  Stange  (Stiel,  daher  Stieler)  mit  Haken  zum  Wägen, 
holsteinische  Wage,  die  den  Besemer  verdrängt.**  Pfünder  und  Besemer  anter- 
scheiden  sich  dadurch,  dass  beim  Pfünder  der  Unterstützungspunkt  unverrückbar, 
das  Gewicht  oder  die  Kraft  verrückbar,  dagegen  beim  Besemer  der  Unter- 
stützungspunkt verrückbar  ist  und  das  Gewicht  (der  Kolben)  festliegt  Der 
Besemer  ist  fast  immer  aus  Uolz,  der  Pfünder  dagegen  fast  immer  aus  Eisen  ver- 
fertigt. 

In  Meyer's  Convers.  Lex.  (U  8.  811)  liest  man:  ^Besemer,  eine  Schnell  wage*, 
bestehend  aus  einem  Stabe  mit  Scala,  welcher  an  einem  Ende  einen  Gewichts* 
kolben,  am  andern  Ende  einen  Haken  zum  Aufhängen  des  zu  wiegenden  (wägenden) 


(827) 

Gegenstandes  besitzt,  und  in  einer  Hülse  mit  Zunge  und  Handhabe,  die  ver- 
schoben werden  kann,  bis  bei  Belastung  Gleichgewicht  eintritt/  —  Besemer  mit 
Hülse  und  Zunge  sind  mir  gänzlich  unbekannt,  sind  wohl  auch  selten  in  Gebrauch 
gewesen. 

Ueber  die  Ableitung  des  Namens  Besemer  scheint  noch  kein  Gelehrter  einen 
Nachweis,  der  sich  Geltung  zu  verschafTen  wusste,  geführt  zu  haben.  Wenn  im 
Priegnitzer  Idiotikon  die  Form  Beesen  bezeugt  ist,  so  könnte  man  an  den  Besen 
denken,  denn  der  Besemer  hat  wirklich  mit  seinem  Kolben  die  Gestalt  eines 
Besens  mit  Stiel.  Man  vergleiche  Schiller  und  Lübben  (S.  268)  besem,  Kehr- 
besen. —  Da  die  Form  Däsemer,  Desemer,  durch  Urkunden  aus  älterer  Zeit 
nicht  nachgewiesen  ist  und  auch  die  Nachbarrölker  nur  die  zur  Form  Besemer 
passenden  Bezeichnungen  haben,  so  dürfte  die  Form  Desemer  in  Meklenburg  und 
Pommern  nur  für  eine  verderbte  zu  halten  sein. 

Die  Gewichtsbezeichnung  des  Besemers  ist  die  siebentheilige.  Auf  allen 
Besemer-Stielen  findet  man  das  7.,  14.,  21.  und  28.  Pfund  durch  Messing- 
stifle  markirt. 

Die  Gewichtseintheilung  regt  dazu  an,  auch  die  früher  üblichen  Gewichte  in 
Betracht  zu  ziehen.  Ein  Liespfund  (Ltt)  hat  14  Pfunde  (ü).  Ein  Liespfund  ist 
nach  Heyse  ein  Livesches  d.  i.  Liefländisches  Pfund,  soll  an  Stellen  auch  15, 
16  tt  halten.  Ein  Centner  mttsste  dem  Namen  nach  100  ü  schwer  gewesen  sein, 
hatte  aber  8  LK  oder  112  ü.  Ein  Schiffpfund  (Schtt)  hatte  20  Ltt  oder  280  «. 
Ein  Quent,  Quentchen,  Quint,  Quintlein,  Quentin  vom  mittellat.  quintellum  und 
dieses  von  quintus,  a,  um,  sollte  der  fünfte  Theil  eines  höheren  Gewichtes  sein, 
betrug  aber  ein  viertel  Loth. 

Ein  Quentin  hatte  wieder  4  Ort,  wohl  von  Ort  gleich  Ecke  abzuleiten.  Die 
Oertchen  werden  eckige  Form  gehabt  haben. 

Ein  Quentin  hatte  an  Stellen  auch  4  Denare  und  8  Heller,  was  wieder  daran 
erinnert,  dass  in  frühester  Zeit  das  Geld  gewogen  wurde. 

Das  Loth,  die  Hälfte  einer  Unze  oder  Vst  M,  ist  nach  dem  schmelzbaren 
Metall,  besonders  nach  dem  Blei  benannt.  Vgl.  den  Jägerausdruck  Kraut  und 
Loth.  — 

Unze  vom  lat.  uncia,  der  zwölfte  Theil  eines  Apothekerpfundes. 

Das  Pfund,  lat.  pondo  Pfund,  pondus  Gewicht,  vom  pendere  herabhängen  lassen, 
wägen.  Der  Name  Pfund  erinnert  also  an  die  Art  des  Wagens  durch  Besemer 
und  Pfttnder,  bei  welcher  die  Last  herabhängt. 

Ein  Krämerpfund  hatte    IG  Unzen  oder  32  Loth. 

Ein  Apothekerpfund  hatte  12      „  ..      24      , 

Beim  Geld-  und  Silbergewicht  hatte  eine  Mark  8  Unzen  oder  16  Loth.  — 

(21)  Der  Wiener  „Phoenix"  (1891,  Oct..Nov.,  Nr.  10,  11)  enthält  eine  ge- 
naue  Beschreibung  des  neuen  Crematorium  in  Hamburg.  Mit  Recht  wird  dieser 
Bau  als  einer  der  wichtigsten  Merksteine  des  Portschritts,  den  die  Sache  der 
Feuerbestattung  in  Deutschland  macht,  gefeiert.  — 

(22)  Der  Hr.  Unterrichtsminister  hat  mit  Erlass  vom  31.  October  für  die 
Bibliothek  der  Gesellschaft  Heft  2/3  des  Prachtwerkes  über  hessische  Holz- 
bauten von  Biekell  übersandt  — 

Der  Vorsitzende  spricht  den  ehrerbietigen  Dank  der  Gesellschaft  aus. 


(828) 

(23)  Hr.  P.  Ehre nrei eil  hat  in  den  Publicationen  des  Museums  für  Völker- 
kunde einen  gehaltreichen  Artikel  über  brasilianische  Indianer  veröffentlicht 
Er  übergiebt  einen  Abdruck  für  die  Bibliothek  der  Gesellschaft.  — 

(24)  Der  bevollmächtigte  Minister  für  Haiti,  Hr.  Dclormc,  übersendet  Namens 
des  Verfassers,  Dr.  Dehoux  zu  Port-au-Prince,  ein  AVerk  Sur  les  institutions 
hospitalieres  et  medicales  de  la  Hepublique  d'Haiti.  — 

(25)  Ein  Comitö,  bestehend  aus  den  HHm.  Graf  J.  Harrach,  J.  Otto  und 
Rieh.  Jahn,  dem  Generalsecretär  Fr.  A.  Schubert,  dem  Schatzmeister  J.  Ort 
und  zwei  Gerants,  Niederle  und  Kovai-,  erlässt  aus  Prag,  28.  October,  einen  fran- 
zösischen Aufruf  wegen  einer  1893  daselbst  zu  eröffnenden  ethnographischen 
Ausstellung  der  tschechischen  Nation.  Die  erste  Section  derselben  ist  der 
Anthropologie  und  Ethnographie  gewidmet.  — 

(26)  Hr.  Eduard  Sei  er  spricht  über 

Alterthümer  aas  Coban  in  Gnatemala. 

Vor  einiger  Zeit  erhielt  ich  den  Besuch  des  Hrn.  Erwin  P.  Diescldorf,  eines 
jungen  Hamburgers,  der  in  der  Nähe  von  Coban  eine  Kaffeeplantage  besitzt.  Der- 
selbe zeigte  mir  einige  Proben  von  Alterthümem  aus  der  Gegend,  die  er  jetzt  nach 
Europa  herüber  gebracht  hatte.  Er  hat  dieselben  theils  allein,  theils  in  Gemein- 
schaft mit  Hm.  Dr.  Karl  Sapper  ausgegraben,  einem  schon  seit  Jahren  in  Guate- 
mala ansässigen  deutschen  Geologen,  der  in  neuerer  Zeit  im  Ausland  ein  Paar 
interessante  Berichte  über  seine  archäologischen  Studien  und  über  eine  Heise  zu 
den  heidnischen  Lacandones  veröffentlicht  hat.  Gleich  anderen  Stücken,  die  das 
königliche  Museum  schon  seit  Jahren  durch  Hm.  Gonsul  Sarg  aus  der  Gegend 
von  Coban  erhalten  hat,  zeigten  auch  die  Funde  des  Hm.  Diescldorf  deutlich, 
dass  wir  es  hier  mit  einer  der  Mayacultur  in  jeder  Beziehung  eng  verwandten 
Cultur  zu  thun  haben.  Der  Styl  der  Figuren  und  die  Hieroglyphen,  die  auf  einigen 
Scherben  erkennbar  sind,  lassen  darüber  gar  keinen  Zweifel.  Aber  interessant  ist, 
dass  unter  den  Stücken,  die  mir  Hr.  Dieseldorf  vorwies,  sich  zwei  verschiedene 
Typen  —  „Kulturgruppen",  um  mich  dieses  von  Hm.  Strcbel  cingeführt<»n  Aus- 
drackes  zu  bedienen,  —  unterscheiden  lassen,  und  da.sg,  was  die  Fundorte  betrifft, 
diese  verschiedenen  Typen  verschiedenen  Stammesgebieten,  —  der  eine  dem  der 
Qrfekchi.  der  andere  dem  der  Pokonchi  —  entsprechen.  Ein  besonders  merk- 
würdiges Stück  hat  sich  Hr.  Diescldorf  freundlichst  bereit  finden  lassen,  dem 
königlichen  Museum  zu  überlassen.  Es  ist  das  kleine  FigurengeHiss,  das  ich  hier 
vorweise.  Dasselbe  ist  zusammen  mit  zwei  anderen,  ganz  ähnlichen,  bei  Santa  Crur, 
imweit  von  Coban,  im  Innern  einer  3 — 4  m  hohen,  viereckigen  Stufenpyramide 
gefunden  worden,  die,  innen  aus  Erdaufschüttung  bestehend,  aussen  mit  Steinen 
verkleidet  war.  Solche  Pyramiden  kommen  vielfach  in  den  zu  heidnischer  Zeit 
bewohnten  Gebieten  vor.  Der  einheimische  Name  tzak,  den  mir  Hr.  Dieseldorf 
angiebt,  erinnert  an  tzacualli,  das  mexikanische  Wort  für  „Stcinpyramide'',  ab- 
geleitet vom  Zeitwort  tzacu,  welches  „einschliessen,  umfriedigen*'  bedeutet.  Die 
HHm.  Diescldorf  und  Dr.  S a p p e r  haben  bei  Santa  Cruz  drei  solcher  Pyramiden 
aufgegraben,  die  Hr.  Dr.  Sapper  als  nönllichen,  mittleren  und  südlichen  Grab- 
hügel bezeichnet.  Die  Uauptfunde  sind  in  dem  südlichen  Hügel  gemaciit  worden, 
und  eben  daher  stammen  auch  die  drei  Figurengefässe.  Dieselben  stellen 
kniende  Figuren  dar.    Die  Arme  bilden  den  Henkel  des  GeHisses.    Der  mit  einer 


(829) 

reichen  Frisur  bedeckte,  augenscheinlich  nach  dem  Vorbilde  eines  künstlieh  de-^ 
formirten  Schädels  modellirte  Kopf  bildet  den  Deckel  des  Gefasses.  Von  den 
beiden,  mit  den  Flüchen  den  Seiten  des  Körpers  angelegten  Händen  weist  die  rechte 
die  vollen  fünf,  die  linke  nur  vier  Finger  auf.  Im  Innern  des  Gefasses  fand  sich, 
neben  etwas  Erde  und  Aschenresten,  ein  Obsidianmesser  und  die  Glieder  eines 
menschlichen  Fingei*»  —  und  zwar,  wie  Hr.  Dr.  v.  Luschan  freundlichst  be- 
stimmte —  des  kleinen  Fingers  der  linken  Hand.  Die  beiden  anderen  Gefasse, 
welche  als  Beuteantheil  Hm.  Dr.  8a pp er  zußelen,  zeigen  genau  die  gleiche  Form, 
—  wie  an  einer  Photographie,  die  ich  der  Güte  des  Hm.  Dr.  Sapper  verdanke, 
noch  deutlich  zu  erkennen  ist.  Und  beide  hatten  den  gleichen  Inhalt,  wie  das 
erste  Gefäss.  Jedes  enthielt  ein  Obsidianmesser  imd  die  Glieder  eines  mensch- 
lichen Fingers.  Leider  ist  Hr.  Dr.  Sapper  nicht  mehr  im  Besitz  der  beiden 
Stücke.  Er  sandte  das  eine  an  Hm.  Consul  Sarg  in  Guatemala,  in  dessen  Besitz 
es  sich,  wie  «s  scheint,  noch  befindet;  das  andere  ist  auf  dem  Transport  dahin 
spurlos  verschwunden,  vermuthlich  zerbrochen.  Obsidianmesser  und  Fingerglieder 
als  Beigaben  fanden  sich  übrigens  nicht  nur  in  diesen  drei  Figui'engefässen.  Hr. 
Dr.  Sapper  besitzt,  wie  er  mir  brieflich  mittheilt,  noch  ein  Paar  einfache  glatte 
Töpfe,  die  genau  denselben  Inhalt  bergen. 

Dass  die  Sitte  des  Fingerabschneidens  bei  Indianerstämmen  des  Nordens  und 
Südens  vielfach  bestand,  ist  eine  bekannte  Thatsache.  Zn  den  Selbstpeinigungen, 
die  sich  bei  den  Mandan  der  junge  Krieger  auferlegen  mnsste,  um  sich  den  Schutz 
der  Gottheit  für  seine  Kriegerlauf  bahn  zu  sichem,  gehörte  auch,  dass  er  sich  auf 
einem  Bisonschädel  einen  oder  mehrere  Finger  der  linken  Hand  abhacken  liess. 
Und  bei  den  wilden  Charma  und  anderen  Stämmen  des  Südens  war  das  Finger- 
abschneiden als  Zeichen  der  Trauer,  z.  B.  bei  dem  Tode  des  Ehegemahls,  stehender 
Brauch.  Von  den  alten  Culturvölkern  Centralameriea  s  ist  mir  über  einen  solchen 
Brauch  noch  nichts  bekannt  geworden.  Der  documentarische  Beleg  für  das  Be- 
stehen  einer  solchen  Sitte,  der  durch  den  oben  beschriebenen  Fund  geliefert  wird, 
ist  daher  von  hervorragendem  Interesse.  — 

(27)  Hr.  Grünwedel  spricht,  unter  Vorlegung  einer  reichen  Colleotion 
ethnographischer  Gegenstände,  über 

die  Reisen  des  Hrn.  Vanghan  Stevens  in  Malacca. 

Hr.  Hrolf  Vaughan  Stevens,  durch  seine  Arbeiten  über  die  Väddas  auf 
Ceylon  als  unerschrockener  Reisender  und  vortrefTlicher  Beobachter  bekannt,  be- 
findet sich  im  Auftrage  der  Rudolf  Virchow-Stiftung  und  des  Rönigl.  Museums  für 
Völkerkunde  auf  einer  Reise  in  Maläka,  um  von  den  ürbewohnem  der  Halbinsel 
anthropologische  und  ethnologische  Materialien  zu  beschaffen.  Nach  den  bis  jetzt 
eingegangenen  Berichten  hat  Hr.  Vaughan  Stevens  seine  Arbeiten,  welche  er  mit 
ganz  ausnehmender  Energie  und  Umsicht  geführt  hat,  noch  nicht  abgeschlossen; 
sein  letzter  Ausflug,  über  dessen  Verlauf  bis  jetzt  keine  Nachricht  eingegangen  ist, 
galt  dem  eigentlichen  Brennpunkte  der  Frage:  den  sogenannten  Negrito's  der  Halb- 
insel. Doch  sind  umfangreiche  Materialien  bereits  eingetrofl'en ,  ans  welchen  ich 
zunächst  die  folgende  üebersicht  zusammengestellt  habe. 

Ich  möchte  mit  den  Nachrichten  beginnen,  welche  Hr.  V.  Stevens  über  die 
ethnische  Gliedemng  der  wilden  Stämme  mitgetheilt  hat  und  welche  viel  Neues 
bringen,  was  er  aber  selbst  noch  weiter  untersuchen  imd  feststellen  will.  Bevor 
ich  aber  auf  die  Gliederung  im  Einzelnen  eingehen  kann,  möchte  ich  ganz  kurz 


(830) 

eine  Beihe  von  Namen  besprechen,  unter  welchen  hauptsächlich  durch  Mi  kl uc ho 
Maclay  die  Eingebomen  in  Europa  bekannt  geworden  sind. 
Es  sind  die  Namen: 

Orang  „Sakei",  richtiger:  Säkei. 

Orang  „Gargassi",  richtiger:  Gargäsi. 

Orang  „Ekko",  richtiger:  Ekor. 

Orang  ^Mowas",  richtiger:  Mäwas. 

Orang  JJlu",  richtiger  Hülu. 

Orang  Ütan:  Orang  Hütan. 


0 


PTn  anC^ 


siv.>^° 


■     ^,MG^P^^^J 


Der  Name  0.  „Sakei"  soll  nach  Herrn  V.  Stevens  „Hund"  bedeuten  und  ron 
den  Buginesen  (Wügi)  eingeführt  worden  sein.  Das  letztere  mag  richtig  sein, 
doch  hat  in  keiner  malaiischen  Sprache  „Sakei"  die  Bedeutung  „Hund".  Vielmehr 
bedeutet  Orang  Sakei  „die  Leute  der  Gefolgschaft"  oder  geradezu  die  „Freunde", 
da  das  mal.  Wort  Sakei  sicher  nur  auf  das  Sanskrit-Wort  Sakhi,  „Freund^. 
zurückgeht.  Wie  das  Wort  zum  Spottnamen  wurde,  ist  noch  nicht  fest- 
gestellt: jedenfalls  gebrauchen  die  Eingebomen,  obwohl  sie  selbst  von  dea  Ma- 
laien so  bezeichnet  werden,  den  Ausdmck,  um  eine  Klasse  mythischer  Wesen  da- 
mit zu  bezeichnen,  welche  bisweilen  sich  im  Walde  sehen  lassen,  dann  aber  sofort 
wieder  verschwinden  sollen.  Einen  besonderen  Stamm  von  Eingebomen  dieses 
Namens  giebt  es  nicht;  ebensowenig  giebt  es  Stämme,  welche  die  folgenden  drei 
Namen  tragen:  die  Namen  Orang  Gaigasi  (^grausame  Wesen *^,  ^Dämonen"), 
Orang  flkor  (^Schwanzmenschen"),  Orang  „Mowas^  bezeichnen  ebenfalls  keine 
wirklichen  Menschen,  sondem  die  in  Europa  Orang  Ütan  genannte  Affenart    Orug 


(831) 

Ülu,  mal.  0.  Hülu:  „Leute  der  Quellgegenden^  ist  ein  Name  für  alle  Dschangel- 
Bewohne'r  ohne  Stammesunterscheidung  und  verhältnlssmässig  jungen  Datums. 
Die  Malaien  führten  ihn  ein,  als  sie  anfingen,  feste  Niederlassungen  zu  grUnden 
und  von  dem  schiffbaren  Thcil  der  Flüsse  Besitz  zu  nehmen.  Als  den  bezeich- 
nendsten Namen  für  alle  Dschangel-Bewohner  erwähnt  Hr.  Vaughan  Stevens  das 
malaiische  Omng  Ütan  (0.  Hütan).  Freilich  ist  dieser  Name  in  Europa  miss- 
bräuchlich  für  eine  Affenart  verwendet  worden:  die  Anwendung  des  Wortes  („Wald- 
menschen^  auf  die  Dschangel-Bewohner  im  Allgemeinen  ist  aber  durchaus  richtig 
und  einwandfreier,  als  die  jedes  anderen  Namens.  Hr.  V.  Stevens  hat  ihn  daher 
immer  verwendet,  wenn  er  alle  Eingebomen  zusammenfassen  wollte.  Er  theilt 
dieselben  in  vier  Hauptstämme  ein: 

1.  O.  ^Tummeor^  (englische  Orthographie  dieses  ganz  neuen  Namens:  wohl 
etwa:  Tamiya  zu  sprechen). 

2.  0.  ^Pangghan''. 

3.  0   ^Blandass''. 

4.  O.  „Benar-Benar^. 
Vergleiche  die  beigegebene  Kartenskizze. 

Orang  ^Blandass^  ist  der  bis  jetzt  in  Europa  unbekannte  correcte  alte  Name 
des  Volkes,  welches  sich  über  einen  so  grossen  Theil  der  Halbinsel  ausgebreitet 
hat  und  welches  in  den  verschiedenen  Theilen  bekannt  ist  unter  den  Stamnmamen: 

Orang  „Mantra*^,  O.  ^Mintra^. 

Orang  Kenäboi. 

Orang  Bersisi. 

Orang  „Sinnoi*^. 

0.  £ä"'  ^"'*''*""  ^^""""^  1  «Benar-Benar". 

Die  ersten  vier  sind  bestimmt  ein  Stamm.  Der  Stamm  der  Djäkun  und  der 
der  Benüa  war  Anfangs  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ein  besonderer  Stamm,  ist 
aber  jetzt  mit  den  Orang  ^Blandass^  so  verschmolzen,  dass  er  thatsächlich  mit 
ihnen  ein  und  dasselbe  Volk  bildet.  Der  Orang  „Sinnoi'^  genannte  Stamm  ist  nur 
der  östliche  Ausläufer  der  Orang  „Blandass^.  Hr.  V.  Stevens  berichtet  bis  jetzt 
nur  über  die  verschiedenen  ^Blandass^-Stämme ;  die  Orang  ^Tummeor"*  und  0. 
Pangghan"^  hat  er  sich  für  spätere  Berichte  aufgespart 

Die  Negrito's  des  Nordens  —  die  „Udai"  der  0.  ^^Blandass^  —  hat  er  ent- 
weder noch  nicht  gesehen,  oder  noch  nicht  als  solche  erkannt.  Wenn  es  wirklich 
eine  solche  besondere,  zwerghafte  Rasse  giebt,  so  sind  auf  der  Halbinsel  vier 
Orang  Hütan: 

1.  die  Negrito's,  die  ^Zwerge",  die  „üdai**  der  0.  ^Blandass^. 

2.  die  0.  .^Pangghan"^,  ^die  Papua's'^  mit  krausem  Haar^, 

3.  die  0.  ^Tummeor"",  dunkelfarbig  und  tattuirt, 

4.  die  ().  ^ßlandass^  mit  ihren  obengenannten  Unterabtheilnngen. 

Ob  die  O.  ^Pangghan^  und  0.  .„Tummeor^  mit  den  sogenannten  Negrito's 
identisch  sind  oder  von  ihnen  durch  Blutmischung  mit  Malaien  abgezweigt  sind, 
will  Hr.  V.  Stevens  nicht  entscheiden,  bevor  er  nicht  seine  Expedition  zu  den 
Negrito's  durchgeführt  hat.  Die  auf  der  Karte  mit  Schrafßrung  bezeichnete  Stelle 
war  vor  dem  Angriff  der  K^dah-Malaien  (Perak)  allein  durch  Orang  „Blandass'*' 
und  „Benar-Benar"^  besetzt.  Die  O.  .„Blandass^  einerseits  und  die  Negrito's 
andererseits  sind  nun  nach  Hm.  V.  Stevens'  Ansicht  der  Hauptstock,  von  welchem 
die  stark  markirten  Unterschiede  in  den  einzelnen  Stämmen  hervorgingen.  Diese 
Unterschiede   sind  begründet  in  den  verschiedenen  und  überall  sehr  ausgiebigen 


(832) 

BlutmiscbuDgen  mit  den  malaiischen  Stämmen  der  Bügis,  Jawanen,  Dajak  und  BataL 
Die  Batak  werden  als  Menschenfresser  und  Lente  mit  lang  herabhängendem 
Ohrschmack  beschrieben  und  ihr  Stamm  genannt:  Hr.  Sterens  schreibt  ihn 
^Puck-Puck*':  es  sind  die  Pak-Pak,  ein  Zweig  der  Dairi-Xation«  Ausserdem  rechnen 
Blut  misch  nngen  mit  anderen  Völkern,  besonders  Siamesen  (^Sam-Sam*^),  stari^  mit 
Eine  Ausnahme  davon  bilden  die  0.  «Tummeor'^  and  0.  ^Pangghan*^,  welche  aber 
den  anderen  Stämmen  Frauen  haben  geben  müssen.  Hr.  V.  Sterens  erwähnt  in 
seinen  Berichten  wiederholt,  dass  die  0.  ^yBlandass"*,  wenn  sie  auch  Frauen 
anderen  Stammes  heirathen,  doch  noch  ihre  Rinder  als  rolle  O.  ^^Blandass**  be- 
zeichnen. So  kann  wohl  ein  Mann  von  Negrito-Aussehen  sich  finden,  welcher  sich 
selbst  als  reinen  0.  «Blandass"  bekennt,  da  sein  Vater  eiQ  O.  «Blandass*  war. 
Ich  darf  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  die  oben  daigestellten  Grenzen  heute  alleneits 
durch  allophyle  Einwanderung  überfluthet  sind.  Auch  erklärt  Hr.  V.  Sterens 
wiederholt,  dass  das  letzte  Wort  —  tiber  die  nordöstlichen  Stämme  besonders  — 
seinerseits  noch  nicht  gesprochen  sei.  Sein  Suchen  nach  den  Negnto's  geht  darauf 
aus.  die  möglichste  Klärung  der  ethnischen  Verhältnisse  anzubahnen. 

In  dem  letzten,  hier  eingegangenen  Briefe  berichtet  er  femer  über  aus- 
gestorbene Höhlenbewohner  der  rormuhammadanischen  Zeit  der  Halbinsel.  leb 
habe  oft  —  sagt  er  —  von  Malaien  und  Orang  Hütan  erzählen  hören  ron  einer 
lange  ausgestorbenen  Rasse,  welche  in  Höhlen  wohnte.  In  der  Gegend  roo 
Pinang  bis  nach  der  ^Rrah  ^-Landenge  nordwärts  liegt  eine  Thalmnlde,  einst  der 
Boden  eines  seichten  Sees.  Dort  liegen  steil  aufsteigende  Ralksteinfelsen  mit 
zahlreichen  und  grossen  Höhlen.  ISine  dieser  Höhlen,  welche  der  Reisende  be- 
suchte, als  er  die  Nordgrenze  der  Orang  Hütan  feststellen  wollte,  war  ron  den 
Malaien  ausgeräumt,  welche  die  zerbröckelten  TropCsteinstücke  mit  dem  Guano 
herausgeholt  hatten,  um  ihre  Reisfelder  zu  düngen.  .Sieben  Fuss  ron  der  Höhk 
ist  eine  Lage  ron  zerbrochenen  Knochen  und  Seemuscheln.  ~  Manche  ron  den 
Knochen  zeigten  Spuren  von  Feuer,  und  in  einer  abgesplitterten  Stalaktitenmaae 
sah  Hr.  V.  Sterens  den  Abdruck  eines  gewöhnlich  gebildeten  Schenkelknochens. 
aber  der  Knochen  selbst  war  herausgefallen  und  zerstört  Einige  Knochen  aber 
hat  er  sammeln  können,  jedoch  noch  nicht  eingesandt  Er  kennt  mehrere,  noch  un- 
berührte Höhlen. 

Von  sonstigen  prähistorischen  Gegenständen  kann  ich  49  Batu  Lintar's  ror- 
legen.  Diese  Steinwerkzeuge  gehen  durch  den  gansen  indisdien  Archipel  und 
kehren  in  Hinterindien,  Barma,  Kambodscha  u.  s.  w.  wieder.  Welche  früheren 
Stämme  der  Halbinsel  sie  fertigten  oder  gebrauchten,  darüber  kann  Hr.  V.  Sterens 
keine  Auskunft  geben.  Weder  die  Malaien,  noch  die  Orang  Hütan  wissen  irgend 
etwas  Positires  üt>er  ihren  Ursprung  oder  Gebrauch.  Die  letzteren  kümmern 
sich  nicht  darum,  wenn  sie  eines  auf  ihren  Wanderungen  sehen,  aber  die  aber- 
gläubischen Malaien  glauben  %  dass  es  die  Wur^eschosse  eines  Djin  oder  Geistes 
sind,  und,  wenn  sie  ein  Stück  finden,  so  rerstecken  sie  es  in  ihren  Hiusern. 
Von  dem  wirklichen  Gebrauch  der  Steinwerkzeuge  haben  sie  keine  Uebec^ 
lieferung.  Dieselben  werden  in  rerschiedenen  Tiefen  in  der  Erde  gefanden,  sonst  ist  m 
Maläka  absolut  nichts  darüber  bekannt.  Die  rerschiedenen  Orang  Hütan-Stimme 
sagen  alle  gleichmässig  aus,  dass  in  alten  Zeiten  auf  der  Halbinsel  Menschen  ge- 
lebt hätten,  rerschieden  ron  ihnen  und  ron  den  Malaien.  Aber  das  ist  eine  w 
unbestimmte  üeberlieferung. 

Mit  dem  Mikroskop  sind  an  den  Steinen  Kupfer-  oder  fisentheOchen  zu  be- 


1)  Die  darüber  cursirenden  Sagen  xu  wiederfiolen.  würde  hier  tu  weit  fdhreiL 


(833) 

merken.  Wo  dies  der  Fall  ist,  ist  der  Stein  von  den  Malaien  dazu  gebraucht 
worden,  die  Endspitze  an  dem  Metallspom  ihres  Rampfhahnes  herzusteilen,  da  sie 
die  abergläubische  Vorstellung  hegen,  eine  so  hergestellte  Spitze  könne  nicht 
stumpf  werden.  Die  Kinder  der  Malaien  spielen  bisweilen  mit  den  Steinen  und 
mögen  sie  wohl  glatter  reiben,  als  sie  bei  der  Auffindung  waren.  Hr.  V.  Stevens 
hat  bis  jetzt  noch  kein  Stück  in  situ  gefunden:  die  Sammlung  enthält  alle  Stücke, 
welche  er  während  eines  Jahres  zwischen  Djohor  und  Relantan  bei  Malaien  hat 
auftreiben  können.  — 

Aus  der  Masse  der  übrigen  Notizen  schliesse  ich  nunmehr  einen  Bericht  an, 
welcher  in  übersichtlicher  Form  die  Sitten  der  Orang  Benüa  skizzirt.  Ich  gebe 
diesen  Bericht  in  wortgetreuer  Uebersetzung: 

^Die  Orang  Benüa  haben  in  der  Regel  nur  eine  Frau,  aber  der  Häuptling  des 
Stammes  hat  bisweilen  zwei.  Ehebruch  kommt  unter  ihnen  selbst  sehr  selten  vor. 
Illegitime  Rinder  von  reinem  Benüa -Blut  sind  selten,  häu%er  aber,  wo  das 
Malaiische  Element  hinzutritt.  Das  niedrigste  heirathsfähige  Alter  ist  das  vier- 
zehnte bei  der  Frau,  das  sechzehnte  beim  Mann,  aber  der  Orang  Benüa  kennt  in 
der  Hegel  sein  Alter  überhaupt  nicht.  Eine  besondere  Ceremonie  bei  der  Freiung 
findet  nicht  statt,  ausser  dass  der  Freier  mit  dem  Brautvater  über  die  zu  be- 
zahlende Quantität  Pädi  einig  wird  und  diesen  Preis  erlegt.  Ein  Fest  wird  an- 
gesagt und  alle  Orang  Benüa  der  Nachbarschaft  werden  eingeladen.  Der  Braut- 
vater liefert  zum  Schmause  den  Reis,  der  Bräutigam  gewöhnlich  die  Fische,  während 
einige  von  den  Gästen,  welche  andere  Nahrungsmittel  beisteuern  können,  dieselben 
mitbringen.  Am  Hochzeitstage  versammeln  sich  die  Gäste  kurz  vor  dem  Dunkel- 
werden. Die  Männer,  unter  ihnen  der  Bräutigam,  sitzen  in  oder  um  die  grösste 
Hütte,  rauchend  und  plaudernd,  während  die  Weiber  in  der  Hütte  des  Brautvaters 
kochen.  Ist  der  Schmaus  vorüber,  so  singen  sie,  rauchen  und  plaudern:  jetzt 
Männer  und  Frauen  zusammen,  bis  etwa  um  10  oder  11  Uhr  Nachts.  Da  ver- 
lässt  einer  nach  dem  andern  die  Gesellschaft,  um  nach  Hause  zu  gehen.  Sie  ver- 
abschieden sich  nicht,  sondern  stehen  still  auf  und  gehen  geräuschlos  weg,  indem 
sie  ihre  Feuerstöcke  mit  sich  nehmen.  Zuerst  steht  der  Mann  auf,  dann  folgt  die 
Frau.  Da  sie  es,  wenn  irgend  möglich,  gern  vermeiden,  bei  der  Nachtzeit  zu 
wandern,  so  schlafen  Gäste  aus  weiterer  Entfernung  in  der  Hütte  irgend  eines 
ihrer  Bekannten.  Haben  Braut  und  Bräutigam  nicht  eine  fertiggebaute  Hütte,  so 
bleiben  sie  in  einer  Ecke  der  Hütte,  manchmal,  aber  nicht  immer,  durch  eine  vor- 
gehängte Matte  geschieden,  und  diese  Ecke  behalten  sie,  bis  sie  eine  eigene  Hütte 
besitzen.  Ehescheidung  kommt  nicht  vor.  In  seltenen  FäUen  schlug  ein  Orang 
Benüa  seine  Frau  im  Streit.  Vettern  und  Basen  dürfen  sich  heirathen,  nähere 
Verwandtschaft  verbietet  die  Heirath.  Wo  zwei  Frauen  vorhanden  sind,  ist  immer 
die  erste  die  Hauptfrau  und  hält  die  zweite  zu  harter  Arbeit  an.  Halbblut  von 
Malaiischen  oder  Chinesischen  Vätern  ist  völlig  unbekannt  unter  den  wilden 
Stämmen,  wird  aber  geduldet,  wenn  auch  nicht  geliebt  bei  denjenigen  Clanen, 
welche  in  naher  Berührung  mit  den  Malaien  leben.  Mischlinge  aber  von  ge- 
mischtem Säkei  (Benüa)-BIut  sieht  man  manchmal,  aber  nicht  oft  unter  den  wilden 
Stämmen;  sie  bleiben  selten  lange  unter  ihnen,  da  sie  das  weniger  wilde  Leben 
vorziehen.  Rings  um  die  Ansiedelungen  der  Malaien  findet  man  einen  eigen- 
artigen Säkei-Typus  von  jedem  Stamm  mit  mehr  oder  weniger  Charakter  des  Ur- 
stanunes,  und  dieser  Typus  ist  es,  welcher  bei«  den  Malaien  Orang  Djinak  (Djinak 
„zahm*^)  heisst,  aber  selbst  unter  den  Orang  Benüa  ist  ein  Rest  von  reinem  Blut, 
welcher  sich  für  besser  und  vornehmer  hält,  als  die  Orang  Djinak. 

VtrhuKll.  d«r  B«rl.  AotbropoL  GMelUehaft  1691.  53 


(834) 

„Der  Benüa-Mann  ist  indolent,  friedlich  und  harmlos,  scheu  und  zurückhaltend, 
durchweg  wahrheitsliebend  und  ehrlich ;  —  anders  sind  die  unabhängigen  Stämme 
„Tummeor"  und  „Pangghan". 

^Die  alte  Verfassung  der  Orang  Benüa  war  sehr  einfach.  Jede  Familie,  jeder 
Clan  nahm  Besitz  von  einem  Landstrich  unter  einer  Form  —  wenigstens  der  Praxis 
nach  —  des  Communalsystems.  Es  gab  mehr  Land  als  Ansiedler;  so  entstand 
kein  Sti'eit  um  den  Boden.  Jeder  Clan  wählte  sich  seinen  Häuptling  oder  Batin, 
dessen  Stellung  nicht  erblich  sein  musste,  und  alle  etwaigen  Streitigkeiten  wurden 
ihm  zur  Entscheidung  übergeben.  Der  Bätin  erhielt  Nahrungsmittel  und  bei  der 
Ernte  eine  unbestimmte  Quantität  Pädi,  aber  er  hatte  kein  Recht,  es  zu  rerlangt^n. 
Das  einzig  durchgehende  Recht  war  das  der  Zurückerstattung  durch  die  Instanz 
des  Bätin.  Für  Diebstahl  musste  das  Doppelte  gegeben  werden.  Für  persönliche 
Beschädigung  war  der  Batin  zugleich  Richter  und  exekutive  Behörde  und  ver- 
hängte dasselbe  als  Strafe,  was  der  Beleidiger  verübt  hatte,  an  dessen  Person  mit 
einem  ähnlichen  Object,  einer  ähnlichen  AVaffe  u.  s.  w.  Ein  Gesetz  gegen  Ehe- 
bfoich  gab  es  nicht,  ebensowenig  gegen  Lüge  und  Betrug.  Ein  grauhaariger  Bönüa- 
Mann  erklärte:  Welch*  einen  Zweck  hat  das  Gerede,  wo  doch  der  Orang  Benua 
aufwächst,  wie  die  Palme  und  sich  nicht  windet,  wie  der  Rotan!  Zufällige  Be- 
schädigung wurde,  wenn  nicht  durch  die  Gemeinde  geschlichtet,  —  denn  der 
Benda-Mann  ist  nicht  rachsüchtig,  —  ausgeglichen  durch  den  Bätin  meist  mit  einer 
Ordnungsstrafe,  welche  mit  Pädi  zu  bezahlen  war.  Das  alte  Recht  der  Orang 
Benüa  ist  nur  dem  der  Malaien  gewichen;  der  Bätin  wird  heute  unter  dem  Titel 
Penghülu  von  dem  Malaien-Fürsten  des  Distrikts  gewählt.  An  diesen  müssen  auch 
alle  ernsteren  Fragen  gebracht  werden.  Thatsächlich  ist  dadurch  das  Macht- 
bereich des  Bätin  stark  verringert:  er  kann  die  kleinen  Meinungsverschiedenheiten 
seiner  Stammesgenossen  leicht  in  Frieden  lösen;  —  anders  ist  es  mit  Konflikten 
zwischen  Orang  Benfta  und  Malaien.^ 

Der  NationalwatTe  der  Waldbewohner,  dem  Blasrohr  (mal.  Sumpitan),  hat 
Hr.  y.  Stevens  ganz  besonders  seine  Aufmerksamkeit  geschenkt  Er  berichtet 
darüber: 

Auf  der  Malaiischen  Halbinsel  sind  zwei  Arten  von  Sumpitan's  im  Gebranch: 
das  „Rohr"-  und  das  „Holz"- Sumpitan.  Das  von  Holz  wird  verfertigt  und  ge- 
braucht nur  südlich  von  dem  Flusse  Pähang  in  dem  Staate  gleichen  Namens.  Im 
Nordwesten  dieses  südlichen  Distriktes  ist  der  Gebrauch  des  Sumpitan's  nicht  mehr 
bekannt,  aber  auf  der  östlichen  Seite,  unter  den  sogenannten  Orang  Djäkun,  ist  es 
noch  vorhanden,  wird  aber  selten  verfertigt.  Das  „Rohr ^-Sumpitan  wird  benutzt 
vom  Pähang-Flusse  an  bis  zum  Staate  Petäni  im  Norden:  es  ist  die  einzige  Waffe 
der  wilden  Stämme:  „Tummeor",  „Pangghan"  und,  wie  ich  sie  vorläufig  nennen 
will,  —  der  Semang-Stämme. 

Nur  ein  Clan  oder  eine  Familie  der  Orang  Djäkun  fertigte  die  Holz-Snm- 
pitan's  ftlr  den  ganzen  südlichen  Distrikt,  und  im  Norden  lieferte  nur  ein  kleiner 
Distrikt,  der  „Mengiri"-Distrikt  im  R^lantan,  die  Rohr-Sumpitans,  da  Rohr  in  ge- 
nügender Länge  nur  an  dieser  Stelle  wächst.  Von  beiden  Centren  ans  führten 
die  wandernden  Orang  Hütan  als  Handelswaare  unter  sich  die  fertigen  oder  halb- 
fertigen Sumpitans  weiter  zu  den  entfernter  wohnenden  Stämmen. 

Zunächst  ein  Paar  Worte  über  das  Holz-Sumpitan.  Grosse  Schwierigkeiten 
machte  es,  festzustellen,  wo  sie  in  alten  Zeiten  verfertigt  wurden.  Die  Leute  im 
Westen  wussten  nur,  dass  sie  aus  dem  Osten  kamen:  die  südöstlichen  wussten  es 
entweder  überhaupt  nicht  oder  sie  wollten  es  nicht  sagen.  Caliophyllum  sp. 
wächst  nicht  überall  auf  der  Halbinsel:   das  Holz  dieses  Baumes  hat  die  Eigen- 


(835) 

thümlichkcit,  dass  es  sich  nicht  wirft.  Daher  richtete  Hr.  V.  Stevens  sein  Augen- 
merk auf  diese  Bäume:  auf  der  Heise  nach  Kelantan  machte  er  ausfindig,  wo  die 
Stelle  war.  Das  Holz-Sumpitan  wird  aus  zwei  Theiien  verfertigt,  in  jeden  Theil 
wird  eine  Rinne  eingeschnitten,  dann  wird  Rotan  ^Segri^  darumgebunden  und 
darüber  ein  Bambufuteral  gestreift.  Das  feste  durchbohrte  Sumpitan  von  Bomeo 
ist  auf  der  Halbinsel  nicht  bekannt,  ausgenommen,  wenn  eine  Anzahl  Däjak,  welche 
Gettah  Pertja  auf  der  Halbinsel  suchen,  deren  mitgebracht  hat.  Das  Rohr-Sumpitan 
hat  sehr  verschiedene  Verzierungen,  je  nach  dem  Landestheil;  sie  sind  vom  Pä- 
hang-Flusse  an  bis  Nord-Relantan  im  Gebrauche,  bei  den  Stämmen  ^Sinnoi^  und 
„Tummeor".  Da  aber  diese  beiden  Völkerschaften  unter  sich  Zwischenhandel 
treiben,  so  gelangen  die  Sumpitans  von  dem  einen  Besitzer  zum  andern  und  jeder 
fügt  Verzierungen  zu,  wenn  er  Neigung  dazu  verspürt.  Es  ist  demnach  unmöglich, 
Unterscheidungen  zu  treffen  und  irgend  ein  Sumpitan  als  typisch  für  den  Stamm, 
von  welchem  Hr.  V.  Stevens  es  erhielt,  zu  erklären.  Dasselbe  muss  von  den 
Köchern  für  die  Blasrohrpfeile  gesagt  werden.  Sie  gelangen  von  Besitzer  zu  Besitzer, 
und  obgleich  sie  so  sehr  verschieden  von  einander  sind,  so  hängt  dies  lediglich  von 
Laune  imd  Zufälligkeit  ab.  In  der  Regel  giebt  der  Verfertiger  das  Sumpitan  ohne 
jede  Verzierung,  oder  doch  nur  mit  wenigen  Ausschmückungen  versehen,  aus  der 
Hand.  Die  Art  imd  Weise,  das  Sumpitan  zu  halten,  ist  eigenthümlich.  Herr  V. 
Stevens  hat  in  Ermangelung  anderer  Mittel  ein  ingeniöses  Modell  aus  einem  Paar 
Handschuhen  hergestellt.    Die  Methode  ist  überall  dieselbe  auf  der  ganzen  Halbinsel. 

Die  Bambuhütten  über  den  Sumpitans  werden  oft;  von  dem  Besitzer  erneuert, 
da  sie  nicht  so  schwer  zu  beschaffen  sind,  wie  das  Rohr,  aus  welchem  das  Sum- 
pitan besteht. 

Proben  von  Pfeilköchern  von  einigen  oder  allen  Spielarten  kann  man  im 
Besitz  eines  jeden  beliebigen  Trupps  der  Orang  Hütan  zu  sehen  bekommen.  Da 
sie  beständig  vertauscht  werden,  so  ist  nicht  die  leiseste  Beziehung  zwischen 
einem  beliebigen  Sumpitan  und  dem  begleitenden  Röcher  herauszufinden.  Die 
Deckel  des  Röchers  sind  selten  diejenigen,  welche  ursprünglich  dafür  gefertigt 
wurden,  und  die  Zeichnungen  werden  von  Zeit  zu  Zeit,  wie  erwähnt,  mannichfaltiger. 
Wohl  mag  ursprünglich  jeder  Stamm  seinen  eigenen  Styl  gehabt  haben,  aber 
sicherlich  ist  das  jetzt  unter  den  Orang  „Sinnoi''  und  „Tummeor'*  nicht  mehr 
der  Fall. 

Was  die  Blasrohrpfeile  betrifft,  so  gebrauchen  die  Orang  Benüa  einen  sehr 
kurzen  Pfeil,  welcher  aus  dem  äusseren  Holz  einer  Palmenart  (welcher?)  gefertigt 
ist  Der  Fussboden  ihrer  Häuser  ist  gewöhnlich  aus  Streifen  dieses  Palmholzes 
gemacht,  und  wenn  ein  frischer  Vorrath  von  Pfeilen  nöthig  ist,  so  werden  einige 
Streifen  vom  Fussboden  losgerissen  und  verarbeitet.  Auf  diese  Art  hat  der  Orang 
Hütan  stets  einen  Vorrath  trocknen  Materials.  Sonst  werden  die  Streifen  monatelang 
über  das  Feuer  gehängt,  bevor  sie  zu  Pfeilen  geschnitzt  werden,  da  ihr  genaues 
Fliegen  davon  abhängt,  dass  sie  völlig  getrocknet  sind.  Wenn  ein  Orang  Hfttan 
Halt  macht,  so  besteht  seine  erste  Handlung  nach  dem  Anzünden  des  Feuers  darin, 
seinen  Sumpitan-Röcher  darüber  aufzuhängen.  Die  dicken  Enden  (Flugpfropfen) 
der  Pfeile  werden  aus  „Jarentong^ ')  -  Mark  hergestellt,  da  dieser  Baum  im  Süden 
frei  wächst.  Die  Orang  „Sinnoi**,  ^Tummeor'',  „Pangghan**,  überhaupt  jene 
Stämme,  welchen  der  Reisende  bis  jetzt  begegnet  ist,  gebrauchen  längere  Pfeile, 
als    die    Orang    Benüa,    verfertigt   aus    der    ^^ertam** -Palme*).      Sie  verwenden 


1)  Botanische  Bezeichnung  fehlt. 

2)  Wie  zu  1). 

58 


(836) 

übrigens  die  gleiche  Soi^falt  darauf,  trockenes  Material  zu  haben,  wie  die  Orang 
Benüa.  Die  Länge  scheint  sowohl  Ton  der  Lungenkraft  des  Einzelnen,  als  von  der 
Länge  des  Sumpitan  abzuhängen.  Ein  Mann  wird  die  Pfeile  eines  andern  nur 
im  Nothfall  versuchen. 

Der  Durchschnitts-Orang  Kutan  pflegt  in  seiner  trägen  Weise,  wenn  er  nicht 
angetrieben  wird,  ungefähr  dreissig  Pfeile  in  einem  Tage  fertigzustellen.  Wie 
weit  die  Pfeile  fliegen,  ist  schwer  festzustellen.  Es  giebt  ja  wenig  offene  Stellen 
im  Dschangel,  um  ein  Maass  gebrauchen  zu  können.  Wenn  mit  dem  Sumpitan 
in  waagerechter  Richtung  geschossen  wird,  so  sind  20—30  m  der  Durchschnitt. 
Die  tödtliche  Genauigkeit  des  Schusses  zeigt  sich  erst,  wenn  der  Orang  Hütan 
aufwärts  nach  einem  Baumwipfel  auf  einen  Vogel  oder  Affen  schiesst  Nach 
oben  hin  zeigt  sich  sehr  wenig  Abweichung  von  der  geraden  Linie,  aber  beim 
Schiessen  in  waagerechter  Richtung  ist  eine  beträchtliche  Plugbahn  ersichtlich. 
Wenn  der  Schuss  fehl  geht  und  der  Pfeil  nicht  durch  Zweige  und  Blätter  auf- 
gehalten wird,  so  erhebt  er  sich  noch  20 — 30  m  über  die  höchsten  Bäume 
Trifft  aber  der  Pfeil,  so  treibt  ihn  eine  kräftige  Lunge  nicht  selten  bis  zum 
Plugpfropfen  in  den  Leib  des  Thieres.  Wenn  der  Pfeil  gerade  und  regel- 
recht auf  das  Thier  trifft,  so  bricht  er  nicht  ab;  wenn  er  aber  schlecht  verfertigt 
ein  wenig  verbogen  oder  nicht  gerade  in  seinem  Fluge  ist,  so  bricht  er  stets  nach 
dem  Eindringen  ab.  Selten  erhält  man  einen  Pfeil  zum  nochmaligen  Gebrauch 
zurück:  der  getroffene  Gegenstand  zerbricht  den  Pfeil  beim  Fallen  und  beim  Fehl- 
schuss  sind  die  Pfeile  im  Dschangel  nicht  wieder  aufzufinden.  Als  Schlusspfropf 
hinter  dem  Flugpfropfen  wird  von  allen  Stämmen  Zunder  gebraucht,  ausgenommen 
die  Orang  Benüa,  welche  das  dicke  Ende  des  Pflugpfropfens  sorgfältig  der  Bohrung 
ihres  Sumpitan  anpassen.  Im  Kriege  steckt  sich  der  Orang  Hütan  das  Haar  mit 
Pfeilen  voll,  und  nachdem  er  auf  die  kleinen  Zunderpfropfen  gespuckt  hat,  beklebt 
er  sich  damit  Stirn,  Gesicht  und  Brust,  so  dass  er  seine  Geschosse  zum  raschen 
Schiessen  fertig  zur  Hand  hat. 

Von  grosser  Wichtigkeit  für  den  Orang  Hütan  ist  das  Harz,  genannt  ^Keeji*  ')• 
Wie  das  Gift,  wie  das  Material  zum  Sumpitan  und  wie  der  Zunder  für  die  Pfeil- 
pfropfen wird  es  nur  an  gewissen  Plätzen  in  Fülle  gefunden,  und  obgleich  Bienen- 
wachs und  andere  Harze  und  Gummi  im  Ermangelungsfalle  gebraucht  werden,  so 
wird  doch  das  „Reeji^  von  Kelantan  für  das  beste  gehalten  und  bildet  einen 
Handelsartikel  für  diesen  Staat  „Reeji'^  hält  nicht  bloss  den  leichten  Pfropfen 
mit  dem  Pfeilstäbchen  zusammen,  sondern  dient  auch  zum  Einreiben  des  Stäbchens 
bis  auf  1 — 2  englische  Zoll  von  der  Spitze  an;  es  wirkt  also  als  eine  Art  von  Fimiss 
und  hält  die  Feuchtigkeit  ab.  Das  Harz  wird  eingerieben,  nachdem  es  an  das  F^euer 
gehalten  worden  ist;  der  zu  bestreichende  Theil  wird  ebenfalls  an  das  Feuer  ge- 
halten und  der  Firniss  sanft  eingerieben.  Der  Pfropfen  wird  mit  Hülfe  des  WaJd- 
messers  (Parang)  geformt. 

So  viel  über  das  Sumpitan  und  Zubehör.  Das  Pfeilgift  hat  Hr.  V.  Stevens 
von  verschiedenen  Stämmen  zu  erhalten  gewusst  und  massenhaftes  Material  ein- 
gesandt Berichte  darüber  werden  am  besten  erstattet  werden,  wenn  Alles  aus- 
reichend untersucht  und  bestimmt  ist  - 

Hr.  Staudinger  erwähnt,  dass  der  Name  Orang-Utan  auf  Sumatra  nur  wenig 
bekannt  sei,  dass  man  dagegen  hier  für  den  grossen  Anthropoiden  die  Bezeich- 
nung Marbas  anzuwenden  pflege.  — 

1)  Englische  Orthographie 


(837) 

Hr.  Virchow  erinnert  an  das  Vorkommen  des  Namens  Orang-Utang  schon 
bei  Tulpius.  Auf  der  Abbildung,  die  er  von  diesem  Affen  giebt,  steht  als  lieber- 
Schrift:  Homo  sylvestris,.  Orang-Utang*).  — 

(28)   Hr.  Virchow  spricht  über 

die  wflden  Eingebornen  von  Halacca. 

Das  besondere  Interesse,  welches  die  Anthropologen  immer  wieder  auf  die 
Halbinsel  Malacca  und  deren  Bewohner  führte,  war  hauptsächlich  durch  die  An- 
gaben der  Reisenden  über  das  Vorkommen  wollhaariger  schwarzer  Stämme  hervor- 
gerufen, welche  sich  zwischen  den  mehr  oder  weniger  malayischen  Stämmen  der 
Rüstengegenden  in  vereinzelten  Gruppen,  daher  nur  in  dem  schwer  zugänglichen 
Innern,  vorfinden  sollten.  Waitz  (Anthropologie  der  Naturvölker,  1865.  V.  1. 
S.  18,  86)  hat  die  bis  auf  seine  Zeit  vorhandenen  Berichte  mit  gewohnter  Sorg- 
falt zusammengestellt,  aber  auch  er  blieb  im  Zweifel  darüber,  ob  es  hier  wirk- 
lich eine  Art  von  Negritos  gebe.  Earl  (The  native  races  of  the  Indian  Archipelago. 
Papuans.  London  1853.  p.  150)  dagegen  betrachtete  die  Existenz  einer  wollhaarigen 
Rasse  auf  der  Malayischen  Halbinsel,  wo  sie  noch  bis  in  die  neuere  Zeit  einen 
grossen  Theil  des  Innern  eingenommen  habe,  als  ausgemacht,  aber  eigentlich 
wusste  er  nur  von  einem  einzigen  Semang  zu  erzählen,  den  Anderson  als  den  Anda- 
manesen  ähnlich  beschrieben  hatte  und  dessen  Haar  wollig  und  buschig  (tufted)  ge- 
wesen sein  sollte.  Dieses  Zcugniss  wurde  dadurch  sehr  beeinträchtigt,  dass  ein  anderer 
Semang  von  Tringano  eine  ganz  andere,  „Papua-Tamulische^  Beschaffenheit  zeigte: 
„sein  Haar  war  spiralig,  nicht  wollig,  und  wuchs  dick  um  den  Kopf  in  Büscheln**. 

N.  V.  Miklucho-Maclay  hat  das  Verdienst,  auf  zwei  Reisen  durch  die 
Halbinsel  von  Johor  aus  1874 — 75  etwas  bestimmtere  Nachrichten  gesammelt  zu 
haben.  Sein  Bericht  (Ethnologische  Excursionen  in  der  Malayischen  Halbinsel. 
Separ.-Abdr,  mit  Karte  und  Abbildungen.  Vgl.  Hlustr.  Zeitschrift  für  Länder- 
und Völkerkunde.  1880.  Bd.  37.  Nr.  1.  Verhandl.  unserer  Gesellsch.  1876. 
S.  226,  291)  bezieht  sich  namentlich  auf  die  Orang  Sakai,  die  er  an  verschiedenen 
Orten  im  Innern  antraf,  während  es  ihm  nicht  gelang,  mit  den  Orang  Semang 
direkte  Fühlung  zu  gewinnen.  Von  den  ersteren  sagt  er,  dass  ^.ihre  Haare  ganz 
feine  Ringelungen  (2 — 4  mm  im  Durchmesser)  zeigen  und  auf  dem  Kopfe  eine 
compakte,  wenig  abstehende  Haarmasse  bilden.^  rJ^^  Haar  ist  ein  gutes  Kenn- 
zeichen für  die  Reinheit  der  Abstammung,^  fügt  er  hinzu.  Er  kam  schliesslich 
zu  der  Ueberzeugung,  ^dass  die  Orang  Sakai  und  die  Orang  Semang  Völker- 
schaften desselben  Stammes  seien,  dass  sie  in  physischem  Habitus  und  in  sprach- 
licher Beziehung  einander  sehr  nahe  stehen  und  eine  reine,  ungemischte  Ab- 
zweigung des  melanesischen  Stammes  darstellen,  deshalb  von  den  Malaien  anthro- 
pologisch absolut  verschieden  seien. ^ 

Für  eine  solche  Trennung  sprechen  auch  ein  Paar  Photographien  von  Sakais 
aus  Perak,  die  Hr.  Bro  de  Saint-Pol  Lias  aufgenommen  hat  (Quatrefages, 
Les  Pygmees.    Paris  1887.  p.  53.  Fig.  8). 

Es  erschien  mir  deshalb  von  höchster  Bedeutung,  die  Völker- Verhältnisse  der 
Halbinsel  ?on  Neuem  durch  eine  erprobte  Persönlichkeit  studiren  zu  lassen.  Zu 
diesem  Zwecke  empfahl  sich  Mr.  Hrolf  Vaughan  Stevens,  ein  Mann  aus  einer 
norwegischen,  nach  England  übergewanderten  Familie,  der  in  Australien  seine  Be- 
fähigung zum  Verkehr  mit  den   Wilden   genügend   nachgewiesen   und   mit   den 

1)  Nicolai  Tulpii  Observat.  medicae.    Amstolod.  1652.    p.  284. 


(838) 

Weddas  von  Ceylon  längere  Zeit  unmittelbar  zusammen  gelebt  hatte.  Als  er  sich 
zur  Uebernahme  einer  wissenschaftlichen  Mission  in  Malacca  bereit  erklärte, 
schlag  ich  Hrn.  Bastian  vor,  ihn  dahin  zu  entsenden.  Ich  stellte  für  diesen 
Zweck  eine,  von  Emil  Riebeck  meiner  Stiftung  vermachte  Summe  zur  Verfügung. 
Hr.  Bastian  ging  auf  den  Vorschlag  ein  und  fügte  aus  den  Mittein  des  Museums 
für  Völkerkunde  eine  gleiche  Summe  hinzu.  So  ausgerüstet,  hat  Mr.  Stevens 
die  Reise  angetreten  und  von  Johor  aus  ausgedehnte  und  zum  Theil  gefahrvolle 
Expeditionen,  vorzugsweise  an  der  Ostküste,  ausgeführt. 

Seine  Ergebnisse  sind  bis  jetzt  in  Bezug  auf  den  anthropologisch  wichtigsten 
Punkt  ohne  ein  abschliessendes  Ergebniss  gewesen.  Er  hat  keine  Negritos  ge- 
troffen. Aber  er  hat  die  Hoffnung  nicht  aufgegeben,  und  im  Augenblick  befindet 
er  sich  auf  einer  neuen  Expedition,  von  deren  Verlaufe  noch  keine  Nachricht  ein- 
getroffen ist.  Was  er  auf  den  von  ihm  früher  besuchten  Gebieten  gesehen  hat, 
ist  vorher  durch  Hrn.  Orünwedel  überaichtlich  dargestellt  worden.  Aus  diesen 
Gebieten,  in  welchen  hauptsächlich  Leute  vom  Stamme  der  Blandass  wohnen,  hat 
er  auch  eine  Reihe  anthropologischer  Notizen  eingesendet.  Diese  sollen  den  In- 
halt der  nachfolgenden  Mittheilungen  bilden.  Dabei  ist  von  vorn  herein  hervor- 
zuheben, dass  Mr.  Stevens  von  keinem  der  Stämme,  die  er  kennen  gelernt  hat, 
überzeugt  ist,  dass  derselbe  ganz  reinen  Blutes  sei,  sowie  dass  seine  Messungen, 
wie  er  selbst  sagt,  zum  Theil  wegen  des  mangelhaften  Zustandes  seiner  Instru- 
mente, nicht  als  ganz  sicher  angesehen  werden  dürfen.  Immerhin  dürfen  sie. 
meiner  Meinung  nach,  auch  wemi  sie  nur  approximative  Werthe  enthalten  sollten« 
als  nicht  zu  verachtende  Grundlagen  für  die  VöJkerkenntniss  der  roalayischen  Halb- 
insel angesehen  werden. 

In  einem  Berichte,  der  im  Juli  1891  hier  einging,  bemerkt  er,  es  würde  ihm 
möglich  gewesen  sein,  Schädel  von  Mantra  oder  Jakuns  zu  sammeln,  aber  er 
habe  es  unterlassen,  da  er  noch  nicht  ermittelt  habe,  was  diese  Leute  eigentlich 
seien.  Auch  die  Blandass  seien  Mischlinge;  alle  hätten  in  variablen  Verhältnissen 
malayisches  Blut.  Sie  wanderten  hin  und  her,  seien  bald  in  Pcrak,  bald  in 
Pahang,    Selang  oder  sonstwo,  und  nähmen  ein  Weib  von  einem  ihrer  Waris.  — 

Bei  dieser  Gelegenheit  gicbt  er  eine  Beschreibung  der  Lattah-Krankheit. 
die  sehr  häufig  unter  ihnen  vorkomme.  Bei  den  Orang  Utan  litten  hauptsächlich 
die  Weiber  daran,  wohl  12  pCt.  in  ausgesprochener  Weise,  und  ausserdem  noch 
30  pCt.  in  verschiedenen  Graden.  ^Wenn  ich  ein  Lattah-Weib  ansehe,**  sagt  er. 
„und  plötzlich  eine  sprungweise  Bewegung  (jump  gesture),  einen  Schrei  oder  eine 
Handlung  vornehme,  so  wird  sie  das  wiederholen,  und  nur  eine  wirkliche  Ruh<^ 
pause  wird  ihr  wieder  die  Herrschaft  über  ihre  Nerven  zurückgeben.  Der  Lnttah- 
Zustand  wird  durch  eine  einfache  Berührung  hervorgerufen.  So  ist  es  unmöglich, 
die  Symphysis  pubis  zu  messen;  bis  zu  dem  Augenblick,  wo  die  Frau  den  Druck 
des  untersuchenden  Fingers  empfindet,  steht  sie  ganz  still  bei  allen  Vornahmen, 
dann  aber  bricht  auf  einmal  eine  hysterische  Verkrümmung  (wriggling)  aus.  Die 
Umstehenden  lachen  darüber,  und  das  macht  die  Sache  noch  schlimmer,  denn 
die  Frau  bricht  gleichfalls  in  Lachen  aus,  ohne  sich  halten  zu  können  (without 
seif  control).'' 

„Als  ich  eines  Tages  mit  einem  Weibe  über  diesen  Gegenstand  sprach,  fragte 
ich  sie:  Wenn  ich  sie  aufforderte,  ihre  Hand  in  das  Feuer  zu  stecken,  würde  sie 
es  thun?  Sie  war  bis  dahin  ganz  ruhig,  aber  nun  begann  sie  zu  schreien,  und 
der  alte  Penglima,  der  bei  mir  sass,  ergriff  sofort  eine  Rokosnussscbale  mit 
Wasser  und  schüttete  es  in  das  Feuer.  Das  Weib  ergriff  unmittelbar  darauf  mein 
Gefüss  mit  Curry  und  Reis,  welches  zu  meiner  Mittags  mahl  zeit  bereit  stand,  und 


(839) 

schüttete  es  über  das  Feuer,  in  Nachahmimg  der  gesehenen  Handlung.  Jetzt 
sprang  die  Frau  des  Pcnglima  auf  und  lief  in  das  Jnngle,  indem  sie  die  Arme 
über  den  Kopf  schwenkte.  Das  Weib  ahmte  ihr  nach  und  rann  hinter  ihr  her. 
Der  Penglima  erklärte  mir  nun  den  Vorgang:  das  Weib  hätte  sicherlich  ihre  Hand 
in  das  Feuer  gesteckt,  wenn  er  dasselbe  nicht  ausgelöscht  hätte,  und  seine  Frau 
habe  das  Weib  in  das  Jungle  gelockt,  wo  sie  wieder  ruhig  werden  würde." 

^Der  Mann  zeigte  mir  an  seinem  Ellbogen  drei  lange  Narben,  welche  von 
einer  Verletzung  in  seiner  Kindheit  herrührten.  Damals  kam  ein  Mann  zu  seiner 
Mutter,  setzte  sich  ihr  gegenüber,  plauderte  mit  ihr  und  nahm  fast  gedankenlos 
ein  Stück  Zuckerrohr,  das  er  mit  seinem  Parang  spaltete,  um  davon  zu  essen.  Im 
nächsten  Augenblick  ergriff  die  Mutter  gleichfalls  einen  Parang  und  verwundete 
damit  das  Kind,  das  sie  hielt,  einigemal,  bevor  der  Mann  es  befreien  konnte." 

^Ich  selbst  habe  Lattah- Weiber  höchst  auffällige  Dinge  thun  sehen.  Einmal 
fehlte  mir  eine  Notiz  über  das  Haar  an  den  Genitalien.  Ich  rief  ein  Lattah- Weib 
in  eine  Hütte  und  veranlasste  den  Penglima,  sein  Sarong  über  den  Kopf  zu  ziehen; 
sofort  hob  das  Weib  ihre  Kleider  auf  und  stand  nackt  da." 

„Wegen  des  Lattah  verbergen  sich  Weiber,  die  ein  Kind  an  der  Brust  haben, 
in  der  Hütte,  sobald  ein  Fremder,  namentlich  ein  Malaie,  die  Niederlassung  be- 
tritt oder  seinen  Weg  durch  dieselbe  nimmt  Oft  genug  sieht  man  auch  eine 
Qcsellschaft  von  ßlandass  von  einem  Ort  zu  einem  anderen  ziehen,  wobei  einzelne 
Männer  Kinder  tragen.  Das  geschieht,  wenn  die  Frau  Lattah  ist  und  in  Besoi^iss 
geräth,  dass  irgend  ein  ungewöhnlicher  Gegenstand  dem  Kinde  Schaden  zufügen  könne." 

„Das  Lattah  scheint  nicht  vor  dem  Eintritt  der  Menstruation  vorzukommen. 
Selten  besteht  es  mehrere  Jahre  fort.  Von  den  Kindern  einer  Lattah-Frau  wird 
eines  oder  das  andere  von  der  Krankheit  ergriffen,  die  anderen  nicht.  Die  Krank- 
heit wird  nicht  durch  geistige  Erregung  in  dem  dunklen,  mysteriösen  Walde  her- 
vorgerufen, denn  die  wilderen  Leute  haben  sie  weniger,  als  diejenigen,  welche  an 
sonnigen,  lichten  Stellen  unter  Malayen  leben.  Fremden  wird  die  Existenz  einer 
Lattah  verheimlicht,** 

Man  ersieht  aus  dieser  Beschreibung,  dass  die  Lattah-Krankheit  eine  Neurose 
ist,  welche  dem  Hypnotismus  mit  Neigung  zur  Suggestion  nahe  verwandt 
ist.  Manches  in  den  Schilderungen  von  Reisenden,  welche  das  Leben  der  Ein- 
gebomen in  ihren  Hütten  beobachtet  haben,  auch  an  anderen  Orten,  dürfte  der- 
selben Kategorie  angehören.  — 

Mr.  Stevens  klagt  darüber,  dass  die  Unsicherheit  über  das  Verhältniss  der 
einzelnen  Stämme  zu  einander  sehr  gross  sei,  da  jeder  Stamm  eine  Stufen- 
folge von  Vermischungen  darstelle.  „Wenn  ich  finde,  dass  ein  Tummeor  ein 
Blandass  ist,  oder  dass  er  von  einem  uralten  Ausbau  eines  Blandass-Zweiges  her- 
stammt, der,  gleich  den  Kenaboy  und  den  Bcrsisi,  nach  dem  neuen  geographischen 
Platze  einen  anderen  Namen  angenommen  hat,  in  Folge  dessen  der  alte  Name 
Blandass  im  Laufe  der  Zeit  vergessen  ist,  so  gewinne  ich  freilich  den  ursprüng- 
lichen Namen,  aber  gegenwärtig  ist  es  eine  schwierige  Frage,  ob  der  Stamm  über- 
haupt existirt,  und  ich  frage  mich,  ob  der  mir  ertheilte  Auftrag  dahin  geht,  halb- 
schlächtige  Malayen  zum  Gegenstande  der  Untersuchung  zu  machen." 

„Die  von  mir  unternommenen  Messungen  sind  in  Millimetern  an-     Fig.  1.  Vs 
gegeben.    Die  Länge  und  Breite  des  Kopfes,  die  Gesammthöhe  des 
Körpers  und  die  des  Nabels  sind  jedesmal  dreimal  in  Zwischenräumen 
wiederholt,  imi  correkt  zu  sein. 

„Die  Nase   hat  durchweg  Stammesbesonderheiten  (is  thoroughly 
tribal)  und  sieht  aus,  als  wenn  dieselbe  Gussform  für  alle  verwendet 


(840) 

wäre.  Ich  habe  nicht  eine  einzige  Ausnahme  oder  Abweichnng  von  dem  Typus 
angetroffen.  Der  beifolgende  Umriss  (Figur  1)  zeigt  die  typische  Form  ron 
Figur  2.  '/'  20  Männern;  die  Curve  giebt  die  Verhältnisse  Ton  zwei  Drittheilen 
ziemlich  genau ').    Figur  2  zeigt  den  Querschnitt  der  Nasenspitze. 

„Die  Nägel  an  Händen  und  Füssen  sind  sehr  kurz,  schmal  und 
dünn,  namentlich  bei  Frauen.  Da  sie  leicht  brechen,  so  yerkflrzen 
sie  sich  stark.  Hände  und  Füsse  sind  knorrig  (knobbed)  und  nach  auswärts  ge- 
krümmt (splayed)  in  Folge  der  Einwirkungen  ihrer  Lebensverhältnisse.  Bei  Rindern 
sind  sie  lang  und  mehr  schmal,  als  breit.  Die  Fusssohle  ist  bei  Kindern  so  weiss, 
wie  bei  Europäern,  oder  wenigstens  ebenso  frei  von  dunkler  Färbung,  dagegen 
zeigt  der  Körper  keine  gleichmässige  Farbe.  Dunklere  Flecke  finden  sich  an  der 
Brust,  dem  Rücken,  den  Ellbogen  (aussen),  den  Knieen  (aussen),  der  Analgegend 
und  den  Unterschenkeln.  Bei  dem  neugeborenen  Kinde  entspricht  die  Fusssohle 
den  Nummern  23 — 24,  die  Haut  30 — 31,  die  Flecken  36,  die  Augen  2  der  Broca- 
sehen  Farbentafel. 

Fifnir  8.    V  v^^^  Augen  sind  bei  allen  Blandass  ganz  gleich.    Ich  habe  auch 

nicht  eine  Abweichung  ron  den  Schattirungen  No.  1  oder  2  wahr- 
genommen. Die  Innenseite  der  Oberschenkel  ist  am  hellsten  ge- 
färbt, besonders  bei  Frauen,  wo  die  Zahl  45  beträgt  Die  einzigen 
Schattirungen,  welche  ich  bei  Personen  angetroffen  habe,  die  Ton 
Kindheit  an  malayische  Kleidung  trugen,  waren  26,  33,  30,  37  und 
43.  Männer  aus  dem  Jungle,  die  mit  dem  Chawat  bekleidet  waren, 
zeigten  29,  35,  Frauen  37.  Der  dunkelste  unter  den  Jakuns  hatte 
28.  Der  Grad  der  Beimischung  ?on  malayischem  Blut  bestimmt  die 
Farbe,  wo  nicht  die  Sonne  Alles  zu  einer  gleichmässigen,  helleren 
Nuance  bronzirt  (where  the  sun  does  not  bronze  to  one  uniform 
tint,  making  it  lighter). 

„Die  Zähne  der  Jakuns,  nicht  der  Alveolarfortsatz,  springen 
häufig  um  12—16  mm  vor  den  Schneidezähnen  des  Unterkiefers 
Yor,  welche  fast  senkrecht  stehen.  Caries  kommt  bei  den  Wald- 
bewohnem  selten  vor,  dagegen  öfters  bei  denen,  die  unter  den 
Malayen  leben.  Bei  den  Blandass  sind  die  oberen  Schneidezähne 
viel  breiter,  als  die  unteren.  Die  Lippen  sind  wohlgebildct,  dünn 
und  die  obere  wohl  gebogen, 
^rpisches  ^jy^Q  jj^gg   jg^  niemals   durchbohrt,   dagegen  werden   die  Ohr- 

Chamai    einem  läppchen  der  Frauen  stets  zu  einem  Loche  von  5  mm  bis  5  ctn  ans- 

45jährigen      geweitet. 
Bersisi-Weibe.  ^p^^  Vorderkopf  ist  stete  voll  und  vorstehend  (Fig.  3). 

^Beifolgender  Umriss  (Fig.  4)  zeigt  die  typisch  gebildete  Brust  eines  jungen 
Mädchens  unmittelbar  vor  ihrer  Yerheirathung.  Bei  den  Weibern  sind  die  beiden 
Brüste  öfters  unsymmetrisch.  Die  Genitalien  sind  bei  beiden  Geschlechtem  klein. 
„Die  gemessenen  Männer  behaupteten  sämmtlich,  sie  seien  reine  Beispiele  der 
Stämme,  deren  Namen  sie  trugen.  Ich  habe  kein  Bedenken,  zu  sagen,  sie  waren 
es  nicht.  Lange  Zeit  wurde  ich  dadurch  irregeführt,  dass  die  Meinung  allgemein 
geglaubt  wird,  das  Blut  der  Frau  bringe  kein  champur  (Mischung).  Wenn  ich 
die  Männer  fragte,  ob  sie  iigcnd  eine  Beimischung  von  malayischem  Blut  hätten. 


1)  Das  eingeschickte  Profil  hat  sehr  grosse  Aehnlichkeit  mit  den  Profilen  dreier  Per- 
sonen, einem  indischen  Ghond,  einer  Andamanesin  und  einer  A(^ta,  bei  Quatrefages 
(1.  c.  p.  63.    Fig.  11.) 


(841) 


80  yersicherten  sie  ganz  bestimmt,   dies  sei  nicht  der  Fall.    Aber  sie  zeigten  mir 
andere  Personen  aus  ihrem  ^Stamme,   die  sie  als  Mischlinge  anerkannten,   selbst 


Figur  4.    \ 


/s 


Umriss  der  Bmst  von  Owee,  einem  12jfthrigen  Mantra-M&dchen. 

wenn  die  Kreuzung  schon  vor  vielen  Generationen  stattgefunden  hatte.  Auch  als 
ich  ihre  Auffassung  kennen  lernte,  dass  das  Rind  das  banksa  des  Vaters  allein 
sei,  und  ich  dieselben  Leute  in  einzelnen,  mir  bekannten  Fällen  fragte,  ob  ma- 
layisches  Blut  nicht  durch  die  Frau  in  die  Familie  eingebracht  sei,  blieben  sie  bei 
ihrem  „Nein^;  sie  seien  reine  Blandass,  da  ihr  Vater  es  gewesen  sei.*' 

Mr.  Stevens  wirft  hier  ohne  weitere  Motivirung  die  Frage  auf,  ob  nicht  ein 
Rückschlag  zu  reinem  Blandass  in  der  neunten  nachfolgenden  Zufuhr  von  Blandass- 
blut  nach  einer  einzigen  früheren  Kreuzung  (the  retum  to  Blandass  purity  in  the 
ninth  consecutive  Infusion  of  Blandass  blood  only  after  such  original  cross)  zu- 
lässig sei. 

Seine  Messungen  hat  Mr.  Stevens  in  2  grossen  Tabellen  zusammengestellt, 
deren  Anordnung  kleine  Abweichungen,  auch  in  der  Zahl  der  gemessenen  Theile, 
zeigt.  Die  erste  hat  50,  die  zweite  nur  42  Maasse.  Ueber  die  Art  der  Messung 
gicbt  er  ausführliche,  jedoch  nicht  immer  ganz  klare  Nachweise,  ans  denen  her- 
vorgeht, dass  er  manche  Maasse  und  noch  mehr  die  Methode  ihrer  Ausführung 
erst  ausgedacht  hat.  Da  er  selbst  Bedenken  in  dieser  Beziehung  äussert,  so  ver- 
zichte ich  vorläufig  auf  die  vollständige  Wiedergabe  der  Tabellen  und  beschränke 
mich  auf  die  Besprechung  einiger  Hauptverhältnisse. 

Was  zunächst  die  gemessenen  Leute  betrifft,  so  gehörten  sie  sämmtlich  zu 
Blandass-Stänmien,  und  zwar  in  folgender  Vertheilung,  wobei  die  Kinder  -bis  zu 
15  Jahren  gerechnet  sind: 

Liste  L  Mantra  Jakun         Kenaboy  Sinnoi 

Männer:  erwachsen 

Kinder  .  . 
Frauen:  erwachsen 

Kinder  .  . 
Liste  U. 
Männer:  erwachsen 

Kinder  .  . 
Frauen:  erwachsen 

Kinder  .  . 


i\ 


10 


6 
2 


h) 


18 


T) 


1 


)      l]^ 


3 
3 
2 
3 


6 


11 


Kenaboy 

-I' 

IN 


3 
1 


B^rslsi 
2 


-I 


1 


1 

2 
3 
2 


1 


h 


-I 


20                 13  5 

Das  ergiebt  im  Ganzen: 

Mantra  Jakun    Kenaboy  Sinnoi  BSrsisi 

7  4  14  4 

6  3  2            5  2 

Kinder  .  .  .  S          4  3  1            1  3 

,       .  .  .  ?          3  3  1           —  1 


10 


10 


Erwachsene   $ 


(842) 

Betrachten  wir  nun  einzelne  der  Hauptverhältnisse: 

1.  Die  Körperhöhe,  gemessen  Yom  Erdboden  bis  zur  Scheitelhöhe  des 
Kopfes,  der  in  der  „Stellung  nach  Camper^  festgehalten  wurde.  Mr.  Stevens 
bemerkt,  dass  er  einen  Kunstgriff  angewendet  habe,  um  gewisse  Theile  des  Körpers 
in  der  Art  festzuhalten,  dass  die  Windungen  und  hysterischen  Bewegungen  des 
Lattah  keinen  Einfluss  ausübten  und  dass  keine  Bewegung  des  Rumpfes  stattfinden 
konnte.  Trotzdeili  ergeben  sich  recht  grosse  Differenzen  innerhalb  der  einzelnen 
Stämme,  auch  wenn  man  die  Geschlechter  getrennt  betrachtet  So  schwankte  die 
Körperhöhe  bei  den  Mantra-Männern  zwischen  1638  und  1471  mm,  also  um  167;  bei 
den  Frauen  zwischen  1488  und  1405,  also  um  83;  zwischen  dem  grössten  Mann 
und  der  kleinsten  Frau  um  233  mm.  Am  grössten  waren  die  Differenzen  bei 
den  Sinnoi,  wo  freilich  die  ganz  ungewöhnliche  (wenn  anders  richtige)  Kleinheit 
einer  42jährlgen  Frau  mit  1341  mm  angegeben  ist:  hier  beträgt  die  Differenz 
der  Männer  172  (1594—1422),  die  der  Frauen  128  (1469—1341),  die  des  grössten 
Mannes  und  der  grössten  Frau  253  mm  (1594—1341).  Auch  bei  den  Kenaboys  ist 
eine  28jährige  Frau  mit  nur  1352  mm  notirt.  Man  darf  wohl  annehmen,  dass  dies 
Ausnahme -Verhältnisse  waren,  da  bei  den  Mantra  ein  12  jähriges  Mädchen  mit 
1422,  ein  14 jähriger  Knabe  sogar  mit  1482  mm  verzeichnet  ist.  Es  könnte 
freilich  auch  umgekehrt  geschlossen  werden,  wenn  man  findet,  dass  bei  den  Jakon 
ein  12 jähriges  Mädchen  nur  1219,  ein  ebenso  alter  Knabe  1254  mm  hatten,  und 
dass  bei  den  Bersisi  ein  11  jähriger  Knabe  mit  1248,  ein  15 jähriger  mit  nur 
1262  mm  erwähnt  wird. 

Jedenfalls  besteht  ein  sehr  erheblicher  Grössennnterschied  zwischen  den  Ge- 
schlechtern. Unter  sämmtlichen  gemessenen  Blandass-lV eibern,  19  an  der  Zahl, 
fand  sich  nur  ein  einziges,  eine  Jakun,  deren  Wuchs  über  1500  mm  hinausging 
(1523),  während  unter  den  Mantra-Männern  zwei  über  1600  mm  maassen  (1G3^ 
und  1608),  und  zwischen  1500  und  1600  noch  ein  dritter  Mantra,  3  Jakun,  1  Ke- 
naboy,  3  Sinnoi  und  3  Bersisi  vorkamen.  Der  kleinste  Mann  war  ein  3 2 jähriger 
Sinnoi  mit  1422  mm;  alle  anderen  Männer  sämmtl icher  Stämme  maassen  mehr  als 
1470  mm.  Von  den  Weibern  dagegen  blieben  8  unter  1430  mm  und  nur  7  über- 
schritten die  Zahl  1450. 

Aehnlicho  Zahlen  hat  Miklucho-Maclay  erhalten.  Er  fand  bei  den  Orang 
Utan  in  80  Messungen  bei  Männern  1390  bis  1560,  bei  Frauen  1305  bis  1430, 
und  bei  den  Orang  Sakei  in  23  Messungen  bei  Männern  1460  bis  1620,  bei  Frauen 
1400  bis  1480  mm. 

2.  Die  Klafterweite,  gemessen  nach  der  Distanz  der  Spitzen  beider  Mittel- 
finger bei  rechtwinkliger  Ausspannung  der  Arme  hinter  dem  Rücken.  (Dies 
ist  eine  Abweichung  von  unserer  Methode,  wo  die  Messlinie  vor  der  Brust  liegt). 
Das  grösste  Maass,  1755  mm,  zeigte  ein  35 jähriger  Mantra  von  1538  mm  Körper- 
höhe (also  Differenz  +  217  mm),  das  grösste  unter  den  Frauen,  1545  mm,  eine 
21jährige  Jakun  von  1523  mm  Körperhöhe  (Differenz  +  22  mm),  das  kleinste  über- 
haupt, 1370  vnn,  eine  22jährige  Sinnoi  mit  1424  mm  Körperhöhe  (Differenz  —  54;, 
umgekehrt  wie  eine  42jährige  Sinnoi-Frau,  die  1375  mm  Klafterweite  und  1341  mm 
Körperhöhe  (Differenz  +  34)  hatte.  Im  Allgemeinen  war  die  Klaflerweite  grösser, 
häufig  erheblich  grösser,  als  die  Körperhöhe.  Ausnahmen,  ausser  den  schon  ge- 
nannten, finde  ich  bei  einer  45jährigen  Bersisi-Frau :  Klafterweite  1423,  Körper- 
höhe 1440  (Differenz  -  17),  bei  einer  23jährigen  Sinnoi:  1463,  1469,  Differenz 
—  6,  bei  einer  45jährigen  Mantra:  1451,  1488,  Differenz  —  37.  Möglicherweist* 
entwickelt  sich  das  typische  Yerhältniss  erst  spät.  Ein  14 jähriges  Mantm-Mädchen 
von  1412  mm  Körperhöhe  maass  in  der  Klafterweite   1431   (Differenz  +  19):  bei 


(843) 


einem  15jährigen  Bersisi  lauten  die  Zahlen  1262,  1274,  Differenz  +  12,  dagegen 
bei  einem  3jährigen  Mantra-Knaben  861,  843,  Differenz  —  18,  bei  einem  3jährigen 
Sinnoi  850,  810,  Differenz  —  40,  bei  einem  4jährigen  Jakun  922,  895,  Differenz 
-  27,  bei  einem  7jährigen  Mantra -Mädchen  1066,  1046,  Differenz  -  20.  Be- 
greißicherweise  kommt  es  am  meisten  auf  die  Breitenentwicklung  der  Brust  an. 

3.  Der  Kopfindex  variirt  innerhalb  recht  weiter  Grenzen:  zwischen  71,4  und 
91,6,  so  jedoch  dass  beinahe  die  Hälfte  der  Leute  mesocephal  und  von  der 
anderen  Hälfte  etwa  zwei  Dritttheile  brachycephal  befunden  wurden. 
Ob  man  jedoch  den  Einzelmessungen  durchweg  einen  entscheidenden  Werth  bei- 
legen darf,  ist  einigermaassen  zweifelhaft,  da  namentlich  in  Bezug  auf  die  Kinder 
Angaben  von  sehr  widerspruchsvollem  Charakter  vorkommen. 

Ich  gebe  zum  Vergleich  einige  Zahlen: 

4  jähriges  männliches  Jakim-Kind,   Länge  des  Kopfes  171,  Breite  129,  Index  75,4 

„         weibliches         ^         „  „         „        „  163,      „       129,      „  79,1 

„         männliches  Kenaboy-Kind,     „    ,     „        „  164,      „       122,      „  74,4 

3  jähriges  „  Sinnoi-        „         ^         „        „  1Ö3,      „       129,      „  84,3 

^  „         Mantra-       ^         „         „        ^  163,      „       124,      „  76,1 

Trotzdem  möchte  ich  den  Zahlen  einen  approximativen  Werth  nicht  bestreiten, 
da  dieselben  mit  den  Zahlen  von  Miklucho-Maclay  nahe  zusammentreffen. 
Dieser  giebt  den  Kopfindex  der  Mantra  zwischen  74  und  89,  den  der  Orang  Utan 
für  die  Männer  zwischen  71  und  86,  die  Frauen  79—91,  die  Kinder  74 — 80,  endlich 
den  der  Orang  Sakei  für  die  Männer  zwischen  74—82,  die  Frauen  75 — 84,  die 
Kinder  74 — 81  an.  Von  dem  Schädel  der  Sakai  sagt  er,  derselbe  sei  mesocephal 
mit  einer  entschiedenen  Neigung  zur  Brachycephal ie,  dagegen  der  Schädel  der 
Orang  Utan  „dolichocephaler''. 

Geht  man  von  der  These  des  Mr.  Stevens  aus,  dass  die  von  ihm  gesehenen 
Blandass  durchweg  Mischlinge,  wenngleich  vielleicht  Abkömmlinge  aus  recht  alter 
Mischung,  waren,  und  macht  man  die  Voraussetzung,  dass  die  einzelnen  Stämme, 
je  nach  ihren  Sitzen  und  Verkehrsverhältnissen,  in  verschiedenen  Graden  der 
Mischung  unterlegen  haben,  so  würde  es  sich  fragen,  welche  von  ihnen  am 
wenigsten  malayisches  Blut  in  sich  tragen.  Ich  will  zunächst  eine  Uebersicht  der 
thatsächlichen  Befunde  geben.    Es  waren  unter  den 


1.  Mantra  (20) 

Erwachsene 
Männer      Frauen 

Kinder  bis  16  Jahren 
männliche      weibliche 

Zusammen 

dolichocephal    .    . 
mesocephal  .    .    . 

1 
.       3 

3 

3 

3 

1 

4 
10 

brachycephal     .     . 

.      3 

1 

2 

6 

2.  Jakun  (13) 
dolichocephal    .     . 
mesocephal  .    .    . 

1 
1 

1 
2 

3 

3 

2 
9 

brachycephal     .     . 

.      2 

— 

— 

2 

3.  Kenaboy  (5) 
dolichocephal    .    . 
mesocephal  .     .     . 
brachycephal     .    . 

1 

1 

1 

1 
1 

— 

2 
2 

1 

4.  Sinnoi  (10) 
dolichocephal    .    . 
mesocephal  .    .    . 
brachycephal     .     . 

1 
.       3 

1 
1 
3 

— 

l 

1 
2 

7 

(844) 

5.  Bersisi  (10)            Erwachsene  Kinder  bis  15  Jahren 

Manner      Frauen  mÄnnliche     weibUche  Zusammen 

mesocephal  ....      2             —  2                 1                     5 

brachycephal     ...      2               2  1               —                    5 

Hier  fällt  sofort  auf,  dass  bei  den  Mantra  und  Jakun  die  Mesocephalie,  bei 
den  Sinnoi  die  Brachycepbalie  dominirt.  Die  Bersisi,  bei  denen  auch  nicht  ein 
einziges  dolichocephales  Individuum  gefunden  ist,  schliessen  sich  den  Sinnoi  an, 
dagegen  stehen  die  Kenaboy,  die  unter  5  überhaupt  gemessenen  Personen  2  doli- 
chocephale  und  nur  1  brachycephale  hatten,  den  Jakun  am  nächsten.  Dabei  ist 
es  bemerkenswerth,  dass  die  einzige  dolichocephale  Person  unter  den  Sinnoi  eine 
Frau,  also  wohl  ein  allophyies  Element,  war  und  dass  auch  bei  den  Mantra 
auf  einen  dolichocephalen  Mann  3  dolichocephale  FVauen  kamen.  Hier  wird  wohl 
kaum  daran  zu  zweifeln  sein,  dass  diese  Frauen  nicht  den  eigentlichen  Blandass- 
Typus  vertreten. 

Das  Gesammtverhältniss  der  Typen  gestaltet  sich  folgendermaassen: 
dolichocephal    4  $     5  $,  zusammen     9  =  15,5  pCt. 
mesocephal      16  „    12    „  „  28  =  48,2    „ 

brachycephal    12   „     9   „  „  21  =  36,2    „ 

Bin  Ueberblick  über  die  in  der  vorletzten  Tabelle  gegebenen  Zahlen  für  die 
einzelnen  Stämme  lehrt  femer,  dass  fast  nur  diejenigen  Stämme,  bei  welchen  die 
Mesocephalie  stärker  hervortritt,  also  die  Mantra,  die  Jakun  und  die  Kenaboy, 
dolichocephale  Elemente  enthalten,  während  bei  den  Sinnoi,  wo  ßrachycephalie 
so  stark  hervortiitt,  nur  eine  einzige  dolichocephale  Person,  und  zwar  eine  Frau, 
bei  den  Bersisi  nicht  eine  einzige,  ermittelt  wurde.  Es  erscheint  daher  fast  als 
nothwendig,  anzunehmen,  dass  die  ersteren  die  mehr  gemischte,  die  letzteren  beiden 
die  reineren  Stämme  repräsentiren.  Dazu  kommt,  dass  bei  den  Sinnoi  von  den 
2  Mesocephalen  die  Frau  einen  Index  von  79,9,  also  eigentlich  schon  einen  brachy- 
cephalen  Index  besass,  während  der  Mann  einen  solchen  von  78,2  hatte,  dass  ferner 
von  den  ausgemacht  brachycephalen  Individuen  ein  Mann  87,2,  ein  männliches 
Kind  84,3,  die  anderen  beiden  Männer  81,6  und  81,8,  die  3  anderen  Frauen 
81,5 — 82,9 — 83,7  ergaben;  somit  dürfte  die  Brachycephalie  dieses  Stammes  ausser 
allem  Zweifel  stehen.  Bei  den  Bersisi,  bei  denen  die  Brachycephalen  den  Mesoce- 
phalen eben  nur  das  Gleichgewicht  halten,  sind  die  brachycephalen  Indices  darcb- 
weg  etwas  niedriger;  nur  eine  Frau  erreicht  81,9,  sonst  bewegt  sich  der  Index 
zwischen  80,0  und  80,8. 

4.  Das  Haar.  Die  einzigen  anthropologischen  Original-Objekte,  welche  Mr. 
Stevens  bis  jetzt  eingeschickt  hat,  sind  Proben  von  Kopfhaar,  und  zwar  recht 
ausgiebige.  In  der  Beschreibung  derselben  bringt  er  zugleich  einige  dankenswerthe 
Hinweise  auf  die  BeschafiTenheit  des  Haares.  Ich  gebe  diese  Beschreibung  in  einer 
Uebersetzung: 

„Nr.  39.  Musterhaar,  durch  einen  alten  Batin  (Häuptling)  für  mich  aas- 
gewählt,  als  gleichartig  mit  dem,  was  seit  Menschengedenken  als  das  ursprüng- 
liche (early)  Blandass-Haar  galt.  Die  Blandass  selbst  erklären  einmttthig,  dass  das 
grobe,  gestreckte  (coarse  straight)  Haar  von  malayischer  Mischung  herstamme;  «ie 
nennen  es  „Kaser^.  Der  alte  Typus,  auf  den  sie  sehr  stolz  sind,  heisst  ^Rambnl 
Aieer'^  oder  Wasser-Haar;  es  ist  noch  gelegentlich  zu  sehen  und  hat  eine  deutliche 
Schattirung  von  Roth.  Ueberdies  pflegt  es  nicht  weiss  zu  werden,  während  das 
grobe  Haar  dies  thui  Die  Probe  ist  von  einer  35  Jahre  alten  Blandass-FVao*  und 
zwar  in  der  ganzen  Länge  abgeschnitten^ 


(845) 

„Nr.  40.  Von  einem  75jährigen  Blandass- Manne,  dünn,  gekrümmt  (wizen, 
bcnt)  und  greisenhaft. 

„Nr.  41.    Von  einem  37  jährigen  Blandass-Manne, 

„Nr.  43.  Von  Kindern.  Das  kürzeste  von  einem  4  Monate  alten  Knaben;  das 
nächstlange  von  einem  2jährigen  Mädchen;  das  längste  von  einem  6jährigen 
Knaben. 

„Nr.  46.  Das  gesammte  Haar  eines  reinen  Benaa-Mannes  von  etwa  30  Jahren, 
das  fVüher  niemals  beschnitten  war.  Das  Charakteristische  des  Benua-Haares  be- 
steht darin,  dass  es  in  Büscheln  (tnfts)  hängt,  wobei  jedes  Büschel  sich  am  Ende 
aufwärts  wendet  und  in  einen  Halbring  von  ungefähr  2 Vi  Zoll  im  Durchmesser 
ausläuft.  Diese  Aufwärtswendung  is^  bei  Mischlingen  von  Sakei  nur  schwach  aus- 
geprägt und  sie  verschwindet  gänzlich  in  einer  zweiten  Mischung.  Die  Frauen 
verweigern  entschieden  das  Abschneiden  von  Haar  trotz  aller  Bemühungen  und 
Anerbietungen. " 

Schon  aus  diesen  Angaben,  noch  mehr  aus  der  Anschauung  der  untersuchten 
Haare  selbst  geht  hervor,  dass  die  Blandass  mit  Negritos  oder  Papuas  eine  nähere 
Verwandtschaft  nicht  haben  können.  Auch  der  Unterschied  von  den,  durch 
Miklucho-Maclay  geschilderten  Orang  Sakai  liegt  klar  zu  Tage.  Für  diese  Frage 
würden  wir  erst  von  der  neuen  Expedition  in  die  nördlicheren  Bezirke  der  Halb- 
insel, die  Mr.  Stevens  vor  einiger  Zeit  angetreten  hat,  genauere  Anhaltspunkte 
erwarten  dürfen.  Denn  dass  in  diesen  Gegenden  noch  Rückstände  Negrito-ähn- 
licher  oder  melanesischer  Stämme  existiren,  erscheint  nach  den  Angaben  früherer 
Keisenden  sichei^estellt. 

In  Bezug  auf  die  erwähnten  Haarproben  habe  ich  Folgendes  zu  bemerken: 
Sämmtliche  Proben  zeigen  eine  beträchtliche  Länge.  Das  Haar  der  35jährigen 
Frau  misst  59,  das  des  37jährigen  Mannes  32,  das  des  75jährigen  26  cm  in  der 
Länge,  und  da  jedenfalls  noch  ein  Stück  des  unteren  Haarendes  sitzen  geblieben 
ist,  so  darf  man  sagen,  dass  das  Kopfhaar  der  Blandass  sich  durch  ungewöhnliche 
Länge  auszeichnet  Dies  erklärt  sich  wohl  zum  Theil  aus  der  Gewohnheit  der 
Leute,  das  Kopfhaar  überhaupt  nicht  zu  scbeeren.  Man  erkennt  dies  daran,  dass 
die  Haarspitzen  schon  für  das  blosse  Auge  sehr  fein  erscheinen,  und  dass  die 
Enden  bei  der  mikroskopischen  Betrachtung  zugespitzt  und  an  den  Seiten  ab- 
gerieben, zerbröckelt,  zuweilen  treppenförmig  und  wie  angenagt  aussehen.  Auch 
längs  des  eigentlichen  Haarschafts  ist  die  Cuticula  sehr  dünn,  woraus  sich  das 
etwas  matte  Aussehen  der  Haare  erklärt. 

Die  Haarfarbe  ist  an  den  stärkeren  Exemplaren  durchweg  eine  sehr  dunkle. 
Für  das  blosse  Auge  gleicht  sie  dem  Ebenholz  und  nur  bei  schräg  auffallendem 
Sonnenlicht  bemerkt  man  einen  leicht  bräunlichen  Schimmer.  Allein  bei  den  meisten 
Proben  zeigt  sich  eine  sehr  ungleiche  Dicke  der  einzelnen  Haarschäfte,  und  schon 
mit  blossem  Auge  nimmt  man  wahr,  dass  die  dünneren  Exemplare  jene  hellere 
Färbung  besitzen,  wodurch  das  von  Mr.  Stevens  erwähnte  „Wasserhaar**  entsteht. 
Wenn  dieser  Beobachter  geradezu  von  einer  Schattirung  in  Roth  spricht,  so  ist  dies 
für  die  Erwachsenen  wohl  etwas  übertrieben,  dagegen  zeigt  das  Haar  des  2jährigen 
Mädchens  in  der  That  eine  hellröthlich-braune  Farbe. 

Bei  der  mikroskopischen  Betrachtung  sehen  die  rein  schwarzen  Haare  ganz 
undurchsichtig  und  gleichmässig  schwarz  aus,  indess  ist  es  nicht  das  so  oft  bläu- 
liche Schwarz  des  Negerhaars,  sondern  eine,  an  dünneren  Stellen  deutlich  ins 
Bräunliche  ziehende  Nuance.  An  den  feineren  Exemplaren  erkennt  man  zuweilen 
einen  dünnen,  schwarzen,  öfters  unterbrochenen  Markstreifen.  Die  ganz  dünnen 
Exemplare  zeigen  in  der  Seitenansicht  meist  eine  licht  gelbe,  schwach  bräunliche 


(846) 

Farbe,  in  der  keinerlei  Kömer  zu  erkennen  sind;  vielmehr  ist  die  Farbe 
gleichmässig  durch  die  ganze  Substanz  diffundirt.  Hie  und  da  finden  sich  auch 
einzelne  Haare,  deren  Substanz  gleichmässig  dunkelbraun  mit  einem  Stich  ins  Gelb- 
liche ist.  Das  bedingt  also  eine  gewisse  Annäherung  an  blondes  Haar. 
Viele  von  diesen  dünnen  Exemplaren  haben  keine  Spur  von  Mark;  bei  anderen 
sieht  man  einen  schwachen,  centralen  Markstreifen,  der  manchmal  continuirlich 
durchgeht,  häufiger  aber  Unterbrechungen  erleidet.  Das  Extrem  dieser  Unter- 
brechungen stellt  sich  so  dar,  dass  in  gewissen  Abständen  von  einander  längliche, 
spindelförmige  Aushöhlungen  mit  einem  schwach  kömig  aussehenden  Inhalt  übrig 
bleiben.  An  ihnen  ist  die  Marksubstanz  ganz  farblos.  Besonders  ausgezeichnet 
treten  diese  Eigenschaften  an  dem  Haar  des  2jährigen  Mädchens  (Nr.  43)  hervor, 
indem  einzelne  sehr  dünne  Exemplare  sogar  ganz  farblos  sind. 

Auf  Querschnitten  zeigen  die  dünnen  Haare  eine  drehrunde,  die  stärkeren  zu- 
weilen eine  leicht  ovale  Gestalt.  Stärkere  Abplattungen  oder  Eindrücke  habe  ich 
nicht  gesehen.  In  den  dickeren  schwarzen  Haaren  hat  das  Pigment  bei  stärkerer 
Vergrössemng  stets  ein  dunkelbraunes  Aussehen  und  erscheint  in  grösseren  und 
feineren  Körnern,  die  häufig  eine  leicht  spindelförmige,  jedenfalls  streifige  An- 
ordnung darbieten.  Wo  die  feineren  Kömchen  vorwalten,  entsteht  ein  mehr  gelb- 
licher Ton.  Das  kömige  Pigment  ist  durch  die  ganze  Marksubstanz  vertheilt, 
jedoch  in  den  äusseren  Abschnitten  dichter,  nach  innen  hin  loser. 

Besonders  interessant  ist  das  Haar  des  75jährigen  Mannes  (Nr  40).  Schon 
für  das  blosse  Auge  erscheint  dasselbe  meHrt:  zwischen  gröberen,  ganz  schwarzen 
Exemplaren  sieht  man  dünne,  gelbröthliche  und  ziemlich  zahlreich  graue  oder 
weisse  Haare.  Unter  dem  Mikroskop  zeigt  sich,  dass  die  letzteren  überhaupt 
keine  Markstreifen  und  auch  keine  Luftbläschen  besitzen,  so  dass  der  Grund 
des  Ergrauens  allein  dem  Mangel  an  Farbstoff,  also  einer  Art  von  Leukopathia 
(Albinismus),  zuzuschreiben  ist.  Die  gelblichen  Exemplare  sind  auch  hier  ganz 
gleichmässig  gefärbt;  sie  enthalten  einen  schmalen,  zuweilen  unterbrochenen,  in 
der  Regel  farblosen  Markstreifen,  nur  vereinzelt  bemerkte  ich  im  Verlaufe  solcher 
Markstreifen  kürzere,  schwarz  erscheinende  Absätze. 

In  keinem  einzigen  Falle,  auch  nicht  bei  dem  verhältnissmässig  kurzen  Haar  der 
Kinder,  tritt  irgend  eine  Neigung  zum  Krausen  oder  gar  zur  Bildung  von  Spiral- 
röllchen hervor.  Im  Gegentheil,  alle  eingelieferten  Proben  zeigen  ^gestrecktes*^ 
Haar.  Aber  an  allen  ist  eine  Neigung  zum  Welligen,  bei  einigen  auch  zu 
Drehungen  bemerkbar.  Insbesondere,  wie  Mr.  Stevens  bemerkt,  krümmen  sich 
die  Spitzen  in  Halbkreisform.  Meist  setzt  sich  dies  noch  weiter  auf  den  Schaft 
fort,  der  dadurch  ein  lockiges  Aussehen  gewinnt.  Darin  liegt  ein  staricer  Unter- 
schied von  dem  mongolischen  und  auch  von  dem  rein  malayischen  Haar. 
Offenbar  ist  derselbe  zu  einem  grossen  Theil  bedingt  durch  die  viel  feinere, 
dünnere  Beschaffenheit  der  Haare,  die  freilich  in  der  Regel  sehr  ungleichmässig 
ausgebildet  ist. 

Die  wiederholt  gebrauchte  Bezeichnung  von  „tafts''  bezieht  sich,  wie  es 
scheint,  auf  die  Eigenthümlichkeit,  dass  oft  eine  grössere  Zahl  von  Haaren  zu 
Bündeln  oder  Strähnen  zusammentritt,  welche  von  den  Nachbarsträhnen  durch  kleine 
Zwischenräume  getrennt  sind.  Am  meisten  tritt  dies  hervor  an  dem  mächtigen 
Haarschopf  des  Benua-Mannes  (Nr.  46),  der  vielleicht  nicht  „das  ganze  Haar*'  des 
Mannes,  sondern  nur  den  grössten  Theil  desselben  darstellt  Mr.  Stevens  hat  in 
diesem  Falle  das  Vorhandensein  von  tufls  besonders  hervoi^ehoben.  Aber  diese 
tufts  haben  mit  den,  am  längsten  mit  diesem  Namen  bezeichneten  „Büscheb'' 
der  Melanesier  und  der  wahren  Neger  nicht  die  mindeste  Aehnlichkeii    Wahr- 


(847) 

Bchcinlich  vordanken  sie  ihre  Existenz  aach  nicht  einem  gnippenwcisen  Hcrvor- 
wttchaen  der  Haare,  sondern  einer  natQrlichen  Nei^ng  liin^rer  Haare,  sich  zu 
Strähnen  zoBammenzulegen  oder  znaammenzudrehcn. 

Das  Gesammlergebniss  dieser  Untersuchung  fuhrt  auT  eine  ähnliche  Be- 
trachtung, wie  ich  sie  zuletzt  ausführlich  in  der  Sitzong  vom  16.  Februar  1889 
(Verh.  S.  158)  in  Bezug  auf  die  älteren  Bevölkemngen  der  südlichen  und  aild- 
östlichen  Inaein  des  malayiachen  Meeres  dargelegt  habe-  Wie  ich  auf  diesen 
Inseln  zwischen  dem  spiralgerollten  Haar  der  Melaneaier  und  dem  stratTen  Haar 
der  Halayen  eine  breite  Zone  mit  gewelltem  Haar  nachweisen  konnte,  so 
scheint  auch  auf  Malacca  zwischen  den  spiral haarigen  Ncgritos  (Sakai)  des  Nordens 
and  den  BtraShaarigen  Malaycn  des  Südens  und  der  meisten  Ktistengegenden  sich 
die  gewellthaarige  Nation  der  Blandass  erhalten  zu  haben.  Auf  den  Inseln  hübe 
ich  fUr  diese  Bevölkerung  den  alten,  freilich  viel  gemissbranchten  Namen  der 
Alfuren  wieder  anfgenommeD.  Folgerichtig  würde  daher  auch  eine  nähere  Ver- 
wandtschaft der  Blandass  mit  All^iren  zu  crschlicssen  sein. 

Von  den  Inscl-Alltaren  hatte  ich  bemerkt,  dass  sie  sich  ihrem  Haarwnchsc 
nach  einerseits  den  Ausiroliem,  andererseits  den  Weddaa  auf  Ceylon  anschliessen. 
Vielleicht  dürfte  man  bei  den  Wilden  von  Halacca  asch  an  Dravidier  denken. 
Indess  steht  einer  völligen  Gleichsetznng  der  Umstand  hinderlich  entgegen,  dass 
die  Blandass  mehr  brachycephal,  die  anderen  Völker  mehr  dolichoccphal  sind. 
Daraus  ergeben  sich  neue  Fragen,  die  erst  an  weiterem  Material  zu  endgültigen 
Schlüssen  geführt  werden  können.  Hoffen  wir,  dass  es  Mr.  Stevens  gelingen 
möge,  dieses  Material  zu  beschaffen.  — 

(29)   Hr.  Olshausen  spricht  über 

Im  Norden  gefundene  vorgeachichtliche  Trompeten. 

Im  September  1890  übersandte  mir  Hr.  Dircetor  W.  Fischer  in  Bembnrg  den 
neben  abgebildeten  Gegenstand  zur  Begutachtung  (Fig.  1).   Der  wesentlichste  Theil 
desselben  ist  ein  kurzes, 
bronzenes  Rohr  oder  eine 
Tülle  B  mit   allmählich 
nach    aussen    umbiegen- 
demoberemBande,cinem 
„LichtkncchfKhnlich.  In 
der  oberen  Ocffnung  liegt 
ein  an  der  Kohrwandung 
haftender,  etwas  unregel- 
mässig gestalteter  Ringt/  JT 
ans  brauner  Masse,  Ur- 
nenharz, wie  ich  fand. 

Von  diesem  Harz  haften  uuch  geringe  Mengen  um  unteren,  äusseren  Rande  des 
Rohres.  Die  Tülle  hat  3  Nagellöcher,  in  deren  einem  ein  vollständiges  Pflöckchen 
aus  Holz  steckt,  nach  innen  hervorragend,  welches  nach  aussen  zu,  offenbar 
durch  Daran fsch lagen,  etwas  zerklüftet  ist  und  dadurch  in  dem  Loche  festsitzt^ 
ein  zweites  Loch  zeigt  ebensolches  Pflöckchen,  dessen  Spitze  aber  abgebrochen 
ist  Das  dritte  Loch  ist  leer.  —  An  der  Innenwandnng  der  Tülle,  unterhalb  des 
Harzringes,  sind  Spuren  einer  Substanz  //  erhalten,  die  mit  ihrer  feinen,  vertical 
laufenden  Streifung  durchaus  an  den  Hombelag  vieler  OrifTplatten  an  Bronze- 
Schwertern  erinnert;   in  der  That  ist  es  otTenbar  der  Rest  eines  Rinderhornes, 


Figur  1. 


(848) 

das  in  der  Tülle  durch  3  Holzpflöcke  fesigehalten  wurde  und  durch  den  Harzring 
nach  oben  hin,  durch  das  Harz  am  äusseren  Tüllenrande  nach  unten  hin  luft- 
dicht mit  der  Bronze  verbunden  war.  Nur  solchem  Zwecke  kann  das  Harz  ge- 
dient haben,  nicht  aber  dem,  die  Bronze  auf  dem  Hom  festzukitten;  denn  zwischen 
Hom  und  Bronze  fehlt  dasselbe.  Ich  halte  das  (3anze  für  das  Mundstück  eines 
Blaseinstrumentes. 

Das  interessante  Object  stammt  aus  einem  mächtigen  Grabhügel,  ^dem  spitzen 
Hoch**  oder  „Spitzhoch"  (nicht  Hock)  bei  Latdorf,  östl.  Bembui^,  auf  dem 
rechten  Ufer  der  Saale.  Derselbe  wurde  1880  von  Prof.  Klopf leisch  in  Jena 
für  den  Alterthumsverein  zu  Bembuiig  geöffnet.  Der  verabredete  genaue  Bericht 
über  die  Grabung  ist  noch  ausgeblieben;  gelegentliche  kurze  Erwähnungen  der- 
selben finden  sich  im  Correspbl.  d.  deutsch,  anthropol.  Ges.  1881,  139 — 40  von 
Klop fleisch;  Verhandl.  d.  Berliner  anthropol.  Ges.  1884,  402  von  Virchow.  Ein 
neolithisches  Gefäss  (^Amphore^)  aus  dem  Hügel  bildete  Rlopfleisch  ab  in 
„Vollgeschichtliche  Alterthümer  d.  Provinz  Sachsen  und  angrenzender  Ctebiete**, 
Abth.  I,  Heft  2,  Halle  a.  S.,  1884,  S.  90,  Fig.  78;  vei^l.  A.  Götze,  Gefässformen 
und  Ornamente  der  neolith.  schnurverz.  Keramik  im  Flussgeb.  d.  Saale,  Jena  1891, 
S.  33  u.  Taf.  1,  4.  Ein  wenig  ausführlicher  berichtete  Fränkel  in  „Mittheilnngcn 
des  Vereins  f.  Anhaltische  Geschichte  u.  Alterthumsk.'*,  U.,  Dessau  1880,  S.  759. 
Aus  diesen  Nachrichten,  sowie  einigen  privaten,  durch  Hm.  Director  Fischer  in 
Bembui^  und  namentlich  durch  Hm.  Dr.  Alfred  Götze  in  Berlin  mir  zugegangenen, 
lässt  sich  das  folgende,  allerdings  immer  noch  recht  lückenhafte  Bild  der  Ein- 
richtung und  des  Inhaltes  des  Hügels  entwerfen. 

Der  spitze  Hoch  barg  in  verschiedenen  Höhenlagen  eine  ganze  Reihe  von 
Gräbem  ungleichen  Alters.  Es  lassen  sich  5  Gmppen  unterscheiden.  I.,  zu  unterst, 
ziemlich  in  der  Mitte  des  Hügels,  fanden  sich  liegende  Hocker  in  Kisten  aus 
kleinen  Steinen;  Beigaben:  die  oben  erwähnte  Amphore,  ein  schnurverzierter 
Becher  vom  Typus  Götze,  Taf.  I,  Fig.  16,  und  ein  glatter  Becher,  Flintspähne, 
geschliffene  Flintkeile,  Doppelknöpfe  aus  Muscheln  (diese  in  einem  Thonnäpfchen 
gelegen).  —  U.,  seitlich,  in  einem  später  angeschütteten  Theile  des  Hügels,  2  Ro- 
tunden, bestehend  aus  schräg  gelehnten  Steinplatten,  mit  Eingangsöffnung ;  darin 
Brandspuren  und  sehr  viele  Gefässe,  einer  Uebergangsepoche  von  Stein-  zur 
Bronzezeit  angehörig,  und  von  Formen,  wie  sie  Augustin,  Alterthümer  in  Halber^ 
Stadt,  Wemigcrode  1872,  Taf.  V  und  VI,  und  Kruse,  Deutsche  Alterthümer  lU 
Heft  2  u.  3,  Halle  1827,  Taf.  4,  in  vielen  Exemplaren  vorführen.  Klopfleisch 
meint,  die  Verbrennung  sei  hier  unter  Luftabschluss,  nach  Art  der  ^Meiler- 
verbrennung",  vor  sich  gegangen.  Ob  dieser  Groppe  einige  noch  in  Bemburg 
aufbewahrte  Zeugreste,  sowie  Perlen  (nach  Fraas  aus  Gagat)  und  durchbohrte 
2iähne,  aber  auch  zwei  kleine  Bronzeperlen  angehörten,  kann  ich  nicht  sicher 
ermitteln.  Klopfleisch  spricht  im  Gorresp.  d.  deutsch,  anthrop.  Ges.,  S.  140  von 
neolithischen  Zeugresten.  —  UL,  in  einer  nächsthöheren  Schicht  des  Hügels 
traf  man  4  gedeckte  Steinkisten  aus  grossen  Platten,  von  Steinschüttongen 
umgeben,  darin  Bronzen  und  Thongefässe,  z.  Th.  ähnlich  der  schlechten  Ab- 
bildung in  Alberti,  Variscia  L,  Greiz  1829,  Taf.  U,  1  (von  CoUis  bei  Gera;, 
mit  charakteristischen,  als  Cannelüren  ausgeführten  Verzierungen.  Hr.  Director 
Fischer  sandte  mir  4  Zeichnungen  von  verschiedenen  Grefässen,  z.  Th.  mit  fa- 
cettirten  Rändern,  die  alle  aus  Kiste  Nr.  1  stammen  und  zu  Bronzen  gehören 
sollen.  —  Grappe  IV  und  V,  einander  etwa  gleichalterig,  bilden  die  oberen 
Schichten  des  Ganzen;   es  wird  von  starkem  Brand,   geschmolzenen  Bronzen  und 


(849) 

Thongefässen  berichl«!  Endlich  spricht  Dr.  Götze  von  einem  einzelnen  Skelet 
mit  Bronzen  in  dem  unteren  Thcile  des  H%els.  — 

Wie  min  die  jetzt  in  Bembnrg  vorhandenen  Bronzen  auf  diese  einzelnen  Be- 
gräbnisse zn  veilheilen  sind,  kann  ich  nicht  feststellen;  wenn  sie  alle  der  Kiste 
Nr.  1  angehören,  so  fehlen  die  des  Skcicis  nnd  der  Gruppen  IV  und  V,  —  Hr. 
Fischer  nahm  ferner  nach  Angabe  des  Hm.  Klopfleiach  an,  dass  alle  Bronzen 
im  Fener  gewesen  seien,  was  natürlich  für  miscr  „Mandstück"  mit  seinen  Besten 
ans  organischein  Material  nicht  zutrifft;  immerhin  kann  es  zn  einem  Brandgrabe 
gehören.  — 

An  Fnndstücken  aus  dem  Bpitzen  Hoch  erwähnt  Yirchow  noch  bearbeitete 
mid  ornamentirte  Hirschgeweihstücke  (aus  den  steinzeitl.  Schichten)  und  Fränkel 
„MuBchelgeld''  (die  Doppclknöpfc?),  Ilolzrinde  und  ein  Flacon  aus  Leder.  Hr. 
Dr.  Götze  meint,  dies  nFlacon",  ron  dem  auch  Prof.  Klopflcisch  in  seinem 
Colleg  gogprochen,  habe  das  UundstUck  gehabt,  das  ich  einem  Blasehome  zu- 
schreibe, und  rermuthet  jetzt,  das  „Ledor"  sei  eben  nichts  anderes,  als  das  braune 
Urncnbarz,  welches  ich  nachgewiesen  habe.  — 

Figui  2.  Figur  8. 


Von  den  Bronzen  Qbersandlc  mir  llr.  Fischer  ausser  dem  MondstUck  noch 
eine  kleine  Auswahl;  es  sind  eben  nur  noch  einzelne  Stücke  als  Theile  von 
Bingen,  Nadeln  und  dei^l.  erkennbar  und  erscheint  es  als  ein  wahres  "Wunder, 
dass  das  HundstQck  der  allgemeinen  Auflösung  entging.  Unter  den  mir  vor- 
liegenden Bronzen  kann  ich  folgende  unterscheiden:  I.  ein  massives  StUck  mit 
grossem,  etwas  conischem  Loch,  aussen  mit  9  stark  vorspringenden  Bippen  ver- 
sehen, das  Ende  mit  der  kleineren  OcfTnung  noch  ziemlich  intact,  das  andere  stark 
beschädigt,  so  dass  die  ursprtlngliche  Länge  des  Ganzen  nicht  mehr  sicher  fest- 
zustellen ist  (Fig.  2),  aber  wahrscheinlich  fehlt  nicht  viel.  Das  Sttlck  macht  den 
Eindruck  eines  Keulenknaufs;  vergl.  den  steinernen  von  E^enbnrg,  Nieder- 
Oesterreich,  Much,  prähisi  Atlas,  Wien  1889,  8. 35,  Fig.  8,  mit  7  Bippen.  Freilich 
muss  man  auch  beachten,  dass  zahllose  Perlen  und  Spinnwirlel  aus  Stein  nnd 
anderem  Material  ähnliche  Rippen  zeigen  und  unser  Stück  fttr  einen  Keulenknauf 
etwas  leicht  erscheint.  Aber  man  kann  auch  einen  Oeisselknopf  vor  sich  haben; 
vgl.  Lindenschmit,  Heidn,  Vorzeit  I.,  8.,  Taf.  2  und  Sammlangen  zu  Sigmaringen, 
Taf.  41,  7  nnd  9 — 13,  bronzene  sog.  Stachelknöpfe  (Reulenköpfe  und  Geisselknöpfe), 
von  denen  verschiedene  noch  kleiner  und  leichter  sind,  als  unserer.  Ob  die  Zeit 
dieser  in  vielen  Samminngen  vorhandeneu  Stachelkaöpfe  bestimmbar  ist,  weiss  ich 
nicht;  viele  von  ihnen  stammen  ans  Italien  und  vermnthlich  sind  sie  jtüigflr  als 
unser    StUck.     Dagegen   sei    hier   erwähnt    ein   bronzener   Keulenkopf  ans   der 

V>rli»dl.  d*r  Btrl.  Aolhrop.  fiiHUtehift  1891.  M 


(850) 

Warnicker  Forst,  Samland,  wie  es  scheint  ein  Einzelfund,  aber  von  Tischler, 
Phys.-ökon.  Berichte  1889,  S.  25  der  ältesten  Bronzezeit  zugeschrieben  (Prorinziul- 
museum  zu  Königsberg,  Nr.  3935),  den  ich  hier  nach  einer  von  Hm.  Prof. 
J entzieh  gütigst  übersandten  Zeichnung  wiedeigebe  (Fig.  3).  Das  Loch  ist  schwach 
conisch;  beide  Durchmesser  weichen  um  etwa  1  mm  von  einander  ab.  Gewicht 
des  Stückes  166,1  g,  Rculenköpfe  aus  Stein,  zum  Theil  von  ganz  ähnlicher 
Form,  kommen  namentlich  in  Ostpreussen  *)  relativ  häufig  vor.  Tischler  setzt 
sie  an's  Ende  der  Steinzeit  (Phys.-ökon.  Abhandl.  24,  S.  106,  Fig  7).  Gräber- 
funde dieser  Art  sind  sehr  selten;  doppeltes  Interesse  beansprucht  deshalb  ein 
ziemlich  grosses,  ellipsoidisches  Stück  aus  weissem,  polirtem  Marmor,  gefunden 
nebst  einem  Armring  aus  Knochen  und  einem  Thongefäss  mit  4  warzenförmigen 
Ansätzen  bei  einem  Skelet  in  dem  grossen  spät-neolithischen  Grüberfelde  zu 
Rossen  bei  Merseburg,  also  ebenfalls  im  Saalegebiet  (Königl.  Mus.  f.  Völker- 
kunde z.  Berlin.  In  demselben  Grabfelde  auch  ein  scheibenförmiger  Keulen- 
kopf  aus  dunklem  Gestein,  ebenda  I.  g.  105). 

Ein  merkwürdiges  bronzenes  Stück  aus  einem  Moorfunde  von  Babbin  bei 
Pyritz,  Pommern,  Stettiner  Museum,  Nr.  1484,  Balt.  Stud.  29,  308,  10  k,  Photogr. 
Album,  Berlin  1880,  II.  21,  dürfte  aber  wohl  nicht  hierher  gehören.  Von  dem 
unteren  Rande  einer  kurzen  Tülle  gehen  4  Klauen  aus,  deren  Spitzen  einen  Durch- 
messer von  7  cm  für  das  ganze  Stück  ergeben.  Die  Tüllenwandung  hat  nach  gef. 
Mittheilung  des  Hm.  A.  Stubenrauch  unten  0,8  cm  Dicke,  die  obere  Kante  i^t 
haarscharf.  Das  cylindrische  (nicht  conische)  Loch  hat  1,3—1,4  cm  Durchmesser. 
Das  Gewicht  des  Stückes  beträgt  nur  26  g.  Seine  Bestimmung  ist  mir  unklar.  — 
2.  Bruchstücke  eines  glatten  Ringes  (?).  —  3.  Stück  eines  tordirten  Ringes  0^). 
—  4.  Stücke  grosser,  scheibenförmiger  Nadelköpfc  (?),  ähnlich  den  ungarischen, 
Hampel,  Alterthümer  der  Bronzezeit,  Budapest  1887,  Taf.  53,  10-12.  —  5.  ein 
kleines  Spiralröhrchen  aus  einfachem  Draht.  —  6.  Bruchstück  eines  Messers  mit 
Thierkopfgri(T(?),  wieMonteliusTidsbestämning  inom  Bronsaldem,  Stockholm  l.v^.'», 
Fig.  54,  Periode  UI.  —  7.  eine  Messerscheidenzwinge  (?)  aus  Draht,  ähnlich  Nanc. 
Hügelgräber  zwischen  Ammer-  und  StafTelsec,  Stuttgart  1887,  Taf.  16,  2  auf  S.  1(»1, 
dem  Ende  der  Bronzezeit  (vor  der  Hallstattzeit)  angehörig,  aber  aus  Goldblech. 
An  derartiges  wenigstens  erinnert  unser  Stück,  doch  ist  es  kleiner,  Oeffnung  18  auf 
7 — 8  mm.  Wenn  diese  Deutung  richtig  ist,  so  kann  8.  ein  kleines  Blech,  einen 
weiteren  Beschlag  der  Scheide  gebildet  haben.  — 

Lichtknechtähnliche  Bronzen,  der  Latdorfer  gleichend,  sind  nicht  selten, 
aber  der  Rand  biegt  oft  plötzlicher  um  und  aus  den  Fundumständen  erhellt  meist, 
dass  sie  Zwingen  oder  Endbeschläge  an  hölzernen  Griffen  von  Metallgeräthen. 
sog.  Schafkschuhe,  waren.  Bei  dem  Stück  Hampel,  Alterthümer  der  Bronzezeit 
in  Ungarn,  Budapest  1887,  Taf.  80,  2  (im  Züricher  Museum)  fehlt  es  allerdings 
hierfür  an  Anhalt  (auf  der  Zeichnung  ist  nicht  mit  Sicherheit  erkennbar,  ob  die 
Tülle  Nagellöchcr  hat;  auf  Anfrage  schreibt  mir  Hr.  Heierli,  dass  in  der  That 
2  vorhanden  sind).  Dagegen  istMuch,  prähist.  Atlas,  S.  93  Fig.  6  wahrscheinlich 
Zwinge  eines  Messer  hefte  s.  —  Im  Stralsunder  Museum  befindet  sich  femer  oiiter 
Nr.  1019  der  v.  Hagenow'schen  Sammlung  ein  Stück,  das  nach  gef.  Mitih.  d«^ 
Herrn  Dr.  Bai  er  im  Verein  mit  einer  ungarischen  Bronzeaxt  vom  Typus  Hampel. 


1)  Hier  muss  man  unwillkürlich  der  Stelle  bei  Tacitus,  Qermania  45,  gedenken,  wo 
CS  von  den  Aestiem  des  Bemsteinlandes  heisst:  „rams  ferri,  frequens  fnstiam  usus* 
wonach  also  Stöcke  oder  Keulen  noch  in  späterer  Zeit  die  gewöhnliche  Waffe  der  Be- 
wohner dieser  Gegend  bildeten.  — 


(851) 

Taf.  29  u.  30,  5  u.  6  a.  ä,  sovie  mit  einer  Anzahl  kleiner  Bronzeringe  von  der  Weite 
eines  Fingers  (welche  leider  verloren  gingen)  in  einer  Kiesgrube  zu  Pitzervitz, 
Kc.  Soldin,  Prov.  Brandenburg,  gefunden  wurde.  Die  Tülle  hat  keine  Löcher,  aber 
eine  senkrechte  Nuthe  an  der  inneren  Wandung,  offenbar  zur  Aufnahme  eines 
Stiftes,  um  die  Zwinge  auf  den  Schaft  festzukeilen.  Sie  kann  am  Fussende  des 
Schaftes  gesessen  und  die  Ringe  mögen  zum  Schmuck  des  letzteren  gedient  haben, 
wie  es  wohl  auch  an  2  ^ Kommandostäben ^  von  SchmÖckwitz,  Kr.  Teltow, 
K.  Mus.  f.  Völkerk.  Berlin,  I  f.  159  u.  160,  der  Fall  war;  hier  sind  indess  die 
Schaftschuhe  nach  unten  geschlossen  und  im  Querschnitt  oval.  —  4  Zwingen  mit 
rundem  Querschnitt  lieferte,  ebenfalls  neben  10  Klingen  von  Kommandoäxten,  der 
Depotfund  von  Gross-Schwechten,  NNW.  Stendal  (Mus.  Salzwedel).  Sie  wurden 
schon  Jahresbericht  14  des  altmärkischen  Vereins,  Salzwedel  1864,  S.  5,  ohne  Zweifel 
richtig,  als  Endbeschläge  der  hölzernen  Griffe  bezeichnet;  3  unter  einander  etwas 
verschiedene  sind  daselbst  abgebildet,  Taf.,  Fig.  7 — 9,  2,  auch  im  Berliner  photogr. 
Album  VI,  12.  —  Das  Museum  zu  Salzwedel  enthält  endlich  noch  2  solcher  Schaft- 
schuhe aus  anderen  Funden  und  von  etwas  abweichender  Form,  mit  nahezu 
rhombischem  Querschnitt  — 

Die  Deutung  des  Latdorfer  Objects  als  Mundstück  eines  Blasehoms  halte  ich 
für  ganz  sicher;  denn  wozu  die  sorgfältige  Dichtung  durch  Harz,  falls  man  nicht 
das  Entweichen  von  Flüssigkeit  oder  Gas  verhindern  wollte?  Flüssigkeit  kommt 
hier  aber  nicht  in  Betracht,  da  das  Stück  niemals  an  einer  Seite  geschlossen  war. 
Allerdings  gab  es  im  Alterthum  auch  beiderseits  offene  Trinkhömer,  wie  ich 
A.  Rieh,  Illustrirtes  Wörterbuch  der  röm.  Alterthümer,  Paris  und  Leipzig  1862, 
entnehme,  wo  es  unter  comu  4  heisst:  „Beim  Trinken  hielt  man  das  Hom  über 
den  Kopf  und  Hess  die  Flüssigkeit  durch  ein  kleines  Loch  am  spitzen  Ende  in 
den  Mund  fliessen,  wie  man  auf  der  Abbildung  nach  einem  Gemälde  zu  Pompeji 
sieht. ^  Vergl.  auch  den  am  spitzen  Ende  wie  ein  Pferd  gestalteten  homf.  Becher 
(cm  sog.  Pferderhyton)  bei  Panofka,  Griech.  Trinkhömer,  Berlin  1851,  Taf.  I,  1 
(und  danach  Weiss,  Kostümkunde,  2.  Aufl.  I,  Fig.  262 1),  wo  ein  Pferdefuss  die 
üusscrste  Spitze  bildet  und  ihm  der  Strahl  entströmt.  Sicherlich  aber  war  dies  nicht 
die  gewöhnliche  Form  der  Trinkhömer  und  die  Oeffnung  unseres  Objectes  wäre  für 
solchen  Zweck  viel  zu  gross.  Die  cylindrische,  nicht  conische  Form  unseres  Mund- 
stücks war  allerdings  für  ein  Blaseinstrament  vielleicht  unzweckmässig.  Während 
jedoch  die  dänischen  Lurer  Mundstücke  mit  conischer  GefiTnung  zu  haben  scheinen 
(Madsen,  Bronceald.  I,  Taf.  19,  5  ==  Sophus  Müller,  Ordning  af  Danmarks  Old- 
sager,  II,  Kjöbenhavn  1891,  368),  sind,  wie  Hr.  Beltz  mir  schreibt,  die  in  Schwerin 
vorhandenen  Mundstücke  von  Wismar  und  Teterow  cylindrisch  gelocht  Die 
Nachtheile  einer  zu  weiten  Oeffnung  unseres  Exemplars  aber  können  bei  einem 
Blaseinstrument  durch  eine  engere  Oeffnung  der  Homspitze  selbst  aufgehoben 
gewesen  sein;  in  der  That  lässt  auch  die  bedeutende  Länge  der  Holzpinnen  auf 
eine  erhebliche  Stärke  der  Homwandung  schliessen,  so  dass  die  Oeffnung  im  Hom 
selbst  viel  enger  war,  als  die  des  Mundstücks.  Vielleicht  war  die  massive  Spitze 
des  Horns  nur  mit  einer  kleinen  Bohrung  versehen.  —  In  der  Voraussetzung,  dass 
meine  Ansicht  richtig  ist,  mögen  noch  die  folgenden  Bemerkungen  Platz  finden. 

Die  Trompete  von  Latdorf  ist  nach  mehr  als  einer  Richtung  hin  von  Be- 
deutung. Man  hat  im  Norden  aus  der  Bronze-,  Hallstatt-  und  Tenezeit  Trompeten 
auf  3  verschiedenen  Gebieten,  in  Norddeutschland,  Scandinavien  und  auf  den 
britischen  Inseln,  gefunden.  Dieselben  bestehen  aber  überwiegend  ganz  aus  Bronze, 
weit  seltener  aus  einem  Hom  (sei  es  vom  Rind,  sei  es  aus  Holz)  mit  metallenem 
Beschläge,   doch   sind   viele  der  ersteren  unzweifelhaft  nur  Nachbildungen   der 

Ö4* 


(852) 

Rinderhörner,  wie  daraus  folgt,  dass  die  beiden  Exemplare  eines  Paares  biswctlon 
nach  entgegengesetzten  Seiten  gewunden  sind  (Madsen,  Bronceald.  I,  8.  2:>, 
Note  2;  Aarböger  f.  n.  O.  1890,  243,  Note).  Unsere  Trompete  zeigt  also  entschieden 
einen  älteren  Charakter,  wie  überhaupt  die  älteren  Trompeten  aus  Deutschland 
Homer  mit  Metallbeschlägen  waren   (Bochin,  Wismar,  Teterow;   siehe  unten  die 
Statistik).  —  Weiter  ist  zu  bemerken,  dass  diese  Blaseinstrumente  nur  äusserst 
selten  in  Gräbern  vorkommen;  in  der  That  kann  ich  ausser  Latdorf  nur  nach- 
weisen:   2  bronzene    „Lurer",    angeblich   aus   einem   „Grabhügel*   zu  Borreby. 
Schweden  (gehörten  sie  aber  zum  Grabinventar?  —  Siehe  S.  855)  und  vielleicht 
einige  Homer  aus  einem  Hügel  zu  Carrickfergus,  Irland.    Ganz  sicher  ist  aber 
nur  Latdorf  und  dies  ist  zugleich  das  südlichste  und  seinem  Beschläge  nach  ur- 
sprünglichste mir  bekannte  Stück.    Wir  finden   hier   also   eine  auch  schon  sonst 
beobachtete  Erscheinung  wieder,  dass  Geräthe,  die  in  nördlicheren  Gegenden  nicht 
zum  Grabinventar  gehören,    weiter  ^südlich  in  Gräbem   vorkommen   (vei^l.  diese 
Yerhandl.  1890,  S.  291,  die  goldenen  Gefässe  der  Hallstattzeit).  —  Sonst  handelt  es 
sich  in  Deutschland  öfters  um  Erdfunde  (z.  Th.  vielleicht  aus  zerstörten  Gräbern  y) 
und  um  Moorfunde,  in  Dänemark  und  wohl  auch  in  Schweden  ausschliesslich  um 
Moorfunde  (S.  Müller,  Ordning  a.  0.  U,  368),  auf  den  britischen  Inseln  häufig  um 
Funde  aus  Mooren,  einmal  aus  einem  Fluss. 

Die  Bronzelurer  sind  in  Scandinavien  fast  stets  paarweise  gefunden;  nach 
Müller  kommt  in  Dänemark  auf  11  Paare  nur  ein  einzelnes  Stück.  Er 
nimmt  an,  dass  diese  Blasehömer  auch  paarweise  gebraucht  seien  als  Kriegs- 
geräthe  oder  zu  heiligen  Zwecken,  und  Henry  Petersen  sucht  solchen  paar- 
weisen Gebrauch  aus  der  Nachbildung  eines  Paares  Rinderhömer  zu  erklaren 
(Aarböger  1890,  243  Note).  —  In  Deutschland  weist  der  Fund  von  Lübzin  ein 
Paar  auf,  vielleicht  auch  der  einer  späteren  Zeit  angehörige  von  Hannover.  Auch 
die  dem  5.  oder  6.  Jahrh.  nach  Chr.  zugescbnebenen  goldenen  Homer  von 
Gallehuus  in  Schleswig,  welche  man  als  Tempelgeräthe  ansieht,  haben  vermuth- 
lich  zusammengehört.  —  Wenn  es  sich  für  Dänemark  nach  S.  Müller  um  wirk- 
liche, nach  Form  und  Omamentik  zusammengehörige  Paare  handelt,  so  bemrrkt 
dagegen  Wilde,  Catalogue  K.  Irish  Acad.  I,  Dublin  1863,  p.  624,  bezügliih 
Irlands:  „fast  stets  werden  mehrere  Trompeten  zusammengefunden,  gewöhnlich 
von  2  verschiedenen  Gattungen". 

Harz  findet  sich  an  einem  eisenzeitlichen  Blasinstmment  aus  Kuhhora  mit 
Bronzebeschlag  und  Nägeln  mit  silbernen  Köpfen  von  Södermanland,  und  zwur 
in  Verbindung  mit  Bast,  ebenfalls  zur  Dichtung  der  Uebcrgangsstellc  vom  Mund- 
stück auf  das  eigentliche  Hom  verwendet  (Stockholmer  Mitnadsblad  1881,  148 — 49. 
wo  allerdings  nur  an  eine  Reparatur  gedacht  und  vermuthet  wird,  das  Hom  habo 
an  der  betreffenden  Stelle  einen  Riss  bekommen.  Aber  vielleicht  ist  es  nicht 
nöthig,  eine  solche  Annahme  zu  machen).  — 

Die  Verwendung  von  Stiften  aus  Holz  oder  anderem,  leicht  vergänglichem 
Material  (Hom,  Knochen)  an  Bronzegeräthen  wird  natürlich  nur  überaus  selten 
direkt  beobachtet;  Evans  erwähnt  Bronze  Impleroents,  London  1881,  p.  22<> 
einen  Holzstift  an  einem  Dolch;  vermuthet  können  derartige  Befestigungsmittel 
aber  öfters  werden:  ebenda;  femer  p.  227  an  einem  knöchernen  Knauf  eines  Dolch- 
griffes,  244   zur  Befestigung   eines  hölzemen,    252   eines  hömeraen  Griffs  an  die 

bronzene  Klinge. 

Fundstatistik. 

A.  Mitteldeutschland:  Latdorf. 

B.  Norddeutschland.    Fast  das  ganze  Material  liegt  im  Schweriner  Museum. 


(858) 

Hr.  Dr.  Beltz  ordnet  die  dort  befindliehen  Stücke  dem  Alter  nach  so,   wie  es  in 
folgender  Zusammenstellung,  mit  dem  ältesten  beginnend,  geschieht: 

1.  Provinz  Brandenburg,  Kr.  Westpriegnitz,  Bochin:  bronzener,  g^ossener 
Schalltrichter,  FViderico-Francisceum,  Leipzig  1837,  Taf.  12,  1  zu  S.  121,  wo  er 
allerdings  als  „Gefäss^  beschrieben  ist,  was  aber  Meklenb.  Jahrbücher  21,  239 
richtig  gestellt  wurde.  Der  „Henkel",  d.  h.  die  Oehse  zum  Durchziehen  von  Trag- 
riemen oder  -Kette,  ist  nicht  „angelöthet**,  sondern,  wie  Dr.  Beltz  mir  schreibt, 
mitgegossen.  Hr.  B.  setzt  das  Stück  etwa  in  Montelius'  Periode  H,  „schwerlich 
tiefer".  Es  gehört  dem  ältesten  Bestände  des  Schweriner  Museums  an;  die  Pund- 
umstände  sind  nicht  bekannt  und  vielleicht  überhaupt  nicht  mehr  zu  ermitteln. 
Hr.  B.  sagt:  die  Patina  ähnelt  sehr  der  einiger  „Depotfunde  aus  feuchtem  Boden", 
nicht  der  der  Grabfunde. 

2.  Meklenburg-Schwerin.  a)  Wismar:  Mundstück  mit  einer  Oehse  daran, 
mittlerer  Tragring  und  Schalltrichter,  alles  aus  Bronze  gegossen,  reich  verziert,  das 
Beschläge  eines  Instrumentes  aus  Hom  oder  vielleicht  auch  Holz,  abgebildet  Mekl. 
Jahresb.  3  zu  S.  67  und  Lindenschmit,  Heidn.  Vorzeit  IV  T.  33,  3;  vergl.  Mekl. 
Jahrb.  24,  274.  Moorfund.  Hr.  Beltz  schreibt  das  Hom  dem  Ende  von  Montelius 
Per.  XU  zu.  Eines  der  Ornamente  auf  dem  Schalltrichter  nennt  Lisch  S.  72 
„rächerförmige  Zeichnungen,  wie  Strahlen",  Lindenschmit  macht  daraus  „Leichen 
mit  ausgestreckten  Armen";  Hr.  Beltz  giebt  aber  ersterer  Beschreibung  ent^ 
schieden  den  Vorzug.  —  b)Teterow:  30,5  cm  langes,  gegossenes,  bronzenes 
Mundstück,  Mekl.  Jahrb.  13,  377  und  Heidn.  Vorzeit  IV  T.  33,  4,  dem  Wismarer 
sehr  nahe  stehend.  Lindenschmit  fasst  es  als  vollständiges  Instrument  auf, 
aber  Lisch  sagt:  „die  Schallmündung  ist  aus  natürlichem  Hom  oder  Metall  an- 
gesetzt gewesen,  wie  die  Nietlöcher  am  Ende  (nach  der  Schallöffhung  zu)  be- 
weisen". Diese  Nietlöcher  sind  freilich  bei  Lindenschmit  nicht  gezeichnet, 
finden  sich  aber  ebenso  an  den  Wismarer  Beschlägen,  und  zwar  bei  dem  Schall- 
trichter am  inneren  Rande.  Auch  dass  nur  ein  Tragring  vorhanden,  spricht 
vielleicht  für  Unvollständigkeit  des  Teterower  Homs,  wenngleich  diese  Eigen- 
thümlichkeit  auch  bei  vollständigen  Trompeten  vorzukommen  scheint  (Battle  in 
England).  Moorfund.  —  c)  Lübzin  bei  Sternberg:  ein  Instrament  ganz  aus 
Bronze,  schmales  Rohr,  stark  gekrümmt,  mit  rechtwinklig  zu  seiner  Längsachse 
stehender  verzierter  Blechscheibe  um  die  Schallmündung,  wie  wir  dies  später 
namentlich  an  den  dänischen  Trompeten  kennen  lemen  werden.  Ausgepflügt  zu- 
sammen mit  einem  zweiten  Exemplar,  das  früher  wenigstens  sich  in  Privat- 
besitz zu  Lübzin  befand.  Das  Schweriner  trägt  eine  Kette.  Frider.  Franc. 
S.  118;  Meklenb.  Jahresbericht  1,  14  —  15;  20,  293.  —  d)  Hofzumfelde, 
Amt  Grevismühlen ,  Frider.  Franc.  S.  117  und  Taf.  9,  3,  wie  das  vorige,  ge- 
gossen, aber  jetzt  wenigstens  ohne  das  Blech  an  der  Mündung;  letztere  ist  jedoch 
beschädigt,  wie  mir  Hr.  Beltz  schreibt  Auch  das  eigentliche  Mundstück  fehlt 
nach  Lisch.    Erdfund.  — 

An  diesen  Bestand  des  Museums  zu  Schwerin  schliesst  sich 

3.  aus  der  Provinz  Hannover:  die  Trompete  von  Garistorf,  Kr.  Osterholz, 
Reg.-Bez.  Stade  (Mus.  zu  Hannover)  Heidn.  Vorzeit  lY,  T.  33,  2,  aber  mit  un- 
genauer Fundortsangabe.  Nach  gef.  Mittheilung  des  Hm.  Director  Reimers  ge- 
funden „unter  einem  kleinen  Haidehügel".  Das  Exemplar  ist  sehr  defect,  aber 
ähnlich  dem  von  Hofzumfelde.  Das  Mundstück  war  in  den  Haupttheil  hinein- 
geschoben und  an  diesen  durch  einen  jetzt  verlorenen  Stift  befestigt,  welcher  einen 
am  unteren  Theil  des  Mundstücks  vortretenden  Ring   und  einen  ebensolchen  am 


(854)      , 

oberen  Ende  des  Haupttheils  durchsetzte,  vermuthlich  wie  an  einer  Trompete  aus 
dem  Lommelevmoor  auf  Falster,  Atlas  f.  nord.  Oldkynd.,  1857,  Taf.  B    VII,  3  b. 

Die  vorstehend  genannten,  auf  deutschem  Boden  gefundenen  Exemplare  zeigen 
die  vollständige  Entwickelung  des  Geräths  vom  Kuhhorn  mit  dem  einfachsten  Be- 
schläge, durch  solche  mit  mannichfaltigeren  und  theilweise  schön  verzierten  Be- 
schlägen, bis  zu  ganz  aus  Metall  beigestellten,  stark  gewundenen  und  mit  Eod- 
scheibe  versehenen  Hörnern. 

Eine  zweite  Trompete,  aDgebiich  von  Hannover,  jetzt  in  der  Sammlung 
Bl eil -Grosslichterfelde  bei  Berlin,  ist  in  vielen  Beziehungen  so  abweichend,  dass 
ich  sie  hier  nicht  einreihen  möchte,  sondern  lieber  anhangsweise  am  Schlüsse 
dieses  Aufsatzes  bespreche. 

C.  Scandinavien.  1.  Dänemark:  Nach  Müller,  Ordning  U  3G8  sind  zur 
Zeit  10  Funde  mit  23  mehr  oder  minder  vollständigen  Trompeten  (Lnrer,  sing. 
Luur)  bekannt,  alle  aus  Mooren.  Ein  Fund  (Dramstrup)  enthielt  Fragmente  nur 
einer  Trompete  (gef.  bneil.  Mitth.  des  Hrn.  Mus.-Dir.  Dr.  Müller),  Brudevaelte 
dagegen  lieferte  3X2  Stück,  alle  übrigen  Funde  je  2,  und  zwar  handelt  es  sich 
hier  nach  Form  und  Ornamentik  stets  um  zusammengehörende  Paare.  Die 
sämmtlichen  Funde,  den  von  Dramstrup  ausgenommen,  nahm  S.  Müller  in  seiner 
Arbeit  „Ordning  af  Bronzealderens  Fund^,  Aarböger  1891,  in  die  Tabelle  24 
„Votivfunde  (der  jüngeren  Bronzezeit)^  auf,  da  sie  nicht  allein  stets  mehrere 
Exemplare,  sondern  auch  keine  anderen  Sachen  daneben  enthielten,  was  zusammen 
nach  Müller  für  die  Votivfunde  charakteristisch  sein  soll.  Nur  die  Lorer  \od 
Lommelev  sind  vielleicht  mit  anderen  Bronzen  zugleich  niedergelegt  worden.   — 

Blosse  Beschläge  von  Kuhhörnern  kamen  nicht  vor;  alle  Lurer  sind  ganz 
aus  Bronze,  und  zwar  gegossen,  aber  aus  mehreren  Stücken  zusammengesetzt,  wie 
die  Grarlstorfer  Trompete.  Alle,  die  vollständig  erhalten,  sind  stark  gekrümmt: 
wo  nur  Fragmente  vorliegen  (Lommelev,  Dramstrup)  könnte  es  zweifelhaft  sein, 
ob  sie  vielleicht  in  einem  Theile  ihres  Verlaufs  gerade  waren.  Die  Schall- 
öffnung  ist  stets  von  einer  rechtwinklig  zur  Achse  des  Rohres  stehenden  runden 
Scheibe  eingerahmt.  —  Die  Mundstücke  scheinen  eine  konische,  nicht 
cylindrische  OelTnung  zu  haben,  so  wohl  sicher  das  von  Maltbaek,  Madsen 
Broncea.  1.  T.  19,  5.  —  Ketten  verschiedener  Art,  an  denen  die  Lurer  getragt^n 
worden,  sind  zum  Theil  noch  erhalten  (Madsen,  Taf.  18  und  19;  Worsaac 
N.  0.  200). 

Für  die  Zeitstellung  gewähren  die  Ornamente  der  Scheiben  an  der  Schall- 
öffnung und  bei  einigen  angehängte  Klapperbleche  (Brudevaelte,  vielleicht  auch 
Huusby)  Anhalt.  Montelius  setzte  Manadsblad  1881,  S.  38  Note  1,  die  Lurer 
von  Lommelev  und  Maltbaek  in  den  Uebergang  von  der  älteren  zur  jüngeren 
Bronzezeit,  d.  h.  in  die  4.  Periode  (vcigl.  Ornamente  der  Hängegcfässe,  Tids- 
bestämning  Taf.  4,  93).  Brudevaelte  möchte  er,  laut  gef.  briefl.  Mitth.,  in  den 
Beginn  der  Periode  5  setzen  (vergl.  Ornament  der  goldnen  Schalen,  Tid8l>e8t. 
Taf.  5,  120).  S.  Müller  unterscheidet  ebenfalls  Lurer  mit  Ornamenten  des  älteren 
und  mit  solchen  des  jüngeren  Styls  der  jüngeren  Bronzezeit  und  bemerkt,  dass 
die  eingehängten  Bleche  (nach  ihm  metallene  Nachahmungen  von  Zeugquasten) 
sich  an  den  Geräthen  mit  jüngeren  Ornamenten  finden.  —  Zu  beachten  sind  noeh 
die  Vogelfiguren  an  der  Tragkette  von  Maltbaek  (Madsen,  Taf.  19,  5; 
S.  Müller  368,  Manadsblad  1881,  S.  48  zu  Fig.  78).  — 

Nach  mündlicher  Mittheilung  des  Hm.  Müller  lassen  sich  die  Lurer  vor- 
trefflich blasen  und  umfassen  eine  keineswegs  kleine  Tonreihe.  Hr.  Müller 
hatte    auch    die  Güte,    für   mich    die   Bestimmung   des  Gewichts  einiger  dieser 


(855) 

Instrumente  vorzunehmen;  es  wiegt  das  schwerste  (Nr.  8115,  von  Brudevaelte) 
3107  g,  das  leichteste  (Nr.  22302,  von  Folvisdam)  1498  g,  —  Lisch  gab  Meklb. 
Jahrb.  20,  293  die  Art  an,  wie  er  sich  das  Hom  von  Lübzin  getragen  dachte. 
Aber  nicht  für  alle  die  ähnlich  geformten  dänischen  Lurer  scheint  mir  die  gleiche 
Art  anwendbar;  wenigstens  konnte  ich  die  Nachbildung  einer  solchen  Lure  (von 
Brudevaelte,  im  Rönigl.  Mus.  f.  Völkerk.,  Berlin)  nach  dieser  Anweisung  nicht 
zweckmässig  handhaben.  Vielmehr  scheint  es  bei  dieser  am  natürlichsten,  mit  der 
linken  Iland  die  Mundstückröhre  zu  fassen,  den  sich  daran  anschliessenden  Bogen 
nach  unten  zu  richten  und  mit  der  Rechten  den  aufsteigenden  Hauptarm  dieses 
Bogens  zu  halten,  so  dass  die  Schallöffnung  nach  vorne,  aber  etwas  höher,  als  der 
Kopf  des  Trägers,  zu  liegen  kommt. 

a)  Lommclev  auf  Falster  (Maribo-Amt):  Bruchstücke  eines  Paares,  Roph. 
Mus.  Nr.  9434;  Worsaae  N.  0.  200;  Madsen  Broncealderen  I,  Taf.  18,  3;  Atlas  f. 
nord.  Oldkynd.  Taf.  B.  VII,  3,  4;  Antiqu.  Tidsskrift  1846—1848,  20;  Annaler  f. 
n.  0.  1856,  364.  Eine  Analyse  ergab:  10,61  pCt.  Zinn,  88,90  Kupfer,  0,49  Nickel 
u.  Eisen  =  100,  Annaler  1852,  252.  -—  b)  Moor  Brudevaelte  bei  Lynge,  Prede- 
riksborg  A.,  Seeland:  3  Paare,  Mus.  Nr.  8114  (bei  Madsen  8117);  Worsaae 
N.  0.  199;  Madsen  T.  19,  4;  Atlas  B.  VU,  1;  Antiq.  Tidsskr.  1843—45,  113; 
Annaler  1856,  362—63.  Von  diesen  6  Trompeten  befindet  sich  eine  in  Sarskoe- 
Selo,  Russland  (A.  Rockstuhl  u.  F.  Gille,  Musee  de  Tzarskoe-Selo,  St.  Peters- 
burg u.  Carlsruhe,  1835—53,  pl.  162,  1),  eine  andere,  wie  es  scheint,  in  Paris. 
Eine  Nachbildung  in  Metall  besitzt  das  Königl.  Mus.  f.  Völkerkunde,  Berlin 
(IV.  117):  dieselbe  lässt  sich  sehr  gut  blasen.  —  c)  Smidstrup,  Frederiksboi^ 
A.,  im  nordöstlichsten  Seeland,  in  König  Freder.  VII  Sammlung;  ein  Paar,  ähnlich 
Atlas  B.  VII,  2;  Antiq.  Tidsskr.  1858—60,  S.  6—7.  —  d)  Dramstrup,  Holbaek 
A,  nordwestl.  Seeland,  Fragmente  einer  Lure,  Mus.  Nr.  11  136.  e)  Boeslunde, 
Sorö  A.,  südwestl.  Seeland:  ein  Paar,  Nr.  4711,  zerbrochen.  —  f)  Rörlykkemoor 
bei  Tryggelev  auf  Langeland  (Svendborg-Arat),  Nr.  B.  3671,  etwas  abweichend 
von  den  Übrigen  dänischen,  die  Endscheibe  nur  mittelgross;  Aarböger  f.  n.  O. 
1880,  235  u  23(;  Fig.  ?).  —  g)  Huusby,  Odense  Amt,  westliches  Fünen:  ein 
Paar,  Nr.  378;  Worsaae  N.  0.  201;  Madsen,  T.  18,  1;  Atlas  B.  VII,  2;  Annaler 
1850,  363-4;  Weiss,  Kostümk.,  2.  Auü.  I,  Fig.  179.  —  h)  Veile,  Veüe  A., 
Südostjütland:  ein  Paar,  Nr.  B.  936,  zerbrochen.  —  i)  Folvisdammoor, 
Aarhus  A.,  Jütland:  ein  Paar,  Nr.  22  302;  Madsen  T.  18,  2.  —  j)  Maltbaek, 
Ribe  A.,  südwestl.  Jütland:  ein  Paar,  Nr.  21  246,  Madsen  T.  19,  5;  S.  Müller 
368.  —  Hiernach  sind  die  Lurer  so  ziemlich  über  das  ganze  dänische  Land,  mit 
Ausnahme  des  nördlichen  Jütland,  verbreitet. 

2.  Norwegen.  Xichts  Hierhergehöriges  aus  der  Bronzezeit  ist  Hm.  Dr.  ündset 
bekannt. 

3.  Schweden.  Hier  sind  7  oder  8  Stück  gefunden,  deren  Kenntniss  ich 
Publicationen  und  brieflichen  Mittheilungen  des  Hm.  Montelius  verdanke. 

a)  Schonen:  Näfvitshögs  Socken,  ein  Exemplar,  Montelius,  Antiq.  Sued. 
178,  dem  Langelander  ähnlich,  aber  mit  noch  kleinerer  Endscheibe;  Tragkette  er- 
halten; im  Moor  l>ei  einem  Pferdeskelet  gefunden;  Mus.  zu  Lund  4372.  —  Eines  aus 
der  Sammlung  „Gerber**,  jetzt  ebenfalls  in  Lunds  Mus.  —  Borreby,  ein  Paar 
„aus  einem  Grabhügel^  Montel.  National  histor.  Mus.  1887,  p.  24,  ^,  Mus. 
Nr.  5531.  Meine  schon  S.  852  geäusserten  Bedenken,  hinsichtlich  der  Zugehörig- 
keit zum  Grabinventar,  theilt  Hr.  Montelius  jetzt;  er  schreibt  mir  sogar,  dass 
die  Patina  auf  einen  Moorfund  schliessen  lasse.  —  Ein  fünftes  grosses  Exemplar, 
von  Montelius  Congres  Stockholm  1874,  p.  .^)1()  mitgezählt,  ist  durch  den  Schall- 


(856) 

trichter  mit  breitem  Rand  mid  einer  grossen  Oehse  nahe  der  Mündung  in  der 
Sammlung  des  Grafen  Thure  Bielke  zu  Sturefors  in  Oestergötland  vertreten; 
unsicher,  wenngleich  wahrscheinlich,  ist  es  aber,  dass  es  der  Bronzezeit  an- 
gehört. —  b)  Blekinge:  Asarums  Socken,  ein  Stück  der  Sammlung  Holst, 
Stockholm;  Congres  Stockholm  p.  510.  —  c)  Insel  Oeland:  Länglöt  Norre- 
gärd,  2  Exemplare,  mit  2  Retten,  wie  Montelius  Nai  bist.  Mus.  Fig.  55,  gefunden 
1891  unter  einer  Torfschicht,  beschützt  durch  einen  Kalkstein,  in  einem  jetzt  trocken 
gelegten  Wasserloch  oder  kleinen  Teich,  wie  es  scheint,  auf  dem  Teichboden. 
(Nach  Dr.  Svend  Söderberg's  Bericht  an  Montelius.) 

Alle  vorstehend  angeführten  Trompeten  sind  gegossen,  nicht  aus  ge- 
hämmertem Blech,  aber  aus  mehreren  Stücken  zusammengesetzt.  Diese  älteren 
Trompeten  scheinen  nur  im  südlichsten  Theile  des  Landes  vorzukommen.  Zum 
Veigleich  sei  hier  dagegen  verwiesen  auf  das  schon  S.  852  erwähnte  Hom  ^der 
älteren  Eisenzeit^  von  Södermanland,  also  weiter  nordöstlich. 

D.  Die  britischen  Inseln.  Hier  kommt  fast  nur  Irland  in  Betracht, 
welches  zahlreiche  bronzene  Trompeten  geliefert  hat,  deren  Formen  indess  von 
denen  der  vorher  besprochenen  oft  wesentlich  abweichen.  Man  hat  gegossene 
und  aus  Blech  genietete;  letztere  gehören  z.  Th.  sicher  der  Teneperiode  Qsie 
celtic)  an,  wie  aus  der  Ornamentik  folgt,  so  Wilde,  Catalogue  I,  Fig.  527  und 
531,  zu  vergleichen  mit  bronzenen  Schildbeschlägen  ebenda  Fig.  533,  und  mit 
Remble,  Horae  ferales,  London  1863,  T.  14 — 16.  (Die  senkrechte  Endscheibe 
erinnert  übrigens  an  die  dän.  Lurer).  Auch  von  den  gegossenen  scheinen  viele 
der  älteren  Eisen-,  vielleicht  der  Hallstattzeit  anzugehören,  doch  enthielt  ein 
grosses  Depot  zu  Dowris  neben  Trompeten  viele  Bronzen,  Tüllencelte  u.  deigl^ 
so  dass  einzelne  der  Blaseinstrumente  in  die  jüngere  Bronzezeit  hinaufreichen 
mögen  (cf.  Evans,  Bronze  Impl.  p.  357  ff.). 

Abbildungen  gegossener  irischer  Trompeten  bei  Wilde,  Figg.  524 — 26, 
529-30;  Kemble  T.  13,  1  und  3—10;  Evans,  Figg.  438—41,  443—44.  Als 
besondere  Eigenthümlichkeit  vieler  dieser  Stücke  ist  zu  bemerken,  dass  die 
Oeffnung  zum  Ansetzen  des  Mundes  nicht  am  Ende,  sondern  nahe  demselben  an 
der  Seite  sitzt.  Da  aber  nach  Wilde  derartige  Instrumente  sich  nicht  blasen 
lassen,  nimmt  man  an,  sie  seien  Sprachrohre  (Wilde  p.  628;  Evans  p.  360). 
Die  eigentlichen  Mundstücke  der  Blasehömcr  fehlen  übrigens  häufig.  — 

Die  meisten  irischen  Trompeten  sind  in  Mooren  oder  in  der  Erde  gefundeui 
einige  jedoch  in  einem  Hügel  zu  Carrickfergus,  allerdings,  wie  es  heisst,  ^in 
die  Erde  gegraben^,  so  dass  man  zweifelhaft  sein  kann,  ob  es  sich  hier  um  Grab- 
beigaben handelt  (Wilde  p.  623—24;  Evans  p.  358). 

Aus  Schottland  kennt  Evans  nur  das  eine  gegossene  Exemplar  Fig.  445, 
von  Caprington,  Ayrshire,  dessen  Metall  auf  90  pCt.  Rupfer  fast  10  Zinn  enthält 
Er  vergleicht  es  mit  dem  Meklenburger  von  Hofzumfelde,  doch  ist  die  Aehnlichkeit 
mit  diesem,  übrigens  auch  an  beiden  Enden  beschädigten  und  vielleicht  unvollstän- 
digen Exemplar  nicht  sehr  gross. 

In  England  wurden  2  Trompeten  gefunden:  eine  im  Flusse  Witham  bei 
Tattershall,  Lincolnshire,  aus  3  Stücken  gehämmerter  Bronze  zusammengesetzt 
und  mit  weissem  Metall  gelöthet;  trotz  der  Zusammensetzung  der  Bronze  (88  Rupfer, 
12  Zinn)  nach  Remble  und  Evans  verhältnissmässig  jung,  der  Zeit  um  die  römische 
Invasion  angehörig  (Remble  Taf.  13,  2;  Evans  p.  363).  In  der  That  vergleicht 
Rieh,  Wörterbuch,  dieselbe  sehr  passend  mit  dem  lituus  auf  einem  römischen 
Inschriftsteine  des  M.  Julius  Victor,  über  den  unten  S.  858  das  Nähere.  Seine  Ab- 
bildung und  die  gleiche  bei  Lübker,  Reallexicon  des  dass.  Alterthunu,  4.  AnlL^ 


(857) 

Leipzig  1874,  ist  indess  viel  kleiner  und  wohl  nicht  so  genau,  wie  die  bei  Kemble, 
auch  seine  Längenangabe  („etwas  über  4  Fnss'')  wahrscheinlich  falsch  (Kemble 
scheint  der  Zeichnung  nach  richtig  2  Fuss  4  2jo11  =  rund  70  cm  anzugeben). 
Remble's  Zeichnung  lässt  als  interessantes  Detail  an  der  Unterseite  des  geraden 
Rohres  einen  vorspringenden  Thierkopf  erkennen  und  im  Anschluss  daran,  sich 
bis  an  den  Schalltrichter  hinziehend,^  einen  eigenthümlichen  vorspringenden  Ramm 
oder  eine  Mähne,  für  die  sich  wohl  aus  anderen  Darstellungen  eine  Erklärung 
schöpfen  lässt  (unten  S.  859).  Bezüglich  des  Thierkopfes  sei  auf  die  Fibeln  der 
Früh-Lat^nezeit  hingewiesen  (Lindenschmit,  Heidn.  Vorzeit  I,  4,  Taf.  3), 
namentlich  aber  macht  mich  Hr.  Director  Dr.  Voss  auf  eine  cylindrische  weit  ge- 
rippte Ciste  aus  einem  Tumulus  von  Magny-Lambert,  Cote  d'or,  aufmerksam,  mit 
Gehängen,  die  durch  ganz  ebensolche  vorspringende  Thierköpfe  verziert  sind 
(Chantre,  Premier  age  du  fer,  Necropoles  et  Tumulus,  Paris-Lyon  1880,  PI.  45, 
4;  Fig.  3  ein  ebensolches  Oehänge). 

Eine  zweite  Trompete,  von  Battle,  Sussex,  bildet  ab:  Francis  Orose, 
Ancient  Armour  and  Weapons,  London  1786,  pl.  XIII.  Sie  wurde  gefunden  beim 
Brunnengraben,  ist  aus  3  Stücken  gegossener  Bronze  (brass)  zusammengesetzt,  mit 
nur  einem  Tragring  am  mittleren.  Im  Schwung  der  Biegung  ähnlich  denen  aus 
Schonen  (Antiq.  Sued.  178)  und  Langeland,  wenngleich  die  Partie  am  Mundstück 
erheblich  weniger  sich  zurückbiegt;  sonst  auch  zu  vei^leichen  mit  Hofzumfelde 

und  Oarlstorf. 

Anhang. 

Die  S.  854  erwähnte  bronzene  Trompete  von  Hannover  (Sammlung  Blell, 
Waffenkatalog  Nr.  115)  wurde  angeblich  um  1857  beim  Bau  der  Eisenbahn 
Hannover- Lüneburg,  nahe  der  Stadt  H.  gefunden,  von  den  Arbeitern  zerbrochen 
und  durch  den  Buchhändler  Hahn,  der  die  3  wesentlichsten  Bruchstücke  erwarb, 
unter  Ergänzung  wiederhergestellt.  Hahn  verkaufte  sie  später  an  den  Händler 
Meyer  am  Zeughause  in  Beirlin,  von  dem  sie  Hr.  Blell  1875  erstand.  Mit  dieser 
Trompete  soll  noch  eine  zweite  an  derselben  Stelle  gefunden  sein.  Die  Richtig- 
keit dieser  Angaben  durch  Nachforschungen  in  Hannover  zu  bestätigen,  gelang  mir 
nicht.  Dagegen  erwies  sich  die  weitere  Mittheilung  des  Meyer,  dass  ein  ähnliches 
Hom  in  Röslin,  Pommern,  von  einem  Nachtwächter  benutzt  sei,  als  richtig.  Es 
ist  dies  das  von  Noack  veröffentlichte  Hom,  (diese  Yerhandl.  1872,  S.  217  mit 
Abbildung.  Hr.  Blell  giebt  nun  von  seiner  Trompete  nachstehende  Zeichnung  und 
Beschreibung: 

Der  Lituus  ist  in  gerader  Richtung  gemessen  992  mm  lang  (d.  h.  jetzt,  wo 
der  Schalltrichter  durch  Eindrücken  einer  Wandung  etwas  verkürzt  ist).  Quer- 
durchmesser der  Schallöffnung  107  mm,  Längsdurchmesser  ursprünglich  125  mtn, 
Oewicht  2  kg  950  g.  Das  Schallende,  der  mittlere  und  der  obere  Theil  sind  aus 
röthlicher  Bronze,  die  Fassung  des  Mundstücks  ist  aus  Blei  gegossen.  Die 
Wandung  ist  am  Schallende  4  mm  stark,  nach  dem  Rande  zu  3  mm.  Alle  diese 
Theile  sind  original;  die  beiden  Mitteltheile  a  und  b  mit  je  2  „Bünden^  und  je  1 
beweglichen  Tragringe  waren  dagegen  abhanden  gekommen  und  sollen  gleich 
nach  der  Auffindung  der  Originaltheile  ei^nzt  sein,  —  wie  der  Augenschein  zeigt, 
aus  Messing.  Die  Ergänzung  wird  nach  einer  Beschreibung  der  abhanden  ge- 
kommenen Theile  oder  nach  dem  zweiten,  mit  dem  vorliegenden  Lituus  zusammen 
gefundenen  Exemplare  ausgeführt  sein. 

Offenbar  ist  der  vorliegende  Lituus  sehr  lange  im  Gebrauch  gewesen  und  durch 
Aufsetzen  auf  die  Erde  das  untere  Ende  der  Schallöffnung  so  dünn  abgeschliffen, 
dass  dadurch  der  Rand  einen  3  cm  langen  Bruch  erlitten  hat,  wodurch  wiederum 


die  so  entstandenen  Lappen  sich  dennaassen  eingebogen  haben,  dass  die  Schall- 
öffnang  die  in  Fig.  c  mit  votier  Linie  angegebene  jetzige  Form  erhalten  hat. 
während  die  punktirte  Linie  die  ursprüngliche  Form  erkennen  lüsst.  Darnach 
besteht  dieselbe  aus  zwei  sich  schneidenden  Kreisabschnitten.  Im  Änschlnss  an 
diese  Form  bilden  die  beiden  Seitcnilächen  längs  dei  inneren  und  äusseren  Bi^ung 
des  Lituus  zwei,  bis  zum  obersten  Theile  reichende  und  daselbst  in  die  Rundung 
des  eigentlichen,  mit  Blei  gefassten  Mundstücks  auslaufende  Grate,  so  dass 
das  Rohr  an  jeder  Stelle  einen  dem  Schallstuck  ähnlichen  Querdurchschnitt  zeigt. 
Nur  bei  den  ergänzten  Tbeilen  a  und  b  ist  diese  Eigen thttmlichkeit  Übersehen 
worden  und  sind  sie  schon  daraus  als  Ergänzung  kenntlich.  —  Fig.  d  zeigt  den 
oberen  Theil  des  Lituus  in  natürlicher  Grösse.  Darnach  hat  man  sich  iilso  das 
Mundstück  in  seinem  Kern  aus  Bronzeguss,  und  zwar  mit  dem  Röhrentheil  aus 
einem  Stück  zu  denken,  nur  dass  es  da,  wo  es  beginnt,  etwas  „abgesetzt"  ist,  be- 
hufs Aurnabme  der  Umbleiung.  Zur  besseren  Befestigung  dieser  letzteren  schein! 
der  üusserste  Bronzerond   etwas  umgelegt  zu  sein.  —  Soweit  Hr.  Blell.     Reiner 

Figur  4. 


Deutung  rilituus",  sofern  sie  sich  auf  die  Form  erstreckt,  wird  man  zustimmen 
ihüssen.  Scheiden  wir  unter  den  römischen  Blaseinstrumenten  bei  unserer  Be- 
trachtung die  „bucina"  aus,  welche  mehr  durch  ihre  schnockcnfitrmige  Windung, 
als  durch  eine  Krümmung  der  Liingsaxe  charakterisirt  erscheint,  so  war  jedenfalls 
„comu"  das  am  meisten,  selbst  bis  nahe  zum  vollen  Kreise  gekrümmte.  Eine  der 
ältesten  bildlichen  Darstellungen  desselben  dürfte  sich  auf  dem  Deckel  einer 
bronzenen  Urne,  gelbnden  18»;i  zu  Gapua,  befinden  (Berliner  Antiquarium  787i). 
die  dem  ti.  Jahrh,  v.  Chr.  angehört  und  in  plastischer  Wiedergabe  einen  Comublüsi'r 
inmitten  dreier  Pferde  zeigt.  Das  Hom  bildet  hier  reichlich  einen  Halbkreis.  — 
Nächst  dem  „cornu"  käme  der  ..lituus"  und  schliesslich  die  gerade  ,tuba". 

Beweisend  für  die  Form  des  Lituus  ist  die  Abbildung  auf  einem  in  Rom  ge- 
fundenen Steine,  der  zugleich  ein  Hörn  (cornu)  zeigte  und  die  Inschrift  trag; 
M.  lulius  Victor  ex  collegio  liticinnm  eomicinuni:  Casp.  Bartholinus,  De  libiis 
velorum,  Romac  1(577,  p,  228  u.  tab.  111,  Hg.  4.  Die  Abbildung  ist  sehr  klein,  aber 
Fabrelti,  Coluninji  Traiuni,  2.  Au II.,  Rom  1091',  p.  20J,  und  nach  ihm  Montfaucon. 


(859) 

L'antiqoit^  expliquee,  Tome  4,  Paris  1719,  Taf.  35,  8  za  p.  96  geben  eine  grössere 
Zeichnung,  yermuthlich  von  Fabretti  nach  dem  Original  angefertigt  and  ziemlich 
zayerlässig.  (Vei^l.  auch  Weiss,  Kostümkundc  I,  Fig.  392  c).  Der  Stein  ist  jetzt 
verloren  und  die  Inschrift  fehlt  im  Corpus  inscript.  latin.;  Mommsen  hält  aber 
das  Relief  für  unzweifelhaft  acht  (Römisches  Staatsrecht  III,  1 ,  Leipzig  1 887, 
p.  287,  Anm.  3).  Dieser  Lituus  ist  fast  in  seinem  ganzen  Verlauf  gerade  und 
dünn,  erst  unmittelbar  vor  der  Schallöffnung  erweitert  er  sich  und  biegt  dann, 
wenigstens  nach  Fabretti *s  Zeichnung,  soweit  um,  dass  man  allenfalls  von  der 
Bildung  eines  kurzen  Hakens  sprechen  kann.  Hiernach  würde,  wenn  der  Lituus 
öfters  ausdrücklich  als  gekrümmt  bezeichnet  wird,  dies  wohl  nur  im  Gegensatz  zur 
ganz  geraden  Tuba  geschehen  sein  können.  Indess  mag  er  bisweilen,  wenigstens 
am  Ende  mehr  gekrümmt  gewesen  sein,  als  die  Abbildung  auf  jenem  Stein 
es  zeigte.  Unter  den  über  den  Lituus  handelnden,  mir  bekannten  Stellen  alter 
Schriftsteller  käme  allerdings  nur  in  Betracht  L.  Annaeus  Seneca,  Oedipus  732—34 
(ed.  F.  Leo,  Berlin  1879),  wo  dem  „reflexo  comu^  der  lituus  „adunco  aere^ 
(uncus  =  Haken)  gegenübei^estellt  wird.  Fragliche  Form  der  Blasinstrumente  soll 
aber  eine  etrurische  Erfindung  sein  und  auch  der  etrurische  Augurenstab  wurde 
bekanntlich  „lituus'*  benannt.  Rieh,  lUustr.  Wörterbuch,  sagt  darüber:  „ein  kurzer 
Stock,  dessen  Ende  wie  ein  Bischofsstab  gebogen  war,  als  dessen  Vorbild  man  den 
lituus  ansieht.  Er  verdankt  seinen  Namen  einer  gewissen  Aehnlichkeit  mit 
dem  militärischen  Instrument;  allein  auf  Kunstwerken  ist  das  Ende  des  Auguren- 
stabes nicht  bloss  leicht  gekrümmt,  wie  der  Lituus,  sondern  ist  immer  in  der  Form 
einer  Spirale  gewunden"  (Vei^l.  Weiss,  ^ostümk.  I,  Fig.  408).  Es  kann  also 
vielleicht  auch  die  Trompete  ursprünglich  am  Ende  stärker  gekrümmt  gewesen 
sein.  Ob  übrigens  der  Krummstab  des  Augur  nach  der  Trompete  benannt  ist, 
oder  umgekehrt,  erscheint  ganz  ungewiss;  was  Aulus  Oellius  (2.  saec.  p.  Chr.), 
Noctium  Atticarum  lib.  V,  8,  diesbezüglich  sagt,  ist  werthlos.  — 

Ein  wenig  deutlicher  hakenförmig  ist  ein  Blasehorn  unter  den  Waffen  des  von 
einem  Römer  niedergeworfenen  Feindes  auf  einer  getriebenen  Silberplatte  (Stück 
eines  Cohortenzeichens)  aus  dem  römischen  Castell  von  Niederbiber  (W.  Dorow, 
Römische  Alterthümer  in  und  um  Neuwied  am  Rhein,  Berlin  1827,  Taf.  15  zu 
S.  G7  =  Lindenschmit,  Heidn.  Vorzeit  I,  7,  Taf.  5,  1).  —  Vollends  zum  Haken 
gebogen  ist  eine  Trompete  von  Vulci  (jetzt  in  Rom),  Musei  etrusci  Gregoriani 
monimental,  Vatican  1842,  Taf.  21,  8,  die  Dennis,  The  cities  and  cemeteries  of 
Etruria,  revised  ed.,  vol.  H,  London  1878,  p.  476  ebenfalls  abbildet  und  zu  der  er 
bemerkt:  „ein  Lituus,  das  einzige  Exemplar  dieses  Instruments,  das  gesehen  zu 
haben  ich  mich  erinnere,  obgleich  es  speciüsch  etruskisch  war;  es  ist  ungefähr 
4  Fuss  lang^.  Des  weiteren  das  höchst  merkwürdige  Oeräth  bei  Weiss,  Kostümk.  I, 
Fig.  149  A,  daselbst  als  Trompete  der  Sarmaten  in  Ungarn  u.  s.  w.  auijg^fasst.  Zwar 
wird  es  bei  Hope,  Gostume  of  the  ancients,  vol.  I,  London  1841,  Taf.  17,  5  als 
dacische  Standarte  bezeichnet,  aber  Weiss*  Deutung  „Trompete"  ist  gewiss 
richtig.  Die  Zeichnung  ist  nehmlich  offenbar  nach  den  Darstellungen  auf  der 
Trajans-Säule  in  Rom  angefertigt,  wo  am  Sockel  unter  den  Trophaeen  neben 
den  bekannten  Drachenstandarten  viele  solche  Trompeten  mit  verschiedenen  Graden 
der  Rückbiegung  vorkommen  (P.  S.  Bartoli,  Colonna  Traiana,  2  Tafeln  „trofei^^ 
ohne  Nummer;  vei^l.  auch  Taf.  119,  trofei  di  Traiano,  aber  nicht  an  der  Säule). 
Bartoli  sieht  hierin  Darstellungen  dacischer  Waffen.  Der  Haken  hat  hier  die 
Gestalt  eines  Thieres  angenommen,  dessen  Rücken,  die  Aussenkante  der  Krümmung 
bildend,  meist  mit  einer  Art  Mähne  besetzt  ist,  durch  welche  auch  das  oben  er- 
wähnte ornamentale  Beiwerk  am  Lituus  von  Tattershall,   England,   z.  Tb.    erklärt 


(860) 

wird.  In  einen  Thierkopf,  dessen  geöffneter  Rachen  die  Schallmündung  bildet, 
endigen  auch  viele  Trompeten  auf  dem  Triumphbogen  von  Orange,  dem  alten 
Arausio  (Montfaucon,  Tome  IV,  1,  Paris  1719,  pl.  108  zu  p.  169).  Montfaucon 
sagt  dazu  zwar  ebenfalls  „dragons  qui  serraient  pour  cnseignes  militaires^^  und 
Details  sind  leider  nicht  sichtbar,  aber  dass  es  sich  hier  um  Trompeten,  öfters 
mit  ziemlich  stark  gebogenem  Rohr,  handelt,  ist  meines  Erachtens  nicht  zweifolbafL 
Diese  Auffassung  wird  aber  vollends  bestätigt  durch  die  Darstellung  auf  einer  der 
Platten  jenes  hochinteressanten  silbernen  Gefässes,  das,  vor  Kurzem  erst  aufgefunden, 
sich  im  Museum  zu  Kopenhagen  befindet  und  demnächst  in  Nordiske  Foiiidsminder  II 
publicirt  werden  soll.  Hier  werden  mehrere  Trompeten  mit  weitgeöffnetem  Maul 
und  mit  Mähne  geblasen.  Für  die  Deutung  jenes  sarmatischcn  oder  dacischen 
Stückes  als  „Trompete"  spricht  auch  der  dem  Maule  des  Thieres  angefügte 
trichterförmige  Ansatz,  welcher  offenbar  den  eigentlichen  Schalltrichter  bildet 
Endlich  sei  hingewiesen  auf  die  Stierkopftrompete  am  Relief  von  Pergamon  (Altei^ 
thümer  v.  P.,  von  Bohn  und  Hans  Droysen,  Bd.  H,  Berlin  1885,  Taf.  46,  2). 
Droysen  sagt  darüber  S.  113:  „Von  dem  geöffneten  Maule,  als  einem  SchalUoch 
ausgehend,  könnte  man  das  Ganze  für  eine  Trompete  ansehen.  . . .  Das  Original, 
das  unserem  Relief  zu  Grunde  liegt,  war  wohl  aus  Metall,  hohl  gegossen  oder 
getrieben." 

Dem  BlelTschen  Exemplar  am  nächsten  kommt  die  Trompete  von  Tatters- 
hall  (S.  850),    insofern  bei  ihr  der  Schalltrichter  am  wenigsten    sich    zurückbiegt 

Der  Lituus  gilt  als  Trompete  der  Reiter;  sofern  indess  dieser  Auffassung 
die  angebliche  Stelle  bei  Pomponius  Porphyrio,  ad  Hör.  Od.  I,  1,  23  (3.  saec. 
p.  Chr.)  zu  Grunde  liegen  sollte,  würde  darauf  kein  Gewicht  zu  legen  sein;  denn 
Hr.  Prof.  E.  Hübner  belehrt  mich,  dass  diese  Stelle  apokryph  und  deswegen  in 
den  neueren  Ausgaben  dieses  Schriftstellers  fortgelassen  sei. 

Das  Hörn  von  Köslin,  jetzt  in  Verwahrung  des  Magistrats  daselbst,  Megi 
mir  durch  die  Güte  des  Bürgermeisters,  Hm.  Sachse,  in  neuer  Zeichnung  mit 
Erläutenmgen  vor.  Danach  sind  entschieden  mehrere  Theile  desselben  ganz 
modern,  so  das  Ende  des  Schalltrichters  (bei  Noack  a-d),  mindestens  ein  Theil 
des  graden  Rohres  und  wohl  auch  das  Mundstück.  Andere  Theile  des  Rohres 
und  der  Beginn  des  Schalltrichter  (bei  Noack  c-c)  können  dagegen  alt  sein, 
und  wenn  man  annimmt,  dass  dieser  alte  Theil  des  Schalltrichters  früher  das 
Ende  des  Homs  überhaupt  bildete,  so  tritt  die  ücbereinstimmung  mit  dem 
BlelTschen  Hörn  deutlich  hervor.  Auch  ist  es,  wie  dieses,  gegossen,  sein 
Gewicht  im  jetzigen  Zustand  knapp  2,70  kfj,  die  Wandstärke  bei  c-c  etwa  4  wiw. 
(Hiemach  sind  die  Angaben  Noacks,  Gewicht  gegen  5  Ar/;,  Wandstärke  14  mm, 
zu  verbessern).  Jetzige  Länge  82  cm.  —  Nach  einem  altert  Bericht,  den  Noack 
wiedergiebt,  soll  es,  mindestens  schon  im  17.  Jahrhundert,  in  einem  „Hünenberg^ 
bei  Köslin  gefunden  sein,  der  auch  ein  Schwert  des  späten  Mittelalters  lieferte. 
Nach  Hrn.  Sachse  wäre  der  Gollenberg  der  Fundort.  — 

Auffallend  bleibt  mir  an  dem  Bleir sehen  Lituus,  dass  er  gegossen  ist:  sein 
grosses  Gewicht  erschwert  Handhabung  sowohl,  wie  Blasen,  obgleich  ihm  durch 
einen  Sachkundigen,  wie  den  Königl.  Sammlungsaufseher,  Hm.  Golm,  ganz  an- 
nehmbare Töne  entlockt  werden  können  und  die  dänischen  Lurer  zum  Theil  noch 
schwerer  sind.  —  Da  das  angebliche  hannoversche  Instrument  so  ganz  aus  dem 
Rahmen  der  sonst  aus  Deutschland  bekannten  alten  Trompeten  heraustritt  und  dem 
Händler  Meyer  das  Kösliner  Hörn  bekannt  war,  so  könnte  man  an  eine  Nach- 
bildung des  letzteren  denken.  Indess  ergiebt  die  Betrachtung  des  BlelTschon 
Instrumentes  für   sich   allein  hierfür  keinen  Anhalt  und  das  Kösliner  habe  ich  im 


C8S1) 

Original  noch  nicht  gesehen-  Erwünscht  aber  wäre  eine  Analyse  der  Bronzen 
beider  Hörner,  nm  Tcstzu stellen,  ob  sie  vielleicht  doch  in  die  Bronzezeit  hinituf- 
rcichcn;  nach  das  weissliche  Metall  des  Mundstücks  anUlcH's  Exemplar  verdient 
eine  Untersuchung.  — 

(30)  Hr.  Architekt  Max  Jnnghacndcl,  welcher  im  Anttrago  des  deutschon 
Palästina- Vereins  im  folgenden  Jahre  nach  Syrien  gehen  wird,  spricht,  unter  Vor- 
lage von  Original-Photogniphicn,  Über 

RUIeo  KD  aegyptischen  Tempeln. 

Nach  den  Beobachtungen  des  Hm.  Junghacndel  kommen  die  Killen  haapt- 
Biichlich  an  den  Eingängen  zu  denjenigen  TcmpelrÜnmcn  vor,  die  nachweislich 
vom  frühen  Mittelalter  ab  den  Christen  als  Culträume  dicntfin.  Fast  jeder  grössere 
Tempel  hat  solche  Räume  aufzuweisen.  Die  aegyptischcn  Rillen  übertreffen  an 
Grösse  und  Hünilgkeit  die  an  den  nordischen  Kirchenbauten  vorhandenen.  Es 
Hndcn  sich  solche  bis  zu  5  cm  Tiefe  und  40  cm  Länge.  Sie  sind  äugen  schein  lieh 
nicht  durch  Weizen  und  Schlagen  mit  scharfen  Instnmienten,  Schwertern  u.  dergL 
entstanden.  Ihre  wenig  scharfen  Contonren  denten  eher  auf  ein,  durch  lange  Zeit 
an  einer  und  derselben  Stelle  fortgesetztes  Reiben,  Schaben  (Fummeln)  mit  ge- 
nindelcn  Gegenständen,  Steinen  und  dergl.  hin.  Bemerkenswerth  ist  das  zahl- 
reichere Auftreten  der  Rillen  auf  der  rechten  Seite  der  Eingänge-  Von  besonderer 
Wichtigkeit  erscheint  ihr  Vorkommen  unterhalb  griechischer  Kreuze,  wie  es  in 
den  Thoren  des  enttcn  und  des  zweiten  Pylons  des  Isistcmpels  zu  Philac  nachzu- 


Figur  I. 

weisen  ist-  Des  Weileren  kann  beobachtet  werden,  dass  oberhalb  der  Stellen, 
wo  Rillen  in  besonderer  Häufigkeit  aultreten  (z.  B.  im  Tempel  zu  Edfu)  sich  zu- 
meist auch  viereckige  Löcher  finden,  in  denen  allem  Anschein  nach,  ehemals 
Dübel  zur  Befestigung  geheiligter  Gegenstände,  Darstellungen  u.  h.  w.  eingelassen 
waren.  Das  gemeinsame  Aultreten  von  Kreuzen  und  Rillen  lässt  die  letzteren 
ihrem  L'rsprunge  nach  nicht  als  das  Produkt  müssiger  Spielerei  erscheinen,  wie 
Viele  anzunehmen  geneigt  sind.  Im  Gegentheit,  es  legt  den  Gedanken  an  einen 
Zusammenhang  der  Rillen  mit  einer  kirchlichen  Cercmonie  ausserordentlich  nahe. 
Die  Bedeutung  dieser  Ceremonie   ist   vorläufig   noch  nicht  klar  erkennbar.     Dass 


(862) 

es  nich  hierbei  um  eine  Ccrcmonie  handelt,  deren  Urapniog  in  die  vorchristliche 
Zeit  za  rück  reicht,  könnte  eine  Rille  beweisen,  die  sich  aaf  der  12,  Säule  (von 
Süden  gerechnet)  des  westlichen  Porticns  am  Dromos  des  IsistempeU  za  Philoe  vor- 
Andet.  Die  Inschriften  aaf  dieser  Sänie  be- 
ziehen sich  anf  Kaiser  Tiberius,  welcher  in 
der  üblichen  hieratischen  Stellang  der  Göttin 
Anouqit  zwei  Schalen  mit  Bier  (hqr)  dar- 
bringt Unterhalb  der  Toi^atreckten  Arme  des 
Kaisers  befinden  sich  zwei  Hieroglyphenreiben, 
von  nelchcn  die  rechte,  (nach  der  Änrnahme 
von  George  Benedite)  in  ihrem  mittleren  Theil 
sich  in  der  wohl  ausgebildeten,  etwa  2  em  liefen 
Rille  fortsetzt  Jedenfalls  muss  also  die  Rille 
vor  Anbringung  der  Inschrift,  mithin  in  vor- 
tiberischer  Zeit  entstanden  sein. 

Im  Anschluss  hieran  stellt  der  Vortragende 
folgende  Hypothese  auf:  Die  Rillen  verdanken 
ihre  Entstehung  vielleicht  einer  ähnlichen  Ccrc- 
monie, wie  die  noch  heute  in  der  griechiech- 
und  römisch -katholischen  Kirche  bestehende 
Feiung  und  Weihung  durch  das  Weihwasser- 
besprengen. Diese  letztere  Ceremonie  wurde 
bereits  bei  den  Acgyptem,  Assyrcm,  Indem, 
Persem,  Juden,  Griechen  und  Römern  geQbL 
Pjgy,.  2.  In   frühchristlicher   Zeit   wurden   die   Kirchcn- 

bcsQcher  beim  Eintritt  vom  Priester  mit  Weih- 
wasser besprengt;  vom  9.  Jahrhundert  ab  tritt  der  Gebrauch  des  Sichselbst- 
besprengens  hervor-  Das  durch  die  Geistlichkeit  feierlich  geweihte  Wasser  be- 
findet sich  an  den  Eingiingon  in  eingemauerten  oder  freistehenden  Becken,  in 
welche  die  Eintretenden  nnd  Weggehenden  die  Weihwedel  (aspei^illnm),  später 
nur  die  Finger  eintauchen,  um  sich  dann  in  Kreuzesform  zu  besprengen.  Seil 
frühester,  auch  in  vorchristlicher  Zeit,  wird  dos  Weihwasser  durch  einen  Znsatz 
von  Salz  (salis  conspersio)  in  seiner  Reinignngs-  nnd  Heilskraft  erhöht. 

Es  fragt  sich  nun,  ob  dem,  durch  das  Reiben  der  Rillen  gewonnenen  Pulver 
eine  ähnliche  Bedeutung  zugeschrieben  wurde.  Diese  Frage  ist  nicht  ohne  Weiteres 
abzuweisen,  da  noch  heute  und  nicht  bloss  im  Orient  Gebrfiuche  beobachtet 
werden  können,  die  zweifellos  diese  Bedeutung  bestätigen.  In  der  Kalänn-Hoschee 
in  Cairo  werden  an  Donnerstagen,  namentlich  Nachmittags,  häufig  Frauen  an- 
getroffen, die  in  einer  Nische,  seitlich  vom  Grabe  des  Khalifen,  auf  einem  grossen, 
dunklen,  jedenfalls  eisenhaltigen  Steine  grüne  Citronen  auspressen  und  dum  mit 
einem  kleinen  Steine  so  lange  in  der  Saftlache  reiben,  bis  durch  das  gewonnene 
mineralische  Pulver  die  Flüssigkeit  sich  mennigroth  Tärbt.  Diese  lassen  sie 
dann  von  ihren,  noch  nicht  des  Sprechens  kundigen  Kindern  aufsaugen,  um  ihnen 
„die  Zunge  zu  lösen",  was  wohl  mehr  durch  den  bitteren  Geschmack  des  Saftes 
in  ausgiebigster  Weise  erreicht  wird;  denn  die  Kinder  schreien  gewöhnlich  zur 
Freude  ihrer  Mütter  aus  vollem  Halse.  In  verschiedenen  Moscheen  werden  den 
dunklen  Säulen  der  Kiblen  (Gebetsnischen)  ähnliche  Hcilswirkungen  zugeschrieben. 
Diejenigen  in  der  Kaläun-Moschee  sollen,  in  einer  der  vorbeschriebenen  ähnlichen 
Weise  behandelt,  jungen  Frauen  die  ersehnte  männliche  Nnchkommcnschaft  sichern. 
Die  Säulen  der  Kiblen  sind  daher  in  ihren  mittleren  und  unteren  Thcilen  meist 


(863) 

glatt  gerieben.  In  der  Moschee  von  Cordoba  befindet  sich  nahe  dem  Eingänge 
gleichfalls  eine  schwarze  Säule,  die  ob  ihrer  geheimnissvollen  Kräfte  von  je  be- 
sondere Verehrung  genoss.  Noch  jetzt  wird  an  dieser  Säule  gerieben,  die  in  Folge 
dessen  mit  rillenartigen  Vertiefungen  überdeckt  ist.  Femer  kann  man  in  Obcr- 
Aegypten  des  Oefteren  noch  Eingeborene  beobachten,  die  an  den  Tempeln  von 
Neuem  Rillen  reiben,  um  Pulver  zu  gewinnen,  das  in  ihrer  Quacksalberei  eine 
grosse  Rolle  spielt,  und  zwar  von  Alters  her,  wie  Mr.  Bouriant  auf  Grund  einer 
von  ihm  aufgefundenen  alt -koptischen  Medicin- Vorschrift  versicherte.  Der  Vor- 
tragende schUesst  seine  Mittheilungen  mit  dem  Wunsche,  dass  es  der  Anthrop.  Ges. 
gelingen  möge,  die  von  ihr  angeregte  „Rillen"-Frage  zu  einer  endgültigen  Lösung 
zu  bringen.  — 

Hr.  Virchow  verweist  auf  seine  Mittheilungen  über  Rillen  und  Näpfchen 
an  alt-ägyptischen  Bauwerken  (Verhandl.  1888,  S.  214,  Fig.  1  und  2),  in  denen 
er  sich  für  eine  Entstehung  derselben  in  christlicher  Zeit  ausgesprochen  hat. 
Indess  hat  er  auch  ein  Beispiel  von  Rillen  am  Tempel  von  Edfu  beigebracht, 
welches  anscheinend  älter  ist,  und  Hr.  W.  Reiss  (Verhandl.  1889,  S.  701)  hat 
einen  Steinblock  mit  Näpfchen  in  der  Pyramide  von  Meidum  entdeckt,  der  wohl 
nicht  anders  gedeutet  werden  kann,  als  dass  die  Näpfchen  schon  vor  oder 
wenigstens  bei  Errichtung  der  Pyramide  eingerieben  sind.  Was  übrigens  die 
Grösse  der  Rillen  anbetrifft,  so  lassen  manche  deutsche  Kirchen  in  dieser  Be- 
ziehung nichts  zu  wünschen  (vergl.  Verhandl.  1883,  S.  209);  ein  vorzügliches  Bei- 
spiel liefert  die  Kirche  von  Hagenau  im  Elsass.  — 

(31)   Eingegangene  Schriften. 

1.  Plath,  J.  H,  Die  Völker  der  Mandschurey.  Göttingen  1830,  2  Thle.  i.  1  Bde. 

2.  V.  Prschewalski,  N.,  Reisen  in  der  Mongolei,  im  Gebiet  der  Tanguten  und 

den  Wüsten  Nordtibets  in  den  Jahren  1870/73.    II.  Aufl.   Jena  1881. 

3.  Derselbe,   Reisen  in  Tibet  und  am  oberen  Lauf  des  gelben  Flusses  in  den 

Jahren  1879/80.    Jena  1884. 

4.  Puchstein,  0.,  Bericht  über  eine  Reise  in  Kurdistan.  Berlin  1882.  (Akademie). 

5.  Rad  de,  G.,  Die  Chewsuren  und  ihr  Land.    Cassel  1878. 

6.  Ramon  de  la  Sagra,    Histoire  physique,    politique  et  naturelle  de  Tue  de 

Cuba.    Trad.  par  S.  Berthelot.    Paris  1843,  2  vols  u.  Atlas  in  fol. 

7.  Rathgeber,  G.,  Grossgriechenland  und  Pythagoras.    Gotha  1866.   4^ 

8.  Reich  ardt,    C,    Landeskunde    von    Skythien   nach    Herodot.     Halle   a.  S. 

1889.    (Diss.). 

9.  Robin,    C.  C,    Reisen   nach   dem  Innern   von  Louisiana,    dem   westlichen 

Florida   und   auf  die  Inseln  Martinique  und  St.  Domingo  in  den  Jahren 
1802/6.    A,   d.  Franz.     von  K.  L.  M.  Müller.      Wien   1811.     2  Thle.   in 

1  Bd. 

10.  Rohlfs,  Gerh.,  Kufni.    Reife  von  Tripolis  nach  der  Oase  Kufra.  Leipzig  1881. 

11.  Roskoschny,  Herm.,   Afghanistaiv  und  seine  Nachbarländer.     Leipzig,  o.  J. 

2  Bde.  4^ 

12.  Rüppell,    Ed.,   Reisen  in  Nubien,    Kordofan  und  dem  peträischen  Arabien. 

Frankfurt  a.  M.  1829. 

13.  Sayce,  A.  H.,  Assyria,  its  princes,  priests  and  people.    London  1885. 

14.  Derselbe,  The  Hittites.    The  story  of  a  forgotten  empire.    II  ed.    London  1890. 

15.  Schulze,  G.,  u.  Friedr.  Baade,  Heimathsknnde  des  Kreises  Ruppin.    Nen- 

Rnppin  1890. 


(864) 

16.  V.  Schweiger-Lerchenfeld,  Amand.,  unter  dem  Halbmonde.   Ein  Bild  des 

ottomanischen  Reiches  u.  s.  Völker.    Jena  1876.  —  Armenien.    Ein  Bild 
seiner  Natur  u.  seiner  Bewohner.    Jena  1878. 

17.  Shaw,  Th.,  Reisen  oder  Anmerkungen,  verschiedene  Theile  der  ßarbarey  und 

der  Levante  betreffend.    Leipzig  1765.    4\ 

18.  Spiess,  Gttst.,  Die  Preussische  Expedition  nach  Ostasien  während  der  Jahre 

1860—1862.     Reise-Skizzen   aus  Japan,   China,   Siam  und  der  indischen 
Inselwelt.    Leipzig  1864. 

19.  Squier,  E.  G.,  Aboriginal  monuments  of  the  state  of  New-York.    CSomprising 

the  resiilts  of  original  surveys  aüd  explorations.    (Washington  1851,   4*. 
textr.  Smiths.  Gontr.). 
2Ö.   fetoll,  0.,  Öuatemalä,  ftdisön  Uiid  Schildertingen  aus  den  Jahren  1878—1883. 
Leipzig  1886. 

21.  Stübel,  Alf.,    Carta  sobre  sus  viajes  a  las  montanas  Chimborazo,   Altar  eiC4 

y  en  especial  sobre  sus  ascensiones  al  Tunguragua  y  Cotopaxi.   Quito  1873« 

22.  Thomson,   Jos.,   Expedition  hfith  den  Seen  ron  Gentral-Africa  i.  d.  Jahren 

I8t8-fe0.    lt.  Ätill.    ieüa  18ÖÖ. 

23.  Derselbe,  Mungo  Park  and  the  Niger.    London  189Ö. 

24.  Thurneisser,  Leonh.,   eynopaSvikwa-igy  das  ist  ein  gnügsame  überflüssig  und 

ausflerliche  erklerunge  oder  erleuterunge  und  rerstandt  der  Archidoxen« 
darin  mancherley  dicfCTsinniger  explicationes  und  eröffnungen  vieler  streit« 
tigcr  Sachen  von  Göttern,  Englen,  Teuffein,  Menschen,  Tieren,  Caracteren, 
Siglen,  Zaubreyen,  Gespensten,  Rreutteren,  Metallen,  Mineren  und  Ge- 
steinen eröffnet.    Berlin  1575.    Fol. 

25.  Derselbe,  Archidoxa,  dorin  der  recht  war  Motus,  Lauff  und  Gang,  auch  heim- 

ligkcit,  Wirckung  und  Rrafft  der  Planeten,  Gstims  und  gantzen  Firmaments 
Mutierung  und  ausziechung  aller  Subtilitcten  und  das  FUnffte  wesen  auss 
den  Metallen  u.  s-  w.    Berlin  1575.    Fol. 

26.  Derselbe,  Historia  sive  descriptio  plantarum  omnium  tam  domesticarum  quam 

exoticarum  etc.    Berlin  1578.    Fol. 
^7.    Voyage  d'exploration  d^un  missionnaire  dominicain  chez  les  tribus  sauvages 

de  lEquateur.    Avec  une  preface  du  T.  R.  P.  Magalli.    Paris  1889. 
58.    Wiippäus,  J.,  E.,  Untersuchungen  über  die  geographischen  Entdeckungen  der 

Portugiesen  unter  Heinrich  dem  Seefahrer.    Ein  Beitrag  zur  Geschichte 

des  Seehandels  und  der  Geographie  im  Mittelalter.  L  Th.  Gröttingen  1842. 
2\).  Wood,  J.  T.,  Modern  discoveries  on  the  site  of  ancient  Ephesus.  London  1890. 
30,   Fölling,   Th.,   Alexander?  de^  Grpsßeu  Feldzug  in  Central -Asien.    IL  AulL 

Leipzig  1875. 

Nr,  1—30  Gesch.  d.  Hrn.  C,  Künne. 


Berichtigmigeii. 


Seite  Uyo,  Zeile  15  von  unten  recht  statt  nicht 

n     161,      n     17  hineingerieben  statt  hineingetrieben. 

,     161*      l     24  G.  M.  stAtt  G.  ü. 
Figur  a  ist    ^urch   ein  Versehen  umgekehrt  worden-    Was  links  unt«n   ist,  »olh« 

rechts  oben  sein^ 


Sitzung  vom  19.  December  1891. 

Vorsitzender  Hr.  Virchow. 

(1)  Am  5.  December  hat  ein  schneller  Tod  unser  langjähriges  Ehren-Mitglied, 
Dom  Pedro  IL  d'Alcantara,  früheren  Kaiser  von  Brasilien,  im  Exil  zu  Paris 
dahingeraCrt.  Mehrere  von  uns  haben  ihn  noch  bei  dem  letzten  Amerikanisten- 
Oongress  als  Präsidenten  begrüsst  und  als  solchen  thätig  in  die  Verhandlung(>n 
eingreifen  gesehen.  Schon  1831,  in  Folge  einer  Revolution  und  des  Verzichtes 
seines  Vaters  Dom  Pedro  I.,  in  frühester  Jugend  (er  war  geboren  zu  Rio  de 
Janeiro  am  2.  December  1826),  zur  Regierug  gelangt,  hat  er  viele  Jahre  hindurch 
das  Staatsschiff  mit  Sicherheit  und  pflichtgetreuer  Hingebung  zu  lenken  gewusst. 
Unserer  Gesellschaft  gehörte  er  seit  dem  19.  Juni  1875  an.  Nachdem  er  seine 
Beziehungen  zu  derselben  durch  ein  höchst  wohlwollendes  Handschreiben  vom 
15.  März  desselben  Jahres  und  durch  ein  reiches  Geschenk  anthropologischer 
Gegenstände  eröffnet  hatte  (Verhandl.  1875,  S.  116),  beehrte  er  uns  in  einer  ausser- 
ordentlichen Sitzung  am  7.  April  1877  (Verhandl.  S.  143)  persönlich  mit  seinem 
Besuche.  Seitdem  hat  er  uns  wiederholt  seine  Anerkennung  zu  erkennen  gegeben, 
insbesondere  unseren  reisenden  Mitgliedern  stets  bereitwillige  Hülfe  gewährt. 
Unsere  Sympathien  sind  ihm  geblieben,  als  eine  neue  Revolution  auch  ihn 
(16.  November  1889)  des  Thrones  beraubte  und  er  genöthigt  war,  die  bitteren 
Tage  der  Verbannung  zu  kosten.  Die  Gesellschaft  wird  ihn,  den  hochsinnigen 
Förderer  der  Länder-  und  Völkerkunde  America's,  welcher  die  abendländischen 
Galtnrbestrebungen  in  seinem  halbwilden  Lande  einzuführen  und  zu  pflegen  be- 
strebt war,  in  dankbarer  Erinnerung  behalten.  — 

(2)  Am  11.  d.  M.  ist  unser  beständiges  Mitglied  und  einer  der  Stifter  unserer 
Gesellschaft,  Julius  Wilh.  Ewald,  81  Jahre  alt,  gestorben.  Seine  Verdienste  um 
die  geologische  Erforschung  des  norddeutschen  Bodens  werden  unvergessen  bleiben. 

Wenige  Tage  nachher,  am  14.  December,  verloren  wir  einen  anderen  der  be- 
rühmtesten Geologen,  Ferdinand  Römer  in  Breslau,  73  Jahre  alt,  am  Herzschlage. 
Er  war  unseren  Bestrebungen  durch  seine  trefflichen  Untersuchungen  der  Knochen- 
höhlen im  Quellgebiete  der  Weichsel  besonders  nahe  getreten. 

Am  22.  December  starb  ein  altes  und  treues  Mitglied  der  Gesellschaft, 
Carl  Li  man.  Geh.  Med.-Rath  und  Professor  der  gerichtlichen  Medicin  an 
unserer  Universität,  gleichfalls  73  Jahre  alt,  der  noch  vor  Kurzem  unsere  Sitzungen 
besucht  hatte. 

Das  correspondirende  Mitglied,  Paul  Hunfalvy  ist  am  30.  November, 
81  Jahre  alt,  plötzlich  in  Budapest  dahingeschieden,  nachdem  er  noch  am  Tage 
vorher  in  der  ungarischen  Akademie  die  festliche  Feier  seiner  50jährigen  Mitglied- 
schaft in  scheinbar  voUer  Frische  erlebt  hatte. 

VcrbuidU  der  B«rl.  Aatbropol.  QcteJUehaft  1891.  55 


(8(>6) 

(3)  VorstaDd  und  Ausschuss  haben  als  correspondirendes  Mitglied  gewählt 
Hrn.  Jimenez  de  la  Espada  zu  Madrid.  — 

(4)  Der  Ober-Rammerherr  Baron  y.  Alten  wird  am  nächsten  8.  Januar  seinen 
70.  Geburtstag  begehen.  Vorstand  und  Ausschuss  glauben  die  sympathischen  Ge- 
fühle der  Gesellschaft  für  den  erprobten  Archäologen  dadurch  ausdrücken  zu 
sollen,  dass  sie  ihm  die  Ehren-Mitgliedschaft  antragen.  — 

(5)  Der  Vorsitzende  erstattet  den 

Verwaltnngsberioht  für  das  Jahr  1891. 

Wie  das  Jahr  1890,  so  hat  auch  das  eben  zu  Ende  gehende  Jahr  einen  grossen 
Wechsel  in  dem  Personalbestande  unserer  Gesellschaft  gebracht.  Der  Tod  hat 
reiche  Lese  gehalten:  mehr  und  mehr  lichten  sich  die  Reihen  derjenigen  Generation, 
welche  die  Gesellschaft  gegründet  und  gross  gemacht  hat.  Von  den  14  Unter- 
zeichnern des  Aufrufes  vom  28.  October  1869,  welcher  die  Einladung  zu  der  Con- 
stituirung  der  Gesellschaft  enthielt  (Verhandl.  1889,  8.  649),  sind  nur  noch  7  am 
Leben;  Ton  ihnen  gehören  noch  5  (Virchow,  Wetzstein,  Hartmann,  Beyrich 
und  Bastian)  zu  unseren  Mitgliedern.  Indess  jedes  neue  Jahr  führt  uns  neue 
Mitarbeiter  zu  und  der  Geist  der  Gesellschaft  erhält  sich  in  stetiger,  immer  weiter 
ausgreifender  Thätigkeit. 

Von  den  6  Ehrenmitgliedern,  deren  wir  uns  Tor  einem  Jahre  erfreuten, 
sind  die  beiden,  welche  am  längsten  der  Gesellschaft  angehörten,  dahingeschieden : 
Heinrich  Schliemann  and  Dom  Pedro  U.  d'Alcantara.  Als  der  letzte  Ver- 
waltungsbericht erstattet  wurde,  konnte  noch  ein  mit  freudigen  Hoffnungen  erfüllter 
Brief  Schliemann^ 8  erwähnt  werden,  geschrieben  in  Paris,  auf  der  Rückreise  von 
der  schweren  Operation,  der  er  sich  in  Halle  unterzogen  hatte.  Wenige  Tage 
darauf  brachte  schon  der  Telegraph  aus  Neapel  die  erschütternde  Nachricht  seines 
trübseligen  Todes.  Welche  sonderbare  Fügung  hatte  die  beiden  Männer,  deren 
äusserer  Lebensgang  so  grundverschieden  war,  zusammengeführt!  Als  Dom  Pedro 
seine  erste  grosse  europäische  Reise  ausführte,  trieb  es  ihn  vor  Allem  nach 
Hissarlik,  um  den  grossen  Forscher  an  der  Stätte  seines  Wirkens  zu  sehen  und 
unter  seiner  Leitung  die  Trümmer  der  alten  Vesto  kennen  zu  lernen.  Der  Ruhm 
des  homerischen  Ilios  begeisterte  den  amerikanischen  Kaiser  nicht  minder,  wie  den 
meklenburgischen  Pfarrerssohn.  Aber,  wie  verschieden  urtheilen  schon  die  Zeit- 
genossen über  die  Beiden!  Der  Kaiser  ist  nach  einer  60  jährigen  milden  and  vom 
edelsten  Geiste  erfüllten  Regierung  in  schnödem  Undank  Verstössen  worden,  aber 
der  Stern  unseres  Landsmannes,  der  den  reichen  Gewinn  einer  langen  sorgenvollen 
kaufmännischen  Thätigkeit  in  uneigennützigster  Weise  in  den  Dienst  der  Wissen- 
schaft gestellt  hatte,  hebt  sich  höher  und  reiner  hervor,  um  niemals  wieder  zu  er- 
löschen. Wir  haben  seinen  Lebensgang  und  seine  Siege  in  einer  grossen  Festfeier 
entrollt,  und  die  Stadt  Berlin  ist  eben  damit  beschäftigt,  die  Marmorbüste  ihres 
einstmaligen  Ehrenbürgers  in  ihrem  Rathhause  zur  Aufstellung  zu  bringen.  Unsere 
Gesellschaft  aber,  der  er  in  einem  reichen  Legat  den  Dank  für  ihre  frühzeitige 
Anerkennung  und  ihr  treues  Festhalten  ausgesprochen  hat,  wird  es  als  ihre  heilige 
Pflicht  erachten,  in  seinen  Wegen  weiter  zu  arbeiten. 

Die  neuen  Wahlen  haben  die  Reihe  unserer  Ehrenmitglieder  wieder  auf  die 
alte  Zahl  ergänzt.  Fräulein  Johanna  Mestorf,  jetzt  Direktor  der  Alterthoms- 
sammlung  in  Kiel,  unter  den  lebenden  Frauen  diejenige,  welche  durch  acttTe 
Leistungen  am  meisten  zu  dem  Fortschritte  der  prähistorischen  Archäologie   bei- 


(867) 

getragen  hat,  wird  hofTcntüch  noch  lange  in  der  wichtigen  Stellung,  welche  sie  zur 
Ehre  ihres  Geschlechts  errungen  hat,  die  Bande  der  Freundschaft,  welche  uns 
mit  ihr  verknüpfen,  durch  treue  Mitarbeit  festigen.  Ihr  ist  so  eben  in  Baron 
V.  Alten,  dem  unermüdlichen  Erforscher  des  oldenburgischen  Landes  und  des 
davor  gelegenen  Wattenmeeres,  eine  verwandte  Kraft  an  die  Seite  gestellt  worden. 

Correspondirende  Mitglieder  zählten  wir  am  Schlüsse  des  letzten  Jahres 
112.  Wir  haben  den  grossen  Schmerz  gehabt,  von  ihnen  4  zu  verlieren:  Rieh. 
Schomburgk  (Adelaide),  Wilken  (Leiden),  Kopernicki  (Krakau)  und  Hunfalvy 
(Budapest).  Dafür  sind  neu  erwählt  worden  die  Herren  Penafiel  (Mexico),  Brizio 
(Bologna),  Sergi  und  Zampa  (Rom),  Espada  (Madrid).  Mögen  sie  viele  Jahre 
in  fruchtbarem  Verkehr  mit  der  Gesellschaft  bleiben!  Von  den  nunmehr  ll3Cor- 
respondenten  hat  ein  grosser  Theil  uns  auch  im  verflossenen  Jahr  in  gewohnter 
Weise  durch  wichtige  Mittheilungen  in  unserem  Wissen  gefördert.  Mit  besonderer 
Anerkennung  gedenke  ich  heute  unseres  treuen,  leider  schwer  kranken  Freundes 
Ingvald  ündset  (Christiania),  der  HHrn.  Hirth  (Formosa),  Marchesetti  (Triest), 
Orsi  (Syracus),  v.  Fellen berg  (Bern),  Heierli  (Zürich),  Ornstein  (Athen), 
Baron  F.  Müller  (Melbourne),  Philippi  (Santiago),  v.  Ihering  (Rio  Grande  doSul). 

Die  Liste  unserer  ordentlichen  Mitglieder  umfasste  am  Schlüsse  des 
Jahres  1890  572,  einschliesslich  4  lebenslängliche.  Von  den  letzteren  ist  Hr. 
Sokoloski,  der  nach  langen  Arbeiten  in  Peru  in  seine  Heimath  Wreschen  zurück- 
gekehrt war,  gestorben;  dafür  ist  neu  hinzugetreten  Hr.  Corning  (Morillon  bei 
Genf)*  Von  den  zahlenden  Mitgliedern  haben  wir  13  verloren:  die  HHrn. 
Budczies,  Bujack,  Ewald,  Goltdammer,  G.  Hahn,  Lilienfeld,  Liman, 
Louis  Mayer,  Louis  Müller,  Niendorff,  Quedenfeldt,  Raschkow  und  den 
viel  beklagten  und  schwer  vermissten  Tischler.  Ausgetreten  sind  17,  in  die 
Zahl  der  lebenslänglichen  übergetreten  1,  neu  aufgenommen  28,  so  dass  wir  im 
Augenblick  566  zahlende  und  4  lebenslängliche,  im  Ganzen  570  Mitglieder  be- 
sitzen, 2  weniger  als  im  Vorjahre. 

Auch  aus  den  Kreisen  der  sonstigen  Mitarbeiter,  die  der  Gesellschaft  nicht 
unmittelbar  angehörten,  haben  wir  traurige  Verluste  zu  melden:  Handelmann 
(Kiel),  Escher-Züblin  (Zürich),  Römer  (Breslau),  Dieffenbach  (Friedeberg 
i.  Wett),  Schwatka  (Nord-America),  Reinwald  (Paris). 

In  unseren  eigenen  Reihen  hat  die  Zähigkeit  der  älteren  Generation  uns  eine 
Anzahl  von  Jubiläen  gebracht,  bei  denen  die  Träger  am  meisten  desshalb  be- 
glückwünscht werden  konnten,  weil  das  Alter  ihnen  nicht  die  Arbeitskraft  geraubt 
hat  Die  HHrn.  Beyrich,  W.  Schwartz  und  Hauchecorne  sehen  wir  als 
wahre  Muster  unverwüstlicher  Thätigkeit  vor  uns.  Mir  selbst  hat  die  Gesellschaft 
eine  besondere  Ehrenstellung  zugesprochen,  welche  anzunehmen  mir  um  so 
schwerer  geworden  ist,  als  ich  es  vorgezogen  hätte,  als  einfacher  Arbeiter  unter 
den  Collegen  im  Dienst  zu  bleiben.  Aber  ich  müsste  ganz  unempfindlich  geworden 
sein,  wenn  ich  so  viel  Freundschaft  nicht  mit  warmem  Herzen  aufgenommen  hätte. 
Vielleicht  wird  es  mir  vergönnt  sein,  auch  als  Ehrenpräsident  meine  Pflicht  in  ge- 
wohnter Weise  zu  üben  und  meinen  Dank  durch  erneuten  Eifer  zu  beweisen. 

Wenn  ich  jetzt,  nachdem  ich  wiederum  drei  Jahre  lang  die  Geschäfte  geleitet 
habe,  nach  unserer  statutenmässigen  Vorschrift  von  dem  Vorsitze  zurücktrete,  so 
habe  ich  die  grosse  Genugthuung,  diese  Stellung  in  einem  Augenblick  in  frische 
Hände  zu  geben,  wo  wir  eines  der  fleissigsten  und  erfolgreichsten  Arbeitsjahre  hinter 
pns  gelegt  haben.  Wegen  der  übergrossen  Fülle  des  Materials  waren  wir  schon 
im  Januar  und  Februar  genöthigt,  je  eine  ausserordentliche  Sitzung  ein- 
zuschieben;  diese  und  die    10   ordentlichen  Sitzungen  haben  so  umfassende 

56* 


(868) 

Berichte  geliefert,  dass  unsere  ^Verhandlungen*  voraussichtlich  einen  Umfang 
erreichen  werden,  wie  ihn  nur  die  fruchtbarsten  Jahre  gebracht  haben.  Sind  schon 
sonst  durch  diese  Publikationen  unsere  Mittel  in  einem  Maasse,  das  sich  nur 
schwer  mit  unseren  Einnahmen  vertrug,  in  Anspruch  genommen  worden,  so  wird 
dieses  Jahr  eine  starke  Ebbe  in  unserer  Kasse  herbeiführen.  Der  nachher  zu  er- 
stattende Bericht  unseres  Hrn.  Schatzmeisters  wird  freilich  ein  für  den  Augenblick 
recht  befriedigendes  Bild  unserer  Finanzen  ergeben,  aber  wir  dürfen  nicht  ver- 
gessen, dass  wir  in  jedem  Jahre  unsere  Buchhändler-Rechnung  als  schwebende 
Scliuld  in  das  neue  Jahr  hinübemehmen  und  dass  deren  Tilgung  fast  den  ganzen 
Ueberschuss  des  Vorjahres,  einschliesslich  des  Staatszuschusses,  zu  verzehren 
pflegt. 

Dazu  kommt  die  Bechnung  für  die  ^Nachrichten  über  deutsche  Alter- 
thumsfunde",  welche  den  uns  bewilligten  Beitrag  des  Hrn.  Unterrichtsminister« 
im  letzten  Jahre  gleichfalls  überschritten  hat. 

^enn  wir  unsere  Publikationen  stets  unter  finanziellen  Sorgen  hinausgeben 
sehen,  so  dürfen  wir  um  so  mehr  mit  einem  gewissen  Stolze  auf  den  materiellen 
Inhalt  derselben  blicken.  Es  hat  lange  gedauert,  ehe  unsere  Arbeiten  in  der 
gelehrten  Welt  eine  grössere  Anerkennung  gefunden,  ja  auch  nur  allgemein  bekannt 
geworden  sind.  Allmählich  hat  sich  das  Urtheil  befestigt,  dass  sowohl  der  Text 
unserer  Zeitschrift,  als  die  Verhandlungen,  Fundgruben  der  ergiebigsten  Art  sind. 
Hoffentlich  wird  das  bald  zu  erwartende  Generalregister  über  die  ersten 
20  Bände  den  günstigen  Eindruck  verstärken  und  die,  bis  jetzt  allerdings  sehr 
erschwerte  Zugänglichkeit  unserer  Schriften  grösseren  Kreisen  eröffnen.  Der 
Anfang  der  mühseligen  Arbeit,  bei  der  die  HHm.  Adolf  Meyer,  Franz  Görke  und 
Theodor  Liebe  mit  einer  nicht  genug  anzuerkennenden  Hingebung  eingetreten 
sind,  befindet  sich  in  der  Druckerei  und  wir  würden  vielleicht  schon  nahe  an  die 
Vollendung  gerückt  sein,  wenn  nicht  der  hartnäckige  Buchdrucker-Strike  uns  um 
volle  zwei  Monate  zurückgehalten  hätte.  Das  Generalregister  wird  nicht  nur  uns 
selbst  in  Erinnerung  bringen,  was  wir  in  recht  harter  Arbeit  in  zwei  Decennien 
an  thatsächlichem  Stoff  für  das  Studium  der  Anthropologie,  der  Ethnologie  und  der 
Urgeschichte  angehäuft  haben,  sondern  es  wird  auch  den  fremden  Gelehrten 
zeigen,  dass  wir  die  schwere  Ooncurrenz  mit  den  Schwestergesellschaften  im  Aus* 
lande  mit  Ehren  durchgeführt  haben.  Die  Hindemisse,  welche  die  Unkenntnis« 
unserer  Sprache  für  ein  volles  Verständniss  unserer  Resultate  selbst  bei  den  Ge- 
lehrten Europas,  noch  mehr  bei  denen  anderer  Welttheile  mit  sich  bringt, 
werden  freilich  während  unseres  Lebens  schwerlich  ganz  überwunden  werden. 
Die  weite  Verbreitung  der  französischen  und  englischen  Sprache  wird  uns 
immer  in  Nachtheil  bringen  gegenüber  den  anderen  Nationen,  welche  vor  ans 
den  Weltverkehr  zu  beherrschen  verstanden  haben,  und  wir  müssen  uns  darin 
finden,  dass  unter  den  Citaten  der  fremden  Literatur  die  unsengen  entweder  gans 
fehlen,  oder  doch  nur  ausnahmsweise  erscheinen.  Hat  es  doch  lange  genug  ge- 
dauert, ehe  auch  nur  unsere  Stammesgenossen  in  Süd-  und  Westdeutschland  die 
norddeutsche  Archäologie  und  Anthropologie  als  einen  Gegenstand  der  Auftnerk- 
samkeit  zu  würdigen  angefangen  haben.  Unsere  ^Nachrichten^  sind  aus  diesem 
Grunde  noch  immer  lückenhaft  und  fem  davon,  ein  volles  Bfld  von  der  Oesammt- 
forschung  im  deutschen  Vaterlande  zu  gewähren.  Aber  wir  kommen  allmählidi 
vorwärts  und  am  Ende  werden  wir  unsere  Resultate  doch  nicht  vorzugsweise  nach 
der  Schätzung  der  Anderen,  sondern  nach  dem  Werthe  beurtheilen  müssen,  den 
sie  für  uns  selbst  in  der  fortschreitenden  Erkenntniss  der  menschlichen  £nt* 
Wickelung  besitzen. 


(869) 

Nor  beilänOg  mag  daran  erinnert  werden,  wie  schwer  es  uns  geworden  ist, 
die  Gegensätze  im  eigenen  Lande  zu  überwinden,  welche  unsere  junge  Wissen- 
schaft in  den  Jahrtausende  alten  und  mit  den  reichsten  Hülfsmitteln  ausge- 
statteten historischen  Disciplinen  gefunden  hat.  Die  Prähistoriker  erschienen  eben 
als  Parvenüs  auf  dem  Boden,  den  die  klassischen  Archäologen,  die  orientalischen 
Forscher,  die  Geschichtsvereine  seit  langer  Zeit  occupirt  hatten,  und  recht  lang- 
sam und  nur  unter  Aufwendung  sehr  energischer  Thätigkeit  ist  es  möglich  ge- 
worden, der  Ueberzeugung  Bahn  zu  brechen,  dass  auch  diese  Zweige  der  Forschung 
ihre  Vervollständigung  erst  durch  umfassende  Kenntnisse  auf  dem  Gebiete  der 
Vor-  und  Urgeschichte  und  der  Völkerkunde  finden  können.  Jetzt  erst  schliessen 
sich  die  Lücken,  welche  so  fühlbare  Hemmnisse  des  Verständnisses  für  den  Gang 
der  allgemeinen  Culturentwickelung  gebildet  haben.  Und  doch  müssen  wir  sagen, 
dass  der  Mensch  selbst  noch  eigentlich  nicht  ein  Gegenstand  der  allgemeinen 
Aufmerksamkeit  geworden  ist;  doch  müssen  wir  bei  dem  Aufdecken  der  Gräber 
immer  darauf  gefasst  sein,  dass  die  menschlichen  Ueberreste  zerschlagen  und  ver- 
worfen werden,  wie  unsere  Reisenden  noch  immer  am  wenigsten  von  der  physischen 
und  psychischen  Beschaffenheit  der  Menschen  zu  berichten  wissen,  denen  sie  be- 
gegneten. 

Glücklichesweise  bringen  die  erweiterten  Verkehrsverhältnisse  uns  immer 
reichlicher  Vertreter  der  verschiedensten  fremden  Völker,  namentlich 
auch  der  Naturvölker,  zur  Anschauung  und  Untersuchung.  Noch  kein  früheres 
Jahr  hat  uns  eine  solche  Fülle  exotischer  und  absonderlicher  Menschen  zugeführt, 
wie  das  ablaufende.  Wir  haben  hier  in  der  Gesellschaft  Dualla  von  Kamerun 
und  Neger  von  der  Westküste  Africa's  (Dahome  nannten  sie  sich),  Melanesier  und 
Tagalen,  Lappen  und  „Azteken^  gesehen.  Die  wunderbarsten  Monstrositäten  sind 
vor  uns  aufgetreten:  ein  heterardelpher  Inder,  xiphodyme  Italiener,  eine  bärtige 
Dame  aus  Nordamerica,  ein  frühreifes  Mädchen  aus  Berlin,  —  kurz,  jedes  unserer 
Mitglieder  war  in  der  Lage,  gleichsam  zu  Hause,  seine  anthropologischen  An- 
schauungen mit  selbsterlebten  Erinnerungen  zu  füllen.  Der  Degenschlucker,  der 
Hantmensch,  Thomme  Protoe,  die  Handstand-Künstlerin  liessen  nach  einander  er- 
kennen, was  auch  der  Culturmensch  an  sich  selbst  durch  Uebung  und  Lokalisation 
seiner  Fähigkeit  zu  erringen  vermag. 

Nicht  wenige  unserer  Mitglieder  haben  auf  neuen,  zum  Theil  sehr  weiten 
Reisen  ihre  ethnologischen  Beobachtungen  erweitert.  Hr.  Bastian  ist  zu  unserer 
Freude  nach  langer  Abwesenheit  im  Osten  wieder  unter  uns.  Die  HHm.  v. 
Luschan,  Ohnefalsch-Richter,  Bracht  sind  aus  dem  Orient,  Hr.  Beick  aus 
Transkaukasien  und  Armenien  heimgekehrt.  Hr.  Jagor  hat  zuletzt  aus  Singapore 
geschrieben,  von  wo  aus  er  weiter  gen  Osten  ziehen  wird.  Hr.  Bässler  hat  eine 
neue  Reise  in  das  malayische  Meer  angetreten.  Hr.  Hirth  weilt  auf  Formosa. 
Hr.  Schwein  fürt  h  ist  von  Neapel  aus  nach  Massaua  und  Keren,  zu  einem  er- 
neuten Besuche  der  erythräischen  Colonie  Italiens,  aufgebrochen.  Hr.  Joest  weilt 
in  Aegypten.  In  Africa  sind  von  den  uns  näher  stehenden  Forschern  die 
HHm.  Zintgraff,  Stuhlmann,  der  jetzige  Begleiter  Emin-Pascha's,  und 
Merensky  thätig;  in  America  die  HHm.  Boas,  Kunert,  v.  Ihering,  und  seit 
Kurzem  auch  Fräulein  Elisabeth  Lemke,  die  nach  New-York  übergesiedelt  ist. 

Ueber  die  Erforschung  der  Halbinsel  Malacca,  welche  Mr.  Vaughan 
Stevens  auf  Kosten  des  König].  Museums  und  der  Rudolf  Virchow- Stiftung  be- 
gonnen hat,  ist  erst  in  der  letzten  Sitzung  Bericht  erstattet  worden  (S.  829).  Von 
der  umfassenden  anthropologischen  Aufnahme  in  Bengalen  ist  eben  die  erste 
grössere  Veröffentlichung   durch  Mr.  RiHley    eingegangen.     So   rückt   ein  Land, 


(870) 

ein  Volk  nach  dem  anderen  in  das  hellere  Licht  beglaubigter  Kenntniss.  Unsere 
Oolonial- Gesellschaften,  vor  allem  die  Neu- Guinea -Compagnie  und  die  deutsche 
Colonial-Gesellschaft,  fördern  mehr  und  mehr  die  wissenschaftliche  Erforschung  der 
für  Deutschland  gewonnenen  Gebiete,  und  der  Chef  der  Golonial -Abtheilung  des 
Auswärtigen  Amtes,  Hr.  Kayser,  hat  sich  in  entgegenkommender  Weise  erboten, 
unsere  Wflnsche  innerhalb  der  Grenzen  des  Möglichen  zu  fördern.  Wir  verdanken 
ihm  die  Zusendung  einer  reichen  Sammlung  photographischer  Aufnahmen,  die  Hr. 
Zintgraff  im  Hinterlande  von  Kamerun  veranstaltet  hat.  Indem  ich  ihm  hier 
den  Dank  der  Gesellschaft  abstatte,  will  ich  zugleich  des  schönen  Zuwachses  ge- 
denken, welchen  unsere  Bibliothek  durch  das  Geschenk  des  Gazellen- Werkes  seitens 
des  Kaiserlichen  Marine-Amtes  erfahren  hat. 

Lassen  Sie  ims  bei  der  Erwähnung  unserer  ('Olonien  auch  des  Mannes  ge- 
denken, dessen  Name  mit  der  ersten  Entfaltung  der  deutschen  Flagge  an  der 
west-africanischen  Küste  stets  verbunden  bleiben  wird,  unseres  braven,  unver- 
gesslichen  Nachtigal.  Wie  oft  hat  er  uns  noch  bis  kurz  vor  seiner  Abreise 
unmittelbar  unterstützt  in  unseren  Arbeiten!  wie  schwer  wurde  uns  allen  der 
Abschied  selbst,  obgleich  wir  noch  nicht  wnssten,  welchem  Schicksal  er  ent- 
gegengeführt wurde!  Jetzt  ruhen  seine  Gebeine  in  der  Golonie  Kamerun,  die  ihm 
den  Todeskeim  eingepflanzt  hat,  und  seine  Freunde  daheim  können  nur  darin 
einen  Trost  finden,  dass  überall  im  Vaterlande  des  Mannes,  der  im  Handeln  and 
im  Leiden  gleich  stark  war,  mit  herzlicher  Verehrung  gedacht  wird.  Wir  sahen 
es,  als  wir  im  Sommer  in  seine  Heimath  kamen,  um  die  Büste  enthüllen  zu 
helfen,  die  ihm  in  Stendal  errichtet  ist,  und  wir  werden  es  in  Kurzem  wieder  er- 
leben, wenn  die  grosse  Marmorbüste  enthüllt  werden  wird,  welche,  aus  freiwilligen 
Gaben  hergestellt,  im  Museum  für  Völkerkunde  selbst,  mitten  zwischen  den 
Schränken,  die  seine  afrikanischen  Ehrenkleider  und  seine  Sammlungen  aus  dem 
Sudan  bergen,  aufgestellt  werden  soll. 

Die  Altmark  hat  so  für  uns  eine  neue  Anziehung  gewonnen.  In  sie  führte 
uns  auch  die  erste  grössere  anthropologische  Sommer-Exkursion,  die  unsere 
Gesellschaft  wieder  unternommen  hat.  Es  war  vorzugsweise  das  Gebiet  der 
megalithischen  Denkmäler,  dieser  gewaltigsten  Reste  einer  vorgeschichtlichen  Be- 
völkerung, deren  Erforschung  wir  nur  sehr  langsam,  aber  doch  in  merkbarem  Forl- 
schritt uns  nähern. 

Allein  unser  Interesse  culminirte  dieses  Jahr  in  den  vielen  und  überraschenden 
Aufschlüssen,  welche  uns  der  äusserste  Osten  unseres  Vaterlandes  gewährte.  Die 
deutsche  anthropologische  Gesellschaft  hatte  Königsberg  zum  Sitz  ihrer 
diesjährigen  Generalversammlung  erwählt.  Wir  hatten  gehofft,  die  reichen  dor- 
tigen Sammlungen  unter  der  Leitung  desjenigen  Mannes  zu  mustern,  der  am 
meisten  dazu  gethan  hat,  eine  chronologische  Ordnung  der  Alterthttmer  dieser 
fernen  Provinz  herzustellen.  Tischler  selbst  sah  in  unserem  Besuch  den  Lohn 
für  seine  aufopfernde  Thätigkeit;  er  war  voll  von  der  Hoffnung,  uns  in  einem 
illustrirten  Führer  ein  Musterbuch  für  prähistorische  Sammlungen  überreichen  zu 
können.  Das  Geschick  wollte  es  anders.  Wie  einst  die  deutsche  Naturforscher- 
versammlung, als  sie  ihre  Jahresversammlung  in  der  Hauptstadt  des  Ostens  er- 
öffnen wollte,  ihren  ersten  Geschäftsführer,  Rathke,  zu  begraben  hatte,  so  konnten 
auch  wir  nichts  anderes  thun,  als  unseren  Klagen  in  dem  verwaisten  Hause  und 
in  den  verlassenen  Sammlungsräumen  Ausdruck  zu  geben,  wo  noch  wenige  Wochen 
vorher  Tischler  gewirkt  hatte.  Der  Congress  selbst  fand  in  Danzig  stiitt.  Teber 
ihn  und  über  die  weitere  Reise,  die  uns  bis  an  die  russische  Grenze  führte,  hsbe 


(871) 

ich  neulich  (S.  746)  ausführlich  berichtet.    Voll  vod  unvei^^sslichen  Erinnerungen 
sind  wir  zurückgekehrt. 

Das  nächste  Jahr  wird  die  GeneralFersammlnng  tief  im  Süden  Deutschlands, 
an  der  Donau,  sehen.  In  Ulm  ist  man  mit  den  Vorbereitungen  dazu  beschäftigt 
Eine  gänzlich  verschiedene  Cultur  erwartet  uns:  mögen  die  Mitglieder  recht  zahl- 
reich auf  dem  Platze  sein,  um  unsere  schwäbischen  Brüder  zu  begrüssen,  an  deren 
herzlichen  Empfang  in  den  ersten  Zeiten  unserer  Gesellschaft  wir  immer  noch  mit 
Rührung  zurückdenken.  Dann  folgen  die  grossen  internationalen  Con- 
grosse,  zuerst  der  prähistorische  in  Moskau  im  August,  dann  der  ame- 
ricanistische  in  Huelva,  im  äussersten  Südwesten  Spaniens,  dieser  zugleich 
als  ein  Erinnerungsfest  für  Columbus,  der  von  dort  aus  vor  400  Jahren  seine 
erste  Entdeckungsreise  nach  Amenca  unternahm.  Hoffen  wir,  dass  auch  die  deut- 
schen Gelehrten  die  seltene  Gelegenheit,  welche  sich  an  beiden  Orten  darbietet, 
in  grösserer  Zahl  benutzen  werden. 

In  Schwaben  können  wir  dem  Werke  unsere  Aufmerksamkeit  zuwenden, 
welches  nunmehr  auch  von  dem  Deutschen  Reiche  als  ein  Gegenstand  ge- 
lehrter Untersuchung  anerkannt  werden  wird.  Die  Erforschung  des  Limes 
romanus  ist  auf  die  Tagesordnung  des  Reichstages  gestellt  und  wir  dürfen  er- 
warten, dass  diesmal  ausgiebige  Mittel  werden  bewilligt  werden,  um  eine  Aulgabe, 
an  der  schon  so  viele  Grenerationen  und  so  tüchtige  Forscher  sich  versucht  haben, 
zu  einem  endgültigen  Ende  zu  führen.  Die  genaue  Feststellung  des  gewaltigen 
Römerwerkes  wird  nicht  bloss  dazu  führen,  eine  höchst  dunkle  Episode  der  Kämpfe 
zwischen  den  römischen  Kaisern  und  den  freien  Stämmen  Germaniens  zu  er- 
hellen, sondern  sie  wird  auch  der  prähistorischen  Forschung  neue  Handhaben  für 
die  Aufklärung  jener  grossen  Bewegung  bieten,  welche  die  Verschiebung  der 
alemannischen  Völker  und  das  Nachrücken  der  Stämme  des  Nordens,  sowie  das 
Eindringen  der  südlichen  Cultur  unter  dio  Barbaren  ermöglicht  hat 

Seit  vielen  Jahren  ist  die  Thätigkeit  unserer  anthropologischen  Gesellschaften 
darauf  gerichtet  gewesen,  die  Urzeit  des  deutschen  Volkes  und  das  Ent- 
stehen und  Vergehen  immer  neuer  Stämme  und  Völkerbünde  auf  natur- 
wissenschaftliche Weise  aufzuklären.  Die  grosse  Schulerhebung  hat  uns  gestattet, 
von  der  Gegenwart  aus  die  Vertheilung  der  blonden  und  der  brünetten  Rasse 
in  unerwarteter  Deutlichkeit  zeigen  zu  könnnen.  Untersuchungen  über  die 
sonstigen  physischen  Merkmale  der  Stämme  sind  in  ausgedehntester  Weise  in  An- 
griff genommen:  die  Verhältnisse  des  Körpers,  die  Gestalt  des  Kopfes,  die 
Charaktere  des  Gesicht«  sind  Gegenstand  der  Messung  und  der  zahlenmässigen 
Fixirung  geworden.  Neuerdings  habe  ich  mit  lohnendem  Erfolge  die  Auf- 
merksamkeit auf  die  Wohnung  gerichtet.  Vortreffliche  Vorarbeiten  über  das 
deutsche  Haus  erleichterten  die  Aufgabe,  und  doch  hat  sich  gezeigt,  dass  eine  end- 
lose Fülle  localer  Feststellungen  nöthig  ist,  um  aus  dem  Gewirr  der  architektoni- 
schen Erscheinungen  die  ursprünglichen  Typen  herauszuschälen.  Noch  sind  wir 
mitten  in  der  Arbeit,  noch  werfen  sich  zu  unserer  eigenen  Ueberraschung  immer 
neue  Fragen  auf.  Welche  Mannichfaltigkeit  der  Erscheinungen,  gleichviel  ob  wir 
von  Nord  nach  Süd,  oder  von  West  nach  Ost  die  Hausformen  verfolgen!  Auch 
hier,  wie  bei  den  Untersuchungen  über  die  physischen  Merkmale  der  Stämme,  zeigt 
sich,  dass  ein  abschliessendes  Urtheil  auf  deutschem  Boden  allein  nicht  gewonnen 
werden  kann.  Ueberall  gegen  die  Grenzen  hin  stossen  wir  auf  andere  Probleme: 
hier  auf  das  celtische,  dort  auf  das  dänische,  hier  auf  das  lettische,  dort  auf  das 
slavische  und  italische  Haus.  Aber  die  Methode  der  Forschung  ist  mehr  und  mehr 
geklärt,  und  wenngleich  auch  auf  diesem  Gebiete  der  Dilettantismus  noch  immer 


(872) 

Stöningen  verursacht,  so  eröffDet  sich  dem  Auge  doch  immer  freier  der  Ceberblick 
über  die  Zusammenhänge. 

Ein  neues  Mittel  der  ErkenntnLss  ist  gewonnen  worden,  seitdem  wir  unser 
Trachten -Museum  eröffnet  haben  In  schneller  Folge  haben  überall  die 
Provinzen  und  die  einzelnen  Länder  unser  Beispiel  befolgt,  und  die  Geringfügig- 
keit der  Mittel,  die  uns  zu  Gebote  stehen,  macht  die  Ck)ncurrenz  sehr  schwer. 
Trotzdem  dürfen  wir  uns  sehen  lassen.  Schon  jetzt  zeigt  unser  Museum  lehr- 
reiche Sammlungen  aus  fast  allen  denjenigen  Th eilen  des  Vaterlandes,  in  denen 
noch  das  Alte  in  einiger  Vollständigkeit  erhalten  ist.  Die  Tracht,  der  Schmuck, 
das  Hausgeräth,  die  Gewebe,  die  Erzeugnisse  der  Kleinkunst,  —  sie  häufen  sich 
in  unseren  Schränken  zu  Gesammtbildem  einer  vergangenen  Cultur.  Freilich  ist 
diese  Cultur  nicht  so  alt,  wie  man  sie  häufig  schätzt;  überschreitet  sie  doch  kaum 
das  1^.  Jahrhundert.  Indess  mit  den  Häusern  ist  es  auch  nicht  anders.  Fast 
kein  einziges  deutsches  Haus  reicht  über  den  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  hinaus. 
Und  doch  ist  hier  ein  grosser  Unterschied.  Während  der  Hausbau  durch  Jahr^ 
hunderte  hindurch  sich  beständig  in  gleichen  Gewohnheiten  fortgesetzt  hat,  nur 
von  Zeit  zu  Zeit  durch  neue  Muster  beeinflusst,  ist  die  Tracht  mit  allem,  was 
dazu  gehört,  von  jeher  der  Mode  ausgesetzt  gewesen,  und  nur  besondere  Umstände 
haben  es  mit  sich  gebracht,  dass  an  einzelnen  Orten  oder  in  einzelnen  Gegenden, 
fast  inselartig,  die  ^altfränkische"  Tracht  der  Mode  Widerstand  geleistet  hat.  Für 
die  Charakteristik  der  Stämme  aber  dürfen  Kleidung  und  Hausgeräth  nur  mit 
grösster  Vorsicht  verwendet  werden;  sie  sind  nur  Hülfsmittel  der  Erkenntnisi^. 
an  und  für  sich  sind  sie  leider  unzureichend  zu  einer  Sonderung  der  Stammes- 
eigenthümlichkeiten. 

Darum  sind  sie  verhältnissmässig  untergeordnet  gegenüber  den  Ue her- 
liefe rungen  der  Volksseele,  welche  die  ethnische  Psychologie  zu  sammeln 
hat.  Hier  stossen  wir  auf  jene  überraschende  Zähigkeit  im  Festhalten  derselben 
Empfindungen  und  Deutungen,  wie  sie  nur  der  Glaube  und  der  Aberglaube 
erzeugen.  Was  die  ersten  Eindrücke  der  zarten  Kindesseele  einprägt,  wa«  die 
Mutter  und  die  Grossmutter  erzählen,  was  die  tägliche  Unterhaltung  erneuert  and 
das  Geheimniss  der  vertraulichen  Mittheilung  erweitert,  —  das  pflanzt  sich  von 
Geschlecht  zu  Geschlecht  fort,  unmerklich,  fast  verborgen,  und  das  muss  mit  Ge- 
duld und  Scharfsinn  erforscht  und  mühsam  wieder  an  die  Oeffentlichkeit  gebracht 
werden.  Das  Märchen,  die  Sage,  der  Mythus  zeugen  mehr  für  die  Wege  der 
ältesten  Cultur,  als  irgend  ein  Bestandtheil  des  äusseren  Wesens.  Unsere  Gesell- 
schaft hat  die  Spalten  ihrer  Organe  stets  offen  gehalten  für  Arbeiten  in  dieser 
Richtung;  sie  hat  gern  in  ihren  Sitzungen  aus  berufenem  Munde  die  verborgenen 
Wege  der  Psyche  sich  erklären  lassen.  Aber  dieses  Gebiet  ist  so  gross  und  so 
vieldeutig,  wie  das  der  Linguistik,  deren  Bedeutung  wir  nie  verkannt  und  deren 
Lehren  wir  uns  nie  verschlossen  haben.  Trotzdem  haben  wir  zu  unserem  Be- 
dauern unsere  eigene  Thätigkeit  auf  diesem  Gebiete  einschränken  müssen,  und  wir 
freuen  uns,  dass  gerade  aus  unserem  Schoossc  heraus,  durch  einen  Theil  unserer 
eigenen  Mitglieder,  die  uns  deswegen  nicht  verloren  gegangen  sind,  ein  besonderer 
Verein  für  Volkskunde  entstanden  ist.  Möge  es  demselben  gelingen,  die  zer- 
streuten Elemente  der  heimlichen  Ueberlieferung  von  überall  her  zu  sammeln  und 
zum  Besten  der  allgemeinen  Wissenschaft  zu  geordneter  Mitwirkung  zu  bringen! 

Es  würde  eine  grosse  Föi-derung  sein  auf  dem  Wege  zur  Vereinigung  aller 
der  Bestrebungen,  welche  in  unserer  Gesellschaft  hervorgetreten  sind  und  welche 
wir  gern  haben  gewähren  lassen,  soweit  sie  aus  individueller  Initiative  her%or- 
ij'ingen,  wenn  ein  Gedanke  verwirklicht  werden  könnte,  den  wir  vor  einiger  Zeit 


(873) 

in  einer  Eingabe  an  den  damaligen  Unterrichtsminister,  Hrn.  v.  Gossler,  ent- 
wickelt haben,  nehmlich  wenn  ein  grosses  deutsches  Nation al-Museum  ge- 
gründet  würde,  in  welchem  nicht  nur  die  prähistorische  und  historische  Archäo- 
logie, sondern  auch  die  physische  Anthropologie,  die  nationale  Costümkunde  und 
die  provinziellen  Besonderheiten  des  deutschen  Landes  zur  Anschauung  gebracht 
werden  könnten.  Hr.  v.  Gossler  hat  uns  darauf,  im  Augenblick  seines  Scheidens, 
in  freundlichster  Weise  geantwortet,  aber  wir  müssen  jetzt  wohl  darauf  verzichten, 
mehr  zu  thun,  als  den  Gedanken  in  Erinnerung  zu  bringen,  und  ihn  einer  späteren 
Zeit  überantworten. 

Es  ziemt  sich  aber,  des  eben  genannten  Ministers,  der  uns  in  seiner  neuen 
Eigenschaft  als  Oberpräsident  von  Westpreussen  in  Danzig  mit  herzlicher  Be- 
grüssung  empfing,  dankbar  zu  gedenken  und  ihm  nochmals  unsere  Erkenntlich- 
keit auszusprechen  für  die  vielen  Beweise  seiner  verständnissvollen  Theilnahnie  an 
den  Bestrebungen  unserer  Gesellschaft  und  an  den  Zielen  unserer  Arbeiten.  Unter 
seiner  wohlwollenden  Hülfe  ist  das  Museum  für  Völkerkunde  gross  geworden; 
unter  seiner  stets  erneuten  Ansprache  sind  die  Forschungen  in  den  Provinzen  aus- 
giebiger gestaltet  worden,  haben  sich  auch  die  Provinzialsammlungen  gefüllt  und 
hat  sich  der  an  sich  geneigte  Sinn  der  Bevölkerungen  für  die  Erforschung  der  Vor- 
zeit mehr  und  mehr  erschlossen.  Ihm  verdanken  wir  noch  zuletzt  die  Anregung 
zu  der  Herausgabe  der  „Nachrichten  über  deutsche  Alterthumsfunde''. 

Sein  Nachfolger,  Graf  v.  Zedlitz-Trützschler,  hat  in  gleich  wohlwollender 
Weise  von  unseren  Bestrebungen  Kenntniss  genommen  und  seinen  Beistand  in 
Aassicht  gestellt.  So  dürfen  wir  wohl  darauf  rechnen,  dass  auch  künftig  imserer 
Gesellschaft  der  Schutz  der  Staatsregierung  gesichert  sein  wird,  zumal  da  an  der 
Spitze  der  Museumsverwaltung  derselbe  Mann  wirkt,  der  uns  von  Anfang  an  mit 
Rath  und  That  zur  Seite  gestanden  hat,  der  Generaldirector  Hr.  Schöne.  Seinem 
Entgegenkommen  haben  wir  es  zu  danken,  dass  wir  in  dem  Gebäude  des  Museums 
für  Völkerkunde  eine  Heimstätte  gefunden  haben  und  an  würdigem  Platze  unsere 
Sammlungen  aufstellen  konnten.  Auf  seinen  Vorschlag  hat  Se.  Majestät  der  Kaiser 
und  König  genehmigt,  dass  sämmtliche  Stellen  in  der  Sachverständigen-Commission 
dieses  Museums  mit  Mitgliedern  unserer  Gesellschaft  besetzt  wurden. 

Ich  hätte  nunmehr  die  vielen  einzelnen  Personen  zu  nennen,  welche  uns 
durch  Mittheilungen  der  verschiedensten  Art  unterstützt  und  gefördert  haben.  In- 
dess  ihre  Zahl  ist  so  gross,  dass  es  nicht  wohl  möglich  wäre,  jedem  sein 
besonderes  Verdienst  nachzurühmen.  So  mögen  sie  denn  ganz  allgemein  ver- 
sichert sein,  dass  wir  herzlich  erfreut  gewesen  sind  über  so  zahlreiche  und  so 
nützliche  Mitarbeiter.  Mögen  sie  zugleich  aus  der  Leetüre  unserer  Verhandlungen 
entnehmen,  wie  sorgsam  wir  die  Schätze  an  Wissen  zu  bewahren  und  zu  verwerthen 
bemüht  sind,  die  sie  uns  zuführen. 

Statutengemäss  ist  noch  zu  berichten  über  unsere  Sammlungen: 

1.  Unsere  Bibliothek  ist  wiederum  sehr  namhail  vergrössert  worden.  Sie 
hat  im  I^aufe  des  Jahres  429  Werke  und  431  Bände  erhalten.  Da  wir  nur  geringe 
Mittel  auf  den  Ankauf  verwenden  können,  so  entstammen  diese  Werke  fast  ganz 
dem  Tauschverkehr  und  den  Geschenken  von  Fachgenossen  und  Freunden.  Wie 
früher,  so  haben  auch  in  diesem  Jahre  Hr.  C.  Künne  und  Frau  Sanitätsrath 
Schlemm  uns  auf  das  Reichste  beschenkt.  127  Bände  Zeitschriften  sind  gebunden 
und  der  Bibliothek  einverleibt  worden.  Die  Ausdehnung  der  Bibliothek  ist  dadurch 
so  gross  geworden,  dass  wir  die  Bitte  um  einen  neuen,  gössen  Bücherschrank  an 
die  Museomsverwaltung  haben  richten  müssen. 

2.  Die  Sammlung  der  Photographien  hat  sich,  gleichfalls  fast  ausschliess- 


(874) 

lieh  durch  Geschenke,  um  163  Stück  vermehrt  Immerhin  wäre  es  sehr  er- 
wünscht, wenn  unsere  Mitglieder  auf  ihren  Reisen  sich  häufiger  daran  erinnern 
wollten,  dass  manches  Blatt,  das  an  Ort  und  Stelle  leicht  zu  erwerben  ist,  hier 
ganz  unbekannt  und  doch  oft  recht  werthyoll  ist. 

Das  Album  der  Mitglieder  ist  trotz  aller  Mahnungen  noch  sehr  mangel- 
haft gefüllt.  Insbesondere  möge  an  die  auswärtigen  Mitglieder  das  erneute  Ersuchen 
ergehen,  uns  durch  Zusendung  ihrer  Bildnisse  zu  erfreuen.  Aber  auch  die  ordent- 
lichen Mitglieder  werden  hierdurch  gemahnt,  unserer  Bitte  nachzukommen. 

3.  Ueber  die  neuen  Erwerbungen  der  anthropologischen  Sammlung  ist 
in  den  Sitzungen  Mittheilung  gemacht,  auch  zum  Theil  ausführlich  berichtet 
worden.  Auch  hier  fehlt  es,  wie  schon  im  vorigen  Jahre  angeführt,  für  weitere 
Skelette  an  Platz;  vorläufig  werden  dieselben,  wie  früher,  im  Pathologischen  In- 
stitut aufbewahrt.  Die  freilich  nicht  zahlreichen  Spirituspräparate,  deren  Auf- 
nahme die  Museums- Verwaltung  verweigert,  befinden  sich  ebendaselbst.  Die  in 
Aussicht  genommene  Abzweigung  einer  Schausammlung  für  das  grosse  Publikum 
hat  noch  nicht  bewirkt  werden  können,  weil  es  dafür  an  einem  geeigneten 
Baume  fehlt.  — 

(6)   Der  Schatzmeister  Hr.  W.  Ritter  erstattet  den 

Reohenschaftsbericht  fär  das  Jahr  1891. 

Bestand  aus  dem  Jahre  1890 2  888  Mk.  93  P(g. 

Einnahmen: 

Jahres-Beiträge  der  Mitglieder 1 1  274  Mk. 

Staatszuschuss 1  800   ^ 

Zuschuss  des  Unterrichts-Ministers  für  die  Nach- 
richten übei'  deutsche  Alterthumsfunde     .    .      1 000    „ 

Kapitalzinsen 346    „ 

Ausserordentliche  Einnahmen: 

a)  Einzahlung  eines  lebenslänglichen  Mitgliedes         300    „ 

b)  Legat  von  10000  Francs  von  Schliemann 

(unter  Vorbehalt  Allerhöchst  Genehmigung)      8  025   „ 

22745    ^     ~    ^ 

Summa    25  633  Mk.  93  PIg. 
Ausgaben: 

Mieths-Entschädigung  an  das  Museum  für  Völkerkunde.    .    .  600  Mk.  —  Pfg. 

Mitglieder-Beiträge  an  die  deutsche  anthropol.  Gesellschaft    .  I  590 

Ankauf  von  Exemplaren  der  Zeitschrift  für  die  Mitglieder .    .  2  883 

Nachrichten  über  deutsche  Alterthumsfunde  (Jahrgang  1890), 

einschl.  der  Remuneration  für  die  Bibliographie ....  1  04^    „    40   ^ 

Einladungen  zu  den  Sitzungen 301    ^     65   ^ 

Porti  und  Frachten 1193  ^     59    „ 

Bibliothek  (Buchbinder  u.  s.  w.) 549    „     25    ^ 

Schreibmaterialien 80,     50^ 

Remunerationen 149    ,     84    ^ 

Ankauf  wissenschaftlicher  Gegenstände 1  283    ^     70   .^ 

An  die  Verlagshandlung  Asher  &  Co.  für  überzählige  Bogen 

und  Abbildungen  für  die  Verhandlungen  1890    ....  3  684    ,     90    ^ 

Angekaufte  Werthpapiere 8  045    ^     55   ^ 

Summa  21  410  Mk.  38  Pig. 

Bleibt  Bestand  für  1892  4  223  Mk.  55  Pfg, 


(875) 

Der  Reservefond  besteht  aus: 

Preussischen  SYsprocentigen  Consols .    .    .    .  SOOOMk. 

^  4procentigen  Consols     ....         600   ^ 

Berliner  37sproccntigen  Stadt-Obligationen.    .  8  000   ^ 

Preussischen  4procent.  Consols  (LebensL  Mitgl.)  1  200   ^ 

Summa    17  8O0Mk. 

Der  Vorsitzende  theilt  mit,  dass  der  Ausschuss  durch  die  HHm.  Friedel 
und  Olshausen  die  Rechnung  hat  prüfen  lassen  und  dass  derselbe  dem  Vor- 
stande in  Betreff  der  Verwaltung  Decharge  ertheilt  hat  (§  36  der  Statuten). 

Er  spricht  Namens  der  Gesellschaft  dem  Schatzmeister  den  Dank  aus  fUr  die 
mühsame  und  sorgfältige  Ftihrung  der  Geldgeschäfte.  — 

(7)  Herr  Virchow  erstattet  Bericht  tiber  die 

RechmiDg  der  Rudolf  Virchow-Stiftuog  für  das  Jahr  189L 

Nach  dem  Bericht  am  Schlüsse  des  Jahres  1890  (Verband.  S.  594)  betrug 
das  bei  der  Reichsbank  deponirte  Kapital  der  Stiftung 

an  4procentigen  Consols 87  000  Mk. 

an  3procentigen  Consols .      3000    „ 

Zusammen  nominell    90000  Mk. 

Das  Legat  des  Hrn.  Emil  Rieb  eck  im  Betrage  von  2000  Mk.  war,  wie  da- 
mals auseinandei^esetzt,  vorschussweise  verwandt  worden,  um  Mr.  Hrolf  C.  Vaughan 
Stevens  in  Gemeinschaft  mit  dem  Königlichen  Museum  für  Völkerkunde  die 
Mittel  zu  einer  Erforschung  der  malayischen  Halbinsel  zu  gewähren.  Ueber  die 
Eiigebnisse  dieser  Expedition  ist  in  der  Sitzung  vom  21.  November  (S.  829)  be- 
richtet worden.  Die  finanzielle  Auseinandersetzung  mit  dem  Museum,  welchem  die 
Ergebnisse  überantwortet  worden  sind,  wird  demnächst  stattfinden. 

In  Betreff  der  kaukasischen  Ausgrabungen,  über  welche  gleichfalls  schon  im 
Vorjahre  Mittheilung  gemacht  ist,  hat  eine  Einigung  mit  dem  Museum  für  Völker- 
kunde noch  nicht  stattgefunden,  da  zunächst  die  Vorfrage  erledigt  werden  soll, 
ob  die  kaukasischen  Alterthümer  der  prähistorischen  oder  der  ethnologischen  Ab- 
theilung einzuverleiben  seien.  Die  finanzielle  Ausgleichung  muss  daher  gleichfalls 
in  das  kommende  Jahr  verschoben  werden. 

Inzwischen  ist  eine  neue  grosse  Einnahme  für  den  Kapitalbestand  der  Stiftung 
eingegangen.  Bei  Gelegenheit  meines  70jährigen  Geburtstages  am  13.  October 
dieses  Jahres  wurde  mir  mit  der  üeberreichung  der  grossen,  für  mich  gepi*ägten 
Medaille  zugleich  die  überraschende  Mittheilung  gemacht,  dass  der  zu  diesem 
Zweck  gebildete  Ausschuss,  bestehend  aus  den  Herren  Waldeyer,  Adolf  Meyer, 
W.  Reiss,  M.  Bartels,  B.  Fränkel  und  P.  Langerhans,  einen  beträchtlichen 
Ueberschuss  in  Händen  habe,  der  mir  zur  freien  Verfügung  gestellt  werde.  Auf 
geschehene  Anfrage  bat  ich  um  die  Ermächtigung,  die  Summe  dem  Kapitalstock 
der  Rudolf  Virchow-Stiflung  zuschlagen  zu  dürfen.  Der  Ausschuss  erklärte  sich 
unter  dem  11.  December  damit  vollkommen  einverstanden  und  überlieferte  mir 
gleichzeitig  in  3procentigen  Consols  die  Summe  von  nominell  20  000  Mk.  Es 
möge  mir  gestattet  sein,  an  dieser  Stelle  dem  Ausschuss  für  seine  grosse  Mühe- 
waltung und  die  mir  erwiesene  Freundschaft  und  grosse  Ehre,  zugleich  aber  auch 
allen  Beitragenden  für  diesen  überwältigenden  Beweis  einer  weithin  reichenden 
Theilnahme  meinen  wärmsten  Dank  abzustatten.  Es  wird  mir  eine  heilige  Pflicht 
sein,  die  grosse  Schenkung  nützlich  zu  verwalten. 


(876) 

Eine  andere,  nicht  minder  rührende  Gabe  wurde  mir  bei  derselben  Gelegenheit 
bescheert.  Meine  früheren  und  jetzigen  Assistenten  hatten  sich  vereinigt^  um  mir 
in  einem  grossen  Bande  eine  besondere  Festschrift,  bestehend  aus  lauter  Original- 
Arbeiten,  zu  widmen.  Sic  waren  gleichzeitig  übereingekommen,  auf  das  ihnen  zu- 
stehende Honorar  zu  Gimsten  der  Rudolf  Virchow- Stiftung  zu  verzichten.  Der 
Herausgeber,  Hr.  0.  Israel  und  die  Verlagsbuchhandlung  Hirsch wald  haben  mir 
im  Namen  der  Mitarbeiter  den  Betrag  mit  3550  Mk.  überreicht.  Daraus  sind  4pro- 
centige  Consols  im  Nominalbetrage  von  3000  Mk.  erworben  worden.  Zu  der  grossen 
Freude,  welche  mir  die  inhaltsreiche  Festschrift  gewährt,  haben  meine  jüngeren 
Mitarbeiter  auch  noch  diesen  Akt  der  persönlichen  Hingebung  hinzugefügt 
Herzlichsten  Dank  ihnen  Allen! 

Es  sind  ausserdem  im  Laufe  des  Jahres  1891  aus  flüssigen  Mitteln  der  Stillung 
erworben  worden 

3V»procentige  Consols 1  600  Mk. 

^  n  n .     1 500    „ 

zusammen  3  100  Mk. 

Der  angelegte  Kapitalstock  der  Stiftung  ist  somit  am  Schlüsse  des  Jahres  1891 
angewachsen  auf 

4procentige  Consols 90  500  Mk. 

3'/,     ^  „  1600    „ 

3         „  , .     24500    „ 

zusammen  116  600  Mk. 

Der  flüssige  Bestand  am  Schlüsse  des  Vorjahres  betrug  .    .    3  667  Mk.  40  Pf." 

Dazu  sind  getreten  an  laufenden  Zinsen 3  642    „      5   ^ 

Das  Pestgeschenk  meiner  Assistenten 3  550    „    —    ^ 

zusammen  10859  Mk.  45  Pf. 
An  Ausgaben  wurden  geleistet: 

a)  für  Ausgrabungen  in  Transkaukasien  .    .  787  Mk.  50  Pf. 

b)  für  2  Aleutenskelette)  an  Dr.  Hertz  .    .  400    ^     —    ^ 

c)  für  3Neu-Caledonierschädelan  Rolle  .  100    ,     —   ^ 

d)  fQr  thüringische  Gräberschädel  an  Nagel  65    ,     —   „ 

e)  für  ein  nordamerikanisches  Skelet  an  Jahn  160    „     70   ^ 

f)  für  Frachten  vom  Kaukasus 260    ^     90   , 

g)  für  6  Skeletständer 87    „     —    , 

h)  für  Montirung  von  7  Skeletten.     ...  150    ^     —    ^ 

i)  für  Depotgebühren .  2    ^     —    ^ 

zusammen  2013  Mk.  10  Pf. 

k)  für  Ankauf  von  Effekten 6547    ,.     —   ^ 

in  Summa  8560  Mk.  It)  Pf. 
bleibt  flüssiger  Bestand  am  Ende  1891   2299  Mk.  35  Pr 

(H)   Als  neue  Mitglieder  werden  angemeldet: 
Hr.  Dr.  med.  Handtmann,  Charlottenbui^. 
^    Kechtsanwalt  Dr.  Eisenmann,  Berlin. 

(9)   Es  folgt  die 

Wahl  des  Vorstandes  fttr  das  Jahr  1892. 

Der  Vorsitzende  zeigt  an,  dass  Hr.  W.  Reiss  seine  Stelle  als  VorsilceDder 


CS") 

der  Ge»ellächan  für  Erdkunde  niedei^lcgl  hut  und  bei  seinem  bevorstehenden  Ah- 
^nge  von  Berlin  aur  jede  Wiederwahl  viin  vornherein  verziehtet.  — 

Hr.  MaasH  beantragt,  Hm.  Waldeyer  zum  Vorsitzenden,  die  HHrn.  Virchow 
and  Beyrich  zu  Stell vertret«m  desselben  dorch  Äcclamation  zn  wählen,  ebenso 
die  HHrn.  Hartmann,  Voss  nnd  Bartels  zu  SehrinfUhrem,  Hm.  W.  Ritter 
zom  Schatzmeister. 

Es  erhebt  sich  gegen  diese  Vorschlage  kein  Widersprach.  Sämmtliche  ge- 
nannte Herren  nehmen  die  aur  sie  gefallene  Wahl  dankend  an. 

Der  Vorstand  für  1892  besteht  demnach  aus 
Hrn.    Waldeyer  als  Vorsitzenden, 
HHrn.  Virchow  und  Beyrich  als  Stellvertretern, 

,      Hartmann,  Voss  und  Bartels  als  Schriftführern, 
Hrn.    Bitter  als  Sehatzmeiater. 

(10)  Hr.  J.  Szombathy  übersendet  aas  Wien,  6.  December,  Tolgende  Mit- 
theilung des  Hm.  Wenzel  Schulz,  Custos  am  Museum  des  Königreichs  Böhmen 
in  Prag.  Über 

Bronzeringe  mit  angesetEteB  Warzen  in  den  Sammlnngen  des  Prag«r 
Mnaenma. 
1.  Elbeteinitz:  Ein  Bronzering  (Fig.  la)  mit  hellgrliner  Patina  und  kreis- 
rundem Durchachnilt  von  5  tum  hat  einen  lichten  Durchmesser  von  22  mm.  Auf 
dem  äusseren  umfange  hat  er  in  regelmässigen  Abständen  3  kugelförmige,  6—7  mm 
dicke  Warzen  angesetzt,  zwischen  welchen  in  gleichen  Abständen  drei  in  der  Mitte 
etwas  eingebogene  Stäbchen  (Fig.  Ib)  sich  befinden;  zwei  von  ihnen  sind  31  mm, 
das  dritte  nor  37  mm  lang.  Aus  ihrer,  mit  2  Paar  schrägen  Furchen  verzierten 
Mitte  läun  auf  der  Unken  Seite  ein  6  mm  langer  Ansatz  ans,  der  an  einem  Ende 


ebenfalls  zwei  eingeritzte  schräge  Furchen  hat.  Mit  diesem  Ansätze  sind  die 
Stäbeben  an  den  Ring  befestigt,  so  dass  derselbe  so  zu  sagen  auf  drei  Füssen  steht. 
Die  Stäbchen  haben  einen  fast  runden  Dorchschnitt  von  i  mm,  sind  aber  in  der 
Mitte  und  an  beiden  Enden  etwas  massiTcr.  Die  Enden  haben  die  Form  von 
plattgedrückten  Kügelchen  von  ti — 7  mm  Durchmesser  und  sind  durch  drei,  aus  der 
Mitte  ausgehende  Furchen  getheilt,  wodurch  sie  höhnen  form  ig  geworden  sind. 
Das  Ganze  ist  gegossen  und  unbeschädigt     (Es  sind  also  3,  etwa  30  mm  lange 


(878) 

Stäbchen,  welche  mU  ihren  aus  der  Mille  herauslaufenden  Ansätzen  un  einem  mit 
drei  War/en  versehenen  Ringe  angesetzt  sind).  Üei'  Ring  wurde  gefunden  „pod 
Kolom",  östlieh  von  der  Ruine  bei  Elbeteinitz,  und  wurde  den  Sammlungen  ge- 
schenkt 1882  (Kat.  Nr.  1308). 

3.  Hradiste  von  Stradonic:  Massiver  Bronzering  (Fig.  2a)  mit  kreisrtindem 
Durchschnitt  von  5,5  mm  und  lichtem  Durchmesser  van  19  mm,  ist  an  einem  Theile 
stark  abgenutzt  und  (durch  Feuer?) 
^'^''  ^-  bescbudigi    Derselbe  hat  auf  seiner 

^  äusseren    OberOäche    drei    Gruppen 

von  Warzen  je  in  3  Reihen  zu  3  (im 
-  Ganzen  27)  angesetzt  (Fig.  2b).   Daas 

"  eine  4,  Gruppe  vorbanden  gewesen 

""•^^^  wäre,  ist  ausgeschlossen,  denn  von 

-^^k^P'—  derselben  findet  sich  gar  keine  Spur. 
Die  Warzen  sind  unregclmässige 
KUgelchen,  welche  durch  Abnützung 
des  Ringes  und  die  gnngranliche 
Patina  noch  unreal  massiger  ge- 
Line Reihe  von  drei  Warzen  ist  21  mm  lang;  ihre  U6be  viuiirt 
von  2 — 3  mm  Der  Ring  wurde  1887  auf  dem  Hradiste  bei  Feldarbeit  gefunden 
(in  den  Sammlungen  Nr   1775). 

3.  Svarov  bei  Unfaost:  Massiver  Bronzering  (Fig.  3a)  mit  einem  kreis- 
förmigen Durchschnitt  von  7 — 8  mm  und  einem  lichten  Dorchmesser  von  16  mm, 
hat  auf  der  Ausscnseite  4  kugelförmige,  nicht  gleiche,  4 — 7  mm  grosse  Ktlgclchen 
angesetzt,  welche  im  Centmm  eines  nnregelmägsig  kreisförmigen,  massiven  Kranzes 
von  8^13  mm  im  lichten  Durchmesser  und  etwa  2  mm  Dicke  and  Breite  stehen. 
Zwischen   diesen   Kränzen  in  regelmässigen  Abständeu  finden   sich  vier  Gruppen 

Figur  3. 


worden  s 


zu  je  drei  Warzen  (Fig.  3  b),  von  denen  die  mittlere  (im  grOsstem  Umfange  des 
Ringes)  etwas  massiver  ist,  als  die  obere  und  untere.  Alle  haben  die  Form  Ton 
plaltgedrlickten  unrcf^el  massigen  Kügelchen.  Die  Patina  ist  graul  ich  •grfin;  die  Ober- 
fläche an  manchen  Stellen,  hauptsächlich  innerhalb  der  Krttnze,  rauh.  Der  Ring 
wurde  bei  Svarov  unweit  von  Unhost  gefunden  und  1869  geschenkt  (in  den 
Sammlungen  Nr.  1993). 

4.  Herrschaft  Ptin  (Pteni)  in  Mähren:  Massiver  Rmg  (Nr.  4)  mit  grau- 
grüner glänzender  Oberfläche,  hat  einen  kreisförmigen  Dnrcbichnitt  von  6—7  bm 
und  einen  lichten  Durchmesser  von  23  vm.  Derselbe  hatte  auf  dem  gröstten  l'in- 
fangc  3  halbkuglige,  auf  einem  2,5  mm  langen  und  4,5  mm  dicken  Stiele  silaeade. 


(873) 

«  mm  dicke  Wareen,  von  denen  abor  nur  eine  unversehrt  erhulten  ial;  die  zwotlc  wurde 
schon  IVüher  abgeschliffen,  denn  die  Bruchstelle  hat  dieselbe  Patina,  vne  das  Ganze; 
die  dritte  wurde  von  den  Findern  abgeschlifTen,  die  Bruchfläche  ist  messinf^elb. 
Zwischen  diesen  einzelnen  Warzen  finden  sich  3  Gruppen  von  Je  3  Warzen,  die 
so  gestellt  sind,  doss  eine  Warze  im  grössten  üusaeren  Umrange  des  Ringes,  die 
zweite  auf  seiner  Oberfläche  und  die  dritte  aur  seiner  Unterüäche  angesetzt  ist 
Sie  sind  den  früheren  ähnlich,  unregelmässig  (durch  Abnützung  des  Ringes)  und 
nicht  ganz  gleich.    Eine  Warze  anf  dem  grössten  Umfange  wurde  schon  früher  abge- 


•  •••. 


brachen;  Bruchflucbe  patinirt  Es  sassen  ursprUnglicb  also  im  Ganzen  G  Warzen 
auf  dem  grüaaten  Umfange,  3  auf  der  Ober-  und  3  auf  der  UnterOäcbe  des  Ringes; 
die  Innenseite  ist  ganz  glatt.  Dieser  Ring  wurde  beim  Ausroden  von  Bänraen  im 
Walde  zwischen  Se£  und  Suchdol  auf  der  Herrschall  Ptin  (Pteni)  des  Grafen  de 
Saint-Genois  1869  gefunden  und  den  Sfunmlungen  geschenkt  (Nr.  964).  Mit 
demselben  in  derselben  Schicht'  in  kleinem  Umkreise  wurden  folgende  Stücke 
gelinden : 

a)  ein  massiTer  Bronzering  mit  grüner  Patina,  kreisrundem  DarchschnittvanCmiR 
und  lichtem  Durchmesser  von  18  mm;  er  hat  4  grosse  Warzen,  welche  die  Form 


(880) 

einer  halben  kreisförmigen,  13  rmn  hohen  und  5  mm  dicken  Scheibe  haben;  nie 
überragen  also  den  Ring  auf  beiden  Seiten  und  haben  den  äusseren  (gebogenen) 
Rand  schräg  und  dicht  gefurcht.  Zwischen  diesen  Warzen  stehen  4  andere, 
20 — 22  mm  hohe,  cylinderförmige  (Nr.  4  a),  welche  so  aussehen,  als  wären  sie  aos 
einem  dicken  Bronzedraht  gewunden,  welcher  in  der  Mitte  in  einen  10 — 12  mm 
langen  Backen  ausläuft;  zwei  und  zwei  Hacken  stehen  sich  gegenüber. 

b)  ein  Bronzering  mit  kreisrundem  Durchschnitt  von  4  mm  und  lichtem  Durch- 
messer von  25  mm;  er  ist  an  der  ganzen  äusseren  Oberfläche  mit  sehr  kleinen 
kugligen,  2  mm  dicken  Warzen  in  3  Reihen  (aussen,  oben  und  unten)  bedeckt. 
Jede  Reihe  zählt  ihrer  21,  im  Ganzen  also  63. 

c)  Kleiner  Hing  mit  kreisrundem  Durchschnitt  von  3  mm  und  lichtem  Durchmesser 
von  18,5  mm;  er  hat  auf  der  Aussenfläche  3  kleine  und  eine  grosse  (Zapfen  ans  der 
Gussform?)  Warze;  zwischen  diesen  standen  4  andere,  aus  3  grösseren  Rflgelchen 
(aussen,  oben  und  unten)  bestehende,  die  aber  bis  auf  eine  schon  seit  lange  sehr 
beschädigt  sind. 

d)  Dünner  Ring  mit  lichtem  Durchmesser  von  17  mm,  hat  auf  der  Aussen- 
fläche 17  (18)  kleine  Warzen  und  auf  der  Oberfläche  4;  die  Unter-  und  Innen- 
fläche ist  glatt. 

e)  Bronzering  (Fig.  4  r),  2,5  mm  dick,  mit  lichtem  Durchmesser  von  26  mm,  ist 
auf  beiden  Seiten  gekerbt.  Sein  Inneres  füllt  eine  Figur  mit  langen  Beinen  aus, 
die  aus  dem  Ringe  herausragen  und  so  zwei  fast  kuglige  Warzen  bilden;  ihr  Leib 
ist  kurz,  der  Kopf  gross  und  platt,  das  Gesicht  nicht  markirt  (abgeschliffen?)  und 
nur  die  Haare  sind  durch  4 — 5  senkrechte  kurze  Striche  angedeutet;  die  Hände 
sind  kurz  und  verlaufen  in  zwei  Bogen  (Flügel?) 

f)  Kugelförmige  Bronzeanhängsel. 

g)  Vier  scheibenförmige  Bernsteinkorallen  und  zwei  kleine  Glasperlen,  blau 
und  gelbgrün,  mit  ganz  kleinen  Warzen  dicht  besetzt. 

h)  Bruchstücke  eines  Eisenringes  und  eines  Eisenstäbchens  mit  2  Spitzen. 

Die  chemische  Analyse  dieses  Fundes  ergab  nach  Professor  Stolba's  Unter- 
suchung 73,34  pCt.  Kupfer,  16,32  pCt.  Zink,  9,70  pCt.  Blei  und  0,64  pCt  Eisen 
(Pamatky  archaeologicke  Vm  309,391). 

Die  Zeichnungen  sind  in  natürlicher  Grösse  gemacht  — 

Nachträglich  (1.  December)  hat  Hr.  W.  Schulz  noch  folgende  Bemerkungen 
eingesendet: 

^Die  Ringe  Nr.  1 — 3  müssen,  soweit  mir  bekannt  ist,  als  Gelegenheitsfunde 
betrachtet  werden,  die  bei  Feldarbeiten  gemacht  sind;  mit  ihnen  wurde  meines 
Wissens  gar  nichts  gefunden.  Nr.  4  wurde  mit  a  bis  h  zusammen  in  einer  Erd- 
schicht gefunden;  von  Scherben  u.  A.  keine  Spur.  Das  Bronzeanhängsel  f  hat  die  Form 
eines  10  mm  dicken  Kügelchens,  welches  in  einem,  auf  der  äusseren  Seite  mit  drei 
Warzen  versehenen  Ringe  steckt;  das  Oehrchen  mit  5 — 6  mm  lichtem  Durchmesser 
hat  auch  eine  grössere  Warze  und  ist  mit  dem  Kügelchen  durch  ein  kurzes  Band. 
welches  wieder  zwei  Warzen  trägt,  verbunden.  Das  Ganze  ist  24  mm  lang.  Es 
hat  von  weitem  die  Gestalt  eines  plumpen  Thieres  (Schweinchens??),  aber  nur  von 
sehr  weitem.  — 

Hr.  Szombathy  hebt  in  seinem  Schreiben  hervor,  dass  die,  tou  dem  Ver- 
fasser selbst  als  nicht  geschickt  bezeichneten  Abbildungen,  namentlich  F^.  1  a.  4, 
wenigstens  erkennen  lassen,  dass  die  Ringe  mit  Thierköpfen  Terziert  waren. 
Namentlich  Nr.  4  dürfte  sich  an  das  mehrfach  (S.  329,  vgl.  S.  490)  erwähnte  Schweizer 
Fundstück  annähern.  — 


(881) 

(11)  Hr.  Bartels  legt  zwei  Photographien  vor,  welche  von  Firn.  Professor 
Bezzenberger  (Königsberg  i.  Pr.)  aufgenommen  sind.  Die  eine  stellt  ein 
litauisches  Bauerngehöft  in  Minge  am  kurischen  Haff  dar,  wo  die  charak- 
teristische Giebelverzierung  (zwei  Pferdeköpfe  mit  Kopfputz  udd  dazwischen  vier 
Vögel)  deutlich  zu  sehen  ist.  Die  zweite  Photographie  zeigt  die  Theilnehmer 
des  diesjährigen  Anthropologen-Congresses  auf  der  DampfschifTfahrt  nach 
der  kurischen  Nehrung. 

(12)  Hr.  Bartels  legt  Photographien  vor  von 

Hatebelen 

aus  der  Gegend  von  Malakong  in  Nord -Transvaal  (Mapela's-Land),  welche  ihm 
Hr.  Mis8ion8ins|)ector  Kratzenstein  freundlichst  überlassen  hat.  Es  sind  Musiker 
und  Tänzer  des  Häuptlings  Massebc,  der  sich  vor  etwas  über  Jahresfrist  durch 
einen  Revolverschuss  tödtete,  sowie  die  Bilder  seiner  beiden  Söhne,  der  jetzt 
regierenden  Häuptlinge  ßakebcrg  Massebe  und  Hans  Massebe,  und  eines  benach- 
barten Häuptlings,  Namens  Karl  Kekane  aus  Wallmannsthal.  Es  ist  dem  Einflüsse 
des  Missionars  Schloemann  in  Malakong  zu  danken,  dass  die  beiden  Brüder 
gemeinsam  herrschen,  und  dass  sie  nicht  dem  gewöhnlichen  Gebrauche  gemäss 
einen  blutigen  Erbfolgekrieg  gegen  einander  führen.  Der  Häuptling  Bakeberg 
Massebe  ist  mit  seiner  Gemahlin  photographirt.  Man  sieht,  dass  beide  bereits  dem 
Einflüsse  der  europäischen  Kleidung  verfallen  sind.  Der  Mann  wurde  während  der 
Verbannung  seines  Vaters  auf  der  Hermannsburger  Missionsstation  Bakeberg  geboren 
und  führt  daher  seinen  Namen.  Sein  Vater  hatte  ihn  zum  alleinigen  Herrscher 
bestimmt;  jetzt  ist  er  hauptsächlich  der  Häuptling  der  dort  wohnenden  Mate- 
belen,  während  sein  älterer  und  vornehmer  geborener  Bruder  Hans  Massebe  be- 
sonders der  Häuptling  der  unter  diesen  Matebelen  lebenden  Bassutho  ist.  — 

(13)  Frl.  E.  Lemke  berichtet  aus  New-York,  30.  November,  über 

dnrchlochte  Nadeln  ans  Californien. 

Die  prähistorische  Abtheilung  des  American  Museum  of  Natural  History  in 
New-York  befindet  sich  noch  zu  einem  sehr  grossen  Theil  in  untergeordnetem  Zu- 
stande, und  es  wird  —  wie  mir  Hr.  James  Terry  daselbst  sagte  —  noch  lange 
dauern,  bis  man  zur  wissenschaftlichen  Bearbeitung  einer  oder  der  anderen  Samm- 
lung schreiten  könne.  Allein  die  Fundstücke,  welche  Hr.  Terry  persönlich  her- 
beigeschafft hat,  würden  ein  Museum  für  sich  bilden;  sie  reichen  in  die  Zeit  der 
Sculptured  anthropoid  ape  heads  (Columbia  valley)  zurück,  andererseits  bis 
zur  jüngeren  Vorgeschichte,  z.  B.  Califomiens.  Ueber  die  Sculpt.  ape  heads  hat 
Hr.  Terry  kürzlich  eine  mit  vorzüglichen  Illustrationen  versehene  Schrift  heraus- 
gegeben, die  er  u.  A.  an  die  Berliner  anthropol.  Gesellschaft  sandte. 

Hr.  Terry  hatte  die  grosse  Güte,  mir  seine,  noch  in  Arbeitsräumen  befind- 
lichen Sammlungen  vorzuführen  und  mir  die  Erlaubniss  zu  geben,  über  einige 
durchlochte  Nadeln  —  von  denen  ich  Zeichnungen  entnehmen  durfte  —  zu  be- 
richten. Auf  die  Frage  nach  dem  Alter  dieser,  in  Gräbern  gefundenen  Nadeln, 
die  sämmtlich  aus  Knochen  gearbeitet  sind,  wollte  Hr.  Terry  keine  ihn  bindende 
Antwort  geben;  er  sagte,  dass  gerade  über  diese  Funde  noch  sehr  wider- 
sprechende Meinungen  geäussert  würden;  selbst  auf  die  Bemerkung:  es  sollte 
auf  ein  Paar  Jahrhunderte   nicht  ankommen,    mochte  er  sich  nicht  entschliessen, 

Vcrbaadl.  der  B«rt  AnUirop.  GeialUcba/t  1891.  56 


C882) 

»eine  Ansichten  anzugeben.  Er  Kagtc  nur  imna-r  wieder:  diu  Nadeln  seien  sehr 
alt,  freilich  bedeutend  jünger,  als  die  Sculpt,  ape  heads;  und  er  setzte  hinzu, 
daas,  fnlls  die  Berliner  anthropol.  Ocsellschart  diese  Notizen  aurniihme,  dieselben 
die  erste  Veröffentlichung  darüber  sein  würden.  Letzteres  ist  recht  bedauerlich, 
da  ich  nun  nichts  Näheres  über  die  Gegenstände  melden  kann,  von  denen  ich  an- 
nehme, dass  sie  drüben  ihre  Freunde  finden  werden. 


Natfirlifhe  Grösse, 

Die  Nadel  Fig.  1  wurde  einem  Qrabe  bei  San  Luis  Obispo,  Calirornirn 
(südlich  von  San  Francisco)  entnommen.  Sie  ist  gut  gegliiltet,  ziemlich  flach  und 
fein  zugespitzt. 

Die  Nummern  2 — 7  stammen  ans  Gräbern  auf  San  Kicholas  Island,  Cali- 
fornien  (Santa  Barbara  Cennty). 

Fig.  i  ist  rippenartig  gebogen  und  gut  geglättet;  in  der  Nihe  der  unteren 
Spitze  ist  eine  kleine  Absplitterung.  Die  Durchlochung  reicht  nur  bis  zur  Mitto 
und  mündet  dort  in  eine  zweite  (zu  ihr  im  rechten  Winkel  stehende)  Darrh- 
lochung;  der  Faden  musste,  wie  angegeben,  genibrt  werden.  (Collection  Terry. 
13  274.) 

Die  gutgeglättete  Xadel  Fig.  3  ist  theiU  von  länglich  rnnder  Form  im  Qaer- 
schnitte,  theUs  flach.     (C.  T.,  13  275.) 


(883) 

Bei  Pig.  4  sind  die  Flächen  rauh  gehalten;  die  breite  obere  Spitze  ist  drei- 
eckig geformt.    (C.  T.,  13  277.) 

Pig.  5  ist  gut  geglättet  und  sehr  fein  zugespitzt;  dabei  ganz  flach.  (C.  T., 
13  279). 

Die' glatte,  etwas  ungleich  im  Querschnitte  geformte  Nadel  Pig.  6  hat  doppelte 
Durehlochung,  wie  Pig.  2,  und  zeigt  an  der  unteren  Spitze  eine  Absplitterung. 
(C.  T.,  13  280.) 

In  Pig.  7  sehen  wir  die  feinste  der  Nadeln:  sie  ist  sehr  glatt  und  spitz  und 
hat  nur  eine  winzige  Durehlochung,  neben  der  ein  kleines  Stück  abgesplittert  ist. 
(C.  T.,  13  282.) 

Im  Anschluss  an  diese  Nadeln  sei  die  ungeheure  Menge  von  Pfriemen  erwähnt, 
die  aus  denselben  Gräbern  stammen;  sie- sind  sowohl  aus  Knochen,  wie  aus  Hörn 
hergestellt  und  zeigen  verschiedene  Bearbeitung.  Ein  Theil  dieser  Pfriemen  könnte 
zu  den  Nadeln  gerechnet  werden ;  denn  nahe  der  breiten  oberen  Spitze  hat  ein  solches 
Geräth  eine  Einschnürung,  die  einen  urageknüpften  Paden  oder  eine  Schnur  am 
Abgleiten  verhindern  würde.  Sehr  viele  Stücke  erinnern  an  unsere  prähistorischen, 
wie  auch  an  die  noch  jetzt  bei  unserem  Landvolk  u.  s.  w.  in  Gebrauch  befindlichen 
Pfriemen,  Löser  u.  dgl.  m.  — 

(14)    Hr.  Nehring  berichtet  über  ein 

diluviales  Pflanzenlager  in  der  Gregend  von  Klinge  bei  Cottbus. 

Unter  Bezugnahme  auf  eine  Abhandlung  ^über  eine  besondere  Riesenhirach- 
Rasse  aus  der  Gegend  von  Cottbus,  sowie  über  die  Pundverhältnisse  der  betr. 
Reste" '),  welche  ich  vor  Kurzem  an  die  Bibliothek  unserer  anthropol.  Gesellschaft 
eingesandt  habe,  erlaube  ich  mir  hier  noch  einige  Mittheilungen  über  die  mäch- 
tigen Ablagerungen  von  Pflanzenresten,  welche  an  der  Pundstätte  des  dort  beschrie- 
benen Riesenhirsch -Geweihs  und  in  der  nächsten  Nachbarschaft  derselben  vor- 
handen und  aufgeschlossen  sind. 

Es  handelt  sich  um  drei  grosse  Thongruben,  die  nicht  weit  von  dem  Bahnhof 
Klinge,  zwischen  Cottbus  und  Forst,  im  Süden  der  Provinz  Brandenburg,  gelegen 
sind  und  zum  Zweck  der  Backsteinfabrikation  ausgebeutet  werden.  Dieselben  sind 
am  10.  September  d.  J.  von  mir  in  Begleitimg  des  Hm.  Stadtrath  H.  Ruff  aus 
Cottbus  besucht  worden,  und  zwar  in  Polge  einer  Zusendung,  welche  letzterer 
kurz  vorher  an  mich  hatte  gelangen  lassen.  Der  Inhalt  der  Sendung  bestand  aus 
einem  höchst  interessanten  Riesenhii'sch-Geweih,  aus  Resten  eines  jüngeren,  männ- 
lichen Elchs,  u.  s.  w.,  über  welche  ich  in  der  oben  citirten  Abhandlung  Näheres 
(unter  Abbildung  des  Riesenhirsch-Geweihs)  angegeben  habe. 

In  den  brieflichen  Mittheilungen,  die  Hr.  Ruff  mir  in  Bezug  auf  die  genannten 
Thierreste  zugehen  Hess,  wurde  eine  „Kohlenschicht*'  erwähnt,  welche  zahl- 
reiche wohlerhaltene  Pflanzenreste  enthalte  und  in  den  erwähnten  Thongruben  ein 
bestimmtes  Niveau  markire.  Diese  „Kohlenschicht"  war  es  besonders,  welche  mich 
zn  einer  Reise  nach  Klinge  veranlasste,  um  die  Ablagerungs Verhältnisse  an  Ort 
und  Stelle  zu  betrachten.  Bei  meinem  Besuche  der  Thongruben,  welchen  ich  am 
10.  Sept  d.  J.,  begünstigt  vom  herrlichsten  Wetter,  ausführte,  erkannte  ich  bald, 
dass  es  sich  hier  um  sehr  interessante  Ablagerungen  handelt,  und  dass  namentlich 


l)  Sitzungsbericht  der  Gesellsch.  naturf.  Freunde  zu  Berlin,  1891,  S.  151—162. 

Ö6* 


(884) 

die  oben  erwähnte  „Kohlenschicht**  eine  höchst  beachtenswerthe  Fandstätte 
einer  vorzeitlichen  Flora  darstellt. 

Nach  meinem  Urtheile  gehört  dieses  Pflanzenlager  der  Diluirialzeit  an;  ob  sie 
interglacial  oder  postglacial  (jungdiluvial)  zu  nennen  ist,  lasse  ich  vorläufig  dahin- 
gestellt sein  und  begnüge  mich  hier  damit,  nur  ganz  kurz  einige  Angabtin  über 
die  Profilverhältnisse  zu  machen.  Diese  sind  mir  am  genauesten  aus  der  Schulz- 
sehen  Thongrube  bekannt  geworden,  welche  unter  der  Verwaltung  des  Hm.  Ziegel- 
meisters A.  Kayser  steht.  Letzterer  hat  sowohl  bei  meinem  Besuche  mir  das 
freundlichste  Entgegenkommen  erwiesen,  als  auch  nachträglich  durch  ausführliche 
Mittheilungen  über  die  Mächtigkeit  der  einzelnen  Schichten  und  durch  üeber- 
sendnng  reichlicher  Proben  aus  denselben  meine  Studien  in  anerkennenswerther 
Weise  gefördert,  wofür  ich  ihm  auch  an  dieser  Stelle  meinen  besten  Dank  sage. 

In  der  Schulz'schen  Thongrube  sind  nach  Auffassung  des  Hm.  Kayser*) 
folgende  Schichten  von  oben  nach  unten  zu  erkennen: 

1.  Humoser  Sand,  etwa  7s  ^- 

2.  Geschichteter,  gelblicher  Sand,  2  m. 

3.  Kohlig-thonige  Schicht,  etwa  1  m. 

4.  Graugelber,  plastischer,  feiner,  kalkreicher  Thon,  2  tu. 

5.  Thon  mit  kohlig-torfigen  Streifen,  '/«  "*• 

6.  Kohlig-torfige  Schicht  mit  zahlreichen,  sehr  wohlerhaltenen,  meist 
horizontal  gelagerten  Pflanzenresten,  2  m, 

7.  Harte,  scherbig-blätterige,  eisenschüssige  Thon8chicht(„Lebertorr'),  etwa  '/»'». 

8.  Grünlich-grauer,  plastischer,  sehr  feiner  Thon,  kalkreich,  im  trockenen  Zu- 
stande hellgrau  aussehend,  2 — 4  wi. 

In  der  Thongmbe  der  Dominialziegelei,  welche  unter  der  Verwaltung  des 
Hm.  Otto  Schmidt  steht  und  in  der  die  oben  erwähnten  Reste  vom  Riesenhirsch 
und  vom  Mch  gefunden  wurden,  sind  die  Profilverhältnisse  ganz  entsprechend, 
wenngleich  etwa  mit  kleinen  Modificationen  in  der  Mächtigkeit  der  einzelnen 
Schichten.  Auch  in  der  etwas  entfernter  gelegenen  grossen  Thongmbe  einer 
dritten  Ziegelei,  welche  unter  der  Verwaltung  des  Hm.  Ziegeleibesitzers  Zweig  steht 
ist  die  Schichtenfolge  sehr  ähnlich;  doch  bemerkte  ich  hier  innerhalb  der  kohlig- 
torfigen  Schicht  (6)  einige  Einlagerangen  groben  Sandes. 

Die  Gründe,  welche  mich  veranlassen,  diese  kohlig-torfige  Schicht  als  diluvial 
anzusehen,  sind  folgende: 

1.  Der  Umstand,  dass  dieselbe  von  einer  Anzahl  relativ  mächtig  entwickelter 
Schichten  überlagert  wird,  und  zwar  in  einem  Terrain,  das  heute  von  keinem 
Flusse  berührt  wird,  sondern  als  ein  kiefembewachsenes ,  flaches  Plateau  er- 
scheint^), spricht  dafür,  dass  die  Ablagerung  der  betr.  Pflanzenschicht  in  eine  weit 
entlegene  Vorzeit  fällt. 

2.  Nach  der  bestimmten  Angabe  des  Hm.  Ziegelei  Verwalters  O.  Schmidt 
werden  in  der  oberen  Sandschicht  (Schicht  1  u.  2  des  oben  angegebenen  Profils) 
sehr  häufig  grosse  und  kleine,  randliche  Steine  gefunden.  Es  ist  nicht  unwahr- 
scheinlich, dass  diese  Steine  als  erratisches  Material  an  Ort  und  Stelle  gekommen 

1)  Ich  bemerke,  dass  ich  in  meiner  oben  citirten  Abhandlung  nur  5  Schichten  unter> 
schieden  habe,  indem  die  von  Hrn.  Kayser  besonders  bezeichneten  Uebergangtchichten 
1,  5  und  7  von  mir  nicht  als  besondere  Schichten  angegeben  worden  sind. 

2)  Der  Bahnhof  E^linge,  welcher  mit  den  genannten  Ziegeleien  ongeflhr  in  gleichem 
Kivean  liegt,  hat  eine  Meereshöhe  von  84,5  m;  der  Spiegel  der  Spree  bei  Gottboji  liegt 
68,8  m  über  dem  Meere.  Die  Ziegeleien  von  Klinge  liegen  also  etwa  t6  m  (=  50  Fqw) 
über  dem  heutigen  Spreespiegel  bei  Cottbus. 


(885) 

sind;  jedoch   bedarf  es  erst  noch  genauerer  Untersuchungen,   um  dieses  mit  Be- 
stimmtheit festzustellen. 

3.  Die  beiden  Thonschichten,  welche  die  Pflanzenschicht  (6)  einschliessen, 
machen  durchaus  den  Eindruck  diluvialer  Ablagerungen.  Beide  Thone  sind  kalk- 
haltig; zuweilen  (wenngleich  selten)  werden  in  ihnen  rundliche  Steine  von  der 
Grösse  eines  Kindskopfes  gefunden.  Dass  der  untere  Thon  von  diluvialem  Alter 
ist,  wird  ausserdem  durch  seine  organischen  Einschlüsse  bewiesen;  er  lieferte  das 
oben  erwähnte  Riesenhirsch-Geweih,  eine  Anzahl  Rhinoceros-Knochen,  zwei  Unter- 
kiefer von  einer  kleinen  Fuchsspecies ,  welche  vielleicht  dem  Eisfuchs  an- 
gehören, u.  s.  w.  In  Bezug  auf  das  Riesenhirsch-Geweih  war  mir  ursprünglich  die 
Mittheilung  gemacht  worden,  dass  dasselbe  in  dem  oberen  Thone  der  Dominial- 
Ziegeleigrube  gefunden  sei,  und  so  habe  ich  es  auch  in  meiner  oben  citirten  Ab- 
handlung angegeben.  Kürzlich  ist  jedoch  durch  ein  genaues  Verhör,  welches 
Hr.  Schmidt  mit  den  Arbeitern  der  ihm  unterstellten  Grube  vorgenommen  hat, 
festgestellt  worden,  dass  jenes  Geweih  thatsächlich  in  dem  unteren  Thone  zum 
Vorschein  gekommen  ist,  also  unterhalb  der  kohlig-torfigen  Schicht  (6)  und  der 
Lebertorf-Schicht  (7). 

Obiges  Riesenhirsch-Geweih  gehört,  wie  ich  a.  a.  0.  nachgewiesen  zu  haben 
glaube,  einer  besonderen  Rasse,  oder  vielleicht  richtiger:  Art  an,  welche  ich  als 
Cervus  megaceros  var.  Ruffii,  bezw.  als  Megaceros  Ruffii  bezeichnet  habe.  In  der 
Meinung  von  der  Artselbständigkeit  dieser  Form  bin  ich  durch  einen  mir  kürzlich 
bekannt  gewordenen  neuen  Fund  eines  Riesenhirsch-Geweihs  bestärkt  worden;  und 
zwar  handelt  es  sich  um  einen  Schädel  mit  Geweih,  welcher  am  5.  März  1891  bei 
Worms  von  Fischern  aus  dem  Rheine  herausgezogen  ist.  Dieser  zeigt  die  eigen- 
thümlichen  Charaktere  der  von  mir  unterschiedenen  neuen  Riesenhirsch-Form  in 
solcher  Ausprägung  und  weicht  in  Bezug  auf  die  Stellung  der  beiden  Geweih- 
stangen zu  einander  und  zum  Schädel  *)  derart  von  dem  typischen  Riesenhirsche  ab, 
dass  ich  jetzt  kein  Bedenken  trage,  den  Megaceros  Ruffii  als  besondere  Art 
anzusehen.  Und  zwar  erkenne  ich  darin  eine  alterthümliche  Form,  welche  in 
vieler  Hinsicht  zwischen  den  Gattungen  Megaceros  und  Dama  vermittelt.  Dieselbe 
gehört  unzweifelhaft  dem  Diluvium  an,  und  zwar  vermuthe  ich,  dass  sie  nicht 
jungdiluvial,  sondern  mittel  diluvial  (wahrscheinlich  interglacial)  ist. 

4.  Die  Pllanzenschicht  (6)  enthält  eine  ausgestorbene  Nymphaeacee  oder 
vielmehr  die  wohlerhaltenen  Samen  einer  solchen.  Hr.  Dr.  C.  Weber,  Lehrer  an 
der  Ackerbauschule  zu  Hohenwestedt  in  Schleswig-Holstein,  hat  diese  Samen  in 
den  Torfstücken,  welche  ich  ihm  zur  Untersuchung  geschickt  habe,  zuerst  ent- 
deckt und  festgestellt,  dass  sie  zu  der  von  ihm  aufgestellten  Gattung  Cratopleura 
gehören.  Nachträglich  habe  ich  selbst  noch  etwa  80  Samen  derselben  Form  auf- 
gefunden. Zwei  derselben  sind  von  meinem  CoUegen,  Hm.  Geh.  Regierungsrath 
Prof.  Dr.  W^ittmack,  anatomisch  untersucht  worden,  wobei  es  sich  herausstellte, 
dass  manche  auffallende  Aehnlichkeiten  jener  fossilen  Form  mit  den  Samen  der 
heutigen  Brasenia  peltata  Pursh  aus  Nordamerica')  vorhanden  sind.  Nach  Weber 
stimmen  die  Samen  von  Klinge  mehr  mit  denen  von  Cratopleura  helvetica 
C.  Weber'),  als  mit  denen  von  Cratopleura  holsatica  C.  Weber  überein.    Jeden- 

1)  Ich  habe  zwei  vorzöghebe  Photographien  de»  Wormser  Fnndes  in  Hftnden,   nebst 
zahlreichen  Messungen,  welche  ich  der  Güte  des  Hm.  Fritz  Ernst  in  Worms  verdimke. 

2)  Brasenia  peltata  kommt  auch  in  Japan,  Ostindien,  Nordost-Anstralien  (Queensland) 
und  in  West-Africa  vor. 

8)  Cratopleura  helvetica  stammt  aus  der  interglacialen  Schieferkohle  von  Dümten  in 
der  Schweiz. 


(886) 

falls  ist  es  eine  höchst  interessante  Thatsachc,  dass  in  der  kohlig-torfigen  Schicht  (6) 
der  Thongruben  von  Klinge  die  Gattung  Cratopleura,  eine  ausgestorbene  Nym- 
phaeacee,  durch  zahlreiche  Samen  vertreten  ist. 

Eine  zweite  Art  von  Samen  oder  Früchten,  welche  freilich  eine  ganz  andere 
Form  haben,  rührt  wahrscheinlich  auch  von  einer  ausgestorbenen  oder  wenigstens 
aus  Deutschland  verdrängten  Pflanze  her.  Diese  Samen  sind  gestreckt- wnrstlormig 
gestaltet,  etwa  8  mm  lang  und  2  mm  dick;  ihre  Oberfläche  zeigt  eine  feine  Punktimng. 
Bisher  konnten  sie  nicht  bestimmt  werden,  obgleich  eine  Anzahl  namhafter  Bo- 
taniker sie  in  Augenschein  genommen  und  genau  untersucht  hat'). 

Die  übrigen  Pflanzen,  welche  bisher  aus  der  betr.  Schicht  festgestellt  sind, 
scheinen  von  der  heutigen  Flora  Deutschlands  wenig  oder  gar  nicht  abzuweichen ; 
doch  dürften  eingehende  Vergleichungen  noch  manche  interessante  Resultate 
liefern.  Nach  den  Probestücken,  welche  ich  theils  selbst  an  Ort  und  Stelle  ge- 
sammelt, theils  und  hauptsächlich  von  Hrn.  Ziegelmeister  A.  Kays  er  zugesandt 
erhalten  habe,  konnte  schon  eine  ansehnliche  Zahl  von  Pflanzen  bestimmt  werden. 

Hr.  Prof.  Dr.  Wittmack  stellte  folgende  Pflanzenarten  fest: 

1.  Die  Fichte  (Picea  excelsa  DC),  nach  einem  Zapfen  mit  wohlerhalteneu 
Samen  und  nach  zahlreichen,  wohlerhaltenen  Stücken  von  Stämmen  und  Aesten. 

2.  Die  Kiefer  (Pinus  silvestris  L.),  nach  einigen  wohlerhaltenen  Stamm-  und 
Aststücken. 

3.  Die  Hainbuche  (Carpinus  Betulus),  vertreten  durch  sehr  zahlreiche  Früchte. 

4.  Eine  Birke  (Betula  sp.),  nach  Stamm-  und  Wurzelresten,  welche  noch  mit 
der  Rinde  überzogen  sind. 

5.  Ceratophyllum  demersum, 

6.  „  submersum,  zwei  Hornblatt-Arten,  welche  durch  eine  An- 
zahl wohlerhaltener  Früchte  vertreten  sind. 

Hr.  C.  Warnstorf,  der  bekannte  Mooskenner  in  Neu-Ruppin,  bestimmte: 
Hypnum  aduncum,  Hypnum  fluitans  und  Sphagnum  cymbifolium. 

Hr.  Dr.  C.  Weber  in  Hohenwestedt,  der  sich  schon  um  die  Untersuchung 
mehrerer  anscheinend  interglacialer  Torflager  in  Holstein  sehr  verdient  gemacht  -) 
und  sich  der  vorliegenden  Untersuchung  mit  lebhaftestem  Interesse  angenommen 
hat,  bestimmte  folgende  Arten: 

1.  Fichte,  Picea  excelsa  DC,  zahlreiche  Holzstücke  von  Stämmen,  Aesten, 
Wurzeln,  ausserdem  Samen,  Samenflügel,  Pollen. 

2.  Hainbuche,  Carpinus  Betulus  L,  zahlreiche  Früchte. 

3.  Birke,  Betula  verrucosa  Ehrh.,  zahlreiche  Holzstücke  mit  der  Rinde, 
Blätter,  Früchte,  Pollen. 

Femer  4  Weiden -Arten,  und  zwar: 

4.  Salix  aurita  L.,  zahlreiche  Blätter,  Frucht  (?). 

5.  ^      sp.  (Caprea?),  Fragmente  von  Blättern. 

6.  „  sp.  (cinerea?),  2  Blätter.  V^ielleicht  eine  Zwischenform  zwischen 
L.  aurita  und  L.  cinerea. 

7.  Salix  repens  L.     Blattfragment. 

8.  Espe,   Populus  tremula  (?),   Blattfragment,  kleine  Zweigstücke,  Pollen  (?). 

9.  Stechpalme,  Hex  aquifolium,  eine  Steinfrucht. 

1)  Hr.  Prof.  Nobb«*  in  Tharandt  meint,  es  könnten  möglicherweise  <ijdlen  sein:  doch 
spricht  Manches  gegen  diese  Ansicht. 

2)  „Ueber  zwei  TorfUger  im  Bette  des  Nonlostsee-Canales  bei  Gr&nenthal,*  iin  N. 
Jahrb.  f.  Mineral,  u.  s.  w.  1891,  Bd.  H,  8.  62  ff. 


(887) 

10.  Weisse  Teichrose,  Nymphaea  alba  L.  f.  microsperma,  Samen. 

11.  Gelbe  Seerose,  Nuphar  luteum  L.,  Samen. 

12.  Cratopleura  sp.,  die  oben  besprochene,  ausgestorbene  Nymphaeacee, 
nahestehend  der  Crat.  hei vetica  Weber.  (Vergl.  C.  Weber,  Cratopleura  holsatica, 
eine  interglaciale  Nymphaeacee  und  ihre  Beziehungen  zu  Holopleura  Victoria  Casp., 
sowie  zu  recenten  Nymphaeaceen.     Neues  Jahrb.  f.  Mineral.,  1892,  Bd.  1). 

13.  Ceratophyllum  submersom,  einige  Früchte. 

14.  ^  demersum,  eine  Frucht. 

15.  Galium  (palustre?).    Einige  Früchte. 

16.  Echinodorus  ranunculoides  (?).    Eine  Frucht. 

17.  Najas  sp.?,  fragmentarische  Frucht. 

18.  Scirpus  iacustris.    Einige  Früchte. 

19.  Carex  sp.  (C.  Goodenoughii?),  Früchte. 

20.  „      sp.  (C.  panicea?),  Früchte. 

21.  ^      sp.  (C.  vesicaria?),  eine  Frucht. 

Ausserdem  zahlreiche  Blätter  und  Rhizome  von  Carex,  welche  wahrscheinlich 
den  vorigen  Arten  angehören. 

22.  Polystichum  Thelypteris.    Zahlreiche  Sporen  und  Sporenkapseln. 

23.  Ilypnum  div.  sp.,  Stämmchen  und  Sporen,  sehr  zahlreich. 

24.  Sphagnum  sp.,  Blattreste  und  Sporen. 

Dazu  füge  ich  nach  vier  wohlerhaltenen  Nüssen,  die  ich  besitze, 

25.  den  Haselnuss-Strauch,  Corylus  avellana,  und 

26.  die  bisher  unbekannte  Pflanze  mit  den  oben  (S.  886)  erwähnten,  wurst- 
förmigen  Samen  oder  Früchten. 

Unter  den  oben  aufgezählten  Baumarten  ist  die  Fichte  durch  besonders  zahl- 
reiche Stamm-  und  Aststücke  vertreten,  welche  meistens  so  wohlerhalten  sind, 
dass  Jemand,  der  ihre  HerkunA  nicht  kennt,  ihnen  kaum  ein  diluviales  Alter  zu- 
schreiben würde.  So  lange  das  Holz  noch  feucht  ist,  lassen  sich  die  zartesten 
Querschnitte  einfach  mit  dem  Hobel  aus  demselben  herstellen').  Beim  Trocknen 
werden  die  Stücke  allerdings  meist  sehr  rissig;  manche  zerfallen  gradezu,  wenn 
man  sie  nicht  mit  einer  geeigneten  Lösung  tränkt.  Die  Mehrzahl  der  Fichten- 
stämme lässt  ein  sehr  langsames,  kümmerliches  Wachsthum  erkennen;  es  sind 
Stänunchen  darunter,  welche  bei  einem  Alter  von  20  und  mehr  Jahren  kaum  die 
Dicke  eines  kräftigen  Daumens  besitzen.  Weber  schlägt  in  einem  an  mich  ge- 
richteten Briefe  vor,  sie  ais  „Moorfichte**  zu  bezeichnen,  und  zwar  nach  Analogie 
der  sog.  „Moorkiefer"  Vaupell's. 

Neben  jenen  kümmerlich  gewachsenen  Exemplaren  konunen  übrigens  auch 
solche  Fichten  vor,  deren  Jahresringe  ein  bedeutend  flotteres  Wachsthum  an- 
deuten. Ob  die  betr.  Stücke  etwa  einem  anderen  Niveau  der  oben  besprochenen 
Schicht  (6)  entnonunen  sind,  kann  ich  nicht  angeben,  wie  denn  überhaupt  vorläufig 
nicht  festgestellt  worden  ist,-  ob  innerhalb  jener  2  m  mächtigen  Schicht  irgend 
welche  floristische  Unterschiede  in  vertikaler  Richtung  zu  beobachten  sind.  Im 
nächsten  Frühjahr  werden  die  Untersuchungen  auch  hierauf  gelenkt  werden;  vor- 
läufig muss  ich  mich  damit  begnügen,  die  in  der  betr.  Schicht  überhaupt  vor- 
kommenden Species  anzugeben  und  einige  bezügliche  Beobachtungen  hinzuzufügen. 

Was  die  Birkenreste  anbetrifft,  so  sind  sie  unter  den  mir  vorliegenden  Holz- 

1)  Hr.  Michel,  der  Tischler  der  Königl.  LandwirthschaftL  Hochschule,  hftt  mir  eine 
Anzahl  der  schönstt^o  Querschnitte  auf  seiner  Hobelbank  hergestellt. 


(888) 

stücken  weniger  zahlreich,  als  die  der  Fichte;  manche  sind  vorzüglich  erhalten, 
manche  sehr  platt  gedrückt. 

Die  Hainbache  ist  bisher  nur  durch  ihre  Früchte  vertreten;  diese  sind  aber 
sehr  zahlreich  und  wohlerhalten.  Manchen  Torfstücken,  welche  ein  dichtes  Qefüge 
und  eine  sehr  dunkle  Farbe  zeigten,  konnte  ich  zahlreiche  Früchte  der  Hainbuche 
entnehmen;  in  denselben  Stücken  fand  ich  Exemplare  der  oben  erwähnten  wurst- 
ähnlichen  Früchte,  sowie  einige  Samen  der  Cratopleura  sp.  Unter  den  Hainbuchen- 
Früchten  befinden  sich  viele,  die  von  auffallend  kleiner  und  unregelmässiger  (je- 
stalt  sind;  nähere  Untersuchungen  werden  ergeben,  ob  die  fossile  Hainbuche  von 
Klinge  vielleicht  einige  Differenzen  gegenüber  unserer  heutigen  Hainbuche  er- 
kennen lässt. 

In  denselben  Torfstücken,  welche  Hainbuchen-Früchte  enthielten,  fand  ich  auch 
zahlreiche  Weidenblätter.  Andere  Stücke  bestehen  fast  ausschliesslich  aus  Hypnuro- 
Resten,  noch  andere  aus  Sphagnum-Resten. 

Die  Lagerung  der  Pflanzenreste  ist  durchweg  eine  horizontale,  und  es  lassen 
sich  die  Torfstücke  mit  leichter  Mühe  in  dünne  Platten  zerspalten.  Nur  die 
Wurzel-  und  Stammstücke  der  Bäume  findet  man  meistens  in  einer  Lage,  welche 
von  der  horizontalen  abweicht,   d.  h.  also  aufrecht  oder  schräg  aufgeht  stehend. 

In  gewissen  Torfstücken  kommen  zahlreiche  Käferreste  vor,  welche,  so 
lange  sie  frisch  und  feucht  sind,  eine  prachtvolle  Erhaltung  zeigen.  Nach  den 
Bestimmungen  meines  Assistenten,  des  Hm.  Dr.  E.  Schaff,  gehören  dieselben 
verschiedenen  Gattungen  an:  namentlich  sind  die  Gattungen  Donacia  und  Hydro- 
philus  vertreten.  Von  der  Gattung  Donacia  kommen  etwa  3—4  Arten  vor,  welche 
theils  durch  die  Grösse  und  Form,  theils  durch  die  eigenthümliche  Punktining  der 
Flügeldecken  von  einander  verschieden  sind.  Wie  es  scheint,  sind  ausgestorbene 
Arten*)  darunter.  Bei  der  einen  (grösseren)  Donacia -Art  hat  Hr.  Gustos  Kolbe, 
der  bekannte  Entomologe  vom  hiesigen  Museum  für  Naturkunde,  sich  veigeblich 
bemüht,  eine  genau  entsprechende  recente  Species  ausfindig  zu  machen. 

Mollusken-Reste  sind  vorläufig  nicht  beobachtet  worden;  ebensowenig  solche 
von  Fischen,  Amphibien,  Reptilien,  Vögeln.  Säugethier-Reste  hat  man  früher  stellen- 
weise in  grosser  Menge  gefunden,  angeblich  meistens  in  ganzen  Skeletten.  Vergl. 
meine  Angaben  a.  a.  0.,  S.  159  f.  Leider  sind  die  betrefl'enden  Knochen  ehemals 
entweder  bei  Seite  geworfen,  oder  an  den  Knochenhändler  verkauft  worden,  bis 
auf  die  relativ  wenigen  Stücke,  welche  Hr.  Stadtrath  Ruff  in  Cottbus  erworben 
und  demnächst  mir  für  unser  Museum  überlassen  hat.  Im  letzten  halben  Jahre 
haben  die  Arbeiter,  obgleich  sie  jetzt  gut  aufpassen,  von  Skeletresten  noch  nichts 
wieder  entdeckt.  Die  Knochen funde  kommen  in  den  Thongruben  von  Klinge 
offenbar  ziemlich  selten  vor:  angeblich  ist  das  untere  Thonlager  die  Hauptftmd- 
schicht  für  Knochen. 

Von  Spuren  menschlicher  Existenz  kann  ich  bisher  nichts  Sicheres  meiden. 
Ein  Stück  von  einem  Fichten -Bäumchen,  dessen  Rinde  sauber  abgeschält  und 
dessen  Zweige  scharf  abgeschnitten  sind,  war  mir  von  Hm.  A.  Kayser  als  mit 
Schnitten  aus  alter  Zeit  versehen  übersandt  worden.  Dasselbe  stammt  auch  aus 
der  Pflanzenschicht  (6)  und  ist  ausserordentlich  w^ohlerhalten.  Ich  selbst  war  eine 
Zeit  lang  geneigt,  die  deutlich  erkennbaren  Schnitte  auf  die  Thätigkeit  eines 
Menschen  zurückzuführen;   doch   bin  ich  nachträglich  zu  der  Ansicht  gekommen, 

1)  Violleicbt  ist  es  richtiger,  anzunehmen,  dass  jene  Arten  sich  seit  der  Diluvialteit 
in  gewi.ssen  Pankt4'n  verändert  hüben. 


(889) 

dass  es  sich  wohl  nar  am  einen  sogenannten  Biberstock  handelt')-  I^^s  während 
der  Zeit,  in  welcher  die  Pilanzenschicht  der  Thongraben  bei  Klinge  abgelagert 
wurde,  dort  Biber  hausten,  ist  sehr  wahrscheinlich,  wenngleich  bisher  keine  Biber- 
knochen dort  nachgewiesen  sind. 

Was  die  geologische  Altersbestimmung  der  mehrfach  erwähnten  kohlig- 
torrigen  Pflanzenschicht  (6)  anbetrifft,  so  sprechen  viele  Umstände  dafür,  dass 
sie  der  Diluvial-Periode  angehört.  Als  ich  am  10.  September  1891  die  Thongruben 
Yon  Klinge  besuchte,  gelangte  ich  bei  Betrachtung  der  Proftlrerhältnisse  zu  der 
Vermuthung,  dass  jene  Schicht  während  der  sogenannten  Interglacialzeit  ent- 
standen sei ').  Nachdem  nun  die  Pflanzenreste  bis  zu  einer  gewissen  Vollständigkeit 
bestimmt  worden  sind,  drängt  sich  offenbar  ein  Vergleich  mit  der  Flora  der  intor- 
glacialen  Schieferkohlen  der  Schweiz  auf.  Siehe  O.  Heer,  die  Ui*welt  der  Schweiz, 
2.  Aufl.,  S.  513 — 534.  Ausserdem  bin  ich  in  meiner  Vermuthung  durch  folgende 
neuere  Publicationen  bestärkt  worden:  Kri seh tafo witsch,  „Anzeichen  einer  inter- 
glaciären  Epoche  in  Central-Russland^,  im  Bull.  Soc.  Nat.  Moscou,  1890,  Heft  4, 
erschienen  1891;  R.  v.  Fischer-Benzon,  ^Die  Moore  der  Provinz  Schleswig- 
Holstein^  ,  Sonderabdrnck  aus  Bd.  XI,  Heft  3  d.  Abh.  d.  Naturw.  Ver.  in  Hamburg 
1891 ;  C.  Weber,  „Ueber  zwei  Torflager  im  Bette  des  Nordostsee-Canales  bei  Grtinen- 
thaP,  im  N.  Jahrb.  f.  Mineral.  1891,  Bd.  U,  S.  62  ff. 

Es  wird  zwar  die  Existenz  einer  Interglacialzeit  von  manchen  Forschern  ge- 
leugnet, und  es  scheint  in  der  That  grosse  Gebiete  zu  geben,  wo  die  Spuren  der- 
selben fehlen;  aber  in  der  östlichen  Hälfte  von  Norddeutschland,  in  der  Schweiz, 
in  Oesterreich,  und,  wie  es  scheint,  auch  in  einem  grossem  Theile  von  Russland 
finden  sich  so  viele  Beweise  für  die  Annahme  zweier  Eiszeiten  und  einer 
zwischen  ihnen  liegenden  Interglacial-Epoche,  dass  man  sich  denselben  kaum  ver- 
schliessen  kann. 

Jedenfalls  ist  ein  genaues  Studium  der  Thongruben  von  Klinge  geeignet, 
werthvolle  Beiträge  zur  Kenntniss  der  diluvialen  Flora  und  Fauna  Deutschlands 
zu  liefern  und  hierdurch  auch  der  Urgeschichte  des  Menschen  eine  gewisse 
Förderung  angedeihen 'zu  lassen.  Unser  verehrter  Hr.  Vorsitzender  hat  bereits  in 
der  Sitzung  vom  18.  October  1884  unter  Bezugnahme  auf  die  Untersuchungen  von 
Jap.  Steenstrup  darauf  hingewiesen,  wie  wichtig  es  sei,  die  diluviale  und  alt- 
alluviale Flora  Deutschlands  genauer  zu  studiren  und  namentlich  die  etwaige  ^Auf- 
einanderfolge  verschiedener,  nacharktischer  Baum  Vegetationen"^  festzustellen.  Zum 
Studium  der  Diluvialflora  bieten  die  Thongruben  von  Klinge  reichliche  Gelegenheit. 

Sollte  sich  meine  Vermuthung  bestätigen,  dass  die  Pflanzenschicht  von  Klinge 
interglacial  ist,  so  würde  noch  zu  erörtern  sein,  wie  sich  die  dort  beobachtete 
Flora  zu  der  diluvialen  Steppenflora  verhält,  welche  wahrscheinlich  auch 
während  der  Interglacialzeit  sich  von  Osten  und  Südosten  her  nach  Mitteleuropa 
vorgeschoben  hat.  Ich  will  vorläufig  darauf  hinweisen,  dass  beide  Floren,  falls 
sie  wirklich  gleichzeitig  in  Mitteleuropa  existirt  haben,  in  keinem  Widerspruche 
mit  einander  stehen;  es  kann  bei  Klinge,  ebenso  wie  bei  Lauenburg  und  an  vielen 
Punkten  Schleswig-Holsteins,  eine  Sumpf-  und  Waldflora  vorhanden  gewesen  sein, 
während   zu   gleicher   Zeit  grosse   Areale   der  heutigen    Provinz   Sachsen    (z.  B. 

1)  Siehe  Jspetus  Steenstrup:  „Hat  man  in  den  interglaciären  Ablagerungen  in  der 
Schweiz  wirkliche  Spuren  von  Menschen  gefanden  oder  nur  Spuren  von  Bibern?*  im  Arch. 
t  Anthrop.  1876,  briefliche  Mitthcilnng  an  A.  Ecker. 

2)  Siehe  meine  bexüglichen  Bemerkungen  im  Sitzungsb.  Ges.  naturf.  Freunde,  vom 
20.  October  1891,  S.  162. 


(890) 

zwischen  Halle  und  Nordhausen,  zwischen  Quedlinburg  und  Magdeburg)  von  einer 
charakteristischen  Steppenflora  occupirt  waren. 

Die  Beobachtungen  von  Mod.  Bogdanow  in  den  Wolga-Gegenden*)  und  die 
umfassenden  Ermittelungen  Koeppen's  über  die  Holzgewächse  Russlands^)  über- 
haupt beweisen  aufs  Deutlichste,  dass  Wälder  und  Steppen  vielfach  in  einander 
greifen,  und  dass  namentlich  in  früheren  Zeiten  (vor  den  Zeiten  der  schonungs- 
losen  Vernichtung  der  Wälder)  die  Waldvegetation  in  Form  von  Waldinseln, 
Uferwäldern,  Waldzungen  weit  in  die  Steppen-Landschaften  Kusslands  und  Sibiriens 
hineingeragt  hat.  Auch  Sümpfe  und  Moräste  sind  den  russischen  und  west- 
sibirischen Steppen  keineswegs  fremd. 

Der  Nachweis  von  interglacialen ,  bezw.  postglacialen  Torfablagerungen  in 
Deutschland  mit  Ueberresten  einer  Sumpf-  und  Waldvegetation  kann  durchaus 
keinen  triftigen  Einwurf  gegen  die  von  mir  schon  oft  vertheidigte  Annahme  einer 
interglacialen.  bezw.  postglacialen,  keineswegs  extremen  Steppenzeit  bilden.  Eine 
Steppenzeit  von  der  Art,  wie  ich  sie  in  meinen  früheren  Publicationen  mehrfach 
skizzirt  habe,  schliesst  die  Existenz  von  Wäldern  und  Sümpfen  an  geeigneten 
Orten  keineswegs  aus.  Vergl.  diese  Verhandlungen,  1882,  S.  !?♦>,  sowie  mein 
Buch  über  Tundren  und  Steppen,  Berlin  1890,  S.  59  fl".  ~ 

(15)  Hr.  Ehrenreich  zeigt  Photographien  von  der  nach  der  Alt- 
mark unternommenen  Sommer-Excursion  (S.  679). 

(16)  Hr.  Maass  stellt  zwei  Tättowirte,  den  Engländer  Hr^  van  Burg  und 
seine  aus  Chicago  gebürtige  Frau,  vor. 

Beide  zeigen  Tättowirungen  von  ungewöhnlicher  Sauberkeit  und  Feinheit  der 
Zeichnung  über  den  ganzen  Körper,  wie  sie  von  einzelnen  Japanern  bekannt  sind. 
Das  Ehepaar  wird  in  dem  Passage -Panopticum  gezeigt,  dessen  Director  Hr. 
Xeumann,  in  gewohnter  Bereitwilligkeit  ihre  Vorführung  in  der  Gesellschaft  ge- 
stattet hat. 

(17)  Hr.  Paul  Ascherson  übersendet  folgende 

Nachträgliche  Hittheilangen  über  Mandragora». 

Hr.  J.  G.  Wetzstein  hat  in  Beeug  auf  die  Mittheilungen  der  HHm.  Felix 
V.  Luschan,  R.  Beyer  und  P.  Ascherson  (S.  726— 746)  ein  Schreiben  an  den 
letztgenannten  gerichtet,  aus  dem  Folgendes  entnommen  wird: 

„Ein  Hauptfundort  des  Alrauns  in  Syrien  ist  der  Krater  des  Emptionskegels 
Teil  el-gumu  in  Hauran;  man  kann  dort  in  der  ersten  HälAe  des  Mai  leicht 
einen  Scheffelsack  seiner  goldgelben,  duftenden  Früchte  sammeln.  Eine  Karte  seiner 
Umgebung  befindet  sich  in  meiner  Abhandlung  über  das  Hiobskloster,  welche  dem 
Delitzsch 'sehen  Kommentare  zum  Buche  Hieb,  Leipzig  1876  angehängt  isu 


i  ^  ^ 


„Der  heutige  Name  des  Alrauns  ist  in  Syrien  gerabül.»  (n^^l;^),  wiiß  niög- 
I icher  Weise  eine  absichtliche  Entstellung  des  schrillarabischen  Namens  jabrüh 

(^j5-h)  ist,  welcher  keine  dem  Volke  zusagende  Deutung  gestattet,  während  buh 

1)  Vergl.  meine  bezügliche  Abhandlung  in  der  Berliner  Z^itschr.  f.  Erdk^  1891,  Heft  4, 
S.  304  ff. 

2)  Die  geographische  Verbreitung  d.  Holigewftchse  im  eorop.  RussUnd,   St    Ptt^rt* 

bürg  1888/89. 


(r 


(891) 

> 

(f>0  ^*6  Endsilbe  von  Geräbül.i,  den  Geschlechtstrieb  bedeutet,  dem  Worte 
also  die  Bedeutung  Aphrodisiacum  geben  mag,  was  ja  die  Aepfel  des  Alrauns 
(nach  Genesis  30,  14)  waren  und  wohl  noch  sind. 

„Nach  der  Mittheilung  des  Hrn.  v.  Luschan  (S.  7'28)  leitete  man  ihm  das 
Wort  jabrüh  von  der  Wurzel  barah  „fliehen"  ab.  Ich  halte  das  Wort  jabröli 
für  ein  ursprünglich  arisches,  das  sich  die  Semiten  mundrecht  gemacht,  d.  h. 
entstellt  haben.  Der  Glaube  von  den  Wunderkräften  des  Alniuns  ist  ohne  Zweifel 
von  den  Persern  zuerst  zu  ihren  Nachbarn,  den  Aramäern,  gekommen  (auch 
Genesis  30,  14 — 16  spielt  im  Lande  der  Aramäer)  und  von  diesen  zu  den  übrigen 
Semitenstämmen.  Wenn  nicht  nur  die  Semiten,  sondern  auch,  nach  Grimm,  die 
Altdeutschen  erzählen,  dass  die  Alraun -Wurzel  nur  durch  einen  Hund  ausgezogen 
werden  könne,  so  beisst  diese  Pflanze  bei  den  Persern  geradezu  die  „Hund- 
ausgezogene"  (segken).  Die  Araber  haben  unsicher  an  dem  Worte  j  ab  ruh  herum- 
getastet. Das  botanisch-zoologische  Lexicon  Maläjesa  (Königl.  Bibliothek  in  Berl. 
Sect.  Wetzst.    H.    Nr.  1170,    fol.  237a)    sagt,   der  Name  bedeute  jeüzuh    r(ih 

V  *3-^*^)i    »»es  braucht  (die  Pflanze  nur   noch)  Leben",    da   ihre  Wurzel    alle 
menschlichen  Glieder  besitzt.    Hiernach  wäre  jabrüli  eine  Zusammenziehung  aus 

jabi  ruh  \^)  ^c^,  ~  V!T\  ^5J  =  H^  •^?y.)-     Aehnlich  äussert  sich  das  botanische 

Lexicon  des  Daüd  el-Antäki.  Das  franz. -arab.  Lexicon  des  Kopten  Bocthor 
bringt  neben  jabrüli  noch  abu  ruh,  „die  mit  Leben  begabte  Pflanze",  und  in 
Berggren's  Dictionnaire  steht  abrüh,  wohl  als  spätere  Zusammenziehung  von 
abü  ruh.  Der  arabische  Kämüs  hat  beirüh,  was  wohl  ein  Schreibfehler  des 
Verfassers  ist,  und  der  türkische  Kämüs  erwähnt  zwei  Namen:  1.  j abrüh  es- 
«anam,  „der  Götzen-Alraun" ,  2.  *abd  es-Salära,  „der  Knecht  des  Allheiligen", 
ein  abergläubische  Entstellung  des  richtigen  Abü-s-seläm,  „der  Heilbringende", 
d.  h.  antiphrastisch  „der  Unheilbringende",  denn  der  Semit  liebt  es  nicht,  das 
physische  und  moralische  Uebel  bei  seinem  wahren  Namen  zu  nennen  (vergleiche 
lutf  „Huld  Gottes",  d.h.  die  schwere  Krankheit,  mebrük  „gesegnet",  d.  h.  un- 
glückselig, salim  „unversehrt",  d.  h.  von  einer  giftigen  Schlange  gebissen).  Der 
snb  2  genannte  Name  „Knecht  des  heiligen  Gottes"  will  sagen,  dass  alle  Ge- 
schöpfe verpflichtet  sind,  ihrem  Schöpfer  zu  gehorchen  und  kein  Unheil  auf  Erden 
anzurichten;  der  Name  ist  also  zugleich  eine  Pormula  averruncans  der  gefährlichen 
Pflanze  gegenüber. 

„In  Richard son's  Persischem  Lexicon  heisst  es  unter  astereng  (ein  per- 
sischer Name  des  Alraun):  'The  Persians  call  the  mandrake  also  abrewi  ^anam 
„face  of  an  idol"  and  merdum-giah  ^the  man  plant"  on  account  of  the  strong 
resemblance  of  the  root  to  the  human  figure.  The  Arabians  call  it  siräg-Kofrub 
„the  devils  candle"  on  account  of  its  shining  appearance  in  the  night  from  the 
numbre  of  glowworms,  which  cover  the  leaves\  [Ofl'enbar  eine  Erinnerung  an 
Aelians  i'^'KM^\u7\.^,    P.  Ascherson.] 

^Aus  dem  persischen  Abrewi,  oder  vielmehr  aus  der  Form,  die  dieses  Wort 
in  einem  früheren  Stadium  der  persischen  Sprache  hatte,  wird  das  arabische 
jabrüb  entstanden  sein.  Sanam  hiess  der  Stammgötze  zur  Zeit  des  arabischen 
Heidenthnms;  jetzt,  wo  die  Stämme  keine  Götzen  mehr  haben,  ist  Sanam  der 
grösste  Held  eines  Noipadenstammes  (also  das  Palladium  des  Stammes).  Aus  dem 
persischen  merdum-giah  „die  Menschen  ähnliche  Pflanze",  oder  vielmehr  aus 
einer  älteren  Form  dieses  Wortes,  wird  das  griechische  yiavopa^yopaq^  das  kein 
einheimisches  Etymon  hat,  entstanden  sein." 


(892) 

Hr.  P.  Ascherson  hat  dem  noch  Folgendes  hinzuzufügen:  Eine  gewisse  Ver- 
mengung der  Angaben  über  Mandragoras  mit  denen  über  die  Arum -Wurzel  [viel- 
leicht veranlasst  durch  die  Namensähnlichkeit  von  luffäh  (S.  737,  Pussn.  3;  und 
lüf  (S.  731,  Fussnote)],  scheint  auch  bei  den  heutigen  Orientalen  vorzukommen. 
Dies  scheint  mir  aus  der  folgenden  Anmerkung  des  kürzlich  verstorbenen 
General-Consuls  Rosen  zu  Seetzen  IV.  S.  284  hervorzugehen,  auf  die  mich  Freund 
Wetzstein  aufmerksam  macht:  „Abd-es  Selam  heisst  in  Jerusalem  der  Arons- 
wurz  [sie],    dessen  eigentlicher  Name  lüf  (^-?^^)  ist.     Die  Mandragora  heisst  in 

Jerusalem  nur  c^^^  ^^  tuffair  el-megänin  (Tollapfel)**.  Letzterer  Name 
ist  offenbar  identisch  mit  dem  oben  (S.  736)  ans  Algerien  angeführten  tuffäh-el- 
djinn,  der  mir  authentischer  scheint.  Die  EHymologie  des  arabischen  (wie  wir 
S.  728  und  737  sahen,  auch  in  Persien  gebräuchlichen)  Wortes  luffali  anlangend, 
so  findet  sich  in  Kichardson's  Lexicon  das  Adjectiv  lefhän  in  der  Bedeutung 

giftig:    es  führt  auf  ein  Zeitwort  g^  lafah  giftig  sein.    Wäre  das  richtig  (was 

sich  jedoch  bezweifeln  lässt),  so  bedeutet  ^^  luffäh  den  Giftapfel. 

Ich  verweise  schliesslich  auf  die  ausführlichen  Mittheilungen  des  Hm.  Wetz- 
stein über  den  Dudaim,  welche  in  Delitzsch 's  „Biblischem  Gommentar  zu  den 
poetischen  Büchern  des  Alten  Testaments,  IV.  Band,  Hoheslied  und  Koheleth,^ 
Leipzig  1875,  S.  439—445  abgedruckt  sind,  und  denen  die  obigen  Angaben  grössten- 
theils  entnommen  sind.  Der  oben  genannte  Dä'üd  kennt  ebenfalls,  wie  die  Ma- 
lajesa,  den  Volksglauben,  wonach  die  Alraunwurzel  die  Gestalt  „zweier  sich  um- 
armender Liebenden**  hat,  weiss  auch,  dass  sie  nur  (mit  Lebensgefahr)  durch  einen 
Hund  ausgezogen  werden  kann,  und  berichtet  ihre  Anwendung  als  Aphrodisiacum 
und  sonstiges  Arznei-  und  Zaubermittel.  Interessant,  weil  mit  dem  oben  (S.  741) 
von  Hm.  Perrin  mitgetheilten  deutschen  Folklore  übereinstimmend,  ist  seine  An- 
gabe, dass  gegen  Krankheiten  eines  Mannes  das  entsprechende  Glied  vom  weib- 
lichen Theile  der  Wurzel  helfe,  wogegen  einer  Frau  der  entsprechende  Theil  det* 
in  der  Wurzel  dargestellten  Mannes  heilsam  sei.  — 

(18)  Eingegangene  Schriften: 

1.  Kollmann,  J.,  Die  Kraniometrie  und  ihre  jüngsten  Reformatoren.    München 

1891.    (Sep.-Abdr.    Corresp.  deutsch,  anthrop.  Ges.)    Gesch.  d.  Verf. 

2.  Henner,  Th.,  Jahres-Bericht  des  Historischen  Vereins  von  ünterfranken  and 

Aschaffenburg  für  1889/90.   Würzburg  1890/91.    Gesch.  des  Histor.  Vereins. 

3.  Bezzenberger.    Ethnographisches  aus  dem  Kreise  Fillkallen.    Pillkallen  18H9. 

(Sep.-Abdr.    aus   Dr.  Schnaubert's    Statist.    Beschr.   d.  Kr.  Fillkallen.) 
Gesch.  d.  Verf. 

4.  Ploss,    H.,    Das  Weib  in  der  Natur-  und  Völkerkunde.    3.  Aufl.     Heraasg. 

von  M.  Bartels.    Leipzig  1891.    (VIH.— X.  Lieferung.)    Gesch.  d.  Hm. 
Sanitätsrath  Bartels. 

5.  Li s sauer,  A.,  Die  Prähistorischen  Denkmäler  der  Provinz  Westpreussen  und 

der  angrenzenden  Gebiete.    Leipzig  1887. 

6.  Anger,  S.,  Das  Gräberfeld  zu  Rondsen.    Graudenz  1890.    (Abh.  z.  Landesk. 

d.  Provinz  Westpreussen.    Heft  I.) 

7.  Lissauer,  A.,  Alterthümer  der  Bronzezeit.     Danzig  1891.    (Abh.  z.  Landesk. 

d.  Provinz  Westpreussen.    Heft  U.) 

Nr.  5 — 7  Gesch.   der   Provinzial-Commission   z.   Verwalt,   d.  Westpr. 
Provinzial-Museums. 


(893) 

8.  Objets  du  demier  äge  du  bronze   et   du  premier  äge  du   fer  döcouverts   en 

Berry.     Bourges  1891.    Gesch.  der  Soc.  d.  Antiq.  du  Centre. 

9.  V.  d.  Schulenburg,  Graf  A.  C,  Grammatik  der  Sprache  von  Muiray  Island. 

Berlin  1891.     Gesch.  d.  Verf. 

10.  du  Bois-Reymond,    Bericht  über  die  Wirksamkeit   der  Humboldt -Stiftung 

für    Naturforschung    und    Reisen.      Berlin    1884.      Gesch.    d.    Hrn.    R. 
Virchow. 

11.  Jacob,  G.,  Welche  Handelsartikel  bezogen  die  Araber  des  Mittelalters  aus  den 

nordisch-baltischen  Ländern?   Berlin  1891.    (U.  Auflage.)    Gesch.  d.  Verf. 

12.  V.  Tschudi,  J.  J.,  Gulturhistorischc  und  sprachliche  Beiträge  zur  Renntniss  des 

alten  Peru.     Wien  1891.     (Denkschriften  K.  Akad.   d.   Wissensch.    Bd. 
XXXIX.  I.)    Gesch.  d.  Hrn.  Dr.  v.  Tschudi. 

13.  Schneider,  J,  Uebersicht  der  Lokal forschungen  in  Westdeutschland  bis  zur 

Elbe.    Düsseldorf  1891.    Gesch.  d.  Verf. 

14.  van  der  Chijs,  J.  A.,  Nederlandsch-Indisch  Plakatboek,  1602-1811.  Batavia 

1891.    Bd.  Vm.    (1765—1775.)    Gesch.  d.  Batav.  Gesellschaft. 

15.  Sergi,  Giuseppe,  Crani  Africani  e  crani  Americani.  Roma  1891.    (Estr.  Arch. 

antrop.  etnologia.)    Gesch.  d.  Verf. 

16.  Treichel,    A.,    Das   Lied    vom    Rrambambuli.      Königsberg    i.    Fr.    1891. 

(S.-A.  Altpr.  Monatschr.) 

17.  Derselbe,    Das  Alphabet  in  preussischen  Redensarten.    Königsberg  i.  Fr.  1891. 

(S.-A.  Altpr.  Monatschr.) 

Nr.  16  u.  17  Gesch.  d.  Verf. 

18.  Krause,    E.,    Die    Anthropologen -Fahrt    nach    Salzwedel.     (Aus    der    Fost. 

Juli  1891.) 

19.  Derselbe,  Dr.  Otto  Tischler  f.    S.-A.   „Ausland^  1891. 

20.  Derselbe,  Altgermanischer  Frauenschmuck.     Der  Bazar.    Nr.  32.    Berlin  1891. 

Nr.  18—20  Gesch.  d.  Verf. 

21.  Reprints  of  three  editorials  regarding  the  priority  in  demonstrating  the  toxic 

elTect  of  matter  accompanying  the  tubercle  bacillus  and  its  nidus.  o.  0.  1891. 
Gesch.  d.  Bacteriological  Laboratory  Ac.  Nat.  Sc.  Fhiladelphia. 

22.  Burgess,   J.,   Mapping  and   place-names   of  India.    (Exti*.   Sc.  Geogr.  Mag. 

1891.)    Gesch.  d.  Verf. 

23.  Bon  aparte,  Roland,  Assemblees  democratiques  en  Snisse.    Faris  1890. 

24.  Derselbe,  Democratie  Suisse.    Faris  1890. 

25.  Derselbe,  üne  excursion  en  Corse.    Faris  1891. 

Nr.  23—25  Gesch.  d.  Verf. 

26.  Steinbrecht,  C,  Schloss  Marienburg  in  Freussen.    Berlin  1891. 

Gesch.  V.  Anthropologen-Tag  in  Danzig. 

27.  Klebs,    Richard,    Aufstellung    imd    Katalog    des    Bernstein  -  Museums    von 

Stantien  &  Becker,  Königsberg  i.  Fr.    Nebst  einer  kurzen  Gesch.  des  Bern- 
steins.   Königsberg  1889.    Gesch.  d.  Verf. 

28.  Sommerfeld,  Erläuterungen  zur  Bemsteinsammlung.    Königsberg,  o.  J. 

Gresch   d.  Verf. 

29.  Morselli,  E.,  Sulla  fossetta  vermiana  nei  primati.    Genova  1890.    (Atti  Soc. 

Ligust.  Sc.  nat.)    Gesch.  d.  Verf. 

30.  Rink,   H.,   The  Eskimo   tribes.    (Supplement)    Copenhagen    1891.    (vol.  L 

u.  U.)    1887—91.    Gesch.  d.  Verf. 

31.  Baumann,  Oscar,  Usambara  und  seine  Nachbargebiete.    Berlin  1891. 

Gesch.  d.  Verf. 


(894) 

32.  de  Bayo,  J.,  Sepulture  ^auloise  de  Saint-Jean-sur-tourbe  (Marne.)  Paris  1891. 

33.  Derselbe,   Rapport  sur  Je  Congres  archeologique  et  historique  de  Bruxelles. 

Paris  1891.    Nr.  32  u.  33  Gesch.  d.  Verf. 

34.  Hartmann,   Herrn.,    lieber   Hünenbetten   im    OsnabrUck'schen.    o.  O.   u.  J. 

(Aus  Deutsche  Culturgeschichte.)    Gesch.  d.  Verf. 

35.  West,  M.,  Growth  of  the  face.    New-York  1891.    (Science.) 

36.  Hoernes,   M.,   Die  Urgeschichte   des   Menschen   nach  dem  heutigen  Stande 

der  Wissenschaft.    Wien  1892.    (Lieferung  6—20.) 

37.  Derselbe,  Referat  über  „Szombathy,  Josef.    Die  Tumuli  von  Gemeinlebam. 

Ausgegraben  von  Dr.  Adalbert  Dun  gel.    Wien  1890." 
Nr.  36  u.  37  Gesch.  d.  Verf. 

38.  Götze,  A.,  Die  Gefässformen  und  Ornamente  der  neolithischen  schnurverzirten 

Keramik  im  Plussgebiete  der  Saale.    Jena  1891.    Gesch.  d.  Verf. 

39.  North,   A.  J.,    Descriptive   catalogue   of  the  nests  and  eggs  of  birds  found 

breeding  in  Australia  and  Tasmania.    Sydney  1889.    Gesch.  v.  Museum. 

40.  Philippi,  R.  A.,  Descripcion  de  algunos  idolos  Peruanos  del  Museo  Nacional. 

Santiago  de  Chüe  1891.    Gesch.  d.  Verf. 

41.  Nicolucci,   G.,   I  Celti   e  la  formazione  delle  odieme  nazionalita   francese, 

spagnuola  ed  inglese.    Saggio  storico-antropologico.    Napoli  1891.    (Estr. 
Soc.  Ital.  Scienze.) 

42.  Derselbe,   Sguardo   sulF    etnologia   delF   Egitto.      Napoli   1891.      (Estr.   Atti 

R.  Accad.  Sc.) 

43.  Derselbe,   II  Darwinismo  secondo  i  piü  fecenti   studi.     Napoli    1886.     (Estr. 

Rendic.  R.  Accad.  Sc.) 

44.  Derselbe,   L*uomo  e  le  scimmie.    Napoli  1891.  (Estr.  Atti  Accad.  Pontaniana.) 

45.  Derselbe,  ün  periodo  preistorico.    L'eta  del  ferro.     Napoli  1891.     (Estr.  Atü 

Accad.  Pontaniana.) 

46.  Derselbe,    Gli  Aryi  e  le  origini  Europee.     Napoli  1891.     (Estr.   Atti   Accad. 

Pontaniana.) 

47.  Derselbe,   I  Semiti,   quel   che   furono   e   quel  che  oggi  sono.     Napoli  1890. 

(Estr.  Atti  Accad.  Pontaniana.) 
Nr.  41—47  Gesch.  d.  Verf. 

48.  Brower,  J.  V.,  The  source  of  the  Mississippi  river.    St.  Paul  1891.    Gesch. 

d.  Verf. 

49.  Radioff,   W.,   Das  Kudatku  bilik  des  Jusuf  Chass-Hadschib  aus  Bälasagon. 

St.  Petersburg  1891.    Gesch.  d.  Verf. 

50.  Kern,  H.,  George  Alexander  Wilken.    Braunschweig  1891.     (8.-A.  Globus.) 

51.  Derselbe,  Ter  nagedachtenis  van  G.  A.  Wilken.    Leiden  1891. 

Nr.  50  u.  51  Gesch.  d.  Verf. 

52.  Schmeltz,  J.  D.  E.,  Nachruf  an  Wilken.    (S.-A.  a.  Am  Urquell  11.  12.)  (1891.) 

Gesch.  d.  Verf. 

53.  Wilken,  G.  A.,  Necrologie.    o.  0.  u.  J.    Gesch.  d.  Verf. 

54.  Weber,   F.,   Eine  Wohnstätte  aus  der  jüngeren  Steinzeit  in  Stidost- Bayern. 

München,  o.  J.  (S.-A.  Beiträge  z.  Anthr.  u.  ürgesch,  Bayerns.) 

55.  Derselbe,  Bericht  über  neue  vorgeschichtliche  Funde  in  Bayern.  München  1H88. 

Nr.  54  u.  55  Gesch.  d.  Verf. 
5t;.   Virchow,   Rud.,   Der   Stand   der  Cellularpathologie.     Berlin    1891.     (S.-A. 

Arch.  f.  pathol.  Anat.  u.  Physiol.)    Gesch.  d.  Verf. 
57.   N  eh  ring.  Die  Rassen  des  Schweines.    Berlin  1891.   (8ep.-Abdr.  aus  Rohde's 

Schweinezucht.) 


(895) 

58.  Nehring,  (Teber   eine    besondere   Riesenhirsch-Rasse   aus   der   Gegend    von 

Cottbus,    sowie  über  die  Fundverhältnisse  der  betr.  Reste.    Berlin  1891. 
(S.-A.  Sitz.-Ber.  d.  Ges.  nat.  Freunde  Nr.  8.) 
Nr.  57  und  58  Gesch.  d.  Verf. 

59.  de  Blasio,  A.,  L^uomo  preistorico  in  Italia.    Napoli  1891. 

60.  Derselbe,    Sopra  un  teschio  del  primo  periodo  dell'  eta  della  pietra.     Napoli 

1891. 

61.  Derselbe.    Persistenza   della   forma    cranica.     Siena   1891.     (S.-A.    Riv.    It. 

Sc.  Nat.) 

62.  Derselbe,    Un    sepolcro    dell'    eta    del    bronzo    in   provincia    di    Benevento. 

Siena  1891.    (S.-A.  Riv.  It.  Sc.  Nat.) 

63.  Derselbe,    Intomo    ad    un    altro    cranio    archeolitico   rinvenuto    nel    comune 

d'Arpino.    Siena  1891.    (S.-A.  Riv.  It.  Sc.  Nat.) 
Nr.  59—63  Gesch.  d.  Verf. 

64.  Cobo,  P.  Bern.,  Historia  del  Nuevo  Mundo.    Tomo  II.    Sevilla  1891. 

Gesch.  von  Don  Jimenez  de  la  Espada. 

65.  Schötensack,  H.  A.,    lieber  die  Thraker,    als  Stammväter  der  Gothen,  und 

die  verschiedenen  Verzweigungen  des  gothischen  Völkerstammes.    Stendal 
1861.    Gesch.  d.  Verf. 

66.  Festschrift   zum    fünfzigjährigen   Jubiläum   des  Vereins   von  Alterthums- 

freunden   im  Rheinlande   am  1.  October  1891.    Bonn  1891.    Gesch. 
des  Vereins. 

67.  Buschan,  G.,    Phönizische   Grabstätten.     Münster  1891.      (S.-A.  „Natur  und 

OfTenbarung^.) 

68.  Derselbe,   Referat  über  W.  Splieth,  eine  wendische  Ansiedelung   am  Schar- 

See  (bei  Preetz).    Braunschweig  1891.    (S.-A.  Arch.  f.  Anthr.) 
Nr.  67  und  68  Gesch.  d.  Verf. 

69.  Radde,    G.    K.,    Gesch.    der    Entwickelung    des   Kaukasischen   Museums. 

Tiflis  1891.    Gesch.  d.  Verf. 

70.  Topinard,  P.,  L'homme  dans  la  nature.    Paris  1891.     Gesch.  d.  Verf. 

71.  Hellmann,  G.,  Meteorologische  Volksbücher.    Berlin  1891.     Gesch.  d.  Ver- 

legers. 

72.  Schliemann.  Sophie  (Dr.  Brückner),  Heinrich  Schliemann's  Selbstbiographie. 

Bis  zu  seinem  Tode  vervollständigt.    Leipzig  1892.     Gesch.    d.  Heraus- 
geberin. 

73.  Bickell,  L.,  Hessische  Holzbauten.    Marburg  1891.    Heft  2—3.    4». 

Gesch.  d.  Hm.  ünterrichtsministers. 

74.  Dehoux,    J.    B.,     Sur   les    institutions    hospitalieres    et    mcklicales   d'Haiti. 

Jacmel  1891.     Gesch.  d.  Verf. 

75.  Hoffmann,  W.  J.,  Folk-lore  of  the  Pennsylvania  Germans.    Washington  1891. 

(S.-A.  Jour.  of  Amer.  folk-lore.)    Gesch.  d.  Verf. 

76.  Gesterding,    C,   -Pyl,   Ph.,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Stadt  Greifswald. 

Greifswald  1892.    III.  Fortsetzung.    Gesch.  des  Greifswalder  Geschichts- 
vereins. 

77.  Politos,    N.  G.,   Logos  eisit€rios  eis  to  roathemates  Hellenites  Archaiölogias. 

Athenais  1891.     Gesch.  d.  Verf. 

78.  V.  Wlislocki,    H.,    Märchen   und  Sagen   der  Bukowinaer   und  Siebenbürger 

Armenier.    Hamburg  1892.    Gesch.  d.  Verlegers. 

79.  Schellong,  O.,  Die  Rlimatologie  der  Tropen.    Berlin  1891. 

Gesch.  der  Deutschen  Kolonial-Ges. 


(896) 

80.  Skandinavisches   Archiv.     Land    1891.     Bd.   I.    Heft  1    and  2.    Gesch.   des 

Heraasgebers. 

81.  His,   W.,   ni.  Bericht  an  d.  Vorstand  d.  Ges.  deatsch.  Nai  a.  Aerzte  betr. 

d.  Statutenfrage.    Leipzig  v.  J.    Gesch.  d.  Hm.  Virchow. 

82.  Congres  archeologique  et  historiqae  de  Broxelles.    L    Broxelles  1891. 

Gesch.  d.  Congr. 

83.  Stölten,   H.    G.,   Der  Arzt   als  Bahnbrecher   christlicher  Mission   oder  die 

Mission  des  Arztes  in  China.    Jena  1890.    Gesch.  d.  Hm.  Virchow. 

84.  Pector,   D.,   Apercu  par  ordre  geographiqae  des  qaestions  anthropologiqaes 

et   ethnographiques.     Paris  1890.    (S.-A.   Congr.   Int.   Am.)     (}esch.   d. 
Verf. 


Chronologisches  Inhaltsverzeichniss 

der 

Verhandlungen   der  Berliner  Gesellschaft 
für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte.   1891. 


Verzeichniss  der  Mitglieder  des  Vorstandes  und  des  Aasschusses,  der  Ehren-  und 
correspondirenden  Mitglieder  S.  3,  Verzeichniss  der  ordentlichen  Mitglieder, 
zunächst  der  immerwährenden  S.  6. 

Uebersicht  der  im  Tausch  oder  als  Geschenk  zugehenden  Zeitschriften  8.  15. 

Ausserordentliche  Sitzung  vom  10.  Januar  1891.  Heinrich  Schliemann  f  8.  21.  — 
Trojanische  Aegis-Ume.  A.  v.  Heyden,  R.  Virohow  S.  22.  —  Internationaler 
geographischer  Congress  in  Bern  S.  23.  —  Internationaler  Congress  fttr  Anthro- 

Eologie,  prähistorische  Archäologie  und  Zoologie  in  Moskau  8.  23.  —  Jahr- 
uch  der  Gesellschaft  für  bildende  Kunst  und  vaterländische  Alterthümer  zu 
Emden.  Unterriohtsminister  S.  23.  —  Verzeichniss  der  von  der  anthropologischen 
Gesellschaft  an  das  Museum  für  Völkerkunde  abgegebenen  prähistorischen 
Gegenstände  S.  23.  —  Gommission  ftlr  die  einheitlicne  Erforschung  des  rö- 
mischen Grenzwalles  in  Deutschland  8.  23.  —  Altpreussische  Wirthschafts- 
geschichte.  Nehring  8.  23;  R.  Virohow  8.  24.  —  Begräonisse  der  jetzt  lebenden 
Eingebomen  in  Brasilien.  C.  Rath  8.  24.  —  Fruchtkuchen  (Patai)  aus  Salta, 
Ar^^entinien.  R.  Virohow  8.  30.  —  Distomum  haematobium  (Bilharzia)  aus  Süd- 
africa.  R.  Virohow  8.  30.  —  Ausgrabungen  im  Litorale  und  in  Istrien,  ümen- 
harz  in  8.  Lucia  und  Gaporetto.  Harohesetti .  Salkowski  8.  31.  —  Dreiköpfige 
Figur  m  Brixen.  Vater  8.  32;  W.  Sohwartz,  R.  Virohow  S.  33.  —  Photographien 
aus  Java.  A.  Bissler  8.  33.  —  Parallelen  in  den  Gebräuchen  der  alten  una  der 
ietzigen  Berölkerung  von  Cypem  (26  Zinkogr.)*  M  Ohnefalsoh-Rlohter  8.  34.  — 
Zur  Anthropologie  der  Westafricaner,  besonders  der  Togo-Stämme.  L.  Wolf, 
R.  Virohow  8. 44.  —  Amazonen  des  Königs  von  Dahome.  Rob.  Hartmann  8.  64.  — 
Die  Steinzeit  der  Lausitz  und  ihre  Beziehungen  zu  der  Steinzeit  anderer 
Länder  Europas,  insbesondere  die  homförmigen  durchbohrten  Henkel  und  das 
Lochomament  (7  Zinkogr.).  A.  Voss  8.  71.  —  Haarzopf  aus  einem  römischen 
Bleisarkophag  von  Cöln.  Voss  8.  79.  —  Bronzefund  von  Tangendorf,  West- 
Priegnitz.  Voss  S.  79.  —  Bronzenachgüsse  aus  den  Müncheberger  Gussformen. 
Voss  8.  80.  —  Werk  des  Hm.  Munro  über  die  Seebauten  in  Europa.  Voss 
8.  80.  —  Eingegangene  Schriften  8.  80. 

Sitzung  vom  17.  Januar  1891.  Wahl»  des  Ausschusses  8.  81.  —  Mitglieder  8.  81.  — 
Gedächtnissfeier  fUr  Schliemann  8.  81.  —  Verzierter  Nephrit -Ring  von 
Erbil,  Mesopotamien  (3  Zinkogr.).  Blas,  R.  Virohow  8.  81;  Bartels,  Ehren- 
reloh,  G.  Fritsoh,  H.  Weiss  8.  82.  —  Förderung  der  ethnologischen  Unter- 
suchungen in  Indien.  Risley  8.  83;  R.  Virohow  8.  85.  —  Ansiedelung  der 
Steinzeit  im  Gebiete  der  Stadt  Werschetz,  Ungarn  (41  Zinkogr.).  F.  Mllleoker 
8.  85.  —  Alte  Ansiedelung  in  der  Flur  Ludosch  bei  Werschetz  (4  Zinkogr.). 
F.  Milleoker  8. 94.  —  Zur  Vorgeschichte  der  Obstarten  der  alten  Welt  6.  Bischan 
8.  97.  —  Algorrobe- Kuchen  von  Salta,  Argentinien.  F.  Kramer,  R.  Virohow 
8.  109.  —  Javanische  Photographien.  A.  Bässler  8.  110.  —  Diskussion  über 
die  Amazonen  von  Dahome:  Höhenzahl  des  Körpergewichts  der  ^ Amazonen^ 
und  Krieger.    Mies  8.  110.    Herkunft  der  ^ Amazonen^.    R.  Virohow,  L.  Fisoher, 

Verhandl.  d«r  B«rL.  AnthropoL  Getellaehaft  1891.  57 


(898) 

G.  Fritsoh  S.  113.  —  Secbs&ngrige  Hand  eines  Antillen-Negers.  R.  Vlrohow 
S.  114.  —  Altmexikanischer  Federschmnck  und  militärische  Rangabzeichen 
(96  Zinkogr.).  E.  Seier  S.  114.  Deutung  des  in  Wien  verwahrten  altmexi- 
kanischen  Federschmucks  (6  Zinkogr.).  M.  Uhle  S.  144;  E.  Seier  S.  155.  — 
Zur  mexikanischen  Chronologie  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  zapote- 
kanischen  Kalenders.    E.  Seier  S.  156.  —  Eingegangene  Schriften  S.  156. 

Ausserordentliche  Sitzung  vom  14.  Februar  1891.  Gorrespondirende  und  ordentlich •• 
Mitglieder  S.  157.  --  Fr.  Schwatka  f  S.  157.  -  18.  Jahresbericht  des  wim- 
fälischen  Pro vincial Vereins  für  Wissenschaft  und  Kunst.   Unterriohtsoiinlster  S.  157. 

—  Ausgrabungen  und  Untersuchungen  bei  Ehestorf,  Kr.  Zeven,  und  bei  Andt-r- 
lingen,  Kr.  Bremervörde,  Hannover.  F.  Tewes  S.  157.  —  Photographische  xVuf- 
nahmen  der  megalithischen  Monumente  der  Altmark.    Unterrichtsaninlster  S.  1  «'»*'. 

—  IX.  Internationaler  Orientalisten  -  Congress  zu  Lfondon  S.  158.  —  V.  Intrr- 
nationaler  Geologen-Congress  zu  Washington  S.  158.  —  Ethnologische  Reisi' 
an  die  paciftsche  Küste  von  Nordamerica.  F.  Boas  S.  158.  —  Fclsenzeichnun:: 
von  Vancouver  Island  (Zinkogr.).  F.  Boas  S.  160.  —  Sagen  der  Kootena\ 
F.  Boas  S.  161.  —  Aleuten-Skelette  0.  Herz  S.  172.  —  Ethnologisches  aus  Ma- 
lacca.  Vaughan  Stevens  S.  172.  —  ZurAechthcit  der  mährischen  Diluvialfandt 
Maska  S.  173.  —  Westpreussische  Schlossberge  und  Burgwälle:  Rathsdorf 
(2  Situationsskizzen)  S.  178;  Borkau-Grabau  S.  181;  Lippusch  Papiermühle 
S.  183;  Sobiensitz  (Zarnowitz)  S.  184.  A.  Treichel.  —  Omamentirte  Urnen  vn*. 
Hochstüblau,  Kr.  Pr.-Stargardt  (3  Zinkogr.).  A.  Treichel  S.  186.  —  West- 
preussische Häuser  und  Giebelverzierungen  (42  Zinkogr.).    A.  Treichel  S.  l^T 

—  Die  Handstand -Künstlerin  Eugenie  Petrescu  (14  Zinkogr.).  Hans  VIrchow 
S.  189.  —  Kriegskeule  eines  Caraya-Häuptlings,  Brasilien.    P.  Ehrenrelcli  S.  iMi*. 

—  Radsporen  auf  Siegeln,  im  Grabe  Bemhart'ß  von  Italien  und  auf  cintM»» 
Eelief  am  Dom  zu  Monza.  Olshausen  S.  21i).  —  Römische  Münzen  aus  dtr 
Zeit  vor  Augustus  im  Küstengobiet  der  Ostsee.  Olshausen  S.  223.  —  ßcvölkcrun  j 
der  Haussa-Länder.    Staudinger  S.  228.  —  Bororo,  Brasilien.    Ehrenreidi  S.  'l'iü. 

—  Photographien  von  Sumatra.  A.  Bassler  S.  237.  —  Münzsammlung  in 
Barenau.  Sohlerenberg  S.  237.  —  Vorgeschichtliche  Kartenzeichnungen  in  d»r 
Schweiz  (9  Zinkogr.).  Fr  Rödiger  S.  237;  R.  VIrchow  S.  242.  —  GrabelolTH 
(2  Zinkogr A  A.  Voss  S.  242.  —  Bärtige  Dame,  Miss  Jones  (Autotypie 
M.  Bartels  S.  243.  —  Xiphodyme  Gebrüder  Tocci.  R.  VIrchow  S.  245.  —  Ein- 
gegangene Schriften  S.  246.  —  Büchergeschenk  der  Frau  Schlemm  S.  24« ». 

Sitzung  vom  21.  Februar  1891.  Wahl  des  Ausschuss- Obmanns  S.  247.  —  Ge- 
dächtnissfeier für  H.  Schliemann  S.  247.  —  Reise  des  Hm.  Quedenfoldi 
S.  247.  —  Coca  und  Kartoffeln.  R.  A.  Phlllpl  S.  247;  R.  Hartmanfl  8.  24s.  - 
Ausgrabungen  auf  der  Wittekindsburg  bei  Rulle,  Hannover.  Unterridrts- 
minister,  Sohuchhardt,  R.  VIrchow  S.  249.  —  Sport  des  Handlaufs  und  Dejutt- 
fände  auf  Island.  W.  Schwartz  S.  250.  —  Zur  Landkartenstein-Theorie  (Taf.  I 
und  3  Zinkogr.).  K.  Taubner  S.  251 ;  R.  VIrchow  S.  258.  —  Museum  für  Völker- 
kunde in  Budapest.  A.  Hermann  S.  258.  —  Das  Weih.  M.  Bartels  S.  25k.  - 
Durchlässigkeit  vorgeschichtlicher  Thongefässe  und  deren  hauswirthschaftli^  H' 
Verwendbarkeit.  R.  Buchholz  S.  259;  R.  VIrchow  S.  261.  --  Mann  (ßüllersbai  H 
mit  Riesenbart  (Zinkogr.).  R.  VIrchow  S.  261.  —  Hügelgräber  bei  Kehrbvr* 
Ostpriegnitz  (35  Zinkogr.).  Ed.  Krause  S.  262.  —  Gräberfeld  und  HügelsrraJ 
bei  Milow,  Westpriegnitz  (Zinkogr.).  Ed.  Krause  S.  276.  —  Die  sog.  Aatek«n. 
M.  Bartels,  R.  Hartmann  S.  278;  R.  VirQ|iow  S.  279.  —  Dualla-Knabe  ti*. 
Kamerun  (2  Autotypien).  R.  VIrchow  S.  280.  —  Papua- Knaben  von  Nou- 
Britannien  (Autotypie).    R.  VIrchow  S.  283;  Graf  Pfeil  S.  284;  Nenhanis  S.  i^^' 

—  Der  alte  Bernsteinhandel  und  die  Goldfundo  (2  Holzschn.).    Olshausen  S.  t^'^ 

—  Die  Wenden  der  Niederiausitz  (Taf.  IL).  Müschner,  A.  Schwartz  S.  :>!'.'. 
R.  VIrchow,  A.  v.  Heyden,  R.  Hartmann  S.  324.  —  Büchergeschenk  der  Fniu 
Schlemm  S.  324. 

Sitzung  vom  21.  März  1891.  Gedächtnissfeier  für  H.  Schliemann  S.  325.  - 
Budczies,  Bujack  f  S.  325.  —  Neue  Mitglieder  S.  325.  -  Reinwald  v 
S.  325.  —  Jubiläum  von  Hauchecorne  S.  325.  —  Reise  des  Hm.  F.  4sK'«>f 
S.  325.  —  Einladung  der  Naturforschenden  Gesellschaft  zu  Danzig  za  cinrn» 
anthropologischen  Vorcongress  S.  325.  —  Versammlung  der  Föderation  arch»  <»- 


(899) 

logiqne  et  historiaue  de  Belgiquc  zu  Brüssel  S.  326.  —  Petition  um  Gründun/^ 
eines  deutschen  National-Museums  in  Berlin  8.  326.  Antwort  des  Unterrichts- 
ministers S.  329.  Vorsitzender  S.  329.  —  Vorlagen  des  Unterrichtsministers 
S.  329.  —  Neue  Funde  vom  Zihlcanal,  Schweiz,  namentlich  Bronzering  mit. 
Knöpfen  und  Thierfiguren  (1  Zinkogr.  und  4  Autotypien).  E.  v.  Fellenberg 
S.  329;  R.  Vlrohow,  A.  Voss  S.  333.  —  BronzeÜbel  einfachster  Form  von  Gla- 
sinac,  Bosnien  (25  Zinkogr.).  M.  Hoernee  S.  334.  —  Das  sächsische  Haus  um 
Lübeck.  Lenz  S.  338.  —  Alter  der  Steinwaffen  im  Gebiete  des  Rio  Cahy  und 
Forromecco,  Brasilien  (25  Zinkogr.)  Kunert  S.  339.  —  Neue  Funde  im  Bodensee. 
Strass  S.  345.  —  Silberfarbiges  Haar  in  Griechenland.  B.  Ornstein  S.  346.  — 
Photographien  von  Hissarlm.  P.  Ehrenreloh  S.  348.  —  Photographien  von 
Sulu,  den  Philippinen  und  Molucken.  A.  Bässler  S.  348.  —  Euinen  von  Zim- 
babye,  Südafrica.  M.  Bartels  S.  348.  —  Schädel  aus  dem  slavischen  Gräber- 
felde von  Blossin,  Kr.  Beeskow-Storkow.  R.  Buohholz,  R.  Virohow  S.  349.  — 
Tagalen-Knabe  von  Manila.  Kuttner  S.  350.  —  Reizsteine  des  Penis  auf  Su- 
matra. Staudinger  S.  351.  —  Neue  Rnochenfunde  in  den  Höhlen  bei  Rübe- 
land im  Harz.  W.  Blaslus,  Nehrlng  S.  351.  —  Zeichnungen  weiblicher  Ropf- 
trachten  des  16.  und  17.  Jahrhunderts.  A.  v.  Heyden  S.  354.  —  Analysen  kau- 
kasischer und  assyrischer  Bronzen.  R.  Virchow  S.  354;  Vater  S.  359.  —  Schädel 
und  Skelettheile  aus  Hügelgräbern  der  Hallstatt-  und  Tenezeit  in  der  Ober- 
pfalz (2  Zinkogr.).  Naue,  R.  Virohow  S.  359.  —  Xiphodymie  (2  Autotypien). 
R.  Virohow  S.  366.  —  Die  sogen.  Azteken  und  die  Chua.  R.  Virohow  S.  370; 
R.  Hartmann  S.  377.  —  Zimbäoe.  R.  Hartmann  S.  377.  —  Spuren  vom  Emfluss 
Indiens  auf  die  africanische  Völkerwelt    Merensky  6.377;  R.  Virohow  S.  380. 

—  Zürich  und  das  schweizerische  Landesmuseum.  Heierli  S.  380.  —  Skelette 
und  Schädel  aus  schweizer  Gräbern  (2  Zinkogr.).  Heierli  S.  380;  R.  Virohow 
S.  382.  —  Geheimbünde  der  Küstenbewohner  Nordwest-America's  (8  Auto- 
typien). J.  Adr.  Jacobsen  S.  383.  —  Das  Rochen  der  Indianer  an  der  Nord- 
westküste America's  und  die  Abnutzung  ihrer  Zähne.  Ph.  Jaoobsen  S.  395; 
R.  Virohow  S.  396.  —  Eingegangene  Schriften  S.  396. 

Sitzung  vom  18.  April  1891.  Rückkehr  des  Hrn.  v.  Luschan  8.  397.  —  L.  Müller  f , 
Dr.  Goltdammer  f,  S.  397.  —  Neue  ordentliche  und  correspondirende  Mitelieder 
S.397.  —  Gustav  Dieffenbachf  S.397. —  Deutscher  anthropologischer (Königs- 
berg-Danzig),  internationaler  prähistorischer  und  zoologischer  (Moskau)  und 
Americanisten-(Huelva)Congre8S  S.397. —  Freie  photographische  Vereinigung. 
K.  Book  8.  398.  ~  Goldbrakteat  von  Rosenthal.  Olshansen  S.  398.  ~  Bear- 
beitete Knochen  und  Geweihstücke  aus  Grimme,  Kr.  Prenzlau.  R.  Bnohholz, 
Nehrlng,  R.  Virchow  S.  399.  —  Kostbare  Perlen  der  Basutho  in  Transvaal 
(15  Zinkogr.).  M.  Bartels  S.  399.  —  Degenschlucker  Heinicke  (Benidelli). 
Hans  Virohow  S.  401.  —  Bronzeschmuck  von  Alt-Storckow,  Kr.  Stargard, 
Pommern  (3  Zinkogr.).  Schnaann  S.  405.  —  Ueberlebser  aus  früheren  Zeiten 
[Pferdeschmuck,  Adlerstein  u.  s.  w.].   (2  Zinkogr.)    v.  Chlingensperg-Berg  S.  407. 

—  Städtische  (Geldbewilligung  für  das  Trachten -Museum.    R.  Virohow  8.409. 

—  Geschenk  des  Alterthumsvereins  zu  Mannheim  S.  409.  —  Aehnlichkeit  der 
schleswigschen  Bauernhöfe  mit  Gebäuden  der  mittleren  und  älteren  Zeit. 
Mejborp  S.  409.  —  Volksbibliothek  in  Wels,  Oesterreich.  Uurenoak  S.  410.  — 
Archaische  Gräber  bei  Syracus  mit  eigenthümlichem  Geräth  von  trojanischem 
Muster  und  Schädel  von  Megara  Hyblaea.  (Autotypie  mit  7  Figuren  und 
3  Holzschnitte.)  P.  Orsi  S.  410;.  R.  Virchow  8.411.  —  Principien  der  metro- 
logischen Forschung  und  das  ptolemäische  System.  C.  F.  Lehmann  8.  414.  — 
Verhandlungen  des  VUI.  russischen  Archäologen-Congresses  in  Moskau  1890. 
Grempler  8.  414.  —  Abguss  eines  Eichhorn-Instruments  mit  gezähnter  Schneide 
aus  Osswitz,  Breslau.  Grempler  8. 425;  E.  Krause,  Olshausen  8.  426.  —  Goldfund 
aus  Schlesien  (Zinkogr.).  Grempler  8.  426.  —  Burgwall  von  Heidevorwerk,  Kr. 
Wohlau.  Grempler  8.  427.  —  Schädel  aus  schlesischen  Gräberfeldern.  Grempler, 
R.  Virchow  8.  427.  —  Heteradelpher  Inder  Laloo.  R.  Virchow  8.  428.  —  Ein- 
gegangene Schriften  8.  431. 

Sitzung  vom  30.  Mai  1891.  Richard  Schomburgk,  Niendorf,  Sokolowski, 
Handelmann  f  8.  433.  —  Tischler's  Erkrankung.  Verlegung  des  anthro- 
pologischen Congresses  nach  Danzig  8. 433.  —  Jubiläum  von  Beyrich  S.  433.  — 

57  • 


(900) 

Rückkehr  des  Hrn.  Bastian  S.  433.  —  Reise  des  Hrn.  Jagor  8.  433.  — 
Neues  Mi^H^d  und  Gäste  S.  433.  —  Sachvcrständi^n-Commissionen  des 
Museums  für  Völkerkunde  S.  434.  —  Congresse  8.  434.  —  Geographiscbe 
Section  der  Gesellschaft  der  Freunde  der  Naturwissenschaften  zu  Moskau 
S.  434.  —  Americanistische  Ausstellung  zu  Madrid  S.  434.  —  Geschenk  des 
Werkes  über  die  Forschungsreise  der  Gazelle  S.  434.  —  Sendungen  des  ünter- 
richtsministers  S.  434.  —  Die  ostpreussischen  Lippowaner.  E.  Lemke  S.  434.  — 
Bandweben  in  Ostpreussen.  E.  Lemke  S.  435.  —  Weihnachtsbäume.  E,  Krane 
S.  435.  —  Eingebome  der  Philippinen.  Blumentrttt  S.  436.  —  Kopfmessungen 
an  Tungusen.  0.  Hertz  8.  43b.  —  Wiederauffindung  des  Römercastells 
(Munitium)  im  Lande  der  Chauken.  v.  Stoltzenberg  S.  438.  —  Völksthümliches 
aus  Rügen.  W.  Schwariz  8.  445.  —  Prähistorische  Funde  aus  Retzin,  Ost- 
Havelland  (4  Zinkogr.).  W.  Schwariz  8.  457 ,  R.  Virohow  8.  459.  —  ZeusbUd 
aus  Ilium  (6  Zinkogr.).  Krause- Gleiwitz  8.463.  —  Das  früheste  Vorkommen 
arabischer  Zahlenzeichen  in  Deutschland  (2  8chriftproben).  Mehlie  8.  464, 
R.  Virohow  8.  465.  —  Neue  81avengräber  bei  8obrigau,  Rönigr.  8achsen.  Tbeile 
8.  465;  R.  Virohow  8.  466.  —  Freiliegende  neolithische  8keletgräber  von  Glasow 
bei  Löcknitz,  Pommern  (l  Zinkogr.}.  Schumann  8.  467.  —  Blutstein  von 
Reichenhall  (2  Zinkogr.).  v.  Chlingensperg-Berfi  8.  469.  —  Nachtigars  Büste 
in  8tendal.  W.  Reise  S.  469.  —  Photographische  Aufnahmen  in  Hissariik. 
Ehrenreich  8.  469.  —  Frühreifes  Mädchen  aus  Beriin.  R.  Virohow  8.  469.  — 
Urnenfeld  bei  Münchehofe,  Berlin.  Giebeter  8.  470.  —  Fettsteissbildung  beim 
Menschen  und  gewissen  Säugethieren,  Fcttbuckel  der  Zebu  und  Rameele. 
R.  Hartmann  8.  470.  —  Neue  Feuersteingeräthe  aus  Aegjrpten  und  Mr.  Flinders 
Betriebs  neueste  Forschungen  (hierzu  Taf.  VE— X).  W.  Reise  8.474;  B. 
Virohow  8.  478.  —  Lappen.  R.  Virohow  8.  478.  —  Eingegangene  Schriften 
8.  480. 

Sitzung  vom  20.  Juni  1891.  Otto  Tischler  f  8.483.  —  Berufun«^  des  anthropo- 
logischen Congresses  nach  Danzig  8.  484.  —  Raschkow  f,  BIscher-Züblin-J- 
8.  484.  —  Neue  correspondirende  Mitglieder  8.  484.  —  Nachtigal-Denkmal  in 
Stendal  8.  484.  —  Excursion  nach  der  Altmark  8.  485.  —  Jah^sversammlung 
der  Niederlausitzer  Gesellschaft  8.  485.  —  Geographischer  Gongress  in  Bern 
8.  485.  —  Ethnologische  africanische  Ausstellung  8.  485.  —  Reise  des 
Dr.  Steinbach  8.  485.  —  Altmexicanischer  Federschild  in  Ambras.  Frau 
Zelia  Nuttail  8.  485.  —  Silberring  zum  Bogenspannen  (2  Zinkogr.).  R.  Vh-obow 
8.  486.  —  Pommersche  Skeletgräber  der  Steinzeit  von  Casekow  und  Oberfier. 
Schumann  8.  487.  —  Reise  nach  dem  Negeb.  Bracht  8.  490.  —  Ausgrabungen 
von  Sendschirli.  v.  Luschan,  Koldewey  8.  490.  —  Zeitschrift  ^Süd- Amerika'^ 
8.  490.  —  Geknöpfte  und  mit  Thierfiguren  besetzte  Bronzeringe  (6  Autotypien 
und  Holzschn.).  R.  Virohow  8.  490.  —  Das  dänische  Haus  in  Dcatschland 
(10  Zinkogr.  und  3  Holzschn.).  M.  Uhie  8.  493.  —  Metrologische  Studien  im 
British  Museum  (26  Zinkogr.).  C.  F.  Lehmann  8.  515.  ~  Wäcwigen  orien- 
talischer Fundstücke  aus  Gold  (2  Zinkogr.).  C.  F.  LehmaM  8.  530.  —  Sagen 
aus  British  Columbien  (Shushwap,  Ntlakyapamuq,  Sagen  vom  unteren  Fräser 
River).    F.  Boas  8.  532.  —  Eingegangene  Schriften  8.  576. 

Sitzung  vom  18.  Juli  1891.  Erwählung  des  Hrn.  Virchow  zum  Ehren-Präsidenten 
der  Gesellschaft  8.  577  —  Gäste  und  Mitglieder  8.  577.  —  Nachtigal -Denkmal 
in  Stendal  8.  577.  —  Anthropologische  Generalversammlung  in  Danzig  und 
weiteres  Programm  8.  577.  —  Colonial-Nachrichten.    ZintfrafT,   Rayter  §.  577. 

—  Schädel  aus  dem  Negeb  (Situationsskizze).    Bracht  8.  578,  R.  Vlrchew  8.  580. 

—  Vorslavische  Funde  aus  der  Niederiausitz  (Niemaschkleba,  Christianstadi, 
Friedland,  Ossig,  Reichersdorf)  [14  Zinkogr.].  H.  Jentsoh  8.  583.  —  Slavisches 
Gräberfeld  mit  Skeletten  und  Leichenbrand  auf  dem  Silberberge  bei  Wollin, 
Pommern  (1  Zinkogr.).  Schumann  8.  589.  —  Zwei  neue  Bronzesporen  von 
Obliwitz  und  Lübgust,  Hinterpommem  (7  Zinkogr.).  Sofcmuuw  S.  593;  Ole- 
hausen 8.  595.  —  Spomähnliche  Gegenstände.  Oishaueen  8.  596,  —  Nephritbeil 
aus  der  Gegend  von  Ohlau,  Schlesien  (3  Zinkogr.).  Sohoeteneaek  8.  596.  — 
Jadeitbeilchen  vom  Ebersberg,  Braunschweig.  Kloos,  R,  Vlrehow  8.  601.  — 
Tempelbild  aus  den  Königsgräbem  von  Mykenae.    (3  Zinkogr.\    Kraaet  S.  602, 

—  Das  Palladium  in  der  mykenischen  und  tirynthiachen  Darstellung  (4  Zinkogr.) 


(901) 

Krause  S.  603.  —  Die  Roggenkoragemmen  des  frühchristlichen  Kirchengeräthes 
r21  Zinkogr.).  H.  SSkeland  S.  606;  R.  VIrohow  S.  628.  —  Sagen  aus  Bntish- 
Cohimbien  (Cowitchin,  SnanaimuQ,  S'kqömic,  Lku'ngen)  [Ports.].  F.  Boas 
S.  628.  —  Combinirte  Porträt-Photographien  nach  Bowdich.  Franz  Schmitt 
S.  645.  —  Acten  des  II.  internationalen  (Jongresses  der  Criminal-Anthropologie. 
Magitot  S.  645.  —  Das  dänische  Hans  in  Deutschland  (Forts.).  U.  Jahn  S.  645; 
Uhle,  R.  Virohow  S.  648.  —  Aegyptens  auswärtige  Beziehungen  hinsichtlich  der 
Culturgewächse.  G.  Sohwelnfiirth  S.  649;  R.  Hartmann  S.  669.  —  Nachbildung 
der  Berner  Elfenbeinkanne.  F.  v.  Lusohan  S.  669.  —  Bogenspannen  (12  Auto- 
typien und  Zinkogr.l  v.  Lusohan  S.  670.  —  Bohnen  der  Canavalia  von  den 
Chinhiirs  in  Hinter-Indien  zur  Bereitung  von  Schiesspulver.  NStling,  R.  Virohow 
S.  678.  —  Excursion  nach  Salzwedel  und  in  das  megalithische  Gebiet  der 
Altmark  (Autotypie).  R.  Virohow  S.  679;  E.  Krause  S.  682.  —  Der  moderne 
Proteus  und  der  Hautmensch.  R.  Virohow  S.  682.  —  Eingegangene  Schriften  S.  684. 

Sitzung  vom  17.  October  1891.  Ehren-Präsident  S.  687.  —  Legat  von  H.  Schlie- 
mann  S.  687.  -  Staatsbeihülfe  für  die  Gesellschaft  8.  687.  —  Fräulein 
J.  Mestorf  S.  687.  —  Todesfälle  (Kopernicki,  Wilken,  Hahn,  Queden- 
feldt,  Voigtel,  Rackwitz,  Fabri)  S.  688.  —  Neue  Mitglieder  S.  688.  — 
Jubiläum  von  W.  Schwartz  S.  688.  —  Dr.  F.  Jagor  S.  689.  —  50jähriges 
Jubiläum  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  im  Rheinlande  S.  689.  — 
Hauptversammlung  der  Oberlausitzer  Gesellschaft  für  Anthropologie  und  Ur- 
gescnichte  S.  689.  —  Russisches  Institut  zur  ethnographischen  imd  archäo- 
logischen Erforschung  des  Orients  in  Constantinopel  S.  689.  —  Papuanische 
Gesichtsmasken.  Schellong,  Castan  S.  689.  —  Expedition  nach  den  central- 
africanischen  Seen.  Borchert,  Graf  Schweinitz  S.  690.  —  Prähistorischer 
sicilianischer  Bernstein.  P.  Orsi  S.  690.  —  Ausgrabungen  zu  S.  Lucia  im  Litorale 
und  archaische  Bronzefibel  (Zinkogr.).  Marohesetti  S.  691.  —  Nephritgruben 
von  Schachidula  und  Schleiferei  von  Chotan  (Situationsplan).  Conradt  S.  692; 
R.  Virohow  S.  693.  —  Usambara,  Gst-Africa.  Conradt  S.  693.  —  Prähistorische 
SteinwafTen  in  Ober-Birma  (2  Holzschn.).  NStling  S.  694;  R.  Virohow  S.  695.  ~- 
Caximbos  in  Süd-Brasilien  (22  Zinkogr.).  Kunert  S.  695.  —  Darstellungen  aus 
der  mykenischen  Götterwelt  (2  Zinkogr.).  Krause  S.  699;  R.  Virohow  S.  701.  — 
Steinzeitliche  Ornamente  aus  Pommern  (12  Zinkogr.).  Sohumann  S.  702.  — 
Slavische  Schädel  vom  Galgenberg  und  Silberberg  bei  Wollin,  Pommern. 
Sohuaann  S.  704.  —  Gräberfeld  auf  dem  Galgenberge  und  slavische  Grabfunde 
bei  Wollin  (12  Zinkogr.).  Walter  S.  708.  —  Steinmulden  im  Fichtelgebirge 
(5  Zinkogr.).  L.  Zapf  S.  717.  —  Erläuterungen  und  beweisende  Vergleiche  zur 
Steinkarten-Theorie  (12  Zinkogr.).  F.  Rödiger  S.  719.  —  Wohnhäuser  ohne 
Schornstein  in  Hinterpommern.  E.  Lemke  S.  725.  —  Schwanzbildung  beim 
Menschen  auf  Sumatra.  Bartels  S.  725.  —  Hölzernes  Thürschloss  von  Barbis 
im  Harz  (2  Zinkogr.).  v.  Alten  S.  725;  R.  Virohow  S.  726.  —  Photographien 
der  ältesten  iigvptischen  Bronzen  des  Berliner  Museums.  C.  Ginther  8.  726.  — 
Erwerbungen  des  Märkischen  Provinzial- Museums.  Buohholz  S.  726.  —  Man- 
dragora-Wurzeln (6  Autotypien),  v.  Lusohan  S.  726;  P.  Asoherson  S.  729;  R. 
Beyer  S.  738.  —  Photographien  der  Benong  Ahong,  Nhongeh.  Rosset  S.  746. 
Generalversammlung  der  deutschen  archäologischen  Gesellschafl  und  Stand 
der  archäologischen  Forschung  in  West-  und  Ostpreussen.  R.  Virohow  S.  746. 
—  Die  altpreussische  Bevölkerung,  namentlich  Letten  tmd  Litauer,  sowie  deren 
Häuser  (1 1  Zinkogr.).    R.  Virohow  S.  767.  —  Eingegangene  Schriften  S.  805. 

Sitzung  vom  21.  November  1891.  Ausschuss  S.  807.  —  Neues  Mitelied.  S.  807.  — 
Ragotzky  t  S.  807.  —  Fräulein  E.  Lemke  S.  807.  —  F.  Jagor  S.  807.  — 
Alte  chinesische  Metallspie^l.  Fr.  HIrth  S.  807;  R.  Virohow  S.  809.  --  Bericht 
aus  Formosa.  HIrth  S.  810.  —  Setzerstrike  S.  810.  —  Reise  des  Dr.  Joe  st 
S.  810.  —  Rtlckkehr  des  Dr.  Belck  8.  810.  —  Americanistische  Studien  prä- 
columbisches  Tabakrauchen  und  Caximbos.  v.  Iherlng,  Bartels  S.  811.  — 
Deutsche  Zeitung  fttr  Rio  Gh-ande  do  Sul.  S.  811.  —  Mikrocephale  von  Gro- 
tava.  Nabel  S.  812.  —  Handelsmuseum  in  Bremen  S.  812.  —  Biographie  von 
U.  Schliemann  S.  812.  —  Archaische  Topfscherbe,  angeblich  aus  der  zweiten 
trojanischen  Stadt  (Zinkogr.).  AppletOR  S.  812;  R.  Virohow  S.  813.  —  Bronzeringe 
mit  Knöpfen  und  Thierköpfen  aus  Böhmen  und  Ungarn  (7  Zinkogr.).    Szombathy 


(902) 

S.  814.  —  Wilder  Mensch  von  Trikkala  in  Thessalien.  Ornstein  8.  817;  R. 
Virohow  8.  818.  —  8pandai]er  Schädel.  Vater,  R.  Virohow  8.  818.  —  Hügelgrab 
der  älteren  Bronzezeit  von  Mühlthal,  Ober-Bayern.  Naue  8.  822;  Schädel  und 
Skelet.  R.  Virohow  8.  824.  —  Besemer  oder  Däsemer?  Höft  S.  826.  —  Crema- 
torium  in  Hamburg  8.  827.  —  Hessische  Holzbauten.  Biokell,  UnterrichtSMinister 
8.  827.  —  Brasilianische  Indianer.  P.  Ehrenreich  8.  828.  —  Ethnographische 
Ausstellung  in  Prag  1893,  8.  828.  —  Alterthümer  aus  Coban  in  Guatemala, 
insbesondere  abgeschnittene  Pinger.  E.  Seier  8.  828.  —  Reisen  von  Vaughan 
Stevens  in  Malacca  (Kartenskizze).  Griinwedel  8.  829;  Staadlnger  8.  836;  R. 
Virohow  8.  837.  —  Die  wilden  Eingeborenen  von  Malacca  (4  Zeichnungeo). 
R.  Virohow  8.  837.  —  Im  Norden  gefundene  vorgeschichtliche  Trompeten 
(4  Holzschn.).  Olshausen  8.  847.  —  Rillen  an  ägyptischen  Tempeln  (2  Auto- 
Wpien).  Junghändel  8.  861;  R.  Virohow  8.  863.  —  Eingegangene  SchriAen 
S.  863. 

Sitzung  vom  19.  December  1892.  Dom  Pedro  II.  d'Alcantara  f  S.  865.  — 
Ewald,  Römer,  Liman,  Hunfalvy  f  8.  865.  -—  Neues  correspondirendes 
und  Ehrenmitglied  8.  866.  —  Verwaltungsbericht  für  1891.  R.  Virohow  8. 866.  - 
Rechenschaftsbericht  für  1891.  W.  Ritter  8.  874.  Decharge  S.  875.  —  Rechnung 
der  Rudolf  Virchow-Stiftung  für  1891,  S.  875.  —  Neue  Mitglieder  8.  876.  - 
Wahl  des  Vorstandes  für  1892,  8.  876.  —  Bronzeringe  mit  angesetzten  Warzen 
in  den  Sammlungen  des  Prager  Museums  (14  Zinkogr.).  W.  Scholz  S.  877; 
Szombathy  S.  880.  —  Photographie  eines  litauischen  Bauemgehöfts  in  Minge 
und  photographische  Aufnahme  der  Gongress-Mitglieder.  BezzeDberger  S.  881. 
—  Photographien  von  Matebelen.  Bartele  8.  881.  —  Durchlochte  Nadeln  aas 
californischen  Gräbern  (7  Zinkogr,).  L  Lemke  8.881.  —  Diluviales  Pflanzeo- 
lager  von  Klinge  bei  Cottbus.  Nehring  8.  883.  —  Photographien  von  der  alt- 
märkischen Excursion.  Ehrenreloh  8.  890.  —  Mandragoras.  P.  Aschersoi,  Wet^ 
etein  8.  890.  —  Eingegangene  Schriften  8.  892. 


Autoren  -  Verzeichniss. 


T.  Alteo,  Baron  725,  866. 

Aa^re,  R.  24,  258. 

Anger  829. 

Ajijileten,  Henry  812. 

Aseherstn,  Paul  729,  890. 

Bissler,  Arth.  33,  110,  287,  348. 

B^aleJ,  J.  417. 

Bapst  22. 

•aHels,  M.  82,  243,  258,  278,  348,  690,  726, 

791,  811,  881. 
iastlan,  A.  258,  488. 
it  Baye,  Baron  J.  425. 
Becker  (Lindau)  75. 
Bekia  71. 
Beiek,  W.  810. 
Bejer,  B.  788. 
Beyricfc,  577,  867. 
Blas,  0.  81. 
Bluios,  W.  852. 
Blanealkai  113. 


BlomeBtrltt,  F.  436. 

Boas,  Fr.  158,  160,  532,  628. 

Beck,  E.  898. 

Btrckerf,  0.  690. 

Brackf,  Engen  490,  578. 

Brackekosek,  Lndw.  30,  248. 

Br^ckkaos,  F.  A.  812. 

Baekkfli,  B.  259,  849,  726. 

Ba^ciies  (f)  825. 

Bojack  (t)  825. 

Botckan,  G.  97. 

Cartallkac,  £.  424. 

Castan,  G.  66. 

— ,  L.  110,  279,  870,  478,  689. 

Ckaloawsky,  J.  420. 

T.  CkllBgeiis|iffg-Berg  407,  469. 

Cfko,  H.  22. 

€f  inä«,  Leop.  692,  693. 

Ekreareidi,  P.  82,  219,  287,  848,  469,  8»  8»- 

Engler,  A.  678. 


(903) 


▼.  FdleaMg,  Edm.  829. 

Flacker,  Lonis  113. 

d«  Fleurj,  L.  428. 

»•nckfiU  491. 

Friedet,  E.  118. 

Frltsch,  O.  82,  118. 

fienndniMn  28. 

«leMcr,  C.  470. 

«irke,  F.  65. 

«rempler  414,  425,  426,  427. 

▼.  Grtmktschewsky  692. 

«rttrlM,  H.  852. 

«rfinweM  88,  829. 

«Ontker,  Carl  278,  280,  726. 

«nltmano,  S.  245. 

■tkel,  Job.  812. 

■artinaBn,  R.  64,  237,  248,  278,  824,  877,  470, 

669. 
■artiHck  158. 
■aackeeanie  825. 
leger,  F.  414,  424. 
■elerli,  J.  880. 
■eia,  0.  28. 
■emauB,  Anton  258. 
■erti,  Otto  172,  486. 
Beiden,  A.  v.  22,  219,  824,  354,  407. 
■Irsekfei^,  G.  22. 
■Irtk,  Fr.  807,  809. 
■temes,  M.  884. 
■in,  F.  826. 
Jaetbsea,  J.  Adr.  888. 
— ,  Phil.  395. 
Ja^rlncew,  N.  M.  421. 
Jäger,  F.  325,  488,  689,  807. 
Jaka,  U.  645. 
JeaUck,  H.  583. 
f.  Ikeriag  698,  811. 
Jte«t,  W.  114,  810. 
iuagkaeaM,  M.  861. 
IwaaewskU,  A.  A.  422. 
Kajier  577. 

Rliag,  Hauptm.  52,  55. 
Klees,  J.  H.  852. 
KeMewey  490. 
KnaMr,  Fernando  109. 
Kmse,  Ed.  258,  262,  412,  426,  484,  485,  679, 

682,  787,  790. 
— ,  Ernst  H.  L.  435. 
—   (Gleiwitf)  22,  468,  602,  608,  699. 
KHi  178. 

Krfiger  (Lieberose)  485. 
Kaaert,  A.  889,  695. 
KoUaer  850. 
Ua^ell  354. 


UorenUk  410. 

Ukniann,  C.  F.  858,  414,  515. 

Lekmann-FHkrs,  Frl.  M.  250. 

Uoike,  Frl.  E.,  434,  435,  725,  807,  881. 

Lern,  H.  838. 

V.  LoBckan,  F.  897,  490,  669,  670,  726. 

Maass  877,  890. 

lagllet  645. 

it  larckesetU  81,  691. 

Alaska,  J.  178. 

leklis,  G.  464. 

H«jberg  409. 

lereasky  877,  399. 

Mesterf,  Frl.  J.  687,  866. 

Mies  110. 

nilckklfer  22. 

lUIekfr,  Felix  85,  94. 

neraet,  L.  219. 

lergea,  Kurt  280,  675. 

Musckaer  819. 

Manre  80. 

Biaoe,  J.  859,  822. 

Nckriog,  A.  23,  851,  399,  883. 

Nette,  L.  157. 

Neakaass,  R.  286. 

KpBBiann,  R.  428. 

NAUlBg,  F.  678,  694. 

NBttali,  Zelia  181,  485. 

OhBelklsek-RIckter  84. 

Olskausea,  G.  76,  219,  223,  261,  286,  398,  405, 
595,  847. 

Orasiela,  B.  346,  817. 

Orsi,  Paolo  410,  690. 

Pe^ro  II.,  Dom,  d'Alcantara,  Kaiser  Ton  Bra- 
silien (t)  865,  866. 

Petrie  Flioders  475. 

Pfeil,  Graf  Joachim  51,  284. 

Pkillppl,  R.  A.  247,  695. 

Ptatk,  H.  854,  858. 

PellwaBew,  W.  N.  420. 

Pesselt,  Wilh.  34a 

Qaedeafeldt,  M.  247. 

lUakf,  Joh.  825. 

Ratk,  0.  (S.  Paulo  f)  24. 

RelBaek,  S.  178,  176. 

Relss,  W.  469,  474. 

Rimkack,  E.  854. 

Rlsley,  H.  H.  88. 

Rllter,  W.  874. 

RlüiBger,  Ed.  486. 

RAdiger,  Fr.  287,  257,  719. 

Salkewi^kl  81,  856,  679. 

Saaiekwassew,  J.  417. 

Sekadt,  R.  851. 

Sckdleag  689. 


(904) 


Sehlerenberg,  G.  A.  R.  237. 

Schlemm,  Frau  246,  324,  396,  576. 

Sfhliemtnn,  Heinrich  (f)  21,  247,  325. 

— ,  Sophie  812. 

Schmidt  (Lagos)  113. 

Schmlit,  Franz  645. 

Schoetensack,  0.  596. 

Sehochhardt  249. 

Schulli  745. 

Schuli,  Wenzel  877. 

Schamano  (Löcknitz)  405,  467,  487,  589, 

702,  704. 
SchwaHi,  Albert  22,  319. 
— ,  W.  33,  250,  278,  445,  457. 
Schwelnfbrlh,  G.  649,  669. 
Schweiolti,  Graf  690. 
Seier,  Ed.  114,  156,  828. 
Siehe  485. 
Silfw,  W.  J.  423. 
Smimaw,  J.  N.  425. 
Slkefaad,  H.  606. 
Staadloger  228,  351,  836. 
Steinhaeh  485. 

Stefens,  Vaughan  172,  695,  838. 
T.  Sttldenberg,  Frhr.  R.  249,  438. 
Stnss,  G.  345. 

Siamhathy  176,  814,  877,  880. 
Taohner,  Kurt  251. 


593, 


fewes  157. 

f  heile,  Fr.  465. 

Tischler,  0.  (f)  73,  483. 

Treichd,  A.  178,  186,  187. 

TrohellLa  336. 

Vhle,  M.  144,  493,  648. 

VoterrichtsmiBlster  23,  157,  158,  249, 
687,  827. 

Vater  32,  359,  818. 

?irchew,  Hans  189,  401. 

— ,  Rud.  22,  24,  30,  33,  44,  81,  85, 
114,  172,  242,  245,  247,  249, 
280,  283,  286,  824,  829,  883, 
359,  366,  870,  882,  899,  409, 
428,  459,  465,  466,  469,  478, 
577,  680,  601,  628,  648,  678, 
687,  689,  691,  698,  701,  746, 
809,  813,  818,  824,  837,  868, 
875. 

?tM,  A.  71,  79,  80,  242,  249,  383. 

Walter  (Stettin)  708. 

Weiss,  Herrn.  82. 

Wendlaid  80. 

Wetsstein,  J.  G.  800. 

Wtif,  Ludw.  44. 

lapf,  L.  717. 

ZIntgraff  51,  281,  577. 


329,434, 


109,  113, 
261,  279, 
849,354, 
411,  427, 
486,490, 
679,682, 
767,  807, 
866,866, 


Sach-Begister. 


A. 

Ahheekota,  Hauptstadt  der  Yoruba  69. 
Ahendllndlsche  Alraune  738. 
Ahergiiobische  Curen  durch  Steingeräthe  478. 
Aherglauhe  872,  der  Guajcurus  25,  auf  Rügen 

457,  der  Westafricaner  45. 
Ahome  (A^gbome),  Hauptstadt  von  Dahome  66. 
AhstammoDg  der  holsteinschen  Inselbewohner 

499. 
Ahieiehen  der  Indianer-Geheimbünde  389. 
Acardiacns  acephalus  heteradelphus  481. 
Ackerhaa  der  Haussa  236. 
Acalhoa,  Mexico  135. 
Adamaoa,  Haussabevölkerung  228. 
Adeli-Neger,  Togo,  Messungen  45. 
Adlerstein,  Amulet,  als  Arzenei  408. 
Adtrf,  sog.  Dom-Reliquiarium  611. 
Aegis  605. 

Ae|tis*l'me,  trojanische  22. 
Aegjpten,    Bernstein    294,     Feuersteinmesser 


475,  476,  Hausthiere  666,  Heimath  m 
Enochenger&then  in  Hios  und  Sidh'« 
412,  Photographien  Ältester  Bronien  726, 
Reise  nach  810,  Rillen  an  Tempehi  861. 

Aegjptens  auswärtige  Bezidiungen  hinsicbtlifh 
der  Culturgew&chse  649. 

Aeltere  Steinieit  in  Russland  419. 

Aelteste  Hansform  410. 

—  Periode  der  Besiedelnng  Ostpreossens  768. 

Aeyfei  in  Alt-Aegypten  98,  ihr  Alter  99,  in 
Pfahlbauten  99. 

Aestengrlher  in  Ostpreussen  778. 

Aeatler (Esten)- Galinder- Sudiner-Prun«  769. 

AHraneascheB  243. 

AfHea  s.  Adamaua,  Adeli,  Aegyptcn,  Asbin«. 
Aschanti,  Bali,  Basutho,  Binu^  Dahom«* 
Distomum,  Dualla,  Haar,  flaoasa,  HMt- 
farbc,  Kartenzeichnung,  Klein  Popo,  !!«**• 
belen -Photographien,  Mikrocepbale  ürf 
Tenerifa,  Perlen,  üsambara,  Zimbahfp* 


(905) 


AlbliUtlKher  Zustand  der  Angen  bei  Litauern 
782. 

AlkuM  der  Mitglieder  874. 

AleauiBltthet  Grab,  Zürich  882. 

AleauiBische  Hausanlagen  in  der  Altmark  682. 

Aldtea-Skelette  172. 

Algtrrt^lBckei  in  Argentinien  80,  109. 

Allst,  röm.  Fort,  an  der  Lippe  489. 

Alknlcken,  Ostpreussen,  Hügelgräber  759. 

Alleosteln,  Alterthümer  und  Bauernhäuser  im 
Kreise  766,  788. 

AUerkahackea  (Alraun)'  743. 

AllerMaMihinlftch  740. 

Alllui  Yictorialis  im  Aberglauben  740. 

AIm  in  Aegypten  657. 

AlraBoe  726,  abendländische  788,  aus  Bernstein 
748,  Herstellung  789,  su  Curen  745. 

Alieagfniiiiei  618. 

AltckrisÜlehe  Kirchen  in  S'baita  578. 

AHe  Ansiedelung  in  der  Flur  Ludosch  der  Qe- 
markung  der  Stadt  Werschetz,  Ungarn  94. 

Alte  chinesische  Metallspiegel  808. 

AHen,  Baron  ron,  70.  Geburtstag  8^,  Ehren- 
Mitglied  867. 

AHmIwi,  Anhalt,  Doppelaxt  460. 

AHer,  hohes,  der  Botocudos  26,  der  geknöpften 
Bronzeringe  492,  der  Caximbos  in  Bra- 
silien 695,  geringes  der  Pmzzen  -  Grä- 
ber 769,  der  Mongolengräber  421,  der  am 
Rio  Gahj  und  Forromecco  gefundenen 
Steinwaffen  889,  698,  der  Roggenkom- 
gemmen  608,  616. 

AltenWitlaBiag  der  Pflanzenfunde  von  Klinge 
889. 

Ahcfthtacr  der  Bronzezeit  in  Westpreussen 
747,  aus  Coban  in  Guatemala  828,  im 
Gouvernement  Charkow,  Russland  417, 
russische  415,  Torgeschichtliche,  Mos- 
kau 416. 

AltcrtkuHferclR  zu  Mannheim  409. 

AHrriokIsches  Skeletgrab  mit  Namen  der  Be- 
statteten 897. 

AhlltaalichM  Gebiet  in  Ostpreussen  774. 

AlUiark,  Ausgrabung  682,  Ezcursion  485,  679, 
fränkische  Höfe  und  Giebelschmuck  682, 
megalithische  Gräber  485,  679,  Photo- 
graphien 158,  890,  römische  Funde  s. 
Brieti,  Rundlingsdörfer  682. 

AKprcissitcke  Bevölkerung,  namentlich  Letten 
und  Litauer,  sowie  deren  Häuser  767, 
789,  Wirthschaftsgeräthe  28. 

Alt-Stfrcktw,  Pommern,  Bronzeschmuck  405. 

Awiz«M8  des  Könige  von  Dahome  64. 

Anbras,  Schloss,  Federschild  485. 

Arnttkä  s.  Aleuten,  Ambras,  Argentinien,  Atta- 


pasken, Azteken,  Bacahiri,  Bella  Coola, 
Bolivia,  Bororö,  Botocudos,  Britisch  Co- 
lumbia, Cafusos,  Califomlen,  Caraya, 
Caximbos,  Chile,  Chinook,  Chinos, 
Chunu,  Coca,  Coroados,  Cowitchin, 
Deutsche  Zeitung  in  Rio  Grande,  Gc^ 
heimbünde  an  der  Nord  Westküste,  Guate- 
mala, Kartoffeln,  Kochen,  Kooteney, 
Kriegskeule,  Landkartenstein,  pliocäner 
Mensch,  Mexico,  Peru,  Sagen,  Tabak- 
rauchen, Zähne. 

Anericanlsteii-CsBgress  in  La  Rabida  897. 

AnericanlsUsche  Studien  811. 

Analel  und  Arzenei,  Blutstein  469. 

—  aus  Bronze  881. 

Analyse  kaukasischer  und  assyrischer  Bronzen 
854,  von  schlesischem  Nephrit  598.  s. 
Bronzen. 

AaMlügea,  Hannover,  Ausgrabungen  157, 
ümenfriedhof  158. 

Aahalt,  Altenburg,  Doppelaxt  460,  Trompeten- 
Mundstück  von  Latdorf  848. 

4bm,  St,  Reliquienarm,  Gemmen  606,  611. 

AMOMlien  im  Knochenbau  eines  Wei-Negers  54. 

Aatledelang  der  Steinzeit  bei  Werschetz,  Ungarn 
85,  94. 

ABsiedelangspliize  in  Bosnien  887. 

Aotkrtpolsgen-Ctogrets  in  Preussen  746,  Photo- 
graphie 881. 

Aatkftpoltgie  der  Togo-Stämme  und  der  West 
Africaner  44. 

Aatkff psleglscke  Sammlung  der  Gesellschaft  874. 

ABthrtfepkagtf  in  Neu-Britannien  284,  bei  den 
Botocudos  26,  28,  auf  Sumatra  351,  in 
der  Volkspoesie  der  Wotjaken  425. 

Antike  (assyrische  und  babylonische)  Gewichte 
515. 

ABtIlleB-Ncger,  6  fingerige  Hand  114,  Hautfarbe 
114. 

ABttBi«B-ir«Bze  857. 

AphrtdlslacBni,  Alraune  als  728. 

Apttse-Nfger,  Togo,  Messungen  45. 

Aprikete  in  Aegypten  659. 

Aiakr  in  Haussaländem  286. 

Anblscke  Zahlzeichen,  früheste  464. 

Ara^tli-lBdliBer,  Brasilien  28. 

Arckieltgea-CfBgrew,  Moskau  414. 

Archaische  Bronzefibel  von  Koban-Form  in 
S.  Lucia  691,  Gräber  von  Syracus  410, 
Topfscherbe,  angeblich  aus  der  zweiten 
trojanischen  Stadt  812. 

Archliltgitche  Ausstellung,  Moskau  416. 

—  Funde  in  Emden  23. 

AfgMtiBleB,  Ruinenstädte  und  pliocäner  Mensch 
811,  Fruchtkuchen  30,  109. 


(906) 


Arktna,  Sagen  455. 

Ann  der  Handstand-Artistin  195. 

Amkaad,  Nord-Kankasus,  Analyse  855. 

Annbnistfibeln  von  Westheeren,  Altmark  680. 

Armring,  Bronze,  Kehrberg  266. 

Armringe  der  Bronzezeit  823,  Tangendorf,  West- 
Priegnitz  79. 

Arnstein  im  Fichtelgebirge  717. 

Arsenlkbronie  749,  im  Kaukasus  355,  856. 

Arslntf,  Feuersteinmesser  477. 

Asblns,  Bergvölker  im  Haussaland  236. 

AschtnU  113. 

Asche  mit  Goca,  Genussmittel  247. 

Asien  8.  Battaker,  Beduinen,  Birma,  Bronze- 
Analysen,  China,  Chins,  Ghotan,  Chna, 
Cypem,  Dayak,  El  Hibba,  Erbil,  Formosa, 
Hissarlik,  Jagor,  Landkarten,  Kam- 
bodja,  Nephritbrüche,  Philippinen,  Reisen 
in  Malacca,  Reizsteine,  Sendschirli,  Stein- 
^eräthe  von  Malacca,  Sumatra,  Tagalen- 
knabe,  Troja  bemalte  Topfscherbe,  Vor- 
kehrung gegen  die  Malaria 

Askanler-iarg,  alte,  in  Salzwedel  680. 

Assyrien,  Bronze- Analysen  354,  Balawat^  Bronze- 
thor 858,  Gewichte  515. 

Astragalus  arenarius  790. 

Atas  von  Süd-Luzon  436. 

Atttpasken  in  Oregon  159. 

Aaertchsen-Schidel  mit  Feuerstein-Speerspitze 
in  Ostpreussen  755. 

Augen,  grosse,  des  Dualla-Knaben  281. 

—  der  Litauer  781. 

Angenkellknnde,  altes  Lehrbuch  über  408. 

Augnstns,  Münzen  aus  der  Zeit  vor  Kaiser 
Augustus  im  Norden  223. 

Ansgnknngen  in  Aegypten  475,  bei  Ehestorf, 
Kreis  Zeven,  und  bei  Anderlingen,  Kreis 
Bremervörde,  Hannover,  157,  bei  Leetze, 
Altmark  682,  in  St.  Lucia  und  Istrien 
81,  691,  von  Sendschirli  490,  bei  Syracus 
410,  auf  der  Wittekindsburg  bei  Rulle  249. 

Ansgrakangs-lnstrament  von  Voss  242. 

Autsdinss  der  Gesellschaft  8,  81,  247,  807. 

Aosstdhing,  amerikanistische  in  Madrid  484, 
archäologische  in  Moskau  416,  ethnolo- 
gische afrikanische  485. 

Axt  (?)  ans  Eichhorn  von  Willenberg,  Westpr. 
426. 

Alteken,  angebliche  278,  370,  869. 

B. 

Baku,  Steinfignren  in  West^  und  Ostpreussen 
747,  764,  in  Sibirien  und  der  Mongolei 
421,  ihre  Verbreitung  422,  aus  Lehm  und 
Stein  422. 


Bakkln,  Pommern,  Brozefunde  850. 

Bakjisnien,  El  Hibba,  Goldringe  581. 

Bactkirls  (Bacairis),  Brasilien  28. 

Baltwat,  Bronzethor,  Analyse  858. 

Banane  in  Aegypten  660. 

Bandweben  in  Ostpreussen  485. 

Baniku,  Brasilien  28. 

Banner  in  Altmexiko  121. 

Barenao,  Münzsammlung  237. 

Bart,  Riesen-  261,  der  Frauen  248. 

BiHlge  Dame  243,  869. 

Baseler  Kreuz,  Gemme  608. 

Bastian,  Rückkehr  von  der  Reise  488. 

Basutk«,  Perlen  899. 

BatUker  351. 

Baucbmoskeln ,  willkürliche  Bewegung  bei  dm 

Protens-Manne  683. 
Bandenkmiler,  russische  415. 
Bau  der  Hftuser  auf  Cypem  45. 
—  der  Kurgane  von  Aksitienec,  Russl.  418. 
Baaerngebift,  litauisches  797,  Photographie  bSl. 
Bauernkittser  in  West-  und  Ostpreussen  786. 
Baierakife,  schleswigsche  409. 
Banmannsbible,  Harz,  Knochenfnnde  351. 
Bajem,  s.  Blutstein,  Bernstein  809,  Hügelgrab 

der  Bronzezeit  822,  Staufersbach  863. 
Becker,  geschweifte,  der  Steinzeit  79. 
Beckerlt,  Ostseebemstein  287. 
Beduinen  im  Lande  Negeb  578,  Schftdel  5S1. 
Befestlgongen,  von  Twistringen  448,  Wittekinds- 

burg  249. 
Begraken  und  Verbrennen  gleichzeitig  422. 
Begriknlasarten  in  Ostpreussen  762. 
Begriknisse  der  Botocudos  27,  der  Eingebornen 

von   Brasilien  24,   der  Steinzeit  98,  «• 

Ungarn. 
Begribnissplali,    alter,    und     Befestigung  ün 

Gouvernement  Simbirsk,  Kussl.  420. 
Begriknissstttten  der  Steinzeit,  Ungarn  85. 
Bekaarung,  abnorme,  eines  frühreifen  Mftdcbrtu 

470,  heterogene  248. 
Bekatstelne  in  Ungarn  90. 
Belgaken  iür  Todte  in  Brasilien  80. 
Bella  Coola,  Anthropologie  159. 
Bemalte  Skelette  418,  419. 
Bergrelker  bei  Haussa  286. 
Bergilegen,  Sage  548. 
Berlin,  Deutsches  National-Museam  82& 
Bern,  Geographen-Congress  23. 
Bemkart  von  Italien,  Grab  219. 
Bernstein,  in  Aegypten  294,  in  Bayern  909t  « 

Böhmen  807,   fehlt   auf  Cypeni  296,  w 

Griechenland  296,  bei  Griechen  und  l^ 

likem  297,   in  ItaUen  289,  in   k*na«»»- 

tischen  Gräbern  295,  in  Mkhron  30ri.  ia 


(907) 


Mittelmeerländern   2%,    muthmaassliche 
Entstehung  797,    der  Name  und    seine 
Berechtigung  287,  prähistorischer  ans  Si- 
cilien  690,  in  Preussen  810,  in  Sta.  Lucia 
691,  in   Schweizer  Pfahlbauten  302,  in 
Syrien  295,  in  Troja  296,  verarbeiteter, 
in  südlichen  Ländern  298,  in  Westfalen 
808. 
BerosielMirtefacte  von  Schwarzort  756. 
Berastelofgvr  als  Alraun  748. 
■emsteiifrage  und  Chemie  287. 
Bemstelo- Handel  und  Qoldfunde  286. 
Beni8telB[Mrlen  aus  der  Bronzezeit  822,  von  Sta. 

Lucia  691,  von  Ptin,  Mähren  880. 
Bemstelnttoinilaageii  in  Königsberg  757  ff. 
BerutelBiiare  288. 
Bera&telBtdinack  der  Steinzeit  756. 
Bemulf,  Reliquiar,  Gemme  609. 
Bersiil,  Orang  B.,  Eingeborene  von  Malacca 

881,  841. 
Bfttaer  oder  Däsemer?  826. 
Bctle^elBBg,   älteste,   Ostpreussens    753,    der 

kurischen  Nehrung  771. 
Bestilt«Bg  der  Kirgisen  428,  in  Kurganen  des 
Gouv.  Cherson  419,  des  Gouv.  Kiew  418. 
BestittBBgf weise    gemischte    715,     im    Negeb 

578. 
Be? ÜkerBBg  der  Haussa-Länder  228,  Mittel-  und 

Osteuropas  zur  Steinzeit  78. 
BewalhiBBg  der  afrikanischen  Amazonen  69. 
Bejricb,  5()j ähriges  Dienstjubiläum  488. 
BIker  in  Indianersagen  168. 
BIkUstkek  der  Gesellschaft  878. 
BiekfU,  Hessische  Holzbauten  827. 
BieltblUe  (Harz)  851. 
iUkr  von  deformirten  Köpfen  877. 
itlktnU  s.  Distomum. 
ÜlseBkraBtwBrzdB  als  Alraun  745. 
ilBae-Flass  229. 
iifgrafkle  Schliemanns  812. 
iInBa,  prähistorische  Steinwaffen  694. 
ilrae,  Alter  und  Verbreitung  100,  in  Pfahl- 
bauten 100. 
BlaBiast,  Eingeborene  von  Malacca  831,  888. 
Blase,  Auswüchse  bei  Distomum  81. 
BlasckifBer,  britische  Inseln  856,  aus  Skandi- 
navien 854. 
BluekwB  von  Göslin  857,  860. 
BUsertkr  in  Malacca  884. 
BlasiBs,  St,  Herme,  Gemme  610. 
BliBc  Erde  288. 
Bleckfikel  von  Rebenstorf  679. 
BMsarkspkag,  römischer  79. 
Blitz  und  Donner  als  Götter  58. 
BItckbiMfr  789. 


Bit Bdet  Haar,  Annähmng  an,  bei  Eingebornen 
Malaccas  846. 

BIsBder  Typus  der  Litauer  780,  in  Preussen 
775. 

BImsIb,  Kr.  Beeskow-Storkow,  Slavengräbcr349. 

BiBtstelB,  Amulet  und  Arzenei  469. 

B«4eBsee,  neue  Funde  845. 

Bikmeo,  Bernstein  807  Bronzeringe  mit  Knöpfen 
und  Thierköpfe  814,  Elbeteinitz,  Bronze- 
ring 877,  SvÄrov,  Bronzering  878,  Strado- 
nic,  Bronzering  878. 

Bim,  de,  Theil  des  Hansbodens  497. 

BegeBsptBBea  670,  Silberring  zum  486. 

BtgeBsptBBer  aus  Nephrit  81. 

B«geB-OnameBt  708. 

BskneB  der  Canavalia  in  den  Chinhills  in  Hintor- 
indien zur  Bereitung  von  Schiesspulver 
678. 

BfkreB  des  Nephrits  698,  der  Steine  im  Mittel- 
alter 619. 

Bfkritck  in  Röhrenknochen  899. 

BfkrupfeB  von  der  Kurischen  Nehrung  755. 

BsIlfleB,  Kartoffeln  247. 

Btrkan-Clnkaa,  Westpreussen,  Bnrgwall  181. 

Bf raet  s.  Dayak. 

BtrBMB,  Altmark,  Hünenbett  680. 

Bfrtrt-Indianer,  Brasilien  287. 

BtsBleB,  Glasinac,  Bronzefibel  884,  Reise  in 
691. 

Bm  pricus  in  Ungarn  86. 

BÄTE,  Korn  in  Aegypten  654. 

BstKBdts  24,  Anthropophagie  26,  Begräbnisse 
27,  Rache  an  Todten  27,  Stämme  der  25. 

Brackjeepkille  der  Blandass,  Malacca  848,  der 
Kuren  777,  der  Lappen  479,  litauischer 
Köpfe  776,  bei  Wei-Negem  51,  fehlt  an 
der  Guinea-Küste  57. 

BftBde  auf  schleswigschen  Häusern  409. 

BraadeBkarg  (Prov.),  Blossin  Slavengräber  849, 
Bochin,  Bronzener  Schalltrichter  853, 
Christianstadt,  Scheibennadel  584,  Gold- 
bracteat  398,  Kehrberg  262,  bronzene  Pfeil- 
spitzen 265,  Hügelgräber  262,  Funde  von 
Ketzin  457,  Klinge,  diluviales  Pflanzen- 
higer  888,  Knochen  899,  Milow  276 
Münchehofe,  ümenfeld  470,  Niederlau- 
sitzer  Funde  588,  Ossig  Eisennachbil- 
dungen von  Bronzetypen  585,  Pistervitz, 
Schaftzwingen  851,  Rosenthal  898, 
Schmöckwitz  851,  Schaftzwingen  851, 
Stöpseldeckel  von  Friedland  584,  Ümen- 
feld von  Niemaschkleba  588. 
Braadgrlkcr  slavische  715,  716,  in  Ungarn  93. 
Brandplltie  in  Brasilien  389  ff. 
Breadscklckt  in  Hügelgrab  264. 


(908) 


irtsllien,  Begräbnisse  24,  Caximbos  in  Süd- 
695,  Thongefässe  698,  Thongeschirre  339» 
Steinwaffen  339,  Steinzeitperioden  342. 

iraslUtnUche  Indianer  24,  219,  828. 

irauDschwelg,  Jadeitbeile  601. 

iremen,  Gründnng  eines  Handelsmuseams  812, 
Hexen  in  der  Umgegend  740. 

irietf,  Altmark,  römische  Funde  679. 

BriUenspIrilfD  aus  Bronze  406. 

irittech  Columbien  159,  532,  628. 

BrilUh  Museum,  metrologische  Studien  im  515. 

Britische  Inseln,  Blasehömer  856. 

Brixea,  Dreiköpfige  Figur  und  Lauben  32. 

BrsmbeereD  in  Pfahlbauten  104. 

Bronie,  Analysen  354,  Antimon  357,  Arsenik  355, 
856,  359,  stahlfarbene  356,  Zink  357,  751. 

— ,  Armring,  Kehrberg  266,  Armringe,  Gürtel, 
Knöpfe,  Nadeln,  Spiralrollen  und  -Schei- 
ben, Tutulus  n.  A.  aus  bajr.  Hügelgrab 
828,  Fibel  einfachster  Form  von  Gla- 
sinacy  Bosnien  334,  Fragment  265,  Funde 
von  Babbin,  Pommern  850,  Ehestorf  157, 
von  Tangendorf,  W.  Priegnitz  79,  Ungarn 
92,  97.  Gef&sse  von  8.  Lucia  691,  Gürtel 
von  KleinWieblitz  680,  Helm  338,  Kanne 
in  Bosnien  338,  Kessel,  Schweiz  830, 
Nachgüsse  von  Müncheberg  80,  Na(\el  in 
Hügelgrab  274,  Nadel,  Niemaschkleba 
583,  Ohrbommeln  von  Milow  277,  Opfer- 
wagen 338,  Pfeilspitzen  265,  aus  der 
Niederlausitz  588,  Platt onnadeln,  Kau- 
kasus 354. 

— ,  Ringe  mit  Knöpfen  und  Thierköpfen  aus 
Böhmen  und  Ungarn  814,  mit  Knöpfen 
und  Thierfiguren  329,  mit  menschlicher 
Figur  879,  880,  mit  angesetzten  Warzen, 
im  Prager  Museum  877. 

— ,  Schwert  aus  Hügelgrab  277,  Schmuck 
von  Alt-Storckow,  Pommern  405,  Spiral- 
röhren und  -Scheiben  aus  bayrischem 
Hügelgrab  von  Mühlthal  822,  Sporen, 
zwei  neue  aus  Pommern  591,  von  Syrakus 
410,  Thor  von  Balawat  358,  Typen  in 
Eisennachbildungen  585,  Wagen,  lausitzer 
492. 

BrtBieielt-Alterthümer  in  Westpreussen  747, 
749,  Gräber  bei  Wollin  711,  und  Hall- 
stätter  Zeit  gemischt  335,  Hügelgrab  822, 
in  Ostpreussen  759,  Schädel  824. 

Brtnieo,  alte  ägyptische  726,  von  der  kurischen 
Nehrung  759,  Schweiz  380. 

Bru4er  und  Schwester,  Indianersage  568. 

Brfinetter  Typus  in  Preussen  775. 

Brunnen,  alte,  im  Negeb  578. 

Brjvnla  als  Alraun  739,  744. 


Budapest,  Museum  für  Yölkerkmide  258. 
BAehergestbenk  des  Herrn  C.  Kunne  805,  S«>3. 

der  Frau  San. -RaÜi  Schlemm  246,  324. 

396,  576. 
Bfiffel  in  Indianersage  166. 
Bügelrlnge  aus  Ostpreussen  760. 
BuUersbaeli  J.  Mann  mit  Riesonbart-  261. 
Bnnsoh,  Kirchspl.  Albersdorf,  Holstein,  Schalt* d- 

und  Näpfchenstein  251. 
Borgen,  Gorodischtsches  423. 
Burgville  bei  Lockwitz  467,   in  WestpreDS!:^» 

178,  751. 
Borgwall   von  Borkau-Grabau    181,   bei  But^ 

Elsdorf,  Hannover  158,  von  HaidevonitTL 

im  Kreise  Wohlau  427,  bei  Lenzen,  Wt  >t- 

preusson  751,  von  Sobiensitz   184. 
Bjzaotlnlsehe  Alterthümer  415. 

C. 

CafoiM,  amerikanische  Mischlinge  2*29. 
Callfvrnlen,   durchlochte  Nadeln   aus  GräWrc 

681. 
Canalasltltn  der  Stadt  Emden,  Funde  28. 
CanaTalla-Bohne,  Hinterindien,   zur  Bereitung' 

von  Schiesspnlver  678. 
Cannlballsmas  s.  Anthropophagie. 
Caporettf  (Karfreit)  Istrien  Ausgrabungen  'M. 
Caraja-Kenle  219. 

Casekaw,  Pommern,  Skeletgrab  487. 
Castel  dei  Britti,  Italien,  Steinzcitscherben  y>- 
Castellleri  in  Bosnien  und  Dalmatien  691. 
Castellocclo  bei  Syracus,  Ausgrabungen  410. 
Cailmbas  in  Süd-Brasilien  695,  811. 
CerTos  elapbus  in  der  Steinzeit  86. 
Cbaniaeprosopen,  Haussa  50,  Keba  47,  Mandinir«» 

49,  Yoruba  56,  Wci  51. 
Cbanken,  Rom.  Castell  im  Lande    der  43i^.  in 

Schleswig-Holstein  648. 
Chemie  und  Bemsteinfrage  287. 
—  8.  Analyse. 
Chenvn,  Bestattungen  419. 
Chile,  Caximbos  695. 
Chlmalll  Stein  von  Cucmavaca  185,  136. 
Chineslseher  Einfiuss  auf  Fonnosa  810. 
Chlnaak,  der  letzte  in  Oregon  159. 
Chlnea,  amerikanische  Mischlinge  279. 
Chinas,  Schiesspulver  der  678. 
Chlvrtnidanlt- Bell   vom    Ebersberg    in  Braun- 
schweig 601. 
Chotan,  Naphritschleifcreien  692. 
ChrisilaniUdt,  Kr  Sorau,  Scheibenadcl  584. 
Chramatalagif  der  Letten,  Litauer  und  Vrensi'ü 

775. 
Chrtnaltgle   der  Grabhügclfundc  in   Buft^^'^ 

417,  der  goldnen  Schalen,  Eid-  undFinK*' 


(909) 


ringe  315,  mexikanische  156,  des  preassi- 
schen  Bornsteinhandels  81 B. 
€b«a  in  Indien  370. 
Cbafin,  Peru,  aus  Kartoffeln  248. 
€l€b«rle  in  Aegjpten  662. 

CtsBUs  rotundifolios  658. 

CItraae  (Citrus  media)  in  Aegypten  660,  661. 

€«baa  in  Guatemala,  Altcrthumer  828. 

Ct%y  Peru  247. 

CiUeda,  Sachsen,  Doppelaxt  460. 

Ciln  a.  Rh.,  Bleisarkophag  79,  Glasbechep 
röm.  79. 

CfsllD,  Pommern,  Blasehom  857,  860. 

€«UDlal-  Gesellschaften  870. 

C«aiUBlrt«  Portrait-Photogr^hicn  645. 

C«nunl88l«B  für  Erforschung  des  röm  Grenz- 
walles  28. 

C«iigrft  international  des  scicnces  geographiques 
de  Bemc  485. 

€«agrM8  der  Amerikanisten  397,  deutscher 
anthropologischer  in  Danzig  484,  Gesell- 
schaft deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 
zu  Halle  434,  internationale  871,  II.  intor- 
uationaler  für  Folk-lore  in  London  434, 
in  Moskau  23,  397,  Socidte  helvötique  des 
sciences  naturelles  zu  Freiburg  434. 

CfsstoatlBsj^l,  russ.  Institut  zur  Erforschung 
des  Orients  689. 

Ctpal  der  Ostsee  287. 

CtrnelklrBcke  (Gomus  mas.)  in  Pfahlbauten  103. 

CartadM,  Brasilien  30. 

Ctrsatrla  sjnostotisch,  an  einem  Yoruba- 
Sch&del  55. 

Cfttkoser  Kreis,  Wenden  im  322. 

Cfiiic«,  Merico,  Gott  der  184. 

CtwItchlB-ladlaner,  Sagen  628,  Sprache  auf  Van- 
couver  Inseln  160. 

COYO,  Weizen  in  Aegypten  655. 

Ctjtte,  Sage  aus  Britisch  Columbicn  536,  548. 

CrenittrlMBi  in  Hamburg  827. 

CaemiTifa,  Chimalli  Stein  135,  186. 

CbIdi,  Wcstpreussen,  Depotfund  749,  slarische 
Funde  751. 

CulBibcket  Recht  in  Ostpreussen  788. 

CBltargewIrhsf  in  Aegjpten  649. 

CflharperMen  der  Pflanzen  in  Aegypten  668. 

CuBdloMB,  philippinischer  Nationaltanz  436. 

Cj^ni,  Bernstein  fehlt  295,  Gebräuche  der 
alten  und  der  neuen  Bevölkerung  34. 

D. 

DiBMiark,  Becher  der  Steinzeit  79,  Blasehömer 
854,  voraugustinische  Münzen  227. 

DUtoekea  Haus,  das  alte  409,  in  Deutschland 
4%,  645. 


DlMBier  826. 

Dabtme,  Amazonen  64,  sogen,  in  Berlin  869, 
ethnographische  Ausstellung  66,  Körper- 
gewicht 110,  Leute  in  Berlin  113. 

Dalmatlen,  Reise  in  691. 

DaBitg,  Anthropologen -Congress  in  746,  Ein- 
ladung 325,  Generalversanmilung  577. 

DarstelloBgeB  aus  der  mykenischen  Götterwelt 
699. 

Dattelpalme,  ihr  Alter  107,  in  Aegypten  656. 

Dajakstlmme  auf  Bomeo,  Durchbohrung  der 
Eichel  351. 

Deckel  für  Gef&sse  von  Cjrpem  37,  mit  Löchern 
77, 186,  aus  Thon,  Ungarn  88,  Kehrberg276. 

DeckelstelB  für  eine  Urne  in  Steinkiste  268. 

DefamiatlfB  des  Kopfes,  künstliche  bei  Mela- 
nesien! und  Polynesien!  284,  in  alt- 
meucanischen  Bildwerken  371,  877. 

DegfBtcklacker  Heinicke  401,  869. 

Dehskark^t  der  Haut  und  Unterhaut  684. 

Deakfliller,  prähistorische  in  Westpreussen  748. 

/lintti  dftq>ixvntXXoy  531. 

DepatfoBde  von  Culm  749,  von  Island  250. 

DesebaBfalva,  Ungarn,  Kupferfunde  91. 

Deatsehe  in  Ostpreussen  767. 

Deutube  Zeitung  in  Rio  Grande  do  Sul  811. 

DratscMand,  das  dänische  Haus  in  493, 645,  Limes 
romanus  23,  871. 

DeBtscbardeBsm&Bie  187. 

Dialekte,  kurische  771. 

DIafliaBtatauk  beim  Steinschleifen  620. 

Dllaviales  Pflanzenlager  in  der  Gegend  von 
Klinge  bei  Cottbus  883. 

Dllavlale  Thiere  in  den  Höhlen  des  Harzes  351. 

DllBvialftiBd(?)  von  Grimme,  Kr.  Prenzlau  399. 

DllaTlalfaBde,  mährische  173. 

Dlpjgus  parasiticus  (Heteradelphus)  431. 

DlrwaageD,  Ostpreussen,  Hirschhomharpunen 
765. 

Discos,  Brasilien  89. 

Dlstamofli  haematobium,  african.  Parasit  30. 

Otkk  und  Bogenspanner  vom  Benu^  676. 

Daickf  der  Babas  422. 

DoUcbaeepkaleB  s.  Kebu,  Mandingo. 

Dalicliacepkalfr  Schädel  von  Mellin  680,  neo- 
liÜ!ischer  ans  Schlesien  427,  Steinzeit- 
schädel aus  Ostpreussen  754. 

DflaieB,  Verbreitung  424. 

DtBBer  imd  Blitz  als  Götter  58. 

DfBBerkdl  in  Birma  694,  in  Brasilien  698. 

DaBBeif  riester  58. 

DoBBenagel,  Indianersage  165. 

Dappdixte  aus  Bronze  und  Kupfer  457,  460, 
Herkunft  461. 

Dappelbell  als  Symbol  des  Zeus  700. 


(910) 


DtppelcoDlscbe  Urnen  761. 

Dippelgeflsse,  Ungarn  87. 

Dsppdkipfiger  Knabe  (Xjphodjmus)  245. 

Doppeltgebshrter  Steinhammer,  Ungarn.  90. 

DriebeD  und  Greifen,  Herkunft  425. 

Dracbenfels,  Pfalz ,  Inschrift  und  Zahlzeichen  464. 

Dräk,  der,  auf  Rügen  448,  454. 

Drebenstedt,  Altmark,  Hünenbett  680. 

Drecbslerirbelten  von  Cjpem  39. 

Drehbank  im  Mittelalter  619. 

Drelfossgcfiss  von  Cypem  36. 

DreikvpGge  Figur  in  Brixen  32. 

Drudeofels  im  Fichtelgebirge  717. 

DaaJIa-Kntbe  aus  dem  Oberlande  von  Kamerun 
280,  869. 

Dune,  todte  auf  der  kurischen  Nehrung  793. 

Dulgasseo,  Yerfertiger  von  Babas  422. 

Dvcbbshrung  der  Eichel  351. 

Durchlässigkeit  vorgeschichtlicher  Thongef&sse 
und  deren  hanswirthschaftliche  Verwend- 
barkeit 259. 

Darcblocbte  Nadeln  aus  Galifomien  881. 

E. 

Eberesche  in  Pfahlbauten  104. 

Edelsteine,  Schleifen  der,  im  Mittelalter  619. 

Egbi-Neger  (Yoruba)  69. 

Ebesterf,  Hannover,  Ausgrabungen  157. 

Ebreomilglleder  3,  577,  865,  866. 

Ebren-Prisident  577. 

Elogebome  der  Philippinen  436,  wilde  von 
Malacca  837. 

Elnflnss  des  Geschlechts  und  der  Rasse  auf 
die  Höhenzahl  58. 

-—  der  Gothen  in  Ostpreussen  und  Nord-Russ- 
land 425,  773. 

Elohelmlsche  Bezeichnungen  für  Haustheile  500. 

EinriehtiBg  der  Häuser  auf  Cjpem  42. 

EInielgehifle  bei  Memel  798. 

Elsenbearbeltong,  Ursprung  424. 

ElKokraat  (Verbena)  im  Aberglauben  744. 

Elsenmesser  im  Hügelgrabe  274,  Schweiz  381. 

ElseBBachblldaDgen  von  Bronzetypen  585. 

EiseDoadeln  mit  Bronzekopf  277. 

Eiserne  Waffen  in  Gräbern  der  Mongolenzeit  420. 

Elsielt,  der  Mensch  vor  der,  in  Russland  424. 

Elbetelnits,  Böhmen,  Bronzering  mit  Warzen  877. 

Elbing,  Anthropolog.  -  Cougress  746,  römische 
Funde  761. 

Elche  746,  in  der  Ibcnhorster  Forst  798,  auf 
der  kurischen  Nehrung  790. 

Elchbemlnstrnment  mit  gezähnter  Schneide  424. 

Elchkntchen  und  Geweihe  399. 

Elchreste  bei  Klinge  884. 

Elenthler  in  Indianersagen  161. 


Elfenheligerithe  von  Predmost,  Mähren  174. 

Blenslne  cMUcint  in  Acgypten  660. 

El  Hlbba,  Babylonien,  goldene  Ohrringe  531. 

Elsdorf,  Hannover,  Bnrgwall  158. 

Eltern  von  Microcephalcn  375. 

Emmer  in  Aegypten  654. 

EmpetmiB  auf  der  kurischen  Nehrung  794. 

England,  s.  Becher,  Steinzeit 

Entstebnng,  des  Feuers;  Jndiancrsage  636,  des 
Tageslichtes,  Indianersage  687. 

Epicanthns  bei  Eingeborenen  von  N.-Columbicn 
160. 

Erbll,  Mesopotamien,  Nephritring  81. 

Erdbeeren  in  Pfahlbauten  104. 

Erotische  Eigenschaften  d.  Mandragora  734. 

Erpbokreui,  Gemmen  609. 

Ertnilnneken  (Alraun)  741. 

Eua-Ladj,  Ms.  Annie  Jones  243. 

Esel,  das  Lastthier  der  alten  Aegjptcr  651. 

Eselsfeige  (Sykomore)  107. 

Etagengefisse,  Ungarn  87. 

Ethnographische  Ausstellung  aus  Dahome  G^ 
der  tschechischen  Nation  828. 

Ethnologische  africanische  Ausstellung  496, 
Gegenstände,  Malacca  172,  Untersuch- 
ungen in  Indien  83. 

Enphorbla  mauritanica  658. 

Excnrslon,  anthropologische,  nach  Saliwedel 
und  den  megalithischen  Gräbern  der  Alt- 
mark 485,  679,  870. 

ExplosiTittt  der  Canavalia-Bohne  678,  679. 

Extremitäten,  kurze  in  Brit  Columbien  159. 

Ejflndar^  isländische  Sage  251. 

F. 

Fllschnngen  von  Bronzen  80. 

Färberei  bei  den  Haussa  238. 

Fahnen,  Kriegerschmuck  in  Altmeiico  121. 

Fani,  Frauentracht  auf  499. 

Farben,  den  Himmelsrichtungen   enteprechenrf« 

in  Altmexico  116. 
Farbensinn  der  Kebu  48,  der  Wei  51. 
Famsamen  als  Zanbermittel  738. 
FfderaUon  archeologique  et  historiquc  de  Bei- 

gique  326. 
Federfkhnen  in  Altmexico  122. 
Federkrtnen  in  Mexico  119. 
Federmosalk,  Altmexico  122,  127. 
Fedf  rschlld,  altmexicanischer,  in  Anibr«  485. 
FederKbninck,   altmexican.  114,  in  Wien  141 
FederwanM,  Altmexico  127. 
Fehler  bei  Messungen  46. 
Felge  in  Aegypten  657,  ihr  Alter  108. 
Felsengebirge,  seine  Entstehung  in  Indian««««* 

165. 


J 


(»11) 


FelseBkinche  in  Pfahlbauten  102. 

FeltenktpfUld  im  Thüringerwald  723. 

FebeBiekbnuBgeB  251  ff.,  von  Vanconver  Insel  160. 

FeBfttrglHer,  geschnitzte,  auf  Cjpem  42. 

FeBstorgrüber  410. 

FeBsterarBf  Ton  Rebenstorf  679. 

Feslschfin  sur  Yirchow-Feicr  876. 

FeibeW  der  Dahome  69,  aus  Menscheneinge- 
weiden  55. 

FettschwiDiscbaf,  Fettsteissschaf  472. 

FettsteltiblldaBg  beim  Menschen  und  gewissen 
S&ugethiercn,  sowie  Fettbnckel  der  Zebu 
und  Kameele  470. 

Feaentttte  in  der  §ipka-Höhle  178. 

Feaentelo|erithe  aus  Aegypten  und  Herrn 
Flinders  Petrie's  neueste  Forschungen 
474,  Messer  von  Kahun  476,  aus  Mähren 
174,  neolithische  467,  Sp&hne  im  Hügel- 
grab 270,  Speerspitze  in  einem  Auerochsen- 
schädel 755,  Speerspitze,  Hannover  158, 
Splitter  mit  Schlagmarken  aus  Hügelgrab 
276,  Werkstätten  bei  Geissen  71,  Zähne 
an  Hirschhomharpunen  755. 

FeBentdIfB,  alte,  Ungarn  85. 

FIM,  archaische  Bronze-,  von  Sta.  Lucia  mit 
Ringen,  Pincette  und  Klapperkugeln  691, 
einfachste  Form  aus  Bronze  von  Glasinac 
384,  römische  277,  679. 

Ficktelgeblrge,  Opferaltar  721,  Steinmulden  717. 

FIcBs  carica  (Feige)  108. 

Flui  sjcomorus  (Sjkomore)  107,  657. 

Fieber  bei  den  Haussa  235. 

FlgareBgeflis  von  Coban,  Guatemala,  mit 
menschL  Finger  128. 

FIlippoBea  in  Ostpreussen  435. 

FlBger  der  Handstandartistin  196. 

FiBgerabscbBddeB,  Sitte  des  829. 

Fbcbaagel  aus  Hom  346. 

Flftcbe  in  einer  Felsenieichnung  von  Vancouver 
161. 

FUche  und  Frau,  Indianersage  640. 

FiMhceH  von  Ketzin  459. 

Flacbgriber  der  Steinzeit,  Russland  41b. 

FlufheakfirbU  als  Nutzgefäss  und  Gcfässmuster 
auf  Cypem  34. 

Flecbtirbelteo  von  Cypem  38,  Nachbildungen 
aus  Thon  38. 

—  der  Haussa  234. 

FIfBkelfli,  Rheinhessen,  Doppelaxt  460. 

Flilb,  Indianersage  638. 

Fligelfiraiige  Bronzeschmuckstücke  406. 

eiigelbaabe  und  Kopftuch  320,  324. 

Fibr,  Haus  500. 

FtraifM,  Leben  der  Wilden  810. 

FtrrtBCsc«,  Brasilien,  Steinwaffen  339. 


FräDkIscbcColonisation  und  Haustypen  in  West- 
preussen  788,  Höfe  der  Altmark  682. 

Fragarli  vesca  s.  Erdbeere. 

Frtser  River,  Sagen  159,  549. 

Frea,  die,  und  die  Fische,  Indianersage  640, 
die  todte.  Indianersage  572. 

—  bei  den  Haussa  236. 

FriaeB,  die,  der  Sterne,  Indianersage  644. 

Praaeatracbt  auf  Fanö  499. 

Frdwaldf,  Kr.  Luckau,  Steinzeitfunde  71. 

Eremde  Völker,  Vertreter  in  Europa  869. 

Fresd«rf,  Kr.  Luckau,  Steinzeitfund  71. 

FreadeBtbaler  Höhle,  Schweiz,  Kartenzeichnung 
238. 

FreiBde  der  Naturwissenschaften,  Moskau,  Ein- 
ladung zum  Congress  23. 

FrledeBfttB,  Westpreussen,  Urne  mit  Hals- 
schmuck 747. 

Frtodvliheba,  Pfalz,  Doppelaxt  460. 

Frtetlsche  Sprache  511. 

FrltieB,  Ostpreussen,  Hügelgräber  759. 

FmchtbarkeH  bärtiger  Frauen  245. 

FrachtkachfB  (Patai),  Algorrobekuchen  aus 
Salta,  Argentinien  30,  gegen  Syphilis  100. 

Frfibestes  Vorkommen  arabischer  Zahlzeichen 
in  Deutschland  464. 

Frfibrelfes  Mädchen,  Berlin  469,  860. 

Falbe-Stimni,  Afrika  231. 

FoBde  im  Bodensee  345.  von  Ossig,  Kreis 
Guben,  niederlausitzer  Eisennachbildungen 
von  Bronzetypen  585,  neue,  amZihlkanal 
329. 

Fnadtrte  von  Nephrit  692. 

FBBdstficke,  orientalische,  aus  Gold;  Wägungen 
580. 

Fast,  menschlicher,  nachgebildet  89. 

G. 

€algeBBiiDBcbeD  (Alraun)  744. 

fiiliadae,  Volksstamm  in  Ostpreussen  768. 

fiiodB,  Haussabevölkerung  228. 

fiiosfgvreB  als  Gewichte  521. 

Gtrlstsrf,  Meklenburg,  Blasehom  853. 

(itielle  S.  M.  S.  Forschungsreise  434. 

Clebick  in  Ägypten  655. 

«edichtoissfelfr  fürSchliemann  81,247,  325. 

6ediBlt  (Bernstein)  287. 

€edreb(e  Thongefässc  der  La  Tene-Zcit  381. 

Geflsse  der  Babas,  Zweck  422. 

HeheloibiBde    der   Küstenbewohner  Nordwest- 

Americas  383. 
Ciftottr  der  Todten  27. 
Matpfte  und  mit  Thicrfiguren  besetzte  Ringe 

490. 
€e!be  Augen  der  Litauer  776,  779. 


(912) 


Cldbe  opake  Perlen  400. 

deldbrenneo  bei  Arkona  455, 

Gemischte  Bestattung  bei  Indianern  Brasiliens 
24,  80. 

—  Bestattungsformen  bei  Wollin  589,  715. 

deoimea,  frühchristliche  606. 

Genertlregtsttr  über  die  ersten  20  Bände  dieser 
Verhandlungen  868. 

GeneralTersaniniloiig  der  deutschen  anthropolo- 
gischen Gesellschaft  in  Danzig  825,  897, 
488, 577,  746,  870,  des  Gesanuntvereins  der 
deutschen  Geschichts-  und  Alterthums- 
vcreine  259. 

denossiulttel,  Coca  247,  der  Haussa  288. 

Get|(mphisehe  Section  der  Gesellschaft  in  Moskau 
484. 

GetgrepheB-Cfngress,  internationaler,  Bern  28, 
485. 

Geographische  Aufstellung,  Bern  28. 

Geologea-CoBgress,  Washington  158. 

GepIdMi  772. 

Gerith,  eigenthümliches,  ron  trojanischem  Muster 
in  Sicilien  410. 

GerdaneB,  Gräber  der  Pruzzi  769. 

Gerippe  eines  Wei-Negers  52. 

— ,   eines  Xiphodjmen  866. 

GeraiaaeB  in  Os^reussen  767. 

Gerste  bei  den  alten  Ägyptern  652,  655. 

GescbeBk,  Forschungsreise  S.  M.  S.  Gazelle  484 
des  Herrn  C.  Künne  868,  von  Photo- 
graphien 848,  d.  Frau  San.-Bath  Schlemm 
324. 

Gesdfschaft,  archäologische,  Moskau  414, 
deutsche  anthropologische,  Generalver- 
sammlung 746,  Kaiserliche,  der  Freunde 
.der  Naturwissenschaften,  Anthropologie 
und  Ethnographie  in  Moskau  484 ,  natur- 
forschende, Danzig  825,  niederlausitzer 
485. 

Geslchtslfldex  bei  WestaMkanern  51,  bei  Wei  50, 

GfsIchtsoMskea  aus  Gold  580. 

— ,  papuanische  689. 

GeskhtsoMiassf  von  Westafrikanem  45. 

Gesichtstjpos,  weiblicher  der  Westafricaner  58. 

Gcsirhtsaraea  749,  im  westpreussischen  Provin- 
zial-Museum  747. 

Gestrecktes  und  gewelltes  Haar  von  Malacca  846. 

Gewerhe  der  Haussa  288. 

Gewicht,  altes  826,  in  Thiergestalt  521. 

Gewichte,  antike  515,  mit  Legenden  und  Nor- 
malbezeichnung 516. 

Gewichtssticke,  assyrische  u.  a.  mit  Thierdar- 
stellnngen  528. 

GewIchtsTcrdlcbtlge  Gegenstände  ohne  Bezeich- 
nung 519. 


GewohaheiteB,  religiöse,  Westafrika  58. 

Geselchneter  Stöpseldeckel  von  Friedland,  Kr. 
Lnbben  584. 

Glehelschfliack  litauischer  Häuser  798,  der 
schwarzorter  Häuser  796,  fehlt  an  Häusem 
mit  Vorlauben  787. 

GIcheWenlerBBgeD  409,  der  Altmark  682,  in 
Westprenssen  188. 

Glehdiler  kurischer  Häuser  790. 

Glasarmrlig)  Schweiz  880. 

Glashecher,  röm.,  von  Göln  79. 

Giasgeflsse  und  -Perlen  in  Sta.  Lucia  81,  691. 

GlaslBac,  Bronzefibel  884,  Funde  von  691. 

GlaslBdastrle  der  Fulbe  285,  in  Indien  401. 

GlasprtheB  von  Milow  277. 

Glassticke  in  Bodenseefnnden  846. 

Glanhe  der  Guaycurus,  Süd-America  25. 

Gleichseitiges  Vorkommen  des  Begrabens  and 
Verbrennens  bei  westmongolisehen  Tor- 
guten  492. 

Glessll,  fossiles  Harz,  Ostsee  287. 

Glickswunel  745. 

Gitter  und  Dämonen  der  Indianer  883. 

GiUersymhde  699. 

Gitterwelt  des  Togo-Gebietes  58. 

Gtgdaja,  Gräberfeld  von,  Kaukasus,  geknöpfter 
Bronzering  402. 

Gtldeae  Schalen  815. 

GtIdAiBde  815,  in  Italien  und  der  Schweiz 
817,  orientalische.  Wägungen  580,  prä- 
historische 286. 

Gtidperle  aus  Schlesien  426. 

GtldrlBge  815,  aus  Schlesien   426,  Ungarn  91. 

Geldspelende  Figur,  Sage  in  Brixen  88. 

GelasfB,  Kr.  Luckau,  Feuersteinwerkstätten  71. 

Geer,  Rügen,  Steine  456. 

Geredlschtsehe  von  Djakowo  bei  Moskau  und 
deren  Verhältniss  zu  den  Grabhügeln  428. 

—  am  linken  Weichselufer  428. 

Gethen  in  Nordrussland  425,  östlich  der  Weichsel 

772. 
Gethbches  Gräberfeld  von  Rondsen  778. 
GftthelteB  der  americanischen  Indianer  160. 
GrahaherlhiBm'  der  kurischen  Nehrung  771. 
Graheelse«  von  Voss  242. 
Grahflgarea  8.  Babas. 
GrthniBd  von  Sackrau  425. 
GrahhOgel  alte  und  neue  der  Botocudos  S7, 28, 

mit  Graben  28,  viereckige  28,  Ursprang 

ihrer  Grösse  27,  28. 

—  in  Bosnien  886,  der  Steinselt,  Rosslasd 

418. 
Grahhigelhnde,  Russland  417. 
GrahkaouBero,  mehrere  in  einem  Hfigel  418. 
I  Graheflsa,  Litorale,  Höhlen  der  Steiaieik  81. 


(913) 


finkteln,  tatarischer  421. 

firt^Uroeo  der  Botocudos  27,  ans  UD^am  95. 

fiiiber  der  Bronzezeit  in  Ostprenssen  760,  me- 
galithische der  Altmark  485,  679,  der 
Fmzzen  769,  der  römischen  Zeit  in  Ost- 
prenssen 780. 

firiberfeld  von  Hedingen,  Schweiz  380,  —  und 
Hügelgrab  von  Milow,  Westpriegnitz  276, 
von  Weestheeren  680,  auf  dem  Galgen- 
berge und  slavische  Grabfunde  bei  Wollin 
589,  708. 

MberfeNer  im  Kreise  Kulm  329,  der  La  Tene- 
Periode  in  Westpreussen  747,  von  St.  Lucia 
31,  691,  Istrien  31,  8t.  Veitsberg  31,  Ost- 
prenssen 760. 

GiiberftiBde,  slavische  von  Sobrigau,  Königr. 
Sachsen  465. 

CriWrstJUte,  germanische  in  Lockwitz,  Königr. 
Sachsen  466. 

GranaUprel  in  Aegjpten  108,  658. 

Graj^D  in  kurischen  Häusern  795. 

drelfen  und  Drachen,  Herkunft  425. 

€r«iifwall  (Limes),  der  römische,  in  Deutschland 
23,  871. 

€riefbeB,  Bernstein  bei   297,   Doppeläxte  461. 

firiecheobnd,  wilder  Mensch  von  Trikkala  817. 

firlecblsclie  Gefässe  in  russischen  Gräbern  419. 

CrMs-Schwediteii,  Altmark,  Schaftzwingen  aus 
Bronze  851. 

Grawe  Sitte,  Opferfest  in  Dahome  69. 

GrubeoaroameBt  73,  702. 

GBatettala,  Alterthümer  828. 

GBajcams,  Eingebome  von  Brasilien,  Be- 
gräbnisse der  24. 

Gfiiiel  aus  Bronze  823,  von  Klein- Wieblitz  680. 

GfirtelliakeB  aus  Bronze  und  Eisen  von  Milow  277. 

GoBir,  Berg,  angeblich  Nilquelle  252. 

Gorab,  Aegjpten,  Fenersteingeräthe  476. 

H. 

■aar  der  Azteken  279,  374,  eines  Dualla-Knaben 
281,  der  Eingebomen  von  Malacca  844, 
silberfarbiges  in  Griechenland  346,  der 
Wei  50. 

—  8.  Hjpertrichosis. 

lurflirW  der  Litauer  781. 

laanBeaschefl  243. 

Haarzapf  aus  einem  römischen  Bleisarkophag  in 
Cöhi  79. 

lakentelB  im  Fichtelgebirge,  Kartenstein  722. 

HaeksUberAiBde  in  Westpreussen  751. 

lillristBlBpr  258. 

lae BiatBrie  80. 

HiaptliapatedclieB  bei  brasiL  Indianern  29. 

■UytHBgtMldieB  in  Mexico  116,  117. 

Verhandi.  dtr  BtrU  Aathropol.  0«MUicbAft  1891. 


Hair,  kurisches  770,  Besuch  der  Anthropologen 
746. 

HahneDredrIge  Hühner  243. 

HaldeTarwerk,  Schlesien,  Bnrgwall  mit  Gräbern 
427. 

Hakenplatte  aus  Bronze  von  Alt-Storckow, 
Pommern  406. 

HaJbUotindlaner  in  Nordw.- America,  Körper- 
messungen 159. 

HaUsUUzelt,  Skelctfunde  in  der  Oberpfalz  359. 

— ,  Steinkistengräber  in  Westpreussen  749. 

— ,  Urnen  mit  Steingeräthen  im  Norden  478. 

HalsscbiiiBck  aus  Bronze  von  Milow  277. 

Hamburg,  Crematorium  8*27. 

Hametzen,  Geheimbund -der  Indianer  in  Nordw.- 
America  386. 

HamiteB  in  Aegjpten  652. 

Haual  Tepeh,  Troas,  Steinzeit^herben  76. 

HaBdebmus^mu,  Gründung  eines,  zu  Bremen  812. 

HaadelsTerkebr  in  der  Steinzeit  79,  93. 

HaadflswaareB  der  Haussa  236. 

Haadlauf,  Sport  des  sog.  250. 

Haadschuti  beim  Bogenspanncn  672. 

Haadspladel  von  Cjpem  41. 

HaBdataBd-KfiBstleriB  Petrescu  189,  869. 

HaBBa?er,  Anderlingen  157,  Blasehom  853, 
Burgwall  158,  Ehestorf  157,  Elsdorf  158, 
Garistorf,  Niendorf  168,  Umenfriedhof 
158,  Wittekindsburg  439. 

HarpuBeB  aus  Hom,  Ketzin  458,  459,  in  Ost- 
prenssen, mit  Feuersteinzähnen  755. 

Harz  (Gebirge),  Kartensteine  723,  Knochenfunde 
in  Höhlen  bei  Rübeland  351,  hölzernes 
Thürschloss  725. 

HanprabeB  aus  Urnen  von  S.  Lucia  und  Kar- 
freit 31. 

Hase,  Indianersage  161. 

Haas,  auf  Cypem  42. 

—  der  Haussa  232. 

— ,  das  altsächsische  389,  das  alte  dänische 
409,  das  dänische  in  Deutschland  493, 
645,  auf  Föhr  500. 

— ,  das  litauische  797,  altes  von  Hgenjan  bei 
Memel  798. 

— ,  das  ostpreussische  767,  786,  im  Kr.  Allen- 
stein  788,  der  kurischen  Fischer  auf  der 
Nehrung  790,  in  Nidden  792,  in  Schwarzort 
794. 

— ,  das  westpreussische  786,  in  Werbelin  187. 

—  farai,  älteste  auf  Alsen  410. 

—  ftraieB,  deutsche  871. 

—  (belle,  einheimische  Bezeichnungen  500. 

—  IjpeB  in  Schleswig-Holstein  648. 

HtBiaa,  ihre  Heimath  229,  verwandte  Stämme 
231. 

58 


(914) 


Hu89i-IilB4er,  Bevölkerung  ^f2Sj  geographische 
Beschaffenheit  229. 

—  -Neger,  Messung  44,  60. 

Hausthlere  in  Aegy])ten  656,  der  Hanssa  236. 

Hiotfkrbe,  Africaner  48,  49,  eines  Antillen- 
Negers  114,  derBlandass  840,  eines  Dualla- 
Knahen  280,  der  Litauer  781,  der  Man- 
dingo  49,  der  Papua  284,  der  Wei  öO, 
der  Westafricaner  52. 

Hiut-,  Haar-  und  Augenfarbe  in  Ost-  und 
Westpreussen  774. 

HaotineDKli,  der  684,  869. 

Htatverschiebung  einer  Handstandartistin  199. 

Heckniiiincheii  (Alraun)  742. 

HedlogfD,  Schweiz,  Gräberfeld  880. 

Heidflbeere  in  Pfahlbauten  104. 

Heiden  in  den  Haussaländem  285,  236. 

HeUbocIi  des  Para^elsus  408. 

fleilkuDst  der  Haussa  235. 

flelrathen  s   Hochzeit  sgebrftuche. 

HeU,  Westpr.,  die  Anthropologen  in  746,  Körper- 
heschaffenheit  der  Bewohner  775,  800. 

Helm,  griechischer,  in  Bosnien  338. 

Helme  mit  Federn  und  goldenen  Augen,  Alt- 
mexico 125. 

Henkel,  horizontal  durchbohrte  78,  homförmige 
71,  homförmige  vom  Hanai  Tepeh  76, 
mehrfach  durchlochte  in  Ostpreussen  760, 
senkrecht  durchbohrte  77,  von  Steinzeit- 
gefässen  in  Pommern  703. 

Henkelscbale  aus  Bronze  von  Mühlthal,  Ober- 
bayem  824. 

Henna  in  Aejgpten  658. 

Hwt-Cnlt  333. 

Herkunft  der  ägyptischen  Culturpflonzen  651, 
africanischer  Glasperlen  401,  der  Doppel- 
äite  461,  des  Nephrits  599,  eines  Papua- 
Knaben  284. 

Herminnshöhle  im  Harz,  Thierreste  352. 

Hermelin  in  Preussen  24. 

Herrgvttssteln  im  Fichtelgebirge  718. 

Heruler  773. 

HerithätigkeH,  unterdrückte  bei  dem  Proteus- 
meuschcn  683. 

Ufsselo  im  Kattegat,  Steinfunde  74. 

Hessen,  Flonheim  und  Mainz,  Doppeläxt^"  460. 

Hessisebe  Holzbauten  827. 

Hetrrailelpher  Inder  Laloo  428,  869. 

Heteregrnie  der  Behaanmg  243. 

Hfxeu  in  dor  Geilend  von  Bremen  740,  auf 
Rügen  448,  456. 

Hill,  de,  Theil  des  Hausbodens  494. 

Himbeere  in  Pfahlbauten  104. 

Hlmertnlbus  runcinatus  zu  magischen  Zwecken 
737. 


Himmel,  Thiere  im,  Nordw.-Americ.  Indianer- 
sage 165. 
Himmelsrichtungen    durch    verschiedene  Färb«*» 

bezeichnet  in  Alt-Mexico  116. 
Hirscbfeld  bei  Elbing,    Westpreussen,   Uir>rii- 

hornhammer  749. 
Hlrschbem-„Azt''  von  Ketzin  459. 
HIrscbbernbtrponen    mit    Fenersteinz&hnen    ir. 

Ostpreussen  755. 
HIrscbreste  in  Steinzeitansiednng  86. 
HIrscbsprttssen     als     moderne    Pferdegeschirr- 
Verzierung  407. 
Hisstrllk,     ägyptische     Knochengeräthe    412. 

archaische  Topfscherbe  812,  Photographien 

384,  469,  Stürzdcckel  77,  s.  Troja. 
Hecbicker  in  Ostpreussen  790. 
Htckstüblitt  Westpreussen,  Urnen  186. 
Htcbiellsgebriache  der  Orang  Benaa  833,  <ier 

Guaycums  25. 
— ,  ilocanische  (Philippinen)  436. 
Hocker,  liegende,  in  Ostpreussen  755,  in  Ungtm 

93,  97. 
Hsfanlage   auf  der    kurischen   Nehrung  Tt»3. 

litauische  799. 
HvheniabI  des  Körpergewichtes  der  AmasoDt'R 

und  Krieger  von  Dahome  HO. 
Höhle  bei  der  Rosstrappe  723. 
Höblen  von  Graboviua  und  von  St  Caniian  im 

Litoralc  31,  im  Harz,  Knochenfunde  351. 

mit  Kartenzeichnungen  28H,  yon  San  Sr- 

stian,  Venezuela  253. 
Hfblenbewtbner,  pr&historische,  in  Malacca83^ 
Hählenrunde  von  Kostelik  174,  Krakaa  175. 
Hvhlcelt  aus  Bronze  von  Milow  277,  mit  Oehr 

von  Ketzin  457. 
HSliernes  Thürschloss  von  Cypem  48,  ans  den« 

Harze  725. 
Hfiiteln,    Näpfchen-    und    Schalensti'in  261. 

Bunsoh  252,  Ranchh&user  494. 
Hslurbeltrn  von  Cypem  39,  der  Haassa  234. 
H«lib«fte  in  Begrfibnissen  Rnsslands  419. 
HoligrlflT  an  Bronzemesser  158. 
Hflsslehel   mit  Feuersteinzfthnen    von   Kahuii. 

Aegypton  476. 
Hf  mme  Macabre,  Protze,  Statue  etc.  682. 
Höpctscbls&'th-Indlaner,  Vancouver  160. 
Htrnartige  Ans&tze  an  Gefasseu  748. 
HtrnfSrmlge  durchbohrte  Henkel  71. 
Htm-  und  Knochengeräthe,  Bodensee  S4.'v 
—  s.  Harpune,  Hirsch,  Ketzin. 
Hortdjseie,  s.  Gorodischtache. 
HsttenUtten-Welber,  Fettsteisse  der  470. 
Hradiäte  von  Stradonic,   Böhmen,  Bronseriiur 

mit  Warzen. 
HAgeigrab  zu  Milow  276,  der  ftlteren  BruiueK-it 


(916) 


bei  Mühlthal,  Oberbayern  822,  der  Stein- 
zeit bei  Wiskianten,  Ostprenssen  753, 
ohne  Urne  268. 

Ifigelgriber  bei  Ehestorf  157,  Kehrberg,  Ost- 
priegnitz  262,  Leetze,  Altmark  682,  in  Ost- 
prenssen 759,  bei  Wollin,  Pommern  709. 

—  der  Botocudos  27,  in  Istrien  31. 

Hfikaer,  hahnenfedrige  243. 

lailtdi,  Grotte  im  Thüringer  Walde  724. 

Ifioeobetteo  der  Altmark  680. 

Hinde,  von  Hametzen  gebissen  391. 

HundMieosrheB  243. 

lj4rogra|»hlMhes  Amt,  kaiserliches.  Werk  über 
die  Forschungsreise  der  Gazelle  434. 

Hj|^rchaioteprM«ple  eines  Doalla-Kuaben  281. 

HjfertrkhMls,  partieUe  bei  Indianern  160,  uni- 
rersalis  243. 

Hjphaeie  thebaica,  Dnmpalme  107. 

HjpDftitaiis  mit  Neigung  znr  Snggcntion  bei 
der  Lattahkrankheit,  Malacca  859. 

Hjpslbracbjcephale  Schädel  von  Staufersbach, 
OberpfaJz  864,  von  Sillmenau  Schlesien 
427,  von  Winterthur,  Schweiz  382. 

Hjpslbrachjcffbille  eines  Dualla-Knaben  281. 

Hjpsidelkef  haier  Slavenschftdel  vonßlossin  349. 

IjptIkoBcble  der  Wei  63. 

HjptlMMocepliiler  Schädel  von  Ketzin  462. 

I. 

Ibori  bei  Driburg,  Befestigung  249. 

ligepjaa  bei  Memel,  altes  litauisches  Haus  798. 

111m  8.  Hissarlik,  Troja. 

ntetflltcker  Hochzeitsgebrauch,  Philippinen  436. 

Impltitttioo,   äussere,   eines   in   seinen  Haupt- 

theilen  defecten  parasitären  Zwillings  429. 
Inder  Laloo,  Heteradclph  428. 
lodlaaer  im  nördl.  Golumbien,  Aehnlichkeit  und 

Unterschiede    von   ostiisiat  Völkern  160, 

Kootenaj  161,  -Sagen  532. 
—  Bacahins,    Banihao,   Parasis,   Puris    28, 

Ooroados  80,  brasilianische  828. 
Indltalacke  Kriegskeule  eines  Garaja,  Brasilien 

219. 
Indicei  von  Negerschädeln  67,  von  Spandauer 

Schädeln  822,  ron  Letten  und  Litauern 

782,  von  Westafricanem  47,  56,  von  Blan- 

dass  843. 
Indlea,  Ost-,  ethnologische  Untersuchungen  88, 

Perlen  aus,  in  Aürica  401. 
Indlgt  in  Aegypten  660. 
Indltcfce  Naturkarte  ron  Ava  720. 
lodostrie  der  Haussa  283. 
laüaeBM  in  Birma  695. 
lagracpiHB  =  Botocudos  25. 
IiknatiMilcr  präh.  GongroM  in  Moskau  397. 


Iris  (Auge)  der  Litauer  776. 

—  florcntina  in  Aegypten  65S. 
Isehlsptgle  369. 

Isliad,  Depotfunde   251,    Handlauf,   Todten- 

bestattung  250. 
Itillea,    Bernstein  289,   297,    prähistorischer 

Bernstein  in  Sicilien  690,  Gold  317,  Siegel, 

Radsporen,  Monza  219. 

J. 

Jidell  in  der  Nekropole  von  Plemmirio,  Si- 
cilien 410. 

—  belle  aus  Braunschweig  COl. 

Jagor,  F.,  Brief  aus  Rangun  433,  Roisebericht 
325,  807. 

Jtbresberiebt  des  Westfäl.  Vereins  157. 

Jabresuhl  in  arabischen  Zahlzeichen  an  einem 
schweizer  Bauernhaus  465,  im  Drachenfels, 
Rheinpfalz  464. 

JakuB  (Djakun),  Malacca  831,  840  ff. 

Java,  Photographien  33,  HO. 

Jill,  de,  Theil  des  Hausbodens  497. 

JsbanBlsbrtibanin  in  Aegypten  Go7. 

Jones,  Annie,  bärtige  Dame  243. 

iSlTy  Gerste  im  alten  Aegypten  655. 

Jabllleo  867,  des  Alt«rthumsvereins  der  Rhein- 
lande, Bonn  689,  Beyrich  433,  Hauche- 
come  325,  W.  Schwartz  867,  R.  Virchow 
867,  875. 

Jnbllinm  der  russischen  archäol.  Gesellschaft  415. 

K. 

Kabüidfrf,  Kr.  Luckau,  Steinzeitfund  71. 

Rahoo,  Aegypten,  Feuersteingeräthe  476. 

lalter  von  Brasilien  f  866. 

Kalender,  zapotekischer  156. 

Kalk  beim  Goca-Kauen  248. 

K*a1k*alf-Itl,  Nordw.-Americ.  Indianersage  640. 

Kamb«4Ja,  Photographien  746. 

KilH,  altes  Gebäck  in  Aegypten  655. 

Kamrele,  Fettbuckel  der  470,  473. 

Kanemn,  Dualla-Knabe  280. 

KaaaaolUscbe  Gräber,  Bernstein  295. 

Kaninchen,  Sage  542. 

Karfrelt  (Gaporetto),  Litorale,  Gräberfeld  mit 
Umenharz  31. 

Kartenblittcbeo  aus  der  Thaynger  Höhle  719. 

Karteaiekbnangen,  vorgeschichtliche  237. 

KarUieln  in  Bolivien  und  Peru  247. 

Kanrelten,  kurische  Nehrung  793. 

KatakfOibenartlfe  Gräber,  Russland  420. 

KatarrUae  Bildung  bei  einem  Toruba  56. 

Kaikasni,  Bronzeanalysen  354,  Doppeläxte  461, 
Funde  in  Moskau  416,  Oogdiga,  Gräber- 
feld von  492,  von  Koban  490. 

68* 


(916) 


Kaukasus,  Gräberfelder  und  deren  Beziehungen 

zum  Westen  424. 
Kautschuk- Ardsdu  189. 
Kebu-Nfger,  Togo,  Messungen  45,  47. 
Kfhrberg,  Ostpriegnitz,  Hügelgräber  262. 
Keillnsckriften  vom  Van- See  810. 
Kelch  (Kylix),  apulischer,  von  Santa  Lucia  691. 
Kelle,  gezahnte,  zur  Wandverzierung  426. 
Keuaboy,  Malacca  831,  841. 
Kephalonle   eines  Gräberschädels   von   Hohen- 

büchel,  Oberpfalz  363. 
Keramik  von  Mykenae  410. 
Kerauilsehe  Sammlung  von  der  Kurischen  Neh- 

nmg  755. 
Kereksiiren,   Steingräber  in  der  Mongolei  und 

Sibirien  421. 
Kesselgriber  von  Werschetz,  Ungarn  93,  94. 
Kesselhakeo  in  kurischen  Häusern  792. 
Kettengebange,  La  Tene-Zeit  330. 
Ketten-  und  Bindfadenomament  748. 
Ketzln,  Brandenburg,  prähistor.  Funde  457. 
Keule  eines  Caraya-Häuptlings  219. 
Keulenkapfe  ans  Stein  von  Rossen  850. 
Keulenknopf  oder  Geisseiknopf  aus  Bronze  von 

Latdorf  S49. 
Kidonen  und  Uiguren,   Verfertiger   der  Babas 

422. 
Kiew,  Kurgane  418. 
Klodersplelieug  aus  Torgau  278. 
KIrcb-Bercheo,  Befestigung  249. 
Kirchengeräth,     frühchristliches,     Roggenkom- 

gemmen  606. 
Kirchheim  a.  Eck,  Rheinpfalz,  Sturzdeckel  77. 
Kirgisen,  Bestattungssitte  423. 
Kirsche  in  Pfahlbauten  100. 
Kistengriber,  Casekow,  Pommern  487. 
Klafterwelte  der  Eingebomen  von  Malacca  842. 

von  Westafrikanem  45. 
Klassenelntheilung  der  Guaycurus  25. 
Klee  in  Aegypten  666. 
Kleidung  der  Haussa  236. 
Kleln-Pepo,   Neger    in    Berlin    113,     Seelen- 
Wanderung  59. 
Klein  Wieblitz,  Altmark,  Bronzegürtel  680. 
Klemmen,  Kr.  Cammin,  Steinzeitfund  71. 
Klete,  kurisches  Vorrathshaus  795,  797,  798. 
Klima,  Empfindlichkeit  von  Pflanzen  gegen  248. 
Klinge,  Brandenburg,  diluviales  Pflanzenlager 

883. 
KUwe  im  Dänischen  Haus  409. 
Knabe,  der,  und  die  Sonne,  Sage  548,  der  ver- 
lassene. Indianersage  Nordw. -America 534. 
Koabeo,  die,  und  der  Wal,  Indianersage  633. 
Knocheo,  bearbeitete,  und  Geweihstücke  aus 
Grimme,  Kreis  Prenzlau  399. 


Knachenhau,  Anomalien  an   einem  Wei-Skelet 
53. 

Kuocbenfunde  in  den  Höhlen  bei  RübeUnd  im 
Harz  351. 

Knacheogerithe,  ägyptische,  aus  alten  Gräbern 
von  Syracus  410. 

Knochenplitteheo  mit  Karten  720. 

Koachen-  und  Hirschhomgeräthe  in  der  stein- 
zeitlichen Ansiedelung  von  Werschetz  90. 

Kobau,  Gräberfeld,  Kaukasus  498. 

Kochen  der  Indianer  an  der  Nordwestküste 
Americas  395. 

Kockäfen  aus  Thon,  Troas  76. 

Königliche  Konstsammlungen,  amtliche  Berichte 
23. 

KöDlgsaue  bei  Ascherslebeu,  Steinzeitfonde  75. 

Königsberg,  Anthropologen-Congress  746,  Museen 
752. 

Konigskrooe,  mexicanische  120. 

Kipfe,  präparirte,  Botocudos  27. 

Körperbeschaffeoheit  einer  Handstandartistin  190. 

Kvrperelgenschaften  der  Botocudos  25. 

Korpergrösse  (Höhe)  der  Litauer  und  Euren 
782,  der  Eingebomen  von  Malacca  842, 
der  Wei  58,  von  Westafricanem  45. 

Körpermaasse  der  Bewohner  von  Heia  775,  800, 
von  Arbeitern  in  Palmnicken  800,  der 
Lappen  479,  eines  Samländers  776,  von 
Bewohnern  der  pacifischen  Küste  159. 

Körpertheilf  als  Fetische  55. 

Kohle  in  Hügelgräbern  264,  276. 

Kolaouss  als  Genussmittel  233. 

Kolakasla  in  Aegypten  657. 

Kooteoaj,  Sagen  der  161. 

Kopflndez  s.  Indices. 

Ktpflrachteo,  weibliche  354. 

Kopftuch  320,  324. 

Korbgeflecht  als  Sarg  578. 

Korn  in  Aegypten  654. 

Korro-Neger  der  Hauasaländer  236. 

Kostelik,  Mähren,  Höhlenfunde  174. 

Krakau,  Höhlenfunde  175. 

Krans-  und  Gez-Stämme  der  Botocudos  25. 

Kraoiit  =  Bernstein  287. 

Kraninaht,  synostotisch  56. 

Kreui  als  Giebelzier  188. 

Krieg,  der,  mit  dem  Himmel,  Sage  548. 

KriegerkleNuig,  altmexicanische  115. 

Krlegsgeraogeue  der  Botocndos  27. 

Kriegskenle,  indianische  219. 

Kriegstracht   der  Könige,    Altmexico   125,  1»V 
132. 

Kroomen  65. 

Kttcheoabrille  in  Hesselö  74,  in  Ungini  85. 

KflBBel  in  Aegypten  662. 


(917) 


Kfiiilsgffässe  aus  Thon  nachgebildet,  Cjpern  34, 

36. 
KfistfogeMet  der  Ostsee,  Münzen  aas  der  Zeit 

vor  Kaiser  Augustus  223. 
Kuln,  Gräberfelder  im  Kreise  329. 
EoIdi,  Höhlenfunde  175. 
Kulturell,  asiatische,  in  russischen  Alterthümem 

422. 
Kunstfertigkeit  der  Dahome  66. 
Kunstgewerbe- Huseuui,   Berlin.    Baseler   Krug, 

Gemmen    60B,   Kusstafel,   Gemme   611. 

Wien,  Herme  des  heiligen  Blasius,  Gemme 

610. 
Kupfer  beim  Steinschleifen  619,  621. 
Kupfer-Df  ppelate  460. 

Knpferfunde,  Kaukasus  866,  Ungarn  91,  92. 
Kuren,  abergläubische  409. 
Kuren,  Letten  und  Liven  770,  Körpermaasse 

777,  801. 
Kurgtne,  ihr  Bau  418. 
Kurische  Nehrung,  keramische  Sammlung  756. 

—  Sprache  771. 
Kurtecbcs  Haff  s.  Haff. 

Kurnab,    Aegypten,    horizontal    durchbohrte 

Henkel  78. 
Kussttfel  Gemme  611. 

L. 

Lact ndenes,  centralamerikanische  Indianer  828. 
LacksOscher,  nordw.  american.  Sage  544. 
Lake  Dwellings  of  Europe  80. 
Lamkelng,  Schweiz,  Kartenstein  240. 
Ungenau,    Schlesien,    dolichocephaler     neoli- 

thischer  Schädel  427. 
Landkarte,  hinterindische  720,  der  Tupajas720, 

von  Thajngen  719. 
Landkartenstein    von    S.   Sebastian,   Venezuela 

253. 
Landkartenstfln-Thetrie,  251. 
Landkartensteine,  ihre  Bedeutung  255, 
Lanienspttien  aus  Eisen,  La  Tene-Zcit  8^K). 
Lappen,  Vorstellung  in  Berlin  478,  869. 
Latdf rf,  Anhalt,  Trompetenmundstück  848. 
La  Tene-Funde  von  Milow  277,   von  Port  am 

Zihlkanal,  Schweiz  330,  380. 

—  Gräberfeld  bei  Rondsen  778. 

—  Periode,  Bronzeringe  mit  Knöpfen  814,  aus 

Böhmen  und  Ungern  877. 

in  Westpreussen  747,  773. 

in  Ostpreussen  760,  Skeletfunde  359. 

Lattah-KiadLhfit  in  Malacca  838. 

LatUcb  in  Aegjpten  662. 

Lauken  in  Brixen  32,  an   kurischen  Vorraths- 

häusem  795,  s.  Vorlauben. 
Laukengäage  in  Marienbnrg  786. 


Lausitz,  Steinzeit  71. 

Leder  an  Bronze  158. 

Lederindustrie  der  Haussa  284. 

Legenden  auf  Gewichten  516. 

Lebukettung  von  Steinkistenböden  264,  267, 
268,  272. 

Lebniflgur,  Teufel  im  Togog«biet  59. 

Lehinumbillung  einer  Leiche  im  Negeb  578. 

Leicbenbrand  in  hannöv.  Gräbern  158. 

Leicbenbrandgriber,  slavische  bei  Wollin  589. 

Leiebenreden  der  brasilian.  Indianer  29. 

Lein  in  Aegypten  654. 

Lengyel,  Ungarn,  Sturzdeckel  77. 

Lenzen,  Westpreussen,  Burgwall  751,  Vor- 
laubenhäuser 787. 

Leptepresople  der  Wei  51,  53. 

Letten,  Kuren  und  Liven  770. 

—  und  Litauer,  Verwandte  der  Acstier  769. 

Lettlsebe  Gräber  in  Ostpreussen  763. 

Ucbtknecktibnllcbe  Bronzen  847. 

Liegende  Hocker,  Ostpreussen  754,  in  Ungarn 
98,  97. 

Ligen,  Schweiz,  Höhle  mit  Kartenzeichnung 
240. 

Limes  romanus  23,  871. 

Llmene  in  Aegjpten  660. 

Linaria  odora  auf  der  Kurischen  Nehrung  790, 
794. 

LingulsUk  872. 

LInnaea  borcalis  in  Schwarzort  794. 

Linse  in  Aegypten  658. 

LIppfwaner,  Die  ostpreussischen  434. 

LIppuscb  Papiermühle,  Schlossberg,  West- 
preussen 188. 

Litauer  in  Ostpreussen  767,  blonder  Typus  780, 
Gebiet  der  769,  Iris  776,  Körpermaasse 
803. 

LlUulscbe  Häuser  797. 

Literale  s.  Karfreit,  Santa  Lucia. 

Little  Popo*  Leute  in  Berlin  113. 

LItuus,  Blasehom  aus  Bronze  von  Hannover  857. 

LIfland,  voraugusteische  Münzen  224. 

Lku'ngEo,  Sagen  der  643. 

Ucbornament  71,  78,  703. 

Lfckwits,  Kgr.  Sachsen,  Burgwälle  467,  ger- 
manische Gräberstätte  466. 

LSbarten,  Körpermaasse  von  Litauern  803. 

LSwen  und  Statuen  in  Süd-Russland  421. 

Liwendarstellung  auf  trojanischer  Topfscherbe 
812. 

Lewenkepf  als  Gewicht  521. 

Lewentktr  von  Mykenae  701. 

Lucks,  der,  und  das  Mädchen,  Sage  540. 

LucIa  8.  Santa  Lucia. 

LAbguit,  Pommern,  Bronzesporn  594. 


(918) 


LObilD,  Meklenburg,  Blasehorn  aus  Bronze  858. 

Luinine,  die,  Sage  546. 

Loierne  in  Aegypten  658. 

LoMo,  Atas  436,  Mochzeitsbrauch  436. 

M. 

Maassbucher,  anthroj^ologische,  praktische  44. 

IHaassf,  der  Azteken  372,  bayrischer  Schädel 
365,  eines  Dualla  •  Knaben  281,  einer 
Handstandartistin  196,  von  Lappen  479,  von 
Negeb-Schädeln582,  neolithischer  Schädel 
468,  schlesischer  Schädel  427,  slavischer 
Schädel  von  Wollin  591,  705,  Steinzeit- 
schädel von  Oberfier  489. 

Mlandenirnfn  von  Rebenstorf  679. 

lideben,  frühreifes,  von  Berlin  469. 

Mibgerithe  auf  Fanö  499. 

MIhrea,  Becher  der  Steinzeit  79,  Bernstein  808, 
Dilnvialfunde  178,  senkrecht  durchbohrter 
Henkel  77,  Höhlenfunde  174,  Kostelik  174, 
Predmost  174,  Ptin,  Bemsteinperlen  880, 
Bronzeringe  878,  Renthiergeweih  174, 
äipka-Höhle  177. 

Hablsteln  als  Schlussstein  einer  Steinkiste  268, 
267. 

Mainz,  Doppelaxt  460. 

Halarca,  wilde  Eingeborene  837,  ethnologische 
Gegenstände  17*2,  Lattah-Krankheit  838, 
Messungen  an  Eingeborenen  839,  Reisen 
des  Herrn  Yaughan  Stevens  829,  Sitten 
der  Orang  Bgnüa  833,  Steingeräthe  695. 

Malaria  im  Haussalande  235,  in  Formosa  810. 

Maixe,  Gebiet  der  Wenden  821. 

MaiDinutbrlppeD,  verzierte,  von  Predmost  175. 

Mandingo-Nfger,  Messungen  45,  49. 

Mandragora»,  726,  nachträgliche  Mittheilungen 
890. 

Mann  mit  Riesenbart  261. 

— ,  der,  und  der  Wal,  nordwest-american.  In- 
dianersage 637. 

Mannbelm,  Alterthumsverein  409. 

Hantra  (Mintra),  Malacca  831,  841. 

Mär,  der,  auf  Rügen  448. 

M&brrlden  auf  Rügen  453. 

Marbas  -  Orang  Utan  836. 

Martenborg,   Anthropologen  -  Oongress   in   746. 

—  Laubengänge  786. 
ffiaraball-lnsfln  485. 

Masken  der  Nordw.-Amer.  Indianer  384. 

—  goldene,  in  Assyrien  und  Troja  531. 
Massengrab  der  Hallstattzeit  in  Kehrberg  270. 
Massengriber  der  Steinzeit,  Russland  418. 
Mastspitienscbiniiek  kurischer  Segelboote  792. 
Masoren  762,  Baba  764,  Pfahlbauten  24,  764. 


Matebelen,  Photographien  881. 

Maulbeerbaum  in  Aegypten  660. 

Maos,  Indianersage  576. 

Mbaui-Fluss,  Kamerun  280. 

Megalltblscbe   Gräber   der   Altmark    158,    485. 

679,  in  Polen  749. 
HegalKhiscbes  Denkmal  mit  iSäpfchensteiB   bei 

Bunsoh  252. 

—  Gebiet  der  westlichen  Altmark  680. 
Hegara  Hyblaea,  Sicilien,  Schädel  413. 
Mebibeere  (Pyrus  aria)  in  Pfahlbauten  100. 
Meilen,  Schweiz,  Steinzeitfunde  75. 

Melssel  aus  Stein,  Ungarn  90. 

Meklenburg,   liübzin,  Blasehorn  853,  Teterov, 

Blasehorn  853,  Wismar,  Bronzebeschlft^e 

eines  Blasehoms  853. 
— ,  Toraugusteische  Münzen  227. 
Melanesier  in  Berlin  869. 
Melllll  bei  Syracus,  Ausgrabungen  410. 
Mellenau,  Depotfunde  251. 
Mende-Neger,  Messungen  45. 
MEnmä'ntauk',  Indianersagen  648. 
Mensch,  wilder,  in  Trikkala,  Thessalien  M7. 
MensdienflelschschniaMa  284. 
Menschenfimser  bei  Herodot  425,  s.  Anthropo- 
phagie. 
Menscbentpfer  in  Bronzezeitgrab  (?)  von  Mühl- 

thal,  Oberbayem  824,  in  Dahome  67,  bei 

den  Wotjaken  425. 
Hensebensparen  in  Harzhöhlen  854. 
Menschlicbe    Figuren,    Zeichnungen    auf   oct- 

preussischen  Urnen  761. 
Menscbllcher  Finger  in  einem  Gefäfis  von  Coban, 

Guatemala  829. 
Mentha  in  Aegypten  666. 
Merkmale  zur  chronologischen  Unterscheidmig 

der  Thongefässe  78. 
Merseburg,  homformiger  Henkel  77. 
Meiifcephaler  Schädel,  Bayern  868,  Schweiz  38:^. 
Mesocepballe  bei  Adeli  und  Aposso,  48,  in  British 

Columbien  159,  bei  West -Africanem  51. 
Mesedollcbocepbaler  Schädel  aus  dem  Negeb  5tO. 
Mesaktnchle  der  Yoruba  56. 
Mes«rrblnle  der  Wei  58. 
Messungen  an  Eingeborenen  von  Malace«  889, 

an  West-Africanem  45,  von  Dr.  L.  Wolf  58« 

8.  Maasse. 
Metalliplf gel ,   alte   chinesische  806,   aus   dem 

Kaukasus  808. 
Metrtlfglsche  Forschung  414. 

—  Studien  im  British  Museum  515. 
Mextcanitcbe  Chronologie  mit  besonderer  Be- 

rücksichtigun^'    des    zapotekischen     Ka- 
lenders 156. 


(919) 


Heilet,  KriegerkleiduDg  115,  Rangabzeichen 
114,  Tribatlisten  116,  s.  Federschmnck, 
SonnensteiD. 

MIcrtcefhale  weibliche,  auf  Tenerifa  812,  s 
Azt^en 

MIcrtcephille  bei  einem  Negerknaben  373. 

Mlkresktpische  Untersuchung,  von  Distomum 
haematobium  30,  Nephrit  598. 

Hilow,  Westpriegnitz,  Gräberfeld  und  Hügel- 
grab 276. 

Mluttstps  in  Aegjpten  657. 

IliidfB,  Dom  zu,  Gemmen  606,  611. 

Ilradai,  Westpreussen,  Münzen  187. 

miscbllufe  verschiedener  Yölkerst&mmc  in  Ma- 
lacca  838. 

Mlsckaog  verschiedener  ethnischer  Elemente  in 
Ost-  und  Westpreussen  774. 

Mitglieder  der  Gesellschaft,  correspondirende  3, 
167,  397,  484,  677,  865,  866,  867. 

-,  Ehren-  677,  865,  8Ö6. 

— ,  lebenslängliche  577. 

— ,  letztverstorbene  688,  867. 

— ,  neue  81,  157,  325,  397,  433,  677,  688,  807, 
876. 

— ,  ordentliche  3,  6,  867. 

llttelilter,  Drehbank  619,  Schleifen  und  Bohren 
der  Edelsteine  619. 

littfldeatscUtnd,  Becher  der  Steinzeit  79. 

MlttelnieerllBder,  Bernstein  296. 

IfbB  in  Aegypten  665. 

Mebrhirse  in  Aegypt^n  654. 

iHvbiriibe  in  Aegypt^n  662. 

Iflocken,  Photographien  348. 

If  BgtleMelt,  Gräber  der  420. 

Aend,  der,  in  Indianersage  160,  546,  und 
Sonne,  Indianersage  659. 

leBstfosItiteB,  in  Berlin  zur  Schau  gestellt  869. 

HfBteBegrt,  Reise  in  691. 

MeBM,  Dom,  Relief  mit  Radsporen  219. 

leer  bei  Brüssow,  Pommern,  neolithisches 
Grab  467. 

■otrftiBd  menschlicher  Gebeine,  von  Spandau 
818. 

Xetcbusrattf,  Sage  642. 

■tskaa,  Archäologen-Congress414,  Gesellschaft 
der  Freunde  des  Naturwissenschaften  434, 
historisches  Museum  415,  Internationaler 
Oongress  für  Anthropologie,  prÄh.  Archäo- 
logie und  Zoologie  1892,  2^  397,  kaiserl. 
archäolog.  Geselbchaft  689,  Kaukasus- 
funde 416,  vorgeschichtliche  Alterthümer 
416. 

MetecBk^ema  als  Xipe  135,  136. 

■ibhbal,  Bayern,  Hügelgrab  832. 

liBcbebffe,  Kreis  Nieder-Bamim,  Umenfeld470. 


BlfiBster,  Westfalen.  Mauritzkirche,  Erphokreuz, 
Gemme  609. 

MÜBie  im  Munde  eines  Slavenschädels  349, 
350. 

MOBien  aus  der  Zeit  der  Antonine  in  russischen 
Burgbergen  423,  aus  der  Zeit  vor  Kaiser 
Augustus  223,  brandenburg.  und  Deutsch- 
ordens- in  Miradau  187,  in  Kurganen  424, 
tatarische  in  Mongolengräbem  421. 

MünisamnifaBg  in  Barenau  237. 

Mfitiendeckel  750. 

MfitieaurneB  750. 

HfllBba-Neiier,  Maassc  44. 

naBltlum.  Römisches  Castell  in  Hannover  438. 

MareitBB-Goslin,  Posen,  Bronzeschmuck  407. 

Masee  archeologico  nazionale  in  Syracns  410. 

Hasen  nacionale  in  Rio  de  Janeiro  157. 

llo8eoB^  Britisches,  metrologische  Studien  515. 
Danzig  747,  Elbing  749,  Handels-,  zu 
Bremen  812,  historisches  in  Moskau  415, 
Königsberg  747,  752,  in  Scrajewo 
691,  Thom  767,  für  Völkerkunde,  Berlin 
vorgeschichtliche  Abtheilung  28,  für 
Völkerkunde,  Budapest  258,  Wiesbaden 
490. 

Huskan,  Wenden  um  322. 

Hoskel-KaBsUer  684. 

IHaskelstirre  683. 

MaskalatBr  der  Handstandartistin  191. 

HjkeBae,  Darstellungen  aus  der  Götterwelt 
699,  Keramik  und  Ornament  410,  Königs- 
gräber 602,  Palladium  608,  Tempelbild 
602. 

N. 

NichblldBBg  der  Berner  Elfenbeinkanne  669. 

NaebblldBRgen  des  menschlichen  Fusses,  Stein- 
zeit 89,  thöneme,  von  Kürbisgefässen  34, 
36. 

Nacbrkbtefl  über  deutsche  Alterthumskunde  808. 

Nicbtigal,  Dr.,  Denkmäler  des  484,  870,  in 
Stendal  469. 

Nacbljäger,  der,  auf  Rügen  450. 

Nadel,  eiserne  mit  Bronscknopf  von  Milow  277. 

NadelB,  durchlochte  aus  Califomien  881. 

Nipfeben  auf  einem  Hünendeckstein  von  Stöck- 
heim, Altmark  680. 

NIpfebenstelB  in  Holstein  251. 

NabniBg  der  Guaycurus  24. 

NabrBBgUBlttel  der  Hanssa  236,  auf  Reisen  30. 

NaBBtepbalie  371. 

Nase  der  Blandass  840,  eines  Dnalla-Knaben  281 . 

NaseBladez  der  Kuren  und  Litauer  783. 

NaseBBMasse  von  Westafrikanem  45. 

Natfenal-lloteBBi,  deutsches,  zu  Berlin  326,  873. 


(920) 


Natlonaltani,  philippinischer  436. 
Nitnrrdlker,  Vertreter  in  Europa  869. 
Nanalock  (Nawalock),   Geistertanz,    Nordwest- 

America  386. 
Nrgeb,  sudl.  v.  Palästina,  Beduinen  578,  Heise 

nach    dem  490,  578,  Schädel  490,  578. 
Neger  von  der  Westküste  Africas  869. 
Negrites  auf  Luzon  436,  in  Malacca  829,  nicht 

angetroffen  von  Y.  Stevens  in  Malacca  888. 
Nehrung  s.  kurische. 
Nekropoleo,  sicilische  690. 
NeluinbtuiD  speciosum  in  Acgjpten  659. 
Neoltihtsche  Gefässe  aus  Hügelgräbern  759,  Zeit 

in  Westpreussen  748. 

—  freiliegende  Skeletgräher   von  Glasow   bei 

Löcknitz,  Pommern  467. 

Neollthischer  Schädel  von  Langenau,  Schlesien 
427. 

Neolithische:»  Grab,  Moor  bei  Brüssow,  Pommern 
467. 

Nephrit  410,  -Artefacte,  Herkunft  599,  seine 
Bearbeitung  693,  Beil  aus  der  Gegend 
von  Ohlau  (Schlesien)  506,  Geräthe,  Ver- 
breitung 424,  Bräche  von  Schachidula 
und  Schleifereien  von  Chotan  692,  Ring 
zum  Bogenspannen,  Mesopotamien  81. 

Ners,  der,  nordwest-americ.  Indianersage  170, 
575. 

Neo-Brilaniiieu,  Papua-Knaben  283. 

Neo-Guinea  Compagnie  870. 

Neu-Lobili,  Pommern,  Bronzeschmuck  407. 

Neustadt,  Wenden  um  828. 

Nickel»dorf,Kr.  Allenstein,  Alt}ierthümer766,788. 

Nidden,  kurische  Nehrung,  Häuser  790. 

—  Körpermaavsso  von  Kuren  801. 
Nlederlau&tti,  vorslavische  Funde  583,    Wenden 

in  der  319,  s.  Klinge,  Lausitz. 
Niederlaositier   (icsellschaft  für  Anthropologie 

und  Urgeschichte  485. 
^leuiaschkleba,  Nied.-Lausitz.  Umenfeld  583. 
Ntendorf,  Hannover,  Hügelgrab  158. 
NIeps,  Altmark,  Hünenbett  680. 
Niger-Fluss  229. 
Nilkarle,  africanische  252. 
Noolka*liidlaner  auf  Vanconver-Insel  160. 
Nupe-Stauitti,  Africa  231. 

O. 

Obelisk  mit  RuntMi  in  Russland  421. 

Oberarm knohen,  verletzter  aus  einem  Hügelgrab e 

von  Parsberg,  Oberpfalz  300. 
Oberfier,  Pommern,  Skeletgräher  488. 
Oberlausilzer    Gesellschaft    für    Anthropologie 

und  Urgeschichte,  Hauptversammlung  in 

Görlitz  689. 


Oberpfali,  Hügelgräber  859. 

Obliwlti,  Pommern,  Bronzespom  593. 

Obmaun  des  Ausschusses  247. 

ObsUrleii  der  alten  Welt  97,  ihre  Heimath  9-, 

ihr  Alter  98,  Züchtung  109. 
Oca  (Oxalis)  248. 
Oelbauiu,  Alter  des  105. 
Ohlau,  Schlesien,  Nephritbeil  596. 
Ohrboauneln,  Bronze,  vonMilow  277. 
Ohreo-  und  Mützenurnen  750. 
Ohrhüheolndex  bei  Westafricanem  51. 
Ohrringe,  goldene  von  El  Hibba  und  Warka  531. 
Olbia,  Wappen  von,  auf  Ziegeln  420. 
Opferaltar  718,  am  Girgelstein  721. 
Opferuinideii  im  Fichtelgebirge  717. 
Opferwagen,  Bronze,  in  Bosnien  838. 
Orang  Benüa,  Sitten  der,  in  Malacca  833. 

—  Utan  (Affe),  831  Alter  des  Namens  S3T. 

—  Utan   (Hutan),  Eingebome    Ton   Malar^-j« 

831,  834. 
Orange  in  Aegypten  660. 
Oregon  119. 
Orient,  Erscheinen  des  Bernsteins  im  293. 

—  Comito  490. 

Orientalischer  Einfluss  in  der  Thierdecoraiioa 
bei  Germanen  425. 

0rlentallsten-€«ngres8,  Internat,  zu  I<ondon  1'-^ 

Ornamente  in  Mjkenac  410,  neolithische  in  West- 
preussen 747,  steinzeitliche  71,  702. 

Ornamentirte  Urnen  von  Hochstnblau  186. 

Orthobrachjcephaler  Schädel  von  Hohenbäcbfl. 
Oberpfalz,  Bayern  363. 

Orlhodoilchoeephalie  der  Haussa  50,  derWoi  53. 

—  Alemannenschädel  vom  Geissberg,  Zürich 

382. 
Orthoinesocephaler    Schädel    Ton    Mntt^nhcifeD 

Bayern  364. 
Os  Incae  tripartitum  vom  Geisberg,  Zfiricb  3SJ. 

—  triquetrum  360. 

Osnabrück,  Dom,  Capitelkreuz,  Gemme  609,  R'- 
liquiarium,  sog.  „Adorf" -Gemme  611. 

Ossig,  Kr.  Guben,  Eisennachbildongen  ^rr 
Bronzetypen  585. 

Osswiti  b.  Breslau,  Elchhominstrument  425. 

Ofttpreussen,    älteste  Periode   der   Besicdelunj: 
753,     Aestier    769,     Alraun    746,    «i» 
litauisches    Gebiet    774,    archiologischr 
Forschung  746,  Bandweben  435,  Bauern- 
häuser 788,  Bemsteinartefacto   756,  Be- 
völkerung,   altpreussische   767,    Broni»'- 
keulcnkopf  von  Wamickcn  850,  Broniei<  Ji 
759,  Bügelringe  760,  Dirwangen,  Hirsch- 
homliarpunen   755,   Gerdauen,  Pnuit'n- 
gräber    769,   Gräberfelder   760.   EÄmi 
altpreussische     767,     Hüt?elgräber    7ÖH, 


<921) 


Königsberger  Museom  752,  Kurische 
Nehrung,  keramische  Funde  755,  La 
Tene-Zeit  760,  Letten  und  Littaner  767, 
lettische  Gräber  768,  liegende  Hocker 
754,  Lippowaner,  484,  Lochvenierungcn 
74,  Palmnicken,  Bemsteingrftberei  757, 
Pfahl  als  Giebelschmuck  789,  Pfahl- 
bauton 764,  Pöppeln,  Auerochsenschädel 
mit  Feuersteinspeer  755,  Rossitten,  Stein- 
zeit 754,  788,  slavische  Funde  751,  762, 
slavisches  Gebiet  774,  Umenfund  von 
Nickelsdorf  789,  Toraugusteische  Münze 
225,  Wikinger-Anklänge  763,  Pfahlbauten 
74,  alte  Rechtsverhältnisffe  788,  Wis- 
kiauten,  Steinzeitfnnde  754. 

Ottsee-fieblet,  Toraugusteische  Münzen  223. 

Oxhifl,  Wcstpreussen,  neolithischc  Funde  748. 

P. 

Pidfische  Nordw.-Küste ,  Anthropologie  158. 
Pick  Pack,  Sumatra,  Anthropophagen  851. 
Pagt4eaanieii  761. 
Ptlladlooi,  das,  in  der  my kenischen  und  tiryu- 

thischen  Darstellung  608,  in  Mykenae  699. 
Palioltthlicke  Fnndo  in  Ungarn  92. 
Palistina  s.  Negeb  578. 
Palnano  am  Orinoco,  Landkartenstein  255. 
—  in  Aegypten  107. 
Palnnlckea,  Ostpreussen,  Bcmstcingräbcrei  746, 

757,  Körpermessungen  775,  800. 
Paiii|»aft,  der  pliocäne  Mensch  der  811. 
Papiaabche  Gesichtsmasken  689. 
Papna-KMbeii  von  Neu-Britannien  283. 
ParallelfD   in  den  Gebräuchen  der  alten  und 

der  jetzigen  Bevölkerung  von  Gypem  84. 
Parisis,  Indianer,  Brasilien  28. 
ParasH,  africanischer,  Distomum  30. 
Parskrg,  Oberpfalz,  Bayern,  Gräber  859. 
PanI,  indischer  428. 
Pflal  s.  Fruchtkuchen. 
ftin  II.,  Dom,  d'Alcantara  f  865. 
Penis,  Reizsteine  des  351. 
Pcrlf4eii  der  Steinzeit  in  Brasilien  342. 
Perlen,  kostbare,  der  Basutho,  Transvaal  399. 
Perwer,  Altmark,  römische  Funde  679. 
Petrctcn,  Handstandkünstlerin  189. 
Petrtgljphen  258. 
PfaU  als  Giebelzier  in  Wcstpreussen  188,  bei 

Allenstein  789,  litauischer  Giebelschmuck 

798,  kurischer  790,  796,  mit  Stern  an  alt- 

roärkischen  Häusern  682. 
PfaUkaaten  im  kurischen  Haff  (?)  758,  masurische 

24,  74,  764,  der  Schweiz  75,  Bernstein  302. 
Pfalz,   Doppelait   von    Friedolsheim    460,    s. 

Drachenfeb. 


Pfellgift  aus  Malacca  836.  « 

Preilschiftf ,  Schleifsteine  für,  in  Brasilien  344,  G98. 

Pfeilspitzen  aus  Stein,  Brasilien  344. 

Pferd  in  einem  Grabe  von  S.  Lucia  691,  in 
Steinzeitansiedlung  86. 

Pferde,  wilde,  der  Diluviakeit  24. 

Pferdfgeblsse,  La  T^ne-Zeit  330. 

Pferdeklefer  von  Ketzin  458. 

Pferdeknerben  in  Begräbnissen  Russlands  419, 
420. 

Pferdekopfe  als  Giebelzier  an  kurischen  Häusern 
790,  litauischer  Giebelschmuck  798. 

Pferdekumuiet  407. 

Pfirsich  in  Aegypten  659,  nicht  in  Pfahlbauten 
102. 

Pflanzen  in  Aegypten  649,  in  Bodonseefunden 
346. 

— ,  auf  der  kurischen  Nehrung  790,  793. 

— ,  ihre  Empfindlichkeit  gegen  Klima  248. 

— ,  8.  Mandragora,  Obst. 

Pflanzenarten,  diluviale,  v.  Klinge,  Niederlausitz 
883. 

Pflaumen  in  Pfahlbauten  101. 

PMemen  mit  Thierkopf,  Ketzin  459. 

Pballns  (?)  an  Bronzering  333,  384.  ^ 

Pbilippinen,  Eingebome  436,  Photographien  348. 

Pbönider,   Niederlassungen  auf  Sicilien  412. 

Phoenix  dactylifera,  Dattelpalme  107. 

Pbotegrapblen  von  Papua-Knaben  aus  Neu-Bri- 
tanien  283,  von  West-Africanem  (Dahome) 
65,  Album  vom  Anthropologen-Gongress 
746, 881,  der  ältesten  ägyptischen  Bronzen 
726,  aus  Bali-Land  577,  der  Benong  Ahong, 
Nhongeh  746,  der  anthropologischen  Ge- 
sellschaft 873,  eines  Degenschluckers  401, 
eines  Dualla-Knaben  280>  von  der  Excur- 
sion  in  die  Altmark  890,  Haus  mit  Vor- 
laube von  Lenzen  bei  Elbing  787,  des 
Heteradelphen  Laloo  428,  von  Hissarlik 
348,  469,  von  Hottentottenweibem  470, 
aus  Java  33,  110,  kurischer  Häuser  791, 
eines  litauischen  Bauemgehöftes  881,  von 
Matebelen881,  von  megalithischen  Gräbern 
der  Altmark  158,  von  Microcephalen  278, 
Portrait-,  combinirte  645,  aus  Südasien 
807,  von  Sumatra  237,  von  Suhl,  Phi- 
lippinen und  Molucken  348,  von  Schwarz- 
orter  Häusern  794. 

Pbotfgrapblscbe  Vereinigung,  freie  398. 

Plans  montana  (iniops)  790. 

Pims  aria  in  Pfahlbauten  100. 

PIsel,  der,  in  Bauernhäusern  501. 

Pifsel  im  dänischen  Hause  409. 

PIstenitz,  Brandenburg,  Schaftzwinge  aus 
Bronze  851. 


C922) 


Plthfk«iie»  Aussehen  Microcephaler  374. 
.Plaglfttf haier  Schädel  eines  Yornha  55,    von 

Stanfersbach,  Oberpfalz,  Bayern  364. 
Plaolageu  in  Ost-Africa,  ihre  Zukunft  694. 
Platysma,  willkürliche  Contraction  683. 
PIttyrrblnIr,    extreme,    eines  Dualla  281,    bei 

Haussa  50,  Mandingo  49. 
Plcmniirlo  bei  Sjracus,  Ausgrabung  410. 
Plladner  Mensch  der  Pampas  811. 
Pippeln,   Ostpreussen,  Auerochsenschädel  mit 

Feuersteinspeerspitze  755. 
Palfo,  megalithische  Gräber  749. 

—  in  Ostpreussen  767,  774,  778. 
Pellrsteln  von  Niendorf,  Hannover  158. 
P«lttwa,  Kurgane  418. 

Ponertoie  in  Aeg7]|ten  660. 

P^ninfrn,  Alt-Storkow  405,  Babbin,  Bronze- 
funde 850,  Blasehom  von  Cöslin  857,  860, 
Bronzesporen  591,  Bronzeschmuck  405, 
GJasow,  neolithische  Gräber  467,  Gräber- 
feld u.  s.w.  bei  Wollin  708,  Moor,  neo- 
lithisches  Grab  467,  Neu-Lobitz  407, 
Skeletgräber  der  Steinzeit  487,  Slavische 
Schädel  704,  Steinzeitliche  Ornamente 
703,  Volksthümliches  aus  Rügen  445,  vor- 
augusteische Münzen  227,  Wohnhäuser 
ohne  Schornstein  in  Hinterpommem  725, 
Wollin,  slavisch^s  Gräberfeld  mit  ge- 
mischter Bestattung  589,  Zuchen  407. 

P9H,  Schweiz,  Funde  380. 

P^Ho  novo,  Wcstafrica,  Leute  in  Berlin  113. 

Paseo,  Bronzeschmuck  von  Murowana-Goslin, 
Kr.  Obomik  407. 

PötE'uitEn,  Indianersage  571. 

PrictIunblschM  Tabakranchen  und  Caximbos 
811. 

Prihlstarischer  Bernstein  aus  Sicilien6^)0,  Mensch 
der  Pampas  81t. 

PribIfltorischM  aus  dem  Museum  für  Völker- 
kunde, Berlin  28. 

—  8.  Ketzin,  Ober-Birma,  Westpreussen. 
Pririewdf  und  Sonne,  Nordw.-Amer.,  Indianer- 
sage 165. 

Pic^iDMt,  Mähren,  Renthiergeweih  174. 
PreiMclbeerr,  nicht  in  Pfahlbauten  104. 
Priester  im  Togo-Gebiet  58. 
Prvfaathie  der  Wei  58,  der  sogenannten  Azteken 

279. 
PrtteoB,  der  moderne  682. 
ProTlailal-Mttscun,  Märkisches,  Erwerbungen  726. 
— ,  Westpreussen  329. 
Pninus  8.  Obstarten. 

Pnusia,  Sanmilung  der,  in  Königsberg  753. 
Proizea  in  Ostpreussen  768. 
— ,  Gräberfeld  der  769. 


Ptio,  Mähren,  Bronzeringe  mit  Warz«^n  n.  ^  « 

878. 
Ptelenilsches  System  414. 
Päk,  der,  auf  Rügen  450. 
Punlca  granatum,  Granatapfel  108. 
Paris,  Indianer,  Brasilien  28. 
PolTerbom  voniCypem  25. 
Pjroia  auf  der  kurischen  Nehrung  'i*M. 


(lä'is,  Nordw.-Amer.  Indianersage  6^J. 

QUs,  Nordw.-Amer.  Indianersage  550,  <J2^. 

Q«e^tik-oÜ,  Sage  547. 

QoaUdt-ladiaoer  386. 

Qnrnat-Ascbe  beim  Coca-Kauen  24S. 

(luerfbbae  in  Altmexico  122. 

Quitte  in  Aegypten  659. 


R. 


:t« 


Rabe,  der,  Nordw.-Amer   Indiaaersa^e  «v 
Racbe  an  Todten  bei  Botocudos  27. 
Radamaoienta  Bronze,  Mülilthal,Oberbayera  "«i  • 
Eadsporea  auf  Siegeln,  im  Grabe  Bemhart^  t 

Italien  und  auf  einem  Relief  am  lN>iu  * . 

Monza  219. 
Riocbergeflss  von  Ossig,  Kr.  Guben  585. 
lUlpote  Laloo,  Heteradelph  428. 
Rakbaneb  im  Negeb,  Schätlel  578. 
RaasMseB  der  sog.  Azteken  279. 
Raopbielcbefl,  altmeiicanische  114. 
Raotao,  Ostpreussen,  Bronzefhnde  759,  761 
Rasse  von  Cannstatt  420,   von  MicroctplU' 

(Ghna)  375. 
Rassela  der  Hametzen  390. 
Ratbs4erf,  Westpreussen,  Schlossberg  17>. 
Raocbea  bei   den  Fulbc  235,  bei   den  Hail-i 

235,  in  Sttdamcrica  811. 
Raacbbiosef  in  Holstein  494,  anf  der  kuris«  h  \ 

Nehrung  792,  der  Litauer  797,   fehl<^    • 

Schleswig  494. 
Raacbbau  in  Pommern  725. 
RaacUtcb  an  kurischen  üäusem  796.  s.Ulenl«  : 
RsTeota  bei  Sassnitz  456. 
Rebensterf,  Hannover,  Fensterome  and  MäAnö-  * 

amen  679. 
Reebeascbanabericbl  des  Schatzmeisten  874. 
Reeblspfleice  der  Bätin,  Malacca  SM. 
RecbtsTerblltabse  der  Haussa  282. 
Mug\H  in  Ostpreussen  767. 
Relcbersderf,  Nieder-Lansitz,  Stein-  undBr^r- 

fnnde  587. 
RelfeDelner  von  Santa  Lncia  691. 
Reb  in  Aegypt>en  659. 
Rdse  in  Malacca  829,  nach  dem  Ncg^b  «.• 


(923) 


an  die  pacifische  Küst«    168,  nach  Pa- 

l&stioa  578,  in  die  Türkei  247. 
ReUei,  Nahrung  auf  80. 
lUiittelie  des  Penis  auf  Sumatra  851. 
Ecligl9i  in  Alt-Aegypten  658,  der  Haussa  282, 

der  Westafrikaner  45,  58. 
Rellgi9Uferkiltnlsse  in  Ostpreussen  768. 
Rell^alfR,  altmeiicanische,  in  Schloss  Ambras 

485. 
ReH^akiaroi  der  heiligen  Anna  606,  611. 
RentUergewelb  von  Pfedmost^  M&hr.  174. 
Rbfla,  Bronxefunde  im  490. 
RklatcerM-Reste  bei  Klinge,  N.-Laus.  885. 
Rle^k,  Legat  875. 

Rleaeaftnlfroagea,  Bronze  Ton  Milow  277. 
Riese,  der,  in  nordw.-aroer.  Indianersagen  171. 
RIeseiWtt  bei  Klemmen  72. 
RIcieaUrscbrests  bei  Klinge  884. 
Rlllea  an  ägyptischen  Tempeln  861. 
Riad  in  Stelnxeitansiedelung  86. 
Rlidergettolt  als  Gewicht  523. 
RIag,  kaukasischer,  Bronze,  Analyse  355. 
Rliftr   zum  Bogenspannen  81,  486,  670. 

—  mit  Knöpfen  und  Thierfiguren  490,814,  877. 
RIaggeM  (?)  von  Werschetz,  Ungarn  92. 
Rligkakkragen  in  Westpreussen  747. 
RIagwall  in  Bosnien  836. 

Rl«  Cahj,  Brasilien,  SteinwafTen  389. 

—  de  Janeiro,  Museu  Nacional  157. 
RtkeahaiieB,  Schweiz,  Steinzeitfunde  76. 
ReckfB  Ton  Cypern  40,  41,  aus  Bronze  42. 
Riwcrculell  bei  Rulle,  Hannover  438. 
RlMenckaaze  bei  Werschetz,  Ungarn  85. 
RMscke  Funde  im  Museum  zu  Salzwedel  679, 

(Proyinzial)-Funde  von  Milow  277,  Mfinien 
in  Deutschland  287. 

—  Zeit,    Fenersteinmesser  in  Aegypten   477, 

(ir&ber  in  Ostpreussen  780,  in  West- 
preussen 750. 

Rtttea,  Prov.  Sachsen, Keulenköpfe  aus  Stein850. 

RHgeikimer  an  babylonischen  Gewichten  628. 

R«|geok«rBgeiiHMB  des  frühchristlichen  Kirchen- 
gerftthes  606. 

Rfkraiieltea  von  Cypern  40. 

Ron^B,  Westpr ,  Gothisches  Gräberfeld  773. 

RMBccea  s.  Obstarten. 

Rmc  in  Aegypten  668. 

RfsslUea,  Os^r,  Steinzeitfund  754,  Schädel  788. 

ttistrappe  am  Brocken  723. 

Rtthgffirbtf  Skelette  420. 

Rabiis  fhidcosus,  Brombeere  104,  idaeus,  Him- 
beere 104. 

Rftgea,  Yolksthfimliches  445. 

RittaagMi  in  Altmexico  116  ff. 

RaSc,  Westfalen,  ROmercastell  249. 


Raodbaas  von  Alsen  410. 

RaadUigsdirfer  der  Altmark  682. 

Raata  auf  Steinbabas  421. 

Roaealascbrift  am  Drachenfels,  Rheinpfalz  465. 

BaaeBobellsk  421. 

Rasslscbe  Alterthümer  415. 

—  Prähistorie,  Bedeutung  für  den  Occident  424. 

Rossbcber  Archäologen-Congress  414. 

Rasslscbet  Institut  zur  ethnologischen  und 
archäologischen  Erforschung  des  Orients 
in  Constantinopel  689. 

RBSsland,  Charkow,  Alterthümer  417,  Eiszeit 
424,  Flachgräber  418,  Gesellschaft 
Moskau  484,  Gothen  in  425,  Grabhfigel- 
funde,  Chronologie  417,  griechische  Ge- 
fässe  419,  Kannibalismus  425,  Mon- 
golenpräber  420,  Runenobelisk  421,  scy- 
thische  Epoche  418,  Skeletgräber  419, 
slayische  Epoche  410,  Steinzeit  418, 
Völkerwanderungsfunde  416,    Wohnstätte 

419. 

8. 

SacbseB,  s.  Altmark,  CöUeda,  Gross-Schwechten, 
Harz,  Lockwitz,  Rossen,  Sobrigau,  Stass- 
furt,  Stendal,  Torgau. 

SacbfcrsUBdlgfD-Commission  des  Museums  für 
Völkerkunde  434. 

Sackraa,  Schlesien,  Grabfund  425. 

Sibel,  von  einem  Degenschlucker  benutzt  402. 

Sicbftbcbe  Häuser,  Altmark  681. 

Sinle  als  Göttersymbol  in  Mykenae  701. 

Sagea  aus  britisch -Columbien  582,  628,  vom 
untern  Fräser  River  549,  der  Indianer  in 
Nordw.- America,  ihre  Verbreitung  172,  der 
Koot^ay-Indianer  161,derNtlakyapamuq 
546,  auf  Rügen  449,  der  Shushwap  582. 

Saal  (Orang  Sakai)  Malacca  837,  845. 

SiHa,  Argentinien,  Algorrobekuchen  80,  109. 

SahbBfgrr  in  Ostpreussen  767. 

Silzwedel,  Eicursion  485,  679,  Museum  679. 

Saoibl  (Sembi,  Sami),  Bew ohmer  des  Sam- 
landes  770. 

StBliader,  Körpermaasse  776. 

Santa  Lucia,  Litorale,  Ausgrabungen  691. 

Sarg  aus  Thon  bei  Botocudos  28. 

S'balto,  Negeb,  Ruinen  578. 

Scbacbidttia,  Nephritbrüche  692. 

Scbidd  Ton  Beduinen  581,  von  Casekow,  Stein- 
zeit 487,  deformirter  von  Staufersbach, 
Oberpfalz  862,  und  Skelettheile  aus  Hügel- 
gräbern der  Hallstatt-  und  T^nezeit  in 
der  Oberpfalz  859,  von  Ketzin  457,  aus 
einem  megalithischen  Grabe  von  Mellin, 
von  MühlÜial,  Oberbayem,  Bronzezeit  824, 
Altmark  680,  von  Megara  Hyblaea  418, 


(924) 


aus  dem  Negeb  490,  578,  580,  neolithischer  I  SchmnckMcbeii  in  russischen  Gräbern  419. 
von  Moor,   Pommern  467,   von  Oberfier, !  Schneiden  des  Nephrits  in  Ghotan  61K>. 


Steinzeit  488,  aus  schlosischen  Gräber- 
feldern 427,  aus  dem  slavischen  Gräber- 
feld von  Blossin  349,  slavische  von  Wol- 
lin 590, 704,  von  Spandau  818,  von  Sumatra 
807,  von  Wilkowitz,  Schlesien  427,  von 
Winterthur,  Schweiz  381,  vonYoruba  65. 

Srliäddcapacitit  eines  Yoruba  56,  eines  Wei- 
Negers  53. 

Scliädfluiaassf,  Ketzin461,  neolithischer  Schädel 
von  Moor  468,  Spandauer  Schädel  821, 
Tungusen  486,  Oberfier,  Steinzeit  489,  von 
Westafrikanem  56. 

Schädfitrophften  bei  Botocudos  27. 

Schaf  zur  Steinzeit  in  Ungarn  86. 

Schafscheere,  eiserne  von  Rebenstorf,  Hannover 
679. 

Schalen,  goldene,  und  Bernstein  315. 

Sehalenstfln  von  Meldorf  in  Holstein  252. 

Schatigriberei.  Zauberformel  für  408. 

Scheibennadfl  von  Christianstadt,  Kr.  Sorau  584, 
von  Fritzen  759. 

Schf  rhen,  als  solche  beigesetzt  in  Kehrberg  263. 

Schiesspulfer  aus  Canavalia-Bohncn  in  den  Chin- 
hills  678. 

Schildkratengettalt  als  Gewicht  inBabjlonien  523. 

Schlftfenringe  in  Westprcussen  751. 

Schlafmachendf  Wirkung  der  Alraune  732. 

Schlehen  in  Pfahlbauten  101. 

Schleife,  Wenden  um  322. 

Schleifen  der  Edelsteine  im  Mittelalter  619, 
des  Nephrits  693. 

Schleifsteine  in  Ungarn  90,  92,  für  Pfeilschäfte 
in  Brasilien  344. 

Schlcftirn,  Burgwall  v.  Haidevorwerk  427,  £lch- 
horninstrument  von  Osswitz  425,  Goldfund 
426,  Ohlau,  Nephritbeil  596,  Sackrau, 
Grabfund  425. 

Schleswig,  Bauernhöfe  409. 

Schleswig  -  Holitein ,  Haustypen  648,  vorau- 
gusteische Münzen  227. 

Srhliemann  f  21,  Biographie  812,  Deuttingen 
Mykenischer  Funde  701,  Gedächtnisfeier 
22, 81, 247, 325,  Porträt  22,  Testament  687. 

Schlosser  an  Thüren  auf  Cypem  42,  im  Harz  725. 

SchloBsherg  bei  Lippusch  Papiermühle,  West- 
preussen  183,  von  Rathsdorf  178. 

Schlosahergf  in  Westpreussen  178. 

Schinledeknnst  der  Haussa  234. 

Schmickwlti,  Brandenburg,  Schaftzwingon  aus 
Bronze  851. 

Schmach  der  Haussa  236,  der  Mastspitzen 
kurischer  Segelboote  792. 

SduuarhpAuiMo  in  Aegypteu  067. 


Schnururnauient  78.  703,  Schw^'iz  7a. 
Schnur-     und    Stichornament,     neulithi^«  i 

Westpr.  748. 
Schnarfenlerung  71. 
Schotten  in  Ostpreussen  767. 
Schrift  in  Aegypteu  650,  653. 
Schriftleichen  auf  Babas  421. 
Schwanihiidnog  beim  Menschen  725. 
Schwariort,  Häuser  794,  KörpermaKse  von  Ktr 

802,  Bemsteinschmuck  der  Steitu^^it   T- 
Schweden,    Blasehömer  855,    voraa^sttM- 

Münzen  227. 
Schwedensehanie  von  Osswitz,  SchlesioD,  lira 

funde  425. 
Schwell  aus  Serpentin  als  Gewicht,  BahyloL 

528. 
Schwell,  alemannisches  Grab  auf  dem  G*'i>b  '. 

Zürich   382,   Funde   vom  Zihlkanal    . 

Gold  317 ,  Hedingen,  Gräberfe  W  HM),  J .» ' .  - 

zahl  an  Bauernhaus  465,  KartenieiohnuiiL  : 

237,  Pfahlbauten,  Bernstein  dirj.  S.  r . 

383,  Skelet  381,  Völkerstrasse  3;a 
Schweizer  in  Ostpreussen  767. 
Schwer^der  Haussa  mit  Kreuzgriff  237. 
Schwerter  der  La  Tene-Zeit  aus  deroZihlkana  i  . 
Schwertlille  als  Alraun  in  Ostpreussen  74  \ 
Schntiforrlchtnngen  beim  Bogenspannen  t^T<- 
Sc«polla    camiolica   als   Arznei-   und    Za*ä  •: 

pflanze  737. 
Scythlsche  Epoche  in  Rnssland  418. 
Sechiflngrlge  Hand  eines  Antillen-Negen»  II* 
Sedionen  des  russischen  Archälogen-Coogr»  ^^^ 

415. 
Seehauacn,  Altmark,  römische  Funde  ^Vx 
Seekarte  d.  Polynesier  721. 
Seelenwtndening  in  Klein  Popo  59. 
Selhstaiorde  der  Lippowaner  435. 
Semang  (Orang  Semang)  Malacca  837. 
Semiten  in  Aegyten  652. 
Seadschtrll,  Ausgrabungen  49U. 
Se'nötik'e,  Nordw.-Amer.  Indianersage  iv4J 
Ser^ewe,  Museum  691. 
Sesanrnm  in  Aegypten  (359. 
Sexualität,  Einfluss  auf  Körperuiaas^e  5^. 
ShonMered  Gelts  in  Birma  64*.). 
Shoshwap,  Sagen  der  532. 
Slä^atst,  Indianersage  629.* 
Sichel   aus   Holz    mit   Feuerst^imihneD    i 

Kahun,  Aegypten  476. 
Sicheln  in  Island  250. 
Sicilien,  BecherderSteinzeit79,MegaraHyl  U 

Schildel  413,  prähistorische  Bem<tfJBfiir  • 

690,  SyracuB,  archaische  Gtftber  4U>. 


(925) 


Sifgwori  (AUiam  Victoriaiis)  740. 

Sllberfarbliet  Haar  in  Griechenland  346. 

Silben«  Banner  in  Altmexiko  121. 

Sllberriig  zum  Bogenspannen  485,  von  West^ 
he*»ren,  Altinark  680. 

Slleti,  der  letzte,  in  Orej^on  159. 

SlIlmeMu,  Schlesien,  Schädel  427. 

Slmblrek,  Begräbnissplatz  nnd  Befestigung  420. 

Sinnol  (Orang  Sinnoi)  Malacca  831,  841. 

§lpka-Hihle,  Mähren,  Feuerstätte  178,  Unter- 
kiefer 177. 

Sitte,  die  grosse,  Opferfest  in  Dahome  69. 

Sitala  von  Santa  Lucia  691. 

Sitzungsberichte,  verspäteter  Druck  der  810. 

SktarilMiflscbe  Formen  in  preussischen  Grab- 
funden 771. 

Skarabae«i4en,  Gewichte  (?),  Babjlonien  528. 

Skelet  der  Bronzezeit  von  Mühlthal,  Ober- 
bayern 822,  von  Zürich  381. 

Skeletgrab,  altfränk.  mit  Namen  897. 

Skeletgriber ,  in  Bootform,  Russland  420,  bei 
Casekow,  Pommern  487,  neolithische,  von 
Glasow,  Pommern  467,  von  Oberfier, 
Steinzeit  488,  slavische  bei  WoUin  589, 
704,  russische  419. 

Skeletle,  Aleuten  172,  bemalte  (rothgoOlrbte) 
in  Kurganen  418,  419,  von  Indianern  der 
Nordwest -Küste  America's  160,  neo- 
lithische, Pommern  467. 

Sklifeqjagden  des  Königs  von  Dahome  66. 

Sklaferel  bei  den  Haussa  232. 

Sk-^emlc,  Sagen  der  639. 

Slafep  in  Ostpreussen  767,  in  Westpreussen  778. 

Slaviscbe  Epoche  in  Russland  419. 

—  Funde  in  Ostpreussen  751,  762,   in   West- 

preussen 751. 

—  (Jefässe  704,  Gräber  bei  Blossin  349,  bei 

Sobrigau  465,  Gräberfeld  mit  Skeletten 
und  Leichenbrand  auf  dem  Silberberg 
bei  Wollin  (Pommern)  589,  Schädel  vom 
Galgenberg  und  Silberberg  bei  WoUin 
704,  713,  Thongefässe  von  da  714. 

SUvlMbes  (lebiet  in  Ostpreussen  774. 

Slaf«-Iettis€he  Pfahlbauten  75,  77,  764. 

SIetvfl,  de,  Theil  des  Uansbodens  497. 

SMMÜmu^,  Sagen  der  636. 

StbiensHi,  Westpreussen,  Burgwall  184. 

8«bri|ao,  Sachsen,  Slavcngräber  465. 

S«bniar,  Bosnien,  Ansiedelung  337. 

Sfktt«,  Haussabevölkerung  228. 

Soiof,  die,  in  Nordw.-amer.  Indianersagen  164, 
167,  546. 

—  goldene,  als  Kriegerschmuck,  Mexico  181. 
StineBstdR,  Mexico  126. 

SerbUy  Eberesche  104. 


Sfai^Bcr  Schädel  818. 

Sptolen  s.  Americanisten,  Ausstellung. 

Spannriofe  zum  Bogenschiesscn  670. 

Speckt   und    Adler,    Nordw.-amor.    Indianer 

sage  561. 
Spdt  in  Aegypten  654. 
Splegelnadel  von  Fritzen  759. 
Spieler,  der,  Sage  545. 
Spindeln  von  Cypem  40,  aus  Bronze  40. 
Splnnwirtfl,  Ungarn,  Steinzeit  89. 
Splnirilicken    aus    Bronze    von    Alt- Storkow, 

Pommern  406. 
Spitse  Hoch  bei  Bemburg,  Massengrab  848. 
Sp«raihilicke  Gegenstände  896. 
Sport  des  sogenannten  Handlaufs  in  Island  250. 
Sprache,  friesische,  in  Holstein  511. 
Sprichllches  ans  Rügen  446. 
Spreewild,  Wenden  im  320. 
Sprtsseifibelo,  Pommern  593. 
Spik  auf  Rügen  449. 

—  der,  in  Spyker  456. 

Spuren  asiatischer  Kulturen  in  den  südrussi- 
schen und  scythischen  Alterthümem  422, 
des  Einflusses  der  Gothen  in  Nordruss- 
land 425,  vom  Einfluss  Indiens  auf  die 
afrikanische  Welt  377,  des  Kannibalismus 
in  der  wotjakischen  Volkspoesie  425. 

S^oelette  vivant  682. 

S^oae'ie,  Indianersagc  636. 

Stlmnic  der  Botocudos  25. 

Staklfarbrne  Bronze  356. 

Staanbaon  einer  Indianerfamilie  in  Brit.-Co- 
lumbien  160. 

Staanessageo  vom  untern  Fräser  River  555. 

Stanpfkedei,  Brasilien  345. 

Staogeiwilde,  Ostpreussen,  lettische  Gräber  763. 

StaotleD  und  Becker,  Bemsteingewinnung  757. 

StaiUeoit,  Ostseebemstein  287. 

Stassfart,  Thondeckel  mit  Löchern  77« 

Staafersback,  deformirter  Schädel  362. 

St.  Caniiu,  Höhlen  der  Steinzeit  31. 

Steatopjgie  471. 

Steiibabas  s.  Babas. 

Steiabelle,  Ungarn  89. 

SteiibÜdrr  im  westpreussischen  Provinzial- 
museum  747,  in  Ostpreussen  764. 

Steine,  Bohren  der  619. 

— ,  die,  bei  Goor,  Rügen  456. 

Steingeritbe    zu    abergläubischen    Kuren    478. 

—  im  Bodensee  345,   in  Hallstatt-Umen  478, 

aus  der  Lausitz  71,  aus  Maläcca695,  aus 
Ungarn  89. 
Stelibteaer,    doppelt    gebohrt,    Ungarn  90, 
durchbohrte,  Ungarn  89,  Hannover  158,  von 
Ketzin  459. 


(926) 


Stelnbainmer    and    Metallbeigaben    zasammen 

756. 
Steinkisten  mit  Sand  ausgefüllt,  Eehrberg  263. 
Steinklsteiigräber,  Hochstüblaal86,  Kebrberg262, 

in  Westpreussen  749. 
Stelnkrani,  Bedeutung  422,  um  Hügelgrab  270, 

274,  276. 
Stelnmesser  aus  Aegypten  474. 
Steinoinlden  im  Fichtelgebirge  717. 
Stelnsetiungen  in  Westpreussen  749. 
StelnwaflTen,  prfibistorische,   in   Birma   694,  in 

Botocuden-Grab  28,  in  Brasilien,  Alter 

339,  698. 
Steinwerkieage,  in  Malacca  832. 
Stelnieit,  Bevölkerung  zur  78,  der  Lausitz  und 

ihre  Beziehungen  zu  der  Steinzeit  anderer 

Länder  71,  in  Russland  418,  419. 
Steinieltfkinde  aus  Höhlen  des  Küstenlandes  31. 
Stelnieltllebe  Ornamente  aus  Pommern  702. 
Stelniett^ioden  in  Brasilien  342. 
Stendal,  Nachtigal-Denkmal  469,  484. 
Steppenflara,  diluviale  889. 
Sterne,  die,  der  Frauen,  Indiarersage  644. 
Stevens,  Yanghan,  Reisen  in  Malacca  829,  869. 
Stlchornament  in  Weßtpreussen  748. 
Stierkapf  mit  Doppelbeil,  Symbol  des  Zeus  700. 
Stimme,  tiefe,  eines  frühreifen  M&dchens  470. 
Stliikthler,  das.  Indianersage  575. 
Stirnkinde  der  mexikanischen  Könige  120. 
Stirnbinden,  goldene,  in  der  Mixteca  120. 
Stöckbeim,  Altmark,  Hünenbett  680. 
StSpseldeekel  750,  761,  gezeichneter  584. 
Stonebenge  (England)  242. 
Stradoniti,  Böhmen,  Bronseringe  mit  Knöpfen, 

Warzen  814,  878. 
Strobteller  von  Cjpem  39. 
Stfindeckel  77. 

St  Yeitaberg,  Istrien,  Gräberfeld  der  Hallstatt- 
zeit'8L 
Saccinit,  Bemsteinart  288,  im  Süden  293. 
Sndlner  (Pruzzen),  Yolkstamm  in  Ostpreussen  768. 
„Söd-Amerika''  Zeitschrift  490. 
Soe? Iscbe  Hausform  648. 
Sola,  Photographien  348. 
Siunatra  Anthropophagen  351,    Photographien 

237,  Reizsteine  351. 
Sompitan,  Blaserohr  in  Malacca  834. 
Suttra  frontalis  persistens  863,  382,  706. 
SfaraT  bei  Unho$t,  Böhmen,  Bronzering  mit 

Warzen  878. 
Sjkauiore  in  Aegypten  107,  637. 
S^iibtllscbe  Darstellungen  der  Waage  und  des 

Gewichts  528. 
Sjnunetrie,  Abweichungen  von  der,  am  Rumpfe 

der  Handstandartistin  192. 


Sjncbondraals  spheno-occipetalis  offen  56. 
Synergie   bei  der  Handstandartistin   210,    von 

Muskelleistungen  402. 
Syntstaae  der  Coronaria  55,  56,  der  Pfeünalit 

bei  Mikrocephalen  873,  375. 
Sjpbllb,  Mittel  gegen,  der  Indianer  109. 
Sjracns,  archaische  Gr&ber  410,  MuseoArcheo- 

logico  410 
Sjrlen,  Alraune  890,  Bernstein  295. 
Syrische  Pflanzen  in  Aegypten  664. 
Siemei,  Körpermaasse  von  Litauern  804. 

T. 

Tabak,  Monographie  über  den  811,  Kauen  bei 

den  Haussa235,  Rauchen,  pr&columbiacb«s 

8U. 
Tabayaa  s.  Botocudos  25. 
nnie   der  amer.  Indianer  an  der  Nordveat- 

Küste  385. 
TftttawIHe  Engländer  880. 
TittawIniig  der  Kebu  48,  von  Weatafrikanen 

113. 
Tagalen-Knabe  in  Berlin  850,  869. 
TagesÜcbt,   die  Entstehung  des,    Indianersage 

687. 
Talismane,  Alraune  als  728. 
Ttogeidarf,  W.  Priegnitz,  Broniefund  79. 
Taiidecke  der  Hametzen  390. 
Tanikaatume,  Altmexico  128. 
Tapes  (Coroados),  Indianer,  Brasilien  30. 
Tataren  in  Ostpreussen  767. 
Teickninscbel  in  Küchenresten,  Wenchets  86. 
Telkwitz,  Westpreussen,  Bingkragenschloas  747. 
TenipelbIM   aus    den  Königsgr&bem  von  My- 

kenae  602. 
Tenerifb,  weibliche  Microcephalevon  OrotavaSlS. 
Terra  sigillata  von  Seebanaen,  AHmark  679. 
Terranarei-Cnltiir  in  Bosnien  886. 
Teteraw,  Blasehommundstück  852. 
Teofel  im  Togogebiet  59. 
Teafdastetne,  Teofelstisch  717. 
Tbajnger  Höhle,  Kartenblftttchen  S39,  719. 
TUerdarsteDiuigen  auf  babylonischen  (Gewichten 

523. 
Tblere  im  Hinunel,  Indianeraage  165. 
Tbierfabeii  der  Nordw.-amer.  Indianer  ICl. 
Tblerfgoren   329,    an   Bronieringen    490,    ab 

Giebelversiemng  682. 
Tbiergestahen  der  abendllndiachen  Kunst  4tS, 
Tbierkipfe  an  Bronieringen  814. 
TUerkaff,  Pfriemen  mit,  Ketiin  469. 
Thierfeben  bei  Sohwanort  794. 
TUerapfN-    in   Bronieseitgrab    von    MUilllul 

Oberbayezn  824,  in  Dahome  67. 
Tblerreate  in  Bodenaeeftoiden  846. 


(927) 


Tkoi  als  Zusatz  za  Coca  247,  248. 

Tb^nfigirea,  phantastische,  mit  Thierköpfen,  von 
Torgau  278. 

Tbongeritk,  neolithisches  in  Westpreussen  748. 

ThMfeAsM,  in  Rosnien  B36,  in  Brasilien  889, 698, 
von  Gypem  34  ff.,  Durchlässigkeit  2&9, 
gedrehte,  der  La  T^ne-Zeit  881,  ans 
Hügelgräbern  267,  268,  270,  275,  276, 
slavische  704,  714,  Unj?ani  86,  Verwend- 
barkeit 259. 

Thoakagela,  gebrannte,  von  Werschetz  88. 

Tlmiperiea,  Ungarn  88. 

Tboni,  Mnseum  und  Weichseifahrt  767. 

Thorwege,  altniärkiacher  H5fe  682. 

TMnchUss,  hölzernes.»  s.  Schlösser. 

Ttftf,  Bild  auf  dem  Sonnenstein,  Mexico  126. 

Tiger  als  Rüstung,  Mexiko  116,  184. 

TIrjM,  das  Palladium  608. 

TIscUer,  Otto  f  488,  752. 

TiscUerarbeitea  von  Cjpern  8t  K 

Tokasee  auf  Sumatra  851. 

Tfcd,  xiphodjme  Gebrüder  245. 

Todte  Frau,  die.  Indianersage  572. 

TodteRbMtattiiig  in  Island  250. 

TtdtengNiage  bei  brasilian   Indianern  29. 


trtpaetlun  tuberosum  248. 

Tschecblscbe  Ausstellung  in  Prag  828. 

Ts'eschä'atb-Iailianer  160. 

Tfirklsmotalk,  zu  Schmucksachen  in  Altmezico 

120. 
TaagMsen,  Schädelmessnngen  486. 
Tnpalas,  Karte  726. 
TnpfenwMHMot,  neolithisches  77. 
Twaao,  Schweiz,  Höhle  mit  Kartenzeiohnung 

240. 
Twitiriagea,  Hannover,  röm  Befestigungen  443. 
Tjpea,  westafricanische  114. 

U. 

Oeberlebsel  aus  früheren  Zeiten  in  Oberbajem 
407. 

Qlgarea,  Verfertiger  der  Babas  422. 

Olealfcb  an  Nehrungshänsem  791,  796. 

l?agaro,  Becher  der  Steinzeit  79,  Bronzefunde 
92,  Bronzeringe  mit  Knöpfen  und  Thier- 
köpfen 814,  Ringgeld  92,  Steinzeitfimde 
von  Werschetz  85. 

Uakriater  in  Aegypten  662. 

laterirdlscke  auf  Rügen  448. 

CoterUeftr-FragMent  der  ^ipka-Höhle  177. 

Urform  der  Fibeln  von  Glasinac  884. 


To4teaoafer,  prähistorischer  m  Sudrussland  422.   „.  .     ,.   j      ^        i.       •     o-l- .^^.o.. 
nx.       jj      u      •!•       Tj-         on  Irieliiulb  des  Menschen  m  Sibirien  424. 

Todtenreden  der  brasüian.  Indianer  29. 


TodteBKhMtiit  bei  brasilian.  Indianern  29. 

Ttdteascknick  brasilian.  Indianer  26,  29. 

TodtoMUrre,  künstliche  688. 

Todteatlaie  bei  Indianern  29,  80. 

Todteawasdinag  bei  brasilian.  Indianern  28. 

Tipferel  der  Haussa  285. 

Tintberg  bei  Oerlingshausen,  Befestigung  249.   „      "*«^—  ,   *o/» 

m      Ax  4  AU        I     •   7j    D  1-  •      CO         üraeadeckel  nut  Loch  186. 

Togottiauie,  Anthropologie  44,  Religion  58. 

Tolkeult,  Westpreussen,  Steinzeitfunde  78,  neo- 

lithische  Ansiedelung  748. 

Topfiitelne,  zum  Formen  der  Töpfe  344. 

Topfstfitiea,  Ungarn  88. 


Dme  mit  Halsschmuck  von  Jablau,  West- 
preussen 748,  derBotocudos  27,  doppel- 
conische  761,  mit  mehrfach  durchlochten 
Henkeln  760,  in  brasilischen  Höhlen  28, 
von  Hochstüblau  186,  von  Ketzin  459, 
8.  Fensterumen,  Gesichtsumen,  Pagoden- 
umen. 


UmealUd  bei  Münchchofe,  Kr.  Nieder- Barnim 

470. 
UraeafHedbof,  Anderlingen,  Hannover  158,  in 

Ungarn  94. 


•    k.ij    /TT  •      i.  i.    1-  \   •     j       Ali-»    u  üTö  I  ünenfnad  von  Nickelsdorf,  Ostpreussen  789. 
Toibaidf  (Enca  tetralix)   m  der  Altmark  679. '  »,.     .     rr  r.« 

"^  Dmesgriber  in  Ungarn  98. 

If'raoaban  in  einem  Hügelgrabe  der  Hallstatt- 


Tordos,    Siebenbürgen,    Grubenomamcnt    76. 

Steinzeitfunde  71. 
Torgaa,  Kinderspielzeug  278. 
Torgaten,  Verbrennen  und  Begraben  bei  den  422, 
Tracbtea  in  Altmexico  117,  in  Rügen  446. 
Tra€btea-.«a8eiM  409,  872. 
Trantvatl,  Basuthoperlen  899. 
Tranbeakirtcbe  in  Pfahlbauten  102. 
Tribatlltte,  Altmexiko  124,  180. 
Trigbv  in  den  julischen  Apen  38. 
TrÜkala,  Thessalien,  wilder  Mensch  in  817. 
Tri^Mtnui,  Os  860. 
Tro)«,  Bernstein  in  295. 
Trojaalsebet  Muster  eines  u^haischen  Gerithes 

410. 


zeit  271,  276,  an  Trompetenmundstück 
847,  bei  St.  Lucia,  von  Karfreit  31. 

Vnpraag  der  Lachse  und  des  Feuers  im  Volks« 
glauben  der  N.-W.  Indianer  578. 

Urzeit  des  deutschen  Volkes  und  das  Ent- 
stehen und  Vergehen  der  Stämme  und 
Völkerbünde  871. 

OsaMbara,  das  Innere  von  693. 

Utrecbt,  Erzbischöfl.  Bibliothek,  Evangeliar  des 
heiligen  Bemnll^  Gemme  609. 

V. 

faectalMi  myrtillus,  Heidelbeere  104,  vitis 
idaea,  Preisseibeere  104. 


(928) 


Yampjre  im  wotjakischen  Aberglauben  425. 

Yan-See,  Keilinschriften  810. 

Yancoufer-Insel,  Felsenzeichnung  160. 

Yasen  von  Cypem  35. 

Yerbena  officinalis  im  Aberglauben  744. 

YerbreltoDg  der  Babas  422,  der  Steingräber  in 
der  Mongolei  und  Sibirien  (die  sogen. 
Kereksuren)  421. 

Yerkrennen  und  Begraben  gleichzeitig,  bei  Tor- 
guten   422. 

YeHIcknng  der  Articulatio  phalangea  prima  bei 
einer  Handstand-Artistin  190. 

Yeredelang  der  Obstarten  109. 

Yerein  von  Alterthumsfreunden  im  Rheinlande, 
Bonn,  50 jähriges  Jubiläum  689. 

—  für  Lübeckische  Geschichte  und  Alter- 
thumskunde  338. 

—  für  Volkskunde  872. 
Yereiolgung,  freie  photographische  898. 
YfrhandluDgen  des  YIII.  russischen  Archäologen- 

Congresses  in  Moskau  1890,  414. 

YerIftsDog  an  einem  prähistorischen  Oberarm- 
knochen von  Mühlthal  360. 

Yersandete  Bäume  auf  der  kurischen  Nehrung 
794,  Dörfer  der  kurischen  Nehrung 
798. 

Vertreter  fremder  Völker  in  Berlin  869. 

YerwaltoDgskericht  für  das  Jahr  1891  866. 

Yerwttterong,  näpfchenartige,  an  Steinen  721. 

—  des  Bernsteins  291. 

Yictoria,  Venezuela,  Landkartenstein  254. 
Ylehittcht  der  Haussa  236. 
Yigoa  sinensis  in  Aegypten  660. 
YUai-Tangnsen,  Schädelmessnngen  437. 
Ylrch^w,  R.,  Ernennung  zum  Ehrenpräsidenten 
577. 

—  -üedaiilf,  Ueberschuss  875. 

—  -Stiftong  875. 
Ytcakalar  aus  WestaMca  45. 

—  aus  Togo  59. 
Yölkerstlmme  Malaccas  829. 
Yllkerstrasse  durch  die  Schweiz  333. 
YllkerKandemng,  Funde  in  Bussland  416. 
Yfgdfigarfn  aus  Bronze  332,  334. 
Yfiksglauben  auf  Rügen  447. 
Yelkskaoile,  National-Museum  326. 
Y^lkslicder,  philippinische  436. 
Yolksmedldo  407. 

Yoiksptesle,  wotjakische  425. 
Yolbsagen,  isländische  250. 
Y^lkstrachlfn,  ihr  Alter  324. 
Yolksthumliches  aus  Rügen  445. 
Yorderarm,  kurz  bei  Westafrikanem  55. 
Yffdensleii,  Doppeläxte  461. 
Y^riaNlele  409. 


Yardlele  497. 

YargescklehÜlcbf  Alterthümer   in   Moskau  416. 

—  Eartenzeichnungen   in    der   Schweiz  237, 

—  Trompeten,  im  Norden  gefundene  847. 
Vorgeschichte  der  Obstarten  der  alten  Welt  97. 
Vorlauben  786,  an  einer  litauischen  Elete  799, 

an  litauischen  Häusern  798. 
Vorlaobenhiaser,  westpreussische  786. 
Vorrathsbaiis  s.  Klete. 
Yorslaflsche   Funde    abs    der   Nieder  -  Laositi 

588. 
YorsUnd,  3,  Neuwahl  für  das  Jahr  1892  876. 

W. 

Waage  und  Gewicht,  symbolisch  dargestellt  528. 
Wa4en,  gute,  bei  Westafricanem  48. 
Wadj  Asludj  im  Negeb,  Schädel  578. 
Wigungen  orientalischer  Fmidstdcke  aus  Gold 

530. 
Wille  und  Wallgraben  in  Ostprenssen  789. 
Waflea  der  La  T^ne-Zeit  830,  der  Waldbewohner 

in  Malacca  834. 
Waknssn-Neger,  Maasse  44. 
Wal,  der,  und  die  Knaben;  Indianersage  63S. 
Wallaf,  Rhein,  Bing  mit  Knöpfen  und  Thier- 

köpfen  490. 
Walmdach  eines  litanisehen  Hauses  799. 

—  der  schwarzorter  Häuser  796. 
Waltersderf,  Kr.  Teltow,  Steinzeitfunde  72. 
Wandhenorf  altgermanischer  Hütten  466. 
Wangen  am  Bodensee,  Steinzeitfunde  76. 
Warka  (OrchoS),  Assyrien,  Goldring  581. 
Wamicker  Forst,  Ostpreussen,  Kenlenknopf  an 

Bronze  850. 
»Waaserhaar*'   der  Eingebomen    Ton  MaUeca 

845. 
Weherei  der  Haussa  288,  in  OstpreosseB  486i 
Wechselhllge  auf  Rügen  448. 
Weiher,  die  weissen,  auf  Rügen  458. 
Wetchselflütft  bei  Thom  767. 
WethnachtshaiM  485. 
Weihraach  in  Aegypten  666. 
Wel- Neger,  Messungen  45,  66,  Skekt  63. 
Weisse  Frau,  auf  Rügen  454. 

—  Haare   eines   Eingebomen   ^n   MaUera 
846. 

Wellen  in  Aegypten  661,  665. 

Wellenemaiient  in  dem  Burgberg  Ton  Djakowo 

bei  Moskau  428. 
Wellenlinien  auf  einem  DilurialfBAd  Ton  PM- 

most  176. 
Welthandel  des  Bernsteins,  alter  296«  Wegr 

299. 
Wenden  in  der  KiederUnaiti  819. 
Werhellfli  Westprenssen,  Haut  187. 


(929) 


Wtreebeti,  Ungarn,  Ansiedelung  94,  Steinzeit- 
fände  85. 

WestifHciBer,  Anthropologie  44,  Körpergewicht 
der  Dahome  110,  Leute  in  Berlin  113, 
T&ttowirung  118,  Typen  65,  114. 

Westeregelo,  Doppelazt  460. 

Westfalen  Ausgrabungen   249,    Bernstein  203. 

WestfUbcber  Proviniial- Verein  für  Wissen- 
schaft und  Kunst,  Jahresber.  157. 

Westfrankreich,  Becher,  Steinzeit  79. 

Westbeeren,  Altmark,  Silberfunde  680. 

Westprenisen,  archäologische  Forschung  746, 
Bronzezeit  in  747,  Burgwftlle  178,  751, 
pr&historische  Denkmäler  748,  Depotfund 
749,  Friedensau  747,  Gesichtsumen  747, 
Qiebelverzierungen  188,  Hacksilberfunde 
751,  Häuser  187,  Hallstattzeit  749,  Hirsch- 
feld, Hirschhomhammer  749,  La  T^ne- 
Gräberfelder  747,  Lenzen,  Burgwall  751, 
Münzen  187,  neolithische  Zeit  748,  Ox- 
h5ft,  Steinzeit  748,  rdmische  Zeit  750, 
Schläfenringe  751,  Schlossberge  178,  sla- 
vische  Funde  751,  Steinbilder  747,  Telk- 
witz,  Ringkragen  747,  Tolkemit,  Stein- 
zeit 748,  Urnen  186,  Toraugusteische 
Münzen  229,  Yorlaubenhäuser  786,  Willen- 
berg, Alt  aus  Eichhorn  426,  Wohnhaus  ohne 
Schornstein  in  der  Weichsel-Niederung 
725. 

Westprenssisebes  Provinzial-Museum  829. 

WlddergeaUlt  als  Gewicht  522. 

Wld4fr-ilpfe  aus  Bronze  833,  334. 

Wie  die  Thiere  den  Himmel  erstiegen.  In- 
dianersage 165. 

Wien,  altmezikanischer  Federschmuck  144. 

Wiesbaden  Museum  490. 

WIUnger-Anklinge  in  Ostpreussen  763. 

Wll^  Eingebome  von  Malacca  837. 

—  Pferde  24. 

WiMer  Mensch  in  Trikkala,  Thessalien  817. 
WiMscbweln  zur  Steinzeit  86. 
WUlenselnfloss,  Wirkung  auf  Muskeln  683. 
Winkibnen,  Ostpreussen,  Bronzefnnde  760. 
WInkel-Omanient,  neolithisch,  Pommern  70. 
Wintbertbur,  Schädel  381. 
WIHel  von  Cypem  40,  riesige  41,  hölzerner 
42. 

—  Steinzeit,  Ungarn  89. 

Wlaklaaten,  Ostpreussen,  Hügelgrab  der  Stein- 
zeit 758. 

Wismar,  Bronzebeschläge  für  ein  Blasehom 
858. 

WIssenscbafUlcbf  Weisungen  an  Reisende  578. 

WItteUnMnrg  bei  Bulle,  Ausgrabungen  249» 
489. 

VerhandL  der  BerL  Antbropol.  GeteUachrnft  1891. 


Wubnbinser  der  Botocudos  27. 

Wohnplats  bei  Lockwitz  466. 

Wohn-  und  Werkstätte  am  Dnjepr  419. 

WohnnngfD  der  deutschen  Yölkerstämme  871. 

Wolfssabn-Omament  auf  neolithischen  Knochen- 
platten 753. 

Wollln,  Pommern,  Gräberfeld  u.  s.  w.  589,  708, 
slavische  Schädel  704. 

Wstjaken,  Kannibalismus  bei  den  425. 

Warfbrett  auf  dem  Stein  Ti^oe's  127. 

WnnelniinDcben  zum  Schatzsuchen  u  s.  w.  728. 


Xlpe,  Gott  der  Mexicaner  135. 
Xlpbf^jme  Gebrüder  Tocci  245,  869. 
Upbodjnüf  366,  bei  Thieren  370. 

Y. 

Tepl,  Mexico,  Gott  der  134. 
Tmba,  WesUfrica,  65,  69,  231. 
Scbidel  55. 

Z. 

llbne,  Abnutzung  der,  in  Alaska  395. 

~  vorspringende  der  Jakun,  Malacca  84Ö. 

Zablselcben,  arabische,  früheste  464. 

Zabnstand  der  Artistin  Petrescu  189. 

Zanbos,  americanische  Mischlinge  279. 

Xa^tekiseber  Kalender  156. 

Zamowits  (W.-Preussen),  Burgwall  184,  Kloster 
185. 

Zauberei  407,  mit  Alraunen  781. 

Zauberer  der  Guaycurus  25. 

Zanberfemiel  für  Schatzgräberei  408. 

Zaanrftbe  (Bryonia)  als  Alraun  739. 

Zebu,  Fettbuckel  der  470. 

Zeicbenstelne  und  Beckensteine  723. 

Zelcbnnngen  weiblicher  Kopftrachten  354. 

Zelt  der  Gorodischtsches  423,   der  Mongolen- 
gräber 421. 

ZelteIntbellunK  der  alten  Aegypter  652. 

Zeltscbrlft  für  deutsch-südamerican.  Interessen 
„Süd-America«  490. 

Zeltstellung  der  Bronzesporen  5%. 

Zeus,  Bild  aus  Hium  463,  Symbole  des  700. 

Ziege  zur  Steinzeit  86. 

Zierpflanzen  in  Aegypten  660. 

Zibikanal,  Schweiz,  Funde  329. 

Zhnbabje  (Zimbäoe),  Süd-Africa,  Ruinen  348, 
877. 

Zlnnbrtme,  Kaukasus  355. 

ZInkbrtnze  357,  751. 

Zlatlhf,  Bosnien,  Ansiedelung  337. 

Zueben,  Pommern,  Bronzeschmuck  407. 

Zuckerrthr  in  Aegypten  660. 

58** 


(930) 

Zfirich  und  das  schweizerische  Landesmuseum  i  Zwtebelgew&cbse  in  Aegjpten  666. 

380,  Skelet  381.  twUling,  defecter,  parasitärer  429. 

ZusaunnenTorkommen    von    Steinhämmern    mit   Zwillinge,  xiphodyme  366. 

Metallbeigaben  in  Gräbern  756.  .  Zwölften,  die,  auf  Rügen  449. 

Zwerge  von  Arkona,  Sage  455.  Ed.  Krause. 


Druckfehler* 

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Draek  tod  Oebr.  UBf«r  In  B«rUn,  8eh5neb«rgernnMe  17  a. 


Nachriehten 


über 


deutsehe  Alterthumsfunde. 

1891. 


Mit  Unterstützung 
des  Königlich  Preussischen  Ministeriums  der  geistlichen,  Unterrichts- 

und  Medicinal  -  Angelegenheiten 

herausgegeben  von  der 

Berliner  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie 

und  Urgeschichte 


unter  Rodaction  von 


R.  Virchow  und  A.  Voss 


Erg&nzangsbl&tter  zur  Zeitschrift  ffir  Ethnologie. 


BERLIN. 

Verlag  von  A.  Asher&Co. 

1892. 


Inhalts  -Verzeicimiss. 


Seite 

1)  Bronzefande  aus  dem  Rhein 1 

2)  Der  RingwaU  von  Walsleben,  Kr.  Buppin,  Prov.  Brandenburg  (Abb.) 2 

3)  Das  Gräberfeld  von  Kossewen,  Kr.  Sensburg,  Ostpr.  (24  Abb.) 20 

4)  Sammlung  in  üetersen  bei  Hamburg  (Abb.) 28 

5)  Ausgrabungen  im  Kr.  Obomik,  Posen. 

1)  Umenfriedhof  von  Stobnica  (4  Abb.) 29 

2)  Umenfriedhof  von  Kowalewko  (3  Abb.) 30 

6)  Fund  von  arabischem  Silber  bei  Pinnow,  Vorpommern 31 

7)  Merowingische  und  römische  Graber  bei  Ehrang,  Trier 31 

8)  Römische  Funde  bei  Miltenberg,  Baden 31 

9)  Bohlenweg  bei  Daune,  Hannover 32 

10)  ürnenfunde  bei  Gerwisch,  Burg  bei  Magdeburg 32 

11)  Funde  bei  der  Ausgrabung  des  Nord-Ostsee-Kanals  in  Holstein 33,    56 

12)  ümenfeld  zu  Bek,  Schleswig 85 

13)  Ausgrabungen  auf  dem   Burg-   und,  Lorenzberg  bei  Kaldus,   Kr.  Kulm,   West- 
preussen 87 

1)  Der  Burgberg.    2)  Der  Lorenzberg  (11  Abb.) 

14)  Gräberfeld  bei  Kulm,  Westpreussen 40 

15)  Funde   aus   der  jüngeren  Stein-,   der  älteren  Bronze-  und  der  Hallstatt- Zeit  in 
Westpreussen 43 

16)  Neolithische  Fundstelle  von  Mildenberg,  Kr.  Templin,  Prov.  Brandenburg  (8  Abb.)  46 

17)  Rheinische  Funde 

1)  Aus  dem  Bericht  der  Verwaltung  des  Prov.-Mus.  zu  Bonn 49 

2)  Aus  dem  Bericht  der  Verwaltung  des  Prov.-Mus.  zu  Trier 61 

18)  Schanzen  in  der  Provinz  Posen. 

1)  Schwedenschanze  bei  Baranowo  A,  Kr.  Strelno 52 

2)  Schwedenschanze  bei  Lubin,  Kr.  Tremessen 53 

19)  Gräberfelder  bei  Tschammer-EUguth  und  Adamowitz,  Kr.  Gr.-Strehlitz,  Schlesien .    56 

20)  Prähistorische  Fundstellen  aus  Westpreussen  und  dem  östlichen  Pommern ....    57 

(Kr.  Bereut,  Putzig,  Carthaus,  Lauenburg,  Stolp). 

21)  BurgwäUe  von  Stangenhagen,  Kr.  Jüterbogk-Luckenwalde,  und  Zauchwitz,  Kr.Zauch- 
Belzig,  Prov.  Brandenburg  (Abb.) 60 

22)  Bronzefund  von  Berlin  (2  Abb.) 64 

23)  Hügelgräber  von  Havemark  bei  Genthin,  Prov.  Sachsen  (Situationsskizze)    ....    65 

24)  Gräberfelder  von  Schermen,  Kr.  Jerichow  I.,  Prov.  Sachsen  (4  Abb.) 68 

25)  Brandgrube  von  Bruchhausen  bei  Heidelberg 70 

26)  Gussformen  von  Falkenberg,  Kr.  Beeskow-Storkow,  Prov.  Brandenburg  (2  Abb.).   .    71 

27)  Gräberfeld  bei  Rusdorf,  Kr.  Crossen  a.  d.  Oder  (4  Abb.) 72 

28)  Alamannische  Gräber  an  der  oberen  Donau 75 

29)  Archäologische  Landesaufoahme  in  Württemberg 77 

30)  Gesichtsiimen  von  Liebschau,  Kr.  Dirschau,  Westpr 79 


IV 

SeiU» 

31)  Burgwälle  in  den  Kreisen  Berent,  Stargardt  und  Neustadt,  Westpreossen    ....    81 
1)  Schwedenschanze  h.  Schadrau  (Sitnationsskizze),  2)  ScMossherg  bei  Schlossberg 
(Situationsskizze),  8)  Schwecki  Ostrow  bei  Lissaken,  4)  Burgwall  Ton  Neu-Barkoczin^ 

5)  Burwark  bei  Skurcz,  6)  Schlossberg  bei  Casimirs. 

32)  Vorgeschichtliche  Erwerbungen  des  M&rk.  Prov.-Museums  in  Berlin S8 

1)  Skelet  von  Rosenthal  bei  Berlin,  2)  Feuersteinbeil  aus  Alt-Berlin  (Abb.),  8)  Spiral- 
plattenfibel von  Rudow,  Kr.  Teltow  (Abb.),  4)  GrÄberfande  von  Rusdorf,  Kr.  Crossen 

(26  Abb.),  5)  Gräber  bei  Mühlenbeck,  Kr.  Nieder-Bamim  (2  Abb.). 

33)  Pr&historische  Fundstellen  bei  Liebstedt,  Amt  Weimar,  Grossh.  Sachsen-Weimar  .    94 
1)  Abfallgrube,  2)  Steinkistengrab,  3)  Slavisches  Gräberfeld. 

34)  Bronzeschwert  aus  der  Weser  von  Vlotiio,  Prov.  Westfalen 96 

Geographische  Uebersicht  nach  Ländern  nnd  Provinzen 

(nach  den  Nummern  dos  Inhalts  •Verzeichnisses).  Kr. 

Baden 8,  25 

Bayern 28 

Hamburg 4 

Hessen 1 

Preussen : 

BerUn  .   .   .   .   ' 22,  82 

Brandenburg 2,  16,  21,  26,  27,   82 

Hannover 9 

Ostpreussen 3 

Pommern 6,   20 

Posen ö,   18 

Rheinprovinz 7,   17 

Sachsen 10,  28,  24 

Schlesien 19 

Schleswig-Holstein 11,    12 

Westfalen 34 

Westpreussen 13,  14,  15,  20,  80,   31 

Sachsen- Weimar 33 

Württemberg 29 


Bibliographische  Uebersicht  ttber  dentsche  (nnd  benachbarte)  Alterthnmsftade 

für  das  Jahr  1800. 

(Schluss.) 
B.   Fundberichte.  Srit»« 

IL    Gräber 2 

III.  Einzel-  und  Sammelfunde,  Funde  ohne  Ortsangabe S,   17 

IV.  Inschriften,  Skulpturen,  KulturgegcnstSudc 18 


Erginznngsblätter  zur  Zeitsckrlft  fttr  Ethnologie. 

Nachrichten  ober  deutsche  Alterthamsfande. 

Mit  ünterstützmig  des  Königlich  Preuss.  Mimsteriums 
der  geisüichen,  Unterrichts-  und  MedicinaJ  -  Angelegenheiten 

herausgegeben  von  der 

Berliner  Gesellschaft  fttr  Anthropologie,  Ethnologie  nnd  Urgeschichte 

unter  Redaction  von 

R.  Virchow  und  A.  Voss. 


Bronzefunde  aus  dem  Rhein. 

Bei  Baggerarbeiten  zwischen  der  Ingelheimer  Ane  und  der  Petersane  in  dem 
Rhein  wurden  vor  einigen  Tagen  wiederholt  Funde  gemacht. 

Zu  den  interessanteren  Gegenständen  gehört  eine  Anzahl  ron  Bronzebarren, 
die  an  einer  und  derselben  Stelle  zu  Tage  gefordert  wurden.    Es  sind  über  50  Stück. 

Die  Barren  haben  die  durchschnittliche  Länge  von  23  cm,  doch  sind  auch 
einige  kleinere  von  19  rm  und  weniger  dabei.  Ihre  Höhe  beträgt  etwa  1  cniy  die 
untere  Fläche  ist  1,5  cm  breit.  Die  schmälere  obere  Fläche  ist  bis  zu  den  ab- 
gerundeten Enden  mit  vertieften  Strichen  bedeckt,  die  jedoch  so  verschliffen  sind, 
dass  man  nicht  mehr  unterscheiden  kann,  ob  sie  zur  Verzierung  gedient  haben; 
letzteres  ist  bei  Gussbarren  übrigens  wohl  kaum  anzunehmen. 

Das  Gewicht  der  einzelnen  Barren  schwankt  zwischen  220 — 265  g,  der  ganze 
Fund  wiegt  \0  kg  3b4  g.  Zugleich  mit  einer  Anzahl  dieser  Barren  wurde  eine 
Bronze-Pfeilspitze  von  7,6  cm  Länge  mit  Widerhaken  und  einer  Oehse  an  der  Tülle 
ausgebaggert.  An  derselben  Stelle  fand  sich  ein  geperlter  Bronzering,  dessen 
innere  Weite  ""nur  1,5  cm  misst;  in  regelmässigen  Abständen  gruppiren  sich  um 
denselben  4  Stierhäupter,  deren  lange  Homer  gleich  Stacheln  von  dem  Ringe  ab- 
stehen. 

In  der  Nähe  dieser  Fundstelle  wurde  nach  und  nach  eine  Anzahl  Yon  Bronze- 
fibeln mit  geschlossenem  Fusse  (sog.  später  La  Tene-Typus)  und  mehrere,  dieser 
Form  nahestehende,  römische  Schamierfibeln  aus  Bronze  erhoben.  Diese  kleinen, 
verschiedenen  Zeiten  angehörigen  Gegenstände  können  wohl  zusammengeschwemmt 
worden  sein;  die  auf  einer  Stelle  gelagerten  Bronzebarren  aber  dürften  vielleicht 
als  Theil  von  der  Ladung  eines  Fahrzeugs  zu  betrachten  sein,  das  die  Yorräthe 
eines  Händlers  barg  und  an  jenem  Platz  gesunken  ist. 

'Die  Funde  gingen  in  den  Besitz  des  hiesigen  Museums  über. 

L.  Lindenschmit  Sohn  (Mainz,  11.  März). 


Der  Ringwall  von  Walsleben,  Kreis  Ruppin,  Provinz 
Brandenburg. 

Sudwestlich  von  dem  Dorfe  Katertow  bei  dem  Vorwerk  Charlottenthal  ist  in 
der  QeneralstabBkarte  mid  auch  anf  mehreren  anderen  ein  „Hunenwall"  rerzeichnet- 
Derselbe  liegt  auf  der  Feldmark  des  Rittergutes  Walaleben,  hart  an  der  Qrenze 
der  sUdlicfaen  von  den  beiden  kleinen  Meklenbnrgischen  Enklaven,  welche  die 
Priegnitz  von  der  Grafachaft  Rnppin  trennen.  Die  kleine  Temnitz  flieset  dort 
dnrch  ebene  fruchtbare  Wiesen,  in  deren  Mitte  sich  der  ziemlich  weithin  sicht- 
bare Bingwall  erhebt.  Es  war  ursprünglich  wahrscheinlich  ein  natürlicher  Sand- 
hügel,  der  wegen  seiner  gesicherten  Lage  im  morastigen,  wiesigen  Terrain  zn  einer 
Befestigung  nmgeschaffen  wurde.  Die  Anlage  ist  kreisrund  und  bia  auf  einen 
kleinen  Theil  im  Osten,  wo  Erde  abgegraben  ist,  noch  rollkommen  erhalten.  Die 
Höhe  des  Bangwalles  beb^  nach  innen  10—13,  nach  ansäen  15,  die  Breite  an 
der  Basis  etwa  25  Pnsa. 


Der  Umfang  im  Innern  des  Walles  misst  440  Schritte.  Den  äuBseren  Umliuig 
konnte  ich  nicht  messen,  weil  mehrere  Stellen  wegen  des  hohen  Wasserstandes 
unpassirbar  waren.  In  der  Uitte  macht  sich  eine  kleine  Erhöhung  bemerkbar, 
vielleicht  der  ursprüngliche  natürliche  HUgeL 

Anf  der  Ostseite,  wo  E^rde  abgegraben  war,  fand  ich  eine  Uenge  grösserer 
und  kleinerer  Steine,  die  theilweise  Sparen  von  Brand  zeigten,  und  einen  Thon- 
Scherben  aus  altgermanischer  Zeit,  der  es  wahrscheinlich  macht,  dass  wir  hier 
eine  altgennanische  Befestigung  vor  uns  haben,  wohl  eine  der  schönsten  nnd 
beaterhaltenen,  welche  in  der  Mark  noch  za  finden  sind.  M.  Weigel. 


Bibliographische  Uebersicht  Über  deutsche  Alterthumsfunde 
für  das  Jahr  1890. 

Bearbeitet  von  Dr.  F.  Hoewes. 

B.   Fnndberichte. 
n.  erlber. 

(Portsetsnng.) 
Pohaen,  Kr.  Qnben,  Brandenb.,  ünenfriedhof  Popelkan  b.Eichpn,Kr.  Wohlan,  Oitpr.,  Oittfr- 
(jäng.  LsDBiti.  Tjp.,  Debergang  v.  Ballst ,  feld.  Steinpack.,  Knochenschirht  m.  Vn*v. 
I.  La  Tene,  4.  Jahrh.  r.  Chr.).  Knochen-  Bronie- Fibeln,  -Amibnistr  u.  SproM«>iifibdi. 
nrne,  Beigef.,  RSach^rgeflaa,  Thonklapper.  |  -Annringen,  -Schnallen,  Ofatring,  Bin^ 
JenUch:    Mitlh.  Niederlana.  Qes.  S.  b&i.       bmchatücken,    eis.    Heuern,    Zengrectai; 


—    3     — 


Pferdeskelet;  sUb.  Annring,  Bernsteinperlen. 
Bujack:  Sitzgsb.  Pmssia  S.  177. 

Pulkau,  Haasgräber,  s   Ansiedlungen. 

Putzig,  Bronzeringe,  Colliers  u.  Glas- 
perlen a.  e.  Kistename  (HaUstatt).  Ber. 
westpr.  Prov.-Mus.  S.  12. 

—  (Kreis).  Urnen  (Hallstatt).  Bv.  westpr. 
Prov.-Mus.  S.  12. 

Baakow,  Kr.  Amswalde,  Brandenb.  Thon- 
gefässe  a.  d.  Gräberfeld.  Voss:  Amtl.  Ber. 
Sp.  XXXXI. 

Ragelsdorf,  s.  Ansiedlungen. 

Ramsdorf  b.  Tittmoning,  Gräber  (Hallstatt). 
Bronzeringe,  gebog.  Messer,  Thongefässe, 
Urnen,  verbrannte  Knochentheile.  Anz. 
germ.  N.-M.  S.  67. 

Rappenau,  Bad.,  Grabbugel.  Bronzeringe, 
Waffen,  Umenscherben.  Wagner:  Praehist. 

*   Bl.  S.  89,  Antiqua  S.  31. 

Ravensburg,  Württ,  vorgeschichtl.  Gräber. 
Tbongefäss.  (Nagel)  Maller:  Antiqua  S.13. 

Reicbersdorf,  Kr.  Guben,  Brandenb.,  vorslav. 
Brandgruben  (8.-4.  Jahrh.  v.  Chr.).  Asche 
m.  Knochenresten,  Gefässe,  thön.  Spinnwirtel, 
Thongegenstand  (Untersatz  od.  Spahnhalter?). 
Eis.  Messer,  Rasirmesser,  -Scheeren,  -Näh- 
nadel, -Schlüssel,  -Schnallen,  Fibeln  (band- 
forrn.)  a.  Eis.  u.  Bronze,  Bronzenadel. 
Jentsch:  Verh.  BerL  Ges.  Anthr.  S.  853. 

— ,  Gräberfeld  m  Urnen  d.  niederlausitzer 
Typus.  Eis.  Nadel,  -Sichel,  Bronzenadeln, 
Beigefässe  a  Thon  (tassenfSrm.,  Kännchen, 
Räuchergefässe  m.  Teller),  Steinhammer. 
Jentsch:  Verh.  BerL  Ges.  Anthr.  S.  357. 

Rekawinkel,  röm.  Grab.  Gewölbe,  Umen- 
scherben.  Karner:  Monatsblatt  d.  Alter- 
thnmsver.  Wien,  Jahrg.  7,  Bd.  8  S.  54. 

— ,  Grabgewölbe  in  e.  Tumulus.  Karner: 
Mitth.  Centr.-Comm.  S.  220. 

Remagen,  Gräber.  Thongeschirre ,  Glas- 
f] äschchen,  Kuppe.  Klein:  Jahrb.  Alter- 
thnmsfr.  RheinL  S.  208. 

Retz,  Niederöstr.,  Gräber  (HaDstatt).  Platten- 
gräber, cjclop.  Steinmauerungen,  Häus- 
gräber. Urnen  u.  Beigef.,  z.  T.  graphitirt. 
Skelet  m.  eis.  Messer,  eis.  Streitaxt,  Bronze- 
knöpfen, Pferdezaum  a.  Eisen,  Knochen  vom 
Schaf,  Gefässe,  Pferdeknochen.  Spöttl: 
Mitth.  anthr.  Ges.  S.  90. 

Rodmannshöfen,  Kr.  Königsberg,  Ostpr. 
durchlochte  Deckel  aus  e.  Hügelgrab. 
(Heydeck)  Bujack:  Sitzgsb. Prussia S.  166. 

Römershof  b.  Ascheraden,  Livl.  Bronzeringe, 
Glasperlen  u.  s.  w.  a.  d.  altliv.  Gräberfelde. 
Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  XV. 


Rönnau  (Gross-),  Kirchsp.  Segeberg,  Gold-  u. 
Bronzefund  aus  e.  Grabhügel  Ber.  Schlesw.- 
Holst  Mus.  S.  11. 

Rossen  bl  Merseburg,  versch.  Funde  a.  d. 
Giäborfeld.    Voss:  Amti.  Ber.  Sp.  XU. 

Romano  di  Lombardia,  Transpadana,  röm. 
Gräberstätte.    Not-  d.  Scavi  p.  272. 

Rondsen  b.  Graudenz,  Gräberfeld  (La  Tene). 
Brandgruben  u.  Umengräb.,  Beigab,  a. 
Bronze  u.  Eis.  (Gürtelhaken,  Fibeln, 
Schnallen,  Sporen,  Messer,  Schwerter  u.s.w.). 
Ber.  westpr.  Prov.-Mus.  S.  13. 

Rosenthal,  Kr.  Nieder  -  Barnim ,  Brandenb. 
Urnen,  Beigef.  u.  Beigab,  v.  Bronze  u. 
Knoch.  a.  d.  Gräberfelde.  W  ei  gel:  Amtl. 
Ber.  Sp.  LXXVL 

—  b.  Berlin,  Mühlsteine,  Umenscherben,  (Ge- 
rippe, Goldbrakteat  u.  Silberfibel,  heidn.- 
germ.  (600—800  n.  Chr.).  Friedel, 
Bartels:  Verh.  Berl.  Ges.  Anthr.  S.  518, 
520.  Mitth.  d.  Ver.  f.  d.  Gesch.  Berlins, 
S.  135. 

Rothenburg,  Oberlansitz,  Steinkistengräber. 
Buckelume,  Krüge,  Tasse,  Schleuderstein 
a.  Granit,  Bronzenadel.  Feyerabend; 
Verh.  Berl.  Ges.  Anthr.  S.  258. 

Rudolfswerth,  röm.  Grabstätte.  Urnen,  Schalen, 
Ampeln,  Glaswaaren,  Bronzenadeln.  Anz. 
germ.  N.-M.  S.  68. 

— ,  Krain,  Gräber  m.  Leichenresten.  Schwerter, 
(d.  eine  a.  La  Tene),  gold.  Ohrgehänge, 
Bronzefibeln,  -Schnallen,  -Ringe,  Schalen, 
Urnen  a.  Glas  u.  Thon,  Töpfe,  Münzen. 
Tumulus  m.  Thongef.,  Bronzeperlen,  Pferde- 
Geschirrschmuck.  Anz.  germ.  N.-M. 
S.  92. 

Rümlang  (Zürich).  Röm.  Thontöpfchen  (3) 
mit  Asche  und  Erde.  Anz.  Schweiz.  Alt. 
8.  310. 

IS^aarburg,  Grube  m.  Mauerwerk  u.  Sandstein- 
blöcken. Münzen  (Hadrian),  Thonscherben, 
Menschen-  u.  Thierknochen.  Anz.  germ. 
N.-M.  S.  93. 

Saarow,  Kr.  Beeskow-Storkow,  Brandb.  Thon- 
gefässe a.  e.  Gräberfeld.  Weigel:  Amtl. 
Ber.  Sp.  LXXV. 

Saint^G^rard,  Prov.  Namur,  Belg.  Frank. 
Gräberfelder.  Schuermans:  Wd.  Z. 
8.  814. 

Salins,  Wallis.  Gräber  m.  Bronzearmringen. 
Ritz:  Anz.  Schweiz.  Alt.  S.  310. 

Salzburg,  Kapuzinerberg,  röm.  Gräberfeld. 
Aschenamen,  Glasume  m.  Knochenresten, 
Messer,  Thränenfläschchen,  Fibeln,  Arm- 
spangen.   Anz.  geim.  N.-M.  S.  39. 


—     4    — 


San  Antonio  di  Monte veglio,  Cispadana. 
Brizio:  Not.  d.  Scavi.  p.  206. 

—  b.  Caporetto,  Kriegergrab,  üme  a.  Bronze 
m.  Lanzen,  Gelten,  Paalstab,  Sponton,  Beil 
a.  Eisen,  eis.  Armband,  Scbleifstein.  Mar- 
chesetti:  BoU.  Soc.  Adriat.  p  XIV. 

Sanct  Jacob  b.  Fölling,  Bay.,  Steinkisten- 
gräberanlage,  im  Tuflf  ausgehauen,  Skelette, 
e.  Schädel  m.  schön  erhalt.  Gebiss,  Schwer- 
ter, Holztheile  e.  Schwertscheide  u.  A.  — 
Kubusartiger  Schacht  im  Tuflf  (1888). 
Schneller:  Beitr.  Anthr.  Bay.  S.  81. 

San  Giustino,  ümbrien,  Verbrennungsgrab  m. 
etrusk.  Bronzespiegel  (2.  Jahrh.  v.  Chr.) 
Gamurrini:  Not.  d.  Scavi  p.  178. 

San  Pietro  al  Natisone  b.  Cividale,  vor- 
geschichtl.  Gräberfeld.  Marchesetti: 
BoU.  Soc.  Adriat.  p.  XIV. 

Santa  Caterina  b.  Jelsane  u.  Sapiane,  Istrien, 
Gr&ber  (Hallstatt}.  CertosarFibeln,  glatt. 
Halsring  (Torques),  Spiral-Armbd.  Marche- 
setti: BoD.  Soc.  Adriat.  p.  XV. 

Santo  Spirito  b.  Cittanova,  Istrien,  Gräber  m. 
Bestatt.  (Bronzezeit?).  Knochen,  Urnen. 
Bronzering.  Marchesetti:  BoU.  Soc. 
Adriat.  p.  XV. 

Sapiane  s.  Santa  Caterina. 

Savignano  sul  Panaro,  Cispadana.  Etruskische 
Brandgräber  u.  Reste  aus  gallischer  u. 
römischer  Zeit.  Crespeliani:  Not.  d. 
Scavi  p.  6. 

Schallersdorf  (Alt-)  b.  Znaim,  Mähr.,  Reihen- 
gräber aus  spätest.  Heidenzeit.  Skelette, 
eis.  Messer,  Lanzenspitze,  Streitaxt,  henkel- 
loses Thongef.  m .  Wellenlinien-Om.  M  a  s  k  a : 
Mitth.  Centr.  Comm.  S.  45. 

Schattau,  Mähr.,  Gräber  u.  Leichenbrandstelle. 
Gefässe  m.  Asche  u.  Knochen,  Reibstein- 
platte, Feuersteine,  Klopfer.  Thierknochen 
(Pferd,  Rind,  Schaf),  Bronzeklumpen  u. 
-Halsringe.  Spöttl:  Mitth.  anthr.  Ges.  Wien 
S.  97. 

Scheinfeld,  Grab  m.  Urnen.  Anz.  germ.  N.-M. 
S.  91. 

Schellhom  s.  Drage. 

Schierstein  b  Erbach,  Nassau,  fränk.  Gräber. 
Skelette,  Waflfen,  Schilde  (verwitt.)  m.  eis. 
Umbo,  Bronzebecken,  Urnen  u.  Gef.,  glas. 
Weinbecher,  silb.  l^beln  m.  Almandinen, 
Falken-  u.  Scheibenfibeln,  silb.  Armbänder, 
m.  Federschluss,  Schnallen  a.  Bronze  od. 
Weissmetall,  Bronzeringe,  Glas-  u.  Perlen- 
schmuck,  Bernstein,  Bronzebeschlagstücke 
V.  'Schmuckkästchen,  Nadeln  m.  Oehr, 
Pinzetten,    Beinkämme,    Glas  -  Fingerring, 


Glasflasche,  Münze,  Thierknochen  o.  A.  K.-It. 
Gesammtver.  S.  15.  Florschütz:  Ebeml;! 
S.  30.  Ann.  Ver.  Nass.  Alt.  S.  28. 
Schierstein  b.  Erl^ach,  Nass.  Wurfspie«-. 
Schwert  v.  Eisen,  Trinkgefäss  a.  GLi>, 
fränk.  Kupfermünze  vom  Grabfelde.  Ottu: 
K.-B.  wd.  Z.  Sp.  226. 

—  (Frankengräber).  Trinkgefäss  a.  Glas  vi. 
erhab.  Linienverzier.,  Kupfermünze.  Anr.. 
germ.  N.-M.  S.  94. 

—  Fränk.   Grabfunde.      Voss:    AmtL    B»*r. 

Sp.  xm. 

Schiphorst,    Kr.  Lauenburg,    Schlesw.-HoKt. 
Bronzeschild   a.   e.   Hügelgrab.     Weig»»! 
AmÜ.  Ber.  Sp.  LXXVIII. 

Schlagenthin,  Kr.  Konitz.  Bronzering  e.  Rinc- 
halskragens  (Hallstatt;.  Ber.  westpr.  Pro\.- 
Mus.  S.  13. 

Schlesien.  Thongefassc  m.  Bronzebeiga^v 
Weigel:  Amtl.  Rer.  Sp.  LV. 

Schönlanke,  Gräberstelle  (in  d.  Nähe  Wohn- 
stätte).  Urnen  (e.  Mützenume)  m.  Leich»  n- 
brand,  in  Steinkiste,  Beigefässe,  Bronze- 
Fingerringe  ,  Bemsteinperle .  B  n  c  h  h  o  1 7 . 
Verh.  Berl.  Ges.  Anthr.  S.  875.  K.-B.  <;»- 
sammtver.  S.  63.    Anz.  germ.  N.-M     S.  .'*». 

Schönow  b.  Berlin,  Gräberfeld  (La  Ten«  . 
Urnen,  Bronzeohrringe,  eis.  Busennadel  m. 
Bronzeknopf,  eis.  Ringe  u.  Spiralen.  An/, 
germ.  N.-M.  S.  39. 

Schretzheim  b.  Dillingen,  alemann.  Reihen- 
gräberfeld.  Skelette,  Bronze  -  Ohrring'-, 
-Gürtelbeschläge  u.  -Gürtelschnallen«  -Zi» t- 
Scheibe,  -Nadel,  Halskette  a.  Thonperl'^n  u 
Steinen,  ThongefUsse,  eis.  Messer,  Spatha 
m.  bronzeverzierter  Holzscheide  u.  led.  «i-- 
hänge,  Sax  u.  Ledergurt  m.  silbertausrl 
Eisenbeschlag.  Arnold:  Nachr.  S.  M. 
Praehist.  Bl.  S.  87. 

Schrotzhofen,  Oberpfalz,  Grabhügel.  Th  r 
Scherben,  Urne,  Schüssel,  Bestattung 
Bronzefibeln,  -Gürtel,  -Halsschmuck  u.  \. 
Scheidemantel:  Praehist.  Bl.  S.  86. 

Schwabmünchen,  Bay.,  Reihengrikber.  LaniT. 
Skramasax,  Pfeilspitze,  Thonperle  m.  7A<i- 
zackom.,  Thongef.  (1888).  Weber:  Beirr 
Anthr.  Bay.  S.  81. 

Schweizerhof  b.  Zehlendorf,  Brandenb.  V-r 
röm.  Umenreste  u.  Beigab,  v.  Eis.  u.  Bn^ni' 
a.  d  Gräberfeld.  Weigel:  AmtL  B«t. 
Sp.  LXXVL 

Schwetz,  Westpr.  Urnen  a.  d.  Griberf«*!! 
Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  XLI. 

Sdorren,  Kr.  Johammisburg,  Ostpr.  Aschm 
häufen  m.  verbr.   Knochen,  Brouieplattr. 


—    5    — 


-Kettchen,  -Perlen,  -Spiralen,  Eisenfragment, 
Umenstücke.  Bujack:  Sitzgsb.  Prussia 
8.  177. 

Sdorren,  Kr.  Johannisbnrg,  Ostpr.,  s.  Wiska. 

Seddin,  Kr.  West-PriegnitZj  JBrandenb.  Thon- 
gefässe  m.  Eisen-  a.  Bronzebeigab,  a.  e. 
Gr&berfeld.    Vos8:  Amtl.  Ber.  Sp.  XI. 

Sellessen,  Kr.  Spremberg,  Brandenb.  Vorröm. 
Schale  u.  Thonscherb.  vom  Gräberfeld. 
Weigel:  AmtL  Ber.  Sp.  LXXV. 

Sensina,  Wallis.  Gefäss  a.  Bronzeblech  m. 
Linearem.,  Armringe  u.  Fibelfragmente  a. 
Bronze.     Ritz:   Anz.  Schweiz.  Alt.  S.  310. 

Siedelberg  b.  Mattighofen,  Oberösterr.,  Hügel- 
gräber.   Kohlenstückc,  Aschenschicht,  Arm- 
ringe a.  Bronzedraht  m.  Einkerb.,   Thon- 
schale,  omamentirtes  Thongefäss  (Scherben) 
S trab  erger:   Mitth.  Centr.-Comm.   S.  87. 

— ,  Hügelgräber.  Eisenring,  Urne,  Dolch 
m.  Eisenklinge,  Bronzegrifif  n.  -Scheide, 
Eisenstück  m.  getrieb.  Linienom.,  graphitirte 
Henkelschalen,  Bronzefibelfragment,  Gefäss- 
scherben,  Kohlen,  geschwärzte  Kugelsteine. 
Mitth.  Centr.-Comm.  S.  136. 

Sköm  b.  Prökuls,  Kr.  Memel,  Ostpr.,  röm. 
Grabfand  (?).  Bronze-Sprossenfibeln,  -Finger- 
ringe, Kaisermünzen,  silb.  Halsring,  Glas- 
u.  Bemsteinperlen.  Bujack:  Sitzgsber. 
Prussia  S.  178. 

-,    Grabfund    d.    Wikingerzeit.     Armringe, 
Hufebenfibeln,  Halsring,  Parirstange,  Stab, 
sämmtl.    aus    Bronze.     Bujack:    Sitzgsb 
Prussia  S.  179. 

Slup  in  Prag,  yorgeschichtl.  ümengräber. 
Urnen,  gestreift,  Asche,  Gefässstücke,  Bronze- 
nadeln Jelinek:  Mitth.  anthr.  Ges.  Wien 
S.  137. 

— ,  vorgeschichtl.  Skeletgrab.  Schädel,  Schüssel 
m.  Streifen ,  Bronzenadeln ,  -Meissel, 
-Ringe,  Knochenwerkzeuge,  Glasgegenst., 
Thonwirtel,  Serpentinmeissel ,  Eisenstücke, 
Thierknochen.  Jelinek:  Mitth.  anthr.  Ges. 
Wien,  S.  139. 

Sorge  (Alt-),  Kr.  Filehne,  Pos.,  slav.  Skelet- 
gräberfeld.  Skelette,  Bronzeringe.  Weigel: 
Nachr   S.  26. 

Spirken,  Kr.  Memel,  Ostpr.  Bernstein  u.  ver- 
steinertes Holz  (?)  V.  d.  Grabstätte.  (H  e  j  d  e  c  k) 
Bujack:  Sitzgsber.  Prussia  S.  173. 

— .  Schnallenrahmen  a.  Eis.  u.  Bronze,  Finger- 
ring a.  Bronze  ans  Gräbern.  Bujack: 
Sitzgsb.  Prussia  S.  180. 

Stargard  (Pr.-).  Steinkisten  u.  Urnen  u.  and. 
Gef.  a.  Steinkisten  (Hallstatt).  Ber.  westpr. 
Prov.-Mus.  S.  12. 


Starkenburg,  Hess.,  bogenförm.  Bronzestück 
m.  Thierkopf  aus  e.  Grabhügel  (La  T^ne). 
Lindenschmit:  Praehist.  Bl.  S.  53. 

Staizeddel.  Urnen  m.  Knochenresten,  Bei- 
gefässen,  bronz.  Nadelschaft,  Steinsetz,  vom 
Rundwall  (vorslavisch).  Jen t seh:  Verh. 
Berl.  Ges.  Anthr.  S.  360. 

Steinberg  s.  Drage. 

Steindorf  b.  Braunschweig,  vorgeschichtl. 
Skeletgräber.  Steinplatten,  Skelette,  Thon- 
gefässe.    V  0  g e  s :  Nachr.  S.  60. 

Steinfeld  b.  Stendal,  Altmk.,  Hünengräber. 
Feuersteinsplitter.  Krause:  Nachr.  S.  35. 
Verh.  Berl.  Ges.  Anthr.  S.  414. 

Steinhausen,  Zug,  Grabfund  (La  Tene).  Potin- 
münze,  Ringe  a.Bronze,  gebuck.m.  Menschen- 
köpfen, Bronzering  i.  Eis.  eingeback.,  Ring  a. 
Silb.  (Nagelschutzring),  Fibeln  a.  Bronze 
(e.  m.  Suastica),  Skelette.  Heierli:  Anz. 
Schweiz.  Alt.  S.  338. 

Steinhöfel,  Kr.Lebus,  Brandenb.,  Brandgräber- 
feld. Steinpackung,  Urnen  (z.Th.  Buckelom.) 
m.  Leichenbrand  u.  Beigef.  (Schälchen  u.  A.), 
Bronze-Fingerringe  u.  -Messer.  Buchholz: 
Verh.  Berl  Ges.  Anthr.  S.  373. 

Stendal,  Altmk.,  Umoufeld.  Gebr.  Knochen, 
Scherben,  Brandschichten,  Urne,  napfförm., 
m.  gebr.  Knochen  u.  Birkenharz.  Krause: 
Nachr.  S.  33. 

— .    Urnen.    Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  XII. 

Stowen,  Kr.  Colmar,  Posen,  Smökberg  (Grab- 
hügel ?).  Steinplatte.   V  i  r  c  h  o  w :  Nachr.  S.  9. 

Stolzenhagen,  Kr.  Nieder-Bamim,  Brandenb., 
Gräberfeld  (Hallstatt).  Steinsetzung,  Urnen, 
z  Th.  m.  Knochen,  Beigef.,  Bronzedraht, 
-Blech.    Weigel:  Nachr.  S.  17. 

Stora  Hammer,  Königshöhe,  Schonen,  Stein- 
grabkammer m.  Hausume  in  Seetang  gewick., 
in  ders.  gebrannte  Knochen,  Bronzemesser, 
-Knopf, -Pfriemen, -Beschlag.  Montelius: 
Anz.  germ.  N.-M.  S.  67. 

Stranzendorf,  Gräber  (Hallstatt)  u.  Ansiede- 
lungen. Gefässe,  Thierknochen  (Rind,  Schaf, 
Hirsch,  Reh:.  Spöttl:  Mitth.  anthr.  Ges. 
Wien  S.  64. 

Strass,  Niederösterr.,  Mulden-  u.  Hausgräber. 
Urnen  u.  graphit  Schalen,  Klopfsteine, 
Wirtel,  Knochenwerkzeug.  Spöttl:  Mitth. 
anthr.  Ges.  Wien  S.  82. 

Strassburg.  Röm.  Aschenume  u.  Skelet  (1876). 
Vinet  in  Ges.  f.  Erh.  d.  bist.  Denkm. 
Strassburg:  K.-B.  wd.  Z.  Sp.  174. 

SüUdorf  s.  Drage. 

Tangermünde,  Umenfeld  a.  La  Tene.  Urnen 
m.  Knochen,    Beigefässe,    Bronze  -  Draht- 


—     6     - 


Spiralen,  -Ohrringe  m.  Glasperlen,  -Ring, 
eis.  Nähnadel,  -Gartelhaken,  -Klammer  m. 
Ringen  (Oehsenringe) ,  -Fibel  (La  Tene), 
-Klammer  e.  Messerscheide,  Feuerstellen 
(Steinpflaster,  Asche,  Scherben  m.  neolith. 
Om.).  Hart  wich:  Yerh.  Berl.  Ges.  Anthr. 
S.  310. 

— ,  neolith.  Gräberfeld.  Skelette,  Thier-Skelet 
u.  Schädel,  Töpfchen.  (Hartwich)  Anz. 
germ.  N.  M.  S.  38. 

Tarmstedt  b. Wilstedt,  Hann.,  Urnen  m  Bronze- 
Beigaben.    Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  XIII. 

Tegel  b.  Berlin,  Urnen  u.  Beigefässe  a.  d. 
Gräberfeld  d.  Bronzezeit.  Weigel:  Amtl. 
Ber.  Sp.  LXXV. 

Tenetniki,  Galiz.,  Kurgane.  Gefässe  m.  verbr. 
Knochen.  Ossowski:  Anz.  d.  Akad.  d. Wiss. 
Krakaa '  S.  99. 

— .  Tumuli  (Verbrennung).  Thongefösse, 
Knochenreste.  Ossowski:  Anz.  d.  Akad.  d. 
Wiss.  Krakau  S.  216. 

Thiöblemont-Faremont,  Frankr.,  Schlüssel  a. 
Bronze  a.  e.  gallo-röm.  Grabe.  Rey.  d.Ghamp. 
p.  788. 

Thiemendorf,  Kr.  Guben,  Brandenb.,  Thon- 
gefässe  (Lausitz.  Typ.)  a.  d.  Gräberfeld. 
Weigel:  AmtL  Ber.  Sp.  LXXV. 

Tiege,  Kr.  Marienburg,  Thongefässe,  Bronze- 
schale m.  Leichenbrandrest.,  röm.  Ber. 
westpr.  Prov.-Mus.  S.  13.  Anz.  germ.  N.  M. 
S.24. 

Traunstein,  Oberbay.,  Grab.  Bestatt.  (LaTfene). 
Knochen,  Topf,  Eisonmesser,  Bronze-Fibeln, 
-Blech,  -Nägel,  bogenförm.  Bronzestück, 
Eisennadel,  Bronze  zierstück.  Hie  dl:  Prä- 
hist.  Bl.  S.  49. 

— .  Hügelgräber.  Kohlen,  calcinirte  Knochen 
Eisenstücke.    Anz.  germ.  N.-M.  S.  91. 

Trippeisdorf,  Kr.  Bonn,  u.  Battenberg,  Kr.  Neu- 
wied, fränk.  Grabstätten.  Klein:  Jahrb. 
Alterthumsfr.  Rheinl  S.  209. 

Truntlack,  Kr.  Gerdauen,  Ostpr.,  Hügelgrab. 
Steinkreis,  Scherben,  Feuerstein -Keil  u. 
-Splitter.   Bujack:  Sitzgsb.  Prussia  S.  165. 

Turse  (Kl.-),  Kr.  Dirschau.  Gesichtsurnen  u. 
and.  Gef.,  Bronzeringe  a.  e.  Steinkiste  (Hall- 
statt).   Ber.  westjtr.  Prov.-Mus.  S.  12. 

Ullersdorf,  Reg.-Bez.  Liegnitz,  Schles.,  vor- 
geschichtl.  Urnenfeld.  Urnen  m.  Asche  u. 
Knoch.,  Beigef.,  Spiralring  a.  Bronze.  Ja- 
kubowski:    Verh,  Berl.  Ges.  Anthr.  S.  552. 

Unterach  b.  Thierhaupten,  Bay.,  Bronze- 
geschirre a  e. Grabhügel  (Hallstatt).  Weber: 
Beitr.  Anthr.  Bay.  S.  83. 

Unterihürheim,  Bay.,  alemann.  Reihengräber- 


^  feld.  Skelette,  Halsketten  v.  Thon-  u.  Gla- 
perlen,  Pilgermuschel,  eis.  Messer,  ^ilh. 
Scheibenfibel  m.  Schmelz  u.  Glas  Todtcn- 
münzen  (Silberdenar  u.  Goldsolidus  Ju-ti- 
nian's).    Arnold:  Nachr.  S.  &5. 

Urban,  Skeletgräbcr,  s.  Ansiedelungen. 

Urban,  s.  Ansiedlungen. 

Uwisla,  Galiz.,  Tumulus  u.  Skelet,  Thon^elT.^- 
m.  Henkel  u.  Omam.,  Bemsteinporle.  os- 
sowski: Anz.  d.Akad.  d. Wiss.  Krakau  S.2I(t 

—-,  Skeletgräbcr,  z.  Th.  unter  Quaderplatt »fi. 
Beilhammer  a.  Hirschhorn.  Ossow^^ki. 
Anz.  d.  Akad.  d.  Wiss.  Krakau  S.  2 IG. 

Vandsburg,  Urne  (Hallstatt)  Ber.  wo^tpr. 
Prov.-Mus.  S.  13. 

Velm,  Niederöstr.,  rom.  Sarkophag.  ^iJ[«■let. 
Bronzefibel,  eis.  Lanzenspitze,  eis.  Me>«tr. 
Thonschale,  Bronze -Sporn,  -Knopf,  »-iv 
Scheere,  Wetzstein,  Lederbeschlag  a.  Woi^v- 
metall,  Ringe,  Glasstücke,  alt.  Inschriftstt  iu. 
Hauser:  Mitth.  Centr.-Comm.  S.  138. 

Yentimiglia,  Ligurien,  röm.  Gräber.  Rosnj 
Not.  d.  Scavi  p.  27. 

Villers-deux-Eglises,  s,  Laneffe. 

Yillingen,  Hügelgrab  (Hallstatt,  5.-4.  Jahrh 
V.  Chr.).  1)  Scherben  a.  Terra  sigiilatj. 
Skelet.  2)  Steinsetzung,  Kohlenschicht  m. 
Knochenresten  u.  Umenscherben,  h51z«  Gra*  - 
kammer,  Skelette  auf  Leder  u.  TeppichfD. 
Gewebereste,  Schmuckgegenst.  a.  Bronze  u 
Eis.,  goldplatt.  Armband,  Wag'enre>t< . 
Wasserröhren.  K.-B.  wd.  Z.  Sp.  27.S.  An? 
germ.  N.-M.  S.  91. 

Vlkov,  Böhm.,  ümenfeld.  Urnen,  Bn»ni''- 
nadel,  graphitirte  Schale,  Gefässscherbr  d. 
Fragmente  v.  Bronzeringen.  D u s k  a:  Mitth. 
Centr.-Comm.  S.  137. 

Walde,  Pos.,  Steinkist«ngrab.  Urnen,  ♦*!*- 
Armringe.    Beilage  z.   Z.  hist.   Ges.  Po?.« 

s.  xxxxin. 

WaUstadt,  Amt  Mannheim,  röm.  Gräber  ia:*' 
Atzelberg.  Aschenumen,  Gefässe,  Holzr<*<»' - 
Eisennägel.  K.-B.  wd.  Z.  Sp.  1*98  (Jahr  -•  • 
d.  Mannheimer  Alterthums-Ver.  f.  189« » . 

Wandlitz,  Kr.  Niederbamim,  Brandenb.  Um»  *i- 
gräberfeld  (Hallstatt—La  Tene,  ö.-  4.  Jalir» . 
V.  Chr.;.  Steinkiste,  Steinpackung,  rni«- 
m.  gebr.  Knochen,  Bronze -DoppelkD«»}!. 
-Nadel,  -Pincette,  -Armring,  -Draht,  IWi 
gefässe,  Thon-Spinnwirtel.  Wo i g e  1 :  Sutlr 
S.  61. 

— .  Thongcfäss  m.  Pfeilspitzen  a.  Knorh^r 
(Beigef  einer  Knochenume,  HalUtatt-  l-i 
Tene).    Weigel:  Nachr.  S.  63, 

— .  Kamm  a.  Knochen  m.  Bronzenieten  d.  rr»u> 


-     7    — 


Kaiserz.    (a.   e.   Knocbenurne).      Weigel: 
Nachr.  S.64. 

Wandlitz,  Kr.  Kiederbamim,  Brandenb.,  Beil 
u.  Messer  a.  Feuerstein  v.  d.  Drei  heil. 
Pfuhlen.    Weigel:  Nachr.  64. 

Warringhol«,  Kirchsp.  Schenefeld.  Urne, 
kastenförm.,  m.  verbr.  Knoch.,  Bronze- 
Messer,  -Nadel,  -Pfriem,  Harzkitt  aus  e. 
Grabhügel  Ber.  Schlesw. -Holst  Mus.  S.  11. 

Wasilkowce,  Galiz.,  Tumuli  m.  V.erbrennung. 
Gefftsse  m.  Om.,  Pfeilspitze  a.  Feuerstein, 
Pfriemenspitze  a.  Knochen.  Ossowski: 
Anz.  d.  Akad.  d.  Wiss.  Krakau  S.  217. 

— ,  Gräber.  Gefässe  mit  je  einem  verbr. 
Knochenstück  u.  Steinzeitgegenst&nden. 
Ossowski:  Anz.  d.  Akad  d.  Wiss.  Krakau 
S.  100. 

Wattenheim  im  Ried,  fr&nk.  Reihengräber. 
Skelette,  Münzen  (Severus  Alex.,  Gordian, 
Honorius,  Mark  Aurel,  Magnentius,  Con- 
stantin  d.  Gr.,  Augustus  u.  Agrippa,  Mero- 
wing.,  Stadt  Nlmes),  Armbänder  a.  Bronze, 
Glasgefftss,  Spinn wirtel  a.  Glas  u.  Thon, 
Thongefässe;  Gürtelschnalle,  Beil  u  Wiege- 
messer a.  Eis.,  Ohrgehänge  a.  Muschel, 
Kette  a.  Bemsteinperlen  m.  Bronzezierat 
u.  Silbermünze  (Honorius),  Fibel  a.  vergold. 
Silb.  m.  Eisennadel  u.  Almandinen,  eis. 
Taschenbügel  m.  (Gewebe  u  Bronzeschnalle ; 
Schlüssel,  Scheere  u.  Ring  a.  Eis.,  Finger- 
ring a.  Bronze,  Muschel  in  Draht  eingezogen, 
Glasbecher,  Eimer  m.  eis.  Reifen  u.  Henkel, 
Scheibenfibeln,  Zierscheibe  a.  Hirschhorn. 
Kofier:  K.-B.  wd.  Z.  Sp.  81. 

Weikersdorf  (Gr.-).  Gräber  vom  Vanberg  od. 
Maisenberg.  Mulden  m.  Knochen,  Gefässen, 
Scherben,  Muschelschalen  (Unio),  Feuerstein- 
u.  Knochenwerkzeuge;  Webegewicht  u. 
Topfreste  d.  jung.  Steinz.;  Urnen  a.  Hall- 
statt. Erde  m.  Asche,  Thierknochen  (Rind, 
Schwein),    Gefässreste.     Bienenkorbgräber 

^  m.  Urnen  u.  Beigef.  (Bronzezeit).  Spöttl: 
Mitth.  anthr.  Ges.  Wien  S.  69. 

— .    Hausgräber,  s.  Ansiedlungen. 

Weinsheim,  röm.  Kastengrab.  Lemmen  in 
Ges.  f.  Alt.  Prüm:  K.-B.  wd.  Z.  Sp.  239. 

Weissenhöhe  (Bialosliwe),  Kr.  Wirsitz,  Stein- 
kistengrab  m.  Mützenume.  F.  Schwartz: 
Z.  bist.  Ges.  Posen  8.  205. 

Wels,  Oberösterr.,  röm.  Gräber.  Mauerwerk, 
Ziegel,  Sarkophag.   Anz.  germ.  N.-M.  S.  92. 

Westdorf,  Prov.  Sachsen.  Skelette  u.  Urnen 
m.  Leichenbrand  (spätröm.  od.  merowing.). 
Anz.  germ.  N.-M.  S.  69. 

Wetidorf,  s.  Ansiedlungen. 


Wezelach  b.  Virgen  (Pusterthal).  Grab  (Stein- 
kiste) m.  Eimer  a.  Bronze  (Inhalt:  Leichen- 
brand) und  eis.  Lanzenspitzen,  Armringe, 
eisernes  Messer  m.  geschweifter  Klinge,  eis. 
Lappenbeil  m.  Oehr,  Oertosa-Fibel  a.  Bronze 
m.  eingeritzten  Ornamenten,  schalenfSrm. 
Gef.  mit  Zirbelnüsschen  gefüllt;  Holzkohle 
mit  Knochenbrand,  Gefössscherb. ,  Bronze- 
knöpfe, Bronzering,  Bronzedraht,  Bemstein- 
perle.  v.  Wieser:  Mitth.  Centr.-Comm. 
S.  211. 

— ,  Felsengrab.  Lanzenspitzen,  Armbänder, 
Beil  aus  Bronze.  Bronzeume,  Gebeine.  Anz. 
germ.  N.-M.  S.  61. 

Wiedersee.  Röm.  Armring  a.  Bronze.  Ber. 
westpr.  Prov.-Mus.  8. 13. 

Wiekau,  Kr.  Fischhausen,  Ostpr.,  Baumsärge 
unter  Steinpflast  d.  erst,  nachchristl.  Zeit. 
Beigef.,  Sprossen-  u.  gewölbte  Fibeln  a. 
Bronze,  silbertauschirtes  Pferdegeschirr, 
Bronze- Stachelsporen,  eis.  Schildbuckel, 
Streitaxt,  Schwert;  Zierplatte  m.  eingelegt 
Glasfluss.  (H  e  y  d  e  c  k)Vi  r  c  h  o  w :  Nachr.  S.32. 

Windisch-Matrei,  Oest.,  Brandgrab  (Hallstatt). 
Bronzeciste,  eis.  Lanzenspitzen,  Gelt,  Messer, 
Bronze -Armringe,  -Fibel,  Asche,  Kohle, 
verbr.  Knochen,  Steinkreis,  Brandstätte, 
Bronzeknöpfe, -Ohrring(?), -Blech.  Schernt- 
hammer:  Prahlst  BL  S.  74. 

Wischin,  Kr.  Bereut,  Steinkiste  (Hallstatt). 
Urne  m.  Ohren  m.  Bronzeringen  u.  Kauri- 
muscheln.  (Podlaszewski):  Ber.  westpr. 
Prov.-Mus.  S.  12. 

Wiska,  Kr.  Johannisburg,  Ostpr.,  röm.  Gräber- 
fund a.  e.  Umenfeld.  Armbrust-  u.  a.  Fibeln, 
Armband,  Fingerring,  Platte  (Beschlag- 
stück?), Pincette  m.  Ring,  Gürtelbeschlag- 
stücke, Platte  m.  Würfelaugen  u.  Nieten, 
sämmtl.  a.  Bronze,  eis.  Speerspitze,  Messer, 
Stachelspom,  Feuerstahl,  Glasperlen,  bunte 
u.  m.  Goldfolie,  Beigefäss  (Tasse).  Bujack: 
Sitzgsb.  Prussia  S.  173. 

— ,  Umenfriedhof  (2.U.3. Jahrh.  n.  Chr.).  Urnen, 
Beigef.,  Knochenhaufen,  Asche,  Holzkohle, 
Knochenkamm,  Feuersteinspahn,  Armbrust-, 
Sprossen-,  Hufeisen-  u.  fränk.  Fibel,  Riemen- 
beschlag, Halsringe,  sämmtl.  a.  Bronze, 
Bronzeblech  m.  Würfelaugen,  eis.  Schild- 
buckel, Prickel,  SchnaUe,  Messer,  Zierrat, 
Bernstein-  u.  Glasperlen.  Bujack:  Sitzgsb. 
Prussia  S.  174. 

— ,  röm.Umengräberfeld.  Beinkamm,  Sprossen- 
fibel,  Armbrustfibel,  Beigefässe,  Bemstein- 
breloques,  Fingerringe,  Perlen,  Fibeln  (e.  m. 
eingelegt  Glasfluss).  Yirchow:  Nachr.  S.31. 


—    8    — 


Withoch  b.   Tuttiingen,  Grabhügel.     Brand- 

schutt,  Skeletknochen,  Rindknochen,  Urnen- 

scherben,  eis.  Bing.   Ealenstein:  Prähist. 

BL  8.  89. 
Wittmannsdorf,   Brandenb. ,   Hügelgräber   u. 

Flachgräberfeld.    Steinpackimgen,   Gefässe. 

Wein  eck:   Mitth.  Niederlans.  Ges.  S.  430, 

524. 
Wonneberg,   Steinkiste  (Hallstatt).    Gtesichts- 

omen.    (Meyer.)    Ber.  westpr.  Prov.-Mus. 

S.  12. 
Wroblewo,  ümenfeld  (Hallstatt).    Steinkisten 

m.  Mützennmen,    e.   Gesichtsnme,   Asche, 

Knochenreste ,     Bronze  -  Nadeln ,     -Zangen, 

-Bing,  dreibeiniges  Bronzestück.  Yirchow- 

Krzezinski:  Verb  Berl.  Ges  Anthr.  S.  163. 
Wudzinek    b.    Elahrheim,    Steinkistengräber. 

Urnen  m.  gebrannt  Knochen  u.  geschmolz. 

Bronze,  Beigefässe    Beilage  z.  Z.  bist.  Ges. 

Posen  S.  XL,  XLIII. 
Wymislewo,   Kr.   Thom,    ümen    (Hallstatt). 

Ber.  westpr.  Prov.-Mus.  S.  13. 
Zablotce,  Galiz.,  Knrgane  d.  Eisenzeit  Skelet, 

Kalkplatten,  Holz  m.  Nägeln.    Ossowski: 

Anz.   d.  Akad.  d.  Wiss    Krakau  S.  99,  216. 
Zaborowo,  Kr.   Schrimm,  Posen,     ümen   u. 

Beigef.  a.  d.  Gräberfeld.  Voss:  Amtl.  Ber. 

Sp.  XII. 


Zäbrdovic  b.  Kroroao,  Mähr.,  Skeletgräber. 
Skelette,  Steinmeissel.  Woldirich:  Mitth. 
anthr.  Ges   Wien  S.  185. 

Zanica,  Transpadana,  röm.  Grab  (1.  Jahrh.  d. 
Kaiserr.).    Not  d.  Scavi  p.  174. 

Zausenberg,  Grab  o.  Ansiedlangen.  Bienen- 
korbgrab  (1885)  m.  Urnen  a.  Beigef.,  Bind- 
knochen. Mulden,  Aschenstellen,  Scherben 
d.  Bronzezeit  ErdstalL  Kultiirschicht  m. 
Gefässrestena.d.  Steinzeit.  Feuerst^inmesser, 
Pferd-  u,  Hirschknochen.  Spöttl:  Mitth. 
anthr.  Ges.  Wien  S.  68. 

Zdrada,  Kr.  Putzig.  Urne  m  vier  Beinen  a. 
6.  Steinkiste  (Hallstatt).  Ber.  westpr.  ProT.- 
Mus.  S.  12. 

Zedlach,  Gem.  Windisch-Matrei,  Oest ,  Brand- 
gräber. Steinplatte,  verbr.  Knochen,  Eisen- 
Celte,  -Lanzen,  Bronzeciste,  Schlangenring. 
Schernthammer:  Prähist.  Bl.  S.  75. 

Zentendorf,  Kr.  Görlitz.  Yierlingsgeflss  a. 
d.  Gräberfeld.    Weigel:  Sp.  LV. 

Ziersdorf,  Haasgräber  (Hallstatt).  GefEase, 
z.  Th  m.  Asche  (grosse  Krüge,  Urne,  sieb- 
art.  Gef.  m.  Füssen,  Becher  u.  s.  w.).  Spöttl: 
Mitth.  anthr.  Ges.  Wien  8.  71. 

Zürich-  n.  Bodenseegebiet  La  T^ne -Schwert 
m.  abgerund.  Spitze  a.  gallischem  Grab. 
Forrer:  Antiqua  S.  11. 


ni«  Einzelfonde,  Sammelfonde  und  Fände  ohoe  genauere  Angabe  der  HerknnfL 


Aix-en-Othe,  Frankr.  Beil  a.  Bronze.  Mi  Hot: 

Bev.  de  Champ.  p.  466. 
Altfelde,  Kr.  Marienburg.  Steinhammer.  Ber. 

westpr.  Prov.-Mus.  S.  11. 
Altmark.     Thongefässe.     Voss:    Amtl.   Ber. 

Sp.  XLIL 
Amper  b.  Brück.     Vase   v.  Terra  sigiUata. 

Anz.  germ  N.-M.  S.  52. 
Anderbeck,  Prov.  Sachs.  Steinhammer.  Voss: 

AmÜ.  Ber.  Sp.  XLII. 
Andernach.  Ohrringe  ▼.  Silber,  v.  Cohausen: 

Ann.  Ver.  Nass.  Alt.  S.  285. 
Angeln,    Schlesw.  •  Holst.      Steingeräthe    u. 

Bronzen.  Weigel:  AmtLBer.  Sp.LXXVIII. 


a.     Feuerstein.       Weigel:     Amtl.     Ber. 

Sp.  LV. 
Avenches,  Waadt.  Statuette  a.  Bronze  (Tänzer;, 

Münzen  (Zeit  d.  jung.  Constantin),  Bing  m. 

Münze  Hadrians,  Eisenschaufel,  Ambos  u. 

Gewichtsteine  a.  Stein  u.  Blei.  Anz.  Schweiz 

Alt  S.  384. 
Barlewitz    b.   Stuhm.     Steinhammer.      Ber. 

westpr.  ProT.-Mus  S.  11. 
Bärwalde,  Kr  Königsberg,  Brandenb.    Stein- 
hämmer.   Voss:  AmtL  Ber.  Sp.  XL. 
—  (Kl.),   Kr.  Labiau,   Ostpr.     Beil  a.  Quarz- 

Diorit    Bujack:   Sitxgsb.  Pmssia  S.  168. 
Beckershof,  Kr.  Bromberg,  Pos.     Mahlstein. 


Annchenthal   b.    German,    Kr.    Fischhausen,       Voss:  AmtL  Ber.  Sp.  XLIL 


Ostpr.  Beil  a.  Stein.  Bujack:  Sitzgsb. 
Prussia  S.  164. 

Apolda,  Grossh.  Sachs.  Steingeräthe.  Voss: 
Amtl.  Ber.  Sp.  XIV. 

Arkona  auf  Bügen.  Axt  u.  Messer  a.  Feuer- 
stein.   Weigel:  AmtL  Ber.  Sp.  LXXVL 

Augsburg  (Pfannenstiel).  Münzen,  Scherben, 
Sporen,  Schüsseln,  Messer.  Anz.  germ.  N.-M. 
S.93. 

Ausacker,   Schlesw.  -  Holst.      Beile    u.    Säge 


Beeskow  b.   Stargard,   Pomm.     Pferdesahn, 

Steinbeile.     Thilenius:   Verh.  Beil.  Ges. 

Anthr.  S.  86. 
Beetzendorf,  Altmk.     Urnen.     Voss:   AmtL 

Ber.  Sp.  Xn. 
Bergem  b.  Kleinmünchen,  Oestr.  Röm.  MÜnie 

a.  Silber  (Alex.  Sey.).   Strab erger:  Mittb. 

Centr.-Comm.  S.  87. 
Berlin.     Hirsch-   u.  Elengeweihe,    bearbeit ; 

Feuerstein.     Mitth.    d.  Ver.   f.   d.   Getck. 


—    9    — 


BerliDS  S  136.   Friedel:  Verh.  Berl.  Ges. 

Anthr.  S.  623. 
Bertrich.    Fibel  m.  Schmelz,    y  Cohausen: 

Ann  Verh.  Nass.  Ali  S.  284. 
Bilderweitschen,  Kr.  Stallupdnen;   Heide,  Kr. 

Wehlau;    Rastenbnrg    n.    Sorqoitten,    Kr. 

Sensburg,     Ostpr.     Aexte   u.  Hämmer  a. 

Stein.   Tischler:  Sehr,  phys.-ök.  Ges.  S.  25. 
Bludnüd  u.  Martinon,  Galiz.    Beile  a.  Nephrit. 

Mach:  Mitth.  Centr.-Comm.  8.68. 
Böhnhosen,  Kirchsp.  Fiintbek.    Stecken  od. 

Nadel  a.  Bronze.    Ber.  Schlesw.-Holst.  Mus. 

S.  6. 
Bonn,  Amphorenscherben,  Scherben  v.  Thon- 

krngen,  Tiegeln  u.  Umendeckeln,  Bronze- 
münze  d.  Probus.     Klein:    Jahrb.  Alter- 

thumsfr.  Rheinl.  S.  213. 
Borkau,  Kr.  Carthaus    Feuersteinmeissel.  Ber. 

westpr.  Prov.-Mus.  S.  11. 
Bosarfre,  Habblingbo  Sn,  Gotland.    Deutsche 

Münzen  u.  Silbergegenstände.    Mänadsblad 

8.8. 
Bredinge,  KastlösaSn.,  Oeland.  Goldschmuck 

d.  jung.  Eisenzeit    Mänadsblad  S  5. 
Breslau.   Celt  u.  Armring  a.  Bronze.  W  e  i  g  e  1 : 

Amti.  Ber.  Sp.  LXXVII. 
Briesen,  Kr.  Schivelbein,  Pomm.  Steinhammer. 

Weigel:  AmtL  Ber.  Sp.  LIV. 
Brietzig,  Pomm.   Steinhammer.   Voss:  Amtl. 

Ber.  Sp.  KU. 
Brloh  b.  Laun,  Böhm.  Steinhammer.  Schnei- 
der: Mitth.  Centr.-Comm   S.  110. 
Brunne,  Kr.  Ost-HaveUand,  Brandenb.   Beil  u. 

Lanzenspitze  a.  Feuerstein,  Bronzemesser. 

Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  XI 
Brüttiseilen,  Zürich.  Thonscherben  (Stein-  u. 

Bronzezeit).     Heierli:    Anz.  Schweiz.  Alt. 

S.  359. 
Buchholzau,  Kirchsp.  Tolk.    Aexte  a.  Hirsch- 
horn.   Ber.  Schlesw.-Holst.  Mus.  S.  10. 
Buchlovic,  Mähr.   Steinbeil  a.  Syenit.    Wol- 

drich:    Mitth.  anthr.  Ges.  Wien,  Sitzgsb. 

8   67. 
Bukowina  (ca.  1880).  Ring  a.Bronze  m.  eingray. 

Muster.   Romstor fer:  Mitth. Centr.-Comm. 

S.  70. 

—  (ca  1880).  Kelt  a.  Bronze  m.  erhab. 
Zeichn.  Romstor  fer:  Mitth  Centr.-Comm. 
S.  70. 

Bur  :  auf  Fehmam  Slav.  Thonscherben.  Vo  s  s : 
Amtl.  Ber.  Sp.  XIII. 

—  i.  Spree wald,  Brandenb.  Klopfstein.  Voss: 
Amtl.  Ber.  Sp.  XI.  Pfeilspitze  a.  Bronze. 
Weigel:  AmtL  Ber.  Sp.  XXXIX. 

Burgwall,  Kr.  Templin,  Fundstücke  a.  d.  Hayel. 


Harpune  a.  Knochen,  Netzstricker  a.  Knochen, 
Pfriem  (Löser),  Hirchhomhacke,  Hirschhom- 
stange  m.  angefang.  Bohrloch.  B  u  c  h  h  o  1  z : 
Verh.  Berl.  Ges,  Anthr.  S.  367. 

— .  Geräte  v.  Hirschhorn,  Knochen,  Stein, 
Bronzeklinge  a  d.  Hayel.  Anz.  germ.  N.-M. 
8.50. 

— .  Bronzeschwert,  ausgebaggert  Voss: 
Verh.  Berl.  Ges.  Anthr.  8.  884. 

— .  Schwert  a.  Bronze  a.  d.  Hayel.  Anz. 
germ.  N.-N.  S.  51. 

Butzke,  Kr.  Beigard,  Pomm.  Scherben  y. 
Mäanderumen.    Monatsblätter  S.  6. 

Capu  cämpului  s.  Kirlibaba. 

Cazin,  Bosn.,  Bronzedepotfund.  Sicheln, 
Hohlcelte  u.  s.  w.  Truhelka:  Praehist 
Bl.  S.  28. 

Ceneselli,  Royigo.  Steinspitze.  Mantovani: 
BuU.  di  Paletnologia  ital.  Anno  16.  p.  52. 

Chappes,  Frankr.  Achat,  geschnitt.  Rey.  de 
Champ.  p.  467. 

Christianstadt,  Kr.  Sorau,  Brandenb.  Bronze- 
nadel.   Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  XL 

Coblenz.  Rom.  Fundstücke,  Thongefässe,  eis. 
Waffen,  Bronzefibeln  u.  s.  w.  Voss:  Amtl. 
Ber.  Sp.  XIU. 

Costa  di  Mezzate,  Bergamasco.  Gelte  (ascie) 
a.  Bronze.  Mantovani:  Bnll.  di  Palet- 
nologia itAl.  Anno  16  p.  54. 

Czamikau,  Urnen,  Topf  u.  Bronzenadel. 
Beilage  z.  Z.  bist.  Ges.  Posen  S.  XLI. 

Czemen,  Kr.  Memel.  Rom.  Münzen.  Tischler: 
Sehr,  phys.-ök.  Ges.  8.  25. 

Dal,  Steinfnnde.    M&nadsblad  8. 10. 

Dallerup,  Jütland.  Boot  a.  Eichenblock  m. 
Runen.    Anz.  germ.  N.-M.  8.  23. 

Dannenberg,  Hannoy.  Nadel  u.  Sporn  a. 
Bronze  a.  d.  Torfmoor.  Weigel:  Amtl. 
Ber.  Sp.  LXXVm. 

Denzin,  Kr.  Beigard,  Ponmi.  Hacksilberfund, 
Schleifstein  u.  eis.  Messer.  Voss:  AmtL 
Ber.  Sp.  XLL 

Dingelstedt,  Proy.  Sachs.  Eis.  Schwert  u. 
Lanzenspitze.    Voss:  AmtL  Ber.  Sp.  XLII. 

Diyäky  b.  Klobonk,  Mähr.  Dolch  a.  Bronze. 
Maika:  Mitth.  Centar.-Comm.  8.47. 

Dobrinsko  b.  Kromau,  Mähr.  Axt  a.  Diorit 
Woldirich:  Mitth.  anthr.  Ges.  Wien  S.  135. 

Dollanken.  Gefäss  a.  Bronze,  getrieben,  ge- 
rippt; Topfscherben  (Hallstatt),  Stein- 
hammer. Laube:  Mitth.  Centr.-Comm. 
8  89. 

Drengstedt,  Kirchsp.  Döstrup.  Urnen.  Ber. 
Schlesw.-Holst  Mus.  8.  6 

Dümberg   b.    Hallein.     Salinenarbeiter- Axt, 


-    10    — 


Celt  Petermandl:  Mitth.  Centr.-Comin. 
S.208. 

Dattoule,  Istrien.  Rom.  Münzen  (etwa.  170  v. 
Chr.).  Puschi:  Mitth.  Centr.-Comm.  S.  66. 

£ckartsberga,  s.  Naumburg. 

Eckersberg,  Ostpr.,  Scherben  m.  Strichverzie- 
rung.   Bujack:    Sitzgsb.   Pmssia    S.  173. 

Eichstädt,  Prov.  Sachs.,  Thonscherb.  Voss: 
Amtl.  Ber.  Sp.  XXXXU. 

Eifel,  röm.  G^fässe  a.  Glas.  v.  Gohausen: 
Ann.  Ver.  Nass.  Alt.  S.  284. 

Eining,  röm.  Goldmünze  (Theodosius).  BL-B. 
Gesammtver.  S.  16. 

Eisgrub,  Mähr.,  Riesentopf  (Getreidebeh&lter) 
a.  Graphit  MaSka:  Mitth.  Centr.-Comm. 
S.45. 

Eitweg,  E&mth.,  Bronzekopf  m.  Relief  (Leda). 
Carinthia,  Jahrg.  80,  S.  282. 

Elsass,  Bronzegriff  e.  Früh -La- Töne -Messers 
m.  Figuren.    Forrer:  Antiqua  S.  27. 

Elsass,  8.  Pfalz. 

Emertingen,Württ,röm.  Goldstück  (Yespasian). 
Anz.  germ.  N.-M.  S.  40. 

Erbach  a.  Rh.,  Ring  a.  Erz  m.  Oehsenköpfen. 
V.  Cohausen:  Ann.  Ver.  Nass.  Alt  S'.  284. 

Emsthausen,  Kr.  Oldenburg,  Schlesw.- Holst, 
Hacksilberfund.    Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.XIU. 

Euskirchen,  Beil  a.  Sandstein.  Wulff:  Jahrb. 
Alterthnmsfr.  Rheinl.  S.  289. 

JPall  b.  Wilhering,  Oest,  Spinn wirteL  Stra- 
b erger:  Mitth.  Centr.-Comm.  S.  87. 

Feldberg,  Meklbg.,  Slav.  Scherben.  Voss: 
Amtl.  Ber.  Sp.  XIIL 

Fels  am  Wagram,  Oest.  Witze  (Vespasian). 
Kam  er:  Mitth.  Centr.-Comm.  S.  186. 

Ferbenz  b.  Postelberg,  Böhm.,  Steinaxt  a.  Ser- 
pentin (1875).  Woldfich:  Mitth.  anthr. 
Ges.  Wien,  Sitzgsb.  S.  67. 

Ferchesar,  Kr.  West-HaveDand,  Brandenb., 
Steinhämm.  Weigel:  Amtl.  Ber.  Sp.LXXVL 

Finero  b.  Domodossola,  Transpadana,  byzan- 
tinische Gold-  u«  Sübermünzen.  Ferrero: 
Not  d.  Scavi  p.  27. 

Finthen  s.  Heidesheim. 

Fluntem,  Cant  Zürich,  röm  Münze  in  Mittel- 
erz (Faustina).  Heierli:  Anz.  Schweiz. 
Alt  S.  859. 

Förderstedt,  Kr.  Gardelegen,  Prov.  Sachs., 
Steinhammer,  Schaber  v.  Knochen.  Voss: 
AmtL  Ber.  Sp.  XI. 

Forsteck  b.  Kiel,  Steingeräthe.  Ber.  Schlesw.- 
Holst.  Mus.  S.  10. 

Frankenst^in,  s.  Olobok. 

Fratzig,  Kr.  Czamikau,  Pos.,  bearb.  Geweih- 
stück.   Weigel:  AmtL  Ber.  Sp.LXXVI. 


Freienwalde   a.  0.,    Fenersteinbeile.     Voss: 

AmÜ.  Ber.  Sp.  X. 
Freiwalde,  Niederlaus.,  Goldscheiben  u.  RoUen 

a.  Golddraht  (Hallstatt).    Degner:    Verh. 

Berl.  Ges.  Anthr.  S.  622. 
Friesach,  K&mth.,  Thongefftsse  n.  röm.  Kupfer- 
münzen.   Carinthia,  Jahrg.  80,  S.  233. 
Friesenheim,  Elsass,    Beil  a.  Bronze.     Ani. 

germ.  N.-M.  S.  91. 
Gaiselberg,  Oest,  Thonscherben.     Weigel: 

Amtl.  Ber.  Sp.  LVI. 
Gargano,  Sicheln  a.  Bronze.   Bizarro:  Mitth. 

Centr.-Comm.  S.  187. 
Garz  auf  Rügen,  halbmondförm.  Messer.   Wei- 
gel: Amtl.  Ber.  Sp.LXXVI. 
Genthin,  Urne.    Prähist.  BL  S.  91. 
Göronde,  Wallis,  Armspangen   u.   Agraffe   a. 

Bronze.    Ritz:  Anz.  Schweiz.  Alt  8.310. 
Gintro,  Kr.  Stuhm,  Steinhammer.  Ber.  westpr. 

Prov. -Mus.  S.  11. 
Glienicke  (Neu-),  Kr.  Ruppin,  Brandenb.,  eis. 

Messer  u.  Thonscherben.    Weigel:   AmtL 

Ber.  Sp.  LIV. 
Grodesberg  b.  Bonn,  spfttröm.  xl  frfink.  Topf- 
reste.   Wiedemann:  Jahrb.  Altertliimtffr. 

Rheinl.  S.  229. 
Göding, Mähr., Ringe  a.  Bronze.  Szombathj: 

Mitth.  anthr.  Ges.  Wien,  Sitzgsb.  S.  19. 
Grötzhöfen  (Adl.),  Ostpr.,  Axthammer  u.  Lanzen 

a.  Bronze.    Tischler:  Sehr.  phys.-öL  Ge*. 

S.  25. 
Goldbach   b.  Gotha,   Skelet,   Helm,   Schwert 

Anz.  germ.  N.-M.  S.  89. 
Groldberg,  Schles.,  silb.  Armring.  Voss:  AmtL 

Ber.  Sp.  Xin. 
GoUnschütz,  Kr.  Schwetz,   FenersteinmeisseL 

Ber.  westpr.  Prov.- Mus.  S.  11. 
Gorlowken,  Kr.  Lyck,  Ostpr.,  Beil  (Qaerbeil) 

a.  Gneis.   Bujack:  Sitzgsb.  Prossia  S.  166. 
Gotland,  Halsschmuck  a.  Bronze.   Voss:  Verfa. 

BerL  Ges.  Anthr.  8.886.     Weigel:   Axntl. 

Ber.  Sp.  LXXIX. 
Gram,  Axt  a.  Bronze.     Ber.  Schlesw.- Holst« 

Mus.  S.  5. 
Granibowischken,  Kr.  Memel,  Armring  a.  Bronze. 

Bujack:  Sitzgsb.  Pmssia  8.  180. 
Graudenz,  Hämmer  a.  Hirschhorn.  Ber.  we<stpr. 

Prov.-Mus.  S.  IL 
Gray,  Burgund,  merovingiscbe  Münze  (Theo- 

debert  I.?).     de  Beifort:   Annoaire  d«  U 

Soc.  firanQ.  de  Nnmism.  p.  184. 
Grein,  s.  Linz. 
Grossmain    a.    Untersberg   geg.  ReichenhalL 

Nadel  a.  Bronze.     Pettcr:  Mitth.  C-eatr.- 

Comm.  S.21L 


-    11   — 


Grüneberg,  Brandenb.,  Steinbeil.   Vo  s  s :  Amtl. 
Ber.  Sp.  X. 


Holstein,  Kr.  PischhausenjOstpr.,  Celt  a.  Bronze. 
Tischler:  Sehr,  phys.-ök.  Ges.  S.  25. 


Güns,  Veitsberg,   Ung.,    Schwert  (La  Tene).   Horst,  Kr.  Ost-Priegnitz,   Schwert  a.  Bronze. 


Szombathy:    Mitth.    anthr.    Ges.    Wien, 
Sitzgsb.  S.  12. 

(juschter-Hollän(ler,Kr  Friedeberg,  Brandenb., 
ThongefÄss  m.  Bronzen  (Hohlcelt,  Hohl- 
meissel,  Armringe,  Messer,  Gusskuchen), 
Bronzeraeissel,  Steinhacke,  Feuersteinbeile. 
Weigel:  Nachr.  S.  21. 

— .  Feuersteinbeil   Voss:  Amtl. Ber. Sp.XXXX. 

Haan  b.  Elberfeld,  Beilhfimmer,  Aeite,  Pfeil- 
spitzen, Messer  a.  Stein  (1884),  Bronze- 
schwert (1887).  Schell:  K.-B.  wd.  Z. 
Sp.  52. 

Haiensee  b.  Berlin,  vorröm.  Gef&ssscherben. 
(Cordel)  Voss:  Verh.  Berl.  Ges.  Anthr. 
S  299.   Weigel:  Amtl.  Ber.  Sp.  LXXV. 

Halland,  Gussformen  f.  Bronzecelte.  Manads- 
blad  S.  56. 

Hallstatt,  Sperreisen.  S  trab  erger:  Mitth. 
Centr.-Comm.  S.  87. 

Hardtgebirge,  röm.  .Mahlsteine  aus  Basalt. 
Mehlis:  KvB.  wd.  Z.  Sp.  211. 

Havransko  b.  Nimburg,  Beil  a.  Eisen  (La  Tene), 
gescW.  Axt  a.  Stein.  Öermäk:  Mitth. 
Centr.-Comm.  S.  186. 

Heegermühle  b  Eberswalde,Brandenb., Bronze- 
fund. Halsringe,  Armringe,  Zierstücke 
(Deichselverzier.  ?)  m.  Vogelfig.,  Zierbuckel, 
Fibel,  Fingerringe,  Schaftcelt,  Barren,  Kinder- 
schädel, Thongefassbruchst.  (Lausitz.  Typ.). 
Voss:  Verh.  Berl.  Ges.  Anthr.  S.  386. 

Heide,  s.  Bilderweitschen. 

Heidesheim,  Finthen  u.  Wiesbaden,  Löffel  a. 
Silb.,  Schwertknauf  a.  Bein  u.  and.  i-om. 
Alterth.  v.  Cohausen:  Ann.  Ver.  Nass.  Alt. 
S.284. 

Heilsminde,  Schlesw.- Holst.,  Feuersteinbeil. 
Voss:  AmtL  Ber.  Sp.  XXXXII. 

Hemmelsdorfer  See,  Kirchsp.  Ratekau,  Bronze- 
Depot.    Ber.  Schlesw. -Holst  Mus.  S.  9. 

Herbitz,  Wicklitz  u.  Tfirmita,  Böhm.,  Thon- 
gefasse  u.  Steingeräthe.  Weigel:  Amtl. 
Ber.  Sp.  LXXIX. 

Herminge,  Gellersta  Sn,  Nerike,  kufische  Mün- 
zen u.  silb.  Ringfibel.    Mänadsblad  S.  öl. 

Hilpersdorf   b.   Gemeinlebam,    Topfscherben, 


Voss:  Verh.  Beri.  Ges.  Anthr.  S.383;  Amtl. 

Ber.  Sp.  XL 
Hostein,    Mähr.,    Schwertfragment  a.  Bronze. 

Ma§ka:  Mitth.  Centr.-Comm.  S.  47. 
Hülfersreuth    u.   Hämmerlas,    Bez.   Bemeck, 

Oberfrk.,    Celt  a.  Bronze.     Zapf:   Prähist. 

Bl.  S.  84 
Hvetland  Sn,  Smaland,  Sax  a.  Eisen  u.  Pfriem 

a.  Knochen.    Mänadsblad  S.  8. 
Ingolstadt,  Bronzefund   (Haarnadeln,  Spiral- 
Armspangen).     Ostermair:   Nachr.  S.  53. 
Instön,    Marstrands-Scheeren,    bearb.  Bem- 

steinstück.    Mänadsblad  S.  8. 
Irritz,    Mähr.,    röm.    Münze    d.    Gordianus. 

Maska:  Mitth.  Centr.-Comm.  S.  47. 
Italien,  altetrur.  silb.  Fibel  m.  Rest.  v.  Golft- 

plattir.    Weigel:  AmtL  Ber.  Sp.  LXXX. 
Jacken,  Ostpr.,  Bronzering.  Voss:  AmtL  Ber. 

Sp.  XXXXI. 
Jagutten  b.  Spirken,   Kr.  Memel,   Zügelringe 

a.  Bronze.  B  u j  a  c  k :  Sitzgsber.  Prussia  S.  180. 
Janischken,   Kr.  Memel,   hufeisenförm.   Fibel 

a.  Bronze.    B  u j  a  c  k :  Sitzgsb.  Prussia  S.  180. 
Jastremken   b.  Vandsburg,    Steinhammer  u. 

Feldhacke.    Ber.  westpr.  Prov.-Mus.  S.  11. 
Juditten,   Kr.  Pr.- Friedland,  Ostpr.,  Hammer 

a.  Diaba«(V),  Hohlcelt  a.  Bronze.    Bujack: 

Sitzgsb.  Prussia  S  165. 
Kammerforst,  Kr.  Montabaur,  Beile  a.  Basalt. 

V.  Cohausen:  Ann.  Ver.  Nass.  Alt  S.  284. 
Karbowo  b.  Strasburg,  Westpr.    Steinhammer. 

Ber.  westpr.  Prov.-Mus.  S.  11. 
Kaschau,   Ung.     Kette   a.  Gold  (Bronzezeit). 

Pulszky:  Prähist.  BL  S.  92. 
Kelheim,  Bay.    Bronzegefäss.     Müller:  An- 
tiqua S.  52. 
Kietz,  (Alt-),  Brandenb.    Urnen.    Anz.  germ. 

N.  M.  S.  39. 
Kinten,    Kr.    Heidekrug,    Ostpr.     Steinbeil. 

Voss:  AmtL  Ber.  Sp.  XIL 
Kirchberg  b.   Genthin.     Urne.     Anz.   germ. 

N.-M.  S.  61. 
Kirlibaba  (1883)  u.  Capu  cämpului,  Bukowina. 

Panzerhemden     (Theile).       Romstorfer: 


Mitth.  Centr.-Comm.  S.  69. 

Bronzedraht, Schalenscherben. Szombathy:;  Kirpehnen,  Kr.   Fischhausen,   Ostpr.,    Speer- 

Mitth.  Centr.-Comm.  S.  138.  i     spitze,  damascirt.  Bujack;  Sitzgsb.  Prussia 

Hitzhusen,  Kirchsp.  Bramstedt,   Streithammer ,     8.  173. 

a.  Eisen.  Ber.  Schlesw. -Holst.  Mus.  S.  12.  j  Kleinengstin,  Württ.  Koptische  Münze  a. 
Holland,    Topf    m.    karolingisehen    Münzen.'      Bronze.    Anz.  germ.  N.-M.  S.  69. 

Serrure:    Annuairc  de  la  Soc    fran^.  de  |  Köln,  röm.  Gefässe  u.  Geräthe  a.  Erz  u.  röm. 

Numism.  p.  339.  i     Dolch  m.  eis.  Scheide  (Erztauschir.,  Schmelz- 


—     12    — 


u.  Perlmuttereinlag.)-    v.  Gohausen:  Ann. 
Ver.  Nass.  Alt  S.  284. 
Köln,  röm.   Thon^^irtel.     Voss:   Amtl.   Ber. 

Sp.  xxxxin. 

Kötschenbroda,  Kgr.  Sachs.  Steinbeil.  Voss: 
Amtl.  Ber.  Sp.  XIV. 

Kollenken,  Kr.  Culm.  Hälfte  e.  Steinhammers. 
Ber.  westpr.  Prov.-Mus.  S.  11. 

Komarow  b.  Halicz,  Galiz.  Axt  u.  Messerchen 
a.  Kupfer.  Much:  Mitth.  Centr.-Comm. 
S.  69. 

Koschmin,  Pos.  Lanzenspitze  a.  Feuerstein. 
Weigel:  AmtL  Ber.  Sp.  LIV. 

Kreuznach,  Scheibenfibel  m.  Goldplatte. 
Klein:  Jahrb.  Alterthumsfr.  Rhein.  S.  210. 

Kroatien,  Kupferring.  Voss:  Amtl.  Ber. 
Sp.  XXXXIII. 

Kromau,  Mähren.  Skelet  m.  Bronze -Arm- 
ringen (La  Tene).  Woldrich:  Mitth.  anthr. 
Ges.  Wien.  S.  134. 

— .  Halsringe  a.  Bronze.  Maska:  Mitth.  Centr.- 
Comm.  S,  47. 

Krzyzanki,  Kr.  Schrimm,  Pos.  Steinhammer. 
Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  XXXXL 

Küchelberg,  röm.  u.  rhat.  Funde.  Anz.  germ. 
N.-M.  S.  52. 

Kufstein,  Steinwerkzeuge  (?).  Mehlis:  Aus- 
land S.  839. 

Kukoreiten,  Ostpr.  Bronze  -  Lanzenspitze. 
Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  XXXXI. 

Kurische  Nehrung,  Bronze- Armring  u.  Münzen. 
Fischer:   Sehr.  ph}rs.-ök.  Ges.    S.  25. 

— ,  Leder  m.  Bronzenieten  d.j&ngst.  Heiden- 
zeit.   Ders.  ebenda.    S.  25. 

— ,  Hämmer,  Aeite,  Pfeilspitzen  a.  Stein, 
Hacke  aus  Eichhorn,  verzierte  Scherben 
(Fischgrätenom.)  d.  Steinzeit.  Tischler: 
Sehr.  phys.-ök.  Ges.  S.  26,  26. 

— ,  Armring  a.  Bronze  u.  Leder  m.  Bronze- 
nieten. Tischler:  Sehr,  phys.-ök.  Ges. 
S.  25. 

— ,  Bohrlochzapfen  aus  Diabas  (?).  Bujack: 
Prussia.  8.  165. 

— ,  Feuersteinsplitter.  B  u j  a  c  k.  Sitzgsb.  Prussia 
S.  163. 

— ,  Schleifsteine  (Steinzeit?).  Sitzgsb.  Prussia. 
S.  173. 

-  ,  Gefässböden.  Bujack:  Sitzgsb.  Prussia 
S.  173. 

Kuxtem,  Kr.  Wehlau.  Beil  ausDiorit.  Bujack: 
Sitzgsb.  Prussia  S.  164. 

JLabbehn,  Kr.  Lauenburg,  Pomm.  Gold-Arm- 
bänder.   Voss:  Amtl.  Ber.  XXXXI. 

Ladenburg  „  vorgeschichtL  Fund.  Schwert, 
Lanzenspitze,     Eisenkette.      K.-B.    wd.    Z. 


Sp.  300.     (Jahresb.   d.  Mannheimer    Alter- 
thums-Ver.  f.  1890). 

Lahen  b.  Wels.  Gürteltheile,  bronzene  Arm- 
brust-Fibel, Bronzeknopf,  eis.  Fingerring 
m.  grav.  Stein  (Tiger).  Straberger:  Mitth. 
Centr.-Comm.  S.  87. 

Laibacher  Moor.  Vorröm.  Schiff  a.  Lärcben- 
holz.    Anz.  germ.  N.-M.  S.  92. 

Lamberg,  Bing  a.  Gold  m.  schraubenf.  Wind., 
Bronzeschwert,  -Dolch,  -Streitaxt  Anz. 
germ.  N.-M.  S.  25. 

Lamenstein  u.  Sobbowitz,  Kr.  Dirschau.  Stein- 
hämmer.   Ber.  westpr.  Prov,  Mus.  S   11. 

Landeron  b.  Neuyeville,  Burgundische  Schädel, 
Extremitäten-  u.  Rumpfknochen,  eis.  Na^^el 
u.  Eisenstück  (Gewandnadel?)  Virchow: 
Verh.  BerL  (Jea.  f.  Anthr.  S.  160. 

Laubersheim,  Pfale.  Mahlstein  a.  Weisslieg. 
V.  Cohausen:  Ann.  Ver.  Nass.  Alt.  S.  2S4. 

Lauenforde,  Kr.  Hildesheim,  Hannov.  Pferde- 
gebiss  a.  Eisen  u.  Bronze,  röm.  Voss: 
Amtl.  Ber.  8p.  XIIL 

Laun,  Böhm.  Armschienen,  om.  Armringe. 
Nadeln  u.  e.  Barren  a.  Bronze.  Schneider: 
Mitth.  Centr.-Comm.  S.  109. 

Lausitz,  Thongefftsse.  Voss:  AmtL  Ber.  Sp.  X. 

Lebus,  Braudenb.  Hacksilberfund  u.  Thon- 
gefässe.    Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  XXXX. 

Lehen  b.  Salzburg,  röm.  Stilus  a.  BroüZ«*. 
Petter:  Mitth.  Cent-Comm.  S.  71. 

— .  Münze  a.  Bronze.  Petter:  Mitth.  Centr.- 
Comm.  S.  71. 

Leipzig.  Bootreste  a.  d.  Alluvium.  Wunder, 
Virchow:   Verh.  Berl.  Ges.  Anthr.  i>  403. 

Lenzen,  Kr.  Elbing.  Steinhammer.  Ber.  westpr. 
Prov.-Mus.  S.  11. 

Lettnin  im  Weizacker,  Pomm.  SteinhanuD<>r. 
Voss:  Amtl.  Ber.  Sp   XII. 

Lichtenthai  b.  Czerwinsk.  Steinhammer.  Ber 
westpr.  Prov.-Mus.  S.  11. 

Liebsee  b.  Riesenbnrg.  Steinhammer.  Ber. 
westpr.  Prov.-Mus.  S  11. 

Liepnitz- Werder,  Brandenb.  Vorröm.  Thon- 
scherben.    Weigel:  Nachr.  S.  19. 

Lindow,  Brandenb.  Mahlstein,  Feuerstein- 
messer.   Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  X. 

Linum,  Brandenb.  Lanzenspitzen  a.  Bronxe 
u.  Feuerstein  a.  d.  Torfinoor.  Voss:  Amll. 
Ber.  Sp.  XI, 

Linz.  Röm.  Geldmünze  (Antoninus).  Stra- 
berger: Mitth.  Centr.-Comm.  S.  87. 

Linz  u.  Grein.  Köm.  u.  jüngere  Münsen, 
Schwerter  u  a. Waffen  a.  versch.  Zeitpori<iden 
a.  d.  Donau.  Straberger:  Mitth.  Centr.- 
Comm.  S  220. 


—     13    — 


Lisnitz  b.  Kroman,  Mähr.    Spangen  a.  Bronze 

(sog.   Eünerspangen).     Woldficb:    MittL 

anthr.  Ges.  Wien.  S.  135. 
Löbarten,    Ostpr.     Schmucknadel   d.  jüngst. 

Heidenzeit    Tischler:  Sehr,  phys.-ök.  Ges. 

S.  26. 
Löbsch  b.  Putzig.    Halb.  Steinhammer.    Ber. 

westpr.  Prov.-Mus.  S.  11. 
Lösch,  Mähr.    Paalstab  u.  Sichelfragment  a. 

Bronze.      Malka:    Mitth.    Centr. -Comm. 

S.  47. 
Loiter  An  zwischen  Süderbrarup  u.  Buruplund. 

Einbaum.    Ber.  Schlesw.-Holst.  Mus.  S.  12. 
Lossowo-See,  Kr.  Flatow.   Steinhammer.  Ber. 

westpr.  Prov.-Mus.  S.  11. 
Lubstthal  b.  Guben.    Münze,  röm.    (Lncilla) 

a.  Erz.    Jentsch:  Verb.  Berl.  Ges.  Anthr. 

S.3Ö8.  Denar  v.GordianusIII.  Ebenda  S.^58. 
Luckau,  Brandenb.    Bronzecelt.    Voss:  Amtl. 

Ber.  8p.  XXX  X. 
Lübbichow  (Hohen-),  Kr.  König8berg,Brandenb. 

Messer    a.    Bronze.      Voss:     Amtl.    Ber, 

Sp.  XXXIX. 
üadriolo,  Udine.  Klumpen  (Barren)  a.  Bronze 

BulL  di  Paletnologia  ital.  Anno   16  p.  136. 
Mähren.    Flachbeil  a.  Jadeit.    Ma§ka:  Mitth. 

Centr.-Comm.  S.  47. 
Mahlisch  (Alt-),  Kr.  Lebus,  Brandenb.    Thon- 

gefässe    u.    Scherb.      Voss:    Amtl.    Ber 

Sp.  XXXX. 
Maifeld.    Römische  Thon-,  Glas-,  Bronze-  u. 

Terracottafunde.    v.  Cohausen:  Ann.  Ver. 

Nass.  Alt.  S.  281. 
Mainz.     Schwert  a.  Bronze,   ungar.   Typ.  u. 

omam.  Griff  a.  d    Rhein.     Koehl:    K.-B. 

wd.  Z.  Sp.  113. 
— .    Steinbeile  (a.  Eklogit,  Amphibolit,  Angit, 

Kalksilikat-Homfels)   in  Hirschhomfassung 

a.  d.  Rhein     Aus  'ra  Werth:  Verb.  Beil. 

Ges.  Anthr.  S.  248.   Tenne:  ebend.  S.238. 
Maldaiten,  Kr.  Fischhausen,  Ostpr.  Steigbügel 

a.  Eis.     Bujack:  Sitzgsb.  Prussia  8.  180. 
Mancic  b.  Zäsmuk.  Steingefä«s  m   böhm.  De- 
Denaren (Boleslaw  IL)     Anz.  germ.  N.-M. 

S.  95. 
Mehaigne,   Belg.     Coups   de   poing,   epoque 

chell^enne.    Schuermans:  Wd.  Z.  S.  312. 
Meklenburg.     ümenscherb.    m.  versch.    Om 

a.  d.  röm.  Kaiserzeit.    Weigel:  Amtl.  Ber. 

Sp.  LXXVIIL  I 

Mewe.    Bronzenadel.    Ber.  westpr.  Prov.-Mus.  1 

S.  12.  i 

M^zj,  Frankr.  ^Scramasax,  eis  Schwertgehenk- 
ring, Pyrite,  Mammuthzähne  u.  A.   Rev.  de 

Ghamp.    p.  787. 


Miess,  Kämt.   Thongefäss.  Carinthia  Jhrg.  80. 

S.  233. 
Mikels,  Närs  Sn,  Gotland.  Angels.  u.  deutsche 

Münzen,  ein  silb.  Thorshammer.  Mänadsblad 

S.  5. 
Milow,  Kr.  West-Priegnitz,  Brandenb.  Steinbeil. 

Weigel:  Amtl.  Ber.  Sp.  LXXVI. 
Miltem  b.  Tangermünde.    Gussform  a.  Kalk- 
stein, Feuersteinm  eissei  u.-Beil.  Hart  wich : 

Verb.  Beri.  Ges.  Anthr.  S.  251. 
Mitrowitz,  Slavonien.    Lanzenspitze,  Schwert 

u.  Thongewicht  aus  LaTene.    Szombathy: 

Mitth.  anthr.  Ges.  Wien,  Sitzgsb.  S.  10. 
Molkenberg,   Kr.  Jerichow   U,  Prov.  Sachs. 

Gefässe  a.  d.  Steinzeit.     Voss:  AmtL  Ber. 

Sp.  XL 
Mors  (Insel),  Dänemark.  Thongefässe  u.  Bronzen. 

Weigel:  AmtL  Ber.  Sp.  LXXIX. 
Mühlenkamp ,    Kr.    Bublitz ,     Pomm.      Eis. 

Wikinger-Schwert  m.  Knauf  u.  Parirstange 

a.  Bronze.    Weigel:   Amtl.  Ber.  Sp.  LIV. 
Münster,  Hess.     Beil  a.   C^oromelanit     y. 

Cohausen:  Ann.  Ver.  Nass.  Alt  S.  280. 
Hackenheim.    Schmucksachen  v.  Gold,  Silber, 

Bronze,  Grünstein,  Marmor.     Cohausen: 

Ann.  Ver.  Nass   Alt.  S.  281. 
Nahoran,  Bez.  Neustadt,  Böhm.     Schwert  a. 

Bronze.     Szombathy:   Mitth.  anthr.  Ges. 

Wien.    Sitzgsb.  8.  13. 
Naumburg    u.    Eckartsberga.      Steingeräthe. 

Weigel:  AmtL  Ber.  Sp.  LXXVIL 
Naundorf,  Kr.  Kalau,  Brandenb.  Steinhammer. 

Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  XXXX. 
Neutraer   Com.,   Ung.     Fibeln   m.   Spiralen. 

(OCarvoll)   Pulszky:   Prähist.  Bl.  S.  93. 
Nidden, Ostpr.  Pfeilspitze a. Feuerstein.  Voss: 

Amtl.  Ber.  Sp.  XXXXI. 
Nideck,  (Burg).    Würfel  a.  Knochen  m.  Punkt- 

gravirung  u.  Bronzecelt.  Win  ekler  in  Ges. 

f.  Erb.  d.  bist.  Denkm.  in  Strassburg:    K  -B. 

wd.  z.  Sp.  rx 

Niederlausitz,   Thongefässe   u.  Thonschcrben. 

Weigel:  Ayitl.  Ber.  Sp.  LXXV. 
Niendorf,  Oldenb.    Feuersteinsplitter.    Voss: 

Amtl   Ber.  Sp.  XIII. 
Niklasreut   b.   Miesbach,   Bay.,    Flachcelt   a 

Bronze.       Weber:      Beitr.     Anthr.     Bay. 

S.  83. 
Nischwitz,  Pos.  Steinbeile  u.  Bruchst.  e.  Stein- 
hammers.   Weigel:  Amtl.  Ber.  Sp.  LV. 
Nordenburg,  Ostpr,    Beil  a.  Glimmerschiefer. 

Bujack:  Sitgsb.  Prussia  S.  165. 
Nordenburg  u.    Schalben  b.  German,   Ostpr. 

Hämmer    a.    Diorit.      Bujack:     Sitzgsb. 

Prussia  S.  164. 


—     14    - 


Nordewitz     auf    Rügen.      Feuersteinmesser. 

Vosb:  Amtl.  Ber.  Sp.  XXXXI. 
Oberklee,  Bez.  Podersam,  Böhm.    Flachcelte, 

Halsringe,   Armspirale  a.  Bronze.     Szom- 

bathy:  Mitth.  anthr.  Ges.  Wien.     Sitzgsb. 

S.  17. 
Oblat  b.  Saaz,  Böhm.    Goldener  Halsring  aus 

La  Tene.    Szombathy:  Mitth.  anthr.  Ges. 

Wien.     Sitzgsb.  S.  12.' 
Obomik,   Pos.     Thongefässe.     Voss:   Amtl. 

Ber.  Sp.  XII. 
Obura  b.  Laun,  Böhm.  Steinbeil.  Schneider: 

Mitth.  Centr.-Comm.  S.  110. 
Oester   Ryftes,  Pole  Sn,   Gt)tland.     Brakteat 

u.  Fingerring   a.  Gold,   röm.  Silberdenare, 

Halsringe  v.  Bronze.    Mänadsblad  S.  49. 
Oestra  Hvarf,  Oestergötland,  Fund  a.  d.  älteren 

Eisenzeit.    Mänadsblad  S.  56. 
Oldenburg   des   Dannewerk.      Speerspitze    a. 

Eis.  ro.  Silbertausch.     Ber.  Schlesw.-Holst. 

Mus.  S.  11. 
Olobok,  Pos.   Münzen  a.  Silber,  karolingische, 

bayrische,  böhmische,  Wendenpfennige.    Z. 

bist.  Ges.  Posen.    S.  189. 
— ,   Kr.    Ostrowo    u.    Frankenstein,    Schles. 

Denarfunde  (10.— 11.  Jahrb.).    Friedens 

bürg:   Z.  f.  Numism.  Bd.  17.  S.  202. 
Olschowken,  Kr.  Pr.  Stargard.    Steinhammer. 

Ber.  westpr.  Prov.-Mus.  S.  11. 
Osterfeld,  Prov.  Sachs.     Mahlsteine.     Voss: 

Amtl.  Ber.  Sp.  XXXXII. 
Ostfriesland.     Gold.    Pingerring.     Weigel: 

Amtl.  Ber.  Sp.  LXXVIII. 
Ostpreussen.     Steingeräthe ,  Bronzen,  Thon- 

scherb.    Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  XII.  Bronze- 
armring, altpreuss.     Weigel:   Amtl.   Ber. 

Sp.  LXXVI. 
— .  Zackenring  a.  Bronze.  Tischler:    Sehr. 

phys.-ök.  Ges.  S.  25. 
— .  Tutuluskopf  einer  Schultemadel.  Tischler: 

Sehr.  phys.-ök.  Ges.  S.  25. 
— .    Urnen,  röm.    Bujack:  Sitzgsb.  Prussia 

S.  171. 
Ostrau,  Mähr.    Flintwerkzeuge  m.  Mammuth- 

Backenzahn.    Maska:  Mitth.  Centr.-Comm. 

S.  45. 
Ozzano  deir  Emilia,  Cispadana.  iSteingewichte 

u.     Bleiloth.     Brizio:      Not.    d.     Scavi 

p.  107. 
Palt  b,  Fürth,  Niederöst.    Röm.  Münze  in  e. 

Stück  Steinkohle.    Karner:  Mitth.  Centr.- 
Comm.  S.  216. 
Perg  u.  Pichl   b.   Wels,   Oest.     Hämmer   a. 

Stein.    Straberger:  Mitth.  Centr.-Comm. 

S.  87 


Peskogen,   Kr.  Mcmel.     Armring   a.   Bronze. 

Bujack:  Sitzgsb.  Prussia  S.  180. 
Pettau,   Steiermark.     Steigbügel   a.    Bronz»* 

Woldrich:  Mitth.  anthr.  Ges. Wien.  Sitxg«»!». 

S.  68. 
Pfalz,   Steinwerkzeuge   (Donnerkeile)    in    di^r 

Südpfalz  u.  i.  Nordelsass  (Schönau,  Hirarh- 

thal,    Fischbach,    Gebrig,    Wengolsbacb  . 

Mehlis:  Ausland  S.  70^). 
Piasnitz  im  Zernowitzer  Bruch     Steinhainni«'r. 

Ber.  westpr.  Prov.-Mus.  S.  11. 
Pichl  s.  Perg. 
Pillkoppen,  Ostpr.    Bruchst.  e.  Lederrienien.s 

m.     Bronzenieten.       Voss:       Amtl.     lUr. 

Sp.  XXXXI. 
Pinnow,  Pomm.  Mohammed.  Münzen.  Nützet: 

Z.  f.  Numism.  Bd.  17.  S.  270. 
Pojana  Miculi,   Bez.  Gurahumora,  Bukowina. 

Aexte  a.  Stein  (1886).    Romstorfer;  Miith. 

Centr.-Comm.  S.  70. 
Popelken,  Kr.  Labian,   Ostpr.      Knochen-   o. 

G eweihfunde  (Pferd,  Rind,  Renthier) .    N  e  h  - 

ring:  Sitzgsb.  Prussia.  S.153. 
Postnicken,  Kr.  Königsberg.     Beil  a.  Diabas- 
Porphyr.    Bujack:  Sitzgsb.  Prussia  S.  164. 
Pretzsch,  Kr.  Wittenberg,  Prov.  Sachs.    Thon- 
gefässe.    Voss:   Amtl.   Ber.  Sp.  XXXXII. 

Weigel:  Ebenda,  Sp.  LV. 
Pryszmonta    in    Szamaiten,    Russ.    Littaut'D. 

Hals-  n.  Fingerringe,  Hufeisenfibel  a.  Bronzr. 

Bujack:  Sitzgsb.  Prussia  S.  179. 
Pryzraonten,  Gouv.Kowno.  Ringfibel  u,  Finger- 
ring d.  jüngst.  Heidenzeit  Tischler:  Sehr. 

phys.-ök.  Ges.  S.  26. 
Puls,  Kr.  Rendsburg,  Schlesw. -Holst    Bronze- 
dolch,   Weigel:  Amtl.  Ber  Sp.  LXXVIII. 
Bappenau.   Bad.     Ringe   a.   Bronze,  Umt-n- 

scherben,  Waffen.     Wagner:    An«,   gorm. 

N.-M.  S.  3H. 
Randow  (Kreis),  Pomm.  StoingerSthe,  Bronz<»- 

messer,  Thonscherb.    Weigel:   AmÜ.  Bor. 

Sp.  LIV. 
Ransem,  Kr.  Breslau.    Gold.  Halsring.   V  o  » * : 

Amtl.  Ber.  Sp.  XXXXII. 
Rastenburg  s.  Bilderweitschen. 
Beetz,  Kr.  West-Priegnitz,  Brandenb.    Thon- 

scherben.    Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  X. 
Regensburg.      Röm.    Münzen    a.    Kupfer   u. 

Bronze  (Augustus,   Nerva,  Domitian,   Vo<- 

pasian,   Hadrian,   Julia   Mamma ea).      Ani. 

germ.  N.-Mus.  S.  S9. 
Reichenwalde,  Kr  West-Stemberg,  Brandenb. 

Frühmittelalterl.  ThongefÄsse.    Voss:  Amtl 

Bor.  Sp.  XXXX. 
Keichersdorf,  Kr.  Guben,  Brandenb.   SlaviÄclu 


—     15     — 


Thongefltose.    Jentsc h:   Verh.  Berl.  Ges. 

Anthr.  S.  856. 
Revftl,   Esthland.     Spiralf5nn.    Silberbarren. 

Weigel:  AmtL  Ber.  Sp.  LXXIX. 
Rheims.    Gallo-rom.  BronzegegenstAnde,  Rev. 

de  Champ.  p.  309. 
Bheinhessen,  La   Tene-Funde.     Halsringe  a. 

Gürtelhaken    m.   roth.    Schmelz ,    geperlt 

Armring,   Bronzemesser,     y.   Cohausen: 

Ann.  Ver.  Nass.  Alt  S.  281. 
Roagger.      Halsringstange     a.    Gold.      Ber. 

Schlesw.-Holst.  Mus.  S.  10. 
Böblingen  (Ober-),  Kr.  Sangerhausen,  Prov. 

Sachs.      Thongefässe,   altsächs.    Weigel: 

Amtl.  Ber.  Sp.  LXXVU. 
Röcksta,  Roslagsbro  Sn,  Stockholmslän.   Ku- 
fische Münzen,  Kettenbruchstücke  a.  Silber. 

M&nadsblad  S.  49. 
RGpersdorf,  Kr.  Prenzlau,  Brandenb.     Stein- 
hammer.   Weigel:  AmÜ.  Ber.  Sp.  LXXIY . 
Röstenberg,  Kr.  Amswalde,  Brandenb.    Stein- 

geräthe.    Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  XXXIX. 
Rogoszestie,  Bez.  Sereth,  Bukowina.     Beil  a. 

Eisen.    Romstor fer:  Mitth.  Gentr.-Comm. 

S.  69. 
Rossitz,  Oest  Rom.  Münzen  (AntoninusAug.p.). 

Karner:  Mitth.  Centr.-Conmi.  S.  136. 
Rothertnrmpass.    Rom.  Münzen  (Silberdenare 

▼.  Hadrian  bis  Philippus  Pater).     K. -B. 

d.  Ver.  f.  siebenbürg.  Landesk.  Jahrg.  13. 

S.37. 
Rügen,  Feuereteinbeile,  Steingeräthe.  Weigel: 

Amtl.  Ber.  Sp.  LXXVI. 
Rümlang,  Zürich.     Rom.  Münze  in  Mittelerz. 

(Faustina?).     Heierli:   Anz.  Schweiz.  Alt 

8.369. 
— .    Alemannische  Armknochen   m.   Bronze- 
ringen.   Heierli:   Anz.  Schweiz.  Alt.  859. 
Rüngsdorf  b.  Bonn.     Rom.  Ring.   a.  Bronze. 

Wiedemann:  Jahrb.  Alterthumsf.  Rhein. 

S.  229. 
IS^aalburg,  Hess.-Nass.    Terra  sigillata-Scherb. 

Voss:  AmtL  Ber.  Sp.  XXXXIII. 
Sachsen,  Prov.  Vorröm.  Thongef&sse  u.  Stein- 
beil.   Weigel:  Amtl.  Ber.  Sp.  J.XXVII. 
— .   Schwerter  u.  Sichel  a.  Bronze.  v.Borries: 

Mitth.  d.  Ter.  f.  Erdkunde  z.  Halle  S.  86. 
— ,  Grossh.    Steingeräthe.    Voss:  Amtl.  Ber. 

8p.  xxxxm. 

Sagard  auf  Rügen  Halbmondfönn.  Messer 
a. Bronze.  Weigel:  Amtl. Ber.  Sp. LXXVI, 

Sammenthin,  Brandenb.  Gew  andnadel  a.  Bronze 
a.  d.  Torfmoor.    Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  XL. 

Samplava  b.  Weissenburg,  Kr.  Löbau.  Feuer- 
steinmeisseL    Ber.  westpr.  Prov.-Mus.  8.  11. 


San  Lazzaro,  Cispadana.  Münzen  (Honorius 
u.  Arcadius)  a.  Gold.  Brizio':  Not  d. 
Scavi  p.  106. 

Sassnitz  auf  Rügen.  Nucleus  a.  Feuerstein. 
Weigel:  AmtL  Ber.  Sp.  LXXVL 

Satulmare,  Bez.  Radantz  (Bukowina).  Pfeil- 
spitze a.  Bronze.  Romstor  fer:  Mitth. 
Centr.-Comm.  S.  69. 

Sayiese,  Wallis.  Gefäss  a.  Bronze.  Ritz: 
Anz.  Schweiz.  Alt  S.  310. 

Schalben  s.  Nordenburg. 

Scharrachbergheim.  Elsass.  Beil  a.  Chloro- 
melanit    Forrer:  Antiqua  S.  75. 

Schawin,  Kr.  Königsberg,  Brandenb.  Thon- 
gef&sse u.  Scherb.  Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  XL. 

Schleinitz  (Burg)  b.  Limberg,  Niederösterr. 
Umenscherben  a.  Hallstatt.  Spöttl:  Mitth. 
anthr.  Qea,  Wien.  S.  75. 

Schlesien.  Thongef&sse.  Voss:  Amtl.  Ber. 
Sp.  Xn.  Vorröm.  Thongefässe  Weigel: 
Ebenda  Sp.  LXXVII. 

Schlobitten,  Ostpr.  Steinklinge,  in  Hirsch- 
horn gefasst,  u.  Bronze-Halsring.  Bujack: 
Sitzgsb.  Prussia  S.  6.  Virchow:  Nachr. 
S.  32. 

Schönbrück  (AdL  Kl.-),  Kr.  Marien werder. 
Steinhammer.  Ber.  westpr.  Prov.-Mus. 
S.  IL 

Schönfeld,  Kr.  Amswalde,  Brandenb.  Hals- 
schmuck a.  Bronzeringen.  Voss:  Amtl. 
Ber.  Sp.  XXXIX.  Halsringe  u.  Flachcelte 
a.  Bronze  Sp.  XL. 

Schönlanke,  Feuersteingeräthe,  (Messerchen, 
Angelhaken,  Pfeilspitzen)  auf  e.  Berge. 
Anz.  germ.  N.-M.  S.  51. 

Schonen,  Schwed.  Steingeräthe.  Weigel: 
Amtl.  Ber.  Sp.  LXXIX. 

— ,  Schwed.  Steingeräthe  u.  Waffen,  Erzcelt. 
V.  Cohausen:  Ann.  Ver.  Nass.  Alt  S.  284. 

Schwalbek,  Kirchsp.  Oldenburg.  Schwert  u. 
Streitaxt  a.  Eis.  Ber.  Schlesw.-Holst  Mus. 
S.  11. 

Schwandbach ,  Unterwaiden.  Durchbohrter 
Quarzit (Steinkeule).  Heierli:  Anz.  Schweiz. 
Alt  S.  358. 

Schwarzort,  Ostpr.  Neolith.Bemsteinschmuck- 
sachen.    Forrer:  Antiqua  S.  1. 

Sdorren,  Kr.  Johannisburg.  Barren  a.  Bronze. 
Bujack:  Sitzgsb.  Prussia  S.  173. 

Seddin,  Kr.  Westpriegnitz,  Brandenb.  Bruchst. 
e.  Torques  v.  Bronze,  Eis.  Schmucknadel 
(La  Tene).    Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  XI. 

Segeletz,  Kr.Ruppin,  Brandenb.  Steinhammer. 
Weigel:  AmtL  Ber.  Sp.LXXIV. 

Sekuriczeny,  Bez.  Suczawa,  Bukowina.  Lanzen- 


—     16    — 


spitze a. Bronze.  Romstor fer:  Bütth. Centr- 
Comm.  S.  69. 

Selva,  Venetien.  Vorröm.  Thongeräthe  u. 
Bronzegeräthe.    Not.  d.  Scavi  p.  134. 

Siebenbürgen.  Fussspiralen.  Pulszky:  Pra- 
hlst Bl.  S.  93. 

— .  Armband,  tordirt,  (La  Tene).  Pulszky: 
Prahlst.  Bl.  S.  92. 

Sinsheim,  Baden.  Schwert  a.  Eis.  Antiqua 
S.  31.    Prahlst.  Bl.  S.  89. 

Sklbbj.  Spiralringe  a.  Zinn ;  Halsringe,  kleinere 
Ringe,  Armringe,  Nadeln,  Ketten,  Gelte, 
Stange  a.  Bronze  a*  d.  Torfmoor.  Anz. 
germ.  N.-M.  S.  51. 

Sköm  b.  Prökuls,  Kr.  Memel,  Fund  d  letzt. 
Heidenzeit.  Halsringstücke,  Kinderarmring, 
Hnfeisenfibeln,  SchnaUenstücke,  sämmtl.  a. 
Bronze.    Bujack:   Sitzgsb.  Prussia  S.  179. 

Slup  in  Prag.  Bronzeartefakte,  zusammen- 
geschmolzen, Bronze-Lanzenspitze,  Buckel- 
armringe. Jelinek:  Mitth.  anthr.  Ges. 
Wien  S.  140. 

Snoder,  Sproge  Sn,  Gotland.  Goldspindel, 
spiralig.  Munadsblad  S.  10. 

Sobbowitz  8.  Lamenstein. 

Söllstedter  Moor,  Kirchsp.  Abel.  Spiral- 
Armring  a.  Silb.  Ber.  Schlesw.- Holst.  Mus. 
S.  6. 

Solopisk,  Rev.  Selmic,  Böhm.  Paalstab. 
Woldirich:  Mitth.  anthr.  Ges.  Wien,  Sitzgsb. 
S.  67. 

Sorquitten  s.  Bilderweitschen. 

Sota,  Rödö  Sn,  Jämtland.  Ovale  Scheiben- 
fibeln (spännbucklor),  runde  Fibeln  a.  Bronze. 
Munadsblad  S.  51. 

Spirken,  Kr.  Memel.  SchnaUenrahmen  a. 
Bronze  od.  Messing.  Bujack:  Sitzgsb. 
Prussia  S.  180. 

Stadorfer  Heide,  Hannov.  Dolch  u  Nadel  a. 
Bronze.    Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  XXXXII. 

Starzeddel,  Kr.  Guben,  Brandenb.  GefÄsse. 
Weigel:  Amtl.  Ber.  Sp.  LXXV. 

St^in,  Kämt.  Lanzenspitzen  a.  Eis.  (La  Tene). 
Carinthia,  Jhrg.  80  S.  232.  j 

Steinteinitz  b.  Laun,  Böhm.  Bronzenadel. 
Schneider:   Mitth.  Centr.-Comm.    S.  lll.j 

Stendal,  Altmk.  Bronzeschwerter.  Antiqua  S.  52.  i 

Sterbenin,  Pommern.   Solidus  (Valentinian  III) ; 
a.  d.  röm.-by zantin.  Münzfund  ( 1 864).  Monats- 
bl&tter  S.  18L  ! 

Stillfried,  Oest.  Thonscherben.  Weigel: 
Amtl.  Ber.  Sp.  LVI. 

(Schlnss 


Stinkenbi;nim  (Ober-),  Oestr.  Pr&histor.  n. 
röm.  Gefäs^este.  Karner:  Mitth.  Gentr. 
Comm.  S.  136. 

StöUn,  Kr.  West-Harelland,  Brandenb.  Urne, 
Voss:  AmtL  Ber.  Sp.  X. 

Strosseck,  Schles.  Silberfund  a.  d.  slar.  Zeit 
m.  Rest.  d.  dazngehör.  Thongefässes. 
Weigel:  Amtl.  Ber.  Sp.  LV. 

Sturkö,  Blekinge.  Silbermünzen,  arab.,  byzaat.^ 
deutsch.,  slav.,  angelsächs.;  Ohrgeh&D^, 
Spindeln  v.  Silber,  Eisen-  u.  Bleigewichte, 
Süberblech  z.  Th.  m.  Filigran,  Silber- 
draht. Mänadsblad  S.  49.  Hildebrand: 
S.73. 

Sümeg  am  Plattensee  Gelt  Schwert  m. 
yerziert. Eisenscheide.  (Darnaj)  Pnlsxkj: 
Prahlst.  Bl.  S.  92. 

Szilägy-Somlyö,  üng.,  Goldfnnd  a.  d.  Völkcr- 
wanderungsseit.  Fibeln  m.  Verlier.,  Gra- 
naten u.  Sardonjx,  Armringe,  Schale, 
Hundskopf  ,y.  Armband).  Pulsxkj:  Ungar. 
Rev.  Jhrg.  10,  S.  85.    Prähist  BL  S.  68, 

Tab,  Ung.,  Bronzefund.  Kupferschlacken,  roh 
Bronze,  Sichel-  u.  Meisselbruchst.  Prähist. 
Bl.  S.  28. 

Tafelberg  b.  Klentnitz,  Mähr.  Celt  a.  Broni^. 
Ma§ka:  Mitth.  Centr.-Comm.  S.  47. 

Tangermünde.  Schlittknochen  (Pferd).  Verh, 
Berl.  Ges.  Anthr.  S.  251. 

Tellingstedt,  Schlesw.-Holst.  Flintaxt.  K.-B. 
deutsch.  Ges.  Anthr.  S.  12. 

Templin  (Kreis),  Brandenb.  St^inhämmer. 
Weigel:  Amtl.  Ber.  Sp.  LIV. 

Thallem.  Röm.  Münze  in  e.  Steinkohlenstück 
a.  d.  Bergwerk.  Karner:  Mitth.  Centr.- 
Comm.  S.  136. 

Thajngen,  Schaflhausen.  Steinbeil  (Aphanit). 
Heierli:  Anz.  Schwell.  Alt  S.  357. 

Thiede  b.  Braunschweig  (Diluvium).  Bear- 
beitet« Geweihstangen  d.  Riesenbirscbes 
(Cervus  euryceros).  N  eh  ring:  VeA  BerL 
Ges.  Anthr.  S  363. 

Tlumacz,  Galizien  Werkzeuge  a.  Hörnst  ein. 
Szombathy:  Mitth.  anthr.  Ges.  Wien. 
Sitzgsb.  S.  19. 

Tortian  (Fort)  b.  Pola.  Kalksteinblöcke  m. 
Inschriftfragmenten  u.  Pflanzenom.,  Thon- 
scherben ,  Bronzearmband.  Schallek: 
Mitth.  Centr.-Comm.  S.  137. 

Trachenberg,  Schles.  Eis.  Schales.  ahslaT. 
Weigel:  Ama  Ber.  Sp.  LXXVH.  Vo»»: 
Yerh.  Berl.  Ges.  Anthr  S.  385. 

folgt) 


AbgeicblosseD  am  34.  M&n  189L 


Ergäntangsblätter  »u/  Zeitschrift  fflr  Ethnologie. 

■ 

Nachrichten  ober  deutsche  Alterthnmsfimde- 

Mit  Unterstützung  des  Königlich  Preuss.  Ministeriums 
der  geistlichen,  Unterrichts-  und  MedicmaJ  -  Angelegenheiten 

herausgegeben  von  der 

Berliner  Gesellschaft  filr  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte 

unter  Redaction  von 

R.  Virchow  und  A.  Voss. 


Zweiter  Jahrg.  1891.  j  Verlag  von  A.  ASHER  &  Co.  in  Berlin.  Heft  2. 

-       . '\ li 


Bibliographische  Uebersicht  über  deutsche  Alterthumsfunde 

fUr  das  Jahr  1890. 

Bearbeitet  von  Dr.  F.  Moewes. 

(Schluss) 

B.    Fundherichte. 

III*  Einielftaiidey  Sammelfniide  ond  Funde  ohne  genauere  Angabe  der  Herkunft. 

Trampe    b.   Brüssow,    Ukermk.     Schädel  u.   Vikare,  Viklau  Sn,  Gotland.   Kufische  Münzen. 

Hirschskelet  a.  d.  Torfmoor.    iSchumann:       Manadsblad.    S.  6. 

Verh.  Berl.  Ges.  Anthr.  S.  477.  Vollem,    Gem.    St.  Georgen   a.   d.   Salzach. 

Trarach,    KÄmt.      Lanzenspitze    a.    Bronze.       Schwert  a.Bronze  (Schilf blattform).  Fetter ; 

Carinthia  Jhrg.  80  S.  282.  Mitth.  Centr.-Comm.  S.  211. 

Trasimeno  (Lago).   Eckzähne  t.  Hund  u.  Bär.   Vreta,  Klosters  Sn,  östergötland.    Bogenfibel 

W  0 1  di-i  c h :  Mitth.  anthr.  Ges.  Wien.  Sitzgsb.       v.  Bronze.    Manadsblad.    S.  8. 

S.  68.  Waltersdorf;  Kr.  Teltow,  Brandenb.    Bruchst. 

Trentino.      Fundorte    von    Bronzen.     Orsi.-i     e.  Bronze-Zierstückes.    Weigel:  Amtl.  Ber 

Bull   di  Paletnologia  iUl.  Anno  lö  p.  133.       Sp.  LXXV. 
Trojes,  Frankr.  f  Platten  e.  Wehrgehänges  a.|  Wangen,    Zürich.      Lanzenspitze   m.   Dülle, 

Bronze,  merowing.    Rev.  de  Champ.  p.  868.       (Pfahlbautenform)  v.   Torfmoor.    Heierli: 
— .    Gall.  Münzen,    ibid.     p.  467.  Anz.  Schweiz.  Alt  S.  359. 

— .     Bruchstücke    v.    Thongeräthen ,    Ann-  Wamicker  Forst,  Ostpr.   Wirtel  (Keulenkopf) 

bänder  u.  A.  aus  Bronze,    ibid.    p.  467.      j     a.  Bronze.    Tischler:  Sehr,  phys.-ök.  Qes, 
Truntlack,  Kr.  Gerdauen,   Ostpr.    Fingerring '     S.  25. 

a.  Bronze.   Bujack:  Sitzgsb.  Prussia  S.  180.   Wauwjl.     Bronzeartefakte    a.    d.    Torfmoor. 
Tuchen    b.    Pritzwalk ,     Brandenb.       Urne.       Antiqua  S.  52. 

Weigel:  Amtl.  Ber.  Sp.  LXXV.  i  Weikersdorf  (Gross-),    Oestr.     Werkzeug   a. 

Türmitz  s.  Hcrbitz.  Quarzit.     Szombathj:   Mitth.  anthr.  Ges. 

IJlrikehamn     Halsring  a.  Bronze  {\a  Tene).  I     Wien  Sitzgsb.  S.  19. 

Manadsblad.    8.52.  !  Weimar.  Grossh.  Sachs.    Steingeräthc.   Voss: 

Utershorst   b.  Nauen.     Neolith.  Steinbeil  u.  i     Amtl    Ber.    Sp.  XIV.      Weigel:    Ebenda 

Bronzemesser  v.  Torfmoor.     Vater:  Verh.       Sp.  LXXVIII. 

Berl.  Ges.  Anthr.  ».  406.  ,  Wels.     Ringkrug    a.    Thon    u.    Grablampe. 

Varberg.  Hohlceltv. Bronze.  Manadsblad S. 8.       Straberger:  Mitth.  Centr.-Comm.  8.87. 
Varzelio,  Ligurien.    Rom.  Münzen  a,  Bronze  Wendelstein  b.  Rossleben,  Harz.     Urnen  m. 

und  Silber  (3.  JahrL).   Not  di  Soa^i  p.  27.      Feuersteinen    u.    Schädelknoch.    v.   Haus- 

2 


—     18    — 

< 

thieren   (Pferd,   Schaf,   Hund  etc.).     Anz.  \  Wittstock  (Amt),  Brandenb.    slav.  Mahlstein. 

germ.  N.-M.  S.  90.  Weigel:  Amtl.  Ber.  Sp.  LXXV. 

Werder  a.  d.  H.,   Groldfund.     Goldgefasse  in.   WorriDgen.    Fingerring  a   Gold  m.  Minerr«. 

getrieb.   Om.,    gold.   Armringe    u.   Spiral-;     Klein:  Jahrb.  Alterthumsfr.  Rheiol.  S.  21 0. 

armbänder.    Voss:  Verh.  ßerl.  Ges.  Antlur.  i  Wostitz,  Mähr.   Tragringe  a.  Bronze.   Ma^ka: 

S.  298.    Weigel:  Amtl.  Ber.  Sp.  LXXV.     j     Mitth.  Centr-Comm.  S.  47. 
Westpreussen.    Thongefässe   u.  Steingeräthe.  |  Wustrau,  Brandeob.  Feuersteingeräthe.  Vos»: 

Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  XLI.  ,     Amtl.  Ber   Sp.  XXXIX. 

Wicklitz  8.  Herbitz.  1  SBaborowo,  Kr.  Schrimm,  Pos.    ITiongefaswe, 

Wiesbaden  s.  Heidesheim.  slav.  Scherb.    Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  XIL 

Wiktorow    b.   Halicz,    Galiz.     Fischangel   a.   idanice  b.  Kourim.   Urnen,  Bronzen  o.  Kinder- 
Kupfer    Much:  Mitth. Centr -Comm.  S.  69. ;     klappern  (?).     Mitth.  Centr-Comm.  S    147. 
Wilawce,   Bez.  Wisnitz,    Bukowina.     Silber- ,  ZehuMc  b.  Caslau.  Bronzearmb&nderm  v*»rjich. 

schmuck     (1887).      Komstorfer:     Mitth.       Gm ,    Klopfsteine   a.   Quarzit.     Cerm^k  : 

Centr.-Comm.  S.  69.  Verh.  Berl.  Ges.  Anthr.  S.  166. 

Wilhelmsthal,   Kr.  Orteisburg,    Ostpr.     Beil   Ziegelbrucke,  Kant  Glarus  (18Ö5).    Schwerter 

a.  Feuerstein.     Bujack:    Sitzgsb.  Prussia       a.   Bronze.     Heierli:    Anz    Schweiz.   Alt 

S.  163.  S.  298. 

Willenberg    b.    Marienburg.      Steinhammer,  i  Zootzen,  Kr.  Templiu,  Brandenb.    Bronzereit 

Ber.  westpr.  Prov.  Mus.  S.  11.  Voss:  Amtl.  Ber.  Sp.  XL. 

Wirsitz  (Kreis),  Pos.   Gesichtsume.   Weigel:   Zürich      Gallische  Potinmünzen  zu  Klaropen 

Sp.  LV.  zusammengeschmolzen.   (LaTene).   Messt - 

Wischin.    Urne  m.  Oehr,  Bronzeringe,  Glas-       komm  er:    Antiqua   S.  42.     Anz.  Schweiz. 

perlen.    Anz.  germ.  N.-M.  S.  51.  Alt.  S.  358. 

IV.  Inschriften,  Skulpturen,  Kulturgegenstände. 

Aalum ,  Dänemark.     Runenstein  (altchristl ) !  Chlumcan  b.  Laun.     Freihandgefftsse    d.  ih. 

Anz.  germ.  N.-M.  S.  53.  |     Bronzezeit     (Opfergaben).        Schneider: 

Andernach.  RömischeGrabschriftvom Martins- '     Mitth   Centr-Comm.  S.  110. 

berg.  Zangemeister.  K.-B.wd.Z.Sp.  209.  Ciyitella  8.  Paolo,  Etrurien.  Rom.  Inschriften. 
Aquincum  (AJt-Ofen).    Inschrift  röm.    K. -B.       Gamurrini:  Not   d.  Scari.  p.  77. 

wd.  Z.  Sp  9.  !  Ciavier,    Belg.     Vorröm.  Pferd,   a.   Bronze. 

Avenches.  Bacchus-Statuette  (Bronze).   Cart:'     Schuermans:  Wd.  Z.  S.  312. 

Anz.  Schweiz.  Alt.  S.  364.  j  ('oncordia-Sagittaria,  Venetien.     Rom.  Grab- 

Barnstedt  b.  Querfurt,   byzantin.  Crucifii  a.       schriften.    Bertolini:  Not.  d.  Scavi  p.  169. 

Bronze.    Anz.  germ.  N  -M.  S.  41.  Crevola   d'Ossola.    Transpadana.      Rom,    In- 

Bendorf,röm.ZiegelstempeL  K.-B.wd.Z.Sp  33. !  schrift^  (wiedergef.).  Baretta:  Not.  d. 
Bitburg.      Röm.    Inschriftstein.      Hettner:       Scayi  p.  3. 

K.-B.  wd.  Z.  Sp.  247.  Darmstadt,    Stein,  yierseit.,  m.  d.  Thaten  d. 

Bonn.    Röm.  Inschriftstein  (Legionsbaustein)  ,     Herkules.    Hang:  K.-B.  wd.  Z.  Sp.  187. 

Klein:  Jahrb.  Alterthumsfr.  Rhein.  S.  210.  Ehrang  b.  Trier.  Rom.  Retterstatue,  Tor»o 
Bomholm.    Runenstein  (christl.).    Anz.  germ.  \     Anz.  germ-  N.-M.  S.  Ö2. 


N.-M.  s.  m, 

Brescia,  Venetien.   Säule  (Marmor)  m.  corinth. 

Kapital    Da  Ponte:  Not.  d.  Scayi  p.  270. 

—  Cippus  m.  Inschr.    Da  Ponte:  ib.  p.  271. 


Este,  Venetien.   Votivschatz,  Bronzestatnetten. 

Votivnftgel  m.  euganeischer  Schrift.   Proj»- 

docimi:  Not  d   Scavi  p.  199. 
Florenz.  Rom.  Inschriftstt'in.  Milani:Not  d. 


Brigetio.      Ära    m.    Inschrift,      Bormann:  |      Scavi  p.  107. 

Archäol.-epigr.  Mitth.  S.  118.  Fomovo  S.  Giovanni.   Transpadana.     Cippn.'* 

—  Röm.  ZiegelstempeL    Bormann:  ArchÄol-       m.  Inschr.    Not.  d.  Scavi  p.  278. 

epigr.  Mitth.  S.  119.  ,  Fossombrone,  Cmbrien     Röm.  Qrabinschrifteo 

Castrignano,  Picenum.  Cippus  m.  sabellischer  '     d.  Necropolis   d.   Forum  Sempronit      Not. 

Inschr.    Not.  d   Scavi  p.  Ih2  d   Scavi  p.  112. 

Ch&lons-sur-Mame.       Röm.     Grabinschriften.   Friesach.  Kärnten.     Rom.  Inschriften,  <  ippo» 

Heron   de  Villefosse:   Rev.   de  Champ.       Tafeln,  Kalksteinblöcke),  v.  Pr^morstrio: 

p.  857.  .     ArchäQl-epigr.  Mitth.  S.  165. 


-     19    — 


Onnskirchen,   röm.  Inschriften  der  Friedhof-   Marching,     Bay.       Schalenstcin.       Hager: 
maoer.    Straberger:  Mitth.  Centr.-Comm.       Prähist.  Bl.  S.  75. 


S.  87. 

Ganzenberg.    Kärnten,  röm.  Skulptur.    Bor- 
mann: Arch&ol.-epigr.  Mitth.  S.  117. 

Heddemheim    b.    Frankfurt    a.    M.      Köm 
Skulpturen     (Speerschwingender     Alarius, 


Mattein.  Röm.  Grabschrift.  Bormann: 
Archäol.-epigr.  Mitth.  8.  117. 

Monheim,  Reg.-Bez.  Düsseldorf.  Rom.  Votiv- 
steine  v.  Haus  Bnrgel  (Kastell).  Koenen: 
Jahrb.  Alterthurasfr.  Rheinl.  S.  217. 


Jupitcr-Monument).      Hammeran.     K.-B    Mortizzuolo,     Cispadana.       Röm.    Grabstein 


wd.  Z.  S.  177. 

Heflensteiu  W.  Cilli  i  Savethal  Römische 
Ziegel  m.  Stempel.  Bormann:  Archäol.- 
epigr.  Mitth.  S.  117. 

Hendelberg  b.  Krummhübel.  Opferbecken. 
Anz.  germ.  N.-M.  S.  39. 

Hepberg  u.  Stammheim  b.  Ingolstadt  Schalen- 
st^in.    Geist:  Prähist.  Bl.  S.  62. 

Herbitzheim    a    d.    Saar.     Röm.  Inschriften. 


(wiedergef.).    Not.  d.  Scavi  p.  103. 

Bfiederlausitz.  Röm.  Schwert  m.  Namen- 
stempel (NatalisX    K.-B.  wd.  Z.  Sp.  33. 

Obemburg  a.  M.  Röm.  Ära  v.  Kastell. 
Conrady:  Wd.  Z.  S.  164. 

Opedal  b.  Bergen.  Runenstein  mit  Inschr. 
Anz.  germ   N.-M.  S.  94. 

Oppenau,  Schwarzwald.  Schalenst^in.  F  o  r r  e  r : 
Antiqua  S.  33. 


LevyinGes.  f.  Erh.  d.  bist.  Denkm.;   K.-B.   Ottmanach,  Steuerberg  und  Pisweg,  Kämth. 


wd.  Z.  Sp.  175. 
Hoven  b.  Zülpich.  Inschriften  (Matronensteine). 

Klingenberg:  Jahrb.  Alterthurosfr  Rheinl. 

S.  231. 
Irsdorf    (Salzburg).     Römerstein    m.    Relief 

(Reiter  u.  Fussgänger  v.  d.  Kirche).  P  e  1 1  e  r : 

Mitth.  Centr.-Comm.  S  70. 
Köln.    Röm.  Statuette  a.  Bronze  (pflügender 

Mann).      Schaa  ff  hausen:    Jahrb.    Alter- 

thumsfr.  Rheinl.  S.  60. 

—  Röm.  Tritonmaske  a.  Bronze  Schaaff- 
hausen:  Jahrb.  Alterthumsfr.  Rheinl. 
S.  66. 

-  Monument    mit    Reliefs    und    Gruppe    a. 


Röm.  Grabinschr.  Bormann:  Arch&ol.- 
epigr.  Mitth.  S.  115. 

Perugia,  Etrurien.  üme  m.  etrusk.  Inschrift. 
Not  d.  Scavi  p.  238. 

Pisweg  8.  Ottmanach. 

Pola.  Cippus,  Inschriftsteine.  Rizzi:  Ar- 
chäol.-epigr. Mitth.  S.  125. 

Bavenna.  Röm.  Grabinschrift.  Monghini: 
Not.  d.  Scavi  p.  176. 

—  Röm.  Ziegelstempel,    ibid.    p.  286. 

—  Röm.  Grabinschrift,    ebend.    p.  286. 
Ricina.  Röm.  Inschriftstein.  Not.  d  Scavi  p.209. 
Rimini,    Cispadana.      Etrusk.    Statuetten    a. 

Bronze  u.  röm.  a.  Marmor.    (Sanctuarium  ?) 


Kalkstein  (Löwe  u.  Hirschkuh),  om.  Grab-       Not.  d.  Scavi  p.  208. 


ume  a.  .lurakalk.     Klein:  ebend.    S.  209. 

—  Römisch.  Grabstein  m.  Inschrift.    Klein: 
ebend.    S.  227. 

—  Schale  ans  Terra  sigillata  m.  Darstell,  d. 
Mithrascultus.    Wulff:  ebend.    S.  239. 

—  Röm    < Grabinschrift.     K.-B.  wd.  Z.  Sp.  oO. 

—  Röm.  Inschriftstein  (Matronenstein).    Ihm: 
K  -B.  wd.  Z.  Sp.  250. 

Kreuznach.     Victoria  u.  Minerva  a.  Thon.  v. 

d. Heidenmauer.  Klein:  Jahrb.  Alterthumsfr. 

S.  210. 
liigerz  (Burg)    am   Bielersee.    Siegelstempel 

m.  Reiter.   Bloesch:  Anz. Schweiz.  S.  300. 


Salvan,  Wallis.  Vorgeschichtl.  Steinsculp- 
turen  (Schalen,  Rinnen,  Drei-  u.  Vierecke, 
menschl.  Gest.)  a.  errat.  Block.  Reh  er: 
Anz.  Schweiz.  Alt  S.  383. 

Sanct  Bernhard  (Gr.-).  Votivtäfelchen  a.  Bronze, 
gall.  u.  griech.  Münzen  v.  d.  alt.  Tempel. 
Anz.  gorm.  N.-M.  S.  92.  Not.  d.  Scavi.  p.  278. 

Man  Martino  in  Strada,  Cispadana.  Ziegel- 
steine m.  Stempel  a.  röm.  Grabe.  Not.  d. 
Scavi  p.  177. 

Schiavonia,  Venetien.  Cippus  (Trachyt)  m. 
euganeischer  Inschrift.  Prosdocimi:  Not. 
d.  Scavi  p.  51. 


lilienfeld.      Röm.    Grabinschr.    (wiedergef.).   Schierstein,  Votivstein  m.  Inschr.  u.  Bildn.  d. 


Bor  mann:    ArchäoL-epigr    Mitth.  S.  112. 
Lund,    Schwed.      Heidn.    Opferstätte.      Anz. 

germ.  N.-M.  S.  51. 
Mainz.    Achtgötterstein.     Hang:    K.-B.  wd. 

Z.  S.  134. 
Marbieux.     Statuetten    v.    Bronze   (gallische 


Minerva,     Herkules    u.    Merkur,    Kapital, 
Reiter   m.  Barbar,   o.  Gigant,  vom  Gräber- 
feld.   V.  Cohausen:    Ann.  Ver.  Nass.  Alt. 
S.  285:  K.-B.  Gesammtver.  S.  16,  27. 
Serajewo,    röm.    Inschriften.     Archäol.-epigr. 


Mitth.  S,  210. 

Götter;.   Flouest:  Rev.  arch.  S6r.  3.  T.  15.   Spital    am   Semmering,    Figuren    a.    Bronze 
p.  124.  (Osiris,  Horus,  Isis  u.  Mondscheibe  m.  Kuh- 

2* 


—    20    — 


hörnern)    spätröm..     Mitth.    Centr.-Comm. 

S.  71;  Kenner:  S.  86.    K.-B.  Gesammtver. 

8.15. 
Spoleto,  Inschrift,  s.  Ansiedlungen. 
Stammheim,  s.  Hepberg. 
Stenerberg,  s.  Ottmanach. 
Strassborg,  Phallische  Figur  a.  Thon  u.  Topf 

m.    Schlangenskelet.     Straub   in    Ges.    f. 

Erh.  d.  bist.   Denkm.  in  Starassburg:  K.-B. 

wd.  Z.  Sp.  79. 
Stübing-Graben,  Steiermark,  röm.  Grabstein. 

K.-B.  deutsch.  Ges.  Anthr.  S.  21. 
Stuttgart,  alemanische  Runeninschrift,  auf  e. 

€k)ldfibel  im  Museum.  Söderberg:  Prahlst. 

Bl.  S.  38,  68. 
Temi,   Umbrien,  röm.  Inschriftstein.    Bar- 

nabel:  Not.  d.  Scavi  p.  236. 
Tittmoning,  röm    Grabstein.     Hub  er:   Anz. 

germ.  N.-M.  S.  62. 
Trier,   christl.  Grabplatten   aus  Marmor  mit 

lai  Inschrift  Hettner:  K.-B.  wd.  Z.  Sp.  89. 


Tentimiglia,  Ligurien,   Cippus  m#  Insclir.  n- 

Glasumen   a.  d.  Necropoüs.    Rossi:     Not. 

d.  Scayi  p.  274. 
Verona,  Venetien,   griech.   Sculpturen.      Xot. 

d.  Scayi  p.  228. 
Yillanoya,    Cispadana,    Statuette    a.    BroDse. 

Not,  d.  Scavi  p.  178. 
Villemaur,  Frankr,    Schlüssel   a.   ßrohjte    n. 

Kreuz    a.  Kupfer   a.   d.  Unterbau   d.    alt. 

Priorei.    Millot:  Rev.  d.  Champ.  p.  46«> 
Wien,     Cippus     (wiedergef.),      Bormann: 

Archäol  -epigr.  Mitth.  S.  111. 
— , röm.  Hermenbüste.  Weisshäupl:  Arch*ol.- 

epigr.  Mitth.  S.  176. 
Wiesbaden,  röm.  Inschrift.    Otto:   K.-B.    wd. 

Z.  Sp.  186. 
Winzendorf  b.   Wien,  Relief  (Mithraeoni)    u 

Votivara.     Schön:    ArchÄol.-epigr.    Mitth. 

S.  83. 
Wittlich,  röm.  Ziegel  m.  Stempel  Nussbaam: 

K.-B.  wd.  Z.  Sp  149. 


Das  Gräberfeld  von  Kossewen,  Kreis  Sensburg, 

Ostpreussen. 

Beim  Bau  der  Chaussee  von  Sensbnrg  nach  Nicolaiken  fand  man  im  Jahre  1^7. 
als  wenige  hundert  Schritte  nördlich  von  dem  kleinen  Dörfchen  Kossewen  ein 
Htigelrücken  durchstochen  wurde,  ein  umfangreiches  prähistorisches  Gräberfeld 
mit  Urnen  und  zahlreichen  Beigaben  von  Bronze  und  Eisen.  Der  Herr  Landrath 
von  Schwerin  in  Sensburg  Hess  die  Fundstücke  sorgfaltig  sammeln  und  schickt«« 
sie  dem  Königlichen  Museum  in  Berlin  ein,  damit  von  hier  aus  eine  genauen* 
Untersuchung  und  weitere  Ausbeutung  dieser  Lokalität  voi^enommen  wtirdc. 

Ganze  Urnen  hatte  man  damals  nur  zwei  zu  Tage  fordern  können,  die  meisten 
waren  schon  in  der  Erde  zertrümmert  oder  zerbrachen  beim  Herausnehmen;  die 
Beigaben  aber,  Fibeln  und  verschiedene  Zierrathe  von  Bronze,  ein  Schild bockel, 
eine  Scheere  und  ein  Messer  von  Eisen  (Fig.  1),  ein  grosses  Zaumzeug  von  Eisen  mit 


Fig.  1. 

Bronze  -  Beschlägen,  Thonwirtel  u.  A.  Hessen  auf  eine  interessante  Ausbeute* 
schiiessen,  so  dass  ich  von  der  General-Verwaltung  mit  der  weiteren  Ansgrabong 
dieses  Gräberfeldes  beauftragt  wurde.  — 

Wie  der  ganze  südliche  Theil  Ostprcussons,  so  ist  auch  besonders  dip«e 
Gegend  ausserordentlich  reich  an  Seen  und  Hügeln,  die  nicht  selten  wirklich 
malerische  Landschaften  bilden.  Auch  unser  Gräberfeld  lag  auf  einem  lang  aus- 
gedehnten Hügelrücken,  der  sich  zwischen  dem  Kossewener  See  einerseits  imd 
dem  Jüst-   und  Kutz-See  andererseits,   ungefähr  in  der  Richtung  von  Süden  nadi 


-     21     — 


'^'5*1 


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d%i<aA4/f«Ot«V#»1 . 


Norden,  hinzieht,  nnd  zwar  gerade  an  der  schmälsten  Stelle,  wo  die  beiden  ersteren 
Seen  sich  nur  bis  auf  wenige  hundert  Schritt  einander  nähern.  Die  Höhe  über 
dem  Wasserspiegel  mochte  vielleicht  30—35  Fuss  betragen  (Fig.  2). 

Ich  liess  zuerst  auf  der 
höchsten  Erhebung  des  Hügels, 
an  derselben  Stelle,  wo  beim 
Sandabfahren  damals  die  meisten 
Sachen  gefunden  waren,  weiter 
graben,  und  nach  wenigen  Spaten- 
stichen stiessen  wir  auch  schon 
auf  mehrere,  dicht  neben  einander  ^^ 

stehende,  allerdings  schon  halb 
zerstörte  Gefasse.  Dieselben 
standen,  wie  auch  die  meisten 
übrigen;  kaum  1  '/s  Fuss  mit  ihrer 
Basis  unter  der  Erdoberfläche, 
so  dass  der  Pflug,  der  Jahr  für 
Jahr  darüber  hinweggegangen 
war,  fast  regelmässig  die  obere 
Hälfte  weggerissen  hatte.  Nicht  selten  fand  ich  kaum  eine  Hand  breit  tief  schon 
Bodenstücke  von  Gefässen  und  Scherben  der  verschiedensten  Art  durch  einander. 
Im  Laufe  der  Jahrhunderte  müssen  wohl  wenigstens  zwei  Fuss  von  dem  sandigen 
Hügel  abgeweht  sein.  Daher  konnte  ich  nur  etwa  15  einigermaassen  erhaltene  Thon- 
gefässc  herausbringen.  Um  so  mehr  hervorragend  waren  die  zahlreichen  Beigaben 
aus  Bronze,  Eisen,  Glas  und  Bernstein,  die  sich  glücklicherweise  meist  auf  dem 
Boden  der  Gefasse,  unter  den  Knochen  oder  wenigstens  mehr  unten  zwischen 
denselben,  befanden.  So  konnte  ich  oft  aus  Urnen,  die  nur  noch  kaum  zum  dritten 
Theil  erhalten  und,  weil  jedem  Frost  und  Regenwasser  ausgesetzt,  meist  zerborsten 
und  mürbe  waren,  noch  unter  der  Knochenschicht  die  schönsten  und  besterhaltenen 
Beigaben  zu  Tage  fördern. 

Ich  habe,  wo  es  iiigend  möglich  war,  die  Fundstücke  aus  jedem  einzelnen 
Grabe  für  sich  gesondert;  an  einzelnen  Stellen  hatte  aber  der  Pflug  schon  solche 
Verwüstung  angerichtet,  dass  man  nicht  mehr  sehen  konnte,  wo  die  einzelnen 
Grabumen  gestanden  hatten  und  zu  welcher  derselben  die  zwischen  Knochen  und 
Scherben  liegenden  kleinen  Bronzen,  Glas-  oder  Benisteinperlen  gehörten.  Den 
vollen  zusammenhängenden  Grabfunden  muss  ich  daher  noch  eine  ganze  Reihe 
sogenannter  Einzelfunde  hinzufügen,  die  für  die  Charakteristik  imd  chronologische 
Bestimmung  des  ganzen  Gräberfeldes  von  Werth  sind. 

Die  Thongefässe  sind  sämmtüch  ohne  Scheibe  verfertigt  und  zeigen  mit 
wenigen  Ausnahmen  gar  keine  oder  nur  wenige,  verhältnissmässig  rohe  und  ein- 
fache Ornamente.  Viele  sind  aussen  ganz  oder  theilweise  rauh  gelassen,  zum 
Theil  auch  ganz  schief  und  ohne  Accuratesse  gearbeitet.  Henkel  kommen  fast 
gar  nicht  vor.  Der  Thon  ist  meist  von  grauer  oder  bräunlicher  Farbe,  ziemlich 
reichlich  mit  Kies  untermischt  und  schwach  gebrannt. 

Im  Gegensatz  zu  diesen  keramischen  Erzeugnissen  stehen  die  Metallsachen 
und  die  übrigen  Beigaben,  die  zu  den  schönsten  und  vollkommensten  Stücken  ge- 
hören, welche  bisher  aus  dieser  Zeit  gefunden  sind.  Ein  grosser  Theil  derselben 
verräth  entschieden  römische  Technik,  drei  Fibeln  zeigen  den  typischen  Charakter 
der  spätrömischen  sogenannten  Provincial-Fibeln,  wie  sie  auch  in  den  übrigen 
Theilen  Deutschlands^    besonders    auch    in   der   Mark   und    in   Sachsen  auf   ver- 


—     22    — 

schiedenen  Gräberfeldern  zn  Tage  gekommen  sind.  Die  zahlreichen  Glasperlen 
sind  wohl  alle  importirte  Waare;  vor  allem  der  prachtvolle  Glasbecher  (Grab  14) 
kann  selbstverständlich  nur  aus  einer  südlichen  Werkstatt  stammen.  Elin  ganz 
ähnliches  Stück  ist  im  südlichen  Schweden,  ein  anderes  bei  Wiesbaden  gefunden 
worden. 

Daneben  giebt  es  Stücke,  die  ein  ganz  anderes  eigenartiges  Gepräge  zeigen, 
sodass  ich  für  sie  keine  römische,  sondern  einheimische  Technik  in  Anspruch 
nehmen  möchte,  da  ähnliche  Stücke  bisher  in  andern  Theilen  Deutschlands  und 
in  den  alten  römischen  Provinzen  noch  nicht  gefunden  sind.  Besonders  die  Fibeln 
dieser  Kategorie,  der  Mehrzahl  nach  Armbrust-Fibeln,  sind  bedeutend  massiver 
gearbeitet  und  zeigen  eine  primitivere  Ornamentik,  als  sie  sonst  auf  ächten  spät- 
römischen Bronzen  vorkommt.  Die  dicken  Spiraldrähte  und  Sehnen,  die  starken 
Knöpfe,  welche  die  Spirale  auf  beiden  Seiten  abschliessen,  das  meist  viereckige 
Schlussstück  des  breiten  Bügels  auf  dem  niedrigen  Fuss,  alles  das  macht  nicht 
den  Eindruck  acht  römischer  Arbeit,  wenn  auch  vielleicht  die  betrefTenden  Künstler 
mehr  oder  weniger  römische  Typen  im  Kopfe  hatten.  Die  Schnallen  von  Bronze 
erinnern  in  ihren  ebenfalls  etwas  massiven  Verhältnissen  an  diejenigen,  welche 
in  fränkischen  Reihengräbern  der  Merowinger-Zeit  im  Rheinland  gefunden  sind  un*i 
auch  dort  als  einheimische  Fabrikate  angesehen  werden. 

Bei  den  zahlreichen  Pincetten  und  BMngerspiralen  von  Bronze  dürfte  der  Ur- 
sprung weniger  sicher  festzustellen  sein;  sie  können  ebensowohl  römische,  wie 
einheimische  Fabrikate  sein.  Wahrscheinlich  nordische  Arbeit  sind  die  Eisensachen 
und  wohl  ganz  sicher  die  zahlreichen  Bernstein-Perlen  der  verschiedensten  Form 
und  Grösse.  Zu  bemerken  ist  dabei  allerdings,  dass  neben  ganz  rohen  auch  sehr 
sauber  gearbeitete  und  gedrehte  Bernstein-Perlen  vorkamen. 

Chronologisch  dürfte  das  Gräberfeld  von  Kossewen,  nach  den  speciflsch 
römischen  Stücken  zu  schliessen,  etwa  in  das  3.  und  4.  Jahrhundert  nach  Christo 
zu  setzen  sein,  obwohl  die  eine  Fibel  (Grab  9,  Fig.  10)  noch  bis  in  das  Ende  des 
zweiten  Jahrhunderts  zurückreichen  kann. 

Wir  haben  hier  also  eine  Zeit  vor  uns,  wo  die  römische,  weltumfassende 
Kultur  bereits  bis  in  die  entlegensten  Schlupfwinkel  der  noi-dischen  Urwälder  vor- 
gedrungen war,  und  wo  die  Nordländer  anfingen,  sich  nach  römischem  Muster 
eine  eigene  Kultur  zu  gründen.  Wahrscheinlich  sind  es  hier  Gothen  gewesen, 
die,  während  die  ersten  gewaltigen  Völkerwellen  der  Vandalen,  Gepiden,  Bur- 
gunder, Sueben  etc.  sich  langsam  dem  Süden  zuwälzten,  hier  im  Osten  bis  an  die 
Wolga  hin  ein  grosses  mächtiges  Reich  gründeten,  dessen  Kultur  nach  den 
zeitgenössischen  Berichten  die  aller  übrigen  germanischen  Völkerschaften  der 
damaligen  Zeit  weit  übertraf.  — 

Grab  1.  Die  Urne  war  vollkommen  zertrümmert.  Zwischen  den  Knochen 
lag  ein  15,2  cm  langes  eisernes  Messer  und  eine  sehr  gut  erhaltene  Pincette  ron 
Bronze,  5,7  cm  lang,  ohne  Ornament. 

Grab  2.  Die  Urne  war  zertrümmert.  Der  Inhalt  bestand  ausser  den  Knochen 
aus  zwei  kleinen  bommelartigen  Bernstein-Perlen,  einer  prismatischen  blauen  (ilas- 
perle  mit  einem  schräg  herüberlaufenden  weiss-roth-weissen  Bande  (Fig.  3),  femer 
aus  einem  kleinen  Ring  und  einigen  kloinen  unbestimmbaren  Fragmenten  von  Bronze. 

Grab  3.  Eine  gut  erhaltene  Urnt»  aus  braunem  Thon,  oben  gut  geglättet,  unten 
rauh  gelassen  und  hier  mit  breiten,  zu  verschiedenen  Mustern  arrangirten  ein- 
geritzten Linien  vei*ziert  (Fig.  4).  Die  Höhe  beträgt  25,7  der  grösste  Dorchmessor 
m  cm\   in   derselben   lag   ein    \\^2  cm    langes    eisernes  Messer,  an  dem  noch  die 


—    23 


Reste  des  hölzernen  OrifTes,  sowie  eines,  wie  es  scheint,  ledernen  Futterals  zu  er- 
kennen sind  (Fig  5). 

Grub  4.  Eine  Urne  aus  gnmcm  Thon,  deren  Rand  fehlt.  Sic  war  zerbrochen, 
konnte  über  leicht  wieder  zueummengesetzt  werden;  nach  oben  und  unten  hin  spitz 
zulaufcDd,  zeigt  sie  unter  der  Ausbauchung  längliche,  von  glatten  Streifen  durch' 
brochone  rauhe  Felder,  die  mit  eingeritzten  Linien  verziert  sind.  Höhe  21,3; 
grösster  Durchmesser  19,8  cm  (Fig.  (i). 

Grab  a.  Zwischen  den  Scherben  der  zerbrochenen  Urno  lag  eine  grosse  eiserne, 
iillerdings  etwas  verrostole,  über  doch  sonst  gitnz  gut  erhaltene  eiserne  Fibel, 
a,b  cm  lang,  6,6  cm  breit  (Fig.  7).  Unten  sind  daran  noch  deutlich  die  im  Rost  ab- 
gedrückten Geweberesle  zu  erkennen,  also  ein  sicheres  Zeichen,  dass  auch  Ge- 
wandstückc  als  Beigabe  mit  in  die  Urne  gegeben  wurden,  von  denen  aber  keine 
weitere  Spur  erhalten  ist.  Dabei  lagen  zwei  eiserne  Sporen,  einer  sehr  defekt, 
der  andere  gut  erhalten  mit  einem  stumpfen  Stachel  aus  Bronze  (Fig.  8);  schliess- 
lich noch  das  Bruchstück  eines  eisernen  MesKers. 


3  3^^ 


Grab  6.  Eine  zierliche  Armbmst-Fibel  von  Bronze,  römische  Arbeit.  Der 
Fuss  ItiuR  nach  Aufnahme  des  Dorns  in  einen  feinen  Draht  aus,  der  mehrmals  um 
den  Bügel  gewunden  ist;  an  einigen  Stellen  zeigen  sich  Sparen  von  Eisenrost.  — 
Ferner  eine  kleine  Perle  von  Bernstein  und  eine  sehr  grosse,  schön  erhaltene  aus 
grünlichem  Glas  mit  rothen  und  gelben  eingelegten  Zickzack-Linien;  2,8  cm  im 
Durchmesser  (Fig.  9). 

Grab  7.  Ein  Wirtel  von  Thon,  zwei  Perlen  von  Bernstein,  ein  Bruchstück 
eiues  Beschlages  von  Bronze  und  eines  solchen  von  Eisen,   beide   mit  den  bezw. 


—    24    — 

Nieten  versehen;  schliesslich  eine  kleine  Spirale  von  Bronze,  möglicherweise  von 
einer  Fibel  herrührend. 

Grab  8.  Eine  sehr  schön  erhaltene  Pincette  von  Bronze,  7,5  cm  lang  und  eine 
Fingerspirale  mit  67s  Windung  von  demselben  Metall. 

Grab  9.  Eine  Bronze-Fibel  römischer  Arbeit  mit  hohem  Foss  und  Dachem. 
breitem  Bügel,  über  den  in  der  Mitte  eine  wenig  erhabene  Querleiste  g'elegt  ist 
(Fig.  10);  dann  zwei  Bernstein-Perlen,  von  denen  die  kleinere  ungenau,  nicht  in 
der  Mitte  durchbohrt  ist. 

Grab  10.  Einfache  Urne  aus  bräunlichem  Thon,  ziemlich  gut  erhalten,  19  cm  hoch, 
24  cnh  im  grössten  Durchmesser,  unten  rauh,  oben  geglättet;  darin  eine  Schnalic 
und  ein  Messer  von  Eisen,  das  letztere  15,5  cm  lang. 

Grab  11.  Eine  sehr  schön  erhaltene  grosse  Fibel  von  Bronze,  mit  starker 
Sehne  und  grossen,  fast  halbkugel  form  igen  Knöpfen  an  den  Enden  der  Spirale: 
einheimische  Arbeit  von  besonders  massiver  Construction  (Fig.  11).  Dabei  lai: 
eine  kleine,  ziemlich  roh  gearbeitete  Perle  von  Bernstein. 


Fig.;  10. 


Fig.  11. 


Fig.  12, 


Grab  12.  In  einer  ganz  zerbrochenen  Urne  lagen  zwei  sehr  schön  erhaltene 
Bronze-Fibeln  einheimischer  Arbeit  von  ähnlicher  Form  und  ziemlich  derselben 
Grösse,  wie  die  in  Grab  11  (Fig.  11);  bei  einer  fehlen  die  beiden  grossen  Knöpfe 
an  den  Enden  der  Spirale;  ferner  ein  aus  einem  dünnen  Bronzedraht  hergestellior 
Fingerring,  eine  kleine  Bernstein-Perle,  eine  sehr  verrostete  eiserne  Schnalle  und 
die  Bruchstücke  eines  eisernen  Messers. 

Grab  13.  Die  Urne  war  zertrümmert:  in  derselben  eine  Fingerspirale  aus 
dünnem  Bronzedraht  mit  (>*,.,  Windung,  eine  kleine  Fibel  aus  versilberter  Bronie 
oder  sehr  schlechtem  bronzehaltigem  Silber,  römische  Arbeit  Dann  zwei  weisse 
Glasperlen  und  zwei  bommelartige  Bernstein-Perlen. 

Grab  14  war  das  bei  weitem  hervorragendste  und  reichhaltigste  auf  dem  ganzen 
Gräbcrfelde.  Die  Urne  lag  allerdings  so  flach,  dass  die  ganze  obere  üälde  we;^- 
gerissen  und  sogar  noch  ein  Theil  der  Knochen  zerstreut  war.  Toter  diesen  Itfi: 
ei*stlich  ein  sehr  schöner  ülasbccher  von  hellgrüner  Farbe;   er  war  in  fünf  Stücif 


—    25    — 

zerbrochen,  konnte  aber  sehr  leicht  wieder  zusununengesctzt  werden,  da  nicht  das 
Mindeste  fehlte.  Er  ist  genan  21  cm  hoch,  oben  11,2,  nnten  4,4  cm  breit.  Im 
oberen  Drittel  ist  er  mit  feinen  aufgelegten  horizontalen  Leisten  verziert,  darunter 
mit  etwas  stärkeren  vertikalen,  von  denen  immer  je  zwei  oben  verbunden 
sind  (Pig,  12).  Der  Pflog  mnss  etwa  nur  3 — 4  Pinger  breit  ober  ihn  hinweg- 
gegangen sein;  durch  diese  Erschütterung  ist  er  wohl  zerbrochen  und  aus 
einander  gerissen  worden,  da  das  Bodenatück  mehr  als  eine  Handbreit  v-on  den 
übrigen  Scherben  entfcmt  lag  und  zuerst  gar  nicht  zu  finden  war.  —  Neben  diesem 
Becher  lag  eine  sehr  schöne  Piocette  uns  Dronze,  8  cm  lang  (Fig.  13  a,  b), 
zwei  silberplattirte  und  mit  feinen  eingeschlagenen,  concen Irischen  Kreisen  ver- 
zierte zungenföraiige  Rieinenbeschlägc  aus  Bronze  (Fig.  14);  zwei  kleine  viereckige 
Riemen  beschläge,  aus  je  zwei  durch  vier  Nieten  verbundenen  Bronze-Platten  be- 
stehend (Pig.  1&);  zwei  Sporen  aus  Bronze:  an  dem  einen  derselben  fehlt  der  Dorn  ganz. 


/*x 


Fift.  17. 

an  dem  andern  nur  halb;  die  Spitzen  scheinen,  nach  dem  Rost  zu  schlicssen,  aus 
Eisen  gewesen  zu  sein;  an  dem  erstcrcn  ohno  Dorn  ist  ein  kleiner  eigenthUmlicher 
Haken  angebracht,  der  vielleicht  mit  zur  Befestigung  gedient  hat  (F^.  16);  dann 
das  BrochslUck  eines  eisernen  Messern,  und  schliesslich,  ganz,  auf  dem  Boden  des 
üefüsses  liegend,  ein  etwas  defecter  Knochenkamm  (Fig.  I<),  aber  immer  noch  so 
gnt  erhalten,  duss  sich  seine  ursprüngliche  Form  volUtündig  erkennen  lässt.  Die 
drei  Platten  sind  dnrch  Bronze  -  Niete  zusammengehalten,  die  beiden  üasseren 
ausserdem  mit  Punkt-Kreisen  und  anderen  feinen,  allerdings  schon  ziemlich  ver- 
wischten Ornamenten  versehen.  Von  der  L'mc  konnte  ich  leider  nur  wenige 
Scherben  retten;  dieselben  sind  von  brauner  Farbe,  theils  rauh,  theils  geglättet 
und  ohne  Ornament. 

Grab  lä.  Die  einfache  Urne  war.  abgesehen  vom  Rande  so  ziemlich 
erhalten,  22  rm  hoch  und  32,5  cm  im  grössten  Darchmcgser.  Der 
Inhalt  bestand  aus  zwei  Bronze- Fibeln,  ähnlich  wie  in  Grab  II,  an 
der  kleineren  fehlt  jedoch  die  eine  Spiralhälfte;  ferner  eine  grosse, 
etwas  massive  Schnalle  von  Bronze  (Fig.  18)  und  eine  kleine  Bern- 
stein-Peile. 

''^'     '  Grab  1ü.    Eine  grosse  braune  Urne  mit  ausladendem  Rande,  un 

der  grössten  Ausbauchung  mit  zwei  horizontalen  Streifen,  aus  4,  bezw.  ■*  horizontal 
eingcfurchten  Linien  bestehend,  verziert;  26  cm  hoch,  31,2  em  im  grössten  Durch- 
messer. In  derselben  lagen  vier  kleine  Benutein-Porlen  mid  eine  ganze  Menge 
stark  verrosteter  Eisensachen,  unter  denen  ein  Sporn,  eine  Schnalle  und  ein  Messer 


als  solche  zQ  erkennen  sind,  die  meisten  über  ihre  TrUhere  Bestimmung  nicht  rai-hr 
erratben  lassen. 

Qrab  n.  Eine  ziemlich  gut  erhaltene  braune  Urne  mit  weitem  Halse,  über 
der  Ausbauchung  mit  eingefurchten  Linien  verziert.  22  uh  hoch,  17,2  im  oImtch. 
24,3  cm  im  grössten  Durchmesser,  m  derselben  lag  eine  kleine  Schnullo  vim 
Bronze,  ähnlich  der  im  Grabe  No    1')  Fig.  18. 

Grab  1«.  Unter  den  Trilmmerii  einer  gansi  zerstörten  Urne  lag  eine  sehr 
schöne  Bronzc-Fibcl  mit  den  Spuren  von  Oold-Plattirung  (Pig.  19).  Der  Bügt.'!  ist 
mit  flach  erhabenen  Queruiilstcn  und  über  dem  Fuss  mit  kleinen  ebenfalls  ci- 
habenen  arabesken artigen  Verzierungen  bedeckt,  duneben  liig<'n  uwei  grosse  fc*^- 
drehte  Bernstein-Perlen  ( Fig.  20i. 


Fig.  19.  Fig.  21. 

Grab  I!'.  Grosse  Urne  aus  grauem  Thon,  der  obere  Rand  fehlt;  im  der 
stärksten  Ausbauchung  ist  eine  mit  schrägen  Einkerbungen  verzierte  Leiste  auf- 
gelegt. In  derselbon  befand  sich  ein  oiscrnos  Messer,  ein  Wirtel  von  Thon  und 
eine  ganz  kleine  Schnalle  von  Bron/.e. 

Grab  20.  In  einer  zerbrochenen  I'rne  lug  ein  15,8  oa  langes  schmales  MevstT 
von  Eisen,  eine  Bronze  -  Fibel,  deren  Bügel  mit  pierstobähnlichen  Omunn-nlen 
verziert  ist,  sonst  den  übrigen  einheimischer  Technik  ähnlich;  ferner  eine  kleine 
Schnalle  von  Bronze  und  zwei  kleine  Bmchslücko,  wohl  von  einem  Kieni^i- 
beschloge  hcrrllhrend. 

Grab  21.  Kleines  Geräss,  bis  auf  den  oberen  Rand  gut  erhalten,  von  braunem 
Thon,  unten  rauh,  oben  geglättet,  über  der  Ausbauchung  zwei  horizontale  ein- 
geritzte Linien,  am  Halse  ein  horizontaler  Streifen  kuraer  schräger  Einkerbungen. 
Die  Hdhe  beträgt  lt>,3;  der  gröaste  Durchmesser  19  cm.  Der  Inhalt  beatund  nur 
aus  Knochen. 

Grab  22.  Grosse  Urne  aus  graubraunem  Thon,  ebenfalls  nur  mit  Knochen 
gefällt.  Unter  dem  nach  oben  ein  wenig  sich  erweiternden  Halse  sind  zwei  er- 
habene, mit  schlügen  Einkerbungen  verzierte  Wülste  angebracht,  darunter  noch 
mehrere  parallel  laufende  flache  Furchen  und  Reihen  von  kleinen  länglichen 
schrägen  Vertiefungen.  Die  Uöhe  beträgt  ;(2,.'j,  der  obere  Durchmesser  25..'):  der 
mittlere  und  gröaste  Durchmesser  33,3  cm. 

Grab  23.  Unterer  Theil  einer  sehr  grossen,  graubraunen,  aussen  rauhen  und 
ganz  schief  gerethenen  Urne,  darin  befand  sich  ein  Hesacr,  ein  Sporn,  eine  kleine 
Schnalle  und  ein  unbestimmbares  Fragment  von  Eisen. 

Grab  24.  Unterer  Theil  einer  ganz  schief  gerathenen  rauhen  Urne,  ähnlich 
der  Torigeii,  nur  etwas  kleiner.  Darin  logen  zwei  kleine,  sehr  verrostete  eisenn' 
Sporen. 

Grab  2,'».  Kleinere  Urne  aus  braunem  Thon,  ziemlich  zerbrochen,  der  nXtvrv 
Rand  fehlt,  mit  Qacheo,  horizontal  und  sehnig  eingefurchten  Linien  verziert. 

Grab  2ti.  In  einer  ansrheinend  grossen,  aber  rollkommen  zerstörten  Urne  lu^ 
gaux  unten  eine  sehr  gut  erhullejie,    grosse  sogenannte  Sproisen-Fibel  von  Bronie. 


—    27    — 


die,  weil  sie  sich  am  meisten  von  den  spccifisch  römischen  Stücken  unterscheidet, 
vielleicht  am  besten  den  oiiginalen  einheimischen  Geschmack  und  die  dortige 
Kunstrichtung  zu  erkennen  giebt.  Der  wenig  aufwärts  gebogene  Bügel  ist  mit 
facettenartigen  Einkerbungen  verziert,  die  breiten  langen  Sprossen  über  dem  Nadel- 
halter mit  eingeritzten  Linien.  An  Stelle  der  Sohne  tritt  hier  ein  breites,  in  der 
Mitte  grahtartig  verstärktes  Band,  das  aber  nicht,  wie  die  eigentliche  Sehne,  organisch 
mit  der  Spirale  zusammenhängt.  An  den  Enden  der  Spirale  sind  zierliche,  an  den 
Rändern  gerippte  Doppelknöpfe  angebracht.  Länge  5,4,  grösste  Breite  5,8  cm  (Fig.  2p. 

Grab  27  enthielt  zwischen  den  Scherben  einer  ebenfalls  sehr  grossen  Urne 
eine  eiserne  Lanzenspitze  mit  auffallend  kurzem  Blatt  und  verhältnissmässig  langem 
Schaft;  13,5  cm  lang  (Fig.  22). 

Grab  28.  Zwischen  den  Resten  einer  ganz  zertrümmerten  Urne  zwei  ziemlich 
verrostete  kleine  eiserne  Sporen. 

Grab  29.  Ebenfalls  zwischen  Scherben  zwei  ziemlich  defocte  und  verrostete 
eiserne  Fibeln,  ähnlich  wie  Grab  5  Fig.  7.  — 

Nun  folgt  noch  eine  Reihe  von  Einzelfunden,  die  ich  theils  auf  der  Ober- 
fläche des  umgeackerten  Bodens,  grösstentheils  aber  in  der  umgewühlten  Erde  beim 
Graben  fand,  ohne  dass  ich  sie  einem  bestimmten  Grabe  zuweisen  konnte. 

Eine  schöne  römische  Armbrust- Fi  bei  von  Bronze,  7,5  cm  lang,  sehr  zierlich 
gearbeitet  und  gut  erhalten  (Fig.  23). 

Drei  Pincetten  von  Bronze,  zwei  davon  mit  einem  Schieber  versehen. 

Eine  Schnalle  von  Bronze. 


Fig.  22. 


Fig.  24. 


Fig.  23. 

Eine  cylindrische  Fingerspirale  von  Bronze,  deren  Enden  je  zu  einer  kleinen 
Scheibenspirale  umgewunden  sind  (Fig.  24). 

Ein  kleiner  eimerförmiger  Anhänger  und  verschiedene  kleine  Fragmente  von 
Bronze. 

Ein  ganz  kleines  Thongefäss;  4,3  cm  hoch,  6  cwt  im  oberen  Durchmesser. 

Scherben  verschiedener  Thongefasse. 

Zwei  Wirtel  von  Thon. 

11  Bernstein-Perlen. 

9  Glasperlen  von  verschiedener  Grösse  und  Form,  blau,  weiss  und  gelb;  eine 
helle  Doppelperle  ist  mit  Gold  ausgelegt.  Unter  den  Bruchstücken  von  Perlen 
befindet  sich  auch  eines  von  schöner  blutrother  Farbe. 

Bruchstück  eines  Schleifsteins  aus  sandsteinartigem  Material,  oben  durchlöchert. 

Eine  grosse  eiserne  Schnalle. 

Eine  eiserne  Fibel,  am  Bügel  etwas  defect. 

Ein  eiserner  Sporn. 

Ein  eisernes  Messer. 


-    28    — 

Dicht  neben  dem  Gräberfelde,  im  Ufer-Saude  des  Jüst-Sees,  Mrurden  vor  einigen 
Jahren  zwei  grosse,  im  Allgemeinen  gut  erhaltene  Bin  bäume  gefunden^  die,  wie  ich 
annehmen  möchte,  ebenfdlls  in  die  Zeit  dos  beschriebenen  Gräberfeldes  gehören. 
Der  eine  wurde  bald  nach  der  Auffindung  zerstört,  der  andere,  den  PrI.  Friederike 
Rogalla  von  Bieberstein  in  Barranowen  in  ihrem  Park  hatte  aufstellen  lassen, 
gelangte  als  Geschenk  der  Besitzerin  in  das  Kgl.  Museum.  Der  Kahn  ist  ausser- 
ordentlich roh  gearbeitet  und  merkwürdigerweise  ein  klein  wenig  gebogen,  so  dass 
das  Rudern  und  Steuern  mit  ihm  nicht  ohne  Schwierigkeit  von  Statten  gegangen 
sein  kann.  Er  ist  mit  zwei  nicht  eingesetzten,  sondern  aus  dem  Stamm  heraus- 
gehauenen starken  Querbänken  versehen,  die  oben  gerundet  sind  und  bedeutend 
über  die  Ränder  des  Kahnes  hervorragen.  Die  Länge  des  ganzen  Kahnes  beträgt 
5,75  m,  die  Breite  0,70,  die  Höhe  etwa  0,45  m.  Solche  primitiven  Fahrzeuge  sind 
von  der  ältesten  Zeit  an  das  ganze  Mittelalter  hindurch  bis  in  unser  Jahrhundert 
hinein  in  vielen  Gegenden  Deutschlands  gebraucht  worden,  so  dass  es  schwer  oder 
oft  gradezu  unmöglich  ist,  bei  einem  derartigen  Binzelfunde  eine  chronologische 
Bestimmung  zu  treffen;  da  aber  in  diesem  Falle  die  Kähne  ziemlich  tief  im  Sandr 
dicht  neben  einem  Gräberfelde  gefunden  sind,  und  ich  auch  ganz  hart  am  Ufer 
des  Sees  einige  alte  Thonscherben  aufgelesen  habe,  ist  es  immerhin  wahrsdieinlich, 
dass  die  Fahrzeuge  aus  der  Zeit  dos  Gräberfeldes,  also  etwa  aus  dem  3 — 4  Jahr- 
hundert nach  Christo  stammen.  M.  Weigel. 


Sammlung  in  Uetersen  bei  Hamburg. 

In  Uetersen,  einem  holsteinischen  Städtchen  nordwestlich  von  Hamburg,  an 
der  schiffbaren,  in  die  Elbe  einmündenden  Pinnau  belegen,  bemerkte  ich  in  der 
Sammlung  des  Schullehrer-Seminars  einige  Alterthümer. 

Die  nebenstehend  abgebildete  Urne,  ohne 
Verzierungen,  ist  auf  der  Mitte  des  Bauchs  durch 
kreuzweise  SchrafRrung  des  sicheren  Anfassen« 
wegen  rauh  gemacht.  Aus  der  Umgegend  der 
Stadt. 

Forner  eine  grosso  Urne  von  Blankene»e, 
darin  ein  Eisengeräth  und  2  eiserne  Nadeln.  Dabei 
eine  kleine  sog.  Ceremonien-Ume  und  eine  kleine 
Schale. 

In  der  Nähe  der  Stadt  in  einer  Sandgrabi^ 
kommen  spätslavische  Gefässtrümmer  vor. 
Die  Seminar  -  Sammlung  besitzt  von  dort  einen 
gebräunten  grösseren  Scherben  mit  eingedrückten  quadratischen  Stempeln  und  einem 
Wellenomament,  das  mit  einem  vierzinkigen  Instrument  gezogen  sein  muss.  Di<* 
Masse  ist  härter,  als  die  frühslavischen  Gefässe  sonst  zeigen,  und  erinnert  mehr 
an  die  harte  grauschwarze  Töpferwaare  des  für  diese  Gegend  frühesten  christlichen 
Mittelalters. 

Ferner  bemerkte  ich  zwei  Exemplare  des  Schädels  von  Bos  longifrons,  von 
ausgesprochen  langer  Stirn  form  mit  kurzen,  schwach  nach  aussen  gebogenen  Suro* 
zapfen.  Ein  Exemplar  ist  vollständig,  eines  mangelhaft  erhalten.  Beide  ent- 
stammen einem  Moor  bei  Uetersen. 

In  dem  an  die  Probstei  anstossenden  Garten  des  Apothekenbeaitzen  Alwin 
Gloe,  jetzt  in  Lübeck,  fand  ich  in  den  Jahren  1887  und  1888  Ton  Menschenhand 


—    29    — 

geschlagene  Feuersteine  und  verschiedene  alte  Gefässreste,  theils  der  vorerwähnten 
frühchristlichen  Zeit,  theils  einer  noch  älteren  Periode  zugehörig.  Der  Garten 
liegt  am  Rande  der  Geest  zur  Marsch. 

Wegen  der  geologischen  Verhältnisse  der  Gegend  und  wegen  der  interessanten 
osteologischen  Vorkommnisse  in  den  Knochenmühlen  bei  üetersen  verweise  ich 
auf  meinen  Aufsatz:  „Moltke  in  üetersen",  Zeitschrift  „Der  Bär",  XVII,  8.  51. 

E.  Priedel. 


Ausgrabungen  im  Kreise  Obornik,  Posen. 

1.  LrnenfHedhof  Ton  Stobnlca. 

Der  ziemlich  ausgedehnte  Begräbnissplatz  liegt  auf  dem  rechten  Warthe-Ufer 
hart  östlich  des  Dorfes  Stobnica,  Kr.  Obornik,  ungefähr  10  km  nördlich  von  Samter. 
Derselbe  wurde  vor  einigen  Jahren  zufällig  beim  Ausheben  eines  Grabens  entdeckt 
und  ist  auf  demselben  schon  mehrfach  nachgegraben  worden.  (Fundstücke  im 
Besitz  des  flerm  ßentmeisters  Müller,  Samter.) 

Die  Gräber  liegen  im  Walde,  in  einer  flachen  sandigen  Düne,  in  einer  Tiefe 
von  30  cm  bis  1 7«  m  unter  dem  heutigen  gewachsenen  Boden. 

Die  Arten  der  Beisetzung  sind  folgende: 
,      l.    In    den   meisten  Fällen   ist   das  den  Leichunbrand  enthaltende,  mit  einem 
Deckel   geschlossene  Gefäss   von  Steinen  umgeben  und  mit  einem  Stein  bedeckt, 
der  in  der  Regel  Urne  und  Deckel  zerdrückt  hat;  die  Beigabegefässe  sind  ausser- 
halb der  Steine  hingestellt 

2.  Die  Beigabegefässe  stehen  bei  der  Aschenurne,  innerhalb  der  herumgelegten 
Steine.  In  einem  Falle  fand  ich  eine  Urne,  um  deren  Fuss  drei  flache  gehenkelte 
Schalen  symmetrisch  herumgelegt  waren. 

3.  Die  Beigabegefässe  liegen  in  der  Aschennrne.  In  diesem  Falle  waren  es 
kleine  Gegenstände,  Schalen,  Kinderspielzeug. 

4.  Das  Gefass  mit  Leichenbrand  stand  ohne  Steine  frei  im  Sande,  mit  oder 
ohne  Beigaben. 

Regelmässige  Steinsetzungen  (Kisten)  fanden  sich  niemals  vor. 

Das  eigentliche  Aschengefäss  ist  in  der  Regel  gross,  aus  grobem  Material  roh 
verfertigt  und  schlecht  gebrannt,  meistens  mit  einem  oder  zwei  Henkeln  versehen. 
Dasselbe  ist  mit  einer  flachen  gehenkelten  Schale  zugedeckt.  Es  wurden  aber 
auch  die  verschiedensten  anderen  Geftisse  zur  Beisetzung  der  Leichenbrandresto 
benutzt;  stets  war  aber  dann  das  Gefäss  mit  einem  Deckel  verschlossen. 

In  einem  Falle  lagen  die  Knochenreste  eines  Kindes  in  zwei  über  einander 
gestülpten  flachen  Schalen  (Fig.  1).  In  einer  Urne  lagen  nur  die  üeberreste  des 
Schädels  mit  einem  Bronzering.  Die  Beigabegefässe,  die  stets  ofl'en  und  leer  hin- 
gestellt wurden,  sind  sehr  verschieden :  die  am  meisten  vorkommenden  sind  Urnen 
und  Tassen  in  allen  Grössen.  Zwei  omamentirte  Schalen  (Fig.  2)  lagen  als 
Deckel  auf  Aschengefässen.  Der  hohe  Dom  in  der  Mitte  des  Grundes  bei  dem 
einen  ist  von  unten  in  die  Höhe  getrieben,  hohl. 

Das  „Drillingsgefäss^  mit  Henkel  (Fig.  3)  lag  mit  einer  flachen  Schale  zu- 
sammen bei  einer  Urne.  Je  zwei  und  zw^ei  der  kleinen  Urnen,  aus  welchen  es 
zusammengesetzt  ist,  sind  durch  ein  Loch  am  Boden  mit  einander  verbunden. 

Bei  Kindergräbem    fanden   sich    als  Beigaben   sehr   kleine  Gefasse,    bei  dem 


oben  schon  enrahnten  lag  (Ihs  Geruss  Figur  4.     Der   dornrönnige  Ansäte   ist  der 
Länge  nach  fein  dnrchbohrt  (Geliiss  zur  Ernühning  eines  Säuglings ?). 

Fig.  3. 


Fig.  2. 


Fig.  1. 


Sümmtlicht!  Thongo Passe,  einige  wenige  Aasnahmen  abgerechnel,  sind  ron 
ziemlich  roher  Arbeit,  ans  fryier  Hnnd  gerormt,  von  Farbe  golbroth  oder  groogvlh. 
selten  gesehwärzt.  Dieselben  sind  sehr  verschieden  gebrannt.  Die  Veraienmgi-n 
sind  sehr  einfach,  nuch  einige  Gcrusse  mU  Fingernagel  Verzierung  fanden  sich  vor. 

Die  sonstigen  Beigaben  sind  sehr  spärlich.  Von  Bronze  fand  ich  3  Ringe 
Dnd  ein  walnussgrosses  Stück  geschmolzen.  An  einem  Ringe  haftet  noch  dit- 
Gussnath.  In  Kindergräbern  fanden  sich  glatte  Kiesel  als  Spielzeug.  Diese  Bei- 
gaben lagen  stets  in  der  Asche nurnc. 

Von  Eisen  fund  sich  keine  Spur. 

Bei  einer  Urne  Inp  die  fliillte  eines  Sternhammers  mit  iiinderSchlagllächv, 

2,  UmenfMedhof  von  Kowalewko,  Kr.  Obomik,  Posen. 

Bei  Kowalewko  b.  Obiezieree,  Kr.  Obornik,  fand  man  einen  ümenfriedhof.  dt-r- 
selbe  lag  in  einem  SandhUgel,  der  abgetragen  wurde.  Die  gewöhnlichen  Formen 
waren,  wie  die  in  Stobnica  (Fig.  2  n.  a).    E  ige  nih  Ural  ich  ist  das  pokalartige  GeräcB, 

Fig.  I. 


Fig.  1,  mit  hohem  hohlem  Fuss  und  der  Becher,  Fig.  'd,  der  einem  modernen  Uohl- 
maasse  ähnlich  sieht.  Haoptmimn  r.  Ramberg 


—    31    — 

Amtliche  Mittheilungen. 

Fand  von  arabischem  Silber  bei  Pinnow,  Vorpommern. 

In  einem,  dem  Regierungs-Referendar,  Kammerjunker  von  Behr  gehörigen 
Torfmoor  der  Feldmark  Pinnow,  Kreis  Groifswald,  ist  eine  Anzahl  arabischer 
Münzen  neben  Bruchsilber  gefunden  worden.  Die  Münzen,  welche  dem  Königlichen 
Münzkabinet  überwiesen  sind,  stammen  angeblich  aus  der  Zeit  der  Abassiden-  und 
Oraajaden-Dynastie.  Dieselben  sind  im  Gebiete  des  heutigen  Arabiens  und  Persiens 
geprägt  und  haben  einen  ungefähren  Werth  von  150  Mk. 

Merowin^sche  nnd  römische  Gräber  bei  Ehrang,  Trier. 

Ein  im  Laufe  des  verflossenen  Sommers  in  der  Nähe  des  bei  Trier  gelegenen 
Ortes  Ehrang  aufgedecktes  Plattengrab  merowingischer  Zeit  ist  von  dem  Provincial- 
Museum  in  Trier  im  Oktober  und  November  v.  Js.  einer  eingehenden  Unter- 
suchung unterzogen  worden.  Hierbei  wurden  75  fränkische  und  19  römische  Gräber 
und  ausserdem  die  Grundmauern  eines  umfangreichen  römischen  Gebäudes  ge- 
funden. Die  Untersuchung  des  letzteren  ist  noch  nicht  beendet.  Die  fränkischen 
Gräber  waren  offenbar  theilweise  schon  durchwühlt,  haben  aber  doch  noch  eine 
grössere  Anzahl  gut  erhaltener  Waffen,  tauschirter  Schnallen,  einige  verzierte 
Bronzeschnallen,  Rundftbeln,  einige  Ringe  und  Gläser  ergeben.  Die  römischen 
Gräber  enthielten  einige  sehr  kostbare  Gläser. 


Aus  Zeitschriften. 

Römische  Fnnde  bei  Miltenberg. 

Miltenberg;,  17.  August  1890  („Allgemeine  Zeitung").  Nachdem  Hr.  Kreis- 
richter a.  D.  Conrady  bereits  1884  das  Vorhandensein  eines  grossen  römischen 
Castells  innerhalb  des  Städtchens  Oberuburg  am  Main  nachgewiesen  hatte,  meldet 
er  neuerdings  wichtige  Funde  daselbst.  Darunter  ist  zu  erwähnen  eine  wohl- 
erhaltene, 1,02  m  hohe  Ära  aus  rothem  Sandstein  mit  hübscher  Omamentirung  und 
einer  Inschrift  auf  der  Vorderseite,  welche  die  Widmung  des  Altars  an  den  syri- 
schen Soldatcngott  dureh  die  vexillatio  legionis  XXII  agcntium  in  lignariis  sub 
principalibus  Tito  Volusenio  Sabine  et  Tito  Honoratio  Dentiliano  (Abtheilung  von 
Holzarbeitern  unter  ihren  Vorständen),  und  zwar  im  Jahre  207  n.  Chr.,  bezeugt.  Die 
linke  Seite  weist  2  durch  eine  mäanderartige  Doppcl figur  verbundene  Donnerkeile 
auf,  die  nicht  blos  das  Symbol  des  Gottes,  sondern  auch  ein  Cohortenzeichen  der 
22.  Legion  vorstellen;  die  rechte  stark  beschädigte  Seite  zeigt  einen  springenden 
Steinbock,  dessen  hintere  Hälfte  in  einen  Fischleib  mit  dreigezackter  Schwanz- 
flosse endigt,  —  gleichfalls  ein  Cohortenzeichen  der  22.  Ivegion.  Von  noch  grösserer 
Bedeutung  ist  das  Grabdenkmal,  das  mit  Bestimmtheit  spätestens  in  die  ersten 
Jahrzehnte  des  2.  Jahrhunderts  n.  Chr.  zu  setzen  ist,  also  50  Jahre  frtiher,  als  die 
bis  jetzt  bekannten  Urkunden  von  diesem  Theile  des  Limes,  und  das  eine  bisher  nicht 
geahnte  Perspective  in  die  gefestigten  Zustände  dieser  Grenzstation  am  Mittelmain 
eröffnet.  Der  Fundort  ist  die  wahrscheinliche  Gräberstätte  vor  dem  Castell. 
Das  mit  reichen  figürlichen,  architektonischen  und  symbolischen  Schmuckwerken 
verzierte  Denkmal  ist  recht  ausdrucksvoll  und  nicht  ohne  gewisse  flotte  Mannich- 
faltigkeit  und  anmuthende  Sinnigkeit  entworfen,  aber  die  Ausführung  leidet  an  der 
naiven  Unbeholfenheit  und  Derbheit,  welche  den  meisten  römischen  Sculpturen  in 
der  Provinz  anklebt  Die  Vorderseile  zeigt  ein  Ehepaar:  der  Mann  ausgestreckt 
auf  dem  Lectum,  vor  ihm  ein  dreibeiniges  Tischchen,  zu  seiner  Rechten  die  auf 
einem  hochlehnigen  Sessel  sitzende  Gattin,   welche  einem  Htindchen  einen  Bissen 


—    32 

reicht;  zur  Rechten  einen  bedienenden  Sclaven;  die  Krönung  bildet  ein  schlafender 
Eros  auf  einer  Basis,  welche  auf  beiden  Seiten  Delphine  zieren.  Die  linke  Schmal- 
seite zeigt  einen  bärtigen  Mars,  darüber  einen  Pfau,  die  rechte  eine  Victoria, 
welche  mit  dem  Stilus  auf  einen  Schild  schreibt.  Alle  drei  Seiten  tragen  In- 
schriften. Von  hohem  Interesse  ist  endlich  noch  die  Auffindung  eines  Wachthauses. 
650  Schritte  von  der  linken  Castellflanke  entfernt,  welches  in  Bauart  und  Aus- 
maassen  vollständig  mit  den  Wachthäusem  an  der  Mümlinglinie  im  Einklang  steht, 
so  dass  dadurch  von  Neuem  die  Frage  nach  dem  inneren  Zusammenhang  zwischen 
der  Limesstation  Obernburg  und  der  Mümlinglinie  aufgeworfen  wird. 

(Aschaffenburger  Intelligenzblatt  Nr.  186  vom  18.  August  1890.) 

Bohlweg  bei  Damme,  Hannover. 

Lintorf,  15.  August.  Ein  neuer  Bohl  weg  ist  bei  Damme  den  14.  August  ge- 
funden. Derselbe  liegt  4 — 5  Puss  unter  dem  Moore,  1(^»  m  westlich  von  dem 
ersten,  vor  einigen  Jahren  aufgefundenen  Bohlwege,  und  ist  ganz  so  construirt,  wie 
dieser.  Er  wurde  bei  der  Theilung  des  Dievenmoores  gefunden.  Damit  sind 
nun  auch  im  Dievenmoor  zwei  Bohlwege  (pontes  longi)  nachgewiesen,  und  der 
Plural,  auf  welchen  Professor  Knoke  soviel  Gewicht  legt,  trifft  auch  hier  zu. 

(Osnabrticker  Zeitung  vom  18.  Augast  1890.) 

Urnenftinde  bei  Gerwisch  in  der  Nähe  von  Bnrg  bei  Magdebnrg. 

Beim  Rigolen  gelegentlich  der  Anlage  neuer  Spargelculturen  auf  dem  Grund- 
stücke des  Hm.  Fabrikbesitzers  G.  Brentke  in  Gerwisch  wurde  in  der  Nähe  des 
Eisenbahndammes  ein  grösserer  Urnenfund  gemacht  Die  Gefässe  standen  in  einer 
Tiefe  von  etwas  über  1  m  und  waren  rings  von  Feldsteinen  umgeben.  Die  Grösse 
und  Gestalt  der  Urnen  ist  sehr  verschieden.  Die  grässte  Urne  ist  in  der  Mitte 
stark  gebaucht  und  hat  dort  einen  Umfang  von  über  l  f».  Ihre  Höhe  beträgt 
25  cw,  ihr  Gewicht  nahe  an  47i  kg.  Der  Bauch  ist  goreifelt;  der  lange,  glatte 
Hals  hat  oben  noch  eine  Weite  von  25  cm.  Zwischen  Bauch  und  Hals  sind  drei 
Schnüre  um  die  Urne  gezogen  gewesen,  ihre  Eindrücke  haben  sich  an  dem  Ge- 
Tasse  erhalten.  Dieselbe  Verzierung  findet  sich  an  einem  kleineren,  ebenfalls 
bauchigen  Wirthschaftsgefässe,  das  wie  eine  solide  Kaffeekanne  geformt  ist  und 
in  dem  sich  keine  Knochen  gefunden  haben.  Es  folgen  drei  mittelgrosse  plumpere 
Gefässe,  welche  nicht  gebaucht  sind.  Die  vom  Boden  unter  einem  stumpfen 
Winkel  ansteigende  Masse  bricht  scharf  ab  zu  dem  in  der  anderen  Richtung  vor- 
laufenden langen,  kahlen  Halse.  Dann  kommt  eine  ganz  runde  Urne,  welche, oben 
mit  einem  äusserst  schmalen  Halse  versehen  ist,  auf  welchem  noch  der  wohl- 
erhaltene Deckel  ruht.  Endlich  sind  noch  ein  kleineres  Gefäss  mit  zwei  Henkeln 
und  ein  sogenannter  Thränenkrug  mit  dem  Ansätze  einer  DüUe  an  der  Seite  zu 
erwähnen.  In  sämratlichen  Urnen  haben  sich  bronzene  Beigaben  in  winzigen 
Mengen  gefunden,  —  ein  Theil  einer  Nadel,  ein  Stück  Blech,  ein  Stück  einer  Agraffe, 
mehrere  dünne  Ringe.  In  einer  Urne  waren  ausserdem  Stücke  eines  in  4  gleiche 
Theile  gespalteten  Kieselsteines.  In  den  grösseren  Gefässen  sind  Knochen  von 
bedeutender  Grösse  und  Stärke  enthalten,  welche  nur  geringe  Spuren  von  Ver- 
kohlung aufweisen.  Das  Material  der  Urnen  ist  ziemlich  grob,  wie  in  der  Gegend 
gewöhnlich.  Auch  der  Brand  ist  sehr  mittelmässig.  Die  Urnen  sind  von  dem 
Besitjcer  der  Abtheilung  des  Alterthumsvereins  des  Jerichow'schen  Landes  für  den 
1.  Kreis  in  Burg  überlassen  worden,  von  wo  dieselben  in  das  Jerichow'sche  Landes- 
museum in  Genthin  übergehen. 

(Magdeburgische  Zeitung  1891,  März,  No,  143.) 


Abg6tohl08S«n  am  1.  Mmi  180L 


Ergänznngsblätter  zur  Zeitschrift  fBr  Ethnologie. 

Nachrichten  über  deutsche  Alterthnrnsfunde. 

Mit  Unterstützung  des  Königlich  Preuss.  Ministeriums 
der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medicinal- Angelegenheiten 

heransgegeben  von  der 

Berliner  Gesellschaft  fBr  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte 

unter  Redaction  von 

R.  Yirchow  und  A.  Voss. 


Zweiter  Jahrg.  1891.     Yerlag  von  A.  ASHER  &  Co.  in  Berlin. 


Heft  3. 


Funde  bei  der  Ausgrabung  des  Nord-Ostsee-Kanals  in 

Holstein. 

Bei  der  grossen  Zahl  and  Mannichfaltigkeit  der  gemachten  Funde  kann  in 
Nachstehendem  nur  eine  cursorische  Uebersicht  gegeben  werden: 

1.  Nach  einem  Bericht  des  Abtheilungsbaumeisters  Hm.  Sympher  vom  8.  No- 
vember 1890  befanden  sich  in  der  Bausammlung  zu  Holtenau  unter  Anderem  folgende 
Fundstücke: 

2.  Eine  Urne,  20  cm  hoch,  aus  gebranntem  Thon,  unglasirt,  an  einer  Seite 
mit  einem  kleinen  Henkel  versehen.  Auf  dem  Terrain  der  Baracken  Grfinthal 
im  Juli  1888  beim  Abgraben  eines  flachen  Hünengrabes,  welches  Spuren  früherer 
Durchwühlung  zeigte,  gefunden.  Die  Urne  stand  unter  4  Steinen,  welche  ein 
Viereck  bildeten  und  war  mit  einem  platten  Granitstein  bedeckt. 

3.  Mehrere  zu  einer  Handgetreidemühle  gehörige  Oranitstücke.  Die- 
selben bilden  den  oberen  konisch-concaven  und  den  unteren  konisch-convexcn 
Theil  der  Mühle,  mit  6,  bezw.  3,5  cm  weiten  Zapfenlöchern.  Der  ausgehöhlte 
Theil  ist  in  mehrere  Stücke  zerbrochen  und  bereits  stark  verwittert.  Gefunden 
bei  Station  30,95  in  der  Gemarkung  Beidorf,  1  m  unter  Terrain  in  Riesbettung,  im 
November  1888.  Das  nächste  noch  erkennbare  Hünengrab  liegt  etwa  200  m  west- 
lich von  der  Fundstätte. 

6.  Ein  Meissel  ans  Feuerstein.  Schleusenbaugrube  Holtenau.  November  1888. 

7.  Ein  Stück  Schwert  in  zwei  Theilen,  —  dem  obersten  Theil  der  Klinge 
mit  Parirstange  und  dem  Handgriff,  —  stark  verrostet.  August  1889  am  süd- 
lichen Ufer  der  Borgstadter  Enge  gefunden. 

10.  Ein  Glet8cher(?)mühlenstein  (rund,  2Theile).  Gr.  Nordsee,  Arm  81,2. 
Juli  1889. 

11.  Ein  Glet8cher(?)mühlenstein  (rund).  Bei  Königsförde,  Stai  79,3. 
Juli  1889. 

12.  Eine  Streitaxt  (bearbeitet).    Gemarkung  Rosenkranz,  A:m  81,2.    Juli  1889. 

13.  Eine  Streitaxt  (bearbeitet).    Gem.  Königsförde,  km  79,1.    Juli  1889. 

14.  Eine  Streitaxt  (unbehauen),  daselbst,  hn  81,2.    Juli  1889. 

17.   8  Stück  (6  silberne,  2  kupferne)   alte   dänische  Münzen.    August 

3 


—    34    — 

1889.  Gefunden  an  der  nördlichen  Böscbungskante  des  Nord-Ostsee-Ranals  bei 
St.  I,  km  84^,  0,50  m  tief  unter  Erdoberfläche. 

18.   Präparirte  Bruchstücke  von  Bernsteinperlen.    Boiig^i.  D.    August 

1889.  Es  wurde  ein'  Hünengrab  aufgedeckt.  Die  Funde  wurden  in  verschiedenen 
Tiefen  —  A  und  B  —  gewonnen.  Die  hier  in  Rede  stehenden  Stücke  gehören 
zu  denen  der  Grupt)e  B  (obere  Funde).  In  ihrer  Gesellschaft  wurden  voigefonden: 
1  Flintkeil  (Nr.  20),  1  Axl  (Nr.  21),  1  Axthammer,  1  Flintstein,  1  kleiner  FlintkeiK 
Stücke  einer  Urne.  Letztere  war  umgeben  von  einem  Steinhaufen,  dessen  ur- 
sprüngliche Form  nicht  mehr  zu  erkennen  war.  Unter  diesen  Steinen  befand  sich 
auch  der  unter  Nr.  26  eingetragene  Schleifstein. 

20.  Ein  Fl  int  keil,  gefunden  2,0  m  unter  dem  höchsten  Punkte,  in  der  Mitte  des 
unterNr.  18  aufgeführten  Hünengrabes  und  etwa  0,90m  unter  dem  ursprünglichen  Boden. 

21.  Eine  Axt  mit  Stielloch,  über  dem  Keil  Nr.  20  vorgefunden. 

22.  Ein  Axthammer,  aus  dem  Htlnengrabe  Nr.  18. 

23.  Ein  Flintstein,  desgleichen. 

24.  Eine  Urne  (vgl.  Nr.  18). 

25.  Kohlenstücke.  Dieselben  lagen  zerstreut  an  verschiedenen  Stellen  des 
Grabes  Nr.  18. 

26.  Ein  Schleifstein,  desgleichen. 

27.  Ein  kleiner  Flintkeil  lag  auf  dem  Steinring  des  Grabes  Nr.  18. 

39.  Eine  Steinaxt,  km  76,5,  im  Osterraderholz. 

40.  Ein  gewundener  Bronzering,  etwa  40  cm  im  Durchmesser,  6 — 8  mm 
stark.  Loos  IX  bei  km  63,8.  März  1890.  Gewonnen  mit  dem  Trockenbagger  io 
einer  Tiefe  von  3,5  m  unter  der  Oberfläche  im  Moor. 

41.  Zwei  Stück  übersponnener  Eisendraht.    Loos  IX  bei  ibn  64,5.    März 

1890.  Gefunden  an  der  ehemaligen  Nobiskruger  Schanze  4,50  m  anter  Erdoberfläche. 

42.  Ein  Stück,  anscheinend  bearbeiteter  Flintatein.  Loos  IX  bei  irm  66,3 
im  Kies.  In  einem  Schlage  gemacht,  ohne  Schleifen  aus  grösserem  Stein.  Märe  1890. 

44.  Eine  Urne  ohne  Inhalt.  Der  Fundort  ist  annähernd  in  der  Kanalmitte  bei 
Arm  27,1  in  dem  dort  aufgedeckten  Hünengrabe.    Februar  1890. 

Abgesehen  von  den  neuzeitlichen  Stücken  (Münzen,  Schwert,  übersponnener 
Eisendraht),  welche  an  der  Borgstedter  Enge,  an  der  Nobiskruger  Schanze  u.  s.  w. 
gefunden  wurden,  und  den  verschiedenen  Mühlsteinen,  deren  Alter  nicht  erhellt, 
ist  also  eine  grössere  Anzahl  prähistorischer  Steingeräthe,  zum  Thei]  aus  Fenerstein, 
zum  Theil  nur  als  Steinäxte  und  Axthammer  bezeichnet,  zu  Tage  gekommen.  Am 
meisten  bemerkenswerth  ist  das  Hünengrab  mit  Steinbeilagen  unA  einer  Urne,  Nr.  18« 
Der  einzige  Bronzegegenstand,  der  unter  Nr.  40  aufgeführte  Torques,  stammt  aus 
einem  Moor. 

Von  Interesse  sind  die  Bernsteinfunde.  Nur  einmal  werden  bearbeitete 
Stücke  von  Bemsteinperlen  erwähnt,  und  zwar  gleichfalls  aus  dem  Hünengrabe. 
Die  sonstigen  Bernsteinfunde  betreffen  Rohmaterial  (Nr.  16,  2  Stücke  bei  Sehestedt, 
Nr.  36,  2  Stückchen  von  Burg  in  Dithmarschen,  Nr.  43,  2  Stücke  von  Bronnsbfittel, 
Schleusenbaugrube,  Nr.  47,  1  kleines  Stück,  bei  einer  Sandschüttung,  km  22,0, 
gefunden,  Nr.  50,  2  grosse  Stücke,  ausgebaggert  im  Meckelsee). 

Unter  den  thierischen  Ueberresten  werden  am  häufigsten  Hirschgeweihe  (7  mal) 
erwähnt;  ausserdem  1  Elch,  1  Biber,  1  Schweinskopf,  1  Wildschweinhaozahn, 
1  Fnchskopf  und  22  Stück  Walfischknochen,  gefunden  bei  Burg  in  Dithmarschen  im 
Rudcnsee  in  der  Tiefe  von  etwa  2,7  m. 

II.  Nach  einem  Bericht  vom  1.  Februar  1891  wurden  zwischen  dem  8.  No- 
vember 1890  und  dem  1.  Februar  1891  gesammelt: 


—    35    — 

57.  1  Urne  ohne  Inhalt  September  1889.  Die  ürao  wurde  bei  Burg  i.  D. 
bei  ib»  11,0  auf  Ordinate  +17,0  im  Rlai  aufgefunden. 

67.  1  Gletschermühlenstein.  Rönigsförde  Arm  79,9,  14  m  tief  in  der  Erde. 
November  1890. 

68.  1  Oletschermühlenstein.  Rönigsförde  km  80,2,  13  m  tief  unter  Erde. 
November  1890. 

70.  1  kleiner  Mühlstein.    Holtenauer  Schleuse  km  96,8. 

71.  1  Flintspahn.    Rönigsförde.    November  1890. 

72.  2  kleine  Mühlsteine.    Rönigsförde  km  80,0,  12  m  tief  im  Erdboden. 

73.  1  Steinaxt.    Sehestedt  bei  km  74,3.    November  1890. 

74.  1  Steinaxt    Sehestedt  bei  km  74,2.    November  1890. 

75.  1  Steinaxt    Steinwehr  bei  km  71,0.    November  1890. 

76.  1  Steinaxt   Rönigsförde  bei  km  80,8,  3  m  tief  im  Lehm.   November  1890. 
Ausserdem   eine   eiserne  Rugel   (Rönigsförde),   4  eiserne   Degen   (Steinwehr, 

darunter  einer  von  1815  und  einer  mit  der  Bezeichnung  Solingen)  und  ein  Holz- 
capital  (ausgebaggert  im  Aussenhafen  von  Holtenau). 

Von  Bernstein  nur  2  Stücke,  wiederum  aus  dem  Meckel-See. 

Von  Thierknochen,  ausser  ein  Paar  Geweihstücken  vom  Hirsch,  3  Geweihstücke 
vom  Renthier  aus  der  Rönigsförde,  4  und  6  m  tief  im  Moor,  endlich  15  Wal- 
fischkno9hen  von  Burg  i.  D. 

lU.  Nach  einem  Bericht  vom  1.  Mai  1891  wurde  gefunden  zwischen  dem  1.  Fe- 
bruar bis  30.  April  d.  J. 

10.  Eine  Feuer  Steinaxt  unter  einer  0,6  m  hohen  Moorschicht  ungefähr  auf 
Ord.  —  0,50  NN.  bei  km  43,6  am  Ostrande  des  Keitmoores. 

Ausserdem  2  eiserne  Rugeln  (im  Brunnsbüttelhafen  und  im  alten  Holtenau-Bctt). 

Von  Bernstein  1  Stück  aus  dem  Brunnsbüttelhafen,  1  aus  dem  Meckel-See, 
4  bei  Schülp  im  Triebsande,  2  bei  km  64,35,  etwa  5,5  m  unter  der  Erdoberfläche, 
4  Stück  von  4,5,  5,5,  10  und  38  g  Gewicht  bei  km  30,9—31,25  in  einer  Schicht 
aus  Holzresten  zwischen  Sand. 

Von  sonstigen  Thierresten  ein  Theil  eines  Mammuthzahnes,  ein  Wolfs- 
schädel und  einige  Geweihstücke  vom  Hirsch.  Rud.  Virchow. 


Urnenfeld  zu  Bek,  Schleswig-Holstein. 

Am  5.  und  7.  November  v.  J.  wurde  vom  Thierarzt  Schmidt  in  Hadersleben 
Namens  der  Verwaltung  des  Haderslebener  Rreismuseums  die  Ausgrabung  eines 
ümenfeldes  in  der  Gemeinde  Bek,  Kirchspiel  Nustrup,  vorgenommen.  Das  Umen- 
feld  war  bei  der  Anlegung  einer  Kartoffelmiete  von  dem  Hofbesitzer  Schmidt 
auf  seinem  Felde  entdeckt  worden,  und  zwar  etwa  500  m  südöstlich  seines  Ge- 
höftes, ungefähr  2  m  von  dem  das  Feld  gegen  den  Weg  begrenzenden  Steinwall. 
Ein  Theil  des  ümenfeldes  in  etwa  2  m  Breite  und  7  m  Länge  war  schon  vom  Be- 
sitzer des  Feldes  aufgegraben  worden.  Hierbei  sind  mehrere  Urnen  gefunden, 
angeblich  über  einander  stehend.  In  allen  sind  angeblich  gebrannte  Knochen  ge- 
wesen. Alle  sind  gebrochen  gefunden,  bezw.  bei  dem  Aufheben  zerbrochen.  An 
Beigaben  sind  nur  ein  eiserner  Ring  von  2Vs  cm  Durchmesser  und  4  mm  Stärke, 
stark  von  Host  angegriffen,  und  ein  bronzenes,  in  der  Mitte  gebogenes,  an  der 
einen  Seite  geringeltes  und  mit  einem  Knopf  versehenes  Stäbchen  gefunden  und 
dem  Museum  überwiesen  worden. 

Eine   Sondirung   des  Bodens   ergab,   dass   das  Umenfeld  in  2  m  Entfernung 


-    36    — 

vom  Wege,  tmgefähr  2*/^  m  in  der  Steinsetznng  breit,  ziemlich  parallel  mit  dem 
Wege  in  der  Richtung  von  West  nach  Ost  mit  einzelnen  Unterbrechungen  ungefähr 
60  m  hinlief.  Die  erste  Steinsetzung  war  23  m  lang;  in  ihr  wurden  12  Urnen 
gefunden.  Darauf  folgte  nach  einem  Zwischenraum  von  3  m  eine  Steinsetzung 
von  4  m  Länge  mit  2  Urnen;  dann  nach  3  m  Zwischenraum  eine  solche  von  6  m 
Länge  mit  2  Urnen;  dann  mit  einem  Zwischenraum  von  1,  bezw.  3  m  zwei  solche 
von  6,  bezw.  4  m  Länge  ohne  Urnen;  zuletzt  nach  einem  Zwischenraum  von  8  m 
eine  Steinsetzung  von  6  m  Länge,  an  deren  äusserslem  Ende  3  Urnen  dicht  zu- 
sammen standen. 

Die  Steinsetzung  lag  mit  der  oberen  Fläche  durchschnittlich  25  cm  unter  der 
Erdoberfläche.  Der  Urboden  bestand  aus  gelbem  Sand,  welcher  sich  unter  dem, 
auf  und  zwischen  der  Steinsetzung  liegenden,  schwarzen  Erdboden  scharf  abhob. 
Die  Steinsetzung  war  durchschnittlich  25 — 30  cm  stark,  an  den  Stellen  jedoch,  wo 
keine  Urnen  gefunden  wurden,  und  an  den  Ausläufern  schwächer.  An  der  Nord- 
seite waren  die  Abgrenzungen  der  Steinsetzung  ziemlich  regelmässig  durch 
grössere  Steine  markirt,  an  der  Südseite  dagegen  nicht  gleichmässig,  sondern  zum 
Theil  buchtig  auslaufend.  Die  Urnen  standen  in  der  Steinsetzung  auf  platten  Steinen, 
von  mehr  oder  weniger  platten  Steinen  umgeben,  durchschnittlich  40  —50  cm  unter 
der  Erdoberfläche,  bis  zum  Boden  der  Urnen  gerechnet.  Einzelne  standen  auch 
tiefer,  so  z.  B.  4  ungefähr  1  m  tief.  Die  Standorte  fielen  mehr  oder  weniger  mit 
der  Längs-Mittellinie  des  Umenfeldes  zusammen.  Interessant  war,  dass  in  zwei 
in  sich  abgeschlossenen  Steinsetzungen  trotz  der  sorgfältigsten  Durchsuchung  keine 
Spur  von  Urnen  oder  sonstigen  Alterthumsgegenständen  gefunden  wurde.  Beide 
Steinsetzungen  waren  in  der  Steinschicht  dünner,  als  die  übrigen. 

Nur  zwei  Urnen  sind  wohl  erhalten  herausgekommen.  Die  meisten  waren 
ganz  breit  gedrückt.  Alle  Urnen,  abgesehen  von  den  in  den  grossen  stehende 
kleinen,  und  selbstverständlich  von  denjenigen,  welche  als  Deckel  gedient  hatten, 
enthielten  gebrannte  Gebeine. 

Im  Ghinzen  wurden  —  ohne  die  Schmidt 'sehen  —  19  Hauptumen  gef\inden. 
Die  beiden  ganz  erhaltenen  sind  ziemlich  von  gleicher  Ghrösse  und  Form: 
ungefähr  32  cm  hoch,  schlank,  wenig  gebaucht,  von  rothem  Thon  mit  einem 
schmalen  Halsring;  die  eine  hat  einen  Henkel  gehabt,  die  andere  besitzt  ein  kleines 
Öhr;  andere  Zierrathe  fehlen.  Auf  der  ersteren  Urne  lag,  mit  dem  flachen  Boden 
nach  oben,  in  Bruchstücken  ein  schwer  gearbeiteter,  39  cm  im  Durchmesser  weiter 
und  nur  9  cm  hoher,  mit  einem  starken  Henkel  versehener  Deckel.  Der  obere 
Boden  desselben  war  mit  geraden  und  kreisförmigen  Zierstridien  bedeckt  Auf 
den  Knochen  der  Urne  lag  eine  7  cm  lange  eiserne  Nadel  mit  der  charakte- 
ristischen Ausbiegung  am  oberen  Theil  und  oben  in  einen  Ring  endigend.  Auf 
der  zweiten  Urne  lagen  Stücke  einer  kleineren  Urne,  welche,  mit  dem  Boden  nach 
oben,  als  Deckel  gedient  hatte;  sie  war  breit  und  scharf  ausgebaucht  und  mit  nur 
kleiner  Bodenfläche;  ringsherum  gingen  Verzierungen  von  abwechselnd  halbschräg 
nach  links  laufenden  Strichen.  Zwischen  den  Knochen  der  Hauptume  fand  sich 
ein  Stückchen  einer  eisernen  Nadel  mit  einem  Bronzeknöpfchen. 

Die  übrigen  gefundenen  Hauptumen  waren  alle  von  schöner,  aber  jede  von 
verschiedener  Form,  29 — 27  etn  hoch,  meistens  sehr  stark  ausgebaucht,  von  schwarzer 
Farbe  und  glatter  Oberfläche.  Fünf  waren  ohne  Verzierungen,  nur  mit  einem 
schwachen  Halsring  oder  Halsabsatz  versehen.  Die  übrigen  hatten  unteriuüb  des 
Halses  Verzierungen  von  theils  geraden,  theils  runden  Strichen.  Einzelne  erinnern 
in  Form  und  Verzierung  stark  an  die  in  „Mestorf,  Voi^gesch.  Alterth.^  Nr.  455 
abgebildete,  bei  Ober-Jersdal  im  hiesigen  Kreise  gefundene  Urne.  Auf  zwei  Urnen 


-    37    - 

befanden  sich  kräftige  Deekel  von  Thon,  oberhalb  flach,  unterhalb  mit  einer  in 
die  Umenöffnong  passenden  Ansrandong  gearbeitet.  Die  eine  dieser  Urnen  und 
der  Deckel  gleichen  den  in  ^^Mestorf"  Nr.  370  abgebildeten,  zu  Agentoft  im  hiesigen 
Kreise  geftmdenen.  Beide  Urnen  sind  auch  interessant  durch  den  Inhalt.  In  der 
einen  lag  zwischen  den  Knochen,  sehr  wohl  erhalten,  eine  feine,  etwa  4  cm  lange, 
mit  Patina  überzogene,  eigenthümlich  geformte  Bronzenadel;  das  oberhalb  der 
auch  hier  nicht  fehlenden  charakteristischen  Biegung  befindliche  Ende  macht 
hinter  der  Biegung  eine  zweite  Biegung  nach  derselben  Seite;  da,  wo  diese 
zweite  Biegung  beginnt,  ist  ein  kleines  Ohr  angebracht.  In  der  zweiten  Urne 
stand  auf  den  Knochen  eine  kleine,  gut  erhaltene,  feine  Urne  von  8  cm  Höhe, 
ringsum  am  Bauch  mit  kleinen  Buckeln  verziert;  in  ihr  lag  ein  kleines  Stückchen 
der  Schädeldecke  eines  Kinderschädels.  Es  fand  sich  ferner  zwischen  den  Knochen 
eine  eiserne  runde,  an  der  einen  Seite  ausgebuchtete  Platte,  im  Durchmesser 
von  7,5  cm.  Der  Zweck  dieses  Gegenstandes  ist  unbekannt;  dass  er  als  Messer 
gebraucht  sei,  ist  nach  der  Form  ausgeschlossen.  Bei  zwei  weiteren  Hauptumen 
wurden  die  Bruchstücke  von  je  einer  kleineren  Urne,  theils  auf  der  Hauptume 
liegend,  theils  in  dieselbe  hineingetrieben,  vorgefunden,  so  dass  anzunehmen  ist, 
dass  die  kleinere  Urne  der  grösseren  als  Deckel  diente. 

An  Beigaben  fanden  sich  noch  einige  stark  verrostete  Stückchen  Eisen,  wahr- 
scheinlich auch  von  Nadeln  herrührend.  —  Die  sämtlichen  erhaltenen  Fundobjekte 
werden  in  einem  besonderen  Schrank  im  Kreismuseum  aulgestellt. 

Eingesandt  vom  Landrath  Schreiber,  Hadersleben. 


Ausgrabungen  auf  dem  Burg-  und  Lorenzberg  zu  Kaldus, 

Kreis  Kulm,  Westpreussen. 

I.  Der  Burgberg. 

3  km  südwestlich  von  der  Stadt  Kulm,  hart  auf  dem  Westrande  der  durch 
die  Weichsel  aus  dem  baltischen  Höhenzuge  gewaschenen  Stromrinne,  befindet 
sich  der  zu  dem  Gute  Kaldus  gehörige  Burgberg.  Derselbe  ist  durch  zwei 
Schluchten  (sogen.  Parowen),  die  das  Regenwasser  erzeugt  hat,  vom  Rande  des 
vorgenannten  Hochrückens  getrennt.  Er  besteht  aus  zwei  Abtheilungen.  Die  erste 
ist  eine  ebene  Fläche,  augenscheinlich  die  alte  Oberfläche  des  baltischen  Höhen- 
zuges, und  hat  680  m  Umfang;  an  der  Südseite  derselben  ist  jedoch  ein  Erdwall 
au%etragen  worden,  der  diese  Fläche  um  10  m  überragt;  die  höchste  Spitze  des 
letzteren  liegt  nach  der  Generalstabs-Karte  98  m  über  dem  Meeresspiegel.  Mit 
Ausnahme  des  Walles  und  der  Seitenböschungen  wird  die  ebene  Bei^äche  bereits 
seit  Jahren  beackert.  Hierbei  sind  zum  öfteren  Ziegel-  und  Steingeröll  ausgepflügt 
worden,  so  dass  die  Sage  an  Wahrscheinlichkeit  gewinnt,  dass  hier  einmal  eine, 
dem  heiligen  Lorenz  gewidmete  Kapelle  gestanden  habe. 

Es  sind  aber  auch  Stellen  mit  schwarzer  Br<mderde  und  Scherben  von  ge- 
brannten Thongefässen  blossgelegt  worden,  die  auf  vorchristliche,  heidnische 
Spuren  hinweisen. 

n.   Der  Lorenzberg. 

Südlich  von  dem  Burgberge,  nur  durch  eine  trockene  Regenwasserschlucht 
von  ihm  getrennt,  erhebt  sich  etwa  6  m  hoch  über  der  Fläche  des  baltischen 
Höhenzuges  ein  etwa  0,50  m  hoch  mit  Ackererde  bedeckter  Sandberg,  welcher  der 
Lorenzberg  genannt  wird.   Augenscheinlich  ist  derselbe  ein  Begräbnisplatz  gewesen. 


—    38    — 

da  sich  auf  ihm  mehrere  Reihengräber  (längere  Gruben,  in  deren  jeder  mehrere 
Menschengerippe  liegen)  befinden.  Sowohl  von  Fachmännern,  als  auch  von  anderen 
Personen  sind  hier  in  früheren  Jahren  einige  Ausgrabungen  Yoi^nommen  worden, 
deren  Fundstücke  theils  in  verschiedene  Museen  übei^gegangen,  theils  in  Privat- 
besitz verschleppt  worden  sind  (Li s sauer,  prähistorische  Denkmäler  der  Provinz 
Westpreussen.    Leipzig  1887.    S.  184.). 

Während  meiner  Untersuchungsarbeiten  bei  Kulm  1889  habe  ich  die  Oelegen- 
heit  gesucht,  mich  auf  dem  Lorenzbei^  genauer  umzusehen.  Vorzugsweise  auf 
der  Hochkuppe  desselben  fand  ich  Ueberbleibsel  von  zertrümmerten  weissen 
Knochen  imd  Menschenschädeln,  sowie  auch  Scherben  von  gebrannten  Thon- 
gefässen.  Auf  meine  Bitte  gestattete  Herr  Fr  öde,  der  Besitzer  von  Raldus,  mir  auf 
das  Freundlichste,  auch  hier  Nachgrabungen  anstellen  zu  dürfen,  von  welcher  Er- 
laubniss  ich  denn  auch  Gebrauch  machte,  als  ich  gezwungen  wurde,  die  Ausgra- 
bungen auf  dem  Gräberfelde  bei  Kulm,  die  ich  vom  16. — 19.  Juli  1890  betrieben 
hatte,  der  Ernte  wegen  aufzugeben.  Zuerst  auf  der  Spitze  des  Lorenzbei^ges,  dann 
an  der  Süd-,  Nord-  nnd  Westseite  des  Sandkegeln  Hess  ich  1  m  tiefe,  2  m  breite 
und  15  m  lange  Gruben  ausheben,  in  welchen  nur  die  Ueberbleibsel  voraus- 
gegangener Durchforschungen  angetroffen  wurden. 

Herr  Fr  öde  hatte  die  Güte,  mir  mitzutheilen,  dass  ich  hier  wohl  nichts  mehr 
finden  würde,  da  die  Herren  Dr.  Lissauer,  Direktor  Professor  Gonwentz  aus 
Danzig,  sowie  der  Herr  Landrath  von  Stumpffeld  aus  Culm  und  andere  Per- 
sonen hier  bereits  gründlich  untersucht  hätten;  dagegen  vermuthe  er,  dass  ich 
nordnordwestlich  am  Fusse  des  Sandhügels  wohl  noch  unberührte  Stellen  finden 
würde.  In  Folge  dessen  liess  ich  hier  4  Gruben  ausheben,  in  denen  ich  zu- 
sammen 6  vollständige,  unberührte  Menschengerippe  fand.  Sie  lagen  sämmtiieh 
auf  dem  Rücken,  der  zur  linken  Seite  gewendete  Kopf  nach  Westen,  die  Füsse 
nach  Osten  gerichtet.  Arme  und  Beine  ausgestreckt. 

In  Grube  Nr.  6  ein  Gerippe.  Der  Schädel  wird  aufbewahrt  Beigaben: 
zwei  Schläfenringe  von  Bronze,  grösster  Durchmesser  6  und  4  cm. 

In  Grube  Nr.  7  ein  Gerippe.    Der  Schädel  wird  aufbewahrt    Beigaben: 

1.  ein  Schläfenring  von  Bronze,  grösster  Durchmesser  7  cm. 

2.  Neben  der  rechten  verwesten  Hand  ein  gelblich  durchsichtiger  Fingerring 


(Olas?),  theilweiBemite: 
Nr.  2765. 

^.   daneben  ein  röthlichcr,  hartgebrannter  Scherben  Nr.  271 
gefäas,  (RandstUck)  mit  schrägen  Kindrlickcn  verziert. 


überzogen,  2  cm  im  Durchm 


^??f- 


w 


(n  Grnbe  Nr  8  zwei  Gerippe.    Die  beiden  SchÜdcl  werden  aarbewahrt. 
ßci(^ben  zu  Gerippe  I. 

1.  An   der   rechten   Kopfseite    zwei   Schi ii reuringe    von   Bronze,   vereilbcrt, 
gröBster  DorchmeBBer  7  nnd  5  <rrR.    Nr.  2768. 

2.  neben   der  linken   verwesten  Hand   im  Sande  ein  granes  RandstQck  von 


-    40    — 

einem   hartgebrannten   Thongefäss ,    mit  yiereckigen,    schräge    stehenden 
Stempeleindrücken  verziert. 
Beigaben  zu  Gerippe  IL 

1.  an   der  rechten   Kopfseite   ein  Schläfenring  von  Bronze,  grösster  Durch- 
messer 6  cm, 

2.  an  der  linken  Kopfseite  etwas  dunkelbraune  Kopfhaare,  darauf  liegend 

3.  fünf  Schläfenringe  von  Bronze,  grösster  Durchmesser  6,  5  und  4  cm,  Nr.  2773. 

4.  im  Sande  an  der  Halsgegend  die  Hälfte  einer  kantigen  violetten  Glasperle. 
Nr.  2774. 

In  Grube  Nr.  9  zwei' Gerippe.    Die  beiden  Schädel  werden  aufbewahrt. 
Beigaben  zu  Gerippe  I. 

1.  an  der  rechten  Kopfseite  3  Schläfenringe  von  Bronze,  grösster  Dorch- 
messer  6  und  5  cm. 

2.  an  der  linken  Kopfseite  ein  ziemlich  grosser  Büschel  dunkelbrauner  Kopr- 
haare  und  vier  Schläfenringe  von  Bronze,  grösster  Durchmesser  6,  5  und 
4  cm.    Nr.  2775. 

3.  im  Sande  an  der  Halsgcgend  ein  Stück  von  einer  cylinderförmigen,  bräun- 
lichen, undurchsichtigen  Perle  mit  weissen  Zickzacklinien  verziert  1  nn 
hoch,  5  vim  im  Durchmesser.    Nr.  2779. 

4.  eine  bläulichgrüne,  tonnenförmige  Glasperle,  l  cm  hoch.    Nr.  2780. 

Das  Gerippe  H    sehr  gross,    190  cm  lang,   mit  sehr  starken  Arm-  und  Boin- 
knochen.     Nur  der  grosse  Schädel  wurde  mitgenommen  und  aufbewahrt. 
Beigaben  zu  Gerippe  II.    An  der  linken  Hüfte  lagen  im  Sande: 

1.  ein  gerades  Messer  von  Eisen,  ganze  Länge  17  ütr,  Schncidcnlünge  15  rm. 
Breite  der  Schneide  2  cm,  auf  beiden  Seiten,  nahe  dem  Messerrücken, 
je  eine  Blutrinne.    Nr.  2782. 

2.  Ein  kleines  gerades  Messer  von  Eisen,  Länge  9  cm.  Breite  der  Schneide 
1  an.    Nr.  2783. 

3.  Ein  länglich  rundes,  plattes,  an  einem  2  cm  grossen  Eisenringe  getrageni»> 
Geräth  von  Eisen,  welches  die  Gestalt  eines  Feuer-  oder  Wetzstahles  hat 
in  der  Mitto  seiner  Breitseite  länglich  viereckig,  durchgebrochen,  10  cm 
lang,  3  cm  breit,  5  mm  dick  ist     Nr.  2784. 

Auch  fand  ich  auf  der  ganzen  Oberfläche  dieses  Sandhügels  zerstreut  und 
sammelte  173  graue,  undurchsichtige  Perlen  von  PfeflTerkom-Grössc,  sowie  eine 
schwarzgrauc  undurchsichtige  Perle  von  der  Grösse  einer  Erbse. 

C.  Plorkowski, 
Gons.  des  Stadt-Mus.  in  Gruudenz. 


Gräberfeld  bei  Kulm,  Westpreussen. 

Im  Jahre  1889  wurde  beim  Graben  eines  neuen  Flussbettes,  ganz  nahe  der 
Stadt  Kulm,  das  zweite  vorgeschichtliche  Brandgräberfeld  im  Regierungsbezirk 
Marienwerder  aufgefunden  und  theilweise  auf  Kosten  der  hiesigen  Alterthums* 
Gesellschaft  untersucht.  Das  erste,  im  Regierungsbezirk  aufgefundene,  befindet 
sich  auf  dorn  Acker  des  Gutes  Rondsen,  Kreis  Graudenz,  und  ist  von  der- 
selben Gesellschaft  untersucht  (sieho  Bericht  über  das  Gräberfeld  zu  Rondstm 
von  Dr.  S.  Anger,  Graudenz  1890;  ygl.  J.  Böhm,  Zcitschr.  f.  Ethn.  1885  S.  1 
Taf.  I— II). 

Der  Kreis  Kulm,  dessen  grösserer  Theil  auf  dem  rechtsseitigen  haltischen 
Höhenzuge,    der    kleinere    in    dem  Überschwemmungsgebiete    der  Weichsel    liegt 


—    41     — 

wird  ron  den  Kreisen  Graadenz,  Bliesen,  Thorn  und  Schwetz  begrenzt  Der 
kleinere  Theil,  der  östlich  von  der  Stadt  Kulm  aus  sich  befindet,  wird  die  Stadt-, 
der  westliche  die  Amtsniederung  genannt;  beide  sind  durch  Dämme  von  der  Weichsel- 
seite abgeschlossen.  Der  baltische  Höhenzug,  worauf  die  Stadt  Kulm  liegt,  bis 
zur  Thomer  Kreisgrenze,  fallt  an  seinem  westlichen  Rande  ziemlich  steil  bis  zur 
Ebene  ab.  Westlich  unterhalb  der  Stadt  zwischen  beiden  eingedeichten  Niederungen 
befindet  sich  ein  Stück  uneingedämmter  Niedorungsüäche  von  etwa  3000  m  Länge 
und  500  m  Breite;  auf  dieser,  ganz  in  der  Nähe  der  Stadt,  wurde  das  Gräberfeld 
aufgefunden. 

Im  Kreise  selbst  sind  schon  an  verschiedenen  Orten  vorhistorische  Funde 
gemacht  worden,  so  in  Stein  wage,  Adl.  Waldau,  Klinskau,  Gogolin,  Lunau,  Schön- 
see, Paparcz]rn,  Ucz,  Kaldus,  Althausen,  Borowno,  Gottlin,  Rosenau,  jedoch  immer 
nur  aus  der  Zeit  der  Steinkistengräber. 

Der  Schiessplatz  der  Kulmer  Besatzung  befindet  sich  1  km  südlich  der  Stadt 
an  dem  Westrande  des  baltischen  Höhenzuges;  der  Weg  von  Kulm  nach  der 
Amtsniederung  läuft  in  südwestlicher  Richtung  dicht  unter  dem  Höhenzuge  fort 
Die  Schiessstände  werden  in  annähernd  gleicher  Richtung  von  einem  kleinen 
Flüsschen,  der  Fribbe,  welche  bei  Kulmsee  entspringt  und  sich  in  den  Trinke- 
kanal ergiesst,  durchströmt.  Zur  Zeit  der  Schneeschmelze  und  nach  starken  Regen- 
güssen schwillt  die  Fribbe  plötzlich  und  stark  an,  beschädigt  dann  die  Wälle  und 
den  Kugelfang  des  Schiessplatzes,  zerstört  den  Weg  nach  der  Amtsniederung, 
öfters  auch  die  in  ihm  befindliche  Brücke  so  dass  die  Schiesstände  ganz  oder 
theilweise  auf  kürzere  oder  längere  Zeit  nicht  zu  benutzen  sind  und  mehr  oder 
minder  Unkosten  erfordern,  um  wieder  in  brauchbaren  Zustand  gebracht  zu  werden. 
Um  diese  Uebelstände  zu  beseitigen,  ist  von  der  Regierung  beschlossen 
worden,  dass  der  Fribbe,  ehe  sie  noch  den  Schiessplatz  erreicht,  also  schon  südlich 
von  diesem  angefangen,  ein  neues  Bett  gegraben  werde,  in  annähernd  nordwest- 
licher Richtung  bis  zum  Trinkekanal  2000  m  lang,  20  m  breit  und  3  m  tief. 

Bei  der  Aushebung  der  Erde  zu  dem  neuen  Bett  der  Fribbe  ist  nun  eine 
ganze  Anzahl  von  vorgeschichtlichen  Begräbnissstätten  aufgefunden  worden,  von 
welcher  Tbatsache  Herr  Gymnasial-Direktor  Dr.  Iltgen  in  Kulm  die  grosse  Freund- 
lichkeit hatte,  der  Alterthumsgesellschaft  in  Graudenz  Mittheilung  zu  machen  und 
sie  zur  Entsendung  eines  Sachverständigen  aufzufordern.  Im  Aufh*age  der 
Gesellschaft  reiste  ich  am  12.  August  1889  nach  Kulm,  besuchte  in  Be- 
gleitung des  Herrn  Direktors  die  Fundstätte  und  fand  die  Aushebungen  des  neuen 
Fribbebettes,  bereits  50  m  von  dem  Trinkekanal  entfernt,  in  einer  Länge  von  20()  m 
in  seiner  ganzen  Breite  und  Tiefe,  in  der  Richtung  nach  dem  Höhenzuge  zu  vor. 
Der  Grund  und  Boden  besteht  auf  seiner  Oberfläche  aus  0,75  m  hoher,  humus- 
reicher Ackerkrume,  dieser  folgt  eine  weissgelbliche  Sandschicht  von  1  bis  1,50  m 
Tiefe  und  dann  stellenweise  ein  bläulich  grauer  Tbon  oder  feiner  Kies. 

Nach  den  Mittheilungen  des  Bauführers,  Herrn  Göret zki  hatten  sich  auf  der 
Grenze  zwischen  Ackerkrume  und  Sand  sehr  oft  ein,  auch  zwei  sehr  grosse  Stein- 
blöcke befunden,  deren  einige  mehrere  Centner  schwer  waren.  Unter  diesen 
Steinen  zeigte  sich  immer  ein  schwarzer  Fleck  von  (»,75  bis  1  m  im  Durchmesser 
und  ebensolcher  Tiefe. 

Als  ich  auf  der  Fundstelle  anlangte,  hatten  die  Arbeiter  bereits  die  6  dem 
Trinkekanal  zunächst  befindliehen  Stätten  aufgedeckt  und  alles  in  ihnen  befindliche 
bis  auf  eine  Urne,  —  der  Inhalt  war  auch  schon  ausgeschüttet,  —  zerstört.  Nahe 
diesen  Stätten  befanden  sich  Trümmerhaufen  von  Knochen,  Schädeln  und  Zähnen 
von  Thieron,  aus  denen  ich  noch  die  bemerkenswerthesten  auslesen  konnte. 


—    42    — 

Tags  darauf  begann  ich  meine  Untersuchungen,  welche  sich  bis  nach  dem 
Wege,  wo  die  neue  Brücke  gebaut  werden  soll,  erstreckten ;  Thierknoohen  fand  ich 
nicht  mehr,  aber  eine  Stätte,  die  mit  der  Hälfte  eines  grossen  Mahlsteines 
bedeckt  war,  in  welchem  sich  ein  viereckiges  Loch  befunden  hatte.  Ausser  den 
genannten  6  Stätten  habe  ich  41  solcher  aufgedeckt  und  untersucht,  wovon  16  nur 
Branderde  enthielten  mit  und  ohne  Knochenreste,  die  übrigen  theils  Urnen, 
Henkeltöpfe,  alle  ohne  Deckel,  und  diese  wieder  weissgebrannte  Knochenreste, 
Scherben,  schwarze  Branderde  und  theilweise  Beigaben  von  Eisen,  gebranntem 
Thon,  Stein,  aber  nur  sehr  vereinzelt  Bronzegegenstände. 

Das  östlich  vom  Wege  gegrabene  neue  Fribbebett  liegt  schon  im  baltischen 
Höhenzuge.  An  der  Südseite  dieses  Theiles  des  neuen  Flussbettes,  ganz  nahe  dem 
Wege,  wurde  eine  länglich  viereckige,  in  zwei  gleiche  Hälften  getheilte  Steinkiste 
gefunden;  dieselbe  war  aus  ziegelsteinähnlichen,  hart  gebrannten,  schwärzlich 
grauen  Thonsteinen  ohne  Bodenunterlage  mörtellos  aufgebaut  und  enthielt  ausser 
Sand  einen  länglich  runden  Granitstein  und  viele  graue,  hartgebrannte  Topfscherben 
mit  den  bekannten  Burgwallverzierungen. 

Dieser  Kiste  fast  gerade  gegenüber,  im  Nordufer  des  neuen  Flussbettes,  fand 
ich,  frei  in  der  Erde  stehend,  eine  röthlich  grau  gebrannte  Urne  ohne  Deckel,  in 
welcher  sich  ausser  Sand  und  Knochenresten  zwei  kleine  Bronzedrathringchen,  von 
denen  der  eine  1,   der  andere   2  Thonperlen   von   Erbsengrösse   hatte,   befanden. 

20  m  östlich  von  dieser  Urne,  gleichfalls  an  derselben  Seite  des  Flussbettee, 
wurden  im  Sande,  nahe  bei  einander  liegend,  die  Gerippe  dreier  Menschen  geftmden. 
Sie  lagen  auf  der  linken  Seite,  ihre  Gesichter  gegen  Osten  gewendet,  die  Arme 
und  Beine  zusammengezogen.  Von  diesen  konnte  ich  nur  noch  in  den  Besitz  der 
drei  Schädel  gelangen,  wovon  der  eine  in  jeder  der  Schläfengegenden  eine  kreis- 
förmige, ziemlich  scharf  abgegrenzte,  grüne  Stelle  zeigte,  die  anscheinend  von 
einem  kupferhaltigen  Gegenstande  herrührt,  der  zu  einem  Kopfschmuck  (Sehläfeo- 
ring?)  gehörig  und  verwittert  war,  so  dass  von  ihm  nichts  mehr  gefunden  ist 
Diese  Gerippe  stammen  wohl  aus  einer  Zeit,  welche  derjenigen  vortieiging,  in  der 
die  Leichen  verbrannt  und  ihre  Knochenreste  in  Urnen  gesammelt  wurden. 

Im  September  und  November  1889  besuchte  ich  die  Fundstelle  nochmals,  er- 
hielt von  den  Arbeitern  noch  einige  Urnen,  Henkeltöpfe  und  Beigaben,  so  dass 
der  gesammte  Fund  von  diesem  Jahre  147  Stücke  aufweist,  die  im  hiesigen  Moseum 
aufbewahrt  werden. 

Nach  diesen  Funden  kam  ich  zu  der  Annahme,  dass  entweder  auf  beid^i,  oder 
auf  einer  Seite  des  Flussbettes  sich  ein  ähnliches  Gräberfeld,  wie  das  Bondsener, 
befinden  müsse.  Als  ich  durch  die  Güte  der  Frau  Gutsbesitzer  Hereberg  die  Biv 
laubniss  zur  weiteren  Untersuchung  auf  ihrem  Acker  eriialten  hatte  und  mit  den 
nöthigen  Geldmittehi  durch  die  Güte  der  K.  Staatsregierung  ausgerüstet  war,  setctc 
ich  vom  15.  Juli  bis  Ende  August  v.  J.  meine  Untersuchungen  fort 

Da  das  Feld  von  beiden  Seiten  des  Flussbettes  noch  mit  Getreide  bestanden 
war,  untersuchte  ich  erst  eine  Fläche  von  150  ^  bis  1  m  tief  auf  einer  hohen 
Stelle  nahe  dem  Trinkekanal,  fand  im  Sande  Stellen  von  schwarzer  Branderde, 
mit  Kohlen  und  Topfscherben  untermischt,  und  zerstreut  darin,  zwei  Spinnwiriel, 
einen  Netzsenker,  Häufchen  kleiner  Fischschuppen,  Stücke  von  geraden  Messern 
und  einige  [unbestimmbare  Eisenstücke;  dann  wurde  auf  der  westlichen  Seite  der 
neuen  Fribbe,  hart  am  Flussbette,  axif  5  Stellen,  zusammen  150  gm  Flächenrmiuii, 
untersucht  Ich  fand  an  der  zunächst  der  Brücke  gelegenen  Stelle  eine  1,50  qm 
im  Durchmesser  grosse,  mit  Steinen  gepOasterte  Heerdstelle  mit  Branderde  and 
Kohlen    versehen,   in  diesen   ein   gerades  Messer;  auf  der  darauf  folgenden  StoUc 


—    43    — 

nur  eine  ßrandgrube,  die  mit  vielen  im  Feuer  gewesenen  Sieinen  gefüllt  war;  in 
den  drei  anderen  nichts.  Als  25  m  nach  Westen  eine  Stelle  von  25  qm  untersucht 
und  nichts  gefunden  wurde,  stellte  ich  auf  dieser  Seite  der  Fribbe  meine  Arbeiten  ein. 

Das  Feld  östlich  der  neuen  Fribbe  war  bereits  abgeerntet.  40  m  vom  Wege 
nach  der  Amtsniederung  entfernt,  setzte  ich  vom  1.  bis  30.  August  meine  Unter- 
suchungen fort,  habe  in  dieser  Zeit  460  qm  Fläche  aufgedeckt  und  darin  179  Brand- 
gruben  gefunden. 

Im  Ganzen  sind  auf  dieser  ßegräbnissstätte  210  Brandgruben  aufgedeckt  und 
untersucht  Muthmaasslich  der  Untersuchung  werth  halte  ich  noch  272  qm  und 
darüber. 

Sämmtliche  untersuchten  Brandgruben  sind  von  kesselartiger  Form,  hatten 
einen  oberen  Durchmesser  von  0,75  bis  1  m  und  sind  bis  zu  1  m  tief. 

So  ähnlich  diese  Brandgruben  den  Rondsenem  sind,  mit  denen  sie  auch  wohl 
einem  und  demselben  Zeitalter  angehören,  so  unterscheiden  sie  sich  doch  von  den- 
selben dadurch,  dass  hier  mit  seltenen  Ausnahmen,  immer  auf  jeder  Grube,  nachdem 
die  Ackerkrume  abgeräumt  war,  ein,  auch  zwei  Decksteine  sich  fanden,  von  denen 
einige  bis  zu  10  Ctm.  schwer  waren.  (Sollten  diese  nicht  vielleicht  Gedenksteine 
oder  Wahrzeichen  sein,  dass  hier  schon  eine  Bestattung  stattgefunden  hat?) 
Ebenso  wurden  hier  immer  in  den  Urnen,  auch  häufig  in  den  Henkeltöpfen,  auf 
der  füllenden  Branderde  erst  Scherben  von  zerbrochenen  Thongefassen  gefunden, 
mitunter  kamen  auch  solche  um  die  Urnen  gepackt  vor,  was  bei  den  Bondsenem 
nur  sehr  vereinzelt  beobachtet  ist.  C.  Florkowski. 


Neue  Funde  aus  der  jüngeren  Stein-,  der  älteren  Bronze- 
und  der  Hallstattzeit  in  Westpreussen. 

(Aus  dem  Bericht  des  Westpreussischcn  Provinzial- Museums  für  das  Jahr  1890.) 

Zu  den  bemerkenswerthesten  Vorkommnissen  aus  der  jüngeren  Steinzeit 
gehören  die  mächtigen  Grabstätten  in  Form  von  Steinkreisen  (Cromlechs)  und 
Trilithen,  welche  1874  in  der  Königlichen  Forst  bei  Odri  unweit  des  Schwarz- 
wassers untersucht  sind.  Hinter  dem  letzten  der  Steinkreise  lag  ein  kleiner  polirter 
Hammer  aus  Serpentin.  Bei  einem  kürzlich  ausgeführten  Besuch  in  Cissewie  bei 
Rarszin,  gleichfalls  im  Kreise  Konitz,  erfuhr  ich  von  Herrn  Rittergutsbesitzer 
Melms  daselbst,  dass  er  bei  Uebemahme  des  Gutes  vor  länger  als  dreissig  Jahren 
nordwestlich  unweit  des  Hauses  gleichfalls  einige  deutliche  Steinkreise  vorgefunden, 
aus  wirthschaftiichen  Rücksichten  jedoch  die  Steine  bald  vergraben  habe.  Herr 
Melms  übergab  dem  Museum  ein  an  dem  einen  Ende  angeschaltetes,  flaches 
Steinbeil,  welches  in  der  Nähe  ausgegraben  war.  Dieses  Beil  ist  aus  nordischem 
rothem  Granit  roh  bearbeitet  und  stellt  eine  Form  dar,  welche  bisher  in  unserer 
Provinz  nicht  bekannt  geworden  ist  Es  möge  noch  hervorgehoben  werden,  dass 
diese  Steinkreise  von  Cissewie  nur  1  hn  weiter  oberhalb  am  rechten  Ufer  des 
Schwarzwassers  liegen,  als  diejenigen  bei  Odri,  und  es  kann  hieraus  gefolgert 
werden,  dass  zur  jüngeren  Steinzeit  die  Ansiedelungen  eine  grössere  Ausdehnung 
in  jenem  Flussgebiet  gehabt  haben. 

Eine  beträchtliche  Anzahl  von  Einzelfunden  aus  dieser  Epoche  ist  neu  hinzu- 
gekommen. So  wurden  bei  den  von  der  Königlichen  Strombau-Direktion  hier- 
selbst  angeordneten  Baggerarbeiten  in  der  Weichsel  unweit  Graudenz  drei  Hämmer 
aus  Hirschhorn  zu  Tage  gefördert,  welche  Herr  Bauinspektor  Otto  dort  dem 
Provinzial-Museum   einsandte.     Herr  Lehrer  Berg  in  Samplawa  bei  Weissenburg, 


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Rr.  Löbau,   übersandte   von   dort   einen  Steinmeissel;   ein  zweites  Exemplar  ging 
von   Herrn  Gutsbesitzer   Golnnski   in  Borkau,   Rr.  Carthaus  (durch   die   Natiir- 
forschende  Gesellschaft)   und   ein   drittes  aus  Golluschütz  im  Rreise  Schwetz  von 
Herrn  Gymnasial-Oberlehrer  Meyer  in  Schwetz  a.  W.  ein.  —  Femer  sind  folgende 
Meissel  und  Hämmer  aus  anderem  Gestein  zu  verzeichnen:   Der  Rönigliche  R reis- 
Schulinspektor  Dr.  von  Cunerth   in  Gulm   übermittelte   einen   Steinhammer    mit 
einem  zweiten  Bohrloch   aus  Rarbowo   bei  Strasburg  in  Westpreussen,    sowie  die 
vordere  Hälfte  eines  Steinhammers  aus  Rollenken,  Rr.  Gulm,  und  bemerkte  hierzu, 
dass  die  Landbewohner  im  dortigen  Rreise   den  voigeschichtlichen  Steinhämmem 
einen   hohen   Werth   gegen   Blitzgefahr   beilegen.     Einen   Steinhammer   aus    dem 
Lossowo-See  im  Rreise  Flatow   verdankt  das   Museum   Herrn  Lehrer  Drews    in 
Seefelde,  Herrn  Lehrer  Flögel  in  Marienburg  einen  aus  Barlewitz  bei  Stuhm  und 
und  einen   zweiten  aus  Willenberg   unweit  Marienbuig.    Herr  Gutsbesitzer  Gertz 
in  Adl.  Rl.  Schönbrück,  Rreis  Marien werder,  überwies  ein  Exemplar  von  dort  und 
Herr  Güteragent  H.  Lehre  in  Danzig  je  ein  Exemplar  aus  Lamenstein  und  Sobbowitz 
im  Rreise  Dirschau,    aus  Olschowken  im  Rreise  Pr.  Staigard  und  aus  Altfelde  im 
Rreise  Marienburg.   Ein  Steinhammer  aus  Lenzen  im  Rreise  Elbing  wurde  angekauft 
Sodann   verdankt   das  Provinzial- Museum  Herrn   Ritteig^tsbesitzer   B.   Plehn    in 
Lichtenthai  bei  Gzerwinsk  ein  stark  beschädigtes  Exemplar  von  dort,  Herm  Ritter- 
gutsbesitzer Hauptmann  a.  D.  Suter  in   Löbsch   bei    Putzig  einen   halben  Stein- 
hammer.   Nach   Aussage   des   Herm   Direktor  Dr.  von  Rau  in   Frankfurt  a.  M^ 
welcher   sich   mit   diesem  Gegenstande   eingehend   beschäftigt  hat,   sind  derartige 
Feldhacken  sehr  selten  und  kaum  in  einem  Dutzend  von  Exemplaren  ihm  bekannt 

Ausserdem  sind  noch  zwei  Steinhämmer  anzuführen,  deren  Form  darmuf 
schliessen  lässt,  dass  sie  bereits  nach  Metallvorlagen,  also  in  einer  etwas  später^i 
Zeit,  gearbeitet  sind.  Ein  Exemplar  empfing  das  Museum  von  Herm  Gutsbesitzer 
Ph.  Ab  egg  aus  Liebsee  bei  Riesenburg,  ein  zweites  von  Herm  Gastwirth 
Rob.  Casper  in  Zarnowitz;  letzteres  ist  in  Piasnitz  im  Zamo witzer  Brach,  1,5  m 
unter  Torf  und  Sand  liegend,  gefunden  und  zeigt  die  Spuren  zum  Ansatz  eines 
anderen  Bohrloches. 

Am  hohen  Haffufer  bei  Tolkemit  findet  sich  ein  bekanntes  Lager  von  Rüchen- 
abfallen  aus  der  jüngeren  Steinzeit  Frau  Gastwirthin  Berlin  in  Tolkemit  übeiigab 
eine  Roilektion  ornamentirter  Thonscherben  von  dort  an  das  Museum.  — 

Die  ältere  Bronzezeit  wird  in  unserem  Gebiet  durch  Hügelgräber  verteten, 
welche  stellenweise  in  grösserer  Anzahl  beisammen  liegen.  So  fand  ich  im  Jahre 
1888  auf  der  Feldmark  des  Herm  Rittergutsbesitzers  Bandemer  in  Rlatschan, 
Rr.  Neustadt,  viele  grosse  Steinhügel,  deren  wiederholte  Untersuchung  aber  bislang 
als  unergiebig  sich  erwiesen  hat.  Hingegen  waren  die  auf  Rosten  der  anthropo- 
logischen Sektion  ausgeführten  Nachgrabungen  des  Herm  Gymnasiallehrers  Dr. 
Lakowitz  auf  dem  benachbarten  Terrain  der  Frau  Mühlenbesitzer  Richter  in 
Rlutschau  im  Sommer  d.  J.  von  mehr  Erfolg  gekrönt  (vergl.  Nachrichten  ld9() 
S.  Gl).  Herr  Raufmann  Strehlke  in  Mewe  übersandte  eine  unweit  der  Stadt  auf- 
gefundene Bronzenadel,  welche  wahrscheinlich  zu  einer  grossen  Agraffe  gehört,  ¥rie 
solche  z.  B.  in  den  letzten  Jahren  in  den  Rreisen  Ronitz  und  Schlochan  vor- 
gekommen sind.  — 

Die  Hallstätter  Zeit  wird  hauptsächlich  durch  die  über  unsere  ganze  Pro- 
vinz weit  verbreiteten  Steinkistengräber  repräsentirt  Nachdem  solche  bereits  froher 
unmittelbar  vor  den  Thoren  der  Stadt  Danzig,  z.  B.  in  der  Gegend  der  halben 
Allee  und  zu  Anfang  der  Vorstadt  Schidlitz,  nachgewiesen  waren,  hat  in  diesem 
Jahre   der   Museums -Präparator  Meyer   in   Wonneberg    eine  schon   beschädigte 


—    45    — 

Steinkiste  ausgegjaben.  Dieselbe  ergab  eine  Ausbeate  an  drei,  allerdings  defekten 
Gesichtsurnen  nebst  Deckeln,  welche  von  dem  Besitzer  Herrn  Seh  war tz  in 
Wonneberg  dem  Provinzial-Museum  unentgeltlich  überlassen  wurden.  Herr  Agent 
Lehre  hiersei bst  übergab  eine  Nadel  und  Rette  von  Bronze  aus  einer  in  Rl.  Rlesch- 
kau,  Rr.  Danziger  Höhe,  aufgefundenen  Urne,  sowie  mehrere  andere  Bronze- 
beigaben aus  Urnen  von  Rlempin  und  Gardschau  im  Rreise  Dirschau.  Femer 
stammt  aus  diesem  Rreise  eine  Rollektion  von  Thongefässen,  welche  das  Museum 
Herrn  Gutsverwalter  F.  J.  Kedlinger  in  Czerbienschin  bei  Sobbowitz  verdankt 
Dieselbe  besteht  aus  zwei  Gesichtsurnen  nebst  innerem  Deckel,  aus  zwei  anderen, 
terrinenfbrmigen  Urnen  mit  je  drei  öhsenartigen  Ansätzen  und  aus  zwei  Henkel- 
töpfen, deren  einer  einen  kleinen  ßronzering  enthält.  Diese  Thongefässe  bildeten 
den  Inhalt  einer  in  Rl.  Turse  ausgegrabenen  Steinkiste. 

In  dem  benachbarten  Rreise  Pr.  Stargard  hat  der  technische  Lehrer  am  Rönig- 
lichen  Gymnasium  zu  Marienwerder,  Herr  Rehberg,  auf  Rosten  der  anthropo- 
logischen Sektion  hierselbst  einige  Ausgrabungen  ausgeführt.  Im  Garten  des 
Schützenhauses  unweit  der  Stadt  Pr.  Stargard  sind  schon  früher  durch  Herrn 
Pollnow  Steinkisten  aufgedeckt  worden,  aus  welchen  einige  Umenscherben  dem 
Museum  zugingen.  Herr  Rehberg  fand  jetzt  zwei  gut  erhaltene  Risten  auf,  von 
welchen  eine  dreieckig  geformt  war;  der  Inhalt  derselben  ist  noch  im  Besitze 
des  Herrn  Pollnow  geblieben.  Mit  Unterstützung  des  Herrn  Oekonomierath 
Jakobs en  in  Spengawsken,  hat  Herr  Rehberg  auch  hier  Nachgrabungen  Tcr- 
anstaltet,  aber  neue  Gräber  nicht  angetroffen;  aus  früheren  gingen  7  Urnen, 
bezw.  Bruchstücke  derselben,  2  Deckel,  ein  Henkelgeiass  und  2  Schalen  dem  Pro- 
vinzial-Museum zu. 

Eine  besonders  interessante  Ausbeute  hat  der  Rreis  Bereut  eigeben.  Der 
Lehrer  und  Organist  Herr  Podlaszcwski  in  Wischin  hatte  in  diesem  Frühjahr 
eine  Steinkiste  aufgefunden,  welche  u.  A.  eine  kleine  schwarze  Urne  mit  zwei 
Ohren  enthielt,  durch  welche  mehrere  Bronzeringe  gezogen  sind,  die  einige  blaue 
Glas-  und  andere  Perlen  tragen;  ausserdem  hängt  an  dem  untersten  Ringe  jeder- 
seits  eine  Rauri,  Cypraea  moneta  L.  Dieselbe  Species  wurde  bereits  einmal  als 
Ohrschmuck  einer  Gesichtsume  in  Stangenwalde  und  ausserdem  im  Innern  einer 
anderen  Gesichtsame  bei  Praust  aufgefunden.  Diese  Schnecke  lebt  in  der  Gegen- 
wart von  Suez  an  durch  das  rothe  Meer,  an  der  ganzen  Ostküste  des  tropischen 
Afrika  bis  nach  Polynesien  und  an  die  tropische  Rüste  von  Australien.  Jenes  Vor- 
kommen in  Wischin  beweist  von  Neuem,  dass  bereits  in  der  Hallstätter  Zeit  aus- 
gedehnte Handelsbeziehungen  von  unserer  Rüste  nach  dem  fernen  Süden  be- 
standen haben. 

Aus  dem  Rreise  Carthaus  ging  eine  Ume  nebst  Deckel  von  Herrn  Ziesow 
in  Schönberg  ein.  Auch  im  Rreise  Putzig  sind  mehrere  Funde  gemacht  und  dem 
Provinzial-Museum  übersandt  worden.  Herr  Rreis -Schulinspektor  Dr.  Lipkau 
überwies  eine  Ume  von  dort,  Herr  Oberamtmann  Boseck  in  Rekau  eine  andere 
Ume.  Herrn  Landrath  Dr.  Albrecht  in  Putzig  verdankt  das  Provinzial-Museum 
eine  mit  Deckel  versehene  Ume,  welche  auf  4  kurzen  Beinen  steht,  aus  einer 
Steinkiste  in  2jdrada.   Dieses  Thongefäss  erinnert  an  eine  andere  grosse  Urne  mit 

3  Beinen,  welche  im  vorigen  Jahre  Herr  Oberamtmann  Boseck  aus  Rekau  freund- 
lichst übersandte;   ausserdem  ist  nur  noch  eine  kleinere,  wannen  förmige  Urne  mit 

4  kurzen  Beinen  aus  Rlutschau  im  Rreise  Neustadt  und  ein  kleiner,  schwärzlicher 
Napf  mit  3  Beinen  aus  Gogolewo,  Rreis  Marienwerder,  im  Provinzial-Museum  vor- 
handen. Herr  Administrator  von  Grabowski  in  Brück  hatte  zu  Anfang  dieses 
Jahres  auf  einer  Anhöhe,  etwa  500  m  südlich  vom  Gutshause,  am  Wege  nach  Rossa- 


—    46    — 

kau  eine  Steinkiste  geöffnet  und  2  Gesichtsurnen.  sowie  2  andere  Urnen  aus  der- 
selben aufbewahrt.  Im  Einyerständniss  mit  dem  Besitzer,  Herrn  Kaufmann  Wilh. 
Wirthschaft  hierselbst,  übergab  er  diese  Fände  dem  Provinzial-Maseam.  Elnd- 
lich  sandte  Herr  Büi^ermeister  Görek  in  Patzig  zwei  Bronzeringe  eines  Colliers 
und  eine  Glasperle,  die  1887  in  einer  Ristename  gefanden  waren,  hier  ein. 

Auch   im  Regierungsbezirk  Marienwerder   sind  mehrem  Funde  aus  der  HaU- 
stätter   Zeit   bekannt  geworden.    Herr  Rittergutsbesitzer  Rötteken  in  Vorwerk 
Altmark,  Kreis  Stuhm,  hat  wiederholt  Steinkisten  auf  seiner  Feldmarii  aufgefunden 
und  überwies  aus  denselben  zwei  Urnen,  einen  Henkeltopf  und  eine  flache  Schale 
an  das  Provinaal-Museum.    Herr  Amtssecretär  Lang  euer  in  Hintersee  bei  Stuhm 
hatte  in  diesem  Herbst  in  Ostrow  Brosze  am  Rande  der  Königlichen  Forst  mehrere 
Gräber  blosgelegt  und   einzelne  Urnen   denselben  entnommen;   mit  GenehmigiiDg 
des  Rittergutsbesitzers  Herrn  YonDonimirski  wurden  eine  terrinenförmige  üme, 
zwei  «Henkeigefasse  und  eine  Schale,  mit  concentrischem  Ornament  auf  dem  Boden, 
den  bieaigen  Sammlungen  einverleibt.   Herr  Rittergutsbesitzer  B.  Plehn  in  Lichten- 
tha)   bei  Gzerwinsk   fand  auf  seinem  Felde  in   einem  Hügel   eine  Urne,   welche 
leider  nicht  erhalten   werden   konnte;   im  Innern   lag  zwischen   den   gebrannten 
Knochen  auch  ein  Bruchstück   eines  Knochenkammes,   welcher  wenig  omameniirt 
ist    Weitere   Nachgrabungen    in    dem  gedachten   Hügel    ergaben    ein    negatiTes 
Resultat.    Herr  Emil  Meyer  in  Gulm,  welcher  auf  Kosten  des  ProTinzial-Museoms 
im  dortigen   Kreise   Ausgrabungen   reranstaltet   hat,   übersandte    eine   Urne    aus 
KoUenken   und  einen  Bronzering  mit  aufgereihten  Perlen  von  einer  anderen  Urne 
ebomdaher.    Herr  Rittergutsbesitzer   Gertz   in   Adl.   Klein   Schönbrück   schenkte 
eine  grössere  und  eine  kleinere  Urne  aus  Wymislewo,  Kreis  Thom.    £n  Gostaczyo, 
Kreis  Tuchel,   hat  Herr  cand.  phil.  R.  Niestroi  mehrere  Steinkisten  ausgograben 
und  den   Inhalt   dem  Provinzial-Museum  übermittelt;   letzterer  besteht,   soweit  er 
konservirt   werden  konnte,   aus  12  verschiedenen  Urnen,  bezw.  Theilen  derselben. 
Herrn    Lehrer  Flögel-Marienbui^,  Westpreussen,  verdankt  das  Museum  einen  zu 
einem  Ringhalskragen  gehörigen   Bronzering   aus  Schlagenthin   im   Kreise  Konitz. 
Herr  Lehrer  Flörke  in  Petze  wo,  Kreis  Flatow,  sandte  zwei  Henkeigefasse  aas  einer 
Steinkiste  daselbst  und  Herr  Dr.  Krebs   in  Vandsburg   eine  Urne   ans   der  Um- 
gegend von  Vandsburg.  Gonwenti. 

Neolithische  Fundstelle  von  Mildenberg,  Kreis  Templin, 

Provinz  Brandenburg. 

Etwa  in  der  Mitte  zwischen  den  Dörfern  Burgwall  und  Mildenberg,  zur  Feld- 
mark des  letzteren  gehörig,  erhebt  sich  dicht  am  westlichen  Ufer  der  Havel  oder 
eigentlich  an  einem,  etwa  150  Schritt  breiten,  thcils  sandigen,  theils  sumpfigen 
Verlande  desselben  eine  Reihe  von  kahlen  niedrigen  Sandhügeln,  die  sogenannten 
Dachsberge.  Hr.  Amtsvorsteher  Guthke  von  Burgwall  hat  im  Laufe  der  Jahre 
bereits  eine  grosse  Menge  der  verschiedensten  Gegenstände  dort  gefunden:  haupt- 
sächlich Steingeräthe,  wie  Beile,  Hämmer,  Dolche,  Messer,  Komquetscher  u.  s.  w^ 
jedoch  auch  Bernsteinstücke  und  Thonscherben.  Die  Funde  sind  theilweise  in 
das  Märkische  Museum,  zum  grössten  Theil  aber  in  Privatbesitz  gekommen  und 
dann  verloren  gegangen. 

Auch  ich  fand,  als  ich  zweimal,  zuerst  im  Jahre  1888  bei  meiner  Wanderung 
durch  den  nördlichen  Theil  der  Mark,  und  1890,  gelegentlich  einer  dienstlichen 
Reise,  mit  Hrn.  H.  Sökeland  in  diese  Qegend  kam,  eine  grosse  Menge  der  ver- 
schiedensten Artefacte,   die  fast  alle  der  neolithischen   Periode   angehören.    Der 


—    47    - 

ganze  Erdboden  war  bachstublich  besät  mit  bearbeiteten  and  unbearbeiteten 
Fenersteinen,  nnd,  wenn  man  in  den  schneeweissen  Sand  eingmb,  Tand  man  noch 
flberall  kleine  FcnersteinD,  Kohlenreste,  Thonscherben  nnd  andere  Uebcrreste  mensch- 
lieber  Kultur.  Ich  glaube  allerdings  kaum,  dasa  ausser  den  dauerhaflen  Stcin- 
geräthen  auch  nur  eine  erhaltene  Grabanlage  oder  ein  ganzes  Thongefäss  aur  der 
ganzen  Localitüt  zu  finden  sein  dtlrfte,  da  der  weisse  Sand  eine  leichte  Beute  des 
Windes  wird,  and  in  Folge  dessen  im  Laufe  der  Jahrhunderte  grosse  Niveau- Ver- 
änderungen stattgefunden  haben. 

Bei  unseren  damaligen  Besuchen  fanden  wir  ein,  besonders  an  der  Schneide 
gnt  polirtes  Beil  aus  grauem  Feuerstein,  10,2  cm  lang,  4,6  cm  an  der  Schneide  und 
3,2  em  am  Bahnende  breit,  mit  ungerähr  rechteckigem  Queraebnitt  (Flg.  1);  das 
Bruchstück  eines  polirtcn  Beiles,  drei  etwas  roh  behaucnc  kleine  Beile  aas  Feaer^ 
stein  ohne  Politar,  ein  Beil  aus  granitartigem,  glimm  erhaltigem  Gestein  (Pig.  2), 
BruehstUckc  eines  durchbohrten  Hammers  aus  Granit,  sechs  Bohrer  von  Feuerstein, 


Fig.  3. 

theilweise  von  recht  guter,  sauberer  Arbeit  (Fig.  3),  zwei  ausserordentlich  exact 
und  r^elmässig  gearbeitete  Pfeilspitzen  (Fig.  4),  kleine  beilchenartige  Genithe  mit 
sehr  scharf  mgescfalagener   Schneide  {Fig.  5),   —    wie   wir  ähnliche   Stücke   aus 


Fig.  (■-. 


—     48     — 

den  neolithiachen  Stationen  von  Rhinow,  Kreis  VeBt^Havellaad,  nnd  TongermUnde 
besitzen;  ferner  eine  Anzahl  zum  Theil  sehr  grosser  Nuclci  und  endlich  eine 
ausserordentlich  grosse  Heogc  ron  Messern  aas  Feuerstein  (Fig.  6.)  Die  letzteren 
hätte  ich,  wenn  ich  alle  BrachstUcke  and  kleinen  unbedeutenden  Exemplare 
hätte  mitnehmen  wollen,   zu  Tausenden  sammeln  können. 

Die  Thonsch erben,  die  in  grosser  Anzahl,  aber  sehr  verwittert  nnd  zerbröckolt 
herumlagen,  zeigten  meist  gar  kein  Ornament,  so  dass  sie  chronologisch  nicht 
zu  bestimmen  waren;  nm*  fand  ich  nach  langem  Sachen  einige  von  unverkennbar 
neolithischem  Typus.  Der  grössere  der  beiden  abgebildeten  (Fig.  7)  zeigt  das 
bekannte  Schnwomument,  aber,  wenn  man  das  Stack  gennu  betrachtet,  erkennt 
man  deutlich  an  den  on  sehr  tiefen  und  nicht  ganz  regelmässigen  EUndrUcken, 
doss  es  kein  eigentliches,  rcmiittelst  eines  auEgel^en  Bastfadens  hergestelltes, 
sondern  ein  sogenanntes  imitirtes  Schnuromamont  ist,  das  der  alte  Tdpfer  wahr- 
scheinlich mit  einem  Stichel  hervorgebracht  hui 


Fi«.  8. 

Als  zufälligen  Einzcllbnd  aus  dieser  Localitut  erwähne  ich  das  Bmchstfich 
eines  bronzenen  Halsringes  mit  imitirter  Torsion,  etwa  dem  Ausgang  der  Hall- 
stättcr  Zeit  angehörig  oder  vielleicht  noch  etwas  später  (Fig.  8). 

An  mehreren  Stellen  dieser  grossen,  wohl  an  10  Morgen  umfassenden  Localität, 
besonders  in  der  südlichen  Hälfte  sehr  häuQg,  traten  kleine,  etwa  drei  Fuss  im 
Durchmesser  haltende,  mit  schwarzer  Aschoncrde  darchsolztc  Steinhaufen  zu  Tigc, 
die  ich  Anfangs  für  Grabstcllen  hielt.  Ich  nahm  eine  ganze  Reihe  dcraelben  ans 
einander,  fand  jedoch,  abgesehen  von  einzelnen  kleinen  Feuersteinspähnen,  nichts 
darunter,  so  dass  ich  sie  fQr  alte  Hcerdstellcn  hallen  möchte.  0(1  lagen  dieselben 
nur  4-5  Schritt  aus  einander;  einzelne  waren  unr^^lmässig  fast  Ober  die  ganze 
Hügelfläcbe  zerstreut.  Eine  vollkommen  erhaltene,  unverkennbare  Grabstelle  habe 
ich  leider  trotz  vielen  Suchen»  nicht  aufünden  können,  so  dass  ich  nicht  entscheiden 
möchte,  ob  die  nach  Hunderten  zählenden  Feucrstcinsachcn  u.  s.  w.  von  einem 
alten  Gräberfelde,  einer  Feuerstein- Werkstätte  oder  einem  AnsiedeInngspUtzc  her- 
rühren. Auf  jeden  Fall  haben  wir  hier  eine  der  reichsten  und  zugleich  an»- 
gedehntCBten  Kulturstätten,   die   wir  bisher  in  der  Mark  aus  der  Steinzeit  kennen. 

M.  Weigel. 


AliK<i<!bliMS«0  UD  L  Juli  189L 


Ergänznngsblätter  znr  Zeitschrift  fttr  Ethaologie. 

Nachrichten  ober  deutsche  Alterthnmsfun^. 

Mit  Unterstützung  des  Königlich  Preuss.  Ministeriums 
der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medicinal  -  Angelegenheiten 

herausgegeben  von  der 

Berliner  Gesellschaft  f&r  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte 

unter  Redaction  von 

R.  Virchow  und  A.  Voss. 


Kwetier  Jahrg.  1891.  ,  Verlag  von  A.  A8HEB  &  Co.  in  Berlin.  ,  Heft  i* 


Rheinische  Funde. 

I.  Aus  dem  Berieht  der  Yerwaltnng  des  ProYincial-]|aseums 

zu  Bonn  1890—91. 

Das  Hauptinteresse  nahmen  auch  im  vergangenen  Jahre  die  Ausgrabungen  im 
Römerlager  zu  Qrimlinghausen  bei  Neuss  ein,  welche  Dank  der  reichlichen 
Bewilligung  der  Commission  und  des  ausserordentlichen  Zuschusses  seitens  des 
Provincialausschusses  mit  vielem  Eirfolge  fortgesetzt  werden  konnten.  Den  Kern 
des  Aufgedeckten  bildet  ein  von  vier  Strassen  begrenztes  kolossales  Gebäude,  in 
welchem  nach  seiner  Lage  in  der  Mitte  des  ganzen  Lagers  wohl  das  Praetorium 
zu  erkennen  sein  wird.  Es  bildet  ein  vollständiges  Viereck,  dessen  Mitte  ein 
grosser  freier  Raum  von  32  m  Länge  und  40  m  Breite  einnimmt.  Ein  denselben 
umgebender  Gang  vermittelt  die  Verbindung  mit  den  ringsherum  liegenden  Flügeln 
des  Gebäudes,  in  denen  eine  beträchtliche  Menge  grösserer  und  kleinerer  Ge- 
mächer sich  befinden.  Hinter  dem  freien  Räume  liegt  ein  zweiter  Hof  von  45  m 
Länge  und  1 2  m  Tiefe,  dessen  eine  Langseite,  wie  die  vorhandenen  Unterlagen 
ergeben  haben,  durch  eine  Säulenstellung  begrenzt  wird.  Die  in  gleicher  Axe  mit 
dem  in  der  Mitte  der  nach  Norden  gerichteten  Hauptfronte  des  Gebäudes  befind- 
lichen Hanptthore  liegenden  Eingänge  zu  den  genannten  beiden  Höfen  müssen 
einen  grossartigen  Durchblick  in  das  Innere  der  ganzen  Anlage  gewährt  haben. 

Westlich  hiervon,  durch  eine  Strasse  getrennt,  wurden  ebenfalls  zwei  grössere 
Baulichkeiten  aufgedeckt,  von  denen  der  Plan  der  ersteren,  wegen  der  starken 
Zerstörung  des  Mauerwerks  nicht  in  seinen  Einzelheiten  aufgehellt  werden  konnte. 
In  derselben  war  ein  das  Gebäude  von  Osten  nach  Westen  durchschneidender 
Kanal  aus  Tuffsteinblöcken  Gegenstand  eifriger  Nachforschung,  welcher,  nachdem 
er  einen  kleineren  Kanal  aufgenommen  hat,  in  den  grossen,  unter  der  obengenannten 
Strasse  liegenden  Abzugskanal  mündet 

Einen  mehr  belHedigenden  Aufschluss  gaben  die  Grabungen  über  das  zweite 
daran  anstossende  massive,  mit  mehreren  parallelen  Mauern  durchzogene,  rechteckige 
Gebäude,  in  dessen  nordwestlicher  Ecke  ein  besonderer  Raum  abgetheilt  ist  und  das 
an  drei  Seiten  eine  Reihe  kleinerer  Zimmer  umgeben,  während  vor  der  nördlichen 
Seite  ein  grosser  Säulenhof  liegt    Für  die  reiche  architektonische  Ausstattung  des 

4 


—    50    — 

ersten  und  dritten  Gebäudes  sprechen  die  gerade  hier  gefundenen  vielen  Trümmer 
von  Säulen,  Capitälen,  Simsstücken,  Consolen  und  der  Kopf  einer  Figur.  Nicht 
ohne  Bedeutung  ist  auch  das  Fragment  eines,  den  Muttergottheiten  gewidmeten 
Iq Schriftsteines,  welches  innerhalb  der  Mauern  des  ersten  debäudes  angetrolTea 
wurde. 

Nördlich  von  diesen  grossen  baulichen  Anlagen  wurde  ausser  den,  diesen 
Theil  des  Lagers  durchschneidenden  Strassen,  das  Vorhandensein  mehrerer,  nicht 
minder  umfangreicher,  von  Kanälen  durchzogener  und  mit  hübschen  Estrichböden 
ausgestatteter  Gebäudecomplexe  festgestellt.  Ausser  den  schon  oben  angeführten 
Architekturfragmenten  kamen  zahlreiche  Münzen,  Fibeln,  Schnallen,  Nadeln,  Be- 
schlagstücke, Hänge  Verzierungen,  Henkel  von  Getiissen,  verzierte  Griffe  von  Ge- 
räthen  von  Bronze,  Waffen  und  Werkzeuge  aus  Eisen,  Stimziegel  und  dergleichen 
zum  Vorschein.  Darunter  befinden  sich  einige  interessante  Stücke,  wie  ein  Griff 
einer  Pfanne  von  Thon  mit  figürlicher  Darstellung  (6870),  eine  Geräth Verzierung 
in  Gestalt  eines  Knabenkopfes  aus  Bronze  (7573),  ein  Fragment  eines  Beckens 
mit  dem. Namen  eines  durch  gallische  Gefässe  bekannten  Fabrikanten  (7020),  eine 
leider  stark  von  Oxyd  angefressene  Bronzestatuette  (7552),  ein  in  einen  Pferde- 
kopf endigender  Messergriff  (7132)  und  eine  eiserne  Lanzenspitze  mit  Goldtau- 
schirung.  — 

In  Bonn  wurden  bei  Gelegenheit  der,  von  der  Stadt  Bonn  för  den  Neubau 
einer  Elementarschule  an  der  Theaterstrasse  ausgeführten  Fundamentirungsarbeiten, 
üeberreste  römischer  Bauwerke  blosgelegt,  welche  das  Museum,  weil  sie  fttr 
die  Topographie  des  alten,  ausserhalb  des  Lagers  liegenden  Bonn  von  Interesse 
sind,  durch  den  leitenden  Baubeamten  aufnehmen  Hess.  Die  dabei  gefundenen 
Gegenstände  (7294 — 7297)  wurden  von  der  Stadt  dem  Museum  überwiesen.  Andere 
römische  Gebäude  konnten  bei  den  Erdarbeiten  für  das  neue  Erzbischöfliche  Con- 
vikt  an  der  Coblenzerstrasse  festgestellt  werden.  Auch  die  hierbei  geraachU*n 
Funde  (6811 — 6820.  6958 — 6960)  wurden  dem  Museum  von  dem  Herrn  Erzbischof 
Philippus  von  Cöln  geschenkt.  Neubauten  auf  dem  Viehmarkte  führten  zur 
Aufdeckung  römischer  Gräber,  deren  Inhalt  (7517 — 7531)  ebenfalls  durch  Schenkung 
in  die  Sammlung  gelangte.  Ebenso  fordeiiien  Canalisation^arbeiten  in  der  Friedhch- 
strasse  mehrere,  ihres  Inhalts  schon  früher  beraubte  Steinsäi^  aus  Tuffstein  zu 
Tage,  wodurch  das  in  Folge  früherer  Funde  vermnthete  Vorhandensein  eines 
Gräberfeldes  daselbst  aufs  Neue  eine  Bestätigung  erhielt.  — 

Aus  dem  sonstigen  Zuwachs  der  Sammlung  sind  hervorzuheben:  ein  in  der 
Erft  gefundenes,  durch  seine  Grösse  bis  jetzt  unübertroffenes  Steinbeil  aus 
Jadeit  (7402),  femer  von  Bronze  ein  dreibeiniger  Kessel  aus  dem  Rheinbett  bei 
Oberwinter  (6837),  ein  Hängegewicht  mit  Doppelkette  (7129),  ein  eigenthümlicher, 
wahrscheinlich  zum  Pferdegeschirr  gehörender  Uängeschmuck  (6961),  eine  ver^ 
zierte  Gürtelschnalle  aus  Mayen  (7589),  ein  Fingerring  und  eine  Spatel  mit  In- 
schrift (7283,  7291),  mehrere  gut  erhaltene  Fibebi  (7582—7587),  von  Silber  ein 
Armreif  (6984),  von  Glas  mehrere  kleine  Flacons,  darunter  eines  von  blauem 
Glase  (6976 — 6978.  6833),  und  eine  Kuppe  mit  zwei  Reihen  runder  Einbauchangen 
im  Mantel  (7279),  von  Thon  ein  Trinkbecher  mit  Schuppenverziemngen  ft^^^ 
eine  Henkelkanne  von  Terra  sigillata  mit  hübschen  aufgemalten  Ranken  and 
Blätteromamenten  (7281),  ein  Anteüxum  mit  der  Darstellung  eines  Pfauen  (75JS4»), 
mehrere  Fragmente  römischer  Inschriften  (7415.  7515\  zwei  Renaissancepostamente 
mit  figürlichen  Darstellungen  (7577.  7578)  und  ein  silberner  Fingerring  von  durch- 
brochener Arbeit  (6823). 


—      Ol- 
li.  Aus  dem  Bericht  der  Terwaltang  des  Proyincial-Musenins  zu 

Trier  1890-91. 

Das  Dorf  Ehrang  bei  Trier  lieferte  im  vergangenen  Jahre  weitaus  die 
grösste  Anzahl  yon  Pondstticken.  Es  wurde  daselbst  seitens  des  Museums  unter 
örtlicher  Leitung  des  Bautechnikers  Ebertz  während  des  Juli  in  dem  nach  Quint 
gelegenen  Theile  des  Ortes  nach  römischen  Steinsculpturen  gegraben  und  vom 
7.  October  bis  29.  November  1890  und  vom  4. — 20.  März  1891  neben  der  nach 
Quint  führenden  Zweigbahn  im  Distrikt  Karcher  ein  römisches  und  merovingisches 
Gräberfeld  untersucht.  —  Die  Sculpturen  bestehen  aus  einem  sehr  gut  gearbeiteten 
Viergötteraltar  mit  Reliefbildern  von  Ceres,  Mercur,  Hercules  und  Minerva  und 
aus  zwei  Exemplaren  der  mehrfach  vorkommenden  Gruppe  eines  Reiters,  unter 
dessen  Pferd  ein  Gigant  liegt.  Eine  der  neu  gefundenen  Gruppen  ist  wissen- 
schaftlich von  grosser  Bedeutung,  weil  sie  den  Reiter  in  einem  Typus  zeigt, 
welcher  von  allen  bislang  bekannten  Darstellungen  erheblich  abweicht  und  die 
Auffassung,  dass  ein  unter  dem  Namen  Juppiter  verehrter  germanischer,  Gott  dar- 
gestellt sei,  erheblich  unterstützt.  Eine  Beschreibung  dieser  Funde  wurde  im 
"Westdeutschen  Correspondenzblatt  1891  Nr.  22  gegeben.  —  Das  Gräberfeld  ergab 
30  römische  Skeletgräber  des  3.  und  4.  Jahrhunderts  und  in  ei^^er  darüber  liegen- 
den Schicht  91  Gräber  der  merovingischen  Zeit  Die  römischen.  Gräber  enthielten 
ausser  zahlreichen  Thongefässen  einige  schöne  Glasgefässe,  aus  denen  ein  25  cm 
hoher,  mit  Glasfäden  netzförmig  umsponnener  Becher  und  eine  flache  Schale  von 
35  cm  Durchmesser  hervorzuheben  sind.  Die  merovingischen  Gräber  enthielten  eine 
grosse  Anzahl  von  WalTen,  silber-tauschirte  eiserne  Schnallen,  bronzene  Schnallen, 
einige  Rundftbeln,  einige  Thon-  und  Glasgefässe  und  eine  merkwürdig  verzierte 
Grabplatte;  es  sind  diese  merovingischen  Funde  für  die  Sammlung  von  um  so 
grösseren  Werthe,  je  spärlicher  derartige  bis  jetzt  in  derselben  vertreten  waren.  Am 
nordöstlichen  Ende  des  Gräberfeldes  wurde  eine  römische  unterirdische  Grab- 
kammer von  5,73  m  lichter  Länge  und  4,10  m  lichter  Breite  entdeckt;  die  Wände, 
welche  noch  in  einer  Höhe  von  2,60  m  erhalten  waren,  sind  verschiedenfarbig 
angestrichen  und  durch  die  Bemalung  in  einen  Sockel,  ein  mittleres  und  ein  oberes 
Feld,  und  diese  wiederum  in  einzelne  Rechtecke  und  Kreise  getheilt.  Die  Be- 
malung beabsichtigte  offenbar  eine  Nachahmung  von  Marmortäfelung,  sie  war 
flüchtig  hergestellt,  aber  doch  stellenweise  noch  gut  erhalten,  so  dass  ihr  ehe- 
maliger Zustand  in  einer  sorgfältig  hergestellten  Zeichnung  zur  Anschauung  gebracht 
werden  konnte.  In  der  Mitte  der  Nordwestwand  befand  sich  eine  zur  Aufstellung 
einer  Statue  bestimmte  Nische.  Die  Decke  der  Grabkaramer  bestand  in  dem  der 
Nische  zunächst  gelegenen,  0,78  m  langen  Theile  aus  einem  Gewölbe,  während  der 
übrige  Theil  flach,  vermuthlich  mittelst  Balken  abgedeckt  war.  In  keiner  der  vier 
vollständig  erhaltenen  Wände  war  ein  Eingang  vorhanden,  der  Zutritt  kann  deshalb 
nur  durch  eine  Oeffnung  in  der  Decke  mittelst  einer  Leiter  bewirkt  worden  sein. 
Die  Breite  der  Umfassungsmauern,  welche  zwischen  0,7() — 0,95  m  schwankt,  führt 
auf  einen  stattlichen,  vermuthlich  tempelartigen  Aufbau.  Dass  in  dem  Gebäude 
eine  Grabkammer  zu  erkennen  ist,  ergiebt  sich  aus  der  unterirdischen  Lage  und 
der  mit  einem  Keller  nicht  zu  vereinigenden  Decoration,  wie  andererseits  aus  dem 
angrenzenden  Gräl)erfeld.  Der  Fund  ist  um  so  werthvoUer,  als  derartige  unter- 
irdische Grabkammem  in  unseren  Gegenden  bis  jetzt  nur  in  Weiden  bei  Köln 
und  Schweich  bei  Trier  nachgewiesen  sind.  Nordwestlich  von  der  Grabkammer, 
unmittelbar  an  dieselbe  anschliessend,  liegt  eine  ringförmige  Fundamentirung  aus 
grossen  rothen  Sandsteinquadern  von  19,25  m  äusserem  Durchmesser,  nur  an  einer 

4» 


—    52    — 

Stelle  war  eine  zweite  obere  Lage  aus  demselben  Material,  aber  Ton  soi^gfaltigerer 
Bearbeitung  erhalten.  Als  Fundament  für  ein  aufgehendes  Manerweiiw  wttrdi' 
man  sich  schwerlich  der  Quadern  bedient  haben,  ebenso  wenig  aber  für  eine  Um- 
zäunung ohne  Aufbau;  es  scheint  deshalb  am  wahrscheinlichsten,  dass  eine  Säulen- 
Stellung  mit  darüber  gelegtem  Architrav  über  den  Quadern  anzunehmen  ist;  ein 
aufgefundenes  Fragment  einer  Säule  von  ungefähr  40  cm  Durchmesser  könnte  von 
dieser  Säulenstellung  herrühren.  Trotz  mehrerer  im  Innern  des  Quaderringes  ge- 
zogener Gräben  wurde  keine  Spur  von  Mauerwerk,  kein  ESstrichboden,  kein  Grab 
gefunden;  es  scheint  deshalb  dieser  Platz  als  Ruheplatz  für  die  Trauernden  und 
als  Platz  für  die  Leichen  schmause  gedient  zu  haben  und  in  dem  Triclinium  funebre 
des  Cn.  Yibrius  Suturninus  in  Pompei  ein  entferntes  Analogon  zu  finden. 


Schanzen  in  der  Provinz  Posen. 

1.   Die  Schwedenschanze  bei  Baranowo  A^  Kr.  Strelno. 

Auf  dem  Gelände  des  Gutes  Baranowo  A,  Kreis  Strelno,  befand  sich  bis  ror 
Kurzem  eine  alte  Schanze,  welche  leider  jetzt  der  fortschreitenden  Bodenkultur 
zum  Opfer  gefallen  ist,  deren  aber,  wenn  sie  auch  auf  der  Generalstabskarte  ver- 
merkt ist,  in  der  bisherigen  Literatur  bei  Seh  war  tz  (Materialien  zur  Prähistorischen 
Kartographie  der  Provinz  Posen.  Hauptheft  und  4  Nachträge,  Posen  1875 — «s^, 
über  die  Schwedenschanzen  besonders  Nachtrag II),  bei  Lissauer  (Die  prähistorischen 
Denkmäler  der  Provinz  Westpreussen  und  der  angrenzenden  Gebiete.  Leipzig  l^(^7), 
sowie  bei  Behla  (Die  vorgeschichtlichen  Rundwälle  im  östlichen  Deutschland. 
Berlin  1888)  in  keiner  Weise  unter  den  bekannten  Kingwällen  und  sogenannten 
Schwedenschanzen  Erwähnung  geschehen  ist.  Um  so  dankenswerther  ist  es,  dass 
die  Historische  Gesellschaft  für  die  Provinz  Posen  durch  zwei  ausführliche  und 
sachgeroässe  Berichte  des  Besitzers  des  betr.  Grundes  und  Bodens,  des  Herrn 
Landschafksraths  Stubenrauch  auf  Leng  bei  Lostau,  in  die  Lage  versetzt  worden 
ist,  das  auf  dieses  interessante  alte  Bauwerk  bezügliche  Material  für  die  Wissen- 
schaft aufzubewahren.  Wir  entnehmen  diesen  beiden  uns  vorliegenden  Berichten 
vom  26.  Mai  und  8.  September  v.  J.  folgendes: 

Die  sogenannte  Schwedenschanze  von  Baranowo  lag  auf  einer  natürlichen 
Bodenanschwellung  in  der  Wiesenfläche,  die  den  Goplosee  von  Westen  nmgiebt 
480  m  östlich  von  der  zugehörigen  Ortschaft  Baranowo  und  etwa  600  m  vom 
Goplosee  selbst  entfernt.  Eine  alte  Gutskarte  vom  Jahre  1822  zeigt  noch  zwischen 
der  Schanze  und  dem  Goplosee  einen  anderen  kleinen  See,  welcher  jetzt  ver- 
schwunden ist,  noch  früher  aber  bis  an  den  Puss  des  Walles  gereicht  haben  wird. 
Ueberhaupt  dürfte  die  Schanze  wohl  in  früheren  Jahrhunderten  in  Folge  der  um- 
liegenden Seen  und  Sümpfe  sich  in  einem  ausserordentlich  schwer  zugänglichen 
Gelände  befunden  haben.  Die  ganze  Anlage  nun  bildete  einen  einfachen  W^all  in 
Form  eines  Quadrats  mit  abgestumpften  Ecken.  Die  Höhe  des  nach  innen  und 
aussen  sich  gleichmässig  abdachenden  Walles  betrug  etwa  10  Foss  bei  etwa  20  Fass 
Sohlenbreite,  der  Durchmesser  von  der  Mitte  der  einen  Seite  zur  Mitte  der  anderen 
innen  im  Kessel  128  Fuss,  so  dass  die  gesammte  Schwedenschanze  also  eine 
Fläche  von  annähernd  200  Quadratruthen  einnahm.  Der  Innenraum  lag  unerheblich 
höher   als   die   äussere  Umgebung,  an  der  Nordseite  war  ein  Eingang.     Bei  einer 


—    53    — 

oberflächlichen  ersten  Untersuchung  stellte  sich  heraus,  dass  der  Wall  fast  ganz 
aus  Asche  bestand,  also  aus  einem  dem  Landwirth  ausserordentlich  willkommenen 
Düngemittel,  welches  für  die  Kultur  der  umliegenden  Wiesen  wie  geschaffen  schien. 
Bei  der  infolgedessen  vorgenommenen  Abtragung  der  Schanze  ergab  sich  nun,  dass 
den  Kern  des  Walles  eine  etwa  3  Fuss  hohe  Aufschüttung  des  natürlichen  Bodens 
bildete.  Über  diesen  war  die  Asche  von  unten  her  aufgeworfen  worden.  Man 
konnte  bei  einem  Querschnitte  dies  ganz  deutlich  verfolgen,  die  schwereren  Theile 
waren  unten  geblieben,  die  leichteren  nach  oben  gekommen.  Zum  Brennen  schien 
nur  Eiichenholz  verwendet  worden  zu  sein,  nach  den  reichlichen  Kohlenresten  zu 
schliessen.  Von  einem  Pfahlrost  oder  einer  sich  etwa  an  den  Wall  anschliessenden 
Brückenanlage  waren  keine  Spuren  zu  entdecken.  Der  Innenraum  (Kessel)  zeigte 
keine  besonderen  Vertiefungen;  bei  der  nachherigen  Bestellung  fanden  sich  in 
demselben  viele  durch  Feuer  gezeichnete  Feldsteine,  die  wohl  den  Eindruck 
machten,  als  wären  sie  zu  einem  grossen  Heerde  oder  Feuerplatz  zusammengelegt 
gewesen.  Das  Elrgebniss  der  Nachforschungen  nach  Gebrauchsgegenständen  irgend 
welcher  Art  und  nach  menschlichen,  bezw.  thierischen  Ueberresten  war  trotz  sorg- 
fältigen Suchens  nur  gering,  einige  Gefässreste  und  Scherben,  ein  Paar  nicht  be- 
sonders kunstvolle  Steingeräthe  und  eine  auch  nicht  allzogrosse  Anzahl  von  Knochen 
war  alles,  was  sich  vorfand;  von  Metall  u.  s.  w.  keine  Spur.  Von  den  Knochen, 
in  welchen  übrigens,  wie  der  Hr.  Besitzer  in  seinen  Berichten  ausdrücklich  betont, 
merkwürdiger  Weise  fast  ausschliesslich  eine  ganz  bestimmte  Species,  nehmlich  der 
hintere  Theil  des  menschlichen  Kinnbackens  mit  den  letzten  Backen- 
zähnen ^  vertreten  war,  ist  leider  kein  Stück  für  eine  etwaige  nochmalige  genaue 
Untersuchung  aufbewahrt  worden.  Dagegen  sind  zwei  kleine  Steingeräthe  und  zwei  der 
gefundenen  Gefässreste  in  den  Besitz  der  Historischen  Gesellschaft  übergegangen. 
Während  nun  die  ersteren  beiden,  ein  halber,  hellgrauer  Steinhammer  (Schneide- 
seite) von  massiger  Arbeit  und  ein  Stück  eines  kleinen  Mahlsteines  (?),  wenig  zur 
besonderen  Bestimmung  bieten,  zeigen  die  beiden  Thonsachen,  —  ein  kleines, 
ziemlich  rohes,  in  der  Form  etwa  einem  henkellosen,  etwas  bauchigen  Tassenkopf 
gleichendes  Gefäss  und  eine  grössere  Scherbe  von  einem  im  Verhältniss  ziemlich 
eleganten,  gut  verzierten  mittelgrossen  Gefäss,  —  im  Bruche  des  Thons,  Stärke 
des  Brandes,  das  letztere  Stück  auch  in  der  Verzierung,  unverkennbar  den  Charakter 
des  sogenannten  slavischen  oder  Burgwall-Typus. 

Hr.  Stubenrauch  schreibt:  „Ich  wiD  hierbei  noch  bemerken,  dass  in  der  oberen 
Netze  sich  überhaupt  keine  Spuren  von  einem  Pfahlbau  vorgefunden  haben.  Ich 
sitze  seit  1 H60  in  dem  Vorstande  der  Meliorationsgenossenschaft  der  oberen  Netze. 
Ich  habe  selbst  darauf  geachtet  und  auch  die  betreffenden  Beamten  gebeten,  es 
mir  mitzutheilen,  wenn  sich  etwas  fände.  Der  Goplo  ist  während  dieser  Zeit  über 
2  m  gesenkt,  es  hat  sich  aber  nichts  gezeigt  Nur  auf  einer  Insel  bei  Jankowo 
bei  Pakosch,  von  der*  ja  auch  Funde  eingeschickt  sind,  scheint  etwas  pfahlbau- 
artiges gewesen  zu  sein^.  Franz  Schwartz. 


2.  Die  Schwedenschanze  bei  Lnbin^  Er.  Tremessen. 

Am  10.  Juni  1890   wurde   eine   Untersuchung   der  Schanze   durch    den    Hm. 
Baurath  Heinrich  aus  Mogilno  und  den  Unterzeichneten  vorgenommen. 

Die  Schanze   besteht  aus   einem  noch  wohlerhaltenen,   an  der  Aussenseite  6 


1)   Hier  handelt  es  sich  wohl  am  eine  Verwecbselmig  mit  Schweinekiefem. 

R.  Virchow» 


—    54    — 

bis  7  m  hohen,  einen  verhältnissraässig  engen  Platz  auf  der  linken  und  der  Stirn- 
seite hakenförmig  einschliessenden  Wall,  während  die  rechte  Seite  nur  dareh  den 
Abhang  einer  zu  dem  Popielowo'er  See,  welcher  die  Ktlckseite  der  Schanze  be- 
grenzt, hinabführenden  Schlucht  gedeckt  wird.  Zwischen  dem  nordöstlichen  Ende 
des  Walles  und  dieser  Schlucht  befindet  sich  die  Einfahrt,  während  das  andere 
Ende  des  Walles  bis  zu  dem  früheren  Seeufer  hinunter  führt.  Der  Abfall  der 
Schanze  nach  dem  See  wird  dadurch  unterbrochen,  dass  in  der  Mitte  der  Rück- 
seite eine  fast  ein  Drittel  derselben  einnehmende,  leicht  abfallende  Ausschachtung, 
bezw.  Anschüttung,  die  Verbindung  mit  dem  früheren  Wasserspiegel  herstellt. 
Soweit  sich  der  Wall  erstreckt,  ist  derselbe  mit  einer  Vertiefung  umzogen,  welche 
früher  einen  Graben  gebildet  haben  mag,  aber  auch  durch  die  blosse  Fortnahme 
des  zum  Aufwerfen  des  Walles  erforderlichen  Erdreichs  entstanden  sein  kann. 
Irgendwelche  Spuren  von  Holz-  oder  Mauerwerk  oder  sonstigen  Vertheidigungs- 
mitteln  sind  an  der  Schanze  nicht  wahrzunehmen. 

Die  Nachgrabungen  wurden  in  der  Weise  vorgenommen,  dass  sowohl  in  der 
inneren  Wallecke,  wo  bereits  früher  Probe  gegraben  war,  wie  an  verschiedenen 
anderen  Stellen  des  inneren  Raumes,  etwa  1  m  breite,  bis  auf  den  natürlichen 
Boden  hinanterreichende  Gräben  von  verschiedener  Länge  ausgehoben  wurden. 

Der  innere  Raum  der  Schanze  neigt  sich,  wie  vorerwähnt,  mehr  oder  weniger 
nach  dem  See  hinab  und  ist  allenthalben  mit  einer  zähen  Rasendecke,  sowie  mit 
einzelnem  Gesträuch  bekleidet.  Die  Oberschicht  des  Erdreichs  besteht  bis  zu 
einer  Tiefe  von  Vs  bis  ^/^  m  durchweg  aus  einem  ziemlich  gleichmässigen,  oben  durch 
feine  gleichmässige  Mischung  die  Spuren  einer  Durcharbeitung  verrathenden,  grauen 
Boden.  Unter  dieser  Oberschicht  zeigt  sich  an  den  meisten  Stellen  sogleich  der 
aus  Lehm  und  Sandadem  bestehende  natürliche  Boden.  Es  finden  sich  jedoch 
auch  unter  der  halbmeterdicken  Oberschicht,  oberhalb  des  natürlichen  Bodens  oder 
vielmehr  in  demselben,  grubenartige  Vertiefungen,  welche  mit  einer  Knochen,  Zähne, 
Scherben,  Kohlen  und  gebrannte  Lehmstückchen  führenden  Schicht  schwarzen 
humosen  Bodens  ausgefüllt  sind  und  am  Grunde  in  einer  Tiefe  von  etwa  1,75  m 
stellenweise  sogar  pflasterartige  Steinschichtungen  zeigen.  Die  in  dieser  humosen 
Schicht  einzeln  vorkommenden  Feldsteine  verrathen  theils  die  Spuren  des  Feuers, 
theils  sind  sie,  wie  zum  Beispiel  diejenigen  auf  dem  Grunde,  anscheinend  von 
dem  Humus  geschwärzt.  Diese  grubenartigen  Vertiefungen  zeigen  nach  den  Gruben- 
einschnitten IVj  bis  etwa  2in  Durchmesser.  Nur  in  der  Wallecke  der  Schanze 
findet  sich  die  Humusschicht  ununterbrochen  in  einer  Ausdehnung  von  5  bis  6  qm 
und  in  einer  Tiefe  von  etwa  2  m  gleichmässig  vor  und  ist  dort  nur  von  einer 
wesentlich  dünneren,  theilweise  sogar  fast  ganz  fehlenden  Oberschicht  bed(*ckl 

Die  Durchgrabung  dieser  humosen  Schichten  ergab  an  allen  Stollen  ziemlich 
gleichmässig  Knochen,  Zähne,  Homer,  Scherben,  Kohlenstücke  und  Theile  ge- 
brannten Lehms.  Die  Knochen  wurden  stets  einzeln  und  verstreut,  niemals  an 
einander  liegend  oder  zusammenhängende  Gerippe  bildend,  vorgefunden,  meist  in 
zerschlagenem  Zustande,  so  dass  wohl  das  Mark  derselben  herausgezogen  ist  Es 
fanden  sich  verhältnissmässig  viele  Unterkiefer,  häufig  noch  mit  den  Zähnen  darin, 
aber  kein  einziger  Schädel.  Soweit  sich  erkennen  liess,  rühren  diese  Ceberreste 
von  Pferden,  Rindern,  Schweinen,  Hunden  und  Ziegen  oder  Schafen  her. 

Sehr  auffällig  ist  die  Verschiedenheit  der  G^efäss8cherben,  welche  von  den 
rohesten,  ungebrannten,  fast  fingerdicken  und  aus  dem  gröbsten  Materiuie  her- 
gestellten Gefässen  bis  zu  wesentlich  feineren,  gebrannten  und  mit  geräiligen  Or- 
namenten versehenen  Bruchstücken  wechseln.  Zwar  sind  auch  diese  Omomenlr 
in   sehr   einCacher  Weise    mittelst  Reisig,    eines    eingekerbten  Stockes    oder  einer 


—    55     — 

Schnur  hergestellt;  indess  finden  sich  doch  über  ein  Dutzend  verschiedener  Muster, 
und  immerhin  ist  der  Unterschied  zwischen  diesen  und  den  ersterwähnten  Gefässen  in 
hohem  Grade  befremdlich.  Noch  auffallender  aber  ist,  dass  sich  diese  verschieden- 
artigen Bruchstücke  durch  einander,  aber  keineswegs  so  häufig,  um  etwa  auf  eine 
Töpferwerkstatt  hinzudeuten,  vorfinden.  Es  finden  sich  nicht  etwa  in  den  tieferen 
Schichten  rohere,  in  den  oberen  feinere  Gefässscherben,  sondern  in  derselben  Tiefe 
beide  Arten  unmittelbar  neben  einander;  denn  wollte  man  auch  annehmen,  dass 
schon  eine  frühere  Durchgrabung,  stattgefunden  hätte,  was  bei  der  ausgedehnten 
Fundstelle  in  der  Wallecke  der  Schanze  allerdings  möglich  wäre,  so  ist  doch  diese 
Annahme  hinsichtlich  der  übrigen  Fundstellen  völlig  ausgeschlossen,  weil  dort  eine 
so  scharfe  Trennung  zwischen  der  Oberschicht  und  der  Humusschicht  nur  unter 
Beobachtung  der  äussersten  Vorsicht  wiederherzustellen  gewesen  wäre. 

Auch  in  der  den  Wall  umziehenden  grabenartigen  Vertiefung  wurden  zwei 
Einschnitte  von  je  2  m  Länge  und  Tiefe  gemacht.  Es  findet  sich  dort,  sogleich 
unter  der  Rasendecke,  ein  humoses  Erdreich  vor,  welches  etwa  1,75  m  tief  hinab- 
reicht, jedoch  weder  Kohlen,  noch  gebrannte  Lehmstückchen  zeigt,  und  von  den 
vorerwähnten  Humusschichten  im  Inneren  der  Schanze  wesentlich  verschieden  'ist. 
Wahrscheinlich  hat  sich  diese  Erdschicht  durch  jahrhundertelange  Einspülung  aus 
der  oberen  Kulturschicht  der  den  Graben  umgebenden  Anhöhen  gebildet. 

Auch  auf  dem  Grunde  dieser  Erdschicht  wurden  einzelne  Knochentheile  und 
Gefässscherben  gefunden,  jedoch  verhältnissmässig  weniger,  als  im  Innern  der 
Schanze. 

Die  Annahme,  dass  die  Schanze  einen  Opferplatz  oder  eine  Tempelstätte  um- 
schlossen habe,  wird  durch  die  Umgebung  derselben  unterstützt.  Wie  viele  Be- 
wohner von  Lubin  übereinstimmend  bekunden,  finden  sich  in  der  Umgebung  der 
Schanze,  meist  dicht  unter  der  Oberfläch(%  vielfach  Kohlen  und  Knochen;  auch 
sind  häufig  mit  verbrannten  Knochen  gefüllte  Urnen,  theils  frei  im  Erdreiche,  theils 
in  einer  Steiuumsetzung  stehend,  gefunden,  nie  aber  im  Innern  der  Schanze. 

Die  Wittwe  Przybylska  bezeichnete  beispielsweise  einen  auf  ihrem  Brachfelde 
einige  hundert  Schritt  westlich  von  der  Schanze  in  der  Nähe  der  Chaussee  belegenen 
Platz,  auf  dem  ihr  verstorbener  Ehemann  vor  längeren  Jahren  unter  einer  Schicht 
kleiner  Steine  eine  mit  Knochentheüen  gefUUte  Urne  gefunden  und  nach  Be- 
sichtigung wieder  eingesenkt  hätte.  Eine  dort  vorgenommene  Nachgrabung  ergab 
in  der  That  dicht  unter  der  Oberfläche  eine  etwa  3  vi  im  Durchmesser  haltende, 
etwa  15  cm  dicke,  von  Kohlenstücken  geschwärzte  Schicht,  in  welcher  Umenscherben 
und  Knochentheile  vorgefunden  wurden.  Ebenso  fanden  sich  im  Umkreise  von 
kaam  einem  halben  Morgen  noch  drei  andere,  ähnliche  Brandplätze  und  darin 
Scherben  vom  Pfluge  zerstörter  Urnen  und  angebrannte  Knochenstücke,  auf  der 
einen  Stelle  auch  Stücke  einer  menschlichen  Schädeldecke  darunter. 

Eccardt, 
Distrikts-Kommissar. 


~     56    — 

Weitere  Funde  bei  der  Ausgrabung  des  Nord-Ostsee-Kanals 

in  Holstein. 

(Vgl.  Heft  3.) 

Nach  dem  Berichte  des  Ahtheilongs-Baumeisters  Hrn.  Sympher,  d.  d.  Holtenaa, 
4.  August,  sind  beim  Bau  des  Kanals  in  der  Zeit  vom  1.  Mai  bis  1.  August  d.  J. 
gefunden  worden: 

2  Steinäxte,  eine  bei  km  74,2,  eine  bei  Herstellung  des  Planums  einer  Hand- 
werker-Barracke  zu  Holtenau. 

1  langes  Schwert,  bei  km  66,75,  etwa  10  m  unter  Wasser. 

1  Kurzschwert,  bei  km  66,84,  etwa  8  m  unter  Wasser. 

2Thonkrüge  mit  Wappen  aus  dem  17.  Jahrb.,  der  eine  bei  Sehestedt,  der 
andere  unweit  Oestermoor. 

1  Schädel  eines  Auerochsen  bei  km  63,2  im  Moor. 

1  Renthierbecken  im  Moor  bei  Sehestedt. 

4  Hirschgeweihe. 

Es  würde  erwünscht  sein,  wenn  über  die  einzelnen  Fundstücke  genauere  An- 
gaben gemacht  würden,  z.  B.  ob  die  Steinäxte  polirt  oder  durchlocht,  gross  oder 
klein  u.  s.  w.  sind.  Rud.  Virchow. 


Gräberfelder  bei  Tschammer-Ellguth  und  Adamowitz, 

Kr.  Gr.-Strehlitz,  Schlesien. 

Die  auf  Staatskosten  ausgeführte  Untersuchung  hat  nach  den  Berichten  der 
Königl.  Kreisbau-Inspektion  zu  Gr.-Strehlitz  ergeben,  dass  die  beiden,  nur  etwa 
10  km  Ton  einander  entfernten  Gräberfelder  in  der  Hauptsache  dieselbe  Beschaffen- 
heit zeigen,  nur  dass  das  von  Adamowitz  das  ärmere  ist  An  beiden  Orten  sind 
Urnen-  und  Skeletgräber  vorhanden. 

Die  letzteren  liegen  in  der  Regel  sehr  flach,  ohne  dass  sich  bestimmte  Reiben 
feststellen  Hessen.  Der  Kopf  ist  nach  Südosten  gewendet;  an  demselben,  entweder 
seitlich,  oder  dahinter,  zuweilen  in  einer  besonderen  Steinkiste,  öfters  auch  an 
den  Füssen,  finden  sich  Gefösse.  Manchmal  sind  Schalen  neben  die  Hand-  oder 
auf  den  Brustknochen  gestellt.    Ein  grösseres  flaches  Gefäss  dient  als  Deckel. 

Die  Urnengräber  sind  in  seltenen  Fällen  durch  Steinsetzungen  oder-Ueber- 
deckungen  gekennzeichnet.  Die  Gefässe  meist  zertrümmert,  da  sie  in  der  Regel 
nicht  über  0,5  m  tief  eingesenkt  waren.  Diese  Gräber  enthalten  meist  Brandknochen, 
theils  lose  neben  den  Thongefässen,  theils  in  denselben.  Die  zwischen  den 
Knochen  befindlichen  Bronzegegenstände  haben  immer  den  Brand  mit  erlitten.  Die 
Gefässe  sind  schwach  gebrannt  und  wenig  verziert,  wo  es  der  Fall  ist,  mit  linear- 
ornamenten.  Einmal  kam  eine  Kinderklapper  aus  Thon  zu  Tage.  Von  Bronzen 
waren  bis  zum  31.  Januar  1889  gesanmielt:  ein  schwerer  Halsring,  mehrere  Ann- 
ringe, ein  grösseres  Messer,  ein  Schaftcelt,  mehrere  Finger-  und  Ohrringe  und 
Nadeln. 

Nach  dem  Berichte  des  Baurathes  Möbius  Yom  11.  September  1889  waren 
in  Adamowitz  zahlreiche  Gräber  mit  Eisenbeigaben  aufgedeckt,  auch  feine  Glas- 
perlen  Yon   dunkelgraublauer  Farbe  und  unregelmässiger  (Gestalt,   eine  grössere 


—    57    — 

Bronzefibel  und  einige  Haarnadeln  gesammelt.  Ein  Bericht  vom  3t.  Jan.  1891 
meldet  nnter  Anderem  den  Fond  yon  2  Spiral-Armringen  aus  Bronae  und  von 
2  Ohrringen.  ^ 

Da  die  Fundstücke  an  das  Rönigl.  Museum  für  Völkerkunde  abgeführt  sind, 
so  darf  von  da  eine  genauere  Feststellung  erwartet  werden. 

Rud.  Virchow. 


Prähistorische  Fundstellen  in  Westpreussen  und  dem 

östlichen  Pommern. 

Rr.  Bereut. 

Bei  Slawiska  wurde  1886  beim  Pflügen  eine  Steinkiste  aufgedeckt,  worin  sich 
vier  Urnen  in  den  Ecken  und  eine  fünfte  sammt  einem  Beigefässe  in  der  Mitte 
befanden.    Zum  Theil  erhalten,  im  Besitze  von  Hm.  Büttner,  Dortau. 

UmNieder-Schüdlan  traf  man  1890  beim  Roden  auf  eine  Steinkiste,  welche 
eine  gedeckelte  Urne  enthielt,  gefüllt  mit  Leichenbrand  und  einem  leider  fort- 
geworfenen Objecte,  das  man  für  Haare  oder  Zeugreste  hielt  Die  Urne  war  innen 
schwarz-,  aussen  rothgebrannter  Thon.    Des  Deckels  Weite  betrug  10  cm, 

Organist  Podlaschewski  in  Wischin  stiess  1890  auf  seinem  Lande  (Gang 
zum  Filtzethal)  an  einen  Stein,  und  da  er  der  Sache  nachforschte,  auf  eine  Stein- 
kiste, worin  zwei  sehr  interessante  Urnen  standen.  Die  eine  mit  Deckel  konnte 
als  Gesichtsume  gelten,  freilich  ohne  Gesicht,  aber  mit  Ohren  beiderseits,  in  denen 
je  drei  halbrunde  Ringe  aus  Bronze  steckten,  auf  deren  beiden  obersten  je  eine 
blaile  Glasperle  sass,  wogegen  auf  der  untersten  je  eine  durchlochte  Kauri- 
muschel,  Cypraea  moneta.  Punde  von  letzterer  sind  in  Westpreussen  höchst 
selten.  Von  schwarzem  Thone,  hartgebrannt,  war  die  Urne  kaum  höher  wie  16  cm. 
Sie  ging  durch  Ankauf  in  das  Eigenthum  des  Westpreuss.  Provincial-Museums  über. 
Die  andere  Urne,  von  gleicher  Höhe  (obere  Weite  10  cm)  und  Beschaffenheit, 
ebenfalls  gedeckelt,  mit  einem  Henkel  versehen,  jetzt  aus  meiner  Sammlung  in 
die  des  Kgl.  Museums  in  Berlin  überwiesen,  ist  dadurch  bemerken swerth,  dass 
sie  im  Gegensatz  zu  der  vorigen  ohne  Leichenbrand  und  ganz  leer  war,  wie  be- 
stimmt versichert  wurde. 

Ein  Mahlstein  mit  kreisrunder  (fast  ellipsoider)  Aushöhlung  ist  eingefügt  in 
die  Kirchplatzmauer  von  Wisch  in,  Kr.  Berent 

Herr  Gonditor  Kassubowski  kaufte  vor  einiger  Zeit  von  einem  Besitzer  der 
Umgegend  eine  kleine  goldene  Münze  in  der  Grösse  eines  Zwunzigmarkstückes, 
die  letzterer  auf  seinem  Acker  in  der  Nähe  eines  Urnengrabes  gefunden  hatte. 
Wie  jetzt  festgestellt,  stammt  diese  Münze,  welche  auf  der  einen  Seite  ein  Wappen, 
auf  der  anderen  einen  Ritter  mit  gezogenem  Schwerte  zeigt,  aus  der  Zeit  Ludwigs  IL 
855—875. 

Kreis  Putzig. 

Um  Putzig  selbst  liegt  der  altheidnische  Begräbnissplatz  gegen  das  Dorf 
Blandzikaw  zu,  auf  dem  Lande  des  Besitzers  Grünau.  Dort  werden  häufig  Urnen 
gefunden.  So  auch  1887  eine  grosse,  etwa  P/^Fuss  hoch,  von  dick  bauchigem 
Umfange,  in  welcher  sich  ausser  Leichenbrand  eine  blaue  Glasperle  vorfand,  sowie 


—    58    — 

zwei  ringförmige  Gebilde  von  patinirter  Bronze,  mit  geraden  und  schrägen  Rillen 
versehen.  An  dem  einen  Ringe  bemerkt  man  den  Mangel  eines  Verschlusses.  Im 
Bogen  gemessen,  hat  der  grössere  45,  der  kleinere  36  cm^  im  grössten  Abstände 
der  grössere  (Kopfring)  20,  der  kleinere  (Armring)  8,5  cm. 

Um  Brünhausen,  auf  der  gegen  Przellin  zu  gelegenen  Feldmark  Hadasso- 
wagora  (Feld  des  Hadass),  wurden  1887  beim  Grandfahren  lose  im  Boden  mehrere 
Urnen  gefunden  und  mit  einer  Ausnahme  zerschlagen.  Die  eine  gerettete  Urne 
von  Terrinenform  mit  einem  Deckel,  aber  ohne  Ornament,  kam  in  den  Besitz 
des  Hauptmann  Suter  in  Löbsch.  Es  war  dabei  noch  eine  Art  kleiner  platter 
Unterschüsse!.  Es  lag  darin  ausser  Leichenbrand  eine  bronzene  Nadel  (Haar- 
pfeil), die  sich  an  einem  Ende  allmählich  verdickte  und  hier  mit  zwei  umgehenden 
Einschnürungen  versehen  war.  Ebendort  wurden  öfters  auch  Urnen  mit  zwei  knopf- 
artigen Ansätzen  an  den  Seiten  gefunden. 

Reddischau.     1888  Grabkammer  mit  vielen  Urnen. 

In  Gross-Domatau  wurde  bei  einem  Hausbau  (Tischler  Neu  mann)  um 
1875  eine  Steinkiste  aufgefunden,  worin  zwei  Urnen  sich  gegenüber  standen,  darin 
Asche  und  viele  Ringe,  der  eine  ganz  geschlossen,  so  dass  er  als  Fingerring  eines 
starken  Menschen  gelten  konnte. 

Bei  Rauschendorf  (Kr.  Neustadt)  fand  der  Besitzer  v.  Zelewski  vor  einigen 
Jahren  eine  Steinaxt  (undurchlöchert)  im  Piasnitz-Bruch. 

Um  Luboczin  fand  181)0  der  Besitzer  Rodenacker  beim  Pflügen  in  ebenem 
Boden  in  einer  Steinkiste  6  Urnen,  in  einer  derselben  ein  spiralförmig  verbogenes 
Schwert. 

Vor  dem  Försterhause  der  Unterförsterei  Sobiensitz  liegt  jetzt  ein  Stein 
von  rothem  Porphyr,  ehemals  gefunden  mitten  im  Walde  von  Luboczin,  in  welchen 
eine  fingerlange  Oeffnung  hineingeht;  er  erschien  mir  als  der  eine  Haltestein  für 
die  Stange  einer  alten  Grützquiere. 

Um  Zarnowitz  fand  Gastwirth  Casper  i.  J.  1890  Urnen  in  einer  Steinkiste. 

Bei  Zarnowitz  stiess  man  auf  Urnen  beim  Steinroden. 

Am  Wege  von  Lissau  nach  Robackauer  Mühle  wurden  viele  Knochen  aus- 
gegraben. 

Um  Menkewitz  fand  Gastwirth  Thymian  auf  einem  Stücke  Abfindungsland 
in  einer  Vertiefung  einen  Platz,  wo  ringsum  grosse  Steine  gefügt  waren,  mit 
kleinen  Steinen  zugeworfen.  Nach  der  Sage  soll  es  das  Grab  eines  Häuptlings  der 
Kreuzritter  (krzezok)  gewesen  sein. 

Bei  Menkewitz  traf  man  öfters  Urnen  in  Steinkisten  im  Sandboden.  In 
einer  solchen,  ohne  Deckel,  von  bläulichen^  Thone,  schwach  gebrannt,  mit 
Ansätzen  auf  beiden  Seiten,  fand  Gastwirth  Thymian  ein  hakenartiges  Instrument, 
das  er  fortwarf.  Die  Urne  steht  noch  bei  ihm.  In  einer  anderen  fand  Besitzer 
Sonntag  eine  Art  Oehse  (Fibula,  liegendes  S.),  wie  drei  Streichhölzer  dick,  die  sein 
Sohn  zerbrach  und  dann  verlor. 

Um  Buchenrode  (Besitzer  Sipka)  wurden  in  den  80er  Jahren  Urnen  aus- 
gegraben. 

Ebendaselbst  fand  man  vor  50  Jahren  auf  dem  Felde  zwei  silberne  Münzen 
mit  scheinbar  persischer  Schrift. 

Im  Moor  bei  Buchenrode  erlangte  Polist  den  Peddig  von  einem  Büffelhorn 
von  Armeslänge. 

Auf  der  Wissok  (Höhe)  bei  Krockow  fand  man  um  1875  Urnen  mit  Asche 
und  darin  ein  zusammengebogenes  Schwert  Rother  Ockersand  giebt  dem  Volkr 
xVnlass  zu  der  Sage  von  einer  Schlacht,  und  zwar  gegen  die  Schweden.    Uebrigens 


—     59    — 

verleiht  dem  Gerede  einen  gewissen  Hintergrund  die  Auffindung  von  Spiessen  und 
geketteten  Sturmkngeln. 

In  einem  seltenen,  1799  ohne  Namen  des  Verfassers  gedruckten  Büchlein,  be- 
titelt: Meine  Reise  in's  blaue  Ländchen,  heisst  es  (S.  70)  bei  der  Beschreibung 
des  damaligen  Krockow:  „In  einer  der  Terrassen  wände  des  Berges  (im  Garten) 
sieht  man  zwei  kleine  viereckige  Gewölbe.  In  jedem  ist  eine  Urne  befindlich, 
ausgefüllt  mit  Asche  und  Knochen,  Man  fand  sie  beim  Terrassiren  des  Berges, 
unter  einer  künstlich  zusammengeführten  Steinplatte,  und  begrub  sie  hier  als  wirk- 
liches Grabmal  der  Alten".  Es  ist  dies  für  Westpreussen  gewiss  eine  frühe 
Erwähnung  eines  Steinkistengrabes. 

Mogila  (Grabstätte),  cassnbisch  gesprochen  Modschuieke,  heissen  manche 
Stellen:  1.  ein  Buschwerk  am  Wege  von  Menkewitz,  Landweg  nach  Slawoschin, 
wo  jetzt  ein  Kreuz  stehi  2.  eine  Stelle  bei  Schwetzin  hart  an  der  Chaussee, 
wo  viele  Kalksteine  gewonnen  werden.  In  diesem  Berge  liegen  stapelweise  deren 
in  Quaderform,  dazwischen  kleinere  Stücke.    Jetzt  ist  das  eine  Kalkbrennerei. 

Kr.  Carthaus 

Auf  der  Gemarkung  von  Adl.  Stendsitz  wurde  1890  ein  grosses  Gräberfeld 
aufgedeckt  und  bestanden  die  Funde  in  grösseren  und  kleineren  Urnen,  welche 
Knochenreste  enthielten. 

Sonst  in  Westpreussen. 

Auf  der  Feldmark  von  Jastozemken  bei  Vandsburg,  Kr.  Flatow,  fand  Hr. 
Rittergutsbesitzer  Wold.  Schultz  drei  Steinbeile  (zwei  undurchlocht)  und  überwies 
sie  dem  Westpr.  Prov.-Museum. 

Beim  KartofTelgraben  trafen  Frauen  auf  dem  Felde  des  Besitzers  Lankowski 
in  Briesen  einen  irdenen  Krug  mit  Silbermünzen  aus  der  Zeit  des  Ritterthums. 
llr.  Rektor  Heym  hat  das  Westpr.  Provincial-Museum  hiervon  in  Kenntniss  gesetzt. 

Auf  einer  sandigen  Anhöhe  von  Ostrow  Brosze,  Kr.  Stuhm,  sind  im 
September  1«89  Urnengräber  entdeckt  worden.  Leider  sind  die  schön  geformten, 
oft  mit  Punkten  und  Strichen  verzierten  Gefässe  durch  das  Ausroden  von  Bäumen 
fast  sämmtlich  vernichtet  oder  stark  beschädigt 

Mewe.  Auf  dem  zu  dem  Dominium  Grtineberg  gehörigen  Vorwerk  Lippinken 
stiess  man  beim  Graben  nach  Feldsteinen  in  einer  Tiefe  von  etwa  5  Fuss  auf 
eine  Mauer.  Die  Vermuthung,  dass  hier  vor  alten  Zeiten  ein  Gebäude  gestanden 
haben  müsse,  fand  sich  beim  weiteren  Nachgraben  bestätigt.  Es  wurde  eine  Burg- 
ruine blosgelegt  mit  zwei  mittelgrossen  Zimmern  und  einem  Raum,  der  seiner  Er- 
richtung nach  unzweifelhaft  als  Küche  gedient  haben  wird.  Mehrere  alterthüm- 
liche  Gera thsc haften  wurden  zu  Tage  gefördert,  u.  A.  ein  eiserner  Siegelring,  gut 
erhalten,  w^elcher  noch  deutlich  eine  Gravirung  erkennen  lässt,  die  jedoch  leider 
nicht  mehr  zu  entziffern  ist.  Auch  mehrere  aussergewöhnlich  grosse  Sporen  und 
ein  Stück  Bernstein  wurden  gefunden. 

Kr.  Lauenburg. 

Die  alte  Stadtmauer  von  Lauenburg  ging  um  die  im  Viereck  gebaute  Stadt 
und  hatte  32  Thürme,  aber  nur  2  Thore,  das  Danziger  und  das  Stolper. 
Es  stehen  davon  noch  jetzt  zwei  Thürme.  Der  eine  Mauerthurm  wird  jetzt  als 
Stall ung  benutzt.  Der  andere  ist  der  berühmte  Epheuthurm.  Ein  sehr  starker 
Epheu,  im  Stamme  etwa  bis  7  2k)ll  Umfang,  und  ein  kleinerer  rankten  sich  seit- 
wärts  und    bis  zur  ganzen  Höhe.    Dies  war  der  Stolz  und  der  Ruhm  der  Lautm- 


—    60    — 

« 

burger  und  seinesgleichen  war  weit  und  breit  nicht  zu  finden,  bis  eine  rachlose 
Hand  ein  Stück  herausschnitt,  dies  aber  wieder  verpflockte,  so  dass  man  erst 
später  darin  den  Grund  des  allmählichen  Absterbens  bemerkte. 

In  Wierschutzin  fand  Häusler  Lieske  beim  Torfstechen  in  5  Soden  Tiefe 
(4  Fuss)  im  Sandlager  neben  anderen  scheinbar  zusammengehäuflen  Steinen  ein 
durchlochtes  Steinbeil. 

Bei  Saal  in  stiess  man  1889  oben  im  Walde,  V4  Meile  vom  See  ab,  in  einem 
Soll  beim  Torfstechen  in  6  Fuss  Tiefe  auf  eine  brückenartige  Fügung  Ton  Bohlen 
und  ein  Ende  weiter  davon,  in  einem  Graben,  auf  Beste  von  Holzkohlen. 

Im  See  von  Saalin,  auffallend  durch  seinen  starken  Wellenschlag,  fand  Gast- 
wirth  Gasper  im  Jahre  1882  einen  Lachsangelhaken  von  Bronze,  der  später  ins 
Westpr.  Prov.-Museum  kam.  Solche  Haken  für  Lachs  haben  eine  besondere  Ge- 
stalt. Es  ist  auffällig,  wie  es  in  jenem  See,  bis  drei  Meilen  von  der  Ostsee  ent- 
fernt und  jetzt  wenigstens  nur  durch  Bäche  mit  ihr  in  Verbindung  stehend,  Lachse 
gegeben  haben  soll.  Dennoch  steht  urkundlich  fest,  dass  Saalin  den  10.  Lachs  hat 
an  das  Kloster  zu  Gliva  liefern  müssen. 

Kr.  Stolp. 

In  Dodenberg  bei  Gr.-Varzmin  wurden  imd  werden  viele  Knochen  ge- 
funden. 

A.  Treichel,  Hoch-Palleschken. 


Die  Burgwälle  von  Stangenhagen,  Kreis  JUterbogk-Lucken- 
walde,  und  Zauchwitz,  Kreis  Zauch-Belzig,  Prov.  Brandenburg. 

Das  Dorf  Stangenhugen  liegt  im  nördlichen  Zipfel  des  Kreises  Jüterfoogk- 
Luckenwalde,  in  einer  nicht  sehr  fruchtbaren,  für  märkische  Verhältnisse  fast  ge- 
bii^gig  zu  nennenden  Gegend,  die  mit  ihren  zahlreichen  kleinen  Seen  und  den  be- 
waldeten Höhenzügen  oft  ganz  hübsche  und  malerische  Landschaften  bietet. 

Der  ganze  Kreis  ist  ausserordentlich  arm  an  prähistorischen  Alterthfimem 
und  bildet  einen  merkwürdigen  Gegensatz  zu  dem  grossartigen  Reichthnm  an 
Fundstücken  aller  Art,  den  im  Norden  und  Westen  davon  die  Gräberfelder  des 
Havellandes  und  der  Zauche,  im  Süden  und  Osten  die  der  Lausitz  und  der 
Provinz  Sachsen  aufzuweisen  haben.  Die  prähistorische  Abtheilung  des  Museums 
hat  so  wenig  Stücke  von  da,  wie  kaum  aus  einem  andern  Kreise  der  ganzen  Provinx 
Brandenburg.  Dicht  bei  dem  Dorfe  Stangenhagen  hat  allerdings  ein  dem  Ausgange 
der  Bronze-Zeit  angehöriges  Gräberfeld  gelegen,  das  aber  in  früheren  Jahren  aus- 
gebeutet und  grösstentheils  zerstört  ist.  Im  Jahre  1885  hat  Hr.  Direktor  Voss 
noch  die  Lokalität  untersucht  und  eine  Anzahl  von  Thongefössen,  sowie  von  den 
sehr  wenigen  Metallbeigaben  eine  sehr  merkwürdige  Bronzenadel  als  Geschenk 
für  die  Abtheilung  von  dem  Besitzer,  Hm.  von  Thttmen  auf  Stangenhagen  erhalten. 

Ausserdem  sind  im  Kreise  nur  noch  sehr  wenige  Gräberfelder,  die  hier  nnd 
da  einige  Stücke  geliefert  haben,  bekannt. 

Die  Aermlichkeit  des  Bodens  allein  dürfte  kaum  als  Grund  dafür  angesehen 
werden  können,  da  einige  Gegenden  in  der  Nieder-Lausitz  vielleicht  noch  un- 
fruchtbarer und  doch  reich  an  prähistorischen  Alterthfimem  sind.  Denn  in  der 
Vorzeit,   besonders   während   der  älteren  Perioden,    als  Jagd  und  Fisefaljuig  die 


—    61    — 

Hanptnahrangszweige  bildeten  und  als  Ackerbau  und  Viehzucht  nur  in  primitivster 
Weise  und  in  sehr  beschränktem  Maasse  betrieben  wurde,  ist  oft,  was  Qualität 
und  Quantität  der  prähistorischen  Fundstttcke  anbetrifft,  kaum  ein  Unterschied 
zwischen  sehr  fruchtbaren  und  weniger  fruchtbaren  Gebieten  zu  konstatiren.  Die 
sandigen  Distrikte  der  Nieder-Lausitz  mit  ihrem  unvergleichlichen,  geradezu  er- 
staunlichen Reichthum  an  Thongefässen  und  die  Lüneburger  Haide  mit  ihren 
Hunderten  von  Hügelgräbern  und  megalithischen  Bauten  geben  die  sprechendsten 
Beweise  dafür  ab. 

Vielleicht  ist  hier,  im  Kreise  Jüterbogk-Luckenwalde,  eine  Art  Völkerscheide, 
eine  Grenze  zwischen  verschiedenen  Stämmen,  besonders  in  der  vorrömischen 
Zeit,  gewesen,  da  in  diese  Gegend  auch  ungefähr  die  nordwestliche  Grenze  des 
eigentlichen  reinen  Niederlausitzer  Typus  mit  den  kräftig  ausgeprägten  Buckelurnen, 
den  feinen  Schraffirungen  u.  s.  w.,  wie  sie  besonders  zwischen  Luckau,  Guben  und 
Sorau  vorkommen,  zu  setzen  sein  dürfte.  Die  Gefässe  von  Stangenhagen  zeigen 
in  mancher  Beziehung  noch  eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  den  niederlausiteer 
Formen,  aber  sie  schliessen  sich  doch  mit  ihren  durchweg  einfacheren  Profilirungen, 
den  abgeflachten  Buckeln  und  den  sehr  häufigen  cylindrischen  Gefässen  viel  mehr 
den  Gräberfeldern  der  Mittelmark  an,  deren  Hauptrepräsentanten  während  der  Hall- 
stätter  und  älteren  La  Tene-2ieit  in  unserer  Abtheilung  die  Gräberfelder  von  Rietz, 
Ruhlewitz  und  Radewege  sind.  — 

Da  das  Gräberfeld  von  Stangenhagen  schon  seit  Jahren  ausgebeutet  ist,  so 
musste  ich  meine  Thätigkeit  auf  die  Untersuchung  der  beiden  in  der  Nähe  des 
Dorfes  gelegenen  Burgwälle  beschränken. 

Der  erste  derselben,  der  sog.  „Borgstieg^,  wie  der  Platz  im  Munde  des  Volkes 
heisst,  auf  der  Feldmark  von  Stangenhagen  und  ziemlich  2  km  südöstlich  vom 
Dorfe  gelegen,  ist  bereits  zum  Theil  abgetragen  und  bildet  nur  noch  eine  weit 
ausgedehnte  schwache  Erhebung  von  etwa  3  Fuss  über  dem  umliegenden  Felde. 
Ein  alter  Mann  aus  dem  Dorfe,  den  ich  sprach,  wusste  sich  noch  genau  zu  er- 
innern, dass  dort  früher  ein  regelmässiger  runder  Burgwall  von  etwa  8  Fuss  Höhe 
gewesen,  der  aber,  um  das  herumliegende  morastige  Terrain  urbar  zu  machen, 
abgefahren,  planirt  und  dann  mit  zum  Acker  hinzugenommen  worden  sei.  Noch 
jetzt  ist  aber  die  alte  Culturstätte  an  der  schwarzen  Erde,  den  Kohlenresten,  den 
vielen  Thierknochen,  Thonscherben  u.  s.  w.,  die  an  der  Oberfläche  herumliegen, 
deutlich  zu  erkennen.  Diese  Ueberreste  dehnen  sich  jetzt  über  ein  ziemlich  be- 
deutendes Areal  aus,  aber  wenn  man  etwas  weiter  von  der  Mitte  entfernt  in  die 
Erde  hineingräbt,  so  sieht  man  deutlich,  dass  die  obere  schwarze  Schicht  erst  in 
neuerer  Zeit  aufgetragen  ist,  da  ganz  plötzlich,  schon  etwa  1  Fuss  tief,  der  ge- 
wöhnliche weisse  Sand  erscheint  In  der  Mitte,  wo  die  Erhebung  am  grössten 
ist,  beträgt  die  Kultnrschicht  jetzt  immer  noch  etwa  2— 2V3  Fuss,  an  einzelnen 
Stellen  noch  mehr,  so  dass  dieselbe  früher,  als  die  ganze  Anlage  noch  intakt  war, 
ausserordentlich  stark  gewesen  zu  sein  scheint. 

Ueber  die  Grösse  und  genauere  Form  der  Anlage  kann  man  sich  jetzt  nach 
der  Abtragung  und  Einebnung  natürlich  kein  sicheres  Bild  mehr  machen;  nach 
der  Aussage  des  alten  Bauern  war  der  Burgwall  früher  kreisrund,  wie  ja  auch  die 
meisten  ähnlichen  alten  Befestigungen,  und  er  scheint  eher  zu  den  kleineren,  als 
zu  den  grösseren  gehört  zu  haben. 

Auf  der  ganzen  Oberfläche  des  kleinen  Hügels,  wie  in  allen  Schichten  der 
schwarzen  Erde  lagen  überall  Thierknochen  und  Thonscherben  herum,  welche 
letztere  ausnahmslos  slavischen  Character,  den  sog.  Burgwall-Typus,  zeigen. 
Neben  den  zahlreichen  nicht  omamentirten  kommen  die  gewöhnlichen,  mit  kämm- 


oder  eägeartig  ausgezackten  Instrumenten  her^stellten  Muster  ttberall  vor,  so  dass 
ich  sie  hätte  zu  hundertcn  auriescn  oder  herausgraben  können. 

Unter  den  Thierknoehen  waren  viele  vom  Pferd  oder  Rind  yertreten,  die 
meisten  schienen  jedoch  von  verschiedenen  kleineren  Thieren  herzurühren. 

Zn    meiner    grossen  Freude   gelang    es  mir,    ein 
zum  grossen  Thcil  erhaltenes  und  leicht  ergünrbar'-- 
Gefass    zu    Rnden,    immerhin    eine    griisse  Sel((.>nht-ii 
in  denirtigen  Bur{pȊllcn.     Dasselbe  ist,  wie  pewiihn- 
lieh  von  annähernd  doppelkonischer  Form,  alwr  ziem- 
lich  breit   im  Vcrhältniss   zur  Höhe:    II, 'Ich  httch; 
30,4  cm    im   grössten    Durchmesser.    Die  Omamentf 
sind,   obgleich  von  verschiedener  Art,   alle  mit  dem- 
selben   kammartigen  Geräth    hergestellt:    oben,    unter    dem    schwach    ausladenden 
Rande,    horizontal    herumlaufende  Linien,    dann  Reihen    von    auf  der    einen  Sciii- 
Hunt  eingedrückten,  auf  der  andern  Reite  ein  wenig  zu  kleinen  viereckigen  Feldern 
lanj^ezogenen  Binstichen,    darunter    am    Winkel    eine    sehr   nachlässige,    unrei^el- 
mässige  Wellenlinie.    Ausserdem  fand  ich  noch  Pfriemen  von  Knochen  und  Risen, 
merkwürdigerweise    aber    kein  einziges  Hirschgeweih  oder  ans  Geweihstücken  gi-- 
orbeitetc  Geräthe,  die  doch  sonst  in  Bnrgwallen  so  hüung  sind. 

Was  die  chronologische  Bestimmung  dieser  Localität  anbetrifft,  so  gelven  dii- 
Thonschej-ben  einen  ziemlieh  sicheren  .\nhalt:  die  Anwendung  der  Töpfcrscheil»'. 
die  an  den  meisten  zu  erkennen  ist,  und  die  vielen,  ohne  grosse  Accunil^sse  her- 
gestellten Ornamente  weisen  auf  die  zweite  Häl^  der  slavischen  Zeit  hin.  Da  ich 
aber  unter  diesen  Ornamenten  die  horizontalen  Furchen,  welche,  wie  mir  scheint, 
besonders  für  die  allorspäteste  wendische  Zeit  charakteristisch  sind,  anter  den 
hundcrten  von  Scherben,  die  ich  sah,  nur  ein  einziges  Mal  vertreten  fand,  t«> 
möchte  ich  den  Burgwall  nicht  in  zu  späte  Zeit  heraufrücken.  Man  könnte  aller- 
dings annehmen,  dnss  die  oberen  und  jüngeren  Schichten  bei  der  Planimng  ab- 
getragen und  so  nur  die  älteren  Schichten  liegen  geblieben  seien,  aber  ich  hulx- 
anch  überall  auf  dem  Felde,  wo  weit  herum  die  schwarze  Erde  aufgefahren  «ar 
und  Scherben  lagen,  mit  Ausnahme  des  einen  kleinen  Stückes,  keine  solche  mii 
horizontalen  Furchen  gefunden-  Ich  möchte  daher  den  Bnrgnall  nngetähr  in  du« 
8.-9.  Jahrh.  n.  Chr.  setzen.  — 

Der  zweite  Burg-wall,  den  ich  untersuchte,  lag  2 — -1  tiii  westlieh  von  Stanm>ii- 
hagcn,  auf  der  Feldmark  des  Dorfes  Zauch  w  itz,  im  Kreise  Zauch-Ik'lzig.  Ders4'lbe 
war  insofern  sehr  interessant,  als  er  im  Gegensatz  zu  dem  erst4'n.  mit  Ausnahint' 
einer  kleinen  Stelle  im  Südwesten,  wo  etwas  Erde  abgefahn-n  ist,  sehr  gut  ir- 
haltcn  war.  Mitten  in  wiesigem  und  sumpllgem  Terrain,  wahrscheinlich  auf  einer 
natürlichen  kleinen  Ilügclbildung,  erhebt  sich  die  kleine  Anlage,  die  uns  so  reehl 
den  Typus  der  alten  wendischen  Wasserburgen  vor  Augen  führt  wie  sie  am 
Ibrahim-ibn-Jakub  zur  Zeit  Kaiser  Otto's  des  Grossen  so  anschaulich  beschreit)!. 

Die  ganze  Anlage  ist  genau  kreisrund  und  von  ziemlich  geringen  Dimensioni'n: 
ich  zählte  im  Qu erdorch messet,  oben  von  einer  Wallkrone  zur  andern,  115  Schrille. 
Die  Höhe  des  ziemlich  breiten  Krdwalles  bethigt  jetzt  nach  aussen  hin  4— •'■.  ru<'h 
innen  etwa  i—:-^  t^iss.  Der  Graben  ausserhalb  des  Walles  isl  zum  grossen  Thnl 
zugeschüttet  oder  im  Laufe  der  Jahrhunderte  versandet,  so  dass  er  an  eiiizelmn 
Stellen  kaum  noch  zu  erkennen  ist. 

Was  die  Fundslücke  dieser  Localität  anbetriiTt,  so  waren  sie  verhültniBsmäasitt 
nicht  sehr  zahlreich,  :)ber  insofern  äusserst  interessant,  als  ich  in  dieser  kleinen 
Anlage  die  Culturüberresle  der  verschiedensten  Perioden  vertreten  fand. 


—     63    — 

Ich  förderte  eine  Menge  von  braunen  Thonscherben  zu  Tage,  die  nach  den  rauhen 
Ausscnflächcn  und  den  sauber  eingefurchten  Ornamenten  zu  schliessen,  in  die  vor- 
römische altgermanische  Eisenzeit,  also  etwa  in  das  4. — 1.  Jahrhundert  vor  Chr. 
zu  setzen  sind;  dann  slavische  Scherben  vom  Burgwall-Typus  aus  der  älteren  und 
jüngeren  Zeit,  also  etwa  dem  6. — 11.  Jahrhundert  nach  Chr.  angehörig,  und  schliess- 
lich mittelalterliche  Thonscherben  aus  dem  12 — 13.  Jahrhundert. 

Für  eine  ursprünglich  altgermanische  Befestigung  scheint  mir  der  Raum  zu 
klein  zu  sein,  da  die  Burg-  und  Ringwälle  dieser  Periode  gewöhnlich  bei  weitem 
grösser  sind.  So  dürfte  der  ursprflnglich  natürliche  Hügel  zur  Zeit  der  alten  Gor- 
manen eine  gew^öhnliche  Ansiedelungsstätte,  vielleicht  ein  kleiner  Begräbnissplatz 
gewesen  sein.  Die  Wenden  errichteten  dann  eine  Befestigung  darauf  und  diese 
ist,  wie  die  Thonscherben  beweisen,  bis  in  die  Zeit  Albrecht  des  Bären  und 
Jaczo's  benutzt  und  bewohnt  worden. 

Ausser  den  Thonscherben,  die  immer  und  überall  in  chronologischer  Beziehung 
die  wichtigsten  Leitmuscheln  bilden,  waren  mir  von  besonderem  Interesse  die 
zahlreichen  Lehmbewurfstücke,  die  letzten  üeberreste  der  wahrscheinlich  recht 
primitiven  Gebäude,  deren  Bauart  mit  Holzfachwerk  und  Lehmbekleidung  ziemlich 
dieselbe  gewesen  sein  wird,  wie  sie  noch  heutzutage  auf  dem  Lande,  besonders 
an  Stallgebäuden,  vorkommt,  und  zwar  vorwiegend  in  den  östlichen  Provinzen 
unseres  Vaterlandes,  wo  früher  eine  slavische  Bevölkerung  gesessen  hat.  — 

Ueber  den  Zweck  dieser  in  einzelnen  Gegenden  Norddeutschlands  ziemlich 
zahlreichen  Burg-  und  Ringwälle  ist  man  noch  immer  nicht  ganz  klar.  Wenn 
sie  Dr.  Behla,  der  übrigens  den  zweiten  der  beiden  beschriebenen  Burgwälle 
erwähnt,  alle  mehr  oder  weniger  für  Heiligthümer  hält,  so  dürften  die  so  oft  zahl- 
reichen Scherben,  Thierknochen  und  besonders  die  vielen  Geräthschaflen  für  den 
täglichen  Hausgebrauch,  die  Messer,  Pfriemen,  Kämme,  Fischspeere,  Schlitt- 
knochen,  Spinnwirtel,  Schleifsteine  u.  s.  w.  u.  s.  w.  schwer  zu  erklären  sein; 
ausserdem  würden  dann  manche  Gegenden  Deutschlands,  wie  besonders  das 
Randowthal  zwischen  Pommern  und  der  Ukermark,  (Vüher  mehr  wendische 
Götzentempel  gehabt  haben,  als  jetzt  christliche  Kirchen,  was  doch  trotz  der 
hierarchischen  Neigungen  der  Wenden  kaum  anzunehmen  ist.  Auch  als  Zufluchts- 
orte in  Kriegsgefahr  für  die  umliegenden  Ortschaften,  als  sogenannte  Fliehbui^en, 
wofür  sie  meistens  angesehen  werden,  sind  die  wendischen  Anlagen  durchweg  zu 
kleia,  da  innerhalb  des  Walles,  zumal  wenn  noch  einige  Gebäude  dort  gestanden 
haben,  kaum  einige  Dutzend  Menschen,  geschweige  denn  Viehheerden  und  Vor- 
räthe  einer  ganzen  Dorfbevölkerung  Platz  gefunden  haben  würden. 

Ich  glaube,  wir  haben,  wenige  Ausnahmen  abgerechnet,  —  wie  z.  B.  Rethra 
und  Arcona,  wo  es  nachweislich  Tempel  gab,  —  in  den  alten  wendischen 
Burgwällen  nichts  weiter  zu  sehen,  als  die  Sitze  von  wendischen  Edlen,  die,  wie 
die  Ritterburgen  des  Mittelalters,  auf  von  Natur  festen,  unzugänglichen  Plätzen 
errichtet,  sichere  Schlupfwinkel  und  vor  plötzlichen  Ueberfällen  geschützte  Wohn- 
plätze bildeten.  Sie  waren  mit  ihren  primitiven  Lehmhütten  und  dem  auf  dem 
Erdwall  errichteten  hohen  Pallisadenzaun,  den  Ibrahim-ibn-Jakub  beschreibt,  ge- 
wissermaassen  die  Vorläufer  der  romantischen  Ritterburgen  des  Mittelalters  mit 
ihren  massiven  Feld-  und  Backsteinbauten,  die  sich  beide  erst  mit  der  Re- 
germanisirung  und  der  christlichen  Kultur  im  östKchen  Norddeutschiand  verbreiteten. 

Ich  glaube  das  um  so  mehr,  weil  fast  auf  allen  Plätzen,  wo  in  Norddeutschland 
östlich  der  Elbe  mittelalterliche  Ritterburgen  gestanden  haben,  die  unteren  Erd- 
schichten slavische  Kulturüberreste  aufweisen.  Es  scheint  also,  dass  die  eingewan- 
derten deutschen  Ritter  dieselben  Burganlagen  bezogen,  die  früher  die  alten  Wenden 


—    64    — 

errichtet  und  dann  verlasBeo  hatten.  Und  die  aiUTaUende  Kleinheit  der  meisten 
mitteralterlichen  Ritterburgen  ist  ebenso  auch  sehr  charabteristiBch  rUr  die  Be- 
restigungen  der  Wenden,  ganz  im  Gegensatz  zu  den  gros^n,  zom  Theil  geradezu 
gewaltigen  Wallanlagen,  die  besonders  in  emzelnen  Tbeilen  Suddeotschltinds  und 
Oesteireich-Ungarn's  aus  der  Steinzeit  und  der  älteren  Metallzeit,  —  den  ältesten 
keltischen  und  germanischen  Perioden,  Jahrhunderte  vor  unserer  Zeitrechnung,  — 
erhalten  sind. M.  Weigel. 

Bronze-Fund  von  Berlin. 

Dicht  bei  Berlin,  in  der  Nähe  des  Schlosses  Belleme,  wurde  bei  den 
Bo^erarbeiten  ifi  der  Spree  in  diesem  Jahre  ein  prähistorischer  Fund  gehoben, 
der  zn  den  interessantesten  gehört,  die  bisher  innerhalb  des  Berliner  Weichbildes 
gemacht  worden  sind.  Er  enthält  zwei  Stücke,  eine  grosse  Fibel  und  eine  Nadel 
von  Bronze,  die  beide,  sehr  wohl  erhalten  und  rollständig  ohne  Patina,  das  be- 
kannte goldige  Aussehen  der  im  Moor  gefundenen  Bronzen  zeigen. 

Die  S4  cm  lange  Fibel  zeigt  auf  beiden  Seiten  zwei  grosse  Scheibenspiralen, 
die   durch  einen  ganz  flachen,   in  der  Mitte  breiten,   nach  beiden  Seiten  spitz  zn- 


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laufenden  Bügel  rerbunden  sind.  An  den  genindeten  Rändern  dieses  BUgab  ziehen 
sich  als  Ornament  je  3  feine  Linien  entlang,  die  auf  beiden  Seiten  von  feinen 
Pnnktstrichcn  eingefasst  sind;  das  zwischen  diesen  beiden  Streifen  liegende  Feld 
wird  von  einem  Zickzacks ystem  ebensolcher  von  Punktstrichen  eingefasster  Linien 
ausgefüllt.  Der  hintere  Theil  des  Doms  zeigt  eine  flache  dreieckige  Platte,  die 
ebenfalls  mit  Linien  und  Heihen  von  Panktstrichen  reich  verziert  ist  Die  Drähte, 
durch  welche  die  beiden  grossen  Spiralen  gebildet  werden,  haben  nicht  den  ge- 
wöhnlichen runden,  sondern  einen  linsenförmigen  Querschnitt  und  zeigen  in  den 
äusseren  Ringen  auf  der  Wölbung  kleine  flache  radiäre  Einkerbungen,  von  denen 
jedoch  zum  Theil  nur  noch  die  letzten  Spuren  erhalten  sind. 

Die  Nadel  ist  17,2  em  lung  und  zeigt  oben  als  Kopf  5  dicht  neben  einander 
liegende  sehe ibenariige  Wülste,  von  denen  der  oberste,  der  dritte  und  fdode  rings- 
herum mit  kleinen  Kerben  versehen  sind. 

Ob  wir  hier  einen  Depotfund  oder  einen  Orabhind  oder  Euföllig  verloren  ge- 
gangene Stücke  vor  uns  haben,  dürfte  schwer  zu  entscheiden  sein.  Vielleicht  rühren 
sie  von  einer  Ansiedelung  her.  In  der  Nähe  wurden  ausserdem  noch  mehrere  Ge- 
weihstücke, Knochen  von  Rind  und  Schwein,  sowie  eine  meuBchtichc  Tibia  gefnideo. 

Die  Fibel  hat  in  ihrer  Construction,  wie  in  der  Ornamentik  Aehntichkeil  mit 
der  einen  Fibel  von  Hirschgarten  (Nachrichten,  Jahrg.  1,  8.  5,  Fig.  1}.  welche 
letztere  aber  doch  wohl  etuus  jünger  sein  dürfte.  Der  neue  Fund  dürfte  immerhin 
wenigstens  in  die  Mitte  der  HatlslaUur  Zeit  zn  setzen  sein.  Er  gelangte  ent  vor 
Kurzem,  hauptsächlich  durch  die  Bemühungen  eines  alten  Gönners,  des  Hm. 
Fabrikanten  H.  Sökcland,  in  das  Königliche  Museum.  H.  Weigel. 

AIjkhkIiIdsol'D  luii  1.  UktiibBT  OAl. 


ErgänznngsblStter  zur  Zeitsehrift  fAr  Ethnologie. 

Nachrichten  über  deutsche  Alterthnmsfimde. 

Mit  Unterstützung  des  Königlich  Preuss.  Ministeriums 
der  geistlichen,  Unten^chts-  und  Medicinal  -  Angelegenheiten 

,  herausgegeben  Ton  der 

Berliner  Gesellschaft  fBr  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte 

unter  Bedaction  Ton 

R.  Virchow  und  A.  Voss. 


Zweiter  Jahrg.  1891.  i!  Verlag  von  A.  ASHBB  k  Co.  in  Berlin.  Heft  5. 


j)ie  Hügelgräber  von  Havemark  bei  Genthin,  Provinz  Sachsen. 

Nachdem  Herr  Dr.  Weigel  in  diesen  Blättern  (Jahrg.  1890,  Heft  2,  S.  27 ff.) 
über  die  Bügelgräber  von  HaTemark  und  über  eine  Ausgrabung  daselbst  berichtet 
hat,  sollen  hier  die  Ergebnisie  der  seither  stattgefundenen  Untersuchungen  des- 
selben Gräberfeldes  mitgetheilt  werden.  Das  Gelände  ist  inzwischen  von  dem 
Königl.  Förster  Hrn.  Forgber  aufgenommen  und  ein  jeder  der  112  Hügel  mit 
einer  Nummer  versehen  worden. 

Hügel  37.  Vier  grosse  Steine  im  Viereck.  Ausserhalb  desselben  (auf  der 
Ostseite)  an  einem  der  Steine  lag  liei  einem  grösseren,  zertrümmerten  Geföss  ein 
Hohlcelt  von  Bronze,  127,  ^^  J^ng;  keine  Oehse;  der  Rand,  nur  wenig  ver- 
stärkt, hat  einen  Durchmesser  von  27)  cm\  von  dem  Rande  bis  zur  Mitte  ist  das 
Werkzeug  rund,  die  untere  Hälfte  ist  vierkantig  und  läuft,  sich  allmählich  ver- 
Uachend,  in  eine  stumpfe  Schneide  von  nur  V\^cm  Breite  aus;  in  der  Höhlung 
des  Celts  befinden  sich  noch  Holzreste.  In  einiger  Entfernung  von  dem  Gelt  ein 
kleines  Thongefäss  aus  grobem  Material,  tassen förmig,  57,  cm  hoch,  oben  Vj,,  cm 
weit,  mit  einem  verhältnissmässig  grossen  Henkel  (letzterer  ist  verloren). 

Hügel  46.  Bei  einer  früheren  Untersuchung  waren  demselben  eine  Meqge  von 
Thonscherben,  sowie  zwei  ganz  gleichartige  Gefasse  (Rand-Durchmesser  20  cm, 
Boden-Durchmesser  10 Va  cn^  Höhe  11  cm)  entnommen  worden.  Nunmehr  fanden 
sich  bei  der  vollständigen  Umkehmng  des  Hügels  nur  noch  vier  Steine  am  nörd- 
lichen Rande  desselben,  die  aber  nicht  mehr  in  einer  Ebei^  lagen. 

Hügel  40  und  41,  dicht  neben  einander  gelegen  und  fast  zusammengeflossen. 
Gefunden  wurden  Umenstückchen,  darunter  solche  mit  eingestochenen  Orna- 
menten, Feuersteinsplitter,  Theile  von  Pferdezähnen;  femer  ein  sehr  kleines,  un- 
verziertes  und  henkelloses  Thongefäss,  5,3  cr/i  hoch,  Rand-T)urchmesser  2,8  cm^ 
grösster  Durchmesser  3,8  cm ,  Boden-Durchmesser  2  ein ;  der  nur  schwach  gewölbte 
Bauch  geht  in  der  Mitte  des  Gefasses  in  c|eit  cylindrischen  Hals  über.  Dabei 
lagen  zwei  Ringe  aus  Bronze:  der  eine  aus  50  mm  breitem  Bande,  in  zwei 
Spiralen  mit  27«  cm  weiter  Oeffnung  gewunden  (zerbrochen);  der  andere  aus 
40  mm  breitem  Bronzeband,  spiralförmig,  aber  verbogen:  Weite  der  Oeffnung  2  cm. 
Ferner  wurden  Stücke  von  einem  grösseren,    leider  nicht  wieder  herzustellenden 

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—     66    — 


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—    67     — 

Thongefäss  aufgenommen,  welche  durch  ihre  intensiv  ockerrothe  Färbung  auf- 
fielen, endlich  noch  ein  Reibstein. 

Hügel  39.  In  der  Richtung  von  Süden  nach  Norden  wurden  gefunden:  zu- 
nächst gebrannte  Knochen;  dabei  zwei  Ohrringe  aus  Bronzeblech,  mit  je  einem 
Loche,  ohne  Verzierungen  (unvollständig  erhalten);  weiterhin  ein  Thongefäss: 
Höhe  9  cm^  Rand-Durchmesser  17*/^  cw,  grösster  Durchmesser  19  cm  (7  cm  über 
dem  Boden),  Boden-Durchmesser  8  cm;  der  Boden  wird  durch  einen  1  cm  hohen 
Fuss  gebildet;  von  da  an  wölbt  sich  das  Gefass  stark  nach  aussen,  der  2  cm  hohe, 
ein  wenig  nach  innen  sich  neigende  Hals  ist  geglättet;  der  ganze  Bauch  ist  mit 
dicht  neben  einander  stehenden  warzenartigen  Erhöhungen  verziert,  welche  diu'ch 
Eindrücken  der  Fingernägel  entstanden  zu  sein  scheinen;  der  gedrungene,  weit- 
öhrige  Henkel  hebt  sich  aus  dem  unteren  Theile  des  Randes  herJius  und  reicht 
bis  zur  Mitte  des  Bauches.  Eine  Halsberge  aus  Bronze,  diademähnlich.  Um- 
fang 33  ein;  in  der  Mitte  am  breitesten  (4'/^  cm)y  wird  das  Stück  nach  den  Enden 
zu  schmaler  und  läuft  zuletzt  in  Tüllen  aus,  von  denen  die  eine  bei  der  Auf- 
flndung  des  Schmuckes  noch  vorhanden  war,  später  aber  zerbrochen  ist.  Ver- 
zierung: 8  Furchen  laufen  den  etwas  hervortretenden  Rändern  des  Stückes  parallel, 
in  die  Ränder,  sowie  in  die  Grate  der  Furchen  sind  eng  neben  einander  Strichelchen 
lothrecht  eingeschnitten.  Eine  Armberge  aus  Bronze:  Durchmesser  des  Ringes 
an  seiner  stärksten  Stelle  1  cm,  Durchmesser  der  Ring-Oeffnung  1^/^  cm;  die  Enden 
verlaufen  in  Spiralscheiben  von  b^J^cm  Durchmesser.  Ein  massiver,  offener  Arm- 
ring von  Bronze  mit  abgeflachten,  abgerundeten  Enden,  un verziert.  Auf  einer 
Holzunterlage  eine  Armspirale  aus  40  Windungen  von  Bronzeband,  welches 
eine  zwischen  50  und  60  mm  schwankende  Breite  hat  und  auf  der  Oberseite  flach 
gewölbt  ist.  Die  Enden  laufen  in  Spiralscheiben  von  2,3  cm  Durchmesser  aus; 
Weite  di^rchschnittlich  6  cm  (vielfach  verbogen  und  zerbrochen).  In  der  Mitte 
des  Hügels  fand  sich  ein  grösserer  Stein,  dabei  ein  Schädel  und  Röhren- 
knochen, weiterhin  nach  Norden,  nur  wenig  unter  der  Oberfläche,  die  Trümmer 
einer  nicht  wieder  herzustellenden  Urne,  endlich,  am  Rande,  auf  dem  Grunde  von 
weissem  Sande,  Branderde.  Ausserdem  wurde  an  einer  Stelle  ein  Reibstein  und 
ein  Sprengstück  eines  solchen  aufgenommen. 

Hügel  51  enthielt  ausser  zerstreuten  Umentrümmern  ein  kleines,  tasscn- 
förmiges  Gefäss:  Boden-Durchmesser  3  cmy  Höhe  5  cm,  Rand-Durchmesser  5*^  cm 
(unvollständig  erhalten);  femer  ein  Schädelstück  und  Knochenreste,  keine 
Steine,  kein  Metall. 

Hügel  22.  Ausser  Gefässtrümmem,  die  in  massiger  Zahl  überall  zerstieut 
waren  und  unverziert  sind,  sowie  Feuerstein-Splittern,  wurden  ein  Schädelstück 
und  dünne  Röhrenknochen  aufgenommen.  Femer  ein  Thongefäss:  Höhe 
11  cm,  Boden-Durchmesser  l^f^cm,  Rand-Durchmesser  Ib^j^cm,  grösster  Durch- 
messer 16*/4  cm;  vom  Boden  aus  steigt  das  Gefäss  mit  ziemlicher  Ausladung  bis 
zum  grössten  Kreise  auf  und  geht  dann  mit  sanfter  Umbiegung  in  den  Hals  über; 
kein  Henkel,  unverziert.  Dann  ein  Thongefäss,  ebenfalls  unverziert  und  ohne 
Henkel;  Boden-Durchmesser  7»/,  cm,  Rand-Durchmesser  Wj^  cm,  grösster  Durch- 
messer 15 Vs  cm,  Höhe  9  cm;  das  Gefass  erreicht  vom  Boden  an  in  seiner  halben 
Höhe  den  grössten  Kreis,  biegt  dann  scharf  um  und  setzt  den  Hals  fast  lothrecht  auf. 

Hügel  21  umschloss,  ausser  den  TrtUnmern  von  6  nicht  herstellbaren  Ge- 
fässen,  ein  stark  verletztes,  unverziertes  Gefäss:  Höhe  9^/.^  cm,  Rand -Durch- 
messer 137j  cm,  Boden-Durchmesser  8  cm;  die  Gefasswand  steigt  vom  Boden  zum 
Rande  auf,  ohne  die  Richtung  zu  ändem.  Femer  ein  fast  ganz  erhaltenes  Gefäss: 
Boden-Durchmesser   7  cm,   Rand-Durchmesser  18  cm,   grösster  Durchmesser  des 

5* 


—     68    - 

Bauches  20  cm;  vom  Boden  an  ladet  es  stark  aus,  bis  es  den  grössten  Kreis  er- 
reicht, dann  wendet  es  sich  kurz  nach  innen,  um  in  den  Hals  überzugehen,  dessen 
oberer  Theil  wieder  stark  nach  aussen  biegt;  als  Verzierungen  befinden  sich  am 
Bauche  drei  waagerechte,  parallele  Furchen  und  unter  diesen  sind  rings  um  das 
Gefäss  herum  1  cm  lange,  schräge  Striche  eingekerbt.  Dann  ein  Reibstein, 
Knochenreste,  und  endlich  ein  Fingerschmuck  aus  Bronze  in  Form  der 
oben  beschriebenen  Armberge,  in  Spiralscheiben  von  P/j  cm  Durchmesser  aus- 
laufend (nur  eine  Scheibe  erhalten). 

Hügel  26.  Eine  grössere  Anzahl  von  Steinen  von  verschiedener  Grösse  in  zwei 
Reihen,  aber  so  dicht  neben  einander  gelegen,  dass  ein  Körper  nicht  Raum  da- 
zwischen gehabt  hätte.  Längs  der  Steine  eine  Menge  Knochenreste.  Femer  zwei  so 
verrottete  und  mit  Wurzeln  dui*chsetzte  Thongefässe,  dass  sie  beim  Herausnehmen 
zerfielen;  nur  eines  derselben  konnte  zum  Theil  wieder  zusammengesetzt  werden; 
Rand-Durchmesser  14  c/w,  Boden-Durchmesser  etwa  T'/a  ci*,  fast  ganz  ohne  Au»- 
,  bauchung,  ohne  Verzierungen. 

Hügel  18.  4  Steine  im  Viereck,  Gefässtrümmer,  ein  paar  Stückchen  Bronze- 
draht, bei  einem  gänzlich  zerstörten  Thongefäss  18  Feuersteinsplitter. 

Hügel  56  enthielt  nur  einige  un verzierte  Gefässtrümmer. 

Hügel  57.  3  Steine,  geringe  Reste  von  Thongefässen ,  keine  Knochen,  kein 
Metall. 

Hügel  64.  In  diesem  war  früher  ein  aus  47»  Spiralen  bestehender  Ring 
von  1  mm  starkem  Golddraht,  Durchmesser  P;,  cw.  Gewicht  IVj^i  sowie  eine 
Bernsteinperle  gefunden  worden.  Jetzt  wurden  bei  weiterem  und  tieferem 
Graben  noch  geringe  Knochenreste  mit  einer  Lanzenspitze  aus  Feuerstein, 
Länge  10  cm,  grösste  Breite  2Yj  cm,  aufgenommen.  Ein  zweites  Grab  mit  spär- 
lichen Knochenresten  war  durch  drei  grosse,  in  einer  Linie  von  Osten  nach  Westen 
gesetzte  Steine  und  einen  vierten,  ganz  seitwärts  liegenden  Stein  bezeichnet.  Bei 
dem  mittelsten  der  3  Steine  lag  ein  Bronzecelt  mit  hellgrtiner,  sehr  mürber 
Patina:  Länge  ISy^  cm,  Breite  in  der  Mitte  2*/^  cm,  der  Schneide  374  cm:  die 
Schaftrinne  in  der  Mitte  6  mm  tief,  die  Ränder  derselben  aufrecht  stehend;  der 
Bogen  der  Schneide  ist  auf  der  einen  Seite  mehr  eingezogen,  als  auf  der  anderen; 
in  der  Schaftrinne  waren  noch  Reste  des  Holzes.  Ebenfalls  noch  mit  dem  Holze 
versehen  war  ein  bei  dem  Gelt  liegender  Bronzestift  (Pfriemen?),  fast  4  rm 
lang,  die  untere,  an  dem  Holze  sitzende  Hälfte  vierkantig,  die  obere  rund.  In  der 
Nähe  desselben  fanden  sich  zwei  Pfeilspitzen  aus  Feuerstein:  die  eine  2,3  cm 
lang,  an  der  breitesten  Stelle  1,2  cm  breit;  von  der  anderen,  1  wir«  schmäleren,  ist 
die  Spitze  abgebrochen. 

Hügel  38.  Auf  der  Südseite  fand  sich  eine  grosse,  unverzierte  Urne,  welche 
aber  so  verwittert  war,  dass  die  Theile  derselben  nicht  wieder  znsammengesetst 
werden  können.  Inhalt:  Knochen  und  ein  verbogenes  Stück  Bronzedraht  von 
3  mm  Stärke,  welches  am  Ende  zu  einer  kleinen  Spiralscheibe  gewanden  ist 
Gegen  die  Mitte  des  Hügels  hin  wurden  Theile  von  einem  zweiten  Thongeftlss 
aufgenommen.  In  der  Mitte  selbst  lag  auf  dem  gewachsenen  Boden  eine  Schicht 
Branderde  mit  Knochen,  aber  keine  Spur  von  einem  Gefäss  oder  Metall. 

Rektor  Müller  in  Genthin. 

Die  Gräberfelder  von  Schermen,  Kreis  Jerichow  I,  Provinz  Sachsen. 

Etwa  1  */,  km  östlich  von  Schermen  liegen  zwei  Gräberfelder,  das  eine  auf 
dem  sogenannten  Eckerberge,  einer  langgestreckten,  niedrigen,  theil  weise  sandigen. 


—     09     — 

theilweise  mit  einer  Kiefernschonung  bestandenen  Erhebung,  das  andere  auf  einem 
benachbarten,  in  südlicher  Richtung  davon  gelegenen,  namenlosen  Hügel  ähnlicher 
Formation,  dicht  am  Wege  nach  Grabe  w.  Das  erstere  gehört  der  vor  römischen 
Eisenzeit  an. 

Ich  fand  hier  nur  eine  einzige,  total  zerbrochene  Urne,  die  ohne  irgend  eine 
Steinsetzung  etwa  2  Fuss  tief  unter  der  Erdoberfläche  stand.  Zwischen  den  vom 
Leichenbrand  übrig  gebliebenen  Knochen  lagen  als  Beigaben:  eine  14,4  cm  lange, 
eiserne  Nadel  mit  doppelkonischem  Kopf  und  kleinen  Einkerbungen  unter  dem- 
selben; eine  zweite  Nadel,  ebenso  von  Eisen,  mit  einer  kleinen  Einbiegung  unter 
dem  angenieteten,  scheibenförmigen  Bronzekopf,  unten  defect;  sowie  verschiedene, 
zum  Theil  beim  Leichenbrand  angeschmolzene  Bruchstü^e  von  Bronze  und  Eisen. 

Von  dieser  selben  Localität  bekam  ich  durch  Hm.  Förster  Wagner  in  Schermen 
noch  zwei  vollständige  Grabfunde,  zwei  gut  erhaltene  Urnen  mit  je  einem  Bei- 
gefäss,  als  Geschenk  für  das  Königl.  Museum: 

Erstlich  eine  flache  Urne  aus  braunem  Thon,  1 1 ,2  cm  hoch,  20,2  cm  im  grössten 
Durchmesser  haltend;  der  sehr  weite,  etwas  abgesetzte  Hals  und  ein  etwa  einen 
Finger  breiter  Streifen  unten  um  die  Standfläche  hemm  sind  glatt,  der  übrige 
Theil  der  Aussenfläche  ist  künstlich  rauh  gemacht;  zwischen  dem  Halse  und  der 
grössten  Ausbauchung  befinden  sich  anstatt  der  Henkel  kleine  doppelknopfartige 
Ansätze.  —  In  der  Urne  lag  zwischen  den  Knochen  als  Beigefass  ein  kleiner,  roh 
gearbeiteter  Napf  aus  grauem  Thon,  ein  kleiner,  einfacher  Gürtelhaken,  sowie 
mehrere  verrostete  Fragmente  von  Eisen. 

Die  zweite  Urne,  ebenfalls  aus  braunem  Thon,  ist  bedeutend  grösser  und 
höher,  in  der  Mitte  ausgebaucht,  fein  geglättet,  ohu^  Ornamente  und  Henkel,  27  cm 
hoch,  29  cm  im  grössten  Durchmesser.  In  derselben  stand  ein  kleines,  einhenk- 
liges BeigePäss,  7,2  cm  hoch,  13,3  cm  im  grössten  Durchmesser.  Metall-Beigaben 
fanden  sich  in  diesem  Grabe  nicht.  — 

Bedeutend  ergiebiger,  als  auf  dem  ersten  Gräberfelde  von  Schermen,  waren  die 
Ausgrabungen  auf  dem  etwa  10  Minuten  südlich  davon  gelegenen  zweiten,  welches 
der  Zeit  der  Völkerwanderungen,  etwa  dem  4.  bis  5.  Jahrhundert  nach  Chr., 
der  letzten  germanischen  Periode  in  diesen  Gegenden  vor  der  slavischen  Invasion, 
angehört. 

Es  wurden  hier  von  mir  und  dann  von  Hrn.  Förster  Wagner,  der  in  eifrigster 
Weise  meine  Arbeiten  fortsetzte,  im  Ganzen  etwa  40  Gräber  aufgedeckt,  die,  mit 
wenigen  Ausnahmen,  gut  erhaltene  Urnen  enthielten.  Diese  standen  alle  sehr  flach, 
durchschnittlich  vielleicht  nur  30  -  50  cm  unter  der  Oberfläche  des  sandigen  Hügels, 
manche  noch  flacher,  eine  sah  sogar  mit  ihrem  Rande  oben  aus  der  Erde  heraus. 
Steinsetzungen  fehlten  vollkommen,  ebenso  auch  Beigefässe,  wie  es  für  diese  Gegend 
und  während  dieser  Periode  üblich  gewesen  ist.  Was  die  Form  der  Urnen  an- 
betrifft, so  zeigten  die  meisten  die  für  diese  späte  Zeit  besonders  typische,  überall 
wiederkehrende  Schalenform  mit  einer  sehr  kleinen  Standfläche,  einer  für  die 
geringe  Höhe  ziemlich  starken  Ausbauchung  und  einem  etwas  ausladenden  Rande. 


—    70    — 

Vier  Urnen  repräsentiren  den  zweiten,  weniger  häufigen  Typus  dieser  Zeit,  eine 
etwas  höhere  Form,  eine  schwächere  und  mehr  nach  oben  liegende  Ausbauchung 
und  einen  etwas  nach  innen  eingezogenen  Rand.  Mehrere  sind  mit  ganz  flachen, 
horizontalen  Furchen  über  der  Ausbauchung  verziert;  eine  Urne  zeigt  ein  aus  ein- 
geritzten Linien  bestehendes  Zickzackmuster,  eine  andere  Nageleindrücke;  die 
meisten  sind  jedoch  ohne  Ornamente  und  stellen  so,  im  Gegensatz  zu  einigen  alt- 
märkischen Gräberfeldern,  wo  einzelne  Urnen  dieser  Zeit  vollständig  mit  den  ver- 
schiedensten Ornamenten  bedeckt  sind,  die  einfachsten  und  schmucldosesten  Typen 
dieser  keramischen  Periode  dar.  Ein  einziges  kleines  Gefäss  ist  mit  einem  Henkel 
versehen  gewesen,  während  alle  übrigen  Urnen,  dem  gewöhnlichen  Typus  ent- 
sprechend, henkellos  sin4 

Auffällig  ist   der   fast  vollständige  Mangel  an  Beigaben. 
Eine  ganz  defecte,  kleine,  beim  Leichenbrand  angeschmolzene 
Armbrustfibel  mit  breitem,  bandartigem  Bügel  ist  das  einzig 
Stück,  das  in  den  etwa  40  Gräbern  gefunden  wurde;  selbst  die 
sonst    so    häufigen    kleinen    Knochengeräthe    und   die   Harz- 
stückchen fehlten,  welche  letztere  fast  in  jeder  Urne  auf  den 
altmärkischen  Gräberfeldern  dieser  Zeit  zu  finden  sind. 
Wichtig  ist  dieses  zweite  Gräberfeld  besonders  in  topographischer  Beziehung, 
denn  es  dürfte  wohl  ziemlich  der  südlichste  Punkt  sein,  wo  dieser  eigenthümliche 
Urnentypus,  den  man  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  den  Langobarden  zugewiesen 
hat,  bisher  vorgekommen  ist.  M.  Weigel. 


Brandgrube  von  Bruchhausen  bei  Heidelberg. 

Ungefähr  eine  Stunde  südwestlich  von  Heidelberg  und  1  km  nördlich  von  dem 
Hofe  Bruchhausen  liegt  dicht  an  der  alten  Speyrer  Strasse  eine  grosse  Kiesgrube. 
Am  östlichen  Rande  derselben  befindet  sich  noch  der  angeschnittene  und  im 
Profil  aufgeschlossene  Ueberrest  einer  alten  Brandgrabe,  deren  Haupttheil  bereits 
bei  der  Ausnutzung  der  Riesgrube  .mit  abgebaut  worden  ist 

Diese  Brandgrube,  die  ich  im  Verein  mit  dem  hiesigen  Landes -Geologen 
Dr.  A.  Sauer  untersucht  habe,  erstreckt  sich  bis  etwa  1,5  m  unter  der  natürlichen 
Oberfläche  und  zeigt  in  ihrem  heute  noch  erhaltenen  Reste  eine  Breite  von  etwa 
3,5  m.  Die  Cultur-  und  Brandschicht  am  Boden  derselben,  die  sofort  durch  ihre 
schwarze  Färbung  inmitten  des  umgebenden  hellen  Kieses  auffällt,  hat  eine  Höhe 
von  25  cm  und  besteht,  abgesehen  von  Kies  und  Erde,  aus  Holzkohlenstückcben^ 
Topfscherben,  Knochenresten,  gebrannten  Thonstücken  und  Stücken  von  Basali- 
lava. Dil,  wo  die  Brandschicht  mit  dem  umgebenden  und  unterlagemden  Riese 
in  Berührung  steht,  erscheint  der  letztere,  in  Folge  längerer  Brandeinwirkung,  wie 
versintert,  so  dass  er  am  Grunde  der  Brandschicht  sich  schalenförmig  absondern 
lässt.  — 

Was  den  Culturinhalt  der  Grube  betrifft,  so  sind  die  Topfscherben  aus 
sehr  rohem,  sandhaltigem,  unglasirtem  Material,  ohne  Hülfe  der  Töpferschetbc 
hergestellt,  jegliche  Verzierung  fehlt,  . —  kurz,  keramische  Erzeugnisse  der  aller- 
urwüchsigsten  Art. 

Die  Knochenreste  sind  nicht  häufig;  wenigstens  nicht  in  dem  erhaltenen 
Theilc  der  Brandgrube.  Unter  denselben  fand  sich  der  Splitter  einer  Rippe  von 
pfriemenförmiger  Gestalt.  Ob  künstliches  Erzeugniss  oder  nur  zufällig  so  geformt« 
lasse  ich  dahingestellt. 


-^     71     - 

Der  roth  gebrannte  Thon  kommt  häufig  in  kleineren  und  grösseren 
Stücken  in  der  Brandschicht  vor.  Der  Stoff  zu  demselben  stammt  nicht  von  Ort 
und  Stelle,  sondern  wohl  aus  dem  Löss  der  eine  halbe  Stunde  entfernten  Orte 
Rohrbach  oder  Leimen,  wie  eine  gut  erhaltene  Lössschnecke  (Pupa)  in  einem  der 
gebrannten  Stücke  beweist. 

Am  auffallendsten  ist  das  Vorkommen  von  Stücken  von  Basaltlava  in  der 
Culturschicht  der  Brandgrube.  Dieselben  wurden  von  Hrn.  Dr.  Sauer  auf  den 
ersten  Blick  als  von  Nieder-Mendig  bei  Andernach  stammend,  an  ihrem  charak- 
teristischen Gepräge  erkannt  und  ein  DünnschlifiT  bestätigte  diese  Ansicht  voll- 
ständig. Dieser  Fund  hier  in  der  Rheinebene,  wo  weit  und  breit  derartiges 
Material  nicht  vorkommt,  muss  überraschen.  An  eine  spätere  Verschleppung  ist 
nicht  zu  denken,  da  wir  die  Lavastücke  mitten  aus  der  ursprünglichen  Lagerung 
zwischen  den  Topfscherben,  Knochen,  Kohlen  u.  a.  w.  entnahmen. 

Bs  fragt  sich  nun,  wie  kommt  diese  Lava  vom  unteren  Rhein  hierher  in  die 
pfälzische  Brandgrube,  wo  sie  sich  inmitten  von  Gegenständen  fand,  die  auf  einen 
niedrigen  Cnlturgrad  hinweisen?  Ich  glaube  hier  an  die  Römer  denken  zu  dürfen, 
deren  Strassen  die  hiesige  Gegend  durchzogen  und  die  auch  bereits  die  Lava- 
brüche von  Nieder-Mendig  zur  Herstellung  von  Mühlsteinen  benutzt  haben  sollen. 
Lupodunum  (heute  Ladenburg),  die  Römerstation  am  Neckar,  liegt  etwa  12  km 
nördlich  von  der  in  Rede  stehenden  Brandgrube. 

Ohne  den  Fund  der  Basaltlava,  der  auf  die  Römer  deutet,  würde  dem  Inhalte 
nach  die  Brandgrube  wohl  als  älter  gedeutet  worden  sein.  So  müssen  wir  sie 
aber  wohl  in  die  Römerzeit  setzen.  Dr.  R.  Andrec,'  Heidelberg. 


Gussformen  von  Falkenberg,  Kreis  BeesKow-Storkow,  Provinz 

Brandenburg. 

Die  geringe  Zahl  von  Gussformen  aus  der  älteren  Metallzeit  im  nördlichen 
Deutschland  ist  kürzlich  um  zwei  interessante  Stücke  vermehrt  worden,  welche 
durch  die  Güte  des  Hm.  Rechtsanwalt  Fr.  Remling  in  Berlin  in  das  Köuigl. 
Museum  gelangten.  Beide  Stücke,  die  bei  Falkenbei-g,  Kreis  Beeskovv-Storkow, 
auf  einem  Grüberfclde  der  Hallstätter  Zeit  gefunden  sind,  gehören  zusammen, 
passen  auf  einander  und  bilden  die  beiden  Hälften  einer  für  einen  Hohlcelt  be- 
stimmten FornL  Die  grösste  Länge  beträgt  16,  die  grösste  Breite  7  cm.  Der  zu 
giessende  Gelt  würde  von  der  Tülle  bis  zur  Schneide  eine  Länge  von  11,6  cm  be- 
sitzen. Es  ist  eine  ziemlich  gewöhnliche  Form  der  Hohlcelte  mit  starker  Mittel- 
rippe und  zwei  seitlichen,  längslaufenden  Rippen,  kleinem  Oehr  und  etwas  ver- 
breiteter Schneide. 

Ausser  dieser  Hohlcelt  -  Form  sind  an  beiden  Hälften  an  den  übrigen 
Seiten  noch  drei  andere  kleinere  Gussformen  angebracht,  über  deren  Zweck  ich 
nicht  ganz  sicher  bin.  Die  eine  (Fig.  1)  ist  zweimal,  auf  jeder  Gussform-Hälftc 
einmal,  vertreten  und  zeigt  einen  etwa  2  cm  Durchmesser  im  Lichten  haltenden  eiri- 
gefurchten  Kreis,  von  dem  nach  einer  Seite  hin  zwei  ebenso  flache,  schmale 
Furchen  ausgehen.     Es  ist  vielleicht  das  Ende  eines  MessergrifTes. 

Die  andere  Form  (Fig.  2),  die  nur  einmal  vertreten  ist,  macht  etwa  den  Ein- 
druck eines  Doms  von  einer  Brillen-Fibel.  Sie  zeigt  an  einem  Ende  zwei  etwas 
un regelmässige,  ziemlich  tief  eingefurchte  Kreise,  von  denen  der  eine  offen  ist, 
und,  davon  ausgehend,  eine  lange,  gerade,  tiefe  Furche. 


—     72    — 


Figur  2. 


Figur  1. 


74 


V4 


Das  wichtigste  an  dem  ganzen  Funde 
ist  das  Material :  während  die  meisten  übrigen 
Gussformen  aus  Bronze  oder  Stein  bestehen, 
sind  diese  aus  einem  ziemlich  hartgebrannten, 
bräunlichen  Thon  hergestellt,  und  zwar,  was 
mir  am  interessantesten  ist,  aus  einem  ganz 
anderen  Thon,  als  er  sonst  hier  zu  Lande  in 
der  Mark  an  prähistorischen  Thongefassen 
vorkommt.  Er  ist  nehmlich  stark  glimmer- 
haltig,  wie  er  z.  B.  an  Gefossen  aus  Mähren, 
Böhmen  und  Ungarn  bekannt  ist 

Damit  soll  nicht  gesagt  sein,  dass  die 
Form  gerade  aus  einem  dieser  Länder 
stammen  müsste;  auf  jeden  Fall  stammt  sie 
aber  nicht  aus  der  Mark.  Und  somit  ist  dieser 
Fund  ein  neuer  Beweis,  dass  man  aus  dem 
vereinzelten  Vorkommen  von  Gussformen 
keineswegs  auf  ,eine  wirklich  einheimische 
Bronzetechnik  schliessen  darf,  und  das« 
diese  vereinzelten  Gussformen  ebenso  gut, 
wie  die  zahllosen  Bronzen,  aus  weit  ent- 
legenen Culturländern  des  Südens  importirt 
sein  können. 

M.  Weigel. 


Das 


bei  Rusdorf,  Kreis  Crossen  a.  d.  0. 


Südlich  von  Grossen  sind  die  Ueberfluthungsgebiete  der  Oder  und  des  Bober 
durch  eine  langgestreckte  Höhe  von  einander  geschieden,  die  sich  in  den  rechten 
Winkel  hineinschiebt,  den  beide  Flüsse  bilden.  Der  Nordrand  geht  in  einem  Ab- 
stände von  3,5  km  der  Oder,  der  Westrand  in  einer  Ehitfernung  von  1 — 2  km  dem 
Bober  parallel.  Wie  die  Bodenschichten  andeuten,  ist  diese  Erhebung  wohl  da- 
dm'ch  aufgehöht  worden,  dass  die  Flüsse  durch  ihren  Wogenanprall  auf  einer 
vielleicht  schon  vorhandenen  Bank  beiderseits  Sand  abschlugen.  Noch  jetzt  er- 
reichen bei  Hochwasser  Oder  und  Bober  den  Fuss  des  Plateaus.  Auf  der  West- 
seite treten  einzelne  Halbinseln  heraus :  die  nördlichste  unter  ihnen,  ein  verhältniss- 
mässig  schmaler  Streifen,  welcher  nach  der  Ecke  zwischen  den  Flüssen  hin  in 
eine  Spitze  ausläuft,  ist  von  der  Stadt  Crossen  3,5  km  in  südlicher  Richtung  ent- 
fernt und  gehört  zur  Feldmark  von  Rusdorf.  Im  Volksmunde  wird  diese  Berg- 
lehne die  Schwedenschanze  genannt,  während  diese  Bezeichnung  im  engeren 
Sinne  dem  Walle  gilt,  der  das  sogenannte  Pulverhäuschen  umgiebi  Auf  jener 
halbinselartigen  Höhe  befindet  sich  ein  Gräberfeld,  dessen  Aufschliessung  bereits 
um  1860  begonnen  hat;  beim  Abfahren  des  Sandes  zu  einer  wasserfreien  Ver- 
bindung des  dichtbenaehibarten  Dorfes  Alt-Rehfeld  mit  der  Boberbrücke  ist  die 
Fundstätte  von  Neuem  ausgebeutet  worden.  Während  früher  ein  nach  Südwesten 
gerichteter  Durchstich  hergestellt  wurde,  erfolgt  jetzt  die  Abtragung  an  der  nordöst- 
lichen Seite,  und  zwar  meist  in  der  Art,  dass  durch  Untergrabung  einzelne 
Schichten  abgesprengt  werden.     Hierbei  wird  ein  anschaulicher  Durchschnitt  der 


/ 


-    73    — 

Gräber  sichtbar,  doch  ist  nicht  zu  verhüten,  dus  ein  Theil  der  GefÜssc,  namentlich 
die  ^Bseren,  in  dem  abrollenden  Boden  Schaden  leidet.  *I)ic  ülteren  Funde  sind 
zersplittert  worden:  einige  befinden  sich  im  Besitz  des  historischen  Vereins  zu 
Frankfurt  a.  d.  0.  (Verhandl.  d.  Berliner  Gcsellsch.  f.  Anthropologie,  187C.  S.  218), 
andere  im  ^rmanischen  Museum  zu  Nürnberg  (Katalog  der  vorgeschichtlichen 
Denkmäler  in  demselben,  8.  ti5,  Nrn.  5080—5091,  509*)  5121);  eine  kleinere  Zahl 
ist  vor  einigen  Jahren  der  Gubener  Gymnasial  Sammlung  geschenkt  worden  (Ver- 
handlungen 1887,  S.  406). 

Die  Gräber  liegen  nur  '/>  "<  tief,  in  gelbem  Sande;  sie  sind  nicht  selten  durch 
unbehanenc,  rundliche  und  längliche  Feldsteine  von  30  —  50  im  Durchmesser  ge- 
deckt und  seitlich  abgegrenzt.  Die  Regel  ist  ein  geordneter  Steinsatz  nicht;  bei 
einer  grossen,  ohne  jedes  Beigetäss  eingesetzten  Leichenurnc  warmer -besonders 
dicht;  in  Fällen,  wo  zahlreiche  Töprchen  mitgegeben  sind,  fehlt  er  bhweilen 
gänzlich.  Eine  Gmtt  war  dick  mit  Lehm  ausgeschlagen.  Die  Zahl  der  Beigetässe 
betrügt  oft  12—14.    Dagegen  ist  Metall  überaus  spärMch. 

Die  Leichenurnen  haben,  soweit  sie  erbalten  sind,  die  Form  ungegliedert 
sich  erweiternder,  unter  dem  Bande  ein  wenig  eingebogener  Töpfe;  bei  dem 
grössten  Exemplare,  von  26  cm  Höhe  mit  27  cm  weiter  OefTnung,  treten  10  rni 
unter  dieser  zwei  zapfenartige  Knöpfe  heraus;  bei  etwas  kleineren  ist  ein  Wulst 
angelegt  oder  durch  Herabstreichen  des  Thons  hergestellt:  er  ist  entweder  durch 
Fi  ngcreind  rücke  knöpfchen  artig  gegliedert,  oder  er  verbreitert  sich  durch  Jlache 
lÜindrücke,  in  regelmässigen  Abständen,  zu  ringiirtigen,  kleinen  Scheiben.  Bin 
Gcfuss  hat  annähernd  die  Form  einer  Terrine,  doch  ist  der  obere  Theil  minder 
stark  eingewölbt,  der  tlals  kurz  und  fast  senkrecht  aufgerichtet  (Höhe  19,  grösstc 
Weite  24,  Boden  8,  obere  OefTnung  14,5««):  über  Äwei  Furchen  sind  vier  Mal 
concentrische  Halbkreise  mit  einem  Tnpfeneindruck  in  der  Mitte  eingeprägt. 

Die  Beigaben  bestehen  zumeist  in  Schales,  ttieib  henkekosen,  theils  mit 
kreisförmigem  Henkel,  der  sich  oft  von  einem  kantigtn  Grat  aus  beiderseits  ab- 
dacht; alle  hoben  eine  kleine  Bodenerhebung.  Dazu  kommen  Näpfe,  bei  welchen 
sich  die  Seitenwand  kantig  vom  Boden  absetzt,  und  kleine  Teller  mit  einwärts 
übergelegtem  Kunde,  der  spiraügc  Streifen  oder  korze  Querstriche,  zwischen  ihnen, 
bisweilen  in  gleichmässiger  Vcrtheilung,  flache,  breite  Eindrücke  zeigt. 

Die  Tassen  sind  zum  Theil  niedrig  und  etwas  ungeschickt  gearbeitet,  zum 
Theil  von  gefälliger  Form,  mitunter  verziert:  an  einem  Exemplar  ziehen  sich  unter 
dem  Henkel  einerseits  und  andererseits  wenig  vom 
Boden  entfernt,  waagerechte,  dreifache  Strich- 
gruppen  hin,  die  durch  aus  einander  gerichtete,  mit 
den  Enden  nicht  unmittelbar  zusammenstossende, 
kurze,  schräge Liniensysteme  verbunden  sind(Fig.  1), 
—  eine  Verzierung,  welche  an  die  in  den  citirten 
Verhandlungen  1884,  S.  572  und  1890,  8.  488  be- 
schriebene von  Friedlaud  i.  L.  und  Giesensdorf, 
Kreis  Beeskow,  erinnert. 

Besonders  zahlreich   sind   kleine,   gehenkelte  ,, 

Gefasschen   von   Dacher  Topf-   und   Kännchen- 

form  erhalten,  verziert  mit  kurzen,  senkrechten  Fnrc{)&n.  Die  den  I^eichen- 
behältem  gleichenden,  ungegliedert  aufsteigenden  BeigeTusse  von  8—12  im  Höhe 
zeigen  einen  oder  zwei  waagerecht  umlaufende  Kreise  von  Xagelkerben  (vergl. 
Fig.  4),  von  denen  aus  nicht  selten  senkrechte  Reihen  (in  einem  Falle  deren  10, 
in  einem  anderen  20)  gleichartiger  Eindrücke  sich  zum  Boden  herabziehen.    Minder 


—    74    — 

zahlreich  sind  mittelgroiise,  terrinenförmige  Gefässe  mit  Ochsen,  die  bisweilen 
senkrechte  Striche  auf  der  Anabauchung  tragen;  gewöhnlich  umziehen  sie  waage- 
rechte Farchen  and  Kehlstreifen:  zwischen  diese  sind  in  einem  Falle  schnlgi;. 
kurze  Linie nsysteme  von  wechselnder  Richtung  eingezeichnet,  die  nn mittel biir  an 
einander  geschoben  sind.  Mehr  zusammengesetzt  ist  die  Veraemng  bei  zwei  Ge- 
ßtssen  derselben  Form.  Bei  einem  von  12  cm  Höhe  mit  zwei  kräftigen  Oehsen 
(Fig.  i)  sind  der  weitesten  Ausbauchung  5,  bezw.  Ü  KehlBtreifcn  eingestrichen, 
welche  unter  den  Oehaon  und  in  der  Mitte  zwischen  diesen  durch  3—4  um  einen 

Figur  3. 


V.  V. 

Fingertupf  concentrisch  gezogene  hu  feisen  förmige  Eindrucke  unterbrochen  sind. 
Ueber  der  Zone  der  Kehlstreifen  sind  nur  (i  mm  hohe  Dreiecke  eingvkritzelt,  doch 
ist  diese  Zeichnung  in  der  Mitte  zwischen  den  Oehsen  tiber  dem  Hufeisen  unter- 
brochen und  durch  ftinf,  bezw.  sechs  etwa  linsengrosse,  flache  Tupfen  ersetzt.  Hei 
dem  zweiten  Gefiissc  von  10  (tn  Höhe  (Fig.  3)  ist  in  den  conceatrischen  Einzeich- 
nungen  die  äusaerste  Rippe  durch  feine  Funkteinstiche  in  aufHilliger  Weise  rer- 
ziert  (vergl.  die  Abbildung  eines  Gefaases  von  Weissig  (am  Rober)  in  den  citirien 
Verhandlungen  188(i,  S.  ti.")7,  Fig.  10,  und  schlesische  Funde);  die  kleinen  Dreiecke 
sind  hier  nicht  unmittelbar  an  einander  stossend,  und  mit  der  Spitze  nach  unten 
^richtet,  an  die  Furche  angchüngt,  welche  die  Keblstreifenzone  oben  in  der  Höh«' 
der  Oehsen  begrenzt;  diese  kleinen  Dreiecke  von  (>  mm  Höhe  sind  mit  feinen 
Parallelstrichen  Husgefüllt. 

Durch  die  Verzierungsmuster  scbliesst  sich  die  Fundalelle  der  in  den  citirten 
Verhandlungen  wiederholt  (1889,  S.  223  und  1890,  S.  4S0)  berührten  Gruppe  von 
Gräberfeldern  an,  deren  Gefiisse  dem  Niederlausitzer  Typus  nahe  verwandt  ond 
einerseits  durch  die  eingeritzten  Strichmuster  und  die  Panklreihen,  undererscils 
durch  Nugeleindrücke  charakterisirt  sind.  Diese  Gruppe  erstreckt  sich  vom  Bober 
uns  bis  über  die  Spree,  vorläufig  bis  Qiesensdorf  und,  wie  die  jüngsten  Funde  be- 
wiesen haben,  bis  Falkenberg  bei  Beeskow- 

Unter  den  Beigaben  des  Rusdorfer  Feldes  fehlen  Flüschchen  und  gelheilte 
Oefässe,  dagegen  haben  sich  sogenannte  Räuchergefüsse  von  mittlerer  Grüsie 
gefunden.  Der  glockenrormige  Fuss  des  einen  hat  Fenster  in  Gestalt  senkrecht 
gestellter  Ellipsen;  der  Teller  ist  geschlosson  und  hat  glatten  Rund.  Das  zweite 
hatte  nach  der  Beschreibung  eine  centrale  ücffnung. 

Von  seltneren  Beigaben  ist  eine  gmssere  TiegcUcbalc  von  20  m  Durch- 
messer zu  erwähnen,  die  flach  ausgelegteu  Rund  und  4  FCsse  baU«  und  im 
Ganzen  dem  Exemplar  von  Sellussen,  Kreis  Spremberg,  glich  (vergl.  d.  ciL  Verh 


—    75    — 

1887,  8.461).    Endlich  ist  als  ein  recht  seltenes  Stück  ein  kleines  tischartiges 
Qerüth  zu  erwähnen,   das  aas  einem  Thonbrett  oder  einer  sehr  fluchen  Schale 
und  einem  stempelartigen,   unten  ver- 
breiterten Fuaac   ron  3  cm  Höhe   bo-  F'P"  *■ 
Bteht   (Fig.  4).     Die   Einwölbung  der 
Platte  TOn  II  ei«  Darchmesser  betrügt 

in   der  Mitte   nur   1  cm.    Ein  Seiten-  

stUck  BUS  der  Provinz  Poaen  befindet 
sich  im  Königl.  Uusenm  liir  Völker- 
kunde zu  Berlin,  eines  mit  tiefer 
ausgerundeler  Schale  von  Polgsen, 
Kreis  Wohlnu  (siehe  Abbildung  in 
BüBching,DieheidnischenAJterthUmer  i/^ 

Schlesiens,  Heft  3,  1823,  Taf.  6,  Fig.  i) 

im  Provincial-Hnseum  zu  Breslau.  Das  Rusdorfer  Exemplar  war  wie  ein  Deckel 
in  ein  mit  zwei  Reihen  von  Nngelkerben  verziertes,  schlankes,  tasscnnrtigcs  Oelass 
eingestellt. 

Im  Ganzen  sind  60—70  Gegenstände  aus  Thon  aufbewahrt  worden.  Von 
Metall  ist  ein  kleiner,  olTener,  nach  den  beiden  Enden  hin  abgeplatteter  Bronze- 
ring von  unregel massiger  Fonn  (Durchmesser  im  Lichten  1  cm)  erhallen,  femer 
zwei  Theile  eines  spiralig  gewundenen,  bronzenen  Nadelschaftes  oder  grösseren 
Ringes  von  3  mm  Stärke,  endlich  eine  1:2,5  em  lange  Bronzenadel  mit  fast  halb- 
kageligem  Kopf  von  8  mm  Durchmesser.  Als  besonders  interessant  ist  schliesslich 
ein  Gongloroerat  verkohlter  Hülsenfrüchte  (Hirse  oder  Linsen)  zu  erwähnen, 
das  im  Aussehen  denjenigen  Resten  ähnelt,  die  im  heiligen  Lande  bei  Niemitzsch, 
Ki-eis  Guben,  in  einem  terrinenartigen  Geßisse  gefunden  sind  (Vcrhandl.  1887, 
S.  .WS),  H.  Jentsch. 


AlamannisGhe  Gräber  an  der  oberen  Donau. 

(Vei^l.  diese  Nachrichten  1890,  S.  54.) 

Der  rUhrigp  historische  Verein  von  Dillingen  setzte  im  heurigen  Sommer  die 
früher  begonnenen  Arbeiten  fort.  Auf  dem  Gräberfelde  bei  Qandelfingcn  wurden 
vier  Gräber  geöffnet.  Im  ersten  lag  ein  männliches  Skelet  mit  eingeschlagenem 
(?)  Hinterkopfe,  über  dem  Schoosse  zusaroroengelegtcn  Armeu  und  nach  aussen  ge- 
krümmten Händen;  an  Beigaben  fanden  sich  eine  Spatha  und  ein  Sax,  von  der  linken 
Hand  umklammert,  ein  Dolchmesser,  eine  Lanzenspitze  und  Feuersleinspliltcr, 
Riemenzungen  and  Schliessen  von  Eisen  und  Bronze.  Im  zweiten  ein  Skelet  ohne 
jede  Beigabe;  im  dritten  ein  auf  dem  Bauche  liegendes  Skelet  mit  kleinen  Eiscn- 
stUcken;  im  vierten  ein  Mädchcnsketet  mit  einem  Messer  und  einer  Schnalle  von 
Eisen.  Die  Schädel  werden  als  dolichoccphal  bezeichnet,  die  Leichen  waren 
orientirt. 

Im  vorigen  Jahre  wurden  auf  dem  Gräberfelde  bei  Schretzheim  7  Gräber 
geölTnet,  in  diesem  Jahre  die  doppelte  Anzahl.  Beim  Ausheben  des  ersten  zeigte 
sich  neben  der  Fläche  des  eigentlichen  Grabes  ein  Halbkreis  schwarzer,  mit  Thon- 
scherben  verschiedener  Färbung,  Kohlen  und  Thierknochen  vermischter  Erde,  der 
mit  dem  olfenen  Durchmesser  an  die  Seite  des  Grabes  links  ansticss  und  auf  dem 
gewachsenen  Lehm  aufsass;  vcrmoihlich  wurde  auf  diesem  Halbkreise  das  Todteu- 
mahl  bereitet  und  verzehrt.    An  der  linken  Seite  des  dolichoccphalen  Skcicts  lag 


—     76     — 

eine  Spatha  (1,02  m  lang),  von  deren  hölzerner  Scheide  noch  die  2iierknöpfe 
aus  Bronze  erhalten  waren;  gefunden  wurden  ferner  eine  Gtirtelschnalle  und 
-Zunge  aus  Bronze,  ein  eiserner  Schildbuckel  mit  cylindrischer  Wandung  und 
kegelförmiger  Spitze,  ein  Bronzering,  eine  Tjanzenspitze  und  eine  Scheere,  ein 
weissbcinemer  Kammhalter  mit  zwei  Rammen,  oben  mit  einem  Eisenring  zum 
Aufhängen  versehe^  und  auf  das  zierlichste  ornamentirt.  —  Das  nächste,  nur  durch 
eine  Lehmwand  von  1  dem  Dicke  getrennte  Grab  enthielt  das  treue  Ross  des 
Kriegers,  neben  dem  es  gezäumt  und  gesattelt  bestattet  worden  war;  es  war  von 
einer  kleinen  Rasse  und  ohne  Hufbeschläge.  Dabei  fanden  sich  die  sehr  gut  er- 
haltene Trense  und  verschiedene  Zierden  des  Sattel-  und  2^umzeuge8  aus  Bronze. 
Mit  Bezug  auf  die  Angaben  Lindenschmit's  (Handbuch  der  deutschen  Alter- 
thumskunde)  sei  hier  eingeschaltet,  dass  beerdigte  Pferde  im  (ranzen  immer  eine 
Seltenheit  sind  und  bis  jetzt  nur  bei  Grabstätten  entdeckt  wurden,  welche  sich 
auch  sonst  durch  reiche  Waffen  oder  Schmuck  auszeichnen.  Auf  den  Grabfeldcm 
zu  Nordendorf  (bei  Augsburg)  und  Ulm  wurden  vier  Pferde  gefunden,  vereinzelte 
zu  Fridolfing  (bei  Laufen  an  der  Sulzach)  und  Selzen  (in  Hessen);  bei  Beckum 
(in  Westfalen)  dagegen  in  77  Gräbern  14  Pferde-Skelette.  Hufeisen  kamen  über- 
haupt noch  niemals  zum  Vorschein.  —  Das  dritte,  vierte,  fünfte  und  sechste  Grab 
bargen  Kinderleichen,  wovon  zwei  ohne  Beigaben,  während  bei  der  dritten  eine 
Urne  und  eine  eiserne  Gürtelschnalle,  bei  der  vierten  ebenfalls  eine  Gürtelschnalle 
von  Eisen  und  ein  Beinkamm  mit  zwei  Zahnreihen  sich  fanden.  —  Reichere  Beute 
ergaben  die  nächsten  Gräber.  Im  siebenten  lag  ein  dolichocephaler  Krieger,  bei 
welchem  eine  blattförmige  Lanzenspitze,  eine  Spatha  (am  rechten  Arme)  mit  Schnalle 
und  Riemenzunge  vom  Bandelier,  ein  Messer  (an  der  rechten  Hüfte)  und  ein  sehr 
gut  erhaltener  Schildbuckel  in  Gestalt  eines  Kugelsegmentes  mit  Griftspaiige  ge- 
funden wurden;  aus  der  Lage  der  letzteren  gelang  es,  Standort,  Form  und  Grösj»e 
des  Schildes  zu  bestimmen.  Der  Schild  war  oval,  1,4  m  hoch  und  0,85  w  breit, 
stand  hinter  dem  Kopfe  auf  der  Grabsohle  auf  und  lehnte  an  der  anderen  Wand 
des  Grabes  an.  —  Das  achte  Grab  enthielt  ein  Frauenskelet  mit  einer  Halskette  ans 
grünen,  rothen  und  gelben  Thonperlen,  einer  eisernen  Gürtelschnalle  an  der  Hüfte, 
zwischen  den  Knien  eine  grosse  Bernstein-  und  eine  grosse  Thonperle.  —  Im  neunten 
Grabe  lag  ein  Kind  mit  einer  Perlenhalskette  aus  Thon,  buntem  Glasschmelz,  mit 
Schmelzwerk  überzogener  Thonmasse,  Bernstein  und  kleinen  Bronzeplatten,  einem 
Messer  nebst  Beschlägeresten  der  Scheide  aus  Bronzeblech  und  zwei  Eisenringen.  — 
Das  10.  Grab  barg  das  Skelet  eines  Greises,  am  Kopfe  lag  ein  Feuersteinsplitter, 
auf  der  rechten  Brustseite  ein  Sax,  von  dessen  Holzscheide  noch  Spuren  und  das 
Eisenbeschläg  mit  zwei  Bronzeknöpfen  gehoben  wurden.  Femer  wurden  geftinden 
das  Gürtelbeschläge  mit  Schnalle  und  Riemenzunge,  zwischen  den  Beinen  eine 
mit  fensterartigen  Stempeleindrücken  gezierte  Urne,  neben  derselben  7  Pfeilspitzen 
(2  blatt-,  3  i*auteniormige,  3  mit  Widerhaken)  und  unterhalb  der  letzteren  zwei 
Elisenringe,  wobei  an  den  einen  drei,  an  den  anderen  zwei  Eisenzungen  ange- 
schmiedet sind,  die  ihrerseits  wieder  Nieten  zum  Befestigen  von  Lederheinen 
tragen:  der  obere  Theil  des  Köchers.  —  Im  11.  Grabe  lag  das  Skelet  einer  Hirsch- 
kuh; im  12.  ein  kleiner  Mann  (Skelet  nur  1,42  m  lang)  nebst  einem  Sax^  dessen 
Scheide  2  Bronzeknöpfe  zierten,  und  5  Pfeilspitzen  (3  blatt-,  1  rautenförmige,  1  mit 
Widerhaken);  am  linken  Fersenbein  haftete  ein  eiserner  Sporn  mit  einem  nur 
wenig  aus  dem  Bügel  hervortretenden  Stachel,  —  ein  sehr  bemerkenswerther  und 
seltener  Fund,  da  in  Bayern  bisher  auf  den  Grabfeldem  von  Nordendorf  und 
Fridolfing,  in  giinz  Frankreich  nur  je  ein  einziger  Sporn  gefunden  wurde.  —  In  dm 
beiden  folgenden  Gräbern  (13  und  14)  zeigte    sich    eine    bisher  noch  nicht  tnjob- 


—     77     — 

achtete  Thatsache.  Bei  sorgsamer  Aushebung  der  gemischten  Erde  erschienen 
nehmlich  die  Wände  an  rieten  Stellen  wie  geweisst,  manchmal  noch  dazu  mit  einer 
dünnen  Ranchschicht  überzogen,  woraus  der  Schluss  zu  ziehen  ist,  dass  sie  mit 
dickflüssigem  Rnlkwasser  besprengt  und  dieser  Ralküberzug  durch  Feuer  getrocknet 
wurde.  In  Grab  13  lag  ein  männliches  Skelet  mit  Spatha,  Gürtelbeschlag  und  zu  Füssen 
eine  zerbrochene  Urne.  —  Das  14.  Grab  ist  besonders  bemerkeoswerth.  Vor  allem 
zeigte  sich  an  demselben  die  nehmliche  links  anliegende  halbkreisförmige  Brand- 
stätte, wie  bei  Grab  Nr.  1,  und  in  demselben  als  Nachbestattung  das  gut  erhaltene 
Skelet  eines  jungen  Mannes  ohne  alle  Beigabe.  Was  Lindenschmidt  vom  Grab- 
felde bei  Selzen  über  die  Einrichtung  der  Brandstätte  berichtet,  gelang  hier  eben- 
falls festzustellen.  Nachdem  aus  der  Grube  alle  gemischte  Erde  bis  auf  den  Lehm 
abgehoben  war,  zeigte  dieselbe  nehmlich  eine  amphitheatralische  Gestalt  mit  vier 
Ringen  oder  Stufen;  von  der  dritten  zur  vierten  Stufe  führte  überdiess  noch  eine 
kleine  Treppe  in  der  Mitte  des  Halbkreises.  Die  Stufen  sind  0,37,  0,16,  0,33, 
0,52  m  hoch  und  0,4,  0,45,  0,23,  0,23  m  breit;  die  Treppe  ist  0,16  m  hoch.  Be- 
stattet  war  in  diesem  Grabe  eine  Frauenleiche  mit  einer  Halskette  von  65  Thon- 
und  Bernstein-Perlen  der  verschiedensten  Farben,  zwei  bemalten  Perlen  aus  Thon 
und  Glas  am  rechten  Oberarm,  einer  eisernen  Schnalle  auf  der  rechten  H^fte;  auf 
der  Bronzeschliesse  der  Halskette  lag  eine  Scheibenfibel,  einen  achteckigen  Stern 
darstellend,  dessen  Strahlen  aus  amethystfarbigen  Glasscheibchen  gebildet  waren.  — 
Die  bis  jetzt  geöffneten  21  Gräber  des  vermuthlich  eine  grosse  Ausdehnung  be- 
sitzenden Grabfeldes  enthielten  sonach  die  Skelette  von  10  Männern  (7  mit,  3  ohne 
Beigaben),  5  Frauen  (mit  Beigaben),  5  Kindern  (3  mit,  2  ohne  Beigaben),  l  Pferd 
und  1  Hirschkuh.  Die  Tiefe  der  Gräber  wechselte  zwischen  1  und  2  m ;  die  Grösse 
der  männlichen  Skelette  in  den  heuer  aufgedeckten  Gräbern  betrug  1 ,84  m^  1 ,6  t//, 
1,8  m,  1,42  fw,  1,4  m,  1,75  iw;  jene  eines  weiblichen  1,65  w.  Die  ausserordentliche 
Sorgfalt  und  scharfe  Beobachtung,  welche  Hr.  Alumnus  Dum  er  den  Arbeiten  zu- 
wandte und  welchen  allein  die  Constatining  der  vielen  äusserst  wichtigen  Einzel- 
heiten zu  verdanken  ist,  verdient  besondere  Anerkennung. 

Hauptmann  H.  Arnold,  München. 
(Allgemeine  Zeitung,  München,  Beilage  Nr.  273.     1891,  2  Oct.) 


Die  archäologische  Landesaufhahme  in  Württemberg. 

Während  Stein  um  Stein  und  Stück  um  Stück  aus  der  altei»  Onlturzeit  unseres 
Landes  in  den  Sammlungen  sich  anhäuft,  schwinden  die  dem  Auge  erkennbaren 
baulichen  Reste  aus  dem  Alterthum  immer  mehr  dahin.  In  wenigen  Jahrzehnten 
werden  von  solchen  ehrwürdigen  Denkmalen  fast  keine  mehr  vorhanden  sein,  und 
zwar  in  Folge  der  Einwirkung  der  Zeit  und  der  Menschenhand,  insbesondere  da  nun- 
mehr bei  der  seit  3  Jahren  begonnenen  Pelderbereinigung  eine  Menge  von  Erhöhungen 
und  Vertiefungen  des  Bodens,  damit  zugleich  aber  auch  ein  grosser  Theil  von 
Ringwällen,  Grabhügeln,  Trichtergruben  u.  s.  w.  eingeebnet  werden.  Der  Schaden, 
den  die  Wissenschaft,  speciell  die  Erforschung  unserer  ältesten  Heimathgeschichte, 
hierdurch  erleidet,  ist  um  so  grösser,  als  mit  diesen  Alterthumsdenkmalen  nicht 
nur  deren  Standorte  unkenntlich  werden,  sondern  damit  zugleich  auch,  wie  bei 
uneröffneten  Grabhtigeln,  eine  Menge  des  werthvollsten  wissenschaftlichen  Materials 
an  altem  Schmuck,  Waffen  und  Geräthen  verloren  gebt.  Das  einzige  Mittel  zur 
Abwendung  dieser  Verluste  ist  die  baldigste  und  genaueste  Aufnahme  jedes  noch 


—     78    — 

sichtbaren  Bestes  von  altertbiUnlichen  Anlagen  und  deren  pünktliche  Kinzeichnang' 
in  die  Rat  asterkarten.    Dieselben   sind   hierzu  yortrefflich  geeignet,    da  sie  im 
Druck   vervielfältigt   sind   und   bei   ihrem  grossen  Maassstab  von    1 :  2500   selbst 
kleinere  Objekte,  wie  z.  B.  römische  Denksteine,  deutlich  angegeben  werden  könDon, 
umfangreichere  aber,  wie  z.  B.  Grabhügel,   in   einer  Grösse  von  mindestens  3  inm 
Durchmesser  erscheinen.    Von  besonderer  ^Wichtigkeit  ist  femer,  dass  bei  diesem 
Maassstab  sich  jeder  archäologische  Punkt  so  genau  bestimmen  lässt,  dass  seine  Lage, 
wenn  seine  äussere  Erscheinung  verschwunden  sein  sollte,  an  der  Hand  der  Karte 
noch  in  den   spätesten  Zeiten   auf  7t  bis  1  m   genau  wieder   aufgefunden  werden 
kann.    Daneben   haben   die  würtiembergischen  Ratasterkarten    für   archäologische 
Zwecke  jetzt  schon  den   ganz   erheblichen  Werth,    dass  auf  ihnen  die  Flurnamen 
enthalten  sind,  von  denen  sich  sehr  viele  theils  auf  noch  vorhandene,  theils  aber 
auf  längst  verschwundene  bauliche  Alterthümer  beziehen  (s.  Paulus,  „Die  Alter- 
thümer  in  Württemberg",  S.  8,  9,  12,  13,  30).    Ausser  den  noch  sichtbaren  Alter- 
thümem  eignen  sich  selbstverständlich  auch  solche,  die  erst  im  Lauf  der  Zeit  noch 
zum  Vorschein  kommen,  wie  Pfahl  werke  von  Brücken,  Dämme,  Pfahlbauten,  allerlei 
Mauerwerk,  Grabstätten   und  Strassen,   sowie  Fundorte   von  Artefakten   zur  Eiö- 
zeichnung  in  die  Ratasterkarten.    Wir  bekämen  so  mit  der  Zeit  eine  klare  üeber- 
sicht  der  alten  Niederlassungen  im  Lande,  über  die  Lage  der  jedem  Wohngebiete 
zugehörigen  Wohn-  und  Grabstätten,  alter  Ackerbeete,  Opfer-  und  Yertheidignngs- 
plätze,  Verkehrswege,  kurzum  ein  Bild,  das,  wenn  auch  manche  Lücken  weisend, 
vielfach  an  unsere  jetzigen  Rarten  erinnern  dürfte,  —  eine  Landkarte  der  Ur- 
zeit Schwabens. 

Dies  ist  im  Wesentlichen  die  Begründung  des  höchst  glücklichen  Gedankens 
des  Vorstandes  der  württembergischen  anthropologischen  Gesellschaft  in  Stuttgart 
Majors  a.  D.  Frhm.  v.  Tröltsch,  die  württembergischen  Ratasterkarten  zu  den 
gedachten  archäologischen  Zwecken  zu  verwenden.  Die  genannte  Gesellschaft,  in 
deren  Mitte  zunächst  Efr.  v.  Tröltsch  seine  Idee  zum  Vortrag  gebracht  hatte, 
beeilte  sich,  den  entsprechenden  Antrag  den  betheiligten  königl.  Ministerien  des 
Cultus  und  der  Finanzen  zu  unterbreiten,  bei  denen  der  Antrag  sofort^  insbesondere 
durch  die  Einräumung  der  Verwendbarkeit  der  Ratasterkarten  zu  dem  ge- 
dachten Zweck,  die  entgegenkommendste  Aufnahme  fand,  und  es  hat  demgemäss 
neuerdings  die  Rönigl.  Rommission  für  die  Staatsalterthümer,  verstärkt  durch 
weitere  geeignete  Persönlichkeiten,  betreffs  der  archäologischen  Landesaufnahme 
eine  Reihe  von  Bestimmungen  getroffen,  von  welchen  wir,  als  von  allgemeinerem 
Interesse,  hier  folgende  hervorheben:  „Der  Zweck  der  archäologischen  Landesauf- 
nahme ist,  ein  möglichst  vollständiges,  deutliches  und  getreues  kartographisches  Bild 
von  allen  im  Lande  bekannten  baulichen  Alterthümem  und  Fundstätten  ans  vor- 
und  frühgeschichtlicher  2^it  zu  gewinnen.  Eine  solche  Aufnahme  dient  als  sidiere 
Grundlage  aller  künftigen  Forschungen  unserer  heimathlichen  Vorzeit  Für  die 
Einzeichnung  der  aufgenommenen  Alterthumsstätten  dienen  ausschliesslich  die 
Ratasterkarten.  Bei  solchen  Stätten,  welche,  wie  z.  B.  Befestigungen,  Pfahlbauten 
u.  s.  w.  detaillirtere  Grundrisse  und  ProOle  verlangen,  wird  es  vielfach  oöthig 
werden,  einen  noch  grösseren  Maassstab,  als  den  der  Ratasterkarten,  zu  verwendeo 
und  das  betreffende  Blatt  als  Beilage  der  zugehörigen  Ratasterkartc  anzuffigen. 
Die  Aufnahmen  erfolgen  durch  die  Oberamtsgeometer  gleichseitig  mit  deren  jahr- 
lichen Landesaufnahmen,  selbstverständlich  unter  Rath  und  Hülfe  aller  mit  dem 
Gegenstand  bekannter  Persönlichkeiten,  Gemeindevorsteher,  Geistlicher,  Lehrer. 
Vorstände  archäologischer  Vereine,  Privatforscher,  ganz  besonders  aber  des  Porst- 
personals.    Behufs  Leitung  und  Controle  der  Aufnahme  wird  das  Land  vorerst  in 


—     79     — 

4,  der  Landeskreiseini heilung  entsprechende  Inspektionen  getheilt,  die  Aufnahme 
solcher  Objekte,  die,  wie  z.  B.  Ringwälle,  archäologische  Kenntniss  erfordern,  hat 
unter  unmittelbarer  Leitung  der  betreffenden  Landesinspektoren  zu  erfolgen.  Den 
Oberamtsgeoraetern  und  allen  mit  der  archäologischen  Landesaufnahme  betrauten 
Personen  ist,  um  denselben  ihre  Aufgabe  klar  zu  legen  und  diese  im  ganzen  Lande 
übereinstimmend  auszuführen,  eine  autographirte  Anleitung  (enthaltend  u.  A.  ein 
Formular  für  die  Anwendung  der  graphischen  Zeichen  für  die  Katasterkarten  und 
einen  Separatabdruck  aus  dem  Werke  von  Paulus:  ^Die  Alterthümer  in  Württem- 
berg") zu  geben."  Weiter  ist  bestimmt,  dass  der  Gang  der  Landesaufnahme  sich 
ganz  dem  der  Flurbereinigung  anzupassen  und  demgemäss  in  diesem  Jahre  in  den 
Oberänitern  Heidenheim  und  Ehingen,  in  welchen  heuer  die  Flurbereinigung  in 
weitestem  Umfang  stattfindet,  zu  beginnen  habe.  Besonders  rühmender  Erwähnung 
verdient  hierbei  die  Thatsache,  dass  das  Rönigl.  Finanzministerium  für  die  Zwecke 
der  archäologischen  Landesaufnahme  für  dieses  Jahr  vorläufig  die  Summe  von 
2000  Mark  bewilligt  hat. 

Schwäbische  Kronik  des  Schwäbischen  Merkurs  zweite  Abtheilung,  1891. 

Nr.  171.    23.  Juli. 


Gesichtsurnen  von  Liebschau,  Kreis  Dirschau,  Westpreussen. 

Auf  einem  isolirten  Berge,  nordwestlich  von  der  auf  der  Karte  als  Liebschauer 
Berge  bezeichneten  Höhe,  wurde  im  August  d.  J.  eine  Steinkiste  entdeckt,  aus 
welcher  2  Gesichtsumen  (I  und  II)  und  zwei  gewöhnliche  Urnen  zu  Tage  ge- 
fördert wurden.  Etwa  30  m  weiter  stiess  man  auf  eine  zweite  Steinkiste,  die  eben- 
falls 2  Gesichtsumen  (V  und  VI)  enthielt. 

Die  Urne  I  ist  eine  Gesichtsurne  von  gewöhnlicher  Form,  fein  geglättet  und 
von  schwarzer  Farbe,  28  cm  hoch,  der  Bauch  von  gleichem  Durchmesser.  Der 
der  10,5  cm  weiten  Mündung  nähere  Theil  ist  halsartig  gebildet  und  zeigt  die  Dar- 
stellung eine«  Gesichtes.  Die  Ohren  sind  durch  kleine  Leisten  ohne  Durch- 
bohrungen angedeutet,  die  Augen  als  wirkliche  Augäpfel  dargestellt,  die  Pupille 
ist  durch  ein  Loch  darin  bezeichnet,  die  Nase  in  ihren  einzelnen  Theilen  sehr 
naturgetreu  und  der  Mund  halb  geöffnet  modellirt.  Unter  dem  Absatz  des  Halses 
sind  zwei  Nadeln  mit  rundlichen  Köpfen  durch  parallele  Leisten  markirt  Links 
unter  dem  Halse  der  Urne,  in  der  Höhe  zwischen  Augen  und  Nase  ist  in  Haut- 
relief eine  schreitende  menschliche  Figur  sehr  primitiv  durch  eine  senkrecht 
stehende,  oben  kopfartig  verdickte,  unten  sich  gabelnde  Leiste  dargestellt.  Vom 
Kopfe  dieser  Figur  läuft  schräg  eine  Linie  nach  dem  Kopfe  einer  vertieft  liegenden 
Zeichnung  eines  Vierfüssers,  vielleicht  eines  Pferdes.  Auf  der  Rückseite  der  Urne 
bezeichnen  parallel  an  einander  gereihte,  unregelmässige  Bogenlinien  schwer  zu 
deutende  Schmucksachen.  Ausserdem  besitzt  die  Urue  einen  Deckel  von  Spitz- 
hutform mit  Stöpselverschluss. 

Die  Urne  U  ist  eine  Gesichtsume  von  29  cm  Höhe,  28  cr/i  Bauchdurchmesser, 
11,2  cm  Mündungsdurchmesser.  Sie  ist  ebenfalls  am  Halse  sanft  abgesetzt  und 
hat  in  der  grössten  Peripherie  des  Bauches  die  Darstellung  eines  breiten  Ringes 
oder  Gürtels.  Die  Gesichtsbildung  ist  ganz  übereinstimmend  mit  derjenigen  von 
Urne  J,  so  dass  eine  unverkennbare  Aehnlichkeit  beider  Profile  auffällt.  (}anz  an 
derselben  Stelle,  wie  an  I,  sind  wieder  zwei  parallel  gerichtete  Nadeln,  beide  mit 
durchbohrten  Köpfen,    dargestellt.     Neu  kommt  hier  an  der  linken  Bauchseite  die 


~     80    - 

Zeichnung  eines  Dolches  mit  Griff  und  Klinge  hinzu,  welcher  auf  einer  deutlich 
begrenzten,  schildähnlichen  Unterlage  ruht  Der  Griff  geht  unten  in  eine  Art 
Parirstange  über,  die  Klinge,  triangulär,  oben  besonders  breit,  scheint  in  einer 
Scheide  zu  stecken.  Auf  der  Rückseite  der  Urne  ist  aus  Strichen  bis  zum  Gürtel 
herab  ein  Gehänge  zu  erkennen.     Ein  Deckel  war  nicht-  vorhanden. 

Die  stark  beschädigte  Urne  V,  eine  Gesichtsume,  gleicht  in  der  Gesichts- 
bildung den  Urnen  I  und  II.  Um  den  Hals  zieht  sich  ein  aus  kleinen  Dreiecken 
gebildetes  Band,  an  welchem  hinten  über  dem  Rücken  ein  viereckiger,  ebenfalls 
aus  kleinen  Dreiecken  zusammengesetzter  Schmuck  herabhängt.  Die  beiden 
parallelen  Nadeln  Qnden  sich  wieder.  Der  Deckel  der  Urne  ist  mützenforroig  mit 
Zickzackornament  und  Stöpselverschluss. 

Von  Urne  VI  sind  nur  Theile  des  Gesichtes  erhalten.  In  den  dreifach  durch- 
bohrten Ohren  hängen  Bronzeringe  mit  Perlen  aus  Bronze,  Bernstein  und  Glasfluss. 
Der  breite  Mund  zeigt  offenbar  eine  andere  Form,  wie  an  den  ersten  drei  Gesichts- 
urnen.    Um  den  Hals  hängt  ein  Schmuck  mit  Gehänge. 

Urne  I,  II  und  V  überraschen  durch  grosse  Aehnlichkeit  der  Gesicbtsbildung, 
so  dass  man  annehmen  darf,  der  Bildner  habe  wirklich  eine  Faaiilienähnlichkeit 
zum  Ausdruck  bringen  wollen.  Auffallend  und  bisher  nicht  beobachtet  ist  ferner 
die  Darstellung  der  Aogen  als  hervortretender  Bulbi.  Der  ganz  andere  Gesichts- 
ausdruck der  vierten  Urne  scheint  die  Ansicht  zu  bestätigen,  dass  die  ersten  drei 
Gesichtsfarmen  nicht  eine  zufällige,  sondern  eine  beabsichtigte  Uebereinstimmang 
zeigen.  Auch  in  der  Ornamentirung  durch  die  zwei  Nadeln,  ähnlich  den  von 
Voss  auf  de^^  Urne  von  Tlukom  u.  a.  beschriebenen,  sind  die  3  Urnen  einander 
durchaus  ähnlich.  Die  interessante  und  seltene  Darstellung  des  Mannes  an  Urne  1, 
der  an  einer  Leine  eia.Thier  nach  sich  zieht,  bestätigt  den  Ausspruch  Virchow's, 
wie  ausserordentlich  deutlich  die  Verfertiger  der  Urnen  mit  den  primitiTsten 
Mitteln  das  von  ihnen  Beabsichtigte  auszudrücken  wussten.  Gleichfalls  von  grosHom 
Interesse  ist  die  Darstellung  des  Dolches  auf  Urne  II,  weil  bisher  nur  ^och  eine 
einzige  Urne  bekannt  ist,  welche  die  Zeichnung  einer  Waffe  unj^  zwar  eine« 
krummen  Sehwertes  ohne  Griff  trägt;  es  ist  dies  eine  Gesichtsume  von  Strzeino 
a.  d.  Netze,  gegenwärtig  im  Besitze  des  Museums  Czartoryski  in  Krakau.  Unser 
Dolch  zeigt  entschieden  die  Gestalt  der  „triangulären"  Dolche,  >w«lche  aus  der 
ältesten  Periode  [der  Bronzezeit  bekannt  sind,  nur  hat  der  Griff  mehr  die  Form 
der  Griffe  an  den  Hallstattschwertern.  Man  würde  fehlgehen,  wollte  man  diesen 
Urnen  deshalb  das  Alter  der  triangulären  Dolche  zuschreiben,  wohl  aber  darf  man 
aus  diesem  Funde  schliessen,  dass  die  Sitte,  solche  triangulären  Dolche  zu  tragen, 
in  der  Zeit  der  Steinki^ngräber  in  Westpreussen  noch  nicht  erloschen  war,  wie 
man  bisher  glaubte.  So  gewähren  diese  Liebschauer  Urnen,  wie  kaum  ein  anderer 
Urnenfund,  einen  ausgiebigen  Einblick  in  die  Lebensverhältnisse  der  Bewohner 
Westpreussens  aus  jener  weit  zurückliegenden  Hallstatter  Zeit  — 

Dr.  Lissauec, 
Naturf.  Gesellsch.  zu  Danzig,  Anthropol.  Section,  25.  November  MIM. 


AbKO*cblossen  am  1-  Deceiiiber  1S91 


I 


Erg&nzBBgsMätter  znr  Zeitschrift  fttr  Ethnologie, 

Nachrichten  über  deutsche  Alterthnrnsfonde. 

Mit  Unterstützung  des  Königlich  Preuss.  Ministeriums 
*   der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medicinal- Angelegenheiten 

herausgegeben  7on  der 

Berliner  Gesellschaft  fflr  Antiqropologle,  Ethnologie  und  Urgeschichte 

unter  Redaotion  von 

R.  Virchow  und  A.  Voss. 


Burgwälle  in  den  Kreisen  Berent  Stargardt  und  Neustadt 

Westpreussen. 

■ 

1.  Sehwedenschanze  bei  Schadrau. 

Fast  östlich  vom  Dorfe  Schadrau,  Kr.  Berent,  liegt  die  sogenannte  Schweden- 
schanze, welche  ich  im  Juni  d.  J.  besuchte.  Sie  beherrscht  ein  grosses  Plateau, 
wohl  600  Sohritte  lang  und  etwa  180  Schritte  breit.  Beim  Aufstieg  im  Westen  ge- 
brauchte ich  245  Schritte.  Im  Osten  lehnt  sich  nach  einer  13  Schritte  tiefen  Ein- 
senkung  ein  44  Schritte  langer  Vorberg  daran.  Die  Höhe  beträgt  nach  der  General- 
stabskarte 499  Fuss  über  M.-Sp.  Hier  im  Osten  fand  ich  eine  schwarze,  wohl 
die  Rochstelle,  wenig  vertieft  (r.  E.).  Im  Westen  unten  fand  ich  eine  durch  ver- 
rottete gebrannte  Lehmklumpen  geröthete  Erdstelle.  Sonst  war  ausser  RoUen- 
stückchen  nictili  forhanden,  vor  allen  Dingen  keine  Scherben,  auch  sind  keine  solche 
gemeldet.  Das  Plateau  hat  hohe  Auf-  und  Abfahrt,  wird  aber  trotzdem  beackert 
Es  war  frtther  Unland,  bekannt  unter  ^em  Namen  der  sog.  Stubben.  Wegen 
einer  vor  der  Separation  bestandenen,  nachher  nicht  mehr  ausgeübten,  jedoch  ein- 
getragenen und  zu  löschen  vergessenen  gegenseitigen  Weideg«'echtigkeit  auf 
diesem  und  dem  benachbarten  Stücke  Landes  herrscht  jetzt  ein  fitreit  mit  der  nahen 
Bauemgemeinde  Alt  -  Englershütte.  Wegen  der  wenigen  Fuode  und  besonders 
wegen  der  nicht  vorstossartig  gestalteten  Lage  möchte  ich  diesen  Platz  nicht  so- 
gleich für  einen  Burgwall  ansprechen,  sondern  fttr  eine  Schwedenschanze.  Die  2ieit 
des  Eindringens  der  Schweden  liegt  aber  auch  schon  soweit  zurück,  dass  seitdem  nicht 
bloss  Stubben,  sondern  auch  grössere  Bäume  dort  haben  entstehen  können.  Dass 
um  Schadrau  die  Schweden  ihr  Wesen  trieben,  beweist  eine  grossmächtige  (wohl 
40  cm  Durchmesser)  steinerne  Rugel,  welche  von  dorther  stammt  und  augenblick- 
lich ihren  Platz  auf  dem  Gutshofe  (Frau  G.  B.  Lelunann)  hat.  Eine  andere,  ab- 
gesprungene Rugel  von  gleichem  Gesteine  (rother  Porphyr)  glaube  ich  im  Thale 
der  Fietze  gesehen  zu  haben.  Allerdings  sind  andererseits  dort  auch  Steinkisten- 
gräber gefunden,  selbst  in  neuerer  2ieit  öfters,  wovon  noch  ein  wenig  omamentirter 
Deckel  auf  dem  Gutshofe  vorhanden  ist.  Aehnliche  Funde  aus  der  Hallstätter 
Epoche  vermeldet  Dr.  A.  LissaVier  (Prähisi  Denkn^  &  93),  der  dieses  Plateau 
selbst  nicht  aufführt.    Dr.  R.  Behla  (Vorgeschichtl.  Rundw.  S.  182)  giebt  es  nach 

6 


-     82    — 

meiner  Mittheilung  als  die  Schwedensehanze  bei  Schöneck,  wie  sie  mir  anfänglich 
gemeldet  wurde.  Die  Belagerung  von  Schöneck  im  30jährigen  Kriege  durch  die 
Schweden  steht  aber  geschichtlich  fest.  Ihrer  erwähnt  auch  das  topogr.-statist. 
Ortschafts -Verz.  des  Kr.  Berent,  S.  35,  wenn  nicht  damit  der  sog.  Schlossberg 
auf  der  anderen  Seite  der  Fietze  gemeint  ist,  ein  wirklicher  Bui^gwall,  der  ron 
hier  aus  zu  sehen  ist.  Eine  so  grosse  Nähe  von  zwei  Burgwällen  erscheint  mir 
aber  auffällig.  Der  Ort  Schadrau  selbst  ist  alt,  da  er  als  Scedrau  (mit  Cer- 
notino,  heute  Gzamoczin,  zusammen)  als  villa  deserta  erwähnt  wird  in  einer 
ächten  Urkunde  von  1198,  Novbr.  11,  Schwetz  (P.  U.  B.  S.  G),  wonach  Grimislaos, 
einer  von  den  Fürsten  Pommerns,  dem  Spital,  des  Heil.  Johannes  die  Borg  Star- 
gardt  und  die  Dörfer  Kamerau,  Revenino  (untergegangen;  der  Name  soll  sich  noch 
im  Borowno-See,  südlich  bei  Schöneck,  finden),  Schadrau,  Gzamoczin  u.  A.  ver- 
leiht. In  gleicher  Urkunde  kommt  auch  ein  Castellum  nomine  Vissoke  vor, 
doch  so  wenig  näher  bestimmt,   dass  es  wohl  auch  der  Schlossbei^  sein  könnte. 


OScA 


^ 


J^tetze-7Ä 


Schwedensehanze  von  Schadrau. 


Es  heisst  nehmlich :  Et  ut  fratres  hospitalis  sine  timore  mei  possint  homines  in  pre- 
fatis  villis  collocare,  dedi  eciam  beato  Johanni,  quod  me  contingebat  de  flovio 
Yerissa  superius  a  castello  nomine  Vissoke  usque  ad  fines  Jarosou  superios  .... 
Aehnhch  lautete  es  in  der  nächsten,  aber  falschen  Urkunde.  Die  Herausgeber  des 
P.  U.  B.  nennen  Vissoke  eine  ehemalige  Burg  bei  Schöneck.  Dagegen  muss  aber 
auch  darauf  aufmerksam  gemacht  werden,  dass  der  sog.  Schlossberg  uriLtmdlich 
ganz  anders,  nehmlich  Castrum  Gnosna,  genannt  wird.  Dann  wäre  Vissoke  aUerdings 
eine  andere  Stelle  und  bliebe  dafür  nur  diese  sog.  Schwedensehanze  fibrig  oder 
etwa  der  sog.  Runde  Berg  bei  Schadrau,  fast  isolirt,  ebenfalls  am  Thale  der 
Fietze  gelegen,  dem  Schlossberge  aber  fast  gegenüber.  Dieser  heute  mit 
schönen  Buchenbeständen  bewaldete  Berg,  vielleicht  seiner  Zeit  mit  in  das  System 
der  Befestigung  gezogen,  bot  aber  trotz  Forschens  keinerlei  Anhaltspunkte  f&r 
einen  Burgwall,  so  dass  seine  anfängliche  Anmeldung  als  solcher  an  Dr.  R.  Behla 
und  die  Aufnahme  in  dessen  Rundwälle  wohl  zu  streichen  wären. 


—     83 


2.  Der  Schlossberg  bei  Schlossberg. 

Wenn  nicht  noch  eine  neue  Entdeckung  hinzukommt,  wäre  dieser  Bni^all 
der  einzige,  der  mir  für  den  Kreis  Berent  zu  untersuchen  übrig  blieb.  Endlich 
fand  sich  im  Juni  (24.)  1891  Zeit  und  Gelegenheit  dazu,  und  zwar  in  Gemeinschaft 
mit  meinem  Vetter,  Assessor  P.  Hannemann.  Er  liegt  nicht  weit  vom  Dorfe 
Schadrau,  im  Tbale  der  Fietze  (alt  Vetissa),  aber  auf  deren  anderer  Seite,  wo  er 
in  seinem  starken  Massiv  sofort  auffällig  erscheint  Er  gehört  dem  Bauer  Stolz  in 
der  Ortschaft  gl.  N.  bei  Schöneck,  einem  Rgl.  Erbpachts-Bauerndorfe  (5  Besitzer),  laut 
Contract  d.  d.  Danzig,  29.  Oct.  1821,  nach  dem  topogr.-stat.  Handbuch  für  den 
Reg.-Bez.  Danzig,  welches  im  Kreise  Berent  an  dieser  einzigen  Stelle  eine  Schanze 
erwähnt:  „es  befindet  sich  an  der  Fietze  eine  Schwedenschanze  und  soll  hier  ein 
Schloss  gestanden  haben '^.  Auch  Dr.  M.  Ferlbach  nennt  ihn  eine  untergegangene 
Burg  bei  Schöneck  (P.  U.  B.).  Er  ist  ein  yeritabler  Burgwal],  heisst  aber  im  Volks- 
munde Schlossberg.  Die  nächste  grössere  Ortschaft  heisst  Jungfemberg  (1819 
ähnlich  ausgethan);  ein  vallum  qui  (!)  Jungfrowe  vocatur,  wird  (F.  ü.  B.  S.  146) 
schon  als  Grenzzug  in  einer,  freilich  wenigstens  interpolirt  und  nur  abschriftlich 
überlassenen  Urkunde  von  1258.  Juli  10.  Dirschau  erwähnt,  wonach  Herzog 
Sambor  von  Fommem  dem  Kloster  Doberan  zur  Gründung  eines  neuen  Klosters 
Sambnria  im  Lande  Garz  ein  Gebiet  ohne  Hufenzahl  in  bestimmten  Grenzen  ver- 
leiht Freilich  meint  der  Bearbeiter  des  F.  ü.  B.  mit  einigem  Rechte,  dass  der 
deutsche  Ortsname  Jungfrouwe  für  1258  in  dieser  Gegend  unwahrscheinlich  sei. 
Aber,  wenn  er  andererseits  selbst  aussagt,  diese  spätere  Interpolation  sei  bestimmt, 
die  Ostgrenze  von  Fogetken  gegen  die  Johanniter  zu  sichern,  so  musa  doch  die 
Urkunde  um  jene  Zeit  auch  vorgewiesen  und  gebraucht  worden  sein,  ganz 
so,  dass  damit  die  Unwahrscheinlichkeit  zerfällt.  Irgend  ein  Deutscher  wird  da- 
mals den  slavischen  Namen  schon  beim  Aufsetzen  der  Urkunde  germanisirt  haben. 
Das  Widerspiel  davon  finden  wir  in  der  Generalstabskarte,  wo  der  aufnehmende 
Officier  derselben  Gegend,  in  welcher  der  Schlossberg  liegt  (deshalb  musste 
ich  diesen  Excurs  mit  in  den  Kauf  geben),  den  slavischen  Namen  wenigstens 
für  die  Höhe,  wenn  auch  nicht  dem  Dorfe,  beigelegt  hat  Dieser  Name 
heisst  Faninagora,  das  ist  also  auf  Deutsch  Jungherrinberg.  Damit  würde 
sich  alsdann  wieder  der  wegen  Vissoke  schon  bekannte  Name  Gnosna  decken, 
welchen  das  F.  U.  B.  an  vier  Stellen,  allerdings  interpolirt  (S.  148.  193.  214.  217), 
die  sich  auf  die  Jahre  1258,  1269  und  1274  erstrecken  und  alle  auf  das  Kloster 
Samburia  Bezug  haben,  nennt,  und  zw^ar  auch  variirend  Gnosna,  G^nsna,  Keneszina, 
Gcncsna,  aber  immerhin  deutlich  als  dasselbe  erkennbar.  Der  Stamm  wäre  also 
Kniaz,  Fürst,  von  dessen  Femininalbildung  Gnosna  abgeleitet  wäre,  also  im 
Sinne  dasselbe,  wie  Jungfemberg,  wovon  leicht  Schlossberg  sich  mit  der  Zeit 
abzweigte,  und  dasselbe,  wie  Faninagora.  Das  Alles  läuft  in  einander  über, 
deckt  sich  jedoch  zu  gut,  als  dass  es  nicht  passen  sollte.  Somit  wäre  Vissoke 
als  alter  Name  hierfür  von  der  Hand  zu  weisen.  Aehnlich  ist  wohl  auch  der 
Name  dei^  Stadt  Gnesen  entstanden. 

In  öffentlichen  Versammlungen  wurde  über  Gemeinde-Angelegenheiten  bei  den 
Slaven  entschieden,  unter  Vorsitz  eines  Fan  (Herr)  oder  Zupan  (Unterherr).  In 
späterer  Zeit  entwickelte  sich  aber  in  Folge  der  vielen  Kämpfe  gegen  die  benach- 
barten VölkeV  ein  Kriegsadel  der  Woiwoden  (Anführer),  die  sich  einen  Oberfeld- 
herm  (Bojaren)  aus  den  Tapfersten  wählten.  Oft  hiessen  diese  auch  Knäse,  Gnese, 
oder  Gnesiota,  Fürstlichkeit  Denn  der  Slave  liebt  das  Abstractum  und  nimmt  es 
sehr  gern  bei  besonders  feierlicher  Anrede. 

6» 


—    84    — 

Sehen  wir  nach  diesem  gcschichtlichcu  Verstösse  uns  jetzt  die  Gnosna  etwas 
näher  an,  so  breitet  aJc  sich  massig  um  das  Fietzethal,  an  diesem  Fasse  ganz  mit  dem 
lan  des  Übliche!)  Kaddig  oder  Kaddick  (Wachholdcr)  bestanden,  durchaus  nicht  vor* 
springend,  aber  zu  beiden  Seiten  dureh  breite  Einschnitte  al^grenzt  die  heute  als  Pa- 
rowen  erscheinen,  am  Grunde  mit  vielen  und  gewaltigen  Steinen  angefUUt,  vordem  aber 
gut  als  Begrenzung  der  Veste  genommen  ^tiirden.  Sie  erscheint  um  so  gewaltiger, 
als  sie  unbeaekert  ist,  sowie  auch  ohne  Wald,  wovon  die  Nachbarhöhen  die  Kiefer 
in  Beständen  aurweisen.  Ihr  Boden  besteht  aus  Grand.  Im  Querzuge  ergab  der 
Aufstieg  198  Schritte  im  Westen,  an  steilster  Stelle  80  Schritte.  Die  Wallkrone 
hat  12  Schritte  Breite  und  ihr  Umfang  220  Schritte;  an  ihrer  steilsten  Stelle 
stieg  ich  45  Schritt«  abwärts,  bis  zu  einer  geringen  (12  Fuss)  Höhnng  im  Innern. 
Die  Länge  des  Raumes  beträgt  9S,  die  Breite  70  Schritte.  K  bedeutet  ein 
Loch,  wo  wahrscheinlich  Schatzgiüber  ihr  Wesen  getrieben,  wie  ich  hörte.  Im 
Osten  ist  eine  Tie^ng,   worin   schwarze  Erde.    Ebensolche  auf  Einbettung  von 


Brandlehmgrus  traf  ich  auf  der  Wallkrone  im  Bilden;  sonst  nur  ein  Scherben-Stflck. 
Gleicher  Abfall  herrscht  im  Osten  und  Süden  der  Veste.  Fast  will  es  mir  des- 
halb scheinen,  als  ob  der  Berg  in  seiner  Kuppe  abgetragen  und  aus  dem  kessel- 
artigen Innenraum  die  gewaltige  Waltkrone  geschaffen  worden  sei.  Ein  AuRnig 
solcher  Hassen  wäre  ausgeschlossen.  Von  der  Seite  sieht  es  ans,  als  ob  vom 
RQckon  her  ein  Berg  gegen  den  anderen  gcschweisst  sei,  und  zwar  in  stumpfem 
Winkel.  Eine  lohnende  Aussicht  über  das  Fietzethal  und  die  gegnerischen  Höhen, 
sowie  ihm  abgekehrt  über  Dörfer,  wogende  Felder  und  den  I^uf  der  fiecundir* 
bahn  erfrischt  den  stark  keuchenden  Ersteiger.  Ganz  nahe  sind  zwei  kleine,  tief 
gelagerte  Seechen.  Nimmt  man  diese,  sowie  die  vorerwähnte  Schwedenschanzc 
als  Vissoke  und  zur  Noth  den  Runden  Berg  als  Zubehör  der  Waltburg,  so  hol 
Panina  einen  starken  GUrtel  besessen.  Dr.  Lissauer  ftlhrt  diesen  Schlosslwrg 
gar  nicht  an;  Dr.  Behia  giebt  ihn  nach  meiner  Hitlheiinng  als  Wall  bei  Jungfern* 
berg,  letzteres  nach  der  jetzigen  Ausführang  zu  Unrecht.  Der  Bericht  des  Wcstpr. 
ProT.-Mus.  zu  Danzig  fUr  1887  (S.  15)  meldet,  doss  imVoijahre  der  Burgwall  nOnoanai'' 


-    85    - 

von  Dr.  Liezau  untersucht  worden  und  dabei  auch  Scherben,  meist  mit  charakte- 
ristischem Ornamente,  gefunden  seien.  Noch  ist  die  Sage  nachzutragen,  dass  vom 
Schlossberge  in  aller  Hoi^enfrühe  z^ei  Jungfrauen  hemiedersteigen,  um  sich  in 
der  nahen  Fietze  an  seinem  Fusse  zu  baden. 

3.  SchweeU  Ostrow  bei  Lissaken. 

Unter  diesem  Namen  verbirgt  sich  nichts  Prähistorisches,  und  will  ich  die 
Localität  nur  anführen,  um  Andere  nicht  von  Neuem  danach  gelüsten  zu  lassen. 
Es  steckt  darin  keine  Schwedenschanze  und  kein  Bui^wall.  Der  Name  bedeutet 
ja  auch  nur  Schweden-Insel.  Die  Bezeichnimg  ostrow  bedeutet  im  Polnischen 
eine  Insel  in  oder  an  Silmpfen,  Landseen  oder  Flüssen,  einen  Holm.  Demgemäss 
fand  ich  auch  nur  einen  hohen,  breiten  und  in  einer  Bruchfläche  isolirt  an  zwei 
Seen  liegenden  Berg,  der  mir  bei  dem  im  Südwesten  des  Kreises  Bereut  gelegenen 
Dorfe  Lissaken  genannt  worden  war.  Von  ihm  wird  gesagt,  vor  Zeiten  bei  einem 
Kriege  hätten  die  Schweden  darauf  ihren  Lagerplatz  gehabt.  Von  schwarzer  Erd- 
schicht als  üeberresten  ihrer  Kochkimst  war  aber  nichts  zu  finden.  Ebenso 
fehlten  alle  sonstigen  Bedingungen,  üebrigens  kann  dieser  Berg  höchstens  eine 
Meile  von  der  Ortschaft  Schwecki  Ostrow  entfernt  liegen,  von  der  ich  ebenfalls 
Vergebliches  in  Bd.  XIX.  der  Sitz.-Ber.  der  Berliner  anthrop.  Gesellschaft  vom 
26.  Mai  1888  berichten  musste. 

4.  Bargwall  Ton  Nea-BarkoczlB. 

Am  nördlichsten  Ende  des  Dorfes  Neu-Barkoczin,  im  westpreussischen  Kreise 
Bereut  gelegen,  (dessen  Name  sich,  ähnlich  wie  die  Ortsnamen  Barken,  Barken- 
felde, Barchnau  u.  A.,  auf  das  slavische  bare  bezieht,  welches  einen  Bienenstock 
auf  einem  Baum  im  Walde  bezeichnet,)  steht  das  neue  Predigerhaus,  neben  welchem 
mir  wiederholt  der  unmittelbar  daran  stossende  Kirchhof  insofern  als  etwas  Wunder- 
bares gezeigt  wurde,  als  er  von  denkbaren  Zeiten  an  in  der  Mitte  eine  starke 
kegelartige  Vertiefung  besitzt  Ich  möchte  ihn  vorbehaltlich  der  Unterstützung 
diu*ch  Funde,  wie  sie  sich  ja  beim  Grabmachen  leicht  ergeben  müssen,  als 
einen  Burgwall  ansprechen,  und  stimmt  mir  Hr.  Conservator  E.  Krause,  Berlin, 
darin  bei.  Fast  unmittelbar  daran,  nur  durch  die  Landstrasse  getrennt,  stösst 
der  Dorfsee,  166  m  über  der  Ostsee.  Denkt  man  sich  diesen  zu  früheren  Zeiten 
von  grösserer  Ausdehnung,  so  muss  der  Hügel,  wie  er  jetzt  aus  Sumpf,  Anger 
und  Ebene  hervorragt,  damals  fast  ganz  von  Wasser  umgeben  gewesen  sein,  also 
gewiss  einen  geeigneten  Platz  für  solche  Befestigung  abgegeben  haben.  Höchstens 
hatte  er  einen  Zugang  von  Süden  her.  Er  würde  alsdann  die  Kette  schliessen 
zwischen  den  Wällen  von  Neu-Grabau  und  Fustpetershütte  rechts  und  dem  an- 
genommenen von  Bereut  (Landratsamt)  links  im  Norden,  und  zwischen  dem  von 
Neu-Paleschken,  Liniewo  und  der  Schwedenschanze  bei  Qarczin  im  Süden.  Seine 
Form  ist  die  eines  auf  die  Spitze  gestellten  Vierecks,  dessen  Ecken  die  Himmels- 
richtungen abgeben.  Ist  von  Wallkrone  auch  nicht  viel  zu  bemerken,  so  ist  doch 
daran  zu  denken,  dass  Zuweg  und  Gräbereien  viel  daran  geändert  haben  müssen. 
Sein  Umfang  beträgt  390  Schritte  oder  das  Doppelte  an  Füssen;  seine  Ausdehnung 
von  N.  zu  S.  95  iii,  von  0.  zu  W.  50  wi.  Die  höchste  Höhe  des  Walles  be- 
trägt 61,50,  die  niedrigste  2,50  m.  In  seinem  südöstlichen  Theile  liegt  der 
Kessel  von  20  Fuss  Abstieg,  148  Schritten  Umfang,  60  Sehr.  Länge  (von  N.  zu  S.) 
und  43  Schritten  Breite.  Dieser  Kessel  zeigt  sogar,  wiederum  südöstlich,  einen 
grösseren  Stein  und  südwestlich  eine  kleinere  Erhöhung.  In  ihm  sind  Stein- 
schichten  zu   constatiren.     Es   ist   bemerkenswerth,   dass   an   dieser   Stelle   noch 


-    86    - 

keinerlei  Gräber,  welche  ich  hier  sonst  wunderbarer  Weise  mit  PfefTennQnzc 
(Mentha  piperita  L.)  als  Schmuck  zahlreich  bestanden  fand,  angelegt  worden  sind; 
es  ist  mir  fraglich,  ob  das  nicht  mit  der  volksthümlichen  Annahme  zusammen 
hängt,  dass  Säufer  meist  dahin  zu  liegen  kommen,  wo  Wasser  sich  zeigt  solche» 
aber  dort  zu  finden  angenommen  wird,  also  jeder  Beerdigte  zum  Säufer  gestempelt 
wurde.  Genug,  der  Platz  steht  Niemandem  an.  Die  Bodenbeschaffenheit  ist  grob- 
kömiger  Grand.  Grössere  Umwährungssteine  mögen  in  dieser  Lage  leicht  einer 
neueren  Zeit  angehören.  Wird  meine  Annahme  nur  irgendwie  bestätigt,  so  map 
der  Wall  leicht  die  Fliehburg  der  alten  Zeidler  sein,  die  in  Wald  und  Sumpf  lap, 
als  es  nur  das  heutige  Alt-Barkoczin  gab.  Die  Umgegend  birgt  viele  Steinkisten- 
gräber mit  Urnen,  darunter  solche  von  glattem,  schwarzem  Thon,  auch  omameniirt 
Auch  Urnen  mit  blosser  Steinpackung.  Diese  wurden  besonders  aufgedeckt,  als 
ein  Danziger  Handelsherr  dort  Steine  zu  Bauten  buddeln  liess,  deren  sich  dort 
kaum  unter  dem  Erdboden  eine  übergrosse  und  erstaunliche  Menge  finden  lässt; 
mittelst  Feldbahn  und  Draisine  schafft  man  sie  zum  Hauptstrange  der  Eisenbahn. 
Auf  den  Feldern  trifft  man  vielfach  noch  Htigelgräber,  gekennzeichnet  durch 
Häufung  und  Setzung  alter  Steine.  Selbstverständlich  melden  von  diesem  Walle 
weder  Behla,  noch  Li s sauer,  der  auch  keine  sonstigen  Funde  aus  diesem  Orte 
kennt.  Kohlen  oder  Scherben  wurden  bisher  nicht  gefunden.  Es  existirt  weder 
ein  alter  Name,  noch  eine  volksthümliche  Bezeichnimg  dafür;  ebenso  mangelt  o» 
an  Sagen  oder  Gerede  davon. 

5.  Das  Burwark  bei  Skurcz  (wohl  nar  ein  Burgberg). 

Im  westlichen  Theüe  des  westpreussischen  Kreises  Preuss.  Stargardt  liegt  der, 
nach  dem  im  Jahi-e  1677  vom  Könige  von  Polen  bestätigten  Privilegium  schon 
mit  einem  Kreuzherrlichen  Privilegium  bedachte  und  früher  Schoritz  genannte  Ort 
Skurez,  jetzt  postalisch  Skurz  geschrieben.  Später  änderte  sich  der  Name  in 
Skorczke  und  wird  so  1528  auf  dem  Landtage  erwähnt  Nach  Dr.  Bemh.  Stadie 
(Der  landr.  Kreis  Pr.  Starg.  in  Altpr.  M.  S.  VI.  S.  709)  fand  1458  beim  Orte 
Schoritz  ein  Gefecht  zwischen  Polen  und  Ordensrittern  statt.  Nach  den  rem 
Gutsbesitzer  Rüss  diesem  Verfasser  gemachten  Mittheilungen,  die  der  seit 
dem  Probste  Zabienski  verloren  gegangenen  Kirchenchronik  entnommen  sind, 
ist  der  Ort  im  Jahre  1339  (in  diesem  Jahre  soll  auch  die  am  Orte  befindliche 
alte  katholische  Kirche  gegründet  worden  sein)  an  den  Schultheissen  Dietrich  von 
Dalwin  (bei  Dirschau)  ausgethan,  mit  dem  Beding,  6  Hufen  zur  Widdern,  6  Frei- 
hufen f(ir  sich  und  das  übrige  Land  an  Bauern  zu  geben.  Bei  diesem  Orte 
sind  zahlreiche  heidnische  (auch  Gesichts-)  Urnen  gefunden.  Sie  sind  erwähnt 
bei  Li s sauer  U.  89;  auch  Funde  aus  der  neolithischen  Epoche  (IL  42)  sind  von 
dorther  bekannt.  Was  mich  jedoch  am  meisten  interessirte,  das  war  die  An»- 
lassung  des  Dr.  Stadie,  dass  in  dem  Privilegium  ein  Burgwall  erwähnt  wird,  der 
noch  heute  Burwark  genannt  werde.  Weder  Dr.  Lissauer,  noch  Dr.  Behla  er- 
wähnen ihn.  Im  Pomerell.  ürk.  B.  S.  211  (1274.  Jan.  2.  Schwetz.  Herzog 
Mestwin  von  Pommern  schenkt  dem  Cistercienserorden  zur  Gründung  eines  neuen 
Klosters  einen  Landstrich  im  Lande  Thymau  zwischen  den  Flüssen  Jonka,  Wanger- 
mutzc  und  Ferse),  wo  der  Grenzzug  a  loco  Castri,  qui  vocatur  Scossow.  beginnt, 
wird  dies  nach  Kujot  Opactwo  S.  60  bei  Smolong,  südwestlich  von  Pelplin,  m 
suchen  sein,  wogegen  der  Herausgeber  Dr.  Perlbach  es  auf  Skurz,  westlich  von 
Mewe,  als  wahrscheinlicher  bezieht.  Wegen  Smolong  (früher  Pechau,  da  Smola 
=  Pech)  erweist  die  Generalstabskarte  dort  mehrfach  isolirte  Bei^  und  Plateaus, 
die  jedoch  noch  der  näheren  Erfoi-schung  harren.    Ausserdem  habe  ich  die  Burg 


-     87    - 

Scossow  als  Jagdburg  mit  Quandt  und  Stadie  auf  den  beschriebenen  ßurgwall 
bei  Borkau,  bezw.  Grabau  bezogen.  Die  grössere  Wahrscheinlichkeit  für  Skurz 
möchte  ich  nur  in  dem  anklingenden  Namen  finden.  Diesen  betrachte  ich  allerdings, 
namentlich  in  dem  alten  Laute  Schoritz,  als  mit  Schar  zusammenhängend,  welches 
Prischbier  (Preuss.  U.  B.  IL  258)  als  die  breite,  streifenartig  sich  hinziehende 
Bodenfläche  in  den  Haffen  mit  möglichstem  Abfalle  des  Bodens  deutet  Ist  dies 
Wort,  fUr  dessen  Bedeutung  das  plötzliche  Abfallen  wesentlich  ist,  denn  aber 
immer  nur  für  den  wasserbedeckten  Seestrand  in  Gebrauch  gewesen  und  könnte 
es  nicht  viel  früher  auch  den  plötzlichen  Abfall  eines  Berges  bei  uns  bezeichnet 
haben?  ähnlich  wie  die  Wissokas  das  Hängende,  das  Gelände  bedeuten?  Und 
dennoch  kann  der  locus  castri  nicht  auf  Skurz  zu  beziehen  sein,  weil  ich  wohl 
bei  meiner  Inspection  dieses  Platzes  einen  steilen  Abfall  fand,  aber  durchaus  nichts, 
was  auf  einen  Burgwall  deuten  mochte.  Bei  Skurz  schiebt  sich  ein  Hochrücken 
vor  zwischen  die  krümmlings  und  eiligst  fliessende,  bei  Schneeschmelze  und 
starkem  Regen  aber  förmlich  wüthende  Wangermuz  im  Westen  und  ein,  heute  vom 
trägen,  sog.  Mühlenfliesse  durchzogenes  Thal,  und  der  Vorsprung  des  Rückens 
soll  dem  Namen  nach  der  Burgwall  Burwark  sein.  Er  liegt  rechts  an  der  nach 
Wollenthal  führenden  Chaussee  und  mag  dies  die  Stelle  für  einige  ümen- 
funde  sein.  Leider  reichte  mein  technisches  Polnisch  für  den  Besitzer 
Langowski,  einen  Stockpolen,  der  kein  Wort  Deutsch  verstand,  keineswegs  aus. 
Eh*  wusste  nur,  dass  hier  das  Burwerk  sei.  Im  Aeusseren  bildet  es  zwar  einen 
hohen  Vorsprung,  an  welchem  die  Wangermuz  ihre  wüthenden  Spuren  in  Form 
von  Terrassen  hinterlassen  hat,  wenn  sie  es  nicht  vorzog,  ganze  Stücke  Landes 
beim  Anspülen  zu  unterminiren  und,  wie  ich  selbst  sehen  konnte,  hinabfallen  zu 
lassen ;  der  Vorsprung  hätte  auch  sehr  gut  zu  einem  Erdwalle  umgearbeitet  werden 
können,  aber  ich  fand  keine  Spuren  von  Befestigung,  keinen  Kessel,  keinen  Einschnitt, 
keine  Wallrinne;  dazu  war  Suchen  und  Fragen  nach  Scherben,  Kohle,  Knochen 
umsonst  oder  leitete  auf  falsche  Spuren.  Der  Boden  ist  ein  äusserst  strenger 
Lehm,  kein  Grand.  Und  dennoch  der  Name  Burwark,  also  Bauerwerk?  Von  an- 
klingenden Namen  führt  Dr.  Behla  Buigwerder  und  Bauembui^  (Schleswig- 
Holstein)  auf,  die  aber  schlecht  hinzupassen.  Jedenfalls  deutet  das  Wort  auf  ein 
Werk  von  Bauern  und  schon  dieser  Begriff  lässt  es  etwas  neuzeitlicher  er- 
scheinen, wiewohl  jede  Erinnerung  daran  verloren  ging.  Eine  Abspülung  des  ge- 
wesenen Walles  wäre  zwar  möglich,  aber  nicht  annehmbar,  weil  die  Stelle  noch 
heute  den  Namen  führt.  Da  man  von  der  Höhe  aber  einen  weiten  Um  blick 
hat,  so  ginge  es  höchstens  an,  das  Burwark  als  Burgberg  aufzufassen,  für 
welchen  eine  noch  grössere  Höhe  aufzutragen  ehemals  ein  Werk  der  Bauern  ge- 
wesen war. 

6.  Der  Schlossberg  bei  Casimirs. 

Auf  dem  im  Eichberge  (194  Fuss)  spitz  in  das  hier  sich  gabelnde  Rhedathal 
auslaufenden  Plateau  der  sog.  Oxhöfter  Kämpe,  Kr.  Neustadt,  nahe  dem  Dorfe 
Casimirs,  trafen  Dr.  Taubner  und  ich  bei  einer  Suchetour  im  Mai  1891  an  einer 
Stelle  des  Plateaus  auf  starke  und  zahlreich  zwischen  den  Bäumen  vei*streute 
Ueberreste  von  gebranntem  Ziegelstein,  Feldstein  und  Kalkmörtel,  in  deren  einem 
Stücke  ich  ein  Muschelstück  von  Anodonta  verarbeitet  fand.  Daneben  wurde  uns 
eine  Vertiefung  von  etwa  10  Fuss  als  Keller  gezeigt,  dessen  länglich  -  viereckige 
Wände  noch  jetzt  mit  Kopfsteinen  vom  Felde  ausgesetzt  waren,  obschon  man  sich 
deren  aus  der  steinarmen  Bruchgegend  bereits  viele  zum  Bau  von  Fundamenten 
geholt    hatte.     Die   Leute    bezeichnen    diese   Stelle    als   Schlossberg.     Es   habe 


-    88    - 

dort  wirklich  ein  Schloss  gestanden  und  der  Fürst  von  Oxhöfl  darin  geherrscht, 
der  sich  Alles  erlauben  konnte,  selbst  über  Frauen  und  Rinder.  Ihn  nannten  sie 
einen  Wopota  in  ihrem  verderbten  Polnisch;  dies  ist  aber  gleich  opat,  Abi  zu 
setzen  und  soll  damit,  freilich  fälschlich,  der  Abt  vom  Kloster  OUva  gemeint  sein. 
An  Oliva  schenkte  Herzog  Swantopolk  1224,  April  23.  ausser  acht  andern  Dörfern 
auch  Dembögorsz.  Jedenfalls  ist  dieser  Schlossbei^  nun  durchaus  kein  Bni^gwall 
oder  Burgberg  in  unserm  Sinne,  zumal  er  nicht  iaelirt  liegt,  sondern  wir  werden 
in  seinen  Trilmmern  die  Ueberreste  von  Gebäuden  anzusprechen  haben,  und  zwar 
aus  geschichtlicher,  aber  sonst  im  Näheren  unverbürgter  Zeit,  die  irgend  ein  König 
Kasimir  von  Pole^  dort  aufführen  Hess,  wonach  auch  das  Dorf  den  Namen  hat 
Darum  nannte  des  nahen  Försters  Töchterlein  sie  auch  die  Kasimirsburg.  Nicht 
zu  verwechseln  damit  ist  die  Schanze  Kazimirowo,  welche  um  1650  König 
Johann  Kasimir  gegen  die  Schweden  aufwerfen  liess,  und  zwar  (nach  Dr.  H.  Pruts, 
Gesch.  d.  Kr.  Neustadt.  S.  120)  der  Stadt  Putzig  gegenüber  auf  der  Halbinsel  Heia 
(innere  Seite),  wo  vorher  schon  die  Schanze  Wladislawowo  bestand.  Wäre  die 
letztere  Thatsache  nicht  gar  so  bestimmt  ausgesprochen,  so  hätte  ich  mit  Vorliebe 
den  Ort  jener  Schanze  an  diese  Stelle  zu  setzen  gewagt. 

Auf  dem  Eichbeige  (auch  die  nahe  Ortschaft  heisst  ähnlich  Dembogorach) 
trafen  wir  auf  einige  erratische  Blöcke',  deren  einer  in  zwei  Reihen  mehrere 
(bis  vier)  Löcher  aufwies,  so  dass  man  leicht  hätte  auf  einen  weiteren  Landkarten- 
stein  SchltLsse  ziehen  können,  wenn  nicht  Bewohner  vom  Orte  Casimirs  uns  ver- 
sichert hätten,  es  seien  das  Spuren  von  Sprengungsversuchen  durch  eiserne  Heissel^ 
welche  ein  inzwischen  nach  Amerika  entschwundener  Mitbewohner  vor  Jahren 
xmtemommen  hatte.  Trotz  der  vollständigen  Uebermoosung  der  Eindrücke 
sieht  man  aber  hieraus,  wie  sehr  Vorsicht  geboten  ist  in  der  Aufl'assung  solcher 
Steine  I 

Hinzufügen  muss  ich  hier  noch  jene  Sage,  wonach  zu  Zeiten,  als  die 
Bewohner  noch  heidnisch  waren,  ein  Bischof  aus  Rom  zu  Schiff  gekommen^ 
unweit  Heia  aber  an  der  Küste  gestrandet,  von  den  Bewohnern  des  Ortes  Rumina 
(alter  Name  für  Rahmel),  der  schon  1220  zum  Kloster  Oliva  gehörte,  gefangen 
genommen  und  20  Jahre  lang  an  einer  steinernen  Handmühle,  die  er  drehen 
musste,  gefesselt  gehalten  wurde,  bis  ein  anderer  Bischof  kam,  ihn  erkannte  und 
erlöste.  Diese  Sage  soll  auch  enthalten  sein  in  einem  Büchlein:  Glowa  Swietei 
Barbary  von  Dr.  W.  K^jot  (Pelplin,  1879). 

Im  nahen  Kielau  (Bahnstation)  soll  auf  dem  sog.  Heiligen  Berge  eine 
Kapelle  gestanden  haben.  Zwar  ist  dieselbe  jetzt  zerstört;  aber  auf  jenem  Berge 
steht  immer  noch  eine  Kiefer,  die  ganz  wie  eine  Kapelle  aussieht  Hier 
werden  auch  zu  Johanni  (Sobötka,  Johannisfeuer)  Theertonnen  abgebrannt  — 
Auch  hörte  ich  hier  wiederholt  die  Geschichte  von  dem  bei  Kielau  im  Moore  auf- 
gefundenen Schiffsrumpfe.  —  Ein  riesiges  Gehörn  aus  dem  Rhedabruche  befindet 
sich  im  Besitze  des  Amtsvorstohers  zu  Dembogorsch. 

A.  Treichel,  Hoch -Paleschken. 


Vorgeschichtliche  Erwerbungen  des  Märicischen  ProvinziaMliiseuiiis 

in  Berlin. 

1.  Im  vorigen  Jahre  wurde  in  der  anthropologischen  Gesellschaft  dnrch  Hm. 
Stadtrath  Friedel  eine  merovingische  silberne  vergoldete  Fibala  mit 
eisernem  Dorn,  sowie  ein  nordischer  goldener  Braeteat  vorgelegt,  welche 


beide  ao  einem  menschlichen  Skelet  in  der  Feldmark  Rosenthal  bei  Berlin, 
gelegentlich  der  Planinings  -  Arbeiten  zur  Berieselung,  gernndea  worden  waren 
(Verhandlungen  1890.  8.  518).  Wie  berichtet,  konnte  das  Skelet  nicht  mehr 
aofgefnoden  werden,  well  es  der  Amtsrorsteher  ror  meiner  Ankunll  hatte  rer- 
graben  lassen,  nachdem  er  sich  fiberzeogt  hatte,  dasa  ein  zu  verfolg:endes  Ver- 
brechen nicht  vorliegen  könne,  und  weil  die  Arbeiter  nicht  zu  erlangen  waren, 
welche  die  neue  Vcrgrabnngsatelle  genaa  kannten.  Ein  Frennd  des  Mnseiuns,  Hr. 
Ornnow,  hat  die  Sache  weiter  verfolgt,  einen  der  betreffenden  Arbeiter  ermittelt 
and  mit  Htllfe  desselben  das  Skelet  wieder  aofgel\inden.  Da  dasselbe  bei  der 
Vergrabang  jedenfalls  nnachtaam  behandelt,  auch  in  Papier  znsammenge wickelt 
worden  war,  so  fehlten  verschiedene  Knochen;  auch  der  Schädel  war  nicht  mehr 
ganz,  sondern  zerbrochen  nnd  dergestalt  verbogen,  dass  die  beiden  grösstcn  Theile 
dosgelben  gar  nicht  mehr  aneinander  paasten. 

3.    Ein   wohteriialtenes  Fenersteinbeil   ans  Berlin   (Fig.  1)   ist   bei    den 
städtischen    Bauarbeiten    am    Mühlen  dämm    aus   dem    Spreegrunde    hervorgeholt 
FJgnr  1. 


worden.  Es  ist  16,5  ein  lang,  keilförmig,  nach  dem  Rücken  hin  verjüngt,  die 
Schneide  6  cm  lang.  Bis  auf  den  Rückerf  sind  alle  Flüchen  goachlifTen,  an  ein- 
zelnen Stellen  sind  noch  die  die  Form  vorbereitenden  DengelungssprQnge  sichtbar. 
Meines  Wissens  ist  dies  das  erste  grössere  Feuersteinbeil,  welches  auf  dem  Boden 
von  Alt- Berlin  gefunden  wurde. 

3.   Eine  Bronzofibuln  von  Rudow,  Kr.  Teltow.    Eine   der   in   der  Mark 
seltener  beobachteten  Fonnen. 

Figur  2. 


V, 

Der  blattförmige  Bügel  von  4  rm  Länge  und  2,3  em  Breite  ist  mit  cingravirten 
Strichen  reich  verziert,  die  beiden  Enden  taufen  in  Spiralscheiben  von  2,7  cm 
Durchmoaaer  aus;  der  Nadelkopf  hat  die  Form  einer  durch  3'/»  Windungen  her- 
gcatellten  8piralscheibo  von  1,8  cm  Durchmesser,  der  Nndeldom  ist  6  cm  lang. 
Die  Fundstelle  ist  ein  altgormaniacher  Begräbnissplatz,  nördlich  vom  Dorf,  wo  die 


Figur  10. 

a 


©D 


Alle  iliisr  Figuren  io  <\ft  Qrflgse  von  7». 


—     91     — 

Qrfiber  indess  längst  zerstört  sind  und  nur  noch  einzeino  Umonscherben  gefunden 
werden. 

4.  Fände  aus  drei  altgcrmanischen  Gräbern  bei  RusdorT,  Kreis 
Crossen.  Dem  Märkischen  ProTinzial -Museum  sind  darch  die  GUlc  eines  Lehrers 
in  Crossen  von  einer,  geli^gcntlich  eines  Borgdurchsttchs,  bei  Rusdorf  gefundenen 
^rilsseren  Brandgräberstelle  die  säninitlichcn  Funde  iius  d  Gräbern  zugegangen 
und  zwar:  4  gröBsere  Aschenumen,  10  verschiedene  Beigcfässe,  2  kleine  Bronze- 
Nndel- Fragmente  und  8  jener,  schon  öfter  gefundenen,  zierlichen  bearbeiteten 
Stetnchen,  welche  wegen  der  vorherrschenden  Achnlichkeit  mit  der  Form  von 
Eiern,  bezw.  der  geprcssten  Käse  „Biersteinc"  und  „Käsestcine"  genannt 
worden  sind. 

Von  den  Gefiissen  gebe  ich  Abbildungen,  und  zwar  von  allen,  weil  es  von 
Interesse  ist,  die  Vcrscbiodenheit  der  Formen  und  Verzierungen  zu  vergleichen, 
welche  zusammen  und  gleichzeitig  in  Gebrauch,  bezw.  in  Mode  waren. 

Nach  dem  sehr  ansfUhrlichen  t^indbcricht  des  Herrn  Serien  war  der  Befund 
der  3  Gräber  folgender: 

Gtab  A  war  mit  31  Steinen  bedeckt,  von  denen  die  obersten  etwa  '/,  ni  tief 
in  der  Erde  lagen.  Unmittelbar  in  der  Höhe  der  (Jmen  bildeten  sie  einen  Kreis; 
einige  davon  waren  nach  Westen  hin  quadratisch  zusammengestellt.  Die  Ober- 
flache dieses  Quadrats  war  mit  Kohlen,  Knochen,  Asche  und  Scherben  bedeckt. 
Innerhalb  des  Kreises,  mit  Sand  bedeckt,  standen  die  Urnen.  Das  Hauptgefäss 
(Fig.  3)  stand  auf  einer  Kieslage  und  enthielt  Knochenasche ;  an  dasselbe  war  die 
grosse  Schale  (Fig.  4)  gelehnt.  Eine  zweite  Aschcuurne  (Fig.  5)  stand  nördlich 
von  der  ersten  and  in  der  Asche  derselben  fand  sich  eine,  zu  einer  Schleife 
zusammengebogene  Bronze nadel.  Zwischen  beiden  Aschenumen  standen  die 
beiden  Tassen  (Pig,  6  und  7)  und  eine  kldne  schön  verzierte  Urne  (Fig.  8). 
Nördlich  von  der  zweiten  Urne  stand  ein  mit  Punkten  und  in  Dreiecke  gestellten 
Parallelstrichen,  sowie  zwei  kleinen  Henkelzapfen  verziertes  niedliches  und  ein 
einhenidiges  nnverziertes  Gefäss  (Fig.  9  und  10).  Westlich  davon  stand  ein  mit 
einem  Ringe  von  Fin^mägel-Rind rücken  verziertes  grösseres  Gefiiss  (Fig.  II)  und 
zwei  gehenkelte  Schöpfschalen  (Fig.  12).  Seitwärts,  jedoch  etwas  höher,  stand  eine 
verziert«  und  gehenkelte  Urne  (Fig.  13),  ein  gehenkeltes  Gefäss  in  Tassenform 
(Fig.  14)  und  eine  kleine  Schale  (Pig.  15),  deren  waagerechter  Rand  mit  5  Strich- 
gmppen  rerziert  ist.  Noch  weiter  seitlich  stand  ein  sehr  sauber  geglättetes  und 
mit  Punkt-  und  Strichgrnppen  verziertes  mittelgrosses  Gefass  (Fig.  16).  Theils  in, 
theils  neben  den  Aschenurnen  fanden  sich  4  kleine  woh  Ige  formte  Stein  eben 
(K&sesteinchen). 

Grab  ß  lag  1,20  m  nördlich  von  Grab  A,  Z^^_L" 

in  einer  Kiesschicht  und  hatte  keine  Stein- 
pack nng.  In  der  grossen  Aschenomc 
(Fig.  17)  fanden  sich  zwei  regelmässig  ge- 
formte Steinchen  von  3,7  cm  Durchmesser 
and  2,2,  bezw.  1,1  em  Höhe,  sowie  ein 
Stückchen  von  einer  Bronzenadel.  Neben 
der  Urne  standen  noch  drei  Belg^ässe 
(Fig.  18-20). 

Das  dritte  Grab,  C,  lag  nahe  bei  A  und 
fl,  war  aber  von  ganz  ifnderer  Art.  Es  war 
eine  Art  Mauerwerk  aus  mit  Lehm  verbun- 
denen Findlingssteinen ;  von  einem  grösseren 


Rpir  1». 


^ 


Stein  als  Hitteiponkt  io  4  Richtangen  strahlentoniiig  aiulanrend.  Kach  nntpn  n 
verjüngte  sich  dies  Mauerwerk  in  5  Schichten  so,  dass  die  fOnfle,  ontentc  Sctik-lit 
nnr  noch  ans  2  Steinen  bestand.  Neben  diesen  untersten  Steinen,  etwa  1,30» 
tief,  lag^en  KohlenstQcke  und  Asche,  auf  der  entgegengesetzten  Seite  einige  kleinnr 
in  einander  stehende  Gefässe  and  in  der  Nähe  2  der  geformten  kleinen  Steincbcn.  — 

Die  Gefässe  sind  meistens  wohl  geformt,  schön  g^läUel  und  auf  rervchiedene 
Art  verziert.  Insbesondere  ist  das  sogenannte  Fingernagel -Ornament  an  zweteo 
(Fig.  3  and  11)  sehr  deatlich,  so  daas  man  den  Fingernagel  mit  der  Finger^itu 
in  jede  einzelne  Vertiefang  genau  hineinpassen  kann.  Bei  der  grossen  Sdisle 
(Fig.  4)  ist  noch  hcnorzoheben ,  dass  auf  dem  Boden,  sowohl  nach  aussen,  vie 
nach  innen,  zwei  sich  kreuzende  Linien  flach  ansgearbeitet  sind:  Kreuz  sk 
Verziemng. 

Der  Gefiisstypns  schliesst  sich  dem  märkisch-schlesisch-poscnscfaen  an.  So- 
wohl die  Gefässformen,  wie  die  geringen  Bronze-Beilagen,  deuten  auf  die  jOngae 
Bronzeperiode. 

EUn  grasser  Theil  der  Funde  aus  anderen  Grübem  dieses  Feldes  ist  in  die 
Hände  des  Herrn  Dr.  Jentsch  in  Guben  gelangt  (Nachrichten  1891.  S.  Ti). 

Was  nun  die  eigenthtimlichen  Steinchen,  ron  denen  steh  8  BtQck  allein  in  dieses 
3  QHibem  gelinden  haben,  während  auf  demselben  Felde  noch  weitere  vorkameo, 
anbetrifft,  so  sind  dieselben  schon  vor  18  Jahren  Gegenstand  der  Erörtemng  ge- 
wesen, als  4  solcher  Steinchen  aas  Zaborowo  in  der  Provinz  Posen  in  der  anthro- 
pologischen Gesellschaft  zur  Vorlage  kamen-  Hr.  Virchow.  welchem  damatt 
auch  Exemplare  ans  Alt-Lauske  bei  Schwerin  u.  d.  Wartbe  vorlagen,  gab  ihnen  vrgtn 
ihrer  Formen  die  Bezeichnung:  „Eiersteine",  bezw.  „Käsesteine"  and  deutele 
sie  als  symbolischi?  Eier,  Käse,  Brod  oder  andere  Nahmngsmittel,  welche  dem 
Todten  mit  auf  den  Weg  gegeben  seien.  Hr.  Friedel  brachte  Notizen  au  der 
Alterthnms-Literatur  bei,  wonach  ihnen  noch  eine  tiefere  symbolische  Bedeatnng 
beigelegt  worden  war  (vgl.  Verh.  1872.  S,  2G7).  Inzwischen  sind  noch  viele  weil«« 
Funde  zur  Kenntniss  gelangt.  Insbesondere  fand  Hr.  Virchow  1873  in  Zaborowo 
(i  solcher  Steinchen  (Veih.  1873.  S.  100),  and  aas  dem  Mark.  Museum  wurde  in 
Jahre  1885  (Verh.  S.  725)  eine  ganze  Reihe  derselben  vo^degt,  wobei  nnch  isf 
den  Uebergang  der  Formen  zu  dem  sogenannten  „Schleudcrstein"  hingewiesen 
wurde.    Fast  alle  Sammlungen  haben  Exemplare  davon. 

Die  neuen  8  Steinchen  bereichern  dies  Material  um  recht  verschiedenartige 
Formen. 

Einer  ist  aus  granilartigem  Geschiebe  hergestellt  (Fig.  1),  6  ans  Quarzsteiochcn 
(Fig.  2-7),  l  ans  Thon  (Fig.  8). 

Fünf  haben  die  Form  einer  dicken  Scheibe,   bezw.  mehr  oder  weniger  Back 


-     93     - 


Figur  21. 


Figur  22. 


Figur  23. 


Figur  24. 


Figur  25. 


Figur  26. 


Figur  27. 


Figur  28. 


f(' 


Alles  V5. 

gedrückten  Kugel  (Fig.  21—25).  Zwei  davon  haben  eben  geschliffene  Flächen 
(Fig.  21  und  24),  eine  ein  wenig  konvexe  Flächen  (Fig.  23),  zwei  ein  wenig 
konkave  Flächen  (Fig.  22  und  24).  Die  Randflächen  sind  bei  zweien  mehr 
cylindrisch  (Fig.  23  und  24),  bei  den  drei  anderen  ähnlich  denen  eines  Kugel- 
abschnitts (Fig.  21,  22,  25).  Diese  5  Formen  könnten  die  Bedeutung  von  Käse 
haben,  da  sie  dessen  durch  Pressen  mit  der  Hand  zwischen  Zeug  entstandene 
Form  nachahmen. 

Ein  Steinchen  hat  die  Form  eines  nach  einer  Richtung  verlängerten  Würfels 
mit  verjüngten  Enden  (Fig.  26).  Alle  6  dächen  sind  regelmässig  zugeschliffen,  so 
dass  die  Kanten  überall  scharf  sind  und  nur  die  Ecken  sich  ein  wenig  abrunden. 
Möglich,  dass  diese  Form  ein  Brod  vorstellen  sollte. 

Zwei  sind  eiförmig,  von  der  Grösse  eines  kleinen  Tafubeneis  (Fig.  27  und  28). 
Beide  sind  wie  von  einer  weissen  Glasur  überzogen,  welche  entstanden  sein 
kann,  als  die  Steinchen  beim  Verbrennen  der  Leiche  mit  Asche  in  Berührung 
kamen,  denn  auch  die  anderen  zeigen  zum  Theil  ähnliche  Glasurspuren  und  alle 
sind  mehr  oder  weniger  der  EUtze  ausgesetzt  gewesen.  Naturgemäss  würde  man 
diese  beiden  als  Vertreter  der  Eierspeisen  ansehen  können. 

5.  Funde  aus  altgermanischen  Gräbern  bei  Mühlenbeck,  Kreis 
Nieder-Barnim. 

Figur  29. 


1/ 

Figur  30. 

Im  vergangenen  Sommer  hatte  Hr.  Grunow  ein  grösseres 
Gräberfeld  zwischen  Mühlenbeck  und  dem  gleichnamigen  See 
entdeckt,  an  dessen  Ausgrabung  ich  mich  betheiligt  habe.  Eine 
Fläche  von  ungefähr  1  ha  war  von  Gräbern  mit  Steinpackungen 
eingenommen,  welche  dem  grossen  Gebiet  der  ostgermanischen 
Gräber  angehören  und  wenig  Auffallendes  boten.    Erwähnen  /t 

will  ich  von  den  Fundstücken  nur  eine  Bronzenadel  mit  dickem  Kopf  (Fig.  29) 
und  eine  Kinderklapper  in  Form  einer  Muschel  (Fig.  30),  welche  durch  Zu- 
sanmiendrücken  der  Ränder  zweier  halbkugeliger  Thonschälchen  entstanden  ist. 

Buchholz. 


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Untersuchung  prähistorischer  Fundsteilen  bei  Liebstedt,  Amt  Weknar, 

Grossherzogthum  Sachsen-Weimar, 

ausgeführt  im  Auftrage  der  General -Verwaltung  der  Kgl.  Museen  zu  Berlin. 

I.  Abfallgrabe. 

Da  bei  dem,  auf  der  nördlichen  flachen  Abdachung  des  Ettersberges  gelegenen 
Dorfe  Liebstedt  in  früheren  Jahren  wiederholt  Alterthümer  gefunden  worden  sind, 
wurde  Unterzeichneter  im  November  1891  mit  einer  Untersuchung  dieser  Localität 
beauftragt.  In  einer  am  Ost-Ausgange  des  Dorfes  gelegenen  Lehmgrube  hatte  der 
Besitzer,  Steinbrecher  Merkel,  früher  einige  Thonge fasse,  deren  jedes  von  fanst- 
bis  kopfgrossen  Steinen  umsetzt  war,  sowie  eine  „Kette^  gefunden;  erstere  waren 
zerschlagen  worden,  letztere  hatte  lange  an  einem  Baume  gehangen,  bis  sie  ron 
einem  Passanten  mitgenommen  wurde.  Die  Fundstelle  erwies  sich  als  eine  in  den 
Lehm  eingesenkte  und  mit  schwarzer  Erde  gefüllte  Grube  ron  2  m  Tiefe  und  5  m 
Breite,  welche  schon  zum  grossen  Theil  abgetragen  war.  In  einer  Tiefe  ron  1,20 
und  1,40  m  liefen  zwei  horizontale  schwache  Schichten  von  stark  mit  Lehm  ge- 
mischter Erde.  Die  rorgenommene  Untersuchung  ergab  in  dem  oberen  Theü 
recente  Gegenstände,  in  0,80  m  Tiefe  erschienen  die  ersten  prähistorischen  Scherben, 
welche  bis  nuf  die  Sohle  der  Grube  herab  vorhanden  waren;  rechts  unmittelbar 
über  der  oberen  mehrten  Lehmschicht  lag  ein  grosser  Haufen  Asche. 

Von  den  in  grosser  Anzahl  gefundenen  Thongefäss- Scherben  sind  folgende 
bemerkenswcrth:  1)  die  Hälfte  eines  ohne  Hülfe  der  Drehscheibe  hergestellten 
Gcfässes  mit  ungefähr  halbkugligem  Bauch,  kurzem,  eingezogenem  Halse  und 
flachem  Boden,  welches  in  der  Form  den  im  Kgl.  Museum  befindlichen  Oefössen 
von  Reinsdorf,  Kr.  Querfurt  (I.  g.  1228)  und  Eisleben,  Kr.  Eisleben  (I.  5720),  ähnelt; 
2)  Bodenstück  eines  Gefässes  aus  grauem,  fein  geschlemmtem  und  gut  gebranntem 
Thon  mit  den  Ausläufern  eines  Ornamentes  aus  tief  eingeschnittenen  Vertikallinien, 
an  der  Oberfläche  schön  geglättet;  3)  Randstück,  nach  oben  einlaufend,  vielleicht 
zu  Gefass  2  gehörig;  4)  drei  Scherben  mit  Eindrücken  von  Fingernägeln;  5)  ein 
Scherben  mit  Kammstrich -Ornament;  6)  ein  viereckiger  Scherben,  woran  zwei 
Bruchflächen  glatt  geschliffen  sind;  femer  wurden  Thierknochen  und  ein  Stück 
Röthel  gefunden. 

Ob  diese  Gegenstände  mit  den  oben  erwähnten  Grabstellen,  —  denn  solche 
sind  es  nach  der  Beschreibung,  —  in  Zusammenhang  stehen,  lässt  sich  jetzt,  da 
die  betreffenden  Urnen  verloren  sind,  nicht  mehr  entscheiden;  wenn  ot  der  Fall 
wäre,  würde  man  die  Scherben  und  Thierknochen  als  Ueberreste  des  Leicbeo- 
Hchmauses  oder  eines  Opfers  anzusehen  haben.  Im  Uebrigen  machte  aber  die 
Fundstelle,  wenn  auch  kein  eigentlicher  Feuerplatz  constatirt  wurde,  eher  den 
Kindruck  einer  Ueerdgrube,  als  einer  Grabstätte.  Für  die  chronologische  Bestinunuog 
ist  besonders  Gefass  1  wichtig  wegen  der  oben  angeführten  Parallelen,  welche  der 
auf  die  Völkerwanderung  folgenden  Zeit,  dem  6.  bis  7.  Jahrhundert  nach  Chr.  an- 
gehören; ausserdem  sind  einige  Scherben  vorhanden,  welche  der  spätrömiscbeo 
Zeit  und  einige,  welche  noch  älteren  Perioden  anzugehören  scheinen. 

II.  StelnUstengrab. 

Etwa  30  m  östlich  von  obiger  Fundstelle  befindet  sich  eine  zweite,  der  Ge- 
meinde gehörige  Lehmgrube,  in  welcher  der  Pächter  Merkel  vor  einigen  Jahren 
eine    aus   aufVechtstehenden   Steinplatten    zusammengesetzte   Kiste   gefunden  hat,